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Full text of "Neue Bahnen"

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Neue  Bahnen 


Johannes  Meyer, 
Heinrich  Scherer 
(1851- ed), ... 


REESE  LIBRARY 


nr  THK 


UNIVERSITY  OF  CALIFORNIA 

m 

Ur^n^P^r^^-v  ^„n»u„  ^jj  ^^1^ 


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NEUE  BAHNEN. 

Monatsschrift 

fOr 

Haus-,  Schul-  und  Gesellschafts-Erziehung. 


Herausgegeben 
unter  Mflwirkung  namhafter  Paedagogan 

VOtl 

Joliazines  Meyer. 

V/I.  Jahrgang.  t8g6, 

\ 

S, 

,       ^-  —  -  - 

Wiestiaden. 
Verlag  von  Emil  Behrend. 

.1896. 


^.1 


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Mitarbeiter  des  VIL  Jahrgano;es. 

I>M  beigcf^es  XiUileD  bexsicluieu  die  ä«iten,  auf  d«D  in  den  «ia«»lnen  il«ft«ii  dt« 

W.  Auj^vSchun,  Mittelschullclirer  in  Broiuberg  205.  584.  —  Joh. 
B«ngel,  Lehrer  in  Raeren  (Rheinprovinz)  209.  505.  561.  —  Dr.  Paul 
Bergetnanti,  Privat-Dozent  In  Jena  i.  65.  139.  177.  393.  -  R.Diet- 
rich, Schriftoteller  in  Nürnberg  218.  233.  285.  327,  345.  457.  625; 
femer  -Wissenschaftliche  Beilage-.  —  Heinr.  Free,  Lehrer  an  der 
B&rgeiBchtile  in  Osnabrück  23.90.  —  Arth.  Häse.  Lehrerin  Magde> 
bürg  35.       Joh.  Hönisch  ei  dt,  Hanptlehrcr  in  Crefeld   129.  196. 

—  Prof.  K.  Klein,  (i%  ninasiallchrer  a.  D.  in  Fnedberg  (Hessen)  46. 
EOi,       Paul  Kocli.    I.ehrer^i^  Penig  126.  —   Marie  Löper- 

Housselle,  Heiaii.sgeberin  der  -  Lehrerin  >  in  Ispringen  (Baden) 
297.  —  K.  Ries,  Lehrer  und  Redakteur  in  Prankfnrta/M.  597.  —  R. 
Rilsmann,  Rektor  in  Berlin  415»  -  W.  Rfibenkamp,  hvhnr  in 
Crefeld  116.  ^  H.  Schröer,  städt  Tnmwart  in  Berlin  388.  452.  — 
1' .  VV.  Schmidt.  Lehrer  an  der  Bürgerschule  für  MSdchen  in  Cre- 
feld. Beilage:  Pädagogische  Hiicher-  nnd  Zeitnngsschau*.  -  Otto 
Schulüe.  Lehrer  an  rkn  Francke.schen  Anstalten  in  Halle  a/S.  109. 
1^2.  211.  477.  ~  F)r.  Rieh   Schulze,  Lehrer  in  Leipzig  52.  170.228. 

—  Paul  Stade,  ( )bt'rlLlircr  in  Sondershausen  291.  337.  -  F.  A. 
Steglich,  Lehrer  in  Dresden  481.  525.  -  Dr.  Goswin  K.  Uphues, 
Umversitats-Profeflsor  in  Halle  a/S.  527.  —  H.  Wigge,  Mittdschnl- 
lehrer  in  Coswig  (Anhalt)  371.  488.  589.  —  Edwin  Wilke,  Rektor 
in  Quedlinburg  312.  366.  —  C.  Ziegler,  Lehrer  in  Eidien  (Hessen- 
Nassau)  553.  614»  —  hl  in  Würzbtirg  422.  —  Pr.  in  Leipzig  536.  — 
Der  Herausgeber  57.  119.  176.  277.  307.  382.  433.  444.  497.  542. 


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Pädagogisclie 

ßüeher-  und  Zeitungssehau. 


Vorbemerkungen. 


T.  Die  »Pädagogische  Bficli er-  und  Zeittm^chau-  verfolgt  den 

Zweck,  einem,  jeden,  der  sich  über  den  einen  oder  anderen  f Gegen- 
stand orientieren  will.  anzugel)en,  welche  Bücher  über  die  betreffende 
IMatcrie  erschienen  sind,  und  wo  er  in  den  Zeitschriften  ein- 
schlägiges Material  findet.  Die  Fachkataloge,  welche  über  ntu  er- 
S(  .icTun»  T^ilclier  orientieren.  l:unmi(n  nur  in  die  Hände  weniger 
Lehrer,  und  der  Schatz  von  Wissenswertem,  der  in  un.seren  Zeit- 
schriften Hegt,  bleibt  gewöhnlich  völlig  ungehoben,  da  es  dem  ein- 
zelnen unmöglich  ist.  alle  pädagogischtn  Rlätler  /.u  lestju.  Deshalb 
will  die  vorliegen  d  e  B  ü  c  her-  u  u  d  Z  e  i  l  u  n  g  s  s  c  h  a  ii  .i  1 1  j  ä  h  r 
lieh  sämtliche  in  erster  Auflage  erschienenen  lUichtr 
und  die  wichtigsten  Zei  t s  v h  rif ten  -  A  r t  i  k  el  surgfältig 
sammeln  und  /.usaninienstellen.  so  dafs  im  f  tufe  <ler 
Jahre  eine  reichhaltige  Utteratur  n  ach)(evviesen  wird. 
Damit  rasch  eine  Ubersicht  über  alles  gewonnen  werden  kann,  was 
if  einem  bestimmten  (".(.bitte  veröffcJitlicht  ist.  geschieht  <lie  Anord- 
nung des  Materials  auf  OrunU  des  encyklopädischcu  Systems. 

2.  Die  nuchstchend  verzeichneten  Bücher  und  Zeitschriftenartikel 
.sind  fmit  AuRnahme  der  in  Xo.  f  anfgeführttii i  sämtlich  im  J.ihre 
1896  erschienen.  Die  hinter  dem  Titel  «1  r  Zeilsi  luifteti  uifgL-fühalc 
Zahl  giebt  an.  in  welcher  Nummer  be/w.  m  wclLhcin  Hefte  der  betr. 
Zeitschrift  der  Artikel  sich  titidel. 

;  Die  Hücher  und  auch  die  meisten  Zeirschriftcu  Artücel  kimneil 
durch  jede  Buchhandlung  be/.ogen  werden,  erstere /u  den  beigesetzten 
Preisen,  letztere  zn  dem  Satze,  der  nach  der  umstehenden  Zeitschriften- 
Tabelle  die  ICiti/elnummern  des  betr.  Hlattes  kosten.  Sollte  dieser  Weg 
nicht  angängig  sein,  sf;  läfst  sieh  das  mei.ste  Material  «lucb  aus  der 
Comeniusstiftung  in  Leipzig  be/.iehen.  i 

(  N.irJi  den  lli'ttinuiiun);«-!!  «Iit  ItibliotlK'ktirihmii:,'  <I<t  •'oiUfnjuh-rir:iiii;,  «.nleii  Itüi  hrr 
uiifniL,'!  lUn  li  Hu-ir<'!ii>h€n  uii  Lrlir'-r  umt  |>iiil«u'i>;;isiti«-  Schrili'it<.>llt>r    iiti<l  iH.u    la  Lfipüiif;  auf 

4,  «Mf-rVll.llh  Ulf  S  Wncll.'n. 

Jt'»l<'r,  «l».r  Um  lii*r  Irihf.  hjit  für  ili>—cll>fti  /u  hiili'Mi  und  für  •MitHtnnd*-ii>-li  Si  luiilon  iia<-h 
Alinoliiit/uii;;  >U'K  l>ir<>kt<iriuni»  «ler  <'<inir!mi>-Siifum;;  l'i>at/  /n  I'  sstcti.  /ur  Sirlirfiiclluuu  «Ii  ; 
Itihliotlick  habrii  sich  An-  Hf>Ii-lliT.  Mifi'iii  ■>!<>  >I<t  liil>l iultii'k >-\ iTwahtiiic  itii'lit  iKTM'uiliiii  t>«»- 
kannt  ».iiid,  dor  l*tl<"ic»clMftfn  7»  ImmIkmu-u  ••d'T  nou-i  iii  L'laiil>wiirdif,'LT  Art  uu•^zuv^»•i^<■n.  Bei 
Bestellungen  durrh  l'i»<(kHrtc  dir  lt<"^'|jnilti;;iiii;:   iliircli  cini'  l*or^on,    w<dch<>  rini'n  «mt- 

lieben  StcmiM  l  führt. 

Da»  Port«  fttr  Hin-  and  UQi-ksoiKlunj;  trii:.'t  di  r  iWütcIter.  lici  Si  ndun^'cn,  welche  üie 
BUilloth«liiv<rw|iltaii|r  unter  Schlei f>'  «dt  r  Kmi/hjnnl  lic«i  tK>t)'lli^'t  und  daher  frankiert,  i»t 
dftt  von  ibr  ausgeleKto  Pi>r«o  vom  UcMolkr  b<>i  der  Kftcknendang  (in  Nnrkenl  beisttlegeo.  Bei 
der  RQekt«ndunf  von  Pncketen  hat  der  lieeteller  alrht  nur  das  I*«rt«,  ««odern  auch  da«  B  c< 
■  teil^eld  (16  Ptg.}  cv  frankieren.  Bei  Anfragen  bediene  man  »leb  der  Poatkarla  mit  b«- 
sahlter  Antwort. 

Diu  liüchrr  siixt  •  inzeln  in  Dmekpspier  oin/ii^<  )ilnpi<n  und  xiinHinincii  in  oin  I'hcIcvi 
sii-lit'r  vi'rpiii  kt  ^uriii  k/UKcliicki'n.  ITnpünktHch«*  .Milirfcruui;  und  •»chleohtL'!»  Hult>-ti  der  Hücher, 
nowie  Niehtfrmriini:  drr  Ku-icn  k>"innen  d<'n  Au--i  !  1  -  .11  der  IJeniit/un^r  iler  Kililiothek  nach 
?iich  ziL'hen.    itei  S.Mnluntreti  ini  iie«  i(  li(    l>i>  I  Kihui  i^t  dii?  Verjiuekunj;  unter  äckiiiifv 

Uder  Kreuzbuiid  zul;i>siL,':  doch  mui-  dier-i-  iiU>  Pjii'li|f.ipicr  l>e>«iehen  und  das  BttCh  oben  lind 
unten  volUtHiidi^'  do  km.    lirioOicbe  Beitugeu  »iiid  iu  dii-»eiu  Fitllv  uncul«s»i|f. 

Mnn  bediene  -uh  der  vollständigen  Adresse:  All  die  Comenlus-Stirtnaip  in 
Leipaig»  Krauier»trafiie  4. 


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Benutzte  Zeltschriften 


Abgekürzter  Titel  • 


Voller  Titel 


Verlag 


Pri  i'.  a.  r 

bxw.  des 
H«fte« 


Allg.  d.  Ifehrerztg. 
Aus  d.  Schule 


All}<eiiit;ine  deutsche      ,Leip/i^^  Jul.  Kltnk-i 

Lehrcrzeitung  |   hardt  1 2v  Vi. 

Ansder  Schule  —  für  die  Leipzig,  Dürr. 

SchtiK'  4ü  Pf. 

ßl.  i.  Scliulpr.  .Blätter fürdicSchulpraxis  Nürnberg,  Korn  i  50  Pf. 
N.  Braunscnw.     iNeiies  Brauiischweijji-  Hraunschwtig, 

SchulbK  schts  Schulblatt  Bruhn.s  Verlag     J  15  H. 

IX  Bl,  f.  er».  rntiDeutsi  lu  niättf-r  für  er-  I.anjjensalza,  Beyer' 

,    ziehenden  l  nterricUt  .    u.  Söhne  1  20  Ff. 

Deutsche  Volk»-  ^Die  deutsche  Volks-      Leipzig,  Siegisimind 

sch.  schule  u,  \  olkening         20  Pf. 

DcutächcSchulztg.i Deutsche  Schukcitung  Berlin.  Öhmigke  1  20  Vi. 
Deutsche  Schul-  iDeutsche  Schulpraxis    iLeipzi^.  Ww«derlicb  ao  Pf. 

prax.  ,  ' 

Kv.  SchuJbl.         'KvaugelischebSchulhlatt^Gütersloh,  Jiertels- 

j  niaun  j  üo  Pf. 

Frankf.  Schuktg.  iPraukfurter  Schul-        Krankfurt  a/M.,  Alfr., 

zeitnnj^  Neumann  1 25  Pf. 

Hannov.  Volks-    Hannoverscher  Volks-  Hildeshein), 

scfaulb.  \   schulbote  Gerstenberg        1 20  Pf. 

Hannov.  Schulztg.  Hannoversche  Schutzei- [Hannover,  Helwiugj  20  Pf. 

tung 

H.  u.  Sch.  .Haus  und  Schule  |Ilannuver,  C  Meyeri  30  Pf. 

Kath.  Lehrenctg.  jKatholische  Kehrerzei-  !  Paderborn,  Schö-  ! 

tnn;^  nTni:fh  15  Pf. 

Katholische'^chulzeituug  Breslau,  Görlich      ^  15  Pf. 

für  Norddeutschland  ' 
Lehrerheini  Stuttgart.  Rob.  Lutz  10  Pf. 

Lehrerin  in  Schule  und  (iera,  Th.  Hofinann>  30  Pf. 

Haus  i 
DieMittelschuk  u.höhereiHalle  a^Ö.,  Schrödel, 

Mäilcht  nschule  '  30  Pf . 

Neue  Hahnen  Wiesbaden,  K.  ' 

'  Behren d  :  i  M. 

X.  Bad.  Schulztg,  Neue  badische  Schulzei-lMannlK  inar  Ver- 
lang ciusdmckerei         20  Pf. 
X.  päd.  Ztg.         Neue  ]>iula.i;()}.;i.sehe  Zet-.Magdeburg,  A.  «». 

tunir  Jensch  15  Pf, 


Kath.  Schuktg. 

Lclirciiieini 
J^ehrerin 

Mittelschule 

.Neue  Hahnen 


X.  Westd.  Lehrer- 

Ztg. 

Päd.  Bl. 

Pädag, 
Päd.  Studien 


Nent'  Westdeutsche       .Elberfeld»  Born 

Lehrer/t,  iliuig  .  20  i'f. 

Pädagogische  Blätter  für'Gotha,  Thienemann i  2  >f. 

Lehrerbildung 
Pädagogium  ^Leipzig,  Klinkhardt  i  M. 

Pädagogische  Studien    Dresden,  Bleyl  u.  t 

Kaeminerer  i,2oM. 


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Abgekürzter  Titel 


Voller  Titel 


Verlag 


IPreleder 
Vanincr 
btw.  des 


'Pädagogische  Zeitung 


20  Pf. 


Berlin   \V  u.  J, 

Löweiithal 
Halle  a/S^  Scfaf«del:  > 
Alteabttrg,  Pierer     i  M. 


Päd,  Ztg. 

Prax.  d.  Volkssch.  Praxis  der  Volksschule 
Praxis  d.  Erzieh- Praxis  der  BrziehungS* 

ungssch.  schule 
Prax.  d.  Landsch.] Praxis  der  I^ndschule  ,08ter«ieckZickfeldt|6o  PI. 
Repert.  d.  Pädag.  iRepertorium  der  PIda-IUlm,  Ebner        '  '45  Pf. 

Rhein.  Bl.  Rheinische BlätterfürKr-|Fraukfurt  a,M., 

Ziehung  u.  Unterricht      Diesterweg  I,5oM. 
Rh.-Westf.  Schul- Rheinisch  Westfälische  {Aachen,  Barth        '30  Pf. 

tkg.  \  Schulleitung 

Schles.  Schuhstg.  ISchlesischeSchulseitung,  Breslau.  Priebatscb  1 15  Pf. 
Schweiz.    Lehrer-  Schweizerische  Lehrer-  jZürich,  Orell  Fülsli; 

ztg.  zeitnng  11.  Comp.  •  10  i*f. 

I,ehr.-Zlg.  f.  Tluir.  I^ehi  ei/eitui)g  für  Tliü- Jena,  Maiiktr  25  Pf. 

'    ringen    u.  Mittel- 
deutschland 

Monatschr.  f.  d.    iMonatsschriftf.dasTum-jBerlin.  K.  ciärtners( 

Tumw.  wesen  j  Verlag  ;6o  Pf. 

Lehrerztg.  für       Lehrerzeit^.  f.  Westfalen,jBiclefeld,  Helmich  ;  25  Pf. 

Westfalen  die  Rheinprovinz  etc.  j 

AUgeni.  Schulbl.    Allg.  Schiilblatt  für  den  Wiesbaden  Bechtold, 

Reg.-Bez.  Wiesbaden      u.  Comp.  'ao  Pf. 

Zeitschr.  f.  ev.  Rel.- (Zeitschrift  für  den  evang.lBerlin,  Reuther  ;i,5oM. 

Unt.  !  Rel.-Unt 

Zeitschr.  f.  Philo- iZeitschrift  f.  PhilosophielLangensalza.  Beyer' 

Sophie  u.  Pädag.     und  Pädagogik  ti  Sohne  't,2oM. 

Südd.  Bl.  f.  höh.lSüddeutsche  Blätter  für  Stuttgart,  Neff. 

Unterrichts- An -I   höhere  Unterrichtsan-f 

stalten  i  stalten 

Ztschr.  f.  deutsch.  Zeitschrift  für  den  deut- 

Unterr.  sehen  Unterricht 

Ztschr.  f.  weibl.    |Zeitschrift  fflr  weibliche 

Bildg.  j  Bildung 

Ztsch.  f.  Reform  d.|Zeitschrift für  Reform  deriBerlin,  O.  Salle 

höh.  Scfa.  höheren  Schule« 

Der  Rektor         iDer  Rektor  {Wittenberg,  R 

Herroses  Verl.  ? 

bchulb.  f.  Hessen  Schulbotc  lür  Hessen     Giefsen,  E.  Roth     1  ? 
Sanunl.  |>äd«  Vortr. | Sammlung  pädagogi-     ^Bielefeld,  E.Helmich| 

scher  \'orträge  ? 
Ztschr.  f.  TunieniZeitschriflfürTurneuundjLeipzig,    K.  \  oigt-i 

u.  Jugendsp.      1  Jugendspiel  lander  '30  Pf. 

Ztschr.  f,  vSchulge-!Zeitschrifl  für  Schulge-jHambttrg,  L.  Vofs 

suudheitspfl.         sundheitspflege  ? 


Leipzig,  Teubner 
Leipzig,  Teubner 


75 


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Inhaltsverzeichnis. 


I.  Abhandiangen. 

Heil«. 

Adam  Smiths  pädagogische  Ansichten  und  Kritik  derselben. 

Von  Dr.  Paul  Bergemann  in  Jena  ...  i.  65.  139.  177 
Die  experimentelle  Psychologie.    Von  Heinrich  Free  in 

Osnahn'irl:    23.  90 

Umgestaltung  des  T,ehr])lane.s  und  der  ( )r^^■llli.sation  der  Volks- 
schule nach  den  Forderungen  der  (icgenwart.    Von  Joh. 

Homscheidtin  Crefeld  129.  196 

Zwei  Fragen  ans  der  Geometrie.    Von  W.  Augschnn  in 

Brombei^g   .  305.  584 

Sdiweiscriscbes  Volksschnlwesen.  Von  R. Dietrich  inKandem 

(früher  in  Zfirich)  233.  345.  457 

Ober  die  Erziehung  und  AusTiildun>:  der  Mädchen.  Von  Marie 

Lop  e r  -  TT  o  u  .s el  1 1  iri  T^pringen   .    .   297 

Ober  Volkshochschulen.  \  on  Dr.  Panl  Ft-rtremann  in  Jena  393 
Geschichte  der  Methodik  des  kulturgeschichtlichen  Unterrichts. 

Von  Joh.  Bengel  in  Raeren  505.  561 

Friedrich  Dittes;  Von  R.  Dietrich  in  Nürnberg  625 


II.  Eingehende  Bhcherbesprecbangen. 

Karl  Kollharh  NatnrwisseTis<  Haft  und  Schule,  mit  (irund- 
zügen  zur  Kefomi  dieses  Unterrichts.  Von  Arth.  Häse 
in  Magdeburg   35 

C.  von  Massow,  Reform  oder  Revolution.  Von  Otto  Scliulze 

in  HsUe  a/S  108 

Dr.  Fr.  Sachse,  Zur  Schtüreform.  Von  Otto  Schulse  in 

Halle  a/S  152 

J.  Königbaner,  Zur  Reform  d  es  Unterrichtsbetriebes  in  Volks- 
schulen.   Von  Otto  Schulze  in  Halle  a/S  156 

S.  S  m  i  1  e  s .  Charakter.  Pflicht  Selbsthülie.  Von  Otto  Schulze 

in  Halle  a/S  211 

Dr.  Karl  Biedermann,  l^eitfaden  der  deutsdien  Geschichte. 

Von  Joh.  Bengel  in  Raeren  269 

Weigand  und  Tecklenburg,  Deutsche  Geschichte  nach 
den  Forderungen  der  Gegenwart  Von  Joh.  Ben  gel  in 
Raeren  273 


\'l  IlllMlt»«t*r«('ifillli». 


Job.  Hache  und  Herrn.  Prflll,  Der  gesamte  Sprachunter- 
richt in  der  Volksschule  im  Anschltir.s  an  den  Sachunter- 
richt.   Von  Edwin  Wilke  in  Quedlinburg  312.  36A 

Prof.  Dr.  \V.  Rein.   Hncyklopädisches  Handbuch  der  Päda« 

^Dgik.    Von  K.  Rilsuiann  in  llerhn  415 

Sieger  und  VVohlrabc    Lesebuch  für  Mittelsch\ikn  \"nii 

Otto  Scbulze  in  Halle  a/S  47; 

Joh.  Friedrich,  Jakob  Frohscbainmer,  «in  Pädagog  unter 


den  modernen  Philosophen.  Von  F.  A.  Steglich  in  Dresden  525 
Dr.  Kasimir  Twardowski,  Zur  Lehre  vom  Inhalt  und 
(Gegenstand  der  Vorstellungen.   Von  Prof.  Dr.  Goswin 
K.  Uphues  in  Halle  a/S.  527 

in.  Rundschau. 
(Lose  Blätter.  ^  Auf  der  Warte.) 

Welche  Eigenschaften  soll  der  Lehrer  als  Encieber  haben,  welche 

nicbt!    Von  Prof.  K.  Klein  in  l'nedberg   46 

Über  Mädchenlebrer  und  Mädchen behandlung.   Von  Prof.  E. 

Klein  in  lYiedberg   49 

Über  die  Mineralogie  in  der  Volksschule.    Von  Dr.  Rieh. 

Schul /ein  Leipzig   52 

Die  Ivinübung  der  abhängigen  Fälle.    Von  W.  Kübeukanip 

in  Crefeld  *  ti6 

Über  Schulspaziergänge  und  ihren  ethischen  Nutxen.  Von 

Prof.  E.  Klein  in  Friedberg  ,  ,   .   ,  161 

Pädagogische  rmscbau:  Scblufs  des  Schuljahres;  Nebenbe- 
schäftigung der  Schulkinder:  Kntwurf  des  preufsischen 
I.ehrerbesf^ldung.sgesetzes ;  <lie  Petition  des  preitfsi.schen 
Kektorein  ereins  bezüglich  des  Lehrcrbesoldungsgesetzes. 
Vom  Herausgeber   .  277 

Pädagogische  Umschau;  Das  preufsische  Lehrerbesoldungsge- 
setz; die  Osterversammlungen  der  Lehrer;  Dr.  Priedr. 
Dittes  f.   Vom  Herausgeber  317 

Die  deutsche  lyehrerversammlung  in  Hamburg.  Von  H.  Wigge 

in  Coswig  372 

Die  Schule  auf  dem  VIL  evangelisch-sozialen  Kongreis.  \^on 

-hl  in  Wiirzburg  422 

Die    Neuen  bahnen-  auf  der  .Anklagebank.    Vom  II  er  aus - 

J?t-'ber  433 

Freie  Vereinigung  für  philosophische  Padagugik.    \  on  F.  A, 

Steg  lieh  in  Dresden  481 

Die  Abänderung  der  Prüfungsordnung  für  Mittelschullehrer  imd 

Rektoren.  Von  H.  Wigge  in  Coswig  488 

2H.  (ieneralversammlung  des  Vereins  ftjr  wissenschaftliche  Päda- 
gogik zu  (ilauchuu  i.S.   X'on  Fr.  iu  Leipzig  536 


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Vll 


Rnndscnau  Der  Entwtirf  einer  neuen  Prüfuttgsordnuntj  für 
MittelschnlkhrcT  und  Rektoren;  die  Schule  auf  dein  Kntho- 
likeiitag;  die  13.  Haujitvcrsainmlunjj  des  Bayrischen  I.c  hrer- 
vereins;  der  3.  internationale  Kongrefs  für  Psychologie: 
die  Kreuzzeitung  und  die  modernen  Lehrer;  die  Kölnische 
y^tatifi  über  die  Berechtigung  der  l^ehrer  zum  einjährig- 
freiwilligen  iMenst;  das  neue  Schulg^esetz  in  Schweden- 
Norwegen ;  der  Fall  Lan^ennann;  Pestaloz%i-Studien  von 
1..  W.  Se>'ffartli ;  A.  Chr.  Jessen  gegen  die  :  Neuen  Bahnen  ' , 
Vom  Herausgeber  542 

Ist  /,ur  erfolgreichen  l,eitung  einer  \  nlksschnle  die  Ahlegung 
der  Mittelschullehrerprulun.L;  \  itr  i!(  in  Rektoratsexameti 
notwendig  oder  nicht?  Krsle  Antwort  von  II.  Wigge  in 
Coswig.  Zweite  Antwort  von      Ries  in  Frankfurt  a/M.  .sSy 

Kundsdiau :  Der  internationale  Prauenkongrefs  und  die  Volks- 
schnllehrerinnen :  der  8.  Verhandstag  des  deutschen  Fröbel- 
Vereins;  der  i.  deutsche  Fortbikhmffsschultag  und  das 
Forthildungsschulwcsen  in  den  deutschen  Städten;  die 
Hcrbstvcrsamminngen  der  deutschen  Lehrervereine;  das 
schuljjolitischf  Prograinni  dernational- sozialen  l'artei ;  das 
koinniciKk  l.L-hicrhtsohUuigsgcsel^ ;  L.  Se\-ffarths  Auf- 
ruf zur  (Iri'uidung  einui  Pestalozzi-Stiftung  (k*3 

IV.  Wegweiser  durch  die  püdagogisehe  liitteratnr. 

Neuere  Erscheinungen  auf  dem  ( icbiete  des  deutsdien  Sprach- 
unterrichts, Vom  Herausgeber.  Mit  Anhang  von  Paul 
Koch  in  Penig  57.  119 

Neuere  l'rscli einungen  aiit  ilcm  Oebiete  des  naturwissenschaft- 
lichen Unterrichts.  \  on  Dr.  Rieh.  Schul/.e  in  Leipzig  170.  22S 

Neuere  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  des  Zeichenunterrichts. 

Von  Paul  Stade  in  Sondersfaausen  291 

Neuere  Erscheinungen  auf  dem  Gebiete  des  Turnunterrichts. 

Von  H.  Schröer  in  Berlin  388.  452 

Nenere  Aufsätze  aus  der  Fachpresse.  Von  C.  Zi  egl  e  r  in  Eichen  553.  614 

V:  Nene  Btteher  und  Auf^Ktce. 
Seite  64.  laS.  176.  232.  296.  344.  392.  450.  5*<4.  ^u».  624. 

Beilagen. 

Pädagogische  Bächer-  und  Zeitungsschau.    No.  1-4.   Von  F.  \V. 

S  c  h  m  i  d  t  in  Crefeld. 
Wissenschaftliche  Beilage.  Xo.  1-  6.  Von  R.Dietrich  in  Kandcrn. 


Neue  Bahnen. 

Monatsschrift  für  Haus-,  Schul-  und  Gesetlschafte-Erziehung. 

Heft  1.  ^      Januar  1896.  VII.  Jahr^* 

Adam  Smiths  pädagogische  An- 
sichten und  Kritik  derselben. 

\'(>u  Or.  Paul  Bergemann  in  Jena. 

Adain  Smith, ')  dieser  i^rofsc  schottische  Philosoph,  wurde 
■WA  5.  Juni  [723  in  Kirkcaldy  in  Schottland  als  einzijjer 
Sohn  eines  Zollheanitrii  und  /war  einirfe  Monate  nach 
dessen  Tode  j^ebtnx  n  und  niissc  hlielslich  und  mit  der 
äufsersten  Nachsicht  von  >viner  Mutter  erzojj^en.  Da  er  in 
seiner  Jugend  von  sehr  zarter  (xesundheit  war,  ist  dies 
nicht  zu  verwundern;  eine  un<;ünsti^;e  Wirkung  hat  es  glück- 
licherweise nicht  gfeliabt.  Bis  zum  Jahre  1737  besuchte  er 
die  vSchule  in  Kirkcaldy  und  zeichnete  sich  schon  damals 
durch  eine  leidenschaftliche  Liebe  zu  Büchern  und  durch  ein 
eminentes  r.tdächtnis  aus.  Sein  wohlwollender  und  liLl)ens- 
würdi<^er  Charakter,  seine  stete  Ililfsbereitschatt  gewannen 
ihm  die  Herzen  s^iiK  r  Kameraden  wie  aller,  die  nn't  ihm  in 
nähere  Derühiunjj  kamen.  Xachdem  er  drei  Jahre  aul  der 
(ilasgower  Universität,  wo  damals  Hutchcson  wirkte,  beson- 
ders mathematische  und  naturphilosophische  Studien  getrieben 
hatte,  trat  er  in  das  „liaftol  Caftege"  zu  Oxford  als  Stipendiat 
der  Snell'schcn  Stiftung  ein.  Während  seines  dortig; c  n  siehen- 
jährii^en  Aufenthaltes  wandte  er  sich  gegen  den  Wunsch 
seiner  Anj^^ehöri^eu,  die  ihn  zum  «geistlichen  Stande  bestinnut 
hallen,  dem  Studium  der  so^en.  srli/nien,  der  Moral-  und  der 
Siaat.swissenschalten  /u  und  übte  sich  ferner  üeiisig,  um 

'1  Sinith'.«i  erster  Wograph  war  Diigald  Stewart,  auf  ihn  stützen 

sii  li  alle  s]i;iltrcii  I )arsli  lhjn;^\  u  des  Lebens-  und  IvitUm«.  k<- hnrj^'s- 
gangcs  lies  I'hilo.sophen.  Wer  sich  weiter  dafür  interessiert,  der 
SCI  besonders  auf  die  im  Juliheft  1K76  der  Fortnii^htlv  Rn'f'nc-  er- 
schienene an/ielietule  IJio^raphie  von  Walter  Hai^chot,  der  vor 
nianchi  Ti  anderen  den  XOr/aiy  h;it  nicht  /.u  <1en  einseiti>icn  \W- 
\\  un<!t.  i  Li  ii  Snnlh's  zu  jj:eh«'>ren.  ;iuuiK  rksani  ^^eniat  l\t ;  dieselbe  fiilirt 
den  Titel  A<l<nn  Sniilli  a.s  n  fuisiui  .  Ich  lialte  niicli  hier  namentlich 
an  Cnllocirs  S'uitli  ihr  Uli  i<f  /)i  S/>iitfi  S.  l  ff.  der  von  ihm  bc- 
.sorgten  .\usi*al>e  des    Wtniih  <>/  .\'>f//»//,^  . 


VfUf  liiilimn  VM.  i. 


I 


2 


seinen  eigenen  Stil  zu  verbessern,  in  dem  Übersetzen  von 
Werken  namentlich  aus  dem  Französischen.  Nach  seiner 
Rückkehr  von  Oxford  blieb  er  fast  zwei  Jahre  in  Kirkcaldy 
bei  seiner  Mutter^  in  ruhiger  Zuruckgezogenheit  und  freier 
unabhäni^iger  Stellung  ganz  den  Wissenschaften  lebend^  da 
er  beschlossen  hatte,  sich  der  litterarischen  Laufbahn  zuzu- 
wenden, fietrcn  Kiide  des  Jahres  jy^^  siedelte  er  uach  Kdin- 
burgli  über,  wo  er  während  dreier  Jahre  rnif  Zureden  des 
Lord  Kanies  und  einiger  anderer  Freunde  irrii  XOrlc^ungen 
über  Rhetorik  und  schöne  Wissenschaften  vor  einem  stets 
sehr  zahlreichen  Publikum  hielte  das  hauptsächlich  aus 
Studenten  der  Theologie  und  der  Rechtsgelehrsanikeit  be- 
stand.^) Auch  fällt  in  diese  Zeit  der  Beginn  seiner  innigen 
Freundschaft  mit  Hume,  die  bis  zu  dessen  Tode  unerschüitert 
fortbestand.  Durch  jene  Vorlesungen  wurde  Smith  bald 
eine  angesehene  Persönlichkeit  und  erhielt  1751  einen  Ruf 
als  Professor  der  J,ogik  an  die  Universität  (rlasguw.  Schon 
im  folgenden  Jahre  wurde  er  nach  Craigie's  Tode,  mi- 
mittelbaren  Nachfolgers  von  Hütcheson  auf  diesem  J^chr- 
stuhle,  Professor  der  Moralphilosophie  daselbst  und  blieb  drei* 
zehn  Jahre  auf  diesem  Posten.*)  Die  \'eröffentlichung  der 
^Theonj  of  mmul  .seHtiiHrnts"  im  Jahre  1759  machte  ihn  zum 
berühmten  ^Lanne,')  sein  Ruf  überschritt  die  (irenzen  seines 
engeren  X'atcrlandes  und  verschaffte  ihm  1763  die  (^lelegen- 
heit,  den  jungen  Herzog  von  Huccleugh  auf  seinen  Reisen 
zu  begleiten,  was  ihn  allerdings  nötigte,  seine  Professur  auf- 
zugeben. Die  Rei.-^e  ging  nach  I-" rankreich  und  Italien.  In 
Paris,  wo  man  .sich  etwa  ein  Jahr  aufhielt,')  machte  Smith 


*)  Unter  seinen  Hörem  befanden  sich  hier  11.  a.  Mr.  Wedderbiirn« 

r!t  r  spntcn  I.ord  I,oiiir^i1><>roiifrh.  Mr.  William  Johtiston.  der  nach- 
malige ^ir  William  l'ultcue^v  und  Dr.  lilair. 

*)  Über  seine  Lehrthätigkeil  berichtet  Mr.  Mtüar.  Professor  der 
Jurispnidenz  in  (Glasgow  niul  Wrfasser  <ks  llistorixil  r/rw  /  / 
/•Jtii^'h's/i  <^nvrrn)iicut  ,  f^w  Sniith's  X'orlf sungt-n  hört«.-,  iMil^rinl- :  I>ic- 
selbcn  zerfielen  in  vier  J  cik  ;  der  erste  iinifasstc  die  naiuriiclie  Theo- 
logie, der  zweite  die  Ethik  u\\  eii;entlichen  tmd  enteren  Sinnen 
jene  Lehren,  die  er  später  in  seiner  'IIuoiy  i-i  ^  ■  ,/ ///>  ver- 
öffentlichte«, der  dritte  den  Zweig  der  Moralplnlosophie  ,  der  sich 
mit  den  Rechts-Problemen  beschäftig-t,  nnd  der  vierte  endlich  die 
N  ati  o  n  a  1  -  Ö  k  o  n  n  ]  n  i  c 

^)  1762  ernanute  ilui  der   S,  //.//us  Atw/efiiirm .  der  l^mversität 
Glasgow  zum  I«'hrendoktor  der  Rechte. 

1764  kam  man  zum  ersten  Male  nach  l'aris,  hielt  sich  aber 
nur  wenij^e  Taire  m  d(  r  franv:ösischen  Tl  arptstadt  auf  nnd  gin<j  dann 
nach  Toulouse.  IS  ach  euieni  Aufenthalte  von  achtzehn  Monaten  da- 
selbst begab  man  sich  nach  Genua  nnd  kehrte  von  da  nach  zwei 
Monaten  wieder  nach  Paris  /-nnick  :  der  zwc'tf  Anfcrithalt  in  dieser 
Metropole  dauerte  alsdann,  wie  oben  erwähnt  worden,  fast  zwölf 
Monate. 


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AJüin  ^miih»  pä'laKoK'i'ch**  An»ti>lit«>a  iukI  Kritik  «Irrurlbfiu  ^ 

die  Kekaniilschaft  der  Gröfseii  (kr  {l;unan<4cn  französikcheii 
Wissenschatt  und  TJtteratur;  Hume  s  Eiiipfelilmig  führte  ihn 
in  die  Kreise  der  ICncyklopädisUn  und  der  Physiokraten  ein: 
er  lernte  Turgot,  d'Alembert,  Helvetius,  Marmontel,  den  Abb4 
Morellet,  den  Herzog  von  la  Rochefoucault,  Qiiestiay  n.  a. 
kennen  —  namentlich  zu  dera  letztgenannten,  dem  Haupt- 
begründer des  physiokratisclien  »Systems,  trat  er  in  intimere 
Hcziehung^en.  Im  Oktober  1766  kehrte  er  mit  dem  Herzog 
nach  London  zurück  und  begab  sich  von  da  zu  seiner  Mutter 
nach  Kirkcaldy,  wo  er  zehn  Jahre,  mit  nur  kleinen  Uuter- 
l»rechungeu,  lebte,  beständig  mit  seinen  vStudicu  und  der  Ab- 
fassung seines  grofsen  Werkes  „hifjuiri/  into  flu  nature  and 
rffin»e»  (ff  fhe  trmifh  of  itations*'  beschäftigt,  dessen  Veröffent- 
lichung im  Jahre  1776  erfolgte.*)  Die  beiden  ersten  Jahre 
nach  dem  Erscheinen  des  genannten  Werkes  verbrachte 
er  in  London,  „nfres.<(ff  Inj  fhe  moat  distlnr^niaclied  permm  In 
fhe  )U('frojn>Jis^ ,  die  stolz  auf  seine  Ik»knnntschaft  waren. 
177S  erhielt  er  auf  Betreiben  seines  ehemaligen  Zöglings  , 
des  IKr/oiirs  von  Huccleugh,  eine  eintragliche  Zollanits- 
vSieilc  in  vSchottland,  die  ihn  nötigte  nach  Kdinburgli  über- 
zusiedeln, wohin  ihm  seine  Mntter  und  seine  Cousine  Miss 
Douglas  —  Smith  war  unverheiratet  ■-  begleiteten,  um 
ihm  einen  gemütlichen  Hausstand  und  die  Annehmlichkeiten 
geordneten  Familienlebens  zu  verschaffen.  Im  Jahre  1787 
ward  ihm  die  FJire  zuteil,  zum  Lord  Rektor  der  l'uiversität 
f'.la.snrow  ge\\;ihlL  zu  werden,-)  Drei  Jahre  später  starb  er. 
»Seine  Mutter  war  bereits  im  Jahre  1784  gestorben;  er  hatte 
dieselbe  aufs  zärlliehsLe  geliebt,  und  ihr  Tod  erschütterte  seine 
olniedies  niemals  allzu  feste  tiesundheit  so  nachhaltig,  dafs 
er  den  neuen  Schlag,  den  Tod  seiner  Cousine  im  Jahre  1788, 
tmr  zwei  Jahre  überlebte.  Seine  letzte  Krankheit,  die  Fo]|fe 
einer  chronischen  Darmverstopfung  war  sehr  langwierig 
und  schmerzlich  -  er  ertrug  aber  alle  Leiden  >>mit  der 
gröfsten  Tapferkeit  und  (leduld  ,  olme  seine  Liebenswürdig- 
keit und  Freundlichkeit  zu  verlieren.  Die  X'ortreftlielikeit 
stillem  Charakters  hat  »Stewart,  der  den  Philosophen  gut 
kannic,  in  seiner  Hiographie  in  helles  Licht  gesetzt;  am 
schlagendsten  und  zugleich  am  kürzesten  kann  man  das 

'1  Hmiie   starb  biild   r.acii   dem    l-lrscheiiu  11    des     \'ölker\\  t  ilil 
Standes  .  hmitli  cntwari  tine  kur/.c  Charakter- Studie  stines  berühmten 
Freundes,  die  darnach  als  Anhang  zu  dessen  Autobiographie  erschien. 

Wie  hoch  Smith  selbst  di«*se  Auszeichnung;  zu  schätzen  wnfste, 
geht  aus  einem  Hriefe,  den  er  bei  dieser  (lelegenheit  an  den  j^e- 
Tmnntcn  gelehrten  Köriier  richtete,  hervor.  Xo  f>ii  u  1  nu  iil  ,  sagt  er 
darin,    louid  horc  hüu  h  t/u  Jio        h  rt<i/  .sii/is/tu  fion    etc.  etc. 


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4 


diesbezügliche  Urteil  über  ihn  in  die  Worte  ziisanniRutasseii : 
er  war  ein  Mann. 

Die  Liste  der  von  Smith  veröffentlichten  Arbeiten  ist 
folgende:    i)  Zwei  Artikel  in  dvr  ^Edinfmnjh  Rerletr"  vom 

Jahre  1755.  a)  Haieir  of  Johnson' s  En(/lla/i  Dictiotnirif,  b)  A  Ltffer 
to  thf  Editors.  2)  Theort/ of  Moruf  Si  nfItHotfs  ij^c).  3)  Cnfisiiferatioiis 
coHr/riiifHf  tin'  fji's-f  FunfKtffon  i'f  fjnnffnn/rs  amf  flti  (fiffirrnt 
( intime  of  (h  Kjitiül  uitil  (  fti»ij>oniitii<i  IjUinftKnicSj  \u  t>\n\u\'j^\c\\  (U-r 
erstell  Ausgabe  der  „Tlteury^  beigefü.^t.  4)  An  Jntjnin/  üilo 
the  Naiure  and  Causes  of  fhe  WeaUh  of  Stdions  1776.  Da  der 
Philosoph  kurz  vor  seinem  Tode  alle  seine  Tapierc  bis  auf 
einen  kleinen  Rest  hatte  verbrennen  lassen,  so  konnten  nnr 
wenige  Fragmente  als  >  nachgelassene  Werke  veröffentlicht 
werden;  nämlich:  i)  Fragmente  eines  i^rof seil  Werkes  On  th' 
Pt'indpJej^  whirh  letnl  and  d'nirt  l'liilosopfin'al  Inquincs,  f/hisfratid 
a)  />//  fhf  Hif^for/f  of  Ai^frononnf:  h)  Inj  thr  Hhtoni  i)f  ffn-  A)»rUnf 
Phffffirx ;  el  (he  Hhlonj  of  fhr  Anrlud  Lu<fns  mid  Mvf<i/tiii/.<lrs. 
2)  Kill  Emty  uf  thc  Matmr  uf  thut  Jmifatiun  nliich  takcs  pfna  in 
ithat  are  calM  fhe  ImiUtiire  Aiis,  3)  Eine  kurze  Abhandlung 
()f  the  Affin  Ifi/  befirmt  certuin  EHtjVt^t  und  lUdUiit  IVi^fjt,  41  Eine 
Untersuciumg  o/"  tin-  Exienud  Sennes. 

iUjer  (las  Kr/.iehnngs\vesen  sprielit  vSniith  im  zweiten 
und  dritten  Artikel  des  ersten  Kapitels  des  fünften  Buches 
seines  berühmten  Werkes  über  den  \'ölker\v<ililst;iiid  (  W'vaffh 
S.  341  ff.)')  Kr  unterscheidet  'wei  l'\»rnicn  desselben,  näm- 
lich \'olks-  und  jui^end-Kr/i«.  Inin«^,  ])ei  jener  ist  (bis  mit  in- 
begriffen, was  man  unter  KuUn.s|jflege  versteht.  l'.>  handelt 
sich  somit  um  das  grofse  Gebiet  der  Gesamterzichung  im 
weitesten  und  vollsten  Sinne  des  Wortes,  um  Probleme,  deren 
Wichtigkeit  man  heute  erst  zu  erfassen  begonnen  luit,  um 
ein  hochbedeutsames  Stück  der  sozialen  Frage,  den  Entwurf» 
denn  mehr  liegt  nicht  vor,  zu  einer  Pädagogik  im  grofsen 
Stile,  wie  ein  solcher  uns  s])äter  unch  einmal  bei  Fichte  be- 
gegnet, zu  einer  das  ganze  Kel)en  uni->] »ainienden  Pädagogik, 
die  uns  zu  bringen  der  Zukunft  \oil)vhalten  ist.  Ivs  gilt 
also  bei  den  folgenden  Krörterungeii  zunächst  zweierlei  aus- 
einander zu  halten:  Jugend-  und  Volks-Krziehung  -  und 
bei  jener  mufs  der  häuslichen  und  der  öffentlichen  Erziehung 
wieder  je  eine  besondere  Besprechung  gewidmet  werden. 

'1  Aiifscrdcni  mufs  \iclfaeh  l)fi  Iklraclituiit;  der  itädaj^c^i'iolicn 
.\nsiclilcn  Smith  s  die  Theorie  der  moiahschen  Cctidiie  iKiangc- 
/.üjfcn  werden.  Die  Citate  aus  diesen  beiden  Hauptwerken  Sinith's 
beziehen  sicli  auf  die  Ausgabe  <U  -  t  rslereti  von  Culloeh  aus  deui 
Jahre  1846  und  auf  die  dcutsehc  l  hersetzung  des  Ict/.lcren  von  Kose - 
garten  (in  2  Bänden)  aus  den  Jalneu  1791  und  1795. 


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Adiim  Hmitli»  {«»«Imtovifffhe  Anilt'liten  un«!  Krilik  d<>ri>Hb<*n. 


5 


Erstes  Kapitel. 

Die  Familien-Erziehung  und  ihr  Verhältnis  zur  öffentlichen. 

Bei  der  Erziehung  der  Jugend  koimnt  einerseits  die  häus- 
liche, anderseits  die  öffentliche  inbetracht  Jener  giebt  Smith 
entschieden  den  \'orzug  vor  dieser,  sofern  es  sich  nämlich 
nni  die  engere  Bedeutung  des  Begriffes  Krzieliung*  handelt; 
nicht  aber,  wenn  dersclbt-  in  dem  weiteren  Sinne  genommen 
wird,  welchen  wir  hent/.ulage  damit  /.n  verV»inckn  pflegen. 
Dies   wird  ans  folgenden  Anfüln imi^cn  soltul  klar  werden. 

Die  häusliche  Iü/-iclinng  sagt  er  Theorie  II.  S.  iicS  ist 
eine  Einrichtung  der  Natur,  die  öffentliche  eine  Erfindung 
der  Menschen.  Welche  von  beiden  die  weiseste  sein  möge, 
bedarf  keiner  besonderen  Bemerkimg  .  In  der  Betonung  dieses 
Punktes,  in  dem  Hinweise  auf  die  \atnr  als  die  vorzüglichste 
Lelirnui^terin  Menschen  in  vSachen  der  Pädagogik  offen- 
bart sii-li  un^t  r  1  Miilosoph  ganz  und  gnr  als  Kind  seiner  Zeit, 
stinnni  w  w'w  mit  Locke  so  and:  niii  RunsM.in  überein. 
Aber  er  \ertällt  nicht  in  ileren  l%inseiligkeit,  er  weist  nicht 
wie  diese  'j  den  Besuch  öffentlicher  Schulen  ab,  er  will  nichts 
wissen  von  exklusiver  elterlicher  oder  gar  Hofmeister^Er» 
Ziehung.  Dem  Hause  überträgt  er  die  Aufgabe  der  Charakter<>, 
der  Schule  die  I  i  Geistes-IHIdung.  Lasst  eure  Kinder«, 
heifst  es  e1>endaselbst,  täglich  aus  dem  elterlichen  Hause  in 
die  öffentlichen  vSchulen  gehen,  mn  dort  ihren  (»eist  zu 
bilden,  aber  ihre  WohnniT^  sei  und  l)leibe  in  eurem  Hanse  . 
Keine  X'orteile  der  soocnannten  (")ffentlichen  Erziehung 
können  <lie  unausbleiblich  mit  ihr  verbundenen  Nachteile  er- 
setzen. Die  Erziehung  der  Knaben  in  entfernten  grofsen 
Schulen,  der  Mädchen  in  entfernten  Nonnenklöstern  oder 
Pensionsanstalten  hat  in  Frankreich  tnid  England  die  haus* 
liehen  Sitten  und  die  häusliche  ( »lückseligkeit  der  höheren 
Stände  auf  eine  sehr  wesentliche  Art  beeinträchtigt.**)  Also 
er  wetiflet  sich  blofs  gegen  die  An--t.iUs-P'r/ielmng,  wie  sie 
in  Kngiand  unter  den  höheren  St;ni<kn  iiocli  inmur  sehr  be- 
liebt ist,  und  für  die  auch  die  l'hilanliopiuislen  m>  lebhaft 
Propaganila  niaeliien,  darin  Rousseau,  anl  ilen  sie  sich  sonst 
mit  Vorliebe  beriefen  {wenn  auch  die  Behauptung,  die  man 
vielfach  aussprechen  hört,  über  das  Ziel  hinausschiefst,  die 

'  \\  r;,'lt;ichc  ;  Locke's  S»//tt  ih'nitjli!^  nihil*  ftfuni/tOtt  {S§  JO  ff. 
und  kousscau  s  Ivnüle  an  verschic« Icnen  *  »rlcn. 

*>  I>amit  die  Kintlcr  tiiöjjlichst  lange  unter  elterlicher  Aufsicht 
hk'i1)en.  verwirft  er  auch  (be  Sitte,  juny^e  Leute,  naclKleiii  sie  tlie 
Schule  \  erhisseii  ha]>en.  sofort  3  (xh  r  4  Jahre  auf  Reisen  ins  Aushunl 
/.u  schicken.  (Wealth  S.  J4;t  dies  };an/.  in  l  hereinstinunung  mit  Locke 
ivergl.  Sotttf  thouglits  ronr.  aftn:  J5  ai2  it) 


I>r.  i'Mul  Ki'rBfHwnn. 


Hehau{)luii^  iiäinlich,  dals  derselbe  als  ihr    ^eistiiier  Vater 
aii/.uselu  11  sei)  dnrcliaus  unälinlicli.   Ulme  Zweifel  hat  Smith 
mit  seiner  Heiiierkiin^^^  das  Kichti<(e  getrolfeii.  Ks  ist  ja  gar 
keine  Frage,  dafs  weder  die  Einheit  des  Erzielinngs-Subjektes 
noch  die  des  Erziehungs-Objektes  nötig  ist;  ja,  man  kann 
sogar  sagen,  dafs  diese  Einheit  geradezu  vom  (Jbel  ist  Was 
zunächst  die  persönliche  Einheit  des  Trägers  der  I*>ziehung 
anlangt,  die  Rousseau  indem  bekannten  Satze  fordert:  „Pour 
rh'e  hint   ('(offfidf,    /'titfo/tf   uf  dnit    <nirri-   tju'i(n   .<inl  »f/idc'',  so 
leuchtet  bei  der  Koiiipli/.iertheil  unserer  Kultur  ohne  weiteres 
ein,  dals  diesell)i.  iniiiiöi>lich  ist.  Zur  alleinigen  Leitung  der 
gesamten  Er/.ichnng  wiiie  nur  eine  Art  von  l'beruKiisch  be- 
fähigt; aber  selbst  angenommen,  es  wäre  an  dergleichen 
Halbgöttern  kein  IV'angel,  so  würde  eine  solche  Erziehung 
stets  an  einem  sehr  grofsen  IVhki  leiden,  nämlich  an  dem 
der  Einseitigkeit    Nicht  ein  Erzieher,  sondern  eine  Mehr- 
heit von   Erziehern  ist  wünschenswert,  ja  unbedingtes  Er- 
fordernis.   Man   lial   bekanntlieh   in   unserer  Zeit   auf  den 
Ronsseauschen  Ausspruch  /urüekgegriffen  und  ist  wenigstens 
für  eine  teilweise  ICinheit  des  Krziehungs-Subjektes  von  neuem 
eingetreten,  indem  man  die  Forderung  aufgestellt  hat,  in  der 
Volksschule  solle  in  einer  Klasse  innner  nur  ein  Lehrer 
unterrichten  und  solle  diese  eine  Klasse  obendrein  durch  die 
ganze  Schule    hindurchführen.    An  den  höheren  Lehran- 
stalten sei  daran  ebenfalls,  soweit  es  nur  irgend  mögUoh, 
festzuhalten.  Nichts  ist  verkehrter  als  ein  solches  WrlangW, 
das  der  Cniudlichkeit  im  Wissen  imd   Können   sowohl  der 
Lehrenden  als  auch   der  vScliüler  hindernd   im  Wege  stellt. 
Man  \ei.spricbt  sich  dadurch  \\  under  wie  grofse  Lrlulgc  be- 
züglich der  Charakterbildung  der  Heranwachsenden.*  Nun 
ist  aber  diese  Sache  nicht  so  sehr  der  SchuU  als  vieluielir 
der  Hauserziehung.    Die  Schule  als  eine  soziale  lustitudon 
hat  nicht  die  Aufgabe       oder  hat  diese  vielmehr  liür  neben- 
bei —  subjektiv  versittlichend   zu  wirken.    Indem   sie  den 
ihm  anvertrauten  Zögling  nur  als  einen  'Peil  der  ( 'fcsellschaft 
betrachtet,  verfolgt  sie  das  Ziel,  ihn  zu  einem  tüchiigi  n  ( iliede 
derselben  heranzubilden')  in  des  Wortes  höclister  Dcdeutung. 
In  einer  verhältnismäfsig  kurzen  Spanne  Zeil  soll  sie  deil 
werdenden  Menschen  auf  die  Hohe  der  Kultur  der  Gegen- 
wart heben,  soll  ihn  dazu  befähigen,  an  der  Kulturarl/eilt 
seiner  Zeit  und  seines  Volkes  (unmittelbary,  der  ganzen  Mei^scTi- 
heit  (mittelbar)  thätigen  Anteil  nelimen  zu  können.      *  ;. 

Zu  diesem   Zwecke  niufs  sie  ihn   mit  einer  gewissen 
Sunnne  von  Kenntnissen  und  Fertigkeiten  und  der  jeweiligen 

M  Natirrlich  vcdolirt  anclt  die  häusliche  l'a/.iehunfx  in  ihrer  Art 
kein  anderes  Ziel,  wie  sofort  aus  .deiii.Foligjcf.ndv-'i).  kku  .ujLrvleu.;\vxjU. 


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7 


kullai.slufe  ciitsprcclieiideii  ethisc  hen  Maximen  aiisriisu  n:  mit 
einem  Worte,  sie  lial  sich  eben  die  Pflege  der  allgenieineu 
tWistesbilchnijj^  angelegen  sein  zu  lassen.  Nicht  als  ob  die 
Charakterbildung  übcrflüssigf  weit  wertlos  wäre;  nein,  die 
Gesellschaft  hat  das  grölste  Interesse  daran,  aller  ihrer 
(  ilieder  möglichst  sicher  sein,  d.  h.  sie  bedarf  tüchtiger 
Charaktere;  denn  nur  solche  werden  stets  nnd  nnter  allen 
l  inständen  an  der  Lösnng  der  ihr  «gestellten  Anfgabcn  ar- 
iHiti  n.  nicht  etwa  behufs  lulichnng  ihres  ( iesanitwohles, 
w  t  ui.-stens  nicht  vornelnnlich,  .soutlern  nni  der  Förderung 
der  Kidtnr  willen.  Aber  dies,  die  Charaklerbildnng,  ist,  ich 
wiederhole  es  mit  Nachdruck,  Sache  der  häuslichen  Erziehung ; 
diese  betrachtet  den  Zögling,  was  in  der  Schule  trotz  aller 
gegenteilig^ en  I Behauptungen  nnd  hochtönenden  Redensarten 
unmöglich  ist,  in  erster  Linie  als  für  sich  bestehendes  Indi- 
viduum, als  ein  (lanzes,  wahreTul  die  Schule  in  ihm  immer 
nur  ein  'i'eil-  (oder  (ilied-)  (  .au/es  erblicken  kann,  (icwifs 
erwartet  man  von  den  Lehrern  an  öffentlielRu  Anstalten  mit 
Recht,  dafs  sie  sich  das  Studium  der  verseliieileuen  Indivi- 
dualitäten der  ihrer  Obhut  anvertrauten  Schüler  angelegen 
sein  lassen,  aber,  selbst  den  günstigen,  obwohl  sehr  seltenen 
Fall  gesetzt,  dafs  sie  zur  vollen  Klarheit  über  die  geistig- 
leibliche Beschaffenheit  der  ganzen  Schar,  die  sie  zu  leiten 
haben,  kommen,  so  können  sie  von  dieser  Kenntnis  doch 
stets  nur  einen  sehr  be.schränkten  (icbrauch  Tuachen.  Kin 
tiefen  s  l",iiigehen  auf  die  individuelle  Beanlagung  jedes  lun- 
/elnen  ist  der  Natur  der  Sache  nach  ein  Unding,  ja  würde 
geradezu   dem   Zwecke   liei   Massener/.iehung  /ai widerlaufen. 

Fenier  ninfs,  wovon  schon  vorher  als  einem  allge- 
meinen Mangel  der  Erziehung  durch  eine  einzelne  Person 
die  Rede  war,  hier  noch  mit  Beschränkung  auf  den  beson> 
deren  vorliegenden  I'all  darauf  anftncrksam  gemacht  werden, 
dafs,  wäre  auch  Hauptanfi^abe  der  Sehule  die  Charakter- 
!)ilduni^  der  Züi^linge.  durch  jene  Hinrichtinig  nur  eine  sehr 
einseitige  sieh  ergeben  würde,  indem  ja  der  eine  Lehrer  allen 
seinen  Schülern  den  Stempel  seines  Charakters  aufprägen 
würde.  \\  ir  haben  schon  gesehen,  dafs  es  für  den  Lehrer 
unmöglich  ist,  sich  jedem  einzelnen  Schüler  besonders  zu 
widmen,  und  wenn  er  dies  auch  einmal  unter  ausnahmsweise 
günstigen  Verhältnissen,  vielleicht  bei  einer  geringen  Kinder- 
zahl, vermöchte,  so  würde  er  doch  immer  mir,  auch  bei  dem 
allerbesten  Willen  und  trotz  der  redlichsten  Ab.sichten  indi- 
viduell zu  wirken,  nach  der  vSchablone  alle  inn/ninodeln  ver- 
>nehen,  die  ei  in  sie  Ii  >ell)st  trägt,  vielfach,  wie  >eliun  ange- 
deutet, unbewid'sl,  aber  ganz  unlehlbar.  Ja,  je  au.-!.geprägter 
sein  eigener  Charakter  ist,  desto  mehr  wird  er  sogar  geneigt 


8 


lir.  r«iil  ll<'ii{i  iiiuiiii. 


sein,  diesen  mit  vollem  Bewufslsein  sich  zum  MudcU  für  seine 
Arbeit  an  den  Schülern  7a\  nehmen,  desto  weniger  wird  er 
anders  geartete  Charakter-Anlagen  gelten  lassen,  dieselben 
in  ihrer  Richtung  entwickeln  wollen.  Jeder  Mensch,  der  in 
irgend  einer  Weise  zur  Leitnnj^  anderer  berufen  ist,  liebt  es 
gar  sehr,  sich  in  die  Rolle  des  Prometheus  zu  versetzen  und 
wie  dieser  Heros  zu  sprechen :  Hier  sitz' ich,  forme  Menschen 
nach  meinem  I^ilde,  ein  ( »eschlecht  das  mir  «gleich  sei  .1  Die 
Schule  hat  stets  eine  nixeliierende  Tendenz,  und  <ieratle  in 
dieser  liegt  hauptsächlich  ihre  grulbe  erzieherische  (im  engeren 
Sinne)  Bedeutung,  dieselbe  entspricht  ihrer  Aufgabe,  eine 
soziale  Institution  tax  sein.  Die  Charakterbildung  aber  darf 
dieser  Tendenz  nicht  zum  Opfer  fallen;  der  Cliarakter  ist  der 
Kern  des  Menschen,  macht  seine  Individualität  vornehmlich 
aus  —  hier  in  ausgleichendem  Siniv  einwirken  wollen  hielse 
die  ln(li\  idnalität  vernielUeii  und  d.uuii  die  l'ortentwickclnng 
des  Menselien^esehleelUs  ])e(.  inti  äe-liti.^en.  Xur  durch  die 
Familien-Krzielumg  i^anu  die  Cliarakterl)ildung  in  zweckent- 
sprechender Weise  vollzogen  werden,  die  Schule  hat  sich 
immer  blos  auf  ergänzende  Handgriffe  dabei  zu  beschränken. 
Die  Eltern  allein  können  die  feinen  Nüanzieningeii  im 
Temperament,  im  Naturell,  in  den  Neigungen  des  Zöglings 
beachten  luid  verstehen,  sie  allein  sind  imstande,  jedwede 
Vergewalti^L^^img  der  Indix'idualität  zu  vermeiden.  I'reilicli 
damit  die  Familien-lü /it  hung  auch  wirklich  das  leiste,  was 
von  ihr  verlangt  wird,  was  \  on  ihr  mit  Recht  zu  fordern  ist, 
müssen  die  Kitern,  muls  namentlieli  die  Muller,  der  w  iehligste 
Träger  der  hänsHchen  Erziehungsarbeit,  imstande  sein,  diese 
Aufgabe  zu  losen.  Dazu  gehört  vor  allem  natürliche  Be- 
fähigung für  das  (leschäft  der  Krziehmig,  ferner  dlgemeines 
Orientiertsein  über  Aufgaben,  Zwecke  und  Mittel  derselben, 
endlich  Kenntnis  und  \'erständnis  des  Oesamtsystenis  der 
Erziehunj^skunst.  Was  den  ersten  Punkt  anlangt,  so  ist  aller- 
dings zuzugehen,  dal's  natürliche  Üegabung  für  das  Hrziehungs- 
fach  nicht  allen  Hllern  eigen  ist,  aber  dieselbe  ist  doch  in 
gewissem  Grade  durch  Kunst  ersetzbar.  Die  Zahl  der  wahr- 
haft genialen  Erzieher  ist  ja  stets  nur  eine  sehr  geringe,  wir 
müssen  uns  meist  mit  Virtuosen  begnügen.  Freilich  spielt 
bei  der  Virtuosität  die  natürliche  Hegabung  keine  unter- 
geordnete Rolle,  aber  dieselbe  beruht  doch  zum  grofsen  Teil 
auf  Studium  und  T'bung. 

Was  die  anderen  Punkte  betrilft,  so  müssen  Mafsnahnien 
getroffen  werden,  welche  den  küntügen  Müttern  im  beson- 
deren derartige  Kenntnisse  zu  erlangen  ermöglichen.  Man 

vgl.  Ciocthcs    l'roiuetheus  uiul  l'andora  .  Akt  III.  der  mit  dem 
berübintett  Monologe  beginnt:   Ich  Dich  ehren?  wofür?*,  etc.  etc. 


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wird  sicli  dazu  verstehen  miisscn,  mit  unseren  Mädchen- 
schulen pädagogische  Kurse  zu  verbinden.  Für  Mädchen 
aus  dem  Volke  könnten  dieselben  als  Portbildungskurse  nach 
der  Schulzeit  auftreten,  deren  Besuch  durchaus  obligatorisch 

wäre;  bei  den  höheren  Mndclicnscluilen  niüfsteu  sie  als  orga- 
nisches GHed  in  den  Lehrplan  derselben  anfgenoninien  werden. 
Auch  wird  man  der  (xesellschaft  das  Recht  zn'^a*stehcn  miissen, 
eine  gewisse  Aufsicht,  eine  Kontrolle  üben  zu  dürfen  und 
durchaus  zur  Krziehung  ihrer  Kinder  unfähigen  Kitern  die- 
selben zu  entziehen,  um  sie  in  den  von  der  (»esellschaft 
unterhaltenen  Erziehungsanstalten  unterzubringen.  Als  Not- 
behelf werden  solche  niemals  ganz  entbehrlich  .sein;  denn 
Nve  wollte  leugnen,  dafs  es  nicht  genug  solche  Eltern  giebt 
wie  die,  bei  denen  obige  Malsregel  vorgeschlagen  wurde! 
dafs  es  auch  dann  noch  solche  geben  wird,  wenn  für  die  so 
notige  pädagogische  Ausbildung  derselben,  namentlich,  wie 
gesagt,  der  Mutter,  endlich  ausreichende  Hinrichtungen  ge- 
troffen sein  werden.  Zudem  sind  P^rziehnny^s-AnstaUen  ja 
auch  ein  unbedingtes  Bedürfnis  für  diejenigen  Kinder,  die 
ihrer  Eltern  beraubt  sind,  inid  die  entweder  keine  näheren 
Verwandten  haben  oder  doch  nicht  solche,  welche  imstande 
wären,  weitere  Sorgen  tmd  I^asten  auf  sich  /n  nehmen.  Dies 
hat  Smith  übersehen;  und  so  können  wir  seiner  Polemik 
»^'cgen  die  AnstaUs-Hrziehung  nur  in  bedingter  Weise  l)ei- 
ptliehien.  h'.ndlieli  nuils  noch  näher  auf  den  oben  erwrihnten 
Punkt  einL;e;.;an<4en  werden,  dafs  die  I-jnheit  des  Hr/.ieliungs- 
Suhjektes  auch  in  der  Form,  wie  heutzutage  diese  Forderung 
wieder  aufgetaucht  ist,  ganz  abgesehen  von  der  Rousseau'schen 
Übertreibung,  dem  gründlichen  \md  wahrhaft  vielseitigen 
Wissenserwerb  hinderlich  ist  und  zwar  gilt  das  nicht  blos 
für  die  höheren,  sondern  ebenso  gut  für  die  Volksschulen. 
Man  bedenke  doch  die  Mannigfaltigkeit  des  Lehrplans  der 
modernen  Schule!  Man  bedenke  ferner,  dafs  diese  Reich- 
haltigkeit noch  beständiq'  ini  \\'a(  h^en  bei^riffen  ist;  es 
werden  immer  mehr  und  innner  drängendeie  vStinnnen  laut, 

'l  Wie-  sollte  (leT  lAhrer  (kii  i^an/cn  Stoff  verständnisvoll  1k  - 
ht:rrüchcn  können  I  tr  niülste  ja  geradt/.u  eni  I  i  i .  e;  wal-(  iLiüe  .sein. 
Die  Spexialisiennifr  ist  eine  unbedinjjrtf  Fonkrmi-  tlcr  nuKknuMi 
Kultur,  nur  ihre  1 'In  rti  cibiviiu  ist  wrw  ciflivh.  das  Aufhäuft  11  1111- 
fruehlhareii  W  isse  ns  .lut  «.  nllcj^eiu  n  Spt/ial^t  bieten.  < '.i  iinälichc 
Kenntnisse  sind  ininier  u\,v  inti^lich  bei  <ier  licselnänkiinu  auf  oinij^c 
w<,iii;:<  ^[aterien.  und  hier  miifs  allerdin;;s  nieht  so  sehr  S|»e/iiililäl 
:ds  vielmehr  'iVttalilat  die  I.osnnj^  sein  T  1  rsihan  iibcf  das  (ian/.e 
(iif.ser  Fächer  nach  tlen  we.senlliclitu  t  >rundzui;cn  und  den  univcr.scll 
wichtigen  Hestandteilcn.  Der  Lehrer,  der  eine  ^anzc  Fülle  von 
('»egcn standen  /u  vertreten  hat.  sei  es  auch  blols  in  der  \'()Iksschule, 
kann  nicht  alles  voll  tind  ganz  begreifen  -  wie  soll  er  da  nun  gar 
seine  Schüler  zur  vcrstündnisvoHen  Xachauff.'issung  anleiten! 


lu 


welche  die  Aufnahme  eines  besonderen  Moial-l'uteiriciits, 
die  volkswirtschaftlicher  Bclehnin^cn  in  den  I^ehrplan  der 
Schulen,  aller  -  der  niederen  wie  der  höheren  —  verlangen ; 
was  wird  die  Znkuntt  niclit  nocli  für  Forder nn «4 cn  l)rinjren! 
Sollen  wir  sajjfen,  dais  die  Krweiternnj^Hn  de»  Lehrplanes 
unberechtigt  seien?  (lewifs  nicht.  Xnr  diejenij^en  können 
dies,  welche  in  der  Sclnile  nichts  anderes  seilen  als  ein 
Mittel  der  ( k\sinInln,i|sblldnn.t,^  .\ber  diese  verkennen  die 
Aufgaben,  den  Zweck  derselben  «.gänzlich. Worin  die^ser 
besteh t,  welches  jene  sind,  habe  ich  schön  irielirfach,  habe 
ich  auch  oben  bereits  liervurKehoben.*)  Meine  Ansicht  ent- 
spricht der  konkreten  Wirklichkeit,  ist  aus  den  Thatsachen 
des  j»eschichtlichen  Lebens  gewonnen  worden,  denen  i^^ej^^en- 
iiber  keine  Theorie  nachliaUi}^  ihre  verdunkelnde  Wirksamkeit 
nnsübcn  kann.  Es  ist  endlich  an  der  Zeit,  dafs  man  die 
Keden^.'irtrn  \  nn  der  Mission  der  Krzicliun^ssclnde  und  dem 
er/.ielieuden  IJntcrrielit  al,>  solche  erkcniU;  die  Si'lnilr  ist 
natürlich  eu  i^o  eine  Krziehungsschule,  denn  ^lc  i>l  einer 
der  Paktoren,  deren  sich  die  Erziehung  bedient,  be<lienen 
inufs,  um  ihren  Zweck  ganz  und  voll  zu  erreichen  -  aber 
Krziehung  im  engeren  Sinn  ist  nicht  ihre  Hauptaufgabe, 
Und  der  Unterricht  ist  natürlich  erziehender  Unterricht,  denn 
er  ist  eben  eine  bot  liu  ichlige  Krziehnngsfunktion  neben  den 
anderen:  Pflci^c,  Zucht,  »Spiel  niul  Übung.  \'on  einer  im 
engeren  Sinne  erziehlichen,  (jesinnung  bildenden  Kraft  des 
Unterrichts  reden  ist  sinnlos,  ist  Phrase.  Der  Unterricht, 
dessen  Aufgabe  es  ist,  Wissen  zu  übermitteln,  so  zwar  wie 
es  unserer  Kenntnis  der  ps\  chischen  Phänomene  gemäfs  am 
leichtesten  gescheu  kann,^)  und  für  dessen  Stoff-Auswahl 

M  Ks  beruht  dies  anf  liiur  rtilersrhät/ini«:  tUr  Bedeutung  des 
Wissens  inul  Könnens,  die  nicht  weniger  falsch  ist  wie  die  frühere 
Überschätzung,  und  auf  einer  übertriebenen  Anerkennung  des  Wertes 
der  Persönlichkeit,  die  an  die  hyper;ii<livifhmlistischcn  Tetid .ii/en 
eines  Nietzsche  und  der  in  seinen  Gleisen  sich  bewegenden  muderuen 
Tages-Schriffeteller  erinnert. 

^)  Auch  im  iolgenden  KafMtel  'niutn  dieser  I'unkt  noch  einmal 
aiur  Sj>raclu  konniH'iv 

t  Man  (Itulc  jitlucii  Uicsc  licnieikuu^  ja  iiiciil  dahin,  (hUs  kIj 
wie  so  viele  ältere  und  neuere  Pädagogen  die  Schularbeit  /,u  blolseiu 
Sj^itk  verfliichti^Lii  wolle,  havon  bin  ich  weit  eiitfernl.  Arbeil, 
auch  die  Arbeit  des  Kindes  muls  Arbeit  bieib«:n;  auch  das  Kuid  be- 
reits soll  einsehen  lernen,  dafs  dieselbe  eine  ernste  und  \>'ichtige 
Sache  ist.  <lais  sie  allein  dem  Leben  W  erl  '  ei leiht.  Daher  darf  der 
l'iiterschieil  /wischen  Spiel  und  .\rbeit  nicht  aufgelioben.  auch  nicht 
einmal  \  erwischt  werden  ;  denn  jene,  die  ihre  Keinitnisse  nur  spielend 
erlangen,  kommen  gar  /.u  leicht  mit  der  /eil  dahin,  alles  /uruclocu- 
weisen  ^vris  nittre-lieiigtes  Studium  erheischt.  Aber  anderseits  ist  y.\: 
bedenken,  <lnis  das  Kind  nicht  blols  arbeiten,  sondern  freudig  arbeilen 
lernen  'nxiW  Ute  Arbdtsfreudigfkeit  kann  nnr  dann  aufkommen,  wenn 


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Adam  Smitb«  pid«gj»i:i««lt<>  An^tohtM  Iftid  Kritik  drnelbr«.  ]  | 


iitir  das  I^rinzip  des  Nut/.ens ')  iiiafst^ebcnd  sein  kann  Und 
thal.sächlicli  stets,  liolz  aller  i;i  .<4tntcili^<.  n  Hehauptiinj^^eii 
nnd  bei  alkr  Ijciufun«^  auf  idcak  Ziele,  mafssi^ebcnd  ist, 
wendet  sich  vornehnüicli  an  den  IntcUekl,  appeHici  t  an  dessen 
Punktionen,  vor  ällem  das  Gedächtnis:  seine  Parole  ist  ver- 
standnisvoU'gedächtnismäfsij^es  Lernen  und  Festhalten  und 
allmähliche  Ausbildung  dei  T/rteilskraft  Gewifs  geht  das 
(Kunit  des  Zöglings  dabei  nicht  ganz  leer  aus;  aber  diese 
Wirkungen  auf  sein  Gemütsleben  sind  zumeist  nur  Neben- 
erfolge des  Unterrichts  und  können  i^ar  nichts  anderes  sein. 
Jeder  kann  doch  leicht  genug  an  ^ieli  selbst  hundertfjiltig 
die  KiJahrung  inachen,  dafs,  sobald  tlie  intellektuelle  Seite 
seines  Geistes  gänzlich  in  Anspruch  genommen  ist,  starke 
Gemütseindrücke  ausgeschlossen  sind.  Gewifs  sollen  solche 
bisweilen  in  der  Schule  hervorgenifen  ^ erden,*  aber  nur  bei 
gewissen  Anlässen,  ferner  bei  der  Pflege  der  Zucht,  soweit 
die  Schule  sich  dieselbe  angelegen  sein  lassen  mufs,  und 
ancli  manchmal  l)cini  l'nterrichte,  namentlich  bei  (kni  kultur- 
historis^cheu,  ästhetischen  und  Moral-l'Utci rieht;  aber  ohne 
dabei  einen  grofsen  künstlicheu  Apparat  in  Seene  zu  setzen, 
wie  ein  t^plclier  bekanntlich  unter  alkrl^ti  wohlklingenden 
und  hochtrabenden  Titeln  vielfach  empfohlen  und  angepriesen 
wird.  Derselbe  verfehlt  seinen  Zweck  ja  gänzlich;  alles  das, 
was  man  ethische  Vertiefung,  ethisch-religiöse  Systembil- 
dung' etc.  nennt,  wendet  sich  ja  gai"  nicht  an  das  Gemüt, 
sondern  an  den  Intellekt  des  Zöglings:  es  kommt  dabei  im 
günstigsten  Falle  nichts  anders  heraus,  als  ein  gedächtnis- 
mäfsiges  I'esthalteii  i^ewisscr  ^euebemr  Wrhältnisse.  Ja, 
auf  diese  Weise  zieht  iii.in  i^erackre  nioralisehc  vSi)litterrichter 
grofs,  die  über  das  Sitlliche  mit  Hilfe  ihres  Cicdachtnisses 
urteilen  —  man  kann  ,  wohl  ethische  Maximen,  nicht  aber 
Sittlichkeit  selbst. andozieren.  .'Also:  die  Schule  iiät  esjiicht 
in  erster  I^inie  mit  der  Charakter-,  der  (icsinnnngsbildung 
zu  thun,  solidem  mit  der  des  (ieistes;  die  erstere  ist  ein 
Nebenerfolg,  durch  dessen  Krreichung  sie  der  Haus-  oder 
Familien  l-'.r/iL Innig  zu  Hilfe  kommt.  Durch  die  letztere  er- 
gänzt sie  (lit>e.  Der  T '  nLi  rricht,'  auf  welchen  die  Schule 
den  Haiiplnaehdruck  als  auf  das  ihr  vornelnnlich  zukonuueude 
Mittel,  auf  die  Jugend  einzuwirken,  entschieden  zu  legen 

die  Arbeit  kioht  von  stulteti  i^chl  mi<i  \ oti  i-.rfolir  !4<_knSiu  i>,t.  Die 
Anwendung  dieses  oluie  Zweifel  wahreti  Sat/.cs  auf  die  Lernarbeit 
in  der  Schule  berechtiget  211  der  oben  nn  den  Cnterricbt  ]t;:cstelllcn 
Forderung. 

M  Der  SchnluiiletiielU  .miÜ.   wie  i^esaiit,  tleu  Züglinjj  unt  dem 
allgemeinen  jyeistijren  Riist/enjfe  versehen,  dessen  der  künftijje  Kultur- 

kämpfcr  bedarf:  dus  a\U.  auf  Sciu-e.i  /inricl^Licfidnte  Worf"  "  <,holttf, 
vtutii^thsnunn    wi;:d.!chcti  uiemais  seiiu  Aielliuig.  ciiiUiLs.s.cjj. 


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12 


Pr.  Pnitl  Hi>r(;»w«nn. 


hat,  sa^  den  Kindern,  wie  die  Welt  nach  tniscrer  Hrfahnuig 

ist;  die  luzieluui):;  im  enteren  Sinne,  die  Charakter])ildiing, 
weldie  also  Sache  des  Hauses,  der  Familie  ist,  zeijft  ihnen, 
wie  sie  der  Welt  .i(ejL^eii{il)erzutreten,  wie  sie  diescll>e  auf  sich 
wirken  zu  lnss(  n  ha])eii.  W'o  die  l'ainilit  lu  r/tt  linii'^«  al)er 
nicht  aiisieieiieiid  ersclieint,  niuis  die  An--tah>-l-.i /iclmn«^  an 
ihre  Stelle  treten,  mit  welcher  die  Sehulci/ichiuiij  \  erhunden 
werden  kann,  aber  nicht  niul's.  Jedoch  ich  wiederhüle  es: 
die  Anstalts-Erzichitn«^  darf  immer  nur  als  ein  Notbehelf, 
als  ein  leider  nnvenneidliclies  Übel  augesehen  werden.  Ein- 
heit des  Krziehun<^^s-Subjektes  ist  in  keiner  Weise  nr)ti<»^,  ia 
gar* nicht  wünschenswert,  vielmehr  nur  schädlich.  Wohl 
aber  niufs  die  Einheit  des  Kr/iehnntrsplanes.  der  Methode 
<^ewahrt  werden.  I>ie  \erscliiedenen  Irr/iehtr,  denen  die 
vStellnnj^^  \  <>ii  Teilerziehern  zukoninU,  iiuis^Lii  >Kis  das  (ianze 
im  Auge  hai)en  und  sich  immer  des  Zu^animenhanj^s  hewulsl 
sein,  in  welchem  ihre  bctreffeude  Spezialleistun steht  und 
der  Stelle,  welche  sie  in  diesem  Zusammenhange  ausfüllt. 
In  dieser  Beziehung  saj^t  Döring  M  mit  vollem  Rechte:  'Kein 
Erzieher  darf  naturalistisch-dilettantisch  hlolseii  dunklen  Ein- 
j.lfebmigen  oder  willkürlich  methodischen  Kintällen  folgen; 
einheitliches  Zu.samnienwirken  nach  den  wahren  Prinzipien 
der  Krziehuu}»^skunst  ist  erste  X'orlirdiiii^ung^  . 

Wie  eine  Mehrlu  it  von  am  n;iiiilichen  l*!r/ic  hnn*jsjL(e- 
seliatic  l.icUili^'^ten  Krzieherii,  so  i.st  aueli  eine  \  ielheit  von 
Erziehungs-( Jbjekten  für  dasselbe  erforderlich,  d.  h.  nicht 
Einzel»,  sondern  Massen-Erziehung  i.st  von  nöten;  nicht  als 
ob  jene  inz  aulhören,  völlig  beseitigt  werden  sollte,  sondern 
so  dafs  beide  Formen  der  Erziehung  miteinander  Hand  in 
Hand  }^eheu,  die  Mas.seu-Krziehun<j  nicht  blofs  als  Notbeiulf 
au}*"esehen  wird,  sondern  als  notwendii^e.  niu*ntbehrlic1u-  lu- 
j^änzung  der  Kinzel-Krziehuntr.  Dafs  Smith  dies  Ijereils  richlij;- 
erkannt  hat,  haben  wir  j^^esehen.  Die  Hei^ründuni^  seiiu  r  An- 
sicht ist  er  jedoch  schuldii^  geblieben.  Dieselbe  ist  in  Folgen- 
dem ZU  suchen.  Die  Massen>Erziehung  erspart  Kraft  und 
Zeit,  und  wäre  auch  kein  Grund  vorhanden,  in  dieser  Hin- 
sicht sparsam  zu  sein,  so  wäre  die  beständige  Einzel-Erzielunig 
doch  uinnoghch  aus  Mangel  an  F^ziehern.  Zwangsweise  Ab- 
hilfe  a])er  würde  eine  vSchraiike  finden  an  der  natürlichen 
iiegabung,  welcher  /nfr)1ge  nicht  jeder  zum  ICrzieherberufi- 
sich  eij^iuu  und  an  der  luwägung,  dals  dadurch  anderen 
KuUuraulgal>en  so  gut  wie  alle  kriilie  entzogen  werden 
würden.  Zudem  ist  die  Masseu-F^ziehung  mit  Rücksicht  auf 
die  Zuerziehenden  crspriefsticher  als  die  beständige  Einzel- 

»I  V^l,   System  der  Päda^oprik  im  Umrifs-,  Berlin  1S94,  S.  2ä>. 


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Adi«  Srnilb«  piduffogiaehe  Aasirhtvn  und  Kritik  d«riielbcii. 


Emehuiig,  ja  geradezu  notwendig,  um  Eintönigkeit  zu  ver- 
meiden^ infolge  des  Wettbewerbs  erhöhte  Leistungen  zu  er- 
zielen, die  im  \'erkelir  mit  anderen  n(">tige  Gewandtheit  zu 

verschaffen  und  endlicli  aus  sozial-etliisclieii  Ciriindcn.  Ver- 
tieft sicli  die  Kinzel-Hrziehnng  in  die  Kigenart  des  Individntims 
nnd  sucht  sie  dieselbe  /nr  i^rnlVtiiinglichen  Kntfaltnng  /.u 
bringen,  so  läf^^t  die  Masscn-I  j /ic  hnng  es  sich  angelegen  sein, 
dieselbe  für  die  (»esanitheit  niiU:l)ar  zu  machen,  Kinseitii^^- 
keiten  zu  beseitigen,  ICekcn  abzuschleifen,  all/ai  üppig 
wuchernde  Rauken  zu  beschneiden.  Dafs  dazu  die  Schule 
freilich  nicht  ausreicht,  ist  klar;  es  sind,  um  diesen  Zweck 
»auz  zu  erreichen,  noch  an<U  r.  Institutionen  nötig,  für  deren 
Znstandekomuien,  PfU  und  angemessene  Leitung  die  (ie- 
scll>chaft  y.u  sorgen  liat;  ich  nenne  als  solche  Spiel-\'er- 
einignngen  nnd  Lesekränzchen,  gemeinsame  Ansflüi^'^t*  und 
Reisen,  bei  denen  nicht  der  Zweck  zn  knien  vorherrschen, 
sondern  nur  ne!>enl)ei  mit  berücksichtigt  werden  darf 
überhaupt  sollen  ja  alle  diese  Veranstaltungen  nicht  von  der 
Schule  ausgehen,  sondern  wie  schon  angedeutet,  unter  Leitung 
besonderer  Personen  stehen.  Denn  einerseits  scheint  eine  der- 
artige Spezialisierung  schon  im  Inkreise  der  Sache  selbst 
geboten,  und  andcr,<?eits  heischt  die  Rücksichtnahme  auf  die 
den  Menschen  zur  X'erfüguni:  stehenden,  immer  nur  be- 
schränkten Kräfte  eine  P'ntlast uhl^  der  Schule,  verbietet  noch 
andere  Ai  l>eits-Znweisunm.  n  an  die  schon  t^enn^^.saui  in  An- 
sj)ruch  genoniniciien  Schnlerzielicr  ^die  Ivchrer).  Überlastung 
derselben  untergräbt  mit  Naturnotwendigkeit  ihre  Berufs- 
freudigkeit -  -  und  wer  wollte  in  Abrede  stellen,  dafs  ihnen 
diese  in  noch  h<)herem  Grade  von  nöten  ist,  als  Leuten  in 
anderen  öffentlichen  Stellungen!  Auch  ist  zu  bedenken,  dafs 
die  Lehrer  der  freien  Zeit  bedürfen,  um  mit  der  fortschreiten- 
den Wissenschaft  wenigstens  annälu  rnd  i,deichen  Schritt  halten 
zu  können,  «reschieht  dies  aber  nielit,  ^ind  sie  daran  thneli 
das  l'berniafs  der  beruflichen  <  "reseh;dle  x  evliindei  t,  so  \\ir<.l 
ja  ihre  g<in/.e  'J'hätigkeii  hinliillig.  Jedermann  wür<le  die 
Zumutung  mit  Entrüstung  von  sich  weisen,  in  Krankheits- 
fällen sich  an  einen  Arzt  zu  wenden,  der  nicht  auf  der  Hohe 
der  medizinischen  Wissenschaft  seiner  Zeit  stände,  dem  die 
neuen  Errungenschaften  derselben  unbekannt  geblieben,  sollen 
wir  weniger  skrupulös  sein,  uo  es  sich  um  die  Krzielunig 
der  lurnn wachsenden  (ieiieration  handelt?  Der  Arzt  hat  es 
ganz  in  '>einer  Hand  nur  soviele  Patienten  anzunehmen,  dafs 
er  durch  seine  Perufsthätigkeit  nicht  der  zur  Erholung  und 
zum  Studium  nötigen  Zeit  verlustig  geht,  und  wir  tadeln 
jedeu,  der  —  aus  irgend  welchen  Motiven,  Ehrgeiz  oder  Geld- 
gier -  -  .seine  Praxis  ungebiihrlich  erweitert;  und  hinsichtlich 


u 


der  Lehrer, ^d'dr~  Erzieher  der  Jui^eiid  in  den  Schulen,  sollte 
es  uns  «gleich L^ilti«!;^  sein,  wenn  ilirc  Zeit  durch  die  Herufsgc- 
schäfte  überniäfsi<(  in  Anspruch  j^enoninicn  ist!  Wir  sollten 
nicht  entschieden  Verwahrung  daq-eo-en  einlegen,  wenn  den- 
selben ein  derartiges  Arbeits-Peiisum  auferlegt  wird  -  deuu 
ihnen  ist  ja  dabei  keine  freie  Wahl  gelassen  —  das  die  zur  Port- 
bildnngund  zum  Ausruhen  erforderliche  Mufse  beeinträchtigt! 
S])arsanikeits-Rücksichten,  die  als  hierbei  niafsgebende  viel- 
leicht ins  Treffen  geführt  werden  dürften,  kaini  ich  nicht 
gelten  lassen :  solche  sind  nirgends  weniger  am  Plat/e.  als  da 
wo  es  sich  um  die  Erziehung  der  Hcranwacliscndeu  handelt. 

Die  Aufgaben  der  häuslichen  Erziehung  sind  bereits  in 
grofsen  Zügen  entwickelt  worden;  dieselbe  ist  die  alleinige 
Erziebungsforni  bis  zum  schulpflichtigen  Alter,  dem  siebenten 
Ifebensjahre  der  Kinder,  sie  bleibt  später  aber  noch  neben 
der '  Sdiulerziehung  und  den  anderen  oben  erwähnten  In- 
stitutionen bestehen:  ihre  Funktionen  sind  Pflege,  Zucht, 
Spiel,  Übung  und  Unterricht  in  Oestalt  der  l^nterhaltung, 
von  der  jede  Pedanterie,  jed<  -  nifdringheiie  Iklehren wollen 
ferngeluiUen  werden  niuls.  Bei  Suiilh  finden  w  ir  darüber  nur 
wenige  sehr  zerstreute  Andeutungen.  Wie  Locke  uihI  Rousseau 
legt  er  mit  Recht  einen  bedeutsamen  Xaelidruek  auf  die 
Pflege  der  Kinder  (Theorie  II.  S.  99  ff.:  ^-Die  Erhaltung 
und  Gesundheit  des  Körpers  scheint  der  Gegenstand  zu  sein, 
•welchen  die  Natur  der  Sorge  eines  jeden  Individuums  zu- 
erst und  vornehmlich'  anempfiehlt.  .  .  .  Daher  müssen 
auch  die  ersli.  11  Lektionen,  die  der  Mensch  von  den  Aufsehern 
seiner  KindlK'il  empfängt,  gröfsteiiteils  diesem  Zwecke  dienen  I, 
und  wie  diese  fordert  auch  er  bei  der  Krxit  liiuig  grölstniög- 
liehe  Milde  in  Ansehung  der  uatürliclu  n  Hilflosigkeit  und 
Schwachheit  derselben  (Theorie  1.  S.  321/).  Autorität  und 
Liebe  sollen  die  Eckpfeiler  der  häuslichen  Erziehung  sein. 
^►Was  ist  erfreulicher*',  heifst  es  Theorie  I.  S.  65,  »«als  eine 
Familie  zu  sehen,  in  welcher  wechselseitige  Liebe  und  Ach- 
tung das  (Tanze  regieren,  in  welcher  h<ltern  mit  Kindeni  und 
Kinder  mit  den  Poltern  wie  (rleiche  mit  (rleichen  inngehen, 
den  einzigen  l'nterschicd  abgerechiut.  den  die  ehrerbietige 
Zuneigung  einer-  und  die  naclisielit.sx olle  Milde  anderseits 
macht;  wo  PVeimütigkeit  und  Zärtlichkeit,  gegenseitiger 
Scherz  und  gegenseitige  (lefälligkeit  zeigen,  dafs  kein  ent- 
gegengesetztes Interesse  die  Brüder  trennt,  noch  Eifersucht 
die  Schwestern  spaltet,  wo  alles  Friede,  Ruhe,  Eintracht  und 
Zufriedenheit  atmet  und  einflöfst«.')   Nur  zu  weit  gehe  die 

Erinnert  sei  hierbei  an  die  Goethescbeu  Vetsse: 

ICntzwci'  mul  gebiete  —  tüchtig  Wort; 
-Verein'  und  leile  —  besser  Wort. 


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Aitam  Kmltbs  |»ids(rcivlaa(ie  AAsMiUn  .«»d  krittle  drmHbpn. 


Mutter  nicht  mit  ihrer  ZartJichkeilt,  der  Valör  mit  sejner 
Nachsicht;  denn  wenn  man  a\ich  ein  solches  Übermafs -von 
Zuneigung  nicht  mit  Hafs  tind  Abscheu  betrachten  könne, 
so  müsse  man  es  doch  mit  Bedanern  thnn  (Theorie  II. 
S.  66);  jedoch  liilst  Smith  bei  der  Inschutznahme  jener  'bis 
7A\r  Ansschweifnnfi;  fnlircndon  liokUii  Leidenschaft  sich  zw 
Übertreibungen  fortic  ilscii.  Damit  sind  die  Hauptmittel  und 
-Ziele  (kr  häuslichen  Zucht  gekennzeichnet;  <iiese  letzteren 
giebt  Sinith  nochmals  in  präziserer  Form  so  an  (Theorie  II. 
S.  iio):  Ehrfurcht*)  und  Gehorsam  gegen  die  Eltern  und 
als  deren  Folf^e  Sell)stbeherrschun<^,  Zuneio^ung^  und  GefälHir- 
keit  die  Geschwister.  Damit  aber  auch  jenes  Verhalten 

den  Hltcrn  i^rc^-i^ennber  wirklich  sich  einstelle,*  verlaufet  unser 
Philosoph  mit  Recht,  dafs  diese  auch  den  Kindern  gcq^cn- 
über  Ehrfurcht  haben;  dieselbe  werde  ihnen  einen  heilsamen 
Zwan^  in  Cic^eii wart  jeuer  auferlegen:  mit  anderen  Worten, 
die  Eltern  sollen  ihren  Kindern  alle  Zeit  Muster  und  Vor- 
bilder zu  sein  sich  bemühen,  stets  ihnen  mit  gutem  Beispiel 
vöraugeheUf  sich  selbst  immer  beherrschen,  nicht  blofs  in  der 
übrigen  Umgebung  der  Kinder  alles  Anstofsige  fernhalten, 
sondern  vor  allem  in  ihrem  eigenen  Benehmen  —  der  alten' 
Regel  gennils  .jtKirnoff  (hhcfm-  piu-vn  reverct'firr^ .-) 

So  weni<jf  ersch("»i)tend  auch  diese  Henierkun^en  sind,  so 
lassen  sie  doch  khir  dii-  Meimmi;  Smiths  erkennen,  welche 
dahin  geht,  dais  die  Familie  die  holie  Schule  der  Tugenden, 
der  individuellen  wie  der  sozialen  ist:  hier  bilden  sich  im 
Kinde  die  Tugenden  der  Selbstbeherrschung  und  Tapferkeit, 
die  beiden  Grundformen  jener,  der  Gereclitigkeit  und  des 
Wohlwollens,  diejenigen  dieser,  aus.  Schule  und  Familie 
verhalten  sich  in  dieser  Hinsicht  zu  einander,  wie  Theorie 
und  Praxis.  Mit  tugendhaftem  \'erhalten  praktisch  sclion 
einigermalsen  vertraut  tritt  da.s  Kind  in  die  Sclinlt  ein  und 
lernt  hier  das  moralische  Kai.sonnement  kenneu  indem  es 
dadurch  angeleilet  wird,  sein  gewohnheitsmäfsiges  Thun 
unter  theoretischen  Gesichtspunkten  zu  betrachten,  gelangt 
es  allmählig  zu  einer  immer  tieferen  Auffassung  des  Sitt-; 
liehen,  das  Müssen  wird  nunmehr  für  es  zum  Sollen--. 
Und  wieder  ist  die  praktische  Bethel tigungs-Sphäre  für  diese 
vertiefte  Sittlichkeit  hauptsächlich  die  I'aniilie.  Die  durch 
die  natürlichen  Hände  bedinirte  würniere  Wechsel  sei  ti.cfe  Zu- 
neiguni; erleichtert  das  ])lliclitmälsige  Handeln,  mildert  die 
Strenge  der  Tugendhaftigkeit  und  verleiht  ihr  einen  ver- 

')  lu  der    IJetonung  dieses  ruiiktcs  stimmt  Smith  p^anz  mit 
Locke  überein  —  \  gl.  dessen  So//ir  t}h>ii^lits  i  h .  ^  40 — 42.  44. 

vgk  die  vierzehnte  der  berühmten    Satiren     Juvenals  v.  47. 
femer  Locke  a.  a.  O.  §  37. 


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klärenden  Schimmer.  Und  wer  wollte  leugnen,  dafs  dies 
für  den  Anfän<Ter,  den  werdenden  ^fensclien  von  grofser  Be- 
deutnng  '^ei!  Mit  Reclit  betont  vSmitli  diesen  rmstnnd,  in- 
dem cri'i'lu  nrie  II,  S.  ii;;)  sn^rt.  dals  die  natürliehe  Sympathie, 
die  Zärtlichkeit  des  Kindes  j^e^en  seine  Kitern  j^emeinitrlicli 
ein  weit  tliätigeres  Prinzi]-)  zu  sein  scheint  als  seine  P'hrer- 
bietuno^  nud  Dankbarkeit  dieselben Darum  ist  der 

Mangel  der  elterliclien  Familie  auch  ein  grolse^s  vielleicht 
das  schwerste  Unglück,  welches  den  Menschen  im  Leben 
treffen  kaun.  Waisenkindern  haftet  fast  stets  eine  gewisse 
Herbij^kcit  an;  mag  ihre  Tugend  auch  makellos  sein,  so 
fehlt  ihr  doch  zumeist  die  Anmnt  und  diese,  den  Zeugen 
eiiKs  ruhigen,  in  sich  1i;^t nioni^clun  Gemüts  und  eines  zart 
empliiKlcnden  Herzen-,  vc riiiissc ii  wir  immer  nur  nnoern; 
ihr  Maugel  stöist  zurück  und  vereinsamt  den  Menschen,  der 
an  ihm  leidet  Anmut  und  Wurde  im  Verein  machen  den 
Menschen  erst  zur  wahrhaft  s> nipathischen  Erscheinung.') 
—  Aber  aufser  der  angegebenen  Folge  des  Fehlens  der 
elterlichen  Krzieliung  tritt  nicht  selten  noch  eine  andere  ein, 
die  viel  bedenklicher  ist :  der  Mangel  au  Liebe,  an  Wohl- 
wollen. Der  etwas  rauhen  Tugend,  wenn  sie  auch  Tins 
weni;4ei  anziehend  erscheint,  \ti>aL:(n  wir  iiusire  Achtung 
nichi,  ja  wir  bewundern  sie  uuIct  l' ni.^trinde;i  Kaltherzii»-- 
kt'it  al)ei  erweckt   unseien  Abseilen.    Kine   >t>lehe  Wirkung 

wird  die  öffentliche  Erziehung  fast  immer  bei  Individuen 
mit  starken  idiopathischen  Trieben  haben.    Die  Erzieher, 

diese  bemerkend,  wollen  sie  eindämmen  und  zurückdrängen, 
da  ihnen  aber  die  natürliche  Liebe  zu  den  Zöglingen  abgeht, 
so  vergreifen  sie  sich,  auch  bei  dem  besten  Willen,  leicht  in 
der  Wahl  der  Mittel  und  nehmen  /ii  sclKirfen  Mafsregeln 
ihre  Zuflucht.  »Solche  ai)er  rufen  LibiLLenuiL;  hervor  und, 
weit  davon  enlternt,  den  ICgoismns  zu  unterdrücken,  Ijewirken 
sie  blofs,  daf.s  derselbe  sich  verbirgt,  um  später  desto  ener- 
gischer sich  geltend  xii  machen.  Die  Kitern  halt  die  Liebe 
ab,  dem  Egoismus  der  Kinder  einen  zu  straffen  Zügel  anzu- 
legen ;  indem  sie  deuiselben  einen  gew  issen  Spielraum  lassen, 
verhindern  sie,  wenn  ich  so  sagen  darf,  seine  .Aufstauung 
und  sein  späteres  nniicstumes  Hervordringen.  \'on  einem 
gänzlichen  Brechen  desselben  knnn  ja  gar  keine  Rede  sein, 
am  allerweni Lasten  bei  Kindern  aufserordentliehe  Schick- 
sale allein  kt">nucn,  \scini  sie  auch  dies  nicht  hervorzubringen 
vermögen  (denn  dann  uiüfsten  sie  ja  die  menschliche  Natur 

M   \'^\.    Schilkr     I  btr   Animil   iiiid   Würde  .     Werkt*   in  der 
Redam'tichcn  Ausgabe,  Bd.  n,  S.  163  fi.   Auf  S.        heil.st  es  u.  a. : 
Sind  Anmut  und  Wurde  in  derselben  Person  vereinigt,  so  ist  der 
Ausdruck  der  Mcn.schheit  in  ihr  vollendet  . 


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völlig  tiiiiznwaudelu  iiiislaiulc  sein),  M  ilin  auf  ein  "Miiidesl- 
iiiafs  reduzieren.  Der  benilsmäisit^e  Erzieher  legt  iialiirgeinä Ts 
das  gröfste  Gewicht  auf  die  Autorität;  K.iuder  aber  verlaugeu 
Liebe  —  sie  lassen  jene  mir  dann  gelten  und  beugen  sich 
ihr  willig^,  wenn  diese  mit  ihr  sich  vereint  Und  dies  ist 
eben  in  \  öllig befriedigender  Weise  hlofs  möglich  bei  den  Eltern; 
nur  sie  können  ganz  dem  Luther  seilen  (irundsatze  gcmafs 
liandehi,  dcni  (irundsatze  nändich,  den  Xiifel  bei  der  Rute") 
liegen  zu  lassen.  Davon,  dafs  die  Strenge  nur  ein  Anstlnfs  der 
Liel)e  ist,  lälst  sich  das  Kind  leicht  überzeugen,  wenn  jene 
vuu  den  Eltern  ausgeht;  denn  deren  Liebe  ist  es  —  als 
etwas  ganz  Natürliches,  was  gar  nicht  anders  sein  kann, 
sicher.  Dent  berufsmäfsigen  Erzieher  gegenüber  fehlt  diese 
Sicherheit;  in  ihm  sieht  es  zumeist  blofs  den  Herrn,  unter 
dessen  Willen  es  sich  beugt,  weil  es  eben  mufs,  denigegfen- 
über  es  sich  aber  vorbeli.'ilt,  seinem  eigenen  Belieben  zu 
t<^lgen,  wenn  es  erst  seiner  Leitnnir  L^hirklich  entronnen  ist 
Xnr  die  Ellern  können  den  KiiKkrn  mit  jenem  warmen 
Hauche  der  Eit1)r  nahen,  der  aucli  die  Strenge  aks  ein 
sanftes  Joch  ei^eheineu  lälsi,  und  der  niil  dieser  im  \'erein 
das  Wesen  der  Kinder  erst  zu  einem  so  harmonischen  ge- 
staltet, dafs  es  in  seinen  Äufserungen  wahrhaft  tins  entzückt 
Es  wäre  kaum  nötig  gewesen,  so  \  iele  Worte  über  die  Vor- 
züge der  häuslichen  vor  der  öffentlichen  Erziehtmgzu  machen, 
wenn  nicht  in  tniserer  Zeit  wieder,  unter  Hinweis  auf  antike 
\'<>r1)i]der.  die  letztere  so  TKichdrücklich  cnij^lolden,  ja  als 
enizig  richtige  und  saehj^tinälse  hingt.slLlli  worden  wäre. 
Man  überbietet  sooar  die  Alten  noch,  iiKlcm  man  gar  niehis 
nielir  \on  r'amilicn-lCrziehung  wissen  will,  sondern  verlangt, 
dafs  die  Kinder  von  der  Geburt  an  in  Öffentlichen  Anstalten 
untergebracht  werden  sollen  —  ans  verschiedenen  Gründen : 
die  einen  halten  dafür,  dafs  die  Eltern,  besonders  die  Mutter, 
Hesseres  zu  thun  haben,  als  Kinder  zu  erziehen,  über  eine 
solche  Ansicht,  glaube  ich,  kann  allerdings  ohne  weiteres 

'i  ScIiojk  iiIkuu  r  l<c  li;nij>Ul  alk-nliii;;s.  dai's  dies  in<"»*;lioh  sei,  und 
jiicist  solche  Leute,  bei  denen  dieser  l'all  einijetreten,  alä  ileiÜK^'  — 
der  indische  Hiifser  wie  der  christliche  Asket  dienen  ihm  als  Heispiele 
dafür.  I  >oeh  ist  leicht  ersicluliel).  dats  es  si«;h  hierbei  nicht  uu\  eine 
liitötunjf,  .sondern  nur  um  eine  Kichtun^s-Andemng  des  Kgoi.sniu.s 
handelt. 

*»  Man  verstehe  die.s  Wort  nicht  l)i(>fs  im  tiberti aycnen,  sondern 
.'uteli  in  t !i;entliclien  Sinne,  worauf  ich  aiiLrcsichts  (Kr  in  unserer 
Zeit  Mo«ie  gewt)rdenen  j)ädai;ogi.scheu  SeUUinenlalilat  nur  kurz,  im 
Vorbeiziehen  hinweisen  will.  Dus  meines  Wissens  von  Menandros. 
einein  l)ichter  der  neuen  attisclien  Komödie  i.Vi-'  -'<)i  v.  Clir.  deb.) 
herrührende  W  <.rl  ')<fj>c(s  <o  .V(>i'*.r»*s;  itv  ,iu<().  i '<•/«/*•  -  wird 

.seine  r.eltnnj;  stets  bewahren. 


>«m»  Haitis«'!)  VIJ.  l. 


tK 


lir.  FmuI  B<*rKrniiiiin. 


7.\\r  Tagesordnung  übci  L;egan<4(.  ii  werden,  bernlu  doch  dieselbe 
wie  aui  einer  gänzlichen  \'erkennnnj4  dci  naiinlichen  Ord- 
nung der  Dinge'),  so  auch  auf  einer  geradezu  zynischen 
Geringschätzung  der  wichtigsten  Geschäfte  eines.  Andere 
wieder  sind  der  Meinung,  dafs  den  Eltern  alles  zum  Er- 
zieherbenife  Nötige  fehle,  und  dafs  alle  Mittel,  Abhilfe  zu 
schaffen,  ungeheuerliche  Anforderungen  seien.  T'nter  diesen 
begegnet  uns  auch  Dnrini;.  dem  die  --InntHrli  kontrollierte 
Kinderstube  i'latuns  nuch  bei  \veiteni  nicht  /niiiihcnd  cr- 
scheinl  (a.  a.  O.  S.  meine  Ansicht  über  diesen  runkt, 

über  die  erzieherische  Hefähigung  der  Kliciii  und  wie  für 
dieselbe  Sorge  zu  tragen  ist^  habe  ich  schon  dargelegt.  End- 
lich giebt  es  solche,  welche  glauben,  dafs  auf  diese  Weise 
nur  der  rechte  Genieingeist  gepflegt  werden  könne,  und 
diese  vornehmlich  berufen  sich  auf  das  im  .Mtertume  in 
Sparta  gegebene  Beispiel  und  auf  Pia  Inns  Republik;  auch 
Fichte  ist  einer  ihrer  (Gewährsmänner.-)  Wie  sehr  verkennen 
diese  aber  die  holi!.  soziale  Bedeutung  der  Familie!  in  der- 
selben treun  uns.  ja  schon  die  drei  Grundfonnen  des  sym- 
patliischen  \  erhalteus  von  Men.sch  zu  Mensch  in  reinster  .Vu.s- 
prägung  entgegen.  In  dem  Verhältnisse  zwischen  Eltern  imd 
Kindern  das  vom  Höheren  zum  Niederen;  in  dein  zwischen  Kin- 
dern und  Eltern  das  vom  Niederen  zum  Höheren,  und  endlich 
in  dem  zwischen  den  Gatten  einer-  und  den  Geschwistern  ander- 
seits bestehenden  das  vom  Crleichen  zum  Gleichen.  Somit  ist 
die  Familie  eine  soziale  Hrziehun<^s-Institntiftn  ersten  Ranges 
und  lial  obendrein  den  \'orzug  nicht  eine  kün>liiche,  sondern 
eine  natürliche,  ganz  von  .selbst  sich  ergebende  zu  sein.  ICs 
liegt  angesichts  dieser  Thatsachc  wahrlich  nahe,  auf  die  be- 
kannten Verse  Goethes  hinzuweisen:  -Warum  in  die  Weite 
schweifen,  sieh'  das  Gute  liegt  so  nah'!u  Ein  Mensch,  der 
durch  diese  Schule  hindurchgegangen,  der  innerhalb  seiner 
elterlichen  Familie  aufgewachsen  ist,  wird  sicherlich  nicht 
ohne  Gemeingeist,  wird  gewifs  nicht  ein  ungesellschaftlicher 

»)  Treffend  sa^t  Smith  (Theorie  II.  S.  n.-^):    In  dem  itatür- 

liolien  I.aiifc  der  Dinj^c  benihl  das  Dasein  'li^  Kindes  cinii^e  Zeil 
nach  seinem  Hintritt  in  die  Welt  ganz  allein  auf  der  Inirsorgc  der 
Ivltern  . 

■)  De.sg^leichtn  können  sie  sich  anf  Helvetins  berufen.  <kT  da 
sagt  (vgl.  seine  Schrift  /)>  riioiiniii  .  </i  m<  l<mtlt,\  tl>li  \on  n/itnifion  . 
Deutsche  CberseLzung  in  2  Jidn.  nn.shiu  1774.  II.  S.  ,\i^jr.  Die 
öffentliche  (d,  h.  die  .AnstaltsOKr/.ieliunji  ist  die  einzige,  von  der  man 
sich  T'atnr>len  \ersprechen  darf.  Sie  ist  allein  vermögend,  in  dem 
(ledächtuisse  der  liürger  den  Begriff  von  pcr.sünlicheni  (ilück  mit 
dem  Begriff  vom  National-filuck  fest  zu  vereinigen  .  Helvetins 
aber  hat  noch  mehr  (Vründe,  ein  Gegner  der  hiinslichen  Kr/iehung 
/.u  sein,  unter  anderen  mich  den  von  Döring  \  erfochtenen  (  vgl. 
darüber  das  gan/c  dritte  Kapitel  des  in.  Abschnittes  seines  gen.  Werkes). 


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19 


Sonderlini^  sein.  Freilich,  indem  die  Anstaltserziehung,  wie 
dies  eben  in  der  Natur  der  Sache  Hegt,  alles  gleicht  und 
ebnet,  liefert  sie  Alltags-Menscheii,  mit  denen  sich  ganz  ge- 

wifs  am  leiclitesteii  Oesellschaft  und  Staat  bauen  läfst,  \vic 
man  ja  auch  am  l>equt.*iiisten  mit  gleich f(')rmii^<.'n  Hacksteinen 
Hänserbaut;  während  die  I-amiliener/iehnn^,  so  sehr  sie  an(  Ii 
die  soziale  Xatur  des  Menschen  /ur  lüitfaltung  bringt,  docli 
nicht  minder  die  Entwickelung  der  persönlichen  Eigenart 
sich  angelegen  sein  läfst  Aber  gerade  das  ist  es,  was  für 
die  Kntwickelungr  des  Menschengeschlechtes  jE^eradezu  unent- 
behrlich  ist:  deshalb  wurde  ja  oben  schon  dagegen  geeifert, 
der  vSchule  die  Charakterbildunj^  der  Zöglinge  als  Hauptauf* 
gäbe  zuzuweisen,  weil  dieselbe  eben  nicht  der  nivellierenden 
Tendenz  anhennfallen  darf,  welche  von  allen  <)ttentlichen  In- 
stitutionen unabtrennbar  ist.  Gewiis  .soll  der  Jugend  ein 
starker  Geincingcist  ciugcptlanzt  werden;  das  geschitrht aber 
auch  in  hinreichendem  Mafse  durch  die  Familien-,  durch  die 
sie  ergänzende  Scluil-Erziehung  und  solche  Einrichtungen, 
wie  die  /nr  weiteren  Pflege  desselben  vorgeschlagenen.  Noch 
darüber  hinausgehende  I'ordemngen  sind  nichts  als  Kon- 
zessionen, welche  tnan  dem  Ehrgeize  und  dem  Egoisnnis  der 
Regierenden  macht.  \'m  nichts  atideres  handelt  es  sich  da- 
bei, nicht,  wiewohl  man  es  mit  lünphasc  beban|)tet,  um  die 
Verstärkung  der  Liebe  /nr  Heimat,  der  Treue  gegen ü]>er 
dem  Vaterlandc  deren  kriiltigste  Wurzel  ist  vielmehr  die 
Liebe  zum  Hanse.  Der  häusliche  Herd,  die  Familie,  wie  in 
diesem  Kreise  leicht  sich  entwickeln  Arbeitsamkeit,  Opfer- 
willigkeit, Selbstvertrauen  und  Zufriedenheit,  so  gedeiht  auch 
in  ihm  die  Liebe  zur  Gemeinde,  zur  Heimat,  zum  Vaterlande. 
Das  hat  »Smith  ebenfalls  ganz  riclitig  erkannt,  "-ri-'t  er  doch 
ausdrücklich  iTlieoric  II.  S.  i2tS):  Die  Natnr  hat  nns  an  das 
Vaterland  gehnnden,  nicht  nur  durch  unsere  st  Ibslisclu  ii, 
.sondern  auch  durch  jene  wohl  wolleuden  Neigungen,  die  uns 
an  unsere  Angehörigen  fesseln  .  Schon  deshalb,  weil  Wohl- 
stand und  Sicherheit  derer,  die  wir  von  Natur  am  meisten 
lieben,  von  des  Vaterlandes  Wohlstand  und  Sicherheit  ab- 
hängt. 

Endlich  muis  denen,  welche  der  öffentlichen  Erziehung 
das  Wort  reden  auch  da.  wo  dieselbe  nicht  durch  die  Tn- 
«i^inist  der  W rli;iltnisse  uotwendij^'  «gemacht  wird,  nocli  das 
I'olUfendL'  /u  Ik  (U  nken  oeLjeben  werden,  worauf  ()l>en  still- 
schweigend l>ereiis  mit  augespielt  wurde,  als  von  der  Waisen- 
kindern anhaftenden  Herbheit  die  Rede  war.  Ks  heifst  aus 
dem  Leben  des  Menschen  ein  Stück  grofsen  und  edlen 
Glückes  nehmen,  wenn  man  ihn  dem  Schofse  seiner  Familie 
entreifst;  es  heilst  auch  die  Ritern  selbst,  die  Mutter  nament- 


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2Ö 


l>r.  Pfettl  B^TKediiiliU. 


lieh,  aufs  tiefste  kränken,  wenn  man  iliiieii  ihre  Kinder 
entzieht.  Sofern  dies  um  dieser  und  des  Wohles  derCresell- 
schaft  willen  nntiir  crsclieint,  dnini  freilich  imifs  es  srhehen, 
in  allen  anderen  Fällen  ist  es  eine  ( irausamkeit  olnu  '^"iLichcu. 
Kine  Glücksquelle  zu  verstopfen,  sullu  ukui  uiclu  >«' >thiiL'il 
bei  der  Hand  sein;  mau  sollte  erw  ägen,  dal>  ( »liiek^gtiulilcn 
eine  grolse  treibende  Kraft  innewohnt,  dafs  die  Erinnening- 
au  eine  schöne,  im  Schofse  der  elterlichen  Familie  verlebte 
Kindheit  auf  das  j^anze  fernere  Lehen  mit  all  sciiR  i]  K'nnplcn 
und  Stürmen  einen  verklärenden  Schimmer  wirft:  diese  Kr- 
innerun«;:  ist  wahrhaft  ein  Paradies  und  zwar  ein  solches, 
ans  dem  uns  nichts  vertreiben  kann,  in  das  wir  uns  flüchten 
können,  so  oft  wir  wollen  und  dazu  Bedürfnis  haben,  in  dem 
wir  verweilen  dürfen,  solanj^e  es  uns  beliebt.  Und  ferner  ist 
auch  auf  die  von  der  Familie  ausj^ehende  Anregung  für  die 
spätere  eigene  Lebensgestaltung  des  Kindes  hinzuweisen: 
wer  in  seiner  Jugend  ein  geordnetes  Familienleben  mit  all 
seinem  C.lück,  all  seinen  Reizen  kennen  gelernt  hat,  der  wird» 
zur  Reife  gelangt,  den  lebhaften  Wunsch  hegen,  selbst  einen 
häuslichen  Herd,  eiiK  I'amilie  zu  begrüüdcti;  war  die  elter- 
liche F'ann'lie,  in  der  er  aulw  ach--,  der  Autangs-,  so  ist  seine 
eigene  nunmehr  der  Schhil>-l\.ursa>  (Kr  s(  aalen  F'rziehung: 
indem  er  jetzt  seine  eigenen  Kinder  erzielu,  wird  er,  wie 
ebenfalls  einst  seine  Eltern,  auch  wieder  von  diesen  gleich- 
sam erzogen.  Ein  Mensch  dagegen,  der  nicht  in  seiner  Kind- 
heit die  Freuden  des  Familienlebens  kennen  gelernt  hat« 
wird  viel  weniger  leicht  geneigt  sein,  sich  zu  verheiraten, 
ihm  wird  die  Gründung  eines  eigenen  Herdes«  einer  eigenen 
F'amilic  weit  weniger  am  Herzen  liegen,  er  wird  das  Leben 
eines  Hagestolzen  nicht  unerträi^Iieli  iniden.  \ielleicht  sogar 
ganz  angenehm.  Aber  der  Charakter  eines  solchen  ist  der 
F^g('isnui.>;  es  giebt  zwei  T\pen  dieser  Spezies:  den  geizigen 
Junggesellen  und  den  Lebemann,  der  sich  alle  Cienüsse  ver- 
schafft. Zudem  entbehrt  der  Hagestolz  eines  normalen  ge- 
schlechtlichen Lebens,  und  das  hat  die  Zerrüttung  der  Ge- 
sundheit zur  F^olge,  wie  uns  die  Erfahrung  genugsam  lehrt, 
und  nicht  nur  dies,  sondern  es  ergeben  "sich  auch  noch  andere 
schwerwiegende  F'olgen  auf  moralischem  ('.ebiete.  F^in  ge- 
regeltes Farnilienleben  und  ( reschlechtsleben  ist  die  eigent- 
liche ikdingung  eines  gesunden  (das  Wort  im  weitesten, 
nicht  blois  im  physischen  Sinne  gcnonnnen)  Lebens  über- 
haupt Das  Verdienst  des  Christentums  um  die  Moralisierung 
der  europäischen  Volker  beruht  zum  grofsen  Teile  darauf, 
dafs  es  Reinheit  der  geschlechtlichen  Verhältnisse  mit  Ent- 
schiedenheit forderte.  Dadurch  trat  es  in  schroffen  ( icgensatz 
ztt  den  (.Gepflogenheiten  der  antiken,  eigentliches  Familien- 


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Adam  Smilb*  pi<ln|;A|;i«irbr  Ankklitn  i*n<l  Kritik  iler*elbca,  2I 

leben  kantti  kennenden  Welt   Namentlich  in  Griechenland 

hatte  man  sehr  wenig  Verständnis  für  ein  sittlich  reines  ge- 
schlechtliches Leben,  was  auf  der  untergeordneteu  vStelhing, 
welche  dort  die  Frau  nach  orientahschem  Vorbilde  einnahm, 
beruhte:  sind  dnch  bc7eichTK  iiderweise  die  q;riechischen  Tugen- 
den fast  nur  Tilgenden  und  X'ollkomnKnheiten  des  Mannes 
(und  zwar  des  freien  Maniifsi.  Hesser  stand  es  allerdings  in 
Rom;  hier  nahm  die  I'iau  keineswegs  eine  untergeordnete 
SteUung  ein^  und  das  Familienleben  war  ein  schönes,  aber 
d»5  letztere  nur  während  der  ersten  Jahrhunderte  der  Republik. 
S]).'Uer,  namentlich  zur  Kaiserzeit,  geriet  das  Familienleben 
in  Verfall,  und  nunmehr  überboten  die  Römer  die  alten 
Griechen,  was  die  geschlechtlichen  Verirrungen  betrifft,  in 
einer  geradezu  ungeheuerlichen  Weise:  die  Knabenliebe  (aber 
nicht  etwa  im  Sinne  von  Piatons  Sxuiposion  )  war  etwas 
ganz  AUtäglirlies,  ja  es  wurden  iöruiliche  Khebündnisse 
zwischen  Jünglingen  und  Knaben,  Männern  und  Jünglingen 
geschlossen  —  man  lese  nur  einmal  den  berüchtigten,  aber 
in  sittengeschichtlicher  Beziehttng  hochwichtigen  Roman  von 
Petronius  ^lAbri  iSa/ZWcwi" !  Auf  solchs  Gemälde  mufs  man 
diejenigen  hinweisen,  welche  das  Heil  der  Zukunft  von  der 
Vernichtung  des  IviTüilienlebens  erwarten. 

Wir  werden  nun  nach  all  diesen  Ausführungen  gewifs 
gau'/  mit  vSmiths  Ansicht  übereinsliminen.  die.  wie  wir  be- 
reits wissen,  dahin  geht,  dal.s  durch  die  lüziehung  der  Kinder 
aufserhalb  der  elterlichen  Familie  Glück  und  Moral  gleicher- 
weise beeinträchtigt  werden,  dafs  es  die  Aufgabe  und  die 
Pflicht  der  Eltern  ist,  ihre  Kinder  selbst  zu  erziehen:  die 
sorgfältigste  Hofmeister-  oder  Anstaltserziehung  kann  niemals 
einen  völlig  ausreichenden  Ersatz  für  die  elterliche  bieten, 
vermair  den  Maiii'il  dieser  nir  "m/lieh  aufzuwiegen.  ..Uud 
mit  ganz  besonderer  luitsehiedmlieit  ist  nun  gar  die  Über- 
hebun«^  derer  zurückzuweisen,  welche  i^lnuben,  durch  die 
SchuK  alles  vernu"')gen  zu  können.  Mit  elwas  in)crtreibuug 
allerdings  sagt  Jean  Paul,  dafs  mau  wohl  Unterricht  einem 
fremden  Kinde  .ereben  könne,  «lagegeu  Erziehung  blofs  dem 
eigenen  (Levana.  in  der  Rcclainseheu  Ausgabe  vS.  147);  aber 
ein  tiefer  Wahrheitskern  .steckt  doch  darin.  Und  gewifs  können 
wir  mit  Habberion  übereinslinnuen,  der  da  sagt  (Anderer 
Leute  Kinder,  in  der  Reelamsehen  .\usgabe  S.  2H2):  Ich 
meine,  dals  Kinder  im  allgcnicinen  da  bleiben  sollen,  wohin 
sie  gehören:  zu  Flause  unter  den  Augen  der  Eltern  ,  und 
dafs  es  ein  Wahn  sei,  als  ob  irgend  ein  menschliches  Wesen, 
sei  CS  Freiuid,  Verwandter  oder  Bekannter,  sich  jemals  zum 
Krzieher  für  anderer  Leute  Kinder  nur  entfernt  so  gut  eigtien 
könne  wie  deren  eigene  Eltern.   Nicht  minder  Recht  hat 


ii 


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22 


ttf.  P«ul  ll«rcrju«n». 


Rosegger,  bei  dem  wir  lesen:')  Die  Schule  lehrt  die  Ju;^eiid, 
aber  sie  vermag  dieselbe  nicht  eigenthch  zu  erziehen.  Mit 
welchen  Ort^rnien  saiij^t  das  juno^e  nanmchen  mehr  Xähr- 
und  Lebensstotl  an  sich,  nnt  den  Zwci^^cn  nnd  Hlrittcni  ans 
der  freien  Lull  oder  mit  der  "^Vnr/cl  *ni>  dem  iiudcn.  dcni 
es  ents])roi\st?  Was  das  Kind  durch  die  Schule  aufuinimi, 
miife  mühsam  verarbeitet  werden;  aber  die  Beispiele  und 
Atileittingen  der  Eltern  gehen  nn willkürlich  in  Fleisch  und 
Blut  über.  Den  Eltern  obliegt  es,  im  Kinde  den  Gnmd 
zitr  gedeihsamen  Weltanschauung  zu  legen  . 

(Foitsetziing  folgt.) 

'i  Die  SchiifUii  des  WaldschuhueisterH  VI.  Auflage,  Wien,  Pest, 
l^eipzig  1886.  S.  31H.  319. 


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Die  experimentelle  Psycliologie.  '> 

Von  Heinrlok  Free  in  Osnabrück. 


Hs  gab  eine  Zeit,  die  glücklicherweise  weil  hinler  uns 
liegt,  da  ging  man  dem  Menschen  mit  Nasenklemmern, 
Danmschranben  nnd  sonstigen  Schmerz  verursachenden  Werk- 
zengen  zu  Leibe,  um  die  Wahrheit  aus  ihm  herausznlocken. 
So  meinte  man,  aber  in  Wirklichkeit  zielte  die  Piocedur 
darauf  ab.  belastende  ( reständnisse  ans  seinem  Munde  zn 
hören,  die  der  Jnstiz  das  Recht  gaben,  ihn  um  Hanpt  nnd 
Leben  /u  bringen.  Jene  Zeit  sclieint  wiedci  liekchrt  zw  sein, 
wenn  man  hentii^estags  in  ein  psychologisches  Laboratorium 
tritt  und  die  Leibgurte,  Haudschellen,  Fallhämmer,  Zangen, 
Stechwerkzenge  nnd  dergleichen  Geräte  sieht,  die  gebraucht 
werden,  um  den  psychologischen  Delinquenten  zu  Gestand- 
uissen  zw  nötigen,  welche  er  ohne  die  Anw  endnng  dieser  In- 
strumente nicht  machen  würde.  Allein  der  Kindrnck  einer 
Folterkammer  liegt  beim  1h  tre  ten  eines  |)s\  cholon;isrhen  In- 
stitnts  doch  fern,  nur  die  gern  nmlu  rseiiw  l  iteiule  Phantasie 
bringt  eine  \'crknüj>limg  der  an  sich  kaum  /u  einander  in 
Heziehnng  stehenden  Iviui  ielii ungen  fertig.  l>ie  Xaturwissen- 
schaft  hat  lange  experimentiert,  da  lag  es  nahe,  auch  die 
psychischen  Erscheinungen  auf  experitnentellem  Wege  zu 
erforschen.  Dais  man  nicht  früher  daraufgekommen  ist,  ver- 
ursachten die  .\nsehannngen,  die  man  von  der  Psychologie 
hegte.  Der  grolse  Kam,  der  das  ganze  meu'^ehliche  Denken 
einer  eingehe  nden  Kritik  unterwarf  nnd  nach  der  Zerstörung 
althergebrachier  Anschauungen  ein  neues  ( ^edankengebände 
aufrichtete,  wnfsle  mit  der  l's\ eh«  »1(  »gii.  uiehts  zu  beginnen. 
Sie  bildete  lür  ihn  ein  I*'  !d,  das  ein  geeigneter  Tummelplatz 
für  phantastisches  l)enken  war,  auf  dem  er  sich  zwar  gern 

'i  Wim  dt,  \  orksuiiircn  iiln  r  die  Menschen  imfl  Ticrseele. 
Lcip/i^r  \'<)ls.  W'untlt.  < '.i  uiul/.ü.i;f  der  pliysioloi^^ischcn  l'.sycho 

loj;ic  2  H.  I,eii»/ii;  1-^9.^,  Fnjfchnaiin  Knlpc,  (irundrifs  der  Psycho- 
logie. I,eip/.i}^.  lvn.u:chiiami  Ziehen,  I.citf.uhn  der  physiolo^rischen 
Psychologie.  Jena  1S91,  bischer.  WuuUl.  ikitrage  /ur  Theorie  der 
Sinnesw^rndiimungen.  Leipzig  Winter. 


24 


Heinrich  Kreis 


bewegte;  aber  von  einer  Wissenschaft  sollte  nicht  die  Rede 

sein,  weil  Mefskctltn  und  Logarithmen  sicli  nichi  anwenden 
licfsen.  Da  kam  Herbart  nnd  iialnn  der  Ps\  chologie  gründe 
Hell  das  Mafs  und  zei'f^te,  w'n-  Uiclu  es  ist,  ihr  eine  niatlie- 
niatisclic  I'^orni  zn  Jüchen.  iniifste  endlieli  der  Mafsstab 

dazu  kuninien,  und  die  ex|)eriuicnLelle  Psvelioloj^ie  war  l'erlij^ 

Einzelne  Experinienle  behufs  luforsehnn«;  nien.selilieher 
Seelenzustände  sind  schon  früher,  namentlich  im  vorigen 
Jahrhundert  versucht  worden;  sonst  aber  bildet  die  experi- 
mentelle Psychologie  eine  Errungenschaft  des  neunzehnten 
Jahrhunderts.  Der  erste,  der  ein  Sinnes^ebiet  s\  slenialisch 
untersuchte,  war  der  Leipziger  l^rofesscn-  Hrnst  Heinrich 
Weber,  der  die  *;ewünnenen  Er^el)nis'<e  in  seiner  AMinnd- 
lunj^  über  den  Tastsinn  1846  veröffentlichte. '>  liehulioitz 
untersuchte  den  Tonsinn  und  die  \nni  Auj^e  wnhrnelnnbnre 
Welt  der  Farben.  Inciuier  in  Leipzig  versuchte,  den  Zu- 
sammenhang zwischen  den  physikalischen  Reizen,  welche  zu 
Sinneswahniehmungen  fähren^  tmd  den  psychischen  Empfin- 
dungen zu  ergründen.  Herr  Geheimer  Ilofrat  Professor  Dr. 
Wundt  in  Leipzig  ciullich,  der  geniale  Urheber  einer  neuen 
Anschammg  auf  psychologischeuj  Oeluete,  riclitete  ein 
psychologisches  Laboratorinm  ein  und  begann  nun,  auf  experi- 
mentellem Wege  die  sämtlichen  St  e  k  lu  orgänge  zu  erforschen. 
Seit  dieser  Zeil  findet  von  allen  Hochschulen  und  ans  allen 
Ländern  eine  Art  Pilgerfahrt  nach  Leipzig  statt,  um  die  ge- 
troffenen Einrichtungen  kennen  zu  lernen  und  luit  den  Unter- 
suchungsmethoden vertraut  zu  werden. 

Die  Aufgabe,  welche  der  experimentellen  Psy  chologie 
vorschwebt)  geht  dahin,  den  menschlichen  Seeleuinhalt,  iu> 
bezug  auf  Ursprung,  Zusammenhau  t;  und  Wirkung  zu  erklären. 

Die  ex|x-rimentelle  PsNcholoj^it  wird  im  ( 'rebiete  aller  dieser 
\  un  ps\  chophysischeu  AlcthudcH  ciusgeheiiden  Untersuchungen 
ihre  Aufgabe  gelöst  haben,  wenn  ihr  eine  vollständige  Zer- 
legung der  Bewulstseinserscheinungen  in  ihre  Elemente  und 
eine  genaue  Kenntnis  ihrer  Koexistenz  und  Aufeinander- 
folge gelungen  ist 

Die  Aufgabe,  wie  mau  sieht,  ist  eine  schwierige.  Sie 
.scheint  bei  flüchtigem  Ansehen  etwas  Ähnlichkeit  mit  dcui 
PeTuühen  der  guten  Schildacr  /u  haben,  welche  die  Soimen- 
strahlen  einlangen  unti  ins  fensterlose  Rathans  i)ringen 
wollten.  Wie  vermag  man,  so  mnfs  man  fragen,  mit  Zangen 
und  Pincetteu  die  Seele  zu  fassen  ^  W  ie  ist  es  möglich,  die 
Vorstellung  an  eine  Nadelspitze  zu  heften  und  vorzuzeigen, 

•)  Wagner,  Handbuch  der  Phy.siologic.  4.  IJ.  S.  4S1. 
'I  Wundt,  Essays.   Leipzig  18K5.  Hngeltnann. 


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25 


wie  es  der  NatiuforsclKT  etwa  mit  einem  anj^espiefsten  Käfer 
macht?  In  der  Tlial  Heji^t  die  weseiulichsle  Schwierigkeit 
darin,  dafs  man  die  seelischen  Vorgänge  niclit  direkt  unter- 
suchen kann,  sondern  nur  auf  indirektem  Wege. 

Früher  gkiubte  man,  der  Mensch  träge  in  sich  auch 
einen  Sinn,  wie  er  nach  aufsen  hin  deren  fünf  besitzt  Wie 
die  letzteren  uns  in  den  Stand  setzen,  die  Au fsenwelt  kennen 
zu  lernen,  so,  meinte  man,  befähige  dti  innere  Sinn  den 
Menschen,  von  seinem  Seeleninhalt  sich  Kenntnis  z.u  ver- 
schaffen. I*"s  war  aber  nur  eine  Annahme,  für  welche  alle 
Beweist  ansi;el)lieben  sind,  und  dcslialh  lint  man  .sie  fallen 
lassen.  Ilci  der  lu'for.sehiuig  der  vSccle  i.sl  mau  allein  an  die 
äufseren  Sinne  gewiesen.  Sie  bilden  die  Thore,  durch  welche 
liebe  und  böse  Gäste  in  unsere  Seele  einziehen,  die  darin 
Gemeinschaften  bilden  und  einen  Staat  gründen,  der  vor- 
trefflich  geordnet  sein  kann,  aber  manchmal  aueh  recht  ver- 
stört er.sclieint.  Wie  Absalom  sich  einst  ans  Stadtthor  setzte 
und  die  Lentc  anshorchte,  die  ein-  nnd  ansginqen,  so  können 
auch  die  I'sx  c  liologen  nicht  mehr  ihun,  als  vor  den  Sinnes- 
pforten  aufpassen,  was  für  Kindrücke  Kinlafs  begehren.  Diese 
Werden  schleunigst  ergriffen,  geuie^.«.t:n,  gezählt  und  gt:we)gen, 
und  dann  achtet  man  darauf,  was  so  ein  Bote,  wenn  er 
w^ieder  erscheint,  für  Erlebnisse  ztt  berichten  hat.  Bs  ist 
möglich,  dafs  er  sieh  getäuscht  hat,  und  dafs  seine  Aussagen 
unrichtig  sind.  Deshalb  kann  man  nicht  von  Jedermann 
psychologi.sch  richtige  Thatsnehen  erfahren,  .sondern  es  ist 
nntii^.  dafs  man  Personen  ninmii,  welche  die  eriorderliche 
Sicherlieit  durch  Übung  >ie]i  crs\  erben. 

Nun  drängt  sich  uuwillküilich  der  Zweifel  hervor,  ol) 
Siuue.seindrückc  und  psychische  \*orgänge  dasselbe  oder 
weni erstens  miteinander  'vergleichbar  sind.  Wir  .sehen  wohl 
einen  Baum ;  aber  das  Gebilde  in  unserer  Seele,  das  dazu  in 
Beziehung  gesetzt  wird,  ist  kein  T')auni.  Schon  Comenius 
sprach  die  Anschauung  aus,  dafs  der  Mensch  nichts  von  der 
Aufsenwelt  in  sich  aufnimmt,  sondern  dafs  nnr  sein  eigenes 
Selbst  sich  entwickeln  kann.  Xacli  Herbai  i  liat  der  Mensch 
in  seiner  Seele  seine  eigenen  Ziistände,  uml  nielit>  von  aufsen 
her  ist  in  ilie.selben  eingegangen.  Die  Zusaunnenwirkung 
von  Physischem  und  rsychischeni  ist  rätselhaft,  und  niemand 
vermag  die  Ursache  und  das  Wesen  der  Beziehung  nach> 
zuweisen.  Aber  in  einem  Punkte  sind  wir  gewifs  und  halten 
ui]<  nidlt  für  getäv.seht,  dafs  n;iiulicli  die  psychische  Eut- 
wiekhmijf  durch  sinnliche  hlinwirkung  zustande  kommt.  Die 
.Art  luui  Weise  ist  Ixi  allen  Menschen  dieselbe;  darum  fühlen 
wir  uns  zu  der  Annalinie  berechtigt,  dafs  /w  iselien  den  sinn- 
lichen Einwirku'igeu  und  den  seelischen  Folgen  eine  gesetz- 


^6 


Heinricb  Fr^r. 


niafsic^e  Hezieinniq  vni  li;iiicleu  sein  iiiiils.  Man  niiTimt  an!" 
(tiuikI  ilt'i  Krialiiiui^  an,  dais  zwischen  .sinnlichen  nnd 
psychischen  Krscheiuuugeu  ein  Parallelismus  besteht,  dafs 
mit  den  Sinnesfunktionen  also  ps\  chische  Vorgänj^e  parellel 
laufen.^)  Von  Annahmen  mufs  jede  Wissenschaft  ausgehen, 
und  es  kommt  später  darauf  au,  dieselben  von  einem  wissen- 
schafthch  sicher  bej^ründeten  Standpnnkte  ans  erklären  zu 
können.  Tnter  \'oranssetznnj^  des  Parallelismus  kann  man 
am  Menschen  experimentieren  nnd  planniäisig  aul  seine  Sinne 
einwirken;  denn  ma  ist  j^ewifs,  wie  man  in  denselben  Reize 
auslöst,  so  müssen  seelische  Vorgänge  als  Antworten  tlaraui 
folgen.  Danach  scheint  nun  die  Untersuchung  leicht  zu 
sein;  denn  man  braucht  nur  den  sinnlichen  Vorgängen  das 
Mafs  zu  nehmen,  um  zu  erfahren,  in  welchen  berechenbaren 
Formen  die  psychischen  Vorgänge  sich  ereignen,  danz  so 
leicht  ist  die  Sache  nicht,  deini  physisches  (leschehcn  in 
ps\  cliisclK  s  umznsetzen.  ist  nur  nin<^dicli  mit  Hilfe  des  knnst- 
reichcn  Xer\  Lna])parates.  Ivs  ist  alx»  uutig,  anch  diesen 
nach  seinem  Ikui  und  .meiner  Funktion  kennen  zu  lernen. 

Die  Wissenschaften,  welche  uns  mit  den  Nerven  bekannt 
machen,  sind  die  Anatomie  und  die  Physiolu>4ie.-)  Die  Nerven 
bilden  einen  so  kunstreichen  Bau,  dafs  es  bisher  nicht  hat 
^elinjj^en  wollen,  vollen  .Xnfschlni's  darüber  zu  j^;e\vinnen. 
Soviel  aber  weifs  man,  dafs  die  Xer\  enfnnktionen  auf 
chemischen  Prozessen  beiulien.  Wie  leicht  nnd  rasch  der 
Chemismus  zu  wirken  vermag,  darüber  j,;;ebeu  die  bekannten 
H\j)losi\ sl(.ille  Anfschlnls.  Chemische  \'<n^;ui;^e  nianni^- 
laltigster  Art  nnd  in  vielfach  abj^elöntei  I'urni  linden  in 
unsern  Nerven  statt,  wenn  Reize  in  den  Sinnesorganen  dazu 
den  Anstofs  geben.  In  welcher  Weise  die  chemischen  Vor- 
gänge verlaufen,  ist  nicht  bekannt,  doch  scheinen  zwei  Mög- 
lichkeiten vorzuliegen.  In  den  Nerven  ist  nie  ein  Ruhe- 
zustand, sondern  der  Prozeis  der  Kr/enf^\nig  der  chemischen 
Kräfte  ist  ein  stetit^  fortmachender.  ICs  ist  nnn  möglich,  dafs 
dieser  Prozefs  dnrcli  den  Sinnesreiz  in  seinem  (»rade  nnd 
in  seiner  Form  l)eeinllulsl  wird,  dals  <lie  clieinisehe  Welle 
•gleichsam  meehaniscli  den  empfangenen  Reiz  fortleitet.  Hin 
solcher  Fall  scheint  beim  Tast-  und  (Teliörssinn  vorzuliegen, 

'i  \\  ti  n  «1 1 .  I>as  rriTi/ip  des  ])sycho|)liysiseIien  I'arallelisinus. 
Philostjphisclie  Studien,  ro.  Ii.  S.  ju.  Leipzig  JS94.  liislcr.  Der 
psychophysische  Parallelismus.    Kei])/.i.i;,  Fnedricli. 

-  t  d  i  11  CM' ,  Zwölf  NDrlesiuij^en  über  den  Bau  der  nervösen 
Centralorgane.  Leipzig,  \'ogel.  JS93.  Heule,  lliuidbueh  der  Ana- 
tomie des  Menschen,  5  Bd.  Brannsclnvcij^.  Vieweg.  tS-i.  Hermann. 
Handbuch  der  I'h\ siolo^^ie.  t,  Bd.  I  iiw  i.u:.  Vogel.  1X79.  Wagner. 
Handbnoli  di  i  Pliysiologie  .\  Hd.  Hraunschwcig.  X'ieweg.  1842. 
H  e  i  t  z  in  a  n  u  .  X  er\  ensysleui. 


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Di*  espcffiOMBteJI«  PtycboloKie. 


die  deshalb  die  mechanischen  Sinne  ^^enannt  werden.  Ein 
anderer  Fall,  der  bei  dem  chemischen  Ner\  enprozefs  vor- 
kommen kann,  ist  der,  dafs  er  sich  verändert  und  einem 
Vorj^^aiiq^e  s^aii/  anderer  Art  Platz  macht.  So  scheint  es  beim 
Gebcliniacks-,  ( »Linchs- niid  (Gesichtssinne  zusein,  die  deshalb 
die  chemischen  .Sinuc  ^cuauiit  werden. 

Alle  Nerveuprozesse  werden  nach  der  Grofshirurinde  ge- 
leitet, die  als  das  Funktionsorgan  der  Seele  anzusehen  ist 
Von  einem  Sitze  der  Seele  zu  sprechen,  wie  es  früher  ge- 
schehen ist,  wird  nicht  anjr-uigijj;^  sein.  Sitz  der  Seele  ist  der 
Leib,  darin  stimmen  die  wissenschaftlichen  Foi  schnngen  und 
das  empirische  Denken  übereiu:  aber  das  l'unlitiOnsorq-nn 
des  Bewnistseins  l)eim  .Menschen  ist  die  r>rnfshirnriiKle.  Ks 
hat  sich  erofeben,  dafs  einzelne  Hirnj^ebieU  für  Ixsiiuimte 
psychische  Funktionen  besonders  in  .\uspruch  genommen 
werden,  so  beim  Denken  der  Stimteil,  beim  Sprechen  der 
linke  Schläfenteil  u.  s.  w.  Doch  die  Verteilung  der  j»>  chischen 
Thätigkeiten  auf  die  Grofshinirinde,  wie  sie  von  Gall  uud 
seinen  Anhängern,  z.  B.  von  Lavater«  versucht  wurde,  hat 
sich  nicht  als  richtig  erweisen  lassen.  Der  Xervenprozefs, 
ma*^  er  nun  clu  tnisch  oder  dynamisch  auf  die  Hirnrinde  ein- 
wirken, hal  nicht  von  .Vnfang  an  fest  begrenzte  Hahnen,  son- 
dern diese  bilden  sich  durch  die  l'bung  im  Laufe  der  Zeit 
aus.  Daraus  erklärt  sich  die  Thatsache,  dafs  Störungen  in 
den  Nervenbahnen  mit  der  Zeit  verschwinden,  weil  eine 
andere  Verbindung  durch  die  Übung  zustande  gekommen  ist') 

Die  Reize,  von  welchen  der  Cliemisuius  der  Nerven  im 
Centralhim  Kunde  giebt«  werden  an  der  Peripherie  des 
Körpers  aufgenommen.  .\n  dieser  Stelle  sind  die  Nerveti- 
endeu  niil  ])esonderen  Apparaten  versehen,  welche  den  l'.ni- 
pfang  \(>n  den  von  aufsen  kommenden  Reizen  ermöglichen. 
W  ir  nt  nnen  sie  die  Sinne,  deren  der  Mensch  bekanntlich 
fünf  besit/i.  Aller  Geistesinhall,  so  grofs  er  auch  sein  mag, 
ist  das  Produkt  der  sinnlichen  Einwirkungen.  Daher  scheint 
es  möglich  zu  sein,  durch  die  Analyse  der  physischen  mid 
psychiologischen  Thatsachen  das  Geistesleben  auf  elementare 
Formen  zurückzuführen  und  daraus  erklären  zu  können. 

Denken,  Fühlen  und  Wollen  sind  die  Vorgänge  der  Seele. 
.Mlein  was  ist  diese  selbst?  Aul  diese  I'rai^i-  giebt  es  mehr 
als  eine  Antwort.  Vom  Standpunkte  der  l'rforschnng  und 
Erfahrung  ist  keine  andere  lieantwortuug  möglich,  als  dafs 
unsere  Seele  eben  die  an  ihr  beobachteten  \'orgäuge  dar- 
stellt Man  hat  sich  gewöhnt,  diese  als  blofse  Erscheintin  gen 

\V  u  II  (l  l,  Zur  Frage  der  I.ukalisation  der  <  TroJshirnrindc.  Philo- 
Hophische  Studien.  6.  B.  S.  i.  Jahrgang  1891.  Forel.  Gehirn  und 
Seele.  Zürich. 


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28 


Heinrich  Fr^c. 


aiifzufassLMi.  Ähnlich  wie  die  Farben  einen  Stoii  als  Trä^t  i 
ihrer  KrsclidtiiiTVj^en  voraussft/.cii,  so  sucht  mau  mich  für  die 
psychischen  \'«  irL^riiii^e  nach  einer  Substanz.  Allein  was 
darüber  gL;iu Isert  woi  fk"  i.st.  sind  \'crnintuni;en,  blnfse  Hypo- 
thesen, die  nur  den  Wtrrl  \  un  WalirscheinHehkcii  für  sich 
haben.  Man  kann  sich  von  der  Existenz  der  Seele  überzengt 
halten,  aber  die  absolut  giltij^en  Beweise  fehlen.  Die  I's\cho- 
logie  kann  deshalb  die  psychischen  Vorgänge  zu  erklären 
suchen;  aber  die  Beantwortung  der  Frage  nach  dem  Wesen 
der  Seele  mufs  sie  vorläufig  noch  der  Metapliysik  überlassen. 
Die  Psychologie  nimmt  die  Seele  a.  ,  wie  die  Chemie  zur 
Annahme  von  Atomen  genötigt  ist.  Aberelxn  w  eil  die  P.syche 
Gegenstand  einer  Annahme  ist,  kann  man  sie  für  ein  ab.solut 
einfaches  Wesen  haken,  oder  für  eine  einheillich  wirkende 
Komposition  psychischer  Elemente.  Soviel  steht  {est,  dafs 
dielTieorie  vom  Wesen  der  Seele  vorläufig  nicht  auf  psycho- 
logischem Gebiete  eine  befriedigende  Erklärung  finden  kann, 
sondern  von  einem  höheren  und  allgemeineren  Standpunkte 
aus  gewürdigt  werden  innfs. 

Da  die  Untersnclnin^'^  de*^;  Seeleninhaltes  nur  von  der 
sinnlichen  Seite  ans  müglicli  ist,  so  kommt  viel  daranf  an, 
die  Einrichtung  und  Wirkungsweise  der  Siiuie  zu  kennen. 
Derjenige  Sinn,  welcher  der  Untersuchung  am  leichtesten 
zugänglich  ist  und  den  einfachsten  Apparat  besitzt,  ist  der 
Gefühlssinn,  der  am  zweckmäfsigsten  Tastsinn  zu  nennen  ist. 
Wir  finden  ihn  in  der  den  Körper  bedeckenden  und  einhüllen* 
den  Haut,  so  dafs  keine  Stelle  derselben  ohne  diese  Sinnes- 
funkti<in  anf/ufinden  ist.  Trt)tz  der  Kinfachheit  des  Siimes- 
werkzeugcs.  hal  weder  die  AnatviTnie  noch  die  l'h\\siii|( »gir 
über  den  Tastsinn  zu  vollständij^^i  r  Klarlicil  kumnicu  ktnineii. 
Eine  ungeheuere  Zahl  von  Tastnei  \  en  verzweigen  sich  nach 
allen  Stellen  der  Haut  hin  und  cudigcn  darin  mit  feinen 
Fäserchen  oder  Fibrillen,  die  selbst  das  beste  Mikroskop  nicht 
überall  sicher  verfolgen  kann.  Die  Enden  dieser  Fäserchen 
liegen  frei  zwischen  den  Oberhautzellen  oder  sind  mit  zell- 
artigen ( jebilden  von  kugel-  oder  knupfförniiger  Tiestalt  ein- 
gefafst.  Welche  Hedentnng  diesr  Tn^tkörper.  wie  man  sie 
nennt,  i)esitzen,  ist  unbekannt,  jedenfalls  liabrn  ^ir  rine 
Funktion,  die  bei  der  Heizleitung  in  irgend  cinci  \\  ci>c  /.um 
Ausdruck  kv>mmt.  X'iellticht  ver.siäiken  sie  die  Reizempfin- 
dung oder  vermindern  sie  unter  Uni.ständen,  oder  verändern  sie 
auch.  Das  ist  eben  das  Unerklärliche  am  Tastsinn,  dafs  er  nicht 
Tastempfindungen  allein  übermittelt,  sondern  auch  über  Wärme 
und  Kälte,  Schmerz  u.  s.  w.  Auskunft  giebt.  Er  leitet  also  Empfin- 
düngen,  die  völlig  \  crschieden  voneinander  zu  sein  scheinen. 
Wiederholt  glaubte  man,  für  die  verschiedenen  Funktionen  bc- 


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sondere  Nervenleituugeii  auf  gefunden  zu  haben  und  sprach  be- 
reits von  einem  Schmerz-,  Tast-,  Temperatursinn  u.  s.  \v.;  allein 
immer  waren  Täuschungen  mit  untergelaufen,  die  die  Ent- 
deckung als  höchst  fragwürdig  erscheinen  liefsen,  »Solange 
man  nicht  untrütifliche  Kenn-/eiclien  nnfj^efunden  hat,  welclie 
v\uv  Zerle«;untr  des  Tastsinnes  in  mehrere  Sinnesarten  als 
au.sji^^emacht  erscheinen  lassen,  wird  man  daran  ftstlialten 
müssen,  dafs  dasselbe  Nervenfädchen  sowohl  vSchnicrz-  als 
auch  Temperatur-  und  Tastempfindungen  fortxuleiteu  ver- 
mag. Doch  kann  eine  teilweise  Änderung  des  Eindruckes 
durch  die  Tastkorper  vielleicht  möglich  gemacht  werden.  Es 
ist  nämlich  Thatsache,  dafs  einzelne  Stellen  der  Haut,  wie 
die  Untersuchung  gezeigt  hat,  nur  für  Druck  empfindlich 
sind,  andere  für  Wärme  und  Kälte  n.  s.  \v.;  es  mnfs  also  eine 
Einrichtung  vorhanden  sein,  welche  eine  .Sonde nn<^  der 
Reize  \olhiihn,  aber  man  hat  sie  nicht  auifindLH  k>»nncn. 

Um  den  Tastsimi  nach  seiner  psychologischen  Seile  hin 
zu  untersuchen,  gebraucht  man  allerlei  Vorrichtungen  und 
Geräte.  So  benutzt  man  Stäbchen  von  Holz,  Kork«  Papier, 
Crias,  Metall  u.  s.  w.,  ebenso  atlch  Flüssigkeiten,  Ciase  und 
die  Elektricität.  Die  Stäbchen  werden  am  Ende  Ijleistift- 
förin-q;  zugespitzt;  nur  darf  die  .^]>itze  nicht  zu  scharf  sein, 
damit  nicht  lauter  SchmerzenipfiiKhingen  nnsgelöst  werden. 
Bei  der  Untersuchung  der  Tastein<h  iickc  ]ial)en  die  Stäbchen 
Zimmerwärme;  will  nuui  aber  Eindrücke  \ou  Winnie  oder 
Kälte  gewinnen,  so  sind  sie  vorher  zu  erwärmen  oder  abzu- 
kühlen. Manche  Untersuchungen  kann  man  au  der  eigenen 
Haut  vornehmen;  bei- anderen  hat  mau  eine  Versuchsperson 
nötig,  die  ]>ei  den  Übungen  die  Augen  geschlossen  zu  halten 
hat,  damit  nicht  Gesichtswahrnehnnin gen  auf  die  Tastempfin- 
dungen störend  einwirken.  Setzt  der  Experimentator  ein 
Stäbchen  für  einen  Moment  auf  eine  Hautstelle,  z.  K  am 
Arm,  so  enuteht  ein  deutlich  im  He  wulstsein  aufleuchtender 
Eindruck.  Die  \'ersuchsperson  hat  entweder  die  Empfindung 
von  Druck,  Wärme,  Kälte  oder  Schmerz ;  doch  kann  der  Ein- 
druck auch  unbestimmt  sein.  Die  Stellen,  welche  man  be- 
tastet, bezeichnet  man  mit  Farbe,  damit  man  periodisch  die 
Untersuchung  wiederholen  kann.  Druckpunkte  bezeichnet 
mau  z.  H.  mit  schwarzer  Farbe,  Wärmepunkte  rot,  Kälte- 
purikte  blau  u.  s.  w.  Hei  den  Naclipriifnnq-en  läfst  sich  dann 
feststellen,  ob  die  bezeichneten  I'nnkte  die  fnihere  l",ni jifindung 
auslösen  oder  eine  andere,  lieides  liomtnt  \  ni ,  \uid  daher 
rühren  die  \ erscliiedeueu  Ansichten  inbezug  auf  den  Tastsinn. 
Einzelne  Beobachtungen  sprechen  für  eine  stellenweise 
Trennung  des  Tastsinnes  vom  Temperatursinne;  doch  haben 
sie  nur  eme  mtttmafsliche  Bedeutung.  Beide  Empfindungen 


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3?. 


sind  nämlich  niclit  gleichmafsig  über  den  Körper  verteilt. 
Der  Tastsinn  ist  an  einzelnen  Stellen  der  Körperhaut  sehr 

fein  ausfjcbilcU  t,  während  er  an  anderen  eben  nur  vorhanden 
y.u  sein  scheint.  Ks  ist  das  seltsam,  da  doch  die  Haut  überall 
Kmpfindnnf(  bcsit/ct.  Der  Tastsinn  ist  demnach  kein  q-nnz 
einfacher  Sinn,  der  blofs  mitteilt,  dafs  eine  Berührnn«;  der 
Haut  stattgefunden  hat  oder  ein  Kindruck  darauf  gemacht 
worden  ist;  sondern  er  berichtet  aufser  den  angegebenen  Ver- 
schiedenheiten wie  Druck  und  Wärme  noch  andere  Ein- 
wirkungen. Man  empfindet  z.  B.  deutlich,  ob  ein  Hindruck 
mit  einem  harten  Gegenstande  gemacht  wird  oder  mit  einem 
weichen,  ob  man  einen  festen  Körper  benntzl  oder  einen 
flüssigen  oder  luftforniigen.  Daraus  gewahrt  man  aber  auf 
den  ersten  Blick,  dals  man  es  nicht  mit  einfachen  Kmpfiii- 
dungen,  sozusagen  mit  Kmpfiadungselemeuten  zu  thun  hai, 
sondern  dafs  eine  Anzahl  von  Empfindungen  zusammenwirken, 
die  ein  besonderes  Empfindungsgebilde,  das  sich  dentlich 
erkennen  lafst,  ausmachen.  Zugleich  erblicken  wir  dann  die 
einfachste  Form  einer  Vorstellung;  doch  soll  das  hier  nur 
beiläufig  erwähnt  werden. 

W\q  der  Sehnerv  hell  und  dunkel,  rot  und  blau  u.  s.  w. 
uuurscheidet,  so  vermag  der  Tastiurv  Druck  und  Schmerz, 
kalt  und  warm  auseinander  zu  halten.  }{s  sind  (las  nualitative 
Unterschiede,  die  er  nach  ilei  CTcliinninde  berichtet.  Dazu 
kommen  die  intensiven,  die  bei  der  Vermehrung  des  Druckes 
zur  Schmerzempfindung  führen.  Intensitatsunterschiede  auf- 
zufassen, geschieht  nach  einer  bestimmten  Gesetzmafsigkeit, 
die  auch  bei  den  anderen  »Sinnen  konstatiert  worden  ist. 
Doch  ist  diese  Gesetzmälsigkeit  keine  so  absolut  starre,  dafs 
sie  unabänderlich  dieselbe  bliebe;  sondern  da  ^ic  der  Aus- 
druck von  Organtunktionen  ist,  so  läfst  sich  von  x  omlicrciu 
erwarten,  dafs  ihre  Grenze  min(K  .-.iens  i^^erinj^e  \'erscliiebunt.^c  ii 
zulas^'-en  wird.  So  ist  z.  1».  unser  (ieUilil  lür  Tastreize  nicht 
immer  genau  gleich;  es  ist  ein  Unterschied,  ob  wir  körper- 
lich frisch  sind  oder  uns  todmüde  fühlen.  Ks  kann  uns  in 
zwei  Fällen  dieselbe  Reizempfindung  gdx.un  werden,  in 
dem  einen  Falle  nehmen  wir  sie  wahr  und  in  dem  andern 
nicht.  Wir  haben  also  kein  a1>s«»luUs  Mafs  für  die  unter- 
schiedlichen Phnpfindinigen  in  unsern  Nerven,  sondern  nur 
ein  relatives,  das  eine  obere  und  untere  Grenze  liat,  weshalb 
man  auch  von  einer  durchsei  inittlichen  oder  mittleren 
Empfindungsfähigkeit  sprechen  kann.  Auch  die  Übung  mufs 
dabei  inbetracht  gezogen  werden;  so  hört  z.  B.  das  Ohr  des 
einen  Menschen  Ton  unterschiede,  die  für  manchen  andern 
nicht  wahrnehmbar  sind,  und  ebenso  ist  es  auch  auf  den 
übrigen  Sinnesgebieten.  Doch  nnter  normalen  Verhältnissen 


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I»ip  f>x{ii-nm*'nt*llf  lNv«  h<ili»i{n>. 


3' 


kann  rnan  annehmen,  dnfs  die  Refahignng  für  die  l'nter- 
schcidnng  verschiedener  Enipfindnngen  in  jedem  Siiinesge- 
biete  bei  allen  Menschen  gleich  grofs  ist.  Diese  Unter- 
schiedsempfindlichkeit hat  man  durch  zahlreiche  Unter- 
snchungen  festj^cstellt  und  ist  zu  folgendem  Ergebnis 
gekoninun.  Zwei  J^ichtempfindungen  müssen  7..  R.  um  ein 
Hundertstel  ihrer  Stärke  \  erschieden  sein,  um  wahrti^etifiniinen 
werden  zu  können;  beim  Tastsinn  muls  dai^-egen  der  l'nter- 
schied  ein  Drittel  betragen.  Ivs  war  W'rber.  der  zuerst  auf 
das  (iesetzmäfsige  in  der  l'nterschiedsenipliüdlickeit  hinwies, 
nnd  deshalb  nennt  man  den  allgemeinen  Ausdruck  dafür 
das  Webersche  Gesetz,  Nach  diesem  kann  man  z.  B.  aus- 
rechnen, wie-  grofs  ein  Gewichtsunterschied  zwischen  zwei 
Steinen  sein  nuiCs,  damit  wir  ihn  durch  den  Tastsinn  wahr- 
zunehmen vermögen.  Betrüge  das  Gewicht  des  einen  Steines 
3r)o  so  müfste  der  andere  '  '  ,  üiehr,  n "nn lieh  40c»  wie«*-en, 
um  (kn  (lewichtsunterhchicd  \^\  (Ur  I'.nipiindung  walirnelnneu 
zu  k(>n!icn.  V\\\  die  Ricliti-kc il  (Hl scr  Thatsnohe  /n  erproben, 
mufs  mau   (lic.Nclbc  Hauil  gebrauchen,   weil  jede  Hand  ihre 

eigene  Schätzungsweise  besitzt  Auch  ist  in  diesem 'Falle 
das  Gewichtsstück  auf  die  unterstützte  Hand  zu  legen,  so 

dafs  keine  Muskelthätigkeit  dabei  mitspricht;  denn  für  diese 
ist  das  \'erhältnis  der  Unterschiedseropfindlichkeit  ein  anderes, 
uäuilicli 

Ks  ist  noch  einer  anderen  Thatsaclv  vw  jLrcdenken,  die 
höchst  auffallend  ist,  für  welche  es  eine  allgemein  grdti.yfc 
Erklärung  nicht  giebt.  Wir  sind  uns  nämlich  nicht  bewnlst, 
dafs  die  Empfindungen  im  Gehirn  ausgelöst  werden,  sondern 
verlegen  sie  nach  der  Aufsenseite  unseres  Körpers,  wo  der 
Tasteindruck  gemacht  worden  ist  Diese  Erscheinung  wird 
die  Lokalisation  der  Empfindungen  genannt  Damit  liängt 
die  Ausbildimg  der  Raumauffassung  durch  den  Tastsinn 
zusammen;  denn  verlegen  wir  zwei  Eindrücke  nach  ver- 
schiedenen Stellen  unseres  Körpers,  so  ist  das  zugleich  eine 
räiunliche  rnterscheidunjn;^.  Beide  Krscheiiuuigen  häns^eii 
augenscheinlieh  aufs  unmittelbarste  zusammen;  entweder 
wäre  keine  Lokalisation  ohne  Raumauffassung  möglich,  u<ler 
diese  könnte  nicht  ohne  jene  ;;e dacht  werden.  Um  den 
Ranmsinn  zu  untersncheti,  gebraucht  man  Tastzirkel.  Die 
verschiedenen  Spitzen,  welche  man  anwendet,  werden  an 
einer  Schiene  befestigt,  worauf  sich  das  Längemnafs  nach 
^lillinietern  eingegraben  findet,  (rebrancht  mau  7.  P».  zwei 
Tastspitzen  und  befestigt  sie  4  mm  weit  voneinander,  so 
werden  sie  an  vielen  Stellen  des  Körpers  nicht  zwei,  sondern 
nur  einen  Eindruck  her\ oiruien.  Es  ist  das  etwas  rätselhaft, 
aber  eine  allgemein  beobachtete  Thatsache.    Die  t^bung 


Heinrich  Free, 


kommt  zwar  dabei  inbetracht;  aber  trotz  vieler  Übung  können 
einzelne  Körperstellen  zwei  Tasteindrücke  von  3  bis  4  cm 
Entfernung  nicht  unterscheiden;  sondern  iinmei  fafst  sie  der 
Tastsinn  als  einen  einzelnen  \^or{^an.i^^  auf.  Am  feinsten  ist 
die  Unterscheidung  an  der  Zuni;cnspitze;  diese  kann  nuch 
Kindrüekc  sondern,  die  nur  i  nun  \  ( »neinander  tntieiuL  sind. 
Die  genng.-.le  Bclähigung  besitzt  clic  Rücken Iläehe;  erst  bei 
68  mm  Entfernung  löst  sich  der  einfache  Eindruck  zweier 
Tastspitzen  in  zwei  deutlich  unterschiedene  Empfindungen 
auf.  Diese  wahrnehmbare  Entfernung  von  zwei  Tastpunkteti 
hat  man  die  Raumschwelle  genannt  An  den  zum  Tasten 
viel  gebrauchten  Fingerspitzen  beträgt  sie  2  mm,  an  den 
Lippen  5  nun,  am  Handrücken  31  nun  u.  s.  w.  Die  Ta^t- 
fähigkeit  ])ci  volksinnit^cn  Menschen  i'^t  i;l wohnlich  geringer 
als  bei  lUinden,  die  inl)c/:ng  auf  Raunisinn  ganz  auf  ihre 
Finger  angewiesen  sind.  Auch  die  immer  noch  feine  Raum- 
empfindung der  Gesichtshaut  kommt  ihnen  zu  Hilfe.  Aus 
der  Einwirkung  der  Luft  vernehmen  sie,  ob  sie  z,  B.  im 
Freien  sind  oder  in  unmittelbarer  Nähe  eines  Gegenstandes. 
Bei  den  vollsin  11  i  gen  Menschen  nimmt  der  Tastsinn  geringen 
•Vnteil  an  der  Ausmessung  di  s  Raumes;  das  besorgt  mehr 
der  fähigere  Ccsiclitssinii,  der  ancli  bei  der  Ratnnausmcssung 
an  der  eigenen  Kim  peroberiläche  die  Hauptrolle  spielt. 

Man  hat  die  Haulbezirke,  innerhall)  welcher  alle  Ein- 
drücke zu  einer  einzigen  Tastempiindung  vereinigt  werden, 
Tastkreise  genannt  Innerhalb  eines  solchen  Kreises  sollte 
ein  einziger  Nerv  mit  seinen  Fäserchen  die  Leitung  besorgen; 
allein  das  hat  sich  nicht  als  richtig  erweisen  lassen.  Die 
Empfindungskreise  sind  nicht  kreisförmig  umgrenzt,  noch 
liegen  sie  streng  gesondert  neben  einander.  Man  nitifs  es 
vielmehr  alsThatsache  ansehen,  wenn  man  von  Kmpfindmigs- 
kreisen  s{)rechen  will,  dafs  sie  übereinander  hinweggreifen. 

Inbezug  auf  die  Lokalisation  und  das  Raumwalirnehmcu 
handelt  es  sich  bisher  um  Theorien;  denn  die  l  uiersuch* 
ungen  sagen  nichts  darüber.  Die  Frage  ist  nun,  ob  Lokali- 
sation und  Raumsinn  zusammenhangen,  wohl  gar  ein  und 
dasselbe  sind,  oder  ob  sie  als  zwei  voneinander  unabhängige 
Erscheinungen  aufgefafst  werden  müssen.  Docli  auch  die 
Theorieen  sagen  darüber  so  gut  wie  nichts;  eher  kömitc  man 
daraus  enlnehnien,  dafs  man  es  mit  zwei  getreinilen  Er- 
scheinungen /u  tlinn  hat.  Doch  scheint  das  nicht  zulä.ssig 
zu  sein;  wahrscheinlich  werden  wir  es  nnt  zwei  T^ormen  ein 
und  derselben  Funktion  zu  thun  haben.  Die  Ranmwahr- 
nehmung  ist  zum  Teil  eine  ungenaue,  insofern  sich  inner- 
halb eines  Empfindungskreises  mehrere  Eindrücke  nicht 
unterscheiden  1as.sen.    Das  mufs  auf  die  Lokalisation  ein- 


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wirken;  wir  lokalisieren  daher  auch  nicht  .q:enau.  Davon 
kann  man  sich  überzeugen,  wenn  man  von  der  Versuchs- 
person anzcii^en  läfst,  wo  sie  den  Tasteindruck  empfunden 
hat.  Sic  wird  in  der  Rej^el  eine  nnrichti.i^c  Stelle  an^^cbeii. 
Das  .spricht  luizwcifcilialit  dafür,  dals  Lokalisaüun  und  Ranm- 
enipfindung  etwas  (Teuicinsames  haben.  Können  wir  die  ver- 
schiedenen Empfindungen  auf  einem  gewissen  Gebiete  nicht 
unterscheiden,  so  verniöpfen  wir  auch  nicht  genau  zu  lokali- 
sieren; oder  es  müfste  der  erwähnte  Mangel  bei  der  Raum- 
Wahrnehmung  von  der  ungenauen  l.okalisation  abhangen. 
Das  mag  nun  vorläufig  ununtersnclit  bleiben;  denn  ehe  weiter 
darauf  eingegangen  werden  kann,  ninfs  dem  Tastsinne  noch 
auf  einem  andern  K.<"a pergebiet c  Ik-aclUnni;  geschenkt  wer- 
den. Er  hat  nimilich  seine  Stelle  niclu  blois  in  der  Ober- 
haut des  Körpers,  sondern  kommt  auch  in  allen  inneren 
Organen  vor,  in  den  Muskeln,  Sehnen,  Hauten,  Eingeweiden 
u.  s.  w.  Unser  ganzer  Körper  ist  Tastsinn,  und  man  spricht 
deshalb  von  einem  äufseren  und  inneren  Tastsinne.  Den 
letzteren  zerlegt  man  in  zwei  Formen,  indem  man  die  Km- 
pfindungen  ans  deJi  <  »elenken,  Sehnen.  Muskeln  für  sich  den 
inneren  Tastsinn  bilden  kilst,  während  die  lünpfindungeii 
aus  den  lungeweiden  als  ( jemeinemplindungen  zusammeu- 
gefafst  werden.  Den  inneren  Tastsinn,  sofern  er  sich  auf 
die  Empfindungen  in  den  Muskehi  bezieht,  hat  man  auch 
Muskelsinn  genannt  Doch  sind  die  empfindenden  Nerven- 
organe hier  genau  so  eingerichtet  wie  in  der  Körperhaut, 
und  daraus  erg^iebt  sich,  dafs  man  es  nicht  mit  einem  be- 
sonderen Sinn  zu  thun  hat,  wie  man  anzunehmen  wagte, 
sondern  dafs  hier  derselbe  Sinn  funkti<miert,  der  von  der 
KÖr])er,  ilx  rtl.iche  her  Ijekannt  ist.  Der  innere  Tastsinn  kminnt 
in  .\Ktiün  bei  der  Bewegung  der  Kxtremiiäten  des  Körpers; 
wir  vermögen  kein  Glied  zu  bewegen,  ohne  dafs  der  Tast- 
sinn in  Sehnen  und  Muskeln  u.  s.  w%  darüber  Atiskunft  giebt 
Auch  ist  er  es,  der  uns  über  I^age  und  Stellung  oder  Haltung 
des  Körpers  orientiert  und  die  Aktion  und  Ermüdung  der 
Mtiskeln  zur  Anzeige  bringt.  Zu  allen  Bewegungen  des 
Körpers,  zn  jeder  Mnskelthätigkeit  ist  ein  bestimmtes  Mafs 
vrn  Kr;  tt  notig,  uin\  das  zu  bestimmen,  bringt  die  alle  Iland- 
Inngen  be'jfU  itende  Tastem])findnug  fertig.  ( )hne  .sidche  ge- 
naue Zn.stinmien Wirkung  der  Nerven  würden  wir  vielieicht 
einen  Federhalter  mit  einer  Kraft  ergreifen,  die  zur  Hebung 
eines  Baumstammes  erforderlich  ist.  Jede  Wirkung  der 
Körperglieder  und  des  ganzen  Körpers  wird  dem  Grade  und 
der  Art  nach  von  den  ICmpfindungsnerx  en  des  Inneren  aufs 
genauste  zum  Bewufstseiu  gebracht.  So  wirkt  gewöhnlich 
bei  allen  Bewegungen  und  Punktionen  unsers  Körpers  und 

5«iie  RAbnc»  TU.  1.-  3 


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34 


seiner  r)rn^aiie  der  innere  nnrf  fuifserc  '!\'\stsinii  zusaninien, 
Ks  entstehen  dabei  Kmpfindunj^skoniplexe,  die  sich  nach  den 
einzehieü  EnipiiiiduniJ^selenienten  .i(enati  \oneinander  initer- 
scheiden  lassen.  Sie  sind  Vorstelhinu^en,  wie  erwähnt  worden 
ist,  deren  Inhalt  in  dem  (irade  oder  der  Art  einer  Bewejjnn«^ 
besteht,  wodurch  zugleich  Lokalisation  und  RaumeinpfiiKlnn^ 
zum  Ausdruck  kommt 

Werfen  wir  nun  einen  VMck  auf  die  (tcmeinempfindungen^ 
die  ans  den  Ein^eweiden  des  Körpers  koinnien,  so  ist  er- 
sichtlich, dafs  ancli  sie  aus  Tastenipfindnnc^en  bestehen.  Sie 
leiden  meist  an  einer  gewissen  l^nbestiiiniiilieit,  die  unstreiti«; 
davon  herrührt,  dafs  sie  im  |L;^rofsen  und  «j^anzeu  immer  in 
«gleichförmiger  Weise  zusammeuklingeu.  Sie  sondern  sich 
7A\  wenig  in  einzelne,  deutlich  voneinander  zu  unterscheidende 
Komplexe,  sondern  bilden  einen  mehr  oder  weniger  wahr- 
nehmbaren  Oesanitein druck.  In  der  Regel  werden  sie  von 
den  bestimmteren  Wahrnehm uu gen  der  Spezialsinne  über- 
tönt und  können  nur  zur  (Teltuug  kommen,  wenn  irgend 
ein  störender  \'nrgang  ihnen  einen  bestimmten  Cliaraktrr 
und  eine  stärkere  F>etonung  ^iel)i.  Die  (temeinemi>tini]ungeu, 
welche  aus  der  Atmung  und  lilutbewegung  ihren  I  r.spiung 
nehmen,  haben  einen  nicht  unwesentlichen  Kinflufs  auf  unser 
ßewufstsein.  Jede  stärkere  körperliche  Bewegung  bringt  die 
Atmung  und  den  Blutkreislauf  in  ein  stärkeres  Tempo,  wo- 
durch eine  merklich  andauernde  Iunj)fiuduiig  entsteht,  die 
je  nach  ihrem  (trade  das  Bewufstseiu  zu  beeinflussen  vermag. 

Die  gesamten  Tastempfindungen,  soviel  ist  ersichtlich, 
liegen  beständig  vor  den  Thoren  dc\s  Hewufstseins,  wenn  sie 
aneli  nielit  gerade  innerhalb  desselben  wirksam  /.u  >ein 
scheinen.  Sie  bilden  eine  (iruiid-  oder  Xoi  uiall>eweguug  in 
den  Nerven,  die  von  den  andern  Sinnesreizen  immer  erst 
übertönt  werden  mufs,  wenn  sie  gehört  werden  sollen. 

iScIihifs  folgt.» 


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Naturwissenschaft  und  Schule. 

\'oti  Alili.  HaMe  in  Magdeburg. 

KarJ  Koiibach,  N  a t u  r  \v  is  s c n  seh  a  i t  luui  Schule,  zuiilcich  zweite 
erweiterte  und  verbesserte  Auflaufe  der  Methodik  der  geätainten 

Xnturwis^t.  nschaft  für  hriu  T\  I.chranslalteti  und  \'«)lksschulen 
n)il  ( frun(l/.üj4en  zur  Reform  dieses  rnterrichtH.  Köln  a.  Rh. 
iS<)4.  \  trlii},'  von  l*anl  Xeiihncr. 

Die  }4T(»fseii  I*ädagü<^cii  frülKTer  Jalirlitiiukrlt.-  iiuUi- 
srhcidcii  sich  von  den  neueren  durch  einen  l)esiininiLen  l'ni- 
versalisnnis.  So  umfafst  z.  H.  die  „hidakiiht  magna"^  des 
Comenius  die  Methode  sämtlicher  Unterrichtsjjej^eustäiidc 
lind  die  Pädaf^ojii^ik  aller  Schulen,  von  der  Elementarschule 
bis  2nr  Tniversität  Heute  ist  man  bei  einer  scharfen  Treununj^ 
aTii::elan«(t,  denn  man  unterscheidet  i)iinlich  eine  Päda^^oj^ik 
lur  X'olksschnlen,  und  eine  '-«^Icli;  für  höhere  Schulen.  Zu 
dieser  Sclieidunj^  trug  nei>en  anderen  wesentlich  der  I'm- 
*»ian<l  bei,  dafs  sich  für  j^enamite  Schulen  zwei  Stäiuk  \i>n 
Lehrern  herausbildeten,  die  ihre  \'orbildung  auf  grumiver- 
schi^eucn  Schulen  «genossen.  Die  Universitäten^  die  Pflanz- 
stätten der  Wissenschaft,  bejjeisterten  ihre  Schuler  für  die 
Ideale  der  Forschunji^.  Zu  natürlich  war  es  daher,  ilafs  die 
akademisch  j.(ebildetcn  Lehre  r  Oberlehrer  nur  die  Wissen- 
schaft als  solche  achteten,  die  Weise  des  Unterricht'^  da<.^e<^en, 
die  Methode,  meistens  als  etwas  (■berflüssi  i^rs  vernachlässij^ten. 
l'ei  der  .Xusbildinij;  der  \*olksschullehrer  steht  die  Unterrichts- 
fertij,''keit  im  X'orderj^^runde,  in  die  Tiefen  der  Wissenschaft 
führt  das  Seunnar  .seine  Zö;;linge  nicht.  Daraus  erklärt  sich 
die  Erscheinun<j,  dafs  die  Volksschiillehrer  häufig  den  Wert 
exakter  Wissenschaft  nicht  fjehöri^  würdigten,  und  alles  Heil 
in  der  Methode  suchten,  lUide  Standpunkte  sind  nicht  /.w 
hilligen,  der  eine  ist  so  verkehrt  wie  der  andere.  Hin  tüch- 
\\'^vr  Lehrer  niufs  sowold  in  die  Tiefen  der  zu  unterrirhtrn- 
den  Wissenschaft  eindringen,  als  auch  die  Methode  derseiben 
beherrschen.  Das  gilt  für  alle  J.,ehrer.  und  niemand  würde 
an  dieser  W*ilir]ieil  /.wciTein,  wenn  wir  schon  heute  den  /u 
erstrebenden  idealen  Standpunkt  erreicht  hätten,  dafs  sämt- 
liche Lehrer  auf  der  Universität  vorg^ebildet  würden.  Nichts 

3 


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Arth.  ttii»>p 


weiter  a!-  Tic  Standestinterscluede  haben  es  mit  sich  jje- 
bracht,  dals  das  Dogma  von  einem  principiellcn  Unterschied 
des  Unterrichts  in  niederen  und  höheren  vSchnlcn  so  alljje- 
meincn  (rhiulHii  linden  konnte.  Dieser  (»lanbe,  so  an<^en- 
fälHg  halllos  und  verkehrt  er  auch  ist,  macht  sich  als  ^rölster 
Geß;ner  nnscres  Strcbcas  bcluils  Kciurni  des  Lehrerbikhnigs- 
wesens  geltend.  —  Als  erfreuHchc  Thatsache  verzeichnen  wir 
es,  dafs  in  oben  genanntem  Bnche  ein  Akademiker  sich  ganz 
in  unserem  Sinne  ausspricht  und  von  diesem  Standpunkt  aus 
eine  Methodik  de^  n  it urkundlichen  Unterrichts  versucht  In- 
dem wir  auf  das  Buch  selbst  cinj^ehen,  werden  wir  uns  dem 
Gedanken^nnq-e  eini<xer  Kapitel  atischÜefsen. 

In  der  HinU'itnii_L;',  über  HctKiuuni;,  Stellunf»-  uiui  Pfles^e 
der  Xaturwisscn.scliaft  im  allgemeinen  .  fiilirt  Kollbacli  aus, 
dafs  bei  den  bedeutenden,  sich  gegenwärtig  und  zukünftig 
vollziehenden  Veränderungen  die  \'olksschulen  im  Vorteil 
den  Gymnasien  gegenüber  seien.  Während  man  in  letzteren 
im  Banne  verjährter  mittelalterlicher  Formen  arbeite,  sei  die 
Volksschule  ein  jungfräulicher  Boden*  auf  den  der  belebende 
Hauch  der  Naturwissenschaft  unseres  Jalirhunderts  seine 
Wirkung-  aiisnl)c.  Wenn  ich  mich  bei  diesen  Voraussetz- 
ungen auch  nicht  mit  ck  n  o]niiinstischen  Anschauungen  Roll- 
bachs bezüglich  der  N'olks^chule  befreunden  kann,  so  teile 
ich  doch  vollständig  seine  An.sichi,  wenn  er  ausspricht,  dals 
das  humanistische  Studium  in  unserer  fortgeschrittenen  Zeit 
sich  nicht  mehr  zum  Bild ungsmittelpunkte  eignet,  dafs  auch 
die  neueren  Sprachen  dafür  keinen  hiidänglichen  Ersatz 
bieten  können.  Von  einer  Wissenschaft,  die  man  zum  do- 
minierenden Mittelpunkte  des  Unterrichts  mache,  verlangt  er: 
Tn  sicli  selbst  eine  KinlKil  iiiiif'^  sie  /ui^'-leich  mannigfache 
.Ynknüpiunj^spunktL  für  andere  \\'is>eiiN/.u eij^e  besitzen;  sie 
mufs  für  alle  Oenuii>-  und  (Teisteskräfte  Anrej;unu  nnd  Bil- 
dungsstoff gewähren,  Ciclegenheit  zu  idealer  Bes^ei.-^iei ung 
bieten,  und  ztigleich  einen  Wissensstoff  vermittehi,  der  einen 
gleichmäfsigen  Wert  für  das  praktische  Leben  aller  Menschen 
besitzt'^.  Diesen  Anforderungen  genügt  nach  K.  die  Natur- 
wissenschaft in  orq^nnischer  \'erbinduug  mit  der  (Geographie. 
Wenn  wir  auch  der  Begründung  dieser  I''rage  einen  gröfseren 
Raum  nnd  eine  erschöpfende  allseitii^^t*  Durchtiiiirung  ge- 
wünsclit  liätlen,  ><)  können  wir  es  un>  doch  nicht  versagen, 
einige  der  trelllicli  ausgesprochenen  (Vcdaukcii  hier  wieder 
zu  geben;  wenngleich  einige  davon  bekannt  sind,  so  kann 
man  sie  doch  nicht  oft  genug  wiederholen. 

»Wenn  man  die  Bildung  votr  Vorstellungen  luid  Be- 
griffene, so  fülirt  K.  aus,  von  Urteilen  nnd  Skhlüssei  ds 
Grundlage  und  Wesen  des  Denkens  bezeichnet,  so  gewährt 


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Nnturwit.fti-Dkrhafl  und  R<'bult>. 


der  naturwissenschaftliche  Unterricht  beste  (releg^enheit  zur 
gleichmäfsio^en  Pt*le<»;e  desselben,  da  keine  dieser  Stufen  ohne 
j^ründliche  Beaclilnn<^  niid  rf)nnj^  bleibt.  Und  nicht  nur 
leitet  er  in  der  Art  aiitK  rcr  I-ät  her,  ein  einziijcsin.'il  die  Schüler 
durch  dif.se  i^H-istiL:«.-  StutVnfnloe,  sondern  kehrt  auch  später 
allemal  wieder  zu  den  uii^elriibLeu  Quellen  des  geisti<J"en  T/Chens, 
zu  der  Anschauung  zurück.  So  bewahrt  er  vor  dem  getähr- 
licheti  Ztistande,  bei  dem  die  Sinnenwelt  nicht  mehr  ihren 
herrschenden  und  belebenden  Einflufs  auf  die  Denkweise 
ansäht,  und  eine  der  Anschauunjr  entwöhnte  Creistesrichtung 
ihre  haltlosen  Resultate  als  Ausdruck  einer  richtij^en  Welt- 
an.schauunjjf  hinstellt,  ein  Übel,  für  welches  so  manche  philo- 
sopliisrhe  Riclunng^  ausreichende  Hele«;^e  liefert  .  .  .  Eine 
.L;rün(llic]ie  Scliärfnus^"  der  Sinne,  die  Wirkung:  der  Sell'st- 
tiiätij^keit  und  die  Kutwickelnn)^  des  Forschertriebes  sind 
aufserdem  noch  unausbleibliche  und  bedeutsame  Xebenerfolge 
eines  guten  naturwissenschaftlichen  Unterrichts  .  .  .  Die  ge- 
niütbildende  Macht  der  Naturwissenschaft  ist  nicht  geringer 
als  ihre  geistentfesselude  .  .  .  Die  ideale  Bej^eisterun^y  wird 
denn  auch  in  der  That  durch  die  Naturwissenschaft  in  her- 
vorra Inender  Weise  j^^eweckt  und  j^a-nälirt  und  nur  von  solchen 
Leuten  ji^eleu<»net,  welclie  nicht  das  (ilüek  t^eniefsen,  selbst 
ans  den  Hrkenntnistniellen  der  Xatur  /.  \  sch'  )j)i"en.  Welche 
ideale  Richtunor  rülimt  sieh  eines  höheren  Erfolges,  als  die 
Naturforschung  iu  der  bewufsten  Anerkennung  eines  ewigen, 
einheitlichen,  gesetzmäfsigen  Waltens  im  Weltall!  .  .  Doch 
nicht  nur  auf  ihren  erhabenen  Höhen,  auf  Grund  tiefer  und 
ausgebreiteterKenntnis.se  löst  unsere  Wissenschaft  die  Flügel 
idealen  Schwunges,  auch  in  ihren  kleinen,  beselieidenen  An- 
fängen schon  pflegt  sie  die<e  ( Tesintitin^.  Das  Irohe  Gefühl 
des  Einklanges  zwischen  dem  kindlichen  (remüte  und  der 
Natur,  das  erhabene  F?e\vnfstsein,  ihr  an?:ngehören,  an  ihren 
Cicnüssen  teil  zu  neluuen,  »ehlununerl  ahnungsvoll  in  jedem 
Kinde;  dem  naturgemäfsen  Unterricht  wird  es  leicht,  diese 
dunklen  Gefühle  zur  klaren  Erkenntnis  zu  fördern  ...  Es 
ist  selbstverständlich,  dafs  eine  vemunftgemäfse  Weltanschau- 
ung ohne  umfassende  und  ziendich  gründliche  Naturkennt- 
nis gar  nicht  möi^licli  i>t.  Noch  alle  philosophisclieu  (ic- 
bäude,  die  nicht  auf  liirer  ( irundlage  errichtet  und  weiterhin 
mit  ihrem  Prüfstein  bemessen  wurden  ,  stürzten  bald  in 
Trüninier  zusannuen.  Doch  nicht  allein  keine  j)hilosc>phische 
Frage,  die  das  \'erhältnis  des  Menschen  zur  Natur  und  Mit- 
weit  zu  ergründen  sucht,  kann  ohne  Naturwissen  richtig  be- 
antwortet werden,  ebenso  wenig  eine  soziale  .  .  .  Unsere 
Bildung  unt'  !lii  L;t  noch  innner  der  ein.seitigen  Sehätzung 
mit  humanistischem  Mafsstabe,  was  um  so  bedauerlicher  ist. 


als  sich  dacliirch»  da  die  lunnaiiistisclR*  l)il(lung  bei  der 
Verscliioltuluit  iinstTor  Sclinkn  so  vielen  abj^elit,  eine  auf 
die  Trauer  unhaltbare  und  völH«^  inibereehtigte  Kluft  zwischen 
den  einzelnen  vStänden  lierausbiltU u  iimfs  .  .  .  Dals  es  man- 
chen Vertretern  der  humanistischen  Rieh  tun  j*  dennoch  nichl 
an  weitreichenden  Xaturkenntnisscn,  die  sie  sich  aufserhalb 
des  schulmäfsigen  Bildunj^s^^anj^es  aneigneten,  fehlt,  gebe 
ich  m\  trotzdem  hält  die  Mehrzahl  derselben  grade  nur  die 
\'orbildwng  für  unerläfslicli,  welche  sie  selbst  in  ihrer  Jugend 
durchgemacht  haben,  in  der  sie  selbst  zu  Stellung  und  An- 
sehen j^elanj^t  sind.  Dies  «^^'schieht  «^»^ewifs  in  bester  Ab- 
sicht und  rbir/eumuin,  aber  es  Vw^l  darin  doch  ziu^leirli 
eine  einseiti<;e,  die  lieuüj^en  Lebensverhältni»e  bedrückeiide 
und  die  jjereehteu  i'urderunj»en  der  \ertreter  einer  an<iern 
Richtung  niiisachtcnde  Voreingenommenheit,  (^egcn  letztere 
richtet  sich  imser  Angriff;  denn  nicht  etwa  Beseitigung  der 
.  Gymnasien,  sondern  nur  (Gleichstellung  realistischer  Bildungs- 
anstalten mit  diesen  uugleichmäfsig  bevorzugten  Schulen  ist 
die  Forderung  unserer  Vertreter.  Alles  übrige  überlassen 
wir  i^ern  und  ruhig  der  naturgeniafsen  Knt\\  icl<lung  .  .  .  Der 
ICinflufs  der  Naturwissenschaft  auf  die  höchsten  wissenschaft- 
lielien  Kreise  ist  bereits  in  \  uUsier  rieltmi«^.  ihre  Einwirkung 
auf  dasSlaatsleben  unausbleiblich;  aber  ebenso  stehen  ibieni 
Einzüge  in  die  Volksschule,  ihrem  segenbringenden  Kinflufs 
auf  das  Volk  keine  im  Wesen  der  Sache  begründeten  Hinder- 
nisse entgegen.  Die  Liebe  zu  ihren  Werken  und  der  Anteil 
an  ihren  Erscheinungen  isi  eine  Mitgift,  welche  die  Natur 
jedem  Menschen  mit  ins  Leben  giebt  und  aus  dem  der  Unter- 
richt Erfolge  jeder  Art  mit  leicliter  Mühe  zu  f<")rdern  \  erinai^. 
Die  Natur  ist  das  Ciemeingut  alkr;  dem  Ärmsten  wie  dem 
Keichsten  entseldeiert  sie  ihre  W  under,  w  eist  sie  ihre  Schön- 
heiten, und  eine  wahrhall  gleielnnälsi^e  unvl  allgemeine  Bil- 
dung lädst  sich  auf  ihrer  (irundlage  dem  Volke  vermitteln. 
Ausgleich  der  (legensätze  von  Stand  und  Bildung,  Hebung 
des  Volkes  auch  in  seinen  untersten  und  verachtetsten  Kreisen 
durch  das  Licht  der  Xaturerkenntnis  und  die  Weckung  des 
schlummernden  Xalnrsinnes  ist  demnach  die  hohe  Aufgabe 
unserer  Wissenschati.  ICndlich  ftiiirt  sn  die  Naturwissenschaft 
zur  wahren  Freiheit,  dasheifst  zur  freiwilligen  Ik'tol«»ung  von 
Oesetzen,  von  lieren  N<.i\veiidij>keit  man  durchdrungen  ist. 

Die.sc  Troben  moiien  ^enü^ien,  um  den  (icist  zu  charakteri- 
sieren,  der  das  Buch  durchweht  Der  Ton  fester  Uberzeugung, 
die  Klarheit  des  Urteils  und  die  hohe  Begeisterung  für  die 
erhabene  Wissenschaft  spricht  aus  den  Worten  K.  vSolclie  Leute 
gebraucht  der  Kamjjf  unserer  Zeit  um  die  Methodik  der 
Naturkunde.   -     Wir  übergehen  die  kurzen  Andeutungen 


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Xiiiiirwi»>»t>ui»clwn  iina  tiiThiilp. 


39 


darüber,  dais  die  Naturwissenschaft  den  Kern-  und  Sammel- 
punkt für  alle  aii  l u;i  Wissen szweij^c  g^ewährt,  benicTkcn 
nebenbei  nur,  dals  K.  selbstverständlich  ein  Wort  für  das 
Rntwickehui^s^esetz  findet  und  kommen  zu  seiner  Haupt- 
frasrc:  Wie  konnnt  es,  tiafs  eine  Wissenschaft  \'on  solchen 
\'fii/iiLicn,  \  solclier  Tragweite  und  Bedeutung,  heiU<.  noch 
gcilrückt  nnd  zitternd  vor  der  Existenzfrage,  in  dem  J^elir- 
plane  unserer  Schulen  steht?«  Kr  giebt  als  Antwort  darauf : 
>Die  ganz  verfehlte  Methode  ist  ^httld  daran  .  Ich  kann 
diese  Antwort  nur  als  eine  teilweis  befriedigende  gelten  lassen, 
da  sie  nicht  erschöpfend  ist;  ich  lege  im  (»egenteil  einem 
andern  Umstände  viel  gröfsere  Bedeutung  bei.  Die  Natur- 
wissenschaft wie  wir  sie  betreib*  n  wc^llen,  im  Sinne  der 
lientigen  Naturlorsehung,  gilt  als  reiigiünslciiidlic  Ii.  Ignoranten 
und  Fanatiker  haben  das  ihre  gethan,  sie  in  Milskrcdit  /ii 
bringen.  Der  gröfste  Teil  imseres  Volkes  steht  ilu-  fremd 
gegenüber  nnd  halst  sie.  Das  Schlagwort  von  den  vrottlosen 
Naturwissenschaften  sitzt  fester  im  Herzen  des  Volkes,  als 
man  glaubt.  Die  Oründe  dafür  fehlen  meistens,  aber  umso 
fester  haftet  das  Phantom.  Was  helfen  den  Naturwissen- 
schaftlern alle  Versicherungen,  dafs  die  Naturwissenschaft 
durchaus  nicht  religionsfeindlicli  sei,  dafs  sie  nichts  mit  der 
Rc'li^iun  zu  thun  habe?  Ks  nutzt  garnichts,  man  hält  uns 
nach  wie  vor  für  Leute,  die  sich  das  Ziel  gesetzt  haben,  durch 
diese  Wissenschaft  religiöse  \'orstellungen  zu  bekainpien. 
Freilich  müssen  wir  uns  dagegen  verwahren,  die  Naturwissen* 
Schaft  zu  einem  Anhängsel  der  Theologie  zu  machen.  Jede 
Wissenschaft  gebraucht  zu  ihrer  Entwickelung  vSelbständig- 
keit  und  Freiheit.  Wenn  wir  unsere  Wissenschaft  in  dies 
AbhängigkeitsverhiUluis  bringen  wollten,  so  würde  noch  heilte 
in  der  .Astronomie  der  geocentrische  Staudpunkt  gelten.  Die 
Theologie  hat  vielmelir,  wie  Aurh  dii-  Philosophie,  die  er- 
habene .Aufgabe,  sich  mit  den  sichern  i  orschungsresultaten 
anderer  Wis.senschaflen  abzufinden,  denn  alles  in  der  Welt  strebt 
der  Vollkommenheit  entgegt  n.  Unter  den  landläufigen  Vorur- 
teilen, die  bis  in  die  mafsgcbenden  Kreise  Hingang  gefunden 
haben,  hat  meiner  Meinung  nach  die  Xalurwissenschaft  am 
meisten  zu  leiden.  Freilich  ist  auch  der  Methode  ein  gut 
Teil  der  .Schuld  beizumessen,  und  ich  möchte  noch  ergänzend 
hinzufügen:  einer  ganzen  An/rdd  von  Metluxlikern.  die  ^ich 
gerne  das  M'iiitelchen  neuerer  Xaluru  i>s<  n>chaft  und  m.  uer 
Methode  nnihmigen  nifk'hlen  und  daliinter  nichts-sagende 
Phrasen  und  wertlo.sc  Komplikationen  verbergen.  Den  nega- 
tiven Höhepunkt  erreichen  diese  Machwerke  dann,  wenn  sie 
für  den  Lehrer  mundgerecht  (?)  in  Fragen  und  .Xntworten 
zugeschnitten  sind.    Als  Musterstück  kann  man  sich  einmal 


40 


SO  ein  Beispiel  gefallen  lassen;  im  übrigen  sollte  man  es 
eigentlich  nicht  waj^en  dürfen,  dem  Lehrer  solche  Speise  an- 
zuDieten.  Unter  den  im  Sinne  neuerer  Naturwissenschaft  und 
Methode  erschienenen  Schriften  sind  \\eni_iJfe,  sehr  wenii^e 
branchhar,  die  nuislen  halieii  r.ns  mir  ^escliadel.  -  Die  von 
K.  L'cq:ehene  Kritik  der  McUkkIl',  der  aueli  wir  zustimmen, 
gi^jiclL  in  folgenden  Punkten:  Unserer  Methode  fehlt  die  Kin- 
heitlichkeit.  Unser  naturkundliche  ITnterricht  ist  eine  Neben* 
einanderstellung  zuzammeuhangsloscr  Disziplinen.  Man  zer- 
teilt die  einheitliche  Naturwissenscliaft  in  eine  Menge  von 
Unterrichtsgegenständen,  verteilt  diese  nngleicliinäfsig  über 
die  verschiedensteii  Klassen,  bcvf'r/iTLTt  eiir/elne.  läfst  andere 
einfach  ganz  weg  und  wundert  sieh  am  ivndc,  dafs  nichts 
V'ernünftiofes  dabei  herauskommt.  SchlitnuRr  wie  in  den 
Volksschulen,  steht  es  in  den  luiluren  Scliukn.  Die  licdeu- 
tung  des  Anschauungsunterrichts  verkennt  oder  übersieht 
man  dort  gänzlich;  die  späteren  naturkundlichen  Fächer 
gehen  nicht  aus  ihm  hervor,  sondern  heben  zeitvergeudend 
von  neuem  an.  Naturgeschichte  und  Katurlehre,  ohne  deren 
stete  Wechselbeeinflnssung  aller  Wert  der  Naturwissenschaft 
unmoirlich  gemacht  wird,  werden  an  allen  höheren  Lcliran- 
stalteii  so  f(ut  wie  in  keiner  Klasse  gleichzeitig  erteilt.  I>ie 
Natin\L,asc]iichte  f^-^cht  voraus;  sie  bricht  da  ab,  wo  sie  am 
gtistbildendsten  werden  könnte;  die  Nalurlehie  setzt  sie  fort, 
welche  doch  der  ersteren  erst  die  Unterlage  geben  sollte, 
und  der  es  späterhin  umgekehrt  allezeit  an  der  Anwendung 
fehlt  Manche  Schüler  verlassen  die  Anstalt  und  treten  ins 
Leben,  und  haben  von  dem  einen  oder  anderen  Teile  der 
Naturwissenschaft  überhaupt  nichts  vemommeti,  das  Ganze 
bleibt  ihnen  deshalb  iniverstntidUcli.  Auf  diese  Thatsachen 
baut  K.  .seine  Keformvcisclilägc  aul.  Dabei  ist  ihm  die  An- 
schauung sowohl  Untc rricbtsprin/ip,  als  auch  Xlnterrichts- 
gegensland.  Seine  C 'redanken  über  den  letzteren  .sollen  uns 
jetzt  beschäftigen. 

Der  Anschauungsunterricht  soll  eine  Vorschule  der  Natur- 
kunde sein,  deshalb  will  er  ihn  selbständig  wissen,  licrar.s- 
gehoben  aus  seiner  elenden  Stellung  als  Diener  des  Schreib- 
lesens. Auf  die  .schnelle  Erreichung  der  Lese-  und  Schreib- 
fertiij^kcit  werde  zu  grofses  (lewicht  gelegt,  unter  wclclicin 
alles  andere  leiden  müsse.  Wo  der  .'\nscha11unj4s1u1tcrricl1t 
selbständig  betrieben  werde,  befinde  er  sich  meistens  auf 
falschen  Bahnen,  arte  in  eine  oberflächliche,  meist  nur  den 
äufseren  Schein  wahrende  Besprechung  der  Gegenstande  aus. 
Wolle  man  überhaupt  den  Auschatiungsunterricht  aus  der 
Schule  nehmen,  so  müsse  Naturkunde  an  seine  Stelle  gesetzt 
werden.   Wenn  der  Anschauungsunterricht  ein  natnrwissen- 


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VatanrUMDtehafk  and  BeMle. 


41 


schaftlicher  werde,  so  sei  eine  Veränderung  des  Lehrplans 
unnötig,  man  brauche  dann  nicht  gewaltsam  in  denselben 
eingreifen.  Man  mache  sich  keiner  Einseitigkeit  schuldig, 
wenn  man  die  Bespreclning  von  Xatnrobjekten  und  Natur- 

erscheinun<^en  in  rlcn  Mittelpunkt  des  Aiiscliannnj^snnterrichts 
stelle,  sniidcni  erfülle  ei''c  I'urderung^,  die  im  kindlichen  (leiste 
begründet  lieg^e.  In  diesem  Unterricht  sollen  vorkommen: 
Einzclbeschreibungtn,  kleine  Ent\viekeinn|^sbilder  ans  dem 
Leben  der  Natur,  Behandlung  verschiedenartiger,  durch  einen 
gemeinsamen  Schauplatz  verbundener  Erscheinungen  und 
Objekte,  die  somit  cm  Xntnrganzes  darstellen  und  endlich 
Besprechung  von  Thätigkeiten  und  \'or«^^fint,an  des  gewerb- 
lichen Lebens  nnd  von  gewissen,  leicht  anffafsbaren  physi- 
kalisclicn,  meteorolocri'^c'licn.  chemischen  nnd  ähnlichen  Natnr- 
ersclieinnnsjcn.  Hierbei  kommt  es  nicht  auf  (iedächtnisstolf. 
se'iidern  anf  Scliärfnn^  der  Beohachtnnii^sffihii^rkeit  an.  Eng 
niil  diesen  Zweigen  wird  auch  die  geo«^iaphische  Naturkunde 
verbimden.  Ganz  im  Gegensatz  zur  gewöhnlichen  Meinung 
stellt  gerade  dieser  erste  Anschauungsunterricht  hohe  An- 
forderungen an  den  Lehrer,  —  Diese  Forderungen  sind  ge- 
wifs  so  naturlich  nnd  so  berechtigt,  dafs  mau  eigentlich 
kaum  noch  ein  Wort  darüber  verlieren  .sollte,  zumal  sie  in 
ähnlicher  Form  auch  von  andern  Pädai^'^nnrcn  wie  Richter  und 
Härder  erliohen  wurdcTi  sind.  Es  ist  w  irklich  einmal  an  der 
Zeit,  diesem  jetzigen  Zwitterding  von  Anschauungsunterricht 
seine  wahre  Stellung  und  Aufgabe  zu  geben. 

Mit  dem  3.  Kapitel  geht  K.  zu  den  Spezialdisziplinen 
über  und  behandelt  zunächst  die  Zoologie.  Ein  heikles 
Kapitel,  diese  Zoologie!  Seluui  mancher  ist  über  sie  ge- 
stolpert, denn  sie  ist  das  Schibolet  des  Naturforschers.  Frei- 
lich gehören  die  Fragen  dieser  Wissenschaft  auch  zn  den 
schwerwiegendsten,  da  sie  eng  mit  der  Per.sönlichkeit  des 
Menschen  nnd  seiner  Weltan.schauung  verbunden  sind,  somit 
einer  objektiven  Iktrachtungsweise  die  gröfsten  Hindernisse 
in  den  Weg  legen.  Auch  Herrn  K.  hat  dies  (iebict  sicht- 
lich Schwierigkeiten  bereitet.  Das  genannte  Kapitel  des 
sonst  so  wertvollen  Knches  hat  mich  nicht  ganz  befriedigt. 
Dieser  Vorwurf  trifft  jedoeh  diesen  Artikel  nicht  als  Ganzes, 
sondern  nur  in  einzelnen  Teiien.  denn  im  alloemeinen  trifft 
K.  die  neueren  Fordeningen.  In  ausoezeichneter  Weise  lej^t 
er  /iin-'ichst  dar,  dafs  man  dem  Ciemüte  des  Kindes  die 
alnnin,u;>>\ olle  Emjjlindnni.',  <lafs  ein  i^euieinsames  Iknid  die 
organi.sehe  Welt  nmsclilinge,  erhalten  mü.sse.  dafs  man  niehl 
durch  Aufdeckung  einer  Kluft  zwischen  Mensch  und  Tier 
die  Natnrltebe  ertöte.  Der  Unterricht  mü.sse  sein  Haupt- 
gewicht auf  die  Lebenseigentümlichkeiten  der  Tiere,  auf  den 
Zusammenhang  zwischen   Organ   und  Thätigkeit  legen. 


4 


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42 


Zwcckinäfsi«^  sei  es  auch,  cliarakteristisclic  Vertreter  des 
Tierreiches  bLSoiKkrs  y.n  IjlU achten  und  die  rnnkrtn  mit 
diesen  zu  verj^leichen.  Hierbei  haiulle  es  sich  nicht  um  dit 
äiilserhche  subtile  Aufzähhint^  von  Merkmalen,  sondern  um 
das  Wesen  der  Tiere.  \'(>r  allem  müsse  man  liierbei  die 
verw  aiultschaftliehen  X  erliältnisse  der  Tiere  klar  le^en,  müsse 
zeigen,  dafs  durcli  das  System  nicht  scharf  ab|^e;;renzte 
Klassen  gegeben  seien,  sondern  dafs  eine  Art  mit  der  anderen 
in  engster  Verwandtschaft  stehe.  Eine  solche  Methode  be- 
freie von  systematischem  Zwang  und  ermögliche  eine  leiehte 
einheitliche  l'bersicht  über  die  gesamte  Tierwelt  auf  ( »rund 
der  in  dc-r  Xatur  begründeten  iMitwickt  lnni^slehre.  Dar- 
legung dieses  Zusamnienluiiigs  uinls  auch  der  xoru  cltlichen 
I'^ormen  gedacht  werden,  und  anderseits  uiüsscii  auch  Knt- 
wickehiug-^reiheu  der  einzelnen  Tiere  gegeben  werden,  im 
Anschhifs  an  diese  Gedanken  wirft  K.  die  Frage  auf: 
Ob  wir  nun  von  diesen  Thatsachen  aus  den  Schlufs  ziehen 
lassen  dürfen  zur  Annahme  der  Hntwickelung  auch  bei  den 
.\rten  der  Tiere,  ob  wir,  um  es  kurz  zu  sagen,  die  vSchüler 
im  Sinne  der  Deszendenzlehre  unterrichten  sollen.  Kr  beant- 
wortet die.se  Frage  mit  nein  .  Sonderbarer  Weise  stützt 
er  sich  bei  P>cgri"nKliuig  tiie.ser  X'ernenmng  auf  andere  Autoren, 
Ikiil  und  Zwick,  und  mncht  später  dem  Nein  einige  Kon- 
ze.ssionen.  Ich  muls  gcsiehen,  dafs  nuch  diese  Ausführungen 
nicht  befriedigt  hab»*n,  man  weifs  nicht  recht,  woran  man 
ist  K.  sagt:  Die  Hntwickelung  aller  Tierindividuen  aus 
tm vollkommenen  Zuständen  in  höhere,  die  Ähnlichkeit  der 
meisten  Jugendfornieu  höherer  Tiere  mit  der  vollendeten 
Korperbeschaffenheit  niederer  Tiere,  die  Stufenleiter  von 
unvollkonimenen  Wesen  zu  h(')her  organisierten,  wie  sie  die 
( leslcin.^sehichle^  unserer  I'lrde  in  Abdrücken  und  Kör])er- 
resten  deutlieh  und  überzeuueiul  \ci  künden,  die  s  eiuullehi- 
den  Ubergangsformen  zwischen  ver.schiedenen  Tiergruppen, 
welche  unsere  lebende  animalische  Welt  noch  bis  heute  be- 
wahrt hat,  alle  diese  Thatsachen  bilden  einen  notwendigen 
Bestandteil  des  Unterrichts  in  den  oVtcrcn  Klassen  .  Dazu 
sollen  weiter  kommen  :  Heziehungen  der  Tierw  elt  zm'  IHlanzen- 
welt.  Blumen  und  Insekten,  Scliut/.farbe,  }'jit\N  ickelungsge- 
scliiclite  der  <  )rgane,  S\  nd)iose.  Kaui]>f  inii-  On^ein  etc. 
Wenn  mau  «lem  ruterricht  ein  ^«ilches  ZugeNl;iuthii.s  macht 
unti  die  liai  aus  zu  ziehenden  klaren  Schlüsse  \  on  der  Hand 
weist  so  will  es  mir  doch  .selieineu,  als  wenn  das  eintritt 
was  Siephistopheles  im  Fattst  ztim  Schüler  sagt: 

W  er  will  was  I,clK-iuli;;cs  cikcniKii  und  beschreiben, 
Sucht  t'isl  (kii  (icist  hcraiis/utreilKii, 
D.Ulli  hat  ci  die  'rcile  in  seiner  Hand, 
l'clilt  leider!  nur  <la.s  {geistige  Band  . 


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XnlurwltMatoluiA  uod  8eh«l«. 

Selbstverständlich  ist  es  auch  ineine  Ansicht,  dafs  wir 
gewagte  Hypothesen  in  der  Schule  nicht  lehren  dürfen; 
aber  man  darf  aueb  nicht  dahin  kfnnnien,  die  unbedingt 
klar  imd  ckiillich  '/iitni^c  irctciickn  Sclilüsse  i«;anz  aus  dein 
Unte  rricht  zu  \  crhannen,  denn  dadnreh  niiimit  man  der 
Sache  wieder  den  Geist,  den  man  ihr  einzutlöfseii  Miclit.  Der 
Verl,  versteht  sich  ja  auch  schliefslich  zu  dem  Zugeständnis, 
dafs  eine  objektive  Darlegung  der  Deszendenzlehre  nicht 
schaden  könne.  K.  hätte  bei  seinen  vernänftigen  und  ge- 
messenen Anschauungen  auf  jene  Frage  auch  ganz  ruhig 
antworten  können:  Ja,  aber  mit  Vorsicht  .  (  ierade  in  diesem 
Punkte  vermisse  ich  die  entschiedene  Klarheit.  Die  Angst 
vor  einem  Unterricht  in  diesem  Sinne  ist  häufig  auf  Un- 
kenntnis /urückzufiihren.  K.  selbst  weist  treffend  solche  Be- 
denken zurück,  wenn  er  z.  R  bezüi^lich  des  Kampfes  ums 
Dasein  sagt:  Icli  kann  nicht  umhin,  hier  noch  mit  einigen 
Worten  meiner  Überzeugung  Ausdruck  zu  geben,  dafs  oben- 
drein die  Annahme  mancher  der  vorhin  erwähnten  Anschau- 
ungen durchaus  nicht  die  Gefahren  in  sich  birgt,  wie  viele 
Kurzsichtige  befürchten.  So  nehmen  manche  Menschen  mit 
*  mangelhafter  Naturerkenntnis  allen  Krnstes  an,  eine  allge- 
meine Anerkcnnun i;'  der  (»rundsätze  der  D  szendcnzlchre 
sei  fast  gleichbedeutend  mit  Wrwilderung  der  Sitten  und 
Auflösung  aller  .L;esellschat"thelien  Hände.  Besonders  das 
wesentlichste  Moment  bei  der  WrvoUkommuung  der 
urgauisierteu  Wesen,  der  Kampf  ums  Dasein-,  flöfst  ihnen, 
auf  den  Menschen  und  sein  Leben  angewandt,  eine  wirklich 
lächerliche  Furcht  ein.  Wer  bürgt  dafür,  dai'>  dann  nicht 
schliefslich  der  eine  den  andern  totschlägt  ,  habe  ich  schon 
häufig  von  lAniten  sai^'^en  boren,  die  als  gebildet  gelten 
wollen.  Man  weifs  nicht,  worüber  man  da  mehr  staunen 
.soll,  iibei  die  Plumpheit  der  Auffassung  udcr  die  Unfähig- 
keit, ein  Naturgesetz  zu  \  erallgemeinern  und  auf  andere 
Verhältni.sse  zu  übertragen  I  l'reilich,  das  nämliche  Natur- 
gesetz liegt  da  zu  Grunde,  wo  der  besser  entwickelte  Baum 
seinen  schwächeren  Nachbar  erdrückt,  das  stärkere  Tier 
seinen  Gegner  niederwirift  und  von  der  Kort]-Han/ni!j4  aus- 
schliefst, aber  auch  dort,  we»  der  geistreiche  Denker  über  die 
Dummheit  siegt,  wo  der  lulle  inid  (inte,  \-on  seinen  Mit- 
menschen unterstützt,  den  SchUrlUen,  dessen  verderbliches 
Treiljen  man  hemmt,  überllüj^eit.  Dasselbe  (iesetz  und  dtK'h 
wie  unendlich  verscliieden  in  seiner.  Aulseiungenl  Und  wer 
wollte  sich  um  Erscheinungen,  w  ie  sie  in  den  beiden  letzten 
Beispielen  der  Kampf  ums  Dasein  hervorruft,  grämen?! 
Nicht  nur  physi.sche  Kraft  und  physi.sche  Vollkommenheit 
siegen  iti  diesem  Kampfe,  sondern  auch  geistige  Stärke  und 


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44 


Anh.  Hae^v. 


sittliche  Maclu  vermögen  es  unter  gegebenen  Bedingunt^cn. 
Und  gerade  diese  Art  des  Kampfes  iinis  Dasein  ist  es,  welche 
bestimmt  zu  sein  sclieint;  bei  der  Vervollkoninimm«^  des 
Menschen^^csclikclits  mitzuwirken  .  So  zei^^t  uns  K.,  dafs 
die  Enlwickchnis^slehrc  dem  natnrknndliclien  Unterricht 
Leben  und  Inhalt  giebt  und  wir  verstellen  seine  Entrüstung, 
wenn  er  die  Vorschläge  in  mehreren  Programmarbeiten,  den 
naturkundlichen  Unterricht  an  die  klassischen  Studien  anzu- 
knüpfen, die  Tiere  und  Pflanzen  zu  behandeln,  die  schon 
Homer  erwähnt,  die  Wildpretarten  zu  betrachten,  an  denen 
sich  die  Helden  der  llias  labten,  als  alberne  Spielereien  be- 
zeichnet. Uber  das  Lehrverfahren  in  der  Znnloirie  im 
einzelnen  zu  reden,  hält  K.  für  überflüssig.  Er  verweist 
uns  darauf,  dafs  er  diesen  Tunkt  ein  liebender  bei  der  Botanik 
behandeln  werde,  und  es  bedürfe  nur  einer  Übertragung  der 
dort  aufgestellten  Sätze  und  Vorschläge.  Dies  erscheint  mir 
als  die  bedenklichste  Stelle  im  ganzen  Kapitel.  Das  Lehr- 
verfahren  in  der  Botanik  ist  schon  wiederholt  >elir  schön 
dargelegt  worden;  das  ist  auch  viel  leichter,  da  hierbei  die 
gefährliche  Klippe,  die  enge  Beziehung  zum  Mensehen,  fort- 
fällt. \'on  einem  Manne  wie  Kollbach  hätte  icli  wirklieh 
einmal  gew  ün.scht,  das  I^ehrveriahren  für  das  schw  ierige  (ie- 
biel  ein  wenig  zu  beleuchten.  An  eine  einlache  Überiragung 
desselben  von  der  Botanik  auf  die  Zoologie  ist  gar  nicht 
zu  denken,  dazu  ist  die  Zoologie  ein  zu  eigenartiges  Gebiet 
Für  eine  Neubearbeitung  habe  ich  daher  den  dringenden 
Wun.'^ch,  dafs  K.  diese  grofse  l#ücke  ausfüllen  möge. 

Ich  habe  die  vorstehenden  Kapitel  eingehender  behandelt 
und  mufs  mich  daher  zum  Schlüsse  .kurz  fassen,  obgleich 
noch  sehr  viel  des  Interes.santen  zu  besprechen  wäre.  Der 
Anthropologie  will  K.  gröisere  Bedeutung  beigemessen  wissen. 
Seine  i''orderungeii  bezüglich  dieses  Punktes  sind  durchaus 
berechtigt  Fast  wäre  ich  geneigt,  es  ihm  böse  auszulegen, 
wenn  er  das  Einschlafen  der  Gliedmafsen  auf  Hemmung  des 
Blutumlaufs  zurückführt,  während  es  doch  vom  Nervendmck 
kommt;  da  ich  aber  nur  diese  einzige  Unrichtigkeit  in  dem 
Buche  gefunden  habe,  so  ist  ihr  keine  Bedentnng  1)eiztnnessen. 
I*V)1gcnde  Kapitel  finden  noch  einti^ehende  Betraelitung  in 
tlcnisclben:  I^^ttanik,  Natnrlehre,  (  »eologie,  Mineralogie,  Astro- 
nomie, Ph\>ik,  Cheniie,  geograj)lüsche  Naturkunde,  Schüler- 
ansflüge, das  Zeichneu  im  Dien.ste  der  naturwissen.schattlich- 
geographischen  Disziplinen.  Mit  ganz  geringen  Ausnahmen 
muls  ich  mich  für  die  gemachten  sehr  vernünftigen  Vor- 
schläge erklären,  will  dabei  jedoch  nicht  unterlassen  zu  be- 
merken, dafs  meiner  Meinung  nach  der  Astronomie  eine  zu 
grofse  Bedeutung  beigeniessen  ist 


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45 


Wenn  ich  zum  Schlufs  das  Buch  als  Ganzes  betrachte, 
so  mufs  ich  meiner  Freude  über  eine  solche  Erscheinung 
Ausdruck  geben.  Es  ist  eine  Schrift,  die  sich  über  die 
DutzLiulware  erlicbt,  und  an  der  kein  Melhndiker  dieses  (  ic- 
bietes  aciitlos  vorübergelicn  darf.  Das  nihifje  klare  Urteil, 
j^epaart  mit  der  edlen  Hetj^eisteruiin  für  die  Sache,  verleihen 
dem  Huche  einen  besondeicu  Rei/.  Ich  stehe  nicht  an  zu 
erklären,  dafs  ich  von  allen  eingehenden  methodischen  Schriften 
diese  als  eine  solche  bezeichnen  mufs,  die  wirklich  auf  der 
Höhe  der  Zeit  steht.  Im  Gegensatz  zu  vielen  Scheinrefonnen 
zeigt  sie  die  wahren  Reformbahnen  der  Natur^vissenschaft 
Möge  das  Buch  recht  viel  gelesen  und  beachtet  werden. 


liose  Blätter. 


Welche  Bigensohaflen  ftoH  der  Lehrer  mU  Rnsleher  hftbeti, 

welche  nicht? 

y.»  ibt  tili  W.iiulu'li.  iliif^  der  l.chri  1  Hiclir 
rliirrli  scino  (rfsamio  i -.■•nln  hkcli  ,  durrh 
■lüK  (>«>«l(-hi  un<l  <li<'  ^^u:ll>'  ^oinor  glinxf*!! 
Kr*fhpinunK  orzi»-ht.  iiU  .Imch  *<'in  Wort,  uml 
■liirN  in  iIiT  srrlt'Dvollrii  L't><<rcin!>tiinniuni;  «Jr« 
Worif»  Hill  «Irr  Tliiil  «Iii-  «•in^iir«'  »iolnTe  IJürjf- 
»rluLfl  für  die  I.ö-imi;  <<i-r  u iotiriir>-ti  Auftr«!»* 
drs  IjipbrrrA  li<>Kt-  Nicht:*  iT/ic)it  bci^tT,  hU 
GeffCDWurt  und  lt(>i«pi<^I  eiiwa  trenifbcn 
M^ii«eli«iu  KHiulrat  K^lln^r. 

slI  der  Uchrer  seinen  Zöglingen  gegenüber  würdevoll, 
aber  nicht  stolz. 

Kr  sei  gemessen  m  seiuem  Auftreten,  aber  nicht  steil 
Kr  sei  enist.  aber  nicht  unfreundlich. 
Kr  sei  streng^,  aber  nicht  schroff. 
Kr  sei  mild,  aber  nicht  schwach. 

Kr  sei  weicli.  gefühlvoll,  schonend,  erbannend,  /.urechthelfend: 
aber  nicht  weichlich   *<ch\v.arlilu rzig.  empfindsam,  weinerlich. 

l'!r  sfi  hern!)la^^cn(l  und  kindlich  mit  den  Kindern,  aiier 
nie  lapj>i>cli  und  kindisch. 

Kr  .sei  konsequent,  aber  nicht  pedantisch. 

Kr  sei  achtsam  auf  das  Kleine  und  Kleinste,  aber  nicht 
kleinlich. 

Der  sittlichen  ICrregung  inid  l!ntrüstuiig  sei  der  Lehrer  in 
hohem  C»rade  fjihig ;  aber  er  sei  eine  feste  Hurg  gegen  Zorn  und 
Arger:  •^clmrf  und  schneidig  geyen  Hosheit,  !\<>htit.  (lemeinheit. 
l'rechheit.  Heuchelei.  \'er1otreti!K ii,  l)leibc  dvi  Lehrer  stets  weit 
entfernt  v()n  rachsüchtigem.  nachträgeri?>chem  \\*c<en.  T>en 
Schülern  gegenüber  sei  der  Lehrer  kein  Wit/.-  und  Spal>niachcr. 
kein  Spötter  und  vSchimpfer.  kein  Mäkler  und  Nergler.  kein 
Zänker  und  Schläger,  kein  Ach-  und  Wehrufer:  er  sei  mäf^ig 
im  Lachen,  haushälterisch  in  der  Ironie,  vorsichtig  mit  beschä- 
menden Worten :  er  achte  aufmerksam  auf  das  eigne  Aufsere, 
um  sich  in  Rede.  (^lang.  Haltung.  Oeberden  nichts  an/ugewöhnen. 
was  den  Schülern  auffallen,  ihre  Kritik  herausfordern  könnte. 


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Walclip  Ei«i>ii»r1itift«n  »«II  der  Lfhrrr  «l»  Krxii>i»rr  hAhen,  «»lebe  nlrbtt 


47 


Ffir  Juvenals  Wort,  dafs  malt  dem  Zögling  die  höchste  Achtung 
^rliulde.  besitzt  der  Lehrer,  der  '^[iite,  das  feinste  Verständnis. 
iiTul  nnterläfst  alles.  \va.s  das  Khrj^efühl  der  Kinder  verletzen, 
was  in  -kii  kindlichen  Gemütern,  in  den  /nweilen  so  /artbe- 
saiteten (»tnuiuru  der  Kinder  einen  scliädliclien  Mifsklang  her- 
vorrufen könnte.  Was  aber  dem  L,ehrer  Kraft  und  Fähigkeit 
giebt:  was' ihm  Lust  und  Mut,  Ausdauer  und  Energie  verleiht, 
zu  sein,  wie  er  sein  soll,  und  was  ihn  allerwegen  davor 
schfitSEt  so  zu  werden,  wie  er  nicht  sein  soll,  das  wurde  noch 
nicht  j;enannt. 

Ms  ist  elw  (Vrofses.  Seltenes,  Wunderwirkendes:  dieljel^e 
zu  dt  n  K  i  n  (Um.  \'<>llkoninien  /titreffend  i<t,  was  Hamann 
sa>^t :  i)a^  >;r«>l>ii  ('.<.sftz  fUr  McIIk nie  für  Kindt  i  Itolelu  darin, 
sich  zu  ihrer  Scltwache  hernnler/ulasscn ;  ihr  l)ieuer  zu  werden, 
wenn  man  ihr  Meister  sein  will;  ihnen  zu  folgen,  wenn  man 
sie  regieren  will ;  ihre  Sprache  und  Seele  zu  erlernen,  wenn  wir 
sie  bewegen  wollen,  die  unserige  nachzuahmen.  Dieses  gröfste 
Cvesetz  ist  aber  weder  zu  verstehen,  noch  zu  erfüllen, 
wenn  man  nicht,  wie  man  im  jremeinen  Leben  sagt, 
einen  X  a  r r  <.     an  K  i  n  d  e r  n     e f  r e s  s e n  h  a  t. 

Machen  wir  uns  einmal  recht  deutlich,  wie  viel  hier  vom 
Lehrer  verlanj;t  wird! 

Als  Fremdlinge  treten  die  Kinder  in  die  Schule  ein.  Nicht 
Blutsverwandtschaft»  nicht  Freundschaft  und  Bekanntschaft  ver> 
niittelt  die  Liebe,  die  der  Lehrer  dem  Kind  entgegenbringen  soll. 
Von  den  meisten  weils  er  nicht  einmal  die  Namen;  viele  sieht 
er  am  ersten  Sclndtai^e  zum  erstenmal  in  seinem  Leben.  A!)er 
da.s  darf  ihn  nicht  hindeni.  dafs  er  schon  in  der  ersten  Stunde 
^einc^  Zn-^ammenscins  mit  den  Kindern  diesen  seine  Ijebe  und 
S» Tj^lichkeit  /iiweiule.  Mit  jedem  neuen  Tag  mufs  er  sich  neu 
l)e>trebeu,  den  Kindern,  soweit  es  irgend  möglich  ist  zu  werden. 
wa>  ein  guter  \'aler  «meinen  Kindern  ist.  Tnd  konnaeu  vlit  Ta-c 
-  und  wie  bald  werden  sie  kommen  —  da  schlimme  LiK^n- 
Schäften  und  Neigimgen  der  Kinder  her\*ortreten,  Mutwille. 
Leichtsinn,  Unordentlichkeit,  Unverträglichkeit,  oder  schlimmere, 
wie  Unfnl->,amkeit,  Roheit,  Trotz  Frechheit,  Lügenhaftigkeit, 
heimtückisches  Wesen :  da  mufs  der  Lehrer  im  Kampfe  mit  den 
scliFTunien  und  -cbliminstt  n  I'rnclitcn  einer  vernachl'w^igten 
häuslichen  Kr/ieliung  benilsäieudig  bleiben  nnd  darf  dirl  K/inld 
nicht  verlieren,  nnd  darf  den  .Mut  nicht  \eiliereH.  und  dart  die 
Hoffnung  nicht  sinken  lassen,  und  darf  vor  allem  Junes  — 
Eines  nicht  aufgeben  --  die  Liebe  zum  Schüler. 


Friedberg  i.  Hessen. 


l'rof.  Klein. 


48 


Über  Mädcbenlehrer  and  Mädchenbehandlang. 

Die  alte  Wahrheit,  dafs  der  Erzieher  mehr  wirkt  durch  das, 
was  er  ist,  als  durch  das,  was  er  sjnicht.  ^i't  vom  Mädchen- 
lehrer in  höherem  Grade.  Welche  Ki^enschaften  der  I«ehrer  als 
Krzicher  haUen.  von  welchen  Eigenschaften  er  frei  sein  müsse, 
wurde  eben  besprochen.  Hier  werde  hinzugefügt,  was  speciell 
vom  Miidelienlehrer  zu  tordern  ist. 

Da  die  Mehrzahl  der  Mütter,  in  tleren  Hand  die  Kr/jehun^^ 
der  Kinder  in  den  ersten  Lebensjahren  vorzugsweise  gelegt  ist, 
nur  die  Anlagen,  nur  Rudimente  der  Eigenschalten  besitzen, 
die  das  Wesen  der  feinen,  edlen  Weiblichkeit  bilden,  so  soUteti 
sich  in  dem  Mädchenlehrer  zu  den  Eigenschaften,  die  den  Mann 
/icrcn,  bis  zu  einem  gewissen  Grade  und  I'mfange  die  Eigen- 
Schäften  gcsellcii,  die  wir  am  weiblichen  Wesen  schätzen  :  Be- 
scheideidieit,  Sittsanikeit,  Zartgefühl,  Treue.  Schainliafligkeit,  ii<5f- 
lichkeit,  An^itand,  Häu.-^Hchkeii,  Kinderfreundlichkcit  und  Kin- 
derliebe, Barmherzigkeit,  liühr^^iches  Wesen.  Mindestens  sollte 
der  Mädchenlehrer  für  diese  Eigenschaften,  die  den  Inbegriff  der 
ächten  Weiblichkeit  bilden,  ein  tiefes  Verständnis  besitzen  und 
in  seinem  natürlichen  Wesen  bekunden. 

Mufs  eine  hervorragende  Eigentümlichkeit  der  Mädchen- 
natur im  Gegensat/e  7:nr  Knabennatur  im  Vorherrschen  des  Ge- 
fühls, in  gröfserer  rjn])fänglichkeit  für  das  Zarte  und  Feine,  in 
gröfserer  Bereitwilligkeit  zu  Unterurchinug  und  Folgsamkeit  ge- 
funden werden,  so  ist  diesem  Umstand  bei  Behandlung  der 
Schülerinnen  mit  pädagogischer  Weisheit  Rechnung  zu  tragen. 
Die  allgemeinen  Forderungen,  dafs  der  Lehrer  in  der  Behandlung 
der  Schüler,  beziehungsweise  beim  Strafen  gemessen,  takt-  und 
würdevoll  verfahre;  dafs  er  die  Grundsätze  der  Humanität  nie 
verletze;  dafs  er  die  Individualitäten  der  Kinder  erforsche  und 
berück. -nichtige;  dafs  er  mit  bescliamenden,  ironisierenden  Worten 
vorsiclitig  und  haushälterisch  sei.  verhöhnender  und  beschimpfen- 
der Bemerkungen  und  Ausdrücke  sich  ganz  enthalte;  dals  er 
sich  ijemühe,  mit  mäfsigen  und  kleinen  Strafen  auszukommen: 
diese  Forderungen  gelten  für  den  Mädchenlehrer  in  erhöhtem 
Malse.  Darf  er  hoffen,  es  werde  ein  strafender  Blick,  ein  momen- 
tanes Einhalten  im  Unterrichten  ausreichend  sein,  eine  ent- 
standene Ihiruhe  oder  Unaufmerksamkeit  zu  beseitigen,  das 
regelwidrige  \'erhalten  einer  Schülerin  zu  rektifizieren,  so  greift 
er  nicht  zum  tatelnden  Wort.  Dem  blofsen  Namensaufruf  giebt 
der  geschickte  T.elirer  in  vielen  Fällen  den  Vorzug  vor  der 
wörtlich  au--ge--])roe]Knen  Rüge. 

Der  gute  Mätlciienlelutr  erfreut  sich  eines  glückliehen  Ge- 
misches von  Freundlichkeit  und  Emstin  der  Schule;  die  Freund- 
lichkeit waltet  vor  bei  den  jüngeren  und  jüngsten  Mädchen,  der 
Emst  bei  den  älteren.    Aber  niemals  wird  die  Freundlichkeit 


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ttm  VMchMkbroi^  and  MMfh«ib»liM<lliiiiir.  49 

zur  Läppischkeit,  niemals  der  Ernst  zur  Schroffheit  Der  Lehrer 
der  kleineren  Mädchen  darf  ein  junger  Mann  und  unverheiratet 
sein ;  der  Lehrer  gröfserer  Mädchen,  diese  vielldcht  schon  vom 

zwölften  Lebensjahre  an  ^^erechnet,  sollte  —  seltene  Ausnahmen 
abgerechnet       gesetzten  Alters  ntid  \  '*r1uiratet  sein. 

Sit  wünschenswert  es  ist,  dals  der  Lclircr  sicli  unausgesetzt 
henuilie,  niii  den  g^eringsten  Strafen,  ja  so^ar  überhaupt  olnie 
Strafen  auszukommen;  immerhin  werden  auch  in  Mädchenkla-ssen 
die  Fälle  nicht  selten  sein,  in  denen  die  Anwendung  wirklicher, 
bezw.  schwererer  Strafen  geboten  erscheint  Und  hier  tritt  nun  die 
Frage  an  uns  heran,  welche  Strafarten  zu  empfehlen  seien.  Von 
Gewicht  ist  diese  Krage  besonders  für  vScliulen.  an  denen,  wie  z.  B. 
bei  den  sogenainiten  höheren  Töchterschulen,  sich  mehrere  I«ehrer 
und  Lchrerintien  in  dcji  l'nterricht  einer  Klnsee  teilen. 

Behalten  wir  die  angedeutete  I  j-^enliunliclikeit  der  Mädchen- 
uatur  im  Auge,  so  wird  sich  vor  allem  em[)felilen! 

1.  von  körperlichen  Strafen  jeder  Art.  auch  der  leichtesten, 
bei  allen  Schülerinnen,  auch  den  jüngsten,  gänzlich  ab- 
zusehen. 

2.  so  lange  wie  möglich  den  sog.  Hhrenstrafen  den  Vor- 
zug vor  andern  Strafarten  einzuräumen. 

I'nter  Hhrenstrafen  sind  selbstverständlich  nicht  Strafen 
gemeint,  durch  die  das  Kind  an  seiner  IChre  und  jedctn 
Kinde  i^ebühret  seine  Khre  geiahrdet  otler  i^^esehädi^^t  wird, 
sondern  Strafen,  durch  die  das  schlummernde  oder  lialherstickte 
Ehrgefühl  geweckt  oder  wiedergeweckt  werden  soll.  ICs  gehören 
hierher:  der  mQndliche  Verweis,  der  ins  Klassenbuch  einge- 
schriebene einfache  oder  scharfe  Tadel,  das  Heraustretenlassen 
aus  der  Bank,  das  Hinausweisen  aus  dem  Zimmer,  die  Ent* 
Ziehung  gewisser  Schulehrenämter,  die  Aus.schliersung  vom 
nächsten  Schnlspnziergange. 

Die  Wichtigkeit  des  Gegenstandes  mai^  es  rechtlertigen. 
wenn  im  Folgenden  nuf  die  Ivliren-^traten  etwas  näher  ein«-e- 
gangen,  insbesondere  ein  Strat\  ertahreu  besprochen  wird,  das  der 
\'erfasser  als  Lehrer  an  einer  Töchterschule  näher  kennen  zu 
lernen  Gelegenheit  hatte. 

l'm  einerseits  den  für  die  Mädchenerziehung  geltenden 
Grundsätzen  gerecht  zu  werden,  andererseits  eine  im  Interesse 
des  Unterrichts  und  der  Krziehung  gelegene  möglichst  grofse 
rbereinstimmung  aller  in  (\rr<v\\KU  Klasse  beschäftigten  Lehrer 
und  Lehrerinnen  hinsiclitlirh  der  l'ehandlunii;-  und  Bestralung 
tier  Stiiülennnen  herl>eszuti'hren,  wurde  was  die  Anwendung 
von  Khrenstrafen  betrifft,  folgendes  \  ertahreii  durch  Konlerenz- 
beschlufs  empfohlen. 

Ffir  leichtere  Verfehlungen  (Plaudern  während  des  Unter« 
richtes,  Zuflüstern«  Unordnung,  Unaufmerksamkeit,  Unreinlich^ 

Ken«  Biihiii*»  TU.  I.  j 


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Prof.  I^IHp. 


keit,  Zuspätkonnnen  u.  di?l.).  soweit  diese  mit  BerücksichtiKunx 
der  Umstände  überhaupt  strafwürdig  erscheinen,  sollen  münd- 
liche Wrweiso  erteilt  werden.  Im  Wiederholungsfall  i^^t  ein 
einlacher  Tadel  ins  SchnUnp:ebitch  cinzntrngen  Die  Zeil,  tür 
die  ein  solcher,  vom  Lehrer  privatim  an/unicrkender  münd- 
licher Verweis  in  Kraft  bleibt,  erstreckt  sich  auf  die  Dauer  der 
Woche.  Lälst  sich  eine  Schülerin  die  gleiche  Verfehhing  im 
Laufe  der  Woche  wiederholt  zu  schulden  kommen,  so  wird  ihr  der 
bereits  eingeschriebene  *Tadel-  zu  einem  •> scharfen  Tadel-  erhöht 

Zweierlei  kann  gegen  dies  Strafverfahren  eingewandt  werden: 
Man  kann  sagen,  es  be.schränke  die  Individualität  des  Lehrers, 
habe  etwas  Mechanisches,  Schnhlouenartiges  und  bringe  den 
Lehrer  in  Gefahr,  dals  er  den  F)Uchstaben.  der  löte,  ruif  Kosten 
des  Geistes,  der  lebendig  maclie.  zur  Herr.schaii  kommen  lasse. 
Zum  andern  wird  man  es  für  bedenklich,  für  unpädagogisch 
halten,  die  Verfehlungen  der  Zöglinge  zu  registrieren  und  so 
die  Erinnerung  daran  tm  befestigen. 

Gegen  den  ersten  Einwand  i^t  Folgendes  zu  bemerken: 
Thatsache  ist,  dafs  in  Klassen  mit  mehreren  Lehrern  die  gleichen 
Verfehlungen,  darunter  gerade  diejenigen,  die  sich  in  allen 
Schulen  der  Welt  am  häufigsten  wiederholen,  von  verschiedenen 
Lehrern  auf  die  verschiedenste  Weise  bestraft  werden.  \\  as 
alles  kann  /..  B.  einem  Schüler  widerfahren,  der  /.n  späi  kommt? 
Lehrer  A.  läfst  ihn  an  der  Thüre  stehen  (eine  Viertelstunde, 
eine  halhe  Stunde,  bis  sum  Ende  der  Stunde):  B.  zankt  und 
poltert  minutenlang;  C.  giebt  eine  Strafarbeit  läfst  einen  Satz, 
ein  Wort  zwanzig  .  fünfzig-,  hundertmal  schreiben;  D.  läfst  ein 
Gedicht  auswendig  lernen :  Iv  giebt  einen  Arrest  l\.  s,  w.  Was 
hier  als  ein  Produkt  dir  lndi\  i(hialitäi  (Kr  Lehrer  ausgegeben 
wird,  ist  natürlich  nur  eni  i'Kxliikl  gedankenloser  Angewfiliming: 
das  würde  sich  bald  heran -slelli.!!,  wenn  man  die  rin/elnen 
Lehrer  fragte,  warum  .sie  eine  \  erlchhing  gerade  so  und  nieiil 
anders  bestraften. 

Dafs  das  Einhalten  de.s  angegebenen  Straf\*erfahrens  in  einen 
erziehungsfeindlichen  Mechanismus  ausarten  kann,  soll  zuge- 
i;e1)en  werden;  dafs  es  dahin  ausarten  mufs,  ist  zu  bestreiten. 
Wer  den  Geist  hat,  der  lebendig  macht,  wird  diesen  dadurch 
nicht  einbüfsen,  dnfs  er  sicli  in  seinem  Tlmii  und  Lasten  dem 
Ganzen  unterordnend  an  gewisse  Xonnen  binilel;  und  wer  den 
guten  "Geist,  der  lebendig  macht,  nichl  be.Nii/t.  wird  schwerlich 
dadurch  seiner  iiabhaft  werden,  dafs  er,  das  Interesse  des  Ganzen 
auiser  Auge  lassend.  Norm  und  Regel  verschmähend,  den  eigenen 
Weg  geht 

Dem  andern  Einwand,  es  würden  durch  das  Einschreiben 
von  \'erfehlungen  und  Bestrafungen  der  Schüler  ins  Klassen- 
tagebuch jene  in  der  Erinnerung  der  Kinder  und  Lehrer  ^ge« 


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thn  MidohMilrhror  uikI  MidchrabahaiMtluac. 


5» 


wisserma(sen  festgehalten,  während  sie  doch,  sobald  sie  hinter 
uns  liegen,  nach  einein  pädagop^ischcn  Grundsätze  als  abs:ethan 
der  Vergessenheit  anheimfallen  sollten,  ist  kein  .^rofses  Gewicht 
beizulegen.  Der  Hauptzweck  jener  Mafsregel  ist  nicht  der,  dafs 
das  \'orgefalkne  nicht  vergessen  werden  soll,  sondern  dafs  der 
Akt  des  Kin«;chreihcn->  von  \'erfehhing  und  Tadel  einen  tii  fcivn 
Kindruck  aul  den  Bestraften  machen  und  eine  nachhaltigere 
Wirkung  auf  ihn  ausüben  soll.  Übrigens  wird  der  Inhalt  des 
Tagebuchs  ja  nicht  veröffentlicht,  auch  nicht  etwa  den  Schflleni 
von  Zeit  zu  Zeit  vorgelesen;  darum  werden  die  Einzdhdten 
von  den  Schülern  in  der  Regel  ebenso  rasch  vergessen  werden, 
wie  nicht  eingetrai^i  tk  Vorgänge.  Für  die  Lehrer  andererseits 
wird  es  sein  (hites  haben,  wenn  sie  sich  durch  Hinsicht  des 
Tagebuchs  jederzeit  vergegenwärtigen  können,  wie  oft  sie  diesen 
oder  jenen  Schüler  in  der  letzten  Zeit  strafen  mufsten,  luul  wenn 
sie  zugleich  ersehen  können,  ob  und  wie  oll  dieselben  »Schüler 
von  andern  I^ehreni  gestraft  wurden. 

Ob  das  Einschreiben  von  Tadeln  als  Strafmittel  unwirksam 
bleibt,  vielleicht  sogar  Schaden  stiftet,  oder  ob  es  die  beabsich^ 
tigte  Wirkung,  vielleicht  eine  ausgezeichnete  Wirkung  hervor- 
bringt, hängt  ganz  von  der  Art  al).  w  ie  es  gehandhabt  wird* 

Werden  für  Cteritigfü.iifiirkeiten  sofort  Tadel,  werden  in  einer 
Lehrstunde  Dut/cnde  \iin  Tadel  eingetragen,  dann  tritt  das 
erstere  ein;  das  Mittel  l»leil>t  wirkungslos,  jn  es  schadet.  W'ird 
es  dagegen  vorsiclitig,  malr.\  tjll,  sparsam  angeuantll,  clanu  kann 
man  einer  guteit  Wirkung  sicher  sein. 

Um  ersteres  7.11  verhüten,  im  andern  Falle  die  gute  Wirkung 
zu  einer  ausgezeichneten  zu  steigern,  ist  in  den  Lehrerkon- 
ferenzen  ein  Mittel  gegeben.  Zeigt  sich  hier  z.  H.,  dafs  die 
Schülerinnen  einer  Klasse  bei  enizelnen  Lehrern  häufig,  bei  andern 
Lehrern  selten  gestraft  u  erdf  n.  so  liegt  es  doch  nahe,  nach  den 
l'rsielieii  dieser  eigentümlichen  Krsciie;ninig  zu  forschen:  uml 
diese  kennen  nicht  hmge  verborgen  bleiben.  Lntweder  ninnnt 
es  ein  Teil  der  Lehrer  mit  den  Wrfehlungen  der  Schüler  zu  leicht, 
während  der  andere  Teil  zu  streng  urteilt;  oder  das  Verhalten 
der  Schüler  ist  bei  verschiedenen  Lehrern  ein  verschiedenes, 
wed  ein  Teil  der  Lehrer  Discipitu  halten  kann,  ein  anderer 
nicht.  In  jedem  Fallt  würde,  \orausgeselzt.  dafs  der  \'orsteher 
der  Anstalt  der  reclile  Mann  ist.  eine  gründliche,  sachlich  und 
k(illegiabseh  gefidirle  Hespreeliung  die  Wurzel  de^  T'belstandes 
bald  entdecken  las.sen  und  dann  auch  zu  einer  heilsamen  Ver- 
ständigung führen. 

Und  wie  könnte  durch  Konferenzen  die  gute  Wirkung  des 
in  Rede  stehenden  Strafmittels  verstärkt  werden! 

Am  Tage  nach  der  Konferenz  besucht  der  Anstaltsvorsteher 
oder  die  A'orsteherin  die  Klassen  und  läfst  sich  etwa  also  ver- 

4* 


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52 


Prof.  RIHn. 


nehmen:  Wir  Lehrer  der  Anstalt  sind  {gestern  wieder  zu  einer 
Konferenz  beisammen  gewesen  und  linben  uns  nacli  Durolisicht 
der  Ta^^ebücher  j^ej^enseitit^  dir  Wahrnchniuiii^an  mit^'^eteilt.  die 
wir  inlKtrctf  tun<  KUil>-«  ->  und  \'erhaltens  waliicinl  der  letzten 
Zeit  gemacht  haben.  Zur  Freude  gereicht  e>  uns.  sagen  /u 
können,  dais  wir  mit  vielen  von  euch  in  allen  Bc/ieluingcn  zu 
frieden  sind.  Leider  sind  auch  einige  in  der  Klasse,  die  zn 
Klagen  Anlafs  gaben  nnd  deswegen  ins  Klassen tagebuch  einge- 
tragen werden  mufsten.  I'Auq  darunter  macht  uns  sogar  viel 
Kunnii' r,  (be  X.  X.;  sie  hat  im  Laufe  des  letzten  Monats  wegen 
verschietlener  X'erfehhingen  wiederlndt.  eiiunnl  «>L::nr  scluirf  ge- 
tadelt werdet!  inüsscti.  Wenn  •-icli  d'w  X  M.  nirhl  l).dd  l)essert, 
so  sind  wir  genötigt,  mit  andern  Malsnalimen  gegen  sie  vor- 
zugehen. .  .  . 

Was  die  übrigen  lihrenstrafen  betrifft,  insbesondere  das 
Heraiistretenlassen  aus  der  Bank,  die  Anweisung  eines  beson- 
deren Platzes,  das  Hinauswdsen  aus  dem  Zimmer,  so  ist  bei 

Anwendung  (kr>elben  dav  AUcr  r  Mädchen  wohl  /u  berück- 
sichtigen. Während  es  bei  sechs  l)is  achtjährigen  Kindern  an- 
gehen mag,  fortgesetzte  I  naufmerksamkeit.  vStörung.  Plauderei 
in  der  augegebeneti  Weise  zu  bestrafen,  sollte  sich  dir  Lehrer 
wohl  iRsiniKii.  eine  solche  Strafe  älteri-u  Schülerinnen  i^Ci^en- 
über  auszuspreciien.  Besonders  viel  ikdcnklichcs  hat  das  Hinaus- 
weisen  aus  dem  Zimmer  und  sollte  nur  bei  .sehr  schweren  Ver- 
fehlungen notorisch  übler  Schülerinnen  zulässig  sein. 

Preiheits-  oder  Arreststrafen  sollten  in  Mädchenschulen  den 
Charakter  schwerer  Strafen  haben,  darum  nur  für  schwere  Ver- 
fehlungen im  Betragen,  niemals  wegen  Plaudern,  l'nordnung, 
Zuspätkommen.  \'ergefslichkeit.   rnflrir--  /uerkannt  werden. 

Die  höchste  Strafe  (Ui  Scliule,  dit  Ausweisung  einer 
Schülerin,  erscheint  nur  zuläs.^ig,  wenn  nacli  der  l'l)erzeugt''ig 
des  I^ehrerküllegs  ein  längeres  X'crbleiben  der  zu  l)estralenden 
Schülerin  mit  grofsen  sittlichen  (tefahren  für  die  übrigen  ver- 
bunden i.st. 

Friedberg  i.  Hessen.  Prof.  Klein. 

f  lief  iH«  Mineralogie  in  der  Volksschnle. 

Xeue  Bahnen  I  So  heifst  jt  t/t  (Vn-  Losung  der  Pädagn^Tii. 
\\V)liin  man  in  der  Pädntjogik  aiKli  biickLn  mag,  überall  sti'»!Vl 
man  jetzt  auf  neue  Bahnen.  l>ie  neuen  Baiineu  des  naturkund- 
lichen Unterrichts*,  so  betitelt  sich  eine  1894  erschienene 
Broschüre  der  Herren  Partheil  und  Probst  Und  in  der  That! 
Ganz  besonders  wandeln  die  deskriptiven  Naturwissenschaften 
auf  Bahnen,  welche  die  alten  nicht  im  geringsten  mehr  erkennen 
lassen.  Selbst  die  exakten  Xatun^'is.senschaften  hat  man  mit  Ge- 


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Cbi^r  Min^ntlMicic  In  4rr  Volk»«>rbul(>. 


walt  auf  neue  Bahnen  zu  schieben  gesucht,  doch  sind  diesel1)cn 
etwas  widerhaari^  und  hinken  höchstens  auf  beiden  Seiten,  da 
ihticn  die  neue  Bahn  doch  e  twas  zu  h()l])erip:  ist.  Nur  ein  Zweig 
der  NaturwisseTi^rlKitttti  j^^eht  bt  harrhch  den  alten  Schlenderganj? 
und  läfsl  die  l»i  w  eiten  Zeiten  ruhig  au  sich  vorübergehen, 
es  ist  die  Mineralogie. 

Hs  giebt  drei  Naturreiche,  das  Tierreich,  das  Pflanzenreich 
und  das  Mineralreich!  So  begann  noch  vor  30  Jahren  deruatur- 
geschichtliche  Unterricht  in  vielen,  vielleicht  in  allen  Volks- 
schulen. An  diesen  stereotypen  Anfang  schlofs  sich  die  Be- 
trachtung der  einzelnen  Reiche,  und  zwar  .selbstverständlich  in 
erster  I/iiiie  dii-  des  Tierreichs,  die  mit  riner  Klassifikation  dt*s- 
selbeii  bfi^ann  und  mit  Kinzelbesclircibungcn  cnilete.  Natürlich 
nuiisleii  die  beiden  andern  Nalmreiche  dem  Tierreiche  analog 
behandelt  werden.  Das  Pflanzenreich  machte  nicht  viel  Kopf- 
schmerzen, hatte  doch  JJnne  sämtliche  Pflanzen  so  hübsch  in 
24  Klassen  geteilt  Warum  sollte  man  von  dieser  leicht  faß- 
lichen Einteilung  abgehen?  —  Und  mit  dem  Mineralreiche 
wurde  mau  auch  bald  fertig.  Denn  da  man  denn  Inneres  nicht 
nach  aufsen  kehren  konnte,  so  begnügte  nuui  sich  mit  dem,  was 
aufscii  war  Man  hielt  sit  ins  Feuer,  legte  sie  ins  Wasser,  in 
(!en  Schnu  l/lici;«.  1.  i)cinerkte  bei  einigen  einen  «.igcnlinnlicheu 
Glanz  und  teilte  ^ie  flugs  ein  in  die  vier  K.la.s.scü:  Bronze, 
Metalle,  Krden  und  Steine,  Salze,  l  ud  diese  lünteilung  ist  von 
den  meisten  Verfassern  von  Leitfäden  für  den  Unterricht  in  der 
Mineralogie  bis  auf  den  heutigen  Tag  mit  der  gröfsten  Bdiarr* 
liclikcit  festgehalten  worden.  Auch  Definitionen  fand  man  für 
jede  dicker  Klassen,  die  lauge  Zeit  uls  richtig  gelten  konnten, 
die  aber  heute  augenblicklich  erkeiuu-n  In-^-^en,  weis  Geisteskind 
der  Autor  ist,  der  <ie  in  sein  Buch  auininnnt. 

Wenti  ich  nnn  lieute  gci^'cn  diese-  irrlii iuliche  und  durch  nichts 
autrcclil  zu  crhallciule  ICiiUeilung  der  .Mineralien  das  Wort  er- 
greife, so  wird  man  mir  wahrscheinlich  wieder  mit  der  Bemer- 
kung entgegentreten,  dafs  ich  die  Wissenschaft  und  nicht  die 
Bedürfnisse  der  Volksschule  im  Auge  habe.  Um  dieser  Be- 
merkung vorzubeugen,  frage  ich:  Ist  deini  ü!>erhaupt  eine  Ein- 
teilung dei  Mineralien  für  die  Volksschule  notwendig?  Nein! 
sage  ich.  Ja  ich  gehe  noch  weiter  luid  behaupte  sogar,  dafs  in 
der  \'olk.sschule  v(^n  Mineralogie  '<ar  nicht  die  Rede  .sein  darf 
-  so  lange  nandich  "d^r  Chetnii  noch  Thor  und  Thür  der 
Volkssclude  verschlossen  sin<l ;  denn  Mineralogie  ohne  Chemie 
ist  ein  Unding!  Hierin  wird  mir  jeder  Recht  geben,  der  in  das 
Wesen  der  Mineralien  eingedrungen  ist.  Denn  was  sind  denn 
Mineralien?  --  Ks  sind  von  der  Natur  produzierte  Chemi- 
kalien und  bieten  als  solche  thatsächlich  den  Stoff  für  de« 
l'nterricht  in  der  Chemie  -  sind  ohne  diese  Wissenschaft  nicht 
zu  verstehen. 


54 


l>r.  Kiclurd  !$tfkttlxi'. 


Tti  welch  innigem  Znsannnenhanj^e  die  Mineralien  mit  den 
Chemikalien  stehen,  /eis^l  '4:111/  besonders  der  rmstand,  dafs 
ersterc  wohl  in  den  nui^Uii  l-Tilkii  die  V'eratdassnnj;  zur  Her- 
stellnng  der  letzteren  gegel)en  haben.  Da  tlie  sehune  rote  Farbe 
des  Zinnobers  nicht  in  hinreichender  Menge  von  der  Natur  dar- 
geboten wird,  versuchte  man,  auf  künstlichem  Wege  eine  Ver- 
bindung von  Schwefel  und  Quecksilber  herbeizuführen,  und  es 
gelang.  Aus  ähnlichem  Ornnde  werden  jetzt  Bleiweifs.  lüseii- 
oxyd,  Kisen-  und  Knpferv  itriol.  Schwerspat  nnd  viele  andere 
Körper,  die  man  nlle  fcrlii^  i^ebildet  in  der  Xalnr  vorfindet,  auf 
knnstlichem  Wege  hergestellt,  tuid  man  krtniiti  sie  ganz  i^ut  ;iN 
Mineralien  bezeichnen,  wenn  nicht  ihre  ICntstchnngswci^e  dci 
Ik'deuUing  des  Wortes  Mineral  zuwiderliefe.  Auch  die  Behand- 
lung beider  im  Unterricht  kann  keine  andere  sein  als  eine  voll- 
ständig gleiche.  Vorkommen  (Darstellung  bei  den  Chemikalien), 
Eigenschaften,  Bestandteile,  Anwendung,  das  ist  es,  worauf  man 
bei  Mineralien  und  Chemikalien  sein  Augenmerk  zu  richten  hat. 
Ks  dürfte  hieraus  zur  (»enüge  erhellen.  <lafs  man  von  einem 
rnterrichte  in  der  Mineralnijie  nur  dann  spreclien  dnrf,  wenn 
die  Chemie  in  der   i^eiiimeiiden  Weise  Beriu  ksiclitigung  iindet. 

Will  ich  sonach  die  .Mineralogie  ans  allen  den  Schulen 
verbannt  wissen,  in  denen  man  nichts  von  Cliemie  erfährt,  so 
habe  ich  durchaus  nicht  über  die  Mineralien  den  Stab  gebrochen. 
Ks  würde  ganz  verkehrt  sein,  wollte  man  über  die  unorganische 
Natur,  über  deren  Wichtigkeit  gar  kein  Wort  zu  verlieren  ist 
gleichgültig  hinwegsehen.  Aber  man  treibe  in  den  zuletzt  erwähnten 
Schulen  nicht  Mineralogie,  sondern  Betrachtung  der  Mine- 
ralien. Man  behandle  nur  das.  was  oline  Kenntnis  derChenn'e 
verständlich  ist.  und  von  diesem  Slaudpunkte  aus  wird  mau 
sogar  auf  einer  \  erh;UtuiMiiäl"sig  frühen  Alter.sslule  tlie  Mineralien 
zum  Uuterrichl.^gegenstande  machen  können.  So  hat  vor  allen 
Dingen  die  Heimatkunde  die  in  der  Heimat  vorkommenden 
Steine  nicht  unberücksichtigt  zu  lassen,  und  wird  auch  auf 
besondere  Vorkommnisse  und  Varietäten  /n  achten  haben.  Der 
Harzbewohner  z.  B.  darf  sich  nicht  mit  dem  gewöhnlich  vor- 
kommenden Granit  l>efassen,  sondern  hat  auch  auf  den  roten 
Granit  des  Brockens,  den  (rrnnitit,  anfmerk^uin  /n  machen.  In 
TAil)zig  ist  der  Beiicliaer  Graiiiljxti ])]] vi  /w  crwäliiien  und  -^o 
fort.  Betrachtet  man  aber  die  Minerahen  nur  nach  ihren  pll^  ^i 
kaiischen  Eigen.schafteu,  so  ist  eine  luhteilung  derselben  rein 
unmöglich,  denn  jede  auf  dieser  Grundlage  aufgebaute  Klassi- 
fikation, wenn  man  bei  ihrer  Aufstellung  auch  noch  so  sorg- 
fältig zu  Werke  geht,  wird  falsch  und  ist  deshalb  nachteiliger, 
als  wenn  die  Mineralien  den  Kindern  ungeordnet  dargeboten 
werden. 

Sehen  wir  uns  einmal  die  alte  Einteilung  der  Mineralien, 


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Cber  Mtnmlonie  In  der  VnlksMhule. 


55 


wie  ich  sie  bis  jetzt  in  jedem  mir  zur  Receiision 
übersandten  Schulbuche  gefunden  habe,  näher  an. 

Von  <]en  Bronzen  heilst  es.  dafs  sie  in  Wasser  unlöslicli, 
im  Ktuer  verbrenn  bar  sind.  Jetzt  weils  mau»  dais  auch  Metalle 
verbrannt  werden  können. 

Die  Metalle  deiiniert  Sattler  in  HrauubcliweiK  und  andere 
als  Mineralien  von  meist  metallischem  Glauz,  hohem  Eigen- 
gewicht aber  geringer  Härte.  Sie  sind  in  Wasser  unlöslich,  im 
Feuer  nicht  verbrennbar*.  Man  begreift  nicht,  wie  ein  denkender 
Mann  so  etwas  schreiben  kann.  Hrden  un<l  Steine  sind  nach 
d^  alten  Ansicht  im  Wasser  unlöslicli  nicht  brennbar  und  nicht 
schmelzbar.  Wer  so  etwns  schreiben  knnn.  ninfs  voti  Kt;nptiv- 
gesteinen  gar  keine  Almuuu  haben.  Dafs  (Has  und  die  soge- 
natniten  (jinsflüsst  v;\-.sclinio]/A MiiRr  irK.n  sind,  scheinen  die 
Herren  SchnlbücJierlabrikanten  auch  nicht  /,u  wissen,  und  jeden- 
falls ist  ihnen  ganz  unbekannt,  dafs  man  heutzutage  durch 
grofse  Hitze  sogar  wirkliche  Rubine  und  Sapphire  darstellt. 
Vor  allen  Dingen  hätte  jeder  an  die  epochemachende  Entdeckung 
der  Dynamomaschine  denken  sollen,  die  imstande  ist,  einen 
Strom  von  solcher  Hitze  zu  erzeugen,  dais  Thonerde  geschmolzen 
und  elektroh  Sit  rt  werden  kann  zur  ( lewimunig  des  Ahnniniunis. 
Salze  werden  erklärt  als  Mint-ralien.  die  in  Wasser  löslich  .sind 
und  salzig  sehniecken.  Das  war  nur  so  lange  richtig,  als 
man  die  Mineralien  nur  äulsc-rhcli  kannte,  nur  auf  ihre  physi- 
kalischen Eigenschaften  hin  prüfte.  Jetzt  versteht  man  unter 
Salzen  Säuren,  deren  Wasserstoff  durch  ein  Metall  oder  einen 
metaUähnlicheu  Körper  substituiert  ist,  und  in  diesem  Sinne  sind 
sämtliche  Krdeii  und  Sttine  der  alten  Kinteilung  Salze,  l>ei- 
spielswei.se  Kreide,  (hi)s,  Schwersj)at.  Withorit.  Strontion,  Cölestin, 
Khifsspal.  Feldspat,  \TcI;uhit.  Kalkspnt,  Doleinil.  Magnesit. 
Weif.sbleierz,  ( irüubleierz.  Rotbleierz,  Blei  vitriol,  Turmaliu,  Topas, 
Olivin  u.  s.  w. 

Eine  Kinteihiiig  der  Mineralien  aber,  die  dem  heutigen 
Staudpunkte  der  Wissenschaft  vollständig  zuwiderlault,  nuifs 
unter  allen  rniständen  beseitigt  werden. 

Aber  aucii  dann,  wenn  die  Miner.dien  auch  nach  ihrem 
chemischen  Charakter  betrachtet  werden,  kommt  man  ohne  eine 
Einteilung  derselben  aus.  Wer  eine  solche  aber  f&r  notwendig 
oder  wenigstens  ffir  wünschenswert  hält,  der  teile  die  Mineralien 
in  folgende  sechs  Kla.ssen  ein: 

f.  Klasse:  Elemente. 

2.  Klasse:  Schwefel-  (Selen-,  Tellur-,  Arsen-,  Antimon-  und 

Wi  sni  ut-  jVerbindungen. 

3.  Klasse:  Oxyde. 

4.  Klasse:  Haloidsalze. 


^6  Dt.  Uicbard  tiehiilac 


5.  Klasse:  Sauerstoitsal/f. 

6.  Klasst; :  Or^aii  j  sehe  X'erbiuduiigen  uucl  dereu  Zersetzuugs- 

prodiiktc. 

Die  vielen  Cirdnungeii,  rcsp.  Gruppen,  in  welche  jede  dieser 
Klassen  noch  eingeteilt  werden  kann,  gehören  selbstverständlich 
auf  keinen  Fall  in  die  Volksschule. 

S  u  III  in  a :  Eine  Einteilung  der  Mineralien  ist  für  die  Volks- 
schule nicht  nötig,  wenn  aber  eine  solche  geboten  wird,  mufs 
sie  richtig  sein. 

Wie  schon  oben  erwälnU.  habe  ich  die  \craltelc  l'^uUcihins: 
der  Mineralien  in  sämtlichen  iA'itfäden  für  den  Unterricht  in 
der  Mineralogie  der  Volksschulen,  welche  mir  im  L,aute  der 
Zeit  zur  Recension  übersandt  wurden,  gefunden,  und  deshalb 
halte  ich  die  Veröffentlichung  dieser  wenigen  Zeilen  für  not- 
wendig. 

Leipzig.  Dr.  Rieh ard  Schulde. 


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Keuere  Bradieinung^n 

auf  dem  Gebiete  des  deutschen 
Sprac]iunterric]it8. 

Vom  Ncnrntgeber. 

1.  ^Sc•1l^iftell  sur  Methodik  de«  detiUchen  Uiiterrirht«. 

A.  Scheibihnber.  Der  Sprachunterricht  in  der  \  ülksschulc 
nach  dem  p.s\  cholt)gischen  Verlaufe  der  Sprachaneijniuii^. 
Straubing  1893,  Cl.  Attenkofer.    100  S.  0,80  M. 

H.  Meixner,  Wie  sind  die  Kinder  unserer  I«andschu1en  in 

den  (icbrauch  der  deutschen  Spr.u  lu   cin/uführen  und 

wie  ist  ilincn  derselbe  dauem  l    m  sii  hci  11  '  Jena  1S94.  Iv.  Mauke. 
Joh.  Nic'klas.  Methodische  Winkl  t  \i  r  den  deutschen  T'iUer- 

richt   nn    den   drei    unteren    Kl.isstn    höherer  J.,ehran.slalten. 

München  1S94.  i^indauersche  Uuchhandiung.    bS  S.    1,20  M. 

Wir  kommen  in  der  richtigen  Behandlung  des  deutschen  Unter- 
richts doch  weiter  —  das  war  der  Kindntck,  mit  dem  ich  nach  be- 
endigter Lektüre  die  obigen  Bücher  aus  der  Hand  legte.  Leider  darf 
ich  auf  die  in  denselben  nieder^^elegten  Onindsätze  hier  nicht  naher 
eingehen,  kann  mir  jedoch  niclit  versaufen,  aus  der  erst  genannten 
Schrift  foljfende  beherzigenswerte  (bedanken  niil/uteilen :  Wiesich 
aus  der  Betravhluiiu  de»^  ]>s\  choh>gischen  \'edaufes  der  Sjirach 
aneignung  ergicbl  \  ull/.ielit  sich  die  Aneignunir  der  Scliritlsprachc 
nicht  iui  eigentlichen  Sprach-,  sondern  im  übrigen  I  nterriclile.  also 
im  Sachunterrichte.  Unbewufst  prägen  sich  hier  der  Wortschatz  und 
die  Sprachfomien  ein.  und  je  eindringlicher  der  Sachunterricht  ist 
desto  grölser  ist  auch  der  (lef^*inn  für  die  sprachliche  Bildung.  Im 
SachuntLi  licht  findet  die  Art  wie  sich  <las  Kind  aufser  der  Schule 
und  wie  sicli  die  gesamte  Menschheit  die  Sprache  angeeignet  hat 
ihre  »latnrircmäfsc  F(Mtsit/imu.  nvdeni  aucli  hier  »Sache  und  \;uue. 
fiedanke  und  Salz  stets  lu  \  eibindung  auftreten  und  vom  Kinzclnen 
xum  Kin/elnen  geschritten  wird. 

Die  Reflexion  über  die  Sprache  beginnt  erst,  nachdem  im  An- 
schlüsse an  den  Sachunterricht  der  Aufsatxtext  festgestellt  worden 
ist.  Am  Aufsatx  werden  die  Sprach-  und  Rechtschreib- 
übungen vorgenommen,  und  aller  Sprachunterricht,  der 


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58 


losjje  trennt  vom  Aufsiit/.  tri  eilt  nird.  tsl  /.weck  los.  Die 
Wörter  lies  Aufsatzes  wenlen  im  l-.inzelnen  nach  ihrer  Abstammung. 
l''le.\i(>!i  und  Sohreibw « ist. .  die  Sätze  nach  ihrer  Konstruktion  und 
Interpunktion  l>e.s]»r<  k  um,  aber  nur  insoweit  dies  für  die  neblige 
schriftliche  Darstellung  notwendig  ist  Sodann  wird  das  Gleichartige 
in  den  Wörtern  und  Sätzen  im  Rahmen  des  vorher  aufgeführten 
Lehrstoffplanes  ztisammengestellt.  um  dem  im  Kind«  bereits  vorhan< 
denen  Sinn  für  Analogie  der  Formen  eiitu<^  :^enziikommen.  Endlich 
werden  hieraus  die  notwendij^^en  Kejjeln  al)Releilet. 

HeziV-^Uch  der  Kemlii  hiite  man  sich  vor  zweierlei  Tänsolninj^cn. 
Man  ^laul)e  nicht,  dais  (la*--  Kind  «liese  in  der  i'Olge  richtijr  anwen- 
den werde,  wenn  es  dieselben  viialsl  hat.  Dies  ist  ledijjflich  Sache 
der  Cicwöhnung.  Wie  sich  die  genaue  Kenntnis  aller  Moralj^eseize 
ganz  gut  mit  einem  unmoralischen  Lebenswandel  verträgt,  so  ersieht 
sich  ans  dem  Verständnis  einer  Sprachregel  noch  keineswegs  deren 
Befolgung. 

l'erner  betriij^e  man  sich  nicht  in  tkr  Meinung,  dals  das  Kind 
die  Sprachformen  direkt  nach  der  Kegel  bilden  un<l  die  Wörter  hier- 
nach schreiben  werde  Die  I'>fahrung  lehrt  etwas  ganz  aiuU res.  Das 
Kind  wen  d  e  l  n  i  e  Ii  l  e  i  n  e  a  1 1  gein  ein  e  K  egel  au  f  d  en  c  i  n  /ein  en 
F a  1 1  a  n  ,  so n  d  e r  n  es  b i  1  d  e i  i  ni  ni er,  b e  w u  Is t  od  v r  n  n  b e  w  u  is l, 
—  m  e  eh  an  isch  die  u  eu  e  Sprachersch  ei  n  u  ng  ein  cm  iili  nlicli  en 
Beispielenach.  Die  Musterbeispiele  haben  folglich  ihren 
Hauptwert  nicht  für  die  «Entwickelung  ,  sondern  für  die 
Anwendung  derKegeln.  Falsch  ist  es  daher,  beispielsw^eise  bei  dem 
Satze:  Der  .Star  konnte  nnt  seinem  ktirzen  Schnabel  das  Wasser 
in  der  Flasche  nicht  erreichen  den  Schüler  nur  auf  die  früher  be- 
hatulelte  Sprachregel  hinzuweisen,  dafs  nach  dem  Worte  mit  stets 
der  III  !*all  stehe,  liier  mü.ssen  vielmehr  dem  Kinde  ahnbclu  l^ei- 
.spiele  aus  dem  früheren  l  uterrichte  ins  (iedächtnis  gerufen  werden 
/..  B.  (ftäser  und  Kräuter  schmücken  die  falben  Wiesen  mit  frischem 
Grün.  Die  neue  Form  mit  seinem  Schnabel*  bildet  sodann  der 
Schüler  der  bereits  bekannten  Form  ^mit  frischem  Orün  ohne  be- 
sondere Mühe  nach.  Die  Hauptsache  besteht  eben  nicht 
darin,  dafs  alle  notwendigen  Kegeln  möglichst  fest  nach 
ihrem  Wortlaute  dem  (iedächtn  isse  einj^reprägt  werden, 
sondern  darin,  dafs  sieh  für  alle  tnöglichen  I'.älle  fort- 
laufende keilien  von  .Musterbeispielen  im  (leiste  des  Kin- 
des ansammeln,  die  ihm  jeden  .\ugenbiiek  zur  Repro- 
duktion bereitstehen  und  es  in  den  Stau  d  setzen,  das  Neue 
sofort  nach  dem  bekannten  Ähnlichen  zu  beurteilen  und 
zu  behandeln.  Bei  der  Vorbereitung  des  Aufsatzes  müssen  dem- 
nach alle  Fälle,  wo  Fehler  zu  vermuten  sind,  mit  den  Keihen  ähn- 
licher Heispiele  ans  dem  früheren  T'nterrichte  in  \  erbindi\ng  gesetzt 
und  in  diesem  Zusammenhange  geübt  werden.  Dieser  allseitigen 
\  orbereitung  folgt  die  Niederschrift  des  Aufsatzes. 


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59 


2.  Handbücher  für  den  AnscliaanngHonterricht. 

iiwtrg  Starm,  Hauptlehrer  in  Karlsruhe,  I^ektionen  für  den  An- 

sohauunu^s  I  nterricht  im  ersten  und  zweiten  Schuljahre. 
Methodisch  bearbeitet.   2,  Auflage.   Karlsruhe  1893.  (>.  Braun. 

2.6t»  M. 

•I*  Lutwitzi,  Lehrerin  Rln  iti/ibcrti.  H  andbüchlein  für  den  An- 
srh  an un  sr*^ -  ^' t«  terri  ch t  m  der  I.  und  II.  Klasse.  3.  Auflage. 

Kai<'Tslault.-ni  i.S()3.  J.  J.  Tasoher.    SS  S. 

Dr.  C.  K<'hr.  D^i  A  nschau  u  n  *f  s- U  n  t  <.  r  ri  ^  h  t  iür  Haus  und 
Sciuile  auf  (irurdlajfe  der  Hev-SpekU isclien  I'abehi  im  An- 
•schlufs  an  \V.  l'feiffcrs  Wandbilder.  4.  Auflage,  bearbeitet  von 
A.  Kleinschmidt.  Seminarlehrer  in  Benshdm.  Oothn  iSc;  ).  Fr. 
Andr.  Perthes.    190  S. 

In  ausgeführten  Lektionen,  die  den  praktischen  Schulmann  er- 
kennen lassen,  behandelt  das  erste  Büchlein  diejenigen  Stoffe  aus 

der  T'nij^ebun^'^  des  Kindes,  welche  :i  --Iben  nahe  liejj^en  :  die 
Schul-  und  ^^^'^lI^sl^llK .  ili.  Mutler  in  do  Küche,  der  Wirtschaftshof. 
Dorf  und  St.idl.  dtr  (iarteii  di^  Hestellunj^  des  I'eldes.  der  Wald, 
die  Obsteinte.  Luft.  Wind  \nul  Wetter,  das  Wasser  und  der  Winter 
galicn  die  l'nterlagen  für  die  He.sprechungen,  die  im  kindlichen 
Tone  gehalten  sind  und  dem  jün^aren  Kollegen  schätzenswerte  Hand- 
reichungen für  diesen  immerhin  nicht  leichten  l^nterricht  bieten.  — 
Auch  der  Verf.  des  zweiten  Büchleins  hat  sich  bestrebt,  den  Stoff 
der  Besprechungen  nach  Inhalt  und  Form  der  kindlichen  I'assunj^s- 
kraft  an/up:issen.  Charakteristisch  für  sein  Ihich  ist.  dafs  die  Haupt- 
sät/.e  jecier  Lektion  durch  den  Druck  besonders  hervorjjeh(»ben 
sind,  die  dann  durch  kurze  Sticbwoite  anjjerej^t  am  Schlüsse 
von  allen  »Schülern  /usammenhän;^end  wiederjfejjeben  be/.w.  nietler- 
gcücliricbcn  werden  und  so  die  Grundlage  für  den  späteren  Auf- 
satzunterricht bilden.  —  Das  Buch  von  Kehr  ist  in  der  deutschen 
Lehrerwelt  bekannt.  Der  neue  Bearbeiter  hat  an  der  Art  der  Be- 
handlung nichts  geändert  und  die  Anleitung  zu  der  Besprechung; 
der  drei  neu  erschienenen  Hilder  Schwan,  Mäuschen  und  Vögel  und 
Knie    möj^lichst  in  Kehrs  (fcist  j^ej^eben 

L.  F.  Göckelbecker,  Lehrer.  Lehrlusl.  b;in  l'ührer  durch  den  Tuter- 
richt  im  ersten   Schuljahre.    Im   .\nschbus  an  des  Wrfa.ssers 
F.erTilüsl    (Cotueniusfibel I.  I  Teil:  im  Frühling.  Kurlsruhe  »Sy^. 
<>llo  Xcniiiitii.  S.     i.S<»  M. 

Wir  fuhren   tlas  Ihicli   an   dieser  Stellt-  da   v<  ifi  seiiieni 

Hauptteile  nach  dem  «lange  des  Anschauuiigsunlen  leiiLes  geoi<luete 
rnterrichtsproben  enthält,  von  denen  wir  nicht  itwcifeln,  dafs  sie  das 
Interesse  der  Kinder  voll  und  ganx  in  Anspruch  nehmen  werden  ; 
die  ersten  100  Seiten  enthalten  im  wesentlichen  eine  Anleitung  zur 
Hehandlung  der  Comeninsfibel,  die  das  Buch  für  den.  w^elcher  diese 
I'il>el  im  rnterrichte  benutzt,  sehr  wertvoll  macht. 


8.  Fibellittemtnr. 

<r.  K.  Kriiscbe,  Lösnnfi  der  Fibelfragt-  durch  Krst<:s  Schulbuch 
für  den  g-esamtcn  I  nterrichl  im  i.  Schuljahre  .  js^n.  HiobftbeK 

Selhstverlaji,  rtiuerirli  h.  Dresden. 

Der  \*erf.  ^hiubl  durch  seine  Hiobtihil  iso  genannt,  weil  sie 
mit  dem  Hilde  des  leidenden  Iliob  und  der  »Silbe  Hi  beKinnli  die 
FibeUraf;e  gelost  äu  haben.  Kr  hat  nach  seinen  Worten  die  l  ibel 
tt.  a.  bearbeitet:  ii  unter  Anlehnung  an  die  bishertf^e  Normal wort- 
inethodc,  weit  diese  dem  wichtigsten  rnterrichtsniomenti'.  der  Weckung^ 
des  Interesses,  die  meiste  lU  achtunj;  schenkt  und  weil  sie  die  Laute 
resp.  Huchstaben  als  Hestan<lteile  eines  bekaunlen  (  inn/i  :i  am  deut- 
lich.->ten  erkennen  lafsl ;  21  »lurch  lünführuni;  der  bisher  \  ernacli 
lässigteu,  aber  durchaus  notwendigen  i  inhuitüchen  Sillienbilduni: 
unter  /ugrundeleguni!  der  Normalsilbtii  \\»>ilutch  nicht  M"i>  tlu- 
Analyse,  sonilern  auch  die  vS\nlhese  angebahni  wird;  31  durch  AuC- 
stellung  eines  dieSchreibschwierigkeit  vermindernden,  das  Phonetische 
berücksichtigenden,  stufen mäfeig  -  methodischen  Aufliaues,  um  bei 
gleichzeitiger  Beachtung  der  anderen  Momente  Selbstthättgkeit  und 
Selbständigkeit  /.u  wecken;  4;  durch  Heriicksichtigung  der  dem  Lesen 
gebfihrenden  \  oranstellung  unter  Hinweis  auf  den  (irundsatz:  \'oni 
Leichteren  /um  Schwereren!  Das  lUich  ist  /u  vrebrauchen ;  eine 
LösuTii:  (Ur  l'"ibelfrage    brinirt       allerdings  niclit. 

W.  Daitj^ei't.  l'ibel  für  den  ersten  Sprech  .  I.csi    und  Schreib 
Unterricht.    Nach  den  ( irundsat/en  der  l'honetik.  Frankfurt 

;r  "M.  iSt)],        Diestei  \\ e.y.    120  S. 

L.  ¥.  (MK  keihetker.  Lernlust,    lüne  LOnieniustibei.     lür  <Uu  zeit 
gemäls  vereitngUn  S.ücli-.  Si)rach    und  Schreibunteniehl  nach 
einem  volhttändigen  Lehrgang  der  kombinierten   Laut-  und 
Normahvortmethode.  3.  Aufl.  Karlsruhe,  O.  Nemnich.  H4.  0,50  M. 

H.  Feehaer,  Deutsche  Schreiblese fi bei  nach  der  analytisch- 
synthetischen  Lehrmethode.  49.  Aufl.  Berlin  1S95.  Wiegandt  u. 
(irieben.    152  S. 

Schulse,  Rektor  in  (Xsterburg,  u.  Jiggel,  Lehrer  in  Krumke,  Des 
Kindes  erstes  Schulbuch.   (;otha  18^3.  C.  F.  Thieuemann. 

78  u.  62  S. 

Mttller.  Völker,  Funk,  De\ilche  Schreiblcsef  ibcl.  17.  Aufl.  (iiefsen. 

Lniil  Koth    mS  S   i),4<)  NL 
V.  Lölt'ler,    Deutsche    X  or  tu  al  f  i  b<l    t\arb    dtr   WOrllatnu  r  unil 

Schreiblesemcthode  und  dem  einiachslen  nalurgemaisesten  Lnter- 

richtsgange  bearbeitet  Osterwieck  1S94.  .V.  W.  Zickfeldt 
H.  Glintlier}  Deutsches  Lesebuch  für  mehrklassigc  evangelische 

Volksschulen,  i.  Teil.  Unterabteilung  der  rnterstufe.  Osterwieck 

a  Harz,  A.  W.  Zickfeldt 

\V.  Dangert  verlangt,  dais  die  Lautschulung,  die  heute  im 
fremdsprachlichen  l'nterrichte  ja  eine  grofec  Rolle  spielt  schon  im 


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K*a*n>  firaehptoiuifeii  uf  dem  OeblHr  im  ^»wrfhru  Api«clMHil«frtclitt. 

...  —  .  ,  ,. 


Rleinentarunterriolit  \ht\  \  Anfanp  nehme.  Hinfühnmu  der  T.aute 
nicht  nach  ihrer  Schrei! -srliwierig^keit.  sondern  nach  dem  (Irade 
der  Schwieri^jkeil  ihrer  .\utfas.snn.ir  durv  h  das  Ohr.  ihrer  <;prachlichen 
Her\nH<nnifun^.  ihrer  \"erl)indharkeit  mit  andt-rn  I.atiten  —  scharfe 
r  lUersolu  Khm^  der  Stimmhaften  nnd  Stimmlosen  *rrennun«r  der 
llauptfunküon  der  Lante  von  tkn  Nchenfunktionen  stetige  Ik- 
tonuni;  der  orthoepischen  und  orthogra[)hischen  Wechselwirkung  - 
Vermeidung  der  kleing^escbriebenen  Snbstantiva:  das  sind  diejinind- 
legeuden  (bedanken,  die  dem  Verf.  bei  der  Bearbeitung  seiner  Fibel 
malsuehend  uevvcsun  .sind.  (i öek elhec  k  ers  I.ernhist  ist  eine 
nach  (kn  rrin/ij^ien  des  vereinij^teii  Sach-.  Sprach-  und  Schreibnnter- 
richts  Sehr  j^csehiekt  ahj^efalstc  I'ihel.  Nach  (knselben  ( irundsätzen 
iM  bekannthoh  auch  (he  wt-itvcrhreitete  Fihfl  I"echners  nnjjck'jit, 
waliretid  die  fol*^en(k'Ji  Schritten  <ier  Schre^l»le^cJlletho<k•  huhhgen. 

4.  Lesebttcher. 

I>r.  Rob.  Kfitlis,  ]>irektor.  Dr.  K.  W.  Meyer.  Direktor,  und  Dr.  Ath. 
SchiiMter,  Direktor.*  Deutsches  Lesebuch  für  Vorschulen 

höherer  Lehranstalten,  i.  Teil:  I-ür  die  3.  n.  2.  Vorklasse. 
4  Aufl.  201  S.  2.  Teil;  iMir  die  cnstc  Vorkla.<;se.  4.  .\ufl. 
i>S  S.    llanni>\cr  i,S<^i;t)2.  llelwiny. 

- .  -  .  Deutsches  I,es<l>nch  für  höhere  Lehranstalten; 
nacii  den  neueJi  Lehrphinen  hearheitct  von  Dr.  .V.  Schuster, 
Direktor,  W,  Fischer,  Prof..  und  II.  Schäfer,  Prof.  i.  Teil: 
Sexta.  7.  Aufl.-  242  S.  —  2.  Teil:  Quinta.  6.  Aufl.  23«  S.  — 
.1.  Teil :  Quarta.  6.  Aufl.  262  S.  —  4.  Teil :  rntertertia.  265  S. 
5.  Teil:  Obertertia.    240  S.    Hannover  1S93/94,  Helwiny. 

Dr.  P.  Hellwtg:,  ( HK-rlehrer.  Dr  P.  Hirt,  Oberlehrer.  Dr  N.  SierniHl. 
Prof..  Deutsche^  L^  sehuch  für  höhere  Schulen,  i.  Teil: 
Sc\t:i.  v>i»S.  -  2.  I  cil:  Ouinta  ;r6S.  3.  Teil :  yuarta.  312  S. 
-  4   Teil:  Tertia.    4(m»  S.    Drtxlcu  iSo.v  L  Khknnann. 

Ii.  Kletko  und  IL  Soliald,  Lesebuch  i u  r  höhet  c  M  äd ch e n se Ii  u  1  e n 
mit  Berücksichti^Min^  des  rnterrichts  in  der  Litteraturgeschichte. 
8.  Aufl.  von  Dr.  h.  H.  Fischer.  Alten  bürg  1894,  Pierer.  594  S. 
4  M. 

K.  Helnemann  und  A.  Schröder,  Urstes  Lesebuch.    Ausj^abe  .\ 
Teil  II:  Zweites  Schuljahr.  160  S.  -     .\usjrabe  H:  Zweites  Schul- 
jahr be/Av.  /weite  Lese.ibteilun.tr.    2.  Aufl.  122  S.       .\us;4abe  C: 
Zweites  vSchnliahr    im  S     Lan<fensal/.a  1^93,  lk\er  u.  Söhne. 

W.  Bartholomiiiis.  RLkt.  t,  und  Aug.  He!n«*rke,  Hau]>tlehrer.  Lese- 
buch für  mein  kl  assi  <i  e  evau  j;elisehe  \olksschulen. 
I.Teil:  Mittelstufe.  43H  S.  geb.  i  M.  —  2.  Teil:  Oberstufe, 
438  S.   f,20  M.  geb.   Kssen,  G.  D.  Bädeker. 

Deutsches  Lesebuch  für  mehrklassige  Schulen.  In  vier  Stufen 
herausgej^eben  von  einer  Kommission  der  Schuldirektoren  J*eip- 
jtilP» !  Reimer,  K.  Richter,  Dr.  Sachse«      •bffefctÜR.  Aug.  Thomas, 

r 

"  '  •  Digitized  by  Google 


62  Johcnnc«  Uffrr. 


Dr.  Zimnicnnann     \.  Stufe.  192  S.  jifeb.  75  Pf.  —  2.  Slufc.  .^20  S. 
1.25  M.  geb.      ,v  Stufe,  y^b  S.  1.30  AI.  geb.  ~  4.  .Stufe,  400  S. 
1,60  M   jrel).    I.eip/.ig.  Dürr. 
Deutsche  J  ugend.    Lesebuch  für  Hür«jerschuleii.    i.  Teil:  Zweites 
Schuljahr.  2.  Aufl.  152  S.  —  2.  Teil :  Drittes  Schuljahr.  176  S.  - 
Teil:'  Viertes  Schuljahr.  18;  S.  —  4.  Teil:  Fünftes  Schuljahr. 
223  S.  —  5.  Teil :  Sechstes  bis  achtes  Schuljahr.  376  S.  —  6.  Teil : 
Siebentes  und  achtes  Schuljahr.  372  S.   Brauuschwetg  1894  95. 
Hasserburg. 

J.  Sclianzp,  Rektor,  und  W.  iSclianze,  Mittelsclntllehrer.  I.eselnich 
für  .städtische  und  gewerblirhc  1- Ortbildungsschulen. 
3.  XvlÜ.    Wittenberg  1893,  R.  Herro.se.   44iS  S. 

ft.  Klassiker-Aasgaben. 

Dr.  6.  Bornliak,  Teubners  Sammlung  deutscher  Dicht-  und 
Schriftwerke  fiir  höhere  Mädchenschulen.  23.  Bändchen: 
Die  bezauberte  Rose  von  Emst  Schulze.  Herausgegeben  von 
Dr.  G.  Bcrnhall.  60  S.  geb.  60  Pf.  —  27.  Bändchen:  Dichtung 
und  Wahrheit  von  (ioethe.  Heraxi.sgefjebi  n  von  GusL  Hofmei.ster. 
20T  S  ii-eb.  j  M.  —  7.  Händchen  :  Klopstocks  Mes.sias  und  Öden 
in  .Auswahl.  Herausgegeben  vou  Dr.  K.Städler.  111  S.  geb. 0,80 M. 
Leipzig,  Teubner. 

Schön  in  j4hs  Au.sgaben  deutscher  Kla.ssiker  mit  KiMnuieiitar.  2<i.  Hand: 
Lessings  hambuiKische  Dramaturgie.  Herausgegeben  von  Dr. 
J.  Buschmann.  272  S.  i»6o  M.  —  22.  Band:  Zrinj-,  Ein  Trauer- 
spiel in  fünf  Aufzügen.  Flerausgegeben  von  Dr.  J.  Dahmen. 
140  S.  —  21.  Band ;  .\us  meinem  Leben.  Dichtung  und  Wahr- 
heit. Herau.sgegeben  von  Dr.  Dahmen.  174  S.  Paderborn  1K94/95. 
Fcrd.  Scliöniiigh. 

1  )r.  J.  Wyc'Iigrani ,  \'  e  1  h  a  u  e  n  \j  n  d  Kl  a  s  i  n  s  S  a  ni  m  l  n  n  g 
deutscher  Schulausgaben.  21.  I.ief  :  Wilhelm  Teil  von 
Schiller.  Herau.sgcgeben  von  Prof.  Dr.  A.  Thorbecke.  i(k)S.  gel). 
60  Pf.  •  12.  Lief,:  Minna  von  Bamhelm  von  I.,cs.sing.  Heraus- 
gegeben von  Prof.  l>r.  Thorbecke.  126  S.  geh.  50  Pf.  ^  4.  Lief.: 
(roethes  («edichte.  :\uswahi.  Heransgegeben  von  Dr.  R.  Franz. 
190  S.  75  Pf.  -  26.  Kicf. :  Julius  Cäsar  von  Shakespeare.  Heraus- 
gegeben von  l^r.  K.  v.  Salhviirck.  112  S.  i\-;o  M»  -  (^'k  Lief.: 
Hotiu  rs  Odyssee,  im  Ans/n'^^  ]v.  der  l'l)er.'<et/.ung  von  J .  H.  \  ofs. 
H>(>  S.  }ieb.  c>o  l'f.  —  42.  Liel. :  Da.s  deutsche  \'olkslicfl.  .Auswahl. 
Herausgegeben  von  Dr.  K.  Matthias.  142  S.  7;  Pf.  -  ;'>5.  I.icf. : 
Kleinere  rro.saschriften  von  (loethe.  Herausgegel)en  von  Dr.  W  . 
Nöldecke.  112  S.  0.60  M.  --  15.  Uef.:  Das  Nibelungenlied  im 
Auszuge.  Herausgegeben  von  Dr.  G.  I.,egerlotz.  142  S.  0,80  M. 
—  50.  Lief.:  Deutsche  Prosa.  .\usgewählt  von  Dr.  J.  Wychgram. 
I.  Teil:  Rednerische  Pro.sa.  156  S.  0.75  M.  —  59.  Lief.:  Cid  von 
Herder,    II  erausgegeben  von  Dr.  K.  (iroth.   97  S.   0.50  M.  — 


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T,T,.  Lief. :  Goethes  I.eben  und  \^'c  rke.    Von  Dr.  K.  Meinemanii. 
130  S.  o/xi  ^^.  —  !.  Lief.:   lUr-.iuinn  ihkI  Dorothea  von  (iocthe. 
Heran S}i:ej^eben  von  Dr.  ].  \\  ycli^rani.  72  S.  0.50  M.  —  Mittel- 
hochdeutsches Lesebuch,    i leraustjef^eben  von  Dr.  (i.  I.egerlotz. 
13  j  S.  o.yo  M.   Bielefeld  und  Leipzig,  Velhagen  u.  Klastng. 
I>r.  Beinh.  Knttnert  Homers  Ilias.  übersetzt  \'on  J.  H.  Vofs.  Für 
Schule  und  Haus  bearbeitet  vou  Dr.  Bcmh.  Kuttner.  Frank- 
furt a.  M.  1896.  Sauerländer.    216  S.  ia:eb.    1.50  M. 
A u  ,s   d  e  r  d  e u  t  s  o  h  e  n    I,  i  1 1  e  r  a  t  u  r.    Für  die  deutsche  J ugend, 
Hand  i  :  Meisti  rw  t  rke  dt-nlsrlK-r  ]>i(  htun;^.  5!n  S.  j^feb.  3  M.  — 
Hand  ?•  llr/ählunKcn  und  Lehcii>lü'!er.    43S  S.    jjeb.  3  M. 
Die  K.c»nkienz  der  Leipzij^er  SchulUircktoren,  die  sich  alljährlich 
vor  die  Aufgabe  gestellt  sah.  l'rüniien  zur  Verteilung  an  die  Schüler 
und   Schülerinnen   auszuwählen   (namentlich  am  Sedantage  sind 
tausend  Schüler  Bücher  zur  Rrinnerunj?  an  diesen  Ta^  zu  ver- 
teilen), entschtofs  sich,  aus  der  deutschen  Litteratur  selbst  eine  Aus- 
wahl zu  treffen,  die  zu  solchem  Zwecke  ^ich  besonders  eignete.  So 
ent.Htanden  die  beiden  vorliegenden  Hände,  die  auch  äufserlieh  vor- 
trefflich ausy^estattet  sind  und  das  stattliche  ( lewnnd  trai^^cn   das  sich 
für  rrainienbiu  her  schickt.    Der  t  rst<-  Hatul  c  lUhält  (iocUus  Her- 
uiann  und  Dorothea  .  sowie  sechs  Dr.ijnen:  Götz  von  Herluhingen, 
Teil,  VV'allen.stein  I— III»  Minna  von  Harnhelm.  l>afs  mit  dieser  Aus- 
wahl wirklich  Mei.sterwerke  der  deutschen  Dichtung  getroffen  sind, 
die  vor  allem  deutschen  Kindern  bekannt  sein  sollen,  wird  man  zu- 
geben.  Eine  ganz  eigenartige  I<eistung  i.st  der  zweite  Band.  Aus 
ihm  leuchten  besonders  zwei  Be.strel)ungen  hervor:   erstens  eine  ge- 
sunde N'olksjuoral  zu  fördern  und  dann  eine  echt  deutsche  (.esinnung 
zu  pflegen.  Dabei  ist  die  Axiswahl  der  Kr/ähbinL^en.  tTamcntbcli  aber 
:iuch  die  der  Lebeiisiiilder  so  i; Llr«tffen.  daJs  iiisliLsoiitlere  das  Interesse 
tler  Jugend  erregt  wird  u>i<i  dals  die  hier  geboienen  Muster  für  (le- 
sinnung  und  Lebensführung  zum  Teil  in  die  Jugendzeit  deutscher 
Männer  und  Frauen  führen.   Auch  darauf  ist  gebührend  Rücksicht 
genommen,  dafs  eben.sowohl  Knaben  wie  Mädchen  in  dem  Buche  An- 
regung und  Mu.ster  zur  N'acheiferung  finden.    Als  Prämienbüchcr, 
wie  auch  für  Schüler-  und  Volksbibliotheken  können  wir  die  beiden 
Bände  bestens  empfehlen. 

(Fortsetzung  folgt.) 


jC«ae  BBther  und  Aufalix«. 


Neue  Biiclier  tmd  Aufsätze. 


ai  Bücher. 

Arendt.  Prof. Dr. Rwd.,  Didak- 
tik und  ^^ethodik  des  Cheinii- 
l^nterrichts.  (74  .S.»  München.  C,  Ii. 

Heck.    I.So  M. 

Gicfsler,  Dr.  Carl  Max,  Über 

die  \'orjjänge  bei  der  Erinnerunif 
an  Absichten.  Kine  psvcholoj^ische 
Studie.  (32  S.)  Halle.  C.  A. 
Kämmerer  u.  Co.  0,60  M. 

«irefsler.  J..   ».ktor,  liildun;.;s 
ziele  der  X'olkssclnik*  in  Rücksicht 
um  die  l-orderuiigen  tlcr  Gegen- 
wart. (40  S.)  Wiesbaden,  K.Behrend. 

o,6f  i  M. 

( i  ii  n  th  c  r,  Siegm.  u.  Alfr.  K  i  r  c  h- 
hoff,  Profi,  DD.,  Didaktik  und 
Methodik  des  ('icographieunter- 
richts.  (44  u.  67  S.i  München, 
C.  H.  Beck.   3  M. 

Kocb.  Hmil,  Tiaa  Bewnfstsein 

der  Transccndenz  oder  der  Wirk- 
lichkeit. Kin  psychologischer  \'er- 
such.  (VIII,  127  S.)  Halle.  .M. 
Niemeyer.   3  M. 

T.i'ew.  i:.  .lIsj.viuii -i»roi.,  Dr.  ICt  tist. 
iiidaktik  und  Methodik  des  l  nter- 
richtsin  Naturbeschreibung.  lySS.) 
München,  C.  H.  Beck.  2,20  M. 

Onnnerborn.  m-kt.,  C,  Beden 
tung  und  Ausgestaltung  der  Vavi 
Ijildungsschule  in   un.serer  Zeil. 
Ö2  S.)  Mainz,  J.  Kirctiheim.  0,50  M. 

Rol'sbach,  Dr.  Die  Berück- 
sichtigung der  KiiUnrgcschichte 
im  (ieschicht.suntcrricht.  (15  .S.j 
Neuwied.  Heuser.   0,30  M. 

Schäppi,  s«t.-K«t,  J.,  Die  Or- 
ganisation des  lians\sirt'^cli:ift- 
lichen  und  bcrutlichen  l  nUn  ielils 
in  unsvi  i  n  Mä<lchenschulen.  {70S.J 
Zürich.  Iv  Speidel.    i  M. 

Schenkendorfl.  \»,-.  .rin  ,  1*"  v 
Die.Vusgestaltung  der  \  Olk.sschulc 
nach  den  Bedürfnissen  derdegen 
wart.  (21  8.)  (iörlity.,  J  \V.  Sattig. 
0,40  M. 


bj  Aufsätze. 

Aniehingk.  W..  Der  franzö- 
sische I  nterricht  in  der  acht- 
stufigen Mittelschule  (Mittelsch. 
u.  höh.  Mädchenschule  21.  22.) 
Halle  a.;S..  Schrödel. 

Budde,  rixi  das  Charakte- 
ristische der  Lutze  sehen  Philo- 
sophie, speziell  der  l\s\  chologie. 
(Rhein  Hlätter  f.  Krz.  11.  Tut  5.) 
I'rankturi  a.;M..  Diesterweg. 

Ivckhardt.  Die  l  nigestaltung 
der  Bildungs/.iele  nach  den  For- 
derungen der tiegen wart,  (.\llgeni. 
Schuli)latt  29—32.)  Wiesbaden. 
Becfatold  n.  Co.  • 

l\rnst.  A  ,    l^ic  HaushaUntißs 
kuudc  in  der  mittleren  u.  höheren 
Mädchenschule  (Mtttetsch.u.hdh. 
.Mädchen.sch.  19.  20.)  Halle  a./8.. 
Schrödel. 

Fack,  M..  Zahlen  u.  Rechnen. 
Kine  Studie.  <Zeitschr.  f.  Philosoph, 
u.  Pädagogik  4.  5.)  I«anKen.sajza, 
Beyer  u.  Söhne. 

Koch,  Karl.  Stellung  und  Ver- 
wertung des  Alten  Testaments  im 
christlichen  Religionsunterricht. 
(Padag.  Zeilung  46.  47.)  Berlin, 
W.  II  S.  Löwen thal. 

Mackeprank,     1'.,     Die  Be 
deutung  der  deutschen  Sage  für 
Erziehung- und  rnterricht  (Schul- 
!)latt  der  Pi<>\    Sachsen  39.  40.) 
Quedlinburg.  Huch. 

Thrändorf.  Dr.  l"  .  Allgemeine 
Ilumanitätsschule  o.  Konfessions- 
schule. iZeitschr.  f.  Philoso})hie  u. 
l'ädagogik  4.  5.1  Langen.sal/.a. 
Rever  u.  Sohne. 

\\'ulck()W.  Dr.,  iKi  Lrlu^l.^f 
und  das  Leben.  »Rhein.  Bl.  f.  Krz. 
u,  Unterr.  5.)  Frankfurt  a.  M.. 
Diesterweg. 

\  N  ,  DieStellungderProplu  Un 
im  Lchiplane  des  evangelischen 
R  el  i  gi  on  SU n terrichts.  ( .'Mlgeraeine 
•kutsche  I.ehrerztg.  46—4**.)  Leip- 
zig, Klinkhardt. 


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Neue  Bahnen. 

Monatsschrift  für  Haus-,  Schul-  und  Gesellschafts-Erziehung. 
Heft  2.  Fel^uar  1R96.  ^I.  Jahr«. 

Adam  Smitlis  pädagogisclie  An- 
sicliten  und  Kritik  derselben. 

Von  Or.  Pavl  Bergemaiw  in  Jena. 

(i"oii.scty.uni{.( 

Zweites  Kapitel. 

Die  Öffentliche  oder  Scliul-Erxiehung. 

Bei  der  I^traclituug  dieser  Seite  des  Erziehuu^swesens 
legt  Smith  den  Hatiptuachdnick  auf  die  Krörteritng  der  organi- 
satorischen Fraj^Lir.  diese  müssen  daher  auch  im  Vorder- 
l^runde  meiner  jetzi.ucn  Iksprccluin.i^  stehen,  um  so  mehr, 
d;i  ^^'^erade  iji  unserer  Zeit  wieder  derarti«;en  Problemen  ein 
]e))liattes  Interesse  ent<;e<(en.J4el)raelU  wird,  lu'st  in  zweiter 
Linie  konnnt  dann  die  Fra^^e  uacli  tler  Crestallunj^  de.s  Unter- 
richtes in  Üet rächt. 

Krster  Absclinitt. 
ErBrtftruiig  allgemeiner  Frafeit. 

Zweierlei  Unterrieh ts-Sphärcn  sind  zu  unterscheiden:  eine 
höhere  und  eine  niedere,  die  der  Gelehrten-  (und  der  Hoch-) 
Schulen  einer-  und  diejenige  der  Volksschulen  anderseits.  Die 

mannigfachen  Überj^Mnj^sformen  zwischen  dieser  und  jener, 
welche  die  Ik'dnrfnisse  der  neueren  Zeit  tlie  unaufhaltsam 
fortsclnx'itt  Ilde  herufürhe  S[H'7inli*^icr!iiii^  und  die  (^^t  frei- 
lieh liht  ri:  1)L  ne  Wertschälzmi«;  des  Details  im  Wissen 
und  Kr.iHjcn  iür  die  Herufsarbeit  hervorj^ebracht  liaben,  ^ind 
Snütii  noch  unbekannt,  ein  Umstand,  der  seine  Hruä^uu.^en 
bedeutend  vereinfachte,  Ferner:  ein  moderner  päd a «logischer 
Schriftsteller,  der  über  das  Schulwesen  im  allgemeinen  schreibt, 
mufs  stets  auch  die  für  die  Mädchen bildung  bestehenden 
oder  zu  treffenden  Veranstaltunj;en  eingehend  berücksich- 
tigen und  besprechen.  Ik-i  Smith  finden  wir  diesen  Ptuikt 
mit  nur  wenigen  Sätzen  rihi^ethan:  es  bestand  dnnials  eben 
noch  nicht  das  allseitige  lel)hafte  Interesse  für  das  weil)liche 
IHldungsweseu  wie  in  unserer  Zeil  trotz.  I'cnelon's  energischen 

SrB«?  RHitnon  VII.  e 


J 

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66 


t)r.  l'Aul  liiTirpinmiti. 


Hinweises  in  der  bekannten  Schrift  „Sur  Vidncattw  (fe»  fiiles^ 
(1683),  welche  der  erste  einigfermafsen  gehingene  Versuch  ist, 
die  Aufgaben  der  weiblichen  Er2iehun.f,^  zu  lösen,')  und 
Ronsseau*s  il^c istreichen  Aphorismen  im  fünften  Buche  des 
Kniile.  Erst  Susanne  Xecker-Saussure  ist  es  ijelnngen,  das 
Eis  der  t^leithi^illi^kt it  und  Interesselosigkeit  diesen  wich- 
tii^en  Problemen  gegenüber  naclihaltig  zu  brechen:  ihre  Ar- 


ist  als  von  epochemachender  Bedeutung  für  die  Frauenbe- 
wegung anzusehen. 

Wenden  wir  uns  nun  zur  Betrachtung  der  Ansichten 
Smith^s,  wie  im  einzelnen  das  Unterrichtswesen  zu  gestalten 
sei,  um  den  Zweck,  dem  es  zu  dienen  hat,  in  bestmöglicher 
Weise  zu  erreichen,  so  müssen  wir  zunächst  fragen,  worin 
dieser  bestehen  soll. 

Smith  läfst  uns  dnnÜKr  nicht  im  Zweifel:  er  erblickt  ihn 
darin,  die  Heranwachsenden  zu  tüchtigen  Bürgern  in  dieser 
Welt  zu  machen,  in  erster  Linie  zn  nützlichen  Gliedern  ihres 
Volkes  und  Vaterlands,  genauer:  sie  mit  demjenigen  allge- 
meinen Wissen  und  Können  auszurüsten,  das  sie  in  den  Stand 
setzt,  dereinst  solche  zu  werden.  Es  ist  das  nämliche  Ziel, 
welches  er  in  der  Theorie  schon  im  tiegensatze  zu  dem- 
jenigen der  Haus-  oder  Familiener/ichnn<^:  aufgestellt  und 
(las  er  dort  als  allgemeine  GeisUsl)ildung  lormuliert  hatte, 
wie  wir  wissen.  Es  ist  bereits  darauf  hingewiesen  worden, 
dafs  CS  das  einzig  zutreffende  ist.  Smith  stimmt  darin  nicht 
nnr  mit  den  Pädagogen  seiner,  sondern  auch  mit  denen  aller 
Zeiten  überein,  sofern  sie  ihr  Heil  nicht  in  theoretischen  Ab* 
sfraktionen  suchen,  sondern  sich  an  die  konkrete  Wirklich- 
keit halten.  Auch  jene  sind  im  Grunde  ihres  Herzens  wohl 
davon  überzeugt,  daf'.  das  angegebene  Ziel  das  einzig  rich- 
tige ist  -  dafür  sprechen  genugsam  die  praktischen  Mass- 
nahmen, welche  sie  empfehlen  —  aber  sie  halten  es  nicht 
für  opportun,  dies  offen  auszusprechen;  sei  es  dafs  sie  den 
Schein  eines  besonders  erhabenen  Idealismus  wahren  wollen^ 
sei  eSf  dafs  diese  lliefsende  Allgemein giltigheit  des  obersten 
Erziehungszieles  ihrem  Streben  nach  einer  solchen  nicht  ge- 
nüge thut,  dafs  .sie  es  auf  absolute  Allgenieingiltigkeit  abge- 
sehen haben  und  daher  lieber  zu  inhaltsleerem  Formalismus 
ihre  Ziifhicht  nehmen;  es  befriedigt  ja  natürlich  viel  mehr 
die  persönliche  Eitelkeit,  weuu  man  von  unbedingt  allgemein- 
giltigen  Zielen  reden  kann. 

•)  Dies  kann  bei  aller  Anerkeuuuiig  für  mancherlei  vorlreftliehe 
Einzelheiten  eben  noch  nicht  von  Vires'  Buch  /)<  itntitiitione  jt-tnirint 
thristiatiae  US^Hi  gesagt  werden,  ob\v(»hl  dasselbe  eine  vollständige 
Theorie  der  weiblichen  Erziehung  und  Bildung  enthält,  was  bei  Fenelon 
gar  nicht  einmal  der  Fall  ist. 


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Adiun  HmiihM  pädai^oiriMi-hr'  Au»irht(>u  Hnd  Kritik  «leraHb«». 


67 


Docli  kurz  und  j>iit  iiiid  nocli  tiiinial:  Die  Krziehiuig" 
kann  auf  nichts  anderes  «^^eiiclitri  sein  als  darauf,  den  Zog^- 
lin^  zu  einem  uiiuliclicn  Glitdc  der  C'Ttsellscliaft  heranzu- 
bilden, der  fvesellschaft  im  engeren  wie  im  weiteren,  ja  im 
weitesten  Sinne;  das  ist  das  Ziel  aller,  der  häuslichen  wie  der 
öffentlichen  Erziehung,  jener  in  subjektiver,  dieser  in  objek- 
tiver Hinsicht  Dient  jene  dem  angegebenen  Zwecke  mittel- 
bar, so  diese  unmittelbar.  Man  beachte  wohl,  dafs  »Smith  den 
Krziehungs/Aveck  weder  in  ciii'^eitiger  nationaler  Beschränkung 
noch  in  vai^tr  kosmopolitischer  Allgemeinheit  aufiafst;  er 
teilt  den  Kosmopolitisnnis  seiner  Zeitgenossen,  aber  ohne 
dabei  in  den  Fehler  der  (iciinj^scliät/iiug  des  Nationalitäts- 
Prinzips  7A\  verfallen,  er  beherzigt  die  Worte  Rousseau^s  im 
ersten  Buche  des  Emile:  *  Nehmt  euch  vor  diesen  Kosmopo- 
liti  Ji  in  Acht,  die  in  ihren  Schriften  aus  weiter  Ferne  Pflichten 
herholen,  deren  I^rfullung  sie  iubezug  auf  ihre  eigene  Um- 
gebung verächtlich  zurückweisen.  Kin  solcher  Philosoph  liebt 
die  Tartaren,  um  dessen  überhoben  zu  sein,  seine  Nachbarn 
zu  lieben  .'I  Wie  weit  unser  Philosoph  von  engherzigem 
Patriotismus  entfernt  ist,  das  geht  ganz  deutlich  aus  seiner 
^Theorie  der  uKnalisthcn  (hfiihiv'*  (II.  S.  128  ff.)  hervor,  wo  er 
aufs  schärfste  nationale  Vorteile  tmd  Antipathien  geifselt; 
aber  eben  daselbst  tritt  er  auch  mit  Entschiedenheit  für  die 
Berechtigung  eines  kräftigen  imd  klaren  Nationali täts-He- 
wufstseins  ein  Patriotismus  ohne  Chauvinismus,  l^atriotis- 
miis  in  eni^er  \*erl)indung  mit  Kosmopolitismus,  das  ist  seine 
Losung,  l  uci  ohne  Zweifel  i^t  das  das  Richtige,  denn  dieser 
ohne  jenen  als  rnlerlagc  sehwebt  haltlos  in  der  Ivuft,  jener 
aber  entartet,  wenn  er  nicht  durch  diesen  ergänzt  wird,  zu 
National-Hochmut  und  Fremdeuhals. 

Welche  besonderen  Mafsnahmen  bei  der  Erziehung  zu 
treffen  sind,  um  ^ies  richtige  Verhältnis,  diese  Harmonie 
zwischen  den  patriotischen  und  kosmopolitischen  (  .1  lilen 
herzustellen,  hat  Smith  nicht  angegeben.  Man  wird  Folgen- 
des sagen  konupu.  Die  iiindcrue  Pädagogik  spricht  sehr  viel 
von  patriotiselK  1  I-.i /i^ liun und  <^a'denkt  der  kosmopoiiti.schen 
so  gut  wie  gar  niclil.  Mau  .^chciiil  /.\\  glauben,  dafs  jene<Ti'- 
lühlsweise  erst  künstlich  licrvorgel)rachl  werden  müsse,  während 
diese  sich  ganz  von  selbst  verstehe  und  einfinde.  Demgegen- 
über ist  jedoch  zu  betonen,  dafs  gerade  das  umgekehrte  Ver- 

•)  Smith  saj^t  ;jan/.  ausdrücklich  (Theorie  II,  vS.  145):  Dafs  der 
'»Misch  mit  Iklraclitiniir  <Us  irhaljeiieii  Wirkungfskreises  (wie  näm- 
lich aller  .Menschen  dluck  /u  befördern  sei)  sich  beschäftigt,  kann 
ihn  nicht  entschuldigen,  wenn  er  den  bescheideneren  idie  Besorgung 
seiru  s  ci'jrcncn  r,Uickes,  des  ( .Hu  Urs  seiner  Famihe.  seiner  Freunde, 
.semeü  Landes;  darüber  vernachlässigt  . 


68 


Dr.  Paul  lt)Mi:>'niiinn. 


hältuis  der  Wahrheit  eutspricht.  Wer  von  klein  auf  die  deutsche 
Luft  atmet,  die  deutsche  Sprache  spricht,  wie  sollte  der  nicht 
ganz  deutsch  in  seinem  Wesen  sein!  Die  Bande,  welche  den 
Menschen  mit  seinem  \  atcrlaude  verknüpfen,  sind  von  Xatur 
ans  stark  jj^enn^;  hier  bedarf  es  kaum  einer  künstlichen  Nach- 
hilfe. Man  bedenke,  dafs  die  ( "inindlai^e  des  l'alrintismns  die 
Heiinatliebe  ist  und  diese  ant  dem  Mt  imatLietUhlc  beruht:  das- 
selbe ist  aber  ein  j^i  ^ebenes  wie  die  Hc-iinat  si  lhsi,  ein  j^an/.  von- 
selbst,  ohne  Zuthnn  anderer,  oline  kün>lliebc  Millel  zustande 
konnnendes.')  Man  beachte  wohl:  Nicht  als  oh  dem  ^[enschen 
die  Heimatliebe  angeboren  wäre,  aber  in  der  Struktur  des 
menschlichen  (leistes  ist  die  Aula.s^e  dafür  xorhanden  und 
harrt  nur  der  Kntwickehnig.  TV  r  Mensch  bringt  ein  anschlufs- 
hedürftiges  Cremüt  mit  auf  die  Welt,  er  strebt  nach  Befrenn- 
dung  mit  der  ihn  umgebenden  Natur,  den  Tieren  und  vor 
allem  den  Menschen. 

Das  mit  solchen  Anlaij^en  ins  Leben  tretende  Kind  eni- 
pfäugL  nun  die  heimische  Naini  uiil  ilneu  IJewuhnern  und 
bewirkt  eine  solche  Entwickelung  jener,  dafs  eben  gar  kein 
anderes  als  das  angegebene  Resultat,  die  Heiuiatliebc,  sich 
ergeben  kann:  denn  die  frühesten  und  wichtigsten  ( U danken» 
kreise,  die  grundlegenden  \'(>rstellnn<»sreihen,  die  starken  (be- 
fühle, die  ersten  Willensaktc  der  Kinderzeit  alles,  alles 
das  ist  mit  der  Heimat  xerknüpii  und  kettet  uns  selbst  da- 
her mit  tausend  P'äden  an  dieselbe  und  j^flanzt  mit  Nattir- 
notwendigkeit  die  Liebe  /,u  ihr  in  unsere  Her/.en.  Lud  Mm 
der  lleimatliebe  hinüber  zur  Vaterlandsliebe  ist  nur  ein  kleiner 
Schritt;  denn  das  weitere  Vaterland  erscheint  dem  Menschen 
bei  allen  mannigfachen  Unterschieden  doch  innner  nur  als 
das  vergröfserte  Spiegelbild  seiner  Heinuit.  Die  Kr/iihnng 
hat  daher  gar  nicht  nötig,  sich  noch  besonders  um  die  Her- 
\  orl>! 'n'^'un*^  solclier  ( k  fühlsw  eise  zu  bemühen.  Soll  sie  sich 
also  nin  diese  Din^e  iiar  niclit  kiimmern?  Teli  l)in  weit  da- 
von entfernt,  diese  l'^raj^e  /ii  \erneinen:  mwils  soll  sie  ein- 
greifen, aber  nur  im  regulierenden  und  läuternden  Sinne :  ihr 
fällt  gegenüber  der  zufälligen  und  regellosen  Krfahrnng  die 
Aufgabe  des  Ordnens  und  Sichtens  zu,  sie  mufs  die  fehler- 
und lückenhaft,  imklar  und  verworren  gebliebenen  Vor- 
stellinigskreise  klären.  \'<»r  allem  mufs  sie  bestrebt  sein,  eine 
tiefere  Auffassung  des  Volkscharakters  her\-orzid)ringen,  was 
ohne  besondere  .Anleitnnq;  nicht  möglich  ist:  eine  solche  aber 
ist  Erfordernis,  um  sein  Volk  w  ahrhaft  lieben  zu  können,  d.  h. 

'i  Xjjl.  meint-  Arbeit:  Die  sozial-ethisclic  Autsabe  der  Heimat- 
kunde im  » rädagogischcn  Magazin  lieft  2(».  Langensalza,  liever  u. 
Sohne.  1893.  Teil  III.  S.  14  ff. 


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Ailim  SnJth«  |>id«gotrl»<'kp  Anttkhteii  and  Krlllk  denelbm. 


^o.  dafs  man  seine  Kräfte  dazu  verwendet,  ihm  zu  nützen 
U'dch  bestem  \'erniö<^en,  dnfs  man  ,L;crii  und  willig-  auch  zu 
•^TMi.scn  ( )plcrn  bereit  ist,  \senu  man  ül)er/.enjj;t  ist,  dals  sie 
ilnn  Zinn  Heile  «j^ereichen,  und  gerade  diese  Liebe  niaeht  den 
Kern  des  echten  Patriotismus  aus.  Das  wird  sehr  oft  ver- 
kannt, indem  mau  meint,  die  Hauptsache  sei  dabei  die  An- 
hänglichkeit an  die  vorhandene  Staatsform.  Dem  ist  aber 
nicht  so;  vielmehr  kann  man  ji^eradezn  sajj^en,  dieselbe  gehört 
uberliaupt  nicht  zu  dem  Inhalte  des  Hej^riffes  Patriotismus*. 
Das  allcremein  Hestinimeiulr  in  diesem  ist  ia  di«.-  Liebe;  \-on 
solcher  dem  Staate  gegenüber  kann  aber  gar  keine  Rede 
sein!  Denn  derselbe  ist  eine  Inniktion,  eine  Einrichtung"; 
licl)cu  jedoch  kann  man  nur  eine  Substanz,  ein  Wesen.  Pane 
Einrichtung  kann  man  wohl  schätzen,  vortrefflich  finden,  man 
kann  stolz  atif  sie  sein,  aber  man  kann  sie  nicht  lieben. 
Darum  verträgt  sich  auch  sehr  wohl  mit  dem  Patriotismus, 
mit  der  Liebe  zum  Volke  und  X'aterlande,  die  Hekämpfimg 
der  bestehenden  Staatsform.  Hin  Mensch,  der  dieses  thut, 
kann  ein  durchaus  aufricluiLixr  Patriot  sein. 

Doch  nun  zu  dem  anckini  Punkte,  d.  h.  zur  Beant- 
wortung der  Frage,  wie  wir  es  mit  der  Pflege  des  kosmo- 
politisclieu  Sinnes  halten  sollen,  ob  überhaupt  eine  solche 
nötig  oder  auch  nur  angebracht  sei.  Ich  glaube  »ja*^.  Man 
bedenke,  dafs  dem  Menschen  eine  gewisse  Abneigung  gegen 
das  Fremde  von  Natur  eigen  ist.  Diese  mufs  beseitigt  wer- 
den, und  der  Erziehung  fällt  die  ganz  bestimmte  Aufgabe  zu, 
dies  zu  Wege  zu  bringen.  Das  ist  eine  1-^orderung  der  Ilnmani- 
tät.  welcher  man  sich  unter  keinen  Umstanden  und  unter 
keinerlei  Vorwande  entzielien  darf.  Wie  dies  zu  geschehen 
habe?  Man  weise  ganz  ausdnieklieh  daran!  hin,  tlals  unser 
ei^^enes  geistiges  lieben  kein  absolut  wertiges  ist,  dafs  wir 
des  Studiums  der  fremden  Sprachen  und  durch  deren  Ver- 
mittelung  des  geistigen  Lebens  fremder  Völker  bedürfen;  dafs 
unser  \'oIk  nur  ein  Glied  imierhalb  der  europäischen  Völker- 
familie ist  und  andere  gleichwertige  (ilieder  neben  sich  hat, 
durch  deren  Leben  da^^  eigene  Ergänzung  und  Ilereielicrung 
findet;  dafs  die  ( lesehiehli  unseres  Volkes  gar  nicht  \  (>u  der- 
jenigen der  anderen  eum] >;lischen  X'ölker  los/ul'i^en  ist:  weil 
.sie  alle  vieles  Hochw  ieliiige  gemein.sam  erlebt  haben,  die 
moderne  Kultur  das  Erzeugnis  ihres  Zusammenwirkens  und 
in  ihrer  Weiteren t Wickelung  von  dessen  Fortdauer  abhängig 
ist  Die  Weckung  und  Stärkung  des  Volks-  und  des  Hnmani- 
tatsgefühls  ist  also  Aufgabe  der  Erziehung  in  dieser  Hinsicht 
Jenes  ist  die  P>edingung  eines  gesunden,  ruhigen  und  sicheren 
national«  n  Sell^stgefühles,  das  seiner  selbst  und  seines  Wertes 
gewifs  ist,  das  da  .sein  und  bleiben  will,  was  es  ist,  das  vor 


7" 


dem  Fremden  sich  nicht  bcnj^^t,  weder  in  Nachahninng  noch, 
wenn  es  so  kommt,  vor  der  (iewalt  .  Dieses  bewahrt  vor 
Überhebung  und  Hochmut,  die  es  an  sich  haben  7Ai  ver- 
blenden^  und  Verblendung)^  kommt  bekanntlidi  vor  dem  Hall, 
d.  h.  zieht  dien)  nach  sich;  diiscs  lehrt  das  Fremde  acliten 
und  bahnt  die  aUraähliche  Heseitij^nnj»:  der  FeiudseliKi^eit  der 
einzelnen  Völker  an,  ist  nnf  dir  Herbei fiilirnnj^'^  des  ewigen 
Friedens  j^ericlitet.  Ks  wiiic  ^rlir  zu  wiinsclKii,  dafs  die 
Pädaji>^ojJ^ik  diese  ihre  hohe  Mis>inii  uielit  ITnim  r  verkt  niifii, 
dafs  sie  bestrebt  sein  möj>^e,  sie  zu  er  lüiieii,  seilest  j^ej^eii  <^len 
Wunsch  der  Machthaber.  Nie  darf  sie  sich  soweit  erniedrigen, 
sich  in  den  Dienst  politischen  Eiirgeizes  zu  stellen,  diesem 
das  Wort  zu  reden,  denselben  auch  nur  zu  verteidigen.  ITn- 
becinflufst  und  unbeirrt  von  derartigen  Strömunj^en  in  den 
leitenden  Kreisen  ])flege  sie  den  Geist  des  Humanismus. 
Oeht  erst  das  Diclilen  und  'Prnchten  der  V<"'1ki  r  selbst  nicht 
mehr  auf  gegenseili;^e  A'emichtun^  au.s,  dann  vermaj^^  auch 
der  Wille  der  Herrselienden  nicht  mehr,  die  Brandfackel  des 
Krieges  zu  entzünden.  Daiui  müssen  dieselben  sich  dazu  be- 
(]|uemenf  ihren  Ehrgeiz  in  etwas  anderes  zu  setzen  als  darein, 
sich  wechselseitig  in  kriegerischen  Rüstungen  zu  uberbieten, 
wodurch  .sie  die  Nationen  finanziell  ruinieren  und  den  Kultur- 
fortschritt hemmen.  Dafs  ein  solches  Zeitalter  des  allge- 
meinen Wohlwollens,  der  Sympathie  aller  mit  allen,  zu  dessen 
be^cMriinigter  Herbeiführung  die  lu/iehunjj;  so  viel  beizu- 
tragen \ermnclUe,  auch  wirklicli  Smilli  als  Idealzustand  \  t>r- 
ge.sehwebl  lial.  läfst  sicli  nieln  bh>i.s  au.s  dein  oben  über  seine 
Ansicht  Mitgeteilten  folgern,  sondern  gelil  ^anz  deullieh  aus 
mehreren  Stellen  in  der  Theorie^  hervor.  Ich  führe  hier 
nur  eine  als  Beleg  dafür  an  (Theorie  II.  S.  141):  Wie- 
wohl un.sere  thätijjt  n  I)ienstlei.stungen  nur  sehr  selten  einen 
grofseren  Kreis  als  jenen  unseres  Vaterlandes  umspannen 
können,  so  ist  doch  unser  Wohlwollen  von  keinen  (Frenzen 
uiiischrieben,  sondern  es  kami  die  I'iiermefsHclikeit  des  Welt- 
alls umfas.sen.  Wir  kihnien  uns  kein  eniptiiulendes  und  un- 
schuldiges Wesen  denken,  dessen  (ilfukseliij^keit  wir  nicht 
wünschen,  oder  dessen  Unglück,  lebhali  j^eilacht,  wir  nicht 
gewissemiafsen  verabscheuen  sollten^. 

Eine  solche  Gesinnungsweise  ist  ja  nur  möglich,  wenn 
die  An^eliöri^^en  des  einen  Volkes  in  denjenigen  <lei  anderen 
Völker  nicht  mehr  ihre  natürlichen  Feinde  erblicken,  v<»r 
denen  sie  stets  auf  der  Hut  sein  mn.ssen,  sondern  ihre  fried- 
lichen Mitar1»eiter  an  den  Werken  d'T  Kultur,  .^llerdintrs 
läfst  sich  Snntli  <ialM  i  eine  reli,iri()s-metaph\ .tische  Inkonse- 
quenz zu  Schulden  konnnen:  er  will  nämlich  dies  alles  der 
Fürsorge  Gottes  überlassen.    W^elchen  Zweck  hat  dann  das 


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Adniu  MniibD  |>Miliij;M{;iBi-b(>  AoNifhirn  uit<i  Kritik  «l<n*»i>lb(>n. 


7« 


Hineinziehen  des  Kosinopolitisnuis  in  die  Krziehunjr?  Doch 
wir  dürfen  nns  nicht  an  diese  Inkonstquenz  stofsen,  sie 
ist  nn wesentlich,  eine  der  populären  AuHassung  gemachte 
Konzession,  ein  scheues  Zurückweichen  vor  den  Konse- 
qtienzenf  welche  gewissen  Leuten  unliebsam  sind.  Bedeut- 
samer scheint  auf  den  ersten  Blick  der  Widersprucli  mit 
dem,  was  er  in  der  Politik  über  den  Krieg  und  die  Tugen- 
den des  Kampfes  saj(t,  zu  sein,  wenn  er  voll  Begeisterung 
xtm  dem  Wohlwollen  gegen  alle  Menschen  rdsdem  Krhabensten 
und  Höchsten  spricht.  Derselbe  ist  jedoch  leicht  zu  be- 
seitigen, wenn  man  bedenkt,  dafs  Smith  sich  dort  vor  allem 
an  die  nun  einmal  gegebenen  Verhältnisse  ansehmiegt,  den- 
selben eine  möglichst  günstige  Seite  abzugewinnen  versucht 
und  zumeist  es  ängstlich  vermeidet,  weitgehende  Reform- 
vorschlage  zu  machen,  oder  auf  ideale  Pordernngen  hinzu- 
weisen.') 

Ein  anderer  Punkt  von  allgemeiner  Bedeutung  ist  die 
Erörterung  der  Frage:  Schulzwang  (allgemtinr  Scliulpflicht) 
oder  nicht?  Smith  bejaht  dieselbe,  aber  nur  in  bedingter 
Weise  und  begründet  seine  Ansicht  folgendermalsen  (Wealth 
^-  353)-  unterrichteter  die  Bürger  eines  Staates  sind, 

desto  weniger  sind  sie  den  Täuschungen  der  Schwärmerei 
und  des  Aberglaubens  ausgesetzt,  die  nnter  unwissenden 
V'ölkern  oft  die  furchtbarsten  Zerrüttungen  herbeiführen. 
Ein  tmterrichtetes  und  intelligentes  Volk  ist  überdies  stets  be- 
scheidener und  gesitteter  rils  ein  unwissendes  und  dummes. 
Jeder  einzelne  fiihlt  sitli  aehtungswerter,  kann  eher  auf  die 
Achtung  seiner  \  urges-  l/ten  rechnen  und  ist  daher  geneigter, 
seinerseits  die  Vorgesetzten  zu  achten,  ist  ferner  eher  im- 
stande, die  interessierten  Klagen  der  Parteien  und  der  Unzu- 
friedenen zu  prüfen,  und  fähiger  sie  zu  durchschauen;  und 
deshalb  weniger  geneigt,  sich  zu  leichtsinniger  oder  unnützer 
Opposition  gegen  die  Mafsregeln  der  Regierung  verleiten 
zu  lassen.  In  freien  Ländern,  wo  die  Sicherheit  der  Regierung 
im  liolu-n  Mafse  vo!i  (h-m  gÜTisti;^'^tn  rrteile  abhängt,  welches 
das  Volk  sich  über  ihri-  ll.illun^  bildet,  ist  es  sicherlich 
von  der  gröfsten  Wiehti,L;keit,  dals  das  Volk  nicht  geneigt 
sei,  vorschnell  oder  launisch  über  sie  zu  urteilen".  Diese 
Begründung  erscheint  uns  freilich  keineswegs  ausreichend, 


')  Was  Smith  im  Wealth  über  Hr/it-hmi}^  uiid  l'nterricllt  sa^t, 
;xtbört  allerdings  ebenfalls  /u  .seiner  Politik  .  ist  aber  auch  wieder 
ein  (ian/.es  für  sich,  das  sich  von  den  anderen  dahin  hörenden 
.\nsffihrungen  niclit  unwesentlich  durch  ein  weit  kidnieres  Hervor- 
heben der  Vorhände  lu  II  ('beistände  und  energist  In  ri-  Vorschläge  zur 
Herbeiführung  günstigerer  \'erhältni.sse  unterscheidet 


72 


indem  sie  nur  die'  eine  Seite  der  Sache  bcriick.sichti}(t 
das  Interesse  der  Kegiennigf:  somit  hatte  ja  das  öffentliche 
Unterrichts  Wesen  keine  andere  Hedeutnn^  als  die,  eine 
Polizeiniafsrej^el  zu  sein.  Das  Einzige,  was  darüber  hinaus- 
geht, ist  die  Hetoimnj^''  der  i^röfseren  ( iesittetheit  und  der 
Unterdrückung  des  Mu t- l  inhens.  Jedncli  hat  sich  ijlück- 
licherweise  Smith  nieliL  inU  dieser  Argunieniation  l)egnügL, 
er  hat  das  Ding  auch  noch  von  einer  anderen  Seite  be- 
trachtet, vom  Standpunkte  des  Volkes,  der  (icsellschaft  ans 
nämlich.  Er  sagt  sogar  ausdrücklich :  \\  eun  der  Staat  vom 
Unterrichte  der  niederen  Stände  auch  keinen  X'orteil  hätte« 
so  durfte  er  sie  dennoch  nicht  ganz  ohne  Unterriclu  lassen  , 
und  ferner  (VVealth  S.  350):  Im  Fortschritte  der  Arl>eits- 
teilung  wird  die  Hc^chaftiumig  de«  j;i(')isten  Teiles  derer, 
die  von  ihrer  Arbeil  leljen,  d.  h.  der  gr^ilsen  Masse  des  \'olke>, 
auf  wenige  sehr  einfache  X  errichlnngen,  oft  nur  auf  eine 
oder  zwei  beschränkt  Der  \'erstand  der  meisten  Menschen 
wird  aber  selbstverständlich  durch  ihre  gewöhnlichen  Be- 
schäftigungen beeinflufst.  Der  Mann,  dessen  ganzes  Leben 
ein  paar  einfachen  Verrichtungen  ge  widmet  ist,  deren  Wir- 
kungen vielleiclit  stets  dieselben  sind,  hat  k(  iiu  <  u  legenheit, 
seinen  Wrstand  anzustrengen  oder  seine  I\rtindungskraft  zu 
üben,  um  Hilfsmittel  gegen  die  Sch wieri"keiten  aufzusuchen, 
die  ihm  niemals  begegnen,  l'.r  verliert  miihiu  nalüi  iich  die 
Gewohnheiten  solcher  Übungen  und  wird  gewöhnlich  so 
dumm  und  unwissend,  wie  es  ein  menschliches  Wesen  werden 
kann.  Die  Verknöcherung  seines  Geistes  macht  ihn  nicht 
nur  unfähig,  an  einer  vernünftigen  Unterhaltung  Geschmack 
zu  finden  oder  nur  daran  teilzunehmen,  sondern  unfäliig 
freier,  edler  oder  /arter  (lefühk  und  somit  einer  ri(^htigen 
Heurteilung  .selbst  der  gewr>hnlich.sten  l'flichtcn  (k>  l'rixat- 
lebcns  ....  Sic  schädigt  sogar  die  k(»rperl  ehe  Rüstigkeit 
nnd  macht  ihn  unfähig,  seine  Kraft  in  einein  anderen  Ge* 
schälte,  als  in  dem  er  erzogen  ist,  mit  Anstrengung  und 
Ausdauer  zu  gebrauchen  .  Auch  darauf  weist  Smith  noch 
hin,  dafs  sein  Mut  verringert  und  er  daher  in  Kriegsfällen 
zu  Kneg.sdiensten  untauglich  werde.  Weil  also  seine  Ge- 
schicklichkeit i*  seinem  (icwerbe  auf  Kosten  seiner  gcistigtii. 
geselligen  und  kriegerischen  Fähigkeiten  erworben  zu  werden 
scheine,  müsse  die  Regierung  X'orsorge  dagegen  treffen, 
und  dies  soll  eben  durch  Kinführung  des  Schnlzwanges  ge- 
schehen. —  Also  geht  seine  An.sicht  dahin,  dafs  diese  Mafs- 
regel  nur  den  niederen  Ständen  (the  mmnoti  pe<qih)  gegen« 
über  notig  sei;  er  sagt  ausdrücklich  (Wealth  S.  351):  'Der 
\'olksunterricht  erfordert  bei  einem  zi\ilisierten  und  gewerbe- 
treibenden Volke  die  Aufmerksamkeit  des  Staates  wohl  mehr 


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Adam  Snitk»  pXda^coKUrh«  Aoftirkt^o  udcI  Kritik  <ler>elb«B. 

als  der  höhere  I  nu  ri  icht.  Die  WriTioi^eiirlcii ')  sind  j^ewöhn- 
licli  iS  oder  19  jalue  alt.  die  sif  111  tlas  Ciescliräft  <ider  den 
Berui  eintreten,  wodurek  sie  sich  in  der  Welt  hervorthnn 
wollen.  Sie  haben  vorher  volle  Zeit,  sich  die  Ausbildung 
anzueignen^  welche  sie  achtungswert  macht«  oder  wenigstens 
sich  für  diese  Ansbildnnj»;  vorzubereiten.  Ihre  Eltern  oder 
Voniiünder  beeifern  sich  in  der  Regel»  ihnen  diese  Ansbil- 
dnnjj  zn  verschaffen,  nnd  sind  meist  sehr  j^ern  ])ereit,  diu 
■/A\  diesem  Zwecke  erfordcrhchen  Kosten  zn  bestreit t-ti  T'ni 
jedoch  auch  auf  diese  einen  «»^ewissen  Druck  ausüben  zn 
können,  schläjrt  er  (\Ve:dth  S.  3^71  \or,  dafs  der  »Staat,  um 
das  Stuihuni  der  Wissenschall  und  Philosophie  unter  den 
mittleren  und  höheren  Ständen  (mnong  all  ihvjjU-  of  middtmi 
ur  twHv  fh*tH  mit/dfhiff  ntnk  untt  fotitntf)  fast  allgemein  zu  machen, 
eine  Art  Prüfnn^if  m  den  hölu  1.11  und  schwierigeren  Wissen- 
schaften einführen  solle,  der  sich  jeder  unterziehen  müsse, 
ehe  er  als  Bewerber  um  ein  h(>heres  besoldetes  oder  Khren- 
amt  auftreten  dürfe  .  Xim  wird  lu  in  wnld  mit  »Smith  darin 
üi)ereiü.stiiumeu  können,  dal>  in  *ku  h»''lieren  »Ständen  (U-r 
Sciiulzwan*»  zumeist  eine  überflülsige  Alafsregel  sei,  a)>er 
eben  nur  zumeist,  warum  ihn  also  nicht  auch  auf  diese 
ausdehnen?  Kerner  wird  man  sagen  können,  dafs  das  was 
dem  einen  recht  ist,  auch  dem  andern  bil Ii 54;  ist;  mit  anderen 
Worten:  es  ist  eine  Forderung  der  (ierochtigkeit,  dafs,  wenn 
ül)er^^')upt  von  »Schulzwanj^  die  Rede  i<t,  dieser  bei  allen 
ohne  Ausnahme  Auwendunj»^  finden  mnls. 

Die  Handhabiuij^  und  AuslühiuuLr  der  von  ihm  vorije'- 
schla^eiieu  Mafsre)»el  und  die  (lesiahun^  des  j^esamten 
Unterrichtes  denkt  sich  unser  Philosoph  folgendennalsen. 
Wenn  der  Staat  die  allgemeine  Schulpflicht  proklamiert,  so 
kann  diesem  Verlangen  auf  mancherlet  Weise  genüge  gethau 
werden.  Entweder  -  und  das  scheint  wold  das  Nächst« 
liegende  zu  sein  —  er  sorgt  selbst  (in  ausreichender  Weise) 
für  Schulen;  oder  er  ülterläKt  diese  Sor^^e  der  Privatthätig- 
keit.  in<lem  er  darauf  rechnet,  dafs  \  iele  Personen  bereit  sein 
\verdeu.  die  i^'^etroffeue  Wrfüi^un«^  sich  zu  nutze  zu  machen, 
tmd  behält  siei»  etwa  nur  das  oberste  Anfsicht.srecht  vor; 
oder  er  veranlafst  die  einzelnen  Gemeinden  (städtische  wie 
ländliche)  die  Sache  in  die  Hand  zu  nehmen;  oder  endlich, 

'1  Smitli  hal  hier,  wie  in  dein  <>1)i>;cii  /il.ilc,  \'trliiiiun>sf  im 
Aiij^c.  wie  sie  11ns  schon  seit  Innjrem  trlückHcherwdse  tnibekannl 
sind,  wii-  sie  1? -  in  l-'n-j^^huid  ikk'i  l>is  \,>r  kuvAvT  Zeil  l)L>tati(kn. 
wofür  Ulan  in  DickeiKs  Komancii  enic  truuri|{c  iic.stiitij^unj;  finden 
kann:  die  Khukr  der  niederen  Stande  »nufsten  in  frühester  J\i.i;xnd 
bereits  t  itKii  Ik  riil  t  i  i;t\  it(.  n.  hezw.  <-iIei  lu  ii.  w  ie  ts  daher  utn  ihre 
allgenieiiie  Hildiin;^  und  üjre  körperliche  Küs  ijfkeil  hestcllt  war,  kann 
man  sich  leicht- ileiiUcii. 


74 


l'r.  PmuI  hcr(cc  Uliin  II. 


CT  tliiit  das  eiiif  (in  <(>.  \\  i>sfin  rinfaiij^c)  uiul  läJst  daiitlicii 
aucli  (la.^  andere  gescliclKii.  So  kann  es  also  in  dieser  Hin- 
sicht dreierlei  Arten  von  Schulen  geben :  staatliclie,  gemeind- 
liche und  private  Lehr-Anstalten,  aber  auch  die  letzteren 
nnter  der  ()beraiif'-i(  bt  des  Staates  stehend.  Da  Smith  mir 
für  den  Volksunterrieht  (fhe  educath»  of  thv  ronnnnn  fteopfe)  den 
Schnlzvvanif  eiiHL^a'führt  wissen  will,  so  entsteht  iinn  xnfoljje 
für  den  vStaat  nur  die  I'ra;^t\  wie  er  das  niedere  Schulwesen 
or.q;ani.siereii  Sfllc.    Fnsci  IMiilosoph  entseheidel  für  dii 

Hiinielilunji  von  ( icnieirideseluilen  (Wealth  S.  3521,  und  xwar 
soll  in  denselben  Schulgeld  erhoben  werden,  aber  ein  so 
geringes,  dafs  auch  ein  gewöhnlicher  Arbeiter  es  aufzubringen 
vermag.  Um  den  höheren  Unterricht  hat  sich  der  Staat 
gar  nicht  zn  kümmern,  derselbe  bleibt  gänzlich  der  Privat- 
tliätigkeit  überlassen;  so  zieht  die  eine  Inkonsequenz  die 
andere  nach  sich.  Wie  Smith  der  Ansicht  ist,  dafs  der 
Schulzwang  bei  tlen  höheren  Stiändcn  überflüssig  sei,  so 
meint  er  auch,  dafs  der  Unterricht  derselben  der  staatlichen 
Kontrolle  nicht  bedürfe,  geschweige  dafs  der  Staat  selbst 
für  Errichtung  von  Gelehrten-Schulen  Sorge  tragen  solle. 
Gäbe  man  nun  auch  zu,  dafs  Smith  in  jenem  Punkte  Recht 
hätte  (was  aber,  wie  ich  schon  gesagt  habe,  nicht  der  Fall 
ist),  so  brauchte  daraus  diese  Kolgerung  noch  keineswegs 
gewonnen  7M  werden.  Der  Staat  könnte  freilich  ganz  wohl 
von  der  ( ii  lindung  staatlicher  höherer  Lehranstalten  absehen 
aber  die  .Aufsicht  über  dieselben  dcnnoc^li  beansjiruclicn. 
Warum  .soll  ilas,  was  dort  getrieben  wird,  ihm  gleichgiltiger 
sein  als  das,  was  die  Kinder  in  den  Volksschulen  lernen? 
ganz  abgesehen  von  den  Vorteilen,  die  für  ihn  selbst  daraus 
erwachsen,  blols  in  Ansehung  des  Wohles  seiner  Bürger,  der 
Gesellschaft. 

AllerdiuL^s  kann  die  staatliclie  Prüfung,  die,  wie  erwähnt, 
Smith  für  diejenigen  eingeführt  wissen  will,  welche  um  irgend 
ein  höheres  Amt  sich  bewerben  wollen,  einigernuilsen  als 
Kompen.sation  für  die  mangelnde  Konln)lle  angesehen  werden  : 
die  Lehrer  sind  gezwungen,  ihren  Lchrplan  so  einzurichten, 
dafs  diejenigen  ihrer  Schüler,  welche  später  diesem  Examen 
sich  zu  unterziehen  gedenken,  auch  Aussicht  haben,  dasselbe* 
zu  bestehen,  was  natürlich  auch  denen  zu  gute  konnnt,  die 
nicht  nach  Amtern  uad  Würden  streben.  Doch  hat  Smith 
übt  rselien,')  flafs  dabei  die  (lefnhr  der  X'eräuf.serlichung  der 
Studien,  des  iunpaukens  für  das  Hxamen  nahe  Hegt,  beson- 
ders dann,  wenn  dieses  gleich  an  den  T'nterrichtskursus  an- 

')  Otlcr  wen"'  er  es  nicht  übn^'  lu'u  hat,  so  bt-woi;  ihn  sein 
*  >pliiuisnui.s.  eine  solche  l^rwä^ung  nicht  hielten  zu  hi.sscn.  wenigstens 
sie  nicht  hoeh  anzusdilajfen. 


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75 


j^fschlusseii  und  als  Abschlnfs  desselben  j^elteii  solle,  vorüber 
er  sich  aber  nirji^ends  ausj^espiuchcJi  hat.    -    Aus  dem  über 
diesf  Prüfungen  sclion  Gesagten  geht  jedoch  das  eine  mit 
Sicherheit   hervor,   dafs   dieselben   nämlich    keine  Fach- 
prüfungen sein  sollen,  sondern  solche  in  allgemeiner  Bildung. 
Solche  schätzt  unser  Philosoph  so  hoch,  verspricht  sich  soviel 
von  ihnen,  dafs  er  sie  sogar  (natürhch  mit  der  nötigen  Be- 
schränkung) den  Volksschülern  auferlegt  wissen  will,  (wobei 
er  es  aber  auch  wieder  unterläfst,  den  Zeitpunkt  anzugeben, 
da  sie  stattfinden  sollend    Er  sai^i  näinlicli  (Wealth  S,  352). 
der  Staat   solle  l*rüfnnL;t.ii   in  <kn  l'ulerrichlsgegensländen 
der  Volksschule  ciulüli'en,  an  deren  Bestehen  das  Recht,  in 
eine  Zunft  einzutreten  qder  ein  ländliches  oder  stadtisches 
Gewerbe  zu  treiben,  geknüpft  werden  möge.*)   Diese  Prü- 
fungen erscheinen  allerdings  vollständig  überflüssig;  man 
sollte  doch  meinen,  dafs  es  genüge,  weim  die  Lehrer  an  den 
Genieindrscliulen,  tlie  <](>ch  öffentlielK  T>eaniU-  sind,  den  die 
Schule  \  c  rlassendei'i  Xo^dingen  ein  Zeugnis  darüber  ausstellen, 
dal.H  sie   sich   das  ertorderliche  Wissen   auf^eeigiiet  haben. 
Wenn  der  Staat  von  den  von  Privatlehiei n  Unterwiesenen 
die  Ablegung  einer  Prüfimg  für  den  Fall  ihres  Eintritts  in 
den  Staatsdienst  verlangt,  so  ist  das  zu  rechtfertigen,  wenn 
auch  mancherlei  I'belslände  damit   verknüpft  sein  mögen, 
im  anderen  Falle  aber  nicht.    -  Noch  ist  aber  die  Frage  zu 
beant \v( -rf en,  warum  vSuiith  durchaus  den  liöheren  Unterricht 
nur  in  dir  Hände  x^n  Pi ivatlehrern  gelegt  wissen  will.  Er 
meint,  auf  dt  11  öttentlicheu  vSchulen  erhielten  sich  mit  Zähig- 
keit Systeme,  die  längst  als  abgelhau  gellen   kmmen  un<l 
zwar  deshalb,  w  eil  durch  die  staatliche  Besoldung  der  Lehrer 
deren  Eifer  gehemmt  würde,  sie  durch  die  gesicherte  Aus- 
sicht auf  bestimmte  Einkünfte  zur  Vernachlässigung  ihres 
Berufes  verleitet  würden.     (jäbe  es  keine  öffentlichen  Unter- 
richtsanstalten .  heifst  es  (Wealth  S.  349  350),  würde 
kein  Sx  ^^teu)  und  keine  Wis.senschaft  i^i-elclirt  werden,  wonach 
niciit  eme  Nach  frage  vorhanden,  oder  dei\u  I'.rleruung  durch 
die  Zcitverh.'illni.^se   nicht    n<>lit^,   nützlich   ^iler  wenigstens 
zur  Mode  geniacht  wäre,    lim  l'rivatlehrer  könnte  nie  seine 
Rechnung  dabei  finden,  entweder  ein  verrottetes  oder  ver- 

Af  ni  5)».';irlUL' "A  i  Ii]  dals  Stnilli  <lal>i.i  nu  hl  /.iinftinäl'siiif  !-".icli- 
prüniugcn  uu  Auge  iial.  \  <>n  diistii  will  t  r  iiic  hls  wissi  n.  ditscn 
wirft  er  vor,  dafs  nie  mehr  «In/u  «lit  nlcii  nii<l  aiiijewoudet  würden, 
um  andere  (»L-nosM.ii  \  on  d<  iii  I  jiitriUi.  in  «  in  In  "-t-TTiütU  s  (ii  weihe 
ab/ul»alltrn.  als  da.s  («ewcrbc  /u  vcreikln.  .Solclu  I  rulungtii  iieniil 
er  daher  ebenso  «njrehorijf  wie  lästig  .  er  be/eichnel  sie  als  uiibc- 
rechli^rc  lunj^riffr  in  da^  i;rl>t:ul  dci  Armen  und  als  Wrkl/unjLreii 
des  lairentumsret  lite<  .  de  nn  die^es  bestehe  m  der  freien  \  erwertunj^ 
der  .Vrbeitskrall  citus  jeden  . 


76 


Ur.  I'uul  Uergenittiin. 


altflt'.s  Sxstcin  eine T  anerkannt  nüulichcii  W'issensciiatt  oder 
einen   allgemein    im    nutzlos   oder   pedantisch  gehaltenen 
Haufen  von  Spitzfindigkeiten  und  Ibisinn  zu  lehren.  Solche 
Systeme,  solche  Wissenschaften  können  sich  nirgends  erhalten, 
als  in  den  zünftigen  Unterrichtsanstalten,  deren  Wohlstand 
und  Einkommen  y<m  ihrem  Rufe  .i>;rf)lsten teils  und  von  ihrem 
Kifer  völlig  unabhängig  ist  .    Tnd  Wealth  S.  344  sagt  er: 
Diejenigen  l'ntrrriclusgegenstände,  für  welche  keine  öffent- 
lichen Anstalten    i)isithen,  werden   bemerkenswerter  Weise 
in  der  Regel  an>  i)esien  gelehrt  .   Kr  weist  auf  das  klassische 
Altertum  hin,  das  in  dieser  Hinstellt  Anspruch  darauf  habe, 
als  vorbildlich  zu  gelten  (Wealth  S.  347  ff.).   Er  ist  der 
Ansicht,  dafs  der  Wetteifer,    den.  eine  unbegrenzte  Kon- 
kurrenz stets  zur  Folge  hat    (und  eine  solche  sei  eben  nur 
möglich,   wenn  es  blofs  Privatlehrer  gäbe),  die  Talente  der 
Lehrer  zu  hoher  X'ollendung  ausbilden,  das  rnterrichtswescn 
also  aul.seroruentlich  florieren  werde.    l)agegen  ist  mauclurlei 
zu  bemerken.    Zunächst:  wenn  wirklich  »Smith  damit  Recht 
hat,   dafs  staatlich   besoldete  Lehrer  ihre   Pflicht  vernach- 
lässigen, so  macht  er  sich  wieder  einer  .Ungerechtigkeit 
gegen  die  niederen  Stände  schuldig.    Deren  Kinder  sollen 
ja  von  lA'hrern  unterrichtet  werden,  die  öffentliche  Heamte 
lUid  deshalb  aus  (öffentlichen  Mitteln  zu  besolden  sind,  was 
er  auch  riu'^drücklich  verlangt  (Wealth  S.  352).    Solche  aber 
taugen  nichts,  also  sind  für  die  Rinder  des  \*olkes  'schlechte 
Lehrer  gut  genug;  nur  die  Reichen  und  \  (M  ut  hnun  kMunen 
darauf  Anspruch  erheben,  einen  liicluigcu  rnieiriclit  /.u  ge- 
niefsen.    Deren  Lehrer,  Frivat-CTclehrte,  müssen  sich  alle 
erdenkliche  Mühe  geben,  etwas  Ordentliches  zu  leisten, 
damit  sie  Zuspruch  und  somit  Hrot  haben.    Xidu  so  die 
staatlich  angestellten  Lehrer:  d  t  >ind  ja  ihres  hinreichenden 
.\uskotnmcns  sicher.    Xini  freilich  hat  vSmitli  wohl  gemerkt, 
welche  UngerccluiL;kcit   in  dem   von   ihm  vorgeschlagenen 
S>stem  liegt;  daher  ^a-t  er  auch  (Wealth  S.  352):  die  l^ehrer 
an  den  Gemeindeschulen  sollen  nicht  völlig  vom  (Gemein- 
wesen besoldet  werden,    weil  sie  bei  gänzlicher  oder  auch 
nur  hauptsächlicher  Besoldung  aus  öffentlichen  Mitteln  bald 
ihr  Cicschäft  vernachlässigen  wurden  .    Also  will  er  auch 
hier  dem  Konkurrenzkampf  mit  all  seinen  guten  Folgen 
Hingang    vn schaffen.    Aber    wie?    Das   sagt  er  nirgends. 
Genug  zum  Leben  müssen  die  Volksschullehrcr  haben;  der 
Staat  gew.ährt  ihnen  dies  aber  nicht,  also  mii^srn  sie  durch 
eifrige   Ikui  Übungen,    tüchtige    Leistungen    möglichst  viel 
Schüler  an  sich  zu   ziehen  suchen,   um  sich  durch  deren 
Schulgeld  bezahlt  zu  machen  ?  Dieses  aber  hat  das  (lemein- 
wescn  schon  vorher  mit  Beschlag  belegt;  Smith  sagt  ganz 


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77 


unzweideutig  (Wealth  S.  342):  »Die  Anstalten  für  den  Unter- 
richt der  Jugend  können  hinreichende  Einnahmen  liefern, 

um  ihre  Kosten  zu  (Ucktti.  Das  Schulg^eld  bietet  eine 
solche  Einnahme<inelle.<-  Was  nützen  den  \'olk.ssclnillelirern 
also  alle  ihre  Anstrenji^un.tjen ?  Tnter  solchen  Umständen 
werden  wohl  ül)erhnii]it  kainn  ^ctuiq  Leute  sich  fnidi  n.  die 
dieser  niüli'^eliii^en  I»c>cliaUij4Uii^  sich  zu  unterziehen  geneigt 
sind,  und  tlicjeuigen,  die  es  dennoch  versuchen,  werden  wohl 
kaum  sich  besonders  eifrig  zeigen,  trotz  aller  staatlichen 
Aufsicht  und  aller  staatlichen  Prüfungen.  Denn  sie  wissen, 
dafs  der  Staat  unter  den  obwaltenden  Verhältnissen  froh  sein 
mufs,  wenn  er  überhaupt  ein  paar  Leute  findet,  die  einem 
so  wenijj:^  reTUnl)len  lierute  sich  ziuvendeu.  Ja,  sie  müssen 
sfx^-^ar  aui  Mittel  und  Wege  sinnen,  sich  ciiu  Nebenbeschäf- 
tigung zu  verschaffen,  die  ihre  Kinnahuien  erhöhen  untl 
schliefslich  ausreichend  vervollständigen  kann;  sie  ktuuien 
•  also  garnicht  ihrem  Hauptberufe  ihre  volle  Aufmerksamkeit 
und  Kraft  zuwenden.  Vielleicht  hat  Smith  im  Sinne  gehabt, 
dafs  durch  besondere  Prämien  ihr  Rifer  ssu  belohnen  sei. 
Jedoch  er  spricht  davon  an  keiner  Stelle.  Die  von  ihm 
vorhandenen  Ausführungen  lassen  daher  das  Ciesagte  als 
durchaus  gerechtfertigt  erscheinen.  I^^erurr:  ist  <\vuu  ü1>er- 
haupt  die  Annahme  l)erechtigl.  dafs  dit  IaIhii,  \\v\\\]  sie 
aus  öffcutliehen  Mitteln  auskönnulich  tfn  ilii  '  M üIk  w  aliung 
bezahlt  werden,  ihre  Pflicht  vernachlässigen  ?  und  wenn  w  irk- 
lichf  warum  gerade  sie  und  nicht  andere  Staatsbeamte  aucli, 
deren  genügende  Besoldung  aus  öffentlichen  Mitteln  Smith 
ja  für  zulässig  erklärt,  wenn  er  auch  andere  Mittel  und 
Wege,  sie  ausreichend  und  zugleich  gerechter  zu  belohnen, 
für  angemessenerhält?  I)ie(Tefaln-,  von  der  unser  Philosoph 
s|)iic]it,  wäre  bei  einer  strengen  Kontrolle  gewifs  leiclit  zu 
lieseitigen.  Kr  hat  sich,  \er1eitet  durch  den  eleiuleu  Zu>laud 
des  höheren  offen ilicheu  llilduugs-Wesens  seines  \'aierlandes 
und  durch  das  Hcstreben,  seinem  Prinzipe  der  unumschränkten 
oder  doch  grölstmoglichen  freien  Konkurrenz  auf  allen 
Lebens-Gebieten  (teltung  zu  verschaffen,  offenbar  in  eine 
Sackgasse  verrannt') 

')  Ich  niui.s  wein^stcü.s  aiiincikun^swci.se  uuch  ilarauf  hinweist;!!, 
dafs  alles,  was  Smith  über  das  höliere  Hildnnpsweseii  sag-t,  auch  aitf 
die  l  iiiversiläten  i'iid  ilireii  rnleiiiolu  Ue/iii;  li.il.  Nanienllieli  ist 
er  schlecht  auf  den  |)hilf)S(>pliisc)ien  lulenidU,  den  sieden  Stuclieien- 
den  gewälireu,  /.n  sprechen.  ]]v  saj^t  iW'ealth  S.  x\7i:  Die  I'orl 
ftchntte.  welche  in  neuerer  Zeil  in  <.ini^eil  Zweiyen  der  Pliilosophie 
jfeinacht  \\  ".irf]en.  siiul  uröistcnteils  nicht  von  den  rni\ ersilälcn  aus 
gtjfangen,  uiivvuld  einige  allerdings.  Die  nici.slen  L  niver.sitäten  haben 
sich  nicht  einmal  beeilt,  die  i'*ori»chritte,  nachdem  sie  gemacht  waren, 
sich  anzueignen,  nnd  manche  dieser  $;clehrtL'n  Kor]>erschaften  /.n^en 


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7« 


Hr.  PMtl  B'iVMHuiin, 


Man  wird  alledem  gegenüber  Folgendes  sagoji  können. 
Die  Pflege  des  gesani  ten  Hildnnpfswesens  niufs  eine  öffent- 
liche «;ein.  Aber  wem  soll  dieselbe  ohlip«ren,  dem  Staat  oder 
der  Gesellschaft  oder  dti  Kirche?  Der  It  t/tcn  n,  anlw  <  »rte  ich, 
keinesfalls:  denn  dieSclink  ist  dazn  l>esliiinnt.  dit  l'in/elnen 
zu  Staats-  und  Wellbürgcrn,  nicht  zu  ^Iii^lie<lt:rn  ii  j^cnd  einer 
besonderen  Religionsgemeinscliaft  heranzubilden.  Bei  einer 
kircliHch  geleiteten  Öffentlichen  Erziehung  würde  ja  ganz 
naturq^emäis  der  Hanptnachdruck  auf  die  religiöse  und  zwar 
konfessionell-religiöse  Seite  des  l?nterrichtes  gelegt  werden, 
eine  solche  P>/ichnng  würde  demnach  eine  »Spaltung  des  ge- 
samten T^ntcrrichtes  nach  Konfessionen  bedeuten,  d.  h.  nichts 
anderes  als  eine  Spaltniii;  tler  heranzubildenden  Jugend  auch 
iu  alledem,  was  .sie  /u  ihrem  weltlichen  Hernie  uiul  zu  ihrer 
bürgerlichen  Stellung  vorbereiten  soll  und  somit  Spaltung 
der  geistigen  Bildung  der  Nation  nach  religiösen  Gegensätzen 
und  den  von  ihnen  bestimmten  politischen  Anschauungen, 
wie  Wundt  in  seiner  Ethik  (S.  660)  mit  grofsem  Rechte  be- 
tont. Ja,  man  mufs  geradezu  und  ganz  entschieden  sagen, 
der  Kirche  darf  gar  kein  Kintluls  auf  das  T^ntcrrichtsweseu 
eingeräumt  werden.  Nicht  als  ob  daraus  tolgen  sollte,  dafs 
die  Schule  gar  keinen  Auteil  an  der  religiösen  Erziehung 
der  Jugend  nehnieu  dürfte,  gewifs  darf,  ja  soll  sie  dies;  aber 
es  kann  sich  bei  derartigen,  von  ihr  zu  bietenden  Belehrungen 
nicht  um  irgend  welche  konfessionelle  und  dogmatische  Unter- 
Weisungen  handeln,  sondern  nur  um  die  allgemein  mensch- 
lichen Grundlagen  religiöser  Weltanschauung:  soweit  die 
religiöse  Bildung  ein  tmveräufserlicher  Bestandteil  der  all- 
gemeinen humanen  Bildung    ist,  soweit  wird  die  Schule  die- 

CS  vor,  noch  lan^e  die  l"reislältcii  zu  bkibcii,  wo  \  ciroUetc  Swstcnu' 
und  verjährte  V'oruileile.  naclidcni  sie  aus  allen  ührii^tn  W  inkeln  der 
Krdc  vertrieben  worden  waren.  Schul/  fanden.  Im  alliicineineu 
waren  die  reichsten  und  liest  dotierten  rni\ ersitälcn  iunner  am 
träj^sten  y.mn  Forlschrille  und  einer  erheblichen  \  eriinderunjr  in  <leni 
einmal  eingeführten  rnterrichlsplaiie  am  feindlich.sicu.  Leiehler fanden 
sie  bei  ärniereii  l*niver.sitäteii  Kinjjf.inj^,  wo  das  Kinkanimen  der 
I, einer  m^i'^t  \<»n  ihrem  Rufe  abhängt  und  sie  auf  die  herrsolunden 
Strömungen  mehr  achten  niü.ssen  .  —  Die  .Vbliilfe  .soll  auch  hier  die 
nämliche  sein  wie  die  hinsichtlich  des  nnderen  höheren  rnterrichts- 
wescns  schon  erwähnte.  N"\in  Itab'  r  Smiths  scharfe  W  orte  .trewifs 
manche  Herechtii^unii  und  dürflen  niclU  blois  auf  die  < '.eschielite  der 
eniflischen  I fochsdiidc-n.  sondern  auch  auf  die  der  anderen  Lander 
ihre  teilweise  .\nwen<luii-  Iniden,  Aber  anderseils  isl  tlocli  /n  sai^en, 
<lais  I  i  der  öffc-ntlicheu  Meinung  eine  j^ar  /u  lti  ^^e  Aulorität  für  die 
Beurteilung  wis.sen.schalthcher  Leistungen  einraunU.  \  ielleieht  hätte 
er  sich,  wenn  er  die  Einrichtunj^:  der  deutschen  Hochschulen  mit 
dem  Institule  der  Privaldozcnlcn  i^ckannt  hätte,  dafür  ausgesprochen, 
t»bwohl  auch  hier  nicht  alles  .steht,  wie  es  wohl  könnte  und  sollte. 


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AalHW  Smhh*  pHiinuoyiHeli»  Ani>i«'lii<Ht  w»A  Kritik  ilmribfii. 


selbe  nie  entbehren  können.^)  Also  bleiben  nur  der  Staat 
und  die  Gesellschaft  übrig  als  Ordner  und  Pfleger  des  Unter- 

richtsweseiis.  Sollen  wir  dieser  oder  sollen  wir  jenem  die 
inbetracht  kommenden  Aufgaben  znweisen?  Ich  habe  im 
vorig^en  Kapitel  mehifa( ii  von  den  (  )bHeg;enheiten  der  (  icscll- 
schaft  be/tii^lich  der  iM/iclinn^;  der  Heranwachsenden  «be- 
sprochen; it  li  liabe  an(Ur<jris  als  vSchnle  licr  Zukunft  die  (le- 
sellschaftsscluile  bezeichnet;  so  konnte  es  allerdings  scheinen, 
als  ob  ich  von  einer  staatlichen  Einmischung  in  das  Bildungs- 
weseu  nichts  wissen  wollte.  Dem  ist  aber  nicht  so.  Den 
Ausdruck  » Gesellschaf tsschnle^,  der  hauptsächlich  als  jene 
Annahme  rechtfertigend  angesehen  werden  kann  und  auch 
angesehen  wurde,  habe  ich  gebraucht,  um  den  Gegensatz 
meiner  Ansicht  zn  der  Anschauung,  dafs  der  Familie  Ihm  der 
Gestallnii  i4  (K  s  öttentlichen  Hildungswescus  eine  cntsclieidende 
Stiinnu-  /ukomme,  und  zu  der  Tendenz,  den  r)tt(.ntliclien  rnter- 
riclit  durch  übertriebenes  Reglementieren  zu  einer  blofsen 
Polizeimafsregel  zu  stem]xln,  hervorzuheben.  Meine  Meinung 
über  diesen  Punkt  ist  folgende:  Staat  und  Gesellschaft  sind 
in  gewisser  Beziehung  Wtcli  sei  begriffe.  Gewifs  haben  jene 
individualistischen  vStaats-Theorien,  welche  Staat  und  (.Gesell- 
schaft einfach  identifizieren,  indem  sie  jenen  ans  einem  wirk- 
lichen ode  r  fiu^icrlcu  Gesellseliatls\  t  rtrai^e  hervorgehen  lassen, 
unrecht;  sicher  ist  die  Ansidit  liebeLs,-)  dafs  die  sozialisiei  te 
Ciesellschaft  den  Staat  entbehren  könne,  irrig.  Unzweileliiaii 
ist  der  Staat  ein  Höheres  als  die  Gesellschaft:  er  ist  die  die 
(vesellschaft  planvoll  organisierende  Kraft,  ohne  ihn  würde 
jene  in  zusammenhangslose  (Tlieder  auseinanderfallen,  er  ist 
somit  auch  ein  rnentbehrliches.  So  angesehen  ist  der  Staat 
aber,  wie  ich  schon  früher  sagte,  eine  Funktion,  .\nlser  dieser 
formalen  Betrarlittni ^^sweise  giel>t  es  al)er  noch  eine  andere, 
eine  materiaU-;  i>l /iit' 'Ic^e  jener  der  Staat  die  die  (lesellschaft 
planvoll  organisierende  Kratl,  so  ist  er  dieser  zufolge  die 
organisierte  Gesellschaft  selbst,  die  Zusammenfassung  aller 
gesellschaftlichen  Kräfte  zu  einer  Einheit,  mit  einem  Worte 

'/  Ich  habe  über  die  Art  und  Weist,  wie  cIkscs  ;;e.schclicn  kann, 
bereits  in  einijeren  anderen  Arbeiten  andeutende  Winke  Ke}?eben.  !k*i 

iiiLineti  \vt:itt  ii.n  Ausführini^eii  ui  die.sem  l{ssa\   wird  sich  noch  Ct 
legcuheit  bitten,  der  Frage  abemialü  näher  zu  treten:  in  obigem  Zu 
sanmienhanjfe  konnte  dies  nicht  geschehen,  um  nicht  zu  weit  von  der 
Sache.  Ulli  die  c.^  sich  dabei  handelt,  abzukommen. 

\  gl.  Die  Frau  und  der  So/iahsnnis.  24.  Aull.  Sttittirnrt  i'^'q. 
S.  26^;:  I)ie  Kxpropriation  aller  .\r])eitsniittel  dnrch<ieführt.  schafft 
der  (iesellschaft  die  neue  (inmdlaj^e.  .  .  Die  menschliche  Ivxi.«>tenz  er- 
hält einen  gäii/ürli  neuen  Inhalt.  Die  staatliche  ( >r;^anisation  verliert 
allmählich  ihren  ikuleu  und  mit  ihr  verschwindet  der  Staat  —  ferner 
S.  j?i6:  -  Mit  der  Aufhebunjr  des  Privateigentums  und  der  Auslö.schunj^ 
der  Klassenj^^ej^jensätze  fillt  auch  allmählich  der  Staat,  seine  Orgaui- 
i^atiou  verschwindet,  ohne  daüs  wir  sie  vermissen'. 


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»Gesellschaftseiiiheit  .  In  dieser  Beziehiinjj  ist  er  der  Repräsen- 
tant des  V'olksbewnfstseins,  besonders  des  Vtilkswillens;')  ja 
er  ist  c^eradezn  das  ( »esanitbewnfstsein,  der  (lesanitwille,  er 
ist  eine  (jesanit-lV  isönliclikeit.  I  h  r  Staat  nun  als  ( iesellschafts- 
einlieit  ist  i.  Hcsitz-  nnd  Wirtsclialts-,  2.  Riclits-  und  3.  Bil- 
dungsgcnieinschaft.^)  Daraus  crs^^icbt  sicli  eine  aufserordent- 
Hch  grofse  Mannig  faltigkait  der  vom  Staate  zu  losenden  Auf- 
gaben; für  uns  kommen  nur  diejenigen  inbetraclit,  die  er  in 
der  letztgenannten  Fji;cnschaft  zu  erfüllen  hat  In  dieser 
liegt  ihm  die  Organisation^  Regelung  und  Leitung  des  öffent- 
liclien  Erziehungswesens  ob  und  zwar  verlangt die  Ein- 
heit des  staatlichen  i^ebens  eine  von  poHtisclun  und  kon- 
fessionellen rnterschieden  unabhängige  Kinheil  »Us  otfcnt- 
lichen  l  lUeniclits  .  Diese  letztere  seliliefst  jedoch  keines- 
wegs durch  änfsere  Lebeusverhältnisse  bedingte  und  berech- 
tigte Unterschiede  aus,  die  "aber  anderseits  immer  nur  von 
traust  torisch  er  Bedeutung  sein  können.  Solche  Unterschiede 
sind  namentlich  die  durch  die  Scheidung  der  Gesellschafts- 
klassen herbeigeführten  der  niederen,  mittleren  und  höheren 
Bildung  oder  folgender  vSchulgattungen :  der  \'r»1ks-,  (kr 
Bürger-  und  der  ( Tclehrten-Schule.  Dann't  durch  dioc  Dilte- 
renzierung  nicht  liulz  der  besten  Absichten  exklusiver  Ka>ten- 
bildung  \'orschnb  geleistet  werde,  ist  zweierlei  zu  beachten. 
I.  Die  sittliche  und  religiöse,  die  ästhetische  und  (soweit  dies 
für  die  Schule  inbetracht  kommt)  die  foraial-gesellschaftliche 
Bildung  niiifs  eine  möglichst  gleichmäfsige  in  allen  diesen 
Schulen  sein,  damit  eine  gemeinsame  (  »ruii<l1;ige  für  den  \'er- 
kehr  aller  mit  allen  hergestellt  werde,  2.  Der  lk  snch  höherer 
Schulen  dai  l'  nicht  von  P»edingun«jf(  u  abhäu<^i'j;  -cmacht  wer- 
den, welche  die  Erwerbung  liiilu  iL!  Uilduni:  Mcfs  von  (ie- 
burt  nnd  ererbtem  Besitze  abhängig  machen;  e>  uuils  dem 

'1  I'ür  (Ich  l'"<'ill,  <lafs  die  Kiiisd/.ung  (Ks  rKi;riflcs  \  i»lk  für 
den  hishev  ani^cwaTidlcn  < '.esellsclialt  befrctndcii  solU:,  weise  ich 
darauf  hin,  dais  ja  XOlk  und  ( •esellschaft  in  Uoiii  Sinti e.  wie  diese 
liej^ritfe  bisher  <ieln uiu  lit  wurden,  nändich  als  <  in  i^an/.  licstinunU  r  Aus- 
scluiiU  aus  der  gesamten  menschlielun.  hesonders  wieder  der  j^e- 
saiiiten  Kultur-(»e.seUscliaft,  identisch  sind. 

'1  Ich  lioffe.  ilais  man  mich  jct/.l  nicht  mehr  mifs\  er<i  c  h -n  wird, 
wenn  ich  von  dem  Interesse  der  (iCseUschufl  au  der  öffentlichen  Kr- 
xiehunjiT.  wenn  ich  von  (Tesellschaftsschnlc  spreche:  ich  habe  dabei 
ehen  nur  die  oru^anisiertc  (iesellscliall.  also  den  Staat,  sofern  er  als 
di(  si  aufzufassen  ist.  im  Auji^e.  Derm  it  n  r  seitens  dieser  kr»nnen  all- 
gemeinverbindliche MaLsre^^eln  ,v;etru!it.n  wertlen,  tia  sie  allein  die 
Macht  hat,  dieselben  anch  wirklich,  wenn  nitü^  mitCi  lU  nnd  unter 
Anwcnduni;  von  Zwan^.  durcli/.ulidn cn  (Schul/.wan.Lif.  uhnc  diese  lic- 
fugnis  aber  würde  ja  das  ^au/,e  öffentliche  ICr/ieluuigswesen  in  der 
Luft  schweben,  wäre  dem  individnellcn  Helieben  "nior  und  Thür 
geöffnet. 

=»i  \  gl.  Wundt,  läh.  »S.  (X)^. 


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A4«B  BrntÜM  ])ft4«ff04^*eh»  AmichK^n  und  Krittk  ilerMiben. 


Talente  Rauni«  die  MögfHclikeit  der  ICntwickehm^,  ohne  auf 

U'nhlthaten  an, «bewiesen  zu  sein,  «geboten  werden.  Zu  diesem 
Zwecke  niuls  der  l'hertrang  von  einer  l'nterrichtsstnfe  zu 
einer  anderen  eiiu  rst  its  dadurcli  erleiclitert  werden,  dafs  alle 
Schulen  einen  *;cniein.sanien  l'nteihi'iu  erhalten,')  und  dals 
dieser  Anfan^sktirsus  in  seiner  Dauer  über  das  jetzt  übliche 
Ma^H  hinaus  verlängert  werde,^)  anderseits  aber  dadurch,  dafs 
das  Scl]ulg:cld  überall  beseitigt  wird.  Nun  weifs  ich  wohl, 
(lals  man  die  Möglichkeit  der  I )nrchführunjf  dieser  let;!tercn 
Matsrej^el  siark  be/.weifeln  odir  dafs  man  mir  den  Vorwurf 
machen  wird,  ich  schlüj^j^e  dem  (irnndsat/e  der  wirtschaftlichen 
( lerechtij^keit  ins  (rcsicht:  soll  dieser  \'f»rschla).j  verwirklicht 
werden,  wird  man  sa^^en,  so  muls  eine  all^^emeine  Steuer- 
erhohunj;  eintreten,  die  Hesitzenden  werden  zu  Ciunsten  der 
j^rofsen  Masse  erleichtert,  diese  zahlt  für  jener  Kinder  Sclutl- 
i>ildun<(  auch  noch  mit.  Doch  dieser  Vorwurf  ist  leicht  zu 
entkräften.  -leht  deim  jetzt  die  Sache?  Das  Schulgeld, 

das  man  an  den  hnheren  Lehranstalten  erhebt,  reicht  keines- 
wei^s  zur  I)eekinii;  der  Kosten  ihres  rnterhalte^  aii<.  Woher 
l'lielsen  die  Mitlei  ilazu  ?  aus  dem  <iaailiclK  n  IJudj^et,  d.  h. 
ans  der  Steuei leistnnj^  aller.  {' \u\  die  W't »hlihaten  der  «ge- 
nannten Anstalten  kommen  l>ei  der  *4ej;enwärtii»;en  Kinrich- 
luuif  nur  einer  geringen  Anzahl  Privilegierter  zu  Gute.  Ks 
kann  also  wohl  kein  Zweifel  darüber  herrschen,  auf  welcher 
Seite  die  Ungerechtigkeit  zu  suchen  ist. 

Werden  die  höheren  Lehranstalten  zum  gnil'sten  Teile 
aus  öffentliclicn  Mitteln  erhalten,  so  muls  ihr  !?esnch  allen 
freistehen;  niid  das  ^eln  nur  dann,  wenn  all*;enieine  Schnl- 
geldheiheit  pi  >  kl  niiiei  i  \\  \v<\.  Hine  Steuer-Krhöhunj;  wäre 
unter  .solchen  rm>iän(ku  <lmclian>  gerecliULerli^^l ;  aber  die- 
selbe brauchte  keinesv\  ej^s  einzutreten.  Hier  einige  Vorschläge, 
wie  man  bedeutende  Fonds,  die  man  teilweise  —  denn  ganz 
würde  man  sie  gamicht  dazu  nötig  haben  —  für  diesen  Zweck 
verwenden  könnte,  zu  erlangen  vermöchte:  i.  Konsequente 
Durchfühnm}^  der  ^iroj^ressiven  Kinkommenstetier;  2.  .Vb- 
schaffunj;  der  \'ererbun»4  oder  doch  Kintührun<(  einer  sehr 
hohen  I\rbsclialits-Stener :  lunzielum^^-  blols  ornamenl  iler 
Ämter;  4.  Herabsetzun«;  der  (iehälrer  der  höheren  Heamteji 

1  Da/n  :4chr)rt  üiuli.  dais  man  endlich  von  <ler  bäfsHchen  l-an- 
richtuiig  der  \  orHchidcii  al)la.ssc,  <lie.  u  ic/iei^lei  I )ie  .so/.iale  Frage 
eine  siltliche  FraKc  »IV.  Aufl.  Stuii^Mii  is<,i  s.  17S)  mit  vnlleiti 
Recht«,  sairt,  den  Kopf  nur  niil  Sl.indes\ onnlLilen  anfüllen. 

-(  In  den  I.ehrpl.'iiicr.  tTm  <1.  1.  <  ,^ -rhichl.s  niul  t ",(  n.rrj^pljii^^- I  nlcr- 
richt.  die  ich  v  cröffenilieliLe.   ii.tb».  u  h  in  .VnK  hmnig  an  die  ^ej^cn- 
wärti^  heRlehenden  Verhältnisse  einen  (Irci^Luryien  iieiueinsclinftliche 
\'<>rknrsus  an^enonunen.  abet    .i'u%  t5< >rx^  'JtcrwSt^wf  eine  länj^erc 
Dauer  desselht-n  (vier  Jahre*  hi«|tt  i*.«sLU. 

»oe  llnhn<>n  VII.  8.  »     *  6 


K2 


und  Offiziere.    Höhere  Stellen  sollten  nicht  durch  gröfsere, 

am  wcnip^sten  durch  die  jetzt  üblichen  (Behälter  ans^i^czeichnet 
und  dieser  wciq-cn  erstrebenswert  jiemaclit  werden,  sondern 
als  Khreiiäniter  j;elU*ii.  T'nd  vor  allem  imiisu  ii  die  IriUvcise 
immensen  Repräsentations^ckitri  i^ründlielisi  beschniluu  (xler 
ganz  gestrichen  werden.  Ich  glaube  nicht,  dals  das  deutsche 
Volk  von  den  leitenden  und  führenden  Per.sonHchkeiten  Re- 
präsentation verlangt.  Wenn  man  iini  des  Ansehens  des  dcut* 
.sehen  Namens  willen  derselben  zu  bedürfen  glaubt,  >  i  i  - 
es  darum  allerdings  schon  recht  schlimm  stehen.  Kndlieli 
mnfs  noch  hcrvor<^clinhen  werden,  dafs  man  knnftiirhin,  um 
jenen  Ubergang  von  eiiar  /nr  aiuUreii  I  nterrichtsstufe  /u 
erleichtern,  auch  in  anderen  als  den  schon  vorher  angegebenen 
Stücken  die  Lehrpläne  gleichniäfsiger  zu  gestalten  suclien 
mufs;  in  der  Geschichte,  der  Wirtschafts-  und  Staatslehre, 
der  Geographie,  den  naturkundlichen  Fächern,  dem  deutschen 
Unterrichte  werden  unschwer  Ausgleichungen  vorgenommen 
werden  koiuien,  sodals  das  Talent  die  in  den  sonstigen  Bil- 
dungsnnterschiedrii  (fremde  Sprachen,  Mathematik i  entu^eijen- 
stehenden  Hindernisse  KiclUer  überwindet]  kann.')  kreilich 
damit  j<*ne  KrleiclUernn.i^en  auch  lhal>;ielilieh  seitens! eich 
wirken,  damit  sie  ihren  Zweck  erlülier»,  niimlicli  den  hoiieren 
Berufen  stets  frischen  und  tüchtigen  Zuflufs  aus  allen 
Ständen  zusichern,  die  Heamten  vor  protzigem  Kasten geiste, 
der  immer  mehr  unter  ihnen  überhand  zti  nehmen  scheint, 
zu  bewahren,  bezw.  sie  von  ihm  zu  säubern,  damit  sie  aber 
auch  nicht  Verankas^ung  werden,  dafs  nun  alles  nach  oben 
drängt,  müssen  wir  alles  thun,  um  jenen  unserer  Kultur  an- 
haftenden IxKsen  Flecken  ,  die  X'erachtung  und  Minderwertig- 
keit   tler  Handarbeit  in  unserem  X'olksbewulslsein,  zu  be- 

'>  Mit  fleni  (Wsautrii  L^laiilu  icli  (kiitlich  vjennfi  diiruelliaii  /u 
haben,  tlal»  ich  »ucht  tlcr  Ansicht  derer  bin,  welche  eine  ganz  Kleich- 
mä/sige  wissenschaftliclie  Ausbildung  aller  verlangen  «vgl.  B. 
Bellamy*s  Rückblick  etc.  in  der  kecLim  sehen  Atisgabe  S- i  loi,  Die- 
jcnit'«  11  (Iii  (lies  llnin  uv<\  die  IMüllung  ihrer  iMirnertin^^  für  Tnö«^»- 
luh  halii  u.  \  erkennen  ilie  menschliche  Xatur,  bet.mjien  in  einem 
Optimismus  ohnegleichen,  vollkommen  —  worauf  ich  ja  auch  Kchon 
früher  hingewiesen  habt  Cewifs  liat  (i.  Schmoller  recht  \\enn  er 
sagt  (  Zur  Sozial*  und  (iewerbc-rulitik  der  (iegenwurt.  Reden  und 
Aufsätze-.  Berlin  i8qo.  S.  276» :  Der  letctc  (»rund  aller  sozialen  (Ge- 
fahr liegt  nicht  in  <ler  Dissonanz  der  Besitz  ,  sotwU  rn  dei  Bildmij^s 
l iegensätze.  Alle  soziale  Rcfnnu  mnis  an  diesem  i'unkte  einsetzen. 
Sie  mufs  die  Lebenshaltung,  den  sittlichen  Charakter,  die  Ivjtnntnisse 
und  l'ähigkeiten  lU  r  unteren  Klassen  heben  —  aber  man  mufs  sich 
hüten,  daraus  solche  Konse(iuenzcn.  wie  die  obeti  erwähnten,  zu  ziehen. 
Ich  glaube,^  im  Texte  Mittel  augegeben  zu  halben,  welche  geeignet 
sind,  die  Bildungs-(iegensätze  zu  beseitigen,  und  die  auch  wirklich 
anwendbar  sind.  Im  jSchlu£s- Kapitel  werde  ich  ?Mdcm  noch  andere 
nennen  können. 


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Adam  Bmltbt  pA4«eo|rt'*<'t>*  Anvloht»«  «od  Kritik  dmelhM, 


scitigen:  w  ir  müssen  anfangen,  anders  von  derselben  zu  fU  nkeii 
und  zu  reden,  wir  müssen  sie  anders  würdigen  und  behan- 
deln, und  wir  müssen  durch  J^t-lehniiif^-,  Aussprache  und  X'or- 
hild  zur  Ausrottung  einer  falschen  Anschauung,  einer  ver- 
kehrten Sitte  l)eitrajLren,  jeder  .soviel  in  seinen  Kräften  steht. 
W  ir  nnissen  vürnelnnlieh  bei  der  Hrzieluing  der  Jugend  einen 
energ^ischeii  Anfang  machen,  namentlich  aus  den  Köpfen 
unserer  hochmütigen  lateinischen  Jungen,  von  denen  jeder 
weifs,  wie  schwer  sie  dazu  zw  bringen  sind,  den  Handwerks- 
niann,  der  ins  Hans  kommt,  artig  zu  grüfsen,  jeder  der  nicht 
selber  ebenso  thnricht  ist,  wie  sein  dummer  Junge  ,  solche 
X'ornrteile  ohne  Nachsicht  vertilgen.  Ks  ist  selbstverständ- 
lich, dafs  alle  diese  Fordern nt^j-on  im  xnlleii  l'mfange  nur 
dann  erfüllt  werden  k<')nnen,  wenn  das  ge>anite  Schulwesen 
verstaatlicht  wird.  Auch  die  Gemeinden  können  nur  als  ein 
sehr  unvollkommener  Ersatz  des  Staates  angesehen  werden, 
auch  sie  müssen  daher  auf  ilnc  <liesbezüglichen  Privilegien 
zu  (Tunsten  des  letzteren  verzichten,  wozu  dieselben  wohl 
bereit  genug  sein  durften,  wenigstens  was  das  h()jiere  Hil- 
dungswe.sen  anlangt.  That^äclilich  w  erden  sie  ja  auch  nur 
noch  als  Notbehelfe  in  dieser  i;<. /irlnuig  betrachtet.  Für  die 
Stellung  der  Lehrer  folgt  an.s  alledem,  dafs  sie  alle  öffent- 
liche, dals  sie  Staatsbeamte  werden  und  aus  dem  Staatssäckel 
besoldet  werden  müssen.  Die  nach  Smith^s  Meinung  daraus 
sich  ergebenden  üblen  Folgen  können  durch  eine  strenge, 
fach m ä n  n  i  s c h  e  Kontrolle  und  ferner  dadurch  verhütet 
werden,  dafs  die  für  sie  ausgeworfenen  festen  Oehälter  auf 
ein  gewis.ses  Mafs  besrhränkt  bleiben,  dafs  aber  für  be.sou- 
den  11  Fleifs,  für  besondere  Lcisiungen  Prämien  gewährt 
werden.  Auch  wird  man  von  vornherein  eine  strengere 
Kontrolle  üben  und  nach  Möglichkeit  solche  Per.sunen  fern- 
halten müssen,  denen  die  natürliche  Befähigung  zum  Erzieher- 
berufe  abgeht,  und  die  nur  des  sicheren  tind  ehrenvollen  Brot^ 
crwerbs  wegen  sich  zu  demselben  drängen.  Freilich  \  erhehle 
ich  mir  nicht,  dafs  dies  eine  sehr  .schwierige  Sache  ist  und 
mim  dabei  leicht  irregehen  kann:  daher  ist  eine  längere 
Probezeit')  nach  erfolgter  Ausbildung  ein  unbedingtes  Bt*- 

'i  .Man  wird  mir  dabei  ulnic  Zwciltl  dii  Misere  des  unhesoklcleu 
rn)bckaii<hdalcntuius entijej^enhalttn.  mich  (iaraut  hinweisen,  dai.s  ich 
durch  (hesvii  Vorschlag  ja.  eiU^ci^cn  meiner  früher  ^eäui.serten  An- 
sicht, docli  nnr  den  Desitxeiulcn  diese  bantbalui  möghch  inaclie  Nun 
meine  icli.  dals  m;m  die  ])r<>l)eweise  beschaftif^leti  jnii'-Tt'ri  T.etitt  aller- 
dings für  ilire  Arbeit  bezahlen  holle,  wa.s  ja  auch  iet/.l  schon  l  all 
ist  hei  den  eben  aus  dein  Seminar  entlassenen  VofksschuUehrern.  (he 
ch)cli  auch  bis  ztir  Ablegun«^  der  /.weiten  Staatsprnfunji  als  Probe- 
kandidalcu  gelten.  Mau  wird  sich  eben  da/.u  verstehen  luüsseu,  die 
hinsichtlich  der  Volksschul-Kandidaten  gegenwärtig  bestehende  Ein- 
richtung auf  alle  Aspiranten  des  I«chramtes  auszudehnen. 


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Dr.  I^iiiit  Itri-tfHUiiinu, 

dürfnis.  Krst  diese  wird  eine  wirklicli  iiutzl)riii}^cn<1e  .\r.^k'<f 
ennöiJfliclieii,  weit  eher,  als  es  Prüfunj^en,  Vn-i  (K  ik  h  iUk  Ii 
itniner  mehr  das  Wissen  als  das  Köntieii  zu  Tage  tritt,  ver- 
mögen. Solche  sind  e1>eii  blofs  am  Platee,  wenn  es  .«;ilt,  ein 
(wenn  auch  nur  auiiäheriides)  Urteil  über  die  erforderlichen 
wissenschaftlichen  Kenntnisse  zu  erlangen.  Dafs  allerdings 
trotz  aller  solchen  Mal'sre«;elu,  wie  der  erwähnten,  stets  luaneher- 
lei  KleuKiitt  mit  durchschlüpfen  werden,  die  dem  I.ehrstaiule 
niclit  /ui  l'Uue  .gereichen,  ist  sicher  das  ist  eben  an  allen 
niensehlielien  Kinrichtunj^en  das  Tragische,  dnls  sit-  neben 
allem  Nützlichen  und  (»nten,  das  sie  slitlen,  intnials  t;anz 
das  Schädliche  und  Schlechte  ausschliefscn  können. 

Soll  min  durch  die  Verstaatlichung  des  gesamten  Schul- 
wesens jeglicher  Privatthatigkeit  auf  diesem  Ciebiete  ein  Ende 
gemacht  werden?  Ich  möchte  diese  Kraj»e  nicht  bejahen, 
private  Lehranstalten  müssen,  um  die  Konkurrenz  mit  den 
staallicheu  erfolq-reich  bestehen  zu  können,  trelt'liclK  I  a  isluui^eu 
zutaj^e  liirdern.  und  dadiu"ch  ülnn  sie  wieder  eint  L;iuistij;e 
Wirkuui^  aul  jene  ans,  (ierade  s«*ahc  .->ind  auch  inhilv^e  der 
freieren  lkwcgnng,  die  sie  vor  jenen  naturgemäfs  voraus 
haben,  eher  imstfuide,  dem  pädagogischen  Experimente  in 
ihrem  Verbände  einen  Platz  zu  gewähren.  Durch  dieses  for- 
dern sie  die  Pädagogik  als  Kunst,  aber  weiterhin  ziehtauch 
die  Pädagogik  als  Wissenschaft  daraus  Nutzen,  l  ud  umge- 
kehrt wieder  können  sie  es  eher  wagen,  pädagogisclic  'riu  orien 
anf  ihre  praktische  liranehbarkeit  hin  zu  erpn»l>eii  ini<l  zu 
prüfen,  l'm  derartiger  Krwäguugen  willen  möchte  ich  Suiith's 
\'orschlägc  nicht  durchaus  verwerfen,  sondern  deren  (icllungs- 
bereich  nur  auf  das  angegebene  bescheidene  Mafs  1>eschränkt 
wissen.  Ks  häugt  dies  eben  eng  mit  unseren  Anschauungen 
über  die  (rrenzen  der  Wirksamkeil  des  Staates  zusammen; 
dieselben  haben  sich  seit  Smith  sehr  bedeutend  geändert 
Freih'ch  eine  bc  stiunnte  Fonnel  für  das  staatliche  Eingreifen 
und  seine  Grenzen  besit/eu  \vir  nielil.  vuiv  solche  giebt  es 
überhaupt  nicht.')    Diese  ( "»renzl^estinimung  hängt  ab  von 

•)  l'linc  solche  l  oniiel  j^iebl  /..  H.  T  luiscii  in  seinem  System  der 
Kthik-^  (i.  Aufl.  IJcrhn  1X89  S.  847^:  Die  .StaatsUmlijikeil  i.st  um  .so 
notwendiger,  je  unmittelbarer  ein  Thätigfkeitsßrebiet  für  das  Treben  der 

(icsamtheit  W  icliti^jkeit  hat.  iiiul  je  \veiii;j;er  duroh  spontane  Thätii;- 
keit  der  Kinzelnen  oder  der  kleineren  Kreise  eine  befriedigende  bösnn{; 
der  Aufgaben  gesichert  ist:  sie  ist  um  so  m«jj,dieher.  je  nielu-  es  sich 
um  ;,deichartiije  und  uu pe  rsönliche.  kontroHierlKin  uinl  t  1/ u  i n s^bare 
Ditiijc  hniuUU  l ' mgekehit :  je  |)ersöidiclier  und  inch vidualisi«.  1 1(  r.  ie 
weniger  dem  Zwang  und  der  Kontrolle  /uj^ätiglich  ein  Thalickeits- 
gebiet  ist,  desto  mehr  entzieht  es  sich  der  öffentliche«  Rejrelunj»'  . 
Man  jfewalirt  die  rnhestinunthcit  dirs*  r  l'r/ni!nlic-rnTi<i  auf  den  ersten 
lilick;  vgl.  darüber  Ziegler  in  den  rinlosophischcn  Mouatshefteu  . 
S.  432. 


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AdABi  )$initb»  päiliiKwKi*^li^  Aii)»iphtPli  uimI  Kritik  dpr«<>lbea. 


(lesamtauschauung  und  (irundrichUiugen,  von  ßedürftii&sen 
und  Otrfülilcn,  von  Zeitströniungen  und  Gewöhnungen- 
(Zicgler,  Soziale  Frage  S.  99)  aber  thatsächlich  ist  unsere 
moderne  Auffassnnj^  vom  Staat  und  von  seinen  Aufgaben 

finv  aufscrordrntlirh  \\-citt\  vor  allem  ficilir1i  was  die  Tiiatc- 
riclIcTi  InUrc>sc  ii  seiner  liürj^cr  bclriül.  I )aruni  wiirc  es  aucli 
1h>cIi>1  llit>rieln,  u  v>llle  ich  Sniitli  st-iner  Ansicliten  we^en  \'()r- 
würfe  machen,  solche  sind  da^^ej^^eii  tlciien  j^cj^eiuiber  am 
Platze«  welche  lieute  noch  auf  diesem  Standpunkte  beharren, 
welche  ihre  Auschauungen  nicht  der  gänzlich  veränderten 
La  jre  der  Dinge  anpassen  wolle  ,  welche  mit  zäher  Verbissen- 
heit und  trotzigem  Eij^ensinne  eine  abji^ethane  Richtung 
künstlich  k(jnservieren  wollen.  Solclu  lAiile  bernfen  sicli 
W*ohl  anf  das  rei^e  pädagagische  Kebcii  und  Treiben  /ur  Zeit 
der  ^'hilantif )j>inisten.  Aber  bedenkt  !i  .sie  drnn  nicht,  dal's 
jenen  |>iakli>eiien  Verbuchen,  der  Xul/ien,  den  .sie  gestiftet, 
in  allen  Ehren,  zumeist  nur  eine  sehr  kurze  Dauer  und  ein 
wenig  ruhmvolles  Ende  beschieden  war?  Und  wenn  man 
sich  etwa  auf  W.  von  Humboldt')  stützt  man  liebt  es  ja 
in  gewissen  Kreisen  so  sehr,  alte  Autoritäten  ins  Treffen  zu 
führen  und  dann,  wenn  man  diese  nicht  mehr  j^elten  lassen 
will,  liber  den  Man.ufel  an  Piet'it  und  an  I^hrfurcht  vor  dem 
Cirolseii  /.n  zetern  so  ist  nur  /n  saji;^en,  dafs  doch  auch 
jener  für  uns  zu  den  Alten  ;^ehört.  Ob  nun  Humboldt -'i 
oder  ein  anderer  sagt:  Der  Staat  enthalte  sich  aller  Sorg- 
falt für  den  positiven  Wohlstand  der  Bürger  und  gehe  keinen 
Schritt  weiter,  als  zu  ihrer  Sicherstellung  gegen  sich  selbst 
und  gegen  auswärti.tje  Feinde  notwendig  ist,  zu  keinem  an- 
deren Kndzwecke  beschränke  er  ihre  Freiheit  ,  und  dann 
weiterhin  '1  daraus  auch  fob^ert.  dafs  der  Staat  sich  um  die 
Erziehuni;  der  Heranwachsenden  in  kriner  Weise  zu  künnnern 
habe,  unv  Modernen  erscheint  dergleichen  geradezu  als  eine 
l'njj;e!ienL-rliclikeil. 

Xiui  noch  eini^^e  \\'orte  über  die  (Uiedernni^  des  (also 
staatlichen)  vSchulwesens.  F'a'st  mau  dasselbe  in  seiner  Tota- 
lität ins  Auge,  so  lassen  sich  drei  grofse  Unterrichtsstufen 
und  ihnen  entsprechend  drei  Schularten  unterscheiden,  näm> 
lieh:  die  Primär-,  die  Sekinulär-  und  <lie  Tertiär-Schule,  von 
denen  die  letzten  beiden  wieder  manigfach  gegliedert  sind. 

'1  \  ItUci»  ZU  einem  \\i.sucli.  die  «  ireii/cn  der  Wirksamkeit 
des  Staates  /u  hcstnnmeii.  Kcclaursolie  Ausi^.ihe. 

-1  a.  a.  «  >.  S.  5;,. 

1  a.  a,  O.  S.  <»S  ff  S   75  uuUn  heilst  es;  UfknUiche  Jazichung 

scheint  mir  ganz  atifserhalb  iler  Schruuk^it  lie}>:tfn,  in  welchen  der 
Staat  seine  Wirksamkeit  halten  xmi'Is  .  ' 


_■ 

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86  Ptiui  ltrr](*'»mnn. 

1.  Die  Pr  i  III  är-Scli  u  1  c,  ciiisprccheiid  den  unteren 
Klassen  der  jel/ii^c  n  X'olkssclmle,  bildet  den  ^^etneinsanien, 
nicht  weiter  j^ej^liederten  l'nterhan  für  alle  Kiiuler,  \(»rnehnie 
und  gerini^t'  reiche  und  arme,  die  besonderen  \'(>rV)ereituiigs- 
.schulen  für  die  (ivninasien  müssen  \  er'<dix\  iiidrTi. 

2.  nie  Sek  n  IT  d  ä  r -  S  ch  n  1  e.  Hei  ilir  nnler>elieidcn  wir 
/imäeli.^t  zwei  AloliiluniL^en,  nändicli  die  jcnij^en  Leinaiistaltcii, 
welche  für  die  erwerbenden  (niederem  nnd  '•ulche,  welche  im 
die  regierenden  (höheren)  Benifsarten  vorbereiten.  Da  wie 
hier  tritt  eine  weitere  Scheidnnjjf  in  je  zwei  mehr  oder 
weniger  verschiedene  Bildun^s-Ziele  \  erfolgende  l'nterrichts- 
anstalten  ein,  sodafs  sich  folgendes  Schema  crgiebt: 

A.  Vorbereitend  für  die  erwerbenden  liemfsarte«: 

a.  Volksschulen  entsprechend  den  oberen  Klassen  der 

jetzijijen  Volksschulen: 

b.  Ih'iricerschuleii,  für  weilt  r^cliencie  Zwecke  für 
kimftij^e  Laudwiru.  Kauflentt-,  Sid)alterne-I?eanite 
elc.  etc.  (also  entsprechend  den  jetzigen  sogen. 
Mittelschulen). 

B,  Vorbereitend  für  regierende  Berufsarten: 

c.  Htterarische  (Gymnasien  für  künftige  Lehrer,  RiclUer, 
Verwaltungsbeamle  etc.  etc.; 

d.  Realgymnasien  für  künftige  niehr  auf  das  Tech- 
nische gerichtete  Berufsarten,  Ärzte,  Offiziere  etc.  etc. 

3.  Die  Tertiär-Schule,  die  sich  in  folgender  Weise 
gliedert: 

A.  Für  die  \'olksschule       die  F'ortbildungsschule ; 

B.  für  die  Bürgerschule  die  einzelnen  niederen  Fach- 
schulen ; 

C.  für  die  ( ielehrieu-Scliuien  die  Hochschulen  (I'u!- 
versitäten,  technische  Huchschulen,  Kriegsakademien 
e  tc.  etc.)  -  - 

Freilich  bedarf  dieses  Sciienia  einer  l%rgän/,ung,  wenn 
man  nämlich  noch  besonders  die  für  die  uflentliche  oder 
Schul -Erziehung  zu  beachtenden  geschlechtlichen  Unter- 
schiede berücksichtigt. 

Demzufolge  würde  bei  der  zweiten  Rubrik  diese  Ände- 
rung sich  ergeben: 

2.  Die  Sekundär-Schule. 

A.  Vorbereiten fl  für  die  erwerbenden  Berufsarten: 

a.  Volk.s.schulen 

u.  Für  Knaben    -  fi.  Für  Mädchen; 

b.  Bürgerschulen 

«.  Für  Knaben  Für  Mädchen. 


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»7 


I».  \  (>i  bcicilend  für  dif  req^ierciultii  lierufsarten : 
c.  lilterarisclic  GvmiKisicii 

a.  Für  Knaben    -  (t.  Für  Mädchen; 
(1.  Kealjü'yuinasien 

ct.  Für  Knaben  -  ,J.  Für  Mädchen  (würden  etwa 
den  jetzigen  höheren  Töchterschulen  ent- 
sprechen). 

Die  nämlichen  Hinzufug^nngen  würden  bei  3.  A  und  H 
zu  machen  sein. 

Aufserdem  j^^ebührt  aber  dem  vStaate  auch,  was  ich  doch 
iiiclit  j^an/  mit  »Stillschweij^en  überj^ehen  möchte,  die  Kür- 
sorjje  für  den  rnterricht  der  pathologisclit  n  ( Objekte,  w^lclie 
tbirclians  im  Interesse  der  Gesellschaft  lic^l:  »;iU  es  doch 
niöj^lichst  alle  Kräfte  für  die  Knltnr-Arbcil  uulzbar  /ai  maelieii, 
auch  schwache  nicht  j^änzlich  brach  liegen  zu  lassen.  In 
sehr  vielen  Fällen  wird  es  sich  nicht  blofs  um  den  Unter- 
richt, sondern  auch  um  die  Erziehung  im  engeren  Sinne 
handeln,  d.  h.  der  Staat  wird  zumeist  für  die  Unterbrinj»;ung 
dieser  rnjLilücklichen  in  Anstalten  Sori^^e  r-  jen  müssen,  in 
denen  beides  ihnen  jj^eboten  wird.  Inbetraelil  kommen  einer- 
seits Fälle,  in  welchen  es  sich  um  körperliche  ^ defekte,  nnd 
andererseits  solche,  in  denen  es  sieh  um  die  sos^eii.  mora- 
lische l'tr\ersität  und  um  den  Idioiisnnis  handelt.  Aniser 
diesen  Erziehun^s-Anstalten  mufs  der  Staat  ferner  solche 
unterhalten,  in  denen  Waisen  und  die  Kinder  von  Eltern 
unterzubringen  sind,  welchen  dieselben  im  Interesse  der  Ge- 
sellschaft entzogen  werden  müssen. 

Endlich  liegt  dem  Staate  noch  die  Organisation  der- 
artiger Einrichtnnj^en,  wie  der  schon  im  ersten  Kapitel  er- 
wähnten ob,  die  den  Zweck  \erfolj^en,  die  Heranwachsenden 
auch  auf  anderem  \\  ejjc  :il>  durch  die  Schule,  die  dazu  nicht 
als  ausreichend  j»elten  kann,  mit  dem  so  nötiji;en  sozialen  (reiste 
zn  erfüllen.  Ich  hatte  für  die  Schnlpflichtij^en  Lesekränzchen 
nntl  Spielvcreinit^nnjjen,  Au.slhige  nnd  Reisen  genannt;  es  ist 
zu  beachten,  dals  man  wohl  eine  Trennung  nach  Geschlechtern 
dabei  im  Auge  haben  darf,  nicht  aber  eine  solche  nach  den 
verschiedeneti  Schularten:  d.  h.  Schüler  der  Volks-  und  Bür- 
gerschiden  tiud  der  ( ivnniasien  müssen  hier  zusammenkommen 
nnd  kameradschaltlicii  miteinander  verkehren,  l'i'ir  die  »Schüler 
der  höheren  Lehranstalten  wird  freilich  diest  r  W^kehr  ziem- 
lich sclnu  11  ein  F^nde  iiiulen,  da  man  den  älteren  unter  ihnen, 
den  lie.^uchciu  der  «)beren  Kla.ssen  nicht  wohl  zumuten  kann, 
mit  .siA iel  jüngeren  (ico.^.sen  l'mgang  zn  haben.  Damit 
nun  bei  diesen  nicht  der  Erfolg  früherer  Beniühunp^en  wieder 
•  in  Frage  gestellt  'xi'erde,  empfiehlt  es  sich,  anf  einen  regen 


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hr.  I'nnl  lt<«i-:;<-tiuiiiii. 


Verkehr  zwisclieii  ilnivn  u\u\  den  FortbiUhinj^sscliülci  ii  liiii- 
/invirkfii.  l'iii  uutLr  dicvtii  ck-ii  sozialen  (rtisl  Wfitrr  /.\\ 
})fl<.\i^i.ii,  für  ihre  weiu-st  innnai-iij^fst'llschaftliclK'  liildun;^  /u 
sorgen,  ihren  i,^eistiiLfen  Plori/onl  xu  erweiteni  und  ihr  äslhe- 
tischcs  Interes.se  unniei  mehr  zu  wecken,  J4enii^en  die  Furl- 
bildnngs-Kurse  ebensowenig,  wie  hei  den  Schulpflichtigen 
die  Schule  ausreicht.  Ks  müssen  noch  andere  VeranslaU 
tungen  getroffen  werden:  Tnrn-  und  Spielkurse,  Leseahende 
und  gesellige  Wreinigungen  -  -  namentlich  im  Winter,  ge- 
nieinsame Ausflüge,  hesonders  auch  behufs  IJesichtigung 
grofser  Werkstätten,  industrieller  und  l'ahrik-Anlageü  \  or- 
nehmlicli  im  Sommer,  kommen  hier  inhetrachl.  Daran  >*»llen 
nun  auch  die  älteren  Schüler  der  ludieren  Uehranslallen  sich 
beteiligen.  Was  nützen  densell)en,  wird  mancher  vielleicht 
fragen,  Ausflüge,  die  den  angegebenen  Zweck  verfolgen? 
Welches  Interesse  sollen  diese  daran  haben?  (»lanbt  man 
wirklich  im  Kruste,  dafs  es  heutzutage  noch  jemand  geben 
köuTic,  der  für  diese  Dinge  kein  Interesse  hätte,  wenn  sie 
auch  mit  seinem  Ik-rufe  und  seiner  Lehensstv Ihing  keinen 
nnmiitelhareu  Zusammenhan-^^  haben?  Dafs  die  ans  der 
direkten  Anschauung  gewonnene  Kenntnis  davon  für  .solche 
Iveute  ohne  Nutzen  sei?  Nur  die  ein.seitige  X'ureingenonnnen- 
heit,  die  Beschränktheit  kann  so  reden  -  ich  glaube  nicht 
nötig  2U  haben,  darüber  noch  irgend  ein  Wort  zu  verlieren. 
Aber  darauf,  welche  grofse  Vorteile  in  anderer  He/iehnug 
daraus,  wie  überhaupt  ;ui^  (  iueni  solchen  \'erkehr  sich  er- 
geben, möchte  ich  noch  kiiiv  liimveisen.  Ich  sehe  diese  vor 
allem  in  der  Weckun  l:  und  Stärkung  des  ( iefühles  der  gesell- 
schaftlichen .Solid. tril.'il,  teimr  in  der  Herbeiführung  der 
rechten  Schätzung  niaUriellti  Arl)eit  bei  den  künftigen  (ie- 
lehrten  und  Beamten,  und  umgekehrt  einer  richtigeren  Wür- 
digung der  geistigen  Arbeit,  als  sie  heute  bei  unseren  Ar- 
beitern (dieses  Wort  im  landläufigen  Sinne,  wonach  man 
darunter  nur  die  Handarbeiter  verstellt,  genommen)  gang  und 
gäbe  ist,  bei  dvu  angehenden  Handwerkern  etc.  etc. 

Schlicfslich  mufs  hier  noch  ein  Punkt  zur  vSprache  ge- 
bracht werden,  auf  dessen  hhcuterung  sich  Smith  nirgends 
eingelassen  hat,  nändich  wie  lange  Zeit  auf  <lie  Schulbildmig. 
überhaupt  dieKrziehung  zu  verwenden  sei.  V\u  diese  letztere 
Frage  zuerst  zu  beantworten,  so  ist  zu  sagen,  dafs  die  Er- 
ziehung die  Zeit  von  der  (ieburt  bis  zur  vollen  Geschlechts- 
reife umfassen  soll;  die  einzelnen  Ktajjpen  lassen  sich  folgen- 
derniafsen  bestimmen,  ohne  dafs  jedoch  eine  strenge  (irenz» 
regnlierung  uu'^glich  wäre. 

I.  Vorwiegend  Kinzclerziehung  bis  zum  siebenten  Lebens- 
jahre ; 


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Adani  bwhh»  |i»iliiKugi»<-hp  Aitskhtvii  nii<1  Kritik  <ti>rM>|lM»ii. 


2.  vorwiegend  Masseiitrrziehuug,  vom  siebenten  Jahn* 
hh  zur  Erreichung  der  geschlechtlichen  Vollreife»  also  etwa 
bis  zum  neunzehnten  Lebensjahre.*)  In  diesen  letzteren  Zeit- 
raum fällt  nun  auch  die  Schulbildung. 


'i  \'icle.  mitcr  thiKii   ;unli  I)öiiiit5  ia.  a.  (V  S.  1S2)  lasscti  dii- 


j^eheti.  wdl  derEintntt  der  Pubertät,  der  erste  Schritt  /.ttr  Krlaiijrunj^ 

«Icr  jicsclilcchtlichen  \'ollreifc.  «lerartijre  pliysiolojrische  und  psycho- 
lofiisrhf  Atulcrunji^tn  herbeiführt-,  <lafs  vdh  I-lr/iehuti^'^  nicht  mehr  die 
Kedt  sein  kcinnc.  ICin  /tireicheiukr  IJeweis  alicr  fiir  diese  Hehauj)- 
U\tv^.  dafür  dafs  mit  der  eintretenden  l*nl)ertal  der  l'.r/iehiinj;  thal- 
sächbeli  »  ine  nniiberstei^diche  vSchranke  jfeset/t  wäre  ist  Tiirj^ends 
erbracht,  «fcwtis  wird  die  I\r/.iehun>(  von  jenem  Zeitpunkte  an, 
nametitlicli  infolp^e  der  bestätidig  fortschreitenden  Krhohun^  des 
Selbst j^t  füldes.  immer  schwierij^er.  aber  aufliören  «birf  sii  tbu^li  erst 
mit  dem  Eintritte  der  j;e.schlechtliclien  Vollreife:  jetzt  erreicht  das 
SelbstjS^cfühl  einen  };e\vissen  Höhepunkt,  der  Mensch  ist  in  sein 
S4imuierso1sti/  y:etreten.  Werweiis,  <hifs  ernunmehr  fähijj /.ur  Zen^iuijr 
lebensfähijrer  Nachkommen  isl.  <hus  er  alst)  evenl.  sel^'^t  flie  rfüclil 
der  b^r/.iehun^;  /.ii  erfüllen  haben  kann,  wird  nichtü  mehr  von  Kr- 
ziehunfT  seiner  selbst  wissen  wollen. 


(FortsetEttnjT  fol^tl 


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Die  experimentelle  Psychologie. 

\'oti  Heinrich  Free  in  Osnabrück. 
(Schlufs.) 

Naeii  diesen  Austülirniii^eii  ist  es  am  Platze,  iiocli  einen 
lUick  auf  die  Theorie  der  Lukalisatiun  und  Raumempfindung 
zu  werfen.  Den  Vorj;anj;  selbst  verraten  die  Theorien,  wie 
bereits  j^esagt  wurde,  nn.s  nicht;  sie  geben  nur  an,  wie  man 
sich  die  Sache  etwa  denken  kann,  oder  wie  die  Hrscheinunjjen 
niö)^liclier\veisc  zustande  kommen  können.  Die  älteste  Theorie 
läfst  die  l^etähijyunjj  an^t^iehoren  sein.  Diese  cntN\ickelt  sich 
nicht,  sondern  ist  einfach  von  (»ehnrt  an  j^eijeben.  Wir 
können,  mit  dieser  r.i  iinla.unnii  ansi^'crnstet.  m'cin  anders,  als 
unsere  lüriplinduni^en  auf  die  Herkimu.s>iellen  der  Reize  be- 
ziehen. Dieser  nativistischen  Ansicht  .steht  die  empirische 
{gegenüber,  welche  Lokalisation  und  Raunisinn  durch  die  Er- 
fahrung entstehen  läf.st.  Nichts  liegt  in  den  Xer\  en,  was 
sie  zur  Lokalisation  u.  s,  w.  veranlassen  könnte,  nichts  be- 
saj^en  die  I'jnpfindnnt^svori^an<j"e  an  sich  dan"d)er;  sondern 
diese  psy  chischen  Thatsachen  werden  durch  tlie  an  der  Anfsen- 
welt  «^^emachten  Krfahrnn^r  ermöi^licht.  ICine  dritte  Ansieht, 
welclie  die  \'erschmel/.nng.-.Lheorie  «jenannl  wird,  geht  daliiu, 
dafs  allerdings  die  Befähigung,  räumlich  wahrzunehmen 
u.  s.  w.,  erworben  wird,  aber  nur  dadurch,  dafs  die  Empfin- 
dtingen ein  Verschmelzungsprodnkt  bilden.  Wenn  wir  irj;end 
eine  Stelle  unserer  Haut  betupfen,  so  wird  nicht  eine  einfache 
I'*mpfindnn}^^  nti-^i^elöst.  sf>ndern  eine  Mehrheit,  die  eine  Ver- 
schmel/.nn^,  cim  Art  \ Orstellnn};^  bildet.  Neben  dem  Ue- 
riihrnn^seindrnek  sind  Knij)findnnt;en  in  der  Fm.i;el)nn.i;  dnrch 
tlie  Mitbewe.^nn«^  der  Hantstelh  n  ansi»;elöst  worden.  Darin 
wird  zugleich  die  I'orm  des  Berührungskörpers  ati.^^eprägt. 
Berühren  wir  auch  nur  mit  einer  Nadelspitze  die  Haut,  so 
wird  innner  ein  Komplex  von  Empfindungen,  die  miteinander 
\  erschmelzen,  erregt  Dadurch  .sollen  wir  über  den  Ort  des 
]\indrncks  unterrichtet  werden.  .I.otze  nannte  die  begleiten- 
den Hmptindnngen,  welche  die  Stelle  des  Kindrnrk<  be- 
zeichnen, die  lyokalzeichen.    Doch  hat  diese  Theorie  keine 


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INi.«  (•iipt>riiii<>nt«lli'  PftyrlKilufto. 


9« 


exptfiinientelle  Begründung  «gefunden,  weshalb  sie  nicht  all- 
^enidne  Anerkennuujj^  erlängt  hat;  auch  haben  Anhänger 
derselben  die  Lokalisation  von  der  Körpcrbant  weg  nach 
dem  '"'(.liiru  verlej^cn  wolkn.*)  Die  Versöhn icl/nngstheorie 
nimmt  hdcIi  andere  l{m])fiii(lun}^en  zn  Hilfe,  die  ans  deti 
Tastor^anen  kommen,  wenn  diese  liber  die  zn  lokalisierende 
Hantstelle  geführt  werden.  Mit  der  Hetastnnj^  werden  Be- 
wegnngsempiindnngcn  an.sgclüst,  die  in  das  Ve»"scbmelznngs- 
produkt  mit  eingehen,  so  dafs  dasselbe  ein  Gebilde  wird, 
welches  ans  mannigfachen  Empfindungen  zusanmiengesetzt 
ist.  Es  ist  anzunehmen,  dafs  alle  angefiihrten  Moniente  zu- 
sammen erst  eine  lokalisierte  nnd  räumliclu  A'orsteUnng 
j^eben.  Wie  sehr  dazn  die  Kmpfindnngen  des  Tastorgans, 
das  nie  l'.indrncksstelle  beriilnt,  luitragen,  ergiebt  sich  ans 
bekannten  ivrscheinnngen.  Wenn  ni.in  z.  H.  zwei  Finger  über- 
einander krenzt  nnd  damit  einen  RnTicbel  der  anderen  Hand 
berührt,  so  entsteht  nicht  ein  einheitlicher  Kindruck,  sondern 
ein  doppelter.  Wenn  die  Lokalzeich eu  allein  die  lokalisierte 
nnd  räumliche  Vorstellung  zustande  kommen  liefsen,  so  wäre 
das  nicht  möglich.  Man  ersieht  vielmehr  hieraus,  dafs  die 
Tast-  nnd  Hewegnngsempfindnngen  das  meiste  dazn  bei- 
trai^en.  Wie  stark  die  Bewegnngsem]>findungen  des  tasten- 
den ( >rgans  ant  die  Lokalisation  einwirken,  kann  man  l)ei 
der  Handhabnng  eines  (lerätes  merken.  Wenn  wir  nnt  einem 
Spazierstocke  aiil  den  Boden  stolsen,  verlegen  wir  die  ans- 
geloste  Empfindung  an  das  Ende  des  Stockes,  und  welches 
Arbeitsgerät  wir  auch  handhaben,  immer  versetzen  \vir  die 
Kanmvorstellung  an  die  Spitze  des.si  11>eii.  Das  kann  nnr 
durch  die  ausgelösten  Bew  egnngsempfindungen  ermöglicht 
werden.  So  zeigt  sich,  dafs  Lokalisation  nnd  Ranmanschan- 
nng  dnrch  die  gleichen  Mittel  znstande  kommen  nnd  de.*^- 
halb  anch  dassell)e  »^ein  müssen.  Die  einfachste  T.<)kalisalion 
ist  zugleich  die  einlaehste  Ranmvorstellnng.  Durch  ver- 
schiedene Tasteindrücke  und  Bewegungsempfintlnngen,  welche 
in  mancherlei  Weisen  sich  verknüpfen,  entsteht  die  Vor- 
stellung vom  räumlich  Au.^gedehnten.  Später  bringt  die  Kr- 
fahrnng  herans,  dafs  drei  Bewegunj^en  in  gleich  l)leibendcr 
<  )rdnnng  hinreichen,  die  Ranmv  erhällnisse  zn  markieren.  Die 
Ranm.'in-^channng  ist  ein  ]).s\ cli*>pli\ sisches  Isrlehiii'^  nnd  er- 
reicht cr>i  mit  der  Zeit  «lurcli  die  Wicderijolung  die  hckannle 
objektive  lM)rm. 

Dafs  die  Bewegungseni j»findungen  .x»  sehr  zur  richtigen 
Raumanschauung  beitragen,  pr.-igt  sich  in  dem  Bedürfnis  aus, 
jeden  Gegenstand,  von  dem  man  eine  deutliche  Vorstellung 

*i  Hentiann.  Ilaiidlitich  der  Physiolojne.  HI.  JM.  3.  Teil.  S.  414. 


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ffriiTTipli  Frei«. 


Winnen  will,  in  die  Hand  yax  nehmen.  Das  Kind,  das  eben 
die  Hände  bewegten  kann,  greift  nach  dem  (regenstande,  der 
seine  vSiniie  reizt.  Der  Erwachsene  macht  es  aber  ebenso; 
deshalb  mufs  in  allen  Mnseen  und  öffentlichen  Ansstelhmgen 

den  Besiicliern  stets  vor  Auj^en  geführt  werden,  die  (»ej^en- 
ständt  iiiclit  anznfassen.  Ks  j^entij^t  der  nienscbliclien  Wabr- 
neliiinniL::  iiiclit,  di*.  Dini;!  einirelu  nd  /.n  ])esehen ;  die  Kin- 
driieke  wenlcn  j^eiuuu  r  luuUkullielier,  wenn  man  die  (iegen- 
stände  in  der  Pland  j^ehabt  und  vielfach  betastet  hat.  \'oll- 
ständige  Kaumanschannn^en  bringt  das  An^e  ohne  den 
Tastsinn  nicht  fertig;  er  liefert  in  der  Spanne,  im  I'^ufs,  in 
der  Elle  nnd  im  Schritt  das  Mafs  für  die  Rannistrecken,  und 
mit  spraclilichen  He/.eichnunj^en  ans  seinem  (rebiete  behilfl 
man  sich  vielfach  in  der  Sjihfirc  der  liüliert-n  Sinne,  wcmi 
man  /..  K  spricht  von  hartm  ndcr  ^cquctscluen  J^auteii 
oder  Ttnien  nnd  \nu  ranhen  oder  weiclu  n  Farben. 

Welche  Wichtigkeit  der  Tastsinn  liii  jcilennann  lial,  er- 
giebt  sich  darans,  dafs  der  Mensch  sich  beständig  in  seiner 
Wirkungssphäre  befindet  Es  kommt  kaum  ein  Eindruck  in 
unser  Bewufstsein,  dem  nicht  Tasteuipfindnn gen  )>eigefiigt 
wären,  die  Jiu  der  Isolierung  nnd  deutlichen  Sonderung  der 
Vorstellungen  beitragen.  Hau])tsrichHch  sind  t  s  zwei  Funk- 
tionen, die  der  Tastsinn  beständig  volUnhrt:  er  giebt  Ans- 
kuntl  iil)er  die  körperlichen  Zustände  nnd  leitet  alle  ktnper- 
lichen  Bewegungen.  Im  ersten  l'alle  bestimmt  er  die  Pflege, 
die  der  Mensch  seinem  Körper  an  gedeihen  läfst,  im  zweiten 
geht  sein  Einflnfs  dahin,  den  Kraftverbraiich  bei  den  kci  per- 
lichen  Arbeitsleistungen  zu  bestimmen.  Das  Mittel,  den  Tast- 
sinn nach  beiden  Richtungen  hin  m  einem  zuverlässigen 
Führer  zu  machen,  ist  die  Kinübnng.  Die  zweckmäfsige 
KörperhaUniii;  läfst  sieh  nur  durch  fortgesetzte  Vlnm^  ge- 
winnen, el>en^M  wie  e.N  mit  der  richtigen  HaltuuL;  der  I\der 
z.  B.  der  b'all  ist.  l'bnng  nnd  (Vewuhnnng  siml  die  beiden 
Faktoren,  durch  welche  der  Tastsinn  beeinflnfst  werden  kann. 

Die  Bedeutung  des  Tastsinnes  für  die  räumliche  Son- 
derung der  Vorstellungen  findet  im  Unterrichte  vielfach  Be- 
achtung. Im  ersten  Leseunterrichte  wird  \  on  den  Lehrern, 
die  der  Jugend  die  Lernschwierigkeiten  in  geringster  Form 
nnd  in  geh(M-ig  :d)L;estnften  (iradeii  l>irU  n,  zuerst  allein  die 
vSchnilisehrill  geiil)'.  Die  Irinnen  ]ii;im.u  sich  mit  Hilfe  <1es 
Tastsinnes  dem  ( »edäeiilui.sM  e  in,  w  »  ^lialb  the  I  huni^eiJ  mehr 
ein  schreibendes  Lesen  als  ein  lenies  Lesen  sind.  Ivben.so 
ist  es  bei  der  Einführung  des  Kindes  in  die  Welt  der  Formen 
und  Farben.  Der  Zeichenunterricht  beschäftigt  sich  fast  aus- 
.schliefslich  mit  Formen  und  übt  sie  lianptsächlicli  technischer 
Zwecke  halber,  weshalb  das  Hauptgewicht  auf  mathematische 


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9.; 


Fi<>urtu  j4eiej;l  wird.  Xatürlicher  wäre  es,  ihn  in  den  Dienst 
des  realistischen  Untcrriehfs  xn  stellen  und  Formen  rnis  der 
Wirklichkeit,  die  /.n  fester  lünprä^^uuj^  gclan^^cn  sollen,  /.n 
iihcii.  Der  OescIiiclitRuntemcht  giebt  dazu  Aiilafs,  der  geo- 
»:rap1iischc  noch  mehr  und  vor  allen  Dingen  der  naturknnd- 
liche.  Diese  (gegenstände  sollten  znni  nicht  j;erinj>en  Teil 
xcichnend  betriehen  werden.  Soweit  es  sich  l)eini  Unterrichte 
nin  Veranscliaiilichnni^sniittel  handelt,  sind  sie  niöolichst  <len 
Kindern  in  <iir  Hand  y.n  j^ehen,  damit  der  Tastsinn  zn  der 
Anfnahnie  der  l'.rkeuntnis  seinen  IVil  heilia^en  kaini. 

Die  übri«»en  niederen  Sinne')  hier  zn  berücksichtigen, 
kann  ati5;  päda «logischen  (rründen  unterlassen  werden,  xttnial 
ihre  phv. biologische  nnd  chuphysische  Erforschnnj;  nicht 
zn  endj>;ültigen  Resnltaten  gekommen  ist.  Die  Nerven  dieser 
Sinne  sind  nnstreitij;  nnigewandelte  Tastnerveu»  die  direkt 
\  nn  rlk  inischen  \'orbindnn<(en  j^c  troffen  werden  müssen,  um 
eine  Hnipfindnnj;  in  der  ( frofshimrinde  aiisznlö.sen. 

Hin  ähnlich  chemischer  Sinn  i.st  derjenige  des  Sehens, 
dessen  .\pj»araie-)  anch  ans  den  Tastw  erk/.engen  hervorj^c- 
gangen  sind,  und  das  Sehen  ist  eine  Art  Ta.stfuuktion,  wes- 
liath  das  genaue  Sehen  ähnlich  wie  das  vorsichtige  Betasten 
eines  (>egenstandcs  ausgeführt  wird.  Das  f)rgau  der  Seh- 
funktion ist  bekannt,  aber  gewöhnlich  wird  die  Bedeutung 
der  Ikwcguug  des  Auges  für  das  Sehen  nicht  genügend 
beachtet,  luid  i^erad(  dit  Funktion  der  Rewegnngsmuskeln 
ist  für  den  Sehakt  eini  höchst  wichtige.  Ihre  liestinimnng 
liegt  nicht  allein  darin,  dafs  sie  das  Ange  lenken,  uml  zur 
Besichtigung  der  Dinge  geschickler  machen;  sondern  sie  sind 
vielmehr  ihm  beigegebene  Tasti^rgane.  VVie  der  Tastsinn 
erst  genau  lokalisiert  und  räumlich  vorstellt^  wenn  ein  be- 
wegliches Tastorgan  wie  die  Hand  über  die  Stelle  geführt 
wird,  wo  der  vorzustellende  Eindruck  gemacht  worden  ist 
nnd  also  mit  den  gleichsam  zweifachen  Tasteindrücken  sich 
die  liewegungsempfindnngen  \  ereinigen  tuid  /nr  Sondernng 
(ies  Hiuflriicks  beitragen ;  so  werden  anch  diednrcli  (his  Licht 
hervorgerufenen  F^indriieke  besonders  lokalisiert  und  als 
Raiungebilde  atifgefafst  durch  den  Hinzutritt  der  Bewegnng.s- 
empfiuduugen  aus  den  Augeunuiskeln.^)  Genau  sehen  kann 
das  Auge  nur  mit  dem  gelben  Fleck,  der  kaum  eine  Aus- 

't  Dr.  I"r.  Kiesow.  I5citrä)4:e  zur  pli ysioloj^iseheii  l'sycholojfie  de.s 
( ie.silniiackssinnes   Tliilos  Stud.  Jiilnji.  iS<;4  S 

'i  Alliiert,  riiysidld^^ie  der  Nelzluiiit.  üil  .lau  1S05,  Morgen- 
stern.   Fuchs,  Lehrbuch  der  AujrenheilkuiKle.  Lcip/.i.u  ''^94.  I>etiticke. 

■'1  .Schwarz.  I>ns  Wnhi iK'Iiinmii^s])r()hKin  I.rip/i-;  rSijT.  Duneker 
u.  liuniblot.  Stuinpa,  I  ber  den  p.s\  cliolu^^ischeii  l  rsi)ruug  <ier 
Kauiiivorstelluii<;.  Leipzig  1S73.  Ilirael. 


94 


deliiuin^  von  2  mm  besitzt.  Kr  bildet  sozusagen  den  Tast- 
pnnkt  des  An«es,  der  über  alles,  was  ,i»enan  gesehen  werden 
soll,  liinwej^^^^eführt  werden  mufs.  Mit  den  Tnsteindnu  ken 
verbinden  sich  die  Hewcgnn^scmpfindnngeii  der  Mn>.keln  des 
An«>cs  und  bilden  mit  ihnen  die  jfesonderte  (iesiclitsvor- 
stellungen.  Durch  diese  kunstreiche  Einrichtunjj  ist  das  Auge 
imstande  die  Mas>i.  da  Ersclieinnn.i>en  im  ( »esielitsfelde  zu 
zerlegen  nnd  das  Einzehie  nach  seinen  Merkmalen  aufzu- 
fassoti.  Das  Ang;e  ist  so  das  knnstn  ichstc  Tastorj^an;  es 
braucht  nicht  mit  den  I)in<»^en  in  Herührnnj.^  y.n  kommen, 
sondern  empfänj^l  deren  lvinwirknn<;en  ans  der  Ferne.  Dafs 
es  dennoch  einen  richtigen  Mafsstab  für  die  Ahschät^img  der 
räumlichen  Dimensionen  besitzt,  bewirken  die  Empfindungen 
der  Bewegnngsnuiskeln.  Wie  bedeutend  diese  von  Einflufs 
bei  der  Bildung  der  Vorstellungen  sind,  kann  man  aus  ein» 
zelnen  Beobachtungen  erfahren.  Zeichnet  man  zwei  Linien 
von  je  4  cm  Lange  nebeneinander  nnd  teilt  die  eine  dnrch 
mehrere  Qncrstrichc  in  lanter  kleine  Abteilnnq-en,  *:o  erscheint 
die  L^eteilte  Linie  dein  Ange  länger  als  die  nngeleilte.  Diese 
Hlicktänschnng  kommt  von  der  Bewegnngsempfindnng  der 
Augeuinnskcln  her.  Während  bei  der  migeteiUcn  Linie  tler 
Blick  in  einer  einfachen  Bew  egung  fortgleitet,  finden  bei  der 
geteilten  Linie  mehrere  Bewegungsimpulse  statt  Jeder  Teil- 
strich versucht  eine  kleine  Hemmung,  die  din  ch  einen  neuen 
Kraftznsatz  überwunden  werden  ninis.  Nach  diesem  Kraft- 
anfwand  schätzen  wir  die  dnrchmessene  Strecke,  weshalb  der 
geteilten  vStrecke  die  gröfsere  Ausdehnung  zu;^H'sprochen  wird. 
Schätzen  wir  eine  hjitfernnng  mit  freiem  lilick,  so  werden 
wir,  wenn  wir  ein  Mafs  anzugeben  wissen,  sie  uulersehalzen ; 
können  wir  aber  in  der  Kntfcrnnng  eine  Anzahl  Teilptmkte 
entdecken,  so  werden  wir  .nie  bedeutend  gröfs'^r  finden. 
Schätzen  wir  die  Lange  «  in.-  r.aumstammes  ab,  .so  machen 
wir,  ohne  I  es  uns  vielleicht  zum  Bewufstsein  kommt, 
nacheinander  lieweginigen  von  i  m  F. äuge,  und  nach  dieser 
I'jnpfiuduui:  '^xb(.!i  wir  das  gefundene  Mnfs  nu  Vjuc  \nllig 
U'ei\  l'l.ielir  ci^rliLinl  uns  aus  dickem  ('.runde  stets  kleiner 
als  eine  au.sgeliillte. 

Wie  erstaunlich  die  Kinflü.ssc  der  I  jnpfindungen  aus 
den  Beweg  ungsmuskeln  sind,  zeigen  noch  andere  Täuschungen. 
Die  sechs  Bewegungsmitskeln  sind  nämlich  nicht  gleich  stark 
und  können  deshalb  die  einander  entsprechenden  lieweg- 
ungen  m'cht  mit  dem  gleichen  Kraftaufwande  ausführen. 
Dazu  konnnt,  dnfs  dit  Sehachse  des  Auges  nicht  \<")llig 
horizuuLal  liegt,  ^  uuleru  nach  \orn  etwas  geneigt  In 
der  Ruhelage  Nclicn  unsere  Augen  also  innner  etwas  abs\  ärl.s. 
\"()r  die  I'üfse  zu  sehen,  ist  uns  am  notwendigsten;  deshalb 


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tiif>  oxp»riin«m<>lli'  l*»Tfii»litKi««. 


ist  unser  Auge  darauf  ein^u^ericlitet,  nicht  blofs  durch  st-ine 
Stellung,  sondern  auch  durcli  die  «j^röfserc  Stärke  der  das- 
selbe abwärts  l)e\vej:^endcn  Mnskchi.  Wollen  wir  eine  senk- 
rechte Linie  sehälzuntrsweist-  halbitrcn,  so  machen  wir  den 
oberen  Teil  /n  kurz;  denn  wir  teilen  nach  der  aufj^ewciulcUn 
krall,  und  da  diese  beim  Aul'wärtsrichten  des  Hlickes  gröfser 
ist  als  beim  Abwärtswenden  für  eine  objektiv  ffleiclie  Strecke, 
so  legen  wir  den  Mittelpunkt  nach  der  Kraftleistung  y.«  hoch 
und  machen  den  djersten  Teil  der  Linie  zu  kurz. 

Auf  solchen  Tänschnngen  beruht  die  Kmist  des  stereo- 
skopischen Sellens,  das  darin  liestelu,  ein  b'lächenbild  detn 
Ani^f  als  Tieft- 11  \  or>u  lliinj^  vor/uzaubern.  Iis  liej^t  an  di  r 
(k  wolndieit  nnM.  res  Auj^es,  mit  dem  I'jndruck  naher  (»ej^cu- 
stände  bestimmte  Muskelenipiinduu^cu  zu  verbinden  und 
ebenso  mit  entfernteren.  Dasselbe  geschieht  beim  Stereo* 
skopischeu  Sehen.  Die  Bilder  sind  so  hergestellt,  dafs  die 
P'igurm  hinter  einander  zu  Hegen  scheinen.  Werden  sie 
nun  im  Stereo.skop  betrachtet,  wobei  dem  Auge  die  richtige 
Schätzun}4  j^enonnnen  ist,  so  rücken  die  zu  den  Ivindrücken 
hinznli  L  ti  iidni  Iiewe«;nn»>;sempfin(hinjien  die  Fii^nrcn  räntn- 
lic  li  an^i  iuander  und  jL^eben  dem  (»an/en  ein  köi  pci  lichc  s 
Anseilen.  Vm  das  Auge  in  solelur  Weise  zu  iäii>ehen,  ge- 
nügt es,  die  Hand  zu  einer  Röhre  zu  formen  und  durch 
die.selbe  die  Cicgenstäude  mit  einem  Auge  zu  betrachten. 
Die  Figuren  au?  Bildwerken  treten  dann  plastisch  hervor. 

b's  wurde  vorhin  bemerkt,  dafs  das  Sehen  des  Anges 
gleichsam  ein  Ik-tasten  ist  juit  einer  ])unktförnngen  Stelle. 
Dem  sclu  int  zu  widersprechen,  dafs  die  Xet/hant  eine  i^röfKere 
.\us«lc  hniing  hat  und  in  allen  'l'eilen  znm  vSeiien  eingeriehlet 
ist.  Allein  es  ist  Thatsache,  (hifs  wir  nur  den  gellten  l'leck 
zum  Sehen  direkt  gebrauchen  und  das  Erblicken  eines 
(icgenstandcs  immer  ein  punktförmiges  ist.  Das  Sehen  mit 
den  übrigen  Teilen  der  Netzhaut  dient  nicht  direkt  der  Auf- 
nahme der  Liehtempfindungen,  und  die  darin  erhaltenen 
bjndrüeke  gehen  nicht  umnittelbar  in  das  mit  Anfinerksani- 
keil  aiifgenonnnene  l>e\vufstseins1)i'd  ein.  \'iehnehr  Ii  iben 
(Iii  I.,ielitreize  im  indirekten  Seiitelde  der  Xet/li  nii  ciiun 
ganz  anderen  Zweck.  Diese  Xetzhantpartien  >lehen  dureli 
den  Xei  \  ennieeliain.Miins  mit  den  Bewegnngsmuskeln  des 
Auges  in  \'crbinduug.  Wird  nun  die  Netzhaut  durch  eine 
Lichteiuwirkung  gereizt,  so  wird  der  Reflexmechanismus, 
wie  es  heilst,  beim  Auge  in  Thatigkeit  gesetzt,  und  ohne 
unser  Wollen  richten  die  .\ngeninuskcl  den  Hlickpunkl  auf 
den  (legenstand,  \on  dem  die  Reizung  ausgeht.  I)ie  Probe 
läfst  sich  leicht  anstellen.  l\s  liraneht  jemand  nur  in  eine 
bestimnue  Richtung  zu  .sehen,  und  ohne  dais  er  etwas  davon 


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96 


Heinrich  Fr»-«». 


wcils,  briiis^t  ein  aiidci  rr  einen  dir  Xetzliaiit  reizenden  (icoen- 
stand  in  sein  SehicUl,  Soloil  springt  der  liHcki)tinkt  zu  <U  ni 
neuen  ( ie<^en>Lamie  liiniiher,  wenn  er  nicht  etwa  j^ewaltsani 
davon  /nrüek^ehalten  wird. 

Das  puiiktförini^^e  Sehen  verlangt,  dafs  der  HHckptiiikt 
über  alle  Teile  des  (re^enstaiides  jj^eführt  wird,  der  aiifjfe- 
fafst  werden  soll.  Wenn  das  niclit  j^esclichen  ist,  merkt  man 
nachträf^licli  <lie  I^ückeu  im  Krinueniiii^shikle.  jemand  hat 
■/  W.  die  Im.miI  eine<  TTanses  mit  Interesse  heselien  und 
kann  sie  sieh  .^aii/.  (ii  ullieli  xorstellen,  wie  er  meint.  Wenn 
er  aber  he^iinit,  --ieli  (la>  I-ju/elne  /n  \"ert;e<ien wärtij^en,  /.  1«. 
die  Jahreszalil  iler  Kil)anung,  Fij^ureu,  einzelne  auffallende 
Formen,  so  merkt  er,  dafs  ihm  inauclics  fehlt,  und  er  wetfs 
nun  auch,  dafs  sein  Blick  nicht  dahin  f>:efallcn  ist  Hin  ^f^^ 
naues  »Sehen  und  Krfassen  aller  Einzelheiten  eines  (',e<jen- 
Standes  kommt  nur  zustande,  wenn  der  Blick  mit  Hewnfst- 
sein  darüber  geführt  wird. 

Irrnnj^en,  die  aus  nicht  j^enaueni  Sehen  hervori^ehen, 
L;iel)l  es  in  <;rofser  Zahl.  Wir  haben  schon  heim  .siereo- 
skopi.Nchen  Sehen  bemerkt,  wie  grofü  die  Abänderun.<j;  des 
(.Tesichtsbildes  dadurch  werden  kann,  dafs  eingeübte  untl 
gewohnte  Organempfiudungeu  dazu  treten.  Die  Sinnesreize 
im  Auge  vermögen  aber  anch,  frühere  ähnliche  Reizungen 
wieder  wachzurufen,  die  sich  mit  ihnen  vereini^an  niul  ein 
mehr  oder  wenij.;^er  nnrichtij^es  (icsichtsbild  liefern.  So  sehen 
wir  in  den  \\*nlken  Tiergestalten,  Drarlu  ii,  Seliäfchen  n.  s.  w. 
Kin  lausch  erscluint  uns  in  der  nännnenniL;  wie  ein  uns 
entgegen  koiiinu  ndes  rngetüm,  der  weifst  Iliikenstnmm 
wird  zu  einem  winkenden  Cicspenst,  und  die  gekalkte  Wand 
eines  Hauses  giebt  einen  Schein,  der  an  Feuer  denken  läfst. 
So  können  sich  vielfach  Gesichtsei ndrnckc  mit  früheren 
mischen,  und  daher  rühren  die  zahlreichen  Irrtümer,  die  uns 
im  Oebiete  des  (Tesichtssinnes  bej^^e^nen.  Ks  kommt  wieder- 
holt vor,  dafs  jemand  einen  ihm  unbekamUen  Menschen  mit 
einem  andern  ihm  bekannten  verwechselt.  <  Hl  will  man 
eine  IVr.son  an  einem  Orte  geselun  haben,  w  »  sie  nicht  ge- 
wesen ist  und  streitet  einer  andern  den  .\ntenthalt  ab,  der 

thatsächltcli  stattgefunden  hat.  Ebenso  irrt  das  Auge  sich 
in  der  Kombination  von  Personen  und  Handlungen.  Man 
dichtet  einer  Person  eine  Handhmg  an,  die  von  einer  andern 
ausgeführt  worden  ist,  und  leugnet  Thatsachen,  die  wirklich 
der  Person  zukommen.  Da  das  richtige  Sehen  nicht  blofs 
ein  gesundes  ( )rgan,  sop.dern  anch  die  nötige  l'bnng  voraus- 
setzt, so  kouunen  die  meisten  Seh  fehl  er  im  iüngeren  Alter 
vor.  Ks  würden  viele  Wetten  unterbleiben,  wenn  jeder  sich 
.seiner  Schwäche  im  Sehen  bcwuf.st  wäre  oder  seine  Augen 


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j^eiiau  gebrauchte.  litsoiuleis  ist  die  Kindheit  reich  an 
Irrungen;  wer  deshalb  mit  Kindern  umgeht,  hat  Gelegen- 
heit, sich  davon  zu  überzeugen.  Doch  auch  bei  Erwachsenen 

ereignen  sich  die  Sehfehler  zahlreich;  wer  sich  darüber  Ge- 
wifsheit  verschaffen  will,  braucht  nur  den  Gerichtsverliand- 

lungen  beizuwohnen.  Da  werden  Aussagen  i^emacht,  die 
sich  oft  diametral  gegenüberstehen,  ohne  dais  die  Zeugen 
\t>n  ihren  Meinungen  abzubringen  sind.  Mancher  Falscheid 
wird  geschworen,  weil  das  Auge  beim  Zeugen  eine  Täuschung 
begangen  hat,  die  in  einzelneu  Fällen  für  den  Aussagendeu 
verhängnisvoll  werden  kann.  Es  ist  unzureichend,  dafs  die 
Rechtspflege  blofs  von  Juristen  ausgeübt  wird;  soweit  es 
sicli  um  zeugeneidliche  Vernehmungen  handelt,  müfste  die 
Mitwirkung  von  Psychologen  erforderlich  sein. 

Die  Experimente,  welche  zur  Krforschnntf  des  Licht- 
sinncs  voi^riKMunRii  werden,  l)eschäftiiL,''eii  sieh  daiiiit  die 
intensiven  und  tjualilatix  eii  ruLcrscliiedsenipfindlichkeiteu 
festzustellen.  In  der  Regel  werden  Licht-  und  Farbcuein- 
drücke  benutzt  Das  Auge  unterscheidet  eine  farblose  Licht- 
empfindung und  eine  farbige.  Während  die  erstere  vom 
reinsten  Weifs  bis  zum  tiefsten  Schwarz  sich  abstuft,  bewegt 
sich  die  andere  durch  die  bekannte  Farbenskala,  die  wir  im 
Regenboi^en  erblicken.  Zu  der  l'ntersnclnmg  des  farbigen 
Licliies  \erv.'endet  nuin  das  Sonnenspektrum,  das  durch  das 
Spektroski )})  ^^ewonnen  wird.  Es  kann  jede  Farbe  von  weifs 
bis  zu  seliw  ar/  abgeslull  werden  und  .so  zugleich  alle  tirade 
ihrer  Sättigung  durchlaufen.  Farblose  Lichterreguu^en  sind 
immer  in  unsenn  Auge,  aber  keine  farbigen,  obwohl  in  den 
vSonnenstralilen  nur  farbige  Lichtstrahlen  vorhanden  sind. 
Wirken  die  sieben  Farben  des  Regenbogens  auf  unser  Auge 
ein,  so  bemerken  wir  sie  alle  sieben  ganz  deutlich;  sammelt 
mati  sie  durch  eine  Linse  zu  einem  T^ichtbvindel,  so  wird  im 
Aii.L;e  nur  eine  Weilslieluemjitindnn^;  aiis<^el< )sl.  Das  kann 
num  aljcr  auch  schon  durch  zwei  harben  des  Spektrums 
erreichen,  z.  B.  durch  Purpurrot  und  Grün  u.  s.  w.  Man 
nennt  solche  Farben,  weil  sie  sich  entgegenwirken,  Kontrast- 
farbe»; denn  augenscheinlich  löschen  ihre  Wirkungen  sich 
einander  in  der  XervenempfindunL;  ans.  Wie  es  aber  mög- 
lich ist,  dafs  farbiges  Licht  die  farblose  Lichtempfindung 
hervorzurufen  vermag,  ist  tmbekannt.  Jedenfalls  liegt  die 
Kinrichtung,  wodurch  diese  \\  irknni,^  zustande  kommt,  im 
Auge.  Das  gelu  schon  daraus  hervor,  dafs  die  Empfindung 
der  einzelneu  E'arben  nicht  durch  die  ganze  Netzhautfläche 
vermittelt  wird;  denn  mit  den  Netzhau trandem  können  wir 
nur  weifses  Licht  wahrnehmen.  Aber  aitch  der  Teil  der 
Netzhaut  für  farbiges  Licht  ist  nicht  für  alle  Farben  gleich 

Jl«it(  lUWn  Vif.  *.  .  , 

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98 


)fi'iwr{<-li  Fwc. 


empfindlich.  Während  Violett  nur  mit  einem  ganz  kleinen 
Gebiet  wahrgenommen  werden  kann,  ist  durch  Blau  fast  die 
ganze  Netzhaut  erregbar.  Dazwischen  liegen  die  Grenzen 
für  die  anderen  Karben,  die  also  anch  niclit  mit  glciclicr 
Netzliantfläche  einj)fiin(lcn  werden.  Die  letzten  Ursachen 
des  vSehciis  sind  mit  dem  l'"x])erinR nt  noch  nicht  aiilgedeckt 
worden,  und  deshall)  ist  auch  hier  noch  ein  Feld  lür  Tlieoricn. 
Ursprünglich  Hefs  man  die  Fähigkeit  für  verschiedene  Licht- 
wahrnehmungen angeboren  sein.  Dann  erfuhr  man  aus  der 
Mischung  von  Malerfarben^  dafs  zwei  Farben,  welche  einer 
dritten  benachbart  sind,  zusammengemischt  diese  er<^eben 
und  liefs  nun  alle  Farbenerscheinnngen  atis  objektiven 
Mischungen  der  Farben  hcrvorirehen,  wobei  man  drei  oder 
vier  Farben  als  (xmudfarben  annahm.  Fndlich  kam  die 
Wellentlieoric  inbezug  auf  das  Licht  auf,  und  legte  die  Ver- 
mutung ualie,  dafs  in  der  Netzhaut  Xerveneleuiente  für  die 
vervSchiedenen  Lichtarten  vorhanden  sein  müfsten.  Besonders 
suchte  mau  diese  Theorie  durch  die  Erscheinungen  der 
Farbenblindheit  zu  stutzen,  die  davon  herrühren  sollte,  dafs 
die  Aufnahmezapfen  für  die  betreffenden  Farben  fehlen  sollten. 
Bei  der  Erklärung  des  Farbensehens  ist  man  anch  zu  der 
Ansicht  gekommen,  dafs  in  der  Netzhaut  barbstoffe  vor- 
handen sein  müfsten,  durch  deren  Zersetzung  .seitens  des 
Lichtes  die  verschiedenarligen  linipfindungen  im  Sehnerv 
ausgelost  würden.  Allein  alle  Annahmen  vermögen  nicht, 
jede  bei  der  Lichtempfindung  auftretende- Eigentümlichkeit 
zu  erklären.  Deshalb  bezieht  die  Wundtsche  Psychologie 
alle  Lichterscheinungen  auf  die  chemische  Rewegung  in  den 
Nerven,  die  allerdings  durch  ]>li  \  sikalische  \'orgänge  her\  or- 
trerulen  werden.  Chemische  Anai\  .sen  und  SN  Uthesen  kommen 
dnreli  Mnlekidarsch win^uugen  zustande,  das  ist  dit'  Tliat- 
.sache,  Würaus  man  die  verschiedenen  Lithurschtinungen 
erklärt.  In  den  Sehnerven  findet  bestcändig  eine.  Molekular- 
schwingung statt,  die  den  Eindruck  des  Finsteren  oder 
Schwarzen  bewirkt.  Diese  Schwingungen  werden  abgeändert 
in  ihrer  Stärke,  wodurch  alle  Arten  der  weifsen  Lichtempfin- 
dung her\orgerufen  werden.  Farbige  Lichteindrücke  ent- 
stehen durch  neue,  neben  jenen  her\'or^enitenen  Schwing- 
ungen, die  durch  ihre  Stärke  vorherrschen  k/nnien,  aber  auch 
die  weilse  Lichtenipiindung  unter  bestininitcn  Ikdingungen 
zur  Geltung  kommen  lassen,  so  dafs  es  von  jeder  F^arbe 
Arten  von  der  dunkelsten  bis  zur  hellsten  Form  giebt  Kon- 
trastierende Farben  heben  sich  in  ihrer  Wirkung  vollständig 
auf;  es  entsteht,  so  zu  sagen,  eine  Interferen?,  während  die 
sich  näher  liegenden  Farben  eine  mittlere  Schwingung  im 
Nerv  auslösen,  so  dafs  z.  B.  Rot  uud  Gelb  die  Orangefarbe 


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bi«  expvriincDtelle  }'#ychulugie. 


99 


erjj;ebeii.  Ktwas  Unerklärliches  liU-ibt  iininer  noch  heim 
Sehakt;  denn  eine  gewisse  Schwingungsart  ist  im  Xerv 
immer  nur  hervorzurufen,  wenn  ein  entsprechender  physika- 
lischer Vorgang  vorhergeht  Stellen  wir  z.  B.  die  Farben 
Rot  und  Gelb  nebeneinander,  so  lösen  sie  zwei  verschiedene 
Schwingiingsformen  im  Auge  aus;  mischt  man  beide  Farben 
durcheinander,  so  entsteht  Oranq;e.  Die  Miscluing  kann  man 
auch  durch  rotierende  Scheihen  ausführen,  auf  denen  die 
entsprechenden  Farben  anofe])racht  sind.  Ks  mufs  also  schon 
eine  jjh\ sikalische  Schwingungswandluug  vor  sich  gegangen 
sein,  wenn  eine  entsprechende  physiologische  erregt  werden 
soll.  So  ist  der  Sehakt  seinem  Wesen  nach  nicht  vollständig 
aufgehellt  und  bedarf  weiter  der  Untersuchung. 

Wollte  mau  allen  Anforderungen  gerecht  werden,  so 
müfsten  die  Augen  eines  jeden  Kindes  auf  seine  Sehfähig- 
keit untersucht  werden  und  zwar  nicht  blofs  einmal  beim 
Kintritt  in  die  Schule,  sondern  wiederholt  in  regelmäfsigen 

Zeiträumen.  Nicht  blofs  \om  arztlichen  Standpunkte  aus 
wäre  diese  Untersuchung  xorzuiu Innen,  sondern  ganz  be- 
sonders aucli  vom  ]>ädngogiscIuii.  Ks  handelt  sich  heim 
Sehen  um  ilic  Aulnalune  von  l'urmcn,  die  durch  Farl)en 
hervorgebracht  werden,  besonders  sind  die  Fragen  zu  beant- 
worten, wieviel  ein  Kind  in  einer  gewissen  Zeit  anfnehmen 
kann,  und  wie  lange  das  Aufgenommene  haftet.  Man  kann 
in  gewissem  Sinne  von  einem  Augengedächtnis  sprechen. 
Der  T^nterriclit.  wie  er  heule  betrieben  wird,  ist  nach  vSchätz- 
ungen  eingerichtet.  Ks  wäre  aber  doch  einmal  am  Platze, 
durch  ausgedehnte  riuer>uclnnigen  das  Lern\ ernir)}^cii  (kr 
Sinne  festzustellen.  Wieviel  und  wievielerei  Neues  darf  dem 
Auge  täglich  geboten  werden,  und  wie  oft  sind  Wieder- 
holungen notig?  Das  sind  die  Fragen,  die  durch  planmäfsige 
Untersuchungen  zu  beant'. /orten  sind,  und  das  ist  vor  allen 
Dingen  Sache  der  Pädagogik.  Auch  die  experimentelle 
Psychologie  wird  sich  diesen  Fragen  einmal  zuwenden,  wenn 
sie  erst  darüber  im  klaren  ist,  wie  die  verschiedenen  Sehakte 
zustande  kommen. 

Beinahe  jeder  Unterriel  t  ;  w  c  i^  wcnrU  l  sich  an  das  Auge. 
Die  Religionsgeschichte  wird  mit  Hilfe  biblischer  Bilder  dein 
Kinde  vorgeführt.  N\ni  wäre  es  doch  zum  mindesten  in- 
teressant zu  crfalircn,  wieviel  nach  ein  paar  Jahren  noch  da- 
von Vorhände  n  ist.  Auch  die  litterarischen  Stoffe  werden  in 
den  späteren  Schuljahren  vorzugsweise  mit  dem  Auge  ein- 
geprägt Dabei  läfst  sich  ganz  gut  feststellen,  wie  treu  und 
lange  sie  im  Gedächtnisse  haften.  Derartige  Untersuchungen 
sind  bereits  angestellt  worden,  aber  wohl  nicht  ganz  fehler- 

7* 


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Hrinricb  Frp<> 


frei.^)  Beim  Memorieren  niufs  z.  B.  beachtet  werden,  ob  man 
die  Thätlgkeit  blofs  mit  dem  Auge  vollzieht«  oder  ob  man 

die  Sprechwerkzeii^e  leise  mitbewegt,  oder  aber  ol)  man  Ge^ 
sieht,  Gehör  und  Sprache  zusammen  anwendet.  Deini  Lese- 
iintcrriHitc  sind  es  vorznq^s weise  die  Ani^eii,  wclclu  «He  Hncli- 
stabcu-^  Silben-,  Wort-  und  Satzbilder  aiiizinuhnun  haben. 
Anf  ricli  j  Lj  I  s  Sehe  u  kuunnt  es  auch  im  vSchreil)-  und  Zeichen- 
uuterriciu  an,  und  vor  allen  Dingen  sind  es  Geographie  und 
die  naturkundlichen  Fächer,  welche  die  gröfsten  Anforde^ 
rungen  an  das  Auge  stellen.'  Je  genauer  man  mit  den 
Funktionen  des  Auges  bekannt  ist,  desto  zweckmäfsiger  wird 
sich  der  Unterricht  gestalten  lassen. 

Eine  einziehende  I  ntersnchun^  h  i»  auch  bereits  der 
(Tehörssinn  ertaiiren,*)  dessen  HrforsehuuL;  in  objektiver  He- 
zichung  leichter  ist  als  die  des  Gesic lUssinnes.  Man  mufs 
bei  diesem  entweder  direktes  Sonnenlieht  anwenden  oder 
künstliche,  aber  gleichwertige  Lichtquellen  sich  zu  verschaffen 
suchen.  Beim  Gehorssinn  ist  man  unabhängiger.  Als  Ton- 
werkzeuge gebraucht  man  hannoniumartige  Musikwerke, 
worin  die  Töne  nach  ihrer  Schwingungszahl  abgestuft  siud, 
wobei  meist  ein  l'nterschied  \'()n  vier  Schwingungen  fest- 
gehalten wird.  ist  die  lunpfindliclikeit  für  den  schwächsten 
Ton  festzustellen  uutl  ebenso  die  für  die  gröfste  Tonstärke. 
Dazu  tritt  noch  die  Übung,  die  l'nlerschiedsempfindlichkeit 
für  Töne  fest/ustellen,  welche  zuerst  die  gleiche  Schwingungs- 
zalil  haben,  wovon  aber  einer 'um  eine  eben  merkliche  Gröfse 
verändert  wird.  Zu  solchen  Untersuchungen  lassen  sich  auch 
gleichmäfsig  abgestufte  Stimmgabeln  verwenden,  die  aber 
mit  dem  Nachteil  behaftet  sind,  dafs  der  Ton  bald  verklingt 
Will  man  für  besondere  T'ntersnrhnngen  Stinim^abrln  ge- 
brauchen, so  scballel  man  sie  in  eine  i^aKanisclu  vSirom- 
leitung  ein,  wodurch  ein  gleichmäl-siges  Forischwingeu  er- 
möglicht wird. 

Das  Ohr  ist  ein  recht  kunstreich  gebauter  Apparat,  der 
wesentlich  aus  zwei  Empfindungsteilen  besteht.  In  der 
Schnecke  befindet  sich  das  (eigentliche  Tongehör,  w.ährend 
Vorhof,  Gt  linrbögen  und  Ampullen  für  Geräu.schempfindungen 
cingericlilet  zu  sein  scheinen.  Der  (^leräuschapparnt  ist  der 
zuerst  in  der  Geschn]>fwelt  anftre  ende,  während  die  Schnecke 
nur  den  höher  organisierten  W  esen  eigen  ist  Mancherlei 

*)  Kbinghans.  T'ber  das  Gedächtnis.    Lcip/.ig  iS,S5.  Duncker 
u.  lluinblot.    I.ewy.  l^xpcriincntelle  Utltersuchung^en  über  <las  Ge 
dächttns  Zeilschrift  für  Psychologie  is.  s.  w.  von  Kbinghaus  u.  König. 
8.  B.  1M95.  S.  231. 

«)  Heimholt;:,  Die  Lehre  von  den  Tonenipfindungen.  Braun- 
schweig 1877,  Vieweg.   Stiimpe,  Tonpsychologie.  Leipzig,  Hinsel. 


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f>xp»rliii«nii;ll«  PaychoJoitl*.  lOI 
*  -  . 

T^instäiide  haben  xii  der  allerdint^s  wenig:  beß:ruiideteii  Au- 
Irreführt,  dafs  die  S]>rnc!ie  aus  <lein  (U'saiTi^e  liervor- 
jj;t  .L;a!igen  sei.  Das  Vurw  ie.ij^cii  »k-r  \*MkalL  in  den  ältesten 
Sprachen  schtint  etwas  dafür  zu  sprechen.  Der  Vokal  ist 
ein  Ton  mit  dem  ein  schwaches  Geränsch  verbunden  ist, 
"während  die  Konsonanten  znm  gröfsten  Teil  nur  aus  Ge- 
ränschen  bestehen. 

Die  Sprache  ist  aufs  inni<»^ste  mit  dem  Geliör  verbunden, 
und  erst  die  Lautsprache  hat  zu  einein  j^lcichwerti^^cn  Mittel 
für  das  -Auj^e,  nämlicli  znr  Schrift  ^-eführt.  Die  Ivautsprache 
bietet  für  Fntersiiclnnij^cn  <  in  rciclics  l'eld,  das  noch  so  crut 
wie  j^ar  iiiclit  betreten  worden  ist  Kiii  Hejirriffswuii  /,.  R 
hat  nicht  blofs  einen  Inhalt  schlechüiin,  sondern  steht  auch 
in  mannigfachen  Satzbeziehnngen,  woraus  sich  besondere 
ßestimmnngen  für  den  Wortinhalt  ergeben,  Kür  den  Jngend- 
unterriclit  wäre  es  sehr  wichtig  zu  luitersuclien,  wie  des 
Kindes  Wortschatz  beschaffen  ist,  wie  sein  Hesitz  an  Satz- 
(;e1>ilden,  wie  der  Zusanuncnha^' seiner  Redeteile  u.  s.  w. 
Die  Sprache  ist  das  Werk/eiiL^.  niitlelsl  dessen  das  Kind 
Stunde  für  Stiuide  neuen  I>ildnn->sl< 'tt  in  sich  aufnehmen 
M»ll.  Da  ist  es  doch  nötij^,  dais  man  über  dassell>e  genaue 
Kenntnis  besitzt  Es  genügt  z.  B.  keineswegs,  dafs  der  Lehrer 
vermittelst  dieses  Werkzeuges  den  Bildungsstoff  dem  Kinde 
ztiführt,  sondern  das  letztere  mnfs  selbst  das  Werkzeug  fleifsig 
handhaben,  um  sich  denselben  zum  Rigentume  zu  machen. 
Wer  spricht  nun  mehr  im  Unterrichte,  der  das  VVerkzeuj^: 
belierrschende  T, ehrer,  orler  flns  Kind,  das  nur  durch  die 
eigene  Sprechübung  zum  He>it/  des  Inhalte';  gelangen  kann? 
Eine  gewi.s.se  Sprachschwäciie  begleitet  manche  Kinder  durch 
die  ganze  Schulzeit  und  viele  Menschen  durch  ihr  ganzeis 
Leben.  Die  Pädagogik  hat  die  Pflicht  festzustellen,  wie  oft 
ein  Kind  eine  vSache  in  Worte  kleiden  niufs,  um  sie  zu  be- 
herrschen, und  wie  oft  Wiederholungen  nötig  sind,  \un  zu 
einem  dauernden  Hehalten  zu  gelangen.  Auf  diese  Weise 
wird  man  dahin  kommen,  das  Lernen  zu  einem  psychologischen 
zu  machen. 

Wie  (»esichts-  und  Tastsinn  uns  zu  räumlichen  Anschau- 
ungen verhelfen,  so  das  Gehör  zu  Zeitvorstellungen.  Damit 
die  Kiiipfindung  einer  Zeitdauer  entsteht,  ist  es  nötig,  dafs 
die  Begrenznngspunkte  einer  Zeitstrecke  zugleich  im  Bewufst- 
sein  vorhanden  .sind,  '  Ist  das  nicht  der  Fall,  so  kann  auch 
keine  lieziehuug  aufein.inder  stattfinden,  und  von  einer  Zeit- 
e!upfinduug  k;inn  nirlit  dir  Rede  sein.  Sowie  uns  das  (»e- 
siehtsfeld  ein  \  erscluvtjmmeues  wäre,  wenn  (las  Aiüm  nielit 
die  einzelnen  nl.jekte  mit  Hilfe  seiner  ( )rgatii^aiit »n  /u  i^o- 
liereji   \eruioelite,  so  käme  der  Mensch   nicht  zu  Zeitvor- 


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I02 


ll«-iiirifh  I  re»-, 


stcUunjj^Lii,  wenn  sein  Ohr  nicht  die  endlose  Zeit  in  Teile  /n 
/erlegen  vermöchte.  Das  geschieht  dnrcli  die  im  liewnlst- 
sein  ztisammentreffenden,  einen  Vorgang  begrenzenden  Ein- 
drücke,  wovon  der  erste  schon  abjjeschwächt  erscheint,  wenn 
der  andere  in  voller  Stärke  auftritt  Wiederholen  sich  die 
Eindrücke  derselben  Zcitstrecke.  sn  geben  wir  dem  ersten 
Eindrncke  unwillkürlich  die  stärkere  Hetonnng  niul  fK-in 
zweiten  die  schwäclure.  Wir  geben  zu  den  ( feböreindrücken 
aus  unserer  Kmjjfindung  etwas  hinzu,  wie  das  bei  den  (re- 
sichtswahrnehniungen  geschielit.  Aul  diese  Weise  kommt 
das  Gehör  zu  einer  taktniäfsigeii  Betonung  regehnä/siij  auf- 
einander folgender  Schalleindrücke,  zunächst  zum  Zweiviertel- 
takt, aus  dem  sich  die  übrigen  Taktfonneu  durch  die  will- 
kürliche Iktonung  seitens  des  Gehörs  von  selber  ergeben. 
Eine  Vorstellung  von  längeren  Zeitstrecken  kann  nur  dadurch 
zustande  kf)mTnen,  dafs  nncli  ciiuiii  häufigen  Wiederholen 
der  Anfaiigs[)unkt  durcli  tkii  Sehlulseindruck  wieder  wach- 
gerufen wircl.  Die  ZeiLaulfasMing  ist  bedeutend  seiiwieriger 
als  die  Auffassung  des  Raumes,  weil  räundiche  X'orstellungen 
fast  beständig  in  unserni  Bewufstsein  sind»  Zeitvorstellungen 
dagegen  selten.  Das  Kind  hat  selten  mit  Zeitvorstellungcn 
zu  thun;  deshalb  sind  seine  Zeitangaben  in  der  Regel  höchst 
unsicher  und  verkehrt. 

Der  <  rcsii  bt'-^inn  täuscht  durch  das  Wnclirufen  früherer 
l'.nipfindungeii  mittelst  neuer  Eindrücke  oder  durch  Zu- 
samnienfüguiig  \  un  Krinnerungsempfindungen,  die  einantler 
ganz  fremd  sind.  Ahnlich  so  maclu  es  das  Gehör.  Wir 
geben  Worten  einen  ^auz  anderen  Sinn  als  sie  hatten,  da 
wir  sie  hörten.  Wir  dichten  Personen  Aufserungen  an,  die 
nicht  von  ihnen  herrühren,  und  leugnen  ihnen  .Vussagen  ab, 
die  sie  wirklich  gemacht  haben.  Das  Wortgedächtnis  des 
Kindes  biingt  die  scUsamsteti  Vertausch nn gen  ferti^^.  Ks 
werden  Namen  miteinander  verwechselt  inicl  Redewendungen 
zusammengebracht,  so  dafs  aus  /wei  alten  ( rcschiclitt ii  eine 
ganz  neue  entsteht,  ohne  dafs  wir  ein  Rewulstsein  davon 
haben.  Am  schwächsten  ist  das  jugendliche  Gedächtnis  in 
der  Fcsthaltung  einer  Zeitreihe.  Die  Vorgänge  werden  ver- 
tauscht in  zeitlicher  Beziehung,  und  namentlich  Zeitzahlen 
werden  vergessen  oder  durcheinander  geworfen.  Es  iSt  des- 
halb die  (»eschichte  ein  schwieriger  l ■nternchtsi^^egenstand 
für  die  Jugend  und  eigentlich  erst  für  ein  reiferes  Alter 
geeignet. 

Das  Ohr  besitzt,   wemi  aucli  im  schwachen  Grade,  die 
*  Fähigkeit  einen  Schalleindruck  zu  lokalisieren,  näudich  Rich- 
tung und  Entfernung  der  Schallquelle  bestimmen  zu  können. 
Diese  Befähigung  wird  wahrscheinlich  abhängen  von  der 


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Kiuwilkun«»  der  ( )hrinuscliel  und  den  im  (ichürgan^t*  bciind- 
lichen  VViinperhaartn,  sowie  von  den  überall  aucli  in  den 
vorderen  Gehörwerkzeiigen  vorhandenen  Tastnerven.*) 

Die  Empfindungen,  vereinigen  sich  zu  Vorstellungen. 
Die  bewufste  Zusannnenfiij^unj^  nennt  Wandt  die  Apper- 
zeption, als  deren  ( )r<;an  die  Grofsliirnrinde  angesehen  wird. 
Andere  nennen  die  \'erbindnn,<j;  der  \'nrstL'lliin«»^en,  die  als 
keine  besonders  bewnfste  psycliisclie  Handlnn«^  anj^^esehen 
wird,  Association.-')  Xacli  Winidt  sind  anch  diese  in  Wirk- 
iiclikeit  Apperzeptionen,  doch  pa.ssii^er  Natur,  während  bei 
den  eigentlich  apperzeptiven  Verbindungen  ein  aktives  Ge- 
schehen vorliegt  Es  kommt  dadurch  zustande,  dafs  die  Auf- 
merksamkeit darauf  gerichtet  ist  Doch  ist  diese  nichts 
Neues  und  keineswegs  etwas,  das  neben  dem  Apperzeptions- 
prozesse \  Mflianden  wäre;  .sondern  es  ist  nur  ein  anderer  Ans- 
drnck  fin  die  .\kti\ apperzepti'>!i  seihst.  Kbenso  ist  die  Apper- 
zeption wieder,  insofern  eine  hc^iinmite  Richtnn«^' der  psych- 
ischen Aktion  sieh  darin  kund  giebt,  gleichbedeutend  mit 
dem  Willen.  Vom  Standpunkte  der  ph>  siologischen  Psycho- 
logie stellt  sich  der  Inhalt  der  Seele  einfacher  dar,  als  man 
das  gewohnt  ist  nach  den  Klassifikationen  der  früheren 
Psychologien.  In  solcher  Einfachheit  liegt  die  (rewähr  für 
die  Möglichkeit  der  Unterstichnii^^  der  Aufmerksamkeits-  oder 
Willensvorgänge.  Zwar  hat  man  bis  jetzt  kein  Mittel,  die 
letzteren  direkt  der  Unterstichnng  zu  unterwerfen,  sundern 
wendet  eine  indirekte  Weise  an,  um  über  den  Verlauf  der 
Vorgänge  Auskunft  zu  erlangen.  Der  Wille  in  einfachster 
Ponn  giebt  sich  in  der  triebartigen  Handlung  kund,  bei  der 
das  Bewufstsein  von  der  letzteren  mit  ihrer  Ausführung  zu- 
sammenfällt W'as  man  bei  der  Triebhandlung  dem  Mafse 
unterwirft,  das  ist  die  Zeit,  wofür  man  t'hrwerke  besitzt,  die 
Tansendstelseknndcn  anzeigen  nnd  mittelst  eines  galvanischen 
Stromes  in  P>cwegun<^  gesetzt  und  wieder  zum  Slillsland  ge- 
bracht werden.  Iv.s  werden  eine  grofse  Zahl  verschieden- 
artiger Willenshandlungun  au.NgelührU  und  die  gewonneneu 
Zeitzahlen  geben  Auskunft,  wie  lang  die  Dauer  eines  jeden 
Willensvorganges  ist  Man  setzt  die  Willenshandlungen  aus 
mehreren  M.^nienten  zusamnu  ii,  um  auf  diese  Weise  Einsicht 
in  den  Zn.sammenhang  der  Willenselemente  zu  gewinnen 
und  deren  Natur  bestimmen  m  können.  Die  Versuche,  die 
angestellt  werden,  neunt  man  Reaktionsv ersuche.    So  z.  B. 

')  Dr.  K.  Meuntann,  Beiträge  zur  Psvchologic  des  Zeitsinues. 
l'hilos.  Studien.  8.  B.  1893.  Vierordt.  Der  Zeitsinn.  Tübingen  t868, 
Laub. 

-)  Stricker,  SUulicu  libcr  che  As^jciationeu  der  Vorstellungen. 
Wien  1883. 


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I04 


H<>|iirirh  Vr^. 


läfst  man  jemand  reagieren  auf  ein  zugerufenes  Wort,  auf 
ein  Klingelzeicheiif  auf  einen  Uchtblitz  n.  s.  ^\  Znsaimnen- 
gesetzter  ist  die  Reaktion,  wenn  z.  B.  zu  dem  zugerufenen 
Worte  ein  anderes  verwandtes  Wort  hinzugedacht  werden 
soll,  zu  Wiese  etwa  Gras  n.  s.  w.  Kine  andere  U1)un}:j  ist 
die.  wenn  von  xwci  vorher  bcstiiiiinlcn  Zciclicii.  nur  eins  mit 
der  Reaktion  bc^kilrt  werden  si»li.  l",s  werden  H,  (iic 
beiden  Wörter  NaelU  und  Licht  (hifiir  bc>lininu,  und  nnr  aiif 
Lielit  soll  reagiert  weiden.  Xun  niufs  die  X'ersnchsperson 
genau  unterscheiden,  welches  Wort  ihr  zugerufen  worden  ist, 
ehe  sie  die  Reaktion  auszufuhren  hat.  Ein  noch  verwickele 
terer  Vorj^M  ii  -  ist  der,  wenn  eine  -  röisere  Anzahl  von  Zeichen 
festgestellt  wird,  unter  denen  bei  der  Reaktion  zw  wählen 
ist.  So  können  die  Zahlen  i.  2,  3,  4  zugernfcn  werden,  wo- 
bei anf  I  der  rechte  Fnl.s,  aul  2  die  rechte  Hand  n.  w. 
bewejs^en  sind,  aber  selbsix  crstfnullich  in  willkürlieht r  Ord- 
nnng,  .so  dafs  eine  bewnisic  Wahl  statllindcn  niufs,  bevor 
die  Handlung  ausgeführt  werden  kann. 

Das  Bewnfstsein  ist  in  jedem  Momente  ein  sehr  he- 
gren/tes.  Worin  das  seinen  Crrnnd  hat,  ist  nicht  l)ek  i  l; 
aber  dafs  physiologische  Ursachen  dabei  mafsgebeud  sind, 
darf  wohl  voransgesetzt  werden.  Die  ph\siologischc  Be- 
grenznng  macht  eine  psychologische  notwendig;  mehr  Kin- 
drücke, als  wir  vSinne  haben,  können  wir  in  einem  Momente 
nicht  gnt  anlneluncn.  Anch  bei  dem  einzelnen  Sinn  können 
wir  deshalb  mehr  als  fünf  bis  sechs  Eindrücke  nicht  gut 
mit  einem  Bewnfstsein  umspannen.  Die  meisten  Menschen 
vermögen  deshalb  z.  B.  nur  noch  zwei  zweistellige  Zahlen 
sicher  zti  addiren  oder  zu  subtrahieren.  Durch  Übung  kann 
man  es  anf  ein  ( ".esamtbewnfstsein  \  on  nenn  nnd  anch  noch 
mehreren  Kinihiiekcn  brin,<»^en;  doch  gelingt  das  ininur  nnr 
einer  Anzahl  von  Menschen,  nicht  allen.  Diese  l'ntersnch- 
nngen  geben,  wie  ersichtlich  ist,  einen  Anhalt  dafür,  wieweit 
z.  R  das  Kopfrechnen  mit  mehrstelligen  Zahlen  mit  Nntzen 
getrieben  werden  kann.  Die  Bewufstseinsuntersuchungen 
stellt  man  mit  Momenteindrücken  an,  z.  B.  leuchten  plötz- 
lieh  eine  Anzahl  von  Ijchtpnnkten  auf,  oder  eine  Anzahl 
Buchstaben  werden  .sit  ^^^  n  oder  Wörter  n.  s.  w. 

Knger  als  das  1  U  w  ulstsein  ist  der  .\nfmerksanikc  its- 
V()r<^an|Li.  Hierbei  liaiidelt  es  sich  nm  eine  psychopln  sische 
Aktion,  die  sich  intensiv  innner  nnr  anf  eine  einziire  \'or- 
stellung  erstreckt  Die  l'nter.snelmng  hat  festge.sielll,  dal> 
die  Aufmerksamkeit  nicht  konstaut  ist,  sondern  gleichsam 
beständig  vibriert  Man  hat  die  Ursache  in  dem  Atmungs- 
vorgange  oder  in  dem  Heizstofse  und  der  Hlutbewegung 
gesucht;  aber  einen  Anhalt  hat  man  dafür  nicht  gefunden. 


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Ole  rapwloirnt«!!«»  Piycholojetp. 


Die  verschiedenen  Vors^äii^^e  fallen  nicht  rej^ehnäfsig  zu- 
sanitnen;  doch  kann  nicht  bestritten  werden,  dafs  Atnumi; 
nnd  Vnh  nnter  I'niständen  einen  wesenlliclien  lunfhifs  aut 
die  .\ufiiierk>anikeit  anszniiben  vennö-nt-n.  Aus  pädatj;-OL;i sehen, 
ahfi'  auch  ans  Ingicinisehen  (xriindcn  i>l  man  deshalb  z.  H. 
dahin  <jekoininen,  den  Turmmterricht  nicht  in  die  Lernzeit 
ein;!iifägen ;  ebenso  wird  in  den  Pansen  zwischen  den  Unter> 
richtsstuuden,  die  Anstrenj^nng  des  Körpers  durch  Spielen, 
Traufen  nsw.  venniedeii.  Wo  man  anf  oftmals  staubigten 
vSehul]dätzen  in  den  Pansen  noch  ein  lautes  vSchreien  nnd 
Tol)en  hört,  da  hat  die  rationelle  Tädai^oj^ik  noch  keine  Kin- 
kehr  i^edialten.  Der  Se^hnlhof  sull  l)esehaltet  sein  mit  liänmen 
nnd  i^anljen,  nnd  im  rnhigen  Wandel i^anji^  hat  die  Jngend 
sich  darnul  zu  bewegen.  Auf  diese  Weise  lasse«  sich  länger 
andauernde  Störungen  der  Aufmerksamkeit  durch  die  Blut- 
und  Atembew  egung:  \erhuten.  Eine  andere  Quelle  von 
Störungen  bieten  die  Sinne,  die  während  des  Wachseins 
innner  für  alle  Kindrücke  offen  stehen,  wenn  diese  anch  in 
der  Rcj^el  nicht  znm  I^ewufstsein  kommen.  >b  hr  stören  gQ- 
wohnlich  (iie  dadurch  an^erc  L^U  n  Hrinnernnin^sx « trstclhuigcn. 
Die  Anfnierk>amkeil  licr  Ju^^cnd  wird  hin  luul  her  g^ezerrt, 
und  wendet  sich  immer  nur  sprnn;y^weise  dem  (»egeustande 
z\i,  auf  den  sie  gerichtet  sein  sollte.  Das  7.eigt  sich  beson- 
ders nach  der  Vorführung  ganz  neuer  (tegeustände,  wovon 
uach  kurzer  Zeit  die  Eindrücke  ><>  verwischt  sein  können, 
dafs  eine  zusammenhängende  Wiedergabe  nicht  möglich  ist 
Hei  bekntniteren  ( legenständeu,  wenn  sie  nucli  tnir  bruch- 
stückweise behalten  worden  sind,  ist  eme  Zu^aunneufassini;^ 
möo-lioh.  weil  ans  dem  eitjenen  Ik^sitz  an  V'orslellun^eii  das 
behleuile  ergan/l  wird.  Auf  diese  Weise  vervollständigt  ein 
Erwachsener  eine  Rede,  die  er  hört;  selbst  der  Gebildetste 
macht  sich  so  einen  Vortrag  zu  eigen.  Die  von  der  Auf- 
merksamkeit momentweise  ergriffenen  neuen  Wissenseleniente 
werden  von  dem  eigenen  Besitz  um  woben  und  ergänzt  und 
zu  einem  vollständii^en  (rcbilde  ausgestaltet.  Darum  ist 
alles  Lernen  Handlung  der  Aufmerksamkeit,  ist  W'illens- 
fnnktion,  da  die  Aufmerksamkeit  nur  eine  einfachere  Form 
des  Willens  ist. 

Am  unsichersten  steht  die  experimentelle  Psychologie 
den  Gefühlen  gegenüber.  Dafs  sie  in  ph\  siologischen  Vor- 
gängen ihren  (irund  haben,  ist  zweifellos;  aber  über  das 
Wesen  imd  die  Weise  ihres  X'orkomniens  hat  man  innner 
noch  rerht  unsichere  Ansichten.  Herbart  liefs  die  (ufühle 
aus  dem  Widerstreit  der  \'f)rstellungen  tut  flehen  und  sah 
sie  als  flüchtige  Zustäuele  an,  die  nicht  rt  [  rnduciert  werden 
können.    Die  physiologische  Tsychulogie   erkennt  an,  dafs 


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Io6  Itfinricli  tr^f. 

dif  (refülilc  Ik'^lcitcrscheiiinni^t'ii  (kr  X'^rstclluiij^cii  .sind 
und  uhnc  diese  nicht  znslaudc  konimcn  können.  A))cr  sie 
entstehen  nicht  aus  dem  Streite  dci  \  oistellunj;en,  sundern 
sind  damit  verbundene  Vorj^änj^e,  die  auch  an  einer  einzelnen 
Kuipfindnu^  oder  Vorstellung^  wahrzunehmen  sind.  Jede 
seelische  Regung  löst  aucli  ^^cwisse  Gefühle  au.s.  Am 
stärksten  zeijjen  sie  sich  bei  den  .Affekten,  die  eben  niclits 
weiter  sind  als  Knii>fin(lmi be/.w.  X'orstelhinj^en,  welche 
in  liolKin  (iiadc  CiefüliK'  crie).(en,  die  besonders  auf  [diysiü- 
loj^isclKin  ('Tcbi(.te  i^röiscrc  Wirkungen  hervorrufen,  be- 
sonders leicht   werden  Puls  und  Atmung  von  Gefühlen  be- 

einflufst  Um  das  zu  konstatieren,  benutzt  man  eine  durch 
ein  Uhrwerk  getriebene  Trommel,  die  mit  benifsteni  Papier 

überzogen  wird.  P^in  Schreibwerk,  das  n)it  iler  Hrust  und 
dem  Puls  der  Versuchsperson  durc  h  Scliläuche  in  Verbindung 
gesetzt  V  ird.  zeichnet  in  welligen  i^inien  die  leiseste  Änderung 
in  der  Atmung  oder  dem  Her/stf>fse  auf  das  Papier.  So 
kann  man  von  cbesem  ablesen,  w  ie  I^inw  irkuugen  auf  die 
Sinne  bei  der  X'ersuehsperson  .schwächere  oder  stärkere  (ie- 
fühle,  Lust  oder  l^nlust  wachgerufen  haben.  Aber  nicht 
nur  Reizungen  der  Sinne,  sondern  auch  erinnerte  VörsteU 
l:tngeu  erwecken  Gefülde,  die  sich  in  den  vSchriftlinien  auf 
dem  Kymograph,  wie  das  Instnunent  heifst,  deutlich  aus^ 
prägen.  Weil  kein  psychi.scher  Vorgang  stattfindet,  ohne 
dafs  die  ihn  begleitenden  Gefühle  in  physiologischen  vSchwing- 
unLien  ausklinken,  so  sind  einzelne  Psychologen  auf  den 
Gedanken  gekommen,  die  Gefühle  möchten  überhaupt  nur 
physiologische  Erscheinungen  sein.  Allein  wer  nicht  psy- 
chische Erscheinungen  mit  physiologischen  identifidereu  will, 
der  mufs  auch  die  Gefühle  als  psychische  Funktionen  auf- 
lassen.  Sie  bilden  eine  psychophysische  Welle,  die  ihren 
Anstois  von  den  Kmpfindungen  bezw\  Vorstellungen  erhält, 
aber  ihren  eigenen  Verlauf  hat.  Daher  rührt  es,  dafs  ein 
angenehmes  (jefühl,  das  einen  Km pfidungsvorgang  begleitet, 
sich  in  das  gerade  ( legenteil  verwandeln  kann.  \Viuidt  hält 
die  C^efühle  für  einen  Reaktionsprozefs  der  Apperzeption, 
und  zwar  erfolgt  die  Reaktion  jedesmal  auf  den  Eintritt  der 
Empfindungen  bezw.  Vorstellungen  ins  Bewufstsein.  Die 
Oefühk  sind  dann  wieder  die  Urheber  der  Bewegung  der 
Vorstellungen  in  bestiumten  Richtungen,  worin  der  Wille 
sich  ausdrückt.  Sie  sind  die  Triebfedern,  welche  die  uieuscli- 
lichen  Handlunj^en  znstaude  kr>ninKn  lassen.  Darin  liegt 
ihre  Hedeutung  für  <lie  Ansbildnug  des  .Mcnselun  in  seiner 
Jugendzeit.  Was  nuui  nicht  fühlt,  das  kann  man  auch  nicht 
schätzen. 

Der  Mensch  bildet  in  seinen  ps\  ehischen  Prozessen  eine 


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Dio  eiporiiiieo(ell<>  PtycliuluKir.  |()^ 


Kinbfit,  deren  Hanptniaclil  (Ur  Wille  ist.  Alle  ps\- 
chisehcii  Pyrscheimm.yfen  sind  m  ihrem  Weseti  znsaiiniiL ii- 
häiigcnde  Fimklioiieii,  die  nur  in  besonderen  I'ornicn  als 
Erkenntnis,  Gefühl  und  Willen  sich  kund  thiiu.  Meist  sind 
es  sinnliche  Reize,  die  diese  psychischen  Zustände  hervor- 
rufen. Für  die  Entwicklungsperiode  des  Menschen  trifft  das 
j^anz  besonders  zu.  Daraus  ergeben  sich  für  die  Pädagogik 
die  Grundlinien,  innerhalb  welcher  die  Bildung  und  Erziehung 
der  Jugend  sicli  zu  bewegen  hat.  Nur  vSinneseindrücke 
können  übennitlelt  werden,  nur  }'!ni])ündungen  (»der  Vor- 
stellungen direkt  au>gclöst  bezw.  lier\  orgerulcn  werden.  Ge- 
fühl und  Wille  sind  die  diese  Zustände  begleitenden  eigenen 
Punktionen  der  Seele,  und  auf  sie  kann  nur  mittelbar  ein- 
gewirkt werden.  Aber  in  der  Einheit  der  ps\  einsehen  Funk- 
tionen liegt  die  (rewähr,  dafs  ein  beabsichtiget  er  Kinflufs  auf 
den  Zögling  nach  allen  Seiten  seiner  seelisclK-n  luitfaltting 
möglich  ist.  Stellt  die  Pädagogik  ein  bestinnntes  Programm 
auf,  was  sie  durch  die  P>ziehung  erreichen  will,  so  kann  das 
nur  seinen  Ausdruck  in  der  Umgrenzung  und  Ordnung  der 
sinnlichen  Beeinflussungsmittel  finden.  Die  beständige 
Wirkung  dieser  Mittel  löst  das  Ziel  erreichen,  während  jede 
Unterbrechung  störend  wirken  mufs.  Das  beständige  Moment 
in  der  Einwirkung  bildet  die  Übung,  bezw.  die  Gewöhnung. 
Daraus  ergiebt  sich,  welche  Wege  der  Entwicklung  die  Psy- 
chologie auch  wandelt,  innner  kommt  die  ITul  i'L'<>gik  auf  den 
alten  P>fahrungssatz  zurück:  Wie  man  einen  Knaben  ge*- 
wölmt,  so  lälst  er  nicht  davon,  wenn  er  alt  wird*. 


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Allerhand  Reformgedanken. 

\  ün  Otto  Schulze  in  Halle  a./S. 


1.  C. von MtMOW,  Reform  oder  Kevolutio».  Ikiiin.  (>.  Uebitiaiin.  4  M. 

2.  Dr,  Fr  Sachse,  Zin  Scli  n1  reform.  Leipzig.       Klemm.  1,50  M. 

.V  J.  Königbauer,  Zur  Reform  des  U nterricbtsbctriebe.s  in 
Volksschulen.  Bamberg,  C.  C.  Buchtier.  OtSo  M. 

4.  S-Smiles,  Charakter.  Pflicht.  Selbsthilfe.  Halle a./8..  <).  Hendel, 
ä  1,25  M. 

1. 

In  der  Reihe  der  oben  genannten  Refonnschriften  älteren 
oder  jüngeren  Datums  steht  die  jüngste  unter  ihnen,  »Reform 
oder  Revolution«  von  Massow  obenan,  vor  allem  deshalb, 
weil  sie  alle  j^egenwärtigen  Iii  >rheiniiiigeii  und  Kinrichtungen 
öffentlichen  oder  privaten  Charakters  kritisch  beleuchtet  und  eine 
Oesanitreform  aller  unter  cinlieitlichen  ( re^ichtspiinkten  im  Auge 
hat.  Kein  geistiger  Zwan^.  kein  Reglement,  keine  Schahlotie ! 
Aber  System!  \  on  IVankturt  a.  M.  nach  Herlin  kann  man 
auf  den  verschiedensten  Touren  fahren  und  kommt  doch  fast  zur 
.selben  Zeit  am  Ziele%n.  Warum  nicht  auch  für  die  Reise  in 
das  Land  der  allgemeinen  Bildung  Parallelsysteme,  zwischen  denen 
jedem,  der  reisen  will,  die  Wahl  offen  steht ^  Aber  »System, 
ein  zusammenhängendes  System,  welches  die  Notstände  in  ihrem 
wechselseitigen  Verhältnis  -/n  beseitiK<^'i>  strebt,  die  Koute  mit 
ihren  Stationen  klar  gelebt,  die  P*ahr/eit  berechnet.  .  .  .  Mit 
jedem  Jahre,  mit  dem  Fort.-^ch reiten  der  Wis^enschalt,  des  Leben.s, 
des  Verkehrs,  der  Geschichte  wird  die  Gestaltung  eine  andere. 
Treffen  wir  nicht  Vorsorge,  dafs  dieser  Änderung  Rechnung  ge 
tragen  wird,  so  ist  unser  Werk  nur  ein  unvollkommenes.  Wer 
refomiieren  will,  mufs  etwas  von  einem  Propheten  an  sich  haben. 
Wir  dürfen  nicht  rückwärts  reformieren  wollen.  Das  wäre  gänz- 
lich verfehlt.  Wir  können  /n  den  früheren  Verhältm'ssen  nicht 
zurückkehren,  einfach  deshalb  nicht,  weil  sie  sich  nicht  wieder 
schaffen  lassen.  Wi'un  wir  reformieren  wollen.  <o  rnti^sen  wir 
nach  vorwärts  blicken,  über  die  nächste  ZnkuntL  liinaus,  in  die 
weitere.    Aber  es  genügt  nicht,  Kin7.el.schäden  aufzudecken  imd 


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Allwlwuid  Rf>tonng»il«ikf>n. 


ZU  heilen,  sondern  die  Hauptaufgabe  ist,  die  Schäden  In  ihrer 
Gesamtheit  und  in  dem  Zusammenwirken  ihrer  Einzelmomente 
zu.  erkennen  und  den  Wrsiuh  /u  ihrer  Heilung  zu  machen. 
Darum  genügen  nicht  Einzelvorschläge  zu  einer  Rtform,  wie 
solche  ja  hTiiiHertfach  p:emncht  werben,  sniideni  solche  Vorschläge 
müssen  von  ciiRui  und  demselben  Grundgedanken  ausgehen  und 
einem  und  tU-niNelbcii  Ziele  /.ustreben.  Und  dieses  Ziel? 
Mag  man  es  Religion,  Kthik.  Philosophie  oder  sonst  wie  neuueu : 
es  mufs  etwas  Höheres  geben,  dem  die  Menschheit  zustrebt,  als 
die  Brotfrage,  ja  selbst  noch  etwas  Höheres  als  das,  was  wir 
unter  dem  Begriff  Vaterland  zusammenfassen.  Mögen  die  einen 
an  cTTicii  Cfoit  glauben  und  an  eine  Zukunft  des  Ichs  nach  dem 
Tode;  die  atukreu  Gott  und  Jenseits  negieren,  auch  diese  letz- 
teren werden  /ugeben  müssen,  dafs  es  ein  Jvtwas  giebl.  das  über 
der  Erde  >cli\vebt  und  sei  e>  auch  nur  die  sich  fortpflanzende 
und  von  Jaiirhundert  zu  Jahrhunderl  lorieiitvvickehidc  Quint- 
essenz jeder  Periode  menschlichen  Denkens,  welche  eine  Generation 
der  andern  vererbt.  Höheren  Zielen  nachzustreben,  die 
Arbeit  der  Vergangenheit  fortzuführen  oder  der  Zu- 
kunft vor  zu  wirken  ist  die  Aufgabe  des  jew^eÜigen 
Geschlechts,  .  .  Die  heutige  Generation  aber  ist  erschlafft, 
auf  unser  gesamtes  Geiste^  und  (iemütsleben  hat  sich  ein  Mehl- 
tau gelegt,  \  on  dem  w  ir  uns  nicht  wieder  frei  machen  können. 
Der  \'ulk>.gcist  als  ('»au/,c^.  strebt  nicht  mehr  vorwärts,  und  des- 
halb ist  er  auch  nicht  mehr  imstande,  führende  Geister  hervor- 
zubringen. Überall  unter  den  Staatsmännern,  Parlamentariern, 
auf  dem  Gebiete  der  Wissenschaft  und  der  Kunst,  unter  den 
Dichtern  und  Schriftstelleni  u.  s.  w.  steht  die  Gegenwart  weit 
zurück  hinter  der  X'ergangenheit  Wir  haben  keine  festen 
Ziele  und  keine  Männer,  die  uns  solchen  Zielen  entgegen- 
führen. Ziellos,  planlos  treiben  wir  dahin.  Wir  leben 
unser  nationnies  Lel)en  von  heute  a\if  morgen,  wir  warten  der 
Zukunft,  die  da  konnutrii  soll,  aber  wir  erwarten  nichts  von  ihr, 
wir  ahnen  im  voraus,  dafs  sie  nichts  Gutes  bringen  wird.  Vor 
allem  sind  wir  weit  davon  entfernt  unsererseits  die  Zukunft  be- 
stimmen, ihr  die  lehnen  vorschreiben,  Geschichte  machen 
zu  wollen. 

In  acht  Kapiteln  -  die  Grefahren  der  Zukunft  und  ihre 
Hekämpfung:  neue  Männer  hir  das  neue  Jahrhundert;  die  I'>- 
ziehung  der  erwerb^arbeitenden  Jugend;  wirtschaltliclie  Ketorni- 
gedanken;  Kelorni  tlcr  Arinm-  und  Schut/.pilege ;  die  Arbeiter- 
frage; Reform  der  Staat.sverwaltung;  Empor!  —  entrollt  der 
Verfasser  seine  Reformgedanken,  und  man  mufs  gestehen,  dafs 
das  mit  besserer  Hinsicht  grüfserem  Freimut  nach  oben  wie 
nach  unten  hin  Verfasser  ist  Geheimer  Rcgieruugsrat  —  mit 
gröfserer  Gerechtigkeit  und  Wahrheit  nicht  leicht  anders  und 


HO 


Ott«  flpkHlKf». 


vor  allem  nicht  besser  hätte  geschehen  können.  In  dem  ganzen 
Buche  liegt S y s t e m ,  es  baut  sich  auf  auf  festen  Prinzipien, 

CS  läfst  in  seinen  kritischen  wie  positiv  aufbauenden  Ansfülirungen 
die  trefflichsten  (»rnndsätze  erkennen:  es  erstrebt  nichts 
mehr  und  nichts  wenijj^er  als  eine  G  e  s  a  iii  t  r  c  f  n  r  m  aller 
Verhältnisse  nnd  Zustände  allein  in  An-^ihunii:  der  rwi^ 
j»iltigcn  Werlmaisslähc  echter  SilUiclikcil  und  hisloriscli  ge- 
gebener Entwicklungsnw»glichkeit  und  praktischer  Durchführbar- 
keit Das  Buch  von  Massow  ist  eineThat,  und  es  würde  sicher 
noch  mehr  als  eine  solche,  als  epochemachend  angesehen 
werden  wenn  anders  die  gegenwärtige  Generation  Zeit  und 
Mufse  hätte  zur  Selbstprüfung  und  Selbsterkeinitnis  und  anderer- 
seits Hinsicht  und  \'erständnis  hcsälse  für  die  wahren  Heil- 
mittel: für  die  auf  der  innersten  Menschennatu  r  be- 
ruhenden u  ti  d  daraus  entspringenden  Urkräfte  und 
I  d  e  a  1  ui  ä  c  Ii  l  c  eine  r  n  a  c  Ii  in  n  e  n  u  n  d  n  a  c  h  oben  streben- 
den Oeisteswelt  Nationale  Erziehung,  Veredlitng  des 
Menschengeschlechts,  Volksbildung  und  Volkserziehung  —  das 
erweist  sich  uns  als  das  Ziel  wahrhaft  grofsen  und  edeln  Wirkens, 
das  auch  ist  für  Massow  die  Quintessenz  aller  Reformen  auf 
allen  Gebieten.  Die  Pädai^o^ik  hat  in  ihm  einen  einsichtigen 
Vorkämpfer,  die  vSchnlvrnvaltiing.  sofern  sie  dazu  neigen  sollte, 
einen  wackeren  Anwalt  gefunden.  r  z  i  e  h  u  n  g  d  e  s  M  e  u  s  c  h  e  n - 
geschleclits  (Schiller!)  —  das  ist  der  Geisteshauch,  der  üi)er 
den  praktischen  Idealismus  atmenden  Ausführungen  des  Herrn 
v.  Massow  schwebt  Das  ganze  Werk  dieses  feinsinnigen  und 
klug-verständigen  Reformers  ist  durchwebt  von  einem  so  schönen 
Idealismus  im  Gegensatze  zu  unserer  materialistischen  Zeit,  dafs 
man  sich  der  lH)erzeugung  nicht  verschliefsen  kann,  die  kranke  Zeit 
müfste  gesunden  können  nti  >^f)lrhcrlei  Heilmittehi.  sobald  Tnan 
sie  zur  (»rundlage  einer  tietgreik nden  umfassenden  Rctnniiarbcil 
erwählen  und  darauf  weiter  bauen  wollte.  Leider  vcr<juickl 
sich  dem  hohen  leitenden  Gesichtspunkte  einer  hebenden  und 
veredelnden  Volksbildung  und  Volkserziehung  es  darf  das 
tiicht  verschwiegen  werden  —  zu  sehr  ein  anderes  Motiv,  das 
den  Verfasser  in  erster  Ijnie  zur  Abfassung  seines  Werkes  an 
getrieben,  d.  i.  die  Furcht  vor  den  Arbeiterbataillonen,  vor  der 
wühlerischen  Madie  der  So/ialdemokrati  ii.  dli-  schlicislich  zur 
Revolution  treii)eu  müsse,  wwm  nicht  vmIx.  vigetul  eine  nintas<endp 
Kciorm  Platz  greife.  Rct  orm  -  oiK  r  R e  v <>  1  u  l  i  u  n  .'  So 
nnltrläuft  dem  Verfas.ser  leider  ungewollt  \un  diesem  nicht  ganz 
vorurteilsfreien  Standpunkte  aus  auch  hie  und  da  eine  Scheidung 
der  Menschen  in  sozusagen  höhere  und  niedere,  in  obere  und 
untere  Schichten,  obwohl  andererseits  eine  freie,  hart  strafende 
Kritik  der  höheren  und  höchsten  Kreise  unnniwundene  Aus- 
sprache findet.    Immerhin  haftet  dem  Buche  durch  das  treibende 


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All»rh»iwl  RefoniiK«*(lHnk<*n. 


Motiv,  das  die  Gefahr  des  Umsturzes  von  unteu  herauf  zu  sehr 
betont  gegenüber  der  ungleich  grdfseren  und  verderblicheren 
von  obenher,  ein  kleiner  Mangel  an,  wenigstens  in  der  Anlage, 
nicht  aber  in  seinen  ])raktischcH  Fordeningeii,  durch  die  Ver- 
fasser einen  Ausgleich.  \*ersöhnung  für  alle,  ein  mensch<?ti- 
würdigerts  und  innerlich  gehnltvollere^  Dasein  für  hoch  und 
niedri«:  anzubahnen  sucht.  Diese  Fortierungen  aber  auch  nur 
aufzuzählen,  die  Fülle  überraschender  Wahrlieilen,  das  i^anze 
grofse  Prograiinn  unita.s.^tndster  sozialer  Reforniarbeil  in  seinen 
Grundlinien,  die  flammenden  Prophetenworte  auch  nur  anzu> 
deuten,  womit  in  hoffnungsmutigem  Idealismus  ein  reicher  Geist 
warm  und  eindringlich  r\i  den  Herzen,  feierlich  und  ernst 
strafend  zu  den  Gewissen  seiner  Volksgenossen  und  Hrüder 
spricht  wäre  müfsiges  Beginnen  -  Wäre  es  tn'rbt  seliön  , 
so  schlielst  Verf.  das  Kapitel  über  Annen-  und  Schiitz]>flege, 
ein  grofser.  des  scheidenden  Jahrhunderts  würdiger  Gedanke, 
wenn  wir  alle  Kräfte,  die  uns  zu  CVebote  stehen,  das  Denken, 
die  Thatkraft  einer  ganzen  Nation  in  ihren  besitzenden  und  ge- 
bildeten Elementen,  die  Erfindungen  der  Neuzeit,  die  Fortschritte 
der  Wissenschaft,  die  Hinrichtungen  des  Verkehrs  und  Betriebes 
zusammenfassen,  einstellen  wollten  zu  einem  grofsen  Werke:  zur 
Linderung  des  Elends  unter  unseren  Volksgenos.sen.  zur  Heilung 
der  Wunden,  welche  das  moderne  Leben  Tausenden  schlägt; 
wenn  wir  unter  fester  Aufrechterhaltnng  unserer  bestehenden 
Ordnungen  und  unter  energischer  Zurückweisung  aller  bethören- 
den Irrgebilde  versuchten  das  Herz  dieses  X'olkes  uns  und  dem 
Vaterlande  wieder  zu  gewinnen  durch  die  Macht,  die  grofser  ist 
als  alle  anderen  zusammen,  der  niemand  widersteht,  die  alles  ab- 
wendet: durch  die  Macht  der  Liebel  -  Den  Hauptnach- 
druck legt  also  Verfasser  auf  die  sittliche  und  geistige 
Keforni.'irlieil,  sie  ist  ihm  ungleicli  wichtiger  und  notwendiger 
als  die  Neuordnungen  auf  dem  ( )r.uanis;iti(>us-  und  Wrwaltungs- 
geliiete.  i)lAv<)hl  tjerade  die  \'or.sc]ilä)6;e  des  Verfasser.s  nach  dieser 
Seite  von  hervo^ragend^ier  Bedeutung  .sind,  seine  be.soudere 
Stärke  bilden.  Indes  schwebt  dem  Herrn  Verfasser  auch  bei  der 
geistigen  Reformarbeit  wieder  eine  Art  Beherrschung,  wenn 
auch  eine  geistige  Beherrschung  der  Massen«  vor.  Es  mag 
ja  sein,  dafs  weite  indolente  Kreise  nur  durch  die  grell  ausge- 
malte Gefahr  der  Revolution,  durch  Angst  und  Furcht  vor  den 
mit  Hunger  und  Not  ritigenden,  unter  hartem  Druck  seufzenden 
niederen  Schichten,  vor  deren  lUend.  geistigem,  sittlichem  uiul 
physischem,  man  in  rnfähigkeit  die  Augen  verschliefst,  zur 
Hilfe  anzutreiben,  zu  Reformen  mllfährig  zu  machen  sind:  dafs 
sich  aber  solcherlei  Leute  damit  sollten  gewinnen  lassen,  daf.K 
man  ihnen  »geistige  Beherrschung  der  Massen <•  zur  Pflicht 
macht,  wo  doch,  wie  Verf.  selbst  des  öfteren  zugesteht,  gerade 


112  Olta  ftrhttlx». 


der  gewohnliche  Mann  uadi  geistiger  Nahrung  hungert  und 
dürstet  und  mit  Eifer  in  Bikhmi^  und  Sitte*  vorwärts  und  höher 
zu  gelangen  trachtet,  ist  bei  der  in  jenen  Kreisen  sich  immer 
mehr  ansbreiteiiden  oberflächliclien  ('c^inniini;  tnul  iliren  rein 
nmtci  icllen  Neigungen  und  intere.ssni  kaum  an/iiiu  Iiuilh.  I>n/Ai 
kommt,  dafs  eine  geistige  Beherrsclumg  der  Massen  schlecht- 
hin heute  •  wo  gerade  alle  uutci.sciiiedslos  teilhaben  möchten 
in  erster  I^inie  an  den  B  i  1  d  u  n  g  s  güteni,  wo  die  Grenzen  zwischen 
oben  und  unten  völlig  zu  verschwinden  drohen,  sodals  steh  mehr 
und  mehr,  wie  Verf.  ganz  richtig  bemerkt,  ein  Herabsinkender 
sogen,  oberen  und  ein  Aufsteigen  (bis  zur  schliefslichen  Aus- 
glcichuii.f^)  der  unteren  Schichten  bemerkbar  macht  nicht  mehr 
recht  am  Platze  ist.  Das  Charakteristikum  der  lieutigen  Zeit  ist : 
rücksichtsloseste  Nivellierung  in})e'/ui;  auf  Stelhnig  und  Be- 
deutung der  Person  und  schart  verlochlene  Cileichberechligung 
in  der  Erwerbung  materieller  und  geistiger  Güter.  Das  mag  be- 
dauerlich sein,  ist  aber  unleugbar  wahr.  Wo  man  indes  nicht 
allzusehr  sich  um  den  Vorrang  bemüht,  nicht  gar  eifrig  die 
Oberherrschaft  zu  erringen  trachtet  und  womit  doch  am  letzten 
Ende  alle  Wertschätzun«^^,  jegliches  echte  Streben  und  Kämpfen 
anhebt  -  das  i.st  auf  dem  Gebiete  der  sittlichen  Herrschaft 
und  sittlichen  (rröf^e.  <ler  schlicht  religiösen  Mensch- 
lichkeit! Denn  (jline  reine  holie  edle  Sittlichkeit  kein  Streben, 
ohne  Gott  und  Glauben  kein  höheren  Anforderungen  genügen- 
des Dasein!  Bildet  Männer,  schafft  Charaktere!  so' möchte 
man  allen  Reformern  ernst  und  eindringlichst  zurufen  und  in 
die  Seelen  gra!)en.  *Für  das  neue  J  ahr  hundert  ein  neues 
Geschlecht  auf  neuen  Wegen!  Das  ist  im  Cirunde  auch 
das  M»)tl<)  der  Massow'srhen  Reform,  dnranf  laufen  schlit  fsüch 
alle  seine  hoi  ilcniui^cii  und  ßeslrebungen  liinatis.  I>ic  päda- 
gogische Well  kann  sich  daher  dieses  Wcik^-  von  lier/.en 
freuen  und  nur  lebhaft  wünschen,  es  möchte  so.  w  ie  Massow  die 
Pädagogik  vertritt,  dieseU)e  überall  zur  Geltung  gelaugt  u;  denn 
der  Hoffnung  darf  man  sich  doch  wohl  nachgerade  hingeben, 
dals  die  Hinsicht  sich  endlich  Bahn  brechen  wird,  dafs  jegliche 
Reform  undenkbar  ist,  die  nicht  von  pädagogischen  bUeu 
getragen,  von  erzieherischen  Grundsätzen  bewegt  wird.  Die 
Zeit  wird  und  muH  einmal  kommen,  in  der  man  die  Ivrschei- 
nungen  des  öffentlichen  Lebens  nicht  nur  nach  ihrer  polili^^chen, 
sozialen  oder  kirchlichen  Seite,  sondern  aucli  nach  ihrer  jiäda- 
gogi sehen  beurteilen,  wo  man  von  jeder  öffentlichen  Wirksam- 
keit auch  erzieherische  Früchte  erwarten  und  fordern  wird. 
Und  so  hat  man  seine  helle  Freude  daran,  wie  in  dem  Buche 
von  Massow  von  pädagogisch  uninteressierter  Seite  die  Bil- 
dungs-  und  IC r  /  i l Ii  u n gsinteressen  in  das  hellste  Licht  gerückt 
werden.  Darum  mui.s  vom  ])ätlagogi sehen  Standpunkte  aus  ganz 


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Ailmbimd  R^totiBKMtRiikMii. 


besonders  das  dritte  Kapitel  interessieren,  das  von  der  Er- 
ziehung der  erwerbsarbeitenden  Jugend  handelt  Da 
beifst  es  u.  a.:  Über  den  \vohlha])eiulen  und  reichen  (vaterlosen) 
Knaben  und  Jünglinjj  führt  der  Staat,  die  Gesellschaft  eine 
scharfe  Kontrolle,  seine  Kr/iehiniL;  w  ird  ftirsorgUrh  p^elcitet,  sein 
l'j^cnlnin  verwaltet,  er  darf  keine-  keelil>h;iiidluii.s4en  \oniehnieti 
u.  >.  \v.  Hai  das  Kind  des  Volkes  nicht  denscll>cu  Ansprueh 
auf  Fürsorge?  .  .  .  Nichts  niuls  dem.  dem  die  Zukunft  des 
Vaterlandes  am  Herzen  Hegt,  so  wichtig  sein,  als  die  Fürsorge 
für  die  Heranbildung  des  kommenden  Geschlechts.«  .  .  .  «Sind 
die  Jünglinge  und  Jungfrauen  im  minderjährig  :i  Mter  (r4 — 20) 
unserer  Fürsorge  nicht  ebenso  anvertraut  wk-  die  Knalien  und 
Mädchen  unter  vier/chn  Jahren,  sind  sie  nichl  Kinder  tniseres 
X'olkes,  unseres  Witerl  imles  ?  Und  für  wen  arbeiten  sie,  wem 
dienen  sie?  Für  uu.>.  nur  uns! 

Üas  ganze  weite  (Gebiet  der  Jugenderziehung  ila.s  vor- 
schulpflichtige  Alter,  das  eigentlich  schulpflichtige  Alter  und  das 
nachschulpflichtige  Alter  —  wird  von  dem  Verfasser  kritisch 
beleuchtet,  für  alle  regt  er  Reformen  an. 

I''nr  die  vorschulpflichtige  Zeit  verlangt  Verf.  durch- 
geliends,  vor  allem  auch  auf  dem  Lande,  K  i  n  d  er  b  e  u  ali  r- 
an stalten,  das  kindliche  W  esen  zu  bewahren  vor  körperlichem, 
geistigem  und  sittlichem  Ruin. 

\'on  ganz  besouderem  Interesse  ist,  was  Verf.  über  die  ICr- 
ziehungsmafsnahmen  sagt,  die  das  nach  schul  pfliehtige  Alter 
betreffen,  d.  i.  nach  M.  die  Zeit  vom  14.  bis  zum  20.  Jahre  und 
darüber  hinaus.  Nicht  blofs.  dafs  er  Fortbildungsschulen 
mit  dem  ausgesprochensten  Zwecke  der  Erziehung  für  alle  staat- 
lichen Verbände,  grofse  wie  kleine,  fordert,  er  ist  vielmehr  auch 
der  Ansicht  und  dnrin  stimmen  wir  iliiii  vollständig  bei 
dafs  die  Bildungsarheil  in  ilinen  vergel)lich  sein  oder  Ijleihen 
nnifs,  wenn  nicht  daucl)eii  und  darüber  liinaus  die  Hrziehungs- 
arbeit  sich  fortsetzt,  wenn  nicht  der  Lehrling  und  der  Gesell, 
das  Dienstmädchen  und  die  Köchin  oder  dergl.  in  ihrem  Ar- 
l>eitsverhältniH  und  ihrem  sonstigen  Verkehr  und  Leben  einer 
gewissen  Aufsicht  unterstehen,  wenn  nicht  der  sich  seiner  Auf- 
ga1)i  \ollbewufsle  Meister  (Lehrperson)  von  Krziehung.sorganen 
Unterst ül/1.  der  lernende  Teil  nic-lit  in  allem  sorglieli'it  geschützt 
und  behiilet.  wird.  M.i^sow  will  diesen  Seluil/  liuer  sogenannten 
P  f  1  e  g  s  e  Ii  a  1  1.  ül)er\\  K->cn  wissen,  deren  liertchtigung  und  Not- 
wendigkeil er  cingcliend  begründet,  indem  er  u.  a.  sagt:  lis 
ist  durchaus  verkehrt,  wenn  die  bürgerliche  Gesellschaft  dem 
Minderjährigen  gestattet,  sich  die  Arbeit  zu  suchen,  wo  er  will, 
die  angebotene  anzunehmen  oder  abzulehnen,  die  angenommene 
wieder  zu  verlassen,  den  Arbeitsverdienst  nach  Belieben  /ti  ver- 
wenden« .  .  .  «'Man  setze  für -jeden  Stadt-  und  für  jeden  Laud- 

9m  6»hMii  TU.  8.        .       '  .  8 


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kreis  einen  Pflegschaftsrat  ein,  den  die  Pfleger  aus  ihrer 
Mitte  wählen.  Jedes  Kind,  welches  die  Schule  verläfst  und 
aulserhalb  des  Vaterhauses  in  Arbeit  treten  soll,  niufs  bei  dem 
Pllegschaftsrat  angemeldet  werden  und  erhält  einen  Pfleger,  von 

denen  auf  je  einen  etwa  15  bis  20  Pfleglinge  kommen;  derselbe 
prüft  zunächst  den  Wrtrng,  wcIcIrii  Vater  oder  Vormund  mit 
dem  Arheit'Ljeber  al).i;eschl()ssen  hal)en  und  der  seiner,  des  Pflegers, 
Iiestätijj;^nng  bedarf;  er  sor»;!  für  Wohnung  und  Ko>l,  suelit  den 
Pflegling  vor  schädlichen  Hintlüssen  in  sittlicher  Bezidiung  /.u 
bewahren,  an  ihn  sind  I,ohn  und  Verdienst  zu  zahlen»  der  da- 
für Wohnung,  Kost,  Kleidung,  Wäsche  etc.  bestreitet,  dem  Pfleg- 
ling ein  angemessenes  Taschengeld  giebt  und  den  Rest  auf  der 
Sparkasse  verzinslich  anlegt.  —  Man  kann  i^ewifs  hierin  dein 
\'erfasser  angesichts  der  trostlosen  Zustande  heiiti^rr  Zeit  tni- 
umwunden  /.nstimmen  und  .i;anz  gewifs  auch  darin,  dals  er  als 
Ergänzung  und  Fortsetzung  dieser  kräftig  und  /ieDiewuist  be- 
gonneneu Erzieherarbeit  weiterhin  Volksbibliotheken,  Volks- 
unterhaltungsabende, Volksfeste  ii.  a.  fordert,  die  insge- 
samt die  schöne  Aufgabe  zu  erfüllen  bestimmt  sind,  unser 
deutsches  Volk  geistig  und  sittlich  auf  eine  höhere  Stufe  der 
Bildung  zu  bringen.  Der  Sicherheit  und  Gewifsheit  aber,  wo- 
mit der  Verf.  uns  die  Hoheit  dieser  Ziele  und  die  Möglichkeit 
ihrer  Erreichbarkeit  bei  nnr  einiiren!  gnteti  Willen  und  Geschick 
vor  Augen  hält,  merkt  man  an.  dals  ihm  ]iraklische  \'ersuche 
diesen  Glauben  und  diese  ZuverNiclit  gegeben.  iCiu  jeder,  der 
das  deutsche  Volk  und  seine  Art,  seinen  trotz  aller  materiellen 
und  sinnlichen  Neigungen  höher  gehenden  Sinn,  seinen  Hang 
nach  idealen  Gütern  nur  ein  wenig  kennt,  wird  ihm  voll  und 
ganz  beistimmen,  wird  wissen,  dafs  es  bei  ihm  nur  eines  kräf- 
tigen Hinweises,  einer  zielbewufsten  Leitung  bedarf,  um  von 
falschen  Wegen  weg  auf  die  richtigen  Bahnen  L^elenkt  /n  werden. 
Xnr  frisch  aTi<  Werk,  ilnn  naeli  I  so  nioehle  man  allen  dcnl>elieu 
l'T/iehern.  allen  deutsch  fühlenden  und  national  empfindenden 
Männern  zurufen!  — 

Stimmen  wir  in  diesem  allen  dem  Verf.  rückhaltlos  zu,  so 
nicht  ganz  in  dem,  was  er  über  die  schulpflichtige  Zeit,  über 
die  eigentliche  Schulerziehung  sagt;  so  mir  nichts  dir  nichts, 
auf  so  einfache  Weise  lassen  sich  Probleme,  und  um  solche 
handelt  sich's.  doch  nicht  losen;  wir  können  ihm  hierin  nur  in 
dem  Recht  geben,  was  er  über  das  mehr  äufsere  (retriebe.  über 
die  Schulorganisations-.  Ivehrerbiklungs-  und  Besokiungsfrnge. 
ül>er  Verstaatlichung  der  vSchule,  Schulverwaltung  u.  v.  a.  sagt; 
hier  sind  die  Massow'schen  Ziele  die  uni^en,  die  Ziele  der  ge- 
samten deutschen  Lehrerschaft,  und  sie  verdienen  insgesamt  von 
dieser  erkannt  und  gewürdigt  zu  werden.  Darin  jedoch  hat 
Verf.  unseren  Beifall  nicht,  was  er  über  die  eigentliche  Bildungs- 


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und  Erziehungsarbeit,  über  die  unsagbar  schwierige  und  darum 
so  wenig  erfolgreiche  Arbeit  an  den  kindlichen  Seelen  und 
Geistern  urteilt  und  daran  umgestalten  will;  hier  scheint  er  mehr 

auf  dem  Boden  einer  mechanischen  Abrichtung  als  einer  tief- 
greifenden pädagogischen  Schuhmg  zu  stehen.  Gleichwohl  be- 
get^iet  man  auch  hier  Ocdaiiken.  die  man  in  pädagogischen  Fach - 
Mätlc-m  nicht  i^craik-  häufig  antrifft,  wie  beispielsweise  dem  von 
dem  DurchciiKuidci  iler  Lehrfäclicr  und  der  Zerrissenheit  in  Stoff 
und  Methode,  sowie  dem  von  der  jünhcitliclikt;it  des  Lchrplans. 
deren  Mangel  bei  unseren  mannigfaltigen  Schulgattuugen  und 
Systemen  bei  Umschulungen  und  auch  sonst  zu  dem  unerträg> 
liebsten  Gedankciiw irrwarr.  zu  dem  allerärgsten  Dilemma,  zu 
einem  unverzeihlichen  Hemmnis  für  die  geistige  Weiterentwick- 
lung wirfl 

Auch  wns  sonst  der  \'erf.  über  die  Pädag()u;ik  und  ihren 
wünschenswerU  n.  weil  nur  allzu  berechtigten  Ivinfhil's  auf  Kunst 
und  Wissenschail,  vSiaat  un<l  Ciocllschaft  etc.  und  an  damit  zu- 
sammenhängenden Refomiideen  entwickelt,  verdient  die  weit- 
gehendste Beachtung  und  in  vielem  unbedingte  Anerkennung; 
so  gar  viele  noch  der  Vorschläge  und  Anregungen  Massows 
konnte  man  der  kämpfenden  und  rini:c!)(]eu  Menschheit  als  zu 
ihrem  Heile-  rlicTiend,  zum  Ziele  un<l  Preise  setzen  und  recht 
cnidringlich  zur  Arbeit  anspornen  und  mahnen,  wenn  man  eben 
nur  gewifs  sein  und  der  Hotfiuint!;  Raum  geben  dürfte,  sie  Helsen 
.sich  über  kurz  oder  lang  erreichen,  wo  man  doch  leider  eben 
nur  wenige  am  Werke,  nur  vereinzelt  die  Einsicht  sich  durch- 
brechen, nur  langsam  die  Erkenntnis  der  Wahrheit  von  den  rechten 
Mitteln  und  Wegen  grofser  durchgreifender  Reformen  wachsen 
sieht  Darum  möchte  man  mit  M.  klagen:  «Nichts  ist  so 
schmerzlich  in  unserer  Zeit,  als  dafs  sie  des  Idealisnuis  so  bar 
ist.  .\ber  warum  ist  sie  es"'  Weil  sie  den  Blick  nicht  mehr  nach 
oben  richtet  Die  grolse  ernste  Fra.Lce  ist  die:  Haben  wir  noch 
die  innere  Kraft  zu  Reformen,  sind  wir  noch  imstande, 
mit  geistigen  Waffen  den  Kampf  zu  führen  gegen  die 
Mächte  des  Umsturzes?  Auch  die  besten  Reformen,  auch  die 
vorzflglichsten  Verwaltungsorgane  können  uns  nichts  nütssen, 
wenn  uns  das  Leben  fehlt,  mit  dem  wir  die  Gebilde,  die  wir 
schaffen  wollen,  auszufüllen,  der  lebendige  Odem,  den  wir  ihnen 
ein/tiflöfsen  vermögen.  Der  Materialisnuis  beben  seht  die  (Gegen- 
wart.   Auf  allen  Gebieten  fehlt  da.s  ideale  Streben.^  — 

(Fortsetzung  folgt.) 


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Liose  Blätter. 


Die  Eiiiühiiiig  «irr  al)liang;igen  tüilc. 

Wie  oft  hat  man  nicht  fli<  Klappe  eines  verzweifelten  Lehrers 
jrehört  dals  die  Schüler  im  bcsländi«;(jn  K:ini]>fe  tnit  der  (»rani- 
matik  liL>;cii,  namentlich  dann,  wenn  >  --ich  um  (ieii  Gehrauch 
der  i  aiie  handelt  iMit  einer  merkwürdigen  Konsequenz,  setzen 
nicht  blofs  die  Schüler  der  tintem  Jahrgänge,  sondern  auch  die 
der  oberen  Klassen  unserer  Volksschulen  den  dritten  Fall  für 
den  vierten  und  den  vierten,  wo  der  dritte  stehen  inufs.  Diese 
Erscheinung  tritt  sowohl  im  niinullichen  Unterrichte  als  auch 
bei  der  Anfertigung  schriftlicher  Arbeiten  '/ntrti::e.  am  haar- 
sträubendsten jedoch,  wenn  die  Kinder  dem  Lehrer  ihre  iiiantiig- 
fachen  Bitten,  Anklagen  und  Kntschuldigungen  vorl>ringcn. 
Vom  zweiten  Falle  wollen  wir  lieber  gar  nicht  reden,  weil  von 
der  richtigen  Anwendung  desselben  oft  keine  blasse  Ahnung 
vorhanden  ist.  Und  eine  solche  Mifshandlung  unserer  schönen 
Sprache  h5rt  man  überall  in  deutschen  Landen,  »soweit  die 
deutsche  Zunge  klingt'  ,  in  den  verschiedensten  X'ariationen.  oft 
mehr,  oft  weniger  das  Ohr  verletzend:  nicht  minder  von  den 
zu ti genfer! i^n  n  Schw;it/eni  der  gröfseren  Städte  als  von  den  un- 
beholfenen Knidern  der  Dorfschulen. 

Liegt  die  Schuld  um  Lehrer?  Der  läfst  es  doch  an  dem 
fleifsigen  Betriebe  des  grammatischen  l'nterrichtes  nicht  fehlen, 
ebensowenig  wie  an  der  Vorbereitung  und  der  Verbesserung  der 
schriftlichen  Aufgaben  und  an  der  Aufmerksamkeit  auf  die 
Sprachfehler  im  mündlichen  Unterrichte.  Umsonst!  Immer  und 
wieder  tauchen  neben  neuen  fehlerhaften  W  endungen  die  alten 
schon  so  Tind  so  oft  korrigierten  Fehler  gewöhnlichsten 
Schlages  auf. 

Kein  Wunder'  Diese  Sprachfehler  hnt  der  Schüler  gleich- 
sam mit  der  Muttt-rmilch  tingesogen  durch  tkn  zu  Hause  ge- 
sprochenen Dialekt  oder,  was  noch  schlimmer  ist,  durch  das 
verderbte  » Hochdeutsch welches  in  manchen  »gebildeten  Fa- 
milien ^  geredet  wird. 


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Dir  RinOliniv  4w  «hhlnfflifeii  Fillc. 


Tvr  liörl  und  spricht  die  fehlerhaften  Ausdrücke  täglich  und 
stinullicli.  nie  Si  Inilsprache  hört  er  tmr  einige  v^tuuden  des 
TaKc>,  den  Diakkt  während  der  ,i;.m/en  übrigen  Zeit. 

Die  SchwieriKkcil,  die  der  Mundarl  entstammenden  Felder 
auszurotten  und  die  maugelhatle  und  verderbte  t^prachc  des 
Schülers  dttrch  ein  gutes  Hochdeutsch  zu  ersetzen,  liegt  auf 
der  Hand.  Prüfen  wir  denigi^enüber  die  der  Schule  zu  geböte 
stehenden  Mittel  und  die  gewohnheitsmäfsige  Anwendung  der- 
selben I 

l)a(s  der  j^c^nnite  I'nterricht.  ja  der  Unterricht  ri1)erliaiipl 
an  der  Iirreicluin«;  (le>  angedeuteten  Zieles  zu  arbeiten  hat.  kann 
um  M>  weniger  liistritUn  werden,  als  ein  lebendiges  vSpraclitje- 
lühl  für  die  Hediugung  aller  Sprachbildung  angesehen  werden 
mufs,  das  Sprachgefühl  aber  nur  durch  den  Gebrauch  der  Sprache, 
durch  Hören  und  Sprechen,  erzeugt  wird.  Hbetiso  unerläfslich 
wie  die  eigene  mündliche  und  schriftliche  Übung  des  Schülers 
in  der  Muttersprache  ist  bei  \'erstöfsen  desselben  die  Herich - 
tigung  bezw.  HeUhning  des  lA'hrers.  ]**s  kann  aber  auch  kein 
Zweifel  dnrnber  bestehen,  dafs  die  Herichtigung  im  mündlichen 
rnterrichle  nur  eine  geleKenllielie  sein  und  die  Rücksicht  auf 
die  sprachliche  Form  niefnals  den  Gang  des  l'ntcirichles  stören 
darf,  indem  sie  das  sachliche  Moment  in  4^n  Hintergrund 
drängt 

Dieser  Umstand,  sowie  die  zahlreichen  und  maimigfalttgen 

Sprach  I  i  11  r  des  Schülers  fordern  die  Erteilung  des  grammatischen 
Unterrichtes  in  <Ur  Volksschule,  da  nur  <lurch  diesen  eine  syste- 
matische HekTunpfung  der  Sprachscliwieris^kciten  ermöglicht  wird. 
Die  Grainniatikstunde  dient  ;ibei  keineswegs,  wie  sie  sollte,  ledig- 
lich der  IkkämptuuL;  der  Sprachfelder  und  der  Weckung  und 
Befestigung  des  Spraciigctühls.  \  ieie  Lehrer  kiinnen  sich  mit 
dem  Gedanken  nicht  befreunden,  beim  Betriebe  des  grammatischen 
Unterrichtes  alles  Regelwerk  auf  ein  Mindestmafs  zu  beschränken. 
Dafs  Begriffe  wie  Dingwort.  Zeitwort.  Eigen  Schaftswort  u.  a. 
im  Deutschunterrichte  nicht  entbehrt  werden  können,  wollen  wir 
tlurchaus  nicht  in  Abrede  stellen:  doch  es  kcmunt  sehr  darauf 
ati.  wie  man  dieselben  vermittelt.  Nicht  durch  abstrakte  Defi- 
nition, sondern  durch  den  Gebrauch  werden  die  Schüler  sie 
unterscheiden  lernen. 

Wenn  auch  in  den  letzten  Jahr«i  von  den  Methodikern 
die  Übung  als  das  wichtigste  Moment  der  Sprachlehre  betont 
wird,  auch  dann  und  wann  Streifzüge  auf  das  Feld  der  mund- 
artlichen Fehler  untenionuneii  werden,  so  wuchert  doch  dieses  ein- 
gewurzelte Unkraut  zu  nppig.  um  auf  diese  Weise  gänzlich  aus- 
gerottet zu  werden.  Die  eine  Stunde  Si)rachlehre  genügt  nicht, 
um  den  verderbenden  Kinflufs  des  auf'^erhalb  der  Sehlde  stets 
gebrauchten  Dialektes  völlig  brach  zu  legen,  zumal  die  Methodik 


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Ii8 


W.  KdhpnkNiHp. 


des  !ti  Rede  stehetulen  rtitt'rriclit.s>;c};eii.staiidt  s  je  iiacii  den  in 
den  \  t-r.schieileiien  (iegcndcii  herrschenden  DialektichWrn  immer 
wechsehide  Schwierigkeiten  bielel. 

In  einem  Punkte  stimmen  jedoch  die  Mundarten  des  Ostens 
und  des  Westens  unserer  preufsischen  Monarchie,  von  Stadt  und 
Land  überein,  und  wir  denken :  in  der  Hauptsache,  nämlich  der 
Verwechselung  der  abhängigen  V'äWl. 

Der  Kampf  i^ej^en  die  verderblichen  Kinflüssc  (kr  Mundart 
mufs  sich  darum  in  erster  Tjnie  ^ej^en  <kn  tmrichtij^en  Ge- 
brauch der  \  itr  I'aHe  richten,  niesen  Gedanken  hat  der  \'er- 
fasser  des  bei  Krickenhaus  in  Meltniann  erschienenen  W'crkehcns 
'Sprachstoffe  zur  Einübung  der  abhängigen  Fälle  .  Herr  L.  L  i  n  k. 
aufgegriffen  und  ein  nach  methodischen  Gesichtspunkten  geord> 
netes  reichhaltiges  und  zugleich  wertvolles  Übnngsmaterial  zu* 
sannnengestellt.  Das  Bfichlein  ist  für  die  Hand  des  Volks- 
schülers l)estininit  und  kann  sowolil  des  l)illigen  Preises  (25  Pf.), 
als  nncli  der  praktisdien  nnd  pn^-eiukMi  Ausstattung  wegen 
Äur  allgemeinen  Anschaltung  nur  rin])fohlen  vM.r(kn. 

Da  der  Verfasser  von  einem  Anschlüsse  an  den  Lehrplan  der 
Volksschule  abgesehen  hat  und  absehen  nuilste,  hat  er  seine 
»Sprachstoffe<<  unter  den  Hauptrubriken  vDer  3.  Fall<,  Der 
3.  Fall«.  «Der  j^.  Fall'  zusammengestellt  und  beim  2.  Falte 
z.  B.  eingeteilt  nach  der  Abhängigkeit  von  einem  Dingworte, 
einem  Zeitworte,  einem  Kigenschaftsworte,  einem  Verhältnis- 
^V"rlc.  Die  ein/einen  Thuni^'-en  schreiten  strenv::  nacli  der 
.Schwierigkeit  lurt  ntid  /cichnen  sich  durch  ManniutaHii;kril 
ans:  die  Beispiele,  wlIcIic  je  nach  fkr  Xatur  tk>  Stultes  cnic 
Ivrgän/ung,  eine  I  nisltrllnng,  die  Meantwortung  einer  Trage, 
eine  Erweiterung  u.  s.  w.  fordern,  sind  den  verschiedensten  Ge- 
bieten entnommen  und  weisen  durchgehends  gehaltvolle  Sätze 
auf.  —  Obwohl  Link*s  'Sprachstoffe'^  keinen  lehrplanmäfsigen 
Stufengang  innehalten,  würde  sich  dem  Lehrer  häufig  Gelegen- 
lieit  bieten,  dieselben  in  innige  und  fruchtbringende  \'erbiudung 
nut  dem  l  nterrichte  zu  setzen  und  sowohl  als  Schul-  wie  als 
Hausaufgaben  zu  verwerten. 

Ks  ist  unsere  Überzeugung,  dals  die  Volksschule  bei  einer 
solchen  systematischen  Bekämpfinig  der  Fallverwechselung,  wie 
sie  Links  »Sprachstoffe*  ermöglichen,  der  Lösung  der  Aufgabe, 
den  Schuler  mit  einem  richtigen  Gefühl  für  die  hochdeutsche 
Sprache  auszustatten,  einen  Schritt  näher  kommen  wird. 

Crefeld.  \V.  Rübenkanip. 


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Neuere  Erscheinungen 
auf  dem  Gebiete  des  deutscJieii 
Spracliunterriclits« 

Vom  Herausgeber, 
fi.  K(Miinieutarc. 

A.  J.  Endris,   hic   IKhandl  u  ti  u   v-^n  r,  imI  i  cli  Icn  tn  der  Volks- 
schule.  \V  it.sbaticn,  R.  licchlukl  it.  Comp.  40  S.  0.75  ,M. 
Diese  von  der  Kgl.  Rcgicruiiif  in  Wiesbaden  mit  dem  ersten 
rrüise  der  .Seebode-StUtung«  gekrönte  Schrift  bringt  in  knapper, 
übersichtlicher  Fomi  eine  gute  Anleitung  zur  schulgemäfeen  Befaand- 
lung  von  Gedichten ;  neue  Gedanken  enthält  sie  freilich  nicht 
Bmil  Schneider,  Hauptlehrer  an  der  Ket/.erbachschule  zti  Mnrhurjf. 
Lehrproben  über  deuts  oh  c  l.csestüoke.    i.  Rd. :   J«ür  die 
T'iiterstufe.  Marburij  1S95.  Karl  Kraatz.  304  S.  M. 
li«'iiihol<l  .lülirher.   Lehrer  in  Kixdorf- Ikrün.    LräparatioTuti  /nr 
unlei  rie  litlichcti  Beliandhing  deutscher  Muslerstiicke 
in  der  Volksschule,   i.  Bd.:  80  Sprachstücke  ffir  die  Mittel- 
stufe. Berlin.  R.  Mickisch.  184  S.  2  M. 
K.  Dorenwellt  Präparationen  zur  methodischen  Behandlung 
deutsch  er  Musterstücke.    Ivin  Handbuch  für  Lehrer  /um 
ficbrauch  in  den  unteren  und  mittUren  Klassen  höherer  Lehr- 
.inst.'iltcii  itiul  in  <Ien  Mittel-   tind  Oberklassen   von  \'olks  imd 
Hiugerschulen.  i.  Teil.  Hannover  1S95,  C.  Meyer  (G.  Trion.  232 
S.  2.50  M. 

Die  ]<ehrproben  über  deutsche  Lesestücke  schiefsen  seit  einigen 
Jahren  wie  Pilze  aus  der  Krde.  Schade  nur,  dafs  sich  in  allen  Büchern 
fast  stets  dieselben  Stucke  behandelt  finden ;  an  manche  andere  Stoffe 
.<>cheint  sich  niemand  lieran/.uwageti.  Diese  Hriahrunp:  macht  man 
auch  bei  der  Durchsicht  der  obij^en  I^ü.  Ik  i  die  im  übrigen  alle  drei 
emi)ft)hUMi  ^Verden  können.  In  der  Art  der  BehandlTiii.<i  tintcrsi  hcideti 
sie  sich  nicliL  wesentlich  \  <>nfiiinnder.  Schneiders  liiich  schlieist  sicli 
in  erster  Linie  an  die  vom  hexsi.schen  Lehrerverein  heransjjegebenen 
Lesebücher,  das  Buch  von  Jülicher  an  die  Lesebücher  von  Wetzcl- 


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130 


itfhniiNi'»  Mt-jrcr. 


Scliuiiiaini  oder  Wetzel  Hüttiicr.  wahrend  I >i)r(  11  well  /.uiiächst  die-  Ia'Sc- 
hüoher  von  Hopf  im  l  Taiilsieck,  von  l  Uiggc  uiul  das  Hannoversche 

T.c-sttim-li    heriicksiclilij^t  hat. 

K.  Kuenei),  Prot  .  timi  ^I.  Ka»'i-s.  liin-ktor.  !  )i  e  d  etilsrh  t-n  Kl.issikcr, 
erläutert  und  gewürdigt  lui    holicrc  LeliransLaitvn   sowie  /um 
Selbfitstndiam.  1.  Bändchen:  Schitiers  Wilhelm  Teil,  von  Kd. 
Kitenen.  4.  Aufl.  115  S.  i  M  —  u. Bändchen:  Goethes Kj^mont 
von  Dr.  Fr.  Vollmer.  113  S.  l^ipziis,  Heinr.  Bredt. 
Die  beiden  Hefte  enthalten  alh  v  v  t  der  Lehrer  zur  l^rläuieriing: 
tind  Wiirdiq-nng  der  Dramen  zur  Hand   hal)en  imii's.    um]  sind  zur 
\'orbereitun.ir  anf  den  l  nterricht  bestens  zu  empfehlen.  U  elclien  An- 
klang die  Sanindnnir  uefunden  hat,   geht  auch  daraus  hervor,  dafs 
von  dein  ersten  l?;ui(Kh(  n  in  wenigen  Jidiieii  die  }.  Auflage  Norliegt. 

M.  Evers,  hnektt>i.  Sehillci  s  (  ,l->,  ke  .  Neue  Textausgabe  mit  \er- 
anschaulichender  ICrklärung.  cing^ehender  Jirläutcrung  und  um- 
fassender Würdigung.  194  vS.  1.25  M. 

J.  Steiger,  Schillers  Lied  von  der  Glocke.  Für  mittlere  und 
höhere  Schulen  hearbeitet.  Bern  1H94,  Schmid,  I^rancke  u.  Co, 
T48  S. 

J.  Geisel,  Seniinarlehrer,  Der  <Uockenguls.  Materialien  7,nr  Bc- 
vsprechung  des  Schillerschen  Liedes  von  der  Glocke.  Mit  8  Ab- 
bildungen. Für  den  Gebrauch  in  höheren  Lehranstalten.  ,-^1  S. 

"  75 

Drei  Erläuterungen  von  Schillers  unsterMiohent  l.iede,  die  sämt- 
lich in  ihrer  Art  ein pfehleuvswci  l  ^.ind.  Hie  umtas.sentlste  und  griind- 
lichste  ist  die  Arbeit  von  Hvers,  die  schulgemäl.seste  die  \  on  Steiger, 
während  (Deisel  durch  seine  detaillierte  Beschreibung  des  Glocken- 
gnsses  beide  ergänxt. 

C.  Scbmidt,  Faust,  ein  Menschenleben.  Versuch  einer  liamu»- 
nistischen  Analyse.  Berlin  1H95,  Kosenbauni  u.  }Iart.  168  S.  M. 
Die  Faust- Litterat ui  ist  bekanntlich  schon  fast  ins  Unüberseh- 
bare gewachsen,  lind  noch  immer  wieder  versucht  sich  «ler  Menschen - 
geist  an  »liescr  gewaltigen  Dichttmu  D«  r  \  (  rf.  obiger  Sclinft  gehl 
nem  Wege.  Ihm  ist  fler  l"au>i  < m  1  >i -auisclu s  (Tanzes.  Ausgehend 
voll  sich  und  ileiu  Leben  und  nielil  von  i  rUuii<iLii  sucht  er  deshalb 
insbesondere  die  Kinheit  der  Dichtung  blofszulegen  und  die  handeln- 
den Personen  nach  Charakter  und  Wesen  zu  zeigen.  Wer  ein  Faust- 
Verehrer  ist  —  und  in  gewissem  Sinne  ist  es  ja  ein  jeder  wird  auch 
diesen  neuen  Versuch  zur  Hntsicgelung  des  Testamentes  (toethes 
nicht  unbeachtet  lassen  dürfen. 

9.  liitteratargeschicbten ;  Btieher  Bber  Poetik. 

Dr.  Gottlob  Egelhaaf.  drund/üge  der  deutschen  Litteratur- 
geschichte.  10.  Aufl.  I.eip/.ig  if>y4,  O.  R.  Kcislaiul.  185  S.  geb. 
2,40  M. 


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Keurre  Er«cheinuiiRen  Nuf  «triii  Oebielr  4r«  <leat»cbcn  SpmrhuntvrrichU.  i  7| 

Dr.  Otto  Lyon,  Al)rifsder  I.itteraturgeschichte.  .vAufl.  heip^ig 

f'<n-    V-   C,   Ti  uhiier,    142  S. 
Dr.  tr  /iirh(ni.seii.  ( )l)erlt:hrcr,  litutschc  Li It er a tu r k u  11  d t-.  Leit- 

fiukrii  für  höhere  Schulen.  2.  Aufl.  lierliu  iS()4.  Nicolai.  15S  S, 
Prof.  Dr.  Gottbuld  Klee,  Grunclicüge  der  deutschen  ]. itterulur- 

gescltichte.   Für  höhere  Schulen  und  xitm  Selbstunterricht. 

Dresden  1895,  Georg  Bondi.  180  S.  1.50  M. 
Dp«.  J.  WychgrsD,  Hüfsbuch  für  den  Unterricht  in  der  deut- 
schen lyitteratur^'eschichte.  2.  Aufl.   Bielefeld  u.  Leipzig 

'.^ul.  \'clhagen  u.  Kinsing.  154  S.  r.25  M. 
Dr.  K.  HeihiiHiiii.  < esch  i  cli  t  e  der  dcMtschen  X  at  i  on  al  -  Litte- 

ratur.  Hin  Ililfsbuch  für  Schult  und  Haus.  2.  .Aull.  Hrt^luu  1895, 

Hnnl  Hirt.  148  S.  1.60  M. 
ti.  Hotorp,  Seminar-Oberlehrer.  Lehrbuch  der  deutschen  Litte- 

ratur.  Für  Lehrer  und  Seminaristen.  Halle  a/S.  i^St  Schrödel. 

227  S.  2,80  M. 

h's  ü^ht  einem  das  Her/,  auf.  wenn  man  diese  I^itteraturge- 
schichten  durchsieht  und  sie  mit  den  älteren  verj,deicht,  den  l)e- 
kanfiten  Klr.u'c  nicht  nu^i,^fsr!iU>ssen.  <ier  auch  im  (Inuide  hei  den 
-Tili  n  \"  <  >  r ,1 1 /.  f  n  wei.ser  Slot thivschränkiinir  stehen  gi  l»licl)i.  n  ist. 
.Mit  welchem  HaUast  von  Namen  sind  diese  alteren  IJücher  l)eschwert, 
die  ohne  die  herkönuulichc  Aufnahme  in  die  Litteraturgeschichte 
längst  und  nicht  mit  Unrecht  gänzlich  vergessen  sein  würden.  Damit 
haben  die  vorliegenden  Litteraturgeschichten  gründlich  aufgeräumt: 
die  Dichter  sind  wirklich  in  weitem  «Siebe  gesiebt.  Durchaus  im 
Mittelpunkte  stehen  die  beiden  Blütezeiten,  j^anz  wesentlich  wie 
nnttirhVh  die  /.weite,  aber  auch  in  ihnen  ist  eine  Beschränkung;  auf 
die  besten  poetischen  ( ieislesbliiten  erstrebt  worden.  W  as  an  l)e' 
merkenswerten  Mr.scheinungen  /wi.schen  den  bei<len  Zeit.iUern  liej^t, 
ist  lediglich  der  Verbindung  halber,  was  die  nachgocthische  Zeit  er- 
zeugt hat,  zur  Orientiening  des  tastenden  jugendlichen  Geistes  ganz 
kurz  skizziert  worden.  Am  weitesten  in  der  Beschränkung  gehen  die 
Bücher  von  Dr.  Zurbonsen  und  Dr.  Hetlmann,  die  auch  in  der  Dar- 
.«»tellunj^:  erkennt  n  la.ssen,  dafs  ihre  \*erfas.Ser  gt  a  i(  ute  Schulmäuuer 
sind.  Hotorii.s  P.iich.  für  Lehn  r  und  Seminaristen  bestimmt,  ist  keine 
fitrfntlichc-  I .illi  raturcrcschirliu  :  in  drei  Teilen,  die  mit  den  Namen 
Jugend  .  \  olk.^  nml  kl.i^si.^v  li i  l.itteralur  benannt  siu'l,  !>fhnndcH 
es  den  litleralurgesehiclubi  lieii  vSlott,  auf  diese  Weise  \  om  l.eu  lilen 
zum  Schweren  stufenweise  fortschreitend. 

Dr.  Otto  Lyon,  Abrifs  der  deutschen  Poetik.    Leipzig  189,^, 
Teubner.  80  S. 

Fr.  Damiayer.  (,rund/,ügc  der  Poetik.   2.  .Vufl.   Nürnberg  1894. 

Krön,  qi  .S.  i  M. 

Zwei  Lehrbücher  der  Toetik.  ilie.  inlialtlich  kr.ir>.kt  und  sprach- 
lich sauber  abi^efaisl,  ilircti  Zweck  erfüllen.  Das  erste  ist  mehr  für 
höhere,  diis  zweite  für  miniere  Schulen  berechnet. 


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122 


Joliitniip»  Mt'\fr. 


Albrecht  Thouiu,  Das  Drama,  liinc  gcineuu  tistämllidic  Darslelluiij; 

.sein«)  Wesens  und  seines  Baues.  Gotha  1893,  Tbieneniann.  48  S. 
 .  Das  Studium  des  Dramas  an  I^^essings  Meisterwerken. 

(fOtha  1H95,  Thienemann.  108  S.  140  M. 

Der  \  crf.  hat  sich  eingehend  und  lithevoll  mit  (km  (  iegenstand 
seiner  Arbeit  beschäftiijl  und  das  Krj^ebnis  seines  Studiums  in  den 
obigen  beiden  Schriften  niedergelegt,  die  wir  bestens  empfehlen  können. 

fO.  Oramtnatiselie  und  orthojurraphisehe  Schriften. 

H.  N«wack,  Scuünarlclirer.  Spraclistof fe  fi\r  die  \  i>l k.ssch u I e 
zur  i'bung  im  richtigen  Schreiben  und  Sprechen.  I.chrer- 
heft:  Diktatstoffe«  nebst  Anweisung  zur  Benutzung  der  Schüler- 
hefte und  weiterem  Übungsmatertal.  6.  Aufl.  Berlin  1895,  Ferd. 
Hirt.   119  S. 

Hin  unentbehrliches  Hilfsmittel  für  denjenijfen.  der  die  weil- 
verbreiteten Schülerheftt   <ks  \'erf.  benutzt     IHr  Name  des  Verf. 
vcrbürjjt  die  praktische  Hrauc  liUark«  it  dt  r  AtIkiI 
K.  Uömermann.  Ausführliche    und  \  ul  Isla  ti  di^c  Sprach  lehre 
/.um  Ciebrauch  in  \  olksschulen.    i.  Ilcit:  l'ür  die  Mittel- 
stufe.  6.  Aufl.  32  S.  0,20  M.  —  2.  Heft:  Für  die  Übeistufc. 
6.  Aufl.  48  S.  0,30  M. 
Karl  Martens^  Deutsche  Sprach  Übungen.  Methodisch  geordnete 
Übungen  im  richtigen  Schreiben  und  Sprechen.  Für  Volks-  und 
Bürjjerschiden.   3.  lieft  (01)erstufe).   Hannover  1894,  Man/,  und 
kanj^e.    <ki  S.    (k\<'  M 
J.  F.  Hüttnmnn,  Deutsche"-  Sprac  libuch.    Melhoiiisch  ueordncle 
Beispiele,  Lehrsätze  und  .Auljjahen  für  den  Spiachunlerriclit  in 
Klenientar-  und  Fortbildungsschulen,    .\usgabe  B  in  ;>  Heften: 
I.  Heft,  40  S.  0,25  M.  —  2.  Heft.  64  S.  0,40  M.  —  3.  Heft.  64  S. 
0,40  M.  Stade  1894,  Fr.  Schaumburg. 
Ur.  Hpiefs  und  Prof.  Beriet,  Deutsche  Sohulgrammatik.  Hrster 
Kursus,  für  den  l'nterricht   in  den   untersten  Klassen  höherer 
T.ehrnnstnlten  berechnet.    Frankfviit  a./M.,  Kesselringsche  Buch- 
liandlun^.    39  S. 

Dr.  W.  tftitti«K.  Die  d  e- u  ts  r  h  e  Sprache-,  .Melliudisch  hehanek-ll 
für  Bürger-,  höhere  Maelchen-,  Mittelschulen  und  Präparandeii- 
Anstalten.  3.  Aufl.  bearbeitet  von  Dr.  H.  Zimmermann.  Hanno- 
ver 1892,  C.  Mej-er  (G.  Prior).   141  S.  0,80  M. 

Henn,  Rosenbnrif,  Iy,ehr-  und  Übungsbuch  der  deutschen 
Sprache  für  Präparanden -Anstalten.   Berlin  1895,  Ferd.  Hirt. 

tCfO  S. 

A.  Lieb,  l"  bim  j^sbuch  zur  Wiederholun;^'^  der  <KnlS(.?ien 
(*. raiiinialik.  Für  Lehrer-  und  LehreriuncnbilUungsansUdten. 
Nürnberg  1.S94,  Kürn.    125  S.    1,40  M. 

Arth.Ilaes6,Gurcke8  deutsche  Schulgramraatik.  Fürtechnischc 
Lehranstalten  bearbeitet.    Hantburg  1S94,  Otto  Meistner.  310  S. 


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Nemrc  Er«clielniuig«n  »ut  dem  Uebiel«  de»  4i*ttt««beii  Spraebmterrirlit«.  123 

» 

Dif  vorUcj^ciuleii  Ilcfti'  kuniuu  fiir  die  Schuljjattiiuj^en,  für 
wcKlic  sie  :uif  (Iciii  Titel  bc/cichuel  siml.  als  l>i.itichbar  h<-/eichiiet 
werden.  Soweit  sie  für  \  olks-  tiiul  Hin jievscinilcu  berechnet  sind, 
ist  mit  Sorgfalt  nur  das  ausjjewahlt,  was  wirklich  ])raktiächen  Wert 
hat.  was'xuiii  richtigen  mündlichen  und  schriftlichen  (Gebrauch  durch- 
aus notwendig  ist.  Was  nur  theoretisches  Interesse  hat,  ist  von  den 
meisten  dieser  Bücher 'ausgeschieden. 

W.  Seytter,  Kurzgefafste  I>efclinationi»lelire  für  den  Schulge- 
brauch  und  zum  Selbstunterricht.  ECslingen  1893,  W.  Langguth. 

S2  S. 

A.  MaiisliHk<'.  r  bnn  jjsstoff  e  zur  r  ü  n  d!  i  c  h  e  n  lvinübun<r  der 
Sprach  fälle  iji  N  olks-  und  Iiru>;eisi  liulen  \-'.'u\v  I-jj^an/ung 
/.u  jecleni  Sjirachlielte.    Dessau  ^-  Kahle.   i)2  S.   «>,4(>  M. 

Rektion  und  Flexion  sind  bekanntlich  die  beiden  Angelpunkte, 
um  die  sich  der  grammatische  l*nterricht  in  der  Volksschule  drehen 
nmfs.  Wer  hierfür  nach  einem  zweckmäfstg  ausgewählten  Stoffe 
sucht,  dem  seien  die  obigen  beiden  Hefte  empfohlen. 
U.  DiotU'in,  Der  Rechtschreibschiiler.  Cbungsstoffe  zur  Wieder- 
hobuitr  und  Hefe.stigunir  in  der  neuen  Schulorthographie.  6.  Aufl. 
W  iltLnl)i.rg  K.  Henosc     17  S.    0,20  M. 

Ernst  Kühl,  Deutsche  K ech  Isc Ii  rei bl eh re.  Kin  Ililfs-  und 
Cbungsb^ich  für  den  orthographischen  Tuterricht  auf  drei  Klassen - 
stufen.  I.  Stufe.  11.  Aufl.  30  S.  0,40  M.  —  2.  Stufe.  9.  Aufl. 
32  S.  040  M.  —  3.  Stufe.  7.  Aufl.  30  S,  0.40  M.  (>otha  1893, 
Thienemann. 

Jtth.  Mey«T,  Lehr-  und  rbungsbuch  für  den  l'nterricht  in 
der  deutschen  K  r ^  h  i sc h r e i bu n g.    10.  Auflage.  Hannover 

lS<(4.  C.  Mever         riioi).    64  S.    <>.;;o  M. 
Der  deutschen  K  rolilschreibung  N  ürnberger  Trichter.  Aus- 
gabe A  (für  \  Olks-  und  Bürgerschulen),    liraunschweig  iSy4, 
Appelhans  u.  Pfenningstorff.   16  S.  0,30  M. 
Die  ersten  drei  Hefte  haben  sich,  wie  die  zahlreichen  Auflagen 
bezeugen»  in  der  Praxis  bewährt.  Die  Reimereien  des  letzten  Heftes 
sind  nichts  weiter  als  eine  werllose  Spielerei.  Mein  eigenes  Heft  er- 
scheint auuciiblicklich  in  11.  Auflage. 

Dr.  O.  (ibide.  Die  deutsche  1  n  t  e  r  p  u  11  k  t  i  o  u  s  1  <  h  i  t  Die  wich- 
sten Kegeln  über  die  Sat/.-  oder  I.e.se/.eiclieu  und  tiie  Redestriche, 
l.eip/.ig  iS«);.  ]{.  (',.  Teubner.    53  S. 

(.'.  Andrea«,  Diktatstoff  für  die  Mittelstufe.  Oranienburg  1S94, 
Freyhofff.  40  S.  ü,,«;o  M, 

Paul  Th.  Hermann,  Diktatstof  fc.  Im  Anschlufs  an  die  einzelnen 
Unterrichtsfächer  als  Sprachganze  bearbeitet.  I^eipzig  1S95, 
WuTulerlich.    i6j  S.    i/x>  M. 

Praktisch  atigelegte  Hefte,  die  wir  empfehlen  können,  rnsern 
\  ollen  Heifall  hat  das  buch  \ on  Hermann,  cla  c<.  \\  ie  schon  der  Titel 
sagt  nur  in  sich  abgeschlos*iene  (ian/e  als  J  )ikiatj>toff  bringt. 


124 


J  oh  All  neu  Uvyer. 


A-B-<\  Nf  uevSchrift !  X'ersuch  ciiici  neuen  tletitsclKii  rcchisvlireil>un}^. 

mit  regeln  und  Wörterverzeichnis.  Berlin  iSy^^,  Max  Ilüffschlä^er. 

Anstatt  iinnier  wieder  mit  neuen  VorHchlägen  %ur  Vereinfacliung 
unserer  Rechtschreibunjc  au  die  Öffentlichkeit  7.u  treten,  thäte  man 
wirklich  beüser.  zunächst  dem  von  Fricke  gefn^indeten  Verein  weitere 
Kreise  y.n  erschlieisen  \nit1  ctsvaijxe  \'erbessernnp;svorschlä<ie  dort  zur 
Debatte  /n  sU  llcn.  Diulurch  w  ürde  soliliefslii  Ii  dt)eh  \  ielleicht  etwas 
erreicht,  während  die  IJroschüren  eines  eiiuclnen  i>ang-  und  klang- 
los untergehen. 

11.  StilistMche  Schrillen. 

M.  Falk,  Materialien  2U  einer  Lehre  vom  StiL  Jena  1H94, 
Mauke.  4^  S. 

Dr.  L.  Cholevlns,  Praktische  Anleitun«^  zur  Abfassung 
deutscher  Autsat/. e  in  Briefen  an  einen  jungen  Freund. 
I.eip/.iK  i»^9,v  B.  ti.  i  enbner.    104  S. 

Dr.  Otto  liVon.  K  u  r/.  ef  n  fsle  deutsche  iStilislik.  3.  Auflage. 
l.ei|>/-ig  i^S).^'  1  eubner.    94  S. 

Falks  Schrift  ist  ein  wertvoller,  auf  selbständigen  Studien  be- 
ruhender Beitrag  zu  der  Lehre  vom  Stil.  Auf  Vollständigkeit  macht 
die  Arbeit  keinen  Anspruch;  sie  zählt  aber  doch  eine  beträchtliche 
Anzahl  von  den  l  'orderunjjen  auf,  denen  eine  Sprachliche  Darstellung 
^renngeti  niufs.  Die  beiden  andern  Bitclier  sind  praktische  Anleitungen, 
die  ihre  Brauchbarkeit  für  den  Unterricht  schon  bewiesen  1  '^i-n. 

l>r.  <Kto  IHngcIdein,  >  k  1 1  i  ti  t  \nfs;it/e  erzählenden  Inhalts. 
Nielsen  1S95,  ICmil  I-ioili.    132  S.    i/»'^  M 

A.  Lieh.  I)  e  r  .\  u  f  s  a  t /.  u  n  t  err  i  c  h  t  in  d  er  \  O  1  k  .s  s  c  h  u  1  e.  i.Teil: 
Für  die  Interklasse.  OS  S.  u.^h)  .M.  -  2.  Teil:  l'ür  die  Mittel- 
klasse. 166  S.  1,20  M.  -  3.  Teil:  Für  die  ()berklas.se,  i88  S. 
1,20  M.   Nürnberg  1894,  Fr.  Korn. 

J.  Stotfel,  Der  Aufsatz  in  der  Volks-  und  Mittelstufe. 
1  Teil.  132  S.  1.50  M.  —  2.  Teil.  167  S.  2  M.  Halle  a.  S.  1893. 
Schrcwlel 

K.  Durenweli.  Dir  dcutsr!ie  Auisat/.  in  den  imtcren  und  nnlt- 
leren  Klassen  höher»  r  I .Lliran.stallen,  sowie  in  Mittel-  uml  Hiiruer- 
schulen.  i.  Teil.  3  Aull.  294  vS.  3.50  M.  2.  Teil.  3.  Aull.  320  S. 
3,50  M.  Hannover  1S95,  C.  Meyer  ((t.  Prior). 

K.  Herberger  n.  C.  Düring,  Theorie  und  Praxis  der  Aufsatz- 
tibungen.  1.  Teil.  2.  Aufl.  Dresden  1893,  Bleyl  u.  Kämmerer. 
96  S. 

Panl  Th.  liei-inann.  Deulsclie  .\ufsät/.e  für  die  oberen  Klassen  tkr 
\'olkssciiule  und  für  Mittelschulen.  J«eipzig  1895.  K.  Wunderlich. 

210  S   ?  M 

A.  Liel»,  I'riii^rlu'  Aufsät/e  utit  Di^ipositioTu-n  /um  (iLlii.uich  in 
I*'ortbildungf>schulen,  Tüchlerinstilulcu,  Lehrerbildungsanstalten. 
Nürnberg  1896,  I^eb.  280  S.  2.50  M. 


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ifraer«-  KrKt-h«'iuunsen  uuf  ili-iu  Ui't>U-lr  ilt-s  ihui^i'lifn  >priirhiiiitorrirhN. 


Br.  R.  Heiase  u.  Hr.  W.  Sebrüder,  Aufgaben  aus  deutseben 
Dramen,  i.  Teil:  Aufgaben  aus  Wilhelm  Teil.  89  S.  0,80  M.  — . 
2.  Teil:  Aufgaben  aus  >Die Jungfrau  von  Orleans  .  86  8.  0.80  M. 
—     Teil:  Aufgaben  aus  Wallenstein  .  !i8  S.  t  M. 

Wir  sind  im  Prinzip  j^ej^eti  alle  Aufsatzsanuuhui^en.  da  wir  die 
Überzeugiinj;  haben,  dais  die  Aufsätze  aus  dem  l'nterricbte  heraus- 

warli'jcti  müsst  ti.  und  jrder  Lehrer  am  besten  seiher  wissen  niufs. 
weiche  1  ■•rill  i'iii  di.  ii  Standpunkt  seiner  Klasse  die  passendste  ist. 
Wer  aber  nacl»  einem  Hilfsmittel  sucht  und  bei  richlij^er  \er- 
wendunj;  kann  es  ja  auch  von  Segen  sein  —  dem  bieten  die  obigen 
Bücher  eine  reiche  Auswahl  passender  Arbeiten  für  alle  ITnterrichts- 
Verhältnisse. 

Ohr.  Leibbnmd,  Her  (rcschäftsaufsatz.  HfsHngen  1K95,  M.  Lang- 
guth.  74  S- 

Th.  Jäger,  Der  gewerbliche  Aufsatz.  Wittenberg»  R.  Herrose.  49  S. 

Zwei  prakti.sch  angelegte  Heftchen,  das  erste  fiir  Volks-,  Sonn- 
tags-. Winterabend-  und  ländliche  Fortbildungsschulen,  das  andere 
für  Handwerker-  und  stadtische  Fortbildungsschulen  berechnet. 

Vd.  Srhrilten  über  den  Schreibiiiiterriidit. 

äkrohek,  M  et  hofli  scher  Leitfaden  für  (U-ii  S  ch  r  ei  b  u  n  terr  i  rh  t 
in  der  \'olksschule.  Zum  ( iebraucl»  in  .SchuUehrer.seminarien  und 

\  o1k^'^i  huli  n    Leipziw^  '*^95.  I>ürr.    iS  S.    1  M. 

Michael  Künkliaminci-,  I  ►  i  1  Sch  rei  bu  n  le  1  t  i  ch  t  u  n  d  d  as  Schuler- 
taj^ehuvl:    ! 'aiiei  1k»i Ti  1^0;.  T'erd   Sch<»iiin}^h   64  S. 

Je  j^erin<;er  ilu-  Atr/ahl  »i«  1  Anlciluugeu  zu  einer  zweckiiiaisigen 
I'rlcrnung  des  Schrei)iuiileriicl>ls  sind,  desto  freundlicher  werden  diese 
beiden  Schriften  .<;;c  \vifs  anfgenoninien  werden.  Das  zweite  Heft  ent- 
hält aufserdeni  dankenswerte  .\ngabcn  über  die  Hinrichtung  von 
Schülertagebüchern,  die  den  praktischen  Schulmann  verraten. 

tu,  Vennisehtes. 

Prof.  Dr.  O.  Weise,  l'nscre  Muttersprache,  ihr  Werden  und  ihr 

Wesen.  Leipzitj  iSi)^.  H.  C.  Teubtier.  252  S. 

Dr.  Ott«  Lyon,  liisniarcks  Reden  und  Hriefe.  lubst  einer  Dar- 
stellun<i  (Ks  Lebens  und  der  Sprache  iiismarck.s.    i,eip/.ig  1^*95, 

Teubner.  21  >  .S. 

Dr.   Ott«»   f/Vdn.       t  st  s  r!i  ri  fl    /nn>    siebzij;sten    r,  «bti  rlsla  i- e 
Kn<loli  1 1  j  1  d ci) I  a  n  (1  s  iti  Aufsätzen  zur  deul.schen  Sprache  und 
I.itleratur,  sowie  zum  deutschen  rnterrichte  von  lÜltz,  Brenner, 
Feist  Frankel.  Franke  etc.  I,eii>ziir  is.;4,  Teubner.  .^64  S. 
Wir  müssen  uns  mit  der  AnzeiK<^  dieser  Schriften  be^nüij^en. 

können  aber  nicht  unterlassen  hinzuzufiigcn,  daf»  jeder  Lehrer  des 

Deutsehen  dieseltjen  gelesen  haben  niüfste. 


726 


Anhang. 

Dr.  Göhl»  60  Volksschiilaufsätze  als  Krgfebnis  je  14 tägiger  Lese-, 
Rede-,  Aufsatz-,  Sprachlehr-  und  Recbtschreibungsübungen.  An- 
jfeschlossen  an  LesestCicke  aus  den  Jüttingr-Weherschen  I^cse- 

bücliern 

Iti  diesem  Werke  liegt  l'heorelisolies  iitid  Praktisches  vor,  uuletn 
der  erste  Teil  die  Danstellunj;  des  Verfalireiis  im  deutschen  Uiiter- 
richte  beliandelt  uud  der  zweite  Teil  die  praktische  Au.sfühning  und 
Anwenduni*:  der  methodischen  Bestimmungen  des  ersten  Teiles  gfiebt. 
(«öhl  verlangt  und  führt  praktisch  durch  einen  organischen  Zusanimen- 
schlufs  aller  l'ächer  <ks  DeutschnnU  rrichls.  so  dals  die  Hesi)recliunjf 
eines  Ivcscstückcs  nach  der  psycholo<iischen  Art  und  Weise  der 
Fonnnlstufen  /.n  rTrundc  ^fclcijrt  wird,  dessen  zum  g^ei.stij^en  Ivijjen- 
tunie  des  Kindes  jrehrachter  Sl  itl  dann  das  Material  /.u  AiifsaU-, 
Sprachlehr-  und  Rechtschrcibunj^siibun«jen  liefert. 

Das  Buch  ist  mir  und  \  ielen  anderen  das  sympatischste,  das  auf 
dem  Büchermarkte  im  Gebiete  des  Deutschnnterrichts  erschienen  ist; 
es  ist  gediegen  sowohl  im  theoretischen  als  auch  im  praktischen 
Teile;  denn  seine  Theorie  und  Praxis  weisen  nach  ijnd  veranschau- 
lichen die  Richtigkeit  und  das  grofsartijj  X'orteilhaftc  und  Interessante 
einer  Verbindnntr  und  Zusanunenschlicfsunj;  nllcr  Dentsclifru  her.  s<i 
dafs  hinfort  dir  Kinder  sich  nicht  mehr  in  den  Aiifsal/>-liiiiikii  in 
au.i,anl)lickli(-li  fernliegende  <  »t'dankeiikreise  versel/.l  .scheu  <Kler  \;ar 
nocli  in  den  vSprach-  und  Rechtschreibelektionen  durch  ans  allen 
möglichen  (gebieten  zusammen  gewärtelte  sogenannte  Muster-  und 
Anschauungssätze  in  derselben  Stunde  aus  einem  (vedankenkrcise  in 
den  andern  gerissen  werden  und  so  über  dem  Ersterfassen  des  In- 
haltes ihre  Kraft  nicht  cinzij^  und  allein  auf  das  grammatische  oder 
orthojjraphischc  I.ehrobjekt  /.u  richten  vermögen,  so  dafs  diese  Zer- 
.♦^plittcrnni:'  <Ur  ircistiifcti  Kvnft  schnell  Interesselosigkeit  und  b'r- 
lahnnm.L:  zur  !"(>l;^e  hat  luui  die  1' uteri ichtsresultate  nur  ganz,  minimal 
ausfallen.  I»ie  Ausiühiung  dieses  schöpferischen  (iedankens  eines 
Zusammenschlusses  aller  Fächer  des  Deutschunterrichts  verlangt 
(iöhl  in  einer  Art  und  Weise,  die  nicht  blofs  nach  Psychologie  riecht, 
sondern  wirklich  psychologisch  ist.  so  dafs  sich  der  i^ehrer  Schritt 
um  Schritt  auch  auf  dem  ( lesamtgebiete  des  Deutschen  die  hrage 
vorzulegen  hat:  Wie  arbeitet  die  Psyche,  und  wie  hast  du  damacli 
<leinen  Unterricht  zu  gestalten  ? 

\  on  diesen  Hauiit})unkten  abgesehen  ist  noch  a!-^  gliicklicher 
(Vriff  anzuerkennen  und  als  nachaiimeiiswert  /u  emptehlen,  das  Jie- 
zugnehmen  und  Durcharbeiten  der  verschiedenen  des  vom 
sächsischen  Kultusministerium  herausgegebenen  Kegeln  -  und  Wörter- 
verzeichnisses, das  laut  Verordnung  in  den  Händen  der  Schüler 
sächsischer  Schulen  sein  soll. 

Wenn  hiermit  das  (»öhrschc  Much  durchaus  empfohlen  worden 
ist.  so  soll  hinwiederum  doch  nicht  gesagt  sein,  dafs  an  ihm  keine 
Ausstellungen  zu  machen  wären.   Ich  beanstande  vielmehr  ilieses: 


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Anhaug. 


1,  Bs  wSre  mit  Wohlgefallen  begrüfst  worden,  wenn  die  Stellung 
der  Lesestücke  im  Lehrplan  der  Volksschule  unter  dem  Gesichts- 
punkte der  stofflichen  Konzentration  zu  den  anderen  Fächern  noch 

hervorgehoben  worden  wäre,  so  dafs  man  schon  auf  den  ersten  Blick 
gesehen  hätte,  wie  he\it/utage  jeder  Autor  hei  der  Stoffauswahl  in 
jeglichem  Fache  auch  diese  Frn<^e  des  TiK-inaiKk-rq^reifens  der  T'ntcr- 
riclitsgehit-te  geflissentlich  in  das  Bereich  seiner  Überlegungen  zu 
ziehen  hat. 

2.  Es  ist  als  ein  Mangel  zu  bezeichnen,  dafs  nicht  je  eine  aus- 
geführte praktische  Besprechung  eines  Lesestückes  an  der  Spitze 
der  Abteilungen  für  das  3.  und  4.,  5.  und  6.,  7.  und  8.  Schuljahr  steht. 

;v  Ks  ist  nicht  gut,  das  Lesestück  auf  der  Stufe  der  Darbietung 
einzig  vom  Schüler  lesen  zu  lassen:  denn  dadurch  begiebt  sich 
der  I.chrt-r  eines  Mittels,  auf  das  fiemiU  der  Kinder  einzuwirken  und 
die  Sc  hiikr  durch  de  n  Reiz  und  das  Fesselnile  eines  giiten  \'ortrags 
für  das  Stück  von  Anfang  an  zu  erwärmen,  wit-  dadvucli  auch  darauf 
verzichtet  wird ,  schon  durch  das  mustergiltige  betonte  Vorlesen 
manche  schwierigere  Stellen  sofort  zum  Verständnis  zu  bringen  und 
sich  der  Mühe  eines  Besprechens  zu  entheben,  also  Zeit  zu  sparen. 

4.  Die  Weise,  allein  die  Schüler  sofort  lesen  zu  lassen,  wird  da- 
durch noch  nachteiliger,  sofern  dieses  Lesen  auch  nur  abschnittweise 
geschehen  soll,  um  darauf  gleich  für  diesen  Abschnitt  die  Sachver- 
tiefung etc.  an/nschliefscti.  Das  halte  ich  nicht  für  richtig,  weil  das 
lit-inüt  nach  einem  'l'ulalcin<lriu kr  strebt  und  die  Teile  im  Lichte 
des  üanzen  erst  das  rechte  Schlaglicht  zum  X'erstundnis  finden,  ilie 
Schüler  aber  der  Versuchung  ausgesetzt  sind,  unbekümmert  um  das 
Verlangen  des  Lehrers,  nur  bei  dem  jeweiligen  Abschnitte  zu  ver* 
weilen,  weiter  bis  zum  Schlüsse  zu  lesen,  um  die  natürliche  seelische 
Spannung  /ii  befriedigen. 

5.  Will  es  mir  methodisch  nicht  feinsinnig  getiug  abgewogen 
erscheinen,  die  ("berschriften  und  Dis])osilif)nen  in  blof.sen  Haupt- 
wörteni.  in  kahlen  Fin/elwci  liiltersehi  ifU  n  zu  bieten  Ks  müssen 
Sätze  gewählt  werden,  aber  nicht  formellen,  sondern  recht  sinniailigc  ti 
Inhaltes,  weil  das  im  Interesse  schon  der  sprachlichen  Ausbildung, 
wie  auch  im  Interesse  des  leichteren  Festhaltens  der  Sache  liegt, 
welche  konkreten  Sätze  aufserdem  noch  die  so  wichtige  Reihen- 
bildung  der  Vorstellungen  vorbereiten,  ja  zuweilen  die  einzuprägende 
Vorstellungsreihe  selbst  bilden. 

Dnrli  das  sind  schliefslich  nicht  .dl/t:sclnver  ins  (iewioht  fallende 
An.N.slellungen  im  llinlilick  auf  das  wolU^elunL^ene  i^rofse  ('»an/.e  des 
Buches,  und  ich  kann  nur  damit  schlieLsen.  das  r.ölü  sehe  W  erk  noch- 
mals zum  Studium  und  nach.schaffendeni  (lebrauche  angelegentlichst 
zu  empfehlen. 

Ttnig.  Paul  Koch. 


I2ft 


V«ne  B6«hfr  and  AttftStM. 


Neue  Bücher  und  Aufsätze. 

liii  l>  l^iiavtiil  «Ic«.  voi'ii;rii  .li«lir<"<  ••r«<'hii-iii'ii. 


a)  Bücher. 

Bernstein,  Alex.,  Die  heutii^e 
Scliulbankfra^e.   Kine  uberHicht- 

liche  Znsnnimcnstcllnn^  (]lt  bis- 
her bekannten  Schulbank.svsicmc-. 
(31  utid  Anh.  8  S.  m.  AbSildt^iij 
Herlin,  Buchhamll  der  d^titscneo 

Lehrer  Zl;;^.    i>.^o  M. 

Beringer,  Jos.  Aug.,  Haud- 
fertiffkeitstinterricht  und  Mittel- 
schule. I'jne  Darlejjunj^  ihrer  He- 
/ic'htmgen.  (40  vS.)  Mannheim,  J. 
Hermann,    i  M. 

H  ürbi  n,  J.W,.  Mundart.  Sprach- 
unterricht und  kechtschreibunj^. 
>7  S.)    .\arau.  II.  R.  Sauer- 

läiulet  u.  Co.    o,So  M. 

Jonas.  J.  A..  Erfahrung:  nnd 

Anschanunj^  als  (Irnndlajfc  der 
rclipiö.sen .  sittlichen,  vaterlän 
disclicn  u.bür^erlicheti  I^r/icliung. 
Ivine  Mahnunjj  /.ur  Refonii  des 
Unterrichts  A  ll.  247  S.i  Kssen, 
(5.  I).  Bäilcker.    2,So  M. 

Kirchner.  I'r.,  Katechismus 
der  P.sycholotnf  2.  Aufl.  (VIII. 
297  S.)    I.pzg.,  J.  J.  Wclxr.  M. 

I.indner.  .M,i,uMir..  Dr.  (i.  A., 
Die  sittlich  -  religiöse  Wciterbil- 
duni,'  der  Jugend  durch  die  Fort- 
bildungsschule. (24  S  t  I^eipzig, 
Dürr.sche  Uuchh.    o.5'>  .M. 

Münch.    (},h.   lO's-   u.    I'rov.-S.  liulr., 

Dr.  Wilh.,  Zeiterschcinutigcn  und 
l'nterrichtsfragen.  (46  S.)  Berlin, 
R.  (iärtner.    o,So  M. 

Roihert.  I'rof.  Dr.  ICd  .  Karten 
und  Ski/./en  aus  der  aufserdeul 
sehen  (ieschichte  der  letzten  Jahr- 
hunderte. (1^  tarl),  Karten  ni.  ein- 
gedr.  11.  1\'  vS.  Te.vt.)  Düsseldorf. 
A.  Bagel.  M. 

I\  11  d  .  ,  Ad  ,  f  Mu-l!cn1fsrliiu  ]i  f. 
d. ( leschichtsuiitci  I  u  ht  in  \  olks-  u. 
Mittelschulen.  (X.  H>8S,)  l,angen- 
salza.  Bcver  u.  Söhne.  M. 


1>*  Aufsätze. 

Hergfeld,  Ma.\.    I  roh- 

Kchannners  Auffassung  der  Philo- 

so|)hi(  und  s(  itn  organische  Me- 
thode, in  Ikii^iehung  ^ebraciit  zur 
empirisch  -  philosophischen  Me- 
thode. (Rh.  Hl.  f  1:1/  u.  l'nt  6.1 
1  •■  r  a  n  k  f  u  r  t  r  i .  /  M . .  I )  i  e  s  t  e  r  w  c 

l*  1  enj  II  I  ng.  I  ber  den  jet/ige«j 
Stand  des  fremdsprachlichen 
l'nterrichts  rlHätter  f.  d.  Schul- 
praxi.s  b.)    Nürnberg.  Korn. 

Kemper,  Dr.,  Von  Oedftchtnis- 
untersuchungen.  (Rh.  Hl.  f.  Krz.  u. 
llnt)  Frankfurt  a.,M..  Die^terweg. 

Kiest,  .V,  Diiü  Leben.sbild  Jesu 
auf  der  Oberstufe.  (D,  Bl.  f.  erz. 
I  nt  50  51.)  Langensalza,  Beyer 
u.  Söhne. 

Köhler,  Rieh.,  Kiniges  über 
den  deutschen  Unterricht  in 
unsern  Schulen.  (Pädag.  2.»  Leip- 
zig. Klinkhardt. 

Köhler.  Rieh.,  Ko.sniojjolitis- 
mus  utid  \'aterlandsliehc  in  ilireni 
X'erhälLnis  zu  einanik-i  und  zur 
Hrziehung.  (Frankf.  .Schulztg.  23. 
2).»  Frankfurt  a.;M.  .\lf  Neu  mann. 

r  o  h  1  m  a  n  n ,  Dr.  AU.,  Religions- 
unterricht und  Schulanfsicht  im 
Rahmen  des  X'olksschulgesetzes. 
(Kv.  Schulblatt  12.;  Urütensloh. 
Bertelsmann. 

Ri  Isuiann,  R.,  Sozialpädagogik. 
(Päd.  Ztg.  4S  49.)  Berlin,  W.  ii. 
S.  I.övventhal. 

Schmidt,  IL.  Konzentrations- 
versuclic  ,uif  dem  Ccbiele  des 
naturkundlichen  Unterrichts.! Päd. 
Ztg.  ^<  >.  ^  I .)  Berlin.  W.  n.  .S.  !.ö\ven- 
thal 

Tews.  J..  Kinderarbeit.  (D.  Hl. 
f.  erz.  Unt.  52.»  Langensalza, 
He\er  u.  Söluie. 

W  i  1 1; .  ,  IMiu  .  ' '.i  hören  sj)rach- 
geschichtiiche  Heiehrungen  in  die 
Volksschule?  (Päda)^.  Blätter  6.) 
(lotha.  Thienemann. 


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Neue  Bahnen. 

Monal88ciirifl  fQr  Haus-,  Schul-  und  Gesellachafls-Eniehung. 

Heft  3.  '  März  1896.        ~       yTl7  Jahrg. 

Umgestaltung  des  I4elirplane8  und 

der  Organisation  der  Yolksscliule 
nacli  den  Forderungen  der 

Gegenwart. 

\'oti  Joh.  Homscheidt  in  Crefekl 

Unser  Thema  erinnert  an  das  diesjährige  Vereinsthema 

des  deutschen  I.clnervereins:  l'iiigestaltung  der  ßildtmgs- 
ziele  der  \'()lksschule  nach  den  Forderungen  der  Gegenwart«. 
Und  in  der  That,  es  bezweckt  dasselbe  wie  jenes  Thenia :  seine 
bestimmtere  und  bei^renztere  FassuniL!  uns  nur  bewalireii  vor 
allgemeinen  l]un)i  t  lisc  lKu  Untersnclmngen  über  das  iiildungs- 
wescn  überhaupt,  üi)er  die  Civundtragen  der  Pädagogik,  über 
die  sozialen  Fragen  der  Gegenwart  u.  s.  w.  Denn  diese  Unter- 
snchungen  kommen,  wie  geistreich  und  lesenswert  sie  auch 
im  einzelnen  sein  mögen,  alle  zuletzt  in  der  einen  oder 
anderen  Umsclireibung  zu  den  längst  feststehenden  Sätzen: 
Die  Schule  hat  durch  harmonische  Ausbildung  aUer  natür- 
lichen Aidagen  und  Kräfte  der  Seele  und  des  Leibes  eine 
richtige  Charakter-  oder  ( iesinnuni^shildung  vorzulx reiten 
ihr  formales  Ziel  ;  durch  Beriicksiclitigung  des  Satzes: 
HÖH  acholae,  sed  lifac  iltftcimuii,  sich  den  Bedürfnissen  des  Lebens 
anzupassen  —  ihr  materiales  Ziel.  Die  Festsetzung  und 
Begründung  dieser  bekannten  und  als  richtig  anerkannten 
alliremeinen  Sätze  ist  gewifs  von  Zeit  zu  Zeit  heilsam  und 
lehrreich.  Allein  wie  geringe  praktische,  wirklich  greifl^are 
Kesultate  kommen  dabei  ziim  Vorschein!  Xot wendiger  und 
truciitbringender  für  die  Gegenwart  ist  es  jedenfalls,  die  Wr- 
wirklicliung  der  Theorie  in  der  Praxis  einer  Prüfung  und 
Untersuchung  zu  unterziehen.  Denn  dais  nach  der  Meinuug 
tinserer  Zeit  jenes  theoretisch  längst  festgesetzte  Ziel  in  der 
Praxis  nicht  verwirklicht  wird,  scheint  doch  die  Veranlassung 
zur  Aufwerfung  der  obigen  Frage  gewesen  zu  sein. 

In  welcher  äufseren  Form  kommt  nun  die  Theorie  in 
der  Schuierziehung  konkret  xiini  \  or.schein  ?  Für  den  Unter* 

H«H«  Babnen  VU.  A.  Q 


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Joli.  IImiii«>('Iii  i>ll. 


rieht  im  Lelnplaii,  für  die  spezidic  l'.rzichun^  in  der  Or- 
ganisation der  Schule.  Ks  wäre  also  unsere  Au{][>fabe  zu 
zeigen,  wie  sich  lychrplan  und  Organisation  zu "  gestalten 
haben  initer  der  suien  Beleuchtung  der  beiden  Ziele.  Aber 
die  Forderungen  der  (»egenwart?  Auch  hiennii  verhält  es 
sich  ähnlicli  wie  mit  den  r.ildnnq-szielen.  Ks  kann  nicht 
Atifgabe  der  Schule  bezw.  ihrer  X'ertreter  sein.  rntersiicliiiiiL^eu 
über  die  sn/ialen  Fraj^en  der  ( fei^enwart  und  deren  Losungen 
anzustellen.  Die  sozialen  Fordeiungen  an  die  Schule  in  der 
Gegenwart  klingen  un.s  auch  bereits  in  praktischer  Gestalt  ent- 
gegen aus  den  Erlassen  des  Kaisers  über  den  (rcschichts- 
unterricht,  aus  den  Bestrebungen  inbetreff  der  Jugendspicle» 
des  Handfertigkeitsnnterrichts  und  Haushaltungsunterrichts» 
der  Volkswirtschaftslehre,  ( »esetzeskunde  und  Ciesinidheits- 
pf]e(re.  Wrsnchen  wir  dnlier,  die  (testallung  des  Kehrj^laiies 
und  der  ( >rganisation  der  Schule  letztere  nur  nisoweit,  als 
sie  sich  nicht  trennen  lälsL  \  ou  der  erziehlichen  Seite  des  Lehr- 
planes unter  Anlegung  des  dreifachen  Malsstabes:  des 
formalen  Zieles  der  Erziehung,  ihres  niatenalen  Zieles  und  der 
praktischen  Forderungen  der  Gegen wait,  zu  bestinnnen. 

Die  Hauptnrsache,  dais  sich  jene  Forderung  nach  T  in- 
gestaltnng  zu  verschiedenen  Zeiten  erhebt,  scheint  der  Lni- 
stand  zu  sein,  dnfs  der  T''rziehung  zwei  Ziele  gesteckt  sind, 
ein  formales  inid  ein  nuiUriales,  dafs  beide  um  den  X'orrang 
kämpfen  und  gekäniptt  und  dafs,  je  nach  dem  Stande 

des  Kampfes  zu  der  Zeitsirumnng,  diese  als  Regulator  auf- 
tritt Verfolgen  wir  zunächst  einmal  den  (tang  des  Kampfes  der 
beiden  Ziele,  um  leichter  zur  richtigen  Krkenntnis  des  gegen- 
wärtigen Aerhältnisses  beider  Ziele  zu  einander  zu  gelangen. 

,Vo//  srMnpf  «er/  rif/n'  t/i.'<riitiKs.  In  diesem  Ausspruch  liegt 
die  Anfi^nhe  ausgedrückt,  die  der  wSchule  in  den  früheren 
Zeiten  in  unser  Jahrhinidert  als  ein/ii^^e  und  alleinige 
.\ufgnl)(.  l;i  >u  11t  war,  und  die  auch  iet/t  noch  als  eine  ILinpt- 
aufgabe  gelten  nnifs.  Aus  dem  piak tischen  Leben  heraus 
kam  das  erste  Bedürfnis  nach  Schulen,  und  sie  wurden  natur- 
gemäfs  nach  diesem  praktischen  Bedürfnis  allein  eingerichtet 
Je  nach  den  verschiedenen  Zeitepochen  und  Ländern  war 
zwar  die  ^rifn"  eine  andere  und  sonach  auch  die  Aufgabe 
der  Scludo  unterschiedlich;  aber  jeuer  Grundsatz  war  I^eit- 
motiv  für  alle  Mafsnahmen,  gesetzliche  und  pndairogische, 
die  inbetreff  der  »Sehlde  getroffen  wurden.  Die  Schule  liatte 
also  nur  einen  materialen  Zweck. 

Mit  Comenius,  Rousseau  und  den  l'hilanthropen  beginnt 
ein  neues  Ziel  sich  Durchbruch  zu  verschaffen.  Das  Objekt 
an  sich  nach  Körper  imd  Geist  gelangt  zur  Wertschätzung. 
Die  harmonische  Ausbildung  aller  Kräfte  wird  die  Aufgabe, 


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riH|;«'i>tfiltn]iir  iit'a  L4>liriiUni>i»  im4  UiKaiiiNiiliun  il<>r  Volkiiriml«  Hr.  f^i 

die  Hauptaufgabe  der  Schule,  welche  durch  Pestalozzi  aUge- 
mein  zur  Anerkennung  j^elangt  und  in  die  Praxis  eindringt 
Die  Anhänger  und  Jünger  Pestalozzis,  namentlich  Diesterweg, 
brachten  dieses  formale  Ziel  fast  xnr  einseitigen  Herrschaft 

Formale  Kraftbildimi;  war  seither  die  Losung.  Diese  soge- 
nannte formale  Riehtnng  bedingte  eine  sorgsanu-  Berück- 
sichtigung der  Psychologie.  Hcrhnrt  uu<\  seine  Jünger  haben 
wiederum  eine  gründliche  Re\  ision  derselben  veranlafst  Wie 
durch  Pestalozzi  die  Auschannng  ,  so  wurde  durch  Herbart 
das  »Interessen  der  Lenker  des  pädagogischen  Wagens,  Diese 
l^ntersuchungen  scheinen  mit  jedem  Tage  neue  Resultate 
zu  bringen^  sodafs  sie  noch  nicht  als  abgeschlossen  gelten 
können. 

Währenfl  da>  lormale  Ziel  so  seine  tüchtigen  Förderer 
hatte,  hlicl)  das  maieriak-  Ziel  ohne  d?»-  recluen  Beschützer. 
Die  Rcgulati\A  in  Pieul'sen  suchten  /.war  den  materialen 
Zweck  wie<ler  zur  gci)üluendcn  lieachtung  zu  bringen,  aber 
sie  bewirkten  das  Gegenteil  von  dem,  was  sie  wollten^  und 
gaben  der  anderen  Richtung  die  Bahn  frei.  In  jüngster  Zeit 
beginnen  nun  immer  mehr  Stimmen  laut  zu  werden,  die  wieder 
<lem  HÖH  üchohie  sei/  rifae  ihre  Kraft  und  Unterstützung  leihen 
(vgl.  die  Rrlnssedes  Kaiser*;  über  Oeschichte,  die  Bestrebungen 
für  TIandtertigkeitsnntcrricht,  Volkswirtschaftslehre,  ( rcsctzes- 
kunde,  Iian>lialtuugsiuuerricht  für  Mädchen,  Jugendspiele  etc.). 

.\llgemein  aber  in  V  ergangenheit  und  Gegenwart  steht 
fest,  dafs  die  Schule  nur  eine  vorbereitende  Bildung  erstreben 
soll,  die  für  jeden  späteren  Beruf  notwendig,  also  allen  Berufs- 
arten gemeinsam  ist,  wenn  auch  wieder  die  Quantität  dieser 
allgemeinen  \^3rbereitung  verschieden  ist  Besondere  Berufs- 
schulen für  jeden  Stand  von  Kindheit  an  zu  fordern,  ist  nie- 
mals ernstlicli  \ertreten  worden.  Die  praktische  Richtung 
suchte  das  Allgemeine  des  Berufs  an>  den  Bedürfnissen  des 
Lebens  zu  gewinnen,  indem  sie  Kenntnisse  inid  Fertigkeiten 
vermi Helte,  und  zwar  nur  solche,  die  für  das  spätere  Leben 
nötig  und  nützlich  waren.  Sie  niufste  aber,  abgesehen  von 
der  Vernachlässigung  des  auch  für  das  Leben  Allernot- 
wendigsten,  der  Oesimnmgsbildnng,  in  der  Stoffwahl  un- 
vollständig und  unzulänglich  bleiben,  da  über  einzelne  Fächer: 
Xntnrkuude.  Zeichnen,  (lesang,  die  einzelneti  I'erute  \  t  rschie- 
dener  Meitnmg  sein  müssen,  weil  sie  verschiedenen  W'er^  für 
sie  haben  und  behalten  werden.  Da  ferner  das  Leben,  von 
verschietlenen  vStandpunku ii  aus  betrachtet,  .sich  ver.schieden 
ausnimmt,  so  wird  manches  gar  nicht,  manches  falsch  ge- 
würdigt Endlich  konnte  die  praktische  Richtung  nur  das 
Knde,  das  J^ehrziel  ingilK  n.  s  dafs  bei  der  Stoffauswahl  und 
Stoffverteilung  Rath>sigkeit  herrschte,  inbetreff  der  Methode 

9' 


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13* 


Jah.  llAiNKpliHdt, 


aber  der  Alltrieb  ziuii  Nachsinnen  und  Vervollkonimenen  nicht 

geweckt  und  }>^ereizt  wurde. 

Die  formale  Richtmij^  lialtc-  /wrir  das  allen  Mens(  In  ii  als 
Menschen  (^rCTncinsanic  .Li^efuiideii.  \\  ukU-  iedoch  durch  Hintt  ii- 
ansetzen  des  allen  lieruisaiteii  ( ieiuciusauien,  des  ])raktiseiicn 
Ziels,  ebenso  einseitij^  nach  der  anderen  Richtung;,  und  zwar 
auch  in  der  X'erfolgun^  ihres  HaujUziels,  der  (resinnnngs- 
bildnnjj;,  da  diese  ja  natuniot wendig  im  Leben  wnrzehi  nnifs 
und  nur  durch  Berücksichtigfungr  des  wirklichen  Lebens  den 
vollen  Wert  erhält.  Jedoch  hat  sie  mit  Hilfe  der  rsychologie 
ganz  gewaltige  Vorteile  für  den  Lelirgang,  die  Stoffverteilung 
und  namentlich  für  die  Methode  erzielt. 

Schon  Herbarl  deutet  auf  die  Einseitigkeit  beider  Rieli- 
tungen  hin,  indem  er  zweierlei  Ziele  unterscheidet,  ein  ab- 
solutes, welches  für  alle  Menschen  dasselbe  ist,  nänilieii  die 
Gesinnungsbildung,  und  ein  relatives^  welches  sich  nach  der 
künftigen  Rerafsstellnng  zu  richten  hat  und  darum  bei  ver- 
schiedenen Ständen  verschieden  sein  mnis.  Iii  sucht  nun 
bei(fen  zugleich  zu  dienen,  indem  er  bei  der  Auswahl  der 
I mehrfacher  nicht  die  verschiedenen  t^eisliuen  \'ermogen,  die 
er  ja  auch  verwarf,  ins  Auge  lalst,  sond  rn  die  verscliie- 
denen  Arten  der  sachlichen  Interessen:  das  empirische,  speku- 
lative, ästhetische  einerseits,  das  ethische,  religiöse,  gesell- 
schaftliche anderseits,  die  die  Quellen  der  Selbstthätigkeit 
und  Kraftbildung  seien,  —  also  die  Quellen  des  Ziels  der 
formalen  Richtung.  Jedes  dieser  Interessen  weise  aber  zu- 
gleich auf  die  besonderen  Objekte,  auf  die  Lchrgegeustünde 
hin,  Vterücksichtige  also  auch  das  Ziel  der  materialen 
Riclitun^. 

VrrsiulRii  wir  \<»n  dieser  (iruntllage  au^  die  lurniale 
und  luateiiale  Richtung  zu  \ ereinigen.  Ks  ist  uns  nun  ja 
eine  gemeinsame  Quelle  gewiesen,  aus  der  beide  schöpfen 
können.  Als  Hauj)tsatz  stellen  wir  von  vornherein  auf:  Die 
Verbindung  des  absoluten  und  relativen  Ziels  darf 
in  der  Praxis  nicht  in  der  ))ish erigen  Weise,  son- 
dern mufs  gerade  umgekehrt  geschehen,  wenn  wir 
den  Forderungen  des  Lel)ens  und  den  wirklichen  Krfahnuigen 
folgen  wollen  und  nicht  einer  grauen  Theorie. 

Die  Sachlichkeit  der  Interessen,  die  ()l>ickte,  müssen  dnich 
das  Leben,  nicht  durch  eine  abstrakt  konstruierte  Sittlich- 
keit, bestimmt  werden.  Gewils  mufs  die  sittliche  Gesinnung 
—  das  steht  auch  für  uns  fest  das  ober.ste  Ziel  sein  nnd 
bleiben.  Nach  Herbarts  Theorie  kann  aber  diese  Gesinntmg 
nur  durch  einen  richtigen  Gedankenkreis  erzeugt  werden; 
deshalb  mufs  bei  ihm  der  St->ff  des  ( redankenkreises  in 
erster  Linie  nach  diesem  Gesichtspunkte  bestimmt  werden, 


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roiKr«talt<iN|C  4i*»  L<>lirplAii<>ii  nnH  flrgunliiHijaii  4in  VulltHbrlral«  e(c. 


die  iii;»U  i  ialc  Richtung  hat  dann  eben  zu  neliiiicn,  was  neben- 
bei abfällt.  Unseres  Eraclilens  ist  es  jedoch  verkehrt,  die  Sitt- 
lichkeit, /u  der  die  Sclml?  erziehen  soll,  aVtstrnkt  zu  kon- 
strnieren.  Nicht  iiiil  c  iueiii  lilage,  durcli  Schatten  einer  neuen 
siLiHihen  ( '.esinnnn l;,  wii  1  die  Sehlde  die  Welt  un).L;e>taUen 
küinien,  auch  wenn  wirklich  durch  liildunj^'  des  licdanken- 
kreisei«  allein  die  richtige  Gesinnung  erzeugt  werden  könnte; 
denn  die  Schule  wird -nie  allein  den  Stoff  des  Gedanken- 
kreises erzeugen  und  seine  Verarbeitung»:  bewirken  können, 
es  sei  denn,  che  Schüler  würden  von  der  Geburt  bis  zum 

bis  17.  Jahre  dem  Leben  vollständig^  entzogen.  Die 
Schule  mufs  sich  vielmehr  an  das  lkstehcnde  aidehnen  und 
im  Kleinen  zu  ändern,  zu  bessern  suchen.  Der  Inhalt  der 
Sittlichkeit  nmfs  zusannnenhängen  nnt  dem  Anschauungs- 
und Ideenkreise  des  wirklichen  Lebens.  Aus  diesem  heraus 
müssen  die  sittlichen  > Ideen«  ihr  stoffliches  Material  m- 
sainmenstellen.  Wir  können  täglich  die  Beobachtung  machen, 
dafs  aus  einer  recht  klaren  Ivinsicht,  verbunden  mit  dem 
entsprechenden  (Tefühl,  doch  die  rechte  That  nicht  erfolgt, 
wenn  das  (»efühl  nicht  die  Oberliand  hat.  r'm<j;e"kelirt 
handeln  viele  sittlich  «^ut  ohne  jedesmalige  k  1  a  r  e  Kin.sicht, 
weil  durch  Heispiel,  (iewohnung  und  Zucht  das  sittliche  (le- 
luhl  die  Uberherrschaft  erlangt  hat.  Und  fordert  das  Lebeu 
niclit>  dafs  der  Mensch  in  den  meisten  Lagen  ohne  intellek- 
tuelle Hülfe  nach  dem  geläuterten  und  gestärkten  sittlichen 
(icfühl  handeln  mufs?  Wie  wenig  Mt  iischen  können  über- 
haupt auf  die  erforderliche  Stufe  der  intellektuellen  Ausbil- 
dung gebracht  werden!  \\'ie  spät  erreicht  der  \'erstand 
die  nötige  Reife  I  l'nd  doch  mufs  schon  das  Kind  in  der 
Schule  sich,  sittlich  beih.iiigen  (und  viele  .Menschen  bleiben 
in  dieser  iJeziehuug  ihr  g.m/.es  Leben  Kimler).  Die  V  erbote 
und  Gebote  der  Schule,  die  Autorität  des  Lehrers,  die  Furcht 
vor  der  Strafe  bleiben  die  Pfahlwurzel  der  Scheu  vor  bösen 
Thaten.  Die  religiösen  Vorstellungen  müssen  der  Hinterlist, 
sich  dem  strafenden  Arme  zu  entziehen,  einen  Riegel  vor- 
schieben. .\uch  nach  der  positi\cn  Seile  wird  der  Mensch 
die  Hoheit,  die  sittliche  Xorm  und  die  Muslerbilder  nur  dann 
annehmen  und  zur  Riehlschnsir  seines  Handelns  nehmen,  wenn 
.sie  vorher  schon  eine  Macht  in  ihm  bütlelen,  sein  Thiui  und 
Lassen  bestinunten  (Franke).  Vom  praktischen  Standpunkte 
aus  wird  man  diesen  Ausfühnuigen  zustinnuen  müssen,  wenn 
sich  vom  streng  philosophischen  »Standpunkte  aus  vielleicht 
auch  Kinwendungen  macheu  Hefsen. 

Aus  dem  Angeführten  müssen  wir  folgern:  nicht  der 
rnterrieht  ist  einzige'^  I'r/iehungsmitlel,  sondern  ( lew tdinung, 
/uclu  und  IWi.spiel  sind  gleichberechtigt;  weiter:  der  Unter- 


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Juh.  Haniirlifiilt. 


rieht  darf  niclii  das  :i11t.-inij»;t'  HrstiiiniiHiiu^snclit  über  die 
fr/iclilicln*n  I{iin  iclinui^in  der  Seiinle,  also  auch  nicht  libcr 
die  Orj^aiiisalion  hal)en;  t-Jidlich:  der  rnterricht,  der  eine 
wirklich  für  das  Leben  l)raueld)are  (iesinnun^  er/AU|^en  suU 
—  seine  erziehliche  Aufgabe  nuifo  .seine  Stoffe  durch  die 
Forderungen,  Anschannngen  und  Ideen  seiner  Zeit  bestimmen 
lassen. 

Da  nun  die  niateriale  Hildunj^s  das  zweite  Ziel  des 
Unterrichts,  ebenfalls  durch  das  Leben  bestimmt  wird,  S(» 
kommen  wir  auf  die  unj^ezwunj^enste  Weise  zu  einer  \'er- 
binchiui^  beider  Ziele  und  zu  <UMn  Satze:  Da^  Lelx  n  m  u  fs 
das  f  <)  r  mal  e  u  n  d  ni  a  t  c  r  i  a  1  c  Ziel  des  l'  n  i  e  r  r  i  c  h  t  s 
bestimmen,  der  Lehrplan  wird  nach  den  Forde- 
rungen der  Zeit  eingerichtet;  die  (« esinnun g.s* 
bildung  hat  dadurch  zugleich  das  beste  Material, 
an  welchem  die  formale  Ausbildung  aller  geistigen 
Kräfte  erstrebt  werden  m  u  fs.  Die  Organisation 
aber  ni  u  fs  aufs  er  dem  T  uteri  ich  t  der  (iewöhuung, 
der  Zucht  und  dem  Hei  spiele  dienen. 

Hei  dem  lu  uti.ueu  Staude  der  Ps>  elh>lo*;ie  und  Methodik 
wird  es  nicht  seliwer  lallen,  den  Lehrplan  so  einzurichten, 
dafs  der  Unterricht  auch  unter  diesen  Ihnstaudcn  seiner  for- 
malen  Aufgabe  gerecht  wird,  wofern  nur  eine  naturgemäfse, 
den  l'ordeningen  <U>  Lebens  entsprechende  Stoffauswahl 
stattfindet    Wie  hat  letztere  daher  zti  geschehen? 

Ks  ist  \ orzugsweise  die  Heimat,  welche  die  Seele  mit 
ieneii  -iiiuliehen  \'orstellun.L;^eleiiu  i!len  erfüllt,  welche  die 
(  ri  uiidla.i^e  aller  spätere  n  Hildnu^;  auMiiaelien.  Durch  die 
lägliehe,  Jahre  andauernde  \\  iedei  iiohmg  dieser  ersten  heimat- 
lichen Vorstellungen  werden  dieselben  immer  stärker  und 
lebendiger.  Dazu  kommt  die  gröfsere  Reizempfänglichkeit  der 
kindlichen  Natur.  Nie  emi)finden  wir  wieder  so  lebhaft  und 
geben  uns  den  sinnlichen  I'.iudrückeu  so  widerstandslos  hin 
wie  hl  der  Kindheit.  Die  Hedeutuug  dieses  an  und  in  der 
Heimat  erworbeneu  reichen  \'orstellungsmaterials  \\\v<\  uns 
erst  recht  grofs  erseluinm,  weuu  wir  bedenken,  dals  keine 
neue  Vorstellung  in  der  Seele  /in  .Macht  gelangen  kann, 
wenn  sie  nicht  vorher  mit  der  vorhandenen  alten  in  Wechsel- 
beziehung getreten  ist.  In  diesem  l^ozesse  der  geistigen  An- 
eignung oder  .\piKTzeption  zeigt  .sich  das  vorhandene  alte 
Gedanken material  in  <1«  n  nu  i^tc n  l'älku  stärker  als  das  hin- 
zukonnnende  neue  .  .\uch  das  ( lefühlsleben  hat  sich  in 
und  an  der  Heimat  tutwickelt;  es  ist  mit  dem  \'alerhause 
nebst  seinen  Hew  < »linern,  mit  Am^er  und  b'eld,  l'lur  und  Wald 
auf  das  iunii^sle  verwachsen  (Heimweh)  uiul  erhält  durch 
den  Einfluis  der  Heimat  einen  unverwischbaren  Stempel  auf- 


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l  miTfotiiliuiu;  •!•■»  Lolirplanc«  OJkI  der  Or^aiii'kaiiun  «Irr  Volkkächuie  etc. 


j^cdriitki.  1{1ri!s.>  wirkt  11  die  Objekte  und  Krlel)uisse  der 
Heimat  aiU  zahlreiche  U  illen.scntschliefsiinjj;^en  unserer  Jugend 
ein.  Wie  viel  ij^ite  Vorsätze  werden  ^^efafst,  wenn  Leid,  Not 
und  Tod  über  den  Menschen  hineinbrechen !  Wie  wird  das 
Herz  S(»  weieh  und  wann  und  der  Wille  zum  Guten  s<j  stark I 
Mit  welcher  Macht  brechen  dann  die  kindlichen  relijriösen 
(iefii1i!r  hervor  und  behaupten  sich  oft  fürs  «i^auze  Leben  I 
Der  Schauplatz  solcher  (iefühle  und  Willensakte,  solcher 
Herzenskämpfe,  solcher  Winische  und  X'orsätze  wird  für  ieden 
Menschen  cnie  hei lij^^e  Stätte.  Nach  einem  wiehlij^jen  ps\  cho- 
lo>fischen  (besetze  verbinden  sich  eben  mit  einem  Gefühle 
immer  dicjeni^^en  Wahrnehmungen,  diejenigen  Vorstelhmgen, 
welche  jj^leichzeitig  mit  ihnen  ins  Bewnfstsein  treten.  Auf 
diese  WVise  entstehen  Vorstellunj^;sverknüpfunj^en,  soj^enannte 
Komplikationen,  die  unauflöslich  sind,  und  deren  Glieder 
.sich  stets  reproduzieren  mü.sseti  .  (Heidi  tiU  N  er.) 

Ans  dem  Aui^etührten  wird  woiii  zur  (ieuii<^e  b(  r\  nr- 
^^eiieii,  wt/lier  uud  wie  wir  uns  die  Stoffe  j^ewähll  denken, 
woher  und  wie  sie  j^ewählt  werden  müssen,  sollen  sie  der 
Natur  des  Kindes«  den  Anschaunut^eu  mid  Ideen  seines 
Lebenskreises«  den  Forderungen  der  Zeit  entsprechen.  Die 
Anknüpfung  und  Wei terbitdunj^  des  heimatlichen 
(redanken-  und  A n sc h  a  u  u  u  sk  r  ei ses  mufs  der 
Leitsatz  sein.  Dann  wird  det  Schüler  niclit  mehr  in  zwei 
Wellen  leben,  in  der  lieb};(ew ordenen  wiikliclun  nnd  in  der 
♦^ehal.Nten  Sehnlwelt,  der  Welt  der  Uoekeiien  Buchstaben, 
Ziffern,  lüldcr  und  Zeielu-n  .  Xuu.suU  der  Schüler  allerdings 
auch  ein  Cvlied  seines  \*olkes  werden,  aber  deshalb  braucht 
der  heimatliche  Stamm  doch  nicht  abgeschnitten  und  neu 
gepfropft  zu  werden;  vielmehr  nnUs  die  heimatliche  Kultur 
und  der  heimatliche  Charakter  zum  \  "Ik.scharakter,  zur  Kultur 
des  X'olkes  erweitert  werden,  indem  der  luiniatliche  Stamm 
dazu  auswächst;  denn  er  Ijleibt  ja  meist  im  heimatlichen 
iiodeii  stecken  uud  zieht  aus  diesem  uud  dem  lieinuitlicheu 
Leben  seine  Xahruu«;.  Deshalb  muls  die  Hrimai  uml  ilas 
Leben  der  Heimat  nicht  nur  die  Grundlage,  sondern  auch 
der  Rahmen  des  Lehr  planes  bleiben,  dann  bleibt  der  Zu- 
samnienliang  des  ^cistijs^en  Lebens,  es  bleibt  die  fortwahrende 
Mithülfe  der  übrij^eu  l{rziehuu^sfaktoreu,  Haus  und  Leben« 
dann  kann  endlieh  allen  X'erliältuisseu  des  Lebens  vonseiten 
der  Sehlde  ^leiehmäfsij^  Ktehnuuj^  j^etraj^eu  werden. 

Nach  D(»r|ifeld  läfsl  sich  das  Leben  in  eine  X'ierzahl  von 
Aufj^Mben  zerlej^en :  n  Xahruuj^serw  erl),  also  lieruf,  2)  (xc- 
suudheitspfle);e,  3)  soziale  Stellung,;  in  I*aniilie,  bür^^erlicher 
und  kirchlicher  Gemeinde  tmd  im  Staate  (Familie,  Gemeinde, 
Kirche  und  Staat  bean.«(pruchen  ja  auch  eiti  Aurccht  auf  die 

u 
A 


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'36 


•Inll.   Iliim«i  li'  l'l). 


Schule),  4)  die  Hwigkcit.sbt .-^Llnuliml^,  die  auf  Kclij^^ioii  und 
(^ottesglaxiben  siicli  gründet  Um  diese  Lel)enHaut>;aben  er» 
füllen  zu  können»  mufs  der  Mensch  einerseits  die  intellektuellen 
Fähigkeiten  zur  Ausführung  dieser  Leben .saui.v:aben  erwerben. 
s<»(1ann  die  rechte  Gesinnunj^^  besitzen,  damit  er  sie  auch 
wirkhch  ausführt       und  letzteres  ist  wiehti«ier  als  das  erstere. 

nie  Kwigkeitsl)esti!nniun*(  des  Menselien  s.nviv-  die  /nr 
Ausführung*  seiner  Lebensauftjaben  nöti<4^e  .silllielic  (ioiuuün«^ 
basieren  auf  der  Religion,  erfordern  daher  Religionsunterricht 
überliaupt;  das  kirchliche  Leben  bedingt  konfessionellen  Unter- 
richt im  besonderen,  sowie  die  Rinübung  und  Gewöhnung  in  die 
kirchhchen  Gebräuche,  jeder  Ik  rnf  und  jede  soziale  vStcUung 
verlangen  in  der  Jetztzeit  uiündlicheti  und  schriftlichen  Ge- 
branch der  deutschen  vSprache,  sowie  Recluien  \ind  allj^enieine 
nbnns^  der  Sinne  und  des  Wrstandes.  Diese  vier  l'\-icher 
haben  auch  für  <lic  vScliulr  insot'crn  und  solan.ii^e  einen  .ib>o- 
Inten  Wert,  einen  Sell)sl/\\ eck,  als  die  Heiierrselinn«;  der 
Elemente  dieser  Fächer  nötig  ist,  um  den  Unterricht,  der 
die  eigentliche  sachlich-stoffliche  Bildung  \  erniitteln  soll,  be- 
ginnen zu  können.  Sie  sind  also  in  ihren  Elementen  für  jeden 
späteren  Unterricht  und  demnach  für  jede  Art  Schulen  gleich 
und  Voraussetzung;  wir  nennen  sie  daher  formale  b'ächer. 
Im  übrigen  sind  alle  Hcrnf^iarten  so  ausgebildet  und  ver- 
vollkommnet, die  soziale  Stelltnig  der  einzelnen  Menschen 
macht  SU  \  erschiedene  An  fordern  n<^en,  dafs  von  einer  s|>ezi<'11en 
praktischen  \'orbereitung  keine  Rede  sein  kann.  Allein  die 
Berufsarten  greifen  auch  wieder  so  ineinander,  haben  so  viele 
Berührungspunkte,  dafs  unbedingt  erforderlich  ist>  auf  allen 
Gebieten  des  Lebens  und  des  Ikrufes  für  apperzipierend«  \'or- 
stell linken  zu  sorj^en.  Damit  ist  aber  uich  eine  genügende 
\\irbilduni,'-  «geschaffen,  das  Interesse  hat  seine  ^^)ranssetzung 
und  Richtung,  die  Wecknii>j  und  praktische  ri)ung  mnfs 
nun  dem  speziellen  l'achunu  viicli!  in  Schule  und  Lel)en  vov- 
l)ehaUen  bleiben.  Die  apj^erzipierenden  \'ur.steUungcn  zu  ver- 
mitteln, sie  richtig  /n  behandeln  und  zu  verknüpfen,  ist 
Aufgabe  der  sogenatmten  sachlichen  Fächer.  Zeichnen,  Hand- 
fertigkeitsunterricht können  in  der  Volksschule  nur  allge- 
meine in)nng  der  Sinne  und  Weckung  des  Interesses  zum 
Zweck  haben,  keine  spezielle  \'orbereitunj^  für  einen  ])eson- 
deren  Hernf.  Vnlk^wirtschaftslehre,  Geset/e<knn«U  etc.  j^e- 
hören  nur  insoweit  und  in  der  .\rl  in  die  \  t<ik>sclnde,  als 
sie  die  Vur.stelluugen  und  He<;rifte  vermitteln  oder  klären, 
die  in  der  späteren  sozialen  Stellung  in  Genu  indc,  Kirche 
und  Staat  nötig  sind,  damit  das  Interesse  ap[)i  rzipiercnde  Vor- 
stellungen findet  Die  ( iesundheitspflege  verlangt  Turnen  und 
Jugendspiele  sowie  Belehr  «mg  über  die  Krhaltmig  der  Gesund- 


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ruiK«»tHliujiif  lir»  LebrpUnc»  und  der  Ui;gaiijtsljoii  drr  Volk*«ebul«  ric.  j 

htit.  Alle  sachlichen  l^äeher  aber  inüsseii  wurzeln  in  flcm  his- 
hcrij^eii  Auschatuingskreise,  niüs.seii  diesen  onhicn,  klären, 
berichtigen,  erweitern  und  vervollkonininen,  stet.s  mit  ihm  in 
Verbiiidimg  bleiben,  so  dafs  für  das  Leben  erzogen  wird  und 
dieses  miterzieht  Mau  verzichte  für  die  Volksschule  daher 
darauf,  die  Stoffe  dieser  Fächer,  wenn  letztere  sich  aus  dein 
>  All  seil  auungsunterricht<^  als  selbständige  Disziplinen  ent- 
wickeln, nun  auch  nach  selbständigen  ( icsichtspunkten,  die 
meistens  der  Natur  des  I'aches  nacli  der  wissenschaftlichen 
Seite  entsprechen,  zu  t>rdncii.  Denn  in  der  V'olksschide  können 
diese  }\'iclKi  keinen  Selbstzweck  haben,  sie  brauchen  daher 
auch  nicht  so  angelegt  zu  werden,  dafs  ein  wissenschaftliches 
Gebäude  sie  zur  Grundlage  nehmen  könnte;  das  fiberlassc 
man  den  höheren  Schulen.  Der  Aufgabe  der  Volksschule  in 
diesen  Fächern  entsprechend,  die  dahin  geht,  den  Zusammen- 
hang des  geistigen  Lebens  der  Kinder,  die  fortwährende 
^fit]lül^L  der  anderen  l^r/^icbnn^J^sfaktoren  zu  bewahren,  den 
\  erhältnissen  des  praktischen  Lebens  gleichniälsig  Rechnung 
zu  trai^en,  lasse  man  sie  im  Rahmen  der  Heimat  und  ordne 
sie  darnach. 

Es  wäre  nun  festzustellen,  ob  die  formale  Seite  der  Er- 
ziehung bei  dieser  nur  nach  niaterialen  (Tcsichtspunkteu  be- 
stinnnten  Aufgabe  schon  voll  zu  ihrem  Rechte  k  ninit,  oder 
ob  sie  noch  besondere  Forderungen  stellt.  Die  intellektuelle 
Seite  des  (icistes  kann  an  allen  vStoffen  formal  gebildet  wer- 
den, wcnipfstens  muls  die  Methodik  die  Stoffe  so  /urceluzu- 
legiii  siu  lu-n.  Die  \Villen.sbildun;^  soll  ihr  stofflielus  Material 
ja  ancli  dem  Leben  entnehmen,  die  Methodik  wirtl  es  wieder 
so  zu  gestalten  wissen,  dafs  es  formal  bildet 

Der  sittlichen  Gefühlsseite  soll  ja  zunächst  durch  das 
sachliche  Material,  dann  auch  durch  Vorkehrungen  in  der 
Organisation  zur  Oewöhuuug  und  Übung,  durch  Beispiel  und 
Zucht  (knüge  geleistet  werden.  Nur  das  (iefühl  nach  der 
ästhetischen  Seite  hin  könnte  zu  ktir/  kvininicn.  Ahor  .iiich 
nach  dieser  Rit  htnng  ninfs  die  Ikhandlung  (la>  meiste  thun. 
und  dann  selilicisen  unsere  Ausführungen  eine  besondere 
litrücksichtignng  desselben  in  der  Auswahl  passenden  Stoffes 
gar  nicht  aus. 

Sehen  wir  uns  daher  die  Heimat  mit  ihrem  Inhalte  nach 

den  angc  führten  Zweeki  n  nun  weiter  näher  an.  Da  springt 
sofort  der  Unterschied  in  die  Augen  zwischen  .Stadt  und 
Land,  (  lebirge  und  T-'bcne,  l)c\ «"»Ikerter  und  weniger  bevölkerter 
( »egend,  zwischen  amicn  und  reicht  n  Kindern,  Iksehältigungs- 
arten  der  Beutiliner,  Sitte  und  Lcbciis,L;c\vnhnheit.  \'ie1e  TCin- 
richuingen  in  <  )rganisatii)n  und  Lehrpktn  werden  duich  diese 
Unterschiede  einerseits  nnmöglicli,  anderseits  aber  auch  teil- 


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Job.  ll<>Dli>cli>-i<lt. 


weise  nin)<)Uj^,  wähifud  wieder  in  luanehen  (iei^eiuleii  niihe- 
dingt  erforderliche  Einrichttiii}{en  nach  La«^e  der  Diti^e  kaiiiii 
zu  schaffen  sind.  Das  Leben  pafst  sich  eben  nidit  der  Schule 
an,  Sondern  diese  uinfs  sich  dem  Leben  anpassen.  Ks  wird 
also  nicht  angeheUi  aHes  mif  einen  Leisten  /n  scldaj^en  und 
einen  nni^'emeini^iiltij^en  I.t  ln  plaii  l)is  in  die  I^in/t  llieiten  anf- 
/.u.stellen.  noeli  eine  Orj^anisation  als  absolnt  rielilii:  xn  l»e- 
zeicluien.  \'ielnielir  wird  der  r.eln  plaii  aucli  selron  dii  vcrlialb 
in  seinen  Kin/.ellu  ilen  ein  lantlseiialllieiies  (. leprä^^c  annehnit  n 
müssen,  worauf  unsere  aufgestellten  (rnmdsätze  ja  auch  hin- 
;:ielen;  die  (»röfse  der  Schutsystetne  wird  ebenfalls  in  erster 
Linie  dnrch  die  landschaftlichen  Verhältnisse  bestimmt  wer- 
den müssen,  da  der  Bezirk,  aus  welchem  die  Kinder  zn  einem 
System  vereinij^t  werden,  ans  änfseren  nnd  inneren  (friinden 
ein  zusammen iL^ehörijrer,  nicht  /.n  nmfan<i;^reicher  sein  mnfs. 

( )rmaiiisalinii  luid  I^ehr]>lnn  müssen  also  soweit  von  ein- 
ander nnabliängij^  sein,  a  Ls  die  ( )  r  j^a  n  i  sa  t  i  o  n  im 
Änfseren  die  Grölse  des  Ortes  berücksicliti^t,  im 
Inneren  eine  stetig  gleichmäfsige  und  dadurch 
nachhaltige  Einwirkung  durch  Beispiel,  Oewöh- 
nuuj»^  und  Zncht  ermöglicht;  der  Lehr  plan  aber 
die  f  o  r  m  a  1  e  n  I''  ä  c  Ii  e  r :  K  e  1  i  i  o  n  ,  I )  e  n  l  s  c  1) ,  R  e  e  h  n  e  n 
nnd  A  n  sc  Ii  a  n  n  n  s  n  n  t  e  r  r  i  c  h  t  i  ti  ihren  Klemmten 
absolnt  bestimmt,  für  die  w  ei  l  *.  r  t  n /i  t  1 1  (i  <.  i  si  Iben 
aber  nnd  für  die  sachlichen  I'aeht  i  (li<.  lU  imal 
als  Cir  nnd  läge  nnd  bleibenden  Rahmen  nimmt, 
beiden  technischen  Fächern  aber  beide  Gesichts- 
punkte verbindet 

uScliuu.N  folgt.) 


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Adam  Smitlxs  pädagogisdie  An- 
sichten und  Kritik  derselben. 

\  Oll  Or.  Paul  Berfiemann  in  Jena. 
(KortsetxunK-) 
Zweiter  Abschnitt. 

Die  Gestaltung  des  Unterrichtes. 

Wie  Stellt  es  nun  weiterbin  mit  den  riiterriclUsi,'^e!LCeii- 
.stäiiden,  welche  Smith  in  den  Sciinlen  »»elelnl  wissen  will? 
Was  die  Vulkssehnlen  betrifft,  so  fordert  ci  Itir  dieselben 
wenigstens,  als  ganz  nnenlbehi  iicik,  Lesen,  Schreiben  und 
Rechnen  (Wealth  S.  352);  wenn  irgend  anfänglich  soll  jedoch 
der  Lehrplan  noch  um  zwei  weitere  Unterrichtsgegenstände 
vennehrt  werden,  nämlich  die  Anfangs^ündc  der  (konietrie 
und  Mechanik :  denn  es  giebt  kaum  ein  (Geschäft,  für  das 
nicht  IClementar-Kenntnisse  in  der  (leonietrie  nnd  Mechanik 
er\Miiisclit  wären,  nnd  das  mithin  die  Lente  nicht  in  diesen 
Kennlnis-c  !K  welche  /.n  den  erhabensten  nnd  nützlichsten 
Wissenscluilleii  vui  bereiten,  befestigen  und  weiterbilden  würde 
(ebendas.).  Wenn  Sniilh  sagt,  dals  bei  einem  so  beschaffenen 
Lehrplane  die  Schulbildung  der  niederen  Volksklassen  kaum 
etwas  zu  wünschen  übrig  la.ssen  würde,  so  sind  wir  wohl 
sehr  bereit,  über  eine  .solche  \ai\etät  zu  lächeln  aber 
wenn -w  ir  bedenken,  wie  es  in  jener  Zeit  nm  die  \\)lk.sbildungf, 
namentlich  in  seinem  \'aterlande,  bestellt  war,  so  Wer- 
zlen wir  uns  rasch  eines  besseren  besinnen.  Allerdings 
finden  wir,  wie  allen  Kennern  der  ( leschichte  der  r  idagogik 
bekannt  ist,  lange  vor  .Smith,  bei  Cumenius,  noch  \  lei  weiter- 
gehende Anforderungen  an  den  Volksschullehrplan;  aber 
jferade  die  wei.sc  Beschränktnig  nn.seres  Philosophen  in  dieser 
Hinsicht  ])in  ich  sehr  geneigt  ihm  hoeh  an/nrechnen.  Wer 
wird  nicht  den  weiten  SelK'rl>lick  eines  Comeniiis,  vermöge 
dessen  er  Kinrichtungen  ferner  Jahrhunderte  antizipierte,  be- 
wundern I  aber  der  das  Nächstliegende  nnd  sofort  oder  doch 
bald  l\rreichbare  erkennende  vScharfsinn  erx  lu  int  praktisch 
\\  ej  l\ oller,  (ierade  im  vorliegenden  b'alle  l»esiätigl  liie  Rieh- 


I40 


l>r.  Pnul  Dt'rxrniAtin. 


tii^ktil  des  ('.csaij;tcii  die  }{iiahrnn<^;  GnuLiiius'  X'urschlaj^c 
liaircn  iiocli  iiuiiier  ilirer  völlij^en  X'erwirkUclHiii«^,  Smitlis 
l"\)rdt'nniiri*ii  ^iiid  Innigst  erfüllt.  I'Voilicli,  jetzt  t,^eiiü<;eii  uns 
dieselben  l)ei  weileui  liielu  uulii,  wir  veilauj;en  einen  viel 
reichhaltigeren  Lchrplan  für  unsere  Volksschulen  —  doch 
davon  später. 

Aufser  der  intellektuellen  Ausbiklnn-  in  dem  an  -c^ehenen 
Unifan^re  sollen  aber  die  Selnden  auch  die  körperliche  sich 
an)>clej^a'n  sein  lassen,  d.  Ii.  Smith  \v{insclit  in  ihnen  eine 
surgfältit^^e  Pflege  der  ( rvmna'^tik,  eine  ^^1^den1lll^^  die  hr- 
kaniillicli  xieudich  um  diesrlhe  Zeit  in  I  »riit-^v  iricUKl  seitens 
der  l*liiiantrt>pinisten  erlu)l>eii  und  nanientiich  durch  (lUts 
Muths  in  der  SaUntann.schen  Anstalt  in  die  Praxis  uinfj;eset>it 
wurde.*)  Unser  Philosoph  verspricht  sich  von  diesem  Unter- 
richte die  Erreichung  eines  doppelten  Zweckes:  i.  Hrfüllunjf 
der  Massen  mit  kriegerischem  Geiste  und  dadurch  gröfsere 
Sicherheit  gejjen  äufsere  wie  innere  IVindc,  ?.  dem  alten 
Worte  .jthftH  stnift  in  nn'fxttc  »///o"  zufoloc  eine  iiutralisclie 
Hebung  des  X'nlkes.  X'orhildlich  sind  ilim  hier  wieder,  \\ie 
schon  bei  einer  Iridieren  ( «elegenheit,  die  Alten.  Hinsichtlich 
des  ersleren  Punktes  sagt  er  (Wealth  S.  352):  Dafs  im  l'ort- 
schritt  der  Kultur  die  kriegerischen  Übungen  und  mit  ihnen 
der  kriegerische  Geist  der  Volksmassen  allmählich  in  Verfall 
geraten,  wenn  die  Regierung  dem  nicht  steuert,  beweist  das 
Hei.spiel  des  neueren  Kuropas  hinlänglich.  Die  Sicherlu  il  jedes 
Volkes  liängt  aber  stets  mehr  oder  weniger  von  dem  kriege- 
rischen (ieiste  ab,  der  in  der  Masse  des  X'olkel  lel>l.  Zwar 
reicht  gegenwärtig  der  kriegerische  deist  allein  (»hne  den 
Halt  einej>  \s ohldisüiplinierten  stehcntlLU  i leeres  liir  den  Schutz 
und  die  Sicherheit  eines  Volkes  wohl  nicht  aus.  Wo  aber 
jeder  Bürger  soldatisclien  (vcist  hat,  bedarf  es  sicherlich  eines 
kleineren  Heeres.  Dieser  Geist  würde  nebenbri  die  wahren 
oder  eingebildeten  (icfahren  für  die  Freiheit,  die  man  von 
eiiu  tu  stehenden  Heere  befürchtet,  unvermeidlich  sehr  ver- 
mindern. Je  mehr  er  die  ( )perationen  dieses  Heeres  erleichtern 
würde,  wenn  sie  einem  iMudringling  gälten,  desto  mehr  würde 
er  sie  erschweren,  weim  das  Heer  unglücklicherwei.se  gegen 
die  Verfassung  des  Staates  gebraucht  werden  sollte  .  Hier 
haben  wir  also  jene  sympathischere  Ansicht,  von  der  ich  ge- 
legentlich der  Landesverteidigung  bei  Betrachtung  seiner 
]\)litik  ausgesprochen  habe.^)   Nicht  nur,  dafs  er  damit  dei 

'i  l'.s  ihi  bekannt,  dai.s  uiaii  .sich  besonders  auf  I.ockc  und 
Konsseap  dabei  berufen  konnte  nnd  auch  berief. 

■-)  viil.  das  III.  Kap.  des  II.  Teiles  meiner  .\rl»cil  Adam  Sinitlis 
)i;i(i.ii:;o_iiiselu  Tlutnieii  im  Kähmen  sttnts  Systems  <Ki"  ])rakti.sclien 
l'Uilosojjliic    I W  icsl »allen  iSyo,  Au.sgahc  in  2  llefLen  ;  Heil  1 ). 


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\4mm  Smith»  fMi«liicovl>rlin  Anoii'liü'ti  iiM<l  iCrHik  dtin>p1l>cn. 


141 


Verbindung  der  beiden  Elemente,  Milizsystem  und  stehendes 

Heerwesen,,  das  Wort  redet,  soudern  er  will  auch  dadurch  xu- 
j^lcich  der  überhandnehmenden  Ausdehnnng  des  letzteren 
stciu  i  n.  Wenn  er  von  stellenden  Heeren  spricht,  so  liat  er  aller- 
dinj^s  iioeb  n-iiie  Hernfslirere  im  Auj^'o.  dafs  er  aher  deren  Tin- 
wandlnn.Q  in  s<  »Irlir,  w  ic  wir  sie  i<.  t'''t  kennen,  bewerkstelliget  sehen 
inr)chte,  <;cht  au>  dem  Lobe  licrv  ur,  das  er  der  antiken  ICinricli- 
tnng  zollt,  der  xntolge  jeder  Bürger  eine  gewisse  Anzahl  von 
Jahren  in  den  Heeren  des  Staates  zu  dienen  verpflichtet  war. 
Behalten  wir  dieses  im  Ange,  so  werden  wir  seinen  Vorschlag, 
der  Gynrnastik  im  J ngendnnterricbte  einen  Platz  ein/.nrännie« 
mit  Riicksiclit  anf  die  spätere  Wehrliaftigkeit,  erst  recht  wür- 
di^>^en  können.  Wenn  wir  das  inilitärische  Leben  niiserer 
Zeit  ins  Anj^e  fas.sen,  mit  meiner  Anspann nni^  aller  Krälte 
im  Kriegsdienste  im  PVieden,  .seiner  scliwcreii  liemninn^  der 
wirtschaftlichen  Leistnngen  durch  die  mehrjährige  Tnler- 
brechung,*)  der  ungeheuren  Steuerlast»  die  es  im  Gefolge  hat, 
so  müssen  wir  wohl  sagen,  dafs  es  ganz  am  Platze  wäre, 
einen  Teil  der  kriegerischen  Ausbildung  in  die  früheren 
Lebensjahre  zu  verlegen,  l)ezw.  den  gymnastischen  Unterricht 
dementsprechend  nmzngestrilten.  ihn  inj  vSmith'schen  Sinne 
zu  handhaiu  iK  bis  einsl  der  schöne  Traum  vom  ewigen 
Frieden    Wirklichkeit  ge\s-<tr(len  ist. 

Was  nun  die  andere  Argunientaiion  betrilit,  dmch  die 
Smith  der  (»ymnastik  einen  Platz  in  der  Krztehinig  sichern 
vnW^  die  moralische  Wirkung  derselben,  so  läfst  er  sich  darüber 
wie  folgt  verneinnen  (Wealth  S.  353):  -  Ein  Mensch,  der  sich 
weder  zu  verteidigen  noch  zu  rächen  vermag,  entbehrt  offen- 
bar eines  der  wesentlichsten  Kennzeichen  eines  Mannes.  Er 
ist  so  verstümmelt  nnd  mifsgestaltet  an  (Veist.  wie  ein  an- 
derer, der  ein  wichtiges  (Uied  oder  dessen  (tebraucli  ein*4C'- 
bükt  hat,  <ini  Körper.  I^r  ist  offenbar  der  Jämmerlichere  und 
Elendere  von  beiden,  da  (rluck  und  Schmerz,  die  lediglich 
ihren  Sitz  im  Geiste  haben,  notwendig  mehr  von  dem  ge- 
sunden otler  ungesunden,  \  erstünnnelten  oder  un geschwächten 
Znstande  des  (ieisies  als  des  Körpers  abhängen.  Selbst  wenn 
der  kriegerische  (reist  des  Volkes  nicht  zum  iSchutze  des 
Staates  erforderlieli  wäre,  wiirfh  es  dennoch  die  ernstliche 
Fiit  sorge  der  Regiernng  \  erdienen,  ]v(]v  Art  ijeistiijer  \'er- 
siünnnlung,  Mifsbildung  und  Krbärmlichkeil,  welche  die  l'eig- 
heit  in  sich  birgt,  unter  den  X'olksmassen  nicht  einreifsen  zu 

M  I)icsc  l-auM^iiii!^  hat  ja  l»er(.its  /iir  Heiabniiiulcrun^  der  früher 
•'l)lichen  I )ieiist/eit  geführt.  aJ)er  oiuie /w  eitel  wnd  liie.se.s  Kntj^CKtf'- 
konnuen  auch  noch  nicht  auf  die-  Dauer  i;enii};cn. 

-)  vgl  auch  llerteka   Reise  nach  Freiland  .   Reolattrschc  Aiis- 


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1^2  ^'*"'  Hrrgumaiin. 

lassen/.    Es  kann  ^i\v  keinem  Zweifel  unterließen,  daisaucli 

in  dieser  Hinsicht  die  (ryninastik  von  j^^rofscr  Hcdentnn«^  ist. 
Sfe  tritt  er<^änzend  /n  der  Pflcj^c  liin/n  nnd  sehliefst  sich 
/.wan.L^los  an  die  Hewcj^nniijsspiek'  an.  Wit*  jt-uc  dient  anch 
die  Ciynina>tik  der  Krhaltnn«^'^  nnd  licimtlcrün^  der  (iesnnd- 
heit;  aber  sie  bleibt  dabei  nicht  stehen,  süuderu  ist  weiterhin 
anf  die  Erreiclmnj^  körperlicher  Kraft  und  (.Geschicklichkeit 
j^erichtet  Dafs  sie  auf  die  künftif^^e  Wehrhaftig^keit  dabei 
i)edacht  sein  soll,  ist  ja  schon  erwähnt  worden;  hier  möchte 
ich  aber  noch  daran!  hinweisen,  dals  sit-  anch  die  ästhetische 
Itildimt^  iinterstiitzen  soll:  sie  nuifs  daranl  hinwirkt  n.  den 
Schülorii  eine  natnrj»^eniäls  schöne  Haltnn^^  in  Slellnni;  nnd 
lU  \vt  i;;ni)4  tiir  das  Lehen  nnt/.n<^^ehen,  mit  einem  \\  tn  le  — 
Krall  nnd  Gewandtheit  in  den  Dienst  der  Anmnt  /.n  stellen. 
Dafs  nun  der  Besits:  von  (rcsundheit,  Kraft  und  Cycschicklich- 
keit  thatsächlich  jenen  gfünsti^en  moralischen  Krfol>r  ^^n  be* 
wirken  verma<.,^  läfst  sich  leicht  zeij^en  und  bejjreifen.  Ks 
ist  klar»  dafs  das  r>ewufstsein,  einen  kraftvollen  nnd  «;e- 
w  rindlen  Korper  zn  besitzen,  das  S»'lbst;^efnlil  <  rhöhl,  vSelbst- 
\  ertraiun  nnd  Mnt  einfl<"»lst.  n>er  die  lU-deninni;  des  Mntes, 
der  Taijferkcit  aber  branche  ich  weiter  kein  Wort  zn  ver- 
lieren ein  Mann  ohne  diese  ist  ein  Mann  ohne  Wert, 
Jedoch  nicht  nur  als  vSchule  der  Tapferkeit  kann  die  Gym- 
nastik gleiten ;  indem  sie  das  Ziel  verfoljirt,  den  Leib  kraftvoll 
nnd  gewandt  zn  machen,  zeitigt  sie  auch  noch  andere  Tngen- 
den,  nämlich:  Kneri^ie  nnd  Ausdauer,  Bedach tsamk>^it  und 
( Veistes.tjej^enwart,  ohne  die  ja  weder  dieses  Ziel  erreich i  wer- 
den noch  wahre  '!*'apferkeit  dc  nkbar'l  ist.  In  M  t  lchem  l  ni- 
fanj^e  die  (»ymna.slik  betrielaii  wenlni  .soll,  ^-.il; t  »Smith  zwar 
nirj^ends;  aber  seine  beständigen  iimweise  ani  dasAltertnm 
und  der  Wunsch,  dafs  sie  der  künftigen  Wehrhaftigkeit  vor- 
arbeiten solle,  lassen  wohl  den  Schlufs  als  gerechtfertigt  er- 
scheinen, dafs  er  diesem  Unterrichtszweige  durchaus  nicht 
so  enge  Grenzen  gezogen  wissen  will,  wie  dies  heutzutage 
hei  dem  in  nn.seren  Schnlen  üblichen  Tnrn unterrichte  der 
l'.ill  ist.  Ich  stimme  darin  j>;anz  mit  ihm  liberein  nnd  habe  ja 
x  li  iii  (U  li  einen  IMnikt  ]iervorjj;ehoben,  dafs  nnser  Tnrnnnter- 
riehl  nimdicli  tU  ni  Zwecke  der  Welirhaftmachnn.i.:^  entsprechend 
umgestaltet  werden  müsse.  Im  Übrigen  mnlser  ebenfalls  an- 
^auiessen  erweitert  werden:  es  darf  sich  dabei  eben  nicht 
blofs  um  das  auf  Frei»  und  (rerätübungen  erstreckende  Turnen 

^  Manche  Ircffliclie.  dies  im  Kiti/.eliieii  nnrhweiseiide  Hetner- 

kunj.ieti  fi:i«Ul  man  iti  der  Ijnkitiiiij.:  /n  \\<1i:uis  l'iUcrki).jcn  fi'iv 
die  lüntühnnijf  in  den  Itclriel)  des  TiirtninUrnehtes  ( ■.iit».rsU)h  rS7S. 
S.  XIX  ff.  Vor  allem  aber  sti  liiti.m.\viei>cn  aiU'  die  trcfllichcn  Schriften 
voll  Jäger  (ivmnaslik  der  Hellenen  .  2.  Aufl.  KfsHngcn  1857  und 
Neue  Turn  schule  .  Stuttgart  iSju. 


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Atlnin  SniiilM  |*HiliiKi>siM'|i8  Aniiii*tiM-n  tiiml  Kritik  4ti*r»»ll>pt>. 


handeln,  sondern  es  gfilt,  die  alte  Ciymnastik  wieder,  natür- 
lich mit  zeitig  cm  äfsen  Modifikationen,  cinznfühion.  Auch 
miifstt'  (Ho  vScluvinunkimst  dabei  henicksicliti]n:t  werde«. 

W'flchcn  L(  ]ir])lan  inörlitc  unser  IMiilosopli  min  aber  in 
den  lioheien  Ia  Iirmistalun  antj^estellt  wissen  ?  Hier  ist 
die  Antwort  nicht  >o  ieielit  zn  jL»eben.  wie  liiu.siclulieli  der 
Vülks.schnlen ;  denn  es  fehlen  bestiniuile  Angaben,  und  anch 
für  Schlufsfolfferungen  ist  kein  j^^enügendes  Material  vorhan- 
den. Zndem  inanpfelt  es  an  einer  präzisen  Anseinanderhaltuug 
von  (»elehrten-  und  Hochschulen  (rniversitäten):  das  hat 
allerdin<>^s  seinen  (»rund  einerseits  in  den  diesbezügliclien  eng- 
h'schen  Wrhrdlnissen  und  anderseits  darin,  dafs  überhaupt 
bis  in  die  neuere  Zeit  hinein,  auch  hei  uns.  in  vielen  Fällen 
zwischen  dem  l'niversitäts-  und  dem  (Tymnasial-l'nterrichte 
eine  scharfe  (irenze  nicht  gezogen  war:  an  einer  Reihe  von 
Anstalten,  die  unserer  gegenwärtigen  Anschauung  geniäfs  zu 
der  Kategorie  der  Gymnasien  zu  rechnen  sind,  tritt  uns  eine 
eigentümliche  Verquickung  von  niederem  (vorbereitendem) 
und  höherem  wissenschaftlichen  Unterrichte  entgegen  -  ich 
erinnere  nur  an  die  sogenannten  Ritterakademien  und  die 
jesuitischen  Lehranstalten.  Umgekehrt  bci^egnet  uns  an  den 
Universitäten  jener  Zeit  \  ielfacli  noch  ein  I  ntei  riehtsl)etrieb, 
der  uns  heutzutage  für  dieselben  als  viel  zu  elementar  er- 
scheint, z.  H.  in  den  philologischen  und  mathematischen  Dis- 
ziplinen. Dieser  schwankende  Charakter  haftete  (und  haftet 
noch)  in  weit  höherem  Mafse  dem  englischen  Gelehrten-Schul- 
weseu  an. 

Wir  haben  schon  gesellen,  dafs  »Smith  Prüfungen  in  all- 
gemeiner F^ildnng.  in  den  höhere!!  und  schwierigeren  ^^'issen- 
scliaften  ,  eingetülirt  zu  sehen  wünscht,  wenigstens  für  die- 
jenigen, die  irgend  ein  öffcnlHches  Amt  zu  bekleiden  vor- 
haben. Diese  höheren  niul  schwierigeien  Wissenschaften 
müssen  also  in  den  höheren  Unterrichts-Anstalten,  die  nach 
ihm,  wie  wir  wisseu,  nur  einen  privaten  Charakter  haben 
sollen,  gelehrt  w  erden.  .Aber  welche  einzelnen  W'is.senszweige 
hat  er  dabei  im  .Auge?  Ohne  jede  Frage  die  Philosophie 
iWealth  S.  357K  hinsichtlich  der  übrigen  bleiben  nur  \'cr- 
mutungen  ül>!ig.  T>ie  (i\nniastik  soll  iiatürliili  hier  so  gut 
wie  an  den  \  "Ik^scliulen  ein  Unterrichtsge^ensiand  sein. 

Uber  die  füi  die  Stoffanswahl  mafsgebenden  l'iiuzipien 
wie  die  unterrichtliclie  X'erarbeitung  des  Stoffes  finden  wir 
bei  Smith  keine  Angaben;  jedoch  lassen  sich  in  einigen 
wenigen  Punkten  seine  Ansichten  darüber  durch  Schluls- 
folgerung  gewinnen.  Der  wichtigste  (»rundsatz,  der  bei  dem 
einen  wie  bei  dem  anderen  zu  ))eachten  ist,  ist  der,  auf  das 
Interesse  der  Schüler  Rücksicht  zu  nehmen,  d.  h.  wenn  mau 


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die  Form  didaktischer  Imperative  wählt :  i.  wähle  nur  solche 
Stücke  ans  für  die  untervichtliche  HeliandUmg-,  welche  an 
und  für  sich  anf  Interesse  hei  den  Schülern  rechnen  können, 
und  2.  Hrinqi'  dicM. IIhii  so  an  die  Schüler  heran,  dals  sich 
ihr  Intert'ssr  aucli  crliält  -■  knrz:  nntcrrichte  interessant. 
Der  l'nterricht,  dem  Aulnierksanikeit  zu  sichern  es  des 
Zwanges  und  der  Anwendunj^;  von  DiszipHnar-Mafsregehi 
bedarf,  ist  wertlos;  höchstens  bei  sehr  jungen  Kindern  sind 
solche  nicht  j^anz  zu  nni Liehen.  Dlt-  hit-r  in  Betracht  kotnniende 
Stelle  (Wealth  S.  343)  lautet:  Wo  die  Lehrer  ihre  Pflicht 
wirklich  erfüllen,  da  ist  es,  j^^lanbe  ich  beispiellos,  dafs  die 
meisten  vSchüler  <lii-  ihrige  \(.'rnacidässi}>en.  Ks  bedarf  nie- 
mals der  I)is/i])liii.  um  Aufmerksamkeit  bei  \'orträj»;cn,  die 
des  Zuhürens  wirklieh  wert  sind,  zu  erzwingen,  wie  die  Kr- 
fahrung  überall  zeigt  Bei  Kindern  oder  sehr  jun^^eu  Knaben 
ist  vielleicht  ein  gewisser  Grad  von  Zwan^^  nöti^^  um  sie 
zum  Achtgeben  anf  die  Unterrichtsgegenstände  anzuhalten, 
die  man  ihnen  in  dieser  ersten  Periode  des  rvcbens  beibringen 
zn  müssen  glaubt;  aber  nach  dem  zwölften  oder  dreizehnten 
Jahre  bedarf  es  dazu  schwerlich  mejir  eines  Zwanges,  wenn 
nur  der  I,chrer  seine  Pflicht  thtit  .  Man  sieht,  dafs  obige 
Regeln  durchaus  der  Meinung  »Smiths  entsprechen.  P'reilich 
wenn  unser  Philosoph  die  Lehrer  ermahnt,  ihre  Pflicht  zu 
thun,  damit  auch  die  Schüler  die  ihrige  und  zwar  gern  und 
willig  thun,  so  können  wir  daraus  noch  eine  ganze  Reihe 
anderer  didaktischer  \'orschriften  ableiten;  namentlich  würde 
es  ganz  im  »Sinne  der  Pädagogen  jener  Zeit  sein,  die  Forde- 
rung darniis  zu  q-ewimien,  dafs  der  rntcrrieht  (\(.\\  Scliülern 
so  an»;enehm  und  leiclit  wie  möjrhch  gemachl  werde.  Jedoch 
hiefse  das  entschieden  zu  weit  gehen  und  sich  anf  ilas  (ie- 
biet  der  blofsen  \'ermutnngen   bej^eljen.     Vielleicht  erhebt 

man  diesen  Vorwurf  sogar  schon  gegen  die  zweite,  oben 
angegebene  Regel;  aber  ich  glaube,  dafs  diese  wohl  aufrecht 
erhalten  werden  kann,  angesichts  des  doch  unzweideutigen 
Verlaugens,  bei  der  Stoffauswahl  dem  lui  c  der  Schüler 
Rechnnn'^^  /n  traq^en.  Dagegen  lassen  sieh  \ür  diese  Stoff- 
nnswald  noch  einige  amlere  \*nr^eliniten  ans  dem  ableiten, 
was  vSmitli  anf  vS.  349:3  =;o  (K  s  \'"lla  rreichtnms  -^i^^U  welche 
Stelle  schon  oben  in  anderem  Znsammenhanj^e  angeführt 
wurde.  Wenn  unser  Philosoph  den  zünftigen  Unterrichts- 
anstalten den  Vorwurf  macht,  dafs  sie  den  Zeitverhältnissen 
nicht  Rechnung  trugen,  die  Jugend  Dinge  lehrten,  die  un- 
nütz seien,  so  ist  seine  .\nsicht  bezüglicli  der  Stoffauswahl 
doch  offenbar  die,  dafs  dabei  Xützlichkeitsreflexionen  mit- 
zusprechen haben,  und  dafs  man  neue  wissenschnftliche  Kr- 
rungeuschatteu  fortUaucrnd  berück-sichtigeu  miisse;  auch  dies, 


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AiImii  8niHh»  |mi<iiKO|ci»<^hc  Aii*ivhtfii  iittU  Kritik  dfVfteiben. 

was  allerdings  in  dem  zuerst  (gesagten  schon  mit  enthalten 

ist,  aber  doch  noch  besonders  betont  zn  werden  verdient^ 
(lafs  nanilicli  anf  den  wahrscheinlicben  künftigfen  Benif  der 
Sduilcr  bedacht  /.n  nehmen  sei,  I'ordernngen,  denen  man 
seine  l^illi^^nnj^  siclierlicli  niclil  \ ersa'^''tii  wird  höchstens 
thnu  (lies  liir.sichllit  Ii  dif^ci  vlww  pi ;i/isj(.'rten  die  Verfechter 
ideali.slisc'-.er,  in  der  Luit  schweben<ler  Zwecke  der  Schule. 
Gewifs  ist  die  Rücksichtnahme  auf  den  künftigen  Bernf  nicht 
allein  mafsgebend,  sondern  der  Mensch  soll  auch  zu  einer 
bürgerlichen  Stellung  herangebildet  werden,  die  je  nach  dem 
Lebeuskreise,  dem  sie  angehört,  gewisse  allgemeine  Forde- 
rnngen  an  die  Bildung  stellt,  bei  denen  der  besondere  Zweig 
der  Beschäftignng,  die  dem  Einzelnen  innerhalb  derselben 
zufällt,  nicht  iiibctraclit  kommt;  aber  ganz  übersihen  werden 
darf  dieselbe  keiuou  egs.  Am  treffend.sleu  liat  wohl  die 
nianiiigfacheu  Aufgaben  der  Schule,  bc/.w.  des  Staates  als 
des  Organisators  und  Leiters  des  gesamten  Bildungswesens, 
Wnndt  charakterisiert,  wenn  er  sagt*):  >Er  (der  Staat)  dient 
damit  (durch  die  Fürsorge  für  den  Unterricht  der  Jugend) 
den  Bedürfnissen  der  ( Gegenwart,  indem  er  jeden  Staats- 
bürger in  den  Stand  /.u  set/.en  sucht,  seinem  Berufe  nach- 
zukonniiLii,  seine  bürgerlichen  Rechte  zn  wahren  und  seine 
Pflichten  gc.ucn  die  (lesamtheit  zn  erfüllen.  Zugleich  aber 
richtet  sich  .Nciue  Fürsorge  in  die  Zukunft:  er  sucht  eine 
Besserung  der  gesellschaftlichen  Lage  der  niederen  Klassen 
vorzubereiten,  indem  er  ihre  geistige  Hebung  erstrebt  und 
auf  diese  Weise  die  Unterschiede  der  Uiesell.schaftsklassen  SO 
weit  auszugleichen  bt mülit  ist,  als  dies  die  Forderungen  der 
rechtlichen  und  sittlichen  (ileichheit  und  des  einträchtigen 
sittlichen  Znsammenwirkens  aller  Gesellschaftsglieder  wün- 
schenswert niachen  . 

Kndlich  sei  darauf,  noch  aufmerksam  gemacht,  dafs 
Smith  auch  die  „Aumlatio",  den  Wetteifer  in  den  Dienst  des 
Unterrichtes  gestellt  wissen  will,  indem  er  sagt  (Wealth 
S.  352):  *Das  Gemeinwesen  kann  die  Erleniung  der  wesent- 
lichsten Unterrichtsgegeustände  durch  X'erteilnng  kleiner 
Prämien  und  Auszeichnungen  an  die  Kinder,  die  sich  her- 
vorthun,  erninntcni  .  Diese  Mafsregel  werden  allerdings 
die  meisten  der  heuligen  Pädagogen  für  im  hohen  (irade 
\  ri  werflich  erklären:  man  braucht  nur  einen  Blick  in  imsere 
Ivchrbücher  der  Pädagogik  zu  werfen,  und  man  wird  finden, 
dafs  sie  mit  nur  wenigen  Ausnahmen  gegen  den  Wetteifer 
zu  Felde  ziehen  und  weidlich  auf  die  Jesuiten  und  Philan- 
tropinisten  als  die  Hauptanstifter  \  on  zur  Belebung  desselben 
getroffenen  \erderblicnen  Kinrichtnngen  schelten.  Nun, 
vgl.  Ethik,  S.  657. 

Vvnm  B«bim  TU.  3.  lO 


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146 


l>r>  Pmil  lIvfKPNialitt. 


flas  alles  kann  mich  keinen  Anj»enblick  abhalten  zn  sajfen, 
dafs  ich  die  „Amuhtio**  beim  Unterrichte,  in  der  Ivrziehnnj; 
überhaupt  nicht  missm  möclite,  ja.  dafs  man  nlinc  <1itsr-rt)e 
^ar   nicht    aiiskoninicn    kann.  l>c.s.-Ncrcn    Hrlol^c  des 

Ma.ssenuntcrriclites  dem  Kin/.ehmterriehte  i^e.iiennber  bernlien 
eben  daraiU;  unsere  Klassen-TeiUmg  ist  die  i^dj^e  der  An- 
erkennung, wie  wichtig  es  ist,  gleiche  Kräfte  zttni  «^gemein- 
samen Wettbewerbe  zusaninienzufuliren.  Mit  dem  von  der 
Natur  dem  Menschen  verliehenen  Pfände  zu  wuchern,  treiben 
ihn,  wenn  er  erwachsen  ist,  die  Not  und  der  Ehrtrieb;  denn 
der  blofsc  Thäiii^keitstrieb  <^enüj^t  dazu  nur  in  den  .nller- 
.seltenston  Fallen  bei  den»  Kinde,  dem  Sclu'iler  kommt 
nur  der  Khrtrieb  inbetracht.  Hie  Hrzieluinj^^  muis  denselben 
benutzen,  natürlich  aber  seine  Ausartungen,  Kiteiktr-ii  und 
Ehrgeiz,  verhüten.  Kleinere  Brämien  und  derartige  Aus- 
zeichmingen  können  sehr  wohl  zugelassen  werden;  aber 
natürlich  mnfs  man  bei  der  X'erteilung  nicht  die  verschiedenen 
Leistungen  gegeneinander  abwägen,  sondern  darnach  fragen, 
wir  dieselben  sich  zn  den  }.^^ej^ebenen  l*ähi«.^'^keiten  verhalten, 
mit  anderen  Worten:  der  drad  der  Anstrengung  kann  beim 
Verdienst  allein  in  rVnj^e  kommen,') 

Welche  Anforderungen  stellen  wir  nun  heule  an  die 
(iestaltung  des  Unterrichtes  in  den  niederen  wie  in  den 
höheren  Schulen?  Mancherlei  ist  schon  früher  in  anderem 
Zusammenhange  gestreift  worden,  worauf  ich  jetzt  noch 
genauer  einzugehen  habe;  anderes  niufs  hinzugefügt  und 
alles  übensichtlich  L;eordnei  und  gruppiert  werden. 

Hei  der  AnfsU-llnni;  dei  Kehrpläne  für  die  verschiedenen 
Schulen  ist  malsgebend  das  Knltnrprinzip,  weiciies  \  erlanj»t, 
dafs  die  Heranwachsenden  zn  Kulturkämpfern  heran ij-ebildet 
werden  behufs  lühallung  und  I'örderun^  der  Kultur  auf 
allen  ihren  Gebieteu.  Darin  ist  alles  zusammengefafst,  die 
Fürsorge  für  die  nähere  und  fernere  Zukunft,  die  Rücksicht- 
nahme auf  den  künftigen  Beruf  der  Zöglinj^^e  und  dit  dereinst 
von  ihnen  zu  erfüllenden  allj^cmeinen  Pflichten  als  Staats- 
und Weltbürj^er,  die  Xotwendij^keit,  sie  in  den  Stand  /n 
.setzen,  die  ihnen  als  sf>lchen  zustehenden  Rechte  wahren  zu 
können,  die  Auf)»abe,  die  I'dicke  dahin  zn  lenken,  wo  vor- 
nehmlich l'ort.schritte  geboten   er.scheinen,  auf  Mittel  und 

'i  Die  Ranuordnunjj  da;i:c}.re!i  Knnn  niclit  wolil  n-.wh  diesem 
l'riu/.ipc  fortgestl/.t  ulrdcn.  ans  (ii  iiiulcii.  die  so  auf  der  Haiul  lu  i;cn, 
dafs  ich  mich  auf  ihre  Hrörteruii}^  hier  nicht  ein/.ulasseti  btauehe. 
Da  aber  anderseits  eine  auf  der  \'erj^lei(  hniij^  der  verschiedenen 
Leistungen  beruhende  Platzanweisung  nianclierlei  Märten  im  (iefoly;e 
hat,  so  halte  ich  allerdings  in  Übereinstimmung-  mit  der  Mehncam 
der  neueren  l'ädag;ogen  dafür,  dieselbe  nach  irgend  welchen  änf.scren 
^Merkmalen,     B,  nach  der  alphabetiKchen  Nameniolge,  zu  bestimmen. 


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A<Ihiii  $!iiiil)ui  pSilasuKiach»  An^ichtpn  und  Kritik  il(«rMlben.  t 

Wege  hinzuweisen,  die  zur  Erreichung  des  Zieles  gcei<^iiet 
zu  sein  scheinen  und  in  ikii  juni^en  Herzen  cU  ii  Bnthusias* 
nius  für  eine  darauf  •  gericli tele  Wirksamkeit  anzufachen. 

Xacb  diesem  Priiizipe  sind  die  l'nterrichtsfächer  leicht  zu 
bestimmen:  dasselbe  reclitterlij^t  auch  die  ( tliederung;  des 
rnterricbls Wesens  vollkommen.  Denn  diese  ist  eine  not- 
wciidij^e  F()l;^e  der  ( Tliedertni*4  der  l  re.Nellscliatl  in  verschiedene 
Arbeitsklassen,  die  ihrerseits  ja  wieder  durch  den  Kiiltur- 
fortschritt  bedinj^t  worden  ist.  Auf  dem  biologischen  Ge- 
setze der  Arbeitsteihing  beruht  unsere  Kultur,  ihre  Erhaltung 
nnd  Weiierent wickehing.  Freilich,  über  dem  Trennenden 
darf  niemals  das  verj^essen  werden,  was  die  einzelnen  rrlieder 
der  rreNcllscbaft,  die  Ciesellscbaftsklassen,  so  verschieden  auch 
ihre  .\r])eits.ijebiete  sein  mö<>en,  einijjt  oder  doch  /,uni  min- 
desten einii^eii  >olUe  es  ist  dies  dasjenige,  wa^  w  ir  nnter 
allgemeiner  Bildnnj^  \er^tchen,  sowohl  in  intellektueller  als 
auch  in  moralischer^  religiöser  und  ästhetischer  Beziehung. 
.  Die  Einheit  herzustellen  und  zu  erhalten  ist  Sache  der  Schul- 
erziehung; dadurch  wird  (rleichheit  in  der  ideellen  Lebens- 
haltting  erzielt,  der  \'erkelir  nnd  Meinungsaustausch  aller 
mit  allen  ermö*(licht  darlnrch  fällt  die  Scheidewand,  welche 
die  (tebildeten  von  den  l  nj^ebildeten  trennt,  deren  Nieder- 
reifsini)4  die  (Gerechtigkeit  nicht  nnr,  sondern  auch  das 
Interesse  für  den  P'ortbestand  unserer  Kultnr  energisch  fordert. 
Allerdings  wird  mau  auch  wenn  nicht  eine  völlige,  so  doch 
wenigstens  eine  annähernde  Gleichheit  in  der  materiellen 
lyebenshaltuug  der  Menschen  wünschen  müssen  ans  den  näm- 
lichen Gründen :  deren  Herbeiführung  und  Anfrecbterbaltnng 
istjedoch  nicht  Sache  der  Schule,  sondern  der  Sozialpolitik. V 

(icwifs  wird  auch  von  absoluter  llilduugs-(ileichheii  in  der 
int  Texte  anpe^ebeneti  Begren;ninic  niemals  die  Rede  sein  können. 

das  ist  ja  durch  die  vcrschiedeiic  natürhche  Bf  Mtilnirimir  der  ^Tcnschcn 
ausgeschlossen  :  aber  uXs  an  tiner  idealen  Forderung  wird  man  darau 
festhalten  müssen.  Cnd  jedenfalls  ist  die  Niederwerfinij^  der  jetxt 
die  fJebildclt  ii  \ on  tleti  l ■n>;el>ildcten  trennenden  Schranke  mö>jlich. 
JiiUhiiij^fsinitc  rvi  hu  (U'  nalürlii  l)  inumT  ab^^est  luMi  vm  der  I^eson- 
»lercn  l-ach-  nnd  üeruf.s  Jiililun-  wie  .sie  ja  auch  jcUL  unter  den 
(Vebildeten  bestehen,  werden  i  iniur  vorhanden  sein  Hinsichtlich 
der  niatcrienen  Lebetishaltun.ir  wii'i  ninn  dni^eiien  selbst  an  einer 
idealen  Fordenuig  nicht  auf  völliger  (deichheit  /.u  beliarreu  brauchen; 
darauf  ist  auch  (wie  schon  erwähnti  in  Wirklichkeit  das  Bestreben 
ili\r  nicht  gerichtet,  wenn  man  von  einij^eu  wenigen  Ausnahmen  nb- 
sieht.  Nur  um  die  Heseilignng  der  schroffen,  gewi/s  das  Gerechtig- 
keitsgefühl verletzenden  l'nlerschiede  handelt  es  sich.  Wenn  in  der 
Polemik  gegen  die  BesiUs-Unlerschiede  oft  /n  weit  gegangen  wird, 
was  ich  keineswegs  in  Abrede  stelle,  so  ist  dies  walvrlich  nii<;esiolits 
der  Sachlage  verzeihiicli :  die  Schuld  tragen  ein/ig  und  allein  die 
ihren  Besitz  so  übel  --  znm  l'runken  nnd  leerer  Rcpräsentatioii  — 
Anblendenden. 

IC* 


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I^jt  Dr.  t*iiul  llpremMHli. 

Die  Gnitidlageii  der  alljifeineiiien  Hildnii^  in  iiitellektneller 

Hinsiclit  sind  (iescliichtc,  Xalurkuiule,  ( leoi^rapliie»  Staats- 
iind  Wirtscliafts-Lehre  und  deutsche  vSpraclilcInc  lAsen. 
Schreiben,  Rechnen  sind  für  uns  so  selbstverständliche  all- 
j*;emeine  Fnterrichtsq^ti^enstände.  dafs  ich  likr  darüber  kein 
Wort  zu  \orliertii  brauche.  Diese  Klenicuu-  uui>sen  daher  in 
allen  Schulen  \  ei  UeLen  sein.  Spracliwissenscliaft,  Matlicni.ilik 
und  weiterhin  Philo.s()phie  kommen  da^^egen  nur  für  die 
höhere  Bildung  inbetracht  Ferner  ist  die  sittliche  (itnd 
formal- gesellschaftliche),  religiöse  nnd  ästhetische  Bildung 
ebenfalls  g^leichniäfsig  bei  den  Auj.j;ehnri)^en  der  verscliiedeiien 
(Tesellschaftsklas.sen  zu  pflcj^en  durch  moralische  und  rcli- 
jjiöse  Beleb nni}^^en,  Tj'tteraturkunde,  Zeichnen,  Modellicreti 
nnd  (Te.<;ang.  SsatürHeh  ist  ancli  die  (ivinna'^tik  ein  allen 
Schulen  geniein  samt,'-  riiurriehlslaeli ;  ja  es  dürfte  sich  vn\- 
plchien,  bei  den  t^ynniaNli.schen  Übungen  die  Schüler  der  \  er- 
schiedenen  Unterfichts-Anstalten  zu  vereinigen,  was  auch 
beim  Zeichen-,  Modellier-  und  (lesang-rnterrichte  angebracht 
wäre.')  Derselbe  würde  auch  für  einen  I'nterrichlsgeoenstand, 
den  ich  doch  nicht  ganz  mit  Stillschweigen  übergehen  will, 
gelten:  ich  meine  den  Handfei  ti^keits-rnlerricht,  dessen 
Wichtigkeit  für  die  künftigen  Handwerker  einleucbtet,  der 
aber  auch  für  die  anderen  eine  hohe  Hedeutung  hat,  indem 
er  dieselben  lehrt,  die  Handarbeil  rieb  liger  /u  schätzen  nnd 
besser  zu  würdigen  —  ein  Vorteil,  den  kein  Soxialpolitiker 
längnen  wird.  Was  die  moralischen  Belehrungen  betrifft,  so 
sind  für  dieselben  be.sotidere  Stunden  anzusetzen,-)  während 
für  die  religiösen^  bei  denen  es  sich  wie  schon  gesagt,  nur 
um  die  allgemein  menschlirlun  (irundlagen  religiöser  Welt- 
an.schauung  handelt,  dies  kaum  erforderlicli  /r.  S(  in  scheint: 
dieselben  treten  mn  besten  l)lf>l"s  bei  pas.scndi  i  ( '.rk  nheit 
auf;  erst  gegen  Kude  des  ganzen  ruterriehtskurse>,  der  ciK«-ut- 

'i  Schülern  der  «»bert'ii  Klassen  <]vr  ()ymv:\^MV  ^y^)rf\v^^  die  der 
I'^ortbildiniKsscluilen  j^kic  h/usel/en  seui.  s(»weil  dies  nnl  ileni  ciiesen 
X«  erteiletiden  I  nterriclit  xcreinbar  wäre.  Dabei  will  ich  jjleich  be- 
merken, dal's  ich  allerdings  den  l'nterricht  an  den  l'ortlnldunjfs- 
schulen  in  einem  viel  weiteren  l'mfange  festge.sel/.l  wi.sseu  mochte, 
als  dies  heutxutaj^e  j^eschicht  ~  selbstverständlich  atif  Kosten  der 
den  Lehrhcii  Ln  /.n  widmenden  Zeil.  Ich  meine  nändich,  dals  .sicher- 
lich ein  nmfangreicheret  nnd  intensiverer  I'ortbildnnus  T'nterricht 
möglich  w«nre.  wenn  die  I.ehrherren  ihre  Lehrlinge  wohl  ftcifsig  an 
einem  Teile  des  Tages  /tir  Hrlernung  ihres  Bemfes  anhielten,  aber  im 
iibrigcn  nicht  willkiirlich  /it  üiren  (der  kehrherni)  (iunslen  ii})er  diese  r 
Zeit  verfügen  dürften  Hei  dem  jetzigen  Ik'lriebe  wird  doch  gewns 
an/serordentlich  \  iel  Zeit  ohne  ir}5:end  einen  Nutzen  für  die  TCnife- 
mäfsige  .Xusbildung;  der  I^ehrlin^e  in  der  unverantwortlichsten  Weise 
vergeudet. 

•)  vgl.  darübermeinen  Aufsat/.  Cber  Moral- Unterricht»  Pädagog. 
Studien  XV  Jahrgang.  Heft  3. 


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Aftani  Amith»  pädmfo^iwlie  An<«ieht«ii  ttn4  Krittk  drrvrtbca. 


149 


liclieii  Emehuiigsperiode  dürfte  es  aii>j;ebracht  sein,  im  Au- 
sclihusst"  an  die  kullnrhistorisclien  Helelinmq^en  eine  Samin- 
und  Sichtmij^  des  bis  daliin  !::fclc\i^ entlieh  aufj^^treleiien 
diesl)c/ü.nliclieu  Materials  vor/iniehnien  uiul  dasselbe  iinch 
antreiiKssc!!  /w  erweitern.  So  sebliefst  ikr  l'nUi  rieht  der 
Jugend,  indem  ihre  151iek.c  aui  das  Kwigc  gelenkt  werden  — 
und  der  Wunsch  rege  gemacht  wird,  mehr  davon  zu  erfahreu. 
Die  HrfüUuiiir  dieses  Wunsches  ist  alsdann  Sadte  der  sogen. 
\'olkserziebnng  nnd  des  akademischen  Unterrichtes,')  Mit 
Hezng  anf  den  Siaatsbürgermiterricht  mir  ein  Wort.  Der- 
sell)e  nnifs  natürbcli  sich  ganz  freihalten  von  ]->olitisclier, 
}>arteilicher  Tendenz;  in  denKseli)en  darf  nicht  Propaganda 
geniaclu  werden  weder  fiir  diese  ode^-  jene  Staatstonn  noch 
weniger  Ihr  diese  oder  jene  Partei.  Die  besondere  Stellnng- 
nahnie  in  diesen  Beziehungen  mnfs  dem  reifen  Manuesalter 
überlassen  werden,  mufsdas  Ergebnis  vielseitiger  Erfahrungen 
und  reiflicher  Prüfung  sein  *  -  in  jedem  anderen  Falle  ist  sie 
völlig  wertU)s.  Zn  den  Rechten  des  Burgers  des  modernen 
»Staates  gehört  die  Freiheit  der  Knlscliliefsung  in  dieser  Hin- 
sieht ganz  entschieden;  jede  Heeinllussnng,  noch  dazu  eine 
s.)lche  vor  der  Zeit  der  rru  ilsnitc,  ist  eine  verwerfliche  Be- 
schränkung derselben  nnd  darf  unter  keinen  Umständen  ge- 
duldet werden. 

Von  allen  diesen  Ausführungen  wird  gewifs  das  über  die 
religiösen  Belehrungen  Gesagte  am  meisten  Widerspruch  fin- 
den. Meint  man  doch  seltsamerweise  noch  immer,  durch  das 
Festhalten  an  dem  konfessionellen  Charakter  der  Schule  dem 
religiösen  Interesse  in  besonders  hohem  (trade  zu  dienen;  ja 
man  behauptet  sogar,  eine  I.rxiehniis:^.  die  nicht  auf  dem 
Boden  eines  beslimniu  n  (  .iauheüsl>ekeanlnisses  stehe,  die  sich 
nur,  wie  oben  verLuigl  wurde,  die  IMlege  (kr  allgemein 
menschlichen  Grundlagen  der  Religion  angelegen  sein  lasse, 
sei  gleichbedetitend  mit  religionsloser  Erziehung,  oder  man 
versteigt  sich  sogar  /u  der  l^ehauptung,  dafs  es  überhaupt 
so  etwas  garnicht  gebe,  dafs  dergleichen  undenkbar  sei.  Mit 
W'undt  (Hthik  vS.  f»^>i)  sage  ich:  Man  mufs  zur  l'Jire  derer, 
die  solche  Meinungen  gelassen  ansspreehen.  annehmen,  dafs 
sie  sieh  der  Tragweite  ihrer  Worte  nichl  bewulslsind  .  Näher 
darauf  einzngelien,  halle  ieli  iin  uiniötig  Leute,  die  allen 
Wrnuuftgründen  bisher  ihre  Ohren  verschlossen  haben,  wer- 
den sie  auch  jctxt  nicht  öffnen,  und  bei  den  anderen  bedarf  es 
solcher  nicht  mehr.*)  Besondere  didaktische  Erörterungen  will 

M  Darüber,  welche  Ijesondcrc  Richtung  die  relijfiose  Anschauung 
nehmen  soll,  hat  vor  erlangter  Mündigkeit  <1ie  Familie  allein  zu  ent- 
scheiden. 

"<  /um  i'hcrfluls  verweise  ich  ahcr  noch  aut  W  uiulls  naliete  .\u.s- 
führtuigcn  (Kthik  S.  66i  ff.i 


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15" 


ich  hier  übergdieii,  zmleiii  ja  auch  Smith  solche  mir  flüchii}>f 
j^t'strcift  hat.  I)a}^cjnvii  iiK'klito  ich  dis  im  ersten  Ahschiiittr 
dieses  Kapitels  nnfi;cstclltt  Sclienia  nochmals  hciiüt/en.  nni 
eine  übersichtliche  Ziisainnu.  iisteIhm.'L;-  der  ruU-n  ichts-(  ie;^en- 
stände  zn  geben,  welche  die  Hcdiirliusse  unserer  Zeil  erfor- 
dert!, und  so  den  Abstand  zwischen  dieser  und  derjeni^^cu 
unserer.  Philosophen* in  die  rechte  Heleuchtuuj»:  zu  setzen.') 

r  11 1 c  r  r  i  c  Ii  t s -  (i e  54  e  ns tä  n  de;  II  e i  u\  .1 1 k  u  ude  (in  dem 
weiten  Sinne  meiner  sclion  angef.  Arbeit  Die  sozialethischc 
Aufgabe  der  Heimatkunde  |:  Prinulr-Schule. 


Lesen 

Schreiben 

Rechnen 

und  Elemente  der  ( ieomelrie 

Zeichnen  iu.  Modelliereu) 
Singen 

( i  \"  m  n  a  s  1 1  k 

F  o  r  m  a  1  -   e  s  e  11  s  c  h  a  i  1 1,  U  e- 
lehrnn  }^en 

(jeschichte 

Wirtschafts- und  Staats- 
lehre 


rriniiii  .^  cli  Ic  iZciciuKn  iiu  crsleii 
Schuljahre  als  iiiaU-iidcs  Xetclincn  \ 

\  OlksMchtilc. 

Stcmulär  Sv^liiilc  |  Hin  imtvcIiviU 
uinl  zwar        1  lUttral.  u.  Rcal- 
'     ( iyiiinasium 

Tertiär- Schule 

und  /.war  j  Fortbildunij^sschule. 


Secuntlär-Schul» 

.  \  uikssrliuk-. 
I  UfirjrcrschHlc. 
^  lilterai    \:  Keal-<iyttl- 


und  /.war 


iiasi  um 


Tcrlinr-Schul«? 

I 
l 


und  /.war  '  l*orllnl<,luni;s.schalc. 


iN  a  t  in  k  u  n de 
(»eographie 

Deutsche  Sprachlehre 

nnd  Ivitteratnr 
Moral- Unterricht 

(Religiöse  Belehrung) 

Ku-inente   der   Mathematik  u ud )  Stcandäi  Seiiuk  umi 
eine  fremde  neuere  Schule        j  sewar  (  HürKvrschule 

\i 1 1,  ^.,1 » ;  ir  l  Secundär-Schule  /  litterarischcK  uud  Real-ttvin- 
Ai  d  t  U  e  ni  d  1 1  k  J  .^^.^^      I  na«iuiu 

Alte  Sprachen  ((triechisch 

und  Lateinisch)  und  eine  ( vSecuiular-Schuk-  |  litterar.  t;ym- 
fri  nide  neuere  Sprache  {Fran-  zwar      \  naHiuni 

zösisch)  *) 


'*  üiibcrückMclili^l 


-  p-       au.s  naliciic^cudeu  t.iriuidcn  bleiben 

dabei  allerdinpi  die  niederen  Fachschulen  und  die  Ilochschukii. 

•j  Dazu  KugHsch  als  fakuUativcs  i'ach. 


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Acliim  itmlthit  |M<lByosl«pfar  Aoalrhtm  und  Krillli  «l^rMlbm. 


Drei  fr eindc  neuere  Spracheiii  .       ,«  «  ^  ,  I     «  , 

 ,  -  :        t,*«„i;^«u       .       I  Secunaar-Schttle  I  Real- 

Han/oMscl  ,  Englisch,  .      „„d  zwar  {Gymnasium 

IMi  i  lusophische  |  Seouiulär-Schuk'  f  litterarisclus    tiiul  R«al- 
Propädeutik    j  •    und  zwar       |  (iyuuuu>iu«u 

(Schlüte  folgt.) 

')  Dazu  Latein  als  fakuUalix  t  s  l'a^  h.  nanu  iitlich  soweit  es  /.um 
\  erständnis  der  ICtyniolojfie  der  neueren  Sprachen  und  der  wissen- 
scliaftlichen  Terminologie  criorderlich  ist. 


Allerhand  Reformgedanken. 

\       Otto  Schulze  Hl  l  Lille  a.,S. 
II. 

In  lUf^iii  Punkte  nun  seUt  der  Lcip/iK«^r  SdutUUrtrktor 
Dr.  Fr.  Sachse  in  .seiner  bereits  1891  erschienenen,  in  ihren  (W- 

danktu  iiiul  Ideen  al)er  noch  immer  neuen,  ewig  jungen  Schul- 
reform- ein,  in<Uiu  er  als  die  wichtigste  padamoj^iselie  Frage 
der  ( lej^enwart  die  be/.eichnel :      W  i  e   i    t  x  \i  r  I  d  r  a  1  i  l  a  t    z  w 
er/.ieheii?  und  zwar  xon  allen  Faictorcn,  «Ii»,  l r/it  hlirlu  ii  lau- 
flufs  ausül)en  sollen  .     Damit  ist  zuj^leuh  der  Kern,  (iieOiunt- 
essen/.   der  .Sachse'schen   rntersuehungen   und  Vorschläge  ge 
geben,  die  in  allem  gleich  denen  von  Massow  keine  iit)erspnnnteii 
Umwälzungen  herbeizuführen  beabsichtigen  -   und  das  berührt 
entschieden  angenehm  gegenüber  den  Neuerern  und  Stümieni, 
div  alles  Alte  Über  liord  /u  werten  drohen        sondern  die  auf 
tlem  Wege  einer  allmählichen,  historisch  berechtigten  und  mög- 
lichen Xeuordnnni:  der  l>iiii;c    also  mehr  un  Rahmen  des  de- 
gebeiien  ihre  Keionnen  zu  erreichen  >li\iirn.       Zur  Idealität 
erziehen,    ideales  Streb  e  n   e  r  \\  e  c  k  c  n  .    \  erinnerlich- 
ung  und  Vergeistigung  der  gesamten  Unterrichts- 
arbeit, Herz  und  Geist  heben  und   veredeln,  mit 
wahrhaft  hohen  und  reinen  Gütern  schmücken:  ist 
das  Irrste  und  All-lvine,  so  möchte  man  sagen,  das  in  allen  acht 
Kapiteln         Zur  Scluilreform.    Nationale  Pädagogik,    l'ber  die 
l"'r/iehiuig  zur  Selbstäinli<;kcit  durch  den  rnterricht.  An•^chau- 
liclikeit    und    \'eransclunilic]iUHg>->uoht.    Wissen    nn<l  HiUhmg. 
Idealität  und  Ihldung,  \  <m  <ler  T bcrbiirdung  der  Kindt  t  durch 
den  Unterricht,  Über  die  allgemeinere  Verwirklichtuig  der  päda- 
gogischen Idee  -  immer  und  immer  wietlerkehrt,  jedesmal  unter 
neuer,  tlberzeugenderer  Beleuchtung:  darüber  werden  die  Fragen 
des  äufseren  Getriebes  keineswegs  \ergesscn.  doch  al)er,  wohin 
sie  gehören,  in  die  zweite  Keilu       rückt,  nicht,  wie  es  jetzt  so 
häufig  geschieht,  zur  alleinigen   Hauptsache  gemacht,   nicht  als 
da^  Haupt    und  Ziel    aller  rädagngik  gepriesen,    nicht  als  das 
Allheilmittel  für  die  soziale  Not  und  (»efahr  hingestellt:  es  giebt 


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Alterlwml  R«fonnfe4aiik»D. 


:mi  dem  ei^eiitlicli  ])ridagogisc]ien  Feldt;.  auf  dein  Gei^ieie  cUs 
rntcrrichts  und  der  Ivr/ieliiin}<  so  ühcrvid  tiiii/uj;tslalten,  diils 
man  dieserlei  Fraj^eii  und  Ki  t"r>nn-V<)rsclilä^c  t'ü Jülich  jenen  gleicli- 
Uedeutend  erncliteii  dart.  die  mehr  die  organisatorischen  und 
schullechni.^chen,  also  die  mehr  aulserliclien  Dinge  fassen.  IC  s 
ist-der  Geist,  der  s i ch  den  Körper  baut  -  die  Reformen 
müssen  axich  hier  ihren  Weg  von  innen  nach  ntilsen 
nehmen«  allein  die  Pädagogik  mufs  die  Ziele  und 
Wege  w ei se n.  Das  ist  der  /weite  Punkt,  worin  das  Sachse' sehe 
Werk  von  allergröfsteni  Werte  ist:  dals  darin  die  Pädagogik  zu 
einer  Hedeiititni;  t  tn]iorgehol>en  w  ird,  die  man  ihr  /u/m  rkciinen 
noch  hinge  niciit  gewillt  /u  ^ein  scheint.  d:ifs  sie  nanilich  als 
die  Wissenschaft  von  der  HiMinii;  und  iCr/ichung  des  Menschen, 
die  vScelc  und  Geist  in  ihrem  innersten  Wesen  zu  erf.i.ssen  und 
7X\r  erkannten  HiShe  nach  geftuidenen  Gesetzen  hinaufzuziehen 
trachtet,  nicht  blofs  für  die  Jugend  gilt,  wie  man  oft  annimmt, 
sondern  überhaupt  für  unmündige,  einer  Leitung  bedürftige 
Geister.  .Sie  hat  noch  ein  weite»  Feld  «ler  Thätigktit  vor  sich, 
ehr  t--  die  Regel  wird  in  der  menschlichen  Gesellschaft,  das 
(»Ute  unentwegt  zu  thun.  weil  es  das  Gute  ist  und  der  Wahr- 
heit die  Ivhre  zu  gehen  in  je<ler  Bezieliuug  des  Lehens,  weil  sjf 
eben  Wahrheit  ist.  So  lange  ni  .i  n  nur  von  Seil  nie  u  n  il 
Haus  erzieherische  Bethätiguug  erwartet,  hat  man 
kein  volles  Verständnis  für  dielCrziehung  des  Men- 
schengeschlechtes. Auch  die  Staatsverwaltung,  die 
(Gesetzgebung,  die  Kirche,  die  Presse,  die  Litteratur, 
die  Kunstinstitute,  die  ganze  gebildete  Gesellschaft 
haben  pädagogische  .AutL;;ilicn  und  sind  l'.iktoren 
der  «W fen  t  liehen  ICrziehun  i;  l  berhaupt:  wn  ein  höheres 
Geist», -kleben  auf  ein  minder  entwickeltes  einzuw  irken  Macht  und 
Gelegeuheil  hat.  hat  e>  auch  die  Pflicht,  dies  bewufster  Weise 
XU  thun.  Diese  Pflicht  at>er  ist  in  unseren  Tagen  vielfach  nicht 
erkannt,  oder,  was  tadelnswerter  ist.  einfach  ignoriert  worden, 
aus  egoistischen  Zwecken.  Hierin  liegt  nach  meiner  .\u>icht  der 
Fehler,  der  die  Gebrechen  dt  i  Z^.  it  verursacht  hat.  Schign  Schieier- 
macher sagt:  Alles  Revolutionäre  lie>;t  in  der  unrich- 
tigen ()  r  g  n  n  i n  !  i  o  n  der  (>  f  f  e  n  1 1  i  c  h  e  n  i-i  r  z  i  c  Ii  ii  n  g. 
Was  aber  Sa<  h^i^  liuch  ganz  besonders  ln-b  und  weil  macht, 
ist  der  frische  Zug.  der  darin  weht,  das  ia>l  kecke  \'or\värts- 
drängen  in  der  Bildung  der  (leister.  >  Nur  keine  Reaktion !  Nur 
kein  Aufgeben  von  Grundprinziinen  auf  dem  Wege  zur  Freiheit! 
Nur  kein  Zurückgreifen  zu  verlebten  Anschauinigen  I  Diejenige 
I^rziehung  erzielt*  die  schlechtesten  Resultate,  die  heute  nach 
diesem,  morgen  nach  jenem  Grundsatz  sich  richtet.  I\>t  und 
beständig  nnifs  sein,  was  eiiu-  ,*>tüt/<  ■^eiu  soll  für  die.  welche 
einer  .solchen  bedürfen.    Schroffer  S\  stenuveehsel   in  der  Staat- 


»54 


liehen  Leitlinie  hat  zu  allcMi  Zeiten  l*nrUiha<kr  und  Zu  ietrnclit. 
t'ii/.nfrieclenheit  und  Rnth)si]i;k(. -it  im  (  /cܻ1k<^"  K^-habl.  Das  It-t/lc 
Ziel  jeder  Ivr/iehmiK  ist  und  bleibt  Hilduni;  /. ur  Freilieit. 
die  das  Geselzmäfsige  thut  ohne  Zwang,  die  nach  X'eredelung 
strebt  aus  bewutster  Hingabe  an  dasselbe,  die  nach  selbständigen 
ethischen  Grundsätzen  handelt.  Ma^  auch  der  Weg  noch  so 
M'tit  und  der  vScllfitt  noch  SO  langsam  sein,  das  Ziel  bleibt, 
luul  jede  Abw  eichung  von  der  geraden  Richtung  ist  folgenschwerer 
Irrtum.  ICs  kehrt  /wnr  niemals  zu  seinem  Anfang  zurück,  was 
eine  geschicluHche  Ivnlwickelmig  ist.  und  jede  Renktioii  kann 
nur  aufhalten,  nicht  für  ininitT  ablenken  vom  reeliten  Wege; 
al)er  ein  nationales  rngiück  ijleibt  sie  doch,  wenn  die  Mehrzahl 
der  Nation  sie  als  solches  empfindet  Auch  Völker  sollten  sich 
stetig  entwickeln,  es  widerstreitet  allen  pädagogischeu  I^ehren, 
wenn  auf  drei  Schritte  vorwärts  wiederum  zwei  Schritte  rück- 
wärts gethan  werden  .  - 

Und  folgten  wir  in  allem  den  gc-sunden  und  tiefbegründeten 
Ratschlägen  Sachses,  wir  können  eine<  stetigen  Fortschrittes 
sicher  sein.  Heuser  und  tiefer  kann  man  die  Autgaben  der  Zeit 
und  die  der  Pädagogik  und  der  Schule  insbesondere  nicht  fassen, 
und  es  dürfte  wenig  Fragen  des  gesamten  Triebwerkes  der  Kr- 
xieliung  und  Bildtuig  geben,  auf  die  nicht  ein  scharfer  Lficht- 
strahl  klärend  fällt:  mag  es  nun  sein  das  Verhältnis  von  Wissen 
und  Bildung  oder  da2»jetiige  /wischen  Geistigem  (IdeH.lleni}  und 
Materiellem  oder  das  zwischen  innerer  Anschaulichkeit  und 
der  äufserliclieu  sinnlichen  Anschaulichmachung:  oder  mag 
es  die  Charakterbildung  dafs  wir  also  vorherrschend  etwas 
sein  und  lucht  blols  etwa^  können  sollen  oder  die  innere 
uiul  aufsere  Selbstäudigkeit,  die  indivuluellc  lüilvv  ickehuig  und 
die  scharf  ausgeprägte  Kielbewufste  Selbstbethätigung  l^etreffeu; 
oder  aber  mag  es  sich  um  die  eigentliche  Aufgabe  der  Volks- 
schule, um  das  letzte  und  höchste  Ziel  der  Krziehiuig  und  wo- 
durch es  erreicht  wird,  handeln,  dafs  niiml i  b  nicht  im  Stoffe 
au  sieh,  sondern  im  Kinde  an  sieh  das  Hauptprinzip  de«s 
T'nterricht*^  liegt  .  wobei  nachdrücklichst  die  Stoffüber<chät/ung 
in  die  '4eh<)rigen  Schranken  verwiesen  wird  die  1  nnicglieh- 

keit.  tiein  \\  issen  der  Ciegenwart  in  der  Seliulc  qucuilil4tiv  nur 
annähernd  gerecht  zu  werden,  mufs  mit  Notwendigkeit  auf  neue 
Gesichtspunkte  fuhren,  es  pädagogisch  zu  verwerten  - :  mag 
uns  irgend  ein  Probletn  der  praktischen  I'ädagogik  aufstofsen 
und  Lr»sung  heischen,  man  wird  getrost,  sicherer  Ililfc  gewärtig, 
zu  Sachse  als  /u  einem  kundigen  Anwalt  und  zielbewufsten 
l'^ihrer  seine  Znfitu'lit  nehmen  köiuien.  .XieniaN  bietet  er  trockenen 
Scludkram.  MHidern  hellblitzende  an>|Ha  uende  (»edanken, 
j>aekcude  Wahrheiten.  Cteisl  uuil  Herz  fas^cu^le.  zum  Weiter- 
spinnen  anregende  Pläne  und  Ideen        so,   wie  er  es  cum 


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AUrrliMil  Berorinir«d«nk*ii.  \t^^ 

tfruli"  .^"liii  von  uns  und  unserer  Arbeit  an  den  frischen  be- 
wci^licheii  (»eisteru  und  Seelen  einer  vielköpfigen  munteren  Kin- 
derschar auch  fordert,  wenn  er  ausführt:  Ks  verlohnt  sich,  der 
Krage  iKilicr  zu  treten:  Was  bildet  den  MensclKugeist ?  und 
Schlüsjie  /u  /iebcn  für  die  Art  der  Arbeit  in  der  Schule,  Nur 
das  ihm  Gleiche  führt  Wachstum  und  Gedeihen  des  Körpers 
herbei,  und  auch  für  den  Geist  gilt  kein  anderes  Gesetze. 
Seine  Kiemente  sind  Ideen,  erfafste  Gesetze  oder  Wahr- 
heiten.  Sie  sind  verschieden  nach  Umfang  und  Klarheit  bei 
den  einzelnen  Menschen,  aber  sie  fehlen  keinem  und  schon  in 
das  vorschulpflichtige  Alter  hinab  reichen  die  Anfänge  ihrer  Ge- 
staltung. Wir  glaulKii  niei^tens  viel  zu  wenig  an  die  unausge- 
setzte Selbstthätigkeil  des  (.Geistes  und  erkeuucu  nicht,  dals  wir 
recht  häufig  dieselbe  durch  unsere  Einwirkungen  hemmen,  an- 
statt sie  zu  unterstützen.  Nur  der  U nterricht  4st  gut,  der 
den  Prozefs  der  Ideenbildung  im  kindlichen  Geiste 
fördert.  Kenntnis.se  an  sich  thun  dies  nicht,  weuu  sie  sich 
nur  an  das  Gedächtnis  wenden.  Aber  in  den  Kenntnissen  liegt 
auch  eine  gei  s  t  b  i  1  d  e  n  de  Kraft  und  diese  ist  es,  die  wir 
verwerten  luüs.sen.  Wir  können  einen  T'nterrichlsstoff  rein  als 
solchen  autlassen  und  in  diesen»  Kalle  überwiegt  el)cn  im  Unter- 
richt dar>  rein  Stoffliche  nach  I  nifiuig  und  Methode;  oder  wir 
können  ihn  auffassen  nach  seinen  Beziehungen  zu 
unserem  geistigen  Leben  und  dann  ist  sein  Ergeb- 
nis zugleich  eine  Summe  von  Ideen,  Gemütserreg- 
iingen  und  selbst  Willensrichtungen.  K^s  giebt  ja 
Schulen,  die  den  Zweck  hal)en.  Wis.sen  und  Kertigkeiten  nm 
ihrer  selbst  willen  zu  pflegen:  aber  die  \'olkssohule  dar!  ihre 
ThiUigkeit  nicht  nach  so  kleinen  .Mal>slaben  bc-me.^.sen.  sie  darf 
im  K  i  n  d  e  n  i  c  h  t  n  u  r  d  c  n  ^  p  ä  lere  n  e  r  w  e  r  b  s  f  ä  h  i  g  e  n 
Bürger,  sondern  mufs  in  erster  Liuie  in  ihm  den  zu 
geistigen  Zielen  berufenen  Menschen  erkennen. 
Denn  jeder,  er  mag  sich  befinden,  iu  welchen  Verhältnissen  er 
wolle,  hat  ein  Recht,  zu  eigenen  Ideen  zu  gelange  n 
-  denn  er  braucht  diesel))en  im  Lel>eii  und  die  Tugenden,  die 
man  von  ihm  er^\arttt,  «  t/eu  ^ie  voraus  und.  die  Schule 
soll  ihm  zu  diesem  Rcclil  \  crhelten.  Das  geschiehl  aber  nicht 
etwa  nur  durch  den  Keligionstniterricht :  jede  Kenntnis,  auch 
diejenige,  die  zu  den  .S(»genannlen  profanen  gehört,  ist  heilig  in 
sich  selbst,  sie  ist  eine  Tochter  des  ewigen  Lichtes,  zu  dem  sie 
hinstrebt,  wir  dürfen  mir  nicht  ihre  Beziehungen  zu  diesem 
ignorieren.  ICs  i-^t  nach  meinem  Dafürhalten  ein  l'ehler  des 
heutigen  rnlcrrichtes,  dafs  er  zu  analytiscli  i^t.  Alles  wird 
in  seinen  Teilen  klar  gemacht  und  veranschaulicht,  aber  die 
Wirkung  des  Ganzen  gehl  verloren,  Das  Goethische  Wort  vom 
einseitigen  Krkenuen : 


156 


Wir  will  was  lAl)cinli;:rs  «.rktiiiun  und  licsclirvilwii, 
Mulil  cTsl  <ltn  (ifist  heraus  /u  treiben, 
»lami  hall  tr  die  Teile  in  Keiner  Hand, 
fehlt  It  iiier'  nur  «las  j^feislijLie  lUuul  - 

liul  .seine  volle  C*iltigkeit  auch  vom  einseitigen  Lelireu. 

III. 

(1  «f  sc t  z e ,  Wahrheiten,  Ideen—  das,  sollte  man  mdnen, 
nuifstcii  unter  rmstäuden  Zentren  sein  können,  um  die  sieh  die 
St<»ffmasseii  jiru])i)ierlen  und  kun/eiitrierteu,  und  es  liefse  sich 
sehr  wohl  eine  .Stoffanordnunj;  denken,  die,  losj^elösl  von  den« 
1'':k  Ii  und  \\'i«^'^ensprin/ip,  die  Tueisten  Stoffe  ati^  dem  weiten 
tiehieU'  (K>  r.esinnun.i4s  ulliiM-hent-Vnterriehts  und  >o^ar  \  ieles 
aus  detu  reali>li>chen  r.ei)iele  umfassen  wiirde  könnte  man 
nur  so  ohne  weiteres  die  Gesetze,  Wahrheiten  und  Ideen  tücken* 
los  und  kna^  und  glatt  fixieren,  ohne  der  Natur  des  mensch > 
liehen  Geistes  Gewalt  nn/.uthun.  Bei  allem  Geist,  ja  bei  der 
gröfslen  (»enialität  würde  indes  eine  derartijsfe Stoff-Gruppiennig 
Wold  nicht  völlig  frei  zu  hlcihcn  veriuöj^en  von  einer  j;ewissen 
S\stematik.  flie  i^ar  7U  leicht  damit  behaftet  ist,  alUii  (leist 
hin.uis/iitrtiben.  inum-rhin  kann  ich  mich  in  eine  ^'»Kiu  Stott 
anoriluun><  doch  weni)^steus  hineindenken  und  mir  unter  Tm- 
släudeu  recht  viel  Segen  davon  \  erspreclicii  —  docii  in  eine 
(iruppiernng  nach  »Interessen«,  nach  dem  Vorbilde  des 
Bairischen  Seminarinspektors  Joachim  Konigbauer  vermag 
ich  mich  nicht  recht  hineinzufinden,  wenij^stens  nicht  nach 
einer  BeKründuuK.  die  in  dem  Salze  j^ipfell:  Das  Hauplübel 
liegt  nach  meiner  Meimuig  darin,  daf^  de  r  H  11  d  n  n  ^toff  ti;u'h 
Fächern  Nirniittth  wird,  als  ob  cla^  UKUNohliche  Leben  sich 
um  Fächer  unil  nicht  nur  Intere-^^en  dielun  würde.  Hurch 
diese  verkehrte  Anortlnun»;  erwachsen  alle  jene  ("bei.  welche 
die  Einführung  des  Kindes  in  die  sozialen  Verhältnisse  des 
Lebens  zur  Unmöglichkeit  machen.  Zwar  snfiht  man  sich 
schon  mehr  als  ein  Jahrhundert  ab,  dem  Unterrichte  die  richtige 
Konzentration  zugeben:  aber  bei  der  Einteilung  des  Lehrstoffe»« 
nach  Fächern  kann  die  vSchulbildung  zu  keinem  fröhlichen 
fuMleihen  kcmimen.     Die    Fächer    lassen  eben  keine  wahrhafte 

Konzentration     zu.    und        wird  lange   sie   das  I'Vld  l)e 

herrsclien.   m  den  Köpfen   tler.  Schüler   stets  nur   ein  isulirtes 

Fachwissen'  entstehen.  Thatsachlich  wissen  unsere  Schüler 
in  der  Geograph ieslunde  manches  aus  der  (ie«)grapliie,  in  der 
Geschichtsstunde  Kinzehiheiten  aus  der  Geschichte,  in  der  Natur- 
geschichtsstunde einige  Xamen  aus  der  Naturgeschichte  u.  s.  w,; 
aber  w  ie  alle  tliese  Dinge  ineinandergreifen  mü<>en .  um  das 
menschliche  I  eben  und  die  menschliche  ( 'lesellschaU  zu  mnng 
liehen  \ on  diesem  w  luiderliaren  (»ew  ebe  w  issen  und  \  erstehen 
sie  nichts.   ICrst  wenn  man  unseiem  Schuiunterricht  die  richtige 


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Allrrhiutrf  1tefuriiitri'<l«nhi'n. 


15? 


Organisation  f^ebi,  wird  er  ein  Or^anisnnis  sein,  und  erst  wenn 

er  ein  Orj^anisnuis  ist.  wird  nioniand  mehr  behaupten  können, 
dafs  er  von  rU-ni  i^isanitcn  KnItnrschatKe  der  Menschheit  einen 
''HUT  janiiiKilicheu  liruclitcil     biete  . 

Und  welches  sind  nun  die  Interessen? 

'Die  menschlichen  Interessen  knüpfen  sich  an  nachstehende 
Beg^i^fc*  >•  Nahrung;  2.  Kleidung:  3.  Wohnung;  4.  Beheizung 
und  Beleuchtung;  5.  Beschäftigung;  6.  die  Landschaft  und  ihre 
Produkte:  7.  Wind  und  Wetter:  8.  die  Cestirne  und  Zeiten: 
9.  der  inenschliche  Orj;anisnins ;  10.  die  Arbeitsteihnij^ :  11.  die 
(iliederuiV4  der  menschlichen  (/esellschnft  fCicsellschaftsordnunß) ; 
12.  der  (j;e>iiUfU*l  \'«'rkehr:  i.v  das  l{i<i\ iihim :  \  :\.  d'w  Wert- 
bestimniung;  15.  der  liauslialt:  16.  >SitLcii  iiiul  (icbiäuchc;  17. 
der  Streit  und  das  Recht;  18.  die  ästhetisch-moralische  Bildnng: 
19.  die  sittlich-religiöse  Bildung^. 

Was  sich  Knnigbauer  von  seiner  Stoffanordnung  verspricht, 
findet  sich  ungefähr  in  folgenden  Sätzen  ausgesproche;i :  »Da- 
durch, dafs  sämtliche  IntL-resseii  sich  ans  keimartigen  Anfängen 
durch  alle  t^chuljahre  hinduicli/it lu n,  lassen  sich  dieselben  /u 
lebensvollen  Häunuii  aus^estalUn .  die  starke  W'tirzeln  haben 
und  eine  Menj^e  k«».silicher  hVüchte  zeitigen.  Hei  .M>lchenj  Unter- 
richte w  ird  die  Kepetition,  dieses  für  Schüler  und  Lehrer  gleich 
unangenehme  ewige  Wiederkauen  des  schon  einmal  Gekauten, 
fast  überf  lässig;  denn  der  gleiche  Stoff  kommt  einige  Dutzend - 
mal  wieder  (sie!),  nur  stets  erweitert  (!).  stets  in  anderer  Ver- 
bindung, in  anderer  Hedeutung,  in  anderer  lieleuchtnng  (?), 
Dieses  öftere  W  iederkehren  des  Stolfes  ermüdet  in  keiner  Weise; 
denn  einesteils  läf^t  ^')ch  der  Unterricht  <')  irestaheii.  clnfs  fast 
der  '^e-^amte  l»il(itin'u,^->lMtt  (Km  I*!rfahrun,L;-krei>e  di--  Kinde^ 
enlnunnnen  ist,  andernleils  wukL  das  vieimar>chige  (re\vel>e  der 
menschlichen  Interessen  stets  so  imponirend  auf  den  jugend- 
lichen (leist,  dafs  derselbe  statt  gelangweilt  gefesselt  wird.  (?)< 
<Zwar,  so  argumentiert  K.  weiter,  mufs  unsere  Volksschule  in 
erster  Linie  Erziehungsschule  sein,  die  ihre  Hauptauf- 
gabe i  n  der  g  e  i  s  t  i  e  n  .  s  i  1 1 1  i  c  Ii  -  r  e  1  i  g  i  (  >  s  e  n  .  soziale  n 
und  ästhetischen  Hildunu:  des  Kindes  sieht:  dafs  >ie  ui 
zweiter  Linie  auch  die  Wruiitteltmu  aller  l*' e  r  t  i  g  k  e  i  t  e  n  uber- 
ninnnt.  wekhe  für  das  praktisclie  Uel>en  von  Bedeutung  sind, 
ist  selbstverständlich.  Der  erziehliche  Charakter  aber  hat 
obenan  zu  stehen.  Übrigens  ergiebt  .sich  bei  jeder  Lektion  das 
erziehliche  Moment  ganz  von  selbst:  denn  es  uiüfste  stets 
als  Mangel  gefühlt  werden,  wenn  l)ei  Hr<  rUrungen  über  die 
Nahrung  alle  jene  Anstands-  und  Gesundheitsregeln,  sowie 
Moralsätze  unbeaelUel  blieben,  die  auf  Kssen  und  Trinken  Bezug 
haben;  ebenso  ungezwungen  lassen  sich  aus  den  Interessen- 
kreiseu    Kleidung  ,  < Wohnung  ,    Beschäftigung  .  Higentuni<, 


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15« 


CHI»  Mriittfxr.» 


Gesellschaftsordmiiig'  etc.  alle  diesliexfigliclicn  Rei^eln  und 
vSät/.e  nbleileii  .  Wenn  das  er  /  i  eli  1  i  cli  c  Moment  freilich 

so  leicht,  so  im  Haiuhnndrelu  n  hi  nu  n  nach  zu  erreichen  mö^- 
lich  ist.  wenn  sich  tlie  schw  ici  ig^lcn,  i»isher  <chier  unh">shar  er- 
scliieiicnen  rrublcnie  der  Pädagogik,  die  geistige, 
sittlich -rcl i gi Öse.  soziale  und  ästhetische  Bildung 
des  Kindes«  so  einfach  lösen  lassen,  dann  wird  man  künftig 
von  den  gröfsten  Schwierigkeiten  der  Pädagogik  nur  als  von 
einem  »Ei  des  Joachim  Könighauer  ,  pardon:  I'i  des  Cohnnlnis« 
zu  sprechen  genötigt  sein  und  allen  Anlafs  zu  der  Hefürchtung 
haben,  es  wird  allernnchstens  die  ganze  pädagogische  Welt  im 
Stunnschritt  in  das  Lager  J.  Königbauers  marschieren. 

So  denkt  <laruni  auch  wohl  K.  durch  seine  Reformvor- 
schläge, die  ja  auch  ziemlich  skrupellos  mit  dem  Bisherigen 
brechen  und  radikal  genug  mit  dem  Alten  aufräumen.  Bil- 
dungsmtttelpunkte  —  «Systeme,  welche  alle  ineinander- 
greifen, welche  sich  gegenseitig  unterstfitzen,  helfen  und  so  zur 
Gestaltung  und  Erhaltung  des  ( tanzen  zusammenwirken  ge- 
fmiden  /ti  haben,  die  niclil  Itlofs  ein  organisches  f ".cbfhule, 
>on(!ern  \  allem  Kiiilieitlichkeit  des  Stoffes  \\n<\  -oniil  wohl 
auch  des  Hcwufstscins  ?  darsklkn  und  verlnirgcn  Ntdlen,  ange- 
sichts des  allen  man  des  unl)cdingten  Hrfolges  .so  ziemlich  sicher 
und  der  ungeahntesten  Leistungen  gewifs  sein  dürfte.  K. 
glaubt  nicht  blofs  die  sozialen  Gegensätze,  den  Krieg  aller 
gegen  alle,  Egoismus  und  brutale  Sonderinteressen  aufheben 
und  ausrotten  zu  können,  er  denkt  damit  auch  den  C^.rund  zu 
einer  gcfeslioten  weill)licken(kn  Tabens-  und  Weltanschauung 
legen,  einen  r))Lrl)lick  über  die  Interessen  aller  verschaffen  und 
die  Jugend  :uit  eine  liolie  Zinne  heben  zu  kennen,  von  der 
aus  allein  <ler  freie  Hlick  und  die  gerechte  \\  ünbgung  der 
menschlichen  Verhältnisse  möglich  sind*  etc.  etc.  -  Und  das 
alles,  so  wird  man  sich  fragen,  durch  eine  solche  —  an  sich 
genommen  --  rein  äufserliclie  Stoff  Anordnung?  Da  dürfte  denn 
(loch  die  (»egenfrage  erlaubt  sein:  Bewegt  sich  deini  wirklich 
der  Menschen  Sinnen  und  Denken  um  vorgenannte  Interessen  ? 
Wir  für  tinseren  Teil  geben  das  !uni  und  nimmer  zu'  \\<  stände 
schlnnm  um  das  W'old,  um  Denken  und  Thun  der  Menschen 
und  um  die  ganze  Zukiuill  ilwi  Menschheit,  wenn  dem  wirklich 
so  wäre!  Aber  so  materialistisch,  so  aller  Idealität  bar  ist  der 
Mensch  denn  doch  wohl  noch  nicht,  sein  Sinn  nimmt  doch 
wohl  auch  zu  Zeiten  einmal  die  Richtung  nach  oben  und  geht 
nicht  völlig  auf  in  der  Materie,  die  ihn  umgiebt:  sein  (>eist  will 
Nahrung  haben,  G  e  f  ü  h  1  und  Cr  em  ü  t  wollen  der  Anregung  und 
Sättigung  nicht  verlustig  gehen,  denn  sie  gerade  h;dten  uns  aufrecht 
in  dem  Kampfe  ums  Dasein,  in  dem  ewigen  Kinerlei  alltäglicher 
l'flichteu.    So  haftet  der  Mensch  gar  nicht  so  sehr  in  den  lle- 


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AllcrluitHl  Reforini;o<tMnkpii. 


dürfhi.ssen  dim  X^eibes,  in  der  ihn  timgcbenden  Materie,  er  strebt 
darüber  hinatis.  Wenn  1)eispiels weise  der  schlichte  Arbeiter 
besserer  Richtung  am  lierein))rcc1ie!iden  Winterabende  seine 
T^nmpe  nnzüiulet.  inx^i  er  sieh  da  wohl  nach  dem  Urspruiii;  des 
J,iclites  1111(1  in  wxlclu'ii  Formen  man  »^ieli  /n  den  verschiedensten 
Zcilm  desselben  licdirnl,  wie  man  eN  er/.en>^^t  liat.  welche  physi- 
kali>chL*n  tnid  ciicniischen  (icset/.e  sich  daran  stndieren  Insscü 
—  was  alles  und  noch  vieles  mehr  ungeiähi  k.  an/.nneiiuien 
und  vorherrschend  des  Wissens  wert  und  allein  für  richtig  und 
bildend  zu  halten  scheint  —  oder  aber  fragt  er,  so  schön  und 
herrlich  das  alles  /m  wissen  auch  sein  mag,  nach  nichts  von  alledem, 
j^reift  er  vielleicht  einfach  nach  einem  Hnche,  einer  Zeitung, 
tflncklich  und  froh  der  Krrun^jenschaft.  auch  an  langen  Winter 
ahenden  >^ei  stille  Speise  ireniehen  zu  können'*  Wir  unter 
lassen  es.  unser  finjj;iertes  IJtispicl  weiter  zu  kuinmenliereii,  es 
dürfte  >;anz  von  selbst  zu  der  Frage  ainegen,  um  vva.s  sieh  des 
Menschen  Geist  dreht:  ob  die  materiellen  Interessen  den  \'or- 
zttg  verdienen  vor  den  geistigen,  ideellen  oder  ob  die  Bedürfnisse 
und  Interessen  des  Leibes  zurückzustehen  haben  hinter  denen 
des  Oeistes  und  der  Seele. 

Die  ganze  Stoffanordming  Könighauers  bringt  die  erzieh- 
liche Ansbildinig  in  ein  arges  I>ilennna.  denn  (]:\\^  der  (ledanken- 
luid  Ideenkreis  des  Schülers  ebenso  einheitlich  und  scheinbar 
organisch  sich  tlaran  sollte  entwickeln  lassen,  wage  ich  etwas 
stark  zu  bezweifeln.  Die  Einheit  des  Bewufsb^eins  dürfte  sich 
denn  doch  wohl  nach  etwas  anderen,  tiefer  im  menschlichen 
Fühlen  und  Denken  begründeten  Oesetzen  bilden  und  entwickeln. 
Da  war  denn  doch  wohl  Zillers  Lehr})lantheorie  ein  gut  Teil 
genialer,  on^anisch  uiul  psychologisch  möglicher  wie  al)er 
steht's  mit  deren  prrtkti'-t  heu  F'rfolgen,  ihren  thatsächliclien 
Siegen  und  F'rruJiui  n-rh  tttc  fi  f  Doch  wird  man  noch  manchen 
anderen  Kelornu  v>i>>chlag  zu  (  »esicht  bekonnnen,  noch  viel 
kühnere  vielleicht,  denen  allen  gegenüber  man  jedoch  gut  lliun 
wird,  das  Alte  sich  noch  einmal  nachdrücklichst  ohne  Vorurteil 
und  Voreini^cnommenheit  vor  Augen  zu  halten,  um  vielleicht  zu 
der  F'rkenntnis  zu  konnneu.  daf^  es  solcher  l'mwälzungeu  nicht 
bedarf.  Denn  äufserlich.  durch  die  Slotfanordining  zuvörderst 
und  allein  lassen  sich  die  Probleme  der  Pädagogik,  die  >id)tilen 
F'ragen  der  Hildung  und  laziehung.  alK-  sozialen  XiUe  und  Fbel 
nicht  lösen  und  heben;  was  im  tiefsten  Innern  des  Menschen 
begründet  liegt,  wobei  so  wie  bei  der  lü'ziehung.  bei  der  Hebung 
und  Bildung  des  Menschengeschlechts  die  Kaden  fein  und  ver- 
worren in  das  innerste  Fuhlen  und  Denken  und  Wollen  hinein- 
gehen das  läfst  sich  nicht  mechanisch  nach  System  und 
Schablone  ordnen  und  umgestalten.  Wie.  ganz  anders  muten  da 
die  Grundsätze  Sachses  an :  wie  viel  weiter  imd  tiefer  gegründet 


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erheben  sich  seine  Reform-Cicdankeu  über  die  KöniKbaucrs  I 
Das  macht,  er  sucht  nicht  vorherrschend  aus  dem  SImIi"  uiul 
äufscrlichcit  ZufälliKkeitcn.  Stendern  :\\\^  dir  liescliattVnluh  und 
(km  licdiirtnis  des  niensclilichen  C'»eiNte>.  iieraus  /u  relorniiereii. 
J>eni  hat  sich  da.s  Geheimnis  des  meusclilichen  (leistes  nur 
dunkel  und  unvollkoninieii  offenbart,  der  in  ikr  Anordnung  des 
Lehrstoffs  oder  aber  in  einer  Vermehrung  desselben  um  Volks- 
wirtschaftslehre etc.  etwa  oder  auch  iti  einer  Stoffherabmiadening 
schlechthin  Kern  und  Ziel  aller  Kefonnen.  aller  rni^^estaltungen 
erblickt  Königbauer  hat  sich  von  der  \  ölli);  berechtij^ten  sozial- 
pndn<joo;ischen  I-'orderun*^.  die  Kindrr  mehr  als  bisher  iti  dn-^ 
praktische  Leben  einzutühreii.  verlühren  lassen,  ein  über  den 
praktischen  lnlvre>sen  die  wahrhaft  bildenden  geistiy^en  ndenUu) 
Interessen  stark  verab>auniendes  System-Gebäude  aul/uriclitcn. 

Im  Anschlufs  hieran  registrieren  wir  hier  tioch  die  inhalt- 
lich längst  bekannte  Schrift,  von  H.  Wigge  und  P.  Martin: 
»Grundlagen  7.ur  naturgeniälsen  1' mgestaltun  j(  des 
gesamten  Volksschulwesens  und  bemerken,  dals  deren 
Reform-Ideen  in  etwas  mehr  dem  Bedürfnis  des  menschlichen 
Cieistes  ent^]>rechen.  den  lk  weis  jedoch  von  der  Unmöglichkeit 
des  herrschcii(kii  Farh>\>tciiw  nicht  zu  erbringen,  die  Über- 
zeugung v<»n  dioes  Sün<lcjd)ockes  Sünden -Überlast  nicht  zu  er- 
wecken vermögen.  Auch  hier  erscheint  der  wahre  Grund  der 
vorhandeneti  Schäden  und  Übel  verrückt,  mehr  von  dem  Mittel- 
punkte weg  in  die  Peripherie  verschoben.  —  Nebenbei  vermag 
ich  auch  die  Bemerkung  nicht  zu  unterdrücken,  dafs  die  ohne 
den  geringsten  Hinweis  vollzogene  rmändernng  des  vorlierigen 
Haupttitels:  Tunatur  d  e  r  ni  o  d  e  i  n  en  S  c  h  u  1  e    in  den 

bis  dahin  ;tl^  Xebculilcl  figurierenden  nunmehrigen  Haupt-  und 
einzigen  Titel ;  Grundlagen  zur  n  a  t  u  r  ge  m  ä  fs  e  n  I'mge- 
slaltnng  des  gesamten  V  ol  k  ssch  u  1  w  e  s  c  n  s  gar  leicht 
dazu  geeignet  ist,  irrezuführen  ich  wenigstens  habe  diese 
Titeländerung  mit  2.40  M.  honorieren  müssen  und  bin  nun  in 
dem  glücklichen  lksii/e  /\\\  ii.  r  epochemachenden  Werke :  ^I)er 
Ihmatur*  etc.  mit  dem  Nel>entitel  der  -Grundlagen  zur 
n  a  t  n  r  ire  m  ä  fse  11  ümgestaltnug  etc.-  und  in  dem  der 
Grundlagen  eto  niit  dem  sich  Wort  für  Wort  deckenden 
Werke  der  verfl<>ssenen    l'nnatnr  etc. 

iSchlu/s  folgt. I 


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Lose  Blätter 


Üb«r  Schntopiixiaricftiige  und  ihren  etbiscben  Natsen. 

Allm  Kin«  b«NtiMr,  «mn  buw  ««hr  Rliif. 

Kttttte. 

T. 

O,  macht  den  Kindern  ihre  Tage  schön! 

Wenn  es  im  Leben  der  lernenden  Jugend  Tage  giebt,  die 
ihr  vor  viekii  anderen  lieb  sind,  und  deren  Erinnerung  unver- 

loren  bleibt,  eine  köstliche  Wegzehrung  für  die  ganze  spatere 
Rc  isi-  durchs  Leben :  so  <u\(\  es  die  Ta^c,  die  die  Schüler  mit 
l'nterl)recluin>^  der  Ordnung  der  Dinge  statt  ni  den  Schnlrfhnnen 
draulseii  in  der  sclioiKii  freien  Xatur  verbringen,  uanck-nid  in 
Cie.scllscliatl  ihrer  Uehrer  durch  Fluren  und  Wälder,  über  Berg 
und  Thal,  ruhend  am  Bache  und  rastend  im  Dorfchen  des  Thaies. 

Hin  prachtiger  Junitag  ist  angebrochen;  eine  Art  Pesttag 
für  die  Realschdier  zu  F.  ist  dieser  Tag,  da  ein  vom  Morgen 
zum  Abend  dauernder  vSchUllspazi ergang  gemacht  werden  soll. 
Für  lieute  ist  die  liestimnuing.  dals  die  Schüler  nicht  früher 
als  eine  Viertel^tntule  vor  acht  Uhr  am  Sclinlhau'^e  erscheinen 
dürfen,  stillschweigend  aufser  Krnft  gesetzt,  und  so  begiiuit 
sch(»u  bald  nach  sieben  Uhr  ein  niunlere^  Leben  in  der  schmalen 
Gasse,  die  zur  Schulthüre  führt.  Jeder  Schüler  steckt  in  Sonn- 
tagskleidern, viele  führen  Fahnen  und  Fähnchen,  einzelne 
Trommeln  und  Trompeten  mit  sich.  Noch  aber  schweigen  streng 
Trommeln  und  Trompeten.  Au-^  den  n  u  listen  Häusern  schauen 
die  Leute  auf  die  sich  sammehide  fr<)hliche  Schar. 

I'nnkt  nrht  Uhr,  wo  sonst  die  (rlocki  <len  UnterricliN- 
V»egitni  verkimdei,  setzt  siel;  der  Zug  der  Leiirer  und  Sciinier. 
von  den  Turnlehrern  der  Anstalt  angeführt,  in  Bewegung  durch 
die  Stadt. 

Immer  noch  schweigen  Trommeln  und  Trompeten.  Alxrr 
nicht  mehr  lange.  Bald  liegt  das  letzte  Haus  hinter  deni  Zug. 
und  jene  l^eginnen  ihr  chaoti.<>ches  Spiel.  Dafs  eine  solclie 
Musik  des  Menschen  Herz  erfreut,  kann  man  nicht  sagen;  gleich- 
wohl wird  sie  gethildet,  ja  willkommen  geheilsen,  weil  sie  der 

M«iie  Bahnra  Vli.  .t.  1  f 


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l62 


^rolscti    SchüleniR'lirlKil  Wr.i^nüjiiu   1>*  rriti  t    mid   in   der  'I'hat 

/.ur  licUbuu>;  (ks  Zn;;c.s  niobl  \vfui>^   InitrilL:!     Weiter,  inunci 

weiter,  dnrcli  (liiftende  Wieden  uiul  wo^eutlc  Kornfelder  he\vej;t 

sich  der  stattliclie  Zug       e>  sind  ja  alle  Klassen  von  der  Sexta 

bis  zur  Prima  beteiligt.    Immer  lauter  und  lusti>;er  wird  die 

junge  Gesellschaft.    Nun  ^eht  es  in  den  Wald  hinein,  in  den 

frischen   grünen  W  ald,   wo,  das  Echo  schallt    Wie  das  die  . 

Stimmung  hebt!    Wie  tla-^    Tu  Lust  «.rliölu!    Stärker  wirlieln 

die  Trotnniclii.   schmettern    iiormr  innl    Troinpelen.  Jauchzen 

und  Jubehi  niiücht  sich  damit,    detail l:  erschallt: 

Im  Wahle  niöchf  ich  leben 
Zur  heifsen  Sommerzeit  I 
Der  Wald,  der  kaini  uns  <.,abeit 
Viel  Lust^und  l"röldiclikeit. 

In  seinem  kiddeii  Schalten 
Winkt  jeder  Zweig  und  A.st ; 
Das  Hlüinlein  auf  den  Matten 
Nickt  mir:  Komm,  lieh-  r  t',:\<[  ' 

I  Holl  IllStll  U     voll    r  Sil  I'  1^  U'lxMI.  t 

Jetzt  sind  die  vordersten  am  Waldessaiun  angelanj^t.  Min 
HomsigTial  gebietet  ihnen  Halt.  In  der  That  sprechen  mehr- 
fache Gründe  dafür,  dort  zu  rasten  und  zit  frühstücken.  Ks  ist 
zehn  X^hr  geworden;  hei  den  jüngeren  Schöleni  ist  schon  etwas 
Mfidigkeit  zu  vermuten,  vielleicht  schon  xu  merken,  und  jenseit 
des  Waldes  geht  es  ziemlich  scharf  liergan.  l  berdies  ist  die 
Stelle  wie  zum  Rasten  geschaffen;  sanft  murmelnd  flielst  über 
glatte  Kiesel  ein  klarer  Bach  V(»rüber,  flabei  steht  eine  uralte 
mächtige,  prachtige  I'iche  und  ladet  /.tun  Lagern  unter  ihrem 
reichen  Schatten  die  Müden  wie  die  Küstigen  \erlockend  ein. 
Auch  ist's  ja  nicht  zum  ersten  mal,  dafs  Scliüler  und  Lehrer 
hier  gerastet  und  gefrühstückt  haben. 

Bevor  man  schie<l,  sollte  allen,  bis  auf  einen  Lehrer  und 
einen  Schüler,  eine  sinnige  Überraschung  bereitet  werden.  Ein 
älterer  Schüler  hatte  in  einein  alten  Lesebuch  ein  Gedicht  ent- 
deckt, das  ilnn  geeignet  schien,  auf  einem  Schulspaziergang  ge- 
legentlich, etwa  beim  Rasten  unter  der  alten  laiche,  vorgetragen 
zu  werden  Freudig  hatte  er  seinen  Klassenlehrer  in<  \'ertraueii 
gezogen  uiul  des.sen  liilligung  .seines  X'orhabens  gefunden.  Auf 
einen  Wink  des  Lehrers  trat  der  Schüler  an  den  Stamm  des 
Baumes  und  recitierte  das  sch<lne  Gedicht  von  Sülleborn: 

Anrede  hu  eine  alte  Eiche. 

Unter  deines  Schattens  heil'gein  Düster. 

Das  so  freundlich  mit  /in  Si  ile  winkt. 
Wo  der  Lüfte  Weh  n  nn  lilattgeflnster 
Mir  wie  frommer  Geister  Nähe  dünkt, 
Sinn'  ich  ein.sani  deinem  ,Si  in  und  Werden. 
Der  (ieschichle  deines  Lebens  nach. 
Si>rich,  wie  war  eü  damals  hier  auf  Krden, 


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Als  <lein  Ktriin  aus  tlicsciu  noden  brach  ? 
Wohl  ein  halb  Jahrtausend  ist  verflossen, 

Seit  dein  jtiDj^er  Spröfslinj^  anfw.irls  stici;.  ' 

Wie  viel  Thräneu'sind  .seitdem  verjfossen  I 

Wie  verheerend  tobten  Pest  und  Krieg! 

Wie  verwandelten  sieh  die  (lestalten 

Dieses  Landes,  das  dir  Nalirntv^  trab! 

Wie  viel  Sitten  sähest  du  veralten  ! 

Wie  viel  \  olker  traten  anf  und  abl 

Hliti^e  rasselten  um  (Uiiu  Krniu-. 

Tnd  der  Sturm  /crschüttelte  dein  Haar; 

Fluten  brausten  oft  an  deinem  Throne: 

Doch  du  standest  fest  von  Jahr  /.u  Jahr. 

Wie  viel  Menschen  sind  auf  deinen  l'lnren 

JIinjj:estürben  untl  vom  Staub  verweht! 

Ach,  der  Mensch  mit  einer  (»ottheit  Spuren 

Muis  verwesen.  —  un<l  ein  Haum  —  besteht! 

l'nd  wie  viele  werden  noch  vermodern, 

Kh'  dein  Gipfel  sich  /ur  Krde  bricht! 

Aber  daure!   —  sieh,  wir  M^  iiM-lu  n  fordern 

J>einej>  J.ebens  leere  Dauer  nicht. 

Kinst  verdrehst  du  doch  mit  Stamm  und  I.aube, 

Vnd  dein  We.sen.  edler  Haum  ÄCrfällt; 

Doch  (kr  Mensch  erhebt  aus  seinem  Staube 

Sich  empor  /.w  einer  bes.sern  W  ell. 

Andächti^j  «gestimmt,  verliefsen  wir  Lehnr  und  wohl  attch 
iiKiücher  .Si  liüler  die  Stätte  der  vielleicht  tnu>endjährigen  Eiche 
und  schriUeti  niit  der  Juj^tnd  bergan.  In  einer  haibeii  Stunde 
Avarcn  wir  aul  der  Höhe,  und  der  herrliehe  Fernblick  gab  allen 
bald  die  hdtere  Stimniuti]^  wieder. 

<)  Lu.st,  vom  Hern  ^"  schauen 
Weit  über  Wald  und  Strom: 
Hoch  i'iber  sich  «h  u  blauen 
Tiefklaren  Ilimmel.s<lom. 

Idyllisch  dehnte  sich  in  der  Tiefe  das  Dörfchen,  wo  Millaj? 
gemacht  werden  sollte.  Doch  galten  die  dorthin  gerichteten 
Feldsterlier  und  (  »pernylnser  ein/einer  Schüler  nicht  /unäch^t 
dein  w ohllH-kannU  n  (  )rle.  sondern  den  etwa  im  Wirtshau"-e  aus- 
geslLckleii  Fahnen.  Nachdem  namlicli  L^t^leni  schon  dem  Wirte 
der  Besuch  der  Schule  fQr  den  Fall  gün.^iigcn  Wetters  brieflich 
in  Aussicht  gestellt  worden  war.  waren  heute  früh  einige  Schüler 
der  ersten  Klasse,  die  sich  daxu  bereit  erklärt  hatten,  nach 
dem  Dorfe  voraus  abgegangen,  um  dem  Wirte  die  Ankunft  der 
( lescllschaft  definitiv  zu  melden,  auch  beim  Stellen  von  Ti->chen 
und  Bänken,  sowie  später  als  Kellner  dem  Manne  l>ehälflich 
zu  sein. 

Richtii::'  Die  erwarteten  Falüun  tlattern  im  Winde  ihrWill- 
kttunneu ;  und  nach  kurzem  Schauen  u  ändert  die  ( 'iC'^ellschaft 
unter  Trommelschlag.  Hörnerklang  und  dem  Jvdielrui  der  K.leincn 
den  Berg  hinab. 

XI* 


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l64 


l*r»t,  Kinn. 


Wie  sehr  die  Lehrer  auch  darauf  bedacht  sein  sollen,  den 
Schülern  jeden  Schulspa/ieri^anjj^  7.n  einem  ßenufsreichen.  der 
rCrholung  niöjijlichst  dienenden  zn  ninchen.  so  weKkn  sie  doch 
darauf  /u  achten  hal>en,  dafs  auf  Spa/ieri^nni^en  tiicliLs  j^cschieht» 
was  gegen  Recht,  Sitte,  Anstand,  guu-  Lchcnsart  xerstöfst 

Was  insbenotidere  den  Aufenthalt  der  Schfiler  im  Wirts- 
haus  und  dessen  Unigdliung  betrifft,  so  niufs  ihnen»  am  besten 
vielleicht  durch  eine  geschriebene  Disziplinarordnung,  genau 
bekannt  geworden  sein,  wie  sie  sicli  als  >i:esittete  Menschen  zu 
benehmen  haben,  was  sie  sich  erlauben  dürfen  und  was  sie 
unterlassen  müssen,  lieim  Oang  durch  das  Haus  und  auf  den 
Treppen  dürkn  sie  nicht  laufen,  unj^estüin  auftreten,  nicht 
schreien,  singen,  pfeifen,  die  Thüre  zuschlagen.  In  Saal  untl 
Wirtszimmern  haben  sie  sich  ruhig  und  anständig  auf  die  ihnen 
angewiesenen  PlStxe  zu  begeben  und  hier  ein  ähnliches  Ver- 
halten zu  beobachten,  wie  im  Schul  haus  und  in  den  Schul - 
/.immtrn  aufser  der  Unterrichtszeit.  Verboten  ist  also  lautes 
Rufen,  Tol>en.  Singen,  Pfeifen,  Aufschlagen  mit  vStöcken.  Rasseln 
mit  Botatnsierbüchsen :  insbesondere  auch  uni^cstüme-;  Rnfc  ii  nach 
Speisen  und  (»etrrmkeii.  Tadelnswerte  l'narten  sind  ferner  nuU- 
williges  \'erschüttcn  von  (klraiikeii  auf  Tisch  oder  Fufsboden. 
X'ernii.sclkcn  von  Wein-,  iiier-,  .Milcliresten,  da>  Hineinwerfen 
von  Speiseresten  in  Getränke  u.  dgl. 

Von  den  älteren  Schülern  erwartet  man,  dafs  sie  den 
jüngeren  mit  gutem  Beispiel  vorangehen.  Da  nicht  alle  auf  ein- 
mal bedient  werden  können,  so  werden  die  älteren  in  Geduld 
warten,  bis  die  Bedürfnisse  der  jüt""  'en  befriedis^t  sind. 

Mäfsigkeit  im  Ivssen  und  Trinken  gehört  zu  den  Kigen- 
schafteii,  die  den  gebihkien  Menschen  kennzeicluieu.  Dieser 
Tugend  liaben  sich  aucli  die  .Schüler  zu  betlcif.sigen.  Was  ins- 
besondere den  Genufs  von  Wein,  Bier,  Äpfel  wein  anbelangt  — 
andere  gei.sttge  (letränke  sind  den  Schülern  ganz  verboten 
HO  erwartet  man  von  allen»  dafs  sie  die  Grenzen  der  MäLsigkeit 
in  keinem  Falle  überschreiten.  Schüler,  die  sich  in  dieser  Hin- 
sicht vergessen  und  verfehlen,  werden  für  längere  Zeit  von  der 
Teilnahme  :in  Sjiaziergüngen  ausgeschlossen. 

Sind  Fremde  im  Wirtslokal  anwesend,    so  haben  sich  flie 
Schiller,  auch  bei  Abwesenheit  der  Lehrer,  gemessen  und  rück 
bichtsvoll  zu  betragen,  jedenfalls  alles  zu  vermeiden,  was  jenen 
den  Aufenthalt  lästig  machen  könnte. 

Nach  dem  Essen  ist  den  Schülern  gestattet,  sich  im  Hof, 
Garten  und  in  der  Umgebung  des  Hauses  frei  zu  bewege. 
Schonung  des  frenulen  Higentums  ist  aber  allen  zur  strengsten 
l^flicht  genmeht.  Alles,  was  in  Haus  und  Hof  an  ( lerätschaften 
steht,  liegt,  hängt,  haben  die  Schüler  unberührt  zu  las.sen. 

Wollen  sicli  Schüler  damit  vergnügen,  im  Chur  zu  singen, 


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rb<>r  KchuIppulPTfinir». 


165 


auf  dem  etwa  im  Saale  l^fitidliclien  Klavier  /.u  spielen,  etwas 
\  t)rzntrageti,  so  halben  sie  dazu  die  Krlaubni.s  des  Direktors  oder 
jhfies  Klassenfülirers  ein/iihok-ii 

Die  ML-iminjL(.  daf*^  ij:tscliricl>cnc  «Kn  Schülern  (.-iwa  vor 
einem  Spazjcrj^aiii^  vor/.iilv><.  nde  Dis/.iplmar  A  orschritten,  wie  die 
vorstehenden,')  überflüssifr  .sein  möchten,  wird  nicht  leicht  jemand 
teilen,  der  öfter  über  einen  ganzen  Tag  ausgedehnte,  mit  Hin- 
kehr  verbundene  Schulspaziergänge  mitgemacht  hat  Meines  Hr- 
achtens  sind  besiinunte  \'orschriften  für  das  Verhalten  der  Schfiler 
auf  SU  ausgedehnten  Scluilspa/iergängeti  nicht  <  tw  ;i  ebenso  not- 
wendig, sondern  nüliger  ni^/ijiliTiar  \'nr<cliritlen  für  das  Ver- 
halten der  Scliüler  im  SciiülKci)äu(lc  iintl  Schuliiof. 

Freilieh  kann  man  fragen,  ob  es  sich  em]»tehle,  längere 
Spaziergänge,  die  eine  Einkehr  im  Wirtshause  nutig  machen, 
öfter  im  Jahre  ausisuführen.  Nach  meinen  vieljährigen  Erfahr- 
ungen machen  kürzere  Schulspaziergange,  bezw.  Spaziergänge 
ohne  Einkehr  den  Schülern  nicht  nur  kein  rechtes  VeriLiJiügen, 
sondern  gewähren  auch  keine  gründliclu  Krholung  und  Aus- 
spannung von  den  Schulstrapa/eii  mid  sind  dannit  ist  viel- 
leicht das  grüfste  Gcwiclit  zu  legen  weit  weniger  als  .Spazier- 
gänge von  Tagesdauer  geeignet,  den  so  wichtigen  gemütlichen 
\'erkehr  von  l^ehrern  und  Selm  lern  zu  fördern.  Sind  die  Lehrer 
gemütlich  angelegte  Persönlichkeiten  und  verstehen  sie,  auf 
Jugendsinn  und  Jtigendlust  einzugehen,  und  solche  Lehrer 
sind  vorausgesetzt  dann  wahrlich  liefert  ein  einziger  schöner 
Sommertag,  von  Lehrern  un<l  vSc  hnlern  fern  vom  Schnlliause  in 
der  freien  Natur  verbracht,  nulir  ( '.elegenheit  zu  herzlicher  An- 
näherung, zu  familienähnlicht  lu.  umigetn  \'erkehr  als  wer  weifs 
wie  viele  Tage,  die  beide  in  den  Schulstul)en  miteinander  ver- 
leben, 

IL 

Vom  ethischen  Nutzen  wohlgeleiteter  Schul- 
spaziergänge. 

Wie  verschieden  sind  die  .sittlichen  Neigungen  und  Etgen- 
.schaften.  die  guten  tuid  die  schlimmen,  hei  einer  gröfseren  Zahl 

von  Kindern  ! 

Dafs  dem  Lelirer  im  LiiternflUe  x  iel  ( >eU  .41  Tilu  it  ^ei^t  ^en 
sei.  jene  alle  oder  doeh  die  lier\-ornigendsten  kennen  /u  lernen, 
wird  niemand  glaubeti.  l  ud  doch  wie  förderlich  wäre  es  für 
die  ei/iehliche  Linwirkung.  wenn  sicii  tUe  Schülerindividualitalen 

'1  Die.sc  .sind  einer  von  mir  vcrfafsten  Disziplinarordnung  für 
Scliulspaziergängc  cntntMinnvn. 


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l66  Kinn. 

im  Laufu  der  /aIi  iii()Klit''»>t  vollständig  uiul  klar  vor  <lein 
Blicke  der  Lthrer  cntfaltelcul  Längere  und  häufi^cit  Spazier- 
gänge, auf  denen  sich  die  meisten  Kinder  nach  und  nach  gehen, 
wie  sie  sind,  bieten  dazu  weit  mehr  Ciele^i^enheit  als  Schule  und 
Schulliof.  Da  ist  ein  Knalle,  den  ein  tnischuldtffer  Scher/  seiner 
MitsrliiiUr  verdriefsi  vielleicht  in  Zorn  \erset/l:  da  ist  ein 
anderer,  d^r  i^^rcl^r  Xeignnt;  zu  »Sptjtt  und  \eekerei  hesilzl; 
ein  dritter  prahlt  gern,  ein  vierter  macht  sich  dnrcli  herriscJies 
Wesen,  ein  fi'nifter  durch  schu  al/.haftes  .\u>kranien  eigener 
jViigelegenheiten  und  h>]ehnisse  bemerkhch ;  ein  seclister  verrät 
einem  Armen  am  Wege  gegenüber  ein  hartes  Gemüt;  auch  die 
Eitelkeit,  die  Schadenfreude,  der  Neid,  der  Kig^ensinn.  der  frivole 
Sinn,  die  Falschheit  lind  wie  die  ninralisclien  Mängel  und  Un- 
holde alle  hei fsen  sie  alle  Huden  in  ihren  Anfängen  bei  einer 
gröfseren  Anzahl  \<»n  Kindern  ihre  Wrtreter;  und  indem  sie 
im  freieren  und  li;iuligeren  \'erkehr  der  Schüler  unter  ^icb  und 
mit  den  Lehrern  mehr  oder  weniger  unverhnllt  zu  Tage  treten, 
werden  sie  zugleich  pädagogi.schen  Maisnaluiieii  zugänglich. 

Andererseits  enthüllen  sich  auch  schöne  Kigenschafteii  un<l 
Eigentümlichkeiten  von  Schülern  vor  den  Augen  der  T«ehren 
Und  welche  Vertiefung  dürften  jene  erfahren  durch  ein  freund- 
liches Wort,  einin  anerkennenden  Hlick  des  Lehrers,  die  der 
schönen  inorali.sclien  Kundgebung  auf  dem  b'ufse  folgen  !  Niehl 
zu  unterschätzen  wnre  nucb  die  v^leichstinnnende  !md  fort- 
reifsende  Wirkung  ^iIkmkv  Besinnungen  und  Handlungen  ein- 
zelner Schüler  am  die  übrigen. 

Dort  teilte  el)en  ein  mitleidiger  Knabe  sein  Brot  mit  einem 
armen  Kinde.  Ein  anderer  sah  es  und  that  bei  einem  andern 
Kinde  später  dasselbe.  Hin  altes  Mütterchen  wankt  hustend 
vorüber;  die  meisten  sehens  teilnahmlos:  einzelne  jedoch  bUi1)cii 
stehen  und  blicken  halb  traurig  dem  Mütterchen  nach.  ICin 
Fuhrtnnmi  mif^handelt  sein  Pferd;  i;ewifs  fehlt  es  nicht  an 
Knaben,  die  dieser  .Anblick  em])ört.  und  die  ihrer  Kntrüstnng 
Worte  geben.  Hinter  uns  \van<krl  ein  Trupp,  der  fast  nicht 
aus  dem  Lachen  kommt,  ein  Humorist  ist  darunter.  Wir 
drehen  uns  um.  und  der  Erzähler  verstummt  Nie  hätten  wir 
uns  von  dem  so  still  und  ernst  auf  der  Schulbank  sit7,enden 
Knaben  träumen  lassen,  dafs  er  eine  so  köstliche  Gabe  des 
Geistes  und  Gemütes  besäfse.  Wir  geben  einen  Auftrag,  ohne 
uns  an  einen  bestimmten  Schüler  zu  wenden,  und  njachen  die 
überraschende  Wahrnebmun!^ .  dnl-^  ein  Kinhc  ,  mit  de^^sen 
Leistungen  in  der  .Schule  wir  keineswegs  iie^onders  /ufrie<len 
sind,  sich  überaus  dienstfertig  erweist.  Cianz  dort  hinten 
wandelt  still  für  sich  ein  Knabe:  fast  niemals  sieht  man  ihn 
auf  Spaziergängen  anders,  als  still  und  einsam  für  sich  gehen. 


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Xachforsciluiigeii  hei  den  Mitschülern  des  Hinsamen  ergeben, 
daCs  dieser  nicht  etwa  menschenscheu  oder  gar  unvertrSfi^licli 
ist.  sondern  dafs  er  ein  besonders  sinniges  und  sanftes  Gemüt 
l^esitxt. 

iCs  knien  aber  :mf  längeren  und  häufigeren  Sduilsi)azier- 
gängen  n\c]\\  alkin  <lie  Lehrer  ihre  Schüler  in  Absicht  auf  sitt- 
liclu  AngeK  :.^llu  it  bi-^-ci  kennen  als  in  der  Schule;  es  lernen 
auch  die  Schüler  ihre  I^ehrer  gründlicher  kennen.  Und  das 
niufs,  mustergültige  Lehrer  vorausgesetzt,  von  weit-  und  tief- 
gehender Wirkung  sein. 

Denken  wir  uns  einen  Lehrer,  der  voti  den  I^igeuschaften 
luid  Tugenden,  die  die  ethisch  -  schöne  Persönlichkeit  bilden, 
eine  Fülle  besitzt:  der  wohlthätig  gegen  die  Xt»tleidenden,  teil- 
nehmend mit  <Un  Kranken  und  Unglücklichen :  ehrerbietig  gegen 
das  Alter,  ciil-cgenkoTnniend.  anspruchslos  und  rücksichtsvoll 
im  \'erkelir  mit  Leuten  der  unteren  Stände,  men.schenlreund- 
lich  und  höflich  gegen  jedermann,  gegen  den  gering,steu  Keld- 
arbciter  und  Taglöhner  ist;  welche  Gelegenheit  ist  einem  solchen 
Lehrer  in  der  Schule  gegeben,  solche  liigenschaften  vor  den 
Augen  untl  Ohren  der  Schüler  ungezwungen  und  wirksam  zu 
bethätigen?  Welche  Cielegenheit  ist  ihm  gegeben,  seinen  Ab- 
scheu vor  Härte  und  Lieldo^i'^'keit.  vor  vSchadenfreude  und 
Spottsucht,  vor  Roheit  und  (Wausamkeit.  vor  l'iielkeit  und 
Prahlsucht,  vor  Unbilligkeil  und  Rücksichtslosigkeit..  \(>r  Un- 
freundlichkeit, Unhöflichktit,  Stolz,  Hochmut  den  Sciiülern  in 
dem  Kindruck  zu  zeigen,  den  die  Wahrnehmung  solcher  Eigen- 
schaften und  Untugenden  in  dem  Benehmen  und  den  Hand- 
lungen der  Menschen  auf  ihn  selbst  macht  ?  Mehr  und  günstigere 
Gelegenheit,  sich  zu  geben,  wie  er  ist,  und  durch  sein  Beispiel 
ungesucht  auf  die  Schüler  einzuwirken,  ist  dem  Lehrer  auf 
Schnls]ia/iergängen  gei:e!H*n.  Man  wird  nicht  einen  Tag  lang 
mit  Schülern  wandern  und  verkehren  können,  ohne  auf  ein 
Hild  der  Arnuit.  des  Ivlends  zu  treffen.  In  solchem  Falle  wohl- 
thälig  zu  sein,  Mitleid  zu  äufsern,  eclites  Mitleid,  wirkt  sicherer 
und  nachhaltiger,  als  das  Leseiilassen  und  Besprechen  von  zehn 
(#eschichten  über  Wohlthatigkeit  und  Mitleidsbezeugung.  Der 
Arnuit  im  Beisein  des  Zöglings  zu  geben,  hielt  Jean  Paul 
mit  Recht  für  s(»  wichtig  und  wirksam,  dafs  er  lieber  eine 
Polizeistrafe  bezahlen  wollte  :d><  eiTum  Ikttltr  abweisen.  Kr- 
reichlen  wir  auf  einem  besttmiiitea  (»ange  auch  weiter  nicht'^. 
als  dafs  wir  diiicii  Hethätigunj;  eigener  aufrichtiger  Teilnahme 
untl  Mitgefühls  die  gleichen  Figenschaften  in  manchen 
Schülerherzen  weckten  oder  l>efestigten.  so  hätten  wir  damit 
schon  viel  erreicht. 

vSind  Mitleid  und  Teilnahme  nicht  die  Quelle  von  Güte 


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I'r..r.  Ul.'in. 


und  Wohlwollen,  von  Nächstenliebe  innl  Mcn.scheiilrcundHchkeil; 
sind  sie  nicht  der  Urquell  der  Humanität? 

Lesen  die  Schüler  oder  erzählt  der  Lehrer  von  jenen  spar- 
tanischen Gesandten,  die  im  Theater  /ii  Athen  \or  einem  alten, 
ganz  .gemeinen  Manne  ehrerbietig;  aufstanden  und  ihm  Platz 
machten,  so  mag  (h\<  znr  Wecknng  \ou  f'hrfnrcht  vor  <lem 
Alter  sein  Gutes  halun  Wie  viel  wirk^annr  aber  wird  es  sein, 
wenn  der  Lehrer  ^^11)-.!  in  (Kn  I'all  kommt,  vor  den  Augen 
der  Schüler  die  eigene  riclüt  vor  (iein  Alter  /.u  beweisen  1 
Worte  bewegen,  Beispiele  reifsen  fort.  tTnd  wie  wird  «ijätcr 
des  Lehrers  Mahnung,  das  ehrwürdig:e  Alter  zu  respektieren, 
hei  den  Schülern  eine  g;anz  andere  Wirkung  halx'n,  nachdem 
sich  ihren  Seelen  das  Hild  einer  aiiK^chauten  schonen  That  des 
Lehrers  eingeprägt  hat! 

Atis  dem  Religionsiiütcrrii  lUi  c  iiu  ti  Schatz  v<)n  Sprüchen 
mit/.nnehmen,  die  die  \\\-t tschat/nnj;  jedes  Menschen  und  die 
Nächstenliebe  gebieten,  hat  lür  das  spätere  Leben  gewils  seineu 
Wert.  Aber  Wert  und  Wirkung  eines  solchen  Schat/.es  ver-  ' 
doppeln  sich  und  verdreifachen  sich,  wenn  sein  Inhalt  von  der 
Jugend  im  lebendigen  Beispiel  des  Erziehers  oft  und  klar  an- 
geschaut ward.  Bietet  der  Lehrer  dem  Manne,  der  im  Schweifse 
seines  Angesichtes  den  Ack»  r  pflügt,  bietet  er  dem  Manne,  der 
in  greller  Snuuenhit/.e  auf  der  Landstrasse  Steine  klopft,  bietet 
er  dem  Maurer,  den;  Fabrikarbeiter,  der  auf  einem  Hckstein 
sitzend  sein  eiiilarlio  Millag.smahl  verzehrt,  \  orübergeliend 
einen  treundliehen  (»rufs;  spricht  er  ein  teilnelHucudcs  Wort 
mit  dem  Invaliden,  der  ihm  begegnet,  mit  dem  Bahnwärter  ati 
vereinsamter  Stelle,  an  der  er  vorüberkommt:  fragt  er  den  Un- 
bekannten, der  bekümmert  am  Wege  sitzt,  nach  der  t-rsache 
seines  Leids,  und  l>eweist  er  so  den  Schülern,  dafs  er  die 
besten  Sprüche,  die  sie  lernen  mufsten,  selbst  lebendig  inne 
hat :  so  kann  er  gewils  .sein,  dafs  er  (»rofses  und  Segensreiches 
gewirkt  hat. 

Seinen  Ab-^clicu  \(>r  üblen  und  häislicheii  moralischen 
Ligenschaften  zu  dokumentieren  innerhalb  der  CVrenzen,  (lie 
die  pädagogische  Klugheit  und  Weisheit  zieht  —  wird  in  erster 
Linie  die  Schülergeseilschaft  selbst,  mit  der  der  Lehrer  verkehrt, 
(Vlegenheit  genug  bieten. 

Was  den  wahrhaft  gebildeten  Menschen  kennzeichnet  ist 
neben  (U  r  Hauptsache,  der  harmonischen  Vereinigung  inid 
I )urchdringun.i4  einer  entwickelten  reichen  Intelligenz  mit  einem 
IioIkü  Mnfx'  von  .Sittlichkeit,  die  äufsere  Form,  in  der  das 
inUllckluell  und  ethi.sch  gebildete  Sein  im  rmgangdes  Menschen 
mit  andern  zur  Krscheinung  konnnt  Eine  auf  ausreichender 
und  sicherer  Kenntnis  der  für  den  geselligen  Ilmgang  gültig 


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169 


^^cworcUntn  Rejjelii  \md  Gesetze  jjegrüiHlete  VVohlgefälli^kLit 
und  Wnliliiiständigkeit  des  riiifsereii  Ikiielinu'us  hildeii  das 
Wesen  iiL-i-r  Form  und  siclul'.ireu  Hlüte  fclUcr  HihUni^,  und 
sie  wird  nicht  leicht  erworben  werden,  die^c  Form,  ohne  öfter 
angeschaut  zu  sein.  Ob  vielen,  ob  wenigen  Kiiulern  im 
Familienleben  dazu  Gelegenheit  geboten  ist,  mag  hier  uner- 
ürtert  bleiben.  Gewifs  ist  clafs  auch  in  dieser  Beziehung  die 
I^ehrer  immer  habe  ich  die  echten  und  rechten  im  Auge 
im  Verkehr  mit  den  Schülern  aufser  der  Schule  des  Guten  viel 
wirken  können. 

Friedherg'  f Hessen.)  I'n>f.  Klein. 


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Neuere  Erscheinungen 
auf  dem  Gebiete  des  naturwissen- 
sdiaftliclien  Unterrichts. 

\'on  Dr.  Moliirtf  SehyUe  in  Leip/Ayr. 

t.  Alle  Hebiet«  tinifiiaften<l. 

P«rtliei I«  U.  uimI  W.  Pi'obutf  Die  neuen  Dahnen  des  naturkund- 
lichen rntcrrichis.  K'».  51  S.  Preis 0,50 M.  Dessau  uml  Leipzi|; 
1894,  Rieh.  Kahle  s  N'crlag. 

Die  Wrfasstr  lej^cn  ihre  Atisicht  fiber  die  M(.i1im<K  <Us  natur 
kiiiKlliclien  l  iilenu  Iiis  «lar  Man  kann  deshalb  eine  Kiilik  ini  i  ii:(.  nt 
liehen  Sinne,  ohne  polcnu.sch  /.n  wculeii.  nieht  sehreibcu.  l  iid  es 
kann  auch  weder  von  einer  günstigen,  noch  von  einer  ungünstigen 
Beurteilung  die  Rede  sein,  sondern  man  hat  sich  entweder  %u  der 
Ansicht  der  Verf.  zu  bekennen,  oder  sich  ganx  oder  teilweise  in  (Gegen- 
satz zu  ihnen  %u  stellen,  kleine  Meinung  ist  folgende:  Exakte  und 
deskriptive  Xaturwissenschutien  lassen  sich,  in  ihrem  gan/en  I  ni- 
fange  genonuuen.  11  i cht  miteinander  venjuieken  ;  deJin  erslere  haben 
es  mit  ICrscheiuungen  und  (ieset/.en.  letztere  vorzugsweise  mit  Dingen 
zu  thnn  und  rleshalb  ist  zwischen  beiden  eine  Kluft,  deren  Aus- 
füllung unmögheli  ist.  Dies  schliefst  jedoch  naht  aus,  dafs  sich  ge- 
wisse Kapitel  aus  der  Physik  und  Chemie  ganz  leidlich  mit  den 
deskriptiven  Naturwissenschaften  vertragen,  namentlich  dann,  wenn 
man  vorzugsweise  nur  beabsichtigt,  behufs  allgemeiner  Bildung 
t  inige  physikalischi  und  chemische  Kenntnisse  zu  übermitteln,  wie 
das  z.  H.  für  die  Töchterschulen  gilt.  Auch  für  die  Mittelklassen  von 
Knabenschulen  lälst  sich  vu  Ks  aus  der  Physik  und  Chrmie  mit  der 
/»»nlogif  und  l?*>tanik  xeikuiipfm  Aber  die  Oberklassen  haben  auf 
das  kunitige  Lel)en  der  Schüler  Rücksicht  zu  nehmen,  und  für  diese 
verlange  ich  allerdings  einen  streng  .s\  stemalischen.  logischen  i«ehr- 
gang.  denn  der  Jnngc,  der  nicht  denken  kann,  wird  kein  selbstän- 
diger Mann. 

Parth<>il,  U.  und  W.  Probst,  Naturkunde  für  Mittelschulen, 
höhere  Mädchenschulen  und  verwandte  .\nstalten.  lieft  1  (Kursus 
I  u.  2)  S".  70  S.  mit  3K  I'ig.  l'reis  u.bo  M.  Heft  11  iKurKUS3u.4) 


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!(4>iifrp  En«h»liumtr»B  »vT  Arm  (Ifbi^tp  4i«ji  iMitnn>t>»rn««b«fl]tch«B  irntorrtrhl».  f-t 

S".    \        u.    124  S.   tiiil  2U  I'rcis  j;el).   1.5C1  M.    IKft  III 

(Kursus  s  u.  •)!  S".    \  in  u.  165  S.  mit  40  l'i;^:.    rrtis  ;jtl>    j  M. 

Ucbsau  und  l.cip/ij;  i'^^y.S.  Kicli.  Kahles  \  t         i Herrn.  Ucslci  wil/.i. 

\\\iin  CS  riclilii;  ist.  claf»  die  \  oiksschtilc  >jan/.  besonders  danuif 
bedacht  .sein  mufi«.  ihre  Schuler  für  das  öffentliche,  praktische  I«eben 
au.s/.nrnsten,  .sieht  man  ohne  weiteres  ein.  dafs  die  exakten  Natnr- 
wisstiischafU-ii  in  prakti.scher  llinsiclit  eine  viel  {yWuscrt-  IkdtuUinj; 
haben  als  iliv  deskriptPA  n  J«  <U'  Werkstatt  jctUs  I'abriklokal  ist  ei« 
physikaliscli-cliennschLs  I.alturatoriuni.  in  welchem  bald  <lic  phwsi- 
kalischc.  bald  die  chcnnsche  Siitt-  rlie  \orlu-rrschende  ist.  nnd  es  ist 
gerade/u  erstaunlich,  welche  ph\ sikali^rlit  u  nnd  chennschen  Kennt 
nisse  nn  \  olkc  vt^rhanden  sind,  Kennlnisse,  »»hne  welche  iler  be- 
treffende ^ar  nicht  existieren  kann.  Wie  steht  es  da^a^en  mit  Zoologie 
und  Botanik.'  Man  führe  nur  seine  Mitbitrj^er  hinaus  auf  Fhir  und 
Feld,  in  Wald  und  auf  die  Heide,  und  man  wird  finden,  dafs  für  die 
meisten  die  Anemone  weiter  nichts  ist  als  eine  l'flan/e.  der  Maikäfer 
ein  Tier!  N'iele  werden  Heinrich  Heine  beii)nichten  <Kr  die  l'flan/.en 
eintrilt  ifi  solche,  die  man  essen,  und  in  solche,  die  man  nicht  essen 
kann.  uii>l  'He  Tiere  sintl  entwedei  Lxisarti«;  nnd  beilsen.  oder  sie  >nid 
froh,  wenn  man  sie  uni)eheHi^l  hifst.  l  ud  dabei  fühlen  «ich  die  i.enle 
yfonz  wohl.  Wir  wollen  doch  einmal  ehrlich  sein!  Wie\*iel  weifs 
denn  derjenige  RoUef^e  noch  von  Zoolo|^ie  und  Botanik,  der  sich  jähre- 
hin}7  nicht  mit  diesen  Wissenschaften  beschäftigt  hat.'  Vm\  wieviel 
kiiiin  denn  derjenij^e.  «1er  nie  anders  als  mit  den  Augen  eines  scharfen 
Beobachters  die  Natur  durchstreift,  von  seinen  reichen  Kenntni.ssen 
jir.iktisrli  \-frwerten  ?  ■  ■  Sind  .tlicr  dcsli.dl»  die  deskriptiven  Xatnr- 
wis.sensehatu  Ti  für  die  X'olksM  huli.  l»eileuUm,us!os  "*  Mitnichten'  l  nd 
ich  wünsche  niclils  weni;^er  als  *leren  \  einacliia.ssi}^nn<i.  Sie  wirken 
auf  das  (temüt  des  Kindes,  den  inneni  .Menschen  ein  und  bilden 
dessen  Wesen,  was  für  sein  späteres  I«eben  von  Wichtigkeit  ist  nnd 
jedenfalls  liegt  viel  Wahres  in  der  weitverbreiteten  Ansicht  dafs  der- 
jenige, welcher  keinen  Wurm  zertreten,  keine  Pflanze  mutwillig  zer- 
reifsen  kann,  es  auch  nicht  fertij^  bekommt,  seinen  Mitmenschen  ab- 
sichtlich ein  i.eid  /.u/ufü^en.  Die  Natur  ist  ein  aufjjeschlaj^enes  Buch 
(iottes  nnd  das  sa;xt  irviniij  l'!s  kann  deshalb  auch  die  I  nlerrichts- 
methodr  tur  l»eide  Haupl/w  l  ii^e  <ler  Naturwissenschaften  eine  \  er- 
sclneilene  sein.  Ii e  i  den  e  x  a  k  l  e  u  N  a  t  u  r  w  i  s  s  e  n  s c  Ii  a  1 1  e  n,  n  a  m  e  n  l- 
lich  in  Knabenschulen,  die  strenge  I.,cjgik.  Warum  und 
Weil,  bei  den  deskripten  das  Zusammenleben!  Zwar  führt  auch 
hier  die  Systematik  zum  Ziele,  aber  einer  Betrachtung  nach  Lebens- 
gemeinschaften dürfte  doch  dei  Vorzug  ,i;ebidnen.  Den  Stoff  in  dieser 
Weise  anzin>rdnen.  ist  den  \\  if.issern  \  oi/.üv;lich  .uelni'jieu,  auch  haben 
sie  CS  verslanden.  a\is  dein  (  .ebiete  der  t  \:iklen  .N.itnrw issenschaflen 
dasjeni'.:t  w  ;is  für  Mä<lclienschulen  besonders  ;;eei^net  ist.  in  ;,^e- 
schukui  Weise  in  ihren  l.ehij,;ani;  hinein/.ullechlen.  wenn  auch  der 
Zu.samnienhaui;  sehr  oft  ein  etwas  loser  ist;  denn  die  Wärme- 


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172 


t>r.  lOfbaH  tScbuliM> 


l^hre  beispielsweise  kann  cbensowolil  an  (kn  kalUii  WinUr  uit  an 
den  wannen  l'rfihlinjj  anj^cschlossen  '.vtrdin  Innnerhin  ist  die  Arbeit 
der  Wrfasser  eine  .ijan/.  ans^czcichnele  mid  kann  anf.s  wärniste  em- 
pfohlen werden.  Die  Anssl.iUunjr  der  llncher  ist  lobend  hervorzuheben. 

Auf  eini;je.s  niuls  ich  jedoch  die  Herren  \'crfaikscr  aufnierkj$ani 
machen,  mit  der  Bitte,  dasselbe  bei  einer  späteren  Anflaife  zu  berück - 
sichtifirc^n.  Heft  II  S.  8H.  Ammoniak  i$t  eine  Vcrbindnnfl:  von  Wasser- 
stoff und  Stickstoff,  nicht  von  Wasserstoff  und  Sauerstoff  Offenbar 
ein  Druck  feil  kr.  Salmiak  entsteht  aus  .\mnioniak  und  Salzsäure,  aber 
er  b<  steht  nicht  daraus.  Durrh  die  lunwirknnj:  von  N  U  ,  auf  HCl 
iodii  uni;jekehrti  entsteht  /unäcll^t  <l.^s  hypothetische  Metall  Vni- 
nuHiiuni.  XH^.  mit  dem  sich  al.stlann  da.s  Cl  zu  dem  Haloidsalz  ChUn- 
unimuni\un.  NIl^  Cl,  verbindet,  l'rüher  .schrieb  man  allerdinj^s  NUg 
HCl  und  nannte  diese  Verbindunff  salzsaures  Ammoniak.  —  Säureu 
und  Basen  neutralisieren  sich  nicht  immer.  Ich  erinnere  nur  au  Soda 
und  Pottasche,  kohlens.  Amnion.  —  S.  89.  Schwefelwasserstoff  riecht 
wie  faule  liier.  —  Heft  HI  S.  5.  In  anbetracht  des  rmfanj^es  des 
Stoffes,  welcher  ans  der  Chemie  zur  AufiiabuK  :;r1an;;t  ist.  halte 
ich  die  .\nj;abe   von  S\nd)olen   und  bOrnieln    üu    /n   weit  jj^ehend. 

Seite  f>.  Die  (Juelle  des  Schwefels  selbstversl.indlich  fiir  die 
Pflanzen)  .sind  nicht  II,S  und  II^S*)^  nlie.se  .sind  aul  alle  I-üllc  ;;iftig), 
sondern  überhaupt  Schwefetverbindu uj^en,  wie  Ii.  schwefelsaures 
Ammoniak.  Die  Krklärun;^  des  Telephons  ist  nicht  j;an/,  richtig;.  Ich 
werde  an  andern  Orten  hierauf  zuruckkonimen.  --  Zu  welchem  Zwecke 
ist  denn  eine  ekktiis^lie  Kiseiibahn  abj^ebildet? 

Fartheil,  G.  und  W.  Probat,  Naturkunde  für  Dil r^^ersch ulen  und 
j^ehobene  \'«)lks.schulen  lieft  I  (Kursus  1  u.  2]  S'*  ''i;  S.  mit  J2 
Fij;.  Treis  bri»sch.  0,40  .M..  j^eb.  0.50  M  Heft  II  (Kursus  u.  41 
S".  St-,  S.  mit  16  I'ig.  Preis  brosch.  o,ü)  M.,  j^eb.  ...75  M.  Heft  III 
(Kursus  u.  6p  8".  95  S,  mit  22  Fij;.  Preis  bro.sch.  o,So  .M.. 
I  M.  Dessau  und  Leipzi^r  (895,  Rieh.  Kahle's  Verlag  (Herm. 
Oesterwitz.; 

i  Ibige  drei  Hefte  für  die  betreffenden  Schulen  verkürzt,  wie  .schon 

aus  <lem  an^ejjebenen  rnifanjje  zu  schliefsen  ist. 

UttcudÖrfer.  ')  Leitfaden  «ler  Naturkunde  für  mittlere  nn<] 
höhere  Schulen.  S,  XII.  u.  r"'!*!  S  mit  101  Fi^.  l'rcis  geb.  3  M. 
Leipzig;  1*^)5.  Diirr'sche  Hnchliandliuii^. 

Der  \'erfa>i.ser  tritt  lur  die  Ikliandluii};  des  Stoffes  nach  i.ebens- 
l^emeinschaften  ein,  aber  die  Anordnunj;  seines  Buches  ist  die  syste- 
matische, da  eine  Anordnunj^  nach  Leben.sgemeinschaften,  wie  er 
.sehr  richtttc  bemerkt,  nur  weuijren  jfcrecht  wenlen  kann.    Iis  j^ilt 

ihm  als  oberstes  Prin/ap  der  (irundsatz,  dals  das  Einfachere  und 
N.iherlie^ende  zuerst  zu  l»ehamleln  ist,  und  hierin  eine  Kntscheidun;^ 
zu  treffen,  müssen  örtliche,  peisönliche  und  W  iUenintrsverhältnisse 
in  Iklracht  ^'ezoj^en  werden.  Der  Stoff  sell»sl  ist  {;nt.  nnr  be;4reite 
ich  nicht,  wie  der  Verfai>.sej   an  der  v  eralteten,  ganz  falschen  liin- 


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NVu»rw  &K(*h*'iMuii0rn*'iiuf  drin  (»ebicte  d^H  iiHltir«i4»i>eiii>cliBrilioben  UntonieliU. 


leiluiig  tkr  Mineralien  hat  festhalten  können.  Üelrt-ffs  dieses  Tunktes 
verweise  ich  anf  die  in  lieft  i  des  laufenden  Jaluganj^es  dieses 
Blattes  erschienene  Abhandlung  Über  die  Mineralugie  in  der  Volks- 
schule .   Die  Ausstattung  des  Buches  ist  vorzüglich. 

Kiefsling,  Dr.  K  und  E.  PfaJs,  Anthropologie  und  Naturlehre 
für  die  einfache  Volksschule.  Der  Mensch  in  Beziehung  xur 
organischen  und  unorganischen  Natur.  8**.  VIII  u.  202  S.  mit 
118  Fig.    Preis  2  Mark.   Braunschweig  1895,  Appelhans  und 

I'fenniTiLTStdrff 

!\in  woiilL^iIuiij^ener  Aus/.ii)^  ans  dem  jj^röl.sem  Werke  der  \*er- 
fa.sser.  auf  welches  wir  schon  früher  lobend  aufmerksam  gemacht 
haben. 

F.  Hirtfi  Realien  buch  Xr.  32.  Kleine  Pflanzen-  und  Tierkunde, 
nach  natürlichen  (imppen  bearh.  von  J.  G.  Paust  und  F.  Stein- 
well er.  8".   56  S.  mit  26  Fig.   Preis  0,30  M. 

F.  Hirts  Realien  buch  Nr.  ;ö.  Natnr>(eschichtefürMadcheiu>chulen. 
bearb.  von  J.  i).  Paust.  S".  174  S.  mit  53  Fig.  Preis  1,25  M. 
Breslau  i><')5.  I'erdinand  Hirt. 

nie  P.iuslschen  Sachen  sind  ^aua  i)rauchbar,  aber  tlic  eiuj^e- 
streiiUu  1  rayen  aus  der  l'hysik  in  Nr.  35,  S.  ii.  20,  28,  35,  46  u.  51 
wirken  geradezu  komisch.  Man  sieht  auch  hieraus  wieder,  dafe  die 
Verquickung  der  e.xakten  Naturwissenschaften  mit  den  deskriptiven 
;eur  Vnnatur  neigt. 

F.  Hiifs  R  (.  ilienbuch  Nr.  33.  Kleine  Physik,  Chemie  und  Mine- 
ralogie, bearb.  von  J.  (i.  Paust.    8*.    32  S.  mit  29  Fig.  Preis 

0,20  M.    Prt  slaii  1^95,  I"erd.  Hirt, 
r.ut  für  die  einfach.sten  Schidverhältni.sse. 
F.  Hirt.H  Kealienbuch  Nr.  34.   Naturlchre  für  Mädchen,  bearb   \  imi 
J.  (i.  Paust.    S".    120  S.  mit  50  I'ij^.    Preis  i  M.  Breslau 
Fcrd.  Hirt. 

Der  Verfasser  betrachtet:  I.  Die  I.,uft  als  I.^bensbedtngttng.  II. 
Das  Wasser  als  Lebensbedingung.  III.  Die  Wärme  als  Lebensbe- 
dingimg. IV.  Die  Wohnunj,'  des  Menschen.  V.  Die  Nahrunj;  des 
Menschen.  Das  J.icht  im  Dienst  des  Menschen.    \  II.  Magnetis- 

mus 'iTirl  l'.h  ktri/.ität  im  Dienste  des  Menschen.  N  IM  Die  Krde  als 
W'olujplal/.  des  Menschen.  —  Das  ist  j^ewi/s  für  manche  Ohrm  «lie 
k«>sllichste  Musik,  aber  mii  wird  von  dem  allen  so  dumm,  als  ;<in.n 
mir  ein'  Mühlrad  im  Kopfe  herum. 

2.  Xatargesehichte  der  drei  Reiche. 

a.  .\lle  drei  Reiche  umfa.sscud. 

Lfthle,  W  Der  \  atu  rj^esch  i  c  h ts  n  n  terri  cht  an  X'olks.schulen  nnd 
rnlerkla.^sen  von  Bürger-  und  .Mittelschulen,  .v  Aufl.  S".  \  III 
M.  »«c)  S.  mit  45  hin;.  Preis  geh.  i.5o^M..  -eb.  2  M.  (iera  1895. 
Theodor  I  lof mann . 


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» 

F.iiie  Sainnihinjr  von  I'"iii/All)tsclircil»un';{  n  w  ie  man  sieAnfaii)f 
(Ut  (V>C'r  Jahn-  in  jeden»  (krattiirtn  Hnchc-  fand,  die  aber  a  n  / 
ijr  n  L  /-U  u  c- h  r  a  n  c  Ii  f  n  sind.  Dnrch  rin/L'liK  Stellen  werden  wir 
rcclil  U  liliall  an  unsere  Jnjjend/.eil  trinnerl.  In  i^jti(.lsweise  dnroh  tlie 
WTfjleichnnj;  des  Schwefels  mit  lilci.  Das  kommt  tuis  j^cradc  .so 
vor,  als  wenn  uiaii  den  Hamster  mit  der  (Giraffe  vcrjfleicht.  Die  Ein- 
teilung: der  Mineralien  ist  falsch,  weil  veraltet  Die  Figfuren  sind 
doch  ssu  {»rimitiv. 

Pamit,  J.     .  Ans  dem  Hnche  der  Xatiir.    8'    VIII  n.  176  S.  mit 

2g  Fijj.    IJreslan.  I'erdinand  Hirt. 

ric's  Warum  nnd  W  eil  anf  di  ni  (UI)ietL  der  de skriptiven  Xatnr- 
wissenschaftcn,  nnr  sind  die  Ant^\  ni  u  n  heilenlend  umfangreicher  als 
bei  l'le  und  fanj^en  deshalb  auch  nicht  mit  Weil  an.  -  Als  Repe- 
titionsbnch  zu  empfehlen. 

b.  Anthropolog^ie  und  (iesundheitslchrc. 

Dminerf  Dr.  H.,  Der  menschliche  Körper.   Ein  Lehr-  und  Lern* 
buch  fi'ir  Schule  und  Haus.   8*.    104  S.  mit  76  Fig.  Ilamhurg 

iSy^.  ntto  Meißner 

Der  \'ei'fasser  liat  wenii^er  <ie\vio!il  i:tlejil  anf  die  Auf/.ählunj^ 
einer  moj^lichst  ;..(rof.sen  .\ny.uhl  nnal« >misclter  Thatsachen.  als  viel 
mehr  darauf,  unter  der  au f.serord entlich  grol.sen  Menge  von  anato 
mischen,  physiolo^schen  und  hvKicnischen  Kenntnissen  diejenigen 
auszuwählen,  deren  Verständnis  eine  praktische  Jtedeutun^  für  die 
Einsicht  in  die  Bedürfnisse  unseres  Körpers,  für  .sein  Wohlbefinden 
'und  dadurch  fiir  die  I'.ntwicklunjar  phy.sischer  Kraft  und  I-jui  Lii  hat. 
Kr  hat  nicht  versucht.  Aideitnni;  zin-  nehandlunj.;  von  Krankheiten 
/.u  vrelH^n.  sr>TifUrii  Ii  di  jjlich  die  Aldi.'ingigkeil  des  W  nidbefinden.s 
von  tler  Erkenntnis  de.>  liaues  tmd  der  l-nnklintien  unserer  ♦  »fjfane 
nachgewiesen,  so  daf.s  der  Lehrer  und  Lertiende  «iie  liin.sicht  in  den 
Zu.sanimenhang  /wischen  I,ebenswei.se  und  («esundheit  erhält.  Die 
Kehandlnnisf  des  Stoffes,  sowie  die  Ausstattun dürften  dem  Ruche 
{jcwifs  Freunde  erwerben. 

e.  Z  o  u  l  o  g  i  e. 

Bande,  l-'nedrich.  Naturgeschichte  in  Ijn/elbildern.  ni]^jHn- 
bildern  nnd  LebcnsbiUlern.  i.  'i'eil  :  'rierbetrachtinv^cii  inil  lu  - 
son<krer  Ilercorhebmiir  der  lle/ieJiungtu  /wischen  Korperb.iu 
und  l.ehenswei.se  dei  l  iere  und  ihrer  Hedenlung  für  Naturha\is- 
halt  und  Menschenleben,  a.  -\ufl.  Xll  u.  244  S.  u.  62  Fijj. 
Preis  g^eh.  2,80,  geb.  .^30  M.  Halle  a./S.  1894,  Herrn.  Schrodel. 
Für  den  rnterricht  in  der  Volksschule  sehr  gut  /.u  gebrauchen. 

Veri^l   diese  Zeilschrift.  Jahrgang  1895.  S.  ;/>6. 

Sehilliug.  Philipp.  \'erkannte  Tiere,    l^ür  die  Jugend  geschildert. 
kl.  S"    n  S    lYcis    -o  M.  .Minden  i.  W..  C.  Marowsky. 
Lesenswert  für  Kinder. 


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><»«nTf  i:,r>>->ifiiiuiii;i'<'  «wf  «li-ni  (•«•liit'ip  tU-s  iiiiiui-ni^«<  ii»i-hMltlicli('ii  t'nlcrrirtili». 

Vogel,  ( icors  Ckinciis.  Der  N'crmeliruiipfsprozcis  i iti  T i t-rrei oh e 
8".  104  S.  mit  35  l'iii.  Treis  2.50  M.  Dresden  1.S93,  Willi,  kcutcr. 
Der  Vollcsschule  ist  dieses  Buch  selbstverständlich  nicht  ge- 
widmet, sondern  nur  einem  Spexialstudium.   Wer  sich  hierfür  inte- 
ressiert, wird  manches  Lehrreiche  in  ihm  finden. 

Wttn^cho.  Trof.  Dr.  Otto.  Die  verhreitttsten   Käfer  Deutsch- 
lands,   s  '.   X\"I  11.  212  S.  mit  2  Tafeln.    Treis  2  M.  Leipzijr 

Dusts  Ilm  h  sti  llt  den   übrij^eu  trefflichen  Schriften  des  \'cr- 
lassers  ebenhiirii^  zur  Seite. 

(vSchhils  folKt.l 


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176 


Neue  Bücher  und  Aufsätze. 


ai  BUoher. 

T)rL'ycr,  F'rdr..  Studie  n  /.iir  Mc- 
thodenlehre  und  Ivrkcnnlniskritik. 
fXIII.  22:^  S.  m.     Figr.)  I.eipzijr. 

Khrat.  ^..n.  prof.,  P.inkia/.,  Die 
Hedetituii}^  der  Lojrik,  beziehim^js- 
wcise  der  Hrkeniitnistheorie  für 
Wissenschaft,  Schule  und  I.eben. 
Mit  besonderer  Rücksicht  auf  die 
I^ehreTbildwnjrsanstaltcn.  (V,  14.; 
S.)    Zittau,  I'ahl.    2  M. 

(•ebhardt,  Bruno,  Die  Kinfüh- 
runj;  der  Pestalosaischen  Methode 
in  I'reiifscn.  Ivin  urkundl.  Kapitel 
preufs  Schulj^escliichte.  <So  S.i 
Hcrlin.  R.  (färtner. 

Heinrich.  Dr.  \\\,  Dit' moderne 
plnsioloj^isflu-  I*s\ choUipfie  in 
Deutschland,  liine  historisch-kri 
tische  l'titersiichuiip  mit  bes.  Be- 
rn cksicliti  mm}^  des  Problems  der 
Aufmerksamkeit.  (\',  235  .S.>  Zürich. 
K.  Speidel.   4  M. 

Herbe.  (;fr.  u.  K  u  d.  rcl/.el. 
L*«hr.r.  I>»r  Han<Uertii(keitsunter- 
rieht  III  tler  Schwei/,  und  in  I'riUik- 
reicl».  Kei-sebericht.  (24  S.i  Wien, 

k  i\t/.ii.  (..75  M. 

Jäger,  oymn.-Dir..  Dr.  (Xskar,  X'or- 
lajjfe  für  pädajjoj^ische  Resprech- 
unj^en  in  pi\  nfs.  Sennnareu.  (2nS.) 
Wiesbaden,  C.  <>.  Kun/.e.s  Nachf. 
o,;^o  M. 

I.anj^e.  Büricir-ih.-nir..  Dr.  Karl. 
LehiT't  thode  un<l  I.ehrerpersön- 
1  ich  kell.  124  S.)  Plauen,  F.  IC. 
Neu]iert.    0,50  M. 

rnhliiiann.  lu-u.  I>r W  Keli 
^ionsuntcrricht  und  Schulaufsicht 
itn  Rahmen   de»  VolksHchulge- 
set/es.      S.)  (tuteniloh,  Heitels- 
niann.    0.40  M 

Scherer,  .s.tmiintp,.  U.  u.  l.chrer 
J.  ICckert.  Zeichnen  und  Hand- 
feiti^keit.  Ivine  .\nlcitun;;  zur  lir- 
teiUmg  dieses  I  ntenichts  in  der 
Volksschule.  S.  mit  Abb.) 

Gotha.  K.  F.  Thicnemnnn.   ^  M, 


b)  AufWitte. 

Hcvni.  Dr.  Max.  Fthik  als 
(•eifen. stand  des  .Semiuarunter- 
ricntH.  <I«eip%.  Lehrenetg.  i.)  Lpx.. 
Otto  Klemm. 

Klein  Prof.  V...  Was /.u  einem 
Junten  Direktor  i^chört.  (Päda- 
i^oj^ium  ;,.>    I-p/R..  Klinkhardt. 

l'feifer.  W.,  Hat  <lie  sechs- 
klassij'e  \  olksschule  als  Normal- 
schule sich  bewährt.  (Lehrerzt>;. 
f.  Thür.  I.»  Jena  u.  I.p/.jr.,  llaacke. 

Redlich,  J.,  Das  .\bbilden  al.s 
Brkenntnismittel.  (Ztschr.  f.  Philo- 
sophie und  Pädagf^'k  li^jj^,  6.) 
Langensalza,  Beyer  u.  Söhne. 

Rej^ener.  Fr.,  l'ber  Hejrriffs- 
bildun^.  (Rhein.  Hlätter  für  Er/.. 
u.  Unterr.  i.)  Frankfurt  a.  M., 
l>iesterweg. 

Schlegel.  IM.  Hedentunj^ 
und  Pflej^e  der  Phantasie  in  <ler 
Schule.  (Schulblatt  der  Prov. 
Sach.sen  t.  2,1  Quedlinburg,  Huch. 

Sehr  e  \  e  r .   Franz.    l ' ber  das 
Zeichnen    in    den  N'ulksscluiKn 
i(jsterr.  Schulbote  i.»  Wien.  Pich 
lers  \Vw.  u.  Sohn. 

Sehr  Oer,  H.,  (Je-sichtsirnnkte 
für  die  .Vnsfjestaltun«;  und  Hebung 
des  SehuUurnens.  1  .Monat.'^schr. 
f.  Turnwe.sen  1S95,  11.  llerlin. 
i  iärtner. 

Thonisen.  \.,  Lescabendc  in 
der  Schnlc     (l.ehrcrin  7.)  Gera, 

Th.  Ilofinann. 

Wann  er.  II.,  .\us  dem  l.eben 
der  Sprache,  ihr  Werden  und  ihr 
\  ergehen.    1 1  .mn.  Schul/,tg,  i  — .^.1 

Hannover,  Helwinj^. 

Zen/.  \)r  W  .  Die  .\s.s<)/.iation. 
(Österreich.  .Schulbote  i.Sys.  t^.t 
Wien,  Pichlers  VVw.  u.  Sohn. 


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Neue  Bahnen. 

Monatsschrift  für  Haus-,  Schul-  und  Geselischafts-Erziehung. 
Heft  4.  JipHi  iBs^.  ~  räriahrg. 

Adam  Smiths  pädagogische  An- 
sichten und  Kritik  derselben» 

\'oii  Dr.  Payl  Bergemam  in  Jena. 
(Schhifs.) 
Drittes  Kapitel. 
Die  Volks- Erziehung. 

Wenn  ich  von  Volks-Emehunjj:  spreche,  so  meine  ich 
natürlich  nicht,  dafs  es  sich  hier  um  derartig^c  erzieherische 
Einwirkungen  handehi  solle,  wit.  si\  <!(  r  nnmüiidigen  Juj^end 
gegenüber  am  Platze  sind.  Vielnicln  habe  ich  dabei  religiöse, 
moralische.  ]>olitische  und  weiterhin  solche  Belehnni^en  im 
.Auge,  welciie  den  Zweck  haben,  in  gemeinverständlicher 
Weise  die  nicht  wissenschaftlich  (»ebildeten  mit  den  Fort- 
schritten Ijckannt  zu  niaehcn,  welche  die  Wissenschaft  —  iin 
besonderen  die  »Naturwissenschaft«  —  nnd  die  Technik  fort 
und  fort  inachen.  Fernerhin  niufs  aber  nach  meiner  Ansicht 
auch  auf  die  Pflege  einer  schönen  und  edlen  Oeselligkeit  und 
des  guten  Geschmackes  (in  künstlerischer  Hinsicht)  dabei 
Hedacht  genommen  werden.  Ich  könnte  kurz  die  diesbezüg- 
lichen Aufgaben  dahin  zusammenfassen,  dafs  ich  sa.L^e:  ilas 
Volk  ist  vor  dem  Umsichgreiien  banausischen  tieistes  /u 
bewahren.  Die  .sorgfältigsten  Krziehuugs-Maisregeln  in  der 
J  ugend  sind  bei  der  weitaus  grösseren  Mehrzahl  der  Menschen 
nicht  ausreichend,  um  ihren  Interessen  dauernd  eine  ideale 
Richtung  zu  geben. 

Tu  ganz  so  weitem  Shine  fafst  vSmith  allerdings  die  \'olks- 
Erziehung  nicht  auf;  aber  es  ist  l^einerkenswert,  dafs  er 
darunter  nicht  blofs  religiöse  nnd  moralische  Helehrnii L:^en 
^•erstcht,  sondern  auch  darauf  hinweist,  wie  wichtig  c>  >ei, 
daLs  dem  Volke  edle  gesellige  Vergnügungen  geboten  wür- 
den, und  dafs  man  es  für  Kunstgenü.sse  empfänglich  mache. 
Freilich  legi  er  den  Hatiptnachdnick  auf  die  religiöse  Be- 
lehrung, und  die  moralische  soll  auch  nur  im  Anschlüsse  an 
jene  auftreten.   Den  Zweck  derselben  sieht  er  darin,  die 

N>ne  Ralmoii  Tit.  4.  12 


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Menschen  nicht  sowohl  zu  guten  Bürgern  in  dieser  Welt  zn 
machen,  als  sie  viehnehr  für  eine  andere  uud  bessere  Welt 
in  einem  küiiftijycn  Leben  vorzubereiten  (Wcalth  S.  353). 
Auch  hier  wieder  zeij^^t  sich  Smith  befangen  in  den  j^^cwöhn- 
lidieu  theologischen  Anschauungen.  Wie  weit  er  jedoch  bei 
alledem  von  dem  finsteren  und  wcltvcrneinenden  Rig<.>rismus 
der  Jenseitsprediger  entfernt  ist,  ergiebt  sich  aus  folgender 
Stelle,  welche  zugleich  als  Beleg  für  das  oben  über  seine 
weitere  Auffassung  des  Begriffes  Volkserziehung  Gesagte  (die 
er  vor  \  ielen  anderen  voraus  hat)  dienen  kann.  Es  heifst 
nämlich  Wealth  S,  357:  ^Liefse  der  Staat  allen,  die  erwcr^< 
mfifsig,  aber  ohne  Ärgernis  und  Unauständigkeit,  das  \\)lk 
durch  Malerei,  Poesie,  Musik,  Tanz,  durch  alle  Arien  drauia- 
tischer  Aufführungen  zu  belustigen  und  zu  zerstreuen  suchen, 
völlige  Freiheit,  so  würde  er  bald  bei  der  grulseu  Masse 
die  melancholische  und  düstere  Stimmung  verscheuchen, 
die  fast  stets  die  Amme  des  Volksaberglaubens  und  der 
Schwärmerei  ist 

Dals  bei  der  Pflege  geselliger  und  ästhetischer  Interessen 
Smith  vom  Staate  nur  eine  indirekte  Mitwirkung  verlangt 
und  ihm  im  übrigen  die  Rolle  des  wohlwollenden  Znscliauers 
zuerteill,  kann  uns  bei  seiner  Auffassung  der  Aufgal)cn  des- 
selben nicht  wundern;  aber  in  diesem  Punkte  niöelite  ich 
nicht  mit  ihm  übereinstimmen.  Diejenigen  Einrichtungen, 
welche  die  religiöse,  moralische,  politische  und  wissenschaft- 
liche Belehrung  des  Volkes  zum  Zwecke  haben,  werden  frei- 
lieh  einen  privaten  Charakter  an  sich  tragen  müssen;  mit 
Bezug  auf  sie  wird  man  freilich  vom  Staate  eine  blofs  mittel- 
bare Vuterstüt'/ung  und  I-Tirdernng  \crlangen  können,  vor 
allem  dafs  er  nicht  liindernd  und  henunend  in  den  Weg  trete, 
ferner  vielleicht  noch,  dals  er  würdige  Personen  durch  rrämien 
zu  derartigen  Veranstaltungen  ermuntere,  uud  dafs  er  lleiisige 
Teilnehmer  durch  irgend  welche  Auszeichnungen  ehre  — 
mehr  fordern  hieCse  allerdings  die  bürgerliche  Preiheits-Sphäre 
ungebührlich  beschränken.  Aber  sofern  es  sich  um  die  Pflege 
schöner  Geselligkeit  und  guten  Geschmackes  haudelt,  wird 
man  vom  Staate  mehr  erwarten  können.  Nicht  als  ob  hier 
die  Privatthätigkeit  ausgeschlosseu  werden  sollte;  dieselbe  ist 
vielmehr  auch  hier  ganz  unentbehrlich  .  aber  ausreichend  ist 
sie  angesichts  der  mannigfaltigen  und  blofs  durch  einen  ziem- 
lich bedeutenden  Kostenaufwand  zu  erfüllenden  Aufgaben  nicht 

Vor  allem  mufs  der  Staat  sich  die  Pflege  der  Kunst  an- 
gelegen sein  lassen  —  und  zwar  in  ganz  anderer  Weise  wie 
bisher.  Die  Kunst  sollte  ein  wesentliches  Lebenselement 
der  freien  Bethätigung  eines  jeden  Kulturvolkes  sein;  an 
ihr  sollte  jedes  Glied  des  Volkes  vollen  Anteil  nehmen,  ebenso 


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'79 


wie  an  der  Sprache.  Heutzutage  aber  ist  die  Kunst  nicht 
das,  was  sie  sein  sollte;  unsere  Kunst  ist  nicht  volkstümlich 
—  mit  teilweiser  Ausnahme  der  Musik  höchstens  —  sie  ist 
dem  Volksleben  fremd:  die  bildende  sowohl  als  nücli  die 
redende.  Dafs  dies  ein  sehr  wenif^  erfreulicher  Zustand  ist, 
.Nlcilt  kein  \  crständij^er  Mensch  in  Abrede;  ein  solcher  wird 
vielmehr  die  oben  ans«^esprochene  F'orderung  durchaus  billigen. 
Aber  es  ist  nun  die  Frage,  ob  überhaupt  die  Kunst  derselben 
gerecht  zu  werden  vermag  —  vielleicht  liegt  es  in  ihrem 
Wesen,  nicht  volkstümlich  sein  ^u  können.  Ich  glaube  nicht 
Die  Wissenschaft  allerdinj^s  ist  exklusiv;  denn  wenn  auch 
ihre  Resultate  popularisiert  werden  können,  bezüglich  der 
Wege,  auf  denen  man  zu  ihnen  L'elan*;t,  ist  diesnicht,  wenigstens 
nur  in  selir  unvoUkomniener  '^Veisc  möglich  hier  ist  ernste 
und  inühsame  .Arbeit  und  vieljährige  sorglTdtige  vSchnluug 
erforderlich.  Nicht  so  bei  der  Kun>t;  dieselbe  wendet  sich 
gar  nicht  an  den  Verstand,  sondern  an  das  Gemüt:  sie  weckt 
durch  Anschauung  das  Gefühl.  Nun  sind  die  Unterschiede 
in  der  Gefühlsweise  der  verschiedenen  Menschen  gewifs  sehr 
grolse,  sowohl  da,  wo  es  sich  um  die  ästhetischen,  wie  auch 
da,  wo  es  sich  um  die  intellektuellen,  moralischen,  religiösen 
und  sinnliclien  ( relühle  handelt.  Man  darf  jedoch  diese  L'nter- 
sehiede  anderseits  nicht  als  zu  schroffe,  als  jede  Verständigung 
und  \  ermitlelung  ausschliefsende  auffa.ssen.  Vor  allem  ist 
es  deshalb  nötig,  ihre.  Ursachen  sich  klar  zu  raachen.  Be- 
sonders tiefgreifende  Unterschiede  treten  uns  natürlich  ent- 
gegen, wenn  wir  die  gesamte  Menschheit  ins  Auge  fassen  — 
nämUch  zwischen  den  verschiedenen  Menschheitsgnippen. 
Die  Ursache  ist  in  der  Verschiedenheit  der  geistigen  Knt- 
wiekelung  zu  suclicn,  und  diese  Verschiedenheit  ist  wieder, 
wenigstens  gröfsten teils,  bedingt  durch  die  Verschiedenlu  it 
der  geographischen  (im  weitesten  Sinne  des  Wortes)  Er- 
.scheinuugen.  Damit  ist  freilich  die  Differenzierung  noch 
lange  nicht  erschöpft,  denn  innerhalb  der  verschiedenen 
Menschheitsgruppen  machen  sich  weitere  Unterschiede 
zwischen  Individuum  und  Tndi\i(hium  geltend,  verursacht 
durch  die  \'erschiedenheit  der  Erziehung,  der  gemachten  Er- 
fahrungen. überhanj)t  der  Eebensverhältnis.se  und,  wris  be- 
sonders den  .'\usschlag  giebt,  da  diese  ja,  wenn  auch  niemals 
ganzlich,  so  doch  oft  genug  annähernd  die  nämUchen  sind, 
der  persönlichen  ps\  cho-physischen  Wranlauung.  So  grofs 
aber  auch  die  durch  dies  alles  bedingten  Unterschiede  nun 
sein  niögen,  die  Erfahrung  lehrt  uns,  dafs  trotzdem  eine  viel- 
fache Ubereinstimmung  herrscht,  dafs  die  Menschen  zunächst 
innerhalb  einer  und  derselben  Menschlu  iisgruppe,  weiterhin 
aber  auch  mehrerer  solcher  Gruppen  z.  B.  derjenigen,  welche 

12* 


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ifto  Dr.  PMt  RMveiMDn. 


die  Kultur-Menschheit  ausmachen  —  in  sehr  vielen  bedeut- 
samen Punkten  d*accord  sind :  eine  Erscheinung,  die  für  den 
Anhänger  der  monistischen  Weltanschauung  auch  durchaus 
nichts  Wnnderbares  hat.') 

Eine  volkstümliche  Knnst  ist  also  olnu-  Zweifel  niöj^^licli, 
und  ilire  Pflee^e  mnfs  gfcrade/n  als  Pfliehl  des  Staates  he- 
zeicluiel  werden;  denn  die  Kunst  ist  für  den  Menschen,  den 

Kulturkämpfer,  von  höchster  Bedeutung  als  eine  Quelle  der 
reinsten  Freude,  ein  Mittel  von  so  belebender  Wirkung,  wie 
es  kaum  ein  anderes  geben  dürfte.-)  Hat  die  Jugend-Er- 
ziehung die  Aufgabe,  den  ästhetischen  Siim  zu  wecken  und 

7.U  Stärken,  so  mnfs  die  Volks-Krziehunjj;  darauf  bedacht  sein, 
denselben  auch  zu  erhalten  und  vor  VerkümnieruuL,^  /u  be- 
wahren, indem  sie  ihm  immer  neue  Nahrung  zuführt.  IJiese 
Mi.ssion  verabsäume  der  »Staat  ja  nicht  —  er  pflege  eine 
wahrhaft  volkstümliche  Kunst  Als  Vorbild  in  dieser  Hin- 
sicht kann  das  alte  Hellas  dienen.  In  Griechenland  gab  es 
ein  sehr  hoch  entwickeltes  Kunstleben,  das  doch  sehr  populär 
war;  die  griechischen  Dichter  z.  P.  dichteten  ihre  Tragödien 
für  alle  Pürger,  nicht  nur  für  die  höher  ()e1>ildeten  :  es  mufsle 
al.so  die  Knnst  unter  den  (iricchen  auf  all|^enu'ines  \'er- 
ständnis  rechnen  können.  Da.s.selbc  q-ilt  aucli  \  <>ii  (k  r  mittel- 
alterlichen Kunst  -  auch  diese  war  eine  Kun.sl  für  das 
Volk,  sie  hatte  ihre  Wurzeln  im  \'olksleben.  Unsere  mo<lerne 
Kunst  dagegen  ist  ein  exotisches  Gewächs  auf  unserem 
vaterländischen  Boden,  sie  kann  auf  Verständnis  -nur  bei 
denen  rechnen,  welche  durch  die  »Schule  des  klassischen 
Altertumes  hindurch  gegangen  sind,  wie  diejenigen,  welche 
sie  üben.    Der  Grund  ist  in  den  beiden  grofsen  Uuterbrech- 

')  Natüilich  soll  dannt  nicht  etwa  der  Ansicht  derer  \Orschub 
jL^elei-stet  we  rden  welche  von  eitler  \  oll ii^u  n  r.leichninchunj^;  aller  l\in- 
richtungen  und  Anscliaiuuigeti  aui  dem  ganzen  Erdenrund  träumen 
und  reden  —  eine  solche  scheitert  selbstverständlich  an  derDifferen- 
/ienniti'  der  Mcnscliheil  in  die  vielen  ein/einen  (inifjjjen,  deren  bis- 
hen^e  vcrschicUcuc,  luclir  oder  weniger  isolierte  Kutwickelung  doch 
gewisse  dauernde  Unterschiede  neben  aller  vielfachen  sonstigen  Über- 
einstimmung hervorgerufen  hat.  Und  wenn  auch  in  unserer  Zeit  die  Iso- 
Hcninpr  der  verschiedenen  einzelnen  Menschhcitsirmppen  inmu-rnu-br 
und  mehr  verschwindet,  .so  i.sl  duch  /u  beachten,  d  iis  die  Vei.scbie- 
denheit  in  den  natürlichen  Bedingungen  der  Kntwii  kelung,  vornehni- 
licli  den  get^graphischeti  Krscheinuniren,  bestehen  bleibt.  Auch  ver- 
dient die  Erwägung  nicht  gering  ange.sch  lagen  zu  werden,  Uafs  eine 
solche  Gleichheit  selbst  wenn  sie  sich  durch  Kfinstliche  Mittel  schaffen 
Heise,  dem  Knltiirfcirtschritte,  der  ja  auf  dem  Prin/ipe  irrnfstmöglicher, 
vielfältigster  Arbcitsteihnig  beruht,  keineswegs  förderlieh  sein  würde, 
mau  also  deshalb  von  ihrer  Herbeiführung  entschieden  absehen 
mülste. 

*)  leb  verweise  behufs  weiterer  Orientierung  auf  meine  Arbeit 
Die  evolutionistische  Ethik  als  Gruudlage  der  wisseuschaftlichen 
Pädagogik«.  (Neue  Bahnen  V,  Heft  1—3.) 


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A4<am  Smiths  pä(ta(;ni;i»rlic  Ansichten  und  F'frilik  dcriteihfn. 


Hilgen  zu  suchen,  welche  unser  Eigenleben  /.nr  Zeit  der 
Renaissance  und  um  die  Wende  des  vorigen  und  dieses 
Jahrhunderts  erfahren  hat  —  kurz  in  der  zweifachen  Be- 
kehrung zum  Altertume.  Da  sich  dies  alles  mit  historischer 
Notwendigkeit  vollzogen  hat,  so  kann  natürlich  kein  Tadel 
ausgesprochen  werden;  aber  wohl  ist  ein  solcher  am  Platze^ 
wenn  mau  heutzutage  nocli  iiniuer  die  Augen  gegen  die 
grofsen  ( u  faliren  verschliefst,  welche  <\\vsc  Entwickehin l:^  der 
Dinge  zur  h'oh^c  gehabt  hat.  Die  Kunst,  deren  Träger  nur 
die  sogen,  (icbildeten,  d.  h.  eben  die  durch  die  Schule  des 
klassischen  Altertums  Hindurchgegangenen  sind,  hat  sehr 
viel  mit  zur  bestandig  fortschreitenden  Verrohung  der  Massen 
beigetragen,  hat  die  Kluft  zwischen  diesen  und  jenen  immer 
grdlser  gemacht.  Der  Masse,  die  man  so  von  dem  Mitge- 
nusse  des  herrlichsten  Kidturgutes,  der  Kunst,  ansschlofs, 
blieben  gar  keine  Heziehungen  mehr  zu  höheren,  geistigen 
Idealen  --  ist  es  da  zu  verwundern,  wenn  sie  die  ganze 
nioderne  Kultur  .ils  etwas  ihr  FcinilNcligeb  betrachtet,  wenn 
sie  gegen  dieselbe  l'ront  maelu!  Und  man  täusche  sich 
doch  ja  nicht:  die^Kultur^  die  auf  einer  so  schmalen  Basis 
steht,  wie  dies  bei  den  modernen  Kulturvölkern  der  Fall  ist, 
kann  sehr  leicht  erschüttert  und  auch  plötzlich  vernichtet 
werden  -   vavmni  cotimlesl 

[  ^  "  Nun  haben  allerdings  die  redenden  Künste  bereits  einen 
energischen  Anlauf  genoinmen.  mit  der  antiken  Tradition 
zu  brechen;  aber  die  bihUndcn  Künste  sind  diesem  Beispiele 
noch  nicht  gefolgt:  noch  immer  beansprucht  man  für  Dar- 
stellungen, welche  ihren  Stoff  der  antiken  Mythologie  ent- 
nehmen, einen  höheren  Rang  —  wenigstens  sofern  es  sich 
um  plastische  handelt.  Vielfach  hat  man  freilich  versucht, 
die  antike  Mythologie  durch  die  christliche  zu  ersetzen,  iu 
der  Hoffnung,  dadurch  dem  Interesse  des  Volkes  mehr  ge- 
recht zu  werden.  Nim  ist  ohne  Zweifel  bei  derartigen  Dar- 
stelhni'^'^f  u  auf  weit  mehr  Verständnis  /.u  rechnen,  <>l)  aber 
auf  wn  klich  tieferes  Interesse,  das  erscheint  mir  sehr  frag- 
lich. Solauge  noch  die  christliche  M\  üiologie  von  so  vielen 
für  mehr  als  blofse  Mytholugie  ausgegeben  wird,  solange 
diese  Frage  ein  Objekt  heftigster  Streitereien  ist,  wie  gegen- 
wärtig -  solange  werden  mir  verhältnisniäfsig  \\  cnige  Men- 
schen solchen  Darstellungen  gegenüber  sich  rein  betrachtend 
und  Lrenief.send  verhalten  können.  \'or  allem  werden  die.se 
ihre  Wirkung  auf  die  grofse,  iminer  unanlhalt.samer  iu  dem 
Sumpfe  des  krassesten  Materialismus  und  Atheismus  ver- 
sinkende Menge  verfehlen  sie  werden  nur  deren  Spott 
herausfordern.  M)  thologische  Darstellungen  sind  nur  dann 
ganz  allgemein  wirkungsvoll,  wenn  sie  noch  gamicht  als 


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t82  B^rfffmann. 


niytholojTisclie  gleiten  -  oder  wenn  von  keiner  Seite  mehr 
daran  ^^c/weifelt  wird,  dafs  sie  solche  sind.  F^ür  den  letzten 
Fall  ist  aber  weitere  \'()r.'iussct/iino  dabei,  daLs  die  Kenntnis 
dieser  Mythen  noch  iinuiLr  eine  aiigcnieiue  sei.  Da  man 
aber  eine  solche  Kenntnis  nur  dann  mit  Fug  und  Recht 
verlangen  konnte,  wenn  diese  Mythen  einen  so  hohen  Bil- 
dungswert besäfsen,  dafs  ihre  Obermittelnn^  dnrch  den  Unter- 
richt nötig  wäre,  dies  jedocli  zumeist  nicht  der  Fall  ist,  so 
werden  mythologische  Darstellnnj^en  immer  nnr  wenigen 
einen  ästhetischen  Gcnnss  gewähren  können:  sie  werden  also 
für  die  staatliehc  Kunstpflege  und  die  äslhctisclic  Volks- 
Erziehnn«^  kaum  in  Jktraeht  koninicn.  X'ielKicht  sind 
historische  Darstellungen  noch  am  ehesten  geeignet,  allge- 
meines Interesse  zu  erwecken,  aber  freilich  auch  nur  dann, 
wenn  sie  Ereignisse  und  Personen  betreffen,  von  denen  man 
voraussetzen  kann,  dafs  sie  allgemein  bekannt  sind. 

Um  eine  Rcfonn  in  dem  angegebenen  Sinne  anzubahnen 
und  durchzuführen,  wird  sich  der  Staat  einerseits  zu  einer 
Umgestaltung  der  der  Auslnldung  \'on  Künstlern  dieueiulen 
Kunstschulen,  bezw.  Akademien,  werden  die  Künstler  >ich 
anderseits  dazu  entschliefsen  müssen,  das  Beispiel  ihrer  litte- 
rarischen Kollegen  nachzuahmen.  Nicht  als  ob  ich  der 
Meinung  wäre,  dafs  unsere  »modenie«  Litteratur  gar  nichts 
zu  wünschen  übrig  lasse,  ich  behaupte  \  i elmehr,  dafs  sie, 
sofern  es  sich  um  die  künstlerische  Behandlung  der  von  ihr 
gewählten  Stoffe  handelt,  noch  so  gut  wie  alles  zu  wünschen 
übrig  läfst.  Aber  können  wir  leugnen,  dafs  trot/.deui  unser 
Herz  dem  frolimüligen  Wagen  derer  gehört,  welche  in  einer 
Erschütterung  der  menschlichen  ( iesellschaft  und  aller  ihrer 
Begriffe,  wie  sie  seit  den  Tagen  der  untergehenden  griechisch- 
römischen Welt  nicht  gesehen  worden  ist,  in  der  Seele  dieser 
Gesellschaft  zu  lesen  und  von  dem  befreienden  Worte,  nach 
dem  sie  sich  sehnt,  etwas  auszusprechen  vermögen!  D.  h. 
wir  sympathisieren  ganz  unzweifelhaft  mit  dem  nestrel)cn 
derer,  welche  den  Stoff  zu  ihren  Dichtungen  nicht  aus  den 
unserem  ganzen  Denken  und  I'^ühlen  fernliegenden  Kpochen 
herholen,  sondern  denselben  der  (xegenwart  entnehmen,  und 
wir  erwarten  von  diesen  die  neue  künstlerische  Formeu- 
sprache,  die  uns  gemäfs  sein  wird  —  wohl  gemerkt:  wir  er- 
warten erst  nodi  diese  Pormensprache,  wir  betrachten  also 
das  künstlerische  Problem  als  erst  zur  -  -  und  zwar  unbe^ 
deutenderen  —  Hälfte  gelöst  Die  Naturalisten  von  heute 
sind  zwar  anderer  Meinung;  sie  glauben,  der  Naturalismus 
sei  die  vollständige  Lösimg.  Weit  gefehlt.  Seine  Forderungen 
besagen  nichts  weiter  als  <  )|)})usiti()U  gegen  eine  verbrauchte, 
veruutzte  Art,  Wiikliehkeit  auizulasseii  und  darzustellen;  er 


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Adam  8mith»  |»id«itoflri*ch»  Amtichton  nnd  Kritik  derselbrn.  fg^ 


ist  nichts  anderes  als  der  Protest  der  Wahrhaftigkeit  gegen 
die  überlieferte  Formen  spräche,  er  ist  xnn'ichst  also  ein 
Negatives.  Aber  freilich  geht  ibni  ein  positives  Klenieiit 
nicht  gänzlich  ab;  welches  diesem  >ri,  erhellt  daraus,  dafs 
ich  ihn  einen  Protest  der  Wahrhaliigkeit«  nannte.  Auch 
die  historische  Betrachtung  läfst  uns  erkennen,  dafs  er  nicht 
ein  rein  Negatives  ist  Sie  lehrt  nns,  dafs  er  stets  in  Zeiten 
künstlerischer  Krisen  aufgetreten  ist  und  den  groDsen 
schöpferischen  Genies  den  Weg  bereitet  hat,  indem  er,  sich 
an  die  Wirklichkeit  festsaugend,  ihr  Neues  abzugewinnen 
vcrsnchte,  das  jene  dann  künstlerisch  verwerteten.  Man 
sielit  also,  dafs  ich  ebensowenig  zu  den  begeisterten  Lob- 
rcdncrn  des  Nntnralismns  wie  zu  denen  geliöre,  welche 
keinen  guten  l'adcu  au  ihm  ^ia^.'^tn  wollen  —  er  bezeichnet 
ein  notwendiges,  nützliches  Übergan^s-Stadium. 

Nunmehr  wird  man  wissen,  wie  ich  es  meine,  wenn  ich 
sage,  dafs  die  bildenden  Künste  sich  die  redenden  zum  Vor- 
bilde nehmen  sollen  —  und  mich  nicht  mifsverstehen.  Es 
ist  ein  unzweifelhaft  tiefer  nnd  ehrlicher  Zw^  unserer  neuen 
Litteratur,  dafs  sie  die  heutige  Gesellschaft,  wie  sie  ist, 
niii  rücksichtsloser  Wahrhaftigkeit  hinstellen  und  so  der 
Kritik  überantworten  will  -  solchem  Beginnen  können  wir 
luisere  Anerkennung  nicht  versagen,  mag  ihr  auch  noch  die 
eigentliche  künstlerische  Weihe  fehlen;  <£ese  Ifitteratur  kann 
auf  allgemeines  Verständnis  rechnen.  Nun  weifs  ich  wohl, 
dals  von  den  bildenden  Künsten  wenigstens  die  Malerei 
einen  ähnlichen  Weg  bereits  eingeschlagen  hatte,  aber  sie 
hat  denselben  nicht  weiter  verfolgt,  sie  hat  ihn  wieder  in 
jüngster  Zeit  \  erlassen.  Und  die  neueste  Richtung,  in  der 
sie  sich  beweist,  kann  ich  nicht  als  einen  Fortschritt  be- 
trachten, noch  weniger  bin  ich  der  Meinung,  dals  sie  dadurch 
an  Volkstümlichkeit  gewonnen  hat  Sie  hat  ihre  Zuflucht 
zu  ausgeklügelt  symbolischen  Darstellungen  genommen,  mit 
denen  ohne  Kommentar  niemand  etwas  anzufangen  weiüs.^) 

Nun  könnte  man  vielleicht  gegen  dies  alles,  gegen  die 
Betonung  des  \  c)1kstnmHc]ien  Elementes  in  der  Kunst,  den 
Einwand  erheben,  dafs  dadurch  ein  Rückschritt  im  künst- 
lerischen Schaffen  herbeigeführt  werden  würde;  ich  glaube, 
dafs  der  Hinweis  auf  die  mittehUterliche  und  besonders  die 
antike  Kunst  denselben  zu  entkräften  vermag:  dieselbestand 
ja  keineswegs  trotz  all  ihrer  Volkstümlichkeit  hinter  der 
unseren  zurück  Auch  der  Einwand  ist  hinfallig,  dafs  das 
Gebiet,  welchem  der  Künstler  seinen  Stoff  entlehnen  solle, 


')  Audi  in  che  Litteratur  hat  sich  allerdingfs  in  dertieueren  Zeit 
die  S3anboük  eingeschlichen  —  leider! 


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I>T-  Pbv^  B«ri;^iB«tin. 

allzu  sehr  eingeschränkt  werde.  Die  vielgestaltigen  Verhält- 
nisse des  modernen  Lebens  und  die  vaterländische  Geschichte 

repräsentieren  doch  wahrÜch  kein  /ii  enges  Gebiet  für  die 
Stoffauswahl.   Und  mit  Be/.ug  auf  die  Zukunft  werdeu  diese 
Einwände  erst  recht  keine  (jeUnni;  liaiien,   Tnit  Be'/nq^  nuf 
die  Zeit  nämlich,  da  der  Jn«::^end- Unter  rieht  eine  ^rnndHclie 
Reform  erfahren  ]ial)en  w  ird,  w  ie  sie  nacli  fast  aller  Ansicht 
dringend  geboten  erscheint  und  nicht  mehr  lange  auf  sich 
warten  lassen  kann :  dann  wird  auch  die  ästhetische  Bildung 
in  der  Erziehung  eine  grossere  RoUe  spielen  als  bisher,  dann 
wird  das  historische  Wissen  aller  Glieder  des  Volkes  ein 
umfangreicheres  und  ticfr  v    sein.*)  Was  soll  aber  der  Staat 
weiterhin,  anfscr  dafs  er  die  Kuu'^t,  '^o  viel  an  ilnn  liegt,  in 
volkstümliche  Mahnen  lenkt,   thun,   um  das  \'olk  mit  den 
Kunstsehätzen   wirklich  bekannt    zu   machen?    Soweit  die 
bildenden  Künste  in  Betracht  kommen,  werden    -  und  /war 
nicht  blofs  in  den  grofsen  \'erkehrs-Zentren  —  staatliche 
Kunstsammlungen  anzulegen  sein,  zu  denen  der  Zutritt 
jedermann  freisteht  und  zwar  nicht  nur  an  einigen  Vor- 
mittagsstunden,  sondern   während  des  ganzen  Tages  und 
noch  eines  Teiles  des  Abends  —  denn  sonst  wird  der  Besuch 
ja  den  erwerbenden  Klassen  (weniiifstens  an  Wochentagen) 
uninö.t;lich  gemacht. .  Natürlich  bieten  auch  <'>tfentliclie  Hauten 
und  sonstige  Anlagen  ( Tclejj^enheit.  die  AutuR  i ksanikeit  des 
Volkes    auf    die    bildenden   Künste  zu   lenken.     Was  die 
redenden  Künste  und  die  Musik  betrifft,  so  würde  es  die 
Aufgabe  des  Staates  sein,  im  groisen  Mafsstabe  für  Volks- 
bibliotheken Sorge  zu  tragen,  ferner  von  Zeit  zu  Zeit  drama- 
tische und  musikalische  Aufführungen  zu  veranstalten  — 
ich  betone  wiederum :  niclit  etwa  blofs  in  den  grofsen  vStädten 
-  -  deren  Besuch  an  kein  Eintrittsgeld  gebunden  sein  dürfte. 
Was  sonst   noch  zu   thun   übrig  bliebe  für  die  Pflege  des 
ästhetischen  Interesse  im  Volke,  das  wäre  dann  Sache  privater 
Vereinigungen. 

Solche  Veranstaltungen,  wie  die  oben  zuletzt  vorge^ 
schlagenen,  würden  weiterhin  auch  einen  günstigen,  ver- 
edelnden Einflnfs  auf  das  gesellige  Leben  ausüben.  Dafs 
unsere  moderne  Geselligkeit  sehr  viel  zu  wünschen  übrig 
läfst,  darül)er  kann  kein  Zweifel  herrschen.  In  den  höheren 
Ständen  raffinierte,  materielle  (ienufssucht,  jtnmkende  Re- 
präsentation, blofses  Kokettieren  mit  geistigen  tienüs.sen 
in  den  niederen  Ständen   inuner  weiter  um  sich  greifentle 

M  da/u  (lit  Ansfühninjftn  im  /.weiten  K,i]5iti'l,  ferner  meine 

Arbeiten:  Die  evolutioniütische  Hthik  als  (irundla>;e  der  wissen- 
schaftlicheu  Pädagogik»  (Neue  Bahnen  V,  Heft  i-ü  und  ZiirPra^e 
des  Oeschichtfi- Unterrichtes-  (I^hrerin,  XI.  Jahrgang,  Heft  2). 


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Adam  Smith»  p&diiKogi>cb«>  Aniiirht4>n  und  Kritik  der>fllb«ii.  f^r 


W'iTolimii;.  W  ird  dieser  kl/Acren  durch  direkte  und  indirekte 
Mafsrej^elii   kräftij;  '^esteiu-rt,   j^^reift   in   der   i^rnisc!]  ^Tnsse 
des  \\)lkes  dasStreheii  nach  liöhereii  idealen  (ienü.-^.^*  !!  wieder 
mehr  Platz,  dann  werden  auch  die  höheren  Stände  nicht 
zurückbleiben  wollen  und  solchen  Interessen  bei  ihren  ge- 
selligen Veranstaltungen  den  Vorrang  im  Ernste  und  nicht 
blofs  zum  Scheine  einräumen.    Weiterhin  gilt      aber,  Ein- 
richtungen zu  treffen,  welche  alle  Kreise  des  Volkes  zu  ge- 
meinsanier Ctesellij^kLit  zusammenführen.    Ich   habe  dabei 
\'olksfeste  im  Auge,  die  in  gewissen  ZwiselRuräumen  wieder- 
ktlncii   und  alle,   h«)ch  und  niednif.  reich  und  arm,  zu  o^e- 
UK'iuschaUlichcni  \  ergnügeu  \  ereinigen  niüisLcn.   Hin  sulclies 
Öffentliches  Festleben  würde  sich  z.  B.  sehr  leicht  an  die 
Spiele  der  Jugend  anschliefsen  lassen.    DaXs  ich  dabei  an 
solche  wie  unsere  heutigen  sogen.  \'olksfeste  mit  ihrem 
widerwärtigen  Jahrmarktstnibel  und  ihren  zum  teil  sehr  wenig 
dezenten    Belustigungen    nicht    denke,    bedarf   wohl  kaum 
der    Erwähnung.     Xatürlich    müssen    die   höheren  Kreise 
sieh    nicht  dadurch  abhalten  las.sen  zu  erscheinen,   dals  das 
toruial -gesellschaftliehe   Henehmen   ihrer   geringeren  \'olk.s- 
genussen  unter  den  gegenwärtigen  \'erhältnissen  ihren  An- 
forderungen an  feine  Manieren  nicht  entspricht;  sie  müssen 
denselben  vielmehr  entgegenkommen,  müssen  bedenken,  dafs 
sie  daran  zum  grofsenTeil  die  Schuld  durch  ihre  Exklusivität 
tragen.    Später,  wenn  erst  die   öffentli  Ii.    Erziehung  der 
Jugend  auch  in  diesem  Punkte  ihre  Mib.siun  in  der  rechten 
Weise  erfüllt  hat,  wird  dieses  iiedenken  ja  von  selbst  weg- 
fallen.   Wie  weit  der  staatliche  Anteil  an  der  Pflei^^e  solcher 
Cieseiligkeil  gehen  soll,  ist  leicht  darau.s  ersichilicli,  dafs  ich 
das  öffentliche  Festleben  an  die  Spiele  der  Jugend  anzu- 
schliefsen  vorschlug  —  diese  aber  sind  ja  ein  Bestandteil 
des  öffentlichen,  staatlichen  Erziehungswesens:  den  Leitern 
dieser  Spiele,  also  öffentlichen,  staatlichen  Beamten,  wird 
auch,  vielleicht  im  Verein  mit  und  unter  Beihilfe  von  anderen 
öffentlichen  Persönlichkeiten,  die  lAitung  der  darauf  folgen- 
den Festlichkeiten  obliegen.   Im  übrigen  steht  auch  liier  der 
i'rivatthätigkeit  ein  weites  I'eld  offen. 

Dafs  durch  alle  die.se  Miifsnahmen  und  Bemühungen 
ein  Zustand,  der  gar  nichts  mehr  zu  wünschen  übrig  Heise, 
hergestellt  werden  würde,  einer  solchen  optimistischen  Hoff- 
nung gebe  ich  mich  selbstverständlich  nicht  hin;  aber  dafs 
bessere  und  gesündere  Wrhältuisse  als  die  jetzt  l)estehenden 
dadurch  herbeigeführt  werden  k(')nnen,  d:nnu  hin  ich  übcr- 
zeui^t.  Rohe  (lesellen,  die  jedem  edleren  iyebeusgenusse 
.iblk»)(l  sind  nuei  nur  au  wüsten  Trinkgelagen  und  anderen 
Au.sschweitungen  Cietallen  lintlen,  wird  es  vermutlich  immer 


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i86 


g^eben,  solanqrc  die  alte  Erde  steht.  Es  werden  niemals  alle 
Menschen  ein  gleich  empfängliches  Gemüt  fiir  das  Knnst- 
schöne  besitzen;  immer  wird  es  mehr  oder  weniger  fein 
organisierte,  stets  wird  es  neben  durch  und  durch  ästhetischen 
auch  solche  Naturen  eeben,  denen  so  gut  wie  jeder  künst- 
lerische Geschmack  abgeht  Aber  soweit  erzieherische,  au! 
alle  Altersklassen  gerichtete  Bestrebungen  vermögen,  die 
Zahl  der  feinfühligeren  Naturen  zu  vermehren,  mufs  alles 
gethan  werden,  um  dieses  Resultat  zu  erzielen.  Als  nnfiher- 
stei gliche  Schranke  darf  nur  die  spezifische  Beanlagung  au- 
gesehen werden. 

Das  soeben  (  resagte  gilt  auch  für  diejenigen  Bestrebungen, 
welche  die  religiöse  und  moralische  Belehrung  des  Volkes 
zum  Zwecke  haben.  Welche  Mafsnahmen  sollen  nun  aber 
in  dieser  Beziehung  überhaupt  getroffen  werden?  Hören  wir 
zunächst  wieder  Smiths  Ansicht  darüber.  Nach  dem  schon, 
ziemlich  am  Reginn  dieses  Kapitels,  (icsagten,  kann  es  uns 
nicht  wniulern,  wenn  er  hier  als  Lehrer  \'olkcs  mir  die 
( leistlieheii  im  Auge  hat.  Aber  es  ist  bemerkenswert,  dafs 
unser  Philosoph  mit  voller  Entschiedenheit  sieli  gegen  einen 
selbständigen,  mit  Zwaugsgewalt  ausgerüsteten  Kirclienorga- 
nismus  nach  dem  Muster  der  katholischen  Kirche  wie  auch 
gegen  jegliche  Einmischung  der  weltlichen  Machthaber  in 
religiöse  Dinge,  gegen  die  Einrichtung  von  Staatskirchen, 
wie  sie  die  Reformation  im  (^icfolge  hatte,  wendet  Vielmehr 
hält  er  es  für  wünschenswert,  dafs  es  eine  grofse  Menge  von 
religiö.sen  Sekten  gebe,  und  dafs  es  jedem  freistehe,  sich  seine 
Religion  und  denii^emäfs  seinen  Prie.su  i  nach  eigenem  Be- 
lieben zu  wählen.  (Weaith  S.  355).  Ja,  er  ist  geneigt,  es 
als  einen  idealen  Zustand  anzusehen,  wenn  jede  Gemeinde  eine 
kleine  Sekte  für  sich  bildete.  Schlimme  Polgen,  meint  er, 
könnten  solche  Verhältnisse  nicht  haben;  nur  da  sei  »der 
rührige  und  interessierte  Eifer«  von  Rehgionslehrern  gefähr- 
lich und  störend,  wo  es  entweder  eine  geduldete  Sekte  im 
Volke  giebt,  oder  wo  das  ganze  Volk  in  zwq'i  oder  drei  grofse 
Sekten  zerfällt,  deren  Prediger  unter  fester  Zucht  tuid  T  'nter- 
ordnnng  stehen.  V^ollkonnnen  unschädliclr ,  fährt  er  fort, 
*mufs  aber  dieser  Eifer  sein,  .wo  das  \'olk  in  zwei-  oder  drei- 
hundert oder  gar  in  viele  tausend  kleine  Sekten  zerfallt, 
deren  keine  grofs  genug  wäre,  um  die  öffentliche  Ruhe  zu 
stören.  Die  Prediger  jeder  Sekte  würden,  da  sie  sich  auf 
allen  Seiten  von  mehr  Feinden  als  Freunden  umringt  sehen, 
sich  notwendig  jener  Redlichkeit  und  Mäfsignng  beflcifsigen 
müsst-n,  die  man  so  selten  unter  den  Predigern  der  grofs  :n  Reli- 
gions-Ciemiinseliaften  findet    fWealth  S.  I^r  hofft  von 

einem  solchen  Znstande  aber  noch  mehr  gute  Wnkungen. 


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i87 


Er  meint,  auf  diese  Weise  würde  auch  in  religiösen  Dingen 
eine  Art  Konkurrenzkampf  entV)rcTinc!i,  der  drizn  ftiliren  würde, 
die  religiösen  Anschauungen  imnicr  iiulir  /u  Ifiutcin  und 
schliefslicli  eine  reine  Vernunft-Religion  lier/.ustclkn.  Kv  sagt 
nämlich  (cht-ndas.):  Die  Prediger  jener  kkincu  Sekten  wür- 
den, da  sie  fast  ganz  allein  ständen,  genötigt  sein,  die  Pre- 
diger fast  jeder  anderen  Sekfe  zu  respektieren,  und  die  Kon- 
zessionen, die  sie  im  eigenen  Interesse  einander  machen 
müfsten,  konnten  mit  der  Zeit  zu  der  reinen  und  vernünf- 
tigen, von  jeder  Beimischung  von  Albernheit,  Betrng  und 
Fanatismus  freien  Religion  fülircn,  wir  sie  m  allen  Zeiten 
der  Mensclilieil  weise  Männer  hergestellt  zu  sehen  wünschten. 
Eine  bedeutsame  Stelle,  welche  zeigt,  dafs  Smith  im  Grunde 
seines  llcr/ens  ein  echter  Rationalist  war,  was  aus  seinen 
sonstigen  auf  die  Religion  bezugnehmenden  Bemerkungen 
nicht  ohne  weiteres  ersichtlich  ist  Nehmen  wir  dieselben  hin- 
zu, so  finden  wir,  dafs  er  allerdings  ein  Rationalist  im  Sinne 
seiner  Zeit  war:  von  dem  r,lai;1>en  an  einen  personlichen 
(r  -tt  um]  eine  individuelle  Unsterblichkeit  hat  er  sich  nicht 
frei  geniaclit. 

Auf  einen  uns  .\h)dernen  gewifs  selir  sympatliischeu  Oe- 
danken  mufs  ich  im  Anschlufs  hieran  noch  hinweisen.  Icli 
habe  schon  früher  erwähnt,  dafs  Smith,  um  das  Studium  det 
Wissenschaft  und  Philosophie  möglichst  allgemein  zu  machen, 
Prüfungen  in  allgemeiner  Bildung  (>:in  den  höheren  und 
schwierigeren  Wissenschaften  )  für  alle  diejenigen  eingeführt 
zu  wissen  wünscht,  welche  sich  um  irgend  ein  höheres  öffent- 
liches Amt  zu  bewerben  beabsichtigen.  Da  er  ausdrücklich 
sagt,  dafs  ein  solches  Verfaliren  anLserordentlich  wirksam  sei, 
um  jeglicher  Art  x  im  I'^inatisuius  und  Aherglanhen  zu  steuern, 
dafs,  wo  die  höheren  »Stände  des  Volkes  dagegen  gesieliert 
seien,  auch  die  niederen  ihm  gar  nicht  arg  ausgesetzt  sein 
können  (Wealth  S.  357),  ist  wohl  als  seine  Meinung  anzu- 
nehmen, dafs  auch  die  künftigen  Geistlichen  einer  solchen 
Prüfung  sich  unterzielien  s(dlen.  Demnach  würde  der  Staat 
doch  nicht  oline  jeden  Kinflufs  auf  d'\*^  religiös-sittliche  Volks- 
erziehung sein.  .\uch  insofern  verlangt  er  von  der  Regierung 
noch  Kinmischung  in  die  reli,L;ii"'seu  Angelegenheiten,  als  er 
ihr  das  Recht  zu.sprichl,  die  \  erschiedeuen  einzelnen  vSekteu 
zu  zwingen,  einander  unbehelligt  zu  lassen.  (Wealth  S.  356). 

Aus  allen  diesen  Ausführungen  ergiebt  sich  ganz  von 
selbst,  dafs  von  einem  R angunterschiede  unter  den  (rcist- 
lichen  keine  Rede  sein  kann  ;  ich  nuichie  aber  doch  noch 
ganz  besonders  auf  diesen  Punkt  autinerksam  Tuachen,  den 
Smith  wiederholt  hervorhebt.  Xatürlich  werden  unter  solclicn 
Verhältnissen  auch  die  Cieliälter  der  Cieistliciien  ziendich 


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rS8  Dr*  i^ul  Benr^miiRn. 

j^leich  )4i'(>ls  sein  und  niemals  ein  gewisses  Mittelniafs  ül)er- 
steij^en  ein  Tinstand,  dem  unser  Philosoph  eine  <j;r<)l"se  I*)e- 
dciUun;;»  l>eilegt.  Ki  sagl  ^Wealth  S.  364):  Wenn  die  geist- 
lichen Stellen  alle  ssiomlich  gleich  dotiert  sind,  so  kann  keine 
sehr  grofs  sein,  und  dieses  Mittelmafs,  obwohl  es  zu  weit 
getrieben  sein  kann,  hat  doch  sehr  gute  Folgen.  Nur  eine 
untadelhafte  moralische  Lebensführung  kann  alsdann  einem 
solchen  Manne  von  schmalem  ftinkommen  Würde  verK  ilif  n. 
Die  Laster  des  Leichtsinns  und  der  ICitelkeit  machen  ilui 
l'u-lierlich  und  sind  überdies  für  ihn  fast  so  verderblich,  wie 
für  die  gewöhnlichen  Leute.  Der  (leistliche  ist  bei  einem 
geringen  Kinkommen  zu  demjenigen  Lebenswandel  genötigt, 
den  die  niederen  Stande  am  meisten  achten.  Er  gewinnt  also 
ihre  Achtung  und  Liebe  durch  den  Lebenswandel,  den  sein 
Interesse  und  seine  Lage  ihm  vorschreiben.  Die  niederen 
Stände  sehen  auf  ihn  mit  der  Freundlichkeit,  mit  der  wir 
jemanden  zu  betrachten  pflegen,  der  sich  nnj^efrihr  in  unserer 
Lage  befindet,  und  der  uns  doch  für  höher  gestellt  gilt,  ihre 
Freundschaft  ruft  natürlich  die  seinige  hervor,  ]^r  bemüht 
sich  (infolge  dessen»  um  ihre  Unterweisung  und  ihut  alles, 
um  ihnen  beizustehen  und  zu  helfen.  Er  verachtet  selbst  die 
Vorurteile  der  Leute  nicht,  die  gegen  ihn  so  günstig  gesinnt 
sind,  und  behandelt  sie  niemals  mit  der  Geringschätzung  und 
Anmafsung,  der  man  so  oft  bei  den  hochmütigen  Würden- 
trägern reicher  und  wohldotierter  Kirchen  begegnet.  Fest- 
haltend an  seiner  uns  schon  bekannten  Überzeugung,  dafs 
teste  Gehälter  aus  irgend  welchen  öffentlichen  T^>n(ls  zumeist 
keine  günstige  Wirkung  ausüben,  wünscht  er.  dals  der  Geist- 
lichen Hinkommen  in  den  freiwilligen  Beiträgen  ihrer  Zu- 
hörer <  bestehen  solle  (Wealth  S.  35^). 

Dafs  die  religiösen  und  moralischen  Belehrungen  des 
Volkes  ebenso  wie  die  politischen  und  wissenschaftlichen 
einen  durchaus  privaten  Charakter  an  sich  tragen  sollen, 
habe  ich  schon  vorher  hervorgehoben.  In  dieser  HeHeliung 
stimme  ich  ganz  mit  iSmith  überein.  Wie  er,  sage  auch  ich 
weiterhin:  nur  in&olcrn  kann  die  staatliclic  luninischung 
hier  in  Betracht  kommen,  als  der  Staat  darüber  zu  wachen 
hat,  dafs  die  einzelnen  Religtons-Gemeinschaften  einander 
auf  keinerlei  Wei.se  anfeinden.  Und  wie  er,  bin  auch  ich 
der  Ansicht,  dafs  der  Staat  das  Recht  haben  mufs,  nur  solche 
Personen  als  die  religiösen  und  moralischen  Lehrer  und 
Führer  des  \'olkes  anzuerkennen,  welche  sich  darüber  aus- 
weisen k'Miiien,  dafs  sie  eine  vielseitige,  dem  jeweiligen  K.ul- 
lur.standpnnkte  entsprechende  allgemeine  Bildung  und  zwar, 
wie  ich  genauer  j>räzisieren  möchte,  philosophische,  historische 
und  naturwissenschaftliche  Bildung  besitzen,  und,  füge  ich 


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189 


hinzn,  deren  Charakter  ein  makelloser  ist  Der  Staat  mtifs, 
mit  einem  Worte,  der  Hüter  religiöser  Freiheit,  Aulkläning, 

Toleranz  und  religiösen  Friedens  sein.  Mehr  Recht  aber 
darf  er  sich  bezüglich  der  religiösen  Angelegenheiten  nicht 
anmafsen;  nie  darf  er  sich  in  die  inneren  Ani^e1e<jfenheiten 
der  verschiedenen  Religi()]is-(  icnieinscliaftcn  mische  n  -  eine 
öffentliche,  staatliche  KnUusj>fk\ij^e  ist  durchaus  überiliissi;^. 
Aber  vor  alicni  duii  die  Politik  nie  die  Religion  zu  flilte 
nifen,  um  sich  ihrer  als  einer  Polizeimafsregel  zw  bedienen; 
und  nie  darf  die  Regierung  die  eine  Lehre  mehr  begünstigen 
als  die  andere.  Wollte  man  aber  sagen,  dafs  ich,  auf 
einem  solchen  Standpunkte  stehend,  den  Staat  zum  mindesten 
nicht  als  (Uu  Hüter  der  rcli'jiösen  Auflärnng  hinstellen 
dürfte,  so  nn'ichtc  ich  darauf  hinweisen,  dafs  wir  heut'/utage 
vom  Staate  eine  unmittelbare  Sorgfalt  für  das  Wohlbetinden 
der  lUirger  verlangen.  Zum  Wohlbefinden  gehört  aber  auch, 
dafs  der  religiöse  Olaubc  mit  der  jeweiligen  empirischen 
Weltkenntnis  harmoniere.  Bin  -  hier  vorhandener  Zwiespalt 
hält  den  Mensehen  in  einer  fortwährenden  spektischen  Schwebe, 
beeinträchtigt  also  die  Ruhe  des  Gemütes  und  somit  das 
gesamte  Wohlbefinden  sehr  wesentlich. 

Vit-neicht  ist  es  jedoch  ein  f^rofser  Irrtum,  wenn  ich 
bchauplt.  dals  der  Staat  sich  uiclit  in  religiöse  Angelegen- 
heiten mischen  darf,  dafs  er,  um  es  noch  deutlicher  auszu- 
spreclien,  uui  dem  lioden  völliger  Parität  und  Konfesüions- 
losigkeit  stehen  nmh.  Vielleicht  trifft  doch  der  bekannte, 
dereinst  (im  Jahre  1555)  aufgestellte  Gnmdsatz  „ejus  regio, 
cuius  religio'^  das  Richtige.  Ich  glaube  nicht.  Der  Staat  i.st^ 
wie  gesagt,  (Tcsellschaft-seinheit  und  daher  weiterhin  Besitz-, 
Rechts-  und  Hildungs-ncmeinschaft.  lusolern  er  das  letztere 
ist  und  insofern  die  religiöse  Pildunj^  ein  unveräufserlicher 
Ik'slandieil  der  allgemein  humanen  Bildung  ist,  hat  er,  wie 
wir  gesehen  haben,  dafür  zu  sorgen,  dafs  der  Schulunterricht 
die  allgetnein-nienschlichen  Grundlagen  religiöser  Weltan- 
.schauung  berücksichtige.  Deshalb  kann  ich  auch  nicht  so 
weit  wie  Ziegler  gehen,  welcher  sagt  dafs  der  Staat  sich 
auf  den  Boden  der  Religionslosigkeit  stellen  müsse.  .Aber 
das  (^rleidet  heute  gar  keinen  Zweifel  mehr,  dafs  die  Zuge- 
hörigkeit der  cinzehien  Slaatsbürq-cr  zu  dieser  oder  jener 
bestimm  te  il  (ilaubensgemeinschalt  durchaus  Sache  der  freien, 
individuellen  Überzeugung  ist.  Darüber,  in  welcher  (Glaubens- 
gemeinschaft der  Knizelne  Befriedigung  seiner  religiösen 
Bedürfnisse  finden  kann,  vermag  ja  niemand  aufser  ihm 
selbst  zu  entscheiden.   Ein  diesbezügliches  Eingreifen  des 

Religion  und  Religionen.   Stuttgart  1893.   S.  100. 


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190 


l>r.  Paul  BfTtfrtnRnn. 


Staates  weisen  wir  als  eine  gänzlich  ungerechtfertigte  Tyrannei, 
als  (jCwissens/Avang-  ab.  Und  zwar  wollen  wir  nicht  blofs 
von  einem  direkten  Zwaiiq-e  nichts  wissen,  sondern  wir  ver- 
werfen ancli  jeden  indirekten  Druck:  wir  verlanj^en,  dals  der 
Staat  sämtliche  bürj^erlichcn  Rechte  seiner  Anj^^ehörigen 
vom  religiösen  Bekenntnisse  vollständig  nnabhängig  halte. 
Der  Staat  ist  nach  unserer  heutigen  Anschauung  nicht 
Glaubensgemeinschaft  —  die  Aufrechterhaltnng  eines  Staats- 
kirchentums  erscheint  uns  als  unvereinbar  mit  dem  Begriffe 
des  modernen  Staates. 

Wie  Smith  bin  anch  ich  weiterhin  der  Meininicf,  dafs  es 
von  j>;re>lseni  \'orteile  w-äre,  wenn  es  in  demselben  Staate  eine 
grofse  Menge  kleiner.  selbständii»-er,  von  einander  unabhäng  i  ger 
Religions-Genieinsehailcn  gäbe,  statt  zweier  oder  dreier 
Kirchen.  Die  grofsen  Kirdiengenieinschaften  erfordern  einen 
komplizierten  Verwaltungs-Apparat^  eine  straffe  Organisation, 
ein  wohl  diszipliniertes,  nach  Rani^abstufungen  gegliedertes 
Priesterheer.  vSie  müssen  femer  mit  einer  gewissen  Zwangs- 
gewalt ans^erüstet  sein,  nm  alle  die  vielen,  individnell  so 
verschiedenen  Kiemente  /nsammenhalten  zn  können.  So  bilden 
sie  gleichsam  Staaten  im  Staate.  Die  Machtbefngnisse,  mit 
denen  sie,  wie  gesagt,  notwendigerweise  ansgerüstet  sein 
müssen,  verführen  sie  znr  Überschreitung  der  ihrer  Wirksam- 
keit gesetzten  Grenzen,  erzeugen  in  ihren  Dienern  das  Laster 
der  Herrschsucht  Die  Folge  davon  ist  nicht  nur,  dafs  sie 
sich  gegenseitig  befehden  und  so  die  öffentliche  Ruhe  stören, 
sondern,  dafs  sie  alle  auch  auf  die  Regierung  Kinflufs  zu  ge- 
winnen versnche^n  und  sich  in  die  politischen  Angelegen- 
heilen einniisehen,  um  ihre  Maclusphärcu  zn  vergröfsern. 
Indem  sie  so  die  religiösen  mit  poliiiselicn  Interessen  ver- 
mischen, führen  sie  eine  totale  Spaltung  des  Volkes  in  ein 
.paar  grofse  Parteien  herbei  und  gefährden  den  Bestand  des 
Staates.  Wollte  man  aber  nun  auch  annehmen  und  hoffen, 
dafs  in  Zukunft  die  leitenden  kirchlichen  Kreise  einer  weisen 
Mäfsigung  sich  befleifsigen  werden,  so  macht  sich  gegen 
solche  grofse  religiöse  Wi1)ände  noch  ein  anderes  Hedeukt  n 
geltend.  Dieselben  k(")nneu  «nicht  ^cnng  Rücksicht  auf  das 
individuelle  rehgiöse  I>edürfnis  nehmen.  Dafs  die  gegen- 
wärtig bestehenden  Kirchen  mit  ihrem  in  leblosen  i  ornieln 
erstarrten  Dogmenkram  dasselbe  so  gut  wie  überhaupt  gar 
nicht  befriedigen,  ist  eine  Thatsache,  hinsichtlich  welcher 
man  sich  wohl  kaum  einer  Täuschung  hingeben  kann.  Eine 
von  diesen  selbst  ausgehende  Wandlung  zum  besseren  scheint 

')  Ich  ziehe  diese  Bezeichnnn^  dem  von  Smith  gebrauchten  Aus- 
drucke Sekte  vor,  weil  nach  der  ^äfcwdhnlichcn  Auffassung  dem- 
S(;ibeu  ein  gewisses  Udium  anhaftet. 


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Aiam  Bmitkt  i»Idag«flKoh«  AB>iebt«ii  und  Krltilt  demlb««. 


191 


mir  aber,  soweit  ich  die  Verhältnisse  beurteilen  kann,  ^anss 
ausgeschlossen  zusein.  Nehmen  wir  jedoch  an,  dafs  sie  unter 
dem  Zwange  des  Zeitgeistes  sich  endlich  zu  einer  gründlichen 
Reform  verstellen,  wird  dann  die  Snclilaq^e  betreffs  jenes 
Punktes  Befriedigung  der  individuellen  religiösen  Bedürf- 
nisse -  eine  günsligere?  Ich  glaube  nicht  Nirgends  treten 
bei  reifen,  denkenden  Mtn.schen  die  individuellen  Verschie- 
denheiten schroffer  hervor  als  da,  wo  es  sich  um  die  reli- 
giösen Gefühle  und  Vorstellungen  und  die  ihnen  adäquaten 
symbolischen  Funnen  handelt  Eine  Einigung  in  dieser  Be- 
Ziehung  lälst  sich  nur  auf  dem  Wege  des  unmittelbaren 
Meinungsa!istauscbes  erj^ielcn.  Kin  solcher  ist  aber  immer 
nur  in  einem  kleinen  Kreise  möglich.  Darum  also,  im  In- 
teresse angemessener  religiöser  Ikdürfnis-Befriedigung  bin 
ich  mit  Smith  ganz  einverstanden,  dafs  an  die  Steile  einiger 
weniger  grofsen  Religions-Genteinschaften  eine  grofse  Menge 
kleiner  treten  sollten.^)  Ich  bin  fest  davon  überzeugt,  dafs 
das  religiöse  Leben  alsdann,  befreit  von  jedem  kirchen-regi- 
mentlichen,  das  Ganze  bureaukratisch  regierenden  und 
nivellierenden  Oeiste,  sich  auf  das  herrlichste  entfalten  würde. 

Freilich  ist  noch  die  hVai^e  /n  beantworten,  wie  wir  die 
Erreichung  dieses  Zieles  anbahnen  sollen.  Dafs  wir  von 
unseren  Kirchen  auf  kein  Kntgegenkommen  dabei  zu  rechnen 
haben,  das  ist  wohl  ganz  zweifellos.  Eine  darauf  gerichtete 
Bewegung  müLste  eben  von  dem  Volke  ausgehen,  um  den 
Erfolg  ist  mir  nicht  bange.  Auch  könnte  man  sofort  einen 
guten  .Anfang  machen,  wenn  alle  diejenigen  —  und  die  Zahl 
derselbe:,  ist  wahrlich  nicht  gering  —  welche  nur  noch 
nominell  dieser  oder  jener  Kirche  angehören,  wirklich  die 
letzte  Konsequenz  ihres  Standpunktes  ziehen,  auch  formell 
aus  dem  kirclilicln  11  \'erbaude  aiisscheiden  und  je  nach  ihren 
religiösen  Überzeuj^ungen  sich  zu  neuen  kleinen  Religions- 
Gemeinschaften  zusammenschliefsen  wollten.  Nur  ein  wenig 
Mut  gehört  dazu  —  sollte  dieser  wirklich  bei  uns  eine  so 
seltene  Ware  geworden  sein,  wie  uns  viele  glauben  machen 
wollen?  Sollte  uns  die  knechtische  Rücksichtnahme  auf  diesen 
oder  jenen  äufseren  Vorteil  wirklich  so  sehr  zur  anderen 
Natur  geworden  sein,  dals  wir  darum  ideelle  Güter  gering 
achten  nnd  immer  tiefer  iu  dem  Sumpfe  der  Heuchelei  ver- 
sinken wollen? 

Wie  steht  es  aber  endlich  noch  um  die  moralische  Volks- 
erziehung? Dafs  ich  nicht  mit  der  Ansicht  Smiths  einver- 

M  .Ahnhche  Zustände  finden  wir  hcutzutaj^e  hertits  in  Nord- 
.'\nicrika.  Diejenijjcn  (etwa  die  Angehörigen  einer  Stadt),  deren  An- 
schauunj^en  ein  (  »eisthcher  genehm  ist,  scharen  sich  um  diesen,  und 
so  bildet  sich  eine  Gemeinde. 


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Dr.  Sfa»l  D^vemiinB. 


Stauden  bin,  dafs  dieselbe  b  1  o  fs  im  Anschlüsse  an  die  reliß^iöse 
auftreten  solle,  habe  ich  schon  oben  angedeutet.  Allerdings 

mochte  anch  ich,  wie  ans  meine:!  bislierij^^en  Ansführnno^en 
hervorsteht,  in  denen  ich  ja  an  iiianclien  Sulleii  von  den 
religiösen  nnd  moralischen  Volksci /iehern  spiaeli,  eine  Ver- 
bindung von  Religion  und  Moral  nichl  enLl)eliren.  Aber  gegen 
eine  allzu  enge  Verschlingung  'von  Religion  und  Moral 
sprechen  anderseits  doch  mancherlei  Bedenken*)  —  sofern 
man  z.  R.  an  der  Persönlichkeit  Gottes  und  einem  indivi- 
duellen Fortleben  nach  dem  Tode  festhält:  die  Moral-Gebote 
erscheinen  dann  als  heterononie,  das  Thun  dc>  (hiten  er- 
scheint durch  das  Seligkeitsinteresse  motiviert.  Und  dafs 
derartige  religiöse  X'nrstellnngen  in  der  Zukunft  gänzlich 
verschwinden  werden,  wird  man  doch  auch  nicht  annehmen 
können  -  für  die  nächste  Zukunft  ganz  gewifs  nicht.  Auch 
wird  es  immer  Menschen  von  ntir  geringem  religiösen  Interesse 
und  solche  geben,  welche  trotz  lebhaften  religiösen  Interesses 
nicht  das  Hedürfnis  haben,  mit  anderen  in  eine  religiöse  Ge- 
meinschaft zu  treten.  lU  i  so  beanlagten  Naturen  können 
aber  rein  morrdisclie  l'c  U  ln  nngen  sehr  wohl  .\nklmiq  finden. 
Und  (lals  solche  nicht  möglich  seien,  dafs  Moral  ohne  Religion 
ein  l'uding  sei,  wird  man  doch  nicht  im  Kruste  behaupten 
wollen :  dafs  es  eine  rein  weltliche  Moral  gicbt,  ist  ja  eine 
unbestreitbare  Thatsache  der  Erfahrung.  Daher  fordere  ich 
aufser  den  mit  den  religiösen  verbundenen  auch  noch  unab- 
hängige moralische  Belehrungen  für  das  Volk. 

S  c  h  1  u  fs. 

Nachdem  wir  nunmehr  Smiths  pädagogische  An.sichten 
in  ihrer  Totalität  kennen  gelenit  haben^  wird  es  angebracht 

sein,  trotz  der  gleich  bei  ihrer  Hes])rechung  gelieferten  Sonder- 
kritiken ein  zusannnenfassendes  Schlufsurteil  ül)er  dieselben 
abzugeben.  ICin  solches  ist  freilicli  nicht  m(')<»lich,  'Imc  dafs 
ich  .seine  in  der  Politik  niedergelegten  Ansrhrmiingen  hiei 
mit  berücksichtige;  demi  vSmith  hat  ja  das  »likutliche  Kr- 
zicluingswcsen  in  enger  Verl)iutlung  mit  den  politischen 
Problemen  abgehandelt 

Bs  ist  nun  ganz  unzweifelhaft,  dafs  Smith  in  seiner 
Staatslehre  noch  weit  mehr  als  in  der  Ökonomik  nach 
eineiii  mittleren  vStandpiuikt  strebt,  was  die  Auffassung 
der  dem  Staate  obliegenden  Pflichten  betrifft.  In  .seiner 
Wirtschaftslehre  huldigt  er  ziemlich  stark  dem  physiokra- 


')  Vgl.  auch  Zieglcr.  Rdiin^in  und  .Religionen  S.  65  ff.,  beson- 
ders S.  70  ff. 


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^93 


tischen  Grundsatze  des  Jamer  aüer  d  Untser  jxisscr",  will  er 
nicht  viel  von  einer  staatliclien  Einmischung  und  Regulierung 
wissen.  In  seiner  Politik  jedoch  vcrlanq^t  er  vom  Staate 
mancherlei  Fürsorge  sowohl  mit  Hezu«,»^  auf  die  niaterielltti 
als  auch  hcson<k:rs  auf  die  t^^eistigeti  lutcrtsscii  der  Hür<4^cM. 
Und  wenn  wir  heutzutage  auch  noch  bei  weitem  mehr  vom 
Staate  erwarten^  eine  weit  intensivere  positive  Wohlfahrts- 
und Wirtschafts-Pflege,  eine  weit  energischere  Fördening 
aller  auf  die  Volksveredelung  gerichteten  Bestrebungen, 
so  können  wir  doch  der  Smithschen  Staatslehre  unsere  Sym- 
pathie ni<"1i*  versacfcn  und  sind  gern  bereit,  die  in  dieser 
nn  Verhaltins  zur  ( )kon()iiiik  oline  Zweifel  zu  Tat^e  tretenden 
Inkonsequenzen  liebenswürdig  zu  finden.  Das  liild  des 
lebendigen  und  geistesniächtigen,  auf  Schulzwaiig  und  all- 
gemeine Wehrpflicht  gegründeten  Kulturstaates,  das  Smith 
vor  unseren  Blicken  entrollt,  ist  es  namentlich,  das  uns  un- 
widerstehlich anzieht  und  fesselt 

Und  nun:  welches  Schlufsurteil  sollen  wir  über  un.seres 
Philosophen  pädagogische  Ansichten  fällen?  Ich  habe  vielerlei 
daran  auszu.setzen  gehabt,  besonders  an  seinen  schnlorgani- 
sati»ri.schen  \'orschlägen.  Ich  fand,  dafs  er  oft  nicht  weit 
genug  mit  seim  n  Forderungen  gehe.  Aber  dies  alles  erklärt 
sich  eben,  wie  ich  auch  immer  gleich  andeutete,  aus  seinem 
Standpunkte,  und  dieser  ist  ja  wieder  durch  den  damaligeu 
Zeitgeist  bedingt  Gewifs  ist  Smith  demselben  gerade  in 
seiner  Politik  oft  vorausgeeilt,  ganz  seinem  Binflufse  konnte 
er  aber  auch  hier  sich  nicht  entziehen  —  das  h:ltle  auch 
kein  anderer,  noch  grosserer  (ieist  vermocht,  l  nd  wenn 
man  bedenkt,  wie  sehr  unser  Philosoph  in  seiner  Ökonomik 
unter  dessen  Herrschaft  steht,  so  ist  es  in  hohem  (iiade  zu 
bewundern,  dafs  er  in  der  Politik  sich  .so  weit  von  ihr  frei- 
gemacht hat  Die  in  der  Staatslehre  vorhandene  höhere 
Auffassung  der  staatlichen  Aufgaben  ist  jedenfalls  seinen 
pädagogischen  Theorien  sehr  zu  Gute  gekommen,  und  diesen 
günstigen  Eindruck  kann  der  Umstand,  dafs  die  in  seiner 
Volkswirtschaftslehre  sich  findeiule  engere  und  niedere  Auf- 
fassung und  manches  von  dort  herübergeholte,  als  extrem 
iKTeits  gekennzeichnete  Prinzi]),  wie  das  der  durchaus  freien 
Konkurrenz,  ihn  bisweilen  auf  halbem  Wege  halt  maciien 
lassen,  wohl  beeinträchtigen,  aber  nicht  verwischen. 

Der  enge  Zusammenhang  zwischen  seinen  pädagogischen 
Ansichten  einer-  und  seiner  Politik  und  Ökonomik  anderer- 
seits, der  mich  bewog,  eine  ziemlich  ausführliche  Darstellung 
dieser  der  Darlegung  jener  voranzuschicken,')  bedarf  keiner 

')  Vffl.  die  diese  Dar.stellunji  cntlialtendc  Hroschürc.  welche  jjleich- 
zeiti^j  mit  der  Herausgabe  d  i    .  erliegenden  Arbeit  in  den  P.äda- 


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194 


t>r.  Piiul  B«>rKein«iHb 


weiteren  Rrörtenuig.  Dafs  Smith  der  Ethik  bei  der  Kr- 
/fichimj^  eitu*  entscheidet! de  Rolle  ztnveist,  ist  ebenfalls  ans 
meinen  Ansfiihrnn.^cn  wohl  dcnllicli  liervor^eg;anjT^en.  l)oeli 
gestatte  ich  niii  darüber  hier  noch  ein  knrzes  Wort,  weil 
dieser  Znsammenhang  allerdings  nicht  so  klar  in  die  An^^en 
sjnin^t  wie  jener  andere.  Durch  die  Erziehung  soll  der 
Mensch  tugendhaft  und  kenntnisreich  werden,  damit  er  selbst 
in  dieser  wie  in  jener  Welt  glücklich  werde  nnd  das  (]luck 
seiner  Mitmenschen  anf  Ivrden  befördern  nnd  ihnen  nützen 
kann.  Der  Mensch  soll  dnrch  die  Kr/ichnnj;  ein  nützliches 
nnd  wohlwollendes  (waruK-  S\ni])alhiL'  für  den  Nächsten 
fühlendes)  Cilied  der  nienschliclien  (  Ksellschaft,  knrz:  ein 
gnter  Staats-  nnd  Weltbürger,  und  dereinst  ein  Erl>e  elcs 
Himmelreiches  werden.  Und  dieser  Zielstellung  entsprechen 
alle  die  von  ihm  vorgeschlagenen  erzieherischen  Mafsnahmen. 
Freilich  erscheint  mir,  der  ich  den  Eudämonismus  (die  endä- 
monologische  Betrachtnn  i^sw  eise)  zwar  nicht  als  unberechtigt 
nnd  keineswegs  als  entbelirlich  \  erwerfe,  wohl  aber  zur  (le- 
winnunn"  eines  obersten  Mcnal-Priuzijies  nntanglich  finde  (es 
ist  mir  von  untergeordneter  Uedentnng), ')  das  anq-egebene 
Erziehnngs-Ziel  nicht  weit  genug,  oder  zum  mindesten  ver- 
binde ich  doch  mit  demselben  einen  etwas  anderen  Sinn,  als 
der  isty  den  es  nach  Smiths  ethischer  Anschauung  haben  niuls. 

Auf  einen  Punkt  möchte  ich  endlich  noch  hinweisen  und 
denselben  besonders  rühmend  hervorheben:  ich  meine  den 
weiten  Hlick,  mit  dem  Smith  das  (ianze  der  Erziehnngs- 
Arbeit  n1)erschant.  Kr  zwänq-t  dieselbe  nicht  in  die  eni^'^en 
Grenzen  des  Hauses  nnd  der  Schule  ein,  sondern  er  dehnt 
sie  anf  das  ganze  Leben  des  Menschen  ans.  Darin  sollten 
iiiii  die  modernen  Pädagogen  sieh  entschieden  zum  Vorbilde 
nehmen.  Doch  ich  fürchte,  dafs  diese  Mahnung  ungehort 
verhallen  wird;  denn  dieselben,  namentlich  diejenigen  unter 
ihnen,  welche  sich  für  die  berufensten  Träger  der  Erziehungs- 
wissenschaft halten,  die  Anhänger  der  Herbart-Zilki  scheu 
Richtung,  versinken  innner  tiefer  in  der  methodischen  Klein- 
Arbeil  und  we  rden  dabei  kurzsichtig;  nnd  kleinlich,  so  klein- 
lich, dals  sie  jeden  kleinsten  neu  i^cfmidenen  Kunstj^riff  der 
Welt  als  eine  groise  Krrnngenschaii  üeter  Cieistesari>eit  unter 
lautem  Trompetenschall  verkünden. 

Zum  Schlüsse  mochte  ich  noch  mit  einem  Worte  auf  die  Art 


gogischen  Zeit  und  Streitfragen  im  nämlichen  Verlage  wie  diese 
erech einen  wird 

V)  Ich  weise  aui  meine,  aus  aiukicii  Aibcilcn  bekannte  L'nlcr- 
scheidung  zwischen  dem  Sittlichen  im  höheren  odtr  weiteren  und 
dem  im  niederen  oder  engeren  Sinne  hin:  dieiiem  kommt  für  jenes 
die  Stellung  des  Mittels  zum  Zwecke  zu. 


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'95 


und  Weise  eitigelien,  wie  ich  an  Smiths  pädagogischen  Theorien 
Kritik  geübt  habe.  \'iLlleiclit  macht  man  mir  einen  Vorwurf 
flaratis,  dafs  ich  die  (irenzen,  die  einer  historischen  Kritik 
j4  est  eckt  sind,  weit  überschritten  habe;  man  wird  saj^en,  dafs 
CS  mindestens  überllüssig  gewesen  sei,  tlcn  von  Smith  ge- 
machten X'orschlägen  andere  weitergehende  hinzuzufügen 
oder  entgegenzustellen.  Hätte  ich  nur  eine  historische  Skizze 
zu  geben  beabsichtigt,  so  würden  ohne  Zweifel  diese  Vor- 
würfe bereclitigt  sein;  aber  dies  war  gar  nicht  mein 
Wille:  ich  habe  von  vornherein  darauf  hingewiesen,  dafs 
ich  so  enge  (rrenzen  meiner  Arbeit  nicht  stecken  wolle. 
Worauf  es  mir  ankam,  das  war:  eine  produktive  Kritik  zu 
liefern,  und  Smith  st  i1)>i  war  mir  \'orbild  bei  diesem  Unter- 
nehmen. iMeilich  halle  icli  daliei  vor  ihm  einen  grolsen  Vor- 
teil voraus:  mehr  als  ein  Jahrhundert  liegt  zwischen  dem 
Erscheinen  seiner  Werke  nnd  meiner  Kritik,  und  die  mannig- 
fachen in  diesem  langen  Zeiträume  erschienenen  Leistungen 
erleichterten  mein  Beginnen.  Ja,  \  ielleicht  ist  man  geneigt 
zu  sagen,  dafs  es  eine  leere  Redensart  sei,  in  solchem  Falle 
noch  von  produktiver  Kritik  zu  sprechen.  Oewifs,  wenn  es  sich 
mn  eine  vollständig  abi^ethane  Richtung,  um  nach  dem  all- 
gemeinen Urteile  gän/.Hch  veraltete  -Anschauungen  handelt. 
Das  aber  ist  rücksichtlich  derjenigen  Adam  Smiths  eben  nicht 
der  Fall.  Und  deshalb  wollte  ich  das  von  ihm  Gebotene 
nicht  blofs  zum  Gegenstande  einer  historischen  Darstellung 
und  Kritik,  sondern,  soweit  es  mir  dazu  tauglich  schien,  zum 
Ausgangspinikte  und  zur  (irundlage  weiterer  Ausführungen 
maclien.  Daher  war  ich  der  Ansicht,  dasselbe  biete  nicht 
nur  ( relegenheil,  daran  meinen  kritiselien  Witz  zu  erproben 
luul  \\  idersprüche  heraus/ntinden,  .sondern  h'efere  wohl  noch 
weiter  wertvolles  ßauuialerial,  das  ich  nicht  unbenül/l  liegen 
lassen  wollte,  eingedenk  der  Dichterworte: 

Lcithl  ist's.  Widersprüche  finden, 
[st  (lein  Wit/.  nicht  all/u  sticht. 
Aliur  eins  ist  nicht  so  leicht: 
St>  die  (ilietler  zu  verbinden. 
Dafft  die  Widerspräche  schwinden 
Und  sich  au.s  da.s  («anze  gleicht 


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TTmgestaltuixg  des  Lelirplaiies  und 
der  Organisation  der  Yolksscliule 

nacjb.  den  Forderungen  der 
Gegenwart. 

Von  Jok.  Hrnmoheiilt  in  Crefeld. 

(Schhus.i 

Bevor  wir  zur  nähercTi  Ansfühning  dieser  »Sätze  «feheii 
können,  müssen  wir  sehen,  wie  mm  Orq^anisntion  nnd  Lehr- 
plan  anch  ineinander  g^reifen.  Der  Untcrriclit  soll  einen 
znsanmienhängenden,  festgeschlosscnen  Gedankenkreis  ci- 
zengen,  weil  nur  daraus  die  Gesinnung  befruchtet  werden 
kann,  nnd  die  Kenntnisse  nur  dann  stets  zum  Gebrauch  be- 
reitstehen. Dieser  Herbartsche  Satz  ist  an  sich  gewifs 
richtig,  nur  darf  er  nicht  anf  die  Spitze  getrieben  werden. 
Zum  Zwecke  der  Einheit  des  Gedankenkreises  ninfs  im  Lehr- 
planc  eine  organische  Verbindung  innerhalb  der  einzelnen 
Fäclier  nnd  der  Fächer  nnter  sich  vorgeselien  werden.  IWi 
obiger  Grnndlaf^e  der  Stoffwahl  er£»-iebt  sich  diese  Verbindung 
leicht  Aber  auch  die  Organisation  hat  dazu  mitzuwirken; 
sie  darf  ivenigstens  der  Einheit  nicht  entgegenstehen.  Es 
wäre  verkehrt  zu  glauben,  dafs  durch  den  Lehrplan  allein 
ein  fest^eschlossener,  innig  verbundener  Gedankenkreis,  ans 
dem  Gefühl  und  Wille  erwachsen,  hervorgerufen  werde.  Der 
Lelirplan  ist  nur  eine  änfserc  Hilfe,  die  dem  wirkenden 
l-'nlrtnr  der  Einheit,  dem  Lehrer,  den  Weg  ebenen  muis;  nur 
dieser  kann  sie  durch  seine  lei)endige  Thälio^keit  erzeugen. 

Der  Geist  ist  das  komplizierteste  Wesen;  wenn  seine 
Bildung  und  Veredelung  gelingen  soll,  so  kann  das  nur  durch 
eine  hodist  mannigfaltige  und  doch  wohlgeordnete  Thätig- 
keit  erreicht  werden.  Schon  die  blofse  Vemiittelung  der 
geistigen  Nahrungsstoffe,  der  Anschauungen  (Kenntnisse), .ist 
eine  schwierige  Kunst.  Aber  damit  ist  die  Arbeit  des  Lehrers 
noch  längst  nicht  gethan.    Aus  den  Anschauungen  sollen 


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Vntgettaltune  «l^*  L*hrpl*ne»  iin4  4*r  OrfanlMlIon  itt  VotktMhiile  «tr. 


niedere  imd  höhere,  vielseitig  verbundene  Begriffe  entstehen; 
es  soll  der  Zusammenhang  der  Din.uc  und  Erscheinungen 
in  der  Natur  und  der  Menschenwelt  erkannt  werden;  ans 
den  Anschaunngfen  und  Begrifft  ti  sollen  Urteile  und  Schlüsse 
sich  erj^eben;  knr/iun:  die  Kenntnisse  sind  in  Krkriintnis.se, 
die  Ansichten  in  Hinsicht  zu  verwandeln,  und  zugleich  soll 
der  Schüler  sich  die  mancherlei  Fertigkeiten  nnd  Geschick- 
lichkeiten aneignen,  die  zur  praktischen  Verwendung  erforder- 
lich sind.  Vor  allem  mufs  er  in  und  mit  dieser  Arbeit 
lernen,  selbstthätig  seine  Sinne  und  Fähigkeiten  zu  ge- 
brauchen; aus  dem  Unmündigen  soll  in  Wahrheit  ein  Mün- 
diger werden 

Das  alles  bildet  jedoch  erst  einen  Hniclitcil  der  Lebrerarbeit. 
Es  treten  die  viel  feineren  Aufi^aben  der  Cieniütsbildnnj^ 
einerseits  und  der  Gesinnnni^s-  und  Cliarakterbildung  ander- 
seits hinzu,  die  in,  mit  und  neben  den  vorgenannten  Lehr- 
thätigkeiten  erfüllt  sein  wollen.  Bei  der  Gemütsbildung 
handelt  es  sich  darum,  dafs  der  Schüler  Sinn  und  Geschmack 
für  alles  Schöne  nnd  Lie1)liche  in  Natur  nnd  Menschenleben 
erwerbe,  herzliche  Teilnahme  an  dem  Wohl  nnd  Weh  der 
Mitmenschen  gewinne,  alles  Gute,  Edle  und  Heilige  schätzen, 
achten  nnd  lieben  lerne  und  des  i^n  tili  eben  Adels  seiner 
Seele  nnd  ihres  Ewi,i(keitsbernfs  einit^edenk  bleibe.  Bei  der 
Gesinnungs-  nnd  Charakterbildung  nuüs  die  Sorge  des  Er- 
ziehers dahin  gehen,  dafs  das  sittlich-religiöse  Erkennen  mit 
seinen  entsprechenden  Gefühlen  nicht  in  blofsen  Wünschen 
und  Vorsätzen  stecken  bleibe,  sondern  zu  Willensentschlüssen, 
festen  Grundsätzen  werde,  wozu  konsequente  Gewöhnung, 
sowohl  die  persönliche,  als  anch  die  durch  feste  Lebensord- 
nnn^'  Lfeleitete,  in  den  Dienst  genommen  werden  mnfs.  Diese 
allt^'^enienien  Ziele  wollen  auf  jeder  Stufe  bedacht  sein;  da/u 
nmssen  noch  die  verschiedenen  Lehrgegenstände  in  Betracht 
gezogen  werden.  Hieraus  dürfte  sich  wohl  zur  (»enüge  er- 
geben, dafs  nur  durch  die  lebendige  Thätigkeit  des  zielbe- 
wufsten  Lehrers  die  Einheit,  richtige  Verknüpnmg  undBildmig 
des  Oedankenkreises  erfolgen  kann.  Der  Lehrplan  mag  noch 
so  geschickt  die  Stoffe  zurechtlegen,  in  lebendig  wirkende 
Kräfte  kann  nur  der  J^ehrer  sie  verwandeln.  Gewifs  soll 
die  Hilfe  des  Lehrplans  dabei  nicht  verkannt  werden;  aber 
allein  durch  ihn,  ohne  die  Einheit  des  I^elners,  «^nebt  es 
keine  Einheit  des  Gedankenkreises.  Daher  kann  bei  der 
Arbeit  des  Lehrers  jene  Arbeitsteilung  nicht  Platz  greifen, 
welche  die  heutige  Zeit  fast  auf  auf  allen  Gebieten  anstrebt; 
mit  anderen  Worten :  es  darf  kein  Fachunterricht  stattfinden. 
Sämtliche  formalen  nnd  sachlichen  Fächer  müssen  in  der- 
selben Hand  sich  befinden. 


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Jota»  Hom»rhrlrit, 


Aber  noch  weiter  mufs  die  Einheit  des  Lehrenden  gehen. 

Die  Mannigfaltigkeit  der  Aufgaben  erzeugt  bei  den  Lehrern 
Mannigfaltigkeit  der  Ansichten,  die  alle  gnt  sein  können, 
wenn  sie  konsequent  durch i^efnlirt  werden;  sie  werden  aber 
vom  Übel,  wenn  sie  in  jedem  Jahre  bei  der  Heliaudiung  des 
Kindes  wechseln.  Dalicr  rührt  bei  den  vielklassigen  Sclinl- 
systenien,  an  denen  ein  jährlicher  Wechsel  der  Lehrer  und 
Klassen  besteht»  die  grofse  Schwierigkeit,  die  Einheit  der 
Arbeit  herzustellen.  Denn  mögen  die  allgemeinen  Grund- 
sätze noch  so  genau  fest  b  estellt,  noch  so  oft  in  Erinnennig 
gebracht,  mag  ihre  Ausfühimig  noch  so  sehr  uberwacht 
werden,  sie  erhalten  doch  bei  jedem  Lehrer  ein  anderes 
^icpräj^e  und  nehmen  in  ihrer  Anwenihmi;  eine  sub- 
jektive Ciesiallung  an.  Noch  gröfser  wird  die  ^Schwierigkeit 
die  Hinlieit  der  Schularbeit  zu  wahren,  wenn  wir  auf  die 
Metliode  sehen,  da  auch  diese  sich  nach  der  Individualität 
jedes  Lehrers  stets  anders  jgfestaltet  Für  die  Einheit  der 
Arbeit  ist  es  femer  notwendig,  dals  in  den  äufseren  Formen 
des  Unterrichts,  in  Terminologie  und  Zeichen,  Überein- 
stimmung herrscht  und  sowohl  im  äufseren  Schulleben,  als 
besonders  auc  h  in  der  Oewöhnnnq  und  dem  Beispiel  Stt'ti'sj^- 
keit  vorhanden  ist  Relativ  vollkommen  wird  also  die  l'.in- 
heit  ntir,  wenn  derselbe  Lehrer  alle  Fächer  nicht  mir  eine 
kurze  Zeit,  sondern  die  ganze  »Schulzeit  hindurch  erleill,  die 
Kinder  also  durchführt 

Allein  nicht  nur  die  Einheit  des  Stoffes  und  des  Lehrers, 
sondern  auch  die  der  Schüler  mufs  gewahrt  bleiben,  das 
heifst,  die  Schüler  müssen  wenii^stens  annähernd  auf  der 
gleichen  oeictirren  Kntwickehm<^sstule  stehen,  damit  derselbe 
Ihiterrichl  und  dieselben  er/ieliUchen  Mafsnahnien  im  allge- 
meinen für  alle  passen,  damit  el)eH  Klassen-  und  nicht  Hinzel- 
unterricht  stattfindet.  Deshalb  ist  es  am  zweckmälsigsteu, 
die  Kinder  nach  Jahrgängen  gesondert  zu  unterrichten.  Das 
Vereinigen  zweier  Jahrgänge  oder  Abteilungen  beim  Unter- 
richt kann  nur  als  Notbehelf  bezeichnet  werden,  da  für  die 
eine  Abteilung  das  nicht  [Kissen  kann,  was  der  anderen  ent- 
spricht. Zudem  mufs  der  Lehrer  sich  ganz  hineinversenken 
in  die  Oeistcs-  und  ( icdankenwelt  seiner  Schüler;  hat  er 
verschiedene  Stuten  uder  Abteilungen,  so  hat  er  zu  florseiben 
Zeit  sich  auch  den  verschiedenen  geistigen  Stufen  anzu- 
passen, und  es  wird  schwer  fallen,  dies  so  vollkommen  zu 
erreichen,  wie  es  bei  der  Unterweisung  einer  Stufe  uiüg- 
lieh  ist  Somit  ergiebt  sich  als  die  beste  Einrichtung,  um 
in  Unterricht  und  Erziehung  Einheit  zu  erzielen:  Jeder 
I^ehrer  unterrichtet  nur  einen  Jahrgang;  er  er- 
teilt allen  Unterricht       die  technischen  Fächer  vieU 


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leicht  ausf;^cn<»innieii  in  seiner  Ktasse  selbst  und 
führt  die  Klasse  bis  zum  Schlüsse  der  Schulzeit 
durch. 

Da  (Wv  vScliiilzeit  aclit  Jahre  dauert,  würtle  also  die  acht- 
k!as>ijre  Schule  sich  als  div  l)cste  und  ualürlichste  Orj^anisaliou 
inbctreff  der  Zahl  der  Klassen  einer  Schule  ergeben.  Die 
Anzahl  der  Klassen  über  diese  Zahl  hinaus  zu  vermehren, 
wäre  durch  pädaj^ogische  Gründe  schwer  zu  rechfertigen, 
man  nuirste  denn  der  Trennung  der  Geschlechter  oder  einer 
zweimaligen  .\ufnahme  das  Wort  reden.  Aber  auch  unter 
diesen  rniständen  empfiehlt  es  sich,  nur  je  acht  Kla.s.sen 
unter  eine  Iveitun^j;  zu  stellen.  Zu  (runstrn  der  j^rcf^eii 
Schidkasernen  läfst  .sich  nur  die  Zusaninieuj^eiiörij^keit  tles 
Sclmlbe/irks  und  der  Kostenpunkt  anlühren;  das  Leben  in 
denselben  aber  wird  entweder  eine  vollständige  Anarchie 
oder  der  reine  ßüreaukratismus  werden;  die  Mittelstraüse 
ist  schwer  innezuhalten,  jene  beiden  aber  sind  der  Ruin 
aller  Erziehung.  Leider  werden  andererseits  die  land- 
schaftlichen Verhältnisse  oft  stärker  sein  als  die  päda- 
go<rischen  Forderungen,  .so  dais  sie  die  Zahl  der  Klassen 
aul  ilein  Lande  und  in  den  kleiuereu  Städten  unter  acht 
herunterdrücken. 

Wir  haben  bisher  rein  theoretisch  geiulgert.  Allein  die 
Lehrmeisterin  Erfahrung  sagt^  dafs  in  Wirklichkeit  nicht  alle 
Lehrer  so  vollkommen  sind^  wie  die  obige  Theorie  zur 
Voraussetzung  hat.  Kin  Charakter  bildet  sich  erst  im  Strome 
1  r  Zeit;  wohin  daher  mit  den  Anfängern  im  Lehramte? 
J^ei  manchem  haben  die  Lebensverhältni.s.se  die  Hildung  einer 
echten  Persr)ul  ich  keil  überhaupt  unniöurlich  «gemacht,  so  dafs 
bei  der  vor^e^eblaj^ciien  Kinrichtuui:  durcli  einen  solchen 
Erzieher  geradezu  ein  nachteiliger  LiulluLs  hervorgerufen 
würde,  ^lancher  Lehrer  eignet  sich  aufserdem  für  eine  be- 
stimmte Stufe  nicht  mehr.  Es  ist  daher  notwendig,  dafs 
die  Lehrer  ihrer  Beschaffenheit  und  Fähigkeit  nach  ver« 
wendet  werden.  Daher  wird  /uw  eilen  ein  Wechsel  der  Klassen 
nicht  zu  umgehen  sein;  manche  Lehrer  werden  die  Klassen 
ganz  durchführen,  manche  nur  eini*^e  Jahre,  einige  nur  ein 
Jahr.  Macht  die  Lehri>er.sönlichkeit  diesen  Wechsel  zur 
Pflichl,  .so  litj^L  er  am  besten  in  der  Mitte,  im  \  ierten  Schul- 
jahre, die  drei  ersten  Schuljahre  müssen  durchgeführt  wer- 
den und  auch  die  drei  letzten. 

Ferner  kann  unmöglich  jeder  neue  Lehrer  von  neuen: 
anfangen,  sich  das  Pensum  und  die  erziehlichen  Mafsnahmen 
an  der  Schule  zurecht  zu  legen,  die  Erfahrungen  der  alten 
Kollegen  müssen  ihm  zugute  konnnen.  Daher  ist  der  Lehr 
plan  nicht  nur  im  allgemeinen  für  den  Bezirk  festzusetzen, 


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200  'Olk  HoNincbridt. 


sondern  auch  jedes  Sclnils\  stcni  nnifs  die  individuelle  Aus- 
prägung desselben  gemeinsam  festlegen.  Dem  einzelnen 
Lehrer  Meibl  dann  die  Wahl  der  einzelnen  Ohiekte  und 
s])cziellen  cr/icliliehen  Mafsnahmen,  und  auch  hicrhei  wird 
der  gemeiusame  Rat  des  Kollegiums  eher  das  Ri einig t-  treffen 
als  der  einzelne  Lehrer. 

Endlich  giebt  es  noch  einen  anderen  Umstand,  der  einen 
gewissen  Rüreaiikratismus  im  Schulwesen  notwendig  inachL 
Wir  sind  nämlich  noch  von  einer  Voraussetzung  ausgegangen, 
die  in  Wirkliclikt-it  auch  durchaus  nicht  überall  existiert,  dals 
nämlich  die  Kinder  während  der  ganzen  Schulzeit  derselben 
Schule  \  erbleiben.  Wer  das  Leben  in  unseren  Industrie-  und 
Orol'sstädten  kennt,  weifs,  dafs  kaum  50  Prozent  acht  Jahre 
lang  dieselbe  Schule  besnchen,  und  die  Entwickelung  unserer 
wirtschaftlichen  Verhältnisse  verspricht  in  dieser  Beziehnng 
keine  Bessenmg,  sondern  eher  enie  Verschlechtening.  Bei 
den  patriarchalischen  Verhältnissen  vieler  Landgemeinden 
und  auch  der  Städte  früherer  Zeit  war  das  anders.  Aber 
mit  den  veränderten  Verhältnissen  ist  zu  rechnen,  und  zwar 
sind  sie  ein  Faktor,  der  ausschlaj^gebend  ist.  Die  Verhält- 
nisse sind  stärker  als  die  Men.schen.  Die  vSchule  kann  den 
Fortschritt  nicht  aufhalten,  mufs  sich  vielmehr  ihm  anpassen 
und  durch  einheitliche  Leitung,  allgemeine  Pestsetzung  der 
Grundprinzipien  der  Lehrthatigkeit  und  des  Lernstoffes,  nnd 
zw^ar  in  immer  engeren  Grenzen,  die  Einheit  zu  erzielen 
suchen.  Wo  nur  ein  Lehrer  in  derCremeindc  wirkt,  da  möge 
ihm  Freiheit  gelassen  werden.  Wo  aber  acht  und  mehr  vor- 
handen sind,  sollte  es  da  nicht  besser  sein,  dafs  sie  ein  ein- 
heitliches Ganzes  bilden?  Würden  sie  einzeln  gestellt,  nicht 
in  äufserlichen  Dingen  oft  und  so  hart  aneinander  stofsen, 
da£s  bald  eine  vollständige  Anarchie  herrschen  würde?  Also 
eine  Leitung  sowohl  des  Kreises  wie  des  einzelnen  Systems 
mufs  vorhanden  sein;  sie  darf  auch  nicht  jährlich  wechseln, 
um  die  Einheit  und  Stetigkeit  der  erziehlichen  Maisnahmen, 
.sowie  der  Unterrichtsgrundsätze  und  des  Lehrplanes  zu  ver- 
bürgen. Als  Lehrer  der  Schule  braucht  der  Leiter  darum 
nicht  stets  in  der  obersten  Klasse  den  Unterricht  zu  erteilen; 
als  Lehrer  rangiert  er  mit  den  übrigen  Lehrkräften  der 
Schule. 

Die  Einheitlichkeit  des  kindlichen  Geistes  stellt  schliefs- 
lich  noch  eine  Pordernng  bezüglich  der  StoffwahL  Auf 

den  kindlichen  Gedankenkreis  hat  nicht  nur  die  Schule  und 
das  Leben  in  der  Schule  einen  Einfluf.s,  sondern  vor  der 
Schulzeit  und  noch  fortwährend  neben  der  Schule  wirkt  eine 
ganz  andere  Welt  und  Umgebung,  ein  ganz  anderes  Leben 
auf  denselben  ein.   Ja,  dieser  letztere  Eintiuis  hat  eutschie- 


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Fmgvttallunir  det  LahrpUnM  »nd  Of|F«nlMtlM  der  T«UiNoIuile  ttc,  201 


den  das  Übergewicht,  weiiu  beide  getrennt  oder  sogar  im 
Gej^eiisatz  stehen.  In  diesem  Falle  ist  der  Einflnfs  der  Schule 
sowohl  in  erziehlicher  wie  in  nntcrrichtlicher  Beziehnng  sehr 
gerinj:,''.  Darans  erklären  sich  manche  Krsc]ieinnn<:^en  der 
heiuigen  Zeit.  Trotz  eines  Junten  Unterrichts  in  den  Realien 
hkiht  nnr  wenijjfos  nach  der  Schnlzeit  Kii^cntuin  dci  iSchüler; 
in  Reli*jiou,  im  Rechnen  und  Dentsclien  zeigen  ganz  gut 
beanlagte  Schüler,  die  in  der  Schule  vollständig  auf  der  Hohe 
waren,  im  Leben  eine  grosse  Unbeholfenheit  und  Unkennt- 
nis; auf  dem  speziell  erziehlichen  Gebiete  finden  wir  dieselben 
Erscheinungen.  Die  Kinder  haben  in  zwei  Welten  gelebt; 
die  Welt  der  Schule  wareini  ":'^anz  ixesondcrlc  \  (^n  dt  r  Welt 
des  Lebens,  nur  einige  Wrbnidungsfädcn  wurden  <4eknü})ft: 
nur  ganz  befähigten  Köpfen  gelang  c^,  aus  sich  selbst  die 
Gedankenkreise  zu  verschmelzen ;  bei  den  meisten  verwischte 
das  Leihen  alle  Eindrucke  der  Schule.  Der  Lehrer  hat  meistens 
nur  den  Teil  des  Geisteslebens  der  Kinder  erkannt,  den  er 
selbst  gelegt,  er  hat  die  Individualitat  in  ihrem  grofsten  Teile 
nicht  kennen  gelernt;  denn  er  lernt  sie  nie  ganz  kennen 
durch  jene  äufseren  ?^Iittel,  wie  persönliche  Bekanntschaft  mit 
dem  KUernhause,  durch  Beobachtungen  im  Spiel  etc.  Dies 
sind  nur  Gelegenheitsblitze.  N\u'  im  l'nLerricht  kann  er  alle 
Teile  des  Geistes  kennen  lernen,  das  heilst,  wenn  der  l'nter- 
richt  alle  Geisteskräfte  planmäfsig  in  Anspruch  nimmt.  Da- 
her die  Pflicht  der  Schule,  mehr  als  bisher  die  häitsliche  Ge- 
dankenwelt der  Kinder  mit  der  der  Schule  zu  verschmelzen.  Sie 
darf  sich  nicht  damit  begnügen,  die  Gedanken-  und  Gemuts- 
welt,  welche  die  Kinder  mit  in  die  Schule  bringen,  blofs  zur 
Grundlage  /n  nehmen  und  darauf  eine  ganz  andere  aufzu- 
bauen. SDiidern  sie  mnfs  diese  ( n  undlage  klären,  vervoll- 
ständigen und  orchien  tmd  in  gleichem  Schritt  mit  dem  stets 
auf  die  Kinder  weiter  einwirkenden  Leben  diese  Arbeit  fort- 
setzen; sie  mufs  nicht  nur  -yon  der  Heimat  ausgehen,  son- 
dern das  heimatliche  Leben  als  stete  Begleiterin,  Helferin  in 
Übung,  Anwendung  und  Wiederholung  l)ehalten.  Die  Scluile 
mufs  sich  mit  ihrer  Thätigkeit  gleichsam  in  das  Leben  der 
Gegend  versenken  uiul  so  das  wirkliche  Lel)en  der  Kinder 
in  Kopf  und  Herz  derselben  zu  veredeln  luid  zu  heben  suchen. 
Auf,L;abe  des  Lelirplanes  ist  es,  dazu  zu  \-eranlassen.  Der 
Anschauungsunterricht  auf  der  l'^nterstufe  ist  auf  dieser  Bahn; 
die  Mittelstufe  bricht  jäh  damit  ab,  wenn  auch  nicht  theoretisch, 
so  doch  in  der  I^axis.  Naturgeschichte,  Geographie,  Ge- 
schichte treten  selbstständig  auf  und  w^erden  nicht  im  An- 
schlufs  an  den  bisherigen  Gedankenkreis  und  das  heimat- 
liche Leben  der  Kinder,  sondern  in  Rücksicht  auf  die  Natur 
der  Fächer  ihrer  wissenschaftlichen  Seite  nach  angeordnet. 


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202 


Joh.  Hi>m«c--hHilt. 


So  wird  den  Rindern  eine  Art  wissenschaftliche  Einsicht  \  er- 
schafft, al)cr  nicht  eine  Klänn:*^  des  anf  sie  einstiimiendt  ii 
Lebens.  l"nd  ist  es  in  Reli^iun,  Deutsch  und  Rechnen  niclit 
ebenso?  Die  iüiii^-ste  Zeit  bc<^innt  in  Xatnri»-eschichte  allge- 
mein andere  Haliuca  cui/aisclila<;cn ;  es  werden  Lebensgemein- 
schaften aus  der  Uiiigebiin);  geuoiuinen  und  hie  und  da  einige 
fremde  Exemplare  eingereiht  Warum  soll  es  nicht  ebenso 
mit  der  (icscfiichte  und  (»eographie  geschehen?  Warum  soll 
das  kirchliche  und  relijj^iöse  Leben  in  der  Gemeinde  nicht 
auch  in  ähnlicher  Weise  benutzt  werden?  Und  endlich  sollen 
Deutsch  und  Rechneu  doch  auch  später  im  praktischen 
Leben  ihren  hauptsächliclisten  Zweck  finden. 

Die  Heimat  und  das  Leben  der  Heimat  bilden  den 
Rahmen  des  Lehrplanes;  der  Stoff,  der  sich  innerhalb  dieses 
Rahmens  ergiebt,  wird  methodisch  so  weit  als  möglich  nach 
der  Natur  des  Faches  geordnet  Wir  sind  nämlich,  entge^an 
Königsbauer,  der  Meinung,  dafs  der  Unterricht  nach  wie 
vor  nach  FTichern  erteilt  werden  mufs,  da  es  methodisch 
schwer  halten  wird,  gründlich  und  ^^^eordnet  das  Besondere 
ohiu  das  Allgemeine  zu  lehren.  Die  Fächer  sind  ja  die 
Systeme  s  in  denen  sich  das  Leben  und  die  Heimat  in  den 
einzelnen  Teilen  bewegt;  bessere  oder  natürlichere  Systeme 
werden  sich  kaum  finden  lassen.  Die  Fonnen  brauchen 
nicht  geändert  zw  werden,  wenn  nur  wirklich  ein  anderer 
Inhalt  hineingegossen  wird;  also  Auswahl  des  Stoffes 
nach  dem  Leben,  Vermiitelung  nach  Fächernl 
Der  Methodik  zuliebe  ist  bislur  viel  unnötiger  Stoff  be- 
handelt worden,  dieser  darf  schwinden;  die  Methodik  muls 
sich  dem  Stoffe  anpassen,  nicht  unii^ekehrt. 

Wir  stehen  am  Ende  unserer  allgenieiuen  Krörterung 
und  Beleuchtung  der  hinsichtlich  des  Lehrplanes  und  der 
Organisation  —  letztere  in  beschränktem  Umfange  —  in 
Betracht  kommenden  Fragen.  Eine  genaue  Aufstellung  eines 
zum  (rebrauch  fertigen  Lehrplanes  könnte  nach  imseren 
Grundsätzen  nur  für  einen  bestinnnUn  Ort  erfolgen  und 
würde  eine  .\rheit  für  sich  bilden.  Damm  möge  eine  kurze 
Zusamnienfassunj^;  unserer  Ausführungen  in  Form  von  Leit- 
sätzen den  Schlufs  bilden: 

L  Für  die  Organisation: 

a.  Die  Zahl  der  Klassen  wird  in  erster  Linie  durch  die 
landschaftlichen  \'erhältnisse  bestimmt  Die  Kinder  eines 
nicht  zu  umfangreichen  Bezirks  müssen  zu  einem  Schul- 
system vereinigt  werden.  Steij^t  die  Zahl  der  Kinder  nicht 
über  5o,  so  zwingen  die  finanziellen  \'erhällnisse  /.\\v  Hin- 
richtung einer  einklassigen  Schule.  Mit  der  gröfseren  Rinder- 


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r«ll«»tal(ttiii;  4r»  I.«hrp)«nei»  ttn4  An  Or^^nUJilion  «Irr  YnlliMchalc  etr. 

zalil  iiittfs  die  Zahl  der  Klassen  bis  zn  ihrer  natürlichen  Zahl 
acht  -  -  entsprechend  (kn  acht  vSchntjaliren  -  waclisen. 
Daun  erst  tntt  eine  TeihmK  des  Systems  ein.    Über  die 

Zalil  acht  hinaus  die  Klassen  eines  Systems  y.u  \erinehreti, 
läfst  sich  durch  keine  pädai::!)i^isclien  (rniiuU-  rtchtürtij^^cii, 
aucli  nicht  durch  die- Trcnmin^i;  ik-i  lic.Nchkt  litt.  i  »xkr  (buch 
eine  zweiniaUge  AulnahiiiL  im  Jahre.  Die  Kiu(kr  .^iiid  sobald 
als  möglich  nach  Jahr <^än gen  ztt  sondern;  je  jünger,  desto 
notwendiger  ist  dies. 

b.  Jeder  Lehrer  führt  möglichst  seine  Klasse  tlnieh. 
Auch  in  der  zweiklassigen  Schule  und  nicht  minder  bei  der 
vier-  und  niehrklassigen  ist  dieser  (irnndsatz  zu  befolgen. 
Macht  die  Persönlichkeit  iler  I^ehrer  einen  Wechsel  notwendig, 
so  liegt  er  am  btslcn  im  4.  Schuljaliie.  1  He  drei  ersten 
Jahre  müssen  durchgeführt  werden,  las.scn  ai)er  als  Klemen- 
tarschule  noch  eher  einen  Wechsel  zu  als  die  letzten  3  bis 
4  Jahre. 

c.  Jeder  Lehrer  erteilt  den  gesamten  sachkundlichen 

Unterricht  in  seiner  Klasse.  Nur  die  technischen  Fächer 
Zeichnen,  Turnen,  Handarbeit,  Schreiben,  vielleicht  auch 
Singen  können  abgezweigt  werden,  so  dass  ieder,  auch  der 
ivciter  der  »Schule,  wenigstens  24  SlinuKn  erteilt. 

d.  Die  Leitimq  der  Schule  darf  iiitlit  wechsriu,  um  die 
Einheit,  Stetigkeit  der  allgemeinen  erziehlichen  .Malsuahnien, 
sowie  der  Unterrichtsgrundsatze,  des  Lehrplanes  und  der 
aufseren  Ordnung  zu  verbürgen.  Der  Leiter  braucht  darum 
jedoch  nicht  stets  kelnir  (kr  obersten  Klasse  zu  sein;  als 
Lehrer  rangiert  er  mit  den  übrigen  Lehrkräften. 

IT.  Für  den  Lehr  plan: 

a.  Jeder  Lehrplan  mufs  zunächst  die  formalen  Fächer 
Religion,  Deutsch,  Rechnen  enthalten;  ferner  die  .sachlichen, 
welche  den  Ciedankenkreis  mit  dem  Leben  in  Einklang 
bringen, ^endlich  die  technischen,  welche  der  Gesiindheits- 
pflegCf  Übung  der  Sinne  und  der  Hände  dienen. 

b.  Während  die  fortn aUn  T\"icher  und  teilweise  auch  die 
technischen  .sogleich  selbständig  auftreten,  bleiben  die  sach- 
liclien  anfangs  vereinigt  unter  dein  Xamen  Anschauungs- 
nnlerriclil.  Mit  dem  4.  ofier  5.  Seliuljahre,  je  nach  .\rt  des 
Sc]nil>\  ^l.eni>,  löst  sich  der  Ansehaining>unterricht  auf.  indem 
Xatnrgesehiehte  und  Geographie  als  gesonderte  Fächer  er- 
.Hcheinen  und  der  übrig  bleibende  Teil  des  Auschauungs- 
imterrichts  Geschichte  genannt  wird.  Bei  günstigen  Ver- 
hältnissen können  sich  im  letzten  Jahre  \'olkswirtschafts- 
lehre  und  (yesetzeskinide  als  selbständige  Fächer  abzweigen; 
die  Naturlchre  tritt  durchweg  .selbständig  auf.  Handfertig- 


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204 


keitsiniterricht,  Haushaltuiigsunterricht  für  Mädciieii  gehen, 
wo  die  sozialen  Vcrliältnissc  deren  Einführung  erfordern,  neben 
den  technischen  I'ächern  lier. 

c.  Die  Am)i(hnin<^  des  Stoffes  erfolcrt  bei  den  formalen 
und  technischen  Fät  licrn  so  lange  nacli  der  Natur  der  Fächer, 
—  also  vom  P^infacheu  und  Leichteren  zum  Zusaninienge- 
setzteu  und  Schwereren  bis  die  Hlemente  beherrscht  sind; 
bei  den  im  Anschauungsunterricht  vereinigten  sachlichen 
Fächern  erfolgt  sie  nach  dem  Anschauungskreise  der  Schüler : 
Hans,  Schule,  Umgebung,  Jahreszeiten.  Mit  dem  4.  resp.  5. 
Schuljahre  tritt  eine  Änderung  in  der  Auorduuug  des  Stoffes 
ein,  da  die  Fächer  keinen  Selbstzweck  mehr  zu  verfolgen  haben, 
sie  nun  also  der  Aufgabe  der  Volksschule  entsprechend  ge- 
ordnet werden  können.  Die  Heimat  und  das  Treben  der 
Heimat  bestimmen  den  Stoff;  er  ordnet  sich  in  dci  Art  des 
Anschauungsunterrichtes,  so  dafs  Garten,  Feld,  Wiese,  Wald, 
Teich,  Flufs,  Gebirge  etc.  die  Kapitel  in  Naturgeschichte; 
Familie,  Gemeinde,  Kreis,  Bezirk,  Staat,  Welt  die  der  (tco- 
graphie  und  Geschichte  sind.  Auch  die  formalen  Fächer 
müssen  sich  von  nun  an  in  erster  X/inie  nach  den  Bedürf- 
nissen des  örtlichen  Lehens  richten. 

d.  Die  bestimmte  Answahl  der  einzelnen  Objekte  und 
die  spezielle  Anordnung  der  einzelnen  Pensen  mufs  jede 
Schule  nach  ihren  individuellen  Verhältnissen  treffen. 


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Fragen  aus  der  Geometrie, 

Von  AugsohM  in  Bromberg. 


I.  Welche  Form  erhält  die  schriftliche  Darstellung 
im  geometrischen  Rechnen? 

Dafs  in  der  Geoi)ietrie  schriftliche  Arbeiten,  sowohl  Rechen* 
arbeiten  als  Konstruktionen,  gemacht  nnd  dafs  dieselben  in 
mtistergilti^er  äulserer  Fonn  ausgeführt  werden,  ist  hier  als 

selbstverständlich  vorausgesetzt,  ebenso  dafs  zu  diesen  Ar- 
beiten ein  besonderes  Heft  ein.qcTichtet  wird.  Die  "uifsere 
bOrni  dieser  schriftlichen  Darstellnn^c-n  ist  von  groiser  Be- 
deutung. Was  die  Unterricblsklire  von  der  guten  Schrift 
überhaupt  fordert,  gilt  auch  für  die  schriftliche  Darstellung 
geometrischer  Arbeiten ;  das  wird  hier  nicht  berührt  Ks  han- 
delt sich  hier  nnr  tim  die  Form  der  Darstellung  geometrischer 
Rechnungen. 

Die  geometrischen  Rechnungen  werden  nach  bestimmten 
Formeln  ausgeführt.    Z.  B. 

I.  Aufg.  Es  ist  die  Fläche  eines  Uvals  zu  berechnen,  das 
einen  grolsteii  Durchmesser  von  6in  und  einen  kleinsten  Durch- 
messer von  4  ni  hat! 

_  iU-^ri  r ,%     (3  Ml  +  2  »I)  .2  m.  3.14 

Die  Fläche  des  Ovals  beträgt  15.70  qm. 

Die  schriftliche  Ausführung  einer  Rechenaufgabe  würde 
sich  also  so  gestalten:  Zuerst  wird  die  Aufgabe  ms  Heft  ge- 
schrieben, dann  folgt  die  Rechnung  in  Form  der  (  »leichimg, 
und  darunter  steht  die  Antwort  in  vol1ständiq;cTn  vSatze. 

Naclukni  vor  den  Schülern  eine  b'ornul  entwickelt  ist 
und  sie  dieselbe  verstehen  gelernt  haben,  niuls  die  Formel 
ihnen  gedächtnisniäfsig  so  sicher  werden  wie  das  Einmal- 
eins; denn  sowie  die  Aufgabe  erteilt  ist,  mufs  dem  Schüler 
auch  sofort  die  richtige  Formel  vorschweben.  Um  die  Schüler 
bei  der  Einprägung  derselben  zu  unterstützen,  ist  es  zweck- 
mäfsig,  die  Formel  bei  der  schriftlichen  Lösung  jeder  Auf- 
gabe niederschreiben  zulassen.  Die  richtige  Wahl  der  Formel 
zeigt  dann  auch  sofort,  ob  der  Schüler  die  Aufgabe  versteht 


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2o6  Augrschun. 

Die  IVaxis  hat  claliin  i^cfülirt,  die  Ivösim*;  in  Komi  der 
Oleicliung  iiicdcrzusclirfiben,  wie  das  erste  Rechenbeispiel 
zeiij^t.  Neben  der  Formel  in  Hnclvstaben  stehen  die  Zahlen 
der  Aufgal^e  so,  dais  sie  die  Formel  noch  einmal  wiederholen. 
Auf  diese  Weise  erkennt  der  korrigierende  Lehrer,  ob  der 
Schüler  die  Formel  versteht;  denn  oft  ist  die  Formel  zwar 
gedächt  11  Isinäfsijjf  fest  und  sicher,  aber  sobald  die  Zahlen  der 
Auft^abe  für  die  Formel  gesetzt  werden  sollen,  weifs  sich  der 
Schüler  nicht  zu  helfen.  Gicbt  die  Aufgabe  die  Zahlen 
nicht  so,  dafs  sie  für  die  Rechnung;-  direkt  passen,  so  tritt  vor 
die  auszurechnende  (ileichiing  noch  eine  vorbereitende.  Z.Ii. 

2.  Auf  g.  Wie  grofs  ist  die  Fläche  ettics  Kreises,  der  einen 
Umfang  von  18,84  ni  hat? 

{Vorbereit.  Ol.)  r=      =   ^  \,  =.i»m. 

2  t 
/'  =  /•  ;r  —  ( ;  m\,  3,14  =  28,20  qm. 

Die  Kreisfläche  ist  2S.n6  f}ni  grofs. 
Alle  schriftlichen  Multiplikationen,  Divisionen  usw.,  die 
bei  unbequemen  Zahlen  nötig  werden,  sind  in  diese  Dar- 
stelhmg  nicht  aufzunehmen;  sie  stehen  an  einer  beliebigen 
Stelle  im  Diarium  bereit  für  den  Fall,  dafs  der  Wirer  sich 
überzeugen  mufs,  ob  der  Schüler  die  Rechnung  auch  wirk- 
lich selbst  ausgeführt  hat  Die  Darstellnng  der  Rechnung 
nuifs  die  obige  einfache  nnd  übersichtliche  l'orm  behalten; 
denn  das  Cicscliäft  im  \^erkehr.sleben  verlangt  vom  Oewerbe- 
treihcnden  nelien  der  (tcnanigkeit  in  den  schriftlichen  Au- 
iraben  anch  leichte  Übersichtlichkeit. 

(icgeu  diese  Forderungen  dürfte  ein  ernster  Widerspruch 
nicht  zti  erwarten  sein ;  wohl  aber  werden  über  ein  Stück  der 
Foniiel  die  Aussichten  auseinandergehen.  Ks  wurde  vorhin 
gefordert,  dafs  neben  der  Formel  die  Zahlen  der  Aufgabe  in 
I*orm  der  F'onuel  stehen  sollen.  Bei  der  Berechnung  des 
Ovals  nach  der  1.  Aufg.  heifst  es: 

—  +  ').''  =  ^3  «*  -h  2  ///) .  2  m  ,  3>»4  _  „j.^, 
2  2 
Wir  legen  daranf  (Gewicht,  dafs  tlie  beiden  F'akturen 
(3 /// -|- 2  ^//) .  2 ///  die  Hezeichnnng  in  haben.  Im  gewöhnlichen 
Midtiplizieren  ist  von  zwei  Faktoren  inuncr  nur  der  eine, 
nämlich  der  Multiplikandus,  mit  einer  Benennung  versehen, 
oder  beide  Faktoren  sind  unbenannte  Zahlen.  Dement- 
si)rLchend  lassen  l#ehrer  der  Geometrie  bei  den  Faktoren  die 
Mafsbezeichnung  weg.  Freilich  darf  man  dann  uiit  Herech- 
tii?nng  fragen:  Wie  entsteht  ans  der  Multiplikation  iinbe- 
nannter  Zalilen  ein  Produkt  mit  Benennung,  nnd  zwar  mit 
ganz  neuer  Benennung.  Denn  wenn  bei  den  F'aktoren  eine 
Benennung  zugelassen  wird,  so  heifst  sie  doch  m    un<l  nicht 


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'Awri  Frafea  mis  ii«r  ti^omeirir,  207 


^gm*.  Man  erklärt  den  Schülern  das  so:  In  einem  Rechteck 

von  etwa  5  tu  T.anofe  nnd  4  m  Breite  liegen  an  der  lanj^en 
Seite  5  C|ni,  und  da  im  Rcchleck  4  solcher  Reihen  a  5  qni 
über  einander  Hei;Mi,  so  Liuh.ilt  das  Rechteck  4  .  5  7/// —  30  ry«/. 

Unbetiuenicr  wird  die  Kecliuung  schon  beim  Dividieren. 
Z.  B. 

3.  Anf^.  Kin  Reclltcok  hat  einen  l*'Iäclicninhalt  von  2oqin 
bei  einer  Breite  von  4  ni.  Wie  j^rofs  ist  die  ((fundlinie.'* 

F       20  um 

h        4  »M 

Die  (irundlinie  ist  5  nj  lan<^. 

So  aufgestellt,  zwinj^t  die  Form  der  Rechnung  zu  der 
Ik-;^cichii!nij^  m  bei  der  Rcsidtatzahl  5.  Bei  der  j^-ewöhn- 
lichen  Rechenweise  erhält  das  R<  sidtat  keine  oder  eiiu-  telikr- 
liafte  Bezeichnnn^,  Denn  wcrileu  die  20  cjm  durch  den  mi- 
bcnannten  I-aktor  4  divitlicrt,  so  resultieren  5  qm;  wer<len 
20  qiu  durch  4  qni  dividiert,  so  entsteht  als  Resultat  die  un- 
beuamite  Zahl  5.  Beide  Resultate  sind  falsch,  denn  die  Grund- 
linie ist  weder  4  noch  4  qm  sondern  4  m  lang.  Freilich  hilft 
man  sich  wieder  in  der  vorhin  angedeuteten  Weise.  Man 
sagt:  Wenn  das  Rechteck  4  ni  hoch  ist,  so  liegen  über  ein- 
ander in  einer  Reihe  4  qm  und  es  w  erden  soviel  senkrechte 
Reihen  a  4  (|m  Vorhandensein,  als  4  qm  in  20  qm  enthalten 
sind  =  5.  Ks  sind  5  Reihen;  jede  Reihe  ist  i  ni  breit,  also 
ist  die  Cirundliuie  5 .  1  w<  =  5  ///  lang.  Auch  dieser  Ciang  ist 
richtig.  Und  wir  empfehlen  geradezu,  anfangs  diese  anschau- 
liche Erklärung  den  Kindern  zu  geben.  Im  spatern  Unter- 
richt aber,  nämlich  wenn  die  Form  für  das  schriftliche  Rechnen 
eingeführt  wird,  ist  die  weit  er  unten  folgende  Erklärung  zu 
geben  und  danach  (h'e  iveehnung  /n  ordnen. 

Abgesehen  nämlich  \  uu  der  Umständlichkeit  der  Kr- 
klarung,  durch  die  nnm  erst  zu  der  Bezeielinung  gelaugt 
und  die  auch  nur  bei  geradlinigen  reehlwinkligeu  i'igurcu 
gilt,  ist  die  Konn  der  Rechnung,  wie  nachgewiesen,  nicht 
einwandfrei.  Es  ist  aber  die  Fonn  entschieden  die  beste,  aus 
welcher  mit  zwingender  Notwendigkeit  nicht  nur  die  richtige 
Zahl  des  Resultats,  sondern  auch  die  richtige  Benenninig  ]u  r- 
vorgeht.  (»iebt  eine  Rechenfornid  ein  Resultat  ohne  Be- 
nennung, s(>  ist  das  ".elbstverständlich  ein  Mangel. 

Dafs  si("li  Kinwände  gegen  die  gewöhnlich  beliebte  l'orm 
des  Rechnens  auidrängen,  geht  schon  aus  dem  Wesen  des 
Multiplizierens  und  Dividierens  hervor,  Multiplizieren  heifst, 
den  Multiplikand  so  oft  als  Summand  setzen,  als  der  Multi- 
plikator Einheiten  hat,  und  die  Summe  der  Einheiten  an- 
geben. Bei  den  Aufgaben  der  Flächenberechnung  kann  es 
aber  nie  heifsen  (es  .sei  hier  an  die  vorige  AiitLjabe  ange- 
knüpit),  das  Rechteck  ist  5  qm  laug,  sondern  es  uiuis  heifsen, 


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208 


Avftrlivii. 


es  ist  5  in  lau  fr.  Das  ist  der  Multiplikand,  der  aus  der  Aiif- 
g^abc  liervurgeht.  I'jils]:>rerhend  der  Definition  des  Mnltipli- 
zierens  würde  nnn  die  (ii()lse  der  Fläehe  fäl.Hchlich  mit  ni 
statt  mit  qni  hcuaniit  werden  müssen.  l^benso  ist  es  beim 
Dividieren.  Eine  Zahl  durch  eine  zweite  dividieren  heifst,  eine 
dritte  Zahl  snchen,  welche  mit  der  zweiten  multipliziert  wieder 
die  erste  giebt.  Bei  Ikieehnnnjr  der  (rrundlinie  nach  Auf- 
gabe 3  kann  man  weder  schreiben, 

(J  —     '  ■  noch      '    noch  : 

4  7'^'  4  4 

denn  in  keinem  l-all  entsteht  das  j^cwünschte  Resnltat  5  m, 

sondern  im  tasten   und  letzten   l'all  die  nnbenannte  Zahl  5 

und  im  zweiten  I-all  5  qm.  Wenn  anch  beim  Mnltipli/ieien 

das  Fehlerhafte  der  Rechenform  nicht  su  stark  in  die  Augen 

springt,  beim  Dividieren  tritt  es  um  so  melur  hervor. 

Wohl  kann  man  den  Widerspruch,  der  in  der  Form 
liej^t,  durch  die  vorhin  angegebene  Erläuterung  verwischen; 
aber  der  anfmeiksame  Schüler  fühlt  ihn  doch  heraus.  Der 
Unterricht  muls  dafür  sorgen,  dafs  anch  die  Form  j^'-erecht- 
ferii^t  und  vollkommen  ist.  Das  ist  sie  nacli  den  drei  letzten 
Ikaspielen  nicht,  denn  der  Rechentorm  muls  noch  nebenbei 
eine  besondere  Auslegung  gegeben  werden.  Es  wird  wohl 
so  erklärt:  Wir  dividieren  die  Zahlen  ohne  Benennung,  da 
wir  aber  eine  Linie  berechnen,  mufs  der  Quotient  als  Be- 
nennung ein  Längenmafs  erhalten.  Welches  Längenmafs 
ob  m  oder  cm  zu  setzen  ist,  das  bleibt  der  Überlegung  des 
Rechners  vo: lu  Ii  ilten,  die  Form  der  Rechnung  zwingt  zu 
keiner  Hezeiehnnng.  Das  aber  ist  dns  Tadelhafte  dieser 
Form,  dafs  sie  zu  einer  Be/eiclmung  nicht  zwingt, 
also  nicht  mathematisch  genau  ist,  sondern  es  eist  der 
weitern  Überlegimg  des  Rechners  überläfst,  welche  Henennung 
zu  geben  ist  Wir  wollen  ja  nicht  tadeln,  dafs  der  Schüler 
überlegt,  wir  behaupten  nur,  dafs  die  Form  vollkommener 
ist,  aus  welcher  mit  Notwendigkeit  die  richtige  Bezeichnung 
hervorgeht.  Ist  eine  solche  Fonn  möglich,  so  mufs  sie  der 
üblichen  vori::^ezogen  werden. 

Man  nmgehtdie  Undentlichkeitundden  Widerspruch,  wenn 
man  sich  entschliefst,  einfaeli  mit  den  Zahlen  und  ihrer  Benen- 
nung, wie  sie  in  der  Aufgabe  enthalten  sind,  zu  operieren. 
Dann  würde  die  Lösung  jener  Aufgabe  sich  so  gestalten: 

F  =  (/ .  A  =  5  ?/i .  4 »»  =  20  qm. 
tj  =  li*lh^  20  (j^m  :  4     =  5  ///. 

Hei  der  Herechnung  geradheniger,  rechtwinkliger  Flächen 
läfst  sich  ja  die  richtige  Benennung  leicht  finden  und  durch  Ver- 
anschaidichnng  klar  machen,  auch  wenn  die  Rechenform  die- 
selbe unberücksichtiijt  läfst.  nie  \*eraiischaulichiuig  hört  aber 
auf  bei  den  schiefwinkeligen  und  krunindicnigeu  Figuren.  Z.  B.: 


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Fr«K'''i        'i^f  U«'oin«'lric',  209 


4  Au  f  j;    Wie  lang  ist  der  Radius  eines  Kreises,  der  einen 

Flächeiiinhaii  \on  1,(304  (jin  hat? 

^  V--  =  V  ^'-^--^      =  \/o,i6  gm  =  0,6  m. 
ft  3.14  » 

Der  Radius  ist  0,6  in  \anf;. 

lifi  Aufgabeil  dieser  Art  herrscht  allein  die  Formel. 
Wird  hier  die  Ik'Keiclinutig  qin  nicht  in  die  Rccheuforin  anf- 
genomiiieii,  so  kann  dem  Scluiler  nnniöj^licli  ohne  weiteres 
klar  still,  welclie  Mafsbe/eicliimnj^^  der  Radius  hckoninien 
seil,  ob  iu  oder  cm.  Tin  dieser  Klarheit  und  um  der  (^re- 
uauigkeit  der  Form  willen  i.st  die  Hezeichnung  auf/.uiiehmeu. 

Nun  kann  mau  tnbczug  auf  die  Form  bei  der  Berech- 
nwng:  des  Rechtecks  z.  R  sajjen:  Das  erste  Gesetz  beun 
Multiplizieren  heilst:  Xm  (K  r  Multiplikand  ist  eine  benannte 
Zahl  ;  danini  dürfen  nicht  beide  Faktoren  benannt  werden, 
l'nd  mau  kann  /.weitens  sagen:  Nach  der  vorhin  anj^e- 
führten  Krkliirung  des  Multiplizierens  t-ntstelit  hier  auch 
ein  l-'ehler;  denn  wcnu  ich  den  Multiplikandus,  der  die 
I^ezeiclinung  m  hat,  .so  oft  als  .Summand  setze,  als  der  Mul- 
tiplikator Einheiten  hat  und  nun  die  Summe  angebe,  so  er- 
halte ich  auch  nicht  das  Produkt  mit  der  erwünschten  Be- 
zeichmm^  qm  sondern  mit  der  Bezeichnung  ui.  Richtig !  Aber 
das  Berechnen  von  Flächen  ist  auch  kein  reines  Multiplizieren, 
sondern  eine  Verbindung  von  Multiphzieren  und  Potenzieren. 
Z.  Ii.  5  'f .  .\  n  —  20  und 

5  w/ .  4  w*  =  2ü (  'der  20  qm* 

Femer:  20a*:  40  oder  =5«  und 

.\  a 

.     ^. 4  .  m  .  m 

20  am  :  4  m  oder  -  —  =5  »1. 

'     ^  4  m 

Dafs  die  Berechnung  der  Fläche  eine  Verbindung  von 
Multiplizieren  und  Potenzieren  ist,  gelit  auch  aus  dem  Wesen 
der  Fläche  hervor.  Sie  entsteht^  indem  sich  eine  (gerade)  Linie 
(in  einer  andern  als  der  ihr  selbst  eigenen  Richtung)  fortbewegt 
In  dieser  Definition  lieg^  geradezu  die  Multiplikation  von 
Längeninafs  mit  Längenniafs  (also  ni.m)  veranschaulicht. 

Aus  denselben  Gründen  ist  ancli  lici  der  Körperberech- 
nnng  jeder  Faktor,  der  eine  benannte  Zahl  ist,  iu  der  lie- 
rechuuug  mit  der  Benennung  zu  versehen.    Z.  B. : 

5.  Auf  ^.  Welchen  Inhalt  hat  ein  Würfel  bei  einer  Kanten- 
länge von  [»)  cm? 

A'  =r  X"'  =  10  cm  ,  10  rm  .  \orni  =  lox)  crm. 
Üer  W  ürfel  hat  einen  Inhalt  von  lot«  ccm. 

6.  Aufg.   Wie  lanjf  i.st  die  Kante  eines  Würfels,  der 
1000  ccm  Inhalt  hat  ? 

X  —  'y  A'  —  'y  loot)  cvm  =  to  rwi 

Die  Kaute  ist  10  ciu  lang. 
}iruf  ittiliiK-ii  VII.  4.        ^^_tt_  I    14 


U  ^  -  T  Ä  1-  •  -  ^  T  ^.^^.^^  Google 


Die  letzten  Beispiele  sind  j^eradezu  überzeugend  für  die 
Richtigkeit  der  Behauptnng,  daf^  wir  es  bei  den  Berech- 
nnngen  in  der  (konietrie  niclit  mit  einfacher  Mnltiplikation, 
sondern  anch  mit  Potenzen  zn  thnn  haben.  Wenn  wir  ferner 
beim  Berechnen  der  Kante  ans  dem  Würfel,  der  Seite  ans 
deiii  yuadrat  radmereii  müssen,  so  kann  die  entgegengesetzte 
Rechnung,  nämlich  die  Berechnung  der  Flächen-  und  Korper- 
inhalte, nur  mit  ZuhilfenahiiK  des  Potenzierens  möglich 
werden,  wie  ja  die  Formel  das  schon  angiebt.  Ist  dieses 
lUrcchnen  aber  teilweise  ein  Potenzieren,  so  nmfs  in  der 
RecHenformel  jeder  Paktor,  dessen  Bezeichnung  in  die  Potenz 
erlioben  wird,  ancli  mit  der  r)i. /i. ichrning  versehen  wenlen. 
P^s  ist  also  bei  Berechnung  eines  RLciitecks  von  5  \u  und 
4  ni  langen  anstofsenden  Seiten  falsch,  zu  schreiben: 
F  =  ^ .  Ä  =  5  .  4  =  20  (nämlich  jim)  und  falsch 
F  =   .  A  =  5  7#w .  4  =  20  qm. 

Es  mufs  heifsen: 

F  =  </  .  h  =  ^  VI  .  J  )n  =  20  ijtn. 

Dals  beide  l*aktore!i  im  .Multiplizieren  benannt  werden, 
kommt  im  gewöhnlichen  RechiRn  nicht  vor.  Wir  mnltii^li- 
zieren  nie  5  M  mal  |  M  oder  5  kg  mal  4  kg:  denn  es  giebt 
keine  Quadratmark,  es  giebt  kein  Qnadralkilograinm  usw.; 
aber  es  giebt  ein  Quadratmeter,  ein  Kubikmeter  u.  s.  w. 
Darum  ist  das  geometrische  Rechnen  ein  teilweises  Poten- 
zieren. 

Die  Potenz  ist  ein  Produkt  aus  gleichen  Faktoren.  Ks 

können  also  nur  gleiche  I^ängennial'se  miteinander  multi- 
pliziert werden,  m  mit  m,  riii  mit  cm  usw.  (rieht  die 
Autgabe  aber  verschiedene  Pc/eichnungen ,  so  dals  etwa 
3  m  .  25  cm  zu  multiplizieren  wäre,  so  müssen  <lie  Langen- 
mafse  gleiche  Benennung  erhalten;  entweder  wird  in  dem 
Falle  geschrieben  3  m  .  0,25  m  oder  300  cm  .  25  cm. 

In  den  geometrischen  Lehrbüchern  lesen  wir:  Inhalt  des 
Rechtecks  =  g .  h.  Nun  die  Grundlinie  hat  eine  Länge  von 
so  und  so  viel  Metern,  ebenso  die  Höhe.  Cirundlinie  und 
Hohe  sind  nicht  niibenannte  Zahlen.  \\'arum  schrickt  man 
denn  beim  Reclnun  davor  zurück,  konsequent  die  Formel 
g.h  in  bestimmten  und  klaren  Mafsen  niederzusclireiben ? 
Ks  läfst  sich  keni  Beispiel  dalur  erbringen,  wo  die  Aufnalime 
der  Mafsbezeichnung  in  die  Rechnung  störend  oder  unmög- 
lich wäre;  wohl  aber  lassen  sich  sehr  viele  Beispiele  dafür  an- 
führen, dafs  das  Weglassen  der  Bezeichnung  Unklarheit  im 
Resultat  nw  Folge  liat.  P^ine  mathematische  Formel  darf 
aber  nicht  unklar  oder  unbestimmt  sein. 

(Schli}fs  folgt.) 


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Allei^hand  Reformgedanken. 

Von  Otto  Schulze  in  Halle  a./S. 
(ScliUife.j 

IV. 

• 

Die  Werke  fies  luigländerh  J-^  a  in  vi  c  i  .S  m  1 1  e  s  Charakter  , 
Pflicht',  Scll>>lhilfe  reiben  sicli  den  vorgenaimteii  Reform - 
Schriften,  äufserlich  geiiomiuen,  iiiu  schwer  ein;  sie  siudansich 
weder  Reform-,  noch  eigentlich  pädagogische  Schriften,  und  doch 
geben  sie  hinwiederum  so  mannigfache  Anregungen  inbezugauf 
Bildung  und  Erziehung,  veranlassen  uns  so  oft,  fast  auf  jeder 
Seite,  zum  Nachdenken  über  Pädagogik  im  allgemeinen  und 
Reform-  und  Umgestaltungsfragen  im  besonderen,  dafs  man  ihnen 
füglich  einen  T-Ihrenj^latz  eiiirfhunen  müfste  m  dem  Heere  der 
litternrischen,  he/.\v.  pädagogischen  I'.i seheinungen.  Alles  in 
allem  gehören  sie  der  besseren,  ja  der  besten  U nterhaltungs- 
litteratur  an,  da  sie  ohne  jegliche  Präteusion  belehren  und  völlig 
frei  sind  von  jener  Plattheit  und  Oberflächlichkeit,  die  leider 
zum  traurigen  Kennzeichen  modemer  Unterhaltungslektüre  ge- 
worden ist. 

Die  drei  Werke  bestehen  aus  verschiedenen  Kapiteln,  deren 
jedes  im  gewissen  Sinne  abgerundet  und  für  sich  verständlich  und 
doch  auch  wieder  mit  den  übrigen  zu  einem  schönen  (»an/en 
verbunden  ist:  ihr  Schöpfer  ist  ein  Ivssayist,  wie  man  sie  bei 
uns  selten  oder  überhaupt  nicht  mehr,  in  England  jedoch  des 
öfteren  trifft  Alle  sind  sozialen  Inhalts,  im  besten  Sinne 
soziale  Schriften,  die  in  ihrer  gediegenen  Einfachheit  und 
Wahrheit,  ihrem  vornehmen  Tone  und  ihrem  reichen,  die  kost- 
barsten Schätze  bergenden  Inhalte  t)]ine  weiteres  gefangen  nehmen 
und  trotz  der  unbekannten  und  fremden  Personen  und  \'erhalt- 
iiisse  der  /nr  Illustriernng  in  unerschöpflicher  Zahl  herange- 
zogenen Beispiele  bis  zum  Knde  fesseln. 

Welche  Aufgabe  sich  auch  der  \'erfasser  stellt,  wer  iuuuer 
der  Held,  welches  der  Inhalt  eines  seiner  Bücher  auch  sein 
mag,  die  Tendenz  derselben  ist  immer  die  gleiche:  zu  zeigen, 
was  Willensstärke  und  Ausdauer,  Reinheit  und  I^auterkeit  der 


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212 


Otto  SfliuUe. 


Gesinnung  vermögen,  zu  warnen  vor  Schwäche,  Fti.^1ieit  und 
Kleinmütigkeit.  l\r  macht  uns  in  allen  seinen  Büchern  mit 
wahrhaft  grofseii  und  edlen  Naturen  bekannt,  die  sich  sit-^rcich 
in  allen  Stürmen  behaupten  und  ihren  inneren  Menschen  dabei 
nnhctleckl  und  rein  bewahren,  die  an  Hamerlings  schönes  Wort 
erinnern:  Wer  Unit,  was  er  soll,  ist  grofs  wie  die  Gröfsten  . 
Überali  tritt  uns  klar  und  unzweideutig  der  Grundsatz  entgegen: 
V Jeder  ist  seines  Glfickes  Schmied« .  Was  im  allgemeinen  > Glück« 
genannt  wird,  giebt  es  bei  Smiles  nicht  Kr  geht  sogar  so  weit 
zu  behaupten,  dafs,  wer  vom  Glück  anderer  und  von  eigenem 
Mifserfolg  rede,  ein  schwacher  Mensch  sei.  Die  grofsen  Krfolge 
im  Leben  werden  nach  ihm  dinrb  einfache  Mittel  und  rhirch 
I'bung  gewöhnlicliei  l\ii;enschafien  irnirht;  y:erade  im  Alltags- 
leben werden  die  ivilahrungen  bester  Art  ge?>amnielt,  und  nur 
die  breitgetretenen  Pfade  bieten  dem  Manne  von  Kopf  und  Herz 
^nn  weitesten  Spielraum,  in  vernünftigem  Streben  sich  Raum  zu 
erkämpfen.  Smiles  zälilt  zu  jenen  seltenen  Menschen,  welche 
das  Ganze  unserer  sittlichen  Aufgaben  erfassen  und  als  I^hrer 
für  Tugend  und  alles  vSchöne  und  Ivdle  zu  begeistern  vermögen. 
Kr  hat  erkannt  und  zu  schöner  Wirklichkeit  werden  lassen,  dafs 
der  Dichter  wie  dei  Künstler,  der  Sclii  ittslelkr  wie  der  Gelehrte, 
ja  jeder,  der  auf  einen  gröfseren  Kreis  zu  wirken  berufen  ist, 
stets  dessen  ein  geil  enk  sein  mufs,  dafs  er  seinen 
Volksgenossen  und  darüber  hinaus  der  grofsen 
weiten  Menschheit  bildungs-  und  erbauuugspflichtig 
ist,  dafs  ersieh  als  derWahrheit  Lehrer  und  Priester 
zu  fühlen  und  zu  /.eigen  hat,  dafs  dieser  Beruf  vor 
allen  gewissenhaft,  ernst  und  heilig  wie  ein  Gottes- 
dienst ausgeübt  werden  mufs. 

Ganz  besonders  betont  Smiles  gegenüber  einem  all/ii>ehr 
nivellierenden  Sozialismus,  der  alles  Heil  in  einer  verschwonnnenen 
Gesamtheit  von  Personen  und  Zuständen  sieht,  den  indivi- 
duellen  Charakter,  eine  Summe  von  vorzüglichen  per- 
sönlichen-Eigenschaften  —  Wahrhaftigkeit,  sittliche  Rein- 
heit,  l^nii harzigkeit,  Redlichkeit,  Mut,  Tugend  und  Güte  in 
jeder  Gestalt  —  ,  auf  denen  allen  allein  die  Gröfse  und  Bedeutung 
einer  Nation  beruht,  woraus  einzig  ein  reges,  soziales  ircben 
und  Strel)en  erwachsen  kaim.  * 

Zum  Beweise  dessen  .seien  einige  Sätze  aus  Smiles' 
Büchern  verzeicluiet;  Alles  Gute  und  Cirofse  in  der  Welt 
beruht  am  letzten  Ende  nicht  auf  einer  ungeahnten  und  nur 
von  wenigen  Auserwählten  begriffenen  Höhe  und  Tiefe  der 
Wissenschaft,  sondern  vielmehr  auf  der  Mitwirkung  voll- 
kommener Charaktere,  Schwäche  des  Charakters, 
Verfall  der  Individualität  ist  zu  allen  Zeiten  das  eigent- 
liche Heninis  für  eine  gesunde  Geistes-  und  Kulturentwickeluug, 


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Allptliaiul  Ri>fi»nnc<'4aiiti<>ii. 


fürciiit'ii  reinen,  freien  und  frischen  Aufschwung  der  individuellen 
und  natii)nalen  Kraft  i^ewe-^en.  r>er  Charnkter  ist  unter  allen 
die  Menschheit  hewe^endeii  Machten  eine  der  \viclitig>teii.  ja 
die  wichtigste.  Iti  seiner  tdcUlen  Verkörpernnj;  stellt  er  die 
menschliche  Xatur  in  ilwcj  \  *»llendeLsten  Form,  den  Menschen 
in  »einer  vornehmsten  Erscheinung  dar.  Leute,  die  in  jeder 
Ldwnslagc  echte  Vortreff Hchkeit  bewähren  -  Fleifs,  Redlich- 
keit, hohe  Onuidsätze.  ehrliche  Bemühung  -  fordeni  die  spon- 
tane Huldigung  der  Mitwelt  htrans.  Ks  ist  nur  natürlich, 
daf-^  Tuan  solchen  Menschen  ;;laul>t.  \'ertrauen  /n  ihnen  hat  und 
ihnen  nacheifert,  Alles  (rute  in  (kr  \^'elt  hernht  auf  ihrer  Mit- 
wirkuii}?.  und  ohuv  ihu-  CieKcnwarl  wurdr  die  Welt  nicht  wtrl 
sein,  tlais  ni.ui  daiin  lebte.  V\'enii  das  tienie  liewundenuig 
erregt,  so  ist  es  docli  vor  allem  der  Charakter,  der  uns  die 
Ächtung  unserer  Mitmenschen  sichert  Das  erstere  verdankt 
seinen  Ursprung  hauptsächlich  den  Kräften  des  Hirns,  der 
letztere  aber  wird  durch  die  Kräfte  iles  Herzens  erzeugt;  und 
schliefslich  ist  es  doch  das  Herz,  das  das  mensch- 
liche Leben  reiricrt'  Der  Cciiins  übt  auf  die  menschliche 
Gesellschaft  tun  eiiun  .geistigen  I'iutiufs  aus;  der  Mann  aber, 
welcher  Charakter  besii/t.  beeinflul^t  die  Gewissen:  jener  wird 
bewundert,'  dem  let/.tereu  folgt  man.  Grufse  Männer  sind  stets 
exceptionelle  Erscheinvuigen,  und  Gröfse  ist  an  sich  ein  relativer 
Begriff.  In  Wahrheit  vergönnt  das  Leben  den  meisten  Menschen 
nur  einen  so  engen  Spielraiuu.  dafs  wenige  die  Gelegenheit 
finden,  ffrofs  sein.  Aber  jedem  ist  die  Möglichkeit  geboten, 
seine  Aufgabe  ehrlich  und  ehrenvoll,  nach  bestem  Vermögen 
zu  vollbringen.  Kr  kann  '^eine  Gaben  gebrauchen,  ohne  sie  zu 
inifsbrauelien ;  er  kann  -^ein  lA'ben  aufs  beste  aiuvcnden.  Kr 
kann  wahr,  gerecht,  redlich  und  treu  auch  im  kleinen  sein.  Mit 
einem  Wort:  er  kann  seine  Pflicht  in  der  Sphäre,  welche  ihm 
die  Vorsehung  angewiesen  hat,  voll  und  ganz  erfüllen.  Ob« 
wohl  dies  hausbacken  und  wenig  kraftgenialisch  ■ —  wie  unsere 
Zeit  es  will  erscheinen  nia^,  so  stellt  doch  solch  eine  treue 
.Pflichterfüllung  das  höchste  Ideal  des  Lebens  und  des  Charakters 
dar.  K*^  liegt  nichts  Heroisches  darin,  aber  das  gewöhnliche 
Los  iler  Menschen  ist  eben  nicht  heroisch!  Wie  das  stete  He- 
wufst^eiii  der  T*flicht  den  Meuchen  in  ^eiiieii  hruli>ten  Be- 
strebungen aulreehl  ciliält,  so  stiil/l  und  leitet  e>  ihn  in  gleicher 

Weise  in  den  gewt5hnlichen  Verrichtungen  des  Alltagslebens. 
-Das  menschliche  Leben  wird  umgrenzt  von  dem 
Kreis  der  alltäglichen  Pflichten'.  Die  einflufsreichsten 
Tugenden  sind  gerade  die,  welche  am  häufigsten  im  Alltags- 
leben geübt  werden  müssen  ;  sie  halten  am  l>esten  und  längsten 
vor.  SujxTfeine  Tuc:ciulen.  welche  sich  über  das  Niveau  der 
gewühnlicheu  Sterblichen  erheben,  können   unter  Umständen 


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214 


eine  Quelle  fkr  X'crsiicbnu.u  imd  Gefahr  nerfleri.  Ocistigc 
Bildunj;  hat  keinen  noUveiidiKeii  Zusanunenliang  mit  Reinheit 
oder  Vortreftlichkeit  des  Charakters.  Nicht .  als  ob  Gelehrsam- 
keit etwas  7.U  Unterschätzendej^,  etwas  Verächtliches  wäre  --  sie 
mufs  nur  mit  Herzensgüte  gepaart  sein.  Geistige  Fähigkeiten 
finden  sich  oft  in  Begleitung  des  gemeinsten  sittlichen  Charakters 
—  kriechender  Ser  vi  Ii  tat  gegen  Höherstehende  und  hochmütiger 
Arroganz  gegen  T'ntergeh»ene.  Hin  Mensch  kann  Hervorragen- 
des in  Kunst.  Kitteratur  und  Wissenschaft  lL^^tcIl  und  doch 
an  l'vhrlichkeit,  Tugend.  Zuverlässigkeit  untl  rtlichtlrcne  hinter 
manchem  armen,  unbelesenen  liauern  /nriickstelRn  \<>cli 
weniger  hat  der  Reichtum  enien  notAvendigen  Zu>auimenhang 
mit  dem  Charakter;  im  Gegenteil  wird  der  letztere  häufig  durch 
ihn  verdorben  und  erniedrigt:  Reichtum,  Sittenverderbnis, 
Üppigkeit  und  Toaster  sind  nahe  miteinander  verwandt  Anderer- 
seits ist  eine  verhältnismärsig  armselige  Lebensstellnnt;  mit 
dem  vornehmsten  Charakter  sehr  verträq^lich.  Kin  Mensch  kann 
nichts  UL-iter  besitzen  als  seinen  l-leifs,  seine  I'ünfachheit  und 
l'nlK. sclioltcuheit.  und  doeli  einen  hulien  Rang  einnehmen  unter 
den  \  ertretern  echter  Männlichkeit.  Der  Charakter  ist  ein  Be- 
sitztum, und  zwar  ist  er  das  edelste  unter  allen  irdischen  Gütern. 
Und  es  ist  recht  und  billig,  dafs  gute  Ki genschaften  einen  hohen 
Wert  im  Leben  haben;  Fleifs,  Tugend,  Herzensgüte  sollten  am 
höchsten  im  Preise  stehen,  und  die  wirklich  besten  Menschen 
sollten  die  ersten  sein.  Ohne  Grundsätze  gleicht  der  Mensch 
einem  Schiff  ohne  Steuer  und  K()ni]nifs.  dn<  von  jedem  be- 
liel)igen  \\'indst(>f>  bald  hierhin,  bald  dorthin  .L;ctrici)en  winl. 
l'nd  wie  kann  ein  Ganzes,  Staat,  ne-x.lKcliatt  oik-r  h'aniilie, 
blühen,  wenn  es  nicht  getragen  und  geluiUen  wiril  von  reinen, 
edeln  Charakteren!  Und  von  welchem  Werte  zeigt  sich  ein 
moralischer  Charakter  erst,  weim  es  aus  Handeln,  ans  Thun 
geht  für  Gesetz  und  Ordnung,  Zucht  und  Sitte!  Denn  darauf 
beruht  das  (»eheimnis  aller  gesetzlichen  Ordnung,  dals  sich  jeder 
selbst  leitet,  jeder  sich  selbst  regiert ! 

Was  für  einzelne  Menschen  oder  i^an/c  Klassen  gethan 
wird,  raubt  denselbm  l>i>  /u  einem  gewissen  (nade  den  Antrieb 
und  die  Notwendigkeit  selb>tändigen  Handelns ;  und  wer  allzu- 
sehr geleitet  und  beherrscht  wird,  mufs  mit  Notwendigkeit  mehr 
und  mehr  .in  einen  Zustand  verhältnismäfsiger  Hilflosigkeit  ge- 
raten. Selbst  die  besten  Gesetze  vermögen  nicht,  dem  einzelnen 
thatkräftige  Hilfe  zu  leisten.  Das  TTöchste,  was  sie  für  ihn  thun 
können,  besteht  vielleiclit  darin,  dafs  sie  ihm  gestatten,  sich  frei 
zu  entwickeln  und  seine  indi\'iduelle  Lage  zu  verbessern.  Aber 
die  Menschen  sind  /n  allen  Zeiten  zu  dem  Glanben  geneigt  ge- 
wesen, ihr  persönliches  Glück  und  Wohlergehen  köiuie  eher 
durch  Staatsei nrieli Lungen   als   durch  ihr  eigenes  Verhalten  gc- 


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^»5 


Hichert  werden.    Ans  diesem  Grunde  hat  man  den  Wert  der 

C.c^<.i/j;el)uiiK  als  eines  Mittels  zur  Beförderung  des  menschlichen 
Fortschritts  häiifij;  sehr  ü1)ersch*iizi.  Dafs  man  den  millionsten 
Teil  einer  lA-j^islatur  ])il(len  liilit.  indem  nimi  iü  cincni  Zeitraum 
von  drei  oder  fünf  Jahren  einmal  seine  Stinnnc  tür  ein  oder 
zwei  Personen  aligiebt  da>  kann  >cll)>t  bei  'gewissenhaftester 
Jütülliuig  dieser  Pflicht  nur  einen  gerinifc;en  aktiven  HmihUs  auf 
das  LelKm  nnd  den  Charakter  eines  Menschen  austilgen.  Aufscr- 
dem  zet^  es  sich  mit  jedem  Tage  dentlicher,  dafs  die  Funktionen 
der  Regienmg  eher  negativ  nnd  einschränkend  als  |>ositiv  und 
scliöpferisch  sind,  da  sie  hauptsächlich  in  Schut/niafsre^eln  zer- 
fallen zur  Sicherung  des  Lebens,  der  I^Veiheit  und  des  Ivigcn- 
tums.  (hirchruTJ  nUer  nicht  vTt'.i^Tt'nUüiq  wirken  dnrfeTi  Weise  und 
wohl  angew  andte  Cies(.i/,e  werden  i>  den  Men^ehen  erniö>;iichen, 
die  Früchte  ihrer  geistigen  oder  kürjiei  liehen  Arbeit  in  Sicher- 
heit und  mit  verhältnismäfsig  kleinen  persönlichen  Opfern  zu. 
geniefsen;  aher  keine  noch  so  strengen  Gesetze  können  den 
Trägen  fleifsig,  den  Verschwender  sparsam,  den  Trunkenbold 
nüciitern  machen.  Solche  Wandlungen  sind  nur  vermöge  in- 
dividueller  xVnstrengttng.  Sparsamkeit  und  Enthalt- 
samkeit zn  bewirken  —  nicht  durch  gröfsere  Rechte, 
sondern    durch   bessere   Sitten.  Die   Rej^ierung  eines 

Volkes  erweist  sich  gewöhnlich  nur  als  ein  Spiegelbild  der  In- 
dividuen, aus  denen  sich  dasselbe  zusammensetzt.  Eine  Regierung, 
die  über  dem  Volke  steht,  wird  unvermeidlich  auf  das  Niveau 
desselben  herabgezogen,  während  eine  solche,  die  einen  niedrigeren 
Standpunkt  einnimmt,  schliefslich  emporgehoben  wird ;  nur  geniale 
Naturen  verleilien  zeitweilig  einmal  höheren  .Schwung.  Nach  der 
Ordnung  der  Natur  mufs  sich  der  ( lesamtcharakter  einer  Nation 
el>ctis(>  notwendiL^  in  angemessenen  Gesetzen  und  Regierungs- 
tormen  ausdrücken,  wie  in  'ij;;leicher  Xotwendi^^keit  der  Wasser- 
spiegel innner  wieder  in  >eine  wasferechte  Lage  zuriiekkehrt.  Ein 
edles  Volk  wird  eine  edle  Regierung,  ein  unedles  und  verderbtes 
aber  eine  unedle  haben.  In  der  That  liefert  die  Krfahning  all> 
gemein  den  Beweis,  dafs  der  Wert  und  die  Bedeutung  eines 
Staates  weit  weniger  von  seiner  Regierungsform  als  von  dem 
Charakter  seiner  Bewohner  abhängt.  Denn  das  Volk  ist  nur 
eine  Gesamtheit  i  n  d  i  \  i  d  n  e  -  K  r  I  !  x  i  1  e  n  /  e  n  .  tt  n  d  d  i  e 
C  i  V  i  1  i  s  a  t  i  o  n  selbst  ist  nur  der  1  n  b  e r  i  1 1  all  d  e  r  p  e  r- 
sön  liehen  Bildung  der  Männer,  Frauen  und  Kinder, 
aus  denen  die  Gesellschaft  besteht.  Der  nationale 
Fortschritt  ist  die  Summe  individueller  Tüchtig- 
keit. Energie  und  Rechtschaffenheit,  wie  der  nationale 
Verfall  aus  individueller  Trägheit,  Selbstsucht  und 
I^asterhaf  t  i  g:  k  ei  t  hervorgeht.  Was  wir  iji  wohnt  sind,  als 
grofse  soziale  Übel  zu  l)ezeichnen,  erweist  sicli  in  den  meisten 


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2i6  ftrbuljic. 


Fällen  nur  als  eine  Folge  der  verderbten  Lebensweise  einzelner 
Personen ;  ntul  wenn  wir  uns  auch  bemühen,  jene  Übel  ver- 
mittelst der  Gesetsje  «u  beseitigten  niid  auszurotten,  so  werden 

sie  doch  immer  wieder  in  irp^tTul  einer  anderen  Form  np]Mp 
emporspriefscji.  sofern  es  nicht  .^c-liiii^t.  die  Bescliatlcuheil  des 
individuellen  Lebens  und  Charakters  /.u  verbessern.  Wenn  diese 
Ansicht  riclitig  ist  so  folgt  daraus,  dafs  die  höchste  Vaterlands- 
Hebe  und  Menschenfreundlichkeit  nicht  so  sehr  in  einer  Ab- 
änderung der  Gesetze  oder  ITmwandlung  der  Staatseinrichtungen, 
nicht  in  Formen  und  Ge-taltunj;en.  sondern  darin  1k 
steht,  dafs  man.  die  Menschen  in  hilfreicher  Weise  aneifert,  sich 
durch  f  r  e  i  e  !i  n  d  c  1 1  >  >  t  ä  n  d  i  jj;  e  i  ri  d  i  v  i  d  u  e  1 1  e  T  h  ä  t  i  ^  k  c  i  1 
/u  erheben  und  zu  Vir\ dllkonimnen.  Ks  kann  für  einen  Menschen 
von  verhältnisniäfsig  ;^crini;er  l^-deiitunj^  sein,  wie  er  von  nuf»ien 
her  regiert  wird,  während  alles  davon  abhängt,  wie  er  sich  selbst 
innerlich  beherrscht  Der  bedauernswerteste  Sklave  ist  nicht  der. 
welcher  unter  einem  Despoten  steht  —  so  grofs  dieses  Obel 
auch  sein  mag  — ,  sondern  jener,  welcher  in  den  Banden  seiner 
eigenen  moralischen  Unwissenheit  Selbstsucht  und  T^asterhaftig- 
keit  liegt  Nationen,  die  solchergestalt  Sklaven  in  ihrem  Innern 
sind,  können  nicht  dnrcli  einen  blofsen  Wechsel  ilirer  TIerrcn 
oder  \'eriassungen  beireit  werden,  und  so  Inns^c  der  verhängnis- 
volle Irrtum  herrscht  dafs  die  Freiheit  nur  von  der  Regierungs- 
forni,  alles  höhere  und  bessere  Thun  und  Wollen  von  äufser- 
lichen  Gestaltungen  abhänge  oder  darin  bestehe:  so  lange  wer- 
den solche  Veränderungen  —  mit  welchen  Opfern  sie  auch  er- 
kauft sein  mögen  -  ebensowenig  praktische  und  dauernde 
Resultate  liefern  als  die  fluchtigen  Bilder  einer  Zauberlaterne.* 
Hin  Mensch  ohne  (t  e  \y  i  s  sen  kann  keinen  höheren  Lebens- 
zweck haben  als  das  \'ergiiü;;en.  V.r  sucht  es.  wo  es  ihm  be- 
liebt, entweder  in  rein  sinnlichen  h'rcudcn,  oder  auch  in  einer 
Verbindung  Muuiicher  nnd  geistiger  Genüsse.  Wir  leben  aber 
nicht  in  dieser  Welt,  um  nur  unseren  Neigungen  zu  folgen  — 
es  darf  nicht  unser  alleiniges  Ziel  sein,  uns  selber  zu  befriedigen. 
Alle  Gesetze  der  Natur  treten  einer  solchen  Auffassung  des 
Lebens  entgegen.  Der  Geist  darf,  nie  den  niedrigen  Kräften 
unserer  Natur  unterlicp^cn  .  .  Eine  so  beschaffene  Gesell- 
«^chnft,  anse^estattet  mit  den  Geisteskräften  nnd  den  Leiden- 
scliaftcji,  die  der  Mensch  besitzt,  aber  nicht  l)eherr^cht  von 
dem  zwingenden,  das  Leben  regelnden  KinlhUh  des  Gewissens, 
mülste  der  Anarchie  verfallen  und  in  gegenseitiger  Vernich- 
tung endigen«.  .  .  .  ^Das  einzige  Heilmittel  liegt  in 
einer  Wiederbelebung  des  menschlichen  Pflichtge> 
fühls.  Die  Aufgabe  unserer  Väter  war  es,  das  Recht  zu  er- 
kämpfen: möge  die  Aufgabe  u  n  serer  G  e  n  erati  o  n  d  ari  n 
bestehen,  die  Pflicht  zu  lehren  und  Junger  für  sie 


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zn  werben!  Auch  nach  der  Gerechtigkeit  wollen  wir  streben, 
welche  die  Krone  der  Tugend  ist.  und  nach  der  Milde,  die  ihr 
zur  Seite  stehen  mnls.  Ks  «iebt  eine  Stelle  in  den  K\  atigelien, 
an  die  wir  uns  ohne  Aufhören  erinnern  sollten,  welche  aut 
jeder  Seite  eines  moralischen  TAsvl)iiches  stehen  niiifste;  sie 
lautet:  Allei»,  was  ihr  wollt,  dals  andere  euch  Üiun,  das  thut 
ihr  ihnen  1    -  -  — 

Aus  dem  Vorstehenden  dürfte  mit  Leichtigkeit  zu  ersehen 
sein,  worauf  nach  Smiles  und  bei  jeder  aus  der  Beschaffenheit  der 
menschlichen  Natur  entsprossenen  Pädagogik  der  Hauptnach - 
druck  aller  Bildung,  aller  erziehlichen  Einwirkung  zu  legen  ist: 
nfindich  auf  die  in  jedem  Mensclieti  schlummernden  und  vom 
den  \*ätem  ererbten  idealen  r'cisU sinächte.  auf  Charakter,  Fflichl. 
(iewisseu,  Rcinlieit  des  Hi-t/aii-  und  Adel  der  Ck-sinnun^. 
nicht  aber  auf  aulscre  ICinrichtuiigen.  denen  Kern  und  Leben 
fehlt,  nicht  auf  sogenannte  praktische  luteressen  und  einseitige 
Verstandeskultur,  nicht  auf  Schein  und  ein  im  Sinnlichen  sich 
verzehrendes  sogenanntes  Glück.  —  Derindividuelle  reine, 
hoheits volle  Charakter  allein  bildet  die  solide 
GrnndlagederFreiheit,  und  in  ihm  allein  liegt  auch 
die  einzige  z  u  v  e  r  1  n  s  s  i  j^e  Bürgschaft  der  sozialen 
Sicherheit  und  des  n  ;i  t  i  o  ii  a  1  e  ii  1' or  tsch  ri  t  ts.  Pflicht, 
Gt  \visM.ii.  Selbsthilte.  eit^^iiLS  Thun  und  Schaffen 
unter  dem  Gesichtspunkte  einer  sich  selbst  und 
anderen  verpflichteten  Opferwilligkeit  und  Opfer- 
freudigkeit sind  die  treibenden  Schöpferkräfte  grofs 
angelegter  Reformen.  Auf  der  festen  und  sicheren 
Grundlage  einer  vollgereiften  Indi  vidual  harmonie 
hinein  in  eine  flnrnns  erwachsende  S  o  /  i  al  o  rd  n  u  n  g 
(^r  1  ei  c  h  gesi  n  n  ter  und  G  1  ei  c  h  s  t  r  e  lun  d  e  r :  die  mensch- 
lichen Fähigkeiten  /  n  Liiöiserer  K  r  a  f  t  e  n  t  f  a  1 1  u  n  g 
im  Dienste  wahrer  M  en  sc  Ii  1  i  c  h  k  e  i  t  zu  entflammen: 
Kunst  und  Wi  ssenschaf  t,  Sitte  und  Ordnung,  Kultur 
und  Staat  mit  Wahrheit  und  Klarheit  und  Liebe 
KU  durchwirken  —  das  ist  das  Ziel,  um  das  wir  uns 
zu  scharen  haben!  \*on  einer  kräftigen  zielbe- 
wufsten  Individualhildung  zu  einer  von  Natur  und 
Welt  Ordnung  gelM)tenen  S  o  zj  a  I  gc  s  t  a  1 1  u  n  g  .]nr!i 
ohne  verschwommenen  Sozialismus  und  oberflnrhlirlie  Gleich- 
macherei -  das  allein  ist  der  Weg  zu  schtMierer  Ent- 
wickeln n  g ,  zu  künftigen  besseren  Z  e i  t e  n  I 


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Umscliau  in  Naclibargebieteii* 


Von  R.  Dietrich  iu  Kandern. 


I. 

Herrn.  Grimm  verbreitet  sich  in  der  Deutschen  Rundschau 
(1H95/6,  IV)  über  Treitschkes  Deutsche  Geschichte  im  XIX. 

Jahrluiiulert.  Verbreitet  sich,  sa^^e  ich.  Denn  sein  Aufsatz  ist 
nicht  eine  Kritik,  sondern  eine  behagliche,  den  Inhalt  des  Werkes 
i]retiief.sende  Besprechung,  welcher  >Krinneniii>][en  imd  Betrach- 
tungen über  nationale  Gesch  i  ch  t s c h  rei  b  u  11  g  einge- 
fügt sind.  Das  Amt  des  Geschichtschreibers  sagt  er  da  ge- 
legentlich -~  ist  bei  antiker  und  moderner  Geschichte,  diese  zu 
erraten  und  seine  Auffassung  des  Geschehenen  glaubwürdig  zu 
machen.  Die  ^exakte  sinnliche  Phantasie«  tritt  hier  in  ihre 
Rechte,  das  bildende  Element,  dem  Goethe  zuerst  diesen  Namen 
bestätigte.  Wissenschaft  und  Kunst  fliefsen  bei  den  Ereignissen 
unserer  Tage  zu  einer  schöpferischen  Kraft  gnn/  nnders  zu- 
sammen, als  wo  es  sich  um  die  Rekonstruktion  un  .Vebel  der 
Zeiten  undeutlich  gewordener  Situationen  handelt,  die  mit  unserer 
Fortentwickelung  aulser  Zusammenhang  stehen.  Wir  erleben 
heute,  wo  die  Parteien  sich  bei  uns  entgegenarbeiten,  wie  un- 
möglich es  oft  sei«  festzustellen,  was  ein  Mann  eben  noch  ge- 
sagt hat,  und  gar,  in  welchem  Sinne  er  sich  aussprach.  Briefe 
werden  verändert,  verstümmelt,  abgeleugnet  oder  wenigstens  hier 
und  dort  anders  interpretiert,  und  in  die  logisch  eng  verbundenen 
Glieder  von  Thatsachen  neue  Kakta  eingeschoben,  die  dem  Laufe 
der  Dinge  eine  andere  Bedeutung  gelxn.  Wer  soll  hier  der 
Richter  sein  5*  Der,  der  aus  seiner  Nntiu  Ikthus  die  mil^piclen- 
den  Personen  am  tidsicu  du^ch^cllautI  In  allen  iipochen  um 
gtebt  die  herrschenden  Generationen  der  Menschheit  ihre  beson- 
dere Ivcbenshift:  wer  will  über  ihre  Thaten  urteilen,  ohne  diese 
Luft  geatmet  zu  haben?  Der,  dem  sie  durch  eine  Ahnung  zu- 
fliegt.'... Zwei  vornehmste  Aufgaben  hat  der  Historiker :  seinem 
Stoff  den  Abglanz  des  scheinbar  wirklich  und  wahrhaftig  sich 
Kreignenden  x.u  verleihen,  und  sodann  das  Vertrauen  zu  erwecken, 


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Umsch««  in  Kiu;hba(^<>bl«t«n. 


die  Kreigiiisse  hätten  in  der  That  den  Weg  genommen,  den  er 
angiebt  Diesen  Erfolg  zu  erringen,  müssen  Opfer  vom  Autor 
gebracht  werben.  Kr  steht  mit  seinem  Tünche  der  unbekannten 
Masse  seiner  niitlebenden  Leser,  jüiij^erer  tind  älterer  Lente, 
gegenüber,  die  nicht  ohne  weiteres  sicli  gläubig  zu  verhalten 
vermeint  ist;  und  er  hat  ihr  den  Beweis  zu  liefern,  sie  dürfe 
und  müsse  Vertrauen  tm  ihm  hegen.  Deshalb  muls  er  zeigen, 
daLs  er  nichts  verhülle,  verschönere,  verstecke.  Er  mufs  die  Dinge 
rasch  beim  rechten  Namen  nennen.  Er  mufs  alle  Konsequenzen 
dieses  Vorgehens  kennen  und  über  sich  nehmen.  Kr  muls  wissen, 
worin  das  gemeine,  erbarmungslos».  Tageslicht  sich  vom  roman- 
tischen Lichtt  der  Kerzen  unici --chcidet.  Ihm  zum  \'nr\vnrf 
machen  woUvn.  d«Tfs  er  bei  b'iiiilhing  dieser  Pflichten  Auge  und 
Ohr  beleidigt  habe,  wäre  lalscli.  Das  ist  es.  was  uns /u  vShakes 
peare  so  grenzenloses  X'ertrauen  fassen  läfst:  ihm  wäre  luimög- 
Itch,  aus  Mitleiden  eine  Lüge  zu  sagen. ...  Deutsche  Geschichte 
ist  etwas  anderes  als  griechische  und  römische.  Sie  ist  die  Ge- 
schichte all  unserer  Familien.  Deutsche  Geschichte  bedeutet  Er- 
zählung, wie  bei  Gunst  oder  Ungunst  der  Zeiten  durch  feste 
Männer  das  einige  Deutschland  geschaffen  worden  ist.  Diese 
•Männer  wollen  wir  kennen  lernen.  Die  gleichzeitigen  aber  vor 
allen  anderen.  Wir  wollen  alier  auch  hier  nicht  ein  ungeheures 
Xutizenreservoir  vor  uns  liaben,  in  dem  alles  Krrcichbare  ent- 
halten ist,  sondent  von  der  Hand  eines  zuverlässigen  Mannes 
uns  daraus  schöpfen  lassen.  Bis  zur  Mitte  unseres  Jahrhunderts 
waren  die  Zeiten  der  Gegenwart  unglückliche,  und  der  Geschicht- 
schreiber, indem  er  uns  ihre  Männer  vorführte,  hatte  die  Auf- 
gabe, uns  zu  trösten  und  auf  eine  bes.sere  Zukunft  hinzuweisen: 
7u  zeigen,  wie  auch  in  trüben  Verpnigenhcitcn  der  Keim  zum 
Glücke  stets  gele.i^en  liabe,  welche  Männer  ihn  bei  uns  im  Wachs- 
tum hielten,  und  welche  (»abeti  er  uns  nuch  verspreche.  Ge- 
schichte für  eint  im  Unheil  »teckende  Generation  zu  schreiben, 
ist  deshalb  schon  schwer  oder  unmöglich,  weil  in  solchen  Zeiten 
die  Wahrheit  nicht  gesagt  werden  darf.  Für  eine  vom  Schicksat 
begünstigte  Zeit  aber  Geschichte  zu  schreiben,  ist  eine  schöne 
und  dankbare  Aufgabe,  wenn  ein  kräftiger,  weitblickender,  seine 
Sprache  belu  rrscliendc  r  Mann  sie  auf  sich  nimmt  (Dieser  Mann 
—  meint  Grimm  -    sei  Treitschke.) 

(ranz  anderer  Art  i.st  die  umfangreielie  Arbeit,  welche  Felix 
kachlahl  der  DcuLschen  Geschichte  von  Karl  Lamprecht  ge- 
widmet hat  (Preufs.  Jalirbücher  1896,  1.).  Hier  handelt  es  sich 
um  Kritik.  Lamprecht  hat  nämlich  den  Versuch  gemacht,  eine 
neue  Anschauung  der  deutschen  Verfassungsgeschichte  zu  be- 
gründen, deren  Inhalt  in  die  wenigen  Worte  sich  fassen  läfst: 
Der  Prozefs  staatlicher  Kntwickelung  ist  im  wesentlichen  wirt- 
schaftlicher Natur ;  wirtschaftliche  Momente  besümnien  vor- 


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220 


zuj^swcise  die  Wiiiidclun^^cn  staatlichen  iAi>e?i'<  in  I)ciit>clilaii(l : 
wie  der  fränkisch-deiitsclK  Staat  vom  7.  i  v  jahrlnuidert  der 
Naturalwirtschaft  >eiii  Ivntslelieu  venlr.nkt.  so  auch  ist  die 
G  e  1  d  w  i  r  t  s  c  h  a  i  t  die  Grundlage  aller  späteren  staatlichen  Hil  - 
düngen  und  insbesondere  auch  der  neuen  KiniKung  des  deutschen 
Volkes  in  diesem  Jahrhundert.  Oenigeniäfs  prüft  Rachfahl,  ob 
die  von  Lamprecht  aufgestellte  Penoden-Einteilunjir  berechtigt 
ist,  und  oh  die  \*eränderungen  in  der  Verfassung  in  der  Tliat 
ausschlielslich  oder  doch  vornehmlich  auf  wirtschaftliche  Ur- 
sachen /.urück/u  führen  sind.  Ht/üi^lich  des  ersten  Punktes 
kommt  er  /.u  dem  Hrgel>nis:  Den  Ilaupleinschnitt  des  langen 
Zeitraums  von  der  Begründung  dc>  Irrmkisehcn  Kciclies  bis  zur 
Krrichtung  der  konstitutionellen  Monarcliie  tles  XIX.  Jahrhun- 
derts bildet  nicht  die  Stattferzeit ,  sondeni  die  Wende  \-om 
Mittelalter  zur  Neuzeit  Die  erste  der  sich  so  ergebenden  beiden 
Hauptperiodeii  müssen  wir  in  zwei  weitere  Abschnitte  zerlegen, 
deren  Grenze  ungefähr  durch  den  Beginn  des  zweiten  Jahr- 
tau.sends  unserer  Zeitrechnung  angedeutet  wird ,  indem  das 
staatliche  Leben  des  (Unitscluii  \  <>lkc^  bis  dahin  in  der  Haupt- 
^aclu-  \on  einem  zeiUralisti^elun  Frin/.ipe,  \'on  dn  ab  mehr  von 
einer  Tendenz  der  Dezentralisation  beherrscht  wurde.  Iil>enso 
verhält  es  sich  mit  der  zweiten  von  den  beiden  Ilauptperioden ; 
auch  sie  zerfällt  in  zwd  Unterabteilungen:  das  Zeitalter  des 
dualistischen  Bundestaates  und  das  der  absoluten  Monarchie. 
Dafs  weiter  auch  Lamprechts  grundsätzlicher  Standpunkt  un- 
richtig ist.  weist  Rachfahl  vorzugsweise  an  der  Geschichte  des 
Mittelalters  nach:  der  Lehnsstaat  des  fränkisch-deutschen  Reiches 
zeigt  er  war  weder  in  der  ersten  noch  in  der  zweiten 
Periode  seines  Daseins  ein  l'trzeugnis  der  Naturalwiriscliatt 
schlechthin;  sondern  er  war  ein  Lrzeuguis  der  das  politische, 
religiöse  und  soziale  Leben  beherrschenden  Ideen,  bezüglich 
seiner  Organisation  allerdings  mit  Notwendigkeit  dem  Stande 
der  damaligen  Kultur  und  daher  auch  der  Naturalwirtschaft 
angepafst.  Hinsichtlich  der  späteren  Zeit,  für  welche  nach 
Lnniprecht  die  Geldwirtschaft  mafsgebend  gewesen  sein  soll. 
Weist  Rachfahl  einfach  auf  die  w  ichtigeren  \'orgänge  der  deutschen 
Gescliiclite  hin.  welche  die  .A.n>l)reilunL;  oder  der  I-anfliiK  der 
C.cidw  u  l>cliaft  nicht  verhütet  oder  liew  irkt  hat.  Dann  folgt 
auf  drei  Seiten  eine  Skizze  der  deutschen  \'erfassungsgeschichte. 
die  wir  des  knappen  Raumes  wegen  leider  nicht  wiedergeben 
können.  Allerdings  ntufs  der  Kritiker  zugeben :  das  Verständnis  ' 
der  politischen  Geschichte  ist  unmöglich  ohne  die  Kenntnis  der 
jeweiligen  wirtschaftlichen  Grundlagen  von  Staat  und  Gesell- 
^cliaft :  ebe!i-io  nTnno<;lich  ist  eine  volle  Würdigung  der  Leistungen 
eines  i)estimmten  Staatswesens  ohne  die  Kenntnis-  .seines  \'er 
hältnisses  zu  den  wirtschaftlichen  Dingen,  ohne  die  Kenntnis 


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l'iusrhau  in  Naohhiii^ctiictrn. 


seijier  Wirtschaftspolitik.  Und  die  Wirtschaftsgeschichte  ist 
bisher  vernachlässigt  worden. 

2. 

In  (k'iii  ^Iciclion  Hefte  der  Trenfs.  Jahrbücher  cnn  Un  i  tleicn 
Herausgeber,  Hans  Delbrück,  die  Aussichten  der  So/.ial- 
poHtik.  Das  Wichtigste  —  sagt  er  —  ist,  dafs  die  Regierung 
das  richtige  Verhältnis  zur  Sozialdemokratie  findet.  Revolu- 
tionsparteien können  nur  dadurch  üherwuiKlcn  werden,  dafs  man 
ihnen  Reform parteien  entgegenstellt.  Jet/.t  ist  das  nicht  niöglicli, 
da  eine  Kiforinpnrtei  nnr  existieren  kant»  entweder  im  l^nnde 
mit  der  Regiernng,  indem  praktische  Kc  tnrmen  betriehen  werden, 
»ider  aber  indem  wenigstens  die  Rei;iLiung  sich  nentral  verhalt 
und  tleii  gcisiigcii  Kräften  auf  allen  Seilen  freien  Spiel  ran  m  läfst. 
Man  erkennt  an  dieser  Stelle»  warum  unsere  sozial-reaktionäre 
Partei  fortwälirend  tnit  solchem  Kifer  für  die  Politik  des  Haare- 
krümmens  eintritt.  Dafs  sie  keinen  Krfolg  hat  und  die  Revo- 
lution, falls  wirklich  eine  im  An/nge  ist,  nicht  verhindern  kann, 
das  sehen  die  Reaktionäre  natürlich  so  gnt  ein  wie  jeder  andere. 
Warum  bleiben  also  die  Post,  die  Ht^rliner  Xenesten  Nachric  hten, 
die  Hamluuger  Nachrichten  nntl  ulk  die  andern  l>ei  dem  Ruf: 
^Noch  ein  paar  Härchen  mehr  gernplt.  und  der  Löwe  wird 
bald  tot  sein«  ?  Der  Grund  ist:  was  sie  verhindern  wollen,  ist 
nicht  die  Revolution,  sondern  die  Reform.  Hin  bischen  Revo- 
lution, das  man  dann  niederschl&ge,  wäre  sogar  sehr  ange- 
nehm. Aber  sobald  die  Regierung  sich  nur  einen  Augenblick 
zurückzieht,  entsteht  eine  starke  R  e  f  <  >  r  m  p  a  r  t  e  i ,  uiul  diese 
ist  es  vor  allem,  die  man  nicht  will.  Man  achte  auf  den 
hübschen  Kreis,  den  die  llet/e  y.u  machen  ptle.^t.  Die  So/ial- 
deniokraten  werden  l)ekäiii])tl,  nicht  weil  >iv  die  Intere.s.sen  des 
Arbeiterstandes  gegen  da.s  Kapital  verleidigen,  l>ewahre;  sondern 
deshalb,  weil  sie  die  Grundbegriffe  unserer  Kultur  und  unseres 
Staates  bekämpfen.  Nun  kommen  andere,  deren  religiöser, 
nationaler,  konstitutioneller  Sinn  unanfechtbar  ist,  die  aber  dabei 
wirtschaftlich  -  sozialistischen  Ansichten  huldigen.  Mug»  sind 
sie  die  Affiliierten  der  Sozialdemokratie,  noch  viel  schlimmer  als 
diese  selbst,  Schwarmgeister  nach  der  Art  Thomas  Münzer.s. 

Mine  Wirkung  jener  retormleindlichen  Mächte  sieht  Delbrück 
auch  darin,  dafs  der  (preulsische)  ()l>erkirclienrat  den  ICrlaf.s, 
in  dem  er  vor  fünf  Jahren  die  Geistlichen  aufforderte,  sich  um 
die  sozialen  Angelegenheiten  zu  kümmern,  de-  und  wehmütig 
wieder  zurückgenommen  hat«.  Dieser  neue  Erlafs  (vom  17.  De- 
zember 1K95)  —  meint  der  bekannte  Frankfurter  Pfarrer  Friedr. 
Naumann  in  einem  Auf.satze  über  das  Problem  der  kirch- 
liehen  Sozialpolitik  (Soziale  Praxis  is'')5  ('.14)  ist  nur 
zu  verstehen,  wenn  man  sich  die  eigentümlichen  Schwierigkeiten 


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i22 


B.  Dietrich. 


der  kirchliclien  Organe  p;-eg:cntiher  der  modernen  Knlwicklnno; 
vergegeiiwärti)^t.    Kisenbaliii   und  Wahlrecht  wirken  mit  einer 
Art  l'nerhitUiclikcit  auch  auf  Gebiete,  die  scheinbar  weit  von 
ihnen  getrennt  liegen.    Entweder  die  Kirche  spinnt  sich  ein, 
oder  sie  zieht  die  Konsequenzen  der  veränderten  Verhältnisse. 
Worin  aber  besteht  die  notwendige  Umwandlung?    Erstens  in 
der  Tendenz  auf  Berufsgemeinden  (an  StclU  (U  r  Ortsgemeinden, 
auf  denen  das    gan/c  System '   der  bestehenden  Kirchen  Organi- 
sation benilit ;  die  Reli.LTion  hätte  nun  die  neuen  Bcmfsgruppie- 
rungen   gcraik-so   7U  durclidringen.   wie  sie   frülier  die  Lokal- 
vereiniK^unj;en  (Uirclulrungen  hat),  und  /weiuns   in  einer  T^os- 
lösung  <ler  Kirchenleilung  von  der  direkten  lieeinllussung  der 
Staatsregierung.    Letztere  hat  sich  auf  die  Seite  des  'Besitzes 
gestellt.    Will  es  die  Kirche  ebenso  machen,  so  verliert  sie 
naturgemäfs  an  Einflufs  auf  die  iiichtbesitzende  Menge,  was  sie 
um  ilirer  Tendenz  auf  Volkswirksanikeit  willen  sehr  l)edaueni 
wird.    In  dieser  Zwangslage  zwisclKii  Regienmg  und  Menge 
haben  fast  alle  Kirchenret^-inienter  bin  und  her  geschwankt.  Am 
liebsten  würde  man  natürlich  eine  einfache  Neutralitätserklärung 
erlassen,  aber  gerade  dieser  scheinbar  nächstliegende  Weg  ist 
praktisch  zur  Zeit  nicht-  gangbar.    Die  Staatsregierung  und  ihr 
Oberhaupt,  welches  zu  gleicher  Zeit  summepiscippm  der  e\'ange- 
lischen  Landeskirche  ist,  denken  gar  nicht  daran,  die  von  ihnen 
finanziell  abhängige  Kirchenverwaltnng  als  politisch  neutral  zu 
betrachten.    Von  den  Organen  der  Kirche  wird  verlangt,  dafs 
aucli  sie  die    Mächte  des  Umsturzes    liekämpfen.    Die  evange- 
lische Kirche  als  solche  «  >]]  eine  Schützerin  der  historisch  her- 
gebrachten politischen  \  l•na^>^ungsform   sein,   gegenüber  ParU  i- 
ansichten,  welche  mehr  zu  demokratischen  und  republikanischen 
Idealen  neigen.    Kurz,  sie  soll  Partei  nehmen  und  dennoch 
dabei  für  alle  sein  wollen.  So  entstehen  lauter  halbwahre  Sätze 
und  schleichende  Widersprüche,  wie  sie  im  vorliegenden  Erlafs 
zu  finden  sind.  .  .  .  Als  wünschenswert  wird  es  in  erster  Linie 
l)etrachtet  werden,  das  das  Sfnmnepiskop(it,  die  nicht  klar  fixierte 
Regenten  würde  des  Monarchen  auch  in  kirchlichen  Dingen  ent- 
weder eingeschränkt  oder  beseitigt  wird,   da  in  der  Personal- 
union des  staatlichen  und  kirchlichen  Oberliauples  nalieliegende 
Bedenken   betreffs  Vermischung  der  Gebiete   begründet  sind. 
Sodann  aber  mufs  gewünscht  werden,  dafs  die  Generalsynode 
(für  die  altpreufsischen  Provinzen)  eine  häufigere  und  längere 
Tagung    erlebe,  um  als  dauernde  Hilfe  inid   Kontrolle  des 
Kirchenreginientes  dienen   zn  können.    Schliefslich  wird  von 
neuem  die  Frage  auftauchen,  ob  denn  ein  allgemeines  deutsch- 
evangeli.sches  Kirchenregiment  fdhne  \'ermischung  der  zu  Recht 
bestehenden  Hekeiujtnisse)  für  inuuer  eine  Unmöglichkeit  bleiben 
soll.  .  .  .  Solange  das  jetzige  X'erhältnis  von  Staat,  Kirche  und 


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Umichav  ta  Viic1ib«r^«>l*I<-ton. 


Arbeiterpartei  dauert,  ist  es  ganz  begreiflich,  dafs  etlichen  Ver- 
tretern der  Kirche  am  Vcrtrnücn  der  besitzlosen  Menge  mehr 
liefet,  als  an  der  (■bereinstimnumg  mit  Besitz  und  Regiernng. 

l'.incn  dritten  inhaltreichen  Beitrag  zur  Sozialpolitik  bietet 
Heinr.  Htikner.  Kr  l)etrachtet  -»Sparsamkeit  und  Luxus 
vom  Standpunkt  der  nationalen  Kultur-  und  Sozial- 
pol i  t  i  k «  (Schmotlers  J ahrbuch  f.  Gesetzgebung»  Verwaltu ng  und 
Volkswirtschaft  im  Deutschen  Reich  1896,  I).  Sparsamkeit  und 
Krwxrl»  sind  für  die  fortschreitende  Entwicklung  unserer  wirt- 
schaftliclien  untl  deshalb  auch  unserer  geistigen  Kultur  unent- 
behrlich. Aber  es  giebt  bereits  innner  zahlreicher  werdende  Schichten, 
in  deneti  Ivrwerb  und  Kapilalbildung  nicht  nuhr  allein  im  Vor- 
dergrund des  lnUTe>^L's  iliroiicu  dürfen,  und  zwar  aus  politischen 
Gründen  ebensowenig  wie  aus  ICrwägungen  lier  nationalen  Kidlur- 
poIitik.  Wer  durch  ausreichenden  Besitz  oder  einfache  Lebeiis- 
Vfeisc  den  Sorgen  des  Unterhalts  entrückt  ist,  der  sollte  seine 
Aufmerksamkeit  nicht  in  erster  t,inie  auf  die  weitere  Steigerung, 
sondern  vielmehr  auf  die  richtige  kulturförderliche  Verwendung 
seines  Kinkonuuens  richten.  Als  kulturfördernd  kann  aber  nur 
derjenii^^e  Anfwnnd  nngeselien  werden,  welcher  den  Menschen 
\sirklicli  erhellt,  tüchtiger,  leisunii^^fnhiger  macht,  welcher  der 
verständnisvollen  Pflege  des  Wahren,  tiuteii  ujuI  vSchönen  in 
allen  menschlichen  lA'benskreisen  und  sozialen  Schichten  dient. 
Dafs  das  Bürgertum,  welches  vor  allem  zur  Ausfuhrung  einer 
heilsamen  Sozialpolitik  berufen  ist,  dieser  seiner  Pflicht  noch  so 
wenig  genügt,  findet  Herkner  entschuldlwr.  Wir  dürfen  nicht 
vergessen  —  erklärt  er  dafs  die  aufsteigende  K lassen bewegung 
d<:<  Bürgertums  in  Deutschland  noch  recht  jungen  Datums  ist. 
Kaum  fünfzig  Jahre  sind  es  her,  dal.s  das  lUIrgertum  wenii^slcns 
im  Süden  und  Wr^-tm  des  Reiches  einen  ansschlaggebcnden 
Faktor  im  Staatslebcn  l>ildet.  Der  für  DcuL>cldand  nachteilige 
Umschwung,  der  mit  dem  Beginne  der  neueren  Zeit  im  Welt- 
handel eintrat,  die  konfessionelle  und  nationale  Zerrissenheit,  der 
dreifsigjährige  Krieg,  die  Rivalität  zwischen  Österreich  und 
Preufsen,  heute  die  zum  Militarismus  drängende  Lage  zwischen 
Frankreich  und  Rufsland  :  das  alles  sind  Thatsachen.  welche  die 
\'erbürgerlichung  des  deutscheii  \'olkes  itngemein  verzögert 
haben,  <lic  abir  nicht  auf  das  »^clmldkonto  des  Hüri^irUims  ge- 
•setzt  werden  können.  Ks  war  auch  kein  \'orteil  für  die  i>oliti.sche 
Stellung  des  deutschen  Bürgertums,  dafs  die  deutsche  Frage  von 
demjenigen  Staate  gelöst  werden  niufste,  dessen  wirtschaftlicher 
und  politischer  Schwerpunkt  bis  zum  Jahre  1 866  ganz  entschie- 
den in  dem  nichtbürgerlichen  Osten  lag.  Aber  wie  kommt's  denn, 
dafs  man  auch  heute  noch  sagen  kann,  wie  es  jüngst  erst  ein 
Freiburger  Professor  in  seiner  Antrittsrede  gesagt:  das  P>ürirer- 
tum  sei  nicht  reif,  die  politisch  leitende  Rolle  zu  übernehmen.^ 


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224  ^  lH«tri«ii. 


Weil  CS  sich  thatsachlich  bei  weitem  zu  wenig  angestrengt,  und 
dies  wieder  hat  wohl  hauptsaclilich  darin  seinen  Grund,  dafs 
eine  grofse  Mehrheit  in  dem  sonderbaren  Wahne  lebt:  mit  der 
Gründung  des  Deutschen  Reiches  sei  alles  Wünschenswerte  und 
Erreichbare  erreicht;  es  gelte  blofs»  iu  dein  neuen  Hause  sich 
bequem  einzurichten,  m  erwerben,  zu  geniefsen,  zu  schwärmen 
u.  dgl.:  die  Staatsgeschäfte  könne  man  getrost  den  Kegiernngen 
überlassen. . . .  Zunächst  wendet  sich  Herkner  natürlich  an  «die 
durch  Reichutnt  ansgezeichnelcTi  Thirgerkrcise  .  an  die  grnfsercn 
Unternehmer  .  lir  verlangt  nicht,  dafs  diese  sich  vollständig 
vom  Kt  v\  erbskhcn  zurückziehen ;  aber  sie  sollen  ihre  Unter- 
ni.hnicrstelhing  als  ein  soziales  Amt  ansehen,  welches  sie  im 
Interesse  der  allgemeinen  Wohlfahrt  zu  verwalten  hal)en.  Nicht, 
nach  der  Gröfse  des  erzielten  Gewinnes  allein,  sondern  vor  allem 
nach  der  Zahl  gebildeter,  glücklicher  und  zufriedener  Menschen, 
die  sein  ITnternehmen  geschaffen  hat,  sollte  die  gesellschaftliche 
Beurteilung  eines  Untenielimcrs  sich  richten.  Die  Rolle,  die 
den»  gröfseren  T'nternehmcr  heute  xtifnlU,  ähnelt  mehr  der  Stellung 
eines  konstitutionellen  Fürsten,  nicht  der  eines  mehr  oder  minder 
auf«;ekl;irl(.n  Seil )>therr>chers.  Seine  wichtigste  Obliegenheit  be- 
isteht daiui,  die  jeweils  fähigsten  Organe  auhzuwählcu  und  richtig 
ZU  behandeln,  eine  zweckmäfsige  Arbeitsteilung  einzurichten, 
Reibungen  zwischen  den  einzelnen  Ressoits  zu  beseitigen  und 
nur  die  letzten,  prinzipiellen  Entscheidungen  selbst  zu  treffen. 
Die  Selbständigkeit  der  Angestellten  mufs  so  weit  entwickelt 
werden,  als  es  das  organische  Ineinandergreifen  der  \  crschiedenen 
Abteilungen  des  Retriebes  irgendwie  gestattet.  Nur  unter  diesen 
Voraussetzungen  wird  der  i^nUsere  l  nternehmer  genügende  Mufse 
behalten,  um  an  den  politischen  und  geistigen  Strömungen  in 
der  Nation  verständnisvollen  Anteil  zu  nehmen. 

3. 

Die  zweite  der  grofsen  Aufgaben,  welche  Herkner  der  deutschen 
Sozial-  und  Kulturpolitik  zuweist,  ist  v unausgesetzte  Vervoll- 
kommnung der  nationalen  Kunst,  Ijtteratur  und  W^issenschaft 
überhaupt  .  Welchen  Teil  dieser  Autgabe  soll  nun  der  in  jenem 
grofsen  Sinne  zu  wirken  fähige  und  bereite  Bürger  übernehmen? 
Am  besten  wohl  die  Förderung  der  Kunst,  eine  JUeistung,  die 
in  rechter  Wei.se  ja  nicht  zu  erwarten  ist  von  den  »öffentlichen 
Mächten (um  mit  Hans  Schmidkunz  zu  reden,  dessen  Aufsatz 
»Kunst  und  Öffentlichkeit«  -  Gegenwart  1896,  6  —  die 
folgenden  Sätze  entnommen  sind).  Früher  war  das  anders.  Die 
kunstgeschichtliche  Vergangenheit  zeigt  uns  im  grofsen  Ganzen 
die  Kunst  gelugt  und  gepflegt  von  den  politischen  und  kirch- 
lit,  ]u.n  oderkiroluniihnlichen  Mächten.  Diesgiltxon  di  r  griechisclien 
Staat.sgemeinde  wie  von  dem  italienischen  Renaissance  I'ür.sten- 


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225 


tum;  von  den  Stätten  des  eg>'ptischen  Gottesdienstes  wie  von 
denen  des  Gottesdienstes  im  deutschen  Mittelalter.  Überall  sehen 
wir.  wie  diese  Mächte  nicht  nur  der  Kunst  freundlich  i^eneic;! 
sind,  ihr  reiclilich  zu  thnn  s^elKm  und  ihren  Wrtrctern  die  nötigen 
Mittel  zum  Schaffen  g\  \\  äln  on,  sonde  rn  noch  im-lir:  wir  sehen 
sie  einerseits  die  Kunst  mit  ihrem,  der  Mächte,  cigcn.-^teni  Geist 
erfüllen,  und  wir  sehen  sie  andererseits  bemüht,  der  Kunst  und 
den  Kunstlern  entgegenzukommen  und  die  individuellen  Ergeb- 
nisse dieser  achtungsvoll  aufzunehmen»  nicht  aber  sie  von  oben 
herab  zu  schulmeiNltm.  Das  gilt  nun  für  <lie  Gegenwart  nicht 
mehr.  Die  monarchische  Regierung,  die  Kirche  und  versohiciknl 
liehe  Faktoren  der  öffentÜchen  Meinung  wetteifern  soi;ai  in  der 
Jicnuiliung,  tlic  Kunst  ihics  eigenen  Geistes  zu  berauhen.... 
Woher  dies?  Erstens,  weil  es  uns  im  Durchschnitt  an  spezifiscliem 
KunstverstSnduis  fehlt  Wir  lernen  grammatische  Formdn  und 
Namen  von  Schlachten;  aber  eine  architektonische  von  einer 
malerischen  Phantasie,  eine  anschauliche  von  einer  unanschau- 
lichen Lyrik,  einen  urs}>niii glichen  von  einem  nachgeahmten  Stil 
unterscheiden,  und  was  alles  vom  Einfachsten  bis  zum  Höchsten 
das  Kunstverständnis  ausmacht,  das  lernen  wir  nicht.  .  .  . 
Ein  zweiter  Grund  scheint  tnis  in  nll^emeinen  Wrhällnis.sen  zu 
liegen.  Dem  heutigen  Zustand  eines  Schuhneisterns  der  Kunst 
von  Seiten  der  Öffentlichkeit  könnte  man  immerhin  eine  Berech- 
tigung abgewinnen.  Dann  nämlich,  wenn  die  öffentlichen  Mächte 
der  zwar  abgekürzte,  aber  treue  Ausdruck  der  Gesamtheit  unsers 
Lebens  wären.  Das  sind  sie  jedoch  keineswegs.  Prfiher  mögen 
sie  CS  gewesen  sein.  Heute  sinken  sie  mehr  und  mehr  zu  einem 
besomlern  Ausschnitt  aus  jener  Gesamtheit  herab,  der  noch  dazu 
aus  einem  Teil  des  Ganzen  allmählich  dessen  \Vider]>arl  wird. 
Sie  fühlen,  dafs  über  ihre  kleine  Welt  die  trrofse  \\\lt  hinüber- 
wächst; darum  setzen  .sie  sich  in  Verteidigungszusland  gegen 
etwas,  das  sie  selber  verteidigen  sollten,  gegen  das  gesamte  that- 
sächliche  Leben.  Der  Verteidigungskampf  wird  zum  Angriffs- 
kämpf  und  sucht  die  billigsten  Waffen ;  billigere  als  ein  Theater- 
verbot oder  als  eine  Anklage  wegen  Prefsvergehens  gegen  die 
Sittlichkeit  lassen  sicli  kaum  noch  finden.  Drüben  wird  die  \'er- 
teidigung  allerdings  mit  weit  kosts]iie!igeren  Waffen  geführt. 
Warum  aber  führen  Jene  Mächte  ihren  Kampf  nicht  auch  gegen 
die  Wissenschati,  die  ihnen  ducli  l)ereils  gefährlich  geworden 
ist  uud  noch  gefährlich  werden  wird  ?  Wannn  haben  sie  offiziell 
die  Wissensdiaft  und  ihre  Lehre  > frei«  gegeben?  Fürs  erste  aus 
dem  gleichen  Grund,  den  wir  bereits  für  die  Feindseligkeit  gegen 
die  Kunst  angeführt  haben:  weil  in  un.seren  Zn-^tänden  die  wissen- 
schaftliche Bildung  allgemeiner  entfaltet  ist  als  die  künstlerische.') 

'j  Ist  doch  sehr  ungeschickt  ausgedrückt! 

Vcw  BAhn<-n  VW.  4.  |c 


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226 


fc.  IMrtrich. 


Fürs  zweite  deshalb,  weil  die  Wissenschaft  nicht  so  ersichtlich 
wie  die  Kunst  ins  alltägliche  Leben  aller  eindringt.  Das  Labora- 
torium ist  hannloser  als  das  Theater.  Fnr^  dritte  endlich,  weil 
die  Wahrheit  y<m  anderweitigen  Hesonderheiten  innner  noch  trotz 
aller  Parteien  und  Standpunkte  leichter  zu  unterscheiden 
und  zu  trennen  ist  als  die  Schönheit  von  dem,  was  mit  ihr 
geht.  .  .  .  Was  thun?  Erkennen,  daXs  vnr  das  wesentliche  Heil 
der  Kunst  positiv  nicht  bei  jenen  Gewalten  zu  suchen  haben; 
nicht  bei  staatlichen  Aufträgen  und  Unterstützungen,  nicht  txri 
einem  Kintreiben  des  Publikums  in  die  Kirchen,  nicht  bei  öffent- 
lichen Konkurrenzen  -  unsere  besten  Kräfte  daran  setzen,  dem 
(»egner  endlich  einen  Oeset'/esparn«frn|>hen  von  der  freien  Kunst' 
a1)/uringen  nn>eri'    liildniii;   ändern,    ergän/uti :    uns  daran 

gL-w  r)hnen,  ebcnsi»  wie  sclilechle  uiul  gute  Mensciien  oder  wahre 
und  lalsclie  Behauptungen  auch  schöne  und  unschöne  Kunst- 
leistungen zu  unterscheiden,  an  einer  Kunstleistung  das  Künst- 
lerische und  Unkünstlerische  herauszufinden. 

Geschieht  das  das  Dritte  von  dem,  was  ^zu  thun«  ist 
-  ,  dann  wird  auch  die  Kunst- Kritik  des  Tages,  der  Presse 
ihren  Beruf  nicht  verfehlen.  Objektiv  kann  diese  Kritik  nicht 
sein  —  betont  Leonh.  Ijer  (Kunstwart  i8i)5'6,  H:  Kritisches 
über  Tageskritiki  weil  es  eine  objektive  Kunstkritik, 
eine  allein  giltige  Kun^tnieinung  nicht  giebt.  Auch  ist  es  nicht 
Aufgabe  der  Kunst,  Meinungen  zu  erwecken,  sondern  Genufs 
im  edlen  Sinne  des  Wortes  zu  schaffen.  Mit  dem  kalten  Urteil 
ist  dem  Künstler  nicht  gedient;  er  wünscht  den  Ausdruck  der 
lunpfindnnv;,  des  Gedankens,  die  er  in  ein  Werk  gelegt  hat, 
in  dem  Kcho  der  Geniefsenden  wieder  zu  hören.  Diesen  Ge- 
fühlseindruck vermag  keine  Kritik  pro  t't  nnttra  wegzuwischen: 
sie  ist  ohnmächtig  gegen  den  Menschen,  der  zum  Mensciien 
spricht,  und  mag  sie  nn  Form  und  Inhalt  noch  soviel  auszu- 
setzen haben.  .  .  ,  AUerclings  läfst  sich  ein<j  iileale  Meüiode  der 
Kritik  denken,  die  allen  Anforderungen  bis  auf  die  der  Unper« 
sdnlichkeit  genügte,  die  das  Kunstwerk  allseitig  vom  geschicht- 
lichen, vom  ästhetischen,  vom  stofflichen  und  formellen,  vom 
persönlichen  uiul  vom  Gesichtspunkte  des  Hinzelwcrkes  erfafste. 
Aber  solcher  Kritiker  gibt  es  nur  wenige:  universale  Geister 
sind  selten,  und  die  in  der  öffentlichen  Meinung  —  man  mufs 
sagen,  leider  -  am  unmittelbarsten  luid  stärksten  einwirkende 
Kritik,  die  des  Tages  und  der  Presse,  hat  zu  wenig  Atein,  um 
eine  universelle  Methode  einschlagen  zu  können.  Sie  mag  es 
beginnen,  wie  sie  will ;  kaum  jemals  wird  sie  in  die  Ifdge  kommen, 
restlos  zu  sagen,  was  sie  vielleicht  sagen  könnte.  Da  das  bei 
der  Tageskritik  solange  so  bleiben  wird,  wie  sie  eben  TagfCS- 
kritik  ist,  ist  die  Verschiedenheit  des  Urteils  zwischen  diesen 
und  jenen  Kritikern  eine  Wohlthat,  eine  Notwendigkeit,  sollen 


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DniAcbatt  in  NachbarKebicten. 


Kuiisl  und  l'uhliknni  nicht  /u  kurz  kommen.  Nm  mufs  die 
Kritik  darauf  au.s^clKii,  nicht  /u  bc\ orinuuden,  sondt*ni  das  in 
dt-m  Kopfe  der  Lc^^er  luhciide  figtiie  Urteilsverniügcn  frei  /.u 
machen,  zur  Bethäiigung  atizustachetn  und  mit  ihren  eigenen 
Urteilen  und  Gründen  eine  ganze  Schlachtlinie  von  Gegeuur- 
teilen  und  Gegengründen  in  Bewegung  zu  set/en.  Die  Kritik 
sollte  weit  weniger  zur  Erspannig  der  eigenen  Arbeit  der  I«eser 
beizutragen  lieniüht  sein,  nls  da/n,  das  Interesse  aufzurütteln. 
Auf  diesem  Oeliiete  winkt  ihre  dankharslc  Aufgabe.  Xirht  so 
sehr  aks  Bihhierin  des  Geschmackes  soll  sie  dienen,  denn  als 
Anreiz,  ihn  selbst  zu  üben.  An  einem  blinden  Keifall  kann  ihr 
so  wenig  liegen  wie  der  Kunst;  beide  sind  individuell  und 
wollen  von  Individuen  begrüfst  werden.  —  Neben  dieser  rela- 
tiven Aufgabe  der  Geschmacksanregung  kommt  der  Tageskritik 
noch  eine  andere  zu.  die  sie  natürlich  auch  nur  relativ  hjsen 
kann.  Sie  soll  gewifsermafsen  <iie  Schwinge  sein,  mit  der  das 
Samenkorn  y>>n  der  Spivn  '.'gesondert  wird.  Sie  soll  auf  dem 
Acker  der  Knnst  den  Hlumen  Luft  machen  und  das  Unkraut 
roden.  Gewifs  kann  sie  auch  hier  irren  und  manches  Samen - 
kürnlein  mit  der  Spreu  hinauswerien.  .  .  .  Sic  lial  das  MiUel 
des  Schweigens  und  das  des  Urteilens;  sie  kann  blitzen  und 
donnern  oder  dichte  Nebel  ausbreiten.  Einem  echten  Kunst- 
werke aber  kaim  sie  weder  durch  Gewitter  noch  durch  Wolken 
das  I«eben  nehmen.    Das  ist  der  Humor  der  Sache. 


■)  Sollte  da  nicht  besser  Garten  stehen?  Auf  dem  Acker  sind 
die  Blumen  das  Unkraut! 


Neuere  Erscheinungen 
auf  dem  Gebiete  des  naturwissen- 

scliaftliclien  TJnterriclits. 

\'on  Or.  RMiard  Schvlie  in  I,eip»g^. 
(Sclilnfs.) 

(1.  H  <)  t  :ni  I  k. 

Baadc,  l-riedricli.  N  utti  rirrsdi i ch Ic  i n  l{in/t  lbiliU  rti.  (V  rllJ^|)t.•It- 
bil(lertl  und  Lebensbildern.  2.  Teil ;  Fflan/.enkunde.  S"*.  XI 
VI.  2;;,  S  Tiiit  7«)  f'Mu.  Preis  geh.  3  M.,  geb.  3.30  M.  Halle  a.  »S. 
iSy4.  Heiinann  Siluo«leI. 

Wie  aus  Ucni  Titel  hervorgeht,  i»l  dieses  Buch  nicht  dera  Studium 
der  Botanik  gewidmet  sondern  dem  Unterridit  in  der  Botanik.  Vw\ 
von  diesem  Standpunkte  aus  hat  der  Verfasser  sehr  recht  wenn  er 
sagt,  «lais  (1er  Schwerpunkt  des  pfianzenkundlichen  Tnterrichts  der 
Volksschule  in  die  eingehende  Betrachtung  einzelner  Pflanzen  zu 
leiten  ist.  solcher  Pflanzen,  die  von  hervorragender  Pt-dciilun^  für 
Menschenlelien  und  Xaturhaushall  sind,  wie  auch  solclier.  die  durch 
Kigenheiten  ihrer  Lebensweise  besonderes  Interes.se  erregen.  Wer 
demnach  eiueu  \V'egwei.ser  für  den  Unterricht  in  der  liutanik  sucht, 
dem  kann  ich  dieses  Buch  sehr  empfehlen. 

Bergnwiii,  Adolt  l>ie  Blumenpflege,  ein  praktisches  ürziehungs- 
mittel  für  Schule  und  Haus.  8**.  VIII  u.  44  S.  mit  zahlreichen 

Abbild.    Preis  0.50  M.    Ciera- rntermhaus. 

Da  das  Buch  rein  technischen  Intere.s.ses  i.st,  kann  ich  mir  kttin 
nialsgebendes  l'rteil  erlauben,  !>ckenne  aber,  dals  es  n\ir.  dem  ItcuikU' 
von  /iiiiiiK  i  und  ('Tailcngvw  <u1im.  n  luisi  r<  >rdentlich  irefälU.  so  dals 
ich  es  mein  unterlassen  werde,  es  bei  jetier  sich  darbietenden  <  le- 
legenheit  aufs  wärmste  zu  empfehlen. 

Kraepelin,  Prof.  I>r.  Karl.  Leitfaden  für  den  l'ntertcht  in  der 
Botanik  an  mittleren  und  höheren  Schulen.    4.  Aufl* 

VI  u.  116  S.  mit  212  Fig.  Preis  i  M.  Leipzig  1893.  B.  G.  Teubner. 

Das  Buch  i.st  j-^eeignet.  das  Studiuni  der  Botanik  vorzubereiten, 
und  kann  sehr  i  nspfohU  ii  wt  nU  n  Besonders  gewinnt  es  durch  die 
sehr  gut  au.sgefiihrten  Abbildungen. 


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Xruere  Rrschfinunijpn  «uf  d^m  (lobipli^  iloii  R«hirwtMrii»r1wni(ebf>ii  irnt^rrlvIiU. 


Rrauttbaufi*.  Theodor.   Botanik.    Ausgrabe  R     In      I\iU*n     2.  Tiil 
2.  Sttjfc    S'\   I\'  u.  76  S.    Prds  0,50  M.    Halle  a.  S.  1893.  Her- 
mann SchröfUl. 

Das  Buch  cnUiäll  sehr  lehrreiche  iietrachlungen,  die  nach  der 
Disposition  geordnet  sind:  I.  Im  Walde;  II.  Im  Obstgarten  i  III.  Auf 
Wiese  und  Weide:  IV.  Im  Gemüsegarten:  V.  Auf  dem  Felde;  VI 
Im  Walde. 

Niefsen,  Jm  Blumen  der  Heimat   Wanderungen  durch  Wiese  und 

Wald,  durch  Feld  und  Garten.   S".   ^19  S.  mit  vielen  Figuren. 

Preis  2  M.    Munster  i.  W  .  .Xdnljih  K'issclls  VeHae^. 

Die  Hlumen  der  Heimat  wi  rdi  n  in  ;ms]irLrht  ii(lt.T  Weise  für  die 
KimU  t   L:\  >chihlert  nacli  den  Kapilchs ;   Iti  den  <  )sterferien,  in  den 
riiiig.sliericn.  in  den  Somnierferien  und  in  den  VVcihnachtsferien. 
Vier  Tafeln  in  Buntdruck  sind  eine  angenehme  Beigabe. 
Scbimpfky,  Richard»  Deutschlands  wichtigste  Oiftge wachse 

in  Wort  nnd  Bild,  nebst  einer  Abhandlung  über  Pflanzengifte. 

Lief.  2-4.   S".  62  S.  mit  20  Tafeln  in  Buntdruck.  Preis  1,75  M. 

(Ura  T'ntennhans  I'"r.  laugen  Köhler. 

Schon  \)v\m  l  jsc!icinen  der  ersten  I.ieferung  haben  wir  uns 
lobend  über  dicsrs  \\\iki  lien,  dessen  Ansstattutiif  der  Verla^^'shnnd- 
limg  alle  IChrc  luachl.  .lu.sgesprochen ;  wir  können  ihm  nur  eine  recht 
weite  \  erbreitung  wünschen.  Ganz  besonders  eignet  es  sich  für  die 
Hand  der  Kinder,  die  durch  dasselbe  Pflanzen  kennen  lernen,  ohne 
dieselben  in  der  Natur  gesehen  zu  haben. 

Wfknsche,  Dr.  Otto,  Der  naturkundliche  Unterricht  in  Dar- 

bi et n Ilgen  und  f'bungen.  Heft  I.  Die  Fanie.  2.  Aufl.  8". 
iS  S.  mit  I  Tafel.  Treis  o,.;o  M  Heft.  11.  Die  Laubmoose.  S". 
23  S.  mit  I  Tnfcl  Treis  0.50  >L  Heft  III.  Die  (Fräser.  S".  4?  8. 
mit  I  Tafel.  I  i  eis  0,75  M.  Zwickau  1894,  Verl.  von  Gebr.  Thost 
(K.  liräuningen. 

Diese  Heftchen  haben  den  Zweck,  insbesondere  jüngem  I^ebrem 
die  Vorbereitung  für  die  naturkundlichen  Unterrichtsstunden  zu  er- 
leichtem. Sie  enthalten  deshalb  nicht  nur  alles  das.  was  den  Schülern 
mitgeteilt  werden  soll,  und  wie  dies  /.u  geschehen  hat  sondern  auch 
fast  alles,  was  der  I.elirer  über  <len  l>».treff enden  ('.egenstand  wissen 
muis.  Wie  alle  bis  jetzt  ersrliii  iu-nen  Schriften  de«  Verfa.ssers,  sind 
auch  diese  Heftchen  gut  /u  nennen. 

e.  Mineralogie. 

FnfSt  IConrad,  Grund  zu  ge  der  (Geologie.   H*^.    102  S.  mit  Abbil- 
dungen    Tit  is     ■(!  M     Nürnberg  18^)4.  Triedr.  Korn. 
Figentfimlichenveise  beginnt  das  Huch  mit  einer  Einteilung  der 

MiTiernbcn.  die  insofern  iran/  /wceklos  ist.  als  letztere  unter  llinzu- 
fügun.u  Thu  r  cheniisclu  ii  l  oniKl  nur  namhaft  gemacht  werden  mit 
dem  Nachfolgenden  dewina».!!  in  gar  keinem  Zusammenhang  stehen. 
Bekanntlich  set/.t  aber  die  Geologie  die  Kenntnis  der  Mineralien 
voraus.   Im  übrigen  ist  das  Buch  empfehlenswert. 


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2^0  Dr.  Bicbarri  SrhuUe. 

SteiniT,  Carl  Jjiscpli.  I'.is  M  i  ii  ci  .i  I  i  ci ch  nach  se  i  n  t  r  Siel  1  u  ii  u 
in  Mythulojric  und  \'(»lk.sglau!jcn  in  Sitte  und  Sage, 
in  (fcschicht«*  un<1  Litteratur.  im  Sprichwort  und 
Volkstfest  K*  X  und  142  S.  Preis  gKh.  2.40  M.,  geb.  3  M. 
(lotlia  1H95,  C.  F.  Thienemann. 

Dieses  hwch  ist  kein  I.vlir-  odt-r  I.vrnbmli  im  cijrttitliolu  11  Siiiiii;, 
sondrrn  is  ist  hcstininil.  den  natnrkuJid!i(,  lu  n  T'titerrichl  zu  hekUvu. 
d;is  Interesse  an  der  Natur  zu  erliöluii  und  sinnige  Xaturhetraelilunj; 
/.u  fiM(lern,  und  in  diesem  Sinne  düifU'  t.s  «Um  I.elirer  der  Natur- 
i^cschiciite  .selif  willkoninien  sein.  Aber  aui  h  einem  jjrölseren  Tub- 
liktini  kann  ich  es  als  eine  sehr  interessante  und  lehrreiche  I^ektüre 
empfehlen. 

Twiehausen,  Oda.  Mineralof^ie  in  ausj;eführten  Lektionen 

und  Kntwürfen  nebst  einem  kurzen  Abrifs  der  Chemie.  8». 
X  u.  246  S.  Preis  f^eh.  2,.So  M.,  geb.  3,40  M.  Leipzig  1.S95,  iimst 

Wunderlich. 

Der  Verfasser  h.il  den  Stoff  für  die  Volkssch>dt  sdir  trnt  verar- 
l>cjlet  Leider  i.st  die  lCint*;ilung  der  Mineralien  verallel  und  darum 
unrichtig. 

U.  Physik  und  C'heiuie. 

AreiHlt,  Prof.  T)r.  Rudolf,  Grundzüge  der  Chemie.  5.  Aufl.  s". 
XIV  u.  367  S.  mit  t8o  Fig.   Preis  2.40  M.   Hamburg  u.  I^^ipzig 

1894.  Leop.  \'()fs. 

— ,  -  ,  .Vnorganische  Chemie  in  1 1 1  u  n  d  / ü  tjt- n  2.  Aufl.  S<'.  XII 
u.  250  S.  mit  150  Fig.  l'rei.s  i,6ü  M.  Hamburg  u.  Leipzig  1S94, 
Lcop. 

— ,  Bildungselemente  und  erziehlicher  Wert  des  Unter- 
richts  in  der  Chemie  an  niedern  und  höheru  Lehran> 
stalten.   2.  Aufl.    103  S.   Preis  o,Ho  M.   Hamburg  u.  Leipzig 

iS«)3,  Leop,  Vofs, 

Wir  haben  tms  schon  frulier  über  die  .\rendtschen  Hüclier  in 
der  lobensweilesten  Weise  ausgesprochen  und  können  uns  deshalb 
jetzt  kurz  fasscti :  Was  Professor  .\rendt  schreibt,  ist  sehr  gut  und 
kann  ohne  Bedenken  aufs  wärmste  empfohlen  werden. 
Aruluirt,  Ludwig.  Die  orgaiiiNche  Chemie.    Methodi.sches  Hilfs- 

huch  fär  die  Hand  des  Lehrers,  sowie  zum  Selbststudium.  I.  Teil : 

Theoretische  Vorbegriffe  und  Chemie  der  Pflanze.   8**.   90  S. 

Preis  50  Kreuzer.  Wien  1S95,  X'erlag  des  Vereines  Bürgerschule  . 

Der  erste  Teil  ist  nicht  übel.  Ivin  endgültiges  l'rleil  kann  aber 
erst  nach  dem  l%rscheinen  des  vollständigen  WVrkes  gefällt  werden. 
Bönier.  Dr.  H..   Leitfaden  der  }{ .x p e  1  1  nu  n  l  a'i  ph  \  si  k  für  sechs 

klassige  lu'diere  Lehranstalten.   S".    X.  und   170  S.  mit  165  Fig. 

Treis  geb.  2,2u  M.  Herlin  1893.  Wcidmannsche  Buchhandlung. 

Hin  besonderer  Vorzug  dieses  sehr  brauchbaren  Buches  ist,  dafs 
sich  der  Verfas.ser  ausschliefslich  schematischer  Zeichnungen  bedient. 


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Neuere  LrkcUt'inuiigtn  nuf  dvm  tirbietr  d«->  llHlul'Mi^•^Ml&l■'bllftlicll«'U  Uaterricbta.  2^1 


wodurch  das  Veisländnis  wesentlich  erleiclitcrl  wird.    Man  erkennt 
auf  den  ersten  Blick,  d&ts  der  Verfasser  den  Stoff  nicht  blofs  beherrscht, 
sondern  ihn  auch  pädagogisch  zu  behandeln  versteht 
Cninbei^er,  Bernhard,  Haushaltungskunde.  Eine  Naturlehre  für 

Küche  und  Hauj;.  8".  VI  IL  und  95  S.  mit  17  Fig.  Hraunschweig 

1895,  Otto  Salle. 

Aus  dem  CieV-iclc  der  Chemie  «greift  du  \  (  ifasscr  dasjenijie 
heraus,  was  \  oti  s)»(  /,iclk  111  Interesse  tiii  Kiuhe  und  ll.ms  isi.  Das 
Buch  ist  em]»felilenswerl,  i>t  es  ja  doch  schon  als  .Man>iskr)])t  auf 
der  Kochkunstausstelluni;  /u  I'rankfurta.  M.  1894  prei.sj^ekrönt  worden  , 
obwohl  manches  Überflüssige  in  ihm  enthalten  ist«  beispielsweise  die 
Darstellung  von  Sauerstoff,  Wassenttoff  usw.  Denn  diejenigen,  für 
welche  das  Buch  bestiiunit  ist,  werden  niemals  in  die  Lajre  kommen, 
die  .irenannten  (  .ase  darzustellen.  Damit  ist  durchau.^  nicht  K^^^-iJ^t, 
tiafs  ilne  Darslelluni;  auch  im  rnterrichte  unterhleihen  s<ill.  ~\'or- 
liejjendes  liuch  aher  sf)ll  kein  Lehrhuch.  stsiulern  eiiT  l.erti-  resp. 
>ferkhucli  sein.  —  Der  Titel  al>er  ist  un^^lücklieh  i^cwählt.  denn  unter 
liauslkaltuni^skunde  begreift  man  etwas  anderes  als  das.  was  das 
Buch  bietet.  Auch  Naturlehrc  der  Küche  und  des  Hauses  ist  nicht 
deutlich,  da  man  unter  Naturlehre  allgemeine  Physik  versteht.  Besser 
wäre  gewesen:  Chemie  der  Küche  und  des  Hauses,  aber  mit  diesem 
Titel  hin  ich  <Uiii  Wrfasser  in»  Jahre  1894  zuvor  tvekummen. 
Uenaii,  A..  Physik  lür  Kehrerbildunjjsanstalten.  S".  \  und 

207  S.  Treis  geh.  2  M.,  geb.  2,50  M.   (iotha  KS95,  K.  F.  niienc- 

mann. 

ri)cr  dieses  iiuch  kann  man  sich  freuen  I  Der  erfahrene  Ver- 
fasser greift  aus  einem  grofsen  (»ebiete  das  heraus,  was  jeder  I^hrer 
wissen  niufs.  Der  trefflichen  Auswahl  des  Stoffes  entspricht  die  Be- 
handlung. Die  Anordnung  desselben  ist  eine  streng  logische,  wie  sie 
sein  muf.s  wenn  man  Denker  erziehen  will.  Betreffe  der  l*'ijjnren 
spricht  der  \'erf.  iran/  da,s.selbe  aus,  w.is  ich  schon  früher  gesa.i^t  habe. 
ICr  schreibt  :  -Fijiuren  treten  nur  dann  auf.  wenn  es  notwctitlij^^  i.st.  Wie 
eine  I'erson  ^^eht,  die  eine  Last  auf  dem  Rfuken  trä^l,  wie  man  ein 
Trinkj^las  umgekehrt  ins  Wasser  taucht,  otier  gar,  wie  man  mit  der 
Schere  einen  Faden  durchschneidet,  braucht  nicht  durch  eine  Figur 
veranschaulicht  zu  werden.  Von  den  beigefügten  Abbildungen  ist 
alles  unnötige  Beiwerk  femgehalten,  so  dafs  die  Aufmerksamkeit  des 
Lernenden  ganz  auf  das  Wesentliche  gelenkt  wird  und  die  Figuren 
selbst  meist  a]>  \  orbilder  für  Darstellungen  an  der  Schultafel  dienen 
können.  Das  Werk,  soll  überhaupt  kein  Bilderbuch,  .sondern  ein 
Lern  buch  .sein. 


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2^2  Bücher  unil  AukSuc. 


Neue  Büclier 

a)  BBehar. 

Conienuis.   des  Joli.  Ainos, 

(llücksschmic<l,  oder  die  Kunst, 
sich  selbst  y.u  raten.  /.  .1.  (^omenn^ 
Jahi  i  lotiuiun  sivf  tii  'i  iuinithmii  xthf 
tpi.  Nach  dem  Amsterdamer 
Drucke  vom  J.  1601  m.  e.  einleit. 
Herichle  hc*rau.sge>{.  von  Dr.  Jos. 
Reber.  (67  8.)  <;iefscn.  R.  Roth. 

Andrä,  J.C.,  Kurzer  Lehrgang 
der  Ceschiclite  f.  höh.  Mädchen- 
schulen. Mit  12  (.'.eschichtskarten. 
»2  Rildertaf.  zur  (icschiclite  der 
Haukunst  und  HildhauLiei,  6  liil- 
dertaf.  zur  Kulturgeschichte.  (208 
S.)  Leipzig,  R.  VoigÜänder.  geb. 
2,40  M. 

Fischer,  Prot.,  Oynn.-  11.  8e»..DIr.. 

Dr.  Karl,  (irund/.ü^e  einer  So/.ial- 
pädagogik  und  Sozialpolitik.  156 
S.i  Ivi.senach,  M.  Wilckens.  0.75  M. 

II  oh  mann,  I*.,  Rek«..  l'n.sere 
Sch  n  lein  rieh  tu  n<i^cn  u.  die  Reform- 
bestrebungen im  Lichte  des  l\r- 
ziehungsprinzips  und  (kr  Zeitfoi 
derungen.  (17S.)  Bielefeld.lielinich. 
0,50  M. 

Kuderna.  B£la.  Das  Satzbild 

in  seiner  Anwendung  f.  d.  Lehre 
vom  Satze.  (64  ö.>  Wien,  C. 
Konegen,  i  M. 

Schmitt.  Lehr,  P.,  DieF.thand- 
Innir  der  Wortleliir  in  der  Volks- 
.schule.  (87  S.)  Heidelberg,  vorm. 
Weifs.  0,90  M. 

S c h  \v e  n  d  i  m  a n  n .  Dr.  Joh.,  Der 
Pädagoge  Pestalozzi  nach  zeitge- 
nassischen  Quellen  im  Uchte  der 
Wahrheit  dargest  (64  S.)  Luzem, 
Räber  u.  Co.  0.70  M. 

Springer,  Kn-iK-x  iiuiiii!<|..,  Dr. 
Wilh.,  Knr/er  Abrils  des  Hand- 
arbeitsunterrichts in  der  X'olks- 
schule.  Zum  Ciebrauch  für  Hand- 
arbeitslehrerinnen wie  7Mr  Kin- 
führung  d.  Schulaufsichtsbeamten 
in  dieses  C.ebiet.  (79  S.J  Breslau. 
J.  Hirt.  I  M. 


und  Aufsätze. 

h)  AvMtte. 

Ambrassat.  Zur  b'ibelfrage 
(Mittelschwle  .v)  Halle,  Schnidel. 

Busse,  H..  I  ber  den  ( iesang- 
unterricht  nach  Noten.  iSchulbl. 
der  Prov.  Sachsen  5.1  Quedlin- 
burg, Huch. 

IvhiJii^cr.  Zur  Reform  der 
Lelirerl)ildung.  (l'ädag.  Blätter  i.i 
Gotha,  E.  V.  Thieneniann. 

( r  ä t  e  r ,  f' ber  die  ch ristocen  - 
trische  l^ehandlunir  di  s  Katechis- 
mus. iZl.schr.  für  e\  ang.  Religion.s- 
unterricht  2.)  Berlin,  Reuther  u. 
Reichard. 

Kabisch,  Der  Stoff  des  ersten 
Rel igionsunterrichts.  ( Päd.  Blätter 
1.)  Gotha,  E.  F.  Thienemann. 

Peters,  Zur  SchulbilK-Urage. 
Hin  Wort  für  da.s  Biblisclie  Lese- 
buch der  Bremer  Bibelgesellschaft. 
(Ztschr.  für  evang.  Relegionsunt. 
3.)    Berlin.  Reuther  u.  Reichard. 

^uäbiker,  Der  UnteriicUt  iui 
•Deittschen  im  Rahmen  der  Be- 
.stimmungen  vom  31.  Mai  1.S94. 
(Die  Lehrerin  8.)  Gera.  TU.  Hof- 
nuuiu. 

Schröer.  Pestalozzi  als  För- 
derer der  Leibesübungen.  ( Monats- 
schr  f  Turnen  1.)  Berlin,  (iärtner. 

Spilzner.  Dr.  Alfred,  (iei.stige 
r  l>tran.strengung  in  den  Schulen. 
(Pädagogium  4.)  Leipzig.  Klink- 
hardl. 

Stumvoll,  Die  .sozial -politi- 
schen Ideen  Pestalozzis.  iSt  hulld. 
der  Provinz  Sachsen  3.  4.)  Qued- 
linburg, Huch. 

Wagner.  Der  Rechen  Unter- 
richt seil  in  MädrlienschnK  11  <lcm 
Handarbeitsunterrichte  zu  Hilfe 
kommen.  (Päd.  Blätter  1.)  Gotha. 
Thieneniann. 

Wätzoldt,  Dr.  S,  Nationale 
Züge  der  Frauenbildun^.  (Mittel- 
.schule  2.)  Halle,  Schrddel. 


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Neue  Bahnen. 

PÄDAGOGIUM. 
Monatsscbrift  für  Haus-,  Schul-  und  Geseilschafts-Erziehung. 

Heft  5.  ~         Hai  1896.         '       VlI.  Jahi^. 

Sdiweizerisches  TolkssclxtLlveseii* 

Von  RMMf  Dietrieh  in  Kandem  rfrfiher  in  Zürich). 
Einleitung^. 

Eine  anschauliche,  in  alU  u  iMii/.clhcilcii  klare  DarsLclluug 
des  gesamten  schwei/.erischen  Volksschulwesens  würde  einen 
stattlichen  Rand  füllen.  Und  sie  wäre  erst  dann  ganz  zu- 
verlässig,  nacli  der  Natur  gemalt  %  wenn  der  Ver&sser  in 
allen  fünfandzwan/i^,  oder  doch  in  mehreren  verschieden 
gearteten  Bundesgebieten  gelebt  und  beobachtet,  oder  wenig- 
stens in  jedem  Kanton  einen  sachkiin<1igen  und  unparteiischen 
Biu  L^t  r  als  stillen  Mitarbeiter  gehaln  und  die  Aufsernngen  über 
Scliulang^clet^^eiiheiten  in  der  p( )liti^t'lien  Presse  einige  Jahre 
liindureh  gesammelt  hätte.  Hin  solclier  Mann  aber  dürfte 
kaum  zu  finden  sein,  jetzt  und  später.  Höchstens  wenn  die 
viel  umworbene  ßundeskasse  einem  die  Mittel  zu  jenen  aus- 
gedehnten Forschungen  gewährte!  Gerade  in  der  jüngsten 
Vergangenheit  hätte  man  ani  den  Gedanken  kommen  können 
auf  den  Gedanken  nändich,  der  SehiUansstellnng  innerhalb 
der  am  i.  Mai  d.  J.  eröffneten  Landesansstellnni^  zu  Genf 
einen  hmidlitlun  l  üluer  bei/aioeben.  Hin  Üuch,  nicht 
zu  dünn  und  nicht  y.u  dick  anziehend  ausgestattet 
wisscnsehatilich  genau  und  doch  klar  und  kurzweilig  ge- 
schrieben —  ein  Buch,  das  jedermann,  der  Zeit  hat,  ein  gutes 
Buch  zu  lesen,  gern  lesen  würde  %'on  Anfang  bis  zu  Ende 
—  ein  \'olksbuch!  -  ein  Buch,  das  in  weiten  Kreisen  warme 
Teilnahme  am  Leihen  der  Schule  wecken  könnte,  mül^ic' 

N'nn  hat  allerdiiiLiS  die  Kidgenossenschaft  ihn  Scliul- 
anssulhmg  nn't  einem  iMihrer  bedacht,  ihm  sogar  ein  kK  im-s 
\'erm(>gfn  (4ü,(xx)  Fr.  etwa)  gewidmet.  Aber  er  wird  in 
Ciestalt  einer  mehrbäniligen  Statistik  ci.sclicincn,  vor  deren 
unendlicher  Zahlenfülle  gar  manchem  grauen  dürfte.  -  -  Ein 
Buch,  wie  es  zu  wünsdien  w«are,  giebt  es  nicht.  Übersichten- 
.sind  ja  vorhanden,  doch  kaum  dem  schweizerischen  Lehrer 
ganz  verständlich;  den  .Ausländer  verleiten  sie  leicht  zu 

Kroe  B«lin«ii  (PidAfogim)  TU.  S.  l6 


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^34 


Kudolf  Dictrirh. 


falschen  Vorstelhmgeu  oder  Sdilüsseii.  Die  wenigen  ans* 
führliclien  Einzelbeschrcibnngcn  und  grundsätzlichen  Er- 
örtenin^en  aber  nmfs  man  an  verschiedenen  Orten  zusammen- 
suche n.M 

Meine  Arbeit  will  die  wichtii^^stcn  Kapitel  ans  dem  noch 
zu  erhoffenden  Huche  über  das  >eh\vei/erische  \'olk.s>cliul- 
\.'esen  vuiliaj^en;  darin  sieht  sie  ihre  Üeicchtigung  und  ihren 
Wert-  -  Ich  habe  nur  noch  zu  bemerken,  dafs  meines  Kr- 
achte ms  die  Volksschule  ans  Kinder-  und  Bürgerschule  (und 
Haushaltschule  für  Mädchen)  besteht 

I.  Eidgenössisches  Soll  und  Haben. 

I,  Hiltys  (redanken  üher  die  Aufßrahc  der  kcIiw.  Kidgenossen- 
scliaft  und  (vraiidgedanken  tler  scliw.  l^r/ieliung-.  —  2.  Bund  und 
Schule  :  was  ist»  —   ^     Hund  und  Sohuk      \\a<;  werden  soll  oder 

kann.  —  4.    Schwei/erisdic  \  (»iksschuk  . 

i; 

Seit  1886  giebt  Karl  Hilty,  Professor  des  Bundesstaats- 
rechts an  der  l'niversitat  Bern,  ein    Politisches  Jahrbuch 

der  schweizerischen  Kid<;enossenschaft  heraus.  Aus  diesem 
Buche  (das  in  Deutschland  seine,^  j^leichen  leider  nicht 
Imt^  s]>richt  ein  echter  Scliw  ei;/(,  r  (so  wie  ihn  etwa  'l'  V 
Dculsclic  daheim  sich  vf>r^ulUi,  ein  Politiker  und  PhiloSi/jjh. 
t-int  scharf  ausj^epräj^^u  rcrxniliclikeiL  und,  nicht  zuletzt, 
ein  Mann,  dem  es  ernst  ist  um  das,  was  er  saj^t  der 
seinem  Volke  in  der  Weise  der  israelitischen  Projdieten, 
die  er  gern  anruft,*)  dienen  möchte.    Ks  ist  fast  selbst- 

S  II  \\*(  ttstc  in  Ikriclit  über  dit*  Ttnippi-  rntt-rnrlUswcseii 
der  sohw.  Landcsansslellung  in  Zürich  iSSj.  030  S.  —  Ini  ganzen 
veraltet:  heute  noch  lesenswert:  Die  Anstalten  f.  d.  reifere  Juprend- 
alter.       niL  I.(  hrtrhildunj^sanstalti  11        Die  Kckrutt-nnrhi  iti  11 

Jahrbuch  des  U  n  t e r r i c h t s \v e s e n s  in  tl e r  Schweiz, 
seit  1887;  zuerst  von  C.  flrob,  seit  1891  von  A.  II  über  bearbeitet. 
Leitartikel  1SS9:  Die  Militir|)flicht  d.  Lehrer  i.  «1.  vSohw.  -  iS.)():  Die 
Ia hiLiliikhiny^sanstalten  i.  d.  Scliw.  —  iS^^r  I>i(  rncnt^eltüchkcil 
der  indi\ iduelkn  I.ehrmitU-l  und  Schuliuat«.! ialicu  i.  d,  Scliw.  — 
1892:  Slaatliclic  KulictTLlialtc.  Tensions  .  Alters.  Witwen-  u.  Waisen - 
kassrn  d.  \"olksschullehrer  und  der  Lein  t  r  a  d.  h  ">h.  Li  hranstalten 
i.  d.  Schw.  —  1893;  Die  b'ür.sorjrc  f.  U.  SlclU  crtretung  <l.  I,ehrer  a. 
d.  Volksschule  und  a.  d.  h<5h.  Schulen  i.  d.  Schw.  i,  J.  1S94  —  (Das 
Jahrb.  f.  iS<>4  soll  im  l-Vühj.  iS«/>  irscluincn.) 

C.  (iroh:  Die  schweizerische  Volk.sschulc.  (Schw.  päd.  Zcitschr. 
1S91,  L) 

*)  Die  Lcbensauffasstinj;  und  Dcnkuujfsart  der  urof.scn  Propheten 
—  sapft  er  -  stt  1k  der  nKxkrn-republikanisiJu  n  .  ft  'lur^cist  nahe.  - 
Kr  behau]Acl  aucli  wciler,  die  schw.  ICidgenossenschall  hai)e  in  ihren 
Schicksalen  nnd  in  ihrer  staatlichen  Aufgfabc  eine  bedeutende  Ähn- 
lichkeit mit  fleni  altisraelitischen  Volksstaate. 


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K<<)iwnix«>ritrli(>M  Voik*»cliulvi cucn.  2\Z 


verständlich,  dais  dieser  Mann  auch  einmal  (im  Jahrbucli  für 
1892)  Über  die  Aufsähe  und  die  nächste  Zukunft  der 
schweizerischen  Eidgenossenschaft«  sich  ausgesprochen. 

Meine  Abhandlung  läfst  sich  kaum  günstiger  eroffnen, 
als  mit  einigen  Sätzen  aus  jenem  umfang-  und  inhaltreichen 
Leitartikel.  —  Die  alte  Kidgenossenschaft  (der  Staatenbund, 
wie  er  bis  1798  bestanden)  hat  —  sagt  Hilty  -  trotz  vieler 
rnhnireicher  Thaten  und  cnt.q;en|-en  einem  \-ic1  versprechenden 
Anlang,  ihrer  Aufgabe  der  alti^ernianischen  Volksireiheit  in 
Europa  eine  bedeutende  staatliche  Ausgestaltung  zu  ver- 
schaffen und  die  republikanische  Staatsforni  zur  vorherrschen- 
den in  diesem  Weltteile  zu  machen,  nicht  entsprochen;  und 
zwar  in  der  That  nicht  wegen  der  Beschränktheit  ihrer 
Machtmittel  .  Die  Aufgabe  ist  nun  auf  die  neue  Eidge^ 
nossenschaft,  (den  Bundesstaat  von  1848  und  1S74)  überge- 
gangen. Die  Schweiz  niufs  auch  heute  noch  der  Freiheit 
eine  (»asse  macheu  .  Jetzt  aber  kann  sie  es  blofs  noch  mit 
der  ideellen  Macht  des  Beispiels  einer  wahrhaft  repu- 
blikanischen Regierung  .  Diese  ideelle  Macht  also  gilt  es 
zu  erwerben.  Sie  wird  erworben  sein,  wenn  die  gröfsere 
politische  Freiheit,  welche  das  Volk  als  Ergebnis  seiner 
besonderen  geschichtlichen  Entwicklung  erlangt  hat,  auf 
sittliche  Freiheit  als  ihre  unentbehrliche  Grundlage  sich 
stützt.  Daraus  erliellt,  wonach  die  Eidgenossenschaft  zu- 
nächst —  und  nielir  als  andere  Völker  zu  streben  hätte. 
Denn  die  grolse  .Aufgabe,  welche  Hilty  ihr  stellt,  wird  jeder- 
mann ihr  gemäfs  finden.  —  .\n  einer  anderen  Stelle  bezeichnet 
Hilty  das  Leben  in  sittlicher  Freiheit  einfach  als  menschen- 
würdiges Dasein,  und  er  bemerkt  dazu:  »Das  ist  eigentlich 
unsere  jetzige  I^bensfrage,  wie  die  Erziehung  aller  zu  einem 
menschenwürdigen  Dasein,  die  der  einzige  vernünftige  Staats« 
zweck  ist,  zufolge  dessen  jeder  wahrhaft  gebildete  Republi- 
kaner ein  Demokrat  sein  m  u  fs,  ansonst  es  mit  seiner  (ieistes- 
nnd  (Tcmütsbildung  nicht  ganz,  richtig  bestellt  ist,  zustande 
konnut  . 

Hilty  gicbt  auch  eine  .\jUvvori  aul  die  Frage;  das  folgende 
Jahrbuch  beginnt  er  nämlich  mit  einem  Aufsatz  «über  die 
Grundgedanken  der  schweizerischen  Erziehung*,  l^i  dieser 

Arbeit')  ist  aber  Hiltys  Fcdei  weniger  glücklich  gewesen 
(als  bei  der  andern),  verntnilich  deshalb,  weil  er  über  eine 
Sache  schreibt,  die  ihm  doch  einigermafseu  fremd  ist.  Das 
erscheint  nmsoniehr  bedauerlicli .  als  er  geradezu  erklärt, 
er  rede  im  Mamen  seines  Volkes,  des  ^schweizerischen  Staates  ; 

Ich  habe  sie  früher  eintfchend  gewürdigt  im  rüthigogium  XVII. 

16" 


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2$6 


idiiiitlt'  Dietrich. 


er  wolle  g^enau  und  nnuinwniulen  sa<'eu,  was  für  Aiusprüchc 
wir  künftig  an  die  sämtlichen  Erziehungsanstalten  z\i  stellen 
gesonnen  sind«^.  Dieses  Versprechen  halt  er  nun  nicht  ganz; 
ja  man  mnfs  überhaupt  sagen,  dafs  die  Arbeit  einseitig  ist, 

insofern,  als  er  nur  die  Hrzielning  der  Hevorzuj^teii  (denen 
Hilty  selbst  dnrch  (lebnrt  nnd  Amt  angeliört)  erörtert.  Das 
Oyninasinni  ist  für  ihn  einfach  die  Schnle  ,  welche  nach 
Hilty  —  in  Verbindtmg  mit  der  Hoch.schnle  den  /.weiten 
Teil  der  dreiteiligen  seluveizerisclien  Kr/.iehnnj^  überninnnt 
(den  ersten  besorgt  das  Hans,  den  dritten  jeder  an  sich  seihst). 
Vom  Gymnasium  handelt  mehr  als  ein  Drittel  der  ganzen 
Abhandlung! 

Die  Volksschule  erhält  in  diesem  Plane  keine  beson- 
dere Stelle,  nnd  in  den  beiden  Übersichten»  die  gelegentlich 
geboten  werden,  V>leiht  sie  nnerwälnit.  Hin  paar  Betner- 
knngen  jedocli  werden  ihr  im  \  erlanie  tlcr  Ansfülirnngen 
gewidmet,  P's  sind  die  folgenden:  Wir  würden  kein  Hc- 
denken  halben,  das schnlpfUchtige  Aller  etwas  hinans/.nschieheii 
{das  Alter  kann  man  mm  zwar  nicht  hinausschieben  —  aber 
den  Beginn  der  Schulpflicht,  etwa  bis  ins  achte  Lebensjahr, 
meint  H.)  nnd  sind  Gegner  aller  vorherigen  \'()rbereitnnt;s-  und 
Kinderschnlen.  Eine  religiöse  (irnndlage  (der  sittlichen 
Oewöhnnng)  halten  wir  nicht  für  absolnt  notwendig,  nnd  die 
KcliL^ion  kann  dem  jngendlichen  \'erständnis  überhanpt  nnr 
historisch  nahegebracht  werdt-n.  Die  konfessionell  ge- 
trennten Schnlen  halten  wir  ftir  p(>liü.sch  nachteilij^,  ebcnsc) 
wie  —  im  allgemeinen  »4Lsprochen  -  die  Privatschnlen,  in- 
sofern nämlich  die  öffentlichen  billigen  Anforderungen  ent- 
sprechen, dagegen  die  Verwendung  von  (^rdenslenten  in  den 
Schalen  (Tychrschwesternl,  sofern  sie  nnter  ansschliefsHcli 
weltlicher  Leitung  stehen  |die  Inspektoren  dieser  Lehr- 
.schwestern  sind  aber  Friesterlj  nnd  keinen  besonderen  An- 
lafs  zn  Klagen  gehen,  für  zidässig,  ja  .selbsi  nnansweichlich 
"in  katholisch-ländliclu-n  X'erhälttn'ssen.  Die  völlig  materia- 
listisch gesinnten  Lehrer  welllichen  Standes,  die  anch  vor- 
kommen können,  sind  uns  jedenfalls  noch  unlieber  als  diese 
meistens  doch  sehr  pflichtgetreuen,  persönlich  edlen  und  von 
ihrer  Aufgabe  ganz  erfüllten  Kranen.  Ferner:  Von  den  Fort- 
bildmigsschnleti,  Handwerkerscliulen  ')  nnd  den  vielen  |?|  jetzt 
von  der  Kidj^eno.s.sen.schaft  snbventionierten  X'ortragen  halten 
wir  im  ganzen  nicht  sehr  viel.  Die  erstgenannten  hätten,  da 
jeder  |!j  Schnlzwang  dabei  ansgeschlossen  ist,  mir  iliren  guten 
Sinn,  wenn  es  gelingen  würde,  <lie  erwachsene  Jngend  des 

'i  \  ^1  das  Schlufswnrl  Avr  l-'inleitunjj.  l^ii  hier  ux'tinnnleii 
Schulen  stehen  wenigstens  teilweise  au  Stelle,  siiul  aber  niehts  weiii<4:er 
als  ein  Ersatz  der  dringlich  zu  fordernden  Bürgerschulen. 


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Kan(le>  für  eine  w  eitere  P.ildiiii);  sehr  IchhaH  zu  intere.ssieren. 
»So  k(jnulcii  wir  uns  z.  15.  denken,  dafs  eine  geistreiche 
historische  Behandhing  der  Zeitereignisse  an  Hand  der  Tages- 
litteratur*)  die  zur  Abstiinmiing  über  alle  diese  Fragen  be- 
rufenen jungen  Bürger  wirksam  für  ihren  politischen  Beruf 
■/AI  erziehen  und  ihnen  die  ül)Lrhand  nehmende  (Tleichj^niltig- 
kt  it  gegen  denselben  und  die  \ei.L^un<^  zu  geistlosem  Wirts- 
haussitzen und  Spielen  beneliuieii  kTmute.  —  Die  beste 
Fortbildungsschule  der  Kidgenossenschaft  winde  der  Mihtiir- 
(Henst  sein,  wenn  er  noch  weit  mehr  als  bislur  aueli  die 
j)ersöidich-sittlielie  lüzieluiug  tles  Soldaten  sich  /.um  Zwecke 
setzte,  der  sich  ja  ganz  in  der  Hand  seiner  Oberen  (wie  nie- 
mals in  einer  anderen  Schule)  befindet^')  Schliefslich  sei 
hier  noch  eine  gelegentliche  nenierkunj;  im  1892er  v Jahres- 
bericht- (jedes  Politische  Jahrbuch  bringt  einen  langen 
Jahresbericht  mit  einer  Menge  treffender  Worte)  angefügt: 
\'olksschidfragen  Irinveu  von  dem  allgemeinen  vStande  der 
Hildung  in  einem  Lande  ab,  zu  der  noch  sehr  viele  andere 
Kiemente  als  die  vSchule  beitragen  müssen. 

\'on  der  ICrziehung  im  Hause  verlangt  Hilty  das 
Pflanzen  der  Liebe:  das  Kind  mufs  durch  die  Familie  zur 
Herzenswänne  tmd  Opferfreudigkeit  für  seine  Nächststehen- 
den erzogen  werden  und  zu  einem  sonnigen  liebevollen  Wesen 
überhaupt,  das  dann  für  das  ganze  Leben  vorhält  .  Eine 
andere  Stelle  bringt  die  Ergänzung:  Wenn  man  sieh  fragt, 
was  dem  Kinde  anzuerziehen  sei,  so  sind  wir  tler  Ansielit, 
dafs  sich  da.^  auf  weTn\^e  gute  ("iewohnheiten  beschränken 
könne,  mit  denen  allerdings  sehr  frühe  begonnen  werden 
ninls.  Es  sind  dies  Gehorsam«  Aufrichtigkeit,  Frenndlich- 
keit,  Freigebigkeit,  Arbeitsamkeit,  Selbstüberwindung,  Ab- 
wesenheit von  allem  Klassenhochmut  und  ebenso  von  aller 
Menschenfurcht*)  Das  sind  alles  Dinge,  die  auf  dem  Wege 
der  (lewöhnung,  des  einfachen,  aber  konsequenten  Anhaltens, 
Lobens  und  Tadeins  in  der  l'amilie  erzielt  werden  können, 
am  leichtesten  durch  das  Hei.-^iiiel  der  Kitern,  Angeluuigen 
und  Dienstboun.  ulnie  tlas  alle  \'or.schriften  für  das  Kind, 
welches  einen  starken  Xachalunungstrieb  und  eine  sehr  gute 
Beobachtungsgabe  besitzt,  nur  leere  Worte  sind',*) 

')  ticschiehl  .schuti  hie  uinl  da,  freilicli  wohl  nicht  iininer  geist- 
reiche 

-f  Niehl  iihcl.  aber  /.       nnjiu»j^^lich  —  ni(i;flicl)  dann,   wenn  div 
t  r^U  Hietist/.cil  iuif  c-lwa  ein  jähr  \  crlangcrl  und  /.mor  die  erforder- 
liche Au/:a)il  Offi/.ieri-  /u  I*:r/.iclictn  lir  -ndhch  ausj^a^hildet  würde. 
I    Wenijj    ist  das  aber  nicht' 

'  AlxT  in  wir  vielrti  I'atnili.  n  ist  das  inoj>flicli !  H.  k.mii  des- 
halb niciil  unihui.  den  Staat  aut/ut«>rdern,  »lals  er  für  ^esuntle.  mit 
dem  nötigen  bescheidenen  Wohlstand  au.S{|estattete  Fanulien  und  für 
natürliche,  für  ihren  Benif  wohlentogene  Frauen  sorge  . 


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2  ^8  Uu.lolf  Uit  lru-li. 

Zur  richtigen  S  c  1  b  s  t  e  r  /.  i  e  h  u  n  g'^  endlich  gehört  nacli 
H.  beides  vereint:  Einsicht,  Glauben  an  das  Vorhandensein 
einer  göttlichen  Weltordnun^  und  Wille,  derselben  in  freiem 
Gehorsam  zu  dienen.  Dies  die  inneren  Mittel  —  Dieäufseren: 
»Handeln  und  Leiden  das  Ziel:  »die  wahre  Lebens- 
philosophie Deren  Inhalt  verraten  vielleirlu  die  Kr- 
kennungszeicheii  des  Schweizers,  wie  ihn  H.  für  die  Zu- 
k  11  n  f  t  sich  wünscht:  Einfachheit,  Redlichkeit,  Trene; 
Kraftgefühl,  frischer  Alut  und  hilfsbereiter  Edel- 
in  u  L  . 

Iiy  Jahrbuch  (Jahresbericht)  für  1894,95  kommt  Hilty 
wieder  auf  die  Volkserziehung  zu  sprechen,  und  auch  auf 

die  Pestalozzifeiem  des  Jahres  I1S96.  \'on  diesen  sai^t  er:  sie 
«haben  einen  guten  Sinn  und  Zweck,  wenn  sie  mit  dem  Vor- 
satz, verbunden  werden,  in  nnserni  ganzen  Erziehntii^ssr  ^ti  ni 
wieder  einmal  eine  Revision  im  i  d  e  a  1  i  s  t  i  s  c  h  t- 11  S  1  n  u  e 
eintreten  /.u  lassen  .  Die  Ernte  dessen,  w;is  andere  (rene- 
ralionen  in  der  Ausbildung  nnscres  Volkes  gesät  haben,  ist 
vollendet,  oder  vollendet  sich  jetzt  Nun  geht  das  Säen  wieder 
an^r.  Und  es  werde  vorzüglich  ein  Säen  der  ^ ethischen 
Kultur  sein  müssen.  In  dieser  Hinsicht  befindet  sich  die 
dermalige  Pädagogik  aller  Länder  nicht  ganz  auf  dem  rechten 
Wege,  wie  das  Schicksal  der  Eidgenossenschaft  in  der  Lebens- 
zeit der  jetzt  jungen  (»eneration  es  noch  deutlicher  niaehen 
wird.  Nicht  die  geistige  Anlage  oder  die  iniellektuelle 
Ausbildung  der  Völker,  .sondern  das  zeigen  schon  die  alten 
griechischen  Republiken  —  ihre  ethische  Willenskraft 
entscheidet  über  das  Schicksal  der  Staaten,«^  >Wie 
man  ausgezeichnetere  Menschen  heranziehen  kann«: 
auf  die  Frage  .sollten  uns  endlich  die  technischen  Erzieh» 
imgsschnften«  eine  ^  klare  und  deutliche  Antwort«  geben. 

2. 

Der  Aufsatz  im  Jahrbuch  für  berührt  auch  die  in 

den  letzten  Jahren  viel  erörterte  1  rage:  ob  den  kanto- 
nalen Volksschulen  aus  der  eidgenössischen  Staats- 

')  Kill  anderuial  bezeiclinet  II.  als  Ziel  der  Selb.sterzieluinjr:  die 
Rt^liiii« >ii,  X  erbiiuUiii^  mit  <lcni  (iöttliclicn  '.  die  im  (ireisenalter 
zur  (iottcsnähc'  werde.  —  Konsequenz,  Klarheit,  wuhlgeurduete  und 
folgericlitisre  Rntwickluti^  einer  Ansicht,  Anschauungf,  Lehre  ti.  dgl. 
i.st  nicht  Hiltvs  Stärke.  Hiese  bcjjl  im  einzcbien.  —  Welches  Kr- 
ziehunjjs/.iel  .soll  nun  gelten  .-*  Ich  glaube  doch,  das  rein  menschliche, 
inhsche  (gerade  der  grofsen  .Aufgabe  der  Kidgeno.ssenschaft  wie  auch 
im  besonderen  ilci  Volksschule  j^emäfscj  Ziel,  welches  oben  in  einer 
Reihe  l%igcnschaften  (am  Schlüsse  iles  Absatzes)  ausgedruckt  ist. 
Nicht  ganz  voU.ständigl  Aber  das  Wesen  des  Ziels  ist  doch  klar  er- 
kennbar, luid  das  genü{^. 


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Kr ItwciKi'rUchVb  Vm)1(»>i(*IihIii  i'Mit. 


kasse  I' iit  c  r  s  l  ü  t  z  ii  n  «jf  c  n  zufliefsen  sollen.  Hilty  ist 
niclit  (l.'UHi ;  er  zieht  eine  andere  \'er\\  i  iulnni^  der  Hnndes- 
j^f^elder  vt)r.  Er  meint:  Die  einzi^>^e  wirkliclK-  Aufgabe  der 
Kidgenossenscliaft  als  solcher  wäre  es  eigentlieli,  die  höchsten 
Lehranstalten  des  Landes  auf  ihre  Rechnung  zu  nehmen; 
denn  von  den  Hochschulen,  wenn  sie  richtig  g^estaltet  sind, 
g^eht  das  j^eistige  Lehen  eines  Landes  ans.  nnd  sie  bilden 
den  eij^entädieu  Mafsstab  für  dasselbe  .  Die  allerletzte  He- 
hauptnnj^-  ist  wohl  etwas  kühn.  I-Teilich  macht  II.  selbst 
t  ine  nierkwnrdi^^-e  EinschränkiiiiL;  :  wenn  sie  ricliti  i^  j^e- 
stalu  i  sind  .  Aber  wns  heifsukis  .-'  j cileniails  ist  >"\  iei  sichert 
lliltss  Anirai;  könnte  erst  dann  mit  einigem  Rechte  dem 
andern  vorgezogen  werden,  wenn  eine  weit  und  tief  p^eheude 
Umwandhm^  und  Umwertung  vollführt  wäre.  Vielleicht  will 
H.  diese  Xotu  L  ndigkeit  mit  seiner  Hedinjä^ungf  wenn  sie 
(die  Hochschnlen)  richtig  gestaltet  sind  —  teilweise  an- 
denten.  Dafs  er  die  f^m wandhing  will,  bezengen  ja  seine 
AnsiclUc  n  über  die  Aüf^^abe  nnd  das  Krziehnngsziel  der  Kid- 
gtnossLiischaft  nini  dafs  sie  bald  eingeleitet  werde,  ist 
niclit  zn  erwarten.    W'ozn  da  jene  Kordel  un>j  anfstellen! 

Wer  sonst  über  das  Thema  Hnnd  nnd  Schnle  spricht, 
hat  nur  oder  doch  hauptsächlich  die  Volksschule  im  Auge. 

—  ^'Der  Bund  soll!»  Was  der  Bund  soll,  ist  eigentlich 
eine  staatsmännische  Frage,  nnd  der  Staatsmann  wird  die 
richtige  Antwort  geben,  der  Land  nnd  Lente  nnd  alle  Ver- 
hältnisse gründlich  kennt  nnd  sich  ant  den  höchsten  Stand- 
])nnkt  stellt,  (ileichwohl  haben  diese  Frage  nnd  diese  .\nt- 
wort  ihren  Wert  nnr  an  sich  .  Ks  handelt  sich  tun  die 
vSchnie.  Da  ist  es  ja  selbstverstandiich  nnd  natürhch,  dafs 
auch  die  Pädagogen  sagen,  was  der  Bund  soll.  Aber  ihre 
Antwort  bleibt  zunächst  ebenfalls  ohne  praktische  Bedeutung. 

—  Denn  was  der  Hnnd  soll,  ist  gar  nicht  die  Frage,  son- 
dern -  was  er  will.  Der  Hnnd.  ist  die  Eidgenossenschaft, 
d.  h.  die  25  Kantone .  d.  lt.  die  Schweizerbürger  der  25  Kantone, 
oder,  znletzt,  dif  Mrhrheit  der  vSchw eizerbürger.  Nicht  bei 
der  Regiernng,  in  nnserm  I'alle  wohl  anch  tiiclit  bei  der 
Volksvertretung  (denn  der  ( reset/.cscntwnrf  müfstc  ohne  Zweifel 
der  \'olksabstimminig  nnterworfen  werden),  sondern  bei  dem 
Volke  selbst  liegt  die  Kntscheidung.  Was  die  Mehrheit  will, 
darauf  konimt*s  an.  Nun  also:  was  will  die  Mehrheit?  oder 
was  denkt  sie?  Das  läfst  sich  nicht  so  Kirhl  sagen.  Xnr 
das  ist  sicher,  dafs  z.  die  Hebung  dtr  X'olksschnle  mit 
Bundes'^eldern  nicliT   'v,u  \'order;^rnnde  des  Interesses  steht. 

<  )h  (kr  Hnnd  veii)lHchtet  ist  oder  griinn  nnd  richtig: 
ob  dir  Sriiweizer  sich  l»rreils  irgend  ein  (ioetz  gegeben 
haben,  kralt  dessen  Hnndesgelder  znr  l'ördernng  des  \'olks- 


t 


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2^0  '  Rudolf  Uivtricb. 

schiilwcscTis  üliu*:  wcilcit's  in  Aiispiiuli  .u^riKniniKii  «xlertlocli 
inil  eiiiij^'^eiii  Rechte  gefordert  wcnlcn  tlürk  iK-'  I  .s  >clieint  so. 
Die  einzige  allgemein  verbindliche  X'orscluill,  \s  eiche  für 
nnsem  Fall  in  Frage  kommt,  der  sog.  Scluilartikel  (27)  der 
Bundesverfassung  lautet:  ^Der  Bund  ist  befugt,  aitfser  der 
bestehenden  polytechnischen  Schule  eine  Ihiiversität  und 
andere  höhere  Unterrichtsanstalten  zu  errichten  oder  solche 
Anstalten  7.n  unterstützen.  I  )ie  Kantone  s(>r<^en  für  ^^e  n  n  g  e  n- 
den  Pri  ni  a  rnnterri  ch  t,  welcher  ansschlitfslicli  unter  staat- 
licher I^eiluii<:f  stehen  soll.  Derselbe  ist  obli L^atorisch  nnd  in 
den  ölfentlichen  Schulen  unentgeltlich.  Die  öffentlichen 
Schulen  sollen  von  den  Angehörigen  aller  Bekenntnisse  ohne 
Beeinträchtigung  ihrer  Glaubens-  und  Gewissensfreiheit  be- 
sucht werden  können.  Gegen  Kantone,  welche  diesen  Ver- 
pflichtungen nicht  nachkommen,  wird  lUr  Hund  die 
nötigen  Verfügungen  treffen  .  Also  der  Bund  wäre 
verpflichtet,  gegen  Kantone,  welche  z.  H.  nicht  für  <^a'nÜ5.,^en- 
den  Primarunterricht  sor<^cii,  d'w  nüü^^vu  W-rfüiiiui^cn  /.n 
treffen^'.  Wenn  nun  ein  Kaiilon  im  .^enÜLit-  iKkn  I'i inianinter- 
richt  nicht  sorgen  kann,  weil  es  iluu  au  Mitteln  lehlt,  so 
—  sollte  man  meinen  —  müfsten  x  die  nötigen  Verfügungen* 
des  Bundes  darin  bestehen,  dafs  er  auf  irgend  eine  Weise  die 
fehlenden  Mittel  beschafft  oder  beschaffen  hilft,  beider  ist 
aber  nirgends  bestimmt,  w a s  g e n  n  g  e  n  d  e  r  Pri  ni  a r  11  n t e r- 
rieht  heifst  nnd  so  knnn  eben  der  Hund  in  «lieber  wich- 
tigen Angelegenheit  irgendwelche  \'erfügnngen  nicht  treffen! 

Einmal  li<S82)  versuchte  es  die  Hnndesx  ersnnnnhuig, ') 
diesem  Ubelstande  abzuhelfen.  »Sie  ]>lante  ein  eidgenö.s.^i.sches 
Untenichtsgesetz  und  schlug  zunächst  die  Anstellung  eines 
Beamten  vor,  der  mit  den  nötigen  Vor-  und  Nacharbeiten 
betraut  werden  sollte.  Dieser  Zukunfts-Beamte  erhielt  alsbald 
den  Spitz-  nnd  Schrecknamen  ' Schul vogt  — und  mit  Zwei- 
drittelmehrlieit  wurde  die  ganze  \'orlage  in  der  Volksab- 
stimmung verworfen.  Und  auch  heute  will  man  weder  von 
einem  eidgenössischen  Schnlsekretär  (.so  hiefs  der  ehrliche 
Titel)  noch  Schulgesetz  etwas  wissen.  »So  ist  denn  der 
'genügende  Primarunlerrielu  nach  wie  vor  eine  unbekannte 
Gröfse  geblieben. 

Kinzig  für  den  Turnunterricht  bestehen  eidgenössisclic 
Bestimmtmgen,  und  zw  .n  auf  Grund  der  M  i  1  i  tär Organi- 
sation (von  1874)  und  einer  Wrordnung  betreffend  die  Ein- 
führung des  Tiinrniterrichts  für  die  mannlielu  Jugend  vom 
TO.  bis  I  n.  Altersjalirc  {von  1S7S).  I )as  Militärwesen  ist  eben 
eidgenössisch,  nnd  dei  Turnunterricht  wird  als  anilitärischer 

't  —  Nn  inimlrat  (Volksvertreter)  wnd  Stätiderat  (Vertreter  der 

Kaiitun.sregieruugen). 


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241 


\*orunterriclit  ano;esclicii  und  bezeicliiu  t.  ist  nacli  der  Ttirn- 
scIiuU^  für  den  inilitärisclien  \'nninterriclit  für  die  .Schwei/.t  1 - 
jnt^end  /.n  erteilen.  Die  Kanl«'ll^l>cln)rdeIl  liahen  dem  liiiii- 
desrat  über  den  Stand  des  Unterrielus  alljälnlieh  zu  bericluen, 
und  das  Militardeparteinent  ist  zu  lnspektionen  berechtigt. 
Obwohl  nun  die  Einfühningf  des  Tuniunterrichts  sehr  lang- 
sam vorgeschritten  ist  und  ancli  heute  noch  die  eidj^enössischen 
Vorschriften  bei  weitem  nicht  allgemein  erfüllt  sind  (von  den 
10-  15 jährigen  Knaben  geniefsen  etwa  der  zehnte  Teil  noch 
jTfar  keinen  und  mehr  als  die  Hälfte  nur  einen  Teil  des 
Jahres  Turnunterricht),  d<T  Bund  also  (uaeh  Art.  27  der 
Himdesverfassun^)  schon  länj^st  die  nötij^en  \'erfütrinigen 
hätte  *  treffen  ,  d.  h.  —  da  meist  Armut  der  Ciemeindeu  L'r- 
sache  des  Rückstandes  s  ist  -  mit  seinen  (vcldern  hätte 
eingreifen  sollen:  so  hat  eres,  nämlich  das  letztere,  doch  bis 
heute  nicht  gethan.  Und  merkwürdigerweise  ist  es  von  ihm 
auch  nie  verlangt  worden!*) 

I);,(rr<ren  wurden  schon  im  Jalire  tSS:;,  Hundesgcldcr  für 
eine  Sache  erbeuii.  die  den  Hund  zunächst  nichts  auj^ing. 
An  das  eidlifenö^.«>i^clK  Militärdi  ]>artement  *^elanL;te  urnnlich 
das  Gesucii;  es  möchte  durch  das  topographische  Bureau 
eine  Schulwandkarte  der  3chweiz  erstellen  lassen». 
Obwohl  nun  damals  der  Bundesrat  das  Gesuch  abwies,  so 
1h  f.ifste  er  sich  doch  später,  anfangs  der  Neuu/ii^er-Jahre, 
wieder  mit  der  Angelegenluit,  uiul  1893/94  beschlufs  die 
Bundesversamndung  wirklich  die  Herstellung  und  unentgelt- 
liche Abgabe  jener  Karte  an  die  Schulen.  Das  ist  die 
erste  eigentliche  Unterstützung  d  er  \'ol  k  sscli  u  1  e 
durch  den  Bund  ,  und  an  sich  gewifs  ein  glücklicher 
Griff,  da  es  sich  um  eines  der  wichtigsten  Unterrichtsmittel 
handelt  Kreilich  kommt  das  Oeschenk  nicht  nur  den  Volks- 
schulen (im  engeren  Sinne)  zu  gute,  sondern  allen  Primär-, 
Mittel-  und  Fortbildungsschulen  .    Man  rechnet  mit  rund 

Schulen;  die  Kosten  sind  auf  i<)o,(KX^Kr.  festgesetzt. 
Ivcider  ist  ein  ungenügender  Mafsstab  gewählt  worden: 
I  :  i5(wv>«>  wäre  recht,  oder  besser  i  :  i2St'<">.  Das  to])o- 
graphiselu  I'ureau  aber  bleibt  bei  <ler  (»rölse  der  alten  l/u 
kleinen)  \\  auilk.n  te,  d.  h.  beim  .Mafsstab  1  :  2iK)t)L>u.  Die  ge- 
samte Kartenfläche  wird  222  qcm  grofs  sein;  davon  fallen 
103.5  ^^^^  Schweix,  118.5  auf  das  .\uslaud.  Das  ßodeiu 
bild  wird  durch  Horizon talkurven  dargestellt  (senkrechter 

h  l-.Tsi  u  äbrctul  der  kl/.lcii  J;»lirL  :  Itt  i  <  itlt  vit  tilicil  (ks  ^roiscn 
liegehrcns  nach  i;uinks^^ekkrn  für  <lic  XOlksschule  überhaiipl,  und 
in  den  Verhandhmijt'n  über  dieses  lk>;clircn.  über  die  Verwendung 
der  \  erlan;(ten  (  .chkr.  ist  n.  a.  .uu  li  der  Ik-bunjr  oder  Re>;elung  des 
TurnunlerrichUs  gc<Uu"ht  wurden  i.s.  sjmler  unter  3), 


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242 


Abstand  ior>  ml  Durch  ScliaUifiiiii}^  und  Farljeü.-.cliiclittMi 
wird  das  KiirvciibiUl  iclidarli;^^  abj^ctönt  ;  die  HclLnichuinj»; 
konmit  iiinunt  man  an  von  links  oben  her.  Flüsse 
und  Seen  werden  blati  gemchu<^t,  erstere  nicht  mehr  so 
stark  wie  bisher  üblich;  doch  wird  man  sie  •  auf  dem 
reliefartigen  Bilde       immer  am  richtigen  Orte  snclu  n.  — 

Für  später-  ist  ein  Schulallas  j^eplant  Dieser  soll  ent- 
halten: a)  eine  der  vorhin  beschriebenen  Wandkarte  ent- 
sprt  c  liende  <  W-neralkarle  im  Malsstab  i  :  i  (xx>(X)<>;  b)  eine 
(>rn-h\ drojrraphische  Karte;  c)  eine  politische  Karte  mit  Be- 
/-irks^renzcn  (  F'lächenkolorit  );  d)  }>raphisch  -  statistische 
Karten  (Darstellung  der .  meteorologischen  \*erhäUnisse;  der 
Bodenprodukte,  z.B.  Wald-,  Obstkärtchen;  der  Be%'ölkerungs- 
dichte;  der  Verbreitung  der  Industrien,  Koufessiouen^Sprachen); 
e)  Hilfskärtcheu  zur  Krlernunj<  des  Kartenlesens.  —  Das 
wäre  :\\«)  ein  nnniittell)ares  Eingreifen  des  Hnndes  in  das 
Priinai .Schulwesen  der  Kantone,  das  sich  diese  aber  —  wie 
es  seheiiu        .Ufern  t^efalleii  la^.sen. 

Mittelbar  unterstützt  der  Hund  das  \'olksschnlwesen 
schon  seit   1876:    in   Form  der   lieiträge,   welche  er  den 

Schweizerischen  permanenten  Schulausstellungen ^ 
gewährt  Allerdings  höchst  bescheidene  Summen:  für  drei 
Anstalten  (in  Freiburg»  Neuenburj^,  Hern)  je  icxx),  für  die 
vierte  (in  Zürich)  2txK>  Fr. '1  jährlich.  Diese  vier  Anstalten, 
haben  einen  in'cht  unbedeutenden,  wenn  auch  bei  weitem 
nicht  den  ß^leichen  Anteil  an  der  ImUw  ickelung  des  schwei- 
zerischen \'olksschulwesens.  Darum  erscheint  die  ihnen  zu- 
gewendete  iJuudesuntcrstüt/ung  höchst  dankenswert,  trotz 
der  Kleinheit  der  Geldbeträge.  Übrigens  genügen  sie  für 
Freiburg  und  Neuenburg  und  zur  Zeit  wohl  auch  noch  für 
Bern,  nämlich  im  Vergleich  zu  ihren  Jahresausgaben  (unter 
oder  wenig  über  3(kxj  Fr.)  Die  Schulausstellungen  in 
FVeiburg  (Rejifr.  1SS4)  und  Xenenburor  (1S87)  können  als 
Staatsanstalten  gelten  -)  und  haben  nur  kantonale  Hedeutnug. 
Ihr  Zweck  ist,  die  besten  Lehrmittel  niul  Schnb^eräte  -- 
hauptsächlich  die  für  die  Primarschulen  !)estinimten  .  auch 
Scluilgcsetzgebungs-  und  Vcrwaltung.-^akteu  zu  sammeln  und 
zu  jedermanns  Anschauung  und  Hinsicht  bereit  zu  halten. 
Von  der  Schulausstellung  in  Bern  (1878)  läfst  sich  ungefähr 
dasselbe  sagen;  doch  spielt  sie  im  ganzen  eine  etwas  grofsere 

•l  \'or  iSui  ancli  nnr  kxk»  I  r. 

■j  Die  V  c  r  e  i  n  sajislaltcn  in  Jicru  und  Zürich  erhalten  von 
Kantoii  und  Stadl  Beiträge.   Das  l'estalo/./Jammi  etnpfänjrt  aiifserdeni 

ethchen  Scluil^^cmeindcn  seines  KatUnns  kkine  Zuschüsse ;  im 
ganzen  machen  (he  beislun<i^eii  «les  Ihindes,  des  Kantons  und  der 
(Gemeinden  etwas  mehr  als  dit- Hälfte  seiner  Jahieseinnalnnen  aus. 


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Rolle.  Im  cin/elneu  pflegt  sie  hesuudcis  die  Abteilung  für 
Kiiabeiiluuidarbeit  .  Heiiierkcn.swcrt  ist  aucli,  dafs  die  Anstalt 
schon  seit  längerer  Zeit  von  der  Hochschule  zu  Vorträgen 
über  Schulhygieine,  von  den  L,ehrer-  und  I^ehrerinnen- 
seminarien,  der  höheren  Mädchenschule«  dem  G>mnasimn 
und  vÖn  einzelnen  Priinarschulklasscn  für  den  Unterricht  in 
der  Geographie,  Geschichte  und  Naturkunde  benutzt  wird^. 

Die  drei  Schulausstellungen  in  Hern,  Freiburg  und 
Neuenbürg  werden  aber  von  der  vierten  -  dem  Pesta- 
lozzi a  n  u  m ;  in  Zürich  -  weit  übertrf  )lft  n,  was  schon  daraus 
hervorgeht,  dafs  die  Anstalt  in  Zürich  jährlich  last  doppelt 
soviel  ausgiebt  als  die  drei  andern  zusammen.  Das  Pesta- 
lozzianum  ist  eben  dem  Umfang  seiner  Wirksamkeit  nach 
eine  gemein-schweizerische  Anstalt.  Geschaffen  wurde 
es  (1875,  infolge  der  Anregungen,  die  man  von  der  Wiener 
Weltausstellung  empfangen  hatte)  jedoch  nicht  als  Pesta- 
lozzianum,  sondern  —  wie  die  andern  -  als  vSchnlaus- 
stellnng  ;  ursprünglich  war  es  ein  Anhängsel  des  Gewerbe- 
muscmns.  Daher  kommt  es,  dafs  die  Schnlausstellung  , 
eine  allen  Unterriehtszweigen  der  modernen  Schule  gewidmete 
Geräte-  und  LehrniittelsammUmg,  das  Hauptstück  des  Pesta- 
lozzianums  ausmacht,  dafs  eine  besondere,  fast  unverhältnis- 
niäfsig  grofse  Abteihmg  in  den  Dienst  des  gewerblichen 
Bildungswesens  gestellt  ist  Eng  mit  der  vSchulaussUllung 
verl)nnden  ist  das  für  diese  sehr  einträgliche  Depot  der 
zürcherischen  Liederbuchanstalt  ,  An  die  Ausstellungsräume 
schlielsen  sich  auf  der  einen  Seite  das  (vom  Direktor  der 
Anstalt  als  Kleinod  in  der  Mitte  bezeichnete)  Pestalozzi- 
stubchen<^ ')  an,  auf  der  andern  Seite  ein  Lesezimmer,  in 
welchem  rund  70  Fachblätter  Nummer  für  Nummer  sofort 
nach  deren  Erscheinen  aufgelegt  werden  und  eine  Sammlung 
neuerer  schweizerischer  und  ausländischer  Schulbücher  auf- 
gestellt ist.  Ein  ziemlich  selbständiges  Glied  der  (Vesamt- 
anstalt  bildet  das  Archiv  für  in-  und  ausländische  vSchul- 
akten,  mit  dem  nötii^en  Hureau  ,  das  auch  die  rund  i5U(X) 
Hände  zählende  l]jl)lioi]Kk  /.u  besurL^en  hat  und  die  schwei- 
zerische Geschäftsstelle  der  Gesellschaft  im  deutsche  Er- 
ziehungs-  und  Schulgeschichte ^  ist.  Endlich  beherbergt  und 
verwaltet  das  Festalozzianum  das  Inventar  des  schw.  Lehrer- 
vereins.     Ein  buntes  Arbeitsfeld!    Aber  doch  im  Grunde 

'>  F'-s  steht  unter  der  ()l)ln!l  einer  Kommission  ,  welche  seit 
i8t>ü  «i'eätalozziblälterv  herau.sgiebt.  Diese  genügen  vollauf  dem  iie- 
dürfnis».  deshalb  int  die  Oriindnng  einer  neuen  ganz  ähnlichen  Zeit* 
Schrift  durch  Se\  ffarth  nicht  verständlich.  -  -  Das  Fröbcl- 
slttbchen  ist  aufj^elö'^t  \\  >  rtlen  :  man  sali  sich  genötigt,  das  Zimmer 
der  (IcwerbeschulabteiUmg  einzuräumen. 


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»44 


nur  ein  zweitcilij^^cs :  I.elinnitlelsaHiuiliui^  und  wis.scn.schall- 
liehe  Ahtcilunj^.  In  der  ersieicn  spielt  sich  ein  äulscrst  leb- 
hafter und  numniglaltiger  \  erkehr  ab.  Da  holen  sich  Lehrer 
und  Schulpfleger  Auskunft  inid  Rat,  wenn  sie  neue  Lehr- 
mittel oder  Schreibmaterialien  oder  Schulgeräte  anschaffen 
oder  -ai  ein  neues  Schulhaus  bauen  wollen.  Da  wfrd  viel 
«ach  Hezugsc|uellen  und  Preisen  gefragt;  da  werden  Käufe 
venuitteU,  Ansichtssendungen  besorgt.  Da  ist  auch  die  all- 
irenieine  Hm-  und  Ausgangsstelle.  I)a  trifft  man  gar  nieht 
selten  weitgereiste  Leute,  aus  dem  fernen  Westen  wie  aus 
dem  hüheu  Norden  .  darunter  .solche,  welche  die  verschie- 
denen Sainnihmgeu  ausgiebig  benutzen  und  in  ihrer  Heimat 
bei  Veröffentlichungen  der  freundlichen  Aufnahme  und  Be- 
dienung, die  sie  im  Pestalozzianum  gefunden,  gern  gedenken. 

Mehr  im  stillen,  fast  unberührt  vom  geräuschvollen  Ver- 
kehr mit  F(  slb<»tcn,  Packträgern,  Ausläufern,  Handwerkern, 
Kaufkuun,  wirkt  die  wissenschaftliche  W'erkstätte:  das 
Arcliix  1)111  ean  .  Dieses  besorgt  die  laufenden  Archiv-  und 
Hibliuihekai bellen.  Des  weiteren  ist  es  beauftragt  einesteils 
mit  der  Ausführung  der  litterarischen  rnternehnmugen  (z.  B. 
Beiträge  zu  Richters  Pädagogischem  Jahresbericht,  zur  All- 
gemeinen deutschen  Biographie ;  statistische  Zusammen- 
stellungen und  Vergleichiuigen),  andernteils  mit  der  Pjledigung 
der  vielen  verschiedenartigen  kleineren  (leschäfle,  welche 
hauptsächlich  darin  bestehen,  für  studierende  l.elirer  nach 
deren  allgemein  vebaltenen  .Angaben  und  Wünschen  aus  dem 
Archiv  und  der  I'.ibli< »ihek  geeignetes  Material  auszuwählen, 
oder  für  solche  Zwecke  bei  liehörden  und  Schulleitern  Aus- 
kunft, Aktenstücke  tmd  ähnliches  einzuholen,  oder  den  Be- 
hörden und  Schulvorständen  selbst  nicht  unbedeutende  Dienste 
zu  erweisen,  «)der  endlich  solchen,  die  persönlich  ins  Bureau 
kontnien,  Rede  zu  stehen,  kleine  Vorträge  zu  halten,  die  ge- 
wünschten Akten  vorzulegen. 

Seit  sind  die  drei  vSchulaiissu  llungen  mul  das  Pe>ta- 

lo/zianum  zu  einer  l'nion  verbunden.  Kin  unnatürlicliei 
Bundl  Das  \ierte  (ilied,  stärker  als  die  drei  andern  zu- 
sammengenommen, palst  nicht  in  die  Union  »  oder  kann 
ihr  nur  teilweise  (höchsten.s  mit  halbem  Herzen«),  eben  nur 
mit  seiner  '  Schulausstellung '  angehören.  Und  wie  schwierig 
das  Zusammenarbeiten  ist,  veranschauliclu  die  Rechenschaft, 
welche  der  X'orort  Zürich  über  das  Jahr  i<Scj4  abgelegt: 
die  allereinfachsten  Dinge  können  nicht  in  ordentlichen  Tiang 
gebracht  werden!  So  liat  denn  auch  die  l'nion  ais  solche 
in  den  drei  Jahren  ihres  ]V'«^tandes  nichts  geleistet.  Denn 
/an  l"ai»llnung  eines  genieinselialtlichen  Tauschverkehrs  uiit 
ausländischen  Schulausstellungen   -   der  einzigen,  und  zwar 


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245 


erst  im  dritten  Jahre  ermöglichten  That  —  hätte  es  nicht 
einer  T^iuoht  bedurft;  diesen  Verkehr  hätte  Zürich  allein 
schon  länjjfst  herstellen  sollen. 

Znni  Schlnlseiiiiii^e  bemerkenswerte  Worte,  die  der  Direktor 
des  Pestalozziannnis,  Prof.  Dr.  Hnn/iker,  in  eint  i  SirzuiiL^  (k  r 
I'nionsvertreter  (Frühjalir  iH()4)  t^oproclK  ii.  Man  .sieht  daraus, 
was  die  .seluveizerischen  Schulaus^tclluiigcii  sein  nnd  wie  sie 
wirken  könnten.  /  Sie  sollen  —  sa^t  Hnnziker  -  -  die  Zentral- 
pnnkte  freier  und  umfassender  Orientienmgf  im  Gebiete  der 
Kry.ielinn*^  nnd  der  Sclinle  bilden,  die  Kort.scliritte  des  In- 
nnd  An.^landes  in  der  Schulmethodik  wie  in  der  Technik 
der  Schnlansstattnno   alltjeinein  zn^an Jülich  machen  .  Fin- 
den Lehrer  im  besonderen  brinj*^en  sie  einerseits   das  Charak- 
teristische   ijerinanischer    nnd    i  ouianiselier  p»äda«4oi^i.sclier 
Ideen  und  inetliodischer  Praxis     /.nr  Anscliannu^;  anderer- 
seits geben  sie  ihm  Aufschlufs    über  die  gewaltig^e  Arbeit 
au  der  Vervollkommnung  aller  Bildnnosmittel  im  In-  und 
Ausland^.    Sie   können    interkantonale  Lehrmittelverlags-- 
Stätten  sein  nnd  dadnrch  für  Vereinheitlich mitj  der  I,chi- 
mittel  wirken.      .Auf  diesem  \Ve«>e  vermöchten  die  Schnl- 
aius.stellnnjL^en  nielir  Soweit  zn  stiften  als  j^eset>'h*che  Zentrali- 
sation  oder   Hnnde.ssnbventionen    für   dit.    \'< »lkssc  hnle,  die 
mehr  nur  die  änfsere  Ansstattnn«;,  nicht  den  inneren  (reist 
nnserer  Unterrichtsan.siallen  zu  heben   im  Stande  wären  . 
Auf  Staatliche  Unterstützung  dürfen  die  Schulausstelltingen 
Anspmch  machen^  <^weil  sie  dem  Öffentlichen  Interesse  dienen; 
sie  können  aber  erst  dann  zn  voller  Kntwicklung  gelanc^en, 
wenn  in  ihnen  Kusammenfliefsi,  was  einsichtiger  und  ihat- 
kraftii^er  IMr^ ersinn  znr  innerlichen  Förderung  der  Scluilc 
bei z.u tragen  vermögen  . 

^^an  könnte  zu  den  geringen  Summen,  mit  denen  die 
Bundeskasse  die  Schulausstellnnj^'en  nnd  dadmch  mittel- 
bar das  X'olksschnlwesen  nnterstntzt,  nocli  etliche  Tansende 
hin/.nrechnen,  welche  die  bleiche  \\'irknn}4skraft  haben:  näm- 
lich die  Peiiräij^e,  die  an  \\  1  >c  Int  «k-ne  Lehrerx  ercine  nnd 
Fachlelii  ei  klirre  alljährlich  verabluli;L  werden,  b'erner  konnnen 
die  den  gewerblichen  Anstalten  ziifliefsenden  tjelder ')  teil- 
weise auch  der  allgemeinen  Volksbilduno  nnd  im  besonderen 

•»  Rund  5<io,ofX)       zur  Zeit:  das  latubvirtschaftliche  ISiUlnnjrs- 

weseti  erhalt  itm.ooi  l-'r.,  ilas  koiiMner/iclle  i<y».orN)  I  r.  uliescr 
lietrag  wirU  wohl  ijijcli  um  \itlcs  steigen  in  den  n.ich.slcn  Jahren/. 
Für  die  polytechnische  Schule  ■  pcbt  die  Hi<l>;ent>sseiischaft  jährlich 
rund  700,000  Fr,  aus. 


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246 


der  Burgererziehunp^  zugute  —  aber  doch  nur  nebensächlich^ 
und  jene  Schulen  erhalten  eben  nur  als  gewerbliche  eine 
Bunrk'sunterstütznnjj:.    (Die  »allgemeine  Fordbiklungsschnles 

oder  die  I^)ürcrerschide,  wie  wir  sie  als  Oberstufe  der  \'olks- 
schule  fordern,  würde  um  einen  Zuseliuss  aus  der  eidjj^e- 
nössischen  Staatskasse  veroreblich  bitten.)  Jedenfalls  käme, 
wir  mögeti  soviel  als  niüglieh  zusamnienrcchncn,  tür  das  Cie- 
biet  der  Kinderschule  (der  »Volksschule*  nach  dem  gewöhn- 
lichen Sprachgebrauch)  keine  grofse,  sondern  eine  verhältnis- 
mäfsig  sehr  kleine  Summe  heraus. 

vSo  ist  es  von  vornherein  wohl  begreiflich,  wenn  man  — 
ohne  Rücksieht  auf  den  Mangel  einer  gesetzlichen  Handhabe, 
sich  bemüht,  weitmehr  zu  erlangen.  Ks  ist  umsoeher  be- 
greiflich, ja  in  gewissem  Sinne  fast  berechtigt,  wenn  man  in 
Betraeht  iiieht:  für  wie  vielerlei  Zwecke,  und  für  wie  mancher- 
lei unwichtige  Zwecke  die  Bundesmittel  erfolgreich  in  An- 
spruch genommen  werden  ;  \i  gelangen  doch  geradezu  komische 
oder  kindische  Begehren  an  den  Bundesrat!  Und  dafs  die 
Bewegung  von  den  berufenen  Vertretern  der  Kinderschule, 
den  Lehrern,  nicht  von  irgend  welchen  Volksgruppen,  also 
nicht  vom  \'olke  selbst  ausofeGi-aui^fen :  auch  das  ist  erklär- 
lich. Immerhin  mag  es  her\ orgehoben  werden.  vSelbst  der 
Heros  der  freisinnigen  Ivehrerschaft,  Bundesrat  Schenk,  fand 
es  auj^tzeigt,  iui  Xationalrat  (s.  unten)  zu  beuierken: 

»Von  wem  kommen  diese  Petitionen?  Sind  es  Meinungsaus- 
drücke von  allgemeinen  Versammlungen,  von  Bürgern, 
Familienvätern?  Nein,  es  ist  das  Kigentiini liehe,  dafs  diese 
Petitionen  alle  direkt  rein  aus  Lehrerkreisen  stammen;  die 
Mitbürger  selbst  haben  sich  der  Sache  nicht  weiter  ange- 
nommen, und  auch  von  den  Regierungen  der  Kantone,  denen 
eine  vSu])\enüon  zugewendet  weiden  .soll,  ist  an  die  Bundes- 
versamndnng  oder  an  den  Bundesrat  gar  keine  Petition  ge- 
rielitet  worden  .  Die  frei-  und  fortschrittlich  gesinnten  Lehrer 
streiten  um  die  Unterstützung  der  Volksschule  durch  den 
Bund:  hauptsachlich  die  ßerner,  Aargauer,  Solothnrner, 
Züricher.  Die  Lehrerschaft  in  den  katholischen  -»Urkantonen« 
(Uri,  Schw\z,  dh-  mid  Xidwalden)  z.  R.  verhält  sich  still, 
freilich  .schon  deshalb,  weil  sie  zum  j^röfsten  Teil  ans  '  Lehr- 
schwestern besteht.  Auch  das  kleine  Häuflein  unter  der 
Herrschaft  des  Kvangelist  lien  Selndvereins  thut  nicht  mit 
Die  Basier  machten  die  Sache  zuerst  -  Ende  1888  — 
zum  Gegenstand  einer  Vereiusverhandlun^.  Der  Sprecher, 
Lehrer  und  Grofsrat')  Gafs,  vertrat  die  Meinung:  dasVolks- 


»)  Hilty  spricht grelegfenttich von  «derVerschwendntigdes Bundes^. 
*i  Mitji^lied  der  kantonalen  Volksvertretung. 


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Schulwesen  könnte  ebenso  wie  das  gewerbliche  Bildungs- 
wesen  ans  der  Biindtskasse  Unterstützungen  empfangen, 
ohne  dafs  dadurch  der  Ei^j^enart  der  Kantone  zu  nahe  ge- 
treten würde  oder  der  Kulturkanipf  heran fheschworcn  werden 
ninfste.  Allerdinj^s  wäre  dann  dem  Hunde  ein  Aufsichtsri-cht 
älndich  wie  heim  ^ewerhHclien  Hildunj^swesen  eiiizurfininen. 
lü  iiiüistc  auch  z.  B.  cinheiLliclie  Bestininiung^en  über  tUe 
Lrchrerbildun«;,  die  Schulzeit,  die  Versäumnisse  aufstellen 
können.  Im  besondem  wäre  notwendig,  dafs  die  Seminarien 
einzelner  Kantone  vom  Hunde  imterstützt  würden.  Zu- 
nächst aber  möchte  (lafs  den  He rgschiil en ,  deren  die 
Scliweiz  etwa  2400  zähle,  Hnndesj^elder  zuwenden.  Kr  rechnet 
vor,  dafs  der  Hund  mit  einer  Million  jalirlieli  ,  dieser  Schulen 
mit  je  4<'ir)  Fr.  unterstützen  und  noch  naliezu  ^cmmxxd  Fr. 
auf  »Schulhausbauteu  verwenden  könulc.  Dann  niülste  aber 
die  Minimalbesoldung  auch  in  den  entlegensten  Schulen  für 
Lehrer  1000,  für  Lehrerinnen  800  Fr.  betragen.  —  Das  Er- 
gebnis dieser  .Anregungen  war,  dafs  der  Lehrervereiu  die 
Basler  Mit  Lihedc  r  (U  r  Bundesversammlung  ersuchte,  die  Sache 
in  die  Hand  zu  nehmen,  und  ein  ähnliches  Begehren  an  den 
Zentral atisschufs  des  Schweizerischen  Lehrervereins  richtete. 

An  letzterni  weiuleten  sich  zwei  Bezirksklirerkon- 

fereuzen  (der  Kantone  (iraubündt  n  nnd  Hern)  mit  der  Bitte, 
die  Frage  zu  prüten,  ob  der  Hund  auf  irgend  ei'  e  Weise 
zu  Leistungen  an  die  Volksschule  bewogen  werden  könnte. 
Und  wiederum  zwei  Jahre  später  begann  der  eigentliche 
grofse  Feldzug.  Da  rückten  zunächst  mehrere  demokratische 
Volksvertreter  mit  einem  Antrag  an  die  Bundesversammlung 
vor.  Datm  folgten  vier  interkantonale,  von  Lehrern  und 
Schulfreunden,  a^icli  \'ertretern  der  Behörden  besuchte  \'er- 
samndnngen  (je  zwri  /u  Dlten  und  Zürich),  welche  die  F'rage 
mit  SorglaU  und  ( »vüudliehkeit  behandelten.  Und  die  Lehr- 
körper der  französi.schen  Schweiz  nnd  der  Kantone  Aargau, 
Bern,  Zürich,  Solothurn,  Glarns  setzten  in  ihren-  Jaliresver- 
sammhingen  ihre  Forderungen  an  die  Hundeskasse  fest.  Das 
Ergebnis  dieses  Jahres  liegt  in  drei  Eingaben  an  die  Bundes- 
versammlung vor.  Die  wichtigste  ist  die  gemeinsame  Deuk- 
.schrift  des  l^chweizeri.schen  Lehrcrvereins^ ,  der  Societe 
pedagogi(jUC  de  la  Sni^se  romaiide  imd  der  k<»nt\r<.nz 
sch  weizc  ri.scher  Scliulniänner  in  Zürich  .  Diese  Dcük.sclii  ift 
(der  eine  Anzahl  slali.->liseher  Belege  beigefügt  ist)  spricht 
einerseits  von  den  Bedingungen  eines  genügenden  Primar- 
unterrichts»,  von  der  Notwendigkeit  einer  gewissen  (»leich- 
heit  des  Unterrichtszieles  für  die  gesamlr  Schweiz  —  anderer- 
seits von  der  .\rnnit  vieler  Gemeinden»  den  ungün  n 
physikalisclien  \  erhältnissen  der  Berggegenden  und  dem 


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24« 


llitiioir  PMrIcli. 


nachteiligen  Einflufs  dieser  Thatbestande  auf  alle  Rildungs- 
bestrebiino^cii  und  natürlich  anch  auf  die  Ausl)ildiing  und 
vStdlunj^  dt-r  V'olksschullehrcr.  Wenn  wir  luifst  es  auf 
den  letzten  Seiten  der  s(]iliniinen  Sclnilverhältnisse  so 
mancher  (  tc  iiR  inde  Ljedenken,  (it.i  nnj^ennj^enden  Lukale,  der 
übcrfülUeii  Klassen,  der  kurz  bemessenen  Schulzeit  und  der 
vielen  Versäumnisse,  der  traurigen  Lage  so  mancher  Lehrer, 
der  unzureichenden  Lehrmittel  und  der  geringen  Fürsorge 
für  anne  und  schlecht  genährte  Schüler^  und  wenn  wir 
daneben  die  1)esseren  Verhältnisse  anderer  Kantone  und  ('e- 
meinden  ins  Auge  fassen,  so  drängt  sich  uns  muvillkürlich 
die  Frage  auf:  Wie  \  erhalten  sich  <lie  angeführten  Zustände 
und  Thatsachen  zur  Forderung  ini-^eres  ( '.nindgesetzes:  Alle 
Schweizer  sind  vor  dem  Gesetze  gleich;  e>  L;iebt  in  <Ur 
Schweiz  keine  Vorrechte  des  Kantons,  der  Ciebnrl,  der  Fa- 
milien oder  Personen?  Ist  der  \*on  unserm  Grundgesetz  für 
alle  vorgeschriebene  genügende  Unterricht  wirklich  nur  den 
Kindern  der  Städte  und  der  Ivbene,  nur  den  Bewohnern 
wohlhabender  und  gut  eingerichteter  Gemeinwesen  vorbe- 
halten? Haben  sie  in  den  Bergen  drinnen  und  weit  hinten 
im  Thale  keinen  Ansprucli  darauf?  T'nd  wenn  an  Ort  und 
Stelle  die  Mittel  dazu  fehlen  und  selbst  trotz  der  grölsten 
Anstrengungen  da.s  Ziel  nicht  zu  erreichen  ist  -  hören  w'n 
denn  nicht  immer  wieder  das  Wort:  Einer  für  alle,  alle  für 
einen  für  den  Schwachen  die  Starken,  und  die  Reichen 
für  die  Armen,  und  für  den  Kleinen  die  (rrofsen  und  Mäch- 
tigen!? Ihr  Ziel  -  erklären  die  Absender  der  Denkschrift 
werden  sie  erreicht  haben,  ^wenu  mit  Hundeshilfe  in 
allen  Teilen  unseres  Landes  eine  genügende  Zahl  \  on  Schulen 
errichtet  worden  ist,  keine  hungernden  und  frierenden  Kinder 
mehr  dii-  Scludsäle  füllen,  keine  überfüllten  Klassen  mehr 
den  l' nterrichtszweck  vereiteln,  aueii  da.>  ärmste  Kind  mit 
den  besten  Lehrmitteln  und  gutem  Werkzeug  ausgestattet 
zur  Schule  kommt  und  die  Schulen  selbst  mit  all  den  Lehr- 
und  Veranschaulichungsmitteln  ausgerüstet  sind,  die  einen 
erfolgreichen  rnlerricht  in  so  hohem  (nade  bedingen;  - 
wenn  in  ausreichender  Weise  für  schwachsinnige  mid  ver- 
wahrloste Kinder  Inirsorge  getroffen  wird ;  wenn  man 
sich  nicht  darauf  beschränkt,  die  Jnngmannschaft  des  Landes 
wehrfähig  zu  machen,  s(mdern  auch  durch  ein  wohleinge- 
richtetes Fortbildungsschtdwesen  sie  zum  richtigen  Erfassen 
und  Krfüllen  ihrer  sozialen  und  bürgerlichen  Rechte  itnd 
Pflichten  befähigt;  —  wenn  man  für  eine  bessere  berufliche 
Ausbildung  der  Mädchen  besorgt  ist;  \w\m  unter  Mithilfe 
des  Hundes  allen  Kantonen  ermöglicht  wird,  für  die  Aus- 
biUlinig  ihrer  Lehrer  in  richtiger  Weise  zu  sorgen;  wenn 


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KchntiEvriMthri  Volktarlnilwvarii. 


infolge  ökonomischer  Besserstelliiug  rnfslir  tüchtige  junge 
Leute  sich  dem  Lehrerbenif  widmen,  und  der  im  Amte 

stehende  Lehrer  besser  im  Stande  ist,  seinem  Amte  ganz  zu 
k'Hrn,  für  seine  Kortbildnng  zu  sorgen  und  von  drückenden 
S<tij4cn  befreit,  mit  Lust  und  Liebe  zu  arl)citen  .  -  Kine 
.kurz  motivierte  Eingabe  der  Berner  Lehre! scliaft  erklärte, 
;>das  Gesuch  des  Schweiz.  Lehrerveitius  unici stützen-  zu 
wollen.  Dementsprechend  arbeitet  sie  denn  auch  mit  ähn- 
lichen Mitteln  wie  die  *  Denkschrift« ;  neue  Gründe  oder  An- 
träge entwickelt  sie  nicht  —  aufser  dafs  sie  im  einzelnen 
bestimmt  verlangt,  der  Bund  solle  dort,  wo  es  (lemeiuden 
und  Kantone  nicht  können,  u.  a.  auch  für  Kinderkrippen, 
Kleinkinderscliiilen ,  Jugendhorte ,  Scliul<^^ärteii  ,  Ferien- 
kolonien sorgen.  T'iid  charakterisiiscli  sind  ulme  Zweifel 
die  beiden  Sätze:  Das  auf  seine  Freiheit  und  seine  Institu- 
tionen so  stolze  Schweizervolk  besoldet  seine  Volksschul- 
lehrer, wie  es  seiner  unwürdig  ist«.  Die  > Vermittlung  der 
allgemeinen  Volksbildung^  hat  bisher  »einzig  den  vielfach 
unvtruiögcndcn  ricmeinden  und  Kantonen  obgelegen,  und 
der  liuud  hat  dabei  den  reichen  und  teilnahmlosen  Zuschauer 
gespielt  .  --  Endlich  die  Fin<^:ihe  der  aarj];a!iischen  Kantonal- 
Lehrerkonferenz  (die  aber  zuerst  an  den  Hundesrai  ij;^elangt 
war).  Die  Aargauer  gehen  am  weitesten  und  sind  konse- 
quent: sie  fordern  ein  eidgenössisches  Schulgesetz  ,  das 
»Obligatorium  der  bürgerlichen  Fortbildungsschule und  ge- 
setzlich geregelte  Bundesaufsicht  über  das  Volksschulwesen. 
—  Wie  sich  die  Aargauer  ihre  »bürgerliche  Fortbildungs- 
schule- denken,  ist  nicht  gSMZ  klar.  Es  scheint,  dafs  sie 
einige  Ähnlichkeit  mit  der  von  mir  gewünschten  Bürger- 
schule hat.  Für  diese  trat  ich  datnals  am  Schlüsse  einer 
staatsrechtlichen  Krörteruni;  in  der  Xeueii  Züriclier  Zeitung  ' 
(Nov.  1892)  ein.  Ks  ist  ja  so;  die  Kinderschule  bietet  die 
regelrechte  Grundlage  für  alle  Bildung,  und  für  die  Grund- 
lage sollte  man  doch  immer  zuerst  sorgen.  Allein  eben  diese 
Sorge,  die  Entscheidung  über  das,  was  gethan  oder  gelassen 
werden  soll,  steht  dem  stim  m  fähigen  Bürger  zu  ;  wenn  dieser 
nicht  die  gehörige  Einsiciit  besitzt,  so  kann  die  beste,  die 
gerechteste  Sache  verworfen  werden.  Hier  also  thut  Hilfe 
am  allermeisten  not,  und  hier  wäre  aucli  der  Bundesheix'l 
zuerst  aii/usetzcn.')  Es  gilt  Einrichtungen  zu  schaffen,  die 
den  jungen  llürgern  die  Einsicht  vermitteln,  deren  sie  zu 
vernünftiger  Ausübung  ihrer  Rechte  bedürfen. 

Natürlich  regten  sich  nun  auch  die  (vegner.  Ein  ultra- 
montaner Redakteur  sprach  im  -  Piusverein  ■  des  Kts.  Luzern 

')  \  gl.  weiter  unten  Sthenks  Vorschlag  in  dem  Bericht  über 
die  Verhandlungen  des  Nationalrats. 

Wtmt  B«!«««  (FfidAeofliiiii)  Ylf.  ft.  I7 


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3i;0  Kuilnir  IMoiriHk 

Über  die  >  Schulfraj;i-  .  Diese  -  mtinte  w  stellt  sicli  sa: 
konfcs-^innelle  oder  koutVssionslose  vScluilc?  I*ür  uns  ist  der 
Stand] )Uiikt  ein  j^ej;j'ebeiicr;  wir  wollen  die  konfessionelle,  die 
cliristliclie  »Schnle.  Das  vSchnlwesen  ist  Sache  der  Kantone; 
aber  die  linndesverfassnng  fordert,  dafs  der  L'nterricht  }je- 
nügend,  obligatorisch  und  unenim  ltlich  sei;  dafs  er  aiiscbliefs- 
licli  tmter  staatlicher  Leitung  stehe  und  die  religiöse  Frei- 
heit nicht  verletze.  Mit  diesen  so  weitherzigen  (!)  Bcstini- 
ninngen  ist  man  nenerlicli  nicht  zufriidi  ii  in  j^ewissen  Kreisen. 
Der  hentij^e  Zn^  der  /.eit  i^eht  anf  die  vollständi!:^  konfessions- 
lose Schnle.  Xenestens  haben  eine  Anzahl  I.clircr  nnd  l'äda- 
irocren  die  l*rafj^e  err>rtert  bezüglich  Ihnidesuntevstiitzun'^  nn 
Priniarschnkii  und  /a  uli alisati»)n  des  Schnlwesens  (ein  kransi.» 
Dentseli!).  Wir  aber  müssen  entscliieden  eine  lünniischung 
des  Rundes  in  unser  Schulwesen  ablehnen,  alsAnhcänger  der 
kantonalen  Selbstbestimmung  und  als  Gegner  der  Kntchrist- 
lichnng  der  Volksschnle,  welclie  mit  den  Hnndesschnl meistern 
einziehen  würde.  Bundesgeschenke  und  -Unterstützungen 
sind  zn  fürchten.  Möj>:en  wir  anf  der  Hnt  sein  bei  einer  all- 
fälli}:(en  ( iesetzesvorla<^e  .  l'nd  die  Kampfj^enossen  der  I'ltra- 
montanen  sind  die  Kvanj^'^elischen  .  Das  !{\anL,^  vSchnllilalt 
erfafste  eine  günstige  ( iclegenheil,  seiner  ( ie.siinuni*;  kräf- 
tigen Ausdruck  zu  gehen.  In  seiner  Nr.  44  (1S92)  meldete 
es,  dafs  der  ständige  Schuldirektor  (dessen  Anstellung  der 
Oemeinderat  der  Stadt  Beni  vorgeschlagen),  der  Unabtreib- 
liche  ,  der  sich  nun  schon  zum  dritten  Male  herbeij^a^drängt  -, 
in  der  \'olksal)stinnnnng  nn't  einem  stattlichen  Mehr  er- 
schhv^^'ii  worrlcn  sei,  Nun  ist  er  tnt  iiiirlwitd  sich  so  bald 
wohl  nicht  wieder  erheben.  Mni;(  tU  i  i  i  d  «4^  e  n  ö  s  s  i  s  c  h  e 
Schnlvo<(t  [das  ( 'ies)»en.sL,  uiil  dtui  die  K\ anj^elischen  nnd 
andere  Lente  die  Hnndesnnterstützung  der  X'olksschnle  zn 
hintertreiben  suchen]  eine  kraftit;e  Lehre  daraus  entnehmen!' 
Folgt  ein  Totengedicht.  — 

Das  Jahr  1893  brachte  die  Sache  wieder  einen  Schritt 
vorwärts:  drei  Tage,  vom  5.-  7.  Juni,  verhandelte  der  National- 
rat  über  die  «»-rofse  Fra^e.  Der  vorliegende  .Xntrag^  (die 
.Motion  ,  wie  die  Schweizer  Saiden eingebracht  von  Xational- 
ratCnrti  in  Zürich,  lantete:  der  Hnndesrat  ')  ^nllt-  untersnchen, 
>üb  nicht  zur  .\n>iührnng  der  Hestinnnnnj^  de>  Art.  27  der 
nnndesverfassnn<r,  die  einen  genügenden  IViniarunterricht 
vorschreibt,  die  Kantone  vom  Btuide  finanziell  unterstützt 
werden  solltn.  und  ob  nicht  dnrch  das  Mittel  der  Hnndes- 
beiträge  auch  die  Uneutgeltlichkeit  der  Lehrmittel  und  Schul- 

Die  lUindcHfcgiemitg.  <feKanitheit  der  7  Htitidcsräte  l Minister^ 
von  (tencn  einer  itnincr  nur  für  ein  Jahr  /.um  Hunclespräsidentcn  ge- 
wählt  wird. 


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8chvfifsorii>r1ie]>  Voik»«rlnilw«»fiip  25 1 

materialien  für  den  Primarunterricht  einzuführen  sei  .  Curti 
begründete  nun  am  5- Juni  seine  >Motion«f  und  zwar  deckten 
sich  seine  Ausführungen  im  wesentlichen  mit  denen  der 
»Denkschrift«';  sie  gipfelten  in  dem  Vorschlage,  ein  Sub- 
ventionsgcset/.  zu  erlassen.  Weiter  ging  ein  ^Amendement« 
des  Nationalrats  Jeanhenrv:  er  forderte  ein  eidgenössisches 
Schnlgcsetz  iii)crhaupt;  freilich  müfstc  (lioscin  eine  Partial- 
revision der  liuiu]csverfassn"g  \ orausgehcn.  -  l^nter  den 
grundsätzlichen  i  Vcguei  n  ihaien  sich  selbstverständlich  die 
Ultramontanenf  Konservativen  nnd  Föderalisten  («Kan- 
tonesen'^)  hervor.  Sie  brachten  teilweise  recht  komische  Ein- 
wände. Einer  sprach  das  grofse  Wort  gelassen  aus:  »die 
Hauptsache  im  TJuterriclit  seien  tüchtige  Pädagogen  und 
Männer  wie  Pestalozzi  n.  a.  Diese  liättcn  nicht  vermittelst 
gefüllter  Börsen,  sondern  vermöge  ihrer  Talente  nnd  ihrer 
Liebe  zur  Schule  ( irolses  vollbracht-.  T^eider  tiamite  der  Herr 
nicht  auch  gleich  eine  billige  ßezngst|nelle  solcher  Männer. 

-    Bundesrat  Schenk,  der  das   > Departement  des  luuern 
leitete,  in  dCvSseu  Bereich  das  Volks.<ichulwesen  gehören  würde, 
war  für  die  gewünschte  Bundesuntcrstwtzung.  >  Eine  Million 
—  sagte  er  —  snllu-  der  Bund  für  die  \'olksschule  unbe- 
dingt ausgeben  .  Erzeigte,  wie  die  Subventionen  nach  einem 

Kontingentsgeset/c  verteilt  werden  könnten.  Die  Kontrole 
über  die  Verwendung  der  Bnndesgelder  müfste  er  natürlich 
beanspruchen;  mit  einfachen  RechenschaftsiK lichten  dürfte 
er  sich  nicht  begnügen.  Da  nun  al)er  ein  die  Angelegen- 
heit regelndes  Gesetz  vom  Volke  wahrscheinlich  verworfen 
werden  würde,  so  sollte  man  die  Unterstützungen  zunächst 
den  Fortbildungsschulen'!  zukommen  1  assen ;  über 
diesen  Vorschlag  werde  man  .sich  eher  einigen  können,  da 
ja  einem  Teile  der  Fortbildungsschulen,  nämlich  den  gewerb- 
lichen, bereits  seit  iScS4  in  gesetzlich  geordneter  Weise  Bnn- 
desgelder znfliefsen.  Defi  Sie;q-  truf^  der  Berner  Steiger 
davon:  seine  P'assnng  der  .Moüou  wm<le  mit  .Si  gegen  35 
Stimmen  angenommen.  Danach  hat  der  Bundesrat  zu  unter- 
suchen, »ob  nicht  ztir  Au.sfühnuig  der  Bestimmung  des  Art. 
27  der  Bundesverfassung,  der  einen  genügenden  Primarunter- 
richt \  orschreibt,  und  nach  M a  fs g a b e  d  e  s  vS  t  a  n  des  der 
B  u  n  d  es  f  i  n  a  n  z e n  die  Kantone  vom  Bunde  finanziell  unter- 
stützt werden  sollen  .  Dri/n  bemerkte  ein  grofses  freisitiui'^^c  s 
Blatt:  es  werde  nun  wohl  wegen  des  schlechten  Standes 
der  Bnndesfinan/en  uovh  auf  Jahre  hinaus     mit  der 

Bundesnnterstülzung  der  X'olksseluilc  nichts  sein.  Es  habe 
aber  doch  >sein  Outes,  von  Zeit  zu  Jieit  die  Angelegenheit 
zu  besprechen;  dadurch  werden  die  Kantone»  die  sich  im 

')  Da  wäre»  lUc  Jlingcischulcii  mit  gemeint. 

17* 


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2$2 


n«u«»ir  ixriri«-!». 


Rückstände  befiiideiif  ennahnt,  mehr  als  bis! k  i  für  ihr  Sehnt* 

wesen  zu  thmi;  denn  je  niclir  sie  in  dieser  Riclitun*i!:  leisten, 
mit  nmso  «^röfserem  Rechte  können  sie  eine  Einmischung 
des  Hundes  zurückw  riM.  ii  .    Das  leucluet  ein! 

Im  Oktober  darauf  wunle  iler  Entwurf  eines  Kon- 
ti  ngcii  tsj^esetzcs  ,  von  welchem  Hundesrat  Schenk  ge- 
sprochen, bekannt  Danach  dürfen  die  Huudesbeiträge  ver- 
wendet werden  znin  Ban  neuer  Schnlhäuser,  zur  Vermehrung 
der  Lehrstellen  (Teilung  grofser  Klassen),  An^cllaffung  der 
allgemeinen  «Eelir-  und  Wransdiaulichunjj^smittel  ,  unent- 
i^eltlichcii  Abgabe  der  Schidmatcrialieii  fSchreil)heftt.\ 
/eichenl)lätter,  Hlei^^iitte,  Federn  u.  dgl.)  au  die  kintU  r,  für 
Speisung  und  Kleidung  armer  Schüler,  zur  Ausbildung  der 
Lehrer  und  Aufbtrsserimg  ihrer  Hesoldungen,  endlich  zur  Hin- 
richtung von  Turnplätzen«'.  Die  Ausgabe,  welche  dem  Bund 
erwächst,  berechnet  der  Entwurf  für  jedes  der  nächsten  fünf 
Jahre  auf  i  V  - Million  F'ranken.  Die  Beiträge  an  die  inzelnen 
Kantone  sollen  bemessen  werden:  einerseits  nach  der  Zahl 
ihrer  Einwohner,  andererseits  nach  ihrer  ökonomischen 
lAMstungsfrihigkeit  .  Die  Kantone  können  selbstverständlich 
die  rntersliu/iiug  ganz  oder  teilweise  ablehnen,  dürfen  al)er, 
wenn  sie  sie  annehmen,  ihre  bisherige  Leistung  nicht  ver- 
mindern (im  Ciegenteil:  sie  sollen  gerade  durch  die  Hundes- 
spende zu  erhöhten  Anstrengungen  aus  eigenen  Mitteln  an- 
gespornt werdenK  Diejenigen,  welche  eine  «Schulsubvention« 
begehreu,  haben  dem  Hundesrate  vorzulegen:  >i.  eine  nach 
Kategorien  getrennte  Aiif-iellmig  der  von  Kanton  und  Ge- 
nieinden in  den  kl/U  u  fünf  Jahren  für  die  öffentliclu'  Primnr- 
scluile  aufgewcndctt  ii  .Suninicn  ;  2.  ri neu  Flau  über  die  beab- 
sielitiglL-  Wendung  der  1  Jundessub\  ention  in  der  nächsten 
fünfjährigen  l'eriode  (mit  Hegründung);  3.  eine  besondere 
spezialisierte  Darlegung  der  Verwendung  im  nächsten  Rech- 
nungsjahre. Was  'genehmigt'  worden,  ist  verbindlich  und 
.IUI  Jahresschlüsse  als  wirklich  geleistet  nachzuweisen.  Die 
l'berwachung  dieses  Unterstützungswesens  soll  einer  sieben- 
giiedrigen  Kommission  übertragen  werden,  die  imter  dem 
eidgenössischen  Departement  des  Innern  stehen  würde:  die 
KounuissiMii  licätte  die  Hefugni>,  mit  den  Erziehungsbch<"»r- 
deu  der  Kantone  in  \'erbindung  zu  treten,  Auskunft  zu  Ver- 
lagen, Bemerkungen  zu  machen  und  Wünsche  anzubringen  . 
—  Die  Parteiblätter  äufserten  sich  im  allgemeinen  günstig 
über  die  Vorlage.  Aber  vor  dem  Aufsichtsrat  scheuten  etliche. 
Sie  tadelten,  dafs  dessen  Rechte  nicht  genau  und  klar  genug 
angegel^en  sind;  man  will  hier  die  kleinsten  Kleinigkeiten 
vollständig  aufgezählt  haben.  Alle  Parteien  scheinen  darüber 
einig  zu  sein,  dafs  der    Bund-  in  die  inneren  Angelegen- 


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heiteii  der  kaiitonaleii  all «i^enic i ir n  \'olksschiile  nichts  hinein- 
zureden lui'be.  l'nd  eben  deshalb  liätte  man  mit  der  \'<)rlaj»e 
des  Ilerni  Schenk  zufrieden  sein  sollen:  sie  faNt  thatsäch- 
licli  iitn  die  änlseren  l>edin.mii!i;en  eines  j^eilejldieiien  l  nU  r- 
richt>  ins  Ani^e.')  Die  Melnlieit  der  T^ehrerschaft  war  /n- 
frieden,  mit  allem  die  Ireiwillige  Sehulsynude  des  Kts. 
ßasclstadt  (der  sämtliche  Lehrer  angehören)  nicht  mit  allein. 
Sie  kam  (Nov.  1893)  ^^^^  vor  fünf  Jahren  geäufserte  — 
meines  Krachtens  richtige  -  Meinung  ;<urück,  indem  sie  das 
lu  ;i<.  bnis  ihrer  Verhandlung  über  den  (»esetzesentwurf  in  dem 
Satze  zusammen fafste:  Die  Schulsynode  begrütst  die  Alisicht 
des  Rundes,  die  schweizerische  Volksschule  finanziell  zu 
unterstützen;  sie  wünscht  jedocli,  dafs  die  Hundesunter- 
stützungeu  in  erster  Linie  und  in  a  u  s  r  e  i  c  h  e  n  d  em  Mafse 
denjenigen  Landesteilen  verabreicht  werden,  die  aus  eigenen 
Mitteln  nicht  im  Stande  sind,  für  genügenden  I-^niarnuter- 
richt  zu  sorgen  .  Gemeint  sind  vorzugsweise  die  dünn  be- 
völkerten (Tebirgsgegenden,  die  armen  Alpengemeinden. 

Und  in  eben  diesen  Landschaften  wurde  das  \'olk  zu 
einem  I^entezuj;  ^)  gegen  die  P.tuideskasst  luifijernfen I  An 
die  Bundeshehördeu  gelangte  ein  Volksbegehren  des  In- 
halts: 'Der  Hund  hat  den  Kantonen  vom  ( iesanitbetrag  der 
Zölle  [daher  auch:  Zollinitiative  ]  alljährlich  2  IV.  per  Kopf 
nach  Malsgabe  der  durch  die  jeweilige  letzte  eidgenössische 
Volkszahlung  ermittelten  Wohnbevölkerung  zu  verabfolgen. 
Diese  Wrfassungsbestiinniiuig  tritt  zum  ersten  Mal  in  Wirk- 
samkeit für  das  Jahr  1895'.  Die  Initianten*  standen  selbst- 
verständlich im  konservativ-iesiii tischen  Lager,  Allerdings 
erklärten  sie  die  K:intone  pt'lichii^,  eine  der  H  iU'tc  dieser 
Hinnahme  minde.sLcns  gleich  konnumdr  vSiiunnc  alli.'ilirlich 
für  das  Primarschul-  und  Armen wesen  zu  verwenden  .  Dieser 
Satz  sagt  nun  manches  nicht,  von  dem  wohl  viele  glaubten, 
er  sage  es.  Einmal  sagt  er  ganz  und  gar  nicht,  dafs  diese 
»Hälfte*  aus  dem  Zollgeld  genommen  werden  müsse;  er  ver- 
pflichtet nur  im  allgemeinen  die  Kantone,  dafs  .sie  ^eine  der 

M  Ks  siebt  wohl  Leute,  welche  bedanerti.  dafs  es  der  hohen  eid- 

l^enössischon  Schulhchördi;  v^rsuj^'^t  l)lvibtMi  soll,  das  ncihj;^  und 
^Ulerheihjfste  der  \'olksschnlf  /u  lietreteii.  Allein  es  ist  sicher;  so- 
bald sie  Miene  jj^eiuadit  liätte.  den  ersten  Schritt  in  jene  inneren 
Rfitinie  /u  thun.  wäre  ihr  auch  der  X'orhof.  und  34. ir  nicht  höflich, 
vcrsrhlossen  worden,  l'brijj^cns  dart  man  sich  tr<'»st'n  M<it  einem 
blicke  auf  den  (iang  unserer  Kuljlur-  und  Sitlen>;csthii.iite  DicKnl- 
\\*icklung  ist  überall  und  immer  den  alten,  uns  l*ädagogen  wühl  be- 
kannten \Vc}.j  gewandelt:  vomÄufoeren  zum  Inneren,  vom  Leichteren 
zum  Schwerereu. 

*)  Den  treffendeti  Namen  rauch  den  Westschweizem  jfefiel  er: 
sie  Helsen  ihn  unühersct/.t.  sprachen  also  von  le  Beutezug«)  hat  einer 
der  Führer  selber  erfunden. 


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254 


Rudolf  Uii  irlrh. 


Hälfte  (k'S  Zolljj^cUlcs  t^kicbknniiiK'iulc  Smmiic  usw.  Tiul 
zum  aiulern  ist  niclit  gcsa^;!,  <lals  die  früheren  Ansurabeii  für 
Schul-  und  Armenvvesen  um  die  Züllgclderhidlie  vermehrt 
werden  sollen.  --  Die  Initiative')  wurde  am  4.  November 
1894  mit  347  OCX)  j^e^^en  145000  Stimmen  verworfen  -  zur 
gröfsten  Freude  der  Lehrerscliaft.  Mufste  sie  doch  um  die 
von  Herrn  Schenk  in  Aussicht  j^euonimenen  sechs  Millionen* 
fünftel  besorgt  sein ! 

Sie  hatte  vorher  (i.  ;v  Juli  1894)  in  Züficli  iliren 
schweizerischen  Lelnertaj^  j^ehabt.  Da  war  natürlicli  auch 
über  Huiul  und  Schule  verhandelt  worden.  Auf  die  Tnler- 
stüt/ungsfrage  lialie  der  erste  Referent,  der  liaseler  Schul- 
inspektor Largiader  die  Antwort  «gegeben :  Sind  ungenügende 
Leistungen  der  Primarschulen  d nrch  unzureichende  Mittel 
der  betreffenden  Kantone  verschuldet,  so  hat  der  Hund  das 
Recht  und  die  Pflicht^  solche  Kantone  behufs  Hebung  ihres 
Priniarschulwesens  finanziell  /n  uiitiTstützen  .  Der  x\\t'ite 
Referent.  Professor  (  »avard-l ienl,  tügte  diesem  vSaUx  hiii/u  : 
•AufserdeiH  >11  der  Hr.iid,  mit  Rücksicht  auf  da>  \\*a('h>eH 
der  wirt.sehaltliehen  untl  ge.sellschailiicheu  HedüriuLsse,  allen 
Kautonen  l^nterstützungen  gewähren;  mittelst  dieser  ist  vor 
allem  zu  sorgen  für  Besserstellung  der  Lehrer,  unentgeltliche 
Abgabe  der  Lehrmittel  an  die  vSchüler,  und  für  körperliches 
und  sittliches  Wohlbefinden  der  Kinder  armer  b'ltc  rn  während 
tler  obli<4atori. scheu  St  linlzeit  .  Die  Melirlu  ii  al «er  wollte  von 
neuen  \'nrschlät;^e!i  libi  rlirmj^t  nicht'^  iiu  lu  wissen;  sie  hielt 
für  das  erreiehbai  JlcsU,  was  der  Sehenksche  Ivntwurl  ver- 
sprach. Demgemäfs  wurde  auf  Antraj^  do  I»eruer  Sehul- 
inspektors  Weingart  der  Jjeschlufs  gefafst:  Der  Lehrertag 
begrüfst  und  unterstützt  das  Programm  Schenk  und  erwartet 
zutraiiensvoU  von  den  eidgenössische»  Katen  und  dem 
Schweizervolk,  dafs  die  für  das  Gedeihen  des  schweizerischen 
Volksschulwesens  dringend  gewtndi  tie  Frage  der  finanziellen 
l'^nterstüt/uni;  du  VolkssclniUti  durch  den  Hund  mit  allem 
Nachdruck  gefordert  und  zum  guten  Kude   geführt  werde  . 

Kin  fdinlich  kurzer,  allgemeiner  Iksclilufs  wurde  auf  der 
Versammlung  der  >S«/V'//  iH'i/ni/mji'iiu  rauihit^c"  16.  Juli  1S94 
in  Lausanne)  beantragt,  aber  verworfen.  "Man  zog  folgende 
.Resolution-  vor:  Die  waatländischen  I^ehrer  wünschen 
Bimdestniterstütznng  der  \ Olksschule;  doch  soll  den  Kan- 
tonen die  lA'itung  und  WrwaUnni:  des  Primarun terrichts 
veibleÜKn.  Die  (Kldei,  welche  die  Kidgenossenschaft  nach 
ihrem  lume.ssen  verteilt»  haben  die  Kantone  ui  ver^venden 

'1  \\\mhi  ein  \'()lksbcj;clir<.  n  ^oooo  uüHi^c-  riitt-rst  hriflen  von 
»Schwciztrbür^trn  aufjfehr.iclit.  nuiis  es  tleiu  \  t»lke  zur  Abstimmung 
vorgelebt  w  rdcn. 


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Kdiwi>i/rriiM-lu-a  V«»lk»Mebiitw<Hina, 


für:  HcbmiLT  der  Lclirtrbilcl  1111  W-riiichrnu^  dcrScliulen 
(vSclnilahteiluiij^fn)  \*crbe.sseruiii^  dir  Scliul}4;clKn!dt" 
Turidialleii.  Tiiriiplai/t'  und  vorscliriilsmal.sij^c  ( rt- staltuiij^  des 
TnrnuuLcirichts  ül)erlunipt  —  Wrbessermij^  dt-r  soxialcn 
Stellung  der  Lehrer,  iin  besonderen  Hrliöliiui*;  der  Ruhege- 
hälter -  Ausbreitung  des  HandärbeitsuiiterriclUS'. 

Ebenfalts  noch  vor  der  Abstimmung  über  die  Zoll- 
initiative  ,  im  Oktober  1S94  äufserten  die  Orthodoxen  imd 
Konservativen  flcs  }{vani;t.lischeuSchulvereins  ihre  Meinung*; 
Sprtclier  war  J.  Jols,  kumcktor  atn  Evani^clisduii  lAlner- 
seniinar  in  liern.  Hioe  Herren  weisen  nalurliih  du  Sul)- 
venti*)n  dt-r  \'<>lks>chnle  (hirch  den  Bund  /.urück,  iust»lern 
mit  derselben  eine  lünniibciuuig  des  Unndes  in  das  Priniar- 
schulwesen  der  Kantone  verbunden  werden  will'  ;  sie  ver- 
langen beding nngslüse  Spenden.  Oder,  wenn  der  Bund  dazu 
sich  nicht  verstehen  will,  s<>  soll  c-r  die  körperliche  Aus- 
bildung der  männlichen  Jugend  im  Interesse  der  künftigen 
W'elirhaftigkeil  ganz  :nif  seine  Rechnung  nehmen.  Der 
P>nnd  errielite  nicht  nur  \Vatknplät/e  und  Kasernen  für  die 
t^  i.Liciilliclien  Soldaten,  sonflern  in  jeder  t  h  tsciiaft  einen  zweck- 
mäfsigen  Turnplatz  mit  j>raklischen  (ieräten  und  schützen- 
dem Turnraum  für  die  schlechte  Jahreszeit  Kr  sorge  für 
tüchtige  turnerische  Ausbildtmg  der  Lehrer  und  honoriere 
dann  auch  die  daherige  (1)  Arbeit  derselben.  Das  wird  den 
meisten  Lehrern  eine  sehr  willkoinmene  Hesoldungszulage 
sein.  Körperliche  CVewandtheil  un<l  Tüchtigkeit  würden  zu 
lehren  konnnen.  militärischer  Sinn  früh  die  Jugend  erfassen. 
Das  wäre  ein  Punkt,  wo  die  ICidgenossenscliaft  mit  ihren 
(kl  Schule  zugedachten  vSnbsidien  eingrtittn  krtniilc.  ohne 
ilal.s kullurkämplerische  l'bergriffe beiiucliui  werden  müfsten  . 
Zudem  wäre  die  hier  anfg:steUte  Forderung  die  einzige«  die 
sich  gesetzlich  begründen  liefe  (wie  wir  S.  241  nachgewiesen). 

Diesen  Ausführungen  schlofs  sich  die  Hildungskoni- 
mission  der  vSchweizerischeu  ( icmeinnützigen  ( testfllschaft* 
an,  welche  im  Noxembcr  iSi)4  die  rnlerstützungsfrage  zwt  i- 
nud  grünillich  bt'S])rochen. M  Al)er  es  müfsic  jedenfalls  nicht 
blols  da>  Schnllnrni  n.  ^'-nflcrn  die  \«»n  der  Schule  ül)erhani>t 
zu  betreibe Hilc  Ktnpcnibar.g  (Schulspiele)  der  Au.smessung 
der  Subvention  zu  Ii  runde  gelegt  und  überhaupt  der  Lehr- 
plan so  weit  gefafst  werden,  dafs  er  die  verschiedenen  Be- 
dürfnisse der  lievölkerung  in  den  Ilergen  inid  Tliälern  be- 

')  I).-;  (lif.sLf  K(»inniissi( Ml  erfalircnc  tnid  uaachlcK  Männer  — 
PaUa^o^jeii.  Thi  i»l«jgcu.  \  crw .iliun;is'  c.\inK-  —  ani:eli(>r<.n.  die  auch 
als  Vertreter  verschiedener  |M)liliselier  und  pada-o^ist  Kichtunjfeii 
und  Seliidt  Ii  j^elten.  so  durften  die  ]*Ir|rtit misse  ihrer  Verhandlungen 
hcsoiKlerc  Beaehlung  venlicnen. 


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256 


frietlijjen  könnte  .  Ferner  wünschte  die  Kommission  - 
sollte  der  I^nnd  für  j^esnnde  l^riiährnn«^  armer  Schnikinder, 
für  X'crniehrungf  der  Ferienkolonien  nnd  älmliclier  Veran- 
staltnngen  sorgen  nnd  sicli  der  nichl  vollsinnigen  Kinder 
annehmen.  Auch  die  LehnnitteUieferuug,  die  vielen  so  sehr 
am  Herzen  liegt,  wurde  erörtert.  Der  Bund  dürfe  nicht  als 
Erzeuger  oder  Herausgeber  von  Lehrmitteln  auftreten ;  denn 
damit  -  behauptete  ein  Mitglied  würde  ein  Monopol 
für  Kundesklirmittel  geschaffen,  das  ebensowohl  bei  dem 
Wetteifer  der  interessierten  Faclnnänner  von  fraglichem 
Werte  (?K  teilweise  aucli  nndnrchlührbar  wäre,  wie  es  anderer- 
seits jede  Konkurren/  ersti^^ken  würde*.  Anders  verhalte  es 
sich  mit  den  sog.  Schulmaterialien.  Einstimmig  sprach 
man  sich  dafür  aas,  dafs  ein  Bundesbeitrag  die  ^kantonalen 
Depdts«  in  den  Stand  setzen  sollte,  jene  «Materialien«  »an 
ärmere  Kinder«^  unentgeltlich  abzugeben.  Hin  stimmig  wurden 
.schlief-slich  zwei  Sätze  von  grofserer  Wichtigkeit  angenommen: 
Im  Interesse  einer  <^^esnndeTi  Kiitwicklnii«^  der  Verhältnisse 
und  einer  rationellen  Verwendung  der  Hnndesbeiträge  ist  es 
richtiger,  den  Kantonen  für  ihr  Subvcntionsbedürfnis  die 
Auswahl  zwischen  verschiedenen  Punkten  zu  lassen,  als  die 
Subvention  nur  auf  ein  Einzelgebiet  zu  beschränken«  — 
und  endlich:  ^Eine  direkte  eidgenössische  Kontrole,  soweit 
sie  nicht  gesetzlich  bereits  gegeben  ist  (wie  für  den  Turn- 
unterricht) erscheint  nicht  notwendig.  Soweit  Mifsbrauch  der 
Hundesgelder  seitens  der  Kantone  denkbar  wäre,  liättcn  ja, 
wie  auf  allen  GebiciLiu  dii  eidgenossischen  Behörden  das 
Recht,  eine  Spezialuntersuchung  einzuleiten 

Damit  sind  die  Meinungsäufserungen  erschöpft,  und  ge- 
schehen ist  seitdem  nicht  viel.  —  Die  Lehrerschaft  der  Volks- 

')  H au ptrcf ereilt  war  der  bekannte  Zilleriancr  Tli.  Wiget  (jitzt 
Direktor  der  sog.  Kantotisschule  in  Tru;;Ln,  Appeuücll-Aui.sci  rhmlca». 
Kr  erklärt«  am  Schlüsse:  Der  Bund  mö^c  T.eld  für  diellebunjr  der 
Krziehun'g'  spenden,  je  mehr  desto  HclK-r:  iIht  es  nnifs  olnie  Hin- 
schränkuiig  der  kantonalen  lndi\ idualität  und  Souveränität  geschehen, 
und  es  dürfen  keine  höheren  Interessen  durch  die  Ziileituus'  solcher 
S]Kndeii  für  die  Schule  jj^eschädig^t  werden  Das  aber  würde  ge- 
schehen, weuu  uicht  in  erster  Linie  die  Hilfe  auf  Hebung  der  An- 
stalten für  unmittelbare  Charakterbildung  konzentriert  -würde,  für  die 
Hebung  der  Familie  und  eines  gesunden  Familienlebens  (?  Hebung 
eines  gesunden  Familienlebens  ■*! :  inittcniar  wird  (UrC.cwiim  davon 
auch  der  Schule  zugute  kommen.  In  ursttr  Linie  koninil  der  Auf- 
wand für  den  sozialen  Porlschritt,  und  erst  in  /weiter  für  die  Schule. 
Und  auch  hier  xoruelindich  für  die  soziale  Seite  dcr<t_lbcn  Also 
nächstes  Ziel :     Hebung  der  l'amilic  gesundes  Familienleben». 

Dieselbe  Fordening.  die  Htlty  schon  1893  in  seinem  Politischen  Jahr- 
buch ausgesprochen.  Wenn  nur  dns  Wie  in\lit  uar  so  schwierig 
wäre!  Darum  vielleicht  verzichten  Hilty  und  Wiget  darauf,  die 
Mittel  und  \\  oge  zur  Verwirklichung  jener  Forderung  anzugeben. 


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257 


schule  beharrl  auf  ihrem  alten  Standpiinktt'.  Am  14.  März  1895 
tagte,  wieder  in  Ölten  wie  vor  drei  Jahren,  eine  interkan- 
tonale Wrsanimlnng,  an  der  über  2on  1. ehrer  und  Freunde 
der  schweizerischen  'Volksschule  teilnahmen.  Das  Kr<^^cbnis 
war  eine  an  den  I'undesrat  und  an  sämtliche  Mitglieder  der 
Bundesversammlung  gerichlele  Zuschnii,  ui  welcher  erklärt 
'wird :  man  »erwarte  mit  Vertrauen,  aber  auch  mit  Zuversicht, 
die  hohe  Bundesversammhing  werde  in  definitiver  Erledigung 
der  bezüglichen  Motion  des  Herrn  Nationalrat  Curti  der 
schweizerischen  Volksschule  die  zu  ihrer  Entwicklung  dringend 
notwendijjje  finnp'irl't  T'^nterstützunir  luf  nmudlage  des  von 
Herrn  Br.ndesrat  Schenk  im  Jahre  1893  ausgearbeiteten  Oe- 
setzesvorsclila^^s  ohne  weitere  Verzögerung  bewilligen  .  - 
Bald  darnach  hat  Herr  Schenk  den  Mitgliedern  des  Bundes- 
rats einen  neuen  Entwurf  unterbreitet.  In  diesem  ist  die 
wichtige  Bestimmung,  welche  eidgenössische  Aufsicht 
über  die  Verwendung  der  lUmdesbeiträge  vorsieht,  fallen 
gelassen;  im  übrigen  scheint  er  dem  alten  gleich  zu  sein. 
Durch  jenen  Verzicht  sind  seine  Aussichten  auf  Annahme 
u'ohl  crünstiger  c^e  orden.  Dafs  aber  die  Bundesversannn- 
luii;^  in  nächster  Zeit  über  Um  seihaudcln  werde,  ist  nicht 
wahrscheinlich.  Der  Zentralansschufs  des  Schw.  Lehrer- 
vereins hofft  es  aber;  deshalb  und  aus  allgemein-politischen 
Rücksichten  hat  er  einen  Antrag  der  Stürmer  und  Dränger 
unter  der  Lehrerschaft  (nämlich  der  Bemer):  den  Entscheid 
mittelst  des  > Volksbegehrens«  zu  erzwingen,  abgelehnt  (Fe- 
bruar 1896). 

Hin  Rückbhck  auf  die  Bestrebungen,  deren  Geschichte 
ich  hier  ausführlich  erzählt,  findet,  dafs  sie,  die  Bestrebungen 
an  sich  —  ohne  Rücksicht  auf  den  Erfolg  —  vom  Schicksal 
nicht  begünstigt  gewesen.  Vielleicht  weil  man  gewisser- 
mafsen  von  hinten  angefangen  xmd  über  die  Schwierigkeit 
des  (iclingens  sich  getäuscht.  Wenn  man  erst  die  ver- 
schiedenen l-*arteien  und  \*nlksi:iruppen  um  ihre  Meinun«^ 
gefrai^t,  ilirt-  Änfserungen  und  dii  thatsächlichen  N'erhältnisse 
kühl  und  olmc  \'oreingenonuiK uheit  erwofrt>n,  unpassende 
Vergleiche,  nnnüti^^e  Erörteruntren  beiseite  gela.ssen,  nur 
einen  bescheidenen  Erfolg  ins  Au^^e  gefafst  hatte:  so  wiirde 
man  wohl  auf  einen  glücklichen,  überzeugenden,  gewinnen- 
den Vorschlag  gekommen  sein.  Was  mehrere  Kantone 
und  Parteien  scheuen  und  verwerfen,  ist  jede  gleichviel  wie 
geartete  rechtliche  lunmischung  (ks  Ihnulos  ,  d.  h.  irgend 
eines  Bnn<1t.->  be  a  m  t  e  n  :  man  will  keine  cid i^tiir>ssische  Auf- 
sicht ül)er  die  X'erwendnng  der  Bundesgeldti,  keine  Bundes- 


25« 


Ituiluir  IHrtrivb. 


Vorschriften  n.  clj^l.  Al)er  die  lud«»;eii< 'sscnsdiaft  könnte  doch 
das  l*r  i  ni  a  r-lK  i  !i  d  <*  r-lsclinhvesen  der  kaninru-  t'ür  dieses 
soll  ja  uacli  dem  \\  luiselie  der  Mehrheit  innter  den  l^ehreni 
tuld  Natioualrätenl  zunächst  gesorgt  werden  -  -  sehr  wohl 
mit  Bundesgeldern  unterstützen,  ohne  die  Verwendung:  be- 
aufsichtigen, oder  über  diese  von  den  Kantonsbeh  ndeii 
Rechenschaft  fordern»  oder  gar  auf  das  \on  einer  Seite 
eni])fohlene,  sehr  unangenehme  Mittel  der  Spezialunler- 
siudinng  (im  Falle  eines  Mif^hrnuchs  )  sich  verlassen  /u 
müssen.'  Sie  brauchte  ja  mir  die  Crelder  weder  den  Kauions»- 
noch  den  ( iemeindehehöi<len  /.u  überantw  orten  I 

Ich  denke  au  die  vier  z.  Z.  wichtigsten  Aufgaben  (im 
Ciebiete  des  Änfsereu'  ):  i.  Der  Bund  baut  und  verbessert 
Schnlhäuser  und  Schulwege  (die  nötigen  Arbeitsverträge 
schlielst  das  Departement  des  Innern  selbst  al).  nur  vielleicht 
\ertretcn  durch  \'ertranensni"niner).  2.  Kr  steuert  zur  Kr- 
uährung  und  Hekleidung  aniu  r  Scliulkinder  bei  (die  ( )rts- 
\ereiue  erhalten  die  (xelder  entweder  unmittelbar  aus  der 
Buntieskasse,  oder  durch  \'ermittelung  der  Scluv.  (remein- 
nütz.  Ciesellschaft).  3.  Hv  zahlt  an  die  Lehrer,  an  sie  selbst 
üesoldungsznlagen  (nach  detn  Grundsatze,  dafs  jeder  Lehrer 
aufser  freier  Wohnung  wenigstens  I20ü  Kr.  Jahresgehalt  be- 
ziehen sollte  I  oder  ennögliclit  die  Anstellung  neuer  Lehrer. 
4.  Kr  zahlt  Heitrage  an  die  Ruhegehalte  der  lA'hrer.  ( )b 
alle  Kautone  bedacht  werden  können,  das  häii;^t  \  on  der 
Höhe  des  verfügbrirt  n  1  iesauitbetrags  ab.  I*'ürs  ei>lc  mfüsten 
wohl  mehrere  K.iulone  -  wenigstens  Iki.selsiadt,  (ienf. 
Neuenburg,  Waat,  Zürich,  Schafihausen,  Thurgau  -  auf  die 
Hundesspende  verzichten.  Trotz  dieser  Ansschliefsung  würde 
die  von  Bundesrat  Schenk  vorgeschlagene  Sunnne  —  1^/5 
Million  —  bei  weitem  nicht  genügen;  es  wären  mindestens 
3  Millionen  mis/usetzen,  und  zwar  im  einzelnen  für  jene  vier 
Aufgaben :  ,  -f-  \..-\-  i  +  \' ,  =  3.  Die  Kantnue  nach 
dem  Schenksciun  Muster  in  Klassen  zu  gliedern  und 
danach  ihre  AuLeile  /u  berechnen,  also  von  voridierein  fest- 
zulegen, empliehlt  sieh  wohl  nicht.  Sondern  die  Anteile 
wären  alljährlich  nach  der  Dringlichkeit  des  Bedürfnisses 
auf  (innid  sorgfältiger  Erwägung  und  Vcrgleichung  zu  be- 
stimme 11.  .Als  Tuterlagen  hätu  n  lie  Gutachten«  Vor-  und 
Anschläge  zu  dienen,  welche  die  Kantousbehördeii,  Lehrer- 
vereine  un<l  t^^emeiunützigeu  ( iesellschafteii  ilem  eidge- 
nössischen J  >eparteuicnt  des  hineru  auf  dessen  Einladung 
hin  einreichen. 

Ich  sage  nicht,  der  lJund  soll  die  bezeichneten  Aui- 
gaben  lösen;  ich  mochte  nur  zeigen,  dafs  und  wie  er  dem 
Kinderschulwesen  auflielfen  könnte^  ohne  weder  den  Kan- 


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tonen  noch  den  Kiidien  noch  den  I'arteien  /.n  nahe  /a\  treten 
ni)cli  bei   sicli  selbst   die  Pflicht    des   Junten  Haushalters 
und  (Vw  Khre  der  höclkslen  Behörde  zu  verletzen  uder  ver- 
letzt n  zu  lassen. 

In  dem  iiiehrjähn^<;ii  Streite  um  die  lUuidesnnterstntzung 

ist  nnch  viel  von  der  schweizerischen  \'(jlk  ssch  nie 
als  dem  letzten  Ziele  die  Rede  jtjewesen.  Der  IJund  hat 
verlanirt  der  aiii;cschcii>ii.  unter  den  demokratischen  Schul- 
niiinnei  u  ^Maduat,  vorher  ilrziehiui^ssekrelär  ( irob  in  Zürich)  'l 
-  -  das  Mafs  alli^cnieiner  Volksschulbildung  in  der  Schweiz 
zu  bestimmen,  welches  überall  zu  erreichen  ist,  wo  Anspruch 
auf  Huudeshülte  erhoben  werden  will.  Kin  Gesetz  wird  in 
iiezichnnj;  auf  das  ( >bH)4at<)r'"inn,  die  l'nentj^cltlichkeit  imd 
die  Weltliciikeit  der  X'olksschnle  \'orschriften  aufstellen,  und 
der  Bund  wird  darüber  wachen,  dals  sie  befül;»^t  werden  . 
Hinter  solchen  Hei^ehren  die  auf  I'>füllunj4  allerdinj^s  erst 
in  ferner  Zukunft  rechnen  dürfen,  auch  nicht  bestimmt  j^e- 
nu^  j^efafst  sind  wittern  die  Ultraniontanen  und  Vöi- 
deralisten  die  Absicht  auf  weitgehende  Gleichmacherei. 
Aber-  die  Kinsichtigen  können  diese  Absicht  jjar  nicht 
hegen,  schon  deshalb  nicht,  weil  sie  den  grofsen  Tuterschied 
zwischen  germanischem  und  romanischem  Wesen  kennen. 
In  der  Sclnde  der  welschen  Schweiz  wird  immer  ein  wc^eiU- 
lich  anderer  (icist  leben  als  in  der  Schule  <ler  deutsclien 
Schwei/,  l'nd  weiter  fallen  die  kirchlichen  oder  religiösen 
Gegensätze,  die  landschaftlichen  und  wirtschaftlichen  Mannig- 
faltigkeiten schwer  ins  (lewicht.  Übrigens  darf  man  es  mit 
dem  Ausdruck  -schweizerische  Volksschule«  nicht  so 
genau  nehmen.  HiU\  z,  K  meint  in  seineu  Grundgedanken* 
nicht  eine  gemein-schweizerische,  sondern  eine  deutsch- 
schweizerische iMziehung.-'l  l'nd  so  werden  manche  nocli, 
weni!  tucli  uiibewulst  oder  wider  Willen,  den  Begriff  ein- 
schränken. 

Tiid  doch  kann  man  jetzt  schon  von  schweizeri.sclur 
Volksschule  als  solcher  sprechen.  Kine  gewisse  (Jleichheil 
besteht;  drei  wesentliche  Merkmale  sind  sämtlichen  kan- 
tonalen Volksschulen  zugeeignet  worden.  Xacli  Art  49  tkr 
Bundesverfassung  darf  niemand  zur  Teilnahme  an  reli- 

')  In  tlcui  cin^an^.s  crwähnU-ii  Auf.saU  Die  scliwci/ATibclic  \  olks- 
.schulc  . 

■i  ]\r  stellt  u   a.  «lern    fraii/* »siechen     tias    (kutsche  HiUIuiijiS 
ideal  j.je^^'^enüber.  und  dieses  ist  seni    .schwei/.erisches  .  das  aller- 
dings ein  genicin-schweizeri.sehes  sehr  wohl  werden  kauu. 


26o 


giö.sem  (k  i  r c h  Ucheiu)  rnter rieht  *;ezwu  !i«»  c  n  wckU  ii; 
(lern  \'atcr  oder  seinem  Rechtsnaelifol^eri  stein  es  frei,  tlas 
Kind  in   enien  K' Ii /ioiisunterriclil   /.u  schicken   oder  nicht. 

-  -  Das  andere  vSmek  < '.leichheit  hat  die  Hesliunniini^^  des 
Art  27  bewirkt :  Der  rrinianiiiterrieht  ist  in  den  üftciillielien 
Schulen  unentgeltlich.  Also  Schulgeldfreiheit  lu  diesem 
beschränkten  Sinne  ist  der  Begriff  unentgeltlich  %u  nehmen. 
Allerdings  lantet  die  Bestimmung  allgemein,  sodafs  man 
daraus  schHefsen  k<"»iniu,  die  Eltern  sollen  auch  von  allen 
andern  Schulans<>;-a1)eii  hefieit  sein.  Und  dieser  vSchlnfs  ist 
thatsächlicli  «^ezo^^eii.  oder  doch  die  idealere  .AuftaN-^nn-^ 
jener  HesliniinuiiL;  in  .Vrt.  27       wie  Huher  sich  ausdruckt 

—  vielfach  erörtert  worden.  Seit  Jalncu  ijildel  die  Frage 
der  Uneiitgeltlichkeit  der  Lehrmittel  und  Schuhnaterialien 
ein  ständiges  Traktandum  in  den  Ratssälen  und  in  der  Presse. 
In  Kantoneii,  wo  man  sich  ihr  ge*»;enüber  vor  einem  Jahr- 
zehnt noch  kühl  verhalten  hatte,  hat  sie  siej^reichen  Ivinzug 
j^ehalten  .  In  welclieni  Ij'chte  eine  jj^rofse  Partei  das  »Streben 
nach  jener  Unentj^elllielikeit  sieht,  nnd  welchen  Wert  sie 
dieser  selbst  beilei^t,  erhellt  ans  den  weiteren  liemerknni^en 
Hubers:  Ks  ist  ein  guter  Geist,  der  sich  im  Lande  bemerk- 
bar macht  Daraus  erklären  sich  auch  seine  Erfol^^e.  Diese 
Bewegung  auf  sozialem  und  pädajrojrischeni  Gebiete  wird 
sobald  nicht  zur  Ruhe  kommen;  denn  sie  hat  ihre  tiefinnere 
ideale  Hej^ründuni^ :  es  ist  der  Gedanke  der  sozialen  Gerech- 
tij^keit  nnd  Billigkeit  der  Xächslenliebe.  Mit  elementarer 
CTCwalt  hnt  er  sieh  f '» Itnng  verscliatfl.  Grofse  Ideen  lassen 
sich  nicht  eindämmen,  l'nd  der  Gedanke  der  Unentgeltlich- 
keit  des  Scliulmaterials  für  alle  mnfs  gewifs  als  eine  solche 
erscheinen,  denn  durch  ihre  Realisierung  ist  ein  Teil  der 
sozialen  Frage  —  wenn  auch  in  bescheidenem  Rahmen  — 
gelöst  .  Huber  findet  es  also  der  Sache  angemessen,  *den 
vollsten  Ton  anzustimmen,  als  ob  er  nm  dem  Höchsten, 
was  Menschenherz  erhebt'  ,  sän^e:  L'nd  schlielslich  wün.scht 
er  der  Unenl.i^eltlichkeit  von  Herzen,  dafs  sie  ihren  Sie<i^es- 
zng  durchs  Land  nni^ahindert  vollende-.  l>is  jetzt  hat  sie 
in  15  Kantonen  ganz  oder  teilweise  jij^esiej^t' :  die  Kantone 
Glarus,  Solothurn,  Baselstadt,  Baselland,  Waat,  Neuenburg, 
Genf  liefern  ihren  Primarsch ülern  die  ^Lehrmittel  und  SchnU 
materialien  ,  Zuj;  und  St  Gallen  nur  die  'Lehnnittel«  um- 
sonst In  den  Kantonen  Zürich,  Appenzell-Aufserrhoden  nnd 
Thnrgan  leistet  der  Staat  denjenioen  Gemeinden,  welche  die 
T '  nentj^altlichkeit  eintiiliren,  Ikiträufe  an  die  Kosten,  während 
einige  hier  ebenfalls  anzufülirende  Geuieiuden  der  Kantone 


')  Jahrbuch  iSyi  :    Die  rnciiLgelllichkeit  usw. 


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Srliw<*M)'rl!>«'ki>i«  Vi>JJii.r.rliiiI« mich. 


Bern,  Ludern  und  Aar<jaii  vom  vStaate  nichts  erhalten.  Tni 
ganzen  IkukKIi  es  sicli  uni  etwa  der  sch\vei/.i  ri>clien 
Primarschiilci.  Die  Aiisgaben  für  sänitliehe  vSchiilei  (nahezu 
Million)  würden  naeh  Hnbers  Reehnung  i'/,  Million  Hr. 
betragen. 

ITin  möglich  billige  Lehnnittel  zti  beschaffen»  haben 
mehrere  Kantone  (Solothurn,  Baselstadt,  Baselland,  St  Gallen, 
Thiirgau)  Verträge  mit  Buchhandlungen  abgeschlossen,  an- 
dere dagegen  (Freiburg,  /n<^,  Appenzell- An fscrrh.,  Nenen- 
burg)  ein  Lehrmittel-Depot  errichtet  und  drei  iZiirich,  Crau- 
bünden,  liern)  den  Staal^\  crlas^  eingeführt.  In  Zürich  besteht 
die.ser  .schon  .seit  1851,  in  Bern  er.st  seit  1894.  Der  zürcheri.sche 
Erdehungssekretar  Huber  ist,  wie  sein  Vorgänger  Grob,  ein 
wanner  Anwalt  des  Staatsverlags.  So  zeigt  er  sich  z.  B.  in 
.seinem  Bericht  über  den  kantonalen  Lehnniu«. Ivt  rla^  im 
Jahre  i<S92  (Amtl.  vSchulb.  d.  Kts.  Z.  i«S93,  IX).  Hier  wird 
zunächst  die  volkswirtschnftliclu  Hedentun«:^  des  Sl.iatsver- 
la'^'s  hcrvorgelioben :  er  h;H  im  Jahre  1802  nicht  weni<;er  als 
41  Jhichbinder  in  Stadt  niid  Land,  dLsi^Icic  hen  eine  zieniliclie 
Anzahl  Druckereien  beschäl tigl.  W'iitt  riiin  preist  Hnber  die 
Güte  der  aus  dein  Staatsverlag  hervui  gegangenen  Lehrmittel 
[die  innere  Güte  ist  aber  weniger  bedeutend,  als  man  fordern 
darf).  Als  Beweis  dafür  müsse  u,  a.  der  Absatz  nach  aufsen, 
die  Zunahme  dieses  Absatzes  gelten.  Der  Staat  habe  es  auch 
leicht,  inhaltlich  gute  Lehrbücher  In  r/nstellen :  er  zähle  genug 
tüchtige  Lehrer,  die  zur  Ausarbeitung  oder  zur  Kritik  heran- 
zuziehen seien.  S»)  lasse  >ich  denn  meint  Huber  schliefs- 
lich  — gegen  den  Staatsverlag  etwas  »Sticldialtiges  niclit  ein- 
wenden, umsoweniger,  als  er  ja  doch  nur  das  Ende  einer 
modernen  Entwicklung  bedeute;  denn  es  wird  nicht  ernst- 
lich angefochten  w  erden  können,  dafs,  wo  Obligatorium  und 
Uncntgeltlichkeit  durchgeführt  sind,  der  Staatsverlag  sich 
gewissermafsen  als  Notwendigkeil  aufdrängt'.  I)a<^egen  war 
in  fler  Schw.  Lehrerzeitun«^  eingewendet  wf>rdeu  :  Wenn  die 
l'uentgellliehkeit  der  Lehrmittel  den  Staat.s\  erlag  im  Celolgc 
hat,  so  wird  das  Lehrmilielwe.sen  ein  au.sschlielslich  kanto- 
nales Ciepräge  erhalten  .  Scheinbar  zwar  widerlegt  Huber 
auch  diese  Behauptung:  indem  er  den  Absatz  zürcherischer 
Lehrmittel  an  andere  Kantone  nachweist.  .\ber  dieser  ist  im 
einzelnen  doch  sehr  gering,  wird  es  wohl  auch  bleiben,  und 
jedenfalls  haben  die  Erzeugnisse  eines  kantonalen  Staatsver- 
lags keinerlei  Aussicht,    schweizerische    zu  werden.  - 

Die  dritte  der  allen  Kantonen  gemeinsamen  Kinrichtuui;eu 
ist  die  pädagogische  Prüfung  der  Rekruten.  Sic  wird 
seit  1875  durch  eidgenössische  Kxperten«  bei  der  Musterung 
im  Herbst  vorgenommen»  und  alle  Stellungspflichiigen  -- 


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l;ii«i»ir  i>i«>irii-ti. 


also  auch  jun^^c  lyelirer,  Stiuleiitcn  irusseii  sich  ilir  unter- 
werfen. Sie  erstreckt  sich  aut  I^esen,  Redl  icii  muiiuUirli  und 
schriftlich),  Vatcrlaiiflskinide  ((ieojji'raplüe,  (iescliichte,  \'er- 
fassunjj:);  vvei  in  mehr  als  einem  Fache  die  Note  5  erhält, 
ist  während  der  Rekrutenzeit  stinu  Besuch  der  Nachschtile 
vci  pflichtet''.  Die  Kosten  tragt  die  Kid^eiiossenschafl;  die 
Ergebnisse  werden  alljährlich  vom  >eidg.-statist  Bureau- 
veröffentlicht.  Diese  Prüfungen  werden  nun  in  der  That  wie 
zur  Schule  i^^ehöriq;  niT^cseheu;  sie  erteilen  jedem  Kanton 
sciiK-n  Raiiq  ,  \\\)vy  den  dann  \  iel  '^esproHu-n  und  gestritten 
wird.  Der  \'rrfasstr  des  Artikels  Schwei/  im  Päda«^. 
Jahresbericht  (Prot.  Hunziker,  Direktor  des  I'esialoz/.ianunis 
in  Zürich)  behandelt  jene  Ergebnisse  mit  einer  Ausländern 
ohne  Zweifel  unverständlichen  Ausführlichkeit  Und  der 
Direktor  der  Berner  »Schulausstellnng*  (Gymnasiallehrer 
Lütln)  urteilt  in  dem  auf  Bundeskosten  für  die  Weltaus- 
stellung in  Chicaj»o  herausgegebenen  Schriftchen  (  Das 
schweizerische  Seliuiwescn  1:  Die  Rekrutenprüfuui^en  übten 
auf  die  Kutwickehnij»  des  schweizerischen  X'olkssclinl wesens 
einen  aulserordeuLlich  günstigen  Kinlluls  aus  .  I)a\on  zeuge 
in  einer  Anzahl  Kantone'  die  strikte  Durcliführung  des 
obligatorischen  Schulbesuchs,  Erhöhung  der  Lehrerbesol- 
dungen (!)  und  Verbesserung  der  Schulaufsicht,  Einführung 
teils  freiwilliger»  teils  obligatorischer  Portbildungsschulen, 
iMufiilirung  der  Vaterl and.sk unde  als  obligatorisches  Unter- 
richtsfach .  Die  R  ekrü  tcn  prüf  uni^cn  bemerkt  Lüthy 
weiter  lial)en  unter  den  Kantonen  und  zwischen  den  Be- 
zirken, unter  1  )eli<")rden  und  ivehrer.seliatl  einen  grofsen  Wett- 
eifer hervorgerufen,  der  für  das  gesamte  Schidwesen  \\.n  den 
glücklichsten  (!)  Folgen  ist.  Es  giebt  auch  eine  grofse  An- 
zahl Jünglinge,  die  sich  ernsthaft  auf  dieses  Examen  vorbe- 
reiten und  so  ihre  Primarschulbildung  \  ertiefen  (?)  und  er- 
gänzen Aber  man  über.schätstt  die  Einrichtung.  Man  be- 
]iaui)tct  sfv^ar:  diese  Prüfungen  setzen  uns  in  den  Stand, 
einen  richtigen  Pj'nblick  in  das  \'oIksschul wesen  der  35 
Kantone  zu  gcwimun  ,  und  in  den  P^rgebnissen  sei  der 
sicherste  Malsstab  zu  erkennen  für  den  Hii<lungsgrad  der 
angehenden  Wehnnänncr  und  damit  auch  für  die  eistttngen 
der  Volksschule  und  die  Höhe  der  Volksbildung'.  Viel 
Täuschimg[  In  13  Kantonen  werden  Dressurkurse  auf  die 
Rekrutenprüfung  abgehalten.  Man  kann  die  Kurse  den 
Prüfungen  aufs  genaueste  anpassen;  es  giebt  genug  Anlei- 
tungen dazu,  l  ud  wenn  dann  die  Zu-  r>der  Abgerichteten 
leidlich  oder  gar  gut  dm  chkomnu  n :  w  u^  will  der  Rang 
besagen,  den  nun  die  Kantone  oder  liezirke  erlialten?!  Dazu 
konnnt,  dafs  jede  Schulprüfung  nur  ein  sehr  vorsiclitiges 


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Urteil  über  die  Kentitnisse  und  Fähigkeiten  des  Geprüften 
znlafst») 


Ob  man  .sicli  nun  luil  dein,  was  ist:  niii  (kii  \(»rlian- 
denen  Kinlieits-  nnd  (ileichheitszeichen  be<4]iügcn  ninfs?  Ge- 
wifs  nicht,  l'nd  vom  •  Kinntischen  -  des  -  Bundes  braucht 
nicht  cimnal  die  Rede  zu  sein.  Pic  Kantone  könnten  sich 
in  sehr  \vicl)ti<;en  Dingen ^)  einigen  ohne  ßnndesgesetz  und 
Hnndcs<^eld. 

Das  erste  zwar  ist  luclils  Wichtiges:  nur  der  X  a  m  c. 
Aber  es  wäre  docli  ;nu  Ii  Ljcin/  hübsch,  wenn  mit  dem  Xanien- 
vielerlei  antiier.inn»t  würde.  Die  überall  obligatorisclie 
Schule  heifst  Volksschule,  oder,  da  die  Oberstufe  nicht  überall, 
und  in  der  rechten  Fonn*)  nirgends  vorhanden  ist,  Kinder- 
schule. Die  Kamen  Primär-,  Klenientar-,  ( Tetneindeschule 
^  aren  zn  tilgen.  Ob  man  die  Kinderschnle  in  zwei  oder  drei 
(  (h  r  überluuiiH  in  Slnfen  gliedert,  ist  nnwesentlich.  Aber 
ntui  gar  noch  für  diese  Stnfen  bes<jndere  Xnnion  !  In  Zürich 
besteht  die  Kiiuh  rschnle  Klemeutar  -  inid  Real  -Schnle 
in  Hasel  sagt  man  dauir  Primär  -  uml  »Seknndar  - 
Schule,  nnd  gewöhnlich  versteht  man  sowohl  unter  IClementar- 
und  Real-,  wie  unter  IMniar-  und  Sekundar-Schulen  zwei 
verschiedene  Schularten!  Also  diese  und  ähnliche  kantonale 
Kigenheiten  wären  prei.szn geben. 

Das  zweite  wäre  das  Ziel  der  \'olks.sclude.  Hilt\  be- 
zeichnet nnd  nmschreibt  es;  ich  brauche  hier  nnr  auf  S.  23S 
znrückznverwei.sesi.  Das  Xene  ist  freilich  nicht  das  Ziel  .seil)st, 
sondern:  dafs  es  anerkannt  nnd  ehrlich  erstrebt,  der  gesamte 
I  nterricht  darnach  eingerichtet  werde.  Tnd  das  sollte  die 
wesentlichste  Kigenheit  der  .schweizerischen  Volksschule  sein. 

Drittens:  ein  .schweizerisches  Lesebuch.  Ks  bietet  An- 
lafs  und  Mittel  zur  l'>kenntnis  sprachlicher  Darstelhings- 
fonnen  •  zum  (rennfs  des  in  der  Sj)rache  niedergelegten 
Schönen  znr  X'ertieftiiig  in  die  Mnttirspr.iche.  d.  i.  in  die 
X'olksseele;  in  das  Dichten  nnd  Trachte  n  iKi  Menselanseele ; 
in  das  bnnte,  blühende  nnd  welkentle,  ewi«^  bewegte  Leben 
dranlsen  nnd  wird  dadnrch  zn  einer  Hanptqnelle  derCie- 
schmacks-,  Gemüts-  und  Charakterbildung.  Mit  Religion' 
und    Realien    hat  das  Lesebuch  nichts,  mit  > (Orthographie^ 

'1  \  i,d.  da/.ii  1  Iiiohe  Aiifserung^cn  Wtttstcins  in  «lein  cin}rniig.s 
erwÜhiitcu    lierichl  . 

*l  Von  denen  ich  hier  nur  in  .\ndculun.s4en  reden  kann. 
I  I>ic  Ilürucisi  huK- .  <lariil>er  später       jjaar  Worte.  Die  Schulen, 
dif  ji  t/t  .ils  <  >lti  Tslnt\-i!    .n  lic  ii  mi'issi  ti  :  ili«.  I  ji^an/tinus  .  Kepclicr-, 
oliliy;,  l't»ill)ilduJijis.schnien  liahcii  wenig  udct  keinen  Weit. 


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264  Kudwtf  ■•iHiicK 

und    Oramnmtik    äiifserst  wenigf  zu  schaffen ;  jede  Leitfädi^;- 

keitsspnr  fclilt  ilini. 

\'iertens  k'MiiUt'  sich  die  schweizcrisclR  \'ulk>schiile  Ha- 
durcli  kfiHi-  und  aii.s/xichnen,  dafs  sie  nur  wirklich  brauch- 
bare, vor  allem  genügciid  grofse  allgeiiieiiie  (Klassen-) 
Lehrmittel  einläfst  —  und  wenn  die  schweizerischen  Er- 
ziehnngsdirektionen  und  Stadtschulrätc  aufserdciii  alle  For- 
derunjren  der  Veranschaulichungssüchtij^en.  Lehnnittelfexe 
und  patriotischen  Spekulanten  req^elmälsi^  abweisen,  so  wur- 
den sie  damit  ein  grofses  \'erdienst  um  die  Pädacfoj^ik  über- 
haupt sich  erwerben  und  weni.L^sleus  den  eiidieiiuischeu  Lehr- 
mittelmarkt  zu  vernünftigem  (Icbaren  zwingen. 

Fünftens;  einheitliche  Lehrerbildung»  aber  nicht  in 
den  alten  fattlen  Formen!  —  Zweierlei  wird  ja  auch  wohl  in 
der  Schweiz  noch  lange  so  bleiben,  wie  es  ist:  dafs  die  Lehrer 
zu  jung  ins  Amt  kommen  —  und  die  knappe  Besoldung. 
Also  heilst  es:  fest  machen  :.^'egen  die  möglichen  Folgen 
dieser    T^bel.  Und   wer  l  aini   denn   in   beiden  .qrofsen 

VViss(.uscliaHs;^cl)icten  zu  Hause  sein.-*  ICntwedcr  (Tcislo-  oder 
Naturwis.^euschaücr.  F^s  ist  klar,  aul  welche  Seile  der  Er- 
zieher gehört  Wir  werden  dann  freilich  weniger  viel- 
seitige'  ,  aber  dafür  einheitlich  tmd  gründlich  gebildete  Lehrer 
haben. 

Eine  Kritik  dieser  X'orschläge  dürfte  zugeben:  sie  lassen 
sich  ausführen  natürlich  bei  gutem  Willen.  Die  Ausgaben 
für  das  Volksschulwesen  werden  nicht  p:e'>tei i^ert,  im  (teiiien- 
teil,  durch  Annahme  des  dritten  niid  \ierleii  \  oischlag>.  ver- 
mindert. Die  sittliche,  bürgerliclie,  wirt^chaltliche  Tüchtig- 
keit des  \'olkes  wird  erhöht  Die  durch  die  verschiedenen 
Boden-  und  Erwerbs  Verhältnisse  bedingten  Einrichtungen 
bleiben  unberührt,  desgleichen  die  Eigentümlichkeiten  der 
drei  oder  vier  Volksgenossenschaften  (v»>n  denen  eben  jede 
das  Lesebuch  in  ihrer  Sprache  erhält).  Nur  die  Kirche  wird 
etliches  einzuwenden  haben:  i^eiren  das  irdische  Ziel,  viel- 
leicht auch  gegen  die  I A-hrerbiUlung.  .Aber  die  Kirche  ist 
nicht  überall  mächtig.  Al-i>  inogca  die  günstig  gestellten 
Kantone  den  Antang  machen  I 

Das  sind,  wie  gesagt,  Dinge,  welche  die  Kantone  unter 
sich  abmachen  köimen.   Der  Eidgenossenschaft  verbleibt 

troi/dem  Tioch  Hrhebliches.  Sie  mufs  das  Volk  zu  gewinnen 
suchen  für  die  sclnvetzerisclu' X'olksschule,  wie  für  die  grofsen 
Aulgaben  der  Pvidgt  ncssetischaft  (vgl.  Hilty)  überhaiipt:  sie 
niufs  die  Sorge  für  die  politische  Schulung  übernehmen. 
Zu  diesem  Zwecke  gründet  oder  unterstützt  sie  Bürger' 


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KcliM«-i7.«ri»ehfii  VolkaicbulwesMk  265 


schulen,  auch  als  Kreisschulen  dort,  wo  sich  wenigstens 
10  Schüler  melden.  Den  Kantonen  bleibt  es  überlassen^  den 
Besuch  einer  Bürgerschule  als  allgemein  verbindlich  zu  er- 
klaren. Der  Bund  unterstützt  jedoch  nur  diejenigen  Anstalten, 

welche  nach  dem  von  ihm  auft^estellten  Plane  unterrichten. 
Kr  trä^t  alle  Kosten  der  allcfcnieinen  Hürj»-erschnleii ;  die 
(fcmeindcn  haben  nur  für  Zimmer  mit  Zubehör  zu  sorgen. 
Kr  ti|-ründel  auch  eine  Anzahl  höherer  Büro^erschulen  (und 
zahlt  an  weitere  Heiträge),  da  solche  die  besten  Bilduugsan- 
stalten  für  Gemeinde'  und  Staatsbeamte  sind.^) 

Den  Bürgerschulen  zur  Seite  stehen  die  Haushalt- 
schulen für  Mädchen,  deren  Förderung  durch  den  Bund 
wenigstens  vom  Ständerat  schon  als  Bundessache  erklärt 
worden  ist.  nämlich  in  dem  Bcriclit  fler  ständerätlichcn  Kom- 
mission, betreuend  die  hauswirtschaltiichc  inid  l^enifliclic 
Ausbilduni^  des  weiblichen  Geschlechts  ( veröiieutlicht  im 
Sehw.  BundcsblaiL  vom  9.  Mai  1895).  Der  volkspädagogische 
Beruf  der  Eidgenossenschaft«^  —  meint  der  Verfasser,  ein 
Konservativer,  imd  offenbar  ein  eigener  Kopf  —  bestehe 
darin :  die  wirtschaftlich  schwächeren  Kxistenzen,  welche 
recht  eigentlich  die  breite  Schicht  des  Volkes  bilden,  mit 
beruflich  lüchlii^en  Waffen  auszurüsten  .  jCianz  dem  Zeit- 
geist entsprechend!]  Sie  hat  diesbc/ÜLilicli  in  wenitjen 
Jahren  /seit  1884)  (irolVts  (geleistet  auf  (Kiii  Gebiete  der 
Landwirtschalt  und  derCiewerbc;  aber  iiir  die  Hauptsache 
hat  die  Eidgenossenschaft  bisher  noch  wenig  oder  nichts 
gethan:  für  die  Wohlfahrt  des  Hauses«^.  Von  den  124 
Schulen  und  Kursen  für  Bildung  des  weiV)lichen  Geschlechts, 
welche  1892  als  in  der  .Schweiz  vorhanden  nachgewiesen 
werden  konnten,  unlei stüt/te  der  Bund  nur  7  Franenarbeits- 
schulen  iiud  3  Abteilungen  au  Gewerbe-  und  anderen  Schulen 

'1  \is  ist  hier  nicht  flcr  Ort  zur  WTÖffcntlichnng  des  vollstän- 
digen Ivntwnrfes.  Nur  Ktlichcs  anmcrknnyfsweise :  \V eniiifstens  drei 
Halbjahre  vor  dem  lüntritl  der  j)<)hlischen  Mündij^keit  (Vollendung 
des  30.  JahrLSi.  Mindestens  4  Sld.  in  <ler  Woelu-  U'  für  Muttersprach- 
kuiiUe  2  für  Bürgerkunde:  t iesellschafts-,  Staats-,  W  rfassutii^s  , 
Rechts  ,  Haus  mul  Volkswirt.schafts-K.).  Kein  Lehr-,  al)er  ein  IlauK- 
und  \  olksbuch.  etwa  2<k>  vSeiten  die  ti nlteniittelten  S(  Inder  erhaltiii 
es  unentgeltlich,  an  andere  und  sonst  an  jeUenuann  winl  es  j;ut  ge- 
bunden für  I  Kr.  al);(e«;-eben.  Stipendien  an  Anne*.  l*nterstützt»ng 
der  l'dtern.  X  ertranensniänner  in  den  Ceineinden  muntern  /um  Me- 
suche  auf.  -  Cbrij^ens  könnten  <lie  Anstalten  jetzt  noch  gar  nicht 
eröffrift  werden,  da  t*s  f.ist  ganz  an  I.ehreni  fehlt.  Die  nötigen  (ieldcr 
anfangs  nur  geringe  Summen  —  würde  das  Volk  ohne  Zweifel 
hewilli^en. 

-)  iJeruflich  ist  hier  hauswiilschaftlich  ;  «lenn  es  handelt 
sicli  wesentlich  um  den  IK'rnf  des  Weihes  als  Hrinsfrau.  Ilans- 
hälterin  u.  dgl. 

Mrae  Bnlinpn  li'SilAfaKluni)  VII.  .V  |S 


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266 


Itttdeir  niAtrich. 


—  )»Hanshaltitng;s--:  und  Fortbildungfsschnlen  erhielten  aus 
der  Hundeskasse  nichts.  Daher  komnits  meint  unser  Be- 
richterstatter — ,  dafs  zur  Zeit  noch  sehr  viel  System-  und 
Planlosigkeit  in  der  Sache  wallet  ;  dafs  in  vielen  Lnndes- 
gegenden  gar  nichts  dergleichen  geschieht  denn  einzig 
durch  den  Bund  werden  iliese  Schulen  und  Kurse  in  ratio- 
neller Weise  über  das  ganze  Land  verbreitet  .  Man  denkt 
vorzugsweise  an  »Kurses  diese  hätten  zu  bezwecken  ^prak- 
tisch  gfediegene  Einführung  in  die  verschiedenen  Gebiete 
einer  schlichten  bürgerlichen  Hauswirtschaft  ,  mit  besonderer 
Berücksichtigung  der  Ikdürfnisse  des  Mittelstandes  und  der 
ärmeren  Klassen.  Und  !nan  niufs  diese  Kurse  möirlichst 
zngfingh'ch  maclicii.  nannii  (hirfen  sie  nicht  zu  lange  dauern. 
Dnriini  sollen  sii  an  ni<")o  lichsi  vielen  Orten  stattfinden. 
Darum  .sollen  ICintrittsgelder  und  überhaupt  alle  erschweren- 
den Bedingungen  bei  Zuerkennung  der  eidgenössischen 
Snbsidien  tunlichst  untersagt  werden.  Hanshältungskurse 
für  das  arme  Volk  der  Arbeit  sollten  auch  vor  allem  beseelt 
und  geadelt  sein  durch  veredelnde  pädagogische  Einwirkung 
auf  das  Oemüt  und  den  Charakter.  Das  ist  aber  nur  nu')g- 
lich  bei  hingebungsvollen,  innsterhaften  Lehrkräften,  und 
solche  müssen  eben  in  nnisti  ro  iiltigen  h'achschulen  heran- 
gebildet werden;  solche  lassen  .sich  nur  gewinnen  durch  die 
Gewähr  für  ein  angemessenes  ThätigkeitsgLhici  und  für 
eine  würdige  soziale  Lebensstellung,  und  diese  Gewähr  kann 
nur  mit  Hilfe  der  Eidgenossenschaft  geboten  werden*.  Auf 
die  Unterstützung  der  hauswirtschaftlichen  Kurse  sollen  -  - 
nach  dem  \'or.sehlage  der  ständerätlichen  Konnnission  - 
diejenigen  Hestinniumgen  (von  I.S.S4/5)  ani^ewendet  werden, 
welche  liir  die  F(")rdrrnng  der  gewerbliciien  und  industriellen 
Berutsbildung«  gelten:  der  lUind  trägt  im  einzelnen  Falle 
höchstens  ein  Drittel  der  Gesanitkosten.  Wieviel  würde  das 
jälu'lich  ausmachen?  -Nach  thunlichst  zuverlässigen  Berech- 
nungen würde  ein  Budgetposteu  von  höchstens  60,000  Fr. 
auf  geraume  Zeit  genügen«^.  (Das  wäre  noch  nicht  '  ^  dessen, 
was  der  Bund  jenem  andern,  bereit <  seit  iSSj  bedachten 
Hildiingsgebiete  zukonunen  läfst.  I)<jeh  v.\ch\  gerade  um 
die.ses  \'erhältinsses  willen,  sondern  im  ailgnin  inen  halte  ich 
die  Schätzung  der  Konuni.s.sion  für  viel  zu  niedrig!) 

Aber  die  Eidgenossenschaft  sollte  nicht  blofs  Schulen 

gründen  und  unterstützen,  sondern  auch  eine  Einrichtung 
schaffen,  welche  auf  die  Schul-  mul  \\)lksleiter  zu  wirken 
berufen  wäre,  l^nd  zwar  eni])fiehlt  es  sich,  mit  dieser  Hin- 
richtung den  Anfang  zu  machen.    Mau  künute  sie  vielleichl 


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Si'liv»ri^«'ri!<clic*  Yolki>Kcbulwc»pn.  26/ 


Vo  1  k ssc h  u  l  \v a  r  tc  nennen.  Bedient  würde  sie  von  drei 
Personen:  einem  Lehrer  für  Volkskimde  und  Bildungsge- 
schichte am  eidgenössischen  Polytechnikum  (und  zugleich 

an  der  T*ni\  cTsität  Zürich),  dem  Verwalter  der  Volksschul- 
warte  (als  Hanptbeaniten)  nnd  dessen  Hiireau-Ciehilfen.  Der 
erste  hätte  in  den  Studierenden,  den  künftigen  Leitern,  Be- 
ratern, Heitern,  Richtern.  Lehrern  des  \'olkes,  die  Lust  zur 
Beschäftigung  mit  den  «.'Tolseii  I'ilduni^stragt  ii  zu  wecken 
und  die  Arbeil  des  zwei un  zu  luiterstülzcn  wler  zu  ergänzen. 
Zwischen  beiden  Beamten  besteht  selbstverständlich  regel- 
mäfsiger  Verkehr:  sie  sind  überdies  als  Mitglieder  der  Bil« 
dungskoniniission  der  vSchweizerischen  Gemeinnützigen  Ge- 
sellschaft gedacht.  Da  ferner  der  Verwalter  eines  Archivs 
nnd  einer  Bibliothek  hedarf,  so  sollte  er  mit  der  Anstalt, 
welche  beide  Sammlungen  schon  seit  langem  {pflegt  -  dem 
Pestalozzianum       in  enge  Verljindung  treten  kc'umen. 

Hohe  Anforderungen  werden  an  diesen  Hauptbeaniteu 
gestellt  Man  dürfte  weder  einen  Bnreaukraten  noch  einen 
titatistiksch wärmer  noch  gar  einen  Juristen  wählen;  auch 
niclit  einen  Parteimann  irgend  welcher  Art,  nicht  einmal 
einen  Schulmann  im  beschränkten  Sinne  sondern  einen 
selbständigen  Mann  mit  weitem  nnd  tiefem  T^liok,  einen  »Sach- 
kundigen allerdings,  aber  einen,  der  die  Schule  als  lebendigen 
Teil  eint>  lebendigen  (Tanzen,  der  die  Krzielinng  mit  den 
Augen  uder  vom  Standpunkte  des  Staatsmannes  ansieht,  und 
der  volkstümlich  zu  denken  und  zu  schreiben  versteht. 

Über  die  Arbeit  der  Volksschul warte»  welche  hauptsäch- 
lich dem  Verwalter  obliegt,  einige  Angaben.  — Sie  beobachtet 
das  vielgestaltige  pädagogisehc  lieben  des  In-  und  Auslandes. 
Sie  achtet  im  l)e«)ndern  auf  die  grofsen  und  kleinen  Mächte, 
welche  an  der  Krziehung  des  Schweizervolkes  mitarbeiten. 
Sie  sannnelt  gute  nnd  schlimme  Krfahrungen,  geglückte  und 
inifslungene  Versuche,  uacliahmenswerte  nutl  abschreckende 
Beispiele,  bedeutende  Gedanken,  verwertbare  Anregungen 
in  neuen  pädagogischen  Schriften.  Sie  sucht  der  Mittel  und 
Wege,  welche  zu  dem  von  Hilty  aufgestellten  Ziele  und 
damit  zur  schweizerischen  Volksschule  im  ))esten  Sinne  führen, 
immer  mehr  ausfindii:  zn  machen.  Sie  tritt  in  persönlichen 
nnd  schriftlichen  \  erkelir  mit  her\  nrragenden  Pädagogen 
und  Politikern.  Sie  beteiligt  sich  au  ])ädagogischen  \\r- 
örterungen  in  der  Tagespresse  und  wird  wohl  ihrer  grofsen 
Sachkenntnis  und  Unparteilichkeit  w  egen  immer  gern  gehört 
werden.  Sie  schreibt  -  -  unter  Mitwirkung  der  besten  Fach- 
und  \'olksmänner  -  das  in  der  Kinleitung  erwähnte  Buch 
über  das  schweizerische Volksschulwcscu,  das  schweizerische 
Ifesebuch,  das  für  die  Bürgererziehung  empfohlene  Hausbuch. 

i8* 


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Die  Früchte  ihrer  Arbeit  sollen  iu  erster  Unie  den  kan- 
tonalen Erzieliunjj^sräten  und  -Direktionen  zur  Wrfüj^ung 
stehen.  Die  Beamten  der  Volksschulwarte  dranj^en  sich  aber 
nirj^CTids  auf  oder  vor;  sie  hictc-u  einfach  ihre  Dienste  an. 
Das  Bedeutendste  des  ( itsaniinelten  und  Verarl>eitetLn  lt- 
scheint  in  monatlichen  oder  vierteljährlichen  Mitteiluu.^cn. 
welche  den  oberen  und  mittleren  Schulbehörden  frei  zugesttlU 
werden  (und  vielleicht  auch  zu  billigem  Preise  als  Beilagen 
in-  und  ausländischer  Fachblätter  weiter  m  verbreiten  wären). 

Die  Kidgenossenschaft  hätte  für  die  \ Dlksschulwarte 
jährlich  höchstens  8(xk>  Fr.  aus/.ujj^eben,  da  die  Besoldung 
des  Lehrers  für  Volkskunde  und  Bildungs}»eschic]ite  dem 
Polyteclinikum  (das  ihn  jedenfalls,  ol)  die  empfolikne  Warle 
errichtet  wird  oder  nicht,  erhalten  sollte)  zufällt.  Dafs  um 
auch  den  Punkt  noch  zu  berülncn  dieser  Professor  oder 
der  Verwalter  der  Volksschul warte  irgend  eine  Ähnlichkeit 
mit  dem  schrecklichen  Schulvogt  habe,  wird  selbst  der  aller- 
furchtsamste  nicht  behaupten. 


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Zwei  Leitf äden  der  deutsclien  Gbe- 

schiclite  nach  den  Forderungen  der 


Dr.  Khi'I  l{i«Mleriimini.  1. <.  i t  f.uK  ii  <K  r  <U  ulsclien  (iescliichlf  für 
dtn  Schiil}i(t.'braiuli.  l.eip/.ig  1895,  \ OixUändcr.  o,.S<>  M..  jjcl).  ().(-)(>  M. 

Weigand  und  Tecklenburi^f  Deutsche  fSeschichtc  nach  den  l  or- 
dernnj^en  d«  1  n  -j^cnwart.  Hannover  TS96,  C.  Meyer  (G.  Prior). 
0,75  Mm  geb.  o,yo  M. 


^Es  hat  Zeiten  gerieben,  wo  Kriege  und  Schlachten  (>das 
Fechten  und  Totschlagpen  ,  wie  es  der^  berühmte  Philosoph 
Locke  in  seiner  trefflichen  Schrift  Uber  die  Erziehung« 
nannte)  nahezu  den.  eiu/i^en   Inhalt  der  Geschichte  aus- 

machten,  wo  eine  herrschende  Klasse  vornehm  verachtend 
auf  die  \'olksniasse  lierabsah,  wo  das  WAk  selbst  so  selir 
(las  Cieiiihl  seines  ei«^enen  Wertes  ein^chüfsi  liatte,  (lafs  es 
auch  seiner>eits  nur  für  das  Treiben  der  H('>lc  und  des  Adels 
Sinn  und  Interesse .  besals.  Diese  Zeiten  aber  liegen  Gott 
sei  Dank  weit  hinter  uns  und  werden  hoffentlich  nie  wieder- 
kehren. Ancli  die  Schätznn<^  krie<^eri  '  Thaten  ist  lieut- 
zuta<^e  eine  andere  (;:ewordeu.  So  sehr  wir  gewifs  jede  in 
Verteidij^itn*;  des  \'aterlandes  vollzo<,^ene  kriei^erische  Tliat 
hochschätzen  und  bewundern,  so  erblicken  wir  d«>eli  in  dem 
Kriej^e  an  sich  eine  trauri«^e  Xotwendi i^keit,  \v;iliiend  in 
früheren  Jahrhunderten  Kriege  und  Schlaeliten,  Eroberungen 
und  Vergewaltigungen  der  Nachbarn  gewissermafsen  zum 
rechten  Sichausleben  eines  Volkes,  insbesondere  aber  zum 
notwendigen  Schmuck  des  Thrones  gehörten.  Für  diesen 
bedeutsamen  Wandel  in  unserer  ganzen  LebLnsauschauung 
giebt  es  kein  schöneres  Zetignis,  als  jene  herrlichen  Worte 
unseres  grolsen  Kaisers  Wilhelm  1.,  gesprocher.  in  dem 
Momente,  wo  ihm,  dem  Ruhmgekrönten,  dir  Kaiserkrone 
des  nunmehr  mächtigsten   \  olkcs  in  Kuropa  dargebracht 


Von  Jok.  Bengel  in  Raeren. 


I. 


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2yo  Joll.  U<*H|t<>l. 

ward.  Kr  wolle  ,  sa^U-  der  .sic;^rciclu  ikld,  Mt-lirer  deü 
Reiches  sein  nicht  an  kriej^erischcn  lü  ohcnin^cu,  .Mindern 
au  den  Gütern  und  Gaben  des  Friedens,  auf  dem  Gebiete 
nationaler  Wohlfahrt,  Freiheit  und  Gesittung-,  Wie?  Und 
wir  wollten  unsere  Jugend»  indem  wir  sie  gewöhnten,  in  der 
Geschichte  nur  an  kriegerischen  Schauspielen,  an  den  Thaten 
und  den  Personen  grofser  l',r»>l»erer  tmd  Helden,  nicht  an 
den  friedlichen  Krrungenschafien  der  \*ö1kcr  ihn-  I'^:cndi  zu 
haben,  zu  einer  T.ebensanikissunj^  und  Gesinnuni^  anleiten, 
die  derienif^a-ii  nuscrcs  erhabenen  Kaisers  t^eradezn  ent«^e.q;en- 
gcsetzt  wäre?  Auch  unser  deutsches  Vulk  ist  glücklicher- 
weise bisher  —  trotz  seiner  Sie^^e  und  der  dadurch  mit 
einem  Male  erlangten  hervorragenden  Stelhnig  -  -  ganidich 
frei  geblieben  von  jciu m  unsclij^en  Gröfsenwahn  (Chauvinis- 
mus), der  unsere  Nachbarn  im  Westen  nicht  zur  Ruhe  kommen 
läfst:  liüten  wir  uns  doch  ja,  durch  dt  n  Gc-^chichtsinUerricht 
etwa  die  Reime  eines  solchen  in  die  Herzen  der  Jugend 
zw  legen 

Solch  eindringliche  Worte  redet  ein  j\Linn.  der  sein 
ganzes  Leben  der  Kulturgeschichte  gewidmet  hat  und  schon 
seit   36  Jahren   ihr  auch  im  Lehrplan  der  Volksschule 

eineSulIe  /n  erkämpfen  sucht  Uni versitätsprofessor 
Dr.  Karl  Biedermann.  Kr  hat  uns  nun  urIi  im  vori<;:cn 
Jahre  mit  einem  nach  diesen  (  trundsätzen  h». ai  1)citclen  Leit- 
faden der  deutschen  Cieschichte  für  den  öchulgebrauch  be- 
üchenkt. 

Wie  der  Titel  besagt,  ist  der  Leitladen  unter  Ikirat 
praktischer  Schulmänner verfafst;  er  ist  also  nicht  in  der 
Stube  des  Gelehrten  entstanden,  ist  nicht  das  ausschliefsliche 

Werk  eines  Mannes,  der  der  Volksschule  fern  steht  Wenn 
A.  Günther  in  den  Neuen  Hahnen  (Jahrg.  1890,  Heft  n 
und  T2),  wo  er  die  I)estrel)uniLi;-en  Biedermanns  für  den 
kultnrgeschiclitlichen  rnlcrricht  lu rv<)rhe})t,  den  Wunsch 
anss])rach,  praktisclu-  Schulmänner  mochten  dem  wackeren 
Cielehrten  die  Haim  reichen,  um  ein  brauchbares  Schulbuch 
zu  bearbeiten  mit  den  Vorzügen  der  Biedennannschen  Me- 
thode,  so  ist  dieser  Wunsch  nunmehr  in  Erfüllung  gegangen. 
Zur  Entstehung  des  Leitfadens  darum  \on\h  einige  Worte! 

Nach  einer  Versammlung»  der  auch  Prof.  Hiedermaun 
beigewohnt  hatte.  \er1>1i(.l)  dieser  mit  einigen  Lelirern  noch 
kurze  Zeit  in  frcniKllicher  rnterhallung.  die  sicli  insbesondere 
auf  die  Kulturu:*  schichte  und  deren  Herücksiclitii^ung  im 
Volksschnlunlerriehie  erstreckte.  i>ie>es  Gespräcli  re^te  in 
dem  greisen  Gelehrten  wiederum  den  Plan  an,  einen  Leit> 
faden  für  die  Volksschule  nach  kulturgeschichtlicher  Methode 
zu  bearbeiten.   Brieflich  und  mündlich  wandte  er  sich  nun 


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Zwol  Li-iifjiiloii  il«-r  <ifuri><-li<>o  tf^iicUiflit«'  nach  «It'u  FunlcTunscn  «ler  Oi-Koii'wari.  tJ"! 

au  J^cliiei,  Icj^Le  rrobeii  vor  uiiii  l>at  um  eingehende  und 
unumwundene  Kritik.  Die  Gutachten  liefen  ein;  Kürzungs-, 
Rrweitenmgs-  und  Änderungsvorschläge,  die  gemacht  wurden, 

fanden  Berücksichtigung^.  liiederniann  sagt  selbst,  dals  er 
auf  dieses  Huch  \  iel  Zeit  und  Kifer  verwandt  habe,  mehr 
viellticlit,  als  niif  ein  grofsercs  Werk  aus  seiner  Feder. 
I)as  IcTiii;^  .M:nn;scn])t  wurde  zum  letzteu  Male  vorgelegt, 
und  dir  Ansiclitiii  und  \'or>c]däge,  die  noch  auftauchten, 
veranlal^u  11  ikn  Verfasser  wieder  zu  einer  gänzlichen  Um- 
arbeitung mancher  Partieen.  «So  viel  Arbeit  wie  diese  sechs 
Bogen,  hat  mir  noch  keines  meiner  Werke  gemacht!«  schrieb  er. 

Xun  liegt  die  Frucht  solches  Fleifses  vor,  und  das  Werk 
ist,  wie  nach  solchen  Vorarbeiten  nicht  anders  zu  erwarten 
war,  trefflicli  OLhingen.  Ks  ist  nur  89  »Seiten  stark;  aber 
auf  diesen  wenigen  Blättern  findet  sich  die  ganze  deutsche 
(»eschichte  vom  ersten  Auftreten  der  (Germanen  in  der  C»e- 
schichte  bis  zum  Jahre  1895,  imd  zwar  nicht  in  abgerisseneu 
Sätzen,  sondern  in  lebensvoller  Darstellung.  Solche  kurze 
Zusammenfassung,  bei  der  nichts  Wesentliches  ausgelassen 
ist,  will  uns  schon  eine  Leistimg  dünken.  Wie  manches 
innfste  da  ausgeschieden  oder  enger  gefafst,  wie  mancher 
liebgewordene  Zopf  abgeschnitten  werden  .  Insbesondere  ist 
die  politisclic  ( icschichte,  die  ( »eschichte  der  äufseren  Schick- 
sale ,  wie  iiluuu'  sagt,  selir  verkürzt,  uml  in  eben  diesem 
Umstände  Hegt  der  Haupiwert  des  lÜedermannschen  Huches. 

Allerdings,  wer  die  zahlreichen  Geschichtswerke  des 
83  jährigen  Gelehrten,  wer  namentlich  seine  methodischen 
Schriften  zum  GeschichtsunUi  richte. kennt  der  wulste  schon 
im  Voraus,  wefs  Geisteskind  der  vorliegende  Leitfaden  ist 
Fr  ist  nach  kulturgeschichtlicher  Methode  l>earbeitet  heifst 
es  in  der  \'t)irL(l(\  und  dieser  Ausdruck  sagt  genug. 

In  dvT  vSchule,  so  sj)richt  sich  Hiedermann  selber  in 
der  \'orrede  zu  seinem  Huclie  liber  diesen  Punkt  aus,  wo 
wir  es  wesentlich  mit  dem  Nachwuchs  unseres  Bürger- 
tums zu  thun  haben,  scheint  mir  diese  Methode  ganz  be- 
sonders augebracht,  eine  Methode,  welche  neben  den  äufsern 
Schicksalen  unsers  XOlkes  auch  das  innere  Volks-  und  Kultur- 
leben eingehend  berücksichtigt.  OtUr  snlltt'  nicht  für  diese 
Kreise  unsrer  Jugend  ein  Ge.schiciusunierricht  sich  fruchtbar 
erweisen,  der,  wenn  auch  nur  in  gedrängter  I'btisiclu,  Aus- 
kunll  gei)e  über  die  Fntstehung  und  Kntwieklung  des 
deutscheu  Städte-  und  Bürgertums,  über  die  wichtige  Rolle, 
die  dasselbe  im  \'erlauf  unsrer  vaterländischen  Geschichte 
gespielt  über  das  X'erhältnis  der  verschiedenen  Stände  zu 
einander,  über  die  Herau.sbildung  von  Handel  und  Gewerbe, 
über  die  mancherlei  Erfindungen  imd  Eutdeckungen,  in 


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272 


Jo\\.  |{t>U^f|. 


denen  unser  Volk  eiiicu  lüluuUchcn  VVcUbcwcrb  mit  amlcicn 
Völkern  bestanden  hat,  über  die  hervorgetretenen  sozialen 
Gegensätze  und  die  Veranstaltungen  zu  ihrer  Ausgleichung 

und  über  ähnliches  niehr^  Ja,  sollte  nicht  t  in  rnurricht, 
welcher  dem  künftigen  Kanfmami  in  dem  kühnen  I  nter- 
n eh m IUI gs freist  der  Hansa,  dmi  küiiflit^n'ti  rTt'\verl)elreil)en(len 
in  dem  Aufschwünge  des  i  luul  i').  Jahrhunderts,  dem 
künftigen  Bürufer  in  den  vielen  i  rliebeudeti  Züi>^en  tliatkrät- 
tiger  und  autupternder  Uür^erlrene  naehalnuens werte  Hei- 
spiele  vor  Augen  führt»  sollte  er  nicht  auf  die  Charakter- 
bildung des  nachwachsenden  Geschlechts  von  nachhaltig 
wohlthätigem  Einflüsse  sein? 

Die  Art  und  Weise,  wie  IJiedennann  sein  Ziel  zu  er- 
reichen sucht,  ist  trefflich  j^elnngen.  Das  kulturgeschicht- 
liche Moment  ist  nändich  nicht  von  der  politischen  (beschichte 
getrennt,  wie  dies  in  den  Werken  vieler  Schuhnätmer  (Kirch- 
niann,  Kappes,  Klnnic)  der  I'all  ist,  sondern  beides  ist 
organisch  verbunden,  und  damit  steht  der  Verfasser  auf 
dem  Standpunkte  der  heutigen  Methodik,  wie  er  von  A. 
Richter,  Krieger,  Rusch  u,  a.  vertreten  wird.  Die  verschie- 
densten Seiten  des  kulturgeschichtlichen  Lebens  werden  be- 
rücksichtigt, zwar  nicht  nach  einem  starren  Schema,  wie  dies 
z.  I>.  Hlume  in  seinem  ^^'erke  Ouellensntze  -/m  tieschichte 
\mseres  \'olkes  tluu,  sondern  ledij^lich  nach  der  Zeitfolge. 
Nichtsdestoweniger  ünden  sich  in  Hiederni.mns  Huch  jene 
fünf  Seiten  der  »^zuständlicheii  Geschichte  nach  Blumes 
Gruppierung,  nämlich  das  staatliche,  gesellschaftliche,  reli- 
gi(")se,  geistige  und  wirtschaftliche  Leben,  hinlänglich  berück- 
sichtigt So  handeln  das  6.,  29.,  32.,  34-  und  36.  Kapitel 
vom  staatlichen  Leben,  das  S.,  11.,  13.  ntul  15.  vom  ge- 
sellschaftlichen, das  5.,  9.,  14.,  16.  und  17.  vom  reli- 
gi(')Sen,  das  13.  und  39.  vom  geistigen  und  das  12.  und 
30.  Kapitel  \om  wirtschaftlichen  Leben.  Durch  diese 
stete  organische  Verbindung  des  Zuständlichen  mit  dem  That 
säclilichen,  des  Gew^ordenen  mit  dem  Werdenden  verschmelzen 
die  einzelnen  ge.schichtlichen  Vorstellungen  zu  Vorstellungs- 
tnassen,  die  bei  den  Schülern  lebhaftes  Interesse  erregen  und 
darum  fester  im  ( ledächlnisse  haften. 

Das  Buch  brint^l  terne:  den  Beweis  dafür,  dafs  die  kidtnr- 
geschichtlichen  Momente  weder  so  schwer  bej^ieiflich  oder 
gar  unverständlich  für  Schüler  der  X'olk.s.selnde  .siiul,  wie 
manche  Gegner  vorgeben,  noch  des  Interesses  für  sie  ent- 
behren —  sobald  sie  nur  auf  die  rechte  Weise,  im  rechten 
Zusammenhange  ihnen  vorgetragen  werden.  Das  politische 
Moment  geht  V)ei  dieser  Mclliodc  keineswegs  verloren,  aber 
es  wird  auf  das  ihm  gebührende  Mafs  beschränkt  Einem 


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Zwei  Lplifüdfii  (l«r  (liHMarlifii  ((fiKcbklitf  mii'h  Ucn  KorderuMKoa  der  Off^pitwart.     27  ) 


Rezensent   in   der     Pädaj^o^ischeii  Zeitung  diese  He- 

scliräukiuij^  noch  nicht  ^lark  o^ennij:;  '»"^  scheint  aher  dieses 
Zii^eslänthiis  an  die  herischentle  Strüniunj>;  ein  jnit  gutem 
Bedacht  gewähltes  Mittel  zu  .sein,  um  den  Schritt  von  der 
bisherigen  Methode  im  Geschichtsunterrichte  zur  neuen  mög^< 
liehst  zu  Gberhrücken,  um  auch  denen  den  IJbergang  zu  er- 
leichtern, die  dem  Neuen  noch  mit  Vorsicht  oder  gar  Mi£s- 
trauen  gegentil)er  stehen.  Ivin  solches  ^fifstrniu'n  ist  alkr- 
dini^s  nicht  gerechtfertigt,  denn  die  kulturgeschichtliche 
Methode  bringt  uns  nichts  Neues.  Wie  sclion  A.  Ricliter 
{  rädag.  Zeit-  und  vStreittragen  ,  2.  Heft)  ausgefülirt  hat,  ist 
die  Forderung,  die  Kulturgeschichte  in  der  Volksschule  zu 
berücksichtigen,  .so  alt,  wie  der  Geschichtsunterricht  überhaupt 

II. 

Doch  nun  genug  von  Hiedernuiuns  Ltiif.ukii.  Schon 
bald  nach  seinem  h'rscheinen  erhielt  er  ciiKii  Miiln  werber, 
und  /.war  einen  ebenbürtigen,  in  dem  liuchc :  Deutsche 
Cieschichte  nach  den  Forderungen  der  (* egen- 
wart von  \V  e  i  g  a  n  d  und  Tecklenburg. 

Vorab  auch  liier  einiges  über  die  Entstehung  des  Leit- 
fadens! Herr  H.  Weigand  hatte  es  \  or  einiger  Zeit  über- 
nommen, auf  der  Hannoverschen  Prt)vin/.ial-Lelnerver.samnj- 
hing  Leit.*^ät/.e  für  die  Abfassung  einer  Deutschen  ( Teschichte 
aufzustellen  r.iid  zu  begründen.  Die  \'ersamnilnng  war  von 
etwa  KMX)  Leinern  besucht.  Die  Leitsätze  wurtleu  gebilligt, 
und  Herr  Weigand  erhielt  den  Auftrag,  aufCirund  derselben  eine 
deutsche  Cie.schichte  auszuarbeiten.  Die  Leser  dieser  Zeilen 
werde  ich  für  dieses  Buch  von  vornherein  günstig  stimmen, 
wenn  ich  darauf  hinweise,  dafs  es,  im  Januar  dieses  Jahres 
zuerst  erschienen,  schon  jetzt  in  zweiter  Auflage  vorbereitet 
wird.    Das  ist  genug  des  Lobes! 

F'^ie  X'erf.isser  teilen  den  Sl<iff  in  lo  Grup]>en,  an- 
lehnend an  T'icdermanu,  der  (in  seiner  Schrift :  Der  (yeschichts- 
nnterricht  in  der  Schule,  seine  Mängel  und  ein  Vorsclilag 
zur  Abhilfe)  zwölf  grofse  Kulturbilder  festsetzt  Es  sind  fol- 
gende: Die  Zeit  des  Heidentums;  die  Zeit  des  Kampfes 
zwischen  Heidentum  und  Christentum;  die  Zeit  der  Lehn- 
herrschaft; die  Zeit  des  \'erfalls  der  Kaiserniacht;  die  Zeit 
der  Rt  fornuUion ;  die  Zeit  des  dreifsigjährigen  Krieges;  die 
Zeit  der  Fürstenniacht;  <Ht  Zeil  der  Frc  nidherr.schaft;  die 
Zeit  des  Ringens  nach  Kinlitil  nnd  Freiheit;  die  (xegenwart. 
Die  F'inteilnng  ist  eine  glückliclic  zu  nennen,  weil  sie  nicht 
nach  Füistenhäusern  oder  Regierungszeiten,  sondern  nach 
den  treibenden  Ideen  erfolgt  ist 

Der  Inhalt  der  einzelnen  Abschnitte  ist  reich  undwohl- 


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274 


Jnlt.  K«>nic«>l 


Gewählt.  Jeder  Ah'-clinilt  tnid  sei  er  auch  noeli  kU-in, 
ist  unter  eine  bcMUidere  l^lierschrift  s^ehraclit,  woilüicii  tiie 
Übersicht  und  das  Lernen  sehr  erleichtert  werden.  Um  ein 
Bild  von  der  Reichhaltijs^keit  der  eitiKelnen  Zeitperioden  zu 
jyeben,  mögen  hier  die  Paragfraphen  der  zweiten  Periode 
stehen:  Ausbreitung;  und  äufsere  Ordnun«;  der  christlichen 
Kirche;  KÖnij^  Chlodewi*:^;  lionitatius;  IJistünier  und  Klöster; 
Kloster-  und  Donischulen:  Verbesserun.i^  des  Ackerl)aues  und 
der  X'iehzncht  durdi  die  K.h»tfr;  die  Dorfkircl'.e:  Karl  der 
(irofse;  die  ( lauxcilassuuj^;  die  Kiinii^s-  und  ( iralcugerichte; 
Karls  Kriege  gej^^en  die  Sachsen;  wie  die  Sachsen  Christen 
wurden. 

Diese  Anfzähhin^  zeigt  zus.,deich,  wie*  sehr  die  Kultur- 
ge.schiclitef  wie  weuii;:  dagegen  die  i)olitische  berücksichtigt 

wurde,  und  wie  beide  in  onj^auisehen  Zusanmienhanj^ 
l)racht  "^ind,  so  dafs  die  Kulturj^csehichte  nidit  ohne  die 
jM)litischc  )4elernt  wird.  Hierin  also  fol<j^t  der  Leitfaden  von 
WVij^aud-Tecklenburji  dem  Hiedernianuscheu.  Hezü Jülich  der 
politischen  Ue.schichte  gehen  aber  \Veij»;and-Tecklenbur|';  noch 
einen  Schritt  weiter  als  Biedennann,  so  dafs  es  uns  .scheinen 
will,  als  sei  sie  doch  zu  sehr  beschnitten.  Es  will  uns  z.  B. 
nicht  <^efalleu,  dafs  die  Könige  iMiedrich  Wilhelm  Tl.  und 
l'riedrich  Wilhelm  <;ar  keine  .\ufuahine  gefunden  haben 
und  I-'nedrich  III.  s<»  wenij;-  berück siduii^t  ist.  I>ii  Kniscr- 
liche  Ordre  vom  i.  Mai  1SS9  und  das  so«;,  lu^.iu/.iuij^.sheli 
zeigen  uns  hier  einen  .  \VeJ^^  den  ein  ])  r  e  u  Is  i  s  c  h  e  r  Lehrer 
nicht  aulser  acht  lassen  darf.  Würde  es  sich  nicht  auch 
empfehlen,  die  Kntturverhältnisse,  die  im  Anschlüsse  an  eine 
politi.sclie  Persönlichkeit  besprochen  werden,  auch  in  den  Über- 
schriften als  zu  dieser  Persönlichkeit  gehörig;  zu  kennzeichnen? 
Ich  denke  dabei  besonders  an  die  zweite  Zeitperiode. 

l>ie  Kriejje  sind  in  dem  Hnche  von  Wei<;and-Tecklen- 
l)ui}4  nicht  ausführlich  tjeschiklert  worden,  (xott  sei  Dank! 
Cileiches  Schicksal  hat  auch  die  ( »  esc h  i  ch  Isz  a  h  1  e  n  ereilt 
Ihre  Zahl  ist  klein,  manchem  vielleicht  zu  klein,  den  Peifall 
des  Rezensenten  aber  hat  das  Buch  auch  in  diesem  Punkte. 
Biedermann  beschrankt  zwar  auch  die  Geschichtszahlen, 
manchmal  folj.^en  oft  drei,  vier,  einmal  sogar  zehn  Seiten 
ohne  eine  ( leschichtszahl ;  doch  sind  meines  Krachtens  der 
Zahlen  innuer  noch  zu  viel.  Wei<^and-Tecklenburg  verdienen 
hier  den  \'<)i'/u<^  vor  Biedermann. 

Das  sozi;ile  I^lemcut  unserer  (  »eschiclUe  siclil  uhc;.ill 
i.n  Wmlerj^^ruude.  .  Die  X'olkswirtschaflslchre  ist  an  «gemessen 
'.'eriicksiclitigt  worden,  ebenso  die  (icsetzeskunde.  Meist  i.st 
der  Wortlaut  des  (tcsctzes  beibehalten  worden  (was  gewifs 
allgemeinen  Beifall  finden  wird),  doch  nicht  überall.  So  meine 


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MttiAcn  An  d#iiUchi>o  Gpuchirbt«  lUirli  ilvn  KoritrruiiKmi  drr  hpgvawart.  2/^ 

ich,  hätte  bei  No.  94:  Die  \'<>11en<1nn![j:  der  liaiu rnl»c freiung, 
das  betretfende  Kdikt  Kriedricli  Williehiis  III.  \uiii  i).  { )ktober 
1.^07  «^rDistif  und  wörtliche  Wrwendmij^  linden  können, 
e'iNva  <lie  raragraphen  1,  2,  4,  10,  11  und  12.  Die  Arl>eiter- 
gesetzesitid  nicht  aufgeiioininen,  weil  «eiue  vollständige  Um- 
arbeitung  derselben  bevorstehe«.  Biedennann  hat  die  Volks- 
wirtschaftslehre und  Gesetzeskunde  fast  gar  nicht  berück> 
sichtigt 

Feinen  «^rofsen  Vorzug  -;k/.t  das  Weigand-Tecklen- 
bnriLrsrhe  iiuch  vor  dem  P.iederniaiinschen  noch  durch  die  sorg- 
läilij^c  und  reiche  Hcrücksichtigunij-  der  Ou eilen.  Die  Re- 
uutzung  der  Quellen  l>eini  (iescliiclitsunurriciite  ist  eine 
Forderung,  die  besonders  in  den  letzten  Jahrzehnten  erhoben 
wurde.  Männer  wie  Peter,  Herbst,  Baumeister,  Weidner, 
Willmann,  Krieger,  A.  Richter,  lUnme.  Schilling, 
Scliuuiann-H einze  u.  a.  haben  in  dieser  Kichtimg  durch 
Wort  und  Schrift  |L(c\\  irkl;  Ouellenbücher,  Ouellen-Lesebücher 
zum  (icbrauche  beim  I  nterrichte  sowohl  für  die  Hnud  des 
Lehrers  als  die  der  Schüler  sind  erschienen  (so  von  Herbst. 
Schilling,  Richter,  Rrinz,  Blume,  Heiu/e,  Krler,  Seviu,  Krämer, 
Zurbonseu,  Lanz  u.  a.)  und  erweisen  sich  als  praktisch 
brauchbare  und  veranschaulichende  Mittel  beim  Geschichts- 
unterrichte. Auch  ni  e  t  Ii  o  d  i  s  c  h  e  Abhandlungen  und  Schriften 
über  den  Gebrauch  der  Onelleiistücke  beim  rnterrichte  sind 
vielfach  veröffentlicht  (vf>n  Herbst,  Richter,  Krieger,  Blume, 
Scliillinj^'^  n.  a.l,  so  dais  ein  (Geschichtsunterricht,  ein  (le- 
schichtslciiiaden,  der  Ansjiruch  darauf  maclien  will,  auf  der 
Höhe  der  methodischen  Bewegung  zu  stehen,  nicht  mehr  die 
Quellen  aufser  acht  lassen  darf.  VVeigaud-Tecklenburg  haben 
diese  Forderung  erfüllt,  und  das  gereicht  dem  Buche  zu  be- 
sonderer Empfehlung.  Doch  möchte  ich  mir  erlauben,  auf 
folgendes  hinzuweisen. 

Solltees  sich  nicht  emj>felilen,  die  (Juellensätze  als  solche 
zu  keUMzeichiu  n,  und  auch  mr/ui^eben,  woher  sie  ^^niiommen 
sind?  '>ndnrch  wird  der  Schiiler  vielleicht  angeregt,  auch 
aufserhi..  >  der  Schule  in  einem  (leschichlsschreiber  zu  lesen. 

Wenn  al.cr  dem  Lehrer  gelingt,  auch  nur  einen  deut- 
.schen  Geschielt tsschreiber  den  Schülern  lieb  und  wert  machen, 
so  dafs  sie  atich  dann  noch  zu  ihm  zurückkehren,  wenn  sie 
der  vSchu»  berei.s  entrückt  sind,  dann  darf  er  sich  gestehen, 
dafs  er  o  1  Zweck  der  Ouellenbenulzung  erreicht  hat 
(Kriegerl.  \\äre  ferner  nicht  l)esser,  :iuch  den  W(irtlaut 
der  (Juelleii  stets  wiederzu,ueben  ?  Die  \\  i  lasser  hal  u  n  ge- 
glaubt, hin  und  wieder  die  (Juellen  ui)erarl)eiten  zu  inü»en. 
Wir  halten  es  mit  Eberhardt,  der  da  sagt;  Die  Sprache 
der  Quellen  ist  im  allgemeinen  die  der  Kinder  im 


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276 


besten  Sinne  des  Wortes.  Ma^  das  Archäisit rciidi-  du 
Sprache  im  Anfange  etwas  ungewoluil  sein;  nur  Mangel  an 
Verständnis  wird  die  Sprache  der  Bibel  und  Herodots  für 
Kinder  zu  hoch  liegend  fiuden  .  Darum  meinen  wir^  sollte 
für  die  ersten  sieben  Xnnnnern  wörtlich  des  Tacitns  Ger- 
mania jjeset/.t  werden,  für  Xo.  12  das  betr.  Kapitel  aus  (^,req^<>r 
von  Tours  Zehn  Hände  fränkisclier  (teschichte  ,  bei  NO.  i>' 
ans  ]{in]iard  etwa  Kapitel  22.  23,  24,  25,  26,  bei  Xo.  67  .ans 
dem  Sini])lici>siiuus  das  f.  Kapilcl  im  ersten  Hnrhe. 

Die  Heinial>-  und  ( >  1  Lsg esch i c Ii le  i.v.l  in  dem  lUicIie 
nicht  berücksichtigt  worden.  Doch  wollen  die  Verfasser  den 
Stoff  für  die  Provinz  Hannover  in  einem  Heftchen  als  An- 
hang beifügen  (soll  bis  Pfingsten  erscheinen),  und  sie  hoffen^ 
auch  für  die  übrigen  Teile  des  Reiches  geeignete  Bearbeiter 
zu  «gewinnen,  l-^ür  die  Rheinprcnin/,  ist  ein  solcher  bereits 
gclundeii.  Die  Anhange  sollen  den  Umfang  von  zwei  Drnck- 
Ix'nfen  nicht  überschreiu  n.  so  dals  sie  für  0,15  M.  bis  0,20  M. 
abgegeben  werden  können. 

Vorstehende  Ausfühnmgen  werden  den  Verfassern  be^ 
weisen,  ein  wie  ^ofses  Interesse  ihre  Arbeit  ims  abgerungen 
hat.  Die  Ausstellungen  vermögen  der  Güte  derselben  keinen 
Abbruch  zu  thuu.  Möge  das  Buch  die  verdiente  X'erbreitung 
finden,  lunq-e  es  in  recht  vielen  vSchnlen  zur  Kiufühnmg  ge- 
langen, der  Jugend  zum  Xutzen,  dem  Vaterlande  zum  Ileile, 
dem  Keiner  zur  Befriedigung  und  den  \'erfassern  zu  einiger 
Cieuuglliuung  für  den  l'leiis  und  die  Treue,  die  sie  auf  dieses 
treffliche  Hilfsmittel  verwandt  haben! 


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Pädagogisclie  ITmscliau. 

\'t>iii  Herausgeber, 
r. 

Schlufs  des  Schuljahres!    Krleiditert  atmen  Leiter  und 
Lehrer  auf,  wenn  die  letsrttii  Wochen  des  vScliuljalires  mit  ihren 
,Zeugfnis>  und  \'ersct/.ungskonferenzen,  den  Besuchen  der  lüteni, 

flie  t;vr;u1e  vor  Ostern  oft  vh\  merkwünlijijes.  bis  dnl^iii  kider 
meist  nur  im  \'erijor>;enen  Vtlühendes  Interesse  für  die  Schularbeit 
ilirer  Lieblinge  zeigen,  und  mit  all  den  anderen  aufret^endeii 
Arbeiten,  die  der  Abschlufs  der  Jaliresbilanz  unvermeidlich  uul 
sich  bringt»  vorüher  sind.  Censuren  und  Versetzungen  sind  I^^- 
findungen,  über  deren  Wert  die  Ansichten  in  den  Interessenten- 
kreisen sehr  auseinandergehen;  denn  auch  die  schönste 
Censur  taugt  nichts,  wenn  man  sie  nicht  bekommt  Und 
das  passiert  ja  mitunter!  Die  Helden  Homers  können  vor  Ik-- 
giim  ilner  Kämpfe  niclU  lebhafter  miteinanrler  diskutiert  liaben. 
als  liLiite  iKu  h  der  \'crtciliiiig  der  Cen>ureii  über  die  W'üi  (liL::keit 
der  Censuren -Kmpfänger  verhandelt  wird.  Dalb  es  uns  Lehrern 
am  allerliebsten  wäre,  wenn  wir  nur  vortreffliche  Zeugnisse  ver- 
teilen konnten,  düs  will  vielen  nicht  einleuchten,  und  sie  ^er- 
brechen  sich  den  Kopf,  warum  sie  immer  mit  einer  hohen 
Nummer  herauskommen.  Ks  sin<l  oft  Tage  der  vSpamiuiig  und 
des  rnbehagens.  diese  Tage  nach  Schlufs  des  Schuljahres,  und 
(Kr  \'ater  redet  wohl  einen  lauteren  und  energischeren  Ton. 
:ü>  (Um  Herrn  Sohn  ujhI  der  I'räulein  Tochter  lieb  ist.  Und 
allerlei  lürelilerlielie  Ankündigungen  w  erden  laut.  LeieliL  konnte 
es  auch  manchem  Guckindiewelt  schlinmi  ergehen,  wenn  am 
Schlufs  aller  Betrachtungen  ulser  Sitzenbleiben  und  Versetxt- 
werden,  luiverbesserliche  Trägheit  und  unverständlichen  Leictit- 
sinn  nicht  die  Mutter  die  schützende  Hand  über  ihrem  Lieblinge 
ausbreitete.  Sitzenbleiben  müssen  doch  auch  welche  .  ver- 
sichert ein  resolnier  lUirsche.  Nun  also!  Das  froliiiche  Oster- 
fest mildert  dann  sclion  etwas  den  väterlichen  Zorn,  und  mit 
dem  heiligen  (ielül>de  vermehrten  Fleifses  ninunt  der  eine  .seine 
alten  Bficher  vrieder  aus  der  Schulmappe,  während  der  andere 
mit  stolzem  Gesichte  sich  ü1x!r  die  Bücher  für  die  neue  Klasse 
neigt.    Was  mau  nicht  nlles  lernen  mufs! 


2jS  iltlMniic»  il<>]r«r. 

Ja,  die  Jugend  unserer  Tage  mufo  viel  lernen.  Und  doch 
läfst  man  sich  dies  noch  j^t-lallen,  wenn  sie  sonst  nur  keine 
Sklavenketten  zw  tragen  l)iaiu  lnr.  Sind  es  aber  nicht  kleine 
Sklaven,  von  denen  es  in  eiuviu  11«.  richte  aus  Brandenburg  heifst: 
\'on  den  215  XebcnbcscliaHi>(ten  unserer  Schulen  112"/,,  der 
gesamten  Schülerzahb  arbeiten  79  Kinder  als  Senimelaiisträger  aus 
der  F.-  6.  Klasse,  im  MUt  von  7  14  Jahren,  von  4  7'  ,  I  hr 
uiorgens,  als  Kegelaufsetzer  aus  der  i. — 4.  Klasse,  iui  .Vllcr  von 
10—14  Jahren,  von  2  Uhr  nachmittags  bis  12  Uhr  nachts,  89  als 
I.aun)urschcn  aus  der  i.— 4.  und  O.Klasse,  im  Aller  von  9  I4jaliren. 
in  der  Zeil  von  1  I  hr  nachmittags  bis  lo'^j  l.hr  nachts,  22  als 
Zettungsanstrfiger  ans  der  i.~6.  Klasse,  im  Alter  von  71;  Jaliren, 
\()U  6—10  l'lir  abends,  als  Kohlen-  und  Wasserträger,  Orgel- 
dreher, Kellner  etc.  aus  der  i.— 5.  Klas.sc,  im  Alter  von  10— 14  Jahren, 
von  I  L"hr  naehniittags  bis  10  l'hr  abends. 

'Wer  hilft  da?  Staat  und  Gemeinde  können  nicht  alles 
thun,  IHe  Bestrebungen  unserer  Tierschutzvereine  und  die  Tier- 
freundschaft in  Ehren;  aber  ,soIlte  z.  B.  nicht  einer  allein  stehen-' 

den  alteren  Dame  ans  den  höheren  Ständen,  fkrcn  ganzer  Lebens- 
inhalt darin  besteht,  tn  ^lich  morgens  den  Kanaric  in  i\t;cl  zu 
baden  und  mit  dem  l'äpai;*.!  zu  tändeln  und  naclnnilta^^  den 
dicken  Mops  einige  Stunden  spazieren  zu  lülnvn,  tlamit  er  Vi)r 
Fettleibigkeit  nicht  erstickt,  mehr  innere  Befriedigung  daraus 
erwachsen,  wenn  sie  ein  Menschenkind  vor  dem  seelischen  und 
leiblichen  Verkommen  errettete,  indem  sie  ihm  wenig.stens  einen 
Teil  der  den  Tieren  -cspendeten  Fürsorge  zuwendete? 

Hin  derartiger  K  i  n  d  er  s ch  u  t  z  V  e rei  n  wirkt  z.  B.  in  luig- 
land  unter  dem  Protektorate  der  Königin  mit  .^rofsci;i  Sc.^cn. 
.Sein  Ziel  zu  eiieiclien,  dafs  sich  das  Leljen  eine.i  jeden  eng- 
lischen Kindes  zum  nnndcsten  erträglich  gestaltet.  Ivr  hat 
dadurch  grolse  l'irfolge  erreicht,  dafs  er  die  ICltern  zu  vernünf- 
tiger Behandlung  ihrer  Kinder  zu  überreden  suchte  und  die.se 
nötigenfalls  von  ihnen  erzwang.  Einem  .soeben  veröffentlichten 
Berichte  entnehnun  wir,  dafs  die  Oesellschaft  bisher  in  folgen- 
den Fällen  in  Thätigkeit  getreten  ist:  Ks  sind  geschützt  worden 
106  161  Kinder  vor  X'ernachlässigung  und  l,m;;<umem  \'erhun.irern. 
4122Ö  vor  luher  Behandlung,  j  i  <>o  1  Kinder  hat  man  der 
.Strassenbellelei,  7053  beklagenswerte  Mficlclien  einem  unmora- 
li.schen  Lebenswandel,  dem  sie  vorzeitig  in  die  Anne  getrieben 
worden  waren,  entrissen,  und  endlich  3Sij7  Kinder  einer  für  sie 
unpas,senden  oder  gefahrbringenden  Beschäftigung  entzogen:  in 
1067  Fällen  endlich  war  infolge  der  vorhergegangenen  Mifshand- 
Inngen  ein  ungünstiger  Ausgang  zu  verzeichnen.  Diese  Zahlen 
rt-den  eine  beredte  Sprache,  und  wir  meinen,  dafs  .auch  in  neutsch- 
land  aut  diesem  (tcbiete  endlich  einmal  etwas  gesclulun  konnte. 

ICs  will  uns  überhaupt  scheinen,  als  ob  die  >»luize  Höhe, 
auf  welche  wir  gelangt  sind,  auch  eine  gewisse  Gefahr  in  sich 
birgt.  Wir  sehen  zu  viel  auf  uns  selbst  und  zu  wenig  auf 
die  anderen  Nationen.    Schon  werden  im  Auslande  Stimmen 


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279 


laut,  dafs  die  grofsen  anregenden  Gedanken  auf  dem  Gebiete 
des  Schul-  und  Erziehungswesens  nicht  mehr  wie  früher  von 

Deutschlaiul,  soiulem  von  Frankreich.  luiy^land  und  den  scan- 
dinavi seilen  I, ändern  ausgehen.  Was  /,.  B.  die  Lüftung  unserer 
S<  Inilen  nnlnnirt.  «^cwifs  für  die  (»t-^ntidlieil  unserer  Kinder  keine 
ganz  nebensachliche  Krage,  so  können  wir  darin  jccUnt  di-  von 
Ivngland  viel  lernen,  in  den  X'erhandlungen  der  deutscheu  (•(->ell- 
schaft  für  öffentliche  Gesundheitspflege  zu  Herlin  gab  Herr  Dr.  Kotel- 
inann  aus  Hamburg  sehr  interessante  Mitteilungen  über:  »Schul- 
hygieinisches  aus  England In  die.sem  Berichte  heifst  es  Seite  3: 

<'.ule  I.nft   r:--  dem  1  "n.LlläiKlk-T   für  ciiu  SclniU-  so  sclhst- 

verijtäuillich,  üaüs  ei  nicht  begreift,  wie  wir  in  DcutsclilauU  nach 
dieser  Richtung  hin  so  sorglos  sein  können.  Als  ich  auf  der  Fahrt 
\  on  Ilarwich  nach  I.oiuhin  (Uni  Seininardirektor  (Headniaster  of 
the  Nonnnl  Schoolt  der  letzteren  Stadt  gegenüber  safs,  er/ählte  mir 
derselbe,  dafs  er  soeben  von  einer  Studienreise  aus  Deutschland  zu- 
rückkehre. l'!r  sei  aber  nicht  weit  über  Mamburg  hinaus  vorge- 
dmngeji.  Die  I.uft  in  den  dort  von  ihm  besuchten  X'olk.s.schuleii  sei 
.SU  verdorben  gewesen,  dais  er  es  nicht  länger  al.s  einige  Tage  aus- 
gehalten und  sich  dann  nach  Malente,  einem  kleinen  Orte  der  hol- 
-t(  Iku  Sch WL ;/,  begeben  habe.  Hier  aber  sei  (  rxmi  dem  Regen 
in  die  Traufe  gekuinnien.  In  den  Klassen  hätten  «So  Schüler  und  mehr 
gesessen  und  durch  ihre  Ausdünstungen  ihm  den  Atem  benommen. 
.Seine  Hochachtung  vor  den  deutschen  Schulen,  so  versicherte  er 
einmal  über  das  andere  sehr  crreg^t,  sei  für  immer  fLihin 

Das  mag  etwas  ül^erlrieben  sein;  aber  im  allgenieinen  dürfte 
<Ias  Urteil  zutreffen. 

2. 

Der  neue  I-intwurf  <\v<  preufsischen  Lehrerbesoldung.sge- 
set/es  scheint  wirklich  /ur  Annahme  zu  gelangen,  ntid  so  wird 
\veiiiw>Uns  dieser  Teil  der  \'« »lksschnl Verwaltung  geregelt  werden, 
ehe  this  bjule  des  Jahrhunderts  herannaht,  dessen  Anlang  den 
ersten  Versuch  zur  gesetzlicheti  Regelung  des  preufsi.schen  Schul- 
wesens sah. 

Es  war  am  lo.  Februar  i«oi,*)  als  der  Chef  des  Ol>orschul- 

kullegiums.  Minister  von  Massow,  dem  Könige  Frieciricll  Wil- 
lielm  III.  ein  Schriltstück  überreichte,  die  C»rnndlinien  zu  einer 
gesel/Iichen  und  einheitlii  hi  n  Kegelnng  »U  s  Schul W(  '^<mis  in 
l'reuls'  ii  betreffiiid.  Der  K  nng  liels  iniolL^edcssen  b'rhebnngen 
anslelieu.  da  kamen  die  Jaine  iSub  und  1.S07.  und  iler  Ivnl- 
wurf       wanderte  zu  den  Akten! 

Auf  Befehl  desselben  Königs  arljeitcte  in  den  Jahren  1817 
bis  1K19  eine  Kommission  den  Entwurf  eines  allgemeinen  Unter- 
richtsgesetzes  aus;  es  wurde«  darüber  bereits  A'erhandlungeu  mit 
den  Provin/ialregierungen  gepflogen  ;  aber  <lie  hereinbrechende 
Reaktion  der  zwanziger  Jahre  machte  die  Arbeit  .stocken,  und 
der  Entwurf       wanderte  /.u  den  Akten  I 

'1        L.  Clansnitzer,  (»eschiehte  des  preufsischen  rnterrichts- 

gesctzes. 


r 

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2S0  •lohuiiiirii  Mpyar.  . 

Unter  Friedrich  Wilhelm  IV.  suchte  der  Minister  Eichhorn 
das  Ziel  auf  deni  We^e  provinzieller  Gesetzgebung  zu  erreichen. 
vSclinii  war  iJ^|5  die  Schulordinmg  für  die  Provinz  Preiifsen 
sanktioniert,  schon  war  die  königliche  (ienclnniv,aini;  erteilt,  die 
Entwürfe  für  die  übrigen  siL*])eii  IMovin/uii  den  bclrcffenden 
Provinziallandtageu  vorzulegen:  da  ijrachen  die  Wogen  von  1^548 
herein,  nnd  die  sieben  Entwürfe  —  wanderten  zu  den  Akten! 

Auf  gnind  des  Art  26  der  revidierten  Verfas<$ung  vom  Jahre 
1850  stellte  der  Minister  v.  Ladenberg  nach  eingehenden  Kon- 
ferenzen mit  vSach verständigen  in  demselben  Jahre  einen  ünter- 
richtsgesetzentwurf  auf.  Das  Werk  schien  endlich  zu  gelingen : 
da  kam  Herr  v.  Manteuffel  und  die  Reaktion,  und  der  Laden- 
bergschc  Entwurf       wanderte  zu  den  Akten  I 

Herr  v.  Bethnianii  Hullweg  begann  unter  König  Wilhebn  1. 
die  Sisyphusarbeit  von  neuem;  nur  mit  Mübe  umsegelte' sein 
Entwurf  die  Klippen  im  Staatsministerium.  Als  aber  der  Militär- 
konflikt  ausbrach  und  die  neue  Aera  1862  den  Weg  alles  Fleisches 
ging  —  da  wanderte  auch  mit  ihr  der  Ivntwurf  zu  den  Akten! 

Die  neue  Ordnung  der  Diu jj:e  nach  i.S6^  drängte  auch  Herrn 
V.  Mühler  zu  geset/,t]:eberischen  Thaten.  Nachdem  er  1S67  und 
iS(.s  mit  S])ezial;;c'set/Ln  Fiasko  gemacht  liatte,  trat  er  i  STxj 
mit  einem  vullstänthgen  L'nlerrielitsgesetze  in  ilie  pai  iamentarische 
Arena  Das  Werk,  das  seinen  Meister,  wenn  auch  nicht  lobte, 
so  doch  kennzeichnete,  wurde  schon  in  den  Kommissionsverhand- 
lungen als  Totgeburt  behandelt;  die  Session  w^ard  geschlossen, 
und  (1  r  Tjitwurf  —  wanderte  zu  den  .Akten. 

Die  Acra  Falk  in  den  siebziger  Jaliivii  blieb  schon  in  den 
\'orarbeiten  zti  einem  umfassenden  l'nterrichtsgesct/e  stecken. 
Und  wie  es  dann  den  ]{nt würfen  von  (rofsler  inul  Zedlitz  er- 
gangen iuil,  das  lebt  ja  noch  in  aller  Frinnerung. 

Gebrannte  Kinder  scheuen  das  Feuer!  Die  heifsen  Kämpfe 
um  die  prinzipiellen  Fragen,  die  hei  einem  allgemeinen  L^nter- 
richtsge5Wtze  zum  Austrage  kommen  mfissen,  wagt  heute  niemand 
zu  erneuern,  und  nun  sucht  man  auf  dein  Wege  der  vSpezialge- 
setzgebung  wenigstens  die  dringendsten  Bedürfnisse  zu  befriedigen. 

So  ist  schon  flas  Fensionswesen  d<  r  \'o1k<^chullehrer  geregelt. 
nn<1  so  hofft  man  durch  den  neuen  F^ntwurt  nun  auch  ihr  Dienst- 
einkonnnen  gesetzlich  zu  fundieren. 

Freilich  zu  grofsen  Jul)elliymnen  gelKni  die  Bestimmungen 
des  Gesetzes  keinen  Anlafs;  900  M.  Grundgehalt  und  720  M. 
Alterszulagen  in  31  Dienstjabren  nebst  freier  Wohnung  oder 
Wohntingsentschädigung  ist  auch  in  den  billigsten  Orten  kaum 
atisreiHuMid,  um  damit  auch  nur  die  allerdringendsten  Bedürf- 
nisse rimr  Familie  /ii  bc^treit(*n.  Offenbar  war  aber  für  jetzt 
niclil  mein  zu  eneiclien,  und  so  müssen  die  Lehrer  das  (ie?>elz 
nelinicu.  wie  es  ist.  Fs  schafft  wenigstens  endlich  für  die  Be- 
soldung eine  gesetzliche  Grundlage  und  eiueu  festen  Rahmen, 


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PXd«tii|(i>rh«  rmsrhaii.  28 1 


der  später  weiter  ausgebaut  werden  kann,  wenn  auch  in  Preufsen 
die  Kti  Uli  rauf  gaben  nicht  mehr  leiden. 

Der  gröfste  Stein  des  Anstofses  in  dem  Kutwurfc  i^t  die 
Bestimmung,  dafs  den  grofsen  Städten  die  Staatsbeiträge  tortan 
nur  bis  zu  25  Schulstellen  tjezahlt  werden  sollen;  auch  die 
Flickarbeit  der  Kommission  hat  in  diesem  Punkte  wenig:  ge- 
bessert Nicht  nur  für  die  gröfseren  Städte,  sondern  auch  für 
die  ganze  EntwickeUing  unseres  Schulwesens  hat  diese  geplante 
Wrscliiehimi;  dtr  Srhnll;Klen  ihre  ernste  Bedeutung:.  Nun 
wird  dem  in  reichen  Slatllkniumnncn  vielfach  betriebenen  Luxus 
auf  dem  Gebiete  der  Volks>chiilen  einigermalsen  gesleucil  .  rief 
nach  der  Veröffentlichung  des  Entwurfes  die  Konservative 
Korresp.«^  triumphierend  aus;  nebenbei  bemerkt,  spricht  sich  in 
diesem  Worte  wieder  einmal  die  ganze  Bildungsfeindlichkeit  des 
waschechten  Konserx^atismus  aus.  Wir  haben  manche  städtische 
Volksschule  kennen  gelernt,  von  Luxus  aber  auch  nicht  die 
Spur  gefunden.  Aber  darin  hat  die  Kons.  Korresp.  recht, 
sollten  die^e  Restimnuiugen  der  \'()rla«;c  Gesetzeskraft  erlanc^en, 
so  kann  liii  Stillstand  auf  (Km  Gehiele  des  stä(Ui>eheu  Schul- 
wesens nicht  ausbleiben;  denn  »Sunnueu,  wie  sie  hier  genoiiuueii 
werden,  fallen  in  dem  Haushalte  jeder  SCadt  schwer  ins  Ge- 
wicht, besonders  dort,  wo  eine  starke  Pabrikbevölkerung  eine 
geringe  Steuerkraft  bedingt.  Der  nachhaltige  Unwille,  der  sich 
notgedrungen  den  grofsen  Kommunen  bemächtigen  niufs.  wird 
sich  aber  nicht  nur  auf  das  städtische,  sondern  auf  unser  ge- 
samtes Schulwesen  wie  ein  Meltau  legen;  denn  die  grofsen 
Koiuniuneu  sind  es  doch  von  jeher  gewesen,  die  auf  «letn  Cie- 
biete  des  \'olkh.?>chul Wesens  vorbildlich,  aneilernd  und  anspornend 
gewirkt  habeu.  Oder  .sollte  im  Kruste  jemand  glauben,  dafs 
nun  die  kulturell  rfickstätidigen  kleineren  Orte  die  Schul-Vor- 
bilder  des  Staates  werden  wollen  oder  können  ?  Werden  darum 
diese  Bestimmungen  nicht  noch  in  letzter  Stunde  geändert,  so 
geht  unser  Volksschulwesen  einer  trüben  Zukunft  entgegen. 

Das  preufsische  \'olksschulgesetz.  und  sei  es  auch  nur  ein 
'I\  il  'k-^^elben,  '^cheint  das  eigentümliche  (beschick  zu  haben, 
ilal.s  sich  stets  dieCieister  au  ihm  scheiden  müssen.  Wegen  der 
ungleichmäfsigen  Belastung  von  Stadt  und  Land  werden  wahr- 
scheinlich die  liberalen  Parteien,  die  doch  stets  noch  am  meisten 
für  die  Lehrer  eingetreten  sind,  das  Gesetz  ablehnen,  während 
die  Con5er\ eil  un<l  das  Centrum  es  zur  Annahme  iiringen 
werden.     .Linker  llau<l  rechter  Hand        alles  vertauscht!' 

Auch  in  den  Lehrerkreiseu  hat  der  luitwurf  manche  Kr- 
scheiuungen  zu  Taiji^c  gefortlert,  über  die  flcr  Ht  richu  rstatter 
lieber  stillschweigend  hinwegginge.  W'elciic  I)iscipiiül()>i>;keil  niufs 
doch  in  unserem  Stande  herrschen,  dals  dem  Abgeordnetenhause 
eine  solche  Unmenge  von  Einzelpetitionen  zugeheu  konnten,  dtesich 

Vmm  BaImmi  (Picteffofffum)  VIL  b. 


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noch  dazu  oft  w  idcrspreclieii  I  Ich  iiir»chle  blols  wissen,  wozu 
wir  unseren  Laudeslehrer\ereiu  haben,  wenn  jeder  auf  eigene 
Faust  handelt  und  nach  Sonderinteressen  strebt  ?  Wie  schwierig 
die  Petenten  es  deni  Landeslehrerverein  machen,  mit  seiner  Petition 
durchzudringen»  scheinen  sie  gar  nicht  zu  ahnen.  Die  einzelnen 
Vereine  sollten  nur  das  Petitionieren  an  das  Ab^eoi  diKlmhans 
unterlassen,  wohl  aber  <;irh  mit  tlcni  Abj;cordnelen  ilirc^  Kreises 
in  \>rbindini>i  Ntt/eii  uinl  iliin  die  Ptnikle  der  (iesaiHlj)etilit)n 
aus  ihren  \'erhüUnissen  lieraus  erlvlären  und  ans  Herz  le>;en. 
Das  hiefse  praktische  Politik  treiben! 

Zu  unangenehmen  Auseinandersetzungen  in  der  Presse  hat 
insbesondere  die  Kinzelpetition  des  '  Preufs.  Rektorenvereins«  ge- 
fuhrt Es  ist  wahr,  sie  tritt  an  inatichen  Stellen  sell>sn)ewuist 
und  standesgemäfs  auf.  Aiu  li  uns  ist  insbe<oTidere  der  Nach- 
satz in  der  Bccrrfmdung.  sondern  ihm  ein  (iehalt  auszuwerfen, 
wie  es  seiner  amtlichen  und  seiner  gesellschaftlichen  Stelhinx 
euLsprichl  ,  aufgefallen.  Die  Petition  verlangt  deuigeniäl.-^  ein 
höheres  Grundgehalt,  so  dafs  auch  der  jüngste  Rektor  gehalt- 
lich höher  stehe,  als  der  älteste  Klassenlehrer.  Nach  1 5  Dienst- 
jahren als  Rektor  soll       des  Grundgehaltes  erreicht  sein. 

Es  war  zuerst  Pastor  Seyffarth.  ein  sonst  sehr  gutmütiger, 
gemächlicher  Mann,  der  über  diese  i\tition  in  heilen  Zoni  ge- 
riet und  mit  wahren  Keulenschlägeii  nber  die  Rektoren  lierfel. 
Am  deutliclisten  sagt  er  ihnen  seine  Meinung  in  toigcndyni 
Absätze : 

^Das  nieine  Herren,  ist  aber  auch  nicht  der  Weg,  auf  dem  Sie 

(  l\\  ;is  <  iieichen.  Ms  ist  der  nackte  Kgoisnnis.  der  aus  Ihrer  Petion 
.spricht.  ]a  es  ist  mehr,  es  ist  l'berhebiuij; !  W'eldie  l)esondere  ;^e.sell- 
schaftliche  Stellung  haben  Sie  denn  vor  Ihren  Herren  Kollegen  vor- 
voraua?  Ich  weifs  keine,  und  bin  doch  auch  20  Jahre  lang  einer  der 
Ihren  gewesen.  Wi.ssen  Sie  denn,  wa.«;  in  Ihrem  Verlangen  liegt? 
Das  alte  Horazische  »odi  pnijniiiun  rulj^its  <  f  mno  (ich  verab.schcuc 
das  gewöhnliche  Volk  und  halte  es  mir  fenii  ist  nichU»  gegen  Ihre 
l:rli."ii)t  nlirit.  Das  .stöfst  ab  und  nuif.s  .distofsen,  niclit  blm'^  Ihre 
Kollegen,  die  Sic  durch  eine  solche  Herabsetzung  tief  verletzen,  son- 
dern alle  edeln  Menschen.  Und  glanben  Sie,  daLs  Sie  damit  im  Ab« 
•jeordnctcnhause  JÜndruck  machen  werden?  Wenn  Ihre  Petition  in 
(1er  Konunission  überhaupt  berücksichtij^t  wird,  dann  geschieht  i  - 
gewifs  nur,  um  sie  als  ungeeignet  fürs  Plenum  zu  bezeichnen,  vnul 
Siekönnen  noch  froh  sein,  wenn  im  Plenum  von  einem  Abgeordneten 
Ihre  besondere  g-isellsrhaftlicln.  Stellung  nicht  zum  degenstaiHl 
einer  -besonderen  Berücksichtigung  gemacht  wird,  denn  diuiu  haben 
Sie  zum  Schaden  noch  die  Blamage.« 

Wir  stehen  durchaus  nicht  auf  dem  Staiulpunkte,  den  die 
Petition  des  Preufs.  Rektoren  Vereins  vertritt.  Weil  wir  deu 
Rekt(n*eu  keine  he^onderc  gest  llsrhnftliche  Repräsentationsstellung 
beizumessen  \erni(i;^en.  so  wünschen  auch  wir  keine  gesonderte 
Rektoren  Cjchalt.sskala,  .stjudern  eiuv  i'uuktion^szulage.  die  ja 
recht  anständig  bemes.sen  .«ein  könnte.  Cber  die  '/^  des  Grund- 
gehaltes nach  1 5  Dienstjahreu  erhitzen  wir  uns  allerdings  nicht; 


282 


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I*54lil|ro<forkp  rmMcbjiU. 


man  kann  die  Forderung  unbescheiden  und  bescheiden  nennen : 

»Oxor1)itaiit    ist  sie  jedenfalls  nicht. 

Kurz  und  gut,  Grund  zu  sachliclien  Auseinandersetzungen, 
ja  auch  zu  einer  kleinen  Kontroverse  ist  in  der  Petition  der 
Rektoren  entschieden  gegeben.  Aber  mit  der  Schles.  SchulzLg. 
müssen  auch  wir  bekennen:  dafs  wir  nun  mit  dnem  Male  in 
der  ^Freuls.  Schulztg.«  eine  so  unvergleichlich  scharfe  Philippika 
des  Herrn  Pastor  Seyffarth  finden  mulsten,  war  uns  über- 
raschend. Auch  uns  erscheinen  die  Kanonenschläge  gegenüber 
der  einzusclriefsenden  Wand  im  Übennafs  stark  aufgewandt  und 
einzelne  Ausdrücke  direkt  abstofsend.  so  dieser:  »Gesellschaft- 
liche Stellung!'  Schöne  Gesellschaft  das!<^) 

Die  Form  der  Seyitarthschen  Beurteilung  Ijercchtigte  die 
Angegriffenen  zu  einer  temperamentvollen  Entgegtunig,  wenn 
ihnen  eine  solche  zweckmäfsig  ersehieu.  Die  Erwiderung  des 
Rektors  Bertz,  des  Vorsitzenden  des  »Preufs.  Rektorenvereins«, 
überstieg  jedoch  wiederum  alles  Mafs.  Persönliche  hämisclie 
Angriffe  können  niemals  Sympathieen  erwecken.  Seyffarlli 
höhnend  den  qrof^cti  Pestaloz/i  Forscher < ,  den  »Pontifex^  zu 
nennen  -  ■  da^  macht  eine  S.iclic  niclit  besser. 

Der  Freuis,  Rektorenverein  war  bei  jener  Petition  entschie- 
den nicht  wohl  beraten.    In  der  Kommission  zur  Beratung 
Lehrerbesoldungsgesetzes  mifsbitligte  auch  der  Kultusminister,  dafs 
die  Rektoren  vielfach  die  Neigung  zeigten,  sich  derart,  wie  es 
hier  und  da  geschehen,  aus  dem  I,ehrerstande  herauszuheben. 

Andererseits  ist  den  Rektoren  in  dem  Charlottenburger 
Majiistrnt  ein  Ihiiulest^-enosse  entstmidcii.  In  einer  Petition  des- 
selben, unterschrieben  von  Uberbürgermeister  P'ritzsclic,  heilst  es: 

«Fast  noch  bcfrcnidliclur  sind  die  Bestimmungen  über  das  1  )ienst- 
einkommen  der  Rektoren,  die  zum  Schaden  ihrer  Autorität  geradezu 
degradiert  tind  dem  Gros  der  ihnen  untergestellten 
Lelirpt-rson  en  eingereiht  wurden.  Sie  sollen,  ungeachtet 
der  an  ihre  Ik'fähigung  zumal  in  grofsen  Geineinden  zu  stellenden 
wesentlich  höheren  .Anfftrfknini^en.  nur  als  gewöhnliche  Ivle- 
uientarlehrer  mit    Funktionszulagifn    in  Betracht  kommen.« 


')  Nachträglich  finde  ich  in  der  ♦Preufs.  Schnlzeitung»  eine  Kr- 

klärung  Seyffarths.  in  der  er  (kn  <il)i^cn   Satz  also  interpretiert; 

liier  ist  unter  dct  ( "lesellsehafl  durchaus  incht  der  Rekt(nen- 
verein  gemeint,  .soiKkiii  die ( «esellsehaft  überha;ipt.  und  dervSinn  ist; 
Wenn  in  der  tlcsellschaft  eine  .solche  Interessen jjolitik  getrieben  wird, 
wenn  je<ler  nur  das  Seine  sucht,  wenn  einer  sii  Ii  über  den  amlem 
erheben  will,  so  hört  überhaupt  da.s  gcsell.schaftliclie  liehen  auf.  l\n 
war  gar  nicht  meine  Absicht,  zu  beleidigen,  als  ich  jenes  Wort  schrieb, 
ich  wiilltc  lieiU  n.  ninl  im  irh  etwas  scharf  in  «liesen  Krebssclnulen 
einschnitt,  wenn  ich  viellciclit  auch  etwas  gesuudes  Fleisch  berührte, 
so  war  das  durch  die  Sachlage  geboten,  denn  ich  halte  den  Schaden, 
wenn  er  sich  in  der  Lehrerschaft  weiter  aiishreilete,  geradezu 
für  zerslön  n<!,  tui  t  illich  t  Jedenfalls  ist  der  C>edunke  dann  unglück- 
lich ausgedruckt  gewesen  I 


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2.S4 


Gott  behüte  uns  vor  unseren  Freunden !<'   mögen  nur  die 
Rektoren  angesichts  dieser  Lcistunj^  ausrufen.    Fast  scheint  es, 
als  ob  die  ganze  Welt  heutzutage  hochgradig  nervös  geworden  ist. 
Was  hat  nun  der  nüchterne  Beobachter  zu  diesem  häus> 

liehen  Streite  zu  sagen  ?  ]\s  mag  ja  nicht  wenig  eitle,  aufge- 
hlälit  schnarchende  vSchulpasclias  geben;  das  eine  aber  hlfst  sicli 
getrost  behaupten:  Die  Mehrzahl  !i"ilt  Iru  zu  ihrem  I'leisc]i  und 
Blut  I  Und  den  eitlen  Schulmonarclic  ii  >lclit  auch  eine  verhält- 
nisniäfsig  ebenso  grofse  Zahl  auspiuclisvoller  Lehrer  •gegenüber, 
die  sich  ungemein  schwer  jemandem  unlerordneu.  der  ihres 
gleichen  ist.  und  jedem  eine  bessere  Stellung  gönncni  nur  nicht 
ihrem  Kollegen. 

Hier  wie  da  fehlt  leider  auch  in  unserem  Stande  das  (Ge- 
fühl für  gesellschaftlichen  Takt,  die  1-irziehung  der  Kinder- 
stube :  wenn  jeder  seine  hub^idualität,  seine  Meinung,  seine 
Interessen  allein  zur  Gellung  i)ringen  will  und  in  verlel/ender 
Weise  sich  als  die  Ausgeburt  aller  W  ei sheil  hinslellt.  so  ist  kein 
harmonisches  Zusauunen wirken  möglich.  Dais  du  verdirbest, 
Israel,  ist  deine  eigene  Schuld!« 

Sollte  denn  wirklich  das  stachelichte  Poem  die  Wahrheit  sagen : 

Weil«  einer  nien^^  hlich  als  Mensel»  gefehlt, 
Wer  hat  ihn  am  ersten  sich  erwälilt 
Zu  spottender  Splitterrede 

I'nd  grinnni;.;er  Zungenfeh<le  ? 

Wer  ruft  ihm  das  Irnitcste  Schuldig  entgegen? 

Die  Herren  K  <  >  1 1  e    e  n  I 

Hat  einer  sich  käni[»len(l  herxojgelhan 
Auf  mühsam  erklommener  Khrenbahn, 
Wer  \\"v^\  es   mit  Dornenkronen 
Den  wack  ren  Streiter  zu  lohnen? 
Wen  sieht  er  voll  giftigen  Neid's  sich  regen? 
Die  Herren  Kollegen! 
Wir  können  und  wollen  es  trotzdem  und  alledem  nicht 
glauben. 

Doch  wenden  wir  uns  von  diesem  Gegenstande,  der  für 
uns  nun  abgethaii  ist,  obgleich  sicherlich  noch  Erklärungen  und 
Gegenerklärungen  in  beängstigender  Fülle  folgen  werden,  zu 
zu  einem  anderen  erfreulicher  Natur,  der  endlich  definitiv  nach 
unseren  Wünschen  geregelt  ist.  Unterm  12.  März  veröffentlichte 
nämlich  das  Armee- Verordnungsblatt <^  die  Namen  der  114 
preufsischen  Lehrersem itiare,  die  zur  AusstelUing  von  Zeug- 
nissen über  die  wissenschaftliche  Helähiguni;  tui  den  einjährig - 
freiwilligen  Militärdienst  berechtigt  suid.  Wir  wollen  uns 
die  Freude  darüber  auch  nicht  durch  die  Ben»crkung  des  Herrn 
V.  BÖtticher  verderben  lassen,  der  da  meinte,  nun  habe  die  liebe 
Seele  ja  wohl  Ruhe!  Wenn  irgend  wo,  so  war  die.se  Bemerkung 
hier  nicht  am  Platze. 


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I 


Umscliau  in  Naclibargebieten. 

Vuu  R.  Di«trioh  in  Kandern. 


I. 

Seit  ein  paar  Monaten  mlt-u  die  Zeitungen  von  der  anieri- 
kanischeti  «Monroe- Doktrin«.  Unseren  Lesern  wird  es  daher 
nicht  unlieb  sein,  wenn  wir  ihnen  jene  I^ehre  in  geschichtlicher 
Beleuchtung  vorführen  und  damit  erst  recht  verständlich  machen 

(auf  Grund  eines  Aufsatzes  von  Franz  Pätow  in  der  Gegenwart 
1S96.  Nr.  S).  Ks  ist  beg^innt  unser  Gewährsmann  noch 
itnmer  vielfach  die  Ansicht  verbreitet,  als  ob  die  aus  der  si\irc 
nannten  Monroe-Doktrin  für  die  Politik  der  \'ereinig^ten  Staaten 
von  Nordamerika  als  mafsgel>tnd  lierycleiteten  oder  herzuleiten- 
den Grundsätze  den  Beschlüssen  eines  nordamerikanischen  Kon> 
gresses  oder  besonderen  Vertragen  entspringen.  Und  doch  ist 
dies  keineswegs  der  Fall:  es  liegen  jener  Doktrin  so  wenig 
bindende  Beschlüsse  der  höchsten  Staatskörperschafteu»  als  Ver- 
trüge zu  Grunde:  sie  beruht  mir  auf  dein  Inhalt  einer  von  dem 
Präsidenten  Monroe  am  2.  Dezember  an  den  Kong^refs  er- 

lassenen, den  Charakter  einer  Thronrede  tragenden  Ik>tschaft,  in 
der  ihr  V'erfa.sser  die  dainalij^en  inneren  Verhältnisse  der  Union 
darlegt  und  die  Stellung  bezeichnet  welche  die  Union  der 
Politik  der  europäischen,  zu  einer  > Allianz'  vereinigten  Grofs- 
mächte  gegenüber  einzunehmen  habe.  •  -  Monroe  wurde  zu  seinen 
Aufserunj^en  über  den  zweite^  Punkt  hauptsächlich  veranlafst 
durch  das  ICin.Ljreifen  der  verlnlndeten  Mächte  in  die  spanischen 
Wirren.  ICr  erblickte  darin  ein  nnbcr:  Hiti«j;^tes  v^icheinnii-^cben 
fremder  Mächte  in  die  inneren  Aii^^ele^^enlieiten  eines  \  olkes.  * 
das  seine  vStaat>urdnnn>;  in  einer  den  .Vnschauungen  dieser 
Mächte  entgegenstehenden  Weise  gestalten  wollte.  Ks  handelte 
sich  um  die  Unterdrückung  freiheitlicher  Regungen  in  Spanien, 
durch  die  sich  die  europäischen  Regenten  gefährdet  glaubten. 
Da  nun  die  nordanierikanische  Union  durch  eine  Rexolution 
sich  vom  Mutterlande  lo>gelüst  und  selbständig  gemacht  hatte, 
.so  konnte  allerdings  der  junge  Staatenverband  die  Befürchtung 


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286 


nicht  unterdrücken,  dats  es  gelegentlich  den  europäischen  Mächten 

einfallen   k(3iine.    die  ihnen  durchaus  milsliebige  freiheitliche 
Schöpfuiiji  jenscit  des  Ozeans  wieder  zu  beseitigten,  indem  sie 
mit  vereinten  Kräften  an  deren  Stelle  eine  Staatsordnung;  ein- 
sel/tcti,  wie  sie  ihren  Anschauung^en  entsprach.  -    Monroe  fand 
es  dem  gej^ennhcr  ang:e/eig:t.    als  den  die  Rechte  und  Inleressen 
der  Vereinigten  Staaten  umfassenden  Grundsatz  festzuhalten,  dafs 
die  amerikanischen  Kontinente  auf  Grund  der  freien  und  unab- 
hängigen Gestaltung,  die  sie  angenommen  haben  und  aufrecht 
erhalten,  künftig^  nicht  mehr  für  Kolonisationszwecke  irgend 
einer  europäischen  Macht  in  Betracht  ge/.ogen  werden  dürfen  . 
Ferner  wird   erklärt,     dafs   wir   ieden  Wrsnch    ihrerseits  (der 
europ.  Mäclite),  ihr  System  aui  irge  nd  einen  Peil  dieser  Henns]>häre 
ül>ertragen  zu  wollen,  als  g^efahnholieiid  lür  unsern  Frieden  und 
unsere  Sicherheit  ansehen  müfsten.    Wir  haben  uns  in  die  be- 
stehenden Kolonien  oder  Niederlassungen  irgend  einer  euro- 
päischen Macht  nicht  eingemischt  und  werden  uns  auch  nicht 
einmischen.    Aber  was  die  Staaten   anbetrifft,  die  ihre  Unab- 
hängigkeit erklärt  und  sie  aufrecht  erhalten  haben,  uiul  deren 
Ihiabhängigkeit  wir   nach  reiflicher  F^rwägung  inid  «gerechten 
Grundsätzen   anerkannten,   so  können  wir  irgend  welche  iun- 
mischnng  seitens  einer  euiupiiischen  Macht,   vnn  sie  /u  initer- 
drücken  oder  um  in  irgend  einer  Weise  ihr  Geschick  zu  beein- 
flussen, von  keinem  andern  Gesiclitspunkte  aus  l^etrachteii,  als 
dafs  damit  eine  den  Vereinigten  Staaten  unfreundliche  Gesinnung 
bekundet  werden  soll«.  —  —  Als  Monroe  diese  bedeutungsvolle 
Botschaft  erliefs,  war  er  sich  wohl  hewufst,  dafs  er  uicht  nur 
der  damaligen  politi-^rhen  Fage  der  AVreinigten  Staaten  genau 
im  Sinne  ihrer  Bevöikernn.u   und  (»eset/geber   Rechnung  Uug, 
sondern  dafs  er  auch  ganz  im  Geiste  der  Vorfahren  sprach.  Fr 
verlieh   hinsichllich   der  Fluropa  gegenüber  zu  beobachtenden 
Politik  nur  den  Ansichten  einen  feierlichen  Ausdruck,  die  damals 
von  der  Allgemeinheit  gehegt  wurden,  und  von  denen  alle  bis 
dahin  zur  Präsidentschaft  berufen  gewesenen  ALänner  beseelt 
waren.    (Pätow  verweist  ii.  a.  auf  Aufserungen   Jeffersons  und 
Washingtons  i.  d.  J.  17S5  und  rjSS.)    l{s  bedurfte  also  in  der 
That  keiner  fetorliolien  gesel/'ircbenschen  Mafsregel,  um  der  Monroe- 
Doktiin  die  lU  denlung  zu  \  ei  leihen.  die  sie  für  die  \'ereiniglen 
Staaten    gewonnen    hat.    Sie   wurzelt    in    einer   Tradition,  die 
kräftiger  und  wirkungsvoller  ist,  als  irgend  eine  gesetzgeberische 
Handlung. 

Die  Monroe- Doktrin  spielt  bei  den  Amerikanern  gewisser- 
mafseu  eine  ähnliche  Rolle  wie  bei  den  Moslem  im  die  Fahne 
des  Pro]iheten.  Und  fliese  hat  ihre  Rolle  wieder  einmal  ebeTi 
erst  vor  kurzem,  und  ziemlich  lanire  gespielt,  und  heute  (März 
1896)  Wühl  noch  uicht  ausgespielt;  den  Armeuieni  gegenüber. 


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Wie  das  gekommen,  erklärt  in  der  Deutschen  Rundschau  ( 1 895  /6  V) 
H.  VamBer>-.  ein  unparteiischer  Mann,  der  Land  und  Leute 
f^nnu  kennt  schon  seit  den  Fünfzigerjahren.  Nachdem  er 
die  beiclen  Stäninie.  um  die  es  sich  hauptsächlich  handelt  — 

Arnienitr  und  Kurden  in  einer  zwölf  Seiten  utufnssenden 
'etlitio^ri'.phischcn  »Skizze  vorj^eführt.  i;clit  t;r  auf  euie  Wiit  (li^nu}; 
der  puliti  seilen  I^age  ein.  Wer  ein  von  aller  X'oieinge- 
nonimenheit  freies  Urteil  fällen  wolle,  dürfe  hetoul  trr  — 
•das  traurige  und  leidige  Verhältnis  nicht  verj^essen,  welches 
allenthalben  und  zu  allen  Zeiten  im  Verkehre  eines  sefshaften 
und  friedlichen  Volkes  mit  abenteuerlustigen,  wilden  Nomaden 
hestaiulen  hat.  und  zwischen  Kurden  itnd  Armeniern  heute  noch 
l>esteht.  Der  Kn.nk  -teilt  in  "meiner  Kultur  heute  da.  wo  er  zur 
Zeit  der  Kreuzzüge  gestanden.  Er  hat  nichts  gelernt  und  nichts 
vergessen:  all  sein  Sinnen  und  Trachten  geht  auf  das  Waffeu- 
handuerk  ;  er  dürsicL  mir  nach  (  Velegcnhcit.  im  vSchlachlgctüminel 
sich  hervorzuthun.  seine  überlegene  Kraft  zur  Geltung  zu  bringen 
und  als  Preis  seiner  Heldenthat  Hab  und  Gut  anderer  sich  an- 
zueignen. Hierzu  gesellt  sich  noch  der  t^mstand,  dafs  der 
Kurde  in  seiner  mittelalterlichen  Auffassung  die  frenidgläubigen 
und  fremduationalen  Armenier  in  einem  Lichte  betrachtet,  wie 
etwa  ein  christlicher  Feudalherr  des  Mittelalters  eine  ihm  unter- 
stehende jüdische  oder  nidhainedanische  Kolonie  betrachtet  haben 
würdt-.  Kr  halt  den  Armenier  für  seinen  Schut/.l>ef  oh  jenen  und 
Leibeigenen,  Ober  dessen  Gut  und  Blut  er  gebieten  kaim,  tmd 
den  er  eigentlich  nur  in  der  Neuzeit  mit  Waffen  in  der  Hand 
angegriffen ;  denn  friiher.  als  der  Armenier,  von  niemandem  zur 
Revolte  aufgemuntert,  sein  Loos  still  und  geduldig  ertrug, 
kamen  Kriege  und  Metzeleien  zwischen  Armeniern  und  Kurden 
äulserst  selten  vor :  ja  die  (»eschichte  hat  dtrcTi  im  Laufe  der 
vergangenen  fünf  Jahrhunderte  kaum  luwähnung  gcthan  Frei- 
lich sind  die  Zustände  unhaltbar;  aber  was  thun  ?  Die  Ent- 
waffnung und  Ansiedelung  der  Kurden  wäre  eine  so  riesige, 
soviel  Zeit  und  Geld  erheischende  Aufgabe,  dafs  nicht  nur  die 
Türkei,  sondern  selbst  das  mächtige  Rufsland  ihr  kaum  ge- 
wachsen wäre.  Fs  handelt  sich  um  die  Bezähmung  von  ändert' 
halb  Millionen  Kurden,  die  in  einem  schwer  zugänglichen  Ge- 
biri^'^lnud  hausen,  dir  (  ine  Obrigkeit  nie  gekannt  (oder  anerkannt), 
und  die  ^v'ü  Jahrtan isden  mit  bewaffneter  Hand  jedem  ICroberer 
widerstatidcu.  Die  Türkei  ist  sich  dieser  Schwierigkeiten  ^()llauf 
bewufst.  und  im  besten  Falle  konnte  sie  nur  einen  fno(lu.<  rhtmU 
anstreben.  So  lange  Freundeshände  von  aufsen  her  in  die 
inneren  Angelegenheiten  des  Landes  sich  nicht  gemischt,  so 
lange  christliche  Apostel  in  die  kurdischen  Berge  mit  der  Hibel 
Hals  und  Zwietracht  nicht  getragen  und  man  in  uusern  Haupt- 
städten antitürkischen  revolutionären  Comites  nicht  Vorschub 


R.  Dietrich. 


I 


geleistet,  so  lange  konnten  Unruhen  und  Gewaltthätigkeiten 
nach  Thunlichkeit  vennieden  und  der  Zwiespalt  gemildert  werden. 
Jene  revolutionären  Cnmitt's*  tragen  die  Hauptschuld  an  den 
bekannten  Greuelscenen.  Ihre  Agitation  hat  bewirkt,  dafs  während 
früher  den  Armeniern  nur  die  Kurden  als  die  alten  Kr/leindc 
gegenüberstanden,  nun  zu  diesen  die  gan/.c  niosleniische  Be- 
völkerung —  es  kommen  auf  einen  Ämienier  nngefähr  fünf 
Mohamedaner!  —  sich  gesellt  und  ganz  Anatolien  in  Flammen 
geraten  ist  Religionsfanatisiiuis,  und  besonders  asiatischer 
Fanatismus  ist  ein  Funke,  mit  dem  man  nicht  spielen  darf, 
und  jetzt,  da  es  an  allen  l'cken  brennt,  erheben  gewisse  Kreise 
ein  Zetergeschrei  ob  des  Fciurs  da<  sie  selbst  nngefacht.  und 
wollen  den  schläfrigen  und  indulculcii  Türken  lür  .dies  verant- 
wortlich machen  I  .  .  .  Die  orientalische  Frage  ist  im  Grunde 
genommen  nicht  so  sehr  eine  politische  als  eine  kulturgeschicht- 
liche Frage,  deren  Lösung  dem  Abendlande  nur  deshalb  solch 
aufserordentliche  Schwierigkeiten  l>ereitet.  weil  wir  Dinge  übers 
Knie  brechen  wollen,  die  vor  allem  Nachsicht  und  Geduld  er- 
liei>cheii.  und  weil  wir  »^o  leirht  wrgessen,  wieviel  Zeit.  Aus- 
dauer und  K:un]>tr  un-'e!  eii.^eiie--  Heranreifen  beans})ruclit  liat. 
Wenn  die  tiiglisclie  INililik  wirklich  nur  die  l'.iuführung  ge- 
sunder Reformen  im  Sclulde  führt,  ohne  dabei  geheime  politische 
Ziele  m  verfolgen,  so  verdient  sie  unbedingt  die  Anerkennung 
der  gebildeten  Menschheit  Mit  dieser  That  kann  England 
erstens  einem  entsetzlichen  (europäi.schen)  Krieg  vorbeugen, 
zweitens  ein  rein  humanitäres  Werk  vollführen;  denn  wie  immer 
über  die  Kulturfähigkeit  der  Türken  geurteilt  werden  mag:  das 
eine  ist  sicher,  dafs  im  Laufe  der  letzten  vier/ii;  J.dn\  viel  ge- 
schehen ist,  das  entschieden  auf  einen  F(»tt^chritt  deutet.  .  .  . 
Nicht  auf  Bajonettspitzen  dargereichte  Rdorniplänt:,  sondern  iu 
redlicher  Absicht  erteilte,  den  ethischen,  religiösen  und  gesell- 
schaftlichen Verhältnissen  Rechnung  tragende  Rathschläge  könnten 
allein  die  Türkei  vor  dem  gänzlichen  Untergange  und  uns  vor 
den  Greueln  eines  Weltkrieges  retten. 

Kine  wesentliche  Bedingung  für  eine  gedeihliche  Kntwick- 
iung  des  wirtscii.it  Iii  eilen  Zu.>amnieiilel)eiis  ist  das  Sichfinden 
derer,  die  wechselseitig  einander  bedürfen,  ist  vor  allem  ein  gut 
geordneter  Arbeitsmarkt  Wie  ein  solcher  geschaffen  werden 
könnte  —  zur  Zeit  fehlt  er  noch  in  Deutschland,  wie  in  allen 
allen  anderen  Grols  und  Mitlelstaateu  ^eigt  Oberlandesge- 
rirlitsrat  Schmölder  in  den  l'reufs.  Jahrbüchern  (iSc)6.  I).  Zu- 
näelist  untersucht  er  das,  was  ist.  und  findet  de^in,  dafs  es  nn 
j^eiiügend,  ja  tei!\\>  i^r  «^ehädlieh  i^t:  die  l'ni'-i-haii  (di*.  ]Hrs>'>n- 
liche  Anlrage   wantlenider  Arbciler   bei   den  Arbeitgebern;  hat 


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aufgeliurt,  ein  j^eeiRiietcs  Marktmittel  zu  sein,  und  die  Faktoren, 
weiche  in  die  Lücke,  bunt  und  wild  nel)eneinan(ler,  eingetreten 
'iind.  verfolgen   fremde,  dem  Wesen   des  Ar1)cilsinarktes  wider- 
sprechende Nebeninteressen.    Die  StellenvLrinittler  wollen  die 
Marktgänger  atisplündern.  Die  \V()hltliatigktit> vereine  wollen  Al- 
mosen austeilen.    Die  Arbeiter-  und  Arbeitgebcrverbäude  machen 
aus  dem  Ar1>eitsnachweis  ein  politisches  oder  sozialpolitisches 
Machtmittel.    Für  den  Arbeitsmarkt  nun,  wie  ihn  Schmölder 
wünscht,  giebt  es  schon  seit  dem  Dezember  1892  ein  Vorbild: 
in   (km    Kleinstaate  Luxemburg.    Nach  diesem  Vorbild  ist 
Schmölders  Anleitung  ausgearbeitet,  von  der  wir  hier  nur  die 
Hmiptsät/e  nn'ttcil  n  können  :  Der  in  Deut>chland  /.u  errichtende 
Ari>eil>iii.nkl  niuts  .^icli  auf  die  Hilduiii;  eines  Mittel])unkti'v  Ix^-- 
schränken,  in  welchem  sämtliche  Arbeitgeber  und  Arbeilueiuner 
einander  mit  grofser  I«eichtigkeit  finden  können.  Er  hat  daher 
zu  verzichten  auf  jedes  Erteilen  von  Auskünften  und  Zuweisen 
von  Arbeitskräften»  vielmehr  den  Marktgätigem  das  Sichver- 
ständigen ganz  und  gar  zu  überlassen.    Die  Verwaltung  des 
Arbeitsmarktes  ist  der  Knis.  Post-  und  Telegraphenbeliörde  zu 
unterstellen    (die    sich    freilich    zuvor    der    Mitwirkung  der 
bayrischen  und  würlleinherj^ischen  versichern  mü(ste).    Diese  Zu- 
teihini;  dürlle  aus   sachliciicn  Gründen   als   durchaus  gerecht- 
fertigt erscheinen.  (Das  Postressort  umspannt  mit  .seinen  Amtern 
und  Org^anen,  wie  kein  anderes,  das  ganze  Reich  bis  hinein  in 
alle  Dörfer  und  entlegenen  Winkel ;  dabei  ist  es  derjenige  Faktor, 
welcher  /wi^clien  all  diesen  Dörfern,  Winkeln  und  den  Städten 
\'erbindung  herzustellen  hat.)   Die  Arbeitslisten  betrachtet  Schm. 
nl<    rh'e  gegel>enen  Institute     eines  jeden   staatlichen  Arbeits- 
marktes;  e*^  bestehen    örtliche  und  allgemeine  (d.  h.   das  ganze 
Reich  umspannende)  Listen,   (t'ber  die  Kinriehlung  dieser  Li.>^len 
im  einzelnen  entscheiden  die  Bedürfnisse  und  Erfahrungen).  Die 
Anmeldungen  der  Arbeitgeber  und  diejenigen  der  Arbeitnehmer 
sind  in  den  Listen  getrennt  zu  halten.    Die  Eintragungen  er- 
folgen nach  fortlaufenden  Nummern  auf  Grund  der  Anmeldun  ge  n, 
die  schriftlich  oder  mündlich  gemacht  werden  können.  Alltag 
lieh  am  Schlüsse   der  Geschäftsstunden    sind    die  Arbcitslisten 
zu  ergän/cii   oder  zu    berichtigen,    hieraut    nach    liedürlnis  zu 
vervielfältigen  unti   dann   aus/uhängen.    -  Die  Zentralstelle  in 
Berlin  erhält  eine  neue,  ausschliefslich  dem  Arbeitsmarkte  die- 
nende Abteilung.    Diese  erläfst  die  den  Arbeitsmarkt  betreffen- 
den Instruktionen,  verwaltet  die  allgemeinen  Arbeitslisten,  ver- 
arbeitet die  sämtlichen  örtlichen  Arbeitslisten  halbmonatlich  zu 
einer  T'bersicht  über  die  Gesamtlage  des  Arbeitsmarktes.  Diese 
Übersichten,  mit  den  Schlüssen,  die  sich  ans  üincn  ziehen  lassen, 
werden  m  einem  l>ei  allen  Postämtern  auszuhängenden  Blatte  ver- 
öflentlichl. 


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290 


Das  sind  -  wie  «gesagt  —  nur  die  Haii])llxhtiiiiimin>;cn  in 
Schmöldcrs  Kntwurf.  Dieser  enthält  selbstverständlich  anch  die 
verschiedenen  \'erkehrs\  orschriften  mit  Krläuterunicen,  zei»;t  die 
Vorteile  der  KinrichuiuL;  im  einzelnen  und  j^an/en.  vernn^chnn- 
licht  besonders  den  grofsen  praktischen  Wert,  die  \veitj;ehenden 
Wirkungen  der  Arbeiten  in  der  Zentralstelle.  Schmölder  erörtert 
femer  die  Erleichterungen  und  Vergünstigungen,  welche  den 
Arbeitsuchenden  (auch  seitens  der  Kisenbahnvenvaltungen)  ge- 
währt werden  können,  und  entkräftet  zwei  Einwände.  Sämtliche 
Kosten,  saj^t  er.  wurd».  n  die  Postjjebilhreu  in  reichlichem  Mafse 
decken  .  Als  Verkehrsmittel  sollen  nämiich  verschiedenerlei 
Postkarten  mit  \'ordrnck  u.  15.  für  Anmeldunii^en.  oder  für 
(iesuche  um  Znsenthing  von  Arbeitslisten  l>eliel>iger  Orte)  ein- 
geführt werden,  und  die  Gebühr  einer  Anmeldungskarte  könnte, 
meint  Schni.,  für  Arbeiter  10,  für  Arbeitgeber  bis  auf  50  Pfg. 
betragen. 


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Neuere   Erscheinungen   auf  dem 
Gebiete  des  ZeichenixnterricJits. 

Von  P«il  Stade  in  Sondershausen. 


1.  Anweisungen  filr  den  Unterriebt. 

Franz  Hertel,  Der  Zeichenunterricht  iu  der  V  olksschule  als 
individualisierender  Klossenunterricht.  KrsterTeil.  Gera.  Theodor 
Holfmann.  3.50  M. 

l\in  neuer.  ei>renarti|^(  r  Wcu  ,  auf  dem  der  Verfasser  /um  Ziele 
strebt.  Im  allj^emcinen  auf  die  bekannten  Ansichten  Flinzers  bauend, 
verwendet  er  dns  I'al/l  latt  zur  Kr/.eug^unjj  von  vorbildlicbtn  I'ornun 
und  führt  dauut  tMti  I-ilement  für  die  sclbständiirt.-  I'rfimlunjj^  von 
Seiten  des  Kindes  in  den  rnlerricht  ein.  das  viel  (in  sich  hat. 

Von  dem  Stoffe  für  den  Unterricht  verlanj?!  Hertel,  dafs  er  so 
einfach  als  möglich  sei.  und  dafs  er  aus  mrklichen  Dingen  bestehe. 
Kr  verwirft  daher  fertige  Vorzeichnungen.  Wandtafeln,  überhaupt 
streng  ornamentale  Bildungen  gänzlich  und  verlangt  an  deren  Stelle 
grein)are  Sachen,  aus  denen  sich  das  Kind  selb.st  seine  Formen  her- 
stellen st»ll  Zttirleich  mufs  nher  auch  dii  si  r  Stoff  dt  t  rni;rebunjf  des 
Kin<k>  LiilnciiiiiKn  werden  und  so  beschaffen  sein,  (iafs  er  sich  bei 
jfleicher  Aufgal>c  iluch  wiederum  der  sehr  verschiedenen  Befähigung 
der  Scliüler  anpassen  läJ.st. 

Etwas  eigentümlich  mutet  nun  allerdings  das  neue  Lehrmittel 
an,  das  in  nichts  anderm  als  in  farbigem  Papier  besteht  Demselben 
wird  zunächst  eine  geometrische  Grundform  (  Dreieck,  Quadrat,  Sechs- 
eck. Achteck)  gegeben,  aus  der  dann  teils  durch  Brechen,  teils  durch 
Aussv  ImLiden  verschiedene  ande  re  l'\>rmen  frebildet  werden,  die  als 
Vorl)ilder  für  dii  ]  )ar.slellunj;  /.n  dienen  haben. 

Papier  und  Scheere  brinjjen  die  Kinder  /.ur  Stunde  mit  und 
schaffen  sich  nach  Anleitung?  ihre  F'onnen  selbst.  Das  ist  im  Prinzip 
^ar  nicht  übel,  und  die  beigegebenen  Blätter  zeigen  von  solchen 
Formen  eine  erstaunlich  reiche  Auswahl,  die  im  allgemeinen  einen 
guten  Eindruck  macht,  in  vielen  Beispielen  aber  auch  als  zu  weit 
gehend,  ja  stellenweise  sogar  als  geradezu  geschmacklos  bezeichnet 
werden  muls. 


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292 


PauI  Riad*. 


Viel,  >s«hr  viel  (»tites  enthält  dieser  neue  Lehrgang-  grnz  gewifs, 
und  recht  vorteilhaft  stiebt  er  von  den  öden  Omanu  :t  atnmlunjren 
ab,  <lie  man  cfewohnlich  I.chrgän^^c  nennt;  /w  befürc  .ten  ist  aber 
docb,  (lafs  diese  tinseitifje  Betonnnji  des  Kakens  /n  weit  .crebt. 

lunen  weniger  Junten  Kindniek  niaelieti  die  luf  den  allj^^enieinen 
Teil  fol^^enden  Darstellungen  aus  dem  rnterriciiLe.  Der  Verfasser 
läfst.  bevor  die  Schüler  an  das  Zeichnen  gelaniien,  eine  —  unsre» 
Krachlens  —  ermüdende  Reihe  von  geometrischen  Besprechungen 
vorausgehen  und  steht  wenn  nun  endlich  das  Zeichnen  beginnt,  bei 
recht  veralteten  Ansicblen.  Die  Herstellung  der  Fiirnren  erfolgt  xu 
weni^  auf  spekulativem  Wej^e.  Wijikelteilun^en  /.  P..  die  für  ein  ver- 
ständi.:ts  Xeicbnen  eine  unerlafsHche  Bedingung  sind,  scheint  der 
\'erf.is<er  .u.in/licb  zu  vermeiden. 

Das  ist  aber  um  so  melir  /u  verwundern,  als  das  Falten  docli 
zum  weitaus  gröfsten  Teile  durch  VVtnkelteilung  geschieht,  beziehent* 
lieh  solche  her>-ormft,  und  gerade  hierin  ein  grofser  Vorzug  des  neuen 
Lehrmittels  besteht. 

Immerhin  aber  ist  viel  (hites  in  diesem  \  crsucbe.  welcher  der 
Beacbtung  unserer  I.eser  ;ni;^elei;enllicb  empfoblen  sein  soll. 
Th.  A.  Williif.   Semiuarlehrer  in  Humberg,    Kurze   nu  tlu>discbe 

Anweisung  f  ü  r  d  e  n  Z  e  i  c  h  e  u  u  n  t  e  r  r  i  c  Ii  l.  Breslau,  Ferdinaud 

Hirt,    o.-s;  M. 

Wieder  eines  der  vielen  Werke,  die  sich  leider  anf  Hefte  mit 
vorgednickten  Aulgaben  stützen.  Dieser  traurige  Notbehelf  sollte  doch 
endlich  aus  unsem  Schulen  gänzlich  verschwinden;  das  zähe  Fest- 
halten an  ihm  läfst  eben  nur  die  eine  Deutung  zu.  dafs  an  den  Semi- 
naren immer  iioch  nicht  genug  geschieht,  um  die  1. ehrer  mit  dem 
Zeichenunterricht  vertraut  zu  m.nclun  l's  ist  ein  schwieriges  l'ach. 
geracU  deshalb  aber,  und  weil  es  übeiliaupl  keinen  rnterricht  mehr 
oline  bildliche  Darstellung  geben  .•sollte,  uiüiste  im  Seminare  lieson- 
ders  dafür  gesorgt  werden.  Fachlehrer,  das  ist  der  Ruf,  der  immer 
wieder  erhoben  werden  müfste:  dann  würden  auch  bald  die  leidigen 
Hefte  mit  vorgedruckten  Aufgaben  verschwinden.  Der  Lehrer,  weldier 
das  Zeichnen  und  .seine  Methode  beherrschen  gelernt  hat.  wird  sich 
schwerlich  auf  das  geisttötende  Nacharbeiten  dieser  Hefte  einlassen, 
die  einen  höclist  verderblichen  Fanfluf'^  ans/nüben  vermögen. 

Die  traurige  Notwendigkeit  zugej^el >eii.  isi  das  \  orliegeude  Hüch 
lein  allerdings  für  die  Anfänge  des  rutcrrieliles  kein  .sehlechter  Leit- 
faden, aber  eben  auch  nur  für  die  ersten  Zeichenjahre;  denn  die  An- 
sichten des  Verfassers  über  das  lvör|>erzeichnen  sind  mehr  als  be- 
denklich. Selbst  den  Schülern  höherer  Lehranstalten  redet  man  auf 
dieser  Stufe  nirlii  vom  Augenpunkt,  \  erschwindungsjjnnkt  usw. 
und  zwar  einfaeli  iK  sli  iü)  nicht,  weil  das  Dinge  sind,  die  sie  nich. 
zu  begreifen  vermociiteii  'A  ie  soll  dann  aber  eine  st>lchc  konstruierende 
Methode  in  der  \'olks>eiiirie  m'i'^'bc^li  <v\u 

Nun,  nu'iglicli  .schon,  diktieren  kann  uuin  auj  i*.n»le  alles;  eine 


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«93 


andere  Frage  ist  es  aber,  ob  es  auch  verstanden  wird.  Ks  gicbt  im 
ganzeil  Bereiche  des  Schulunterrichtes  kaum  etwas,  das  sich  an 
Schwierigkeit  4lür  I^hrer  und  Schüler)  mit  dem  Korpemeichnen  zu 
messen  xcnnöchte.  Wenn  also  da  nicht  sorgfältig  abgewogen.  Auf- 
ijabf  und  Krklärun^  dem  Können  des  SchiJlers  anjrci)afst  wrd,  dann 
ist  alle  Mühe  verj^eblich.  Der  hier  vorliejrende  l.ehrjjanij  für  das 
K«"irper/eichneii  ist  so  bedenklich.  <lal.s  von  einer  Befolgung  des.selben 
driniieiid  uewanit  werden  mul's. 

Fritx  Mi'iller.  Der  Zeiclieiiiinlerrichl  nach  seiner  nalurge- 
niäfsen  (iestaltungin  der  Schule.  KrsterTeil:  DasZeichnen 
nach  Stäbchen  auf  der  ITnterstufe.  Hamburg,  Konrad  Klofs.  1,50  M. 
Hin  Versuch  ihm  Zeichnen  mit  dem  ersten  Schuljahre  bereits  be- 

«jinnen  2U  lassen,  der  wirklieh  allerliebst  genannt  werden  mufs  und 

berufen  sein  dürfte,  der  entsetzlichen  Stigmographie  den  Garaus  zu 

maehLii. 

Der  VerJa.ssci  benutzt  eine  sehr  bcsehranku  daher  billi<^e  — 
Anzahl  verschieden  gestalteter  II olzstäbchcn,  nnitlcnun  er  die  Kleinen 
im  Anschlufs  an  die  Natur  Lebensformen  legen  läfst,  die  in  sehr 
netter  Weise  nachgezeichnet  werden.  Die  gesamte  Gliederung  des 
Planes,  sowie  die  methodischen  Ausführungen  sind  gut  und  zeigen 
den  klaren  zielbewufsten  Blick  des  Verfassers. 

Welche  .\nre;junji  dieses  Zeichnen  den  Schülern  bietet,  mit 
welcher  l'Vcudii^keit  sie  solche  Tbunj^en  vornehmen  möf^en,  <las  zeij^t 
aufs  deuthchste  der  dem  Hüchlein  j^ej^ebene  Anbang,  in  welchem 
eine  Mcnj^c  von  lüjrmen  abgebildet  worden  ist,  welche  die  Kinder 
selbständig  haben.  Man  kommt  aus  dem  Staunen  nicht  heraus 

über  die  .sichere  Beobachtung,  ja  den  Witz,  welchen  die  Kleinen  dabei 
entwickeln,  und  ge\^'innt  so  den  stichhaltigsten  Beweis  für  den  grofsen 
Wert  dieser  neuen  Methode. 

r'herall  da,    wo  in   den   ersten  Jahren  gezeichnet  wird,   i.st  der 
Ivintührung  dieses  Striln  lK  iizeichnens  lebhaft  das  Wort  /  '  reden. 
Ludolf  PariMius  un<l  A.  Kithlonberg.   Leitfaden  ztuu  l'reihand- 

zcichnen  I  nlei  i  icht  in  einklassigen  Volksschulen.  München. 

Oldenbourg. 

Der  l'nterricht  in  der  einklassigen  Schule  bietet  schon  im  all- 
gemeinen nicht  geringe  SctiAvierigkeiten ;  vom  Zeichenunterrichte  in 

solchen  Schulen  nuils  man  es  aber  noch  ganz  besonders  sagen. 
Dieseju  l  nisl  inde  trägt  das  vorliegende  Hüchlein  in  mustergültiger 
W  eise  Rechmiiig.  Ks  entwickelt  in  kurzer,  klarer  l'orm  eitu!!  I.ehr- 
plaii  utid  eine  <  ".lit  <k'i  uiig  des  si  hwierigen  Materiales,  die  nur  in 
hohem  Gratl  beaehleiiswert  erscheinen. 

Die  Cirundidcc,  auf  welcher  sich  der  Lehrplan  aufbaut,  ist  sehr 
gesund,  und  überall  sieht  man  deutlich,  dafs  die  Verfas.ser  die  ein- 
klassige  Schule  und  deren  Bedürinisse  aus  eigener  Erfahrung  und 
sehr  gründlich  kennen.    Dem  ll^nterricht  legen  .sie  Bücher  mit  vor 
gedruckten  Aufgaben  unter,  nnd  wenn  die.^r  Ausweg  auch  kein  be- 


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i'nul  Slaiic. 

sonders  guter  ist,  so  wissen  sie  üiu  doch  für  diese  (iattung  von 
Schulen  so  eingehend  2tt  begründen,  dafs  alle  Bedenken  dagegen 
vecstnmmen  müssen. 

Ein  Urteil  über  Stoffwahl  und  Verteilung  ist  nicht  möglich, 

weil  die  Schülerhefte  nicht  mit  vorliegen  und  der  Leitfaden  selbst 
keine  Illustrationen  hat ;  da^e^en  jjewährt  es  eine  }^rofst'  Frinide  z« 
sehen,  wie  die  \'erfasser  ihre  Abtei  hin  gen  Iwlden  ntid   ihre  jjfleich- 
/.t'iti^L-  Iksi-häfliL^ung  erläutern.    Knl.s| nicht  die  Auswahl  des  Stoffes 
den  eiilwickclttrii,  sehr  gesunden  Gedanken,  dann  dürfte  sich  die  hin- 
führung  der  Schüterhefte  gewifs  auch  lohnen.  Doch  auch  die  blofse 
Lektüre  des  Heftchens  mufs  anregend  und  fördernd  wirken. 
Verein  (Vsterreiehiseber  Zeichenlehrer  in  Wien,  Vorschläge  zu 
einer    Neugestaltung:    des    Zeichennnti  rrichtes  an 
Mittelschulen.   Zweiter  Teil.    Skizzen  der  Lehrgänge  für  die 
vier  Vinteren  Klassen  der  Realschule  nebst  Unterrichtsproben. 
Wien,  Lcvkam. 

Im  Jahre  1890  erschien  der  erste  Teil  dieser  Vorschläge,  dereine 
weitgehende  Reform  des  Unterrichtes  anregen  und  einleiten  sollte 
und  sehr  eingehend  begründete  Lehrpläne  für  die  Realschule  ent- 
hielt Diese  glücklichen  Österreicher  haben  in  jeder  Klasse  wöchent- 
lich 4  Zeichenstunden  und  können  infolgede.s.sen  ihrem  Lehrplane  eine 
Ausdehnung  und  Abrnndung  geben,  an  die  bei  un.sern  X'erhältnissen 
leider  nicht  (gedacht  werden  darf.  Trotzdem  nhcrk.nnn  innn  ein  leises 
Kopf.schütlLlii  lieiiii  l.oeii  dieser  X'orschläi^e  iiiclil  unleidiücken, 
und  zwar  nicht  deshalb,  weil  dieselben  schlecht  sind  oder  auch  nur 
ZU  weit  gehen  —  was  da  gesagt  und  gefordert  wird,  das  ist  im  all- 
gemeinen ganz  richtig  — ;  aber  die  Behandlung  des  Unterrichtes  in 
den  ersten  und  namentlich  im  allerersten  Zeichenjahre  erscheint  uns 
3EU  wissenschaftlich  und  deshalb  nicht  durchführbar. 

Das  kann  eine  Täuschung,  eine  Selbsttäuschung  sein.  Der  W  r- 
ein  selbst  hielt  eine  solche  aiirh  nicht  für  ausgeschlossen  und  Nucht 
durch  die  Darlegungen  dicsis  /wtiteii  Teiles  auftretende  Zweifel  y.u 
zerstreuen.    Das  ist  ihm  aber  doch  nicht  ganz  gelungen. 

Auch  diese  Skizzen  sind  vorzüglich  durchgearbeitet  und  gegen 
den  togischen  Aufbau,  wie  gegen  die  Hinzelausführungen  läfst  sich 
nichte  einwenden,  t7nd  doch  bleibt  der  Verdacht  bestehen,  dafs  der 
Plan  —  in  seinen  Anfängen  —  für  ein  reiferes  Alter  zugeschnitten  ist. 

Denn  weiin  auch  die  historische  l{ntuicklnng  des  Ornamentes 
noch  .so  schön  darge.stellt  ist,  so  bleibt  ^  s  doch  sehr  fra^lieli.  ob  man 
damit  den  liiileiiicht  bt  uiniu  ii  <larf.  ob  die  Schüler  dii  nsti  u  Klasse 
—  man  zählt  in  Osterreich  von  unten  --  imstande  sein  werden,  das 
ihnen  (rebotene  auch  zu  fassen.  Ja,  .selbst  ob  sie  den  an  sie  zu 
stellenden  zeichnerischen  Anforderungen  genügen  können,  wird  uns 
Femstehenden  immer  fraglich  ei^cheinen. 

Dem  Vorworte  nach  zu  schliefsen,  in  dem  gesagt  ist,  dafs  man 
von  der  geplanten  Absicht,  den  Lehrgang  durch  Schülerzeichnungen 


* 

2^ 


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zu  illustrieretT,  Abstatul  j^cnonunen  habe,  weil  es  /ii  teuer  wurde, 
handelt  es  sich  nicht  mehr  \\m  Mofse  \'orschlä^e,  sondern  um  deren 
Ausführung.  Deui^^cniäis  niuls  du'  Durcliiülirun :iuch  möglich  sein, 
und  einen  Grund  ^uui  Zweifel  giebt  es  nicht  nielir. 

Um  9o  lebhafter  ist  es  dann  aber  zu  bedauern,  dafs  die  Dar- 
.stelhing^  im  vorlies^enden  Buche  nicht  so  deutlich  geworden  ist,  dafs 
solche  Bedenken  nicht  mehr  aufkommen  können. 

Das  ist  es,  was  wir  auszusetzen  haben  ;   im  iibrigen  haben  uns 
die  X'orschläjjfe  und  die  !  <  b' uangsskizzen  sein    Mit  fallen, 
F.  Peltz,  Zeichenlehrer  in  IJreslan.  I>er  Zeicli  *.  n  u  n  ii.  i  ri  rh  t  i  n  d  e  r 
V<dks-  und  Fortbildungsschule,  nebst  X'oischlägcn  zur  Um- 
gestaltung desselben.    Breslau,  Franz  (ierlich.    60  Pfg, 
X'ergeblich  habe  ich  mir  den  Kopf  darüber  zerbrochen,  zu  welchem 
Zwecke  dieses  seltsame  Machwerk  in  den  Buchhandel  kommt.  Es 
ist      man  mag  das  Ding  besehen,  wie  man  will  —  nichts  weiter  als 
ein  sehr  konfuses  ^^emorandttm  für  die  Hand  des  Schulrates  und 
^^ag^stratrH  zu  Breslau,  um  diesen  /u  beweisen,  dafs  der  Zeichen- 
unterricht in  ihren  Schulen  noch  keineswegs  auf  der  Höhe  steht,  die 
er  einiielnncn  konnte,  wenn  ein  tikliLiger  Mann  die  Kehrkiaflc  drillte. 
Selbstverständlich  —  das  i.st  ja  de^i-  l'udels  Kern  —  weist  Herr  i'eltz 
schlagend  nach,  dafs  er  dieser  Mann  sei,  und  entrollt  I^ehrpläne,  die 
stellenweise  zu  einem  herzlichen  l^achen  reizen. 

Ob  der  Wink  mit  dem  Zaunpfahle  geholfen  hat,  weifs  ich  nicht 
Herrn  I'eltz  würde  man'»  gönnen  dürfen,  ob  aber  auch  der  guten 
Stadt  Breslau? 

(Schlufs  folgt.) 


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TSwu  Bieber  und  AaMte«. 


Neue  Bücher  und  Aufsatsce. 


II)  Bücher. 

l*>ec.  Heinr.,  Die  cxpcrimeii- 
Ulk  Psychologie.  (III,  :^I  S.)  Wies- 
baden, K.  Bchretid.  o.to  M. 

(iüttler.  Priv.-Ooc.  Dr.C.  Psycho- 
logie und  Philosophie.  Ein  W  on 
znrVerständi^iig.(34  S.)München, 
Piloly  u.  Bohle.  (*.5o  !SI. 

Haufe,  Dr.  Ewald.  Die  Krzie- 
hutig-  zur  Arbcitstöchtigkeit.  eine 
Hauptforderung  an  di».  lurxkriK 
Schitle.  (3^  S.>  Znaiiu,  i'ournicr 
u.  llabcrki.  0.40  .M. 

Just.  Dr.  Karl,  Der  ab.schlie- 
tsende  Katechismus- Unterricht,  i. 
Heft  (6S  S.)  Altenburg.  II.  A. 
Pierer.  0,90  .M. 

Langbein,  O.  Tk'trachtungen 
und  Bemerkungen  über  den  neuen 
preufsischen  Lehrplan  für  höhere* 
Mädchenschulen  in  den  Xatur- 
wis.senschaften.  (26  S.)  Neustrelitz, 
(t,  llaiucwit/.  0.75  M. 

Martin,  P.  u.  O.  Schmidt, 
Soll  die  Raumlehre  im  .\nschlufs 
an  einheitliche  Sachgebiete  be- 
handelt werden?  Hin  Begleitwort 
zur  Kaumlclire  für  Mittclsv.hiiKn 
etc.,  nach  Fonncngcmciuschaft  be- 
arbeitet. 115  S.)  Dessau,  R.  Kahle. 
0,25  M. 

Pfeifer.  W'..  Ori^anisation  und 
J. ehrplan  d.  mchi klassigen  \'olks- 
oder  Bürgerschule  nach  den  For- 
derungen der  ftegenwart. 
120  Ü.)  (lotha.  Ii.  F.  Thieneniann. 
2  M. 

Siegemund.  srimMir.,  Dr.  R.. 
Die  individuelle  und  Hu^iiale  Auf- 
grabe der  Erziehnng-  und  die  Päda- 
gogik der  Sozialdemokratie.  (298.) 
Netzschkau,  .\.  Stein.  0,50  M 

Stendel.  i'fr.,  F'rdr.,  Der  reli- 
jariöse Jugendunterricht,  lun  Hilfs- 
mittel für  die  Hand  der  Lehrer, 
auf  (irund  der  neuehten  wiäsen- 
schaftl.  Forschung,  i.  Haupttl.  2. 
Heft:  Die  christl.  Wrkünuigung 
im  N,  T.  (VHL  144  S.;  Heibronn, 
Kielniann.  M. 


b)  Aufsätze. 

.Xndreä.  Dr.  Karl.  I  ber  die 
Faulheit.  Hin  psvchologi.scher  \'er- 
snch.  ( Repertorium  der  Pädagogik 
-  61  Flui,  ICbner. 

Hruch.  V.,  Individiialitäteu- 
Hsten  oder  nicht?  (Bayr.  Lehrer- 
Ztg.  1 1  r  v )  Nürnberg,  \V  'I'hünimcl. 

Franke,  Th..  Grundlinien  zur 
Verwendung  d.  deutschen  Redens- 
arli  ii  im  Unterrichte  (F'rankfurter 
Schulztg.  6).  Frankfurt  a/M.,  Alfr. 
Neumann. 

Fritzsche.  R..  Die  (.estaltung 
der  Sy.stemstufc  im  U.tschichtS- 
unterrichte.  (l>euLsche  Iii.  f.  erz. 
Unt  9- II).  Langensalza,  Beyer 
u.  Söline. 

(iermer,  B.,  Die  Umgestaltung 
der  Bildungsziele  der  Volksschule 
nach  den  Forderungen  derdegen- 
wart.  (Leipziger  I.ehrerztg.  19.20). 
Leipzig,  <  )tto  Klennn. 

( )  p  1 )  e  r  m  a  n  n ,  F:  .,  ( )  e<  >graphischc 
Namenkunde.  (Neues  Hr.innsch\v. 
Schulblatt  3.  4).  Uraun schweig, 
Appelhans  u.  Co. 

Picker.  \.,  Die  Lehre  von  den 
usychupathischen  M  inderwertig- 
keiten.  (Rhein.-westf.  Schulztg.  2.v 
241.  .Aachen,  R.  Barth. 

Silcher,  \-.\u  l-^ortschrilt  in  der 
Methode  des  trigonometri.schcu 
Unterrichts.  (Südd.  Iii.  für  höh. 
Unterrichtsanst.31.  Stuttgart«  Paul 
Neff. 

Wilke,15dwin.  Cber Zweck,  An- 

Intrf  und  U.cbrauch  von  Sprach- 
heften in  der  Volksschule.  (Prax.  d. 
Volkssch.  2).  Halle,  Herm.Schrcklet. 

N.  N..  Die  X  erknüpfung  u.  Ver- 
webt! n  1!  (]  .V  n  terri  chts.sof  fe.  ( Schul  - 
blatl  (kl  rnniüz  Sachsen  6  — S». 
Quedlinburg.  Huch. 

N.  N.,  Das  Interesse,  eine  Trieb- 
feder des  I  nterrichtes.  (AUg.  U. 
Lehrerztg.  6).  I^ipzig,  Klinkhardt. 

N.  N..  Seminarbildiin-  11.  Semi- 
narlehrer. (Leipz.  Lehrerztg.  17.  i8>. 
Lei])zig.  Otto  Klemm. 


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Neue  Bahnen.  '^'" 

PÄDAGOGIUM. 
für  Haus-|  Sehul-  und  Gesellachafte-Erziehung. 

lieft  6.  Jum  1896.  Yll.  Jahrg. 


Uber  die  KrziehxLXiQ  und  Aus- 
bildung der  Mäddien. 

\\  i<lcr  lias  gkiclm.iunut-  Hiu  li  <ks  Dirt  klors  a.  I).  (locrtli  in  Instcrlnirg 
von  Marie  Loeper-Housselle  in  Ispnngen  (Raden  t.M 


Eine  sehr  scll^uiu'  Krsclu'ijinni;,  der  wir  in  den  letzten 
Jalirzelnitci!  nnf  (Kiu  (iebit-ie  der  Litteratur,  die  sic1i  mit 
der  liilduii.^  tlc>  wcihliclieii  ( leselileelites  l)eseliäfti«jt,  iuiiiier 
wieder  von  neneni  begegnen,  ist  die,  dals  aus  den  Kreisen 
der  Letter  tind  Lehrer  höherer  Mädchenschulen  den  Frauen 
Vorwurfe  gemacht  werden  über  die  infolge  einer  oberfläch- 
lichen Rildung  ihnen  anhaftenden  Män<^el. 

So  hat  ncuerdini^s  aneh  der  frühere  i)irektor  der  hölieren 
und  mittleren  Mädi hcnsclnik'  zw  lustci biir^;  in  ( )stprenfsen, 
Herr  (loerlli,  die  sehärfsLen  X  erurteihin^en  über  die  I*raiien 
nnd  die  nianj^elhafte  liildnnj^  des  weibHclien  (ieschk-clUes 
in  einem  umfai\<^reiehen  Werke -)  ausgesprochen.  leli  würde 
mich  jeder  öffentlichen  Meiuungsäufserimg  über  dieses  Buch 
enthalten,  wenn  ich  nicht  an  dieser  Stelle^  in  der  von  mir 
hochj^^eschatzten  Zeitschrift,  eine  Wiedergabe  der  Ansichten 
des  Herrn  Cioerth  i^cfnndo::  hritte.')  Wenn  in  einer  so  ernst 
y.u  nelnncnden  Zeitschrift  (He  Ansichten  nnd  \"erurleihm^^en 
des  Herrn  (roerth  wiedcrj^ei^eljen  werden,  olme  dafs  man  es 
für  nötiijf  l)efindet  auf  (trund  luid  l'r>.iehe  der  verurteilten 
Schäden  liin/uweisen,  also  dals  die  Leser  den  liuidruck  er- 
halten, Herr  Goerth  habe  ein  Recht,  so  »u  urteilen,  so  wäre 
schweigen  von  selten  der  l'rauen  —  Unrecht 

Zunächst  nu'ichte  ich  mir  ^cf^^enüber  den  Verurteil nnj^eu 
die  l'rage  erlauben:  Wer  hat  die  liildun«»  des  weiblichen 
Geschlechtes  bisher  fast  ausschlieishch  in  Händen  gehabt? 

')  J.citcrin  der  Zeitschrift:  Dif  Lehrerin  in  Schuk- und  Haus  .  Rcti. 
*)  Krzichiing'  nnd  AusWldunj-v  (k-r  Mädchen.    l\m  \\  t;; weiser  för 
gebikklf  Jüici  ii.  fin  kclircr  vnul  I{r/jeher.  J,eipÄijr.  Julius  Klinkliardl. 
^)  fUft  s,  Jahrtr.  \  l.  S.  ;(»;,. 

Htu*  llnbnrn  (I'üila{;ociuia>  VII.  6.  20 


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Wer  lial  aussclilicfslich  die  für  die  Ittldun^^  des  wt-ihliclieil 
(icsclileclUes  <riiltin;cii  licstiinniunj^eii  };Llr(»lfcii ?  Männer 
waren  es.  Wenn  ein  Kind  nnartii^  ist,  so  niaelit  jeder 
\  erstfiudi^e  Mensch  /.nnäcbst  den  lullern  \'or\vnrfe  darüber, 
erklärt  den  \'ater  oder  die  Mntter  oder  ))eide  als  die  Sclinl- 
digen,  indem  sie  entweder  ihre  Pflicht  versäumt  oder  nicht 
verstanden  haben,  ihr  Kind  zu  erziehen. 

Sollten  die  Männer  an  den  von  ihnen  hekla((ten  nnd 
\ernrteiltcn  Manjjeln  bei  den  Frauen  keine  Schuld  tragen? 
Sollten  sie  sich  keine  X'ersänninis  zn  selndden  halben  koiinnen 
lassen'-'  Sollten  sie  alles  hessi  r  verstanden  haben  lutrcffs 
der  lü/.iehnnj4  des  weiblichen  Cieselileehtes  als  die  l'rancn? 
—  Mir  seheint,  die  von  ihnen  den  I'Vanen  «ieniachteii  Vor- 
würfe fallen  znm  weitaus  j^rölsesten  Teil  auf  sie  selbst  zurück, 
Versätimt  haben  sie  einmal  in  erster  Reihe,  den  Frauen  den 
ihnen  ^gebührenden,  von  der  Xatur  nnd  den  bedeutendsten 
Pädagojjen  j^eforderten  Anteil  an  der  Bildung  des  weiblichen 
(Geschlechtes  ein/.männien,  xersännit  hal)en  sie.  den  Franen 
die  für  diese  ihnen  /.nkomniende  Aufgabe  die  notij^'^e  Ans- 
bildnni^  '/u  geben.  Die  bisher  gewährte  Seininarbildnn^; 
reicht  in  keiner  I'eziehnng  hin,  Lehrerinnen  heranzubilden, 
die  der  Aufgabe  gewachsen  sind,  Mädchen  zn  Ivanen  zu  er- 
ziehen, die  den  höchsten  menschlichen  Beruf  zu  erfüllen  ver- 
nidgen. 

Wir  wollen  in  unseren  Knaben  Mämier  für  die  Freiheit 

im  weitesten  Sinne  des  W(»rtes  erziehen;  bilden  wir  dazu 
in  Haus  und  Schule  tlit-  knnfti«^en  Mütter  nnserer  Söhne 
\nr?  W'\v  Männer  verlangen   b'ranen,   wilclie  unsere 

Zwecke  nielit  nur  \erstehen,  sondern  sich  zn  fK.Ten  Krreichnng 
mit  uns  verbinden;  erziehen  wir  dazu  in  Hans  und  Schule 
die  notigen  Franen —  --  »Wir  haben  keine  rechten 
Franen,  weil  wir  keine  rechten  Manner  haben,  nnd  wir 
haben  keine  rechten  Manner,  weil  wir  keine  rechten 
Mütter  haben  . 

So  fragt  und  klagt  Di  es  ter  w  e  i,»^  in  dem  Vorwort,  das 
er  zu  dem  Werk  einer  I'ran  geschrieben  liat. 

Herr  Nehry  meint  mit  Herrn  (loertb,  die  Mängel,  die 
man  beiden  höheren  Töchtern  tadelt,  hat  nie  die  Schule 
verschuldet,  die  fallen  stets  den  Eltern  zur  Last'.  -  Wer 
hat  denn  die  Eltern  erzogen  und  gebildet?  Waren  es  nicht 
Männer?!  I  ihI  ferner  behauptet  Herr  Nelm*  mit  Herrn 
(ioerth  an  derselben  Stelle:  Wenn  einzelne  von  Lehrerinnen 
geleitete  Si  lnilen  nnrli  der  I^itelkeit  nnd  dem  lugensinn  der 
verwöhnten  Zierpnppchen  aus  den  reicheren  Familien  \\>r- 
schnb  leisten  mögen,  so  hat  jedenfalls  niemand  ( irnnd,  einen 
Mangel  an    fester  Schnlzncht  den    von  Männern  üelciletcn 


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C'ltpr  <Im'  Kiv.irliuui;  uini  Au-^UiMuii^  «Icr  ,M«<lt  lu-ii.  ^\f^J 


öfk'iitlichcil  Sciulleii  aiiiV.ubiirtlfii  .  W'aiiini  deuu  luiu  gleich 
wieder  verangemeiiierii^  was  einzelne  verschuldet,  und 
warum  denn  nur  wieder  allein  den  Frauen  als  solchen  eine 

Schuld  aufbürden,  die  gewifs  eben  so  viele  Männer  auf  sich 
geladen  haben?  Ist  die  leitende  Person  einer  Schule  j^e- 
wissciiliafl.  charakterfest  und  für  ihre  Stelhin<^  nach  allen 
RichtuiiucM  liin  befähio^t,  dann  wird  sie,  snviel  es  in  der 
Schule  iiTM^Hch,  den  beklao^ten  Män<^eln  vor/iibeuj^en  suchen, 
ganz  gleich,  ob  sie  Manu  «nlcr  Frau  ist;  die  Frau  aoer  svird 
bei  den  Mädchen  sicherer  vorbeugen  können  als  der  Mann, 
da  sie  mit  den  Eigentümlichkeiten  ihres  Geschlechtes  ver- 
trauter ist  als  der  Mann. 

Ich  kenne  Frauen,  die  im  Hause  so  gut  wie  gar  keine 
lu/.ichnu«»  erhielten,  s(»ndern  die  ihre  i^an/e  Krziehun^  und 
Ausbildung'  einer  vSchulleiterin  und  f.ehrerinuen  verdanken 
und  die  \  uiireillicii  ihren  I'»ernf  als  Hausfrau  und  Mutter 
ausfüllen,  l'nd  anderseits  kenne  ich  recht  viele  Frauen,  die 
aus  Schulen,  von  thatkräftigen  Männern  geleitet,  hervor- 
gegangen sind,  und  die  mit  all  den  Mangeln  behaftet  sind, 
die  Herr  lioerth  dem  weiblichen  Geschlecht  zum  V^orwurf 
macht  So  bin  ich  auch  genötigt  zu  glauben,  dafs  die  aus 
Herrn  (»oerths  vSchule  hervor<je^an,oenen  Frauen  nicht  ledig 
der  Mängel  sind,  die  er  und  mit  Recht  so  scharf  tadelt, 
<lenn  seine  Iieisj)iele  hat  er  doch  sicher  seiner  iiächsten  und 
näheren  Umgebung  entnommen,  und  in  derselben  leben  doch 
viel  Frauen,  die  er  unter  seiner  Schulzucht  gehabt  hat. 

«Es  fehlt  dem  Schulunterricht  der  Mädchenschullehrer 
häufig  an  der  rechten  KLraft,  und  darum  den  Mädchen  an 
Intelligenz  und  Verstandesreife.  Eine  .spielerische  Auffassung 
der  Mädchen-  imd  Frauen-Xatin-  findet  man  auch  bei  vielen 
Lehrern.  I>ie  \'erstandesent\vickelnng,  meinen  sie,  entferne 
das  (lemiuliche,  Zarte,  Weibliche,  Liebenswnrdii^e.  Selbst 
vor  klaren,  bestimmten  Hej;riflen  und  präciser  mündlicher 
Darstellung  haben  sie  eine  .\rt  Scheu.  Sie  machen  sich  breit 
mit  den  Unterschieden,  die  angeblich  zwischen  dem  Unter- 
richt der  Knaben  und  der  Mädchen  mafsgebend  sein  .sollen. 
Sie  sagen,  dafs,  w.'iln  end  hei  jenen  der  Verstand  vorherrschen, 
bei  diesen  das  Ciemüt  re<.;;ieren  müsse  us\v.<-  So  urteilt 
I  >  i  e  s  t  e  r  \v  e  an  rU  rselben  vorhin  genannten  Stelle  über 
die  Mädchenschullclii \  1 .  und  füi^t  hinzu:  Ist  es  auch  wahr? 
Pestalozzi  w  niste  davon  niclu.s,  uiul  eine  Frau  Niederer 
wird  auch  nicht  viel  davon  wissen  . 

Das  Buch  des  Herrn  Goerth  ist  von  den  verschiedensten 
Seiten  den  »Führerinnen*  der  der  weiblichen  Bildung  gelten- 
den Kefornibestrcbun<jen  aufs  dringlichste  empfohlen  worden, 
damit  sie  doch  cndlicli  einnial  erfahren,  was  sie  zu  llnin 

20' 


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Mnrir  l>)H'iN>r-ll«ii«iiello. 


habe»,  \\m  unsere  Töchter  zu  <;iiteii  Müttern,  tüchtigen 
Hausfrauen,  bratichbaren  Menschen  zu  erziehen.   —  Als  ob 

vor  Herrn  (locrth  nie  jemand  über  die  Rrziehun«^  des 
weiblichen  Geschlechtes  nachgfedacht  und  geschrieben  hätte!! 

Obgleich  ich  unsere  Lebnuei^tcT  Comcuins.  Pesta- 
lozzi, lM<"')hel.  Di  est  er  weg  <;ründlicli  studiert  hal>e  und 
nicht  nur  die  einschlägige  T^itteratur  nacli  1872  (das  Jahr 
da  man  in  Deutschland  sich  wieder  erinnerte,  dafs  die  Mäd- 
chen doch  auch  eine  gewisse  Bildung  erhalten  müfsten), 
sondern  auch  die  seit  Anfang  dieses  Jahrhunderts  erschienenen 
Schriften  über  \vei])liche  Erziehung  kenne,  mid  endlich,  ob- 
gleich ich  durch  ei^^cne  Erfahrung,  und  zwar  auch  eine  fast 
vierzi  orjährio^e  Thäti.L;kcit  mir  Kenntnis  erworben  von 
alle  dem,  was  die  Mädeliener/iehuuL;  an  dem  weil)liehen  (rc- 
schlecht  \  eiscliuldet  hnt  so  bnt  \v\\  (K  iinnch  eine  Kollegin, 
die  sich  das  -klassisclie  lJueli  ,  wie  IIcii  Xeliry  es  neiiui, 
angeschafft  hat,  es  mir  ztt  leihen;  denn  ich  meine,  wir  können 
aus  allem  etwas  lernen  tmd  sollen  bis  an  unseres  Lebens 
Ende  lernen. 

Halten  die  verschiedenen  h<>ch]ireisenden  Besprechungen, 
die  Dringlichkeit,  mit  der  das  liuch  uns  Frauen  ganz  be- 
son<1ers  empfohlen  wirrl,  meine  ICrwartungen  schon  hoch 
gespannt,  so  w  in  <K  n  dieselben  um  ein  erhebliches  gesLeij^ert 
durch  das  Vorwort,  das  Herr  (roerth  seinem  iUieh  vorange- 
stellt hat,  also  dafs  ich  mit  der  Voraussetzung  an  das  Buch 
heranging,  etwas  noch  nie  Dargebotenes,  noch  nie  (»edachtes 
zu  finden,  etwas  ganz  Unbekanntes  kennen  zu  lernen,  kurz 
sozusagen  ( )lfenbarungen  zu  erfahren;  ist  der  \'erfasser  selber 
doch  der  Uberxengung,  dafs  der  erste  'iV-il  des  Huches  Das 
Studium  der  l'rauenseele  ,  trotz  der  Mängel,  die  ihm  an- 
haften, in  der  Zukunft  von  der  (U->chiehte  der  Pädagogik 
als  ein  bahnbrechendes  Werk  bezeiehnet  werden  wird  . 

Wir  glauben  dem  Herrn  Verfasser  gern,  dafs  es  ilnu 
Emst  ist  um  seine  Bemühungen,  und  das  ist  ja  schon  sehr 
anerkennenswert,  denn  es  giebt  eben  nicht  gar  zu  viele 
Männer,  denen  es  wahrhaft  Ernst  ist  um  die  bessere  Er- 
ziehung des  weiblichen  Geschlechts. 

Ich  bin  auch  überzeugt,  dafs  er  ;c:rnndhc1iL  v"^tiuHen  zu 
der  Alifassun^  des  ersten  Teiles  seines  Werkes  gemacht  hat; 
davon  zeugen  ja  die  zahlreichen  Hinwei.se  auf  unsere  be- 
deutendsten Physiologen,  Psychologen,  Pädagogen,  w  ie  Kant, 
Wnndt,  Beneke,  Ranke  usw.,  wie  auf  unsere  Philosophen, 
Aesthetiker,  Dichter  und  Frauenärzte;  aber  —  ich  meine 
ich  bin  zu  der  Frage  vollauf  berechtigt  — ;  Was  ist  in  dem 
ersten  Teil  an  dem,  was  Herr  Goerth  gesagt  hat,  das  vor 
ihm  noch  nicht  gesagt  worden  wäre?  —  Alles  das  ist  auch 


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Übvr  die  KnichaofC  und  KuMMung  d«r  Hld6b«n. 


dctijeiiij.'^en  iKkaiiiit,  denen  es,  wie  dem  Herrn  Wrfasser, 
Krnst  ist  mit  der  I'*.rzic!inni;:  des  weihlichen  ( reschlechts, 
denn  auch  sie  hahen  bei  dem  I>e^trel)en,  ilire  Anf^^abe  zu 
erfüllen,  diese  Männer  zu  Rat  ^ezoj^en.  auch  sie  sind  bemüht 
^4;eweseii  ihre  Erfahrungen  zu  messen  an  dem,  was  an  Theorien 
von  der  Wissenschaft  anfgfestellt  worden  ist 

Dafs  der  Herr  Verfasser  während  einer  vierzigjährigen 
Thätii,^keit  auf  dem  Gebiete  de  .Mädchenscliulwesens  wie 
im  alltäi^dichen  LelxMi  und  in  der  (resellschaft  viele  und 
mannij;faltij^e  Krfahrunj^en  g^esammclt  liat.  will  ich  iiim  auch 
j^ern  «j^lauben,  wie  ich  aucli  i^lauhv,  daLs  er  im  alli^enieinen 
seine  Iu'fal)run»^en  verlieht,  u.  h.  dals  sie  wirklich  entscheidende 
und  beweisende  sind,  da  sie  aus  einem  theoretisch  gebildeten 
Gedankenkreise  hervorgegangen  sind.  Aber  ich  nnde  auch 
hierbei  nichts  Neues,  es  sei  denn  vielleicht,  dafs  einzelne 
seiner  Illustrationen  als  noch  nicht  dagewesene  bezeichnet 
werden  können,  wie  u.  a.  die  zu  dem  G  ehr  auch  des 
T  a  s  c  h  e  lU  II  c  h  e  s.  Ivs  ist  übrigens  nicht  recht  zu  verstehen, 
dnfs  in  ei!iem(  )rt,  in  dem  <kr  Mcrr  \'erfnsser  eine  so  lange 
Reihe  \ uu  Jahren  die  holicic  Mäilcheiischule  geleitet  hat, 
es  so  viele  Damen  giebt,  die  in  der  von  Herrn  Goerih  ge- 
schilderten Weise  das  Taschentuch  benutzen.  Herrn  Goerths 
Schilderungen  der  Sitten  von  Damen  seiner  Bekanntschaft 
werfen  ein  seltsames  Licht  auf  die  Civilisati» >n  in  Ostpreufsen 
—  oder  sollten  sich  nur  die  Damen  aus  dem  Bekannteukreise 
des  Herrn  Verfasser«^  durch  solche  präaclamitischen  Sitten 
ans/eichuen ?!  Sollten  in  (^stpreulsen  die  Mütter  wirklich 
keine  Taschen  in  den  Kki*.iern  der  Mädchen  machen  lassen, 
dafs  Herr  Cioerth  es  für  nötig  befindet,  sie  daran  zu  mahnen?! 

Vieles,  das  meiste,  was  Herr  Goerth  tadelt  in  der  bis- 
herigen Erziehung  des  weiblichen  Geschlechts,  ist  auch  von 
anderen  einsichtsvollen  Männern  und  ebenso  von  einsichts- 
vollen Frauen  getadelt  wi)rden  und  diese  für  die  Gesell- 
^ciiaft  iirJu!]\ ollen  Mängel  sind  eiti'^iclnsvolleii  Frauen  Ver- 
anlassung ge\M-v(!en,  eine  völlige  rmgeslailuuL;  lU  r  Hildimg 
des  weiblichen  lir-^rhlrrhts  zu  erstreben,  zu  fuiiUin. 

Herrn  G.'s  I  ricileu  über  die  J  ugendsehiifistellerinnen 
können  wir  im  allgemeinen  auch  zustinnnen  -  -  seine  Aus- 
fälle gegen  die  Persönlichkeit  einiger  Frauen  sind  in 
(K  ;  I,.  hrerin  genügend  iiriu  k>;cwiesen  worden  und  haben 
ihre  Verurteilung,^  von  seiteu  des  Crerichts  erfahren,  so  dafs 
wir  uns  hier  ilamil  nicht  beschäftigen  wollen. 

Auch  in  \ielem.  was  Herr  G.  über  die  Ausl)iidnng  von 
F'.'hrerinnen  und  deren  Leistnnj^en  im  allgemeinen  sagt, 
li.a  er  Recht  ist  er  doch  auch  so  gerecht  zuzugeben,  dafs 
es  auch  unter  den  Lehrern   eine  nur  zu  grofse  Anzahl  von 


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l'al)nkai !)(.  itt  rii  iil)ci  se  in  Kiki  t'ülirt  ihn,  w  ie  hv\ 

der  Hcuiitilimg  «kr  Ju^tiulschiiltsuUd innen  auch  hier  zu 
weit  und  verleitet  ihn  zu  Ausfällen,  die  einem  gebildeten 
Manne,  vor  allem  seinen  eifrenen  Aiiforderunjren  an  die  jfute 
Sitte  und  den  Anstand  nicht  entsprochen.  Kr  stellt  aufser> 
dem  Hehauptungen  auf,  deren  Alljfemeinji;ülti}4^k(.n  /,u  er- 
weist-n  ihm  schwer  werden  dürfte,  denn  diese  IUhan]Hun«^en 
{^rihukii  sich  doch  nur  auf  I'i scheinun<[en,  die  sein  Ivr- 
fahrnn>4skitis  ihm  liefert.  I  i  ^-chtint  nicht  /u  wissen,  dals 
gottlub  neben  den  von  ihm  <.ic/.eichiu  u  u  Fabrikmäilehen 
anf  dem  Schulgehiet  die  Zahl  der  tüchtigen  Kranen  und  der 
begeisterten  Lehrerinnen  und  Krzieherinnen  eine  genügend 
grolse  ist,  so  dafs  der  Fortschritt  in  der  Krziehunj^.swissen- 
schaft,  speziell  der  füs  das  weibliche  Geschlecht,  für  die  Zu 
kunft  <»;esicherl  sein  mufs.  Herr  (i.  hält  diesen  I'i>i  l>chnit 
allerdings  nur  gesicherl  durch  begeisterte  Lehrer  und  lü  /ieher. 

Wir  können  betreffs  <Ur  mangelhaften  I.eisttnigen  der 
Lelirerinnen  wiedeium  nicht  die  Lelirerinncu  \ cr.intwortlich 
macheu,  sondern  die  Männer,  die  bisher  für  die  Ausbildung 
der  Lehrerinnen  die  Bestimmungen  getroffen  haben.  Sie 
sind  Schuld  daran.  (laf>  vin  1a  In  erinnen-rroletarial  grofs 
gezogen  ist;  sie  .siud  Schuld,  dafs  die  Lehrerinnen  ihre  Auf- 
gabe in  der  vSchnle  wie  L'abrik  ir!)eit  behandeln;  sie  sind 
Schuld  daran,  dafs  sit  nur  (laianf  .insgehen,  greifbare  Re- 
sultate 7M  erzielen  ,  dcini  abvoclien  davon,  dals  die  .\us- 
bildung  in  den  von  Männern  organisierten  Lehrerinnen- 
Seminaren  eine  so  mangelhafte  ist,  eigentlich  auch  nichts* 
anderes  als  eine  Teilarbeit,  die  wiederum  zu  einer  so  kläg- 
lichen Arbeit  befähigt  so  fordern  die  Herren  Rektoren, 
Schulin^pektoren  oder  Räte  ja  nichts  anderes  als  eine  sok'he 
Arbeit I  Haben  mir  doch  oft  genug  Lehrerinnen  geklagt, 
dafs  ^ie  nichts  anderes  erreichen  ktninten  als  ^k'ch^nisieren  , 
denn  sie  niüssten  bis  zu  dem  und  <leni  Termin  (k-n  vnrge- 
schriebenen  Wissensstoff  eingeprägt,  zu  der  vorgeschriebenen 
Fertigkeit  die  Kinder  dressiert  ha  eu. 

Keine  von  ihnen  {den  Lehrerinnen)  kann  sich  zu  rechter 
Begeisterung  aufschwingen  und  in  unserem  Berufe  ihre  rechte 
Lebensaufgabe  erblicken  schreibt  Herr  Ooerth  (S.  446),  und 
Herr  Nehr\  und  andere,  so  u.  a.  auch  ein  Korrespondent 
der  Preuf.s.  lAdirerztg.  (\-.  t  ^  Sept.  1S9S)  schreiben  es  ilnn 
nach,  letzterer  fügt  noch  die  I^nierkung  hinzu:  Wie  scliwer 
es  nicht  selten  hält,  dafs  Lehrerinnen  den  einmal  betretenen 
Weg  verlassen  und  sich  neuen  Anschauungen  zuwenden, 
das  werden  diejenigen  erfahren  haben,  die  durch  die  Ver- 
hältnisse daxu  bestimmt  sind  (!),  mit  Lehrerinnen  zu- 
sammen zu  arbeiten.    Ks  wird  letzteren  unendlich  schwer, 


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Cbvr  «Ii«  EritiokuiHr  sad  A«>Mldatiy  4wt  Midcbsii. 


die  I >r>lM  !)nn*>cn  der  Kchrcr  zu  vc-rstelieii,  die  darauf 
riclutl  sind,   I*'a<!jaiif.siclit  zu  erlanj^fen.    Wie  lau^c   hat  es 
j^cdaucrt,   t-ht-  sie   >ich  da/u   t.  iilscliliesseu  kouutcu,  sicli  /u 
\'ereinij;iuij»;eu  /usauiuieu  /u  lliun,  sich  fest  zu  orj^anisieren  . 

Die  Herren  scheinen  g«iu/.  zu  vergessen,  dafs  es  noch 
nicht  gar  so  lange  her  ist,  dafs  sie  sich  zu  Verein i«>:uu);en 
;(nsaninien geschlossen«  dafs  es  aufser  den  allerlei  äufseren, 
recht  kräftigen  Anstnfseu  des  sehr  mächtigen  Antriebes  eines 
Diester  wej^  bedurft  hatte  zum  Zusaniuienschlufs  der  Lelirer. 
Sie  scheinen  uiclit  zu  w  issen,  dafs  Diesterwe«^  oft  recht  l)itter 
t(^ekh\,tit  Ival,  wie  das  Wreinsleben  ein  {rdY  so  hnies,  wie 
keine  Soliihirität,  kein  Sueben  nach  i''onl)ilduii}4  unter  den 
Lehrern  vorhanden  sei;  dafs  im  Jahre  1850  Wand  er  ihm 
berichtet,  drei  Viertel  aller  Lehrer  Schlesiens  läsen  gar  nichts 
Pädagogisch-Periodisches  ,  und  dafs  Diesterweg,  indem  er 
fesstellt,  in  Berlin  stände  das  Verhältnis  nicht  besser, 
diese  Ivrfahrun«i    eine  tief  betrül)ende  nennt.*! 

Die  Herren  Lehrer  scheinen  nicht  zu  wissen  oder  nicht 
/.u  erwäj^en,  (hifs  die  Lei^UniL^cn  fler  Lihnr,  ltt\<>r  sie  in 
Wold  «i»r<i^anisierten,  von  Die.sUiwej;  beeinllulsun  Seminaren 
ihre  Ausbilduuji  erhielten,  als  die  Kurse  in  den  Seminaren 
noch  zweijährig  waren,  wie  sie  bis  vor  kurzer  Zeit  allge- 
mein in  den  Lehrerinnen-Seminaren  waren,  zum  Teil  heute 
noch  sind,  ihre  Ausbildung  ebenfalls  eine  recht  mangelhafte 
war  —  sein  mufste,  wofür  sie  sell)er  nicht  verantwortlicli 
tjeniaclit  werden  knniiUn,  t bt n^owenij^  wie  man  die  Lclire- 
rinnen  für  ihre  man<»elhaile  Ansbiidunj^  und  die  derselben 
entsprechenden  unzureichenden  Leistungen  wird  verantwort- 
lich macheu  koiuicii. 

Die  tüchtigen,  gewissenhaften  Lehrerinnen  wissen  am 
klarsten,  was  ihnen  mangelt,  und  sind  redlich  bemüht,  so 
weit  sie  es  bei  der  bestehenden  äufseren  Heschränkunj^  ver- 
mögen, den  Mäuj^eln  abzuhelfen,  wofür  die  mit  jedem  Jahre 
sich  mehrenden  b\)rtbilduu}»;skurse  allerlei  Art  /cni^en. 
Zu  einem  end.i;üllij;eu  l'rteil  über  die  ( lesamllc  i>lun*;en 
der  Lehrerinnt-n  wiideu  wir  erst  berechtii^t  sein,  U(.nu  ein 
solches  l  ruil  iii<«j4lieh  sein  wird,  d.  h.  wenn  die  J^ehierinnen 
die  Ausbildnn;^  erhalten  haben  werden,  die  wir  für  sie  fordern. 
Alles,  was  bis  jetzt  als  -l'rteil  ausgegeben  worden  ist 
ist  tloch  weiter  nichts  als  individuelle  Meiuuuii,  die  für  uns 
je  nach  der  Person,  die  sie  äufsert,  je  nach  der  Art,  wie  sie 
<4;eäufsert  w  ird,  mehr  oder  w  eui<ier  \  on  I'»edeutun^  ist,  uns 
mehr  oder  minder  /.u  ernstHcher  Iüwäi;ung  uuffurdert,  die 

'i  Siehe  A.  Diislervvcjis  ausj»cwälillc  Schriften,  heiau.sj^e;^.  von 
I.an;4iiil)cr>(.    3.  Haiul.    Frankfurt.  >fontK  Diesterweg. 


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^t>.|  Märte  I.o»p<'r»lli>n»'»t*ll«'. 

aber  (Itiidians  iiiclu  l)cs  t  i  iii  iiu- lul  -'iif  n  n sere  Ilestrtbunjjeii 
hiii.siclitlich  (k'rRcloini  der  wcihlicluii  lÜldmii^r  einwirken  kann. 

Herr  (iocrtli  hat  diese  innnj^,  ein  anderer  liat  eine 
andere  Meinnn«;,  nnd  alle  lkweise,  die  sie  vorbringen,  sind 
doch  nur  Variationen  ihrer  Mcinnnj^en;  oft  >leiien  sich  die 
itcliroffsteti  (iegensStze  «;;e<;eii«ber>  nnd  dennoch  beansprucht 
jeder  für  seine  Meintin}^  die  Anerkcnnunj;»:  ihrer  rnnnistöLs- 
lichkeit  Also  über  Meinunj^an  will  ich  nicht  mit  Herrn 
Cioerth  streiten,  nnd  icli  würde  mit  meinen  Anslassnn<»en 
über  Herrn  Cioerths  Hncli  fertii^  sein,  wenn  dasselbe  nicht 
einen  Satz  enthielte,  };ef>en  den  ni  i  t  n  >'  c  r  Iv  n  t  s  c  h  i  e  d  e  n  - 
heit  z  n  j)  r  o  t  e  s  t  i  e  r  o  n  jeder  Mensch,  ob  Mann  ob  I'ran, 
sich  \- e  rp  fl  i  ch  tc  l  lülik-n  soll,  denn  um  mit  (iocthe  /.n 
sprechen  »der  eigentliche  Obscurantismns  ist  nicht,  dafs  man 
die  Ausbreitung  des  Wahren,  Klaren,  Nützlichen  hindert, 
sondern  dals  man  das  F'a Ische  in  Kurs  biin;^t  . 

Dieser  Satz  heilst:  Jedes  Mädchen  soll  bei  ihrer 
b  V  V  u  f  s  m  ä  fs  i  o  c  n  Arbeit  stet  s  a  n  d  e  r  T  }>  e  r  z  e  n  n  n  <j 
festhalten,  d  a  fs  e  s  i  h  r  e  Pflicht  ist.  n  m  einer  n  t  e  n 
K  h  e  will  e  n  i  h  r  e  »Selbst  ä  n  d  i  ^  k  e  i  t  a  n  f  z  n  e  b  e  n  . 
Nnn  ich  diese  I''<»rderun^  gelesen,  liabe  ich  die  Krklärung 
für  Herrn  Goerths  Bemerkung  in  .seiner  Kritik  des  vom 
> Verein  zur  Reform  der  Litteratnr  für  die  weibliche  Jngend  '. 
herausgegebenen  Ihiches  \'or  Tagesanbruch-,  Dort  sagt 
Herr  (loerth:  HedenkHch  ist  auch  der  Grundsatz,  den  die 
Heldin  l^lisabt  t1i  nnsspricht,  al-  ein  von  ihr  hochj^eachteter 
wackerer  jini<|er  .Arzt  sich  nm  liire  Hand  bewirbt.  »Sie  will 
sich  nur  mit  einem  Manne  verheiraten,  den  sie  liebt,  sonst 
nie  usw.    (Jtigendschrilten-W'arte  Xo  12.  3.  Jahr*^.) 

Ich  will  nicht  etwa  den  X  ersnch  machen,  mich  mit 
Herrn  Cioerth  über  diese  Frage  zu  verständigen  —  das  wäre 
vergebliches  I^emühen.  Bei  Meinungsverschiedenheiten  und 
vor  allem  bei  solchen  über  Kragen  von  so  hochsittlicher 
liedt  utnn<);^  wie  die  vorliej^ende,  ist  nnr  mit  wahrhaft 
(1  U  i  c  n  1^'  e  s  i  n  n  t  (  v.  eine  \'erstän<li<^nnj(  möolich.  Anf.ser- 
deni  niiiiste  ich  mich  mit  ihm  /n\()r  nber  den  Hegritf  ver- 
schiedener \-on  iinn  j^ebrancliten  .Ansdrüeke,  wie  n.  a.  gnle 
Ehe  ,  Liebe  anseinandersetzen  imd  das  würde  zn  weit 
führen.  Aber  es  sei  mir  gestattet  zu  dieser  PVage  einen 
Maim  sprechen  -  zu  lassen,  der  Herrn  Goerth  auch  bekannt 
sein  dürfte,  da  er  ja  das  (iebiet  der  Psychologie  und  der 
Ethik  dnrchforsclit  hat. 

Carneri  sagt  in  seinem  huch    der  moderne  Mensch 

't  C  am  tri:  tinxUiiu-  Mcnsc!?      Wfsiiche  über  Lehens- 

fülnunj;.    4.  Aufl.    lioun  jNy5.  Ivnnl  Slraui>. 


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TImt  ditf  Enlchmi«  und  AutbildunK  der  Ni4rlN>n.  ^ut^ 

Wie  (Ur  Mann  ist  auch  das  Weib  ein  fjaiizcr  Mensch,  und 
wenngleich  es  in  «^ar  nianclRin  vom  Mann  ühcrraj^^l  wird, 
so  nherr;ii;t  doch  auch  das  Weih  den  Mann  in  ^ar  iiiaiicheni. 
Sie  ei  j^an/en  sich  /.n  einem  liölieren  He^^riff  nnd  sulu  n  sich 
daher  ebenhürtii;  j^n-^^ennber.  In  der  Anerkenn uu);  die>er 
ICbenbnrligkeit  Hej;t  die  richti^^e  Wertschätzung  beider  und 
mit  ihr  die  CJruiidbedingung  der  wahren  (ilückseli^^keit,  zu 
welcher  die  Liebe,  als  individuelle  Ergänzung  führen  kann. 
Diese  individuelle  Er,iȊn:/.nng  findet  ihren  vollen  Ausdruck 
in  den  drei  Worten:  diese  ist  es,  dieser  ist  es.  Dafs  man 
dabei  irre  flehen  kann,  dafs  a  u  l"s  e  r  dieser  einen  I'.ri^^riTr'itn;.^ 
n')cli  vieles  erforderlich  ist,  damit  mau  mit  einer  bestimmten 
Person  fürs  j^an/e  Leben  «^^Wirklicb  werde,  j^elinrt  auf  ein 
amltres  Hlatl  luid  würde  uns  iiier  zu  weit  führen.  Tns  ist 
unr  um  die  Feststellung  dessen  zu  thun,  was  wir  unter 
echter  Liehe  verstehen  .  In  der  Natur  dieser  Liebe  ist 
es  i^elegen,  dafs  wir  sie  nur  fassen  können  als  beruhend  auf 
xoliendeter  wechselseitiger  Freiheit.  Den  Iksitz  kann  man 
erflehen,  erkaufen,  er/win<jen  (?),  die  Liebe,  <lie  wir  meinen, 
läfsl  sich  nicht  »^»^ebieten :  sie  «;iebl  sich  selbst.  <»«ier  sie  j^iiebt 
.sich  nicht.  Lnsere  ,Seli«;keit  lici^^t  in  ^U-r  b'ixiheit,  mit  der 
wir  uns  hingeben,  und  diese  .Seligkeit  ist  unr  halb,  wenn 
die  (ieliebte  nicht  mit  derselben  Freiheit,  einzi  g  ans  Liebe, 
sich  uns  hingiebt.  Der  Besitz  im  engeren  Sinne  ist  aller- 
diii-^'s  \i>i\  unsagbarem  Wert,  aber  nnerlaf.slich  i^t  ir  nicht; 
unerläislicli  ist  nur  das  Ik  wufstsein  der  Ausschlielslichkeit: 
dafs  es  nämli(  Ii  für  uiT^er  !!(  rz  nur  das  eine  Wesen  giebt 
auf  Ivrdeii.  Sind  Mann  und  Weil)  \-ou  dieser  IJebe  erfüllt, 
dann  giebt  rs  für  sie  nur  einen  liuiul  fürs  Leben.  T'iul  diesen 
Hund  können  sie  nicht  so  \eiblehen,  als  würde  daihuch  das 
eine  in  die  Gewalt  des  anderen  kommen.  Bei  der  Freiheit 
hleibt*s,  weil  sie  das  Wesentliche  ist  an  diesem  Bunde  «. 

Ich  lasse  es  genug  sein,  denn  ich  meine,  das  .Vngeluhrte 
reicht  hin,  um  dem  Leser  zu  l>eweisen,  dafs  Carneri  —  und 
mit  ihm  jeder  wahrhaft  ^^ebildete  Mensch  die  von  ihm 
gekennzeichnete  Liebe  als  u  n  er  1  ä  fs  1  i  c h  e  Hediugung 
für  die  lUie  hält.  Dafs  diese  Liebe  eine  seltene,  Uni^net  er 
so  wenig  wie  jeder  andere  lebenskundige  Mensch,  ,iber  die 
Seltenheit  einer  Enscheinung  hebt  doch  nicht  die  Notwendig- 
keit auf,  sie  zu  fordern  und  als  recht  anzuerkennen. 

Herr  (loerth  zieht  atis  den  Enttäuschungen,  die  eine 
nach  seinem  Begriff  von  Liebe  geschl  ^  ne  Ehe  mit  sich 
fidirt,  und  die  eine  Trennung  selbst  edier,  sittlich  reiner 
und  tüchtiger  (ratten  wünschenswert  machen,  dcnSchhifs: 
Wer  möchte  unter  solchen  Umständen  noch  an  der  thöri(  litc  n 
lichauptung  festlialtcn,  dafs  eine  Ehe  durchau.s  in  Liebe  ge- 


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■  •  •  ♦  ■      .  . 

sclilossoii  wcrdfu  soll,  dals  das  Mädelun  sich  \crkaufl  . 
wt-nit  sie  (»Ihr*  hcsoudc-rc  Liehe  die  Wahl  in  ricluijj;er  sni«r. 
saiiiei  rherlej^iinj;  trifft?  Zum  Tcufd  mit  solcli  unsiiuu^cni 

(iCSchw.ätZ,    Ii  t'HfS  fr.<  f/lilh'rs  . 

Kl  meint,  wenn  Jüiiglin};c  und  Jungfrauen  nur  «zu 
Selbsterkenntnis,  zu  Selhstbeherrsdinn^  und  Pflichttreue  er- 
zujfeu  worden  sind:  so  niöifen  sie  ohne  viel  Überlegung 
und  Prüfung  fast  blind  /.ngi\  i!\  n.  mögen  sich  in  Seeleuruhe 
verheiraten,  ohne  vorher  I^ie1)e  oder  eine  besondere  Zuneigung 
/M  einander  ein|)!nn<Uii  /n  halun  .  Die  rechte  Ijebe 

w  ird  sich  sehr  schnei'  nach  <.ler  \  erheiratung  einlinden.  Da- 
für sorgt  die  gegenseitige  Achtung  und  das  geschlecluiieiie 
Zusauinieiileben  . 

Doch  genug.  Sollte  das  Angeführte  nicht  hinreichen 
bei  den  gebildeten  Lesern  Anerkennung  der  Berechtigung 
meines  Protestes  gegen  Herrn  Ooerths  obige  Forderung  zu 
finden  ? 

Die  leichtfertige,  kleinsinnige  Auffassung  von  der  wich- 
tigsten luitschliefsung  im  Lel)en  der  Frau,  na<Mi  nn-^erer 
Meinung  auch  in  dem  des  Mannes,  hat  /.um  grolsen,  wenn 
nicht  weitaus  gröfsten  Teil  die  Schäden  verschuldet,  die  den 
Bestand  unserer  Gesellschaft  bedrohen.  Die  aus  allerlei 
anfseren  Gründen,  nur  nicht  aus  dem  allein  zureichenden 
(f runde  jener  \  on  Carneri  gekennzeichneten  Liebe  hat 
dem  sittlichen  Leben  sozusagen  den  Hoden  unter  den  Füfsen 
fortge/ogen.  Pane  P*he,  die  nicht  geheiligt  !<t  durch  jene 
echte  Liebe,  wird  nicht  die  (irundlage  bilden,  aut  der  das 
l'ainilienleben  -^eir.i  liüehste  Form  erreichen  kann.  D.i.s 
Reicli  der  Humanität,  das  höchste  ideal  der  Ethik  hat  nicht 
nur  seinen  ersten  Keim  und  seine  stete  Quelle  in  dem  Fa- 
milienverhältnis, sondern  ist,  wenn  das  Familienleben  seine 
höchste  Form  erreicht  hat,  auf  eine  solche  Weise  in  diesem 
verwirklicht,  wie  dies  von  keiner  anderen  Form  der  Gesell- 
schaft nachgewiesen  werden  kann 

Wie  weit  wir  von  der  X'erwirklichung  des  höchsten 
Ideals  der  Kthik  entfernt  sind  darüber  belehrt  uns  ein 
Ulick,  und  /war  schon  ein  ganz,  uberfläehliclier,  aul  das  \'er- 
halten  unserer  Gesellschaft  gegenüber  den  höchsten  sittlichen 
Fragen,  Ks  gähnt  eine  Kluft  zwischen  diesem  Ideal  und 
der  Wirklichkeit,  wie  sie  weiter  und  tiefer  garnicht  zu 
denken  ist. 

Lud  w:^  isi's,  das  diese  Kluft  in  so  er>c]neckentlem 
Malse  erweitert  hat?  Ks  ist  die  Leichtfertigkeit,  mit  der 
bei  den  höchsten  und  heiligbten  Akten  im  iNienschenleben 

•j  Ii»»tfdni>;,  l'.Üuk  XI \  .   DiL  Llhischc  Jtcdfiitunjf  der  l-amihe. 


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Vl>i-r  (tit<  Kr<i«huiiic  luiil  Au»biJtluui;  <lvr  Mädcbeii. 


vcrhilirtn  winl.  riul  worin  anders  hat  diese  unheilvolle 
Leichtferti«;keit  ihren  Cifund  als  in  der  man j^al haften  Bildunj; 
des  weibliehen  l '.e^ehlechls  nieht  nur,  sondern  auch  des 
iiiäiinlicheu.  Wir  haben  keine  rechten  Frauen,  weil  wir 
keine  rechten  Männer  haben,  nnd  haben  keine  rechten  Männer, 
da  wir  keine  rechten  Mütter  haben  wiederhole  ich  mit 
Diesterwej;.  Die  Bi)dun}>:  des  einen  (»eschleclits  ist  bedingt 
dureli  die  des  anderen. 

Wir  sind  durchaus  im  Klaren  über  die  Ursachen  der 
von  uns  sicher  nicht  minder  als  von  einsichtsvollen  Männern 
bekla<j[ten  Schäden  in  dem  I'*amilien-,  ( »esellschatls-  untl  (iftent- 
lichen  lieben.  Kine  der  tiefst  nnd  weitest  wirkenden  ist 
eben  die  für  die  Anfgabe  und  Bedeutung  der  Frau 
durchaus  unssurcichende  Bildung  des  weiblichen 
(tC. schlechte.  Wir  sind  aber  auch  ebenso  darüber  im 
Klaren,  worin  diese  l'nzulänjjlichkeit  in  der  Hildnn»;  der 
b'ran  ihren  Ctrund  hat.  Zimächst  in  der  niedriLren  Wertnnj^ 
tler  l'ran  \on  selten  des  Mannes,  die  erstens  /.ui  l  ol^e  hatte, 
dafs  ihr  die  hähi^^kc  il.  also  auch  das  Recht  abj^esprochen 
wurde  bei  der  Bestimm unj^  über  Wesen  und  Ziel  der  weib- 
lichen Bildung  mit  /ax  raten,  und  die  zweitens  das  Ziel  der  weib- 
lichen Bitdung  der  Wertung  entsprechend  niedrig  steckte. 

t'nd  endlich  sind  wir  auch  j^an/.  im  Klaren  über  das 
Ziel,  das  der  Bildung  des  i  ibliclien  (icsclil  '  ^esteckt 
werden  soll,  wie  wir  auch  die  Wege  kennen,  die  /ax  diesem 
Ziele  führen. 

Das  Ziel  ist  alh  rdinos  i  in  minderes  als  das  bisher  \«m 
den  T(»elitei seliullehicvn  ii»  Weimar  u^^i)  gesteckte,  und 
selbstverständlich  sind  auch  die  \\'ege  andere,  die  wir  ei)i- 
schlagen  wollen.  Die  Herren  Töchterschullehrer  bezeichnen 
als  Zweck  der  Bildun«i  des  weiblichen  (icschlechts :  Der 
deutsche  Mann  soll  nicht  durch  die  geistige  Kurzsichtigkeit 
nnd  Kngherzigkeit  seiner  Frau  an  dem  häuslichen  Herd 
gelangweilt  und  in  seiner  Hingabe  an  liöliere  Interessen 
gelähmt  werden  .  So  zu  lesen  in  der  Weimarer  Denkschrift. 

Was  heifst  das  anders  als  die  brau  zur  Sache  herab- 
würdigen, sie  als  ^  Mittel  zu  einem  Zweck  werten.  Gegen 
diese  Bestimmung  des  weiblichen  Geschlechts  wenden  wir 
uns  mit  ,L;;tnzer  Entschiedenheit  Die  Frau  ist  ebenso  wie 
der  Mann  in  erster  Reihe  Mensch  nnd  als  m  »Icher  Sei  b  s  t - 
zweck;  die  l'rau  ist  ebenso  wie  der  Mann  I\  rson  und  hat 
als  solche  ein  in  sich  selbst  gegründetes  Wesen,  des.sen  Natur 
\  i  )llk< -nimenc  i'Veiheit  bedingt,  die  I'reiheit:  alle  diesem 
Sein  eingeborene  Anlagen  und  Fälligkeiten  zur  höchst  mög- 
lichen Entwtckelung  zu  bringen,  und  zwar  jedes  Individutnn 
in  der  ihm  eigenen  Art,  nach  dem  ihm  und  nur  ihm  ein- 


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Muri*'  i.iK'iii  r-noilo»^llr« 


geborenen  tie.selz,  denn  jL^in  ifott  hat  jedem  .seine  liahn  vor- 
gezcichtiet'  •  und  da  ist  so  mancher  Fran  nicht  die  l^hn 
als  Gattin  vorgezeichnet   Dafs  sie  aber,  wenn  sie  nicht 

Gattin  wird,  ihre  niensddiclie  und  weibliche  Bestininmng 
verfehlt  haben  sollte,  wird  doch  niemand  ^eg^euül)er  den 
Tansenden  nnd  Abertansenden  von  Ivanen,  deren  Wirksam- 
keit anfserhalb  der  h'.lie  dem  Menschen.i;eschlechl  die  sc^en.s- 
reichslen  Dienste  leistet,  /n  iK-hanpten  wa^^en?! 

ICher  könnten  wir  ^,;c^eniiber  dem  weitaus  gröisten  Teil 
der  Khen  behaupten,  dafs  die  Frauen,  die  in  der  Khe  leben 
ihre  weibliche  wie  menschliche  Bestimmung  verfehlt  haben, 
denn  die  wenigsten  Khen  sin  l  d  is,  was  sie  sein  sollen:  die 
Wreinigiuig  von  Mann  nnd  Weib  zn  einer  Wcscnsein- 
li  e  i  t ,  d.  i.  einer  lunheit,  welche  die  vollkommenste 
(fleichheit  ist.  Wo  aber  d  i  e  s  e  t  "ileichheit  fehlt,  <la  hat 
die  iMan   ihre  HestimmmiL!   nls  Mensch  wie  al>  \- er- 

leb It,  indem  sie  (Uueh  .\ iehlanerKennung  ihrer  (»leiclibe- 
rechlij^nui*;  von  selten  des  Mannes  an  ihren  menschlichen 
Rechten  geschädigt  wird,  nnd  ihre  anf<jrund  ihrer  mangel- 
haften Bildung  gänzliche  rnfähii^keil,  die  Krziehmij^sknnst 
XU  üben,  e^  ihr  unmöglich  macht,  die  w  e  i  b  1  i  c  h  e  Kestininiung 
/n  criiilUii.  Dafs  diese  Wesenseinheil  in  der  Khe  s.»  <;eUcn 
hd,  daran  ist  nicht  etwa  der  Man<;el  an  <(iislij;e;  l.bcn- 
biirfi</keil  der  l'ran  schnld,  sondern  in  erster  Rtihe  die 
niangtlhalLe  iiildnnj^  des  Mannes,  die  ihn  unJähij;  macht, 
durch  Anerkennung  der  (»leich Wertigkeit  und  Gleichberech- 
tigung der  Frau,  der  Khe  diese  hohe  sittliche  Bedeutung 
zu  geben,  welche  die  Bedin<:^nn<;  dieser  Wesenseinheit  ist. 

Es  ist  eine  unwiderle*iliche  Erfahrnn.i^:  Je  höher  die 
Bikhmo;  eines  Menschen,  desto  unbeschränkter  die  Auer- 
kenunn^i^  der  Menschenrechte  in  jedem  .Menschen;  je  höher 
die  Hildun«»^  des  Krxiehers,  desto  <;röfser  die  Achtunj;  vor 
dem  Menschen  im  Kinde;  je  höher  die  Hildiuig  des  Mannes, 
desto  höher  auch  seine  Wertschätzung  seiner  (icnossin  als 
Mensch  und  Weib,  An  keinem  Umstände,  glaube 
ich,  läfst  sich  der  eigentliche  Charakter  eines 
Mannes  oder  einer  Xalion  so  unterscheidend  er- 
kc n  n  e n  a  1  s  a  n  d  e r  H e h  a  u  d  1  u  n     d  e s  W e i  b e s  (Herder). 

(  )b  die  I'ran  (rattin  wird,  liän^t  nicht  nur  von  ihrer 
lndi\idu.diläl,  sondern  von  tausenderlei  Znfällii;keiten  ab. 
Sollte  es  Anlgalie  der  hr)heren  Mädchenschule  sein,  die  Mäd- 
chen aiis.sclilicfslich  für  wünschenswerte  oder  zufällig  ein- 
tretende I„ebensverhrdtnisse  vorzubilden  ?  Hat  denn  die  Volks- 
schule als  Bildtnigsziel  für  ihre  Schülerinnen  die  K  h  e  festge- 
stelli  ^  Tnd  sinddcnudie  Mädclun  in  der  Volksschule  u^eschlecht- 
licii  andersgeartet  als  die  der  anderen  Gesellschal  tsklassen?! 


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f'lwr  dir  Krxirbwn;;  nnti  AiihUiMiinff  «Irr  MRilclii'ti.  ytij 

Plasliar^  der  in  der   Enzyklopädie  des  gesamten  Kr- 

/.iehnui^^s-  und  I'iiterriclii^w  t  seiiS'  (herausgegeben  von  K.  A, 
Schinid)  das  Kapitel  des  Mädchensclinhvcsciis  bcliandelt  liat, 
lu-init  die  I'onk'iuii.ij:,  dafs  man  die  Mädchen  für  dir  ]\hv 
er/.ielien  soll  unhalthar  nnd  nnklar  ,  Wo  V)lcil)cii  denn 
alle  die  Mfidrlien,  die  nielit  lieiralen?  vSollteji  >\v  w  irklicli 
angesehen  werden  als  \\\\sen,  die  ihre  Uestinnnuni;  \tiiehU 
haben?  Die  PMahnui}^^  lehrt  es,  die  ei <; entliehen  V/esens- 
bestimmungfcn  der  Weiblichkeit,  die  Hänslichkeit  und  die 
Mütterliehkeit  sind  keinem  Weibe  fremd  nnd  können  aneh 
ohne  die  Kiniiehung  der  Ehe  von  jedem  Weihe  iJ^eoifenhart 
nnd  ^^eiiht  werden  so  es  sclhstversländlich  daz\i  oebildet 
worden  ist.  l'her  der  Xatnr  nnd  ihren  Anlagen  steht 
eben  die  ethische  Ik\stinnnnni4  des  Wei!>os,  we  lcher  die  Xatnr 
nnr  dienen  will,  nnd  die  (iesehiehte  neunl  neben  den  natür- 
lichen Müttern,  welche  in  den  Herzen  ihrer  Sohne  die  Keime 
künftiger  Heldciigrofse,  (Glaubensstärke  und  sittlicher  Hoheit 
geweckt  haben,  auch  geistige  Mütter,  welche  dasselbe 
gethan  haben-. 

Dr.  Wiese,  der  ])ekannt  ist  als  ein  her\ orraj^ender 
Pädajji^oge,  nennt  in  seinetn  X'oitrnqc:  Die  Stellnnj;  der 
I*'ran  im  Altertum  nnd  in  der  chri.-.Llii  lien  Zeit  M  die  I{he 
eine  XatmbeslimnuiniJ;;  aber  diese  ist  liii  den  Mensehen 
niemals  die  höchste.  Die  Zugehörigkeit  zum  Manne,  dafs 
sie  seine  (»ehilfin  sei,  bleibt  jedoch  für  die  Frau,  auch 
M'cnn  sie  nicht  verheiratet,  unter  allen  Umstanden  be- 
stehen nnd  kann  sich  in  de  niannij^faltiicsten  Können  in 
nnd  anfser  der  Familie  verwirklichen  .  In  seinem  \'()rtraoc 
über  weibliche  I\r/.iehnni>^  mid  Hildnnir.  drr  manchem  der 
Madchenschnlvuisteher  \'eranlassunj^^  »^ab,  sich  über  diesen 
Gej»enstand  öffentlich  zu  änfsern,  behanplet  er  dasselbe  mit 
anderen  Worten:  Die  der  menschlichen  (Gemeinschaft  von 
Gott  angewiesene  Aufgabe  ist  eine  gemeinsame  für  beide 
Geschlechter,  und  es  findet  zu  dem  Knde  eine  gegenseitige 
Ergänzung  beider  statt,  nicht  blufs  in  der  I'he,  sondern  in 
dem  «rrofsen  Znsammenlianj^e  des  Lebens,  der  Weltökonomie 
ülHfhanpt.  l'nd  i^t  dem  Manne  darin  die  mehr  nach  anfsen 
i^eiichtete  schaiicUiie  nnd  bauende  Thätii^keit  zu  teil  j^ewor- 
den,  so  den  b'ranen  die  erhaltende,  fürst )r^ende,  pflej^ende. 
K  inen  m  ü  1 1  e r  1  i  e h  e n.  Beruf  haben  sie,  a  u  eh  die, 
welche  nicht  in  die  Ehe  treten  . 

Nicht  die  Ehe  ist  die  J-Jestimmung  des  weiblichen  Oe- 
.schlechts    -  sondern:  Erzieherin  zu  sein  des  Menschen- 

/.ur  (  ".(. si  liiohtL-  \iu<]  Hilduii;^'  (U  r  I  i.mi.!i.   Zwc'  Vorlrätyc  voll 
Dr.  I„  Wiese,    ücrlni  iiSjjj,  Verl.  Ü  ic^iiiudt  u.  (ircclKii. 


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Mitric  l.tn>|M-r-lliiii»h«|i». 

<f  e  s  c  1»  1  e c  h  t s ,  u iid  die  Aufgabe  der  Mädchenschnlen,  11  iedereii, 
nnttlcreii  und  höheren  ist  die:  da«  weibliche  Geschlecht  für 
diese  seine  Bestinnniiii,^^  ebenso  vollkonniien  vorzubilden  wie 
zur  Ausiibunj^'  seiner  mensclilichen  Hcstininninf^. 

Wenn  man  die  Mittel,  die  man  bisher  (ku  I-ranen  für 
ihre  Kil(lun<>-  «gewährt  hat,  milst  an  den  Autunkinniren.  <lie 
an  die  Frau  als  Kriieherin  gestellt  werden,  so  lra<^i  man 
sich  mit  einem  sehr  begreiflichen  Krstanuen:  Wissen  denn 
diejenigen,  die  diese  Anforderungen  stellen,  nicht,  dafs  diese 
Aufgaltc  (kr  I'ran  eine  der  schwierigsten  Künste,  wenn  nicht 
die  scli\vieri<^ste  ist  von  denen,  welche  die  Menschen  auszu- 
üben sich  brnifen  fühlen. 

Wenn  man  die  Kordernnj^en  kennt,  welche  die  i^rnfsten 
Weisen  alter  und  neuer  Zeit  an  die  Kizielu  nfU  n  suTiU  n  : 
wenn  man  Comeuius  liest,  wenn  man  >ich  in  die  Seinilten 
Pestalozzis  vertieft,  wenn  man  Schleiermacher  in 
seinen  pädagogischen  Vortragen  auf  den  vielverschhiugeuen 
Weisen  folgt,  auf  denen  er  nn't  einer  die  Tiefen  durchdringen- 
den (iründHchlceit  nach  den  Mitteln  sucht,  die  Krziehungs- 
aufL;ahe  /n  lösen,  wenn  man  in  l'r Übels  luziehungslehre 
ein/ndrin<j;en  sich  benniht,  wenn  man  I)  i  e  s  t  e  r  w  e  s  leben- 
sj>rühende  inid  lebenweckende  .Xbhandlun^en  über  Krziehun<i 
und  rnteiiiclil  liest,  wenn  man  Herbart  studiert  imd  au 
Ficht  es  Reden  sich  begeistert;  kurz  wenn  man  nachgeht 
allen  den  vielfältigen  Forschungen  über  das  Seelenleben 
des  Menschen,  welche  durch  Jahrhunderte  hindurch  ange- 
stellt worden  sind,  um  auf  den  (irund  aller  Erscheinungen 
im  Menscheudasein  zu  konnnen,  um  die  Ik-dinj^ain^eu  kennen 
zu  krnen,  unter  denen  der  Mensch  sich  entwickelt,  damit 
wi(<krum  danach  die  (iruudsätze  für  die  Wnalinnij^.sweise 
zur  knsuu»;  der  i%i/iehun<;saufgabe,  die  allgemeinen  Fürmelu 
für  die  Einwirkung  auf  die  Menschen  bestimmt  werden 
können:  dami  kommt  einem  die  Bedeutung  und  die  Trag- 
weite der  Anfj^abe  des  weiMichen  ( »escltlechts  fast  erschreckend 
zum  Ik'w  nfstsein.  ICrschreckentl  im  Hinblick  auf  die  Un- 
ffihiq^keit  des  weiblichen  (leschlechts  im  alloemeiuen,  diese 
Aufi^abe  /.u  erfüllen,  und  nuf  die  aus  derselben  folgende 
I'nsumme  \  erloreu  <^e«^'a!ii;(  ner  Kraft,  \  eikümmerter  Fähio-- 
keiten,  untergrabenen  iihickes.  Fud  zu  dem  Krscluccken 
gesellt  sich  Staunen  darüber,  dafs  diejeui^^eu,  die  doch 
Kenntnis  von  der  Bedeutung  und  Schwierigkeit  der  dem 
weiblichen  (ie.schlecht  zukommenden  Aufgabe  haben,  und 
welche  die  I'ildungsstatten  für  dieselbe  ji^ründen  und  leiten, 
nicht  Ik'dacht  Li\n<)mmen  haben  auf  diese  Aufj^abe,  und 
dafs  da,  wo  mau  diese  \uf«;^abe  erkannt  hat,  man  nicht  durch 
J'jziehun}4   und  l'utcrricht  ilazu  geholfen  hat,  die  reiche, 


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naturliche  Mithabe  der  Fran  für  ihren  Beruf'  willig  und  ge- 
schickt für  {lenselhvii  zu  lliaclR-n. 

Auf  welchem  Platz  auch  die  Krau  stehe,  "1)  sie  im 

ei^ifcnen  Hanse  die  ei|L^enen,  ob  im  freinden  Hanse  die  freiiideii 
KiiulcT  erziehe,  ob  sie  in  der  Scbnie  oder  nm  Krankenbette 
\\iik<.\  ob  sie  einen  Hanslialt  leite  oder  eine  ]L;e\verbliebe 
TlKiLii;keii  ansübe,  ob  sie  der  Wissenschaft  oder  der  Kunst 
ol)lie<4:e:  immer  und  überall  hat  sie  die  Aufj^abe,  erziehlich 
zn  wirken,  und  die  Schule  hat  daher  die  Aufjjabe,  sie  für 
diese  Wirksamkeit  «geschickt  zu  machen  und  für  ihre  niög^- 
liclu  SteUnn«^  als  (iattin. 

( ianz  abgesehen  davon,  dafs  diese  Hilihnii^-  znr  Krzieherin. 
die  Kran  ihrer  speziell  weiblichen  Hernfsthätij^keit  befähij^^t, 
s<»  lej^''t  dieselbe  auch  den  drund  zu  jeder  anderen  bürger- 
lichen Hernfsthätigkeit  des  Weibes,  deini  wenn  alle  wesent- 
liche Förderung  des  ganzen  menschlichen  Lebens  auf  der 
Erziehung  berulit,  -wenn  es  für  die  ^nsanitc  menschliche 
IJildnni^  nichts  Bedeutenderes  giebt  als  Vollkommculicit  der 
Erzichnnj^ :  dann  ist  es  nicht  nur  wünschenswert'^,  dafs  auch 
das  wei!)liclu  (K  srhkcht  tanj^iert  würde  von  denijenij^en,  was 
der  höheren  HiUinnj^^sstnfe  eij^net  ,  wie  c  h  1  e i  er  ni  a  c  h  e r 
saj^t,  sondern  dann  ist  es  notwendi'j:.  dafs  dn><  wiibliche 
(»cschlecht  durch  dit-  Schule  auf  die  luiherc  I5iUhin«;.s.suife 
gehoben  wird,  welche  die  pädagogische  Thätij^keit  fordert. 

Von  dieser  Stufe  aus  aber  wird  es  jeder  Jungfrau  leicht 
werden,  sich  fortzubilden  für  die  verschiedenen  anderen  Bc- 
rnfsthätigkeiten,  wenn  ihr  nur  die  Mittel  gewährt»  die  Wege 
frei  gegeben  werden  znr  I'ortbildnng ;  wenn  nur  dem  weib- 
lichen ♦  reschlecht  so  viel  X'orschnb  geleistet  wird,  als  znr 
\'erbessernng  seiner  Su  lluni^  und  seiner  Kinwirknn<>  auf  die 
künftige  ( leneialion  notweutlig  ist,  damit  wenn  c>  im  (tauge 
der  Dinge  läge,  dafs  die  l'ngleichheit  der  ( »eschlechter  noch 
weiter  abnimmt,  die  Erziehung  nicht  entgegenwirke-,  wie 
Schleiermacher  sich  ausdrückt. 

Was  unsere  Ijedeutendsteti  l'.'ldagogen  gefordert  für  die 
KfziclnniL;  d<.  s  weiblichen  (ieschlechts,  das  habi  n  auch  Frauen 
schon  zu  Anfang  dieses  Jahrlniii(K  rt  ■^  \  r:1.ingt,  das  erstreben 
Frauen  zu  Hude  des  Jahr]nnHlen>.  Ks  war  also  wirklich 
nicht  Herrn  (loerths  liuch  nötig,  um  uns  aufzuklären  über 
<lie  Klüngel  und  über  die  Hestimmung  des  weiblichen  CVe- 
schlechts.  Die  erstcren  haben  wir  längst  erkannt  und  sind 
längst  bestrebt,  sie  zu  beseitigen,  die  letztere  kennen  wir 
besser  als  Herr  (lOerlh  und  weisen  die  von  ihm  gckeini- 
zeiclmete  als  eine  der  Frauen  unwürdige  mit  ganzer  Ent- 
schiedenheit zurück. 


Sprach-  und  Sachunterricht 

Von  Edwin  WHke  in  Quedlinburg. 


Joli.  Ha4'h<>  utiil  Ilerni.  Prüll.  De  r  <;csanilc  Si)raclnintcri  iclil  i  i» 
der  V'olks.schuic  i  ui  An.schhus  an  tltii  Sachunterricht. 
KrsterTeit.   2.,  y,.  \\n<\  4.  Schuljahr.   Bearbeitet  von  JohanncH 

Hache-,  I, ein 01  in  Chcninit/.  Zweiter  un<l  dritter  Teil.  5.  S. 
Schuljahr.  Ikarhoitct  \i>n  11  ermann  IMüll.  Dresden  1.S95, 
Alwin  Iluhle.    I'r.  >.|n  M. 

Ivs  war  eiiüual  al»cr  laui^^e  i<t'<  her  ein  Schulmeister, 
(kr  war  auf  kiiiieiii  vSeininare  .«gewesen  niul  halte  nie  ein 
päila.ii<»>;isr]u  s  iKler  niethodisclie.s  lincli  sludierL  Aber  er 
sollte  lind  iiiuiste  unterrichten.  Da  fragte  er  .sich:  Was  will 
ich  eigentlich  mit  meiner  Arbeit  erreichen?  Manche  Antwort 
fiel  ihm  ein:  vor  allem  meinte  er  auch,  seine  Schüler  müfsten 
die  Dinjfc  in  der  n.ächsten  Umg^ebiinjj  kenneu  lernen.  Dannn 
führte  er  die  vSchüler  zu  den  Dingden  oder  brachte  die  I)iug;e 
zu  den  Schülern,  zeij^te  .'^ie  ihnen,  machte  sie  auf  ihre  Miq-en- 
tüiulichkeiten  aufmerk.sam,  liel's  jede  neue  ICrkenutni.s  nchti«; 
und  j^ul  anssj)rechen  und.  weil  der  .\rme  es  eben  nicht  bcs-i^er 
j^eUrnl  hatte,  .schrieb  ei  alle  neuen  I'e/.eielmunj^en  für  die 
I^in^e  und  ihre  Eigentümlichkeiten  an  die  Wandtafel.  Diese 
Wörter  liefs  er  lesen,  abschreiben,  bnchstabieren,  auswendig 
.schreiben  nnd  wiederholte  diese  Thätigkeiten  so  oft,  bi^  die 
Rinder  das,  was  sie  zuerst  i,'^esprt)cheu  hatten,  auch  richtig 
anfsrhreiben  k<unUen,  Der  Nachlolj^er  dieses  I.clirers  war 
auf  dem  Seminare  in  allen  Künsten  der  Methodik  aiisuiebildet. 
Als  er  nach  des  .\lten  Tode  die  Sehule  übernahm,  verniiisU' 
er  zunächst  einen  Slundenplan.  Xir^ends  war  er  aufzufinden, 
die  Kinder  kannten  solch  ein  Dinj^  gar  nicht  Also  setzte 
er  sich  hin  und  schrieb  flugs  einen  Stundenplan  mit  Biblischer 
(fcschichte,  Katechismus,  Bibellesen,  Kirchenlied,  Perikopen, 
statarischcin  und  kursorischem  Lesen,  Grammatik  nnd 
<  )rtli"L;rri]diie,  Diktat,  .\nfsatz  11.  ^.  w.  Ptine  .«seiner  ersten  .-Xr- 
beiten  ni  der  .Sclrde  war  es  dann,  den  Kindern  ein  Diktat 
xn  '.K-ben,  nni  ihre  l-ertiekeit  im  Reeluschreiben  zu  prüfen. 
Abel  als  11  usni  au.s  Koi  ri;4ie;  en  <;ehen  wollte,  konnte  er  im 


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Kpriirti-  und  8«ohunli»rrlchl. 

glänzen  Hanse  keine  roie  Tinte  finde».  Auch  im  Dorfe  — 
denn  so  etwas  kann  natilrlicli  nnr  im  Dorfe  vorkommen  - 
war  kein  Troplen  roter  Tinte  anfzutreiben.  Über  den  Manj^el 
half  sich  der  jnno^e  Lehrer  bald  liinweg^;  aber  lanu^c  blieb 
es  ihm  ein  Rätsel,  wie  der  Alte  ohne  rote  Tuilc  halle  ans- 
koiinneii  können. 

Der  Leser  verzeihe,  dafs  ich  ihm  als  Eintei tinig  eine 
Fabel  erzähle.  Sie  schien  mir  aber  gfeei)[i:net,  ihn  in  den  (Ge- 
dankenkreis n  versetzen,  v^on  dem  die  Verfasser  des  oben 
rin^c/ti^ten  \\\ikcs  ruisj^e^angen  sind.  Der  gesamte 
S I )  1  a  c  h  u  n  i  c  r  r  i  c  Ii  t  i  m  A  n  s  c  h  l  n  Is  a  n  den  S  a  c  Ii  n  n  t  e  r- 
rielit  .  Das  ist  «^»-erade  nichts  Xenes.  Schon  vor  2'^  Jahr- 
hnndcricn  fordei U-  Arnos  Com en ins:  Das  Stndinm  der 
Sprache  niufs  parallel  «^ehcn  mit  dem  der  Sachen  r.  Pesta- 
lozzi hatte  den  vom  Sa ch unterrichte  losgrelösten  Sprach- 
nnterricht  ^ebrandniarkt  als  \\'ortjj;epränji^e,  Manlbranchen, 
rasendes  Zntranen  anf  Worte.  Vom  Standjmnkte  des  vSprach- 
f<n">clurs  und  des  l'äda^^o^en  war  Rixlrdf  f I  i](U  V)raiid  zn 
(ieinseilj»en  ( iedanken  j:j^t'V;<>nniu  n  nnd  InnU  i  ie,  dals  <ler  l'nter- 
richt  mit  der  Sprache  znv>lcith  den  Inhalt  der  Sprache, 
iiiicn  Lebensgehalt  voll  und  frisch  und  warm  erfasse  .  Und 
Dörpfeld  hatte  es  als  eine  dringliche  Refonn^  bezeichnet, 
den  Sprachunterricht  in  natürliche  Verbindung  mit  dem 
Sachnnterrichte  zn  Ininj^en.  .Aber  wie  war's,  wie  ist's  noch 
jetzt  mit  der  Praxis  bestellt?  Der  vSach Unterricht  wird  so 
früh  als  niöj^'^Hch  in  drei  nnd  mehr  Fäden  zers]>allen:  der 
I,t  sL-untci  riclit  verarbeitet  1)esondere  ( iedanki  iircihen,  oft  l)e- 
soikUh.-  im  kursorischen  inid  besondere  im  stalarischen  Lesen; 
(»ranimatik  und  C)rthoj4ra])liic  küniniern  sich  fast  j^ar  nicht 
um  den  Inhalt  der  Worte,  mit  denen  sie  arbeitet;  die 
Diktate  und  Aufsätze  nimmt  man  aus  besonderen  Sammhingen, 
die  weder  vom  .Stoffe  des  Sachnnterrichts,  noch  von  den» 
des  Leseunterrichts  etwas  wissen.  Und  wenn  dann  der 
Kindesj^eist  nicht  imstande  ist,  alle  die  Ivinzelfäden  zu  ver- 
einen, wenn  er  über  dein  \  ielerlei  das  veri^nfst,  was  er  j^erade 
fürs  Leben  br-incht,  wenn  er  an  den  l^otnun,  deren  Inhali 
ihm  fremd  ist,  keinen  Cjcfallcn  findet,  <lann  wundert  inaii 
sich.  Aber  wir  stehen  im  Zeichen  des  Fortschritts^  was  un- 
gefähr dasselbe  ist,  als  im  Zeichen  des  Rückschritts  zn  dem 
Verfahren  des  Kinj>;angs  erwähnten  alten  vSchulmeisters.  Immer 
allgemeiner  wird  (l:i>  Milsbehaj^'^en  mit  den  btmten  Stunden- 
plänen, imnitr  iiu  lii  klärt  sich  die  Mi  r  der  Konzentration  ab. 
Xamentlich  im  deutschesi  rtitciiirlue  kommen  wir  \or- 
wärts.  Immer  kleiner  wird  du  Zahl  der  Lidner,  die  zu  ihrer 
Sammlnn«-  greifen,  wenn  sie  einen  Autsatz  anlc!  lij^en 
1as.sen   wollen,    immer   klarer  wird  der  (Vrannnatik  nnd 


X«m«  1latiiu>n  |  r*(iiüii;<>i;iuin)  Vif.  r.« 


21 


314 


( )rthoo:raphie  ihr  Aiischhüs  an  Lesebuch  und  Aufsatz  vor- 
gezeichnet 

Einen  uniia.s.scnden  X'crsucli,  /ur  Natur  zurückzuführen, 
machen  die  Verfasser  unseres  Werkes.  Sie  haben  ihre  metho- 
dischen Auseinandersetzungen  aufs  äufserste  beschränkt^  dafür 
aber  ein  ausfulirliches  praktisches  Beispiel  ^jegeben,  wie  der 
Sach-  und  Sprachiuitcrriclit  im  2.  X.  Schidjahre  zu  verbinden 
ist.    Haches  Arljcit  die  lMl>cl.stute  voraus.    Das  Kind 

hat  lesen  und  schreiben  L^elernt.  \\  ie  ist  nun  die  weitere 
Aneigfunu)^  des  Sprachscliatzes  zu  <(e>taUen,  damit  er  richtii^f 
verstanden  und  mündlich  und  schnilheh  ricluig  gebrauclji 
werde?  -  Ks  wird  hier  sogleich  einem  Mifsverstandnisse 
vorzubeugen  sein,  unter  dem  das  Buch  vielleicht  zu  leiden 
hallen  wird.  Die  Verfasser  sehen  den  Aufsatz  als  Mittel- 
punkt des  Sprach imterrichts  an  (Vorw.  zum  II.  Teile).  Wenn 
man  das  .so  versteht,  dal's  im  .Auf.satze  schlielslicli  das  gc- 
.samte  Sprachversländnis  und  die  i^an/e  Spi  achkeiiiitnis  zur 
Anwendung  und  sichtbaren  T)ar^u•lll^lL;  kdimni,  (kils  aKo 
alle  Heniühuuyeu  des  Sprachleluers  in  die.->cm  l'unkie  zu- 
sammenlaufen, dann  kann  man  den  Ausdruck  gelten  lassen. 
Soll  aber  damit  gesagt  werden,  dafs  auf  den  Aufsatz  das 
Hauptgewicht  gelegt  werden,  dafs  man  nach  ihm  vor  allem 
den  muttersprachlichen  Unterricht  beurteilen  .soll,  so  sind 
der  Ausdruck  und  die  an  ihn  geknüpften  Folgerungen  zw 
beanstanden.  Das  wollen  wir  als  Hrbe  Hildebrands  test- 
halten, dafs  das  Hauptgewicht  auf  die  j^eNjirochene  und 
gehörte  Sprache,  nicht  auf  die  geschriebene  und  ge.seiiene 
gelegt  werden  müsse.  (Vom  deutscheu  Sprachunterr.  3.  Aufl. 
S.  6).  Doch  ich  unterdrücke  zunächst  kritische  Bemerkungen, 
um  dem  Leser  einen  Einblick  in  die  Art  und  Weise  zu  geben, 
wie  die  Verfasser  den  Sprachunterricht  mit  dem  Sachuuter- 
richte  verbinden. 

Der  f^rundgedanke  ist  der,  dals  das  KinH  fl  '.^Wort  tmd 
das  \Vortl)ild  dann  am  leichtesten  mei  kt,  \\  enn  es  die  Sache 
kennen  lernt.  Also  das  Vorführen  und  Hesprechen  der  Wort- 
btlder,  d.  h.  das  Anschreiben  an  die  Wandtafel,  das  Hervor- 
heben der  orthographischen  Eigentümlichkeiten  und  das  Be- 
gründen der  Schreil) weise  der  Wörter  Dach,  Drache, 
Pferd,  (raus  gehört  in  den  .Auschauungs-  und  Naturkundeu- 
unterricht  (Druckfehler?)  Kugel,  (iott,  lutcn  in  den 
Religionsunterricht  schreiben,  Linie,  Punkt  in  die 
Schreibstunde  Lied,  Ton,  Note,  singen  in  die  vSino- 
stnude  usw.  (Hache,  S.  i  f.).  Die  auf  diese  Weise  in 
den  einzelnen  Stunden  des  Sach  Unterrichts  gewonneneu 
Worter  werden  von  den  Kindern  des  2.  4.  Schuljahres  in 
besondere  Hefte,    Merkbücher.,  eingetragen,  aber  nicht  alle. 


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Hltrarh-  uiut  S»chuni«rrlrlii. 


Hache  sondert  die  Stanini wörter,  die  be^riffslosen  oder 
Formwörter  aus  und  diejenigen  Ableitungen,  deren 
Schreibweise  aus  der  Sclircihweise  ilirer  Stannnwörter  nicht 
zu  erkennen  \<t  oder  din  cli  ( )nho|L^raphiere<j;ehi  nicht  «be- 
funden werden  kann  itfrli^,  liürde,  Hahre,  Rnj>peetcJ  (S.  2  f.) 
Oberster  Cjrniul>al/  bei  dieser  Auswahl  war  natürlicli,  dals 
die  Wörter  im  Sprachschatze  to-  11  jähriger  Kinder  vor- 
konnnen.  Auf  diese  Weise  hat  Hache  2400  Merk  wörter 
-vfnnden^  die  er  nach  ihrer  Schwierigkeit  auf  das  2. — 4.  Schul- 
jahr verteilt  Alle  andern  AbU  itnuj^en  und  die  Zusanimen- 
setzungcn  werden  wohl  an  die  Wandtafel  j^eschrieben,  aber 
nicht  ins  Mrrkbiicli  cin<4etra«^eu.  Diesem  dient  nicht  nur 
der  Kinj)rä};iinj4,  sonciern  anch  j^an;^  be  sonders  der  Wiedcr- 
holunj^^  Der  tiang  der  Ubun.^en  «gestaltet  sich  denuiach 
wie  folgt:  Im  Sac hunterrichte  wird  im  2.  vSchnljahre  bei- 
spielsweise die  S  c h  n  l  $  t  u  b  e  besprochen.  Dabei  gewinn t  der 
Lehrer  die  Merkworter  Schule  grofs  Stube  breit  Thür 
hoch  (höher).  Jedes  dieser  Worter  wird  besprochen  (Anfangs- 
bucli.stal)e,  WOrtart,  Hezeichnun-L^  des  Slinnnlautes,  Auslautes 
usw.)  und  dann  vom  Lehrer  an  fb'c  \\';nidtafel  i^cschrieben.  Ist 
das  geüchelien,  so  schreiben  die  Kinder  .sie  in  ihre  Merk- 
luicher  ab.  Xun  i^eht  der  Lehrer  an  die  Wortlji  Id  u  n  g. 
Kr  läfst  \  on  den  Merkwörtern  Zusammensetzungen  und  Ab- 
leitungen bilden.  Sie  ^werden  ähnlich  wie  die  Merk  wörter 
besprochen.  Weitere  Übung  erfolgt  durch  Verwertung  der 
Wörter  zu  Diktaten  und  Aufsätzen.  Die  Kinder  schreiben 
z.  B.:  Die  Schule  ist  i:r(>fs.  Die  Stube  ist  breit.  Die 
Thür  ist  hoch.  i  di  r  Niederschrift  dieser  Sätze  (als  Auf- 

satz) dienen  die  Merkworter  als  Anhaltspunkte.  Heim  Dik- 
tieren sucht  der  I^ehrer  nach  neuen  Sätzen,  neuen  X'erbin- 
tlungeii,  in  ileiien  aber  immer  wieder  scliun  geül)le  Stamm- 
nnd  Form  worter  verwandt  werden.  Was  aus  Oraniniatik 
lind  Orthographie  auf  der  Mittelstufe  zu  lehren  ist,  wird  an 
die  Merkworter  und  die  daraus  gebildeten  Sätze  angeknüpft. 
Auf  diese  Weise  gewinnen  die  Kinder  einen  anfantis  kleinen, 
sich  aber  im  Anschlufs  an  den  vSachunterriclu  »^tetiq  er- 
weiternden, in  inhaltlicher  lieziehnnj^  imnier  ein  ab.f;e- 
.schl"  )->ene>  ( ranze  bildenden  Fond  \ on  orthoirraidnseii  riehtii;en 
Worlbildern  ,  einen  derartig  gestalielen  l*ond,  mit  dem 

die  Kinder  schon  von  frühester  Zeit  an  imstande  sind,  zu 
arbeiten,  d.  h.  schriftliche  Übungen  in  Stil,  Grammatik  und 
Orthographie  auch  aufserhalb  der  Schule  orthograi)hisch 
richtig  .iHszuführeu' .  (S.  11.)  Für  den  S  udnnUi  rriclu  hat 
dieses  \  erfahren  den  nicht  zu  mitersrli'U/!  rf  iru  \  urteil,  dafs 
es  den  Lehrer  zur  Kürze,  Knappheit  und  Klarheit,  s()\\:ie 
zur  grüntllichcn  i'bung  in  lU  r  miuullichen  Darstellung  nötigt. 


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kdwin  Wilkp. 


Die  scliriftUcheii  T'i)un^eii  im  vSprachuiiterrichte  bcfestij^en 
die  Krj^ebnisse  des  vSacliniiterrirlus. 

Für  solchen  SprachunteiTiclit  l»it  tel  Haclie  32  (inippcn 
Foriiuvörter  (i.  CVnippe:  der,  die,  das,  des,  (]eni,  den,  ein,  einen), 
70  Grnppen  Merkwörter  tüi  das  2.  Schuljahr,  59  für  das  3., 
35  für  das  4.,  unter  jeder  Gruppe  Sätze«  die  als  Diktat  oder 
Aufsatz  verwendet  werden  sollen»  ferner  zu  jedem  Merkworte 
eine  Reihe  von  Ableitungen  und  Znsaniniensei/.un,i;cii.  Welche 
von  diesen  dem  Verfasser  für  die  einzehien  Schuljahre  q^e- 
eij^net  erscheinen,  wird  durch  \'erwendun«^  verschiedener 
Buchstabenfonnen  und  (  "rrr)l.sen  an^ezeiji»;t.  I*'ür  das  2.  Schul- 
iahr  tiithält  HaclKs  Arbeit  einen  an<»efau<^»-eueu,  für  das  3. 
einen  durchgeführten  Konzentrationsplan  und  cudheh  grani- 
niatische  und  orthographische  Aufgaben,  die  im  Anschlüsse 
an  das  Merkbuch  zu  losen  sind. 

Auf  dem  so  gelegten  Grunde  haut  Hermann  Prüll 
weiter  für  das  5. — 8.  vSclmljahr.  Hin  Aufsatz  oder  mehrere 
im  Anschlüsse  an  die  Sachi^^ebiete  bildeu  (ku  Ausq-nu_q'S]iunkt. 
l><'ni    Aufsatze   ist  nuislcus  die  (Gliederung  vorangestellt. 

ler  mit  orthographischen  Schwierigkeiten  sind  durch  den 
Druck  hervorgehoben.  Sie  sollen  ähnlich  wie  Hacho  Meik- 
wörter  behandelt  und  für  ein  Vor  bereit  ungsdiktat  ver- 
wendet werden.  Auf  die  Aufsatze  folgen  Worterklä- 
rungen, die  dem  Lehrer  Anregimg  und  Stoff  grbeu,  auf 
Bedeutung  und  *Eutstehun«^  der  gebrauchten  Wörter*  ein- 
zugehen. Aber  der  Aufsalz  wtcki  auch  das  Interesse  für 
eine  bestimmte  vS  pr  ach  fo  t  111 ,  die  vielleicht  in  ihrer  An 
hier  mehrmals  \  (.  i  treten,  die  \  un  einigen  Schülern  lal»ch 
angewendet  worden  ist  .  (II.  Teil  S.  ]3iesc  Sprachform 
wird  behandelt  und  an  dem  Sprachstoffe,  der  den  betreffenden 
Sachgebieten  entnommen  ist,  geübt  Sprechübungen 
befestigen  die  erkannte  Sprachform,  und  die  Sprachar- 
beiten und  Diktate  haben  den  Beweis  zu  liefern,  dafs  die 
betreffende  orthographische  Regel  oder  das  grammatische 
Gesetz  verstandcii  nrden  ist  und  v(»iii  Scliüler  richtig  ange- 
wandt werden  kann  .  (A.  a.  (>.)  Die-  allermeisten  Dikiate 
und  Spracharbeiten  sind  in  Aui.suL/.iuiui  gegeben  \ind  zwar^ 
wie  der  Verf.  sagt,  An  einem  möglichst  ansprechenden 
Deutsch  ausgeführt'..  -  Nicht  klar  ist  mir  geworden,  wie 
die  Sprach  arbeiten  in  Aufsatzform  zu  verwenden  sind. 
Sie  können  doch  nur  als  Aufsatz  oder  als  Diktat  gebraticlit 
werden. 

(Schlufs  folgt,  i 


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Pädagogisclie  Umschau, 


Vom  IteraHifeler. 


I. 

Das  Lehrcrhcsoldti ttjg^sgesetz»  das  in  diesen  Wochen 
fast  das  gcsatiiu-  Interesse  der  preiifsischen  Lehrerschaft  in  An- 
spruch nahm,  hat  die  Klippen  des  Al)^eordnetenhauses  glücklich 

nmscliifft.  Die  I'alirt.  Iki  der  es  freih'ch  nicht  an  Stünnen  fehlte. 
j;inji^  schliefslich  sogar  in  rasclieni  Tempo  vor  sich.  Herr  ik)sse 
wird  sich  nicht  wenis:  gefreut  liahvn.  das  Kuid  seines  IKr/cns 
durch  die  schaunientien  Fluten  geretlel  /Ai  haben.  Wie  kcuciiL 
doch  die  Maschine,  wenn  es  sich  auch  nur  um  wenig  Millionen 
für  die  Schule  handelt,  und  wie  spielend  arbeitet  sie,  wenn 
Hunderte  von  Millionen  für  Militär  und  Marine  nötig  sind! 

Wie  jeder,  der  die  Entstehung  des  Gesetzes  nur  einiger - 
inafsen  verfolgt  hatte,  voransselien  konnte,  sind  wesentliche  An- 
deruni^en  an  dem  Kntwurfe  nicht  vorgenonunen  Der  Kultus- 
minister hatte  ja  dem  Finati/niinister  nur  mit  Mühe  und  Xot 
die  Höhe  des  Grundgehaltes  und  der  Alters/.ulagen  abgerungen; 
er  wufste,  dafs  nicht  mehr  zu  erreichen  war,  ja,  dafs  jede 
Erhöhung  derselben  den  Widerspruch  Mtquels  hervorrufen 
wurde  und  so  das  ganze  Gesetz  gefährden  konnte:  so  war 
er  froh,  weim  nur  die  vorgesehenen  Sätze  durchdrangen.  Die 
mafsgebenden  Parteien,  Konservative  und  Centrum,  hatten  nach 
ihrer  gan/ea  Stellung  zur  S.hule  kein  Interesse  daran,  die  Ge- 
haltssätze zu  erhöhen;  ia  erstere  sucuten.  wo  es  nur  uKiglich 
war,  das  (iesetz  so  /u  gestalten,  dafs  es  ihnen  nur  keine  neue 
Lasten  auflegte.  ITnd  die  Liberalen?  Sie  haben  sich  wahrlich 
nicht  auf  der  Höh*  der  Situation  gezeigt.  Ks  war  ihr  gutes 
Recht,  wie  wirnoch  in  der  vorigen  l'mschau  unzweideutig  aus- 
gesprochen haben,  sich  gegen  die  Mehrbelastung  der  Städte 
eriergisch  /u  wehren.  Aber  e  war  nicht  recht,  auch  nicht 
politisch  klug,  dals  sich  ihr  <;inzes  Interesse  auf  diesen  unglück- 
lichen l*nr;igrai>hen  25  k< mi zentrierte.  Wir  müssen  \ollständig 
unterschreil)  n,  was  die    Preufsische  Lehrer-Zeilung  ausführte: 


4 

üiyiiizoü  by  GoOgle 


^iS  •fohanne«  Mf^yn, 

Niehl  <l  i «.  J{  c  s o  1  (1  u  n  «K  i  I.tlire»  .  sondern  die  Doktor- 
fia>;c  über  >;«^ri;clile  <ukr  uiijicrcclile  Bcliisluiig  <lcr  ^rolstn 
Kommunen  war  den  IJbcmlen  offenbar  die  Hauptsache.  Kein  An- 
trag atif  l'j  hölinnu:  di  r  Mininialj^t  li;iUt  r  odej  tkr  Altcrs/nlay^t  ii  i^in^ 
von  ilineii  im  Plenum  aus,  obwohl  ilirc  Redner  des  ötteren  beUniteii. 
dafs  auch  durch  die«  (»esetz  die  l.ape  der  preufsischen  Lehrer  ni»ch 
tiui-  <lfücktf  bleiben  würde.  Sie  fanden  sich  und  ihr  Cttwissen  (bi- 
niit  ab.  <hif.s  sie  erklärlen.  iie/üf^Iiebe  Antraue  wiiriUn  bei  der  Saob 
la>{e  ducli  keinen  l-lrfol^  ba))en.  Das  ist  ^au/ richtig.  aber  darauf 
kam  es  hier  denn  doeh  nicht  an.  Der  Lit)era!i.smu.s  mufsle  hier 
/(iurn,  wie  er  die  Arl)eil  «les  l.  -hrers  taxiere  Stall  dessen  bei^nnj^le 
man  sich  mit  wulilwoUeudeu  Redewenduui^en  ;  aber  als  der  25  kam. 
der  den  fast  durchweg  leistiinjirsfäiii^rcn  jn"ofsen  Städten  jfewisse  Bene- 
fi/ien  ent/iehl.  da  ;4in}j:en  die  Liberalen  ener*risch  \  »n  traten  ihre 

besten  Redner  auf  den  Plan,  und  cla  .stellte  man  bestimmte  Anträge I 
Hier  hiefs  es  nicht  mehr:  Ks  hilft  doch  nichts- :  hier  war  der  jje- 
sanitc  Liberali.smus  mit  jjanzer  Seele  ihibei ! 

Wir  \  erkennen  durchaus  nicht  die  Sch wieriLrkeil.  in  der  sich  <be 
Liberalen  gerade  diesem  tie.set^e  gegenül)er  befanden  ;  aber  .selbst 
unter  Berucksieiiiij  injy  der  l^af^a  konnte  uns  die  Haltung  der 
Liberalen  keine  besondere  Anerkennung  abringen.  Sil 
hatten  .sich  in  den  5525  so  \  er1)i.s.sen.  d  als  .sie,  wenigsteu.s  die  Links 
liberalen.  schliefsHch  gegen  das  ^anzc  i^ieset«  stimmten.  Seit 
Jahr/ehnteii  verlangten  gerade  diese  eine  Iksserung  der  niatericllen 
Lage  der  Lehrer;  un<l  der  er.ste  ( iesetzenlwurf.  der  mit  dieser  Iksse- 
rung den  Anfang  macht,  findet  sie  .schlielsHch  als  (Verlier  I  Kine  grau- 
samere Ironie  des  .Schicksals  j^ebt  es  wohl  nicht. 

Die  Xationalliberaleii  «lagegeu.  die  auch  energisch  um  den  ;j  ^5 
kanipiten,  waren  ptilitisch  genug,  /nni  Schlnis  trot/  ihtes  Mitserlulges 
für  das  (iesetz  zn  stimmen  und  so  den  Streit  /wischen  den  g:rufsen 
reichen  St  tdtcT^  und  dem  Finanzniinistcrnicht  die  armen  Lehrer  ent- 
hielten /A\  lassen. 

So  ist  e.s  );ekommeii.  wie  es  konuneii  uuifslc.  Da  niemand, 
weder  der  Minister  noch  die  Parteien,  ein  Interesse  daran  Imtten, 
in  ei'e  Verbesseitmg  des  Gesetzes  einzutreten,  so  sind  wesent- 
!i  lie  Abänderungen  des  Entwurfes  nicht  beschlossen  worden, 
Verbcsserl  wurden  nur  die  Festsetzungen  über  das  Mininialge- 
liall  der  Schulleiter,  die  .Vnrech  ung  der  l''eiu-niug,  die  \*er- 
saguug  (\v-  Altcrszulageii  und  andere  Kk iuigkeilen.  1  »agegen 
ist  «.üe  Hülle  des  .Vlinimalgelialtes  sowie  der  Alterszulagea  ilic- 
selbe  geblieben;  unangetastet  blieb  auch  die  in  Lelirerkrei.sen  so 
vielfach  angefochtene  HeHtiniinun}r  über  die  Benutzung  des  Dienst- 
landes; verwässert  wurden  die  Bestimmungen  über  die  Dienst- 
wohnimg. 

Ks  ging  so,  wie  es  in  dem  Liede  heifst: 
l  ud  da  keiner  wollte  leiden, 
Dafs  der  and  re  für  ihn  /.ahlte, 
Zahlte  keiner  \  ou  den  beiden!- 
Den  Dank  für  die  (»estaltung  des  (k  setzes  mag  die  preuisiscbe 
Lehrerschaft  aber  auch  Herrn  Mi<iuel  abstatten.  Der  I'inauzniinister 
bat  sich  üljeriiaupt  bei  diesen  Hernliingen  in  einem  ganz  eigen- 
tümlicben  Lichte  gezeigt.     Ijinuert  es    nicht  an    die  Bilduuj^^s- 
feindlichkeit  des  uascliecUleslen   Kon.servalisiuus,   wenn  er  den 


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Städten  /um  Vorwurf  maclil.  dafs  sie  die  Schüler/.ahl  in  den 
ein/einen  Klassen  liernnlerdnicken  nnd  dadnrcli  das  Scliulluidji^et 
in  die  TIölic  schwellen  la^-sen.  \V<>  Herr  Mif|uel  ührii^ens  die 
\'(>lks>chuUn  kennen  >;ck'rnt  hat,  »kTt-n  Klassen  dnrchschnitliich 
von  40.  oder  soj^ar,  wie  er  späUr  mit  grulser  Kühnheil  be- 
hauptete, von  mir  30  Schülern  besucht  werden,  wird  wohl  sein 
Geheimnis  sein.  Wenn  solche  Aufserungen  fallen,  dann  wundert 
man  sich  freilich  über  ndes  nicht  mehr!  Und  was  soll  man 
da/n  sapen.  wenn  es  in  dem  offiasiellen  Berichte  öber  die  Korn- 
missionsverhandlnn^en  heilst : 

'Der  1' i  n a n xni i  Iii ste r  gab  bei  dieser  Ci  ele^etiheit 
seinem  Bedauern  darüber  Ausdruck,  dafs  bei  Lehrern 
nicht  auch  in  den  übrigen  Landestetlen  eine  Straf- 
V  e  rs  c  t  /  iJ  n  >r  111  ö    1  i  c  h  s  e  i. 

Was  ^ehen  denn  den  Finanz  minister  die  Strafverbct/.ungen 
der  Lehrer  an  ^ ' 

Wie  sich  doch  die  Zeiten  und  mit  den  Zeilen  auch  utt  die 
Anschauungen  ändern!  Kommt  uns  da  eine  Schulzeitung  aus 
dem  Jahre  1875  in  die  Hand,  und  in  derselben  lesen  wir  in  dem 
Berichte  über  die  am  20.  und  21.  Juli  desselben  Jahres  stattge» 
fundene  Sitztmg  des  Vorstandes  des  Landesvereins  Preufsischer 
Vf>lksschullehrer :  Der  Antrag;  des  Schnlinspektors  Hackhais, 
dem  Abg.  Miipiel  den  I^ank  des  X'nrstnndes  für  das  dem  Lehrer- 
stande und  der  Sclmk  hr/tuutc  InUiLSse  auszudrücken,  wird 
einstimmig  angenommen.  Winde  heute  wohl  von  irgend  einer 
Seite  noch  eiu  solcher  Autrag  gestellt  werden,  und  wenn,  würde 
derselbe  dann  wohl  %ur  Annahme  gelangen?  Damals  war  frei- 
lich Herr  Miquel  noch  Oberbürgermeister  in  i)snabrfick,  und 
während  er  die  Stufen  bis  zum  Ministersessel  erklommen  hat  sind 
manche  Wandlungen  mit  ihm  vorgegangen. 

I>er    Hannn-»,-.  Cnnrier  ,  ein  stet-,  niaf'-v'»!]  \irteilendes  Blatt. 

be/eichnel  in  einem  längeren  .\rtikel  <.la>  \Orgehen  des  Finanz- 

niinisters  als  gerade/n  knllui  widrig.  Und  leider  kann  mau  auch 

der    \oss.  Ztg.    nicht  widersprechen,  wenn  sie  schreibt: 

Preufsen  hat  seit  Jahren  aufgehört,  das  klas.sische  Land  der 
Sehnten  /n  sein,  l's  ist  uuf  dem  (ielnete  der  V'olk.sschide  vt)n  I-Vank- 
reich  weitaus  überflügelt  wonleti.  leinst  konnte  nian  .sagen,  der 
j)renfsische  Scluiliueister  habe  die  Sthlaelit  \  i>n  Königgrät/  gewonnen. 
Noch  v<ir  eiuLin  Jaln/elint  erklärte  Fürst  lii.siuarek.  das  11  ktlix-w iclit 
der  deutschen  W  ehrkraft  bernht  grofsenteils  in  der  Höhe  der  X'olk.s- 
bildung.  l'nter  dem  I'inanzminister  Miquel  steht  die  Schule 
sttlL  und  Stillstand  ist  Rückschritt  Herr  Miquel  hat  kein 
C.eld.  nanjcntlivh  für  die  Stadls,  die  ilire  Mittel  mit  X'orliebe  für 
Bildungszwecke  verwendet  haben.  Der  I  nlerrichtsmiDister  so  gut 
wie  der  Justizminister  treten  den  Rückzug-  vor  der  Altmacht  des 
l'jnan/nnnjsters  an,  l)L'r  H.ninov  Coinier  hat  recht,  die  I'«>litik 
des  Herrn  Miquel  ist  nicht  nur  engherzig,  sie  ist  geradezu  kultur- 
widrig . 

Im  Anschluls  an  die  Herutung  des  Lehrerbesolduug.sgesetzes 


üiyiiizca  by  GoOglc 


320 


machtvil  nIcIi  die  Mcliilicilspartdt  n  iu»cli  ein  \  cr^nü.ueii  tlaiau^, 
eine  kfsolutioii  hvtr.  \'or\a):^Q  eines  Seluilj^eselxes  anf  cliristliclier 
(irundlajje  (liirch/nset/en.  Audi  wir  wünsclUen  <1al's  uns  bald 
ein  ntnfasseudes  Schnl<4eset/.  heseliieden  sein  nuKhte,  und  wir 
wünschen  auch  ein  vScliulgesetz  auf  chiisUiclier  C»ruudlage,  Aber 
wir  {Qrcliten  dk  Datiaer,  auch  wtMiii  sie  Gt^scheiike  brin^reii  ; 
ein  christliches  SchulK^^tz  im  Sinne  jener  Parteien  wünschen 
wir  allerdings  nicht.  Wuläuti^  le.L;en  wir  .Ur  Resolution  auch 
noch  keine  Bedeutung  bei.  I  ber  das  Schulgesetz  sind  in  den 
letzten  Jahren  schon  zwei  Kultusini tn'ster  >;eslür/t.  und  die  in 
der  Komi  >;ewifs  sehr  wohlwolleiuleii.  aber  doch  diplomatisch 
vorsieh  Ii  ab^ei^ebeneii  I  .rklärun,ü;en  l?<»sses  der  Kulturminister 
hielt  sich  augenscheinlich  an  den  Spruch,  uml  er  thal  unter 
den  obwaltenden  l'mständen  sehr  weise  daran: 

■  Ich  iiixfi'  nicht  ja  und  saj;*  nicht  nein, 

Sonst  könnt"  man  sprUei  s.i;;en. 
Ich  hätte  nein  ocler  ja  ge.siij^t. 
VnA  mich  verklagen  — 

lassen  doch  erkennen,  dals  er  nicht  j;ewillt  ist,  der  Dritte  im 
Bunde  zu  sein. 

Wen«  das  Gesetz  nur  erst  das  Herrenhaus  gluck- 
lich passiert  hätte! 

* 

So  schriebea  wir  an  dem  Tage,  wo  der  luitwurf  des  Kehrer- 
l>eso]dungsgesetzes  im  Herren  hause  zur  Beratung  stand.  Alier 
•es  fiel  ein  Reit  in  der  FrühliuKsnacht. .    Als  wir  am  Aliend 

erwartuni^svoll  die  Zeitun«^  zur  Hand  ii ahmen,  da  stante  uns  in 
fetten  lUuh^taben  'grinsend  die  Nachriehl  eul  ;t  L^en  Das  Lchrer- 
1m  v( lUl u n  i;  ^  v; "^et z  i s t  im  H er ren h m  - l  i;e t  al  1  e n  1  Am  Sonu- 
aWciid  daraus,  am  zweiten  Tage  des  wunderschönen  Monats  Mai  , 
iand  das  feierliche  Begräbnis  statt.  Und  wie  iler  eisige  Xord- 
vnud  jener  Tage  so  manche  Blüte  vernichtete,  so  hat  diese  Nach- 
richt in  so  mancher  gequälten  Lehrerbrust  jede  Hoffnung  auf 
bessere  Tage  zerstört. 

Wenige  »Stunden  haben  dem  Ilerrenhausc  geni'igt.  um  die 
mülievülle  Arlieit  von  Monaten  zu  vernichten.  Xiclit  tiiu- 
Sclilncht  ein  Schlachten  war  s  zu  nennen  .  ein  Schiachlen  der 
ein/.ehieii  Paragraphen.  Ohne  ihm  auch  nur  die  IChre  einer 
Komuiissionsberatung  zuteil  werden  zu  lassen,  ist  der  Kniwurl 
a  limine  abgelehnt  worden,  mit  einer  Rücksichtslosigkeit,  die 
fast  ohnegleichen  dasteht»  so  dafs  Dr.  Bosse  dem  hohen  Hause 
vorhalten  mufste: 

l'.s  ist  in  '!i  r  uau/.cii  <  ifM  liic  hte  unseres  rarlaiUeiit.M  i^iiuis 
kaum  der  Fall  nach/.u weisen,  dais  ein  gleiches  \  erfahren  iuil  einem 
so  wichtigen  Gesetze  ein-cschlagcn  ist  ; 

und  Dr.  Miquel  au.ssprach: 


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i*jtdii(rtiiri»cii«  iini»cii«M. 


.^21 


Ich  liin  mitJ  mIu)!!  sehr  liinjic  im  j  arlaniciilariscIiLii  l.cl>cu  ci- 
Jahtxn.  su\\«)hl  als  AligeurUiictcr  wie  als  i>icuer  ilcs  K«inij'.s ;  ich  kann 
alter  sa^eti.  iiiicli  hat  nieiiinls  ein  Ik'sclihifs  des  Hauses  so  iibcr- 
lasclit  und      iititrs  icVt  sauren  —  ko  iicitiHch  berührt  wie  der  vor- 

Und  zwar  war  es  nicht  eine  Partei,  die  das  (»csc-l/  /ii 
Kalle  gebracht  hnf)en:  die  üufserste  Rechte  im  Inuitcn  \  ercinc 
mit  der  IJukeii  haben  mit  Ltist  das  traurige  Werk  vollbracht: 
die  erjitere,  um  die  Regierung  zur  Vorlage  eines  allgemeinen 

\*olks.schul>;esetzes  a  Ja  Zedlitz  zu  zwingen,  die  letztere,  um  den 

j;rüfsercn  Städten  einige  hunderttausend  Mark  zu  retten.  An 
dem  T.ii^s  wurden  Ilerodcs  und  Pilatus  I'Vcunde  miteinander: 
denn  /u\nr  waren  sit.-  einander  feind  !  Wir  hällen  es  wohl 
verslanden,  wenn  beide  Parteien  Iiis  zum  letzten  Augenhlieke 
tapfer  gekäm})ft  hätten,  um  ihren  Slandinnikt  zu  vertreten 
<!jis  war  sogar  ihre  Pflicht  -  ;  al>er  angesichts  der  Thatsache, 
<lafs  es  noch  viele  Lehrerstellen  giebt,  deren  Inhaber  mit  Sorgen 
und  mit  (oämen  ihre  Ta<;e  !iinl)ringen,  init  Kummer  auf  die 
Zukunft  der  heranw  achsei.deu  Kinder  sehen,  denen  die  Xol 
Dornen  in  das  Hett  streut  am  Abend  und  am  Morgen,  und  die, 
wie  man  sa.i;t.  mehr  Thranen  es.^en  al>  Prot,  stnlafs  soi^^ar  Dr. 
Miquel,  sicherlicli  den  Lehrern  gegenüber  ein  eniwandsfreier 
JCeUj^e,  bekuntlete. 

«lais  ein  Teil  der  Lehrer  nicht  blofs  mit  Sorge,  sondern  mit 
Not  zu  känij  frü  Im'h 

an<;esiehts  dieser  'i'hatsache,  ohne  jeden  \'ersuoh.  das  f  lesetz 
umzu).::estalten,  es  einfach  abzulehnen:    das  \  erstehe,   wer  kann! 

Zu  \  erstehen  ist  ein  solcher  X'or.uanj;  auch  nur  dann,  wenn 
man  die  (lesinnung  kennt,  die,  weni.i;e  Ausnahmen  abgerccluiet, 
im  Herrenhause  gegen  die  Lehrer  herrscht.  Was  geht  aiicli  die 
hochgeborenen  Herten  dieses  Hauses  die  Xot  des  Lehrerstandes 
an  !  An  dieser  klassischen  Stätte,  WO  einstmals  der  Reichs^raf 
Ih-fdd  erklärte,  er  habe  noch  nie  eine  verhungerte  Lehrerwittwe 
gesehen,  sprncli  sein  (lesinnungsgenüssc  Graf  Zielen -Schwerin 
jetzt  frank  un<I  frei  es  aus,  dafs 

da«  (irmidgehalt  för  die  zweiten  Lehrer  mit  q<io  M.  bei  24  Jahren 
weit  ni'^i  lU  ilürftiis  hinausgelle. 

Ihm   sekundierte  der  Oberbürgermeister  Becker  von  Köln, 

dem  ebenfalls 

auf  <lein  bände  i/k)  "M   ^icl  zu  \iel  sind 

Der  Dritte  im  Puiule  war  der  Oberbürgermeister  Zelle  von 
Berlin,  der  das  Lied  von  dem  ewig  unzufriedenen  Schulmeister 
sang : 

D.is  t  rs,  t/  \iim1(  einipe  tausend  Lehrer  zufriedener  machen  — 
zufrieden  Hieht.  (b  nn  das  wäre  zu  kosls|)ielig ' 

<  Lebhafter  Beifall!    verzeichnet  hier  der  Parlamentsberioht. 

Angesichts  dieser  Blunienlese.  die  wir  noch  leicht  vernieiiren 
könnten,  und  ;uigesichLs  der  Abstimmung  über  das  Ciesetz  macht 


es  nielir  als  einen  kläglichen  Kiiulruck.  wenn  naclur;i.u;licli  in 
iiircii  Organen  (Wv  eine  Partei  die  Wraiitwortuiii;  tür  die  Ab- 
leliiJinii:  der  andern  /ii>cliieht:  wenn  die  Kren/zeilunj^  die 
Li}>c!alen  für  dn<  Scheilern  des  (res(  t/e-^  ^  ei  inlw  nrtlich  macht, 
und  diia  Ikrrliner  ra^eblalt  hchredil;  1  )ie  Aj;raner  des  Ilerrcn- 
liauscs  hallen  auf  ihrem  Wille»  t^tanden;  auch  in  der  zweiten 
Lesung  ist  das  Lehrerlxisoldnngsgesetz  abgelehnt  %vorden  -.  Die 
reine  pi>Utische  Heuchelei  I 

Allerdings  einc  grofse Schuld  trägt  der  Finan/niini-ter  Micjuel. 
l*!r  hat  durcii  den  ausgleichenden  Verteilungsni.i.lii--  dem  Kultus- 
minister rill  Kukuksei  in  das  Nest  gelegt.  Mit  -x-UKr  Rede  im 
I ierrerdiaiihe  liat  sidi  freilich  MicjUel  einmal  wietkr  l;hre  ein- 
gelegt: al»er  es  ist  wohl  seiner  >;an/en  Haltung  iu  dieser  Ange- 
gel egenhcit  zuzuschreiben,  dafs  es  uns  bei  dem  Lesen  derselben 
umvillkürlich  immer  in  den  Ohren  summte: 

A  hifsle  I.iehe  uml  a  bifste  Treu. 
Tnd  a  bilsle  Falschheit  ist  auch  wohl  dal)ei:- 

Dem  Kultusminister  aber  danken  wir.  dafs  er  bis  zum  letzten 

Augenblicke  so  warm  für  die  Interessen  der  Lehrer  eiiiu'  l'cten  ist 
Mit  erschreckender  Deutlichkeit  haben  dir  \'erhandlnngen 
des  Herrenhauses  den  Lehrern  wiederum  gezeigt,  dafs  sie  von 
keiner  ]Hilitischen  Partei  als  solcher,  möge  sie  sich  liberal  oder 
konscr\  aü\  oder  Centnun  nennen,  etwas  Durchgreifendes  zu  er- 
warten haben.  Und  wenn  diese  Erkenntnis  immer  mehr  iu  die 
Lehrerwelt  eindringt,  so  wird  ihr  aus  diesen  trüben  Tagen 
wenigstens  ein  Segen  erwach-eii  ' 

Stchs  Millionen  Mark  sind  den  darbenden  Lehrern  wie<ler 
von>  Munde  abgezogen  worden.  Sie  können  nun  vorläufig  den 
Kaiiuu  Adalbert  von  Chamissos  weiter  variieren: 

Da.s  iül  die  Not  der  schweren  Zeit, 
Das  ist  die  schwere  Zeit  der  Xot, 
Das  ist  die  schwere  Not  der  Zeit:< 

und  es  wäre  wohl  zu  verstehen,  wenn  die  Lehrer  mit  .Shakespeare 
fragten:  Sollen  wir  nicht  die  Xachleulen  mit  einem  Kanon  auf- 
stören, der  einem  Leineweber  drei  Seelen  ans  dem  Leibe  haspeln 
könnte?  Aber  weg  mit  diesen  lieckiukenl  Du  Lehrerschaft 
wird  ihre  Politik  der  Mäfsigkeit  tr(»tz  der  Heiterkeit  des 
Herrenhauses  weiter  lühren,  und  sie  wird  endlich  doch  siegen  I 
\'orläufig  ist  die  Leidensge-schichte  der  Volksschule  um  ein 
Blatt  reicher,  und  auch  das  neueste  Kapitel  der  preufsischeu 
Schulgesetzgebuug  mfissen  w*ir  leider  mit  dem  bekannten  Refrain 
schliefsen : 

T*nd  der  ICntwurf  wanderte  zu  den  Akten  , 
In/wischen  haben  die  freikonserxati ven  Mitglieder  des  Ab- 
ge< »rdnetenhanse->  v.  'rz:-elioj)jH'  und  hVeiherr  v.  Zedlitz  in  einer 
Interpellation  die  Präge  an  die  Regierung  gerichtet,  was.  sie 


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/II  thitii  j^ecleiike,  iiin  nach  Ablehnung  cks  Lchrcrbesoldüiigs- 

.i;t.  sft/.cs  (lurch  das  Hcrmihaus  den  j^cplantcn  Aushau  des 
A  Uc  rszu  1  a>;cn  -  S  \  stein s  zu  jiuusleii  der  Lelii  L  r  so  l)ald  als 
möj^lich  lierlu  i /ufiilircn  und  die  Mifssläiide  'n\  hv-citi^eii,  die 
sich  aus  dem  Manj^ei  einer  >i eset/.licheii  Re);chni^  der 
Lelirerj^eliälter  er}^el)en.  Die  Kej^ierun^  hat  j;eanluurtet, 
dafs  sie  in  der  näclisteu  Session,  wahrscheinlich  schon  im  Herl»sle, 
sofort  wieder  den  Entwurf  eines  Besoldungsgesetzes  vorlegen 
werde,  so  dafs  das  Gesetz  doch  noch  xum  f.  April  n.  J.  in  Kraft 
treten  konnte. 

So  hoffen  wir  denn  weiter!  Aber  wir  wollen  nicht  xu  hoff- 
nungsfreudig  sein. 

I'jTl  1  vüt  lili^  siT!(l  (Ks  Schicksals  Mächk  l 
\  orcilig  Jauch/.cn  greilt  in  ihre  Hechle. 
Den  Samen  legen  wir  in  ihre  Hände« 
Ob  (ftück,  ob  rnglück  aufgeht,  lehrt  das  Knde.^ 

Kins  ist  jedoch  sicher,  mag  uns  ein  I Besoldungsgesetz  be- 
schert sein  (xler  nicht !  Wir  werden  die  l  >örteningen  über  ein 
christliches  Schulgesetz  nicht  los  werden,  bis  irgend  eitinird 
Neuwahlen  ein  ändert-^  /usamnieni^esetztes  Abgeordnetenhaus 
ergeben.  Hei  der  Zunickweisung  der  knimcrvaliv-klerikalen  For- 
derungen sullte  man  vom  liberalen  Sljiulpunkl  au.->  das  Haupt- 
gewicht nicht  immer  darauf  legen,  dafs  reaktionäre  Wünsche 
schliefslich  an  dem  Widerstande  der  Krone  et)enso  wie  vor 
4  Jahren  scheitern  würden,  sondern  es  wäre  vornehmer  und 
selbstl)ewufster.  wenn  liberalerseits  der  angebotene  Krieg  auf- 
genomtiKMi  würde.  Vm\  ;»11.t::c'meincs  Schulgesetz  ist  jn  eine 
Forderung,  die  auch  von  den  Libcrnlen  immer  erhöbet^  worden 
ist.  Damit  sie  in  einem  anderen  al>  dem  einsi  itig-h  u  (iciste 
durchgclühil  werde,  ist  es  aber  nötig,  der  Regierung  eine  par- 
lamentarische Stütze  aufserhalb  von  Konservativ  und  Klerikal 
zu  geben  und  die  Volksbildungsfragen  als  das  zu  schätzen, 
was  sie  in  Wirklichkeit  sind  —  Volks  wohl  f  ah  rtsfragen  I 

Ob  aber  der  Liberalisnuis  heutiger  Zeit  dazu  die  Kraft  imd 
tlie  Neigung  in  sich  tr«ägt?  Ja.  wenn  noch  der  Cici^l  eines  H  ar- 
kort,  Ziegler  etc.  in  ihm  lebendig  wäre;  aber.  al)er 

l  n<l  so  schirm'  denn  Gott  fernerhin  Freu  Isens 
\'  o  1  k  s  s  c  h  u  1  e ! 

2. 

Die  Kollegen  im  Westen  un.seres  Vaterlandes  haben  sich 

in  den  Ver s a nj  m  1  u  n gen  ihrer  Vereine  wieder  er((uickt 
und  erfrischt.  Fs  ist  ja  immerhin  ein  gewisses  Opfer,  die  Reise 
7V.  solchen  Wrsammlungen.  und  doch  werden  die^t  itnnur  gut 
besucht;   so  war  eh  auch  diesmal  mit  den  \'ersauunlungen  der 


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Lehren crciliL  von  Nassau,  von  Westfaleti  uml  der  Kheiuprovtnz, 
die  alle  in  den  Osterferien  tagten. 

So  weit  wir  j^esclRii  ha1)cn,  nalum-n  alle  diese  ViTsanini- 
luti^eii  einen  wnrdij^en  \'erlauf.  Auf  dem  rheinischen  I.ehrerta^e 
plat/.len  iRilicli  die  Geisler  wieder  stark  aufeinander  i!nf<  die 
\.  W'estd.  Lehrer/.lj^.  \'nn  der  \'ertreler\  rr~-:ir,nnlniiL:  >r]in.  il>i  n 
nHif>te:  Die  Diskussiuu  tutbehrtc  stellenweise  ui  bcdeiiklicheni 
Mafst  ruhiger  Sachlichkeit  nnd  zeigte  im  Ganzen  einen  wtnij; 
würdigen  Verlauf  ,  itnd  die  'l^iifs.  Lehrerztg.  üljer  die  an 
tlen  einen  Vortrag  sich  an^hliefsende  Dehalte  ähnlich  urteilte. 
Der  Get^ensal/  /wischen  Ilauin-  und  Klassenlehrern,  sowie  der 
rulerschied  in  den  religiösen  Anschauini.i;en  und  im  Grunde 
genommen  handelte  es  sich  in  den  heifsen  Rrikkäinpfcti  wiedrruni 
um   die»e   iKideti    l'unkte  treten   woiil   nirgends    so  scharf 

/u  Taj^je  wie  am  X ietierrhein.  Aufserdem  ist  das  Vereins- 
wcstn  am  Rhein  im  allgemeinen  noch  jun^;.  Wie  wäre  es  sonst 
möglich,  dafs  im  vorigen  Jahre  auf  der  Vertreter\*ersannnlung 
eine  Ik*stininiung  hätte  zur  Annahme  gelangen  können,  die  schon 
in  diesem  Jahre  wieder  aufzuhehen  man  sich  i^e/.wuni^en  sah. 
Zeit  und  Erfahrung  werden  auch  hier  hoffentlich  ausgleichend 
wirken. 

Die Oslerferien  haben  uns  /u  den  vicun  SnipU  rx  ».  reinen 
noih  einen  neuen  .i^ehracht.  Wie  die  akademisch  .nliiM.ten 
Lehrer  der  Iv'ilu  '  fu  Mädchenschulen  sich  /u  eiiu  iii  W  i  e  in  /u- 
.sammen>;e>chlt»>Nen  haben,  st)  nun  auch  die  seninunisch  j^elnl- 
deten.  Sie  wollen  zwar  Fühlung  mit  dem  deul>clicn  Lehrerver- 
ein  l)ehalten;  ob  es  aher  nicht  für  alle  Teile  richtiger  wäre, 
wenn  dieser  Verein,  wie  auch  die  übrigen  Soudervereinc,  sich 
als  Sektionen  der  deutschen  Lehrerversanimlung  konstituierten? 
Die  Lehrervereine  sind  keine  \'ereine  für  Klassenlehrer.  Dorf- 
lehrer etc..  sondern  für  Lehrer  im  weitesten  Sinne  des  Wortes, 
st)  dafs  auch  MitlelschnlU  lirer  nnd  T<)chterschullehrer.  Rektoren 
untl  Haupt Khi\r  SchulinspekLt»ren  und  Schulräte  darin  Platz 
]ial>en.  Wer  titele  Auffassunj^  antastet,  kj^t  die  Axt  an  den 
Grundbau  luiscres  Vt)lksschulwe>eus  und  negiert  alle  grofsen 
Gedanken,  welche  das  deutsche  Lehrervereinswesen  zu  einer 
Macht  im  öffentlichen  Leben  machten. 

Der  Kampf  zwischen  den  akailemisch  tmd  semi- 
narisch gebildeten  Lehrkräften  an  unseren  höheren 
Mädchenschulen  wird  freilich  durch  diese  neue  Vereinsgründung 
schwerlich  an  Schärft  verlieren.  Was  sagen  wt)hl  die  Heifs- 
s])onie  unter  unseru  akadqinisch  gebildeten  Rollegen  zu  den 
folgenden  .Xusl.i^suugeii.  die  in  «leu  .Motiven  /u  tlem  der  braiui- 
schweigi-«cheu  L.iudi-.ver-'ammluug  vorgelegten  XormablUal  für 
die  Seminardirckloren  und  Seuiinarlchrcr  enthalten  siiul: 


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rii<U;;o;;iKch<'  riH»t'hi«u. 


Bezüglich  der  "Besolchinjr  der  Seitiinarlehrer  haben  wir,  j^ktcli- 
vicl  «►!)  sie  akademisch  jijebiUkt  sind  (»der  nur  eine  seniinarisolu 
JJildunj^  «genossen  haben,  ol)  sie  im  RektoraUsexamen  l)estanden  sind 
oder  sich  dieser  l'riifnn^  nicht  nnterzoj^cn  liahen.  keinen  l'nlerschied 
.i(etnao}il.  Die  Lehrer  sind  sämtlich  mit  gleichem  Maise  .femessen. 
Wir  stehen  inf  dem  Standpunkt,  dal's  es  eine  Han|)tauf.!fahe  bei  der 
Anstellung  \on  Seiuinarlchreni  i^t,  die  bewährte  untl  glückliche 
Mischung:  von  akademisch  und  seminarisch  gebildeten  Lehrern  in 
der  /n'^;inimenset/.\ing  dr^  I.i.  ]uki"i  ]it  rs  aufrecht  /n  erlinlten  V.wx 
(ikiclistellung  .sämtlicher  Semiuarlehrer  hinsichtlich  der  (  ichalUsbe/iige 
hat  uns  auch  die  Befürchtnnjar  veranlafst.  dafs  dnrch  eine  Bevorzugung.^ 
in  dem  gesetzlichen  I'ünkommen  Zwietracht  un<l  Milsgunst  in  die 
Lehrerkategnrien  hineingetragen  werde  Hierfür  waren  ferner  nuils- 
gebend  die  gleichmäfsige  \"er\\endung  der  Lehrkräfte  im  Seminar- 
dienst hinsichtlich  der  Lehrfächer  und  der  Stundenzahl,  dieThatsache. 
dafs  diT  Kreis  der  seminarisch  gebildi  ttii  Lehrer  unsrer  Seminare 
Schulmänner  von  heiAonagcnder  Tüchtigkeil  geliefert  hat,  deren 
Arbeit  nicht  i^erinifer  belohnt  werden  darf  . 

»Amerikanische  Grundsät7.e!'  Nicht  wahr? 

3- 

Dr.  Fri<Mlrieli  hilte?*  -|*. 

Kur/  vor  Abschliifs  dieses  Heftes  erliallen  wir  die  traurige 
Kunde,  dals  Dr.  Diltes  am  15.  ^Lli  im  Alter  von  60  Jahren 
s(  im  in  Leiden,  einer  \'erknlkung  der  Arterien,  erlegen  ist.  Wohl 
kam  uns  die  X;u  liricht  iiiich  der  Mitteilung,  die  uns  ^•nr  einigen 
Wochen  \s  ur(k  nicht  iibcrra-scliend,  und  doch,  uaclukiu  die 
Katastrophe  eingetreten  ist.  sind  wir  tief  erschüttert! 

Wie  die  Eiche  am  brausenden  Meere  unentwegt  dasteht, 
mögen  die  Stürme  noch  so  sehr  in  ihren  A.sten  und  Zweigen 
tosen  uml  die  Fhiten  noch  so  erbittert  ihre  Wurzeln  /u  cnt- 
blofsen  suchen,  so  liat  sich  Dr.  Dittes  sein  ganzes  Lcl)cn  liiu- 
<hirch  gezeigt  —  ein  ganzer  Mann  von  tler  Kufssolile  bi.s  zum 
Scheitel ! 

Kin  anderer  Diesterweg  ,  war  er  wie  dieser  eiu  unentwegter 
Rufer  im  Streite,  der  getreue  Kckart  der  deutschen  I^ehrer- 
Schaft,  der,  erfüllt  mit  glühender  Liel)e  für  Schule  imd  Lehrer, 
in  fast  eifersüchtiger  Weise  über  sie  wachte.  Eine  scharf  aus- 
geprägte Persönlichkeit,  trat  er  für  das.  was  er  als  recht  erkannt 
hatte,  rücksichtslos  ein.  ein  ausgesprochener  Feind  jeder  Ver- 
mittelung 

Dnlu  i  <ir  nn  auch  die  lvr>clu:inung.  daf«;  Dr.  Ditu.-  uälncnil 
seines  lü ikiiw alleus  eljcnso  innig  geliebt  und  hoch  verehrt,  wie 
aufrichtig  gchafst  und  bitter  verfolgt  worden  ist.  Er  hat  es 
reichlich  erfahren,  das  Wort:    Leben  heilst  ein  Kämpfer  sein!& 

Nun  ist  seine  Hand  erstarrt,  die  scharfe  l'k*der,  die  noch 
vor  wenigen  Wochen  den'Schwanengesang  für  sein  > Pädagogium  : 
schrieb,  ruht.    Friede  seiner  Asche!    -  —  — 


üiyiiizca  by  GoOgle 


ß26  Johtinnro  Meyer. 


Wir  al)tr  «'"ii  lit'uli>;cii  Tn^c  nochiuals.  der  Pada- 

}j:(),t;iiitns-(  iciiK-iiuk-  ihr  bisheriges  Organ  möglichst  zu  ersetzen, 
nicht  in  dtni  Sinne,  dafs  wir  auf  des  Meisters  Worte  schwören 
-  das  können  wir  nicht,  da  unsere  Anschauungen  in  manchen 
Fragen  andere  sind,  wie  es  auch  ebensowenig  dem  Geiste  Dittes' 
entspräche,  dem  alles  Jauerttini  verhafst  war  — :  wohl  aber  in 
dem  Sinne,  dafs  die  Neuen  Bahnen  sich  immer  mehr  bemühen 
werden,  einerseits  den  Ausl^nn  der  rädagoi^^ik  tiach  ihrer  wissen- 
schaftlichen Seite  hin  zu  fördern  und  ander«,  i  seil<  den  l)LH  ch- 
tigten  Forderungen  der  Schule  und  der  Lehrersciiatt  eine  Ciasse 
zu  bahnen  I 

Wohl  wissen  wir,  dafs  es  eine  gewaltige  Aufgabe  ist,  die 
wir  uns  damit  gestellt  haben;  aber  wir  getrösten  uns  des  Wortes: 
7m  maf/tm  volukite  isat  « >/,  und  hoffen  auf  die  thatkräftigc  Unter- 
stützung unserer  Mitarl)eiler. 

Hcn  Manen  tles  \'erstorbenen  alx-r  wcrfk-ii  wir  '^oVkiM  als 
nn.Llirh  den  schuldigen  Dank  abtragen  durcii  tlii  Aii^^^abe 
eine-«  I)  i  ttes  -  H  eftes,  de.s.sen  Ikarbeitung  in  den  berufensten 
Hänilen  liegt. 

l'tid  so  wollen  wir  denn  rastlos  weiter  arbeiten  im  Sinne 

des  Dittes'schen  Wortes: 

N  i  c  h  t  ab  w  ä  r t  s .  n  o  o  h  r u ck  w  ä  r t s . 
Sondern  aufwärts  und  vorwärt.sl' 


üiyiiizoo  by  Google 


Umscliau  in  Naclxbargebieten. 

\'oii  R.  Dietrich  in  Kandem. 


r. 

In  (kr  ]*,tln->('lieii  Kultur  (li'^^O.  roi  \ tTÜtientliclit  <kr  cbr- 
würdijjc  (»rüiii ler  <kr  Ot  tit-^«.  ]r  ii  ( »f^cUs^liaft  für  ethisclw*  Kultur. 
Willi.  Fünslcr  cm  diin.hau>  im )iiarchisch  gesinnter,  sein  ntiltk' 
urtcilemler  Mann  —  eine  zeiigcmafse  ^Bet  räch  tun  £f  Ober 
die  Stellung^  der  Fürsten^.  Er  wendet  sicli  gegen  den 
niotlcme«  »Kultas  der  fürstlichen  Maclitstellung^v,  ge>cen  >die 
gedankenlosen  Beuuntlerer  der  t'iirstlicben  Übergewalt  .  Sagt 
diesen  Leuten  fragt  er  ihr  (jewissen  gar  lu'chts  über  die 
Uinnn'^lichkeit.  dal's  eine  ein/eine  Person,  itnd  wäre  sie  von  dem 
li()(.']i-.lin  Intellekt  und  \f>n  der  reinsten  sitlliclien  X'ollendung, 
S(»/u>agen  den  lJrennj)unkl  lulilen  konnte,  in  welchem  sich  die 
Strahlen  der  ganxen  Gedanken-  und  Interessenwelt  einen  grofsen 
Staates  konzentrieren,  und  dafs  nun  auch  von  demselben  Brenn* 
punkte  aus  Klarheit,  Ordnung,  Fülle  und  Harmonie  in  alle  Teile 
des  Ganzen  zurückstrahlen  könnten  ^  .  .  .  Ivs  ist  ohne  alle  (ileich- 
nisse  vollkotnnieti  eiidenchtend.  dafs  es.  }>ci  den  unüberwind- 
lichen Schranki  11  r,vv  Menschennatnr,  selbst  dem  edelsten,  rast- 
losesten W'oll«  n  und  Wirken  unmöglich  ist.  sich  soweit  /um 
Herrn  aller  .Situationen  innerhalb  tler  iintwickiung  eines  höchst 
komplizierten  Gemeinwesens  zu  machen,  um  ü1)eralt  das  ent- 
scheidende Wort  sprechen  zu  können. 

I'>gänzungen  zu  Försters  Ausführungen  bietet  der  Kunst- 
wart. Diese  trefflich  geleitete,  männlich  freimütig  geschriebene 
Zeitschrift,  die  thatsächlich  ist.  was  sie  sein  will,  eine  Rmul- 
schau  über  alle  (»ebiete  des  Srliönen  jeder   gut  besoldete 

Lehrer  sollte  sie  halten'»  Ininul  in  Nr.  12  {iSi.)^  h\  Allerlei 
zur  Rückse'hau  .  I>er  Schi eil>eiuie  i.st  wohl  der  Herausgeber 
(I'erd.  Avenarius)  selbst,  Er  bemerkt  u.  a.  zu  der  bekannten 
Thatsache.  dafs  Paul  Heyse  aus  der  »Kommission  für  den  Schiller- 

'j  Auch  die  l%thisehc  Kultur  .  Diese  ko.•^let  vierteljährlich  113 
Xunimcnt)  i.6<i  M.,  der  Kunst  wart  (6  Ilcftei  2.50  M. 


l)rcis  ausgetreten  (weil  die  Vorschläge  der  Kommission  in  der 
lei/.ten  Zeit  dreimal  nnclicinaiidcr  verworfen  worden  sind):  >Knd' 
lieh  wieder  einmal  im  öffentliclien  titterarischen  lycben  Männ- 
Hchkeit!    —  Ein  ander  Bild;  Als  Meister  Humperdinck,  zu 

ditsLin  Zwecke  eit^cns  nach  Berlin  jycnifeu,  ans  Pull  trat,  um 
die  hundertste  Aufführun;^'  vm  Häusel  und  Grete!  seihst  /.u 
kitcn.  des  Stückes  alsi».  mit  dem  zum  ersten  Male  nach  laui^cr 
Zeil  ein  n.  ue-<  deut<r]ies  Musikhülnu  iinpicl  in  nllc  Her/en 
i;\klin!;4 .11  war  :  da  ilrän^^le  es  selh>l\  erständlich  viele,  ilni  dauk- 
ixir  /.u  he-räfsen.  Doch  unterliefsen  sie  dieses,  denn  —  gerade 
erschien  der  Hof.  Und  natürlich!  Das  war  für  die  Leute  inter- 
essanter, als  Humiyerdtnck,  dem  man  folglich  den  Rücken  wandte. 
Itulessen,  der  H()f  machte  i;ut,  was  das  Publikum  versäumt: 
Humperdinck  kriegte  /.um  Schluls  den  Kroneuorden  vierter  Klasse, 
n  ein  einmal  mir  das  allgemeine  lehren /eichen.  Die  alte  r'rnge 
ai  fs  neue:  diirten  wir  den  Fürsten  oh  ihres  VerhalleUh  .u<-*-;'^n 
u  IS  und  un.sere  Kiuist  \'orwürfe  machen,  wenn  wir  uns  iinien 
hS\  jeder  Gelegenheit  als  Knechte  zeigen?  Wie  z.  B.  in  dem 
dritten  Stück,  von  dem  der  KUnstwart  meldet:  Die  Standbilder 
für  die  Berliner  Siegesatlee  machen  wieder  von  sich  reden. 
Wälirend  aher  hei  ilirer  Stiftung  durch  den  Kaiser  durch  alle 
Zcitungshlätter  ein  Juhelhraus  rauschte,  geht  es  jetzt  durch  sie 
nur  wie  ein  heindiches  Säuseln.  Nicht  deshalh  war  der  Jnhel 
erklnn<j:i-u.  weil  der  Kaiser  ein  fürsllich  iKsclienk,  den  .Sclilols- 
hnuuKii.  fürsllich  erwidert,  sondern  weil  er  erklärt  hatte:  zwi.schcn 
<.len  Standbildern  der  Fürsten  sollten  stilche  hervorragender  Bürger 
und  anderer  nicht  fürstlicher  Männer  stehen,  für  deren  Verdienste 
das  Vaterland  m  danken  hat.  Ks  scheint,  der  Kaiser  hatte  bei 
dieser  WiUensverJcündung  doch  nicht  g<  ni-  mit  ästhetischen 
Oründen  gerechnet;  denn  schon  nach  einigen  Wochen  ergab 
sich  den  Malsgeheuden,  'laf^  aus  solchen  ästhetischen  (iründeii 
eine  gleiche  Höhe  <ler  StandbiUler  von  Staatsmännern  und  sonstigen 
Bürgern  mit  denen  \  on  Herrschern  leider  nicht  wolil  zu  machen 
sei:  es  .sei  also  für  die  l'ntertanen  die  Form  von  Hermen  zu 
wählen.  Und  als  abermals  eine  Reihe  von  Wochen  ins  Meer  der 
Zeit  geflos.sen  war,  sielie,  da  kam  Reinliold  Begas  mit  Plänen 
ins  Schloff,  worauf  gleichfalls  aus  ästhetischen  Gründen  aus 
den  Hermenl)üsten  der  Untertanen  nachdem  einen  Bericht  schlichte 
Hüsten  für  die  h'cken  von  Marmorhänken,  nach  dem  andern 
liildnis- Medaillons  für  die  Sockel  der  Fürstenstandbilder  gewor- 
den waren.  Ol)  die  l'.ulwicklung  noch  weiter  gehen  wird,  wissen 
wir  nicht.  \'ielleicht  aber  besinnt  man  >ich  auf  die  Wichtigkeit 
der  Kleinkunst  und  verwandelt  die  Sockelreliefs  abermals  aus 
ästhetischen  Gründen  in  Portrait-Medaillen,  die  ja  dann,  bei  sach- 
gemäiser  Verkleinerung  bis  auf  Zweimarkstückgröfse^  einen  diren- 
volleu  riaiz  auf  tien  Knöpfen  der  betreffenden  Herrscher- Rdcke 
fhideu  könnten. 


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üa»«-haii  Iii  i(*«h)»*rice1ikl«il. 


S29 


Was  der  Kuustwart  geifselt,  ist  die  eine  Krscheinuiigsform 
des  jetzt  ii)  Deutschland  modernen  Patriotismus»*.  Eine 
andere,  fast  ebenso  lierrliclu-.  wiirdiq-t  luii^-en  Isolatii  in  der 
.(^•ejieiiwart  (!So6,  S:  vSoldaten  auf  der  H  ü  Ii  n  e  1.  I{r 
spricht  /unüclisl  \<in  ucii  Festspielen  Hei  ndei^enluMt  der 
jüngsten  kriegsjaln  leiern.  Diese  ad  hoc  ^eiliehtcLcii  W  erke  -- 
meint  er  —  mögen  noch  geduldig  aufgenommen  werden:  der 
billige  Patriotismus,  der  in  ihnen  gepredigt  wird,  macht  sie 
immerhin  harmlos.  Und  wer  diese  Stücke  nicht  vertragen  kann 
ich  gestehe  offen,  dals  ich  zu  den  Verächtern  solcher  pat- 
riotisclu'ii  Mache  gehöre  ,  mag  am  Sedantage  oder  sonst  an 
Ta^cn.  an  deneli  diese  Hrnniatik  ihre  I'e^te  feiert,  nicht  ins 
Theater  m  ln  n.  Weit  gefahrlicher  in  ihrer  Wirkung  finde  ich  die 
Soldatenstücke,  wie  sie  in  den  letzten  Jaliren  die  deutschen 
Bühnen  beherrschen,  die  Stücke  der  Herren  G.  v.  Moser  und 
Genossen.  Ich  kann  an  allen  den  Drillszenen,  wie  sie  jene  Herren 
auf  der  Bfihne  darstellen,  z.  B.  auch  in  dem  viel  gegebenen 
X'eilchenfresser« ,  nichts  komisches  finden.  Aber  die  oberen 
Zehntausend  amüsieren  sii  Ii  beute  über  diese  ^  Wachtparaden- 
.A-lfan/ereien  (das  Wort  stammt  ans  einer  Kritik  Ludwig  liörnes), 
über  alle  diese  schneidigen  Herren  und  Herrchen,  die  dc-n  i^o- 
meinen  Mann  anranzen,  und  halten  alle  diese  Schneidigkeilen 
für  ungemein  komisch,  am  meisten  die  Offiziere:  sie  spotten 
ihrer  selbst  und  wissen  nicht  wie.  Und  die  Wirkung  auf  die 
oberen  Ränge  (im  Theater),  auf  das  Volk  ?  Nun,  ein  sozialdemo- 
kratischer Leitartikel  über  den  Militarisnms  kann  nicht  drastischer 
wirken,  sollte  ich  meinen,  als  die  Lustspiele  des  Herrn  v.  Mo.ser 
und  seiner  Nachfolger  und  Naclinlnner.  Würde  von  so/ialdemo- 
kratischer  Seite  die  deutsche  St »UlaUnclirc.  der  dentsclie  ( )iti/ier 
so  schwer  angegrillen,  wie  e>  ilurch  jene  Soklulen>tücke  geschieht: 
der  Staatsanwalt  wäre  sicher  auf  dem  Posten.  Die  Soldateska- 
Dramatiker  aber  sind  .vor  der  Anklage  von  dieser  Seite  sicher: 
im  Gegenteil,  man  führt  ihre  Mache  auf  den  Hoftheatem  auf! 
Nach  meiner  .\nsicht  sind  diese  Stücke,  ob  sie  nun  realistisch 
oder  unwahr  sind,  revolutionärer  als  Hauptmanns  Weber  . 
(Ja  wenn  die  ungeheure  Gedankenlosigkeit  nicht 
wäre!) 

2. 

Dichtkunst  und  Statistik  stehen 
leider  auf  gespanntem  Fuls  — 

sagt  Scheffel  eitnnal  im  Trompeter.    Ich  möchte  dem  geneigten 

Leser   aber    doch    mit  einer   kleinen         Dichtungs  -  Statistik 

kcnnnien.     Die  fünf  Nummern  der    Deutschen  Dichtniv.^    (iSms  (>. 

7  — II),    welche   mir  vorliej^en  (sie   gelten    für  Januar.  I'eltrnar 

und  die  erste  Hälflj  des    Mär/)   bruigcn    52     Cicdichle  :  ich 

Keuo  BAlioen  iPü<lai;u);iiuii)  YU.  ^2 


il.  I>ir|rii-h. 


meine  das.  was  man  im  engeren  Simit  ^  nciiiit.  Ist  das  nicht 
ein  wetiij^  viel  für  eine  einzige  Zeitschi itt.  inid  für  die  knr/e 
Spanne  Zeit?  Znnial  icli  sechs  (  Zur  Frauenfraj^e  in  \r.  7 
Wrfnsser  kämpft  mit  länj^st  rostij^en  Waffen  )^e>^en  die  Kranen - 
hevvegunji;^)  schon  abgezogen  habe  -  und  noch  viebnehi  nu>j;cü 
vom  Heausgeber  (K.  E.  Fratizos)  zurückgewiesen  worden  sein. 
—  Jene  52  verteilen  sich  auf  37  verschiedene  Verfasser  -  meist 
noch  unbekannte  Namen.  Daraus  darf  man  wohl  schliefsen,  dafs 
vor  dem  Leiter  der  Zeitschrift  kein  Ansehen  der  Person  gilt, 
dafs  er  \ielmehr  darauf  ausgeht,  nichts  von  dem,  das  in 
deiitsclun  Landen  j^edichtet  wird  und  nach  seinem  l'rleil 
druckiiiswert  ist.  verborgen  bleiben  /u  lasst-u.  rntersnclK-n 
wir  nun,  welcher  Art  die  uns  vorgestellten,  in  \'erse  gekleideten 
Oeisteskinder  sind,  so  crgiebt  sich  die  auffallende  und  nicht  er- 
freuliche Thatsache:  den  verhattnismäfsig  meisten  (ich  zähle 
17)  mangelt  es  —  kurz  gesagt  an  (icsundheit.  Sehnsucht, 
Kmpfindsamkcil,  unendliches  Leiden.  NWIt-^ohmerz,  Weltflucht, 
unbedingte  l'tilsaii^ting:  das  sind  die  leitenden,  immer  wieder- 
kehrenden Töne  oder  Tonrcilun,  Oder  Zagen.  Klagen.  Frniirn 
]<]^  /.um  riicrdrufs  (des  L<.>t.rs  ircilich  nur).  Oder  man  träumt. 
Inütet,  .schwärmt  ergeht  sich  in  I'hanlaslereien. 

Eins  aus  jener  ungesunden  Schar  (' Inspiration  s  von  Her- 
mine v.  Preuschen,  in  Heft  S)  spricht  von  »Mondensiegeslauf 
»Monde*  ncimt  man  ja^auch  die  Monate;  unsere  ^Dichterin« 
aber  singt  natürlich  vom  Monde,  und  da  mufs  icli  gestehen, 
dafs  ich  voti  einem  .Siegeslauf  des  Mondes  oder  dergleichen 
noch  nif  'L;ili(")rt.  T 'litrhanj^t  ein  greuliche^  Reimwerk!  Ähnlich 
das  diesem  \i>i'ani;LsUlke  j  V'erschwicv^Liu,'  Minne,  von  Willi. 
Idelj.  Da  wird  behauptet,  wer  ^cint:  Liebe  zu  verbergen  ge- 
zwungen ist, 

Iki  inuls  bleichen  Lilien  -kirliLn. 
Heuidirli  sclunnchtcTKl  .\ui  den  Teiclu-n, 
Wenn  da.s  .Montllitlil   iiif  den  W'elkn  iidit. 

(Wer  lacht  da?)  -  Und  noch  ein  Stückchen  dieser  Art:  in 
Nr.  10  besingt  Heinr.  Hege  seinen  Verkehr  mitCioethe:  er  be- 
kennt uns  u.  a.: 

Es  fiel  der  Staub,  der  mich  beklebt. 

Ich  durfte  seinen  M  u  t  g  c  n  i  c  1  s  e  n, 
Der  alle  Welt  mit  Ruh  umkreist. 

Die  Frage,  welches  .das  höchste  Gluck  auf  Erdens  sei.  will 
H.  M.  Grüninger  in  seinem  Märchen  >> Das  Sonntagskind  iXr.  S) 
losen.  Ks  ist  die  bekannte  (»eschichte  von  den  drei  Wünschen. 
Das  Sonntagskind  f  ein  Jüngling  von  21  Jahren  )  trifft  im 
Schwarzwald  eine  ^ülij^e  Kee  ,  welche  ihm  weil  es  tal.su  der 
Jüngling)  gar  .so  lieb  und  sonnig  (wer  denkt  da  nicht  an  ein 
Mädchen!),  die  Erfüllung  dreier  Wünsche  anbietet.  Haus  wünscht 


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sich  erstens  Reichtum,  zweitens  ein  gewisses  Mädchen  zur  Frau. 

Gewährt.    Und  drittens?    Kommt  später.    Hans  wird  nämlich 

auf  den  i.  Mai     nach  dreimal  sieben  Jahreti'    wieder  in  den 

\\':ild  bestellt.    Kr  ^eht  aber  schon  nach  zwan/ii;  Jahren  (warum 

ertährt  man  nicht        vernuitlich  weil    eiTinndzwan/.ij^'    nicht  in 

den  \  rr'>   ^epafst   hätte),   luui    merkwür(li'.4Lr  Weise  wartet  die 

gütige  l'ce    .schon.    Hans  erbittet  nun  lür  *iein  jüngstes  Kiml, 

das  er  mitgenommen,   »alle  Huld  und  alles  Glück,  das  dneni 

Erdgeborenen  gewährt  sein  kann,  das  höchste  Glück  auf  Erden  . 

Die  Fee  wird  betrübt,  fordert  Hansen  auf.  seinen  Wunsch  -  noch 

einmal  zu  erwägen  .    Der  aber  versteht   nicht,  wiederholt  die 

Bitte.    Also  komujt    das  höchste  (ilück      da-  Kind  ist  tot. 

Bleibt    nur   noch    die    Frage,    die    Herr    ('.irinin^i.r    in  <einem 

(K'di(dite  nicht  l«">st :    Ist  sterben  für  jeden  Mi  nsi  lu  n.   (xK  r  nur 

iiu    Kinder    -  ist  sterben  oder  nicht  leben,   nie  gcK-bl  haben 

'das  höchste  Glück  auf  Erden  ? 

Wünsche  äufsert  auch  J.  J.  Straufs  (in  Nr.  9),  allerdings 

unaufgefordert,  und  er  ist  wohl  auch  kein  > Sonntagskind«.  Er 

möchte  erst     wie  der  Sturmwind  .   tnid  dann  «wie  der  Adler 

sein  .  findet  aber  schliefslich.  dafs  solches    >b"»gen    nichts  hilft: 

weil  er    doch  am  Boden  liaftcl  .  wo  er    (Ks  Dunkels  schweres 

Sklavenjoch   durch   nebclkaltr  Steppe   sclilep|)t  .     Fürchterlich  I 

Wie  heif.st  der  grausam  sclireckcnvolle  Ort,  an  den  der  rnglnck- 

liche  gelmnnt  ist?  Frankfurt  am  Main.  —  Es  wundert  mich  nur, 

wie  Herr  Straufs  da  am  Ende  noch  verlangen  kann: 

So  lafst  mich  uiitL-r  Mensclun  nur 
Kin  Mensch  sein.    Das  ist  alles: 

(lewifs  auch  genug.  Hcir  Straufs!  Für  das  Sklavenjoch' 
dunkel  Frank mrts  jedoch  zuviel. 

Der  veic-luiiche  l'mschau-Freund  wolle  aber  nicht  glauben, 
es  gehe  so  fort.  Jetzt  eben  kommts  besser,  ich  habe  das  Gute 
nur  bis  zuletzt  aufgespart.  —  Da  schildert  Robert  Waldmüllcr 
(Das  Vöglein',  Nr.  11)  in  knapiicii,  kräftigen  Versen  naturgetreu, 
wie  ein  armer  Teufel  durch  ein  heftiges  Gewitter  und  das  be- 
unruhigende, warnende  Gebahren  eines  Vogels  an  Raub  und 
Mord  verhindert  wird. 

Wie  man  einfache  ( K-genstände  oder  Begebenheiten  dich- 
Idisch  verwerten,  ICrlebtes.  (knossenes,  h'rhofftes  anschaulich 
beschreiben,  erzählen,  ausspinnen,  ausschmücken.  verklTuen  kajui, 
zeigen  L,udw.  Fulda  17:  ^Flpistel  },  Hans  Müller  |S;  Spicgel- 
biidc),  Herm.  Abnoba  ( ?  Aus  Thüringen' ),  Wilh.  Arminius  (  Erste 
Zeichen  Den  Zustand  des  Erwartenden  malt  treffend  C.  V. 
Müller  (  \'ielleichl  )>). 

Leichter,  kecker  Humor  fuhrt  zweimal  das  Wort:  l)ei  M. 

b  Diese  drei  und  «lie  drei  letztgenannten  stehen  in  .\r.  U), 

25* 


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Kicscwcttcr  f  Die  Karyatide  \  und  Kmil  Hügli,  der  die  Soiiiie 
als  seiüc    Hlondine-  hesinj^t. 

Der  k  ille  Humor,  der  au>  der  Tiefe  heraus  wirkt,  ist  nicht 
vertreten.  Bruno  Baumgarlen  \  Schönster  Sieg  )  h.il  ihn  aller- 
dings im  Sinne,  wenn  er  verlangt,  der  Dichter  solle  bringen,  niii 
der  heitern  Kunst  die  dOstem  Wolken  zu  bezAvin^n'  -  oder: 
»ein  nasse«?  Äuge  lächeln  machen  demjenigen,  der  alle  Lust 
und  Hoffnung  verloren,  die  Hoffnung  wieder  ins  Herz  hinein 
lachen. 

Dat^e^cTi  hnt  S.  li.uinkay  den  festen  Ivrnst  in  nicht  la- 
w  ühiilii  lu-  \'crM-  m  iirä^t ;  die  stille  Trauer  t-iues  edlen  (ieniüles. 
Ich  meine  sein    \  erluren    mit  dem  schönen  Schlüsse: 

Ks  bringt  dich  nichts  mir  wieder. 

Nicht  Hittc.  nicht  <',,\vnlt  — 

Und  nur  durch  meine  I.icder 

Schwebt  deine  T^ichtgestalt. 

Willi.  Münch  eröffnet  seine  (ledanken  über  Sprach - 
Schönheit  ilVcnfs.  Jahr!>ücher  1S96.  II)  mit  dem  hühschen 
Bildt  (U-daiikcn  sind  /uUfrei  natürlich  nur.  so  laii.i;e  sie 
Gedanken  bleiben.  Als  solche  werden  sie,  in  den  verschinssenen 
Fächern  von  Hirn  und  Herz  verwahrt,  unangefochten  über 
I^andesgrenzen,  an  Zollämtern  vorbei,  über  die  Schwellen  von 
Amtshäusero  und  Königsschlössem,  durch  Pestsäle  und  Kirchen 
mitgeführt.  Wird  aber  der  Rohstoff  der  Gctlanken  verarbeitet  zu 
Äufserungen  und  rrteilen,  so  tritt  bekanntlich  ein  zwar  unge- 
schriebener, aluT  ^vhr  koniplixirter  und  bedenklicher  Zolltarif  in 
Kraft.  Jiine  Criuppe  von  (ied.niken  jedoch  scheint,  audi  wenn 
laut  und  öffentlich  geänfsert,  \  uii  all  solcher  Zollpflicht  ausge- 
nommen: da,s  sind  die  (iedanken  über  .schön  und  häfslieli. 
Ästhetisches  Wohlgefallen  oder  Mifsfallen  zu  äufsern.  das  gilt 
als  ein  unmittelbares  Menscheiirecht,  oder  doch  ein  Recht  wie 
das  des  Reisenden,  seine  eigene  Garderobe  zollfrei  mit  über  die 
Grenze  zu  nehmen.  Hier  also  herrscht  wirklich  und  herrschte 
von  je  glückselige  Gedankenfreiheit.  ist   aber   df»ch  nicht 

wahr!  Auch  die  <*,(?1niken  iiber  schön  und  hälVlicli  fallen 
unter  jenen  sehr  ^  bedenklichen  Ztdltarif  .  Das  braut  ht  gewifs 
nicht  erst  bewiesen  zu  werden  I  ')  Was  nun  den  eigentlichen 
Gegenstand  der  vorliegenden  Abhandlung  betrifft,  so  erklärt 
Münch  selbst»  dafs  er  sich  auf  die  «rein  sinnliche,  klangliche 
Beschaffenheit  der  Sprache  beschränken  will.  Dementsprechend 
befafst  er  sich  zunächst  mit  den  Kinzellatiten  und  dem  Wechsel 
der  Laute  in  \\'örteni  und  Sätzen.  Kin  gröfserer  Ab.schnitt  ist 
sodauii  etlichen  Volkssprachen  (hauptsächlich  der  deutschen, 

Vgl-  übrigens  das  nächste  Stuck  dieses  lierichts. 


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hollätidischeii,  englischen,  französischen,  italienischen)  gewidmet: 
es  werden  utilersucht  deren  besondere  ästhetische  Mängel  oder 
Vorzüge;  die  Verschiedenheit  der  Stimmen,  der  durchschnitt- 
lichen Ik'^clmffenheit  der  menschlichen  Stimme  bei  verschiefleiien 
Veilkern:  die  ungleich  grolle  oder  .i;eringe  Sorgfalt,  welche  auf 
die  Aussprache  verwendet  wird.  Ferner  erörtert  Müncli  den 
Anteil,  welchen  die  Modulation  am  ästhetischen  Eindruck  der 
nuindttchen  Rede  hat  (Den  Hegriff  der  Modulation  umschreibt 
er  treffend  so :  Sie  ist  nicht  gleichbedeutend  mit  der  Accentuation, 
mit  der  Gewiehlsuiitcrscheidung:  sie  fällt  auch  nicht  /usaminen 
mit  dem  Auf-  und  Absteigen  der  Stinune.  Sie  schliefst  beides 
ein:  aber  e<  verbindet  sich  damit  noch  ein  Dritte^,  mehr  Seelisches 
un<l  He^eelend«.^.  nämlich  der  wechseliuk  Slnuniklang.  Ob  der 
lün/.elne  in  dieser  Hinsicht  über  Schätze  verlügt  oder  nur  üljer 
die  kärglichsten  Mittel,  das  ist  Gunst  oder  Ungunst  der  Natur. 
Hier  hat  M.  wundersamer  Weise  vergessen  hinzu ssuffigen:  und 
der  Erziehung!)  Endlich  kommt  er  auf  die  ^ Frage  der 
ästhetischen  Berechtigung  der  Mundarten  .  Hier  begeht  er 
leider,  wie  viele,  deti  groben  Fehler,  eine  Mundart  politisch 
zu  begren/eii  (begrenzen  nicht  im  Sinne  von  beschränken,  sondern 
von  ausdehnen),  von  der  Mundart  eines  Staates  /n  'sprechen  ') 
oder  gar.  noch  gröber,  die  Behauptung  über  eine  i)estimmte 
Aus.sprache  auf  den  ganzen  Süden  oder  Norden  Deutsch- 
lands zu  erstrecken!  Dagegen  hat  er  sehr  recht  zu  betonen: 
Dafs  die  mundartlich  gesprochenen  Worte  an  sich  unschöner 
seien  als  die  Hochspraclie  (als  die  naeh  den   Gesetzen  der 

H.  gesprochenen,  meint  M.).  kann  man  nicht  behaupten.  Wenn 
man  in  manchen  (Vi^u  iuien  Girtel  ans^pricht  --latt  Gürtel,  und 
in  andern  wiederum  mundarUicli  Kürsche  >tatl  Kirsche,  so  k.inn 
ttnmnglicli  das  eine  oder  das  andere  für  da.s  schönere  erklärt 
werden. 

»Schön*  und  >gut^  siud  häufig  eins,  wenigstens  teilweise: 
besonders  in  der  Kunst,  also  auch  in  der  Sprachkunst  In  diesem 
Sinne  fordert  Manfred  Wittich  Gut  Deutsch I-  (Kunstwart 
iSc)5  6.  IX).  Deutsch,  das  heilst  hier;  deutlich,  anschaulich,  volks- 
tündich.  mannhaft,  wahr  n.u  Ii  Inhalt  und  Form,  und  diese  jenem 
genau  nngepafsl.  Knnn  man  d.  h.  darf  man  in  Deutsch - 
lan'l  nt.eli  deutscli  reden  und  deul.sch  schreiben?  Ivrnste  Fr- 
fahnuigen  am  eignen  lA-ibe         antwortet  Wittich  zwingen 

'I  So  btliauplel  Müueli:  InSaeliscJi  fallen  l.eliiu,  l.cini.  lA-bcn 
lUid  Löwen  zu  denisclhen  Worte  l.ä  iii  zusammen  .  Wo  denn  :*  Nun 
eben  in  ganz  Sachsen  I  Das  kU  iiu  K '»nigteich  weist  aber  mindestens 
sechs  deutlich  vcrhchiedcne  Mundarten  auf,  in  wenightens  vier  von 
diesen  sechsen klingt  Lehm :  Leemoder  Läni  -  Leben :  Läm  —  Löwen : 

I.  eem  —  Leim  lOciM  Leim.  .\Is«)  ilrei  W'uriklänu;»  nirlil  riner. 
Läni  .sogar  für  Löwen  habe  ich  noch  v«u  keinem  Sach-sen  gehört. 


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Ulis  fliese  l'Va^c  zu  \  cTiiciiicii.  l  ud  unU  r  solciicin /ustaiuk'.  <kMi 
/alilrrK-lic  \'crl)()lc*  \'oii  HücIktii  iuhI  l^ülnu  nauffü1irniii:^cii.  «><>\\  it- 
rrc  l->|)ro/csse  aus  (lc!i  k't/.lcii Jahrcti  deulliili  Kt.-mi>4  illu?^U icrcii. 
Icitlct  d;uj  gaii/c  Volksleben,  leiden  \  oi  uclinilicli  aber  die  reden - 
tl«u  Künste.  Lediji^Uch  ttiit  <Uescr  Seite,  der  V^erderbiiis  der  reden- 
den Künste  bc/.uxlicli  ihres  Inhalts  nnd  ihrer  Fomi,  l)e.Hchäftt}(t 
sich  VVitttch.  Er  schildert  hauptsächlich  die  Folgen,  welche 
polizeiliche  VtrKc'\vallij;un);  der  j;nt  deutschen  Rctle  gezeitigt. 
Die  Melir/ahl  (Kr  öffentlichen  Redner  bemerkt  er  u.  a.  - 
ist  in  ihrer  Ausdrucksweise  so  vorsichtig'  künstlich,  dafs 
schliefslich  ^ar  kein  Xt  rv.  kt  iti  Charakter  mehr  darin  ist.  Die 
Kunsl  der  öffentlichen  \  erlautbaruiij<  in  Rede  und  Schrift  wird 
kraftlos,  druckebergerisch.  wasclilappi^.;.  Man  setzt  der  mecha- 
nischen Gewalt  die  Ust  entgegen:  man  nötigt  Hörer  und  T.«eser, 
zwischen  den  Zeilen  und  Sätzen  zu  suchen,  und  dieser  Mangel 
an  Offenheit  und  Wahrheit,  unbedingter  Wahrheit  vergiftet  wie 
die  sittliche  Aufrichtigkeit,  so  auch  den  Stil  der  Redekünste. 
Der  Wortkunslstückchennuicher.  der  Redegaukler  siegt  über  den 
Mann  von  Charakter:  die  IMirase  kommt  immer  mehr  zur  Herr- 
schaft. .  .  .  So  gewifs  Wcdnheit  und  Freiheit  das  Lt'benselement 
für  Kunst  und  Wissenschaft  sind,  so  gewifs  müssen  beide  in 
einer  Atmosphäre  der  Unfreiheit  und  Lüge  Schaden  leiden.  Jeder 
Zollbreit  Boden,  der  der  volkstümlichen,  der  wahrhaftigen,  wenn 
auch  volkstümlich  derben  Kunst  der  Rede  entzogen  wird.  gil)t 
ein  Wucherbeet  für  gefährliches  Unkraut  von  Aflerkunst.  Prefs- 
prozesse  und  Hühnenaufführungs-Wrbote  neuerer  Zeit  haben  ge- 
lehrt, dafs  «las.  heute  den  so/inldcui.  iki  ali-^cJicn  Worthallcr 
tnlll,  morgen  jeden  l)eliebigen  andern  l.ilsc  h  gehtirten  Redner 
oder  Uli  fsverstandenen  Schreiber  ebenfidls  treffen  kann.  Die 
redenden  Künste  werden  damit  entmannt  Und  das  \'olk  kann 
sie  doch  nicht  entbehren,  soll  anders  sein  Leben  sich  organisch 
und  glücklich  entfalten.  el)enso  wie  wahre  Wissenschaft  und 
Kunst  das  \  olk  nicht  entbehren  ktimien.  Kür  jedermann,  der 
auch  nur  für  eines  von  beiden,  für  unser  \'olk,  oder  fiir  Kunst 
und  Wissenx  liaft  ein  Ileiv  Iiat,  ergibt  sich  klar  die  l'tlichl.  da- 
bin zu  wirken,  dafs  W'alirlieil  tle>  Wortes  wie  l"reiheit  des  C,e- 
dankeus  aus  den  schweren  Käujpfen  unserer  Tage  siegreich 
her\-orgehen.  So  handelt  sichs  hier  um  die  oberste  und  wich- 
tigste allgemeine  Angelegenheit,  bei  der  auch  nicht  einer  im 
Volke  uninteressiert  ist." 

4 

Der  Würzburger   Xationalökonom    iieorg    Schanz   hat  im 
vorigen  Jahre  bei  Huchner  in    liamherg  eine  Schritt  über  die 
Arbeitslosenversiclierung      erscheinen    i.i»en.     Das  Hrgebnis 
seiner  X'ntersuchinig  ist,  ^vie  nicht  anders  zu  erwarten:  einer 


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irmM'lmu  In  X«pfeb«rvcbiel«ii. 


.WS 


durchj^reiiViukn.  (»bligatcri-cheii  Arbeiterversiclieruiig  stehen  gaii7, 
nufscr>;e\vöhnliclic  Scluvitri^kciten  entgegen.  Kr  fragt  sich  da- 
lit-r.  derselbe  Zweck  niclit  in  aiuk-rfr  Weise  erreicht  werden 
kr>nnle  und  l)ejalil  die>c  Frage.  l)ietct  auch  eiiuii  \  ni>c  hl;ig. 
Dieser  geht  dahin,  einen  eigenartig  i>rgunisierlen  Spar/wang 
geset/lich  zu  dekretieren  und  dadurch  den  Arbeiter  mehr  oder 
nihider  zur  \'orsorge  für  den  Kall  der  Arbeitslosigkeit  zu  ver- 
anlas.sen«.  In  der  Hauptsache  handelt  es  sich  hierbei  <tiach  einer 
I5c>i)iechung  jener  Schrift  durch  den  i^adischen  Fabrikinspektor 
Wörrishoffer,  in  der  Zeitschrift  für  die  gesamte  Staatswissen- 
sdutft  ,  I  St)6  11^  ti!ii  Folgendes.  Für  nllr  dvr  K  ranken  \'er- 
sieliernng  unterliegenden  Person«,  u  wird  /.um  Zwecke  des  I  nler- 
halls  im  Falle  der  ArhviL.slu.sigkeil  ein  gesetzlicher  Spar/Avang 
eingeführt.  Die  Spareinlagen  sind  durch  die  Arbeitgeber  au  die 
Krankenkassen  abzuliefern.  Sie  betragen  für  jede  Person  min- 
destens 30  Pf}(.  in  der  Woche.  Für  Bauhandvverker  und  für 
andere  durch  den  Bundesrat  zu  bestimmende  Arbeitergruppen 
(  Saisonarbeiter  u.  dgl.)  betragen  sie  lo";„  des  Lohnes.  Der 
Arbeiti::eber  tr.igt  von  den  I'jiilnj^en  der  zuletzt  näher  bezeich- 
neten (iruppen  von  jeder  Wocheueinlage  der  übrigen 
(30  Pfg.)  übernimmt  er  10  Ffg.  Die  Kr.nikenka>sen  haben  die 
wöchentlichen  Beiträge  an  eine  unter  »jHentlicher  liürgschaft 
.stehende  Sparkasse  abzuliefern.  Die  Ablieferung  geschieht  durch 
Hinkleben  von  Sparmarkeu  der  betreffenden  Sparkasse  in  dne 
Sparkarte.  Dasjeweilen  vorhandene  Sparguthaben  bleibt  bis  ztim 
Retr:i^:c  von  icu)  M.  gesperrt,  d.  h.  es  wird  erst  und  nur  im 
Falle  der  Arbeitslosigkeit  verfügbar.  Der  100  M.  überschiessende 
Teil  der  I'jnlagen  da^^egen  sieht  zur  freien  \  ertügung  des  Ar- 
lu  iu  i  s.  ( iratifikati«  inen,  (ie->chL  iik(  der  .\i  beitgeber  und  Zuwen- 
dungen der  (ienienidcH  kimuen  aul  Aulrag  der  Geber  der  ge- 
sperrten Einlage  zugewiesen  werden.  Im  Falle  der  Arbeitslosig- 
keit wird  die  gesperrte  Kinlage  allmählich  zurückgezahlt  Die 
Wochenbeträge  dieser  Kuckzahlungen  richten  sich  nach  der  Höhe 
der  I''inlage;  z.  R.  würden,  wenn  diese  sich  auf  wenigstens  100 
M.  beläntt.  wc»chenl!irli  s  M.  an  den  Arbeitslosen  ausgezahlt. 
Die  mit  dem  Sparzwang  verbnndeueu  Kosten  fallen  äu  Lasteu 
des  Staates  und  der  (kineindeu 

Wörrishoffer  bcmerkl  ila/u.  Die  in  einem  Teil  iles  Pub- 
likums gegen  die  sozialen  Versicheruugsgesetze  vorhandene  Mifs- 
stimmiuig  richtet  sich  in  erster  Reihe  gegen  die  durch  sie  ver- 
ursachte Arbeit  und  l'mständlichkeit,  weniger  gegen  die  Kosten. 
(Die.>^e  sind  bei  den  l'reiskalkulationeu  endgültig  ein  Teil  der 
Produktionskosten  gewortleni.  Die  Arbeit  und  rmständlichkeit 
ist  aljer  bei  der  von  .Schanz  vorgeschlagenen  Faurichtuug  — 

')  d.  Ii.        von  jenen  lu  j.^. 


weK*^ii  des  Anschlusses  an  eine  schon  bestehende  Organisation 
weil  ;;erin>;er  als  liei  dem  \*oll/u^e  der  bestehenden  \'er- 
sichernn}j[S};eset/e  Auch  die  Kostenheilräj^e  der  Arl)eitfjel)er 
spielen  keine  ijrt»lNe  Rulle.  Sie  betragen  hei  den  Baidiandwerkern 
nnd  Saisonarbeitern  der  Lölnie  und  bei  der  Hauptmasse  der 
Ar1>eiter  weniger.  Kiue  solche  LeiHtinig  kaiin  der  Produktion 
7A\r  möglichen  Beseitigung  des  von  ihr  her^*orgerufenen  Mifs- 
Ktandes  wohl  zugemutet  werden.  Auch  wenn  man  sie  zw  den 
3  4*'/«  ^l^r  Löhne  hin/ureehnet.  welche  die  durchschnittliche 
Relaslun.i;  der  Arbeitgeber  durch  die  ^^o/irilcn  Versicherungsge- 
sel/.e  des  letzten  Jahrzehnts  darstellen  kann  \«»n  nberniäfsigen 
Opfern  niclit  «geredet  werden.  Ivlier  wan  zu  bezweifeln,  ob  es 
zulässig  wäre,  den  Arl>eitern  2  3",,,  (den  liauliandwerkern  9"  „  I) 
der  Löhne  als  Spareinlagen  zn  entziehen.  Eine  mir  einiger- 
nialseu  weitgehende  Beseitigung  der  Folgen  der  Arbeitslosigkeit 
ist  aber  fiir  die  ganze  Zukunft  der  Arbeiterschaft  viel  zu  wichtig, 
als  dafs  ihnen  nicht  grofse  Anstrengung  zugemutet  werden  dürfte. 
Zudem  bleiben  die  angesannnelten  Ik'itrage  ihr  ]*!i'^entum.  und 
es  wird  den  Arbeitern  in  einem  weiteren  Zeital)schniU  ^iclier  ge- 
lingen, ihren  Anteil  an  jenen  Heiträgen  auf  <lie  Arbeit-t-ber  ab- 
zuwälzen. Der  grölste  V  orzug  des  vt)n  Schau/  gebotenen  \"or- 
schlags  ist  al>er  wohl  der.  dafs  erder  >  Arbeitslosenversicherung« 
gegenüber  überhaupt  durchführbar  erscheint,  und  dafs  die  Hin- 
richtung ohne  irgend  welchen  Nachteil  wieder  beseitigt  werden 
kömite,  wenn  sich  etw  as  Besseres  fände.  Ks  wäre  daini  nur  eine 
Aufhebung  der  Spareinlageu-Si^erre  nötig.  Die  gesamte  versiche- 
rungs]>flicbti.i:e  Arbeiterschaft  würde  eben  mit  freiem  Spargut- 
haben in  den  neuen  Zustand  übertreten. 

Trotzdem  meint  Wörrishniiei  >iclilieislich  sind  wir 
nicht  so  sanguinisch,  die  \'erwirklichung  des  Schanzischen  oder 
irgend  eines  anderen  Vorschlags  zur  Beseitigung  der  Folgeu 
der  Arbeitslosigkeit  in  der  Gegenwart  und  nächsten  Zukunft 
zu  erhoffen  T*ine  sehr  rasche  Verwirklichimg  würde  auch  sclnm 
dadurch  gehindert,  dafs  die  ganze  Frage  der  Hekäm]>fung  der 
Arbeitslosigkeit  für  weitere  Kreise  noch  \iel  zn  neu  nnd  auch 
noch  zu  wenig  geklärt  ist.  Am  meisten  aber  spricht  gegen  dii 
Wahrscheinlichkeit,  ein  Gesetz  über  allgemein  gültige  Mals 
regeln  gegen  die  Arbeitslosennot  jetzt  durchbringen  zu  ktinnen, 
der  Umstand,  dafs  z.  Z.  die  Stimmung  im  allgemeinen  gegen 
ein  Portschreiten  auf  dem  Wege  der  sozialen  Reformen  ist,  da 
man  findet  man  habe  sich  in  (lern  letzten  Jahrzehnt  nach  dieser 
Richtinig  so  angestrengt,  dafs  man  zunächst  lange  Zeit  auf 
seinen  I^orbeeren  ausruhen  dürfe. 


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Neuere   ErscJxeinungen  auf  dem 
Gebiete  des  Zeichenunterriclits. 


Von  PmI  Stade  in  SonderKhauscn. 
(Sclilufe.) 
2.  HtolfMininiliin|u;t'ii. 

AI.  Kellner  uiul  Fr.  Sieigel,  Schule  des  Frciliandzticliiicn.s. 
Anf  linind  der  geKetzHchen  Heittininiungcn  für  österreichische 
Schulen,  in  konzentrischen  Kreisen  bearbeitet.  Wien,  A.  Pichlers 

\\*\ve.  11.  St>hn.  S  ]Iefte  ä  1.20.  1.40,  1.40.  i,6<).  i.(x».  2.40,  ^  U.  5  Mk. 

nie  Hefte  sind  für  die  Hand  des  Ix'hrtrs  bestimmt  vmd  ent- 
lialten  neben  cineni  kurzen,  jjut  j^esclin ebenen  Texte  den  ywm  /t  iclinen 
an  (Ur  Tafel  bestimmten  Stott  für  je  ein  Schuljahr,  der  so  reiclilich 
benies>eii  ist,  <lafs  man  un;^efähr  y.wci-  bis  dreimal  so  viel  hat.  als 
für  ein  Zeichenjahr  nöti^»  sein  dürfte. 

Das  Zeichnen  beginnt  mit  dem  ersten  Schuljahre  und  i,si  in  den 
ersten  vier  Jahren  ein  stig-mographische.s.  Der  konzentrische  Aufbau 
des  Lehrplanes  bringt  es  mit  sieh,  dafs  von  Jahr  zu  Jahr  das  Pensum 
gewisserniafsen  dasselbe  bleibt. 

Ich  kanti  nicht  leutrnen,  dafs  das  Cian/c  Uol/.  \iL'ler  »inx  erkemi- 
b.'irt-n  Sdunihc iien  einen  recht  trauri}xt-n  llindnuk  auf  mich  ;^^einachl 
hat.  -Man  denke  nur  vier  Jahre  sti)im().öTaj)hisclu  n  Zeichnens,  iuinu  r 
wieder  mit  denselben  nur  wenig  geänderten  l  urmen  des  geometrischen 
Ornamentes.  Als  einziger  wirklich  nennenswerter  Unterschied  kann 
nur  die  von  Jahr  zu  Jahr  gröfser  werdende  Spannweite  des  Stigmen - 
netzes  bezeichnet  werden. 

Wo  soll  da  die  Bcgeistenmg  für  das  Zeichnen  hcrkDUunen? 
^Vas  kann  die  sehr  gute  -  ja  mustergiltige  —  Auswahl  der  \  orbilder. 
was  die  geschickte,  wohldurchdachte  Anordnung  in  konzentrischen 
Kreisen  gelten  ijei.' uiiüber  der  <  )dc  und  Trockenheit,  die  sulclur 
l'ulerricht  auc  h  im  besten  l  alle  für  tleu  Schüler  bringen  niufs.  Solcher 
I^hrgang  und  solche  Übung  kann  die  Phantasie  nicht  anregen,  das 
uiufs  sie  toten,  A'oUständig  abstumpfen  und  die  Liebe  zum  Zeichnen 
ersticken. 

Die  Schuld  mag  wohl  auch  viel  weniger  bei  den  Autoren,  als 
in  den  bestehenden  X'erordnungcn  /n  suchen  sein ;  traurig  aber  bleibt 
die  Sache  auch  dann.  Man  hat  ja  nun  ganz  andere  Mittel  für  einen 


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l'Uttl  StH>l<<. 


m  früh  dti»<rt/.vn(k>n  Zdchenunterricht  —  wie  /..  II.  (Ia.s  Ztficlineii  iiacli 
Stabchen  oder  von  schenmüsicrten  Lehensfonncn    -  die  bildend  nnti 

atin  et  tnl  in  liohcin  Maf.se  sind,  waniin  hanj^t  man  denn  nur  s<>  ent- 
sel/lioh  /.aliL-  an  (kr  vSti;;;nio;^raphic'  tVsl 

iVts  vDihcirt thU-  W  trk  bietet  sonst  viel  Schönes.  f1t(  Hefte  n  S. 
weklu  in  «las  wuk'noh  freie  Zeichnt-n  einfiilircn.  /ti^(.n  <iiii cli.uän.uij^ 
j^ute  l'ornjen  und  einen  ani^einessenen  l-OrUsclu itt  vom  I.eiolilen  /.um 
Schweren,  ja  selbst  die  ersten  Hefte  sind  in  ihrer  Art  recht  >,Mit.  und 
ich  habe  noch  rie  ein  stij^nuigraphisches  Werk  j^esehen.  das  einen 
so  vorteilhaften  Kindruck  K'^^i^i^cht  hätte  wie  dieses. 

Heim  Körperxeichnen  scheint  mir  das  Drahtmockll  auch  ein 
St)  traurijifer  wie  fraglicher  Nothehelf  /u  selir  bcrikksichtii^t.  sti  l 
mich  Itei  «k-n  X'ullkörpvni  will  mir  die  itnnn  r  wiederkehrende  I  tiler- 
sicht  nicht  helia^eti.  I-s  isl  unnalürli»  !i  \\«.  iin  man  die  Körper  hän.v't. 
statt  sie  zu  stellen,  und  noch  unnatürliciKi  .  wenn  man  sie  über  Augen- 
höhe der  Schüler  hänj^.  So  etwas  verstöfst  gej^en  ein  gesundes 
ästhetisches  Empfinden  und  sollte  schon  aus  diesem  Ctrunde  ver- 
mieden  werden. 

Der  Stoff  fiir  das  achte  Schuljahr  ist  in  einer  jfrofstren  Majipe 
Ues.immelt  und  l)esteht  zu  weitaus  j^röfstem  Teile  ans  sehr  schönen 
farbij^eu  flachornamentalen  (lebihhMi 

'Prot/  aller  aniri-fü Inten  Manj^cl  ist  nicht  zu  verkennen  dais  wir 
CS  hiei  niii  einem  \<>rnehmcn,  gut  durchdachten  Werke  zu  liiun  haben, 
einem  Werke,  wie  es  deren  in  unserer  so  überans  schreib-  und  /.eichen - 
lustigen  Zeit  nur  wenige  giebt 

Adam  Hehneidflr,  Vorstufe  des  Orn amen tze ich nens  im  Anschlufs 

tu  natürliche  rflanzenfornu  n.  Praktischer  Lehrj^anj^  für  Zeiohen- 
lelirer  an  mehrklassi^en  N'olks-,  Hürj^er-  und  Mittelschulen,  wie 
zum    Seibstunterrichte    für   .Anfänger    im  Ornament/.eichnen. 

Ditstkn.  (■»  (»rii-  Hertz. 

Praktisch  und  gut.  das  ist  das  I  rteil,  uul  dem  man  das  lUich 
zuklai)pt.  das  den  Verheifsungen  des  Titels  in  der  That  entspricht. 
9.^  Figuren  bilden  eine  fortlaufende  Kette  von  Darstellungen  von 
Blättern  und  Bifiten,  deren  erster  Teil  jcunächst  nur  geradlinige 
Formen  enthält,  von  denen  später  stu  genauerer  Darstellung  über- 
geganjjfen  wird. 

l\ine  irewi^^f.  nber  sehr  malsvolk-  .Stilisierung;  ist  bui  allen  Hei 
spielen  zur  .\nwendun«.;  i[ebrachl.  <l')rh  liilst  sich  deutlich  vi-rfoliren. 
wie  dieselbe   mehr   und   mehr  tkr  realistischen  Auiiassun^'^  weicht 
Jedes  Blatt  und  jede  Blüte  ist  auf  eine  geometrische  l  i^ur  jirebaul. 
deren  Folge  allein  sclnm  den  üblichen  Lehrgang  verkörpert. 

Die  voni  Verfasser  in  Aussicht  gestellten  Wandtafeln  erscheinen 
mir  durchaus  nicht  uoti^^  denn  da  er  selbst  empfiehlt,  die  Betracbtuni' 
v<nn  };ei)rcfsten  Xaturblatte  nisi^ehen  zu  lassen,  ist  liue  W.indtafel 
für  di  u  Lehrer,  der  zu  zeicl.iu  n  \  ersieht.  <;anz  entbehrlich  und  k.inu 
nur  geeii^nel  sein,  die  Aufmerk.samkcit  der  Schüler  vom  natürlkhcn 


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Kfnorr  Kr»4>hriiiHiMr«n  «nf  d«in  flebi^le  dttt  ISeirbrnunlmirlil». 


Hlattc  al)/.uktikcn.  I'ür  solche  abL-r,  <lic  tiiclil  /.L'icliii<.M  köiiticti,  be- 
darf t  s  «Kr  W  aiKltafdn  v:U  iclifalls  niclit.  «leiui  wer  «  nicht  kann,  der 
soll  am  h  kciiKU  Xt- 1(  lu  inintt-rricht  erteilen. 

Albert  Kornhai«,  Zeiclieiilelirer  am  (fvamasuini  /.u  l-rciburg  i.  Hr., 
Praktische  An leitttn  ji;  f  fir  den  Zeich en niitcrri cht  an 
Volks-  nntl  Mittelschulen,  Gewerl>e-,  Töchter-  und  Frauenerwerlis- 
schulen.  Freiburji:,  Ilcrdersche  Verla^sliandlunjr.  Ausjral)e  fiir  die 

Hatul  <K^  Lehrers.  6  If^fk-  ä  40  Tfg^. 

Was  der  Titel  vers])rubl.  <las  hält  der  Inhalt  der  6  Ileflcheii 
tiicht.  denn  st:'tt  einet  prakliscbrti  Anleitunii  für  die  Mrteilnnjr  des 
Zeiolu  nunlei  ricbtes.    wird    nns   eine         allerdings  rei  ht  si  hoiie 
Sanuniun^i  von  Motiven  fiir  derselben,  ein  Lehrplan  in  Hddern  ge- 
lioten. 

Der  begleitende  Text  ist  jpit  Keschrieben,  aber  er  hätte  durch- 
ji^ehend  ausführlicher  sein  müssen,  namentlich  ist  es  lebhaft  xu  be- 

«buiern.  dals  selbst  leise  A iidrutun^en  über  die  Weise,  in  welcher  der 
\  erfasser  seine  Aufgaben  behandelt  wissen  möchte,  fast  j^anz  fehlen. 
Ivine  /i!  (Ulli  Lehrgänge  j^elioiiL^i  Ans^^abe  vnti  pfr<ifsen  Wandvor- 
la^en  ist  woiil  in  Aussicht  t^i  nonnnen,  liejjt  aber  nocli  nicht  vor.  und 
so  wäre  der  Lehrer  also  darauf  angewiesen  die  Zeichnungen  an  «ler 
Tafel  zu  entwerfen,  ehe  er  mit  den  Schülern  in  eine  Besprechung 
eintreten  kann,  das  ist  aber  mifslich  und  zeitraubend. 

Heft  I  enthält  zunächst  Vorübungfen  mit  geraden  und  krummen 
Linien,  auf  welche  scheniatische  N atiirfomien  folgen.  Diese  letzteren 
sind  ganz,  vorzüglich  und  dürften  ein  sehr  brauchbares  Lehrmaterial 
bieten,  leider  fehlt  nbcr  jede  Andeutung,  wie  der  Verfasser  sie  im 
I  nterrichte  behandelt  sehen  will 

Ich  vermag  nur  nicht  vt>rzustellen.  dals  es  richtig  wäre,  wenn 
man  die.se  Dinge  nach  Wandtafeln  oder  nach  einer  Tafelski/ze  deÄ 
Lehrers  zeichnen  liefse.  würde  aber  das  Lehrmittel  sehr  gut  finden, 
wenn  durch  Betrachtung  des  («egenstandes  selbst  Formen,  wie  die 
vorgrcführten.  gewonnen  wurden.  Wer  sich  cntschliefsen  könnte,  in 
diesem  Sinne  zu  arbeilen,  der  niüfvSte  —  davon  bin  ich  überzeugt  — 
an  diesem  Matirialc  irrofse  Freude  erleben 

Auch  die  lilätter,  Hlunien  und  R«ASelttii  des  zweiten  Heftes 
liefsen  sich  wohl  im  Anschlüsse  an  die  Xatiu  l)ehandeln.  und  das  ist 
im  Ganzen  wahrscheinlich  auch  die  .\b.sicht  des  Verfassers,  der  das 
natürliche  Blatt  stets  neben  die  abgeleitete  Form  gezeichnet  hat. 
Hier  thäte  es  freilich  die  Wandtafel  auch ;  lebendiger  und  anregender 
aber  würde  der  Unterricht  gewifs,  wenn  die  Naturfomi  selbst  zum 
Ausgange  der  Besprechung  gewählt  würde. 

Aufserdem  enthält  dieses  Heft  wieder  eine  Reihe  vom  schema- 
tischen N.iturformen,  die  recht  rei/vol]  sind,  l)ei  denen  aber  leider 
auch  nicht  gesagt  ist,  iu  welclier  Weise  sie  im  Unterrichte  behandelt 
werden  sollen. 

Heft  3  ist  der  Schneckenlinte  und  Spirale  gewidmet  und  ent- 


üiyiiizca  by  GoOgle 


liält  ciilsjircciiciulf  und  reiclilichc  i^niele.  deren  /A-i».  hiu  rischc  Wic- 
d«.r}^al)c  für  il.i.s  Kniiiicii  iles  Schülers  auch  nirgtftids  xu  grofse 
Sclnvii.  ri-lcriten  hietcti  kann. 

Nun  spallft  sich  die  Samnilnnir  IIt'fl4  '"^t  für  die  Knaben.  Heft 
5  für  Mädclien  bestimmt.  heiUe  sohenrcn  mir  in  Auswahl  und  Anord- 
mini;  gleich  ^ut  und  branchbar.  Das  letzte  Heft  endlich  ist  für  das 
Linear-  und  ProjektionsKeichnen  verständig  anj^eordnet  und  dürfte 
für  die  nnji^egebenen  Zwecke  vollauf  genügen. 

Dan  ganze  Werk  ist  dnrchntus  zn  enipfelilen.  es  enthält  einen 
I.ehrijan.ix  von  selten  Vinter  Auswahl.  I>f  in  \'<  rf  tsst  r  ni(H-hte  ich 
drijij^end  raten,  bei  einer  Xenanflaj^e  dem  Icxle  mein  /iu.sdi'linun^.; 
/n  ^eben  und  dem  /eiclinen  nach  dem  (icgcnslundc  selbst  -  wenn 
er  das  nicht  schon  heabsiclitigt  hat  —  s«ne  Aufmerksamkeit  zuzu- 
wenden.- 

Ph.  8ehmidt,  I^ehrUcfte  für  gewerbliches  Zeichnen.  Zweite«« 
Heft,  rrojektionsjseichnen.  Hannover.  Karl  Meyer.  Preis  45  l*f. 
Mir  Handwerker-  mid  I'Orlbilduni'Sschulen  ein  sehr  branchb.jres 
Büchlein,  w  i  Ii  hes  sich  jeder  an  solchen  Schulen  unterriciitende  Lehrer 
anschaffen  s*-ilUe.  In  sehr  einfacher,  und  doch  deti  Hedürfnissen  xoll 
entsprechender  Weise,  wird  hier  die  Projektion  geometrischer  Körper 
(vier-  und  .sechsseitiges  Prisma  mit  geradem  und  schiefem  Abschnitt 
I*}Tamide.  Kegel  '»nd  Cylinder)»  nebst  den  wichtigsten  Schnitten  durch 
dieselben,  gelehrt.  Nirgends  geht  dabei  etwas  über  das  Wrständnis 
und  die  durchschnittliche  X'orbildung  der  ins  Auge  gefafsten  Schüler 
hin.ms  tnul  doch  ist  die  Darslellung  eine  so  /ielbewtjfste.  dafs  die 
SchüUr  nach  liew ältigung  dieser  A\ifgaben  vollständig  genügend  für 
da.s  eigentliche  l-ach/eichneti  \urgebildet  sein  mü.ssen. 

Über  letzteres  unddieArU  wie  es  an  die  Projektion  anzuschlieisen 
ist  giebt  der  Anhang  Aufschlufs,  der  einen  sehr  ausführlichen  AuvS- 
.zug  aus  den  Lehrplänen  der  Handwerkerschule  /«n  Hildesheiiu  bietet 
deren  Direktor  der  \  erfasser  ist. 

Fr.  (JralMMg.  \V  erk ri  isUh re  für  Lehrerseminare,  (icwerbe- 
und  -M  lUel schulen.  II.  Heft.  Kla.ssenaufgabeu  für  (Vrund- und 
Aufrisse.  Zürich.  Orell  l'üfsH.  Preis  1  M. 

Die  zwölt  sauber  ausgeführlen  Tafeln  mit  lirund-  und  Aufrissen 
nebst  den  für  das  Verständnis  der  Struktur  nötigen  Schnitten  be- 
handeln die  für  Werkrisse  gebräuchlichen  l'ormen  in  mn.stergfiltigcr 
Weise.  Der  \  erfa.sser  betont  mit  Recht  die  Wichtigkeil  s< »Icher 
t'bungen  und  zeigt  an  seitieii  Ikispielen.  wie  man  auch  diese  Auf- 
gaben im  Klassen  (Massen  I  Cnlerriclite  K  icht  /u  bew.'ihiijrii  \  i-rniag. 
Nicht  auf  d.i«-  r/cicbncii  wi'inschl  er  <iai)ei  den  Nachdruck  gelegt, 
.sondern  vorneiimbch  aui  die  Lrweckung  riluudicher  XOrstellungen. 

In  unsem  Seminaren  -  der  Verfasser  ist  ein  Schweizer  —  bliebe 
für  solche  Übungen  wohl  nicht  Zeit  genug  zur  Verfügung«  denn  wir 
.sind  froh,  wenn  wir  das  Nötigste  erreichen;  für  den  Unterricht  in 
l'ortbildungsschulen  aber  bietet  das  Buch  ein  geeignetes,  schönes 
Lehrmaterial. 


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54» 


Tli.  A.  U  illijr.  St  inmarlehrcr  iti  Iloniherg.  i' :i  so  Ii  c  n  h  u  c  Ii  für 
Z  e  i  o  h  c  n  lehr  e r.  JJrcslau,  Fcnlinand  Hirt.  I'rcis  3,50  M. 
Das  tfiX  ein  schönes  und  durchaus  brauchbares  Ruch.  Ucr  kur/.c- 
Text  ist  eigentlich  nur  eine  j^edrän^e  Inhaltsangabe.  Rehandelt  wird 
das  }^anze  (tebiet  des  Zeichnens  in  der  Volksschule,  und  /m  at  mit 
ciiKi  solchen  ( irnndliohkeit,  dafs  sich  aus  dem  <'>ehotenen  bequem 
sechs  I.ehr.ijänjjre  bilden  lassen.  Das  ist  ein  iiii  lit  yerin«;  an/nschla«ren- 
der  l-"aktf>r,  denn  »-s  tiewährt  dem  Lehrenden  .Sj>ielranni  ifc-nn-.r  ■^ieli 
ilie  lUispiele  tiaeh  <leni  atij^cnhlu klichen  Herlürfnissc  und  nacii  seinem 
<ieschinacke  au.s/nwählen.  Die  Ausstattuag  <les  Büches  ist  einernte. 

3.  Scbriften  fttr  die  Fortbildung. 

ii.  Cons,  Professor  am  Kgl.  Katharinenstift  xu  Stuttgart.  Die  wich- 
tigsten (Tesetzo  der  Perspektive  in  ihrer  x\nwendung  auf 

das  Zeidinen  nach  der  Natnr.  Stuttgart.  Konrad  Wittwer.  2.50  M. 

Min  I  i-hrbneh  der  Perspekti\  e  ist  es  nicht,  aber  ein  ^  «>r/nj»^liches 
llili^uiitlel  iTiT  jeden  rb  r  \nfn;diTnen  \or  der  N'alur  nineben  will 
iin«!  sich  perspcklu  iscii  doch  nicht  ijan/  sicher  fi'ihlt.  l  iut  gewaiiite. 
sehr  malerisch  behandelte  Beispiele  erläutern  eine  populäre,  durch- 
aus fafsliche  Einführung  in  das  Wesen  und  die  Oesetxe  der  Perspektive. 

Aber  nicht  nur  dem  xcichnenden  Xaturfreunde,  sondern  auch 
ileni  I.elirer  kann  das  kleijie  Werk  vf>n  j^rofsein  Nnt/en  werden. 
Der  Hetrieb  des  Kr)riHr/eicluiens  in  «U  r  Schule  wird  einem  Lehrer 
-■  tler  nicht  die  ni>tv,  (  ndi'.an  Kenntnisse  in  (kr  f'erspckti\  e  besitzt 
last  /.nr  I  nniögliclikeil.  weil  nur  diese  ihm  die  i.ische  und  sicher«.' 
I'ruuini^  der  Arbeiten  seiner  Schüler  erlauben.  Die  Perspektive  nach 
einem  f^ehrbuchc  —  dem  stets  etwas  Trockenes  anhaften  wird  —  zu 
erlernen,  ist  aber  nicht  jedermanns  Sache,  weil  die.se  Wissenschaft 
viel,  sehr  viel  Zeit  in  Ansj)ruch  nimmt  und  ungemein  schwer  ver- 
ständlich ist  Züdc  11:  sii'.d  alle  diese  Lehrbücher  für  diesen  Zweck 
auch  viel  /.u  weitgehend,  »las  \  orliegetKlr  Hnch  aber  eiitlifdl  alles, 
was  niiin  \'>r.  der  !'ers])(-kti\ e  wissen  muls.  wenn  man  mit  l.rfolg 
den  LnlenKlii  1111  k()ri>er/eichncn  erteilen  will,  und  \ermeulet  dabei 
alle  überflüssige  Betonung  des  Wissenschaftlichen. 

Ich  habe  mich  her/Jich  über  das  schöne,  durchaus  angenies.sene 
Buch  gefreut  und  glaube,  dafs  es  einem  lange  gefühlten  Bedürfnisse 
vollkommen  entspricht 

FeniUT.  <',(>/ ei  eil  n  et  e  und  geschriebene     t  <liv  hte    {'rster  Teil. 

Auch  diu  Singspiele,  auch  .\uf.schlüsse  tiir  .Infäni^er  und  Künstler 

itn  /eicliiu  11     Zürich.  Oiell  l'ül'sli.    2  M. 
-  .  La  \  igneile.  Tome  1.  500  De.ssins.  Zürich.  Orell  l-üfsli.  1,40  M. 
— .  Xotio's  pour  Dessl natcurs  et  peintres.  Zürich,  Orell  rüf.sli. 

2  M. 

(ielegentlich  unserer  vorigen  Besprechung  lag  uns  auch  lin 
höchst  originelles  Werk  I\nners  vor:  Zeichenunterricht  duieh  mich 
seU).st  und  andere  ,  das  durch  .seine  l  rvvüch.sigkeit  in.  Bild  und  Wort 


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34^ 


PmuI  St«(tt>. 


ift-ratif/u  verblüffend  wirkte.  Die  drei  oben  ^^^eiianntcn  W  erke  — 
alle  in  dneni  Jahre  etitstanclcn  regen  in  «gleicher  Weise  wie  jenes 
stti  absprechendem  Tadel,  wie  au  liewiinttenideni  Ix>be  an.  K.s  ist 
ein  franz  eigener  Stil  in  dem  Penner  schafft,  ein  StiU  der  allem  Da- 
tfcwesenen  ins  (lesieht  sohiri«:!  und  in  vielen  Fällen  nieht  anders 
wirkt,  als  <lie  >(ele<jentliehen  Schmierereien  nnserer  Schiller, 

f  'tul  floeh  würde  man  sich  i^'^ar  sehr  täuschen,  wenn  man  iimehmen 
Wiiiile,  es  hier  nnt  iryfetid  einem  Schmicriaxs  zu  Ihtin  /u  haben;  im 
(iegentcil  leuchtet  aus  allen  diesen  bi/urrcn  iJinj^en  ein  feines  künst- 
lerisches Kmpfinden,  eine  seltene  Kraft  der  Darstellung  heraus. 

Das  Manirierte  der  Zeichnunj^en  i.st  tum  groCsen  Teile  Absicht 
darauf  berechnet.  Atifsehen  /.u  errejfen.  und  wenn  der  Künstler  darin 
auch  manchmal  s<>  weit  ixeht.  dafs  seiiu  Schöpfung^  y.ur  lächerlichen 
Kan  ikatnr  wird,  so  sind  doch  auch  wieder  Perlen  von  seltener  Schön- 
heil unter  den  \Kleii  Zeichnunt^en 

iJas  tollste  Zeug  siml  ilie  dediclile  und  Singspiele,  aber  selbst 
bei  diesen  wird  man  stets  von  neuem  veranlafst,  das  Buch  zur  Hand 
7.U  nehmen  und  darin  zu  blättern.  Ks  ist  ein  Sorji;enbrechcr,  von  so 
unwiderstehlicher  Komik,  dafs  man  verj^ehHch  danach  streikt,  die 
ernste  Miene  des  Kritikers  festzuhalten,  der  j>:eschnebene  Teil  wirkt 
|fera<le/.n  zwerchfclK  rsrliüttL  riul. 

J'!rnster  .siiul  ilii  Ijeideu  ;iufKrn  Hücher gelialteii,  und  die  Molns 
enthalten  sogar  last  durchgehend  sehr  schöne,  auch  weiUius  l)esser 
gemachte  Zeichnungen. 

Für  die  Schule  sind  solche  Din^e  allerdings  nicht,  aber  »tm 
eij^enen  Studium  möchte  ich  sie  doch  lebhaft  euipfehlen.  Sie  sind  das 
äufserste,  was  die  revolutionäre  Bewc^nni;  nif  dem  (Gebiete  der  Kunst 
xutafi^e  gefördert  hat,  und  regen  %um  Nachdenken  an. 

A.  Lehiiiann,  Merkstoff  für  den  Zeichenunterricht,  hjn  Wieder- 
h(-!iini;><burh  für  die  Hand  der  Schüler.  Heft  i.  ( ieratUinigc 
uiiil  kl  uiinnlnii-v  !*"lenientnrfonnen.  Halle.  Pädagogischer  Ver- 
lag von  Hermann  Schrodel.    15  Pf. 

In  seinem  fröher  an  dieser  Stelle  besijrochenen  Werke  Prä- 
parationen für  den  Zeichenunterricht  weist  der  Verfasser  auf  dieses 
Büchlein  immer  wie<ler  hin  und  xetgt,  wie  er  dasselbe  im  l'nterricht 

Verwertet  denkt.  l-!s  ist  gar  kein  übler  Cedanke  dem  (ieclächlnisse 
des  Schülers  mit  einem  solchen  Mittel  zu  Hilfe  zu  konnnen,  denn  er 
wird  natürlich  so  leichter  imstande  .sein,  sich  den  Gedächtnisstoff 
einzuprägen. 

Soweit  dürfen  wir  mit  dem  Hüchleiu  ganz  zufrieden  sein,  als 
Fehler  aber,  und  der  Verbreitung  hinderlich,  ist  es  zu  betrachten,  dafs 
der  Verfasser  zu  sehr  für  seine  eigenen  Schüler  geschrieben  hat. 
Hin  nicht  unbeträchtlicher  Teil  des  Inhaltes  ist  auf  einen  bestimmten 

Lehrgang  und  eine  eben  so  bestimmte  Weise  der  fschematischeii) 

Ilerstellung  der  Zeichnung  bezüglich. 

1  »ie.se  Stellen  wären  be.s.ser  ganz  fortgeblieben,  oder  sie  müf.sten 


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Vruw  Kr«p|i«lnunf;rii  nof  (l«n  <]<*b1cte  dvn  Ki'irhrmmlprrirhtii. 

(loch  soweit  veralljrciueincrt  wcnkii,  <l;ifs  sie  einer  Benutzung  <les 
Hiiclu-.s  i>ci  andc-rni  I.clir^aii^^c  nicht  im  \V(.*y,e  släiuien. 
Verzeichnis  i>mpfelilen«wurt€>r  Werke  f  ü  r  d  c n  Z  u i  c  h  c  ti  u  n te  i  r i  c Ii  l 
an  allf^emein  bildenden  Lehranstalten  und  Fortbil- 
dung«; .schul  en.   Zusamniensrestellt  von  einer  CoinmisKion  des 
Vereins  Dresdener  Zeichenlehrer.  Dresden,  A.  Müller.  Fröbelhans. 
lune  kleine,   recht  nett  geschriebene.  Abhan<llnn^'   über  das 
Zei'clitien  in  der  X'olkssch üIc  dient  als  I'iiileitnnji;.  der  dann  das  \'er- 
/eichnis  fol'jft     Dieses  isi  /ull.i^■h'^t  in  /a\ ei  ( »ruppen  —  für  nllifeniein 
l)ildende  Schulen  und  lür  hachschulcu       getrennt,  deren  jede  wieder 
besonders  nach  den  verschiedenen  (;e{renstanden  j^eordnet  ist  Der 
blofsen  Aiifxählunj;  folgt  eine  nocfanialifrc  Anführung  mit  kurzer, 
aber  ausreichender  Inhallsaiigabe. 

Die  Auswahl  der  empfohlenen  Werke  ist  eine  j^ute.  und  das 
Kan/.e  CiUt.  i nehmen  nnifs  als  einem  offenkundigen  Bedürfnis  «.  iit- 
sprecheiid  I >i  /i  iehnet  wcnleu.  Je  mehr  die  IJtteratur  des  haches 
anscliuiilt,  desto  dringender  ist  ein  solcher  Wegweiser  nötig,  und 
voi  J. ihren  schon  habe  ich  darauf  hingewiesen,  wie  gut  es  wäre« 
wenn  eine  solche  Arbeit  —  weit  umfangreicher  als  das  vorliegende 
Schriflchen      untemomnien  wiirde. 


4 

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344 


^k4>or  BüchiT  and  Aufintzt». 


Neue  Büclier  und  Aufsätze. 


aj  Bücher. 

Appell  US.    Su»al«auw.,    I  bfl"  die 

verbrecherische  und  verwahiioste 
JutTond.  (;,oS.i  DiisscUlorf,  I„  Vofs 
u.  Co,  0,30  M. 
B e r  järem  an  11 ,  I>r.  Paul,  Die  drei 

1'iiii.l.r.iunl.a]  I'r. .!i!c::u'  der  Tfuhi- 
Ijui^ik  u.  ihre  theoretische  Lösung. 
(72  8.)  Lcip/.ii;,  ().  Klemm.  0,80  M. 

H  r  ii  ;r  t:  ni  a  n  n .  i,,.hr.,  1  *r..  ( )rjja- 
nisaliou  un<l  I. ehrplan  der  mehr- 
stufi^^en  \'i>lksschule  nach  den 
Forderun j^^eti  der  (lejfcn wart. 
S.  ni.  4  Tab.)  Berlin,  L.Öhmij^ke. 
2  M. 

Sclitilri>kl«r,  Dr.  A.. 
Schrägschrift  oder  SU  ilschrifl ' 
U  is.scnschaftl.  Begründung  einer 
naturpremäfsen  Schreibschrift  von 
5S"  mit  Ikklming  iibcr  (bc  (ic- 
.Htaltun^  der  liuchstaben  usw.  ^30 
S.  ni.     Taf.)   Bromber^,  Mittler. 

o.Si)  M. 

(irots.  j,«iir.,J..  Die  \  eranschau- 
lichuntf  beim  jjrundlegenden 
Rechenunterricht. ( 1 2oS.)München, 
M.  Kellerer.  r.50  M. 

Martin,  V.  u.  ().  Schniidl. 
Raumlehre  für  Bürgerschulen. 
Mittelschulen  und  vcrwnii<Ue  .\n- 
.staltcn.  Nach  I-ormengeincin' 
Schäften  bearbeitet,  i.  Heft:  Der 
Wohnort.  (\  ni,  s<,  S.  ni.  65  Fig.) 
Dessau.  K.  Kahle.  0,60  M. 

Martins.  Prof.  Dr.  Götz,  Bei- 
Iraj^e  für  l*s\  clu^Ioj^ie  und  Philo- 
.supiiie.  I.  Hd.  I.  lieft.  1159  S.  m. 
17  FiK  i  l.eip/.iK;.  W.  ICnj^elniann. 
I  M. 

Rtinke.  ücktor,  Wilh..  Orjjfani- 
sation  und  J.chrplan  der  hkIii 
Stufigen  Volks.schule  nach  den  1-  <  >r 
dLrtini;x-n  lUr  (k-j^einvart.  |128S.> 
iterlin,  1..  (»hniigkc.  i,«x)  M. 

Schäfer,  Friedr.,  Arbeitskraft 
mitl  Sihulr  \ier  pädagoyi.sche 
.\bhantUungen  aut  physiologischer 
<;nindlage.  (.^^S.)  Frankfnrt  a/M., 
Kessel rinu   ".^J  M. 

Wundt.  Wilh.,  (Irundriis  der 
Psychologie.  (X\*l,  .»y^S.»  Leiiv.ig. 
W'  Kngchnann.  6  Sl. 


hl  Aufsätxe, 

liruch.  1'..  Indix  idu.ililätenliste 
odernicht?  il5.i\  r  I.c  Im  rztg.  12— 

!.p.  Nürnhcri;,  Tünimel. 

l'rce,  Heinr.,  Der  ( tcsichtssinn 
und  seine  hunktion.  illannov. 
Schulzeitung  15— i8j.  Hannover, 
llehving. 

^  (.lauires,  J.,  Diegenieinschaft- 
Hche  Erziehung  der  Knaben  und 
Mädchen.  (Schulbl.d.Prov.Sachsen 
13).  Mairdeburg,  Neumann. 

^Knilling,  Rud.,  Beiträge  /.ur 
r^ösung  der  wichtigsten  rechen- 
methodischen Streitfragen,  (l.i 
(Üsterr.  Schul b.  j).  Wien,  Pichlers 
Wwe.  u.  Sohn. 

Mende,  K..  Das  Prinzip  der 

Naturgemäf.shcit  iRh.  Bl  f  T'nt. 
u.  Hrz.  2).  Frankfurt  ayM..  Diester- 

Weg. 

Meyer.  Job.,    Kberhard  von 

Horhows  Iledcutung  ffii  das  preufs. 
\  t»lk.s.schulwesen.  (D.  Schulztg. 
1^—17).  Berlin,  Öhniigke. 
'  M  üller.  R..  Die  häusl.  Schul- 
aufgaben. (N.  päd.  Ztg.  14.  15). 
Magdeburg,  Jeiisch. 

Otto,  K.,  Der  Königbauersche 

Refonm  rirschlaii^  im  Lichte  der 
evolutionistischen  Pädagogik  u. : 
FZrwiderung  auf  die  Kritik  Ottos, 
\  Mii  Köiiigbauer.  (Rep.  d.  Päd.  6). 
L'hn,  Hbner. 

Tonps,  Tnigestaltung  der  Bib 
dunK^/Hle  der  Volk.ssclmle  nach 
den  borderun^/en  der  (legen wart. 
(N.  Wcstd.  Lehrer-Ztg.  50  —  ^2). 
Klberfeld.  Born. 

W  i  u    c  ,  H ( liebt  es  Phantasie 
Vorstellungen.*  (hVankf.  Schul/.tg. 
7.8).  Frankfurt  a/M.,  Neumann, 

Wals  e  m  a  n  n .  Begri ff  un d  Auf- 
gal)en  der  b:r/,iehung  durch  den 
Unterricht.  iRh.  Bl,  f.  Krx.  u.  Vut. 
2).  Frankfurt  a/M.,  Diesterweg. 

N.  N.,  I'estalo/./i  und  Basedi»vv. 
l'.inei)ädagogische  Parallele.  (  Allg. 
D.  Lchrer/.tg.  15—17).  Leipiiig,  l'\ 
Klinkhardt. 


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•     »       .  *      •    •  ^. 

Neue  Bahnen. 

— ^  PÄDAGOGIUM. 
MonatstcbrHt  für  Haus-,  Schul-  und  GesellscNafls-Eniehang. 

Heft  7.  Juli  1896.  VIL  Jahrg. 

Scliweizerisclies  YoÜLSscliulwesen. 

\'on  Rudolf  Dietrich  in  Kandem  (früher  in  Zürich), 

(Fortseteungr.) 

II.  Die  Volksschulen  der  Kantone.*) 

I.  Rück-  und  Vorblick.  —  2.  Ver^^leichende  OberRichten.  — 

3.  Gruppenbilder. 

I. 

Der  erste  Teil  unserer  Abhandlung  hat  den  Leser  in 

die  bnnlen,  vielfjcstaltitj^cn  Wrhältnissc  der  scluvcizcrisclien 
Scliulpolitik  anschaulich  cin«;cführt,  mit  den  treibenden  und 
hcnnncndcn  Mächten  bekannt  «^cniarlil.  Ivr  hat  im  besonderen 
,<^i./ei.Li;-t :  die  Mehrheit  der  Seli\vei/Arl)ür_L;i.r  he^t  nicht  das 
liedürlnis  oder  den  \\"unsch,  das  Volksscliulwc  sen  aller  Kan- 
tone in  höherem  Sinnt. ,  niil  dem  Ausblick  nach  einem  höheren 
Ziele  einheitlich  und  ^^leichniäfsig  zu  regeln.  Ja  eine  solche 
Umgestaltung  des  Schullietriebs,  der  Erziehungsgrnndsatüe 
und  -Mafsnahnien  stand,  obwohl  sie  die  berecliti<;ten  Eigen- 
tümlichkeiten der  versclneden  gearteten  Bundesgebiete  un- 
angetastet lassen  würde,  niemals  ant  der  Tagesordinmi;'. -) 
Was  wirklich  gewüusehl  wird  von  verschiedenen  »Seiten,  ist 
eigentlich  uicht:>  Neues.  Man  will  bei  dem  allen  (lefäfse 
und  bei  dem  alten  Inhalt  bleiben  und  diesen  auch  nach  der 
alten  Tischordnung  verzehren  lassen.  Aber  eine  etwas  bessere 
Sorte  wünscht  man  für  (lefäfs  und  Inhalt,  gröfsere  Mafse, 
möglich  viele  Zugaben.  Und  die  kleinen  Gäste  sollen  sich 
wohlbi  finden  beim  Verzehren.  So  in  allen  Gauen,  weim 
aneh  nicht  in  allen  ganz  gleich.  T>icjenigcn,  welche  das 
erslix  ben,  begegnen  nun  aber  den  .^K'Usten  vSelnv  ierij^ikeilen. 
Warum?  Weil  sie  liundesgelder  verlani^cn.    Über  die  Bundes- 

•i  (IcsoIuiMhh  l'tHlt  April  iS</).  —  \  jri.  (len  I.  Teil  im  Maiheft. 
Dort  sind  mehrere  störende  Druckfehler  stehen  gcbhcbeu :  S.  2^7,  38, 
44.  55.  ÄJ. 

'^1  W'.is  TIiU\  /  IV  ln"er  j;anz  IVfqilut  in  der  Wiiste  —  ge- 
.schricbcn,  ist  wohl  in  ethclicu  Zeituu^cii  hcsiirochen  und  gelobt, 
dann  aber  verge.ssen  worden.  —  Realpolitik! 


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Rudolf  Dietrieh. 


gelder  entscheidet  zuletzt  die  Mehrheit  des  Volkes.  Und 

diese  "NTehrhcit  haben  jene  nicht  für  sich.  Sie  wurden  sie 
vielleicht  haben  oder  erwerben,  wenn  das  Volk  nicht  in  so 
viele  Parteien  gespalten  wäre,  nicht  nach  ParteilosniiL;en 
stiuiuicu  würde;  wenn  tUc  Tartcicn  nicht  herrschten  und 
wirtschafteten  im  Irande,  nicht  Richtung  und  Lauf  der 
Politik  bestimmten.  Ja  wenn  —  was  man  doch  erwarten 
dürfte  —  eine  grofse  Volkspartei  vorhanden  wäre,  stärker 
als  alle  anderen  zusammen!  Allein  selbst  die  kirchlichen 
Parteien  sind  in  der  Schweiz  noch  zu  mächtii^^.  Hder  wetni, 
wenij^stens  üljer  der  deutschen  vSchweiz,  ein  freier  Krzielinngs- 
rat  waltete,  ein  Rat  der  Weisen,  dem  sich  alle  fniwilh^L,^ 
fügen  möchten!  Vielleicht  könnte  die  Bildungskommission 
der  Schweizerischen  Gemeinnützigen  Gesellschaft  dieser  Rat 
werden.  Jetzt  aber  gilt  sie,  wie  es  scheint,  nirgends  viel» 
am  wenigsten  bei  den  Volksschullehrern. 

Auffallen  mufs  die  bedeutende  Rolle,  welche  letztere  in 
der  Geschichte  des  Streites  um  die  Pundesgelder  spielen: 
sie  haben  die  stanze  Pewcijnnq;  angefacht  und  Jahre  lan«^  in 
Atem  gehalten,  Volksveröanunhingen  veranlafsl,  mit  Ihi.iiles- 
räten  verhandelt  n.  dgl.  Diese  Tatsachen  veranschaulichen 
zugleich  die  erheblich  freiere  Stellung,  welche  die  Mehrzahl 
der  schweizerischen  Lehrer  den  deutschen  gegenüber  innehat 

Aus  den  Wünschen  und  Forderungen  endlich,  welche  in 
den  vielfachen  Verhandlungen  aufgestellt  worden,  ersieht 
man,  wo  es  und  was  den  schweizerisc  hen  Volksschulen  nneh  * 
fehlt,  oder  zu  fehlen  scheint.')  Glücklicherweise  hat  nianelier 
stark  betoute  Mangel  nicht  viel  zu  bedeuten.  Zu  den  ]{igen- 
tümlichkeiten  etlicher  schweizerischer  Schulmänner  mit  grofscm 
Anhang  oder  gewaltiger  Stimme  gehört  eben  auch  —  wie 
aus  mehreren  Abschnitten  des  I.  Teils  hervorgeht  ,  dafs 
sie  ein  Schw'crgcwicht  auf  Unwesentliches,  Neltensäehliches, 
ja  auf  Dinge  vnn  zwcifelhaftcju  W'erte  legen:  man  denke 
an  die  Überschät/un<^  der  Lehrmittel  imd  Schulmaterialicu- 
und  der  ^Rekrutenprünuigen-I  — 

Die  folgenden  Abschnitte  nun  handeln  von  den  Volks- 
schttlen,  wie  sie  sind.  Sie  zeigen  in  jedem  Kanton  ein 
anderes  Bild.  Auf  dem  mir  sehr  knapp  bemessenen  Raum 
kann  ich  freilich  nicht  alle  in  ihren  Kinzelheiten  darstellen. 
Nicht  einmal  alle  Gruppen.  Dafs  sich  solche  l)ei  25  Kan- 
tonen —  bilden  lassen,  erscheint  trotz  der  i^rnfscu  Mannig- 
faltigkeit selbstverständlich.    Ahnliche  Lebensbedingungen, 

Vi  Hii1>(.r  hciucrkt  ü])ri-r)is  i^cleucnllieh  (in  seinem  Jahrbuch 
für  S.  47):    Jeder  Kaiiloii  richtet  sich  mit  Ikzug  auf  tUc  Schule 

in  .seinem  llau.se  .so  ^ut  ein,  al.s  es  die  Umstände  erlauben  und  als 
das  Bedürfnis  es  gebietet.«^ 


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347 


ähnliche  Schulen.    Die  Bodeng^estalt  und  Oberfläche  des 

Landes,  das  \'erliältnis  zwischen  kleineren  und  gröfscron 
Ortschafton,  der  Bewohner  Volks-  oder  Stanimesart,  Religion 
oder  Konfession,  vorherrschende  Krwerbszwei.ufc  oder  Wirt- 
schaftsniittt  1  übtn  einen  «[^-ewissen  Einflnss  auch  anf  Er- 
scheinnnjtj  nnd  Wesen  der  Schule  aus.  Wer  also  diese  gerecht 
bcnrteilen  will,  niufs  jene  Bedingungen  sorgsam  in  Betracht 
ziehen. 

Welcher  Vorteile  erfreut  sich  das  Hügel-  und  Mittel- 
gehirgsland  dem  Hochgehirgsgebiet  gegenüber  hinsichtlich 

der  Ortsentfernnngen,  Verkehrswege,  Witternngsverhnltnisse! 
Alles  Umstände,  von  denen  Schnldaner,  Schidhesncli ,  die 
ganze  Schnlordnnng  mit  abliruii^en.  Sodann  ist  es  eine  auch 
ihren  Ursachen  nach  allgemein  bekauiue  Thatsache,  dafs  in 
Städten  nnd  Industriegebieten  die  Schule  über  günstigere 
Rännie  verfügt,  eine  reichere  Ausstattung  erhält,  mehr  und 
mehrerlei  Lernstoff  l)ietet,  also  (im  gewohnlichen,  nicht  iiunicr 
richtigen  Sinne)  besser  ist  als  anf  dem  Laucle  und  in 
landwirtschaftlichen  (tegenden  nnd  dals  die  Städte  dort, 
wo  sie  nberwiej^en,  den  Ton  aiii^eben,  mit  ilirem  (ieiste  im 
guten  nnd  schlimmen  Sinne  auch  das  Land  anstecken, 
l'^erner:  die  Cjermanen  betreiben  ihre  Sachen  gründlicher, 
stellen  weniger  volle,  glänzende  oder  bestechende  Programme 
auf,  lassen  weniger  blofs  anf  dem  Papier  stehen,  als  die 
Romanen,  während  diese  sich  schneller  fürs  Neue  erwarmen, 
das  Moderne,  oder  was  modern  zu  werden  verspricht,  rascher 
einführen.  Hndlieh:  in  rcformirten  Landen  ist  das  Schul- 
wesen weiter  vorgeschritten  al>  in  katholischen,  und  je  mehr  die 
Kirche  au  Macht  eingebüfst  hat,  je  weniger  Einflufs  sie  auf 
die  Schule  ausüben  darf,  desto  günstiger  kann  sich  diese 
entwickeln. 

Wie  die  Schweizerkantone  nach  Gestalt  und  Oberfläche 
ihres  Landgebietes  zu  ordnen  wärer,  lehrt  ein  Blick  auf  die 
Karte.  Ks  sind  dalier  nur  die  foljrctiden  Ani^aben  nocli 
notwendig.  -  Städte  mit  mehr  als  ti  >,( ><  k)  I'.inwolniern  zählt 
das  Land  im  ganzen  15;  sie  oder  klein«. re  Städte  oder  stadt- 
ähidiche  (iemeinden  haben  das  Ubergewicht  in  den  Kantonen 
Jiaselstadt  (wo  sozti.sagen  die  Stadt  der  Kanton  ist,  denn  es 
gehören  nur  noch  drei  Landgemeinden  dazu),  Genf,  Neuen- 
bürg, Zürich,  welche  zugleich,  im  Verein  mit  (ilarus,  Appen- 
zell- Aufserrhodeu  luid  St.  (lallen  bedeutende  Industriegebiete 
darstellen.  TlnRu  rcihdi  sich  an  Baselland,  Solotliurn,  Zug 
nnd  Api)en/,cll-lnnnerrhoden  (hier  han])tsächlich  Stickerei  als 
Hausgewerbe).  Auch  der  Tliurgau  nuch  hat  ansehnliche 
Industne;  doch  nähren  sich  nahezu  ^j^  seiner  Bewohner  von 
der  Landwirtschaft   Ähnlich  im  Kanton  Bern  (wesentlich 

23* 


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348  ■^«'•tf  Dtetrieb. 


iudiistriell  im  Jura,  abgesehen  von  den  Städten  Bern,  Biel 
und  Bitrqdorf).  Dagegen  leben  in  den  Kantonen  Sclmff- 
hansen,  Aargan,  Waat,  Nidwaldtn,  Scli\v>/.  Lnztrn  schon 
mehr  als  */r,,  in  den  Kantonen  Tcssin,  Giauhüudcn,  Uli, 
PVeiburg,  Obwalden  (58 ''/q),  Wallis  (7^",,,)  aber  mehr  als  die 
Hälfte  der  Bewohner  von  der  I^andwirtschaft  —  Sehen  wir 
weiter  nach  den  volksgenossenschaftliehen  oder  sprachlichen 
Verhältnissen.  Soznsagen  ganz  wälsch  ist  nnr  der  Kanton 
Tessin.  Denn  selbst  die  drei  gewöhnlich  schkchthin  fran- 
zösisch genannten  Kantone  Waat,  Oeni  nnd  Xcnenbnrg 
haben  (nach  der  letzten  Volkszählnno  von  iHvSSi  10,  n  und 
21^/0,  Freiburg  und  Wallis  31  nnd  32*^/y  Deutsche.  In 
Graubündeu  halten  sich  Deutsche  (44 '7o)  und  Wälsche  (Ro- 
manen nnd  Italiener)  fast  das  Gleichgewicht  Der  Kanton 
Bern  zählt  16 '•/^  Franzosen  (im  Jnra).  Die  übrigen  17  Bun- 
desgebiete sind  einsprachig,  deutscher  Zunge.  —  Hndlich  die 
kirclilichen  \''erschiedenheiten. Die  stärkste  refonnirte 
Mehrheit  habt-n  Apjienzell-A.  nnd  Waat.  Mehr  als  io"/„ 
^Kathohkcn  zählen  Zürich,  r.ern,  vScliall'liausen,  Neuenbürg, 
mehr  als  20^/0  Glarn.s,  Baselkuul,  fast  30 "/g  Thurgan,  Basel- 
stadt —  umgekehrt  mehr  als  io*/o  Refonnirte  Freibnrg, 
mehr  als  20^/«  Solothum.  Der  Aargau  hat  44,  Graubüuden  45, 
Genf  nahezu  50,  St  Gallen  60"',,  Katholiken.  Die  übrigen 
9  Kantone  dürfen  als  rein  katholiscli  angesehen  werden. 

Ans  diesen  Angaben  kthmte  man  auf  den  Stand  des 
Volksschulwesens  in  den  verselnedenen  Kantonen  schliefsen 
und  letztere  darnach  in  (irnppen  bringen.  Das  Ergebnis 
würde  freilich  nicht  ganz  mit  der  Wirklichkeit  zusammen- 
stimmen, wie  die  Gruppenbilder  des  dritten  Abschnitts  zeigen. 
Denn  die  Entwicklung  des  Schulwesens  ist  doch  noeh  \  (»u 
anderen  als  den  vorhin  gewürdigten  Iicdingungen  abhängig: 
von  der  politischen  Geschichte  des  »Staates,  der  gröfsercn 
oder  geringeren  \'ernir>nliclikeit ,  alli^enieinen  Bildung, 
vSchnlfrenndlichkeit  der  Bürger  -  Bediii^nni^eii,  die  teilweise 
allerdings  mit  jenen  anderen  innig  zusammenhängen. 

2. 

Die  eben  erwähnten  Gruppenbilder  sollen,  wie  gesagt, 
erst  im  dritten  . Abschnitt  folgen.  Zuvor  möchte  ich  etliche 
vergleichende  Übersichten  *)  bieten.  —  Von  den  vorhandenen 

h  Es  ist  hier  /u  bemerken,  dafe  l)ei  der  X'olks/.ühhiUir  von  iSSS 
die  Alt  wie  di(  Römisch  Katluilisclien  sich  als  ^Katholiken-  schlecht- 
hin in  die  Xülilk allen  ein/uli a.i;cii  h.illeii. 

-')  Die  X'erhältiiisse  der  \" «>  1  k ss c Ii  u  1 1  chrer  bleiben  hier  und 
im  niielisii  1)  Abst  Iniitl  ii!d)eri"icksiehti«il;  tlaj^ej^eii  ist  ihnen  d.is  ir'>'i/»- 
III.  IJauptstück  ijewidmet,  welches  im  September- lieft  al>gedniekt 
wird.  — 


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34? 


j^csetzliclif  11  Ikstiniinunj^eii  über  Zweck  oder  Ziel  der 
\\)lkssclinle  ent<;preclieii  <lie  einen  dem,  was  wirklich  i^c- 
leistd  und  von  den  Leuten  verlnnjrt  wird  (näinlich  niancluT- 
Ici  KcinUnisse  nnd  ( ic>chieklichkeiten),  während  ilie  aiuicreii 
mehr  idealistisch  gefafst  sindf  nach  dem  Muster,  das  Thomas 
Scherr,  der  Organisator  der  Züricher  Volksschule,  aufgestellt 
Die  Volksschnlc  —  heifst  es  im  Züricher  vSchnl^jesetze  von 
1832  (und  1859)  soll  die  Kinder  aller  Volksklassen  nach 
übereinstiTnmendcn  ( rrnndsfitzen  y.n  i^'eislti^-läti.'r^en ,  bür^er- 
lieh-l)rancli1)an'ii  und  sittlich -relij^iciscn  ')  Menschen  bilden. 
Ahnliche  Z\vcckl)c>linnnnnf(eii  j^cben  die  Gesetze  von  Hascl- 
land  (1835),  Zn^  (1850),  Granbünden  I1853),  Bern  (1856  nnd 
1894*)  Aargau  (1865),  Wallis  (1873),  Apjjenzell-Innerrhoden 
(1875),  Schwyz  (1877/8K  Nidwaiden  (1879 1,  Scliaffhausen  (1879). 
Obwaldeu  I1S76)  da.q;eg^en  sagt  einfach:  Jede  Einwohner- 
tifcineinde  hat  die  Pflicht,  dafür  zn  sorgen,  dafs  es  allen 
schnlivflichtigen  Kindern  ihres  Kreises  möglich  gemacht 
Wenk',  durch  tlen  IVsnch  einer  Primarschnle  die  für  das  ge- 
wöhnliche Leben  notwendigen  Kenntnisse  zu  erlangen.  - 
Luzern  (1879):  Die  Primär-  und  Fortbildungsschulen  haben 
den  Zwecke  in  Verbindung  mit  dem  Elternhause  der  Jugend 
die  für  das  Leben  im  allgemeinen  erforderliche  Aus1)ildimg 
zu  vermitteln.  Haselstadt  (1880):  Die  Primarschule  (Unter- 
stufe! hat  die  Anfi^abe,  die  Kiiulcr  mit  den  Elementar- 
kenntnissen vertraut  zu  maclK  ii.  I  )ic  Sekundarschnle  (Gber- 
slnlei  ^oll  die  in  der  Primarschule  crwurbcneu  Kenntni.sse  so 
ei  wciuin  nnd  abschliefsen,  dafs  die  Schüler  befähigt  werden, 
genügend  vorbereitet  in  das  praktische  Leben  zu  treten.  — 
Die  übrigen  11  Kantone  haben  gar  keine  Bestimmungen 
über  den  Zweck  der  Volksschule  in  ihre  Gesetze  aufge- 
nommen; doch  heifst  es  \u  der  Staatsverfassung  des  Kantons 
PVeiburg  (nnd  ähnlich  in  derjenigen  Obwaldens):  die  Er- 
ziehung soll  (unter  starkem  Einflufs  der  Priesterschaft)  >in 
religiösem  nnd  vaterländischem  Sinne  geleitet  werden. 

Schulpflichtig  werden  in  14  Kantonen  (Ztirich,  Bern, 
Olarus,  Zug,  Baselstadt,  Baselland,  Schaffliausen ,  beiden 
Appenzell,  St  Gallen,  Thnrgau,  Tessin,  Kcnmbnrg,  Genf) 
die  Sechs-,  in  den  übrigen  Kantonen  die  vSiebenjährigen. 
Doch  von  jedem  einzelnen  Kanton  vollständig  genau  anzu- 


')    Sittlich -)futci!    staTul  in  Sclu  rr"s  l'jitwurf. 

^)  iKi|i  :  Dit'vSchulc  lial  den  Zweck,  die  l'uniilie  in  der  h-rziehnng 
der  Kindel  /u  unterstützen.  Sie  hal  «kr  ihr  anvertrauten  Jugend 
ni<'lit  Tinr  d.is  mkm  Hiir«fer  ununi^änuli'  li  nötij^e  Mals  von  Kennt- 
nissen un<l  l''ertii;keiteu  bt*iliubrln^^en.  sondern  auch  \  erstand,  (Tunüt 
und .  Charakter  derselben  auszubilden  und  die  Entwicklung  des 
Körpers  zu  fordern. 


Radoir  Dielricli. 


geben,  wie  lan«»^e  die  Sclmlplliclit  dauert,  ist  unin<  «L;licli.  Ich 
«(ebe  hier  eine  Reihenfolge  der  K.mtone  nacli  der  Zahl  ihrer 
Schulwocheii  i-  AppciizelM.  (178  Wochen);  2.  WalH-s  Uri» 
Gratibunden,  Litzeni  (202-11);  3.  Nidwaiden,  Appenzdl-A., 
Obwalden,  Tessin,  Zivr,  vSolotlinrn,  Schwyz  (247—93);  4.ZÜric1i, 
St.  Gallen,  Bern,  Haselland,  Schaffhansen,  Thnrgan,  Nenen- 
l)in  rrlarns,  Freil)urg  (302  -3(1);  5.  T'ascl.stadl,  Genf,  Aar.i^an, 
Waat  (352  77).  Nnn  j(ibt  es  aber  in  mehreren  Kantonen  eine 
Menj4c  sctzlicher  Ansnahniebestinininnj^en,  infoltre  deren  die 
Dauer  der  Sehulpllielit  für  gewisse  Orte  oder  Schülergrnppen 
beträclitlicli  vermindert  wird.  Wie  weit  das  geht«  Iaht  sich,  da 
jene  Bestimmungen  meist  unbestimmt  gehalten  sind,  nicht  be- 
rechnen. Man  sieht  als(\  welchen  Wert  die  ganze  mühselige 
Berechninig  hat.  Freilich  wäre  ihr  Wert  anch  dann  nicht 
viel  gröfser,  wenn  sie  wirklich  vollständig  genau  wäre.  Denn 
auf  die  Dauer  der  Schulzeit  konnnt  es  gar  nicht  lKm])t- 
sächlich  an ;  es  kann  in  sechs  Jahren  soviel  oder  noch  mehr 
und  Besseres  geleistet  werden  als  in  acht  Jahren. 

Vorausgesetzt,  dafs  nicht  gar  zu  viele  Versäumnisse 
{  .\bsenzen  sagt  man  in  der  Schweiz)  erlaubt  sind.  Tat- 
sächlich ist  aber  gerade  das  ein  dunkler  Punkt  im  Schulwesen 
mancher  Kantone,  inxrhanpt  zeigen  die  IkslinimnnirtMi 
\ihcr  die  imentsclmldigtcn  und  als  snldie  eiL;\nllieh  straf- 
baren V^ersänninissc -)  besonders  anschaulich,  wie  verschieden 
die  kantonalen  Schul  Verhältnisse  geordnet  sind.  Von  neun 
Kantonen  (üri,  Obwalden,  Schaffliausen,  St  Gallen,  Graii- 
bünden,  Tessin,  Waat,  Wallis,  Neuenbürg)  ist  nun  auf  Grund 
der  einschlägigen  behördlichen  Erlasse  (nur  auf  Cirund  dieser 
Erlasse)  nicht  nacir/n weisen,  dafs  sie  irgend  welche  stran)are 
Versäumnis.se  ini^ealnidct  lassen;  die  übri<j;-cn  sechszehn  jedoch 
haben  ein  Ixslininite.s  Mals  \<.n  Strallosigkeit  festge.'^el/t. 
Am  wenigsten  erlaubt  ist  im  Kanlon  Zürich:  hier  sind  aufs 
Jahr  nur  zwei  strafbare  Versäumnisse  freigegeben;  ähnlich 
verhält  es  sich  möglicherweise  (die  gesetzlichen  Bestimmungen 
sind  nicht  ganz  klai  )  auch  in  Schwyz  und  Zug.  Am  übelsten 
steht  es  in  Iki.sellaud  (50  stran)are  Versäunniisse  straffrei!). 
Dann  folgen  Appenzell-!,  und  Hern  (36),  ferner  Thurgau  (18), 
Ap])enzell-A.  (15),  Solothurn  und  Aargau  (je  lol  Ks  ist 
jedoch  zu  bemerken,  dafs  die  liehörden  nur  in  Appenzell--\. 

'i  N.u'li  einer  iKriHlnninjr  Hun/ikers.  wilclic  nuch  die  ohli- 
galorische  Schill vcrpthclUiniK  im  reiferen  Jugendailcr  {i'orlt)ildungs- 
schulen  u.  dffl.)  berficksichtij^^t  hat.  :  Das  Schwei/..  Schulwesen'. 
1S9V  !)as  .ui  solchen  und  älniliMn  n  Ziisammetistelhni^jeii  reiche 
Schnftclien  beliudet  sich  in  der  Conicniuäbibliothek,  im  i>t;utächcu 
Schulrauseum  und  in  allen  anderen  deutschen  und  dsterr.  Anstalten 
dieser  Art. 

*)  I  Versäuiiiui:»  fast  überall  s=  Vs  '^^S' 


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SckweinriMbM  ToUiMsholweMa. 


<las  j^aii/c  Jnlircsrjiiaiitinn  zusainmenkomiiien  lassen,  bevor 
sie  t'iiis(  lireilcn ;  in  Appcnzcll-I.  und  ini  Thnr<ran  wird  hall>- 
jälirlicli,  in  den  übrigen  vier  KanUMu  n  munallich  ab<i^ercclinet 
(dem  entsprechend  lauten  die  gesetzlichen  Bestimnumgen 
über  die  Zahl  der  w erlaubten«  Versäumnisse;  ich  habe  diese 
^leichmäfsijr  für  das  Jahr  =  lo  Monate  berechnet).  Ubrigfens 
könnte  man  fast  glanl)en,  im  Kanton  Genf  je^ehe  die  Ver- 
sannniisfreiheit  am  weitesten.  Hier  sai^t  nämlich  das  Gesetz 
(und  eine  andere  Vorschrift  ^^iebt  es  inelit):  Wenn  ein  Kind 
innerhalb  20  Tni^cii  die  »Schnle  iiulir  als  seclisinal  tinent- 
schuldigl  \  cisäuuiL  hat,  erfolgt  Anzeige:  vom  Jveiiiei  an  den 
Inspektor,  von  diesem  ans  Unterrichtsdepartement,  das  durch 
den  Friedensrichter  Polizeistrafen  (?)  verhängen  lassen  kann. 
Hoffentlieh  heifst  das  nicht:  anf  je  20  Tage  dürfen  6  nnent- 
schnldigte  Versänmnisse  fallen.  Immerhin  scheint  das  Straf- 
verfahren ein  ziemlich  laxes  zn  sein.  Ahnlich  verhält  es  sich 
in  Appenzell-A. :  da  kommt  ersi  eine  Warnun«;^  dnrch  den 
Lehrer,  dann  (bei  24  strafl^aren  Versäuijmissen)  eine  War- 
nung durch  die  hohe  Ürtsschnlkommissiou,  endlich  (bei  32) 
^'Verzeignng  (=  Anzeige)  beim  Gericht«  Dais  Obwaldner  Ge« 
setz  sagt  kurz  und  bündig,  freilich  auch  etwas  unbestimmt: 
Auf  »mehrere*  Versäumnisse  folgt  Mahnnngv ,  nnd  wenn 
wieder  mehrere  beisammen  sirn  (leldbnfse  .  In  den 
meisten  Kantonen  wickelt  sich  das  Strafverfahren  folgender- 
ni.tf^rn  ab:  a.  Warnung,  Mahnmi'üf,  Drolinn.L^,  Verweis  mit 
oder  ohne  Zitaliun  (die  übrigens  hier  nnd  da  schon  eine 
Strafverschärfung  bedeutet);  b.  Geldbuüse  (die  im  Rückfall 
gewöhnlich  verdoppelt  wird)  oder  (wenn  sich  die  Strafgelder 
nicht  eintreiben  lassen)  Arrest,  Haft,  Gefängnis,  Gefangen- 
schaft .  IJern,  I'reilmr^  '  chaffhansen,  Thurgau,  W^anis(?) 
schreiten  sofort  mil  ('.eidstrafen  ein.  Im  Aargan  q-iebt  es 
bei  öftern  Wiederlioliiiij^ställen  nur  (Ufäu^iiis,  ähnlich  im 
Kanton  Hern  beim  zweiten  Rückfall  ,  wenn  festgestellt  ist, 
dafs  das  Kind  fortgesetzt  der  Schule  entzogen  (?)  wird.  Das 
heifst:  so  steht  es  in  den  kantonalen  Gesetzen,  Schul-,  Dis- 
ziplinar- oder  Versäiimnisordnungen  und  ähnlidien  Akten  — 
wie  es  in  der  Praxis  gehalten  wird,  das  ist  eine  ganz  andere 
Frage. 

Wir  sind  y.n  den  (  >rganen  der  vS ch  n  1  a n f  s  i  c Ii  t  i^elan^ft. 
-  Die  ( )n>auf'-ii  hl  wird  dnrchwet*-  \'<>n  einem  Kullegiuin 
besorgt,  welchem  der  politischen  llcluinle  gegenüber  eine 
gröfsere  oder  geringere  Selbständigkeit  eingeräumt  ist  (im 
Kanton  Genf  wird  jedoch  die  örtliche  Schulaufsicht  von  der 
politischen  Behörde  mit  ansgeübt).  Die  Mittelbehörde  er- 
scheint in  din  Kantonen  Zürich  mul  v^^i.  Gallen  wieder  als 
RurgeratisschuLs  (Bezirksschulpflege,  Bezirksschulrat),  in  den 


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352 


Rudolf  Dietrich. 


übrigtn  als  laciiiuämiischcs  Inspcktoial  uiiclncrc  Bc/iiks- 
schulinspektoren  oder  ein  Kautonsschiiliii.spcktor);  beide  netten 
einander  haben  Aargatt  nnd  Solothitni.    Die  Oberbehorde 

endlich  ist  entweder  ein  von  der  vollziehenden  vSlaatsbehörde 
abgelöster,  ihr  j:^egenüber  im  wesentlichen  selbständi<(er  (nur 
y.n  iährlicher  TVrichterstattnii j^;  verbundener)  I'vrziehunqsraL 
alU'iii  (Granbünden ,  Vr'i,  n])\val{leu,  Zug)  oder  ein  ICr- 
zieluings<kpartenieut  (Minislci  iunij  nilein  (Ik-rn,  Glarus,  IJasel- 
land,  Thurgau,  Waat)  -  oder  dem  Erziehungsdeparjtement  ist 
ein  standiger  Erssiehtuigsrat  beigegeben,  in  welchem  der 
Leiter  des  Departements  den  Vorsitz  führt.  — 

Soviel  über  die  äufseren  Angelegenheiten.  Im  Innern 
zeif^en  die  schweizerischen,  wenigstens  die  deutsch-schweize- 
rischen Volksschulen  im  ganzen  dasselbe  I?ii<!  wie  die 
deulsclicn.  Dafs  mehrere,  namentlich  ( >Ll)ii .l;s- .  hnuiv^lrl- 
schaftliehe,  katholische  Kantone  in  manchen  \\  isseiischaften 
und  Künsten  noch  etwas  -»zurück«  sind,  wie  man  gewöhnlich 
sagt,  erscheint  fast  selbstverständlich;  man  findet  es  in  ähn- 
lichen Gebieten  Deutschlands  und  Österreichs  ebenso.  Dafs 
CS  sich  dabei  hauptsächlich  lun  die  sog.  Realien,  (rcometrie. 
Zeichnen  und  Tnmen  handeln  werde,  \crmntcl  jeder. 
Naturlich  zeichnen  sich  andererseits  einige  Kantone  dadurch 
aus,  dafs  sie  diesen  nnd  jenen  Neuling  bei  sich  eingebürgert 
(so  sagen  wenigstens  Gesetz  oder  Lelirplan):  nämlich,  IJern, 
Schw\  z,  Obwalden,  Nidwaiden,  Solothnrn,  Graubünden,  Aar- 
gau, Thurgau,  Wallis  -  Buchführung  ;  Freiburg,  Waat,  Wallis, 
Neuenburg,  C»enf  Verfa.ssungskunde;  Freiburg,  St.  Gallen, 
Waat,  Cienf  -  Hauswirt.schaftslelirc  für  Mädchen;  Solothnrn 
und  Nenenbnr*:^  desgleichen,  und  dazu  noch  ( icstnidheitslehre. 

Besonders  an i^elegentlich  wird  man  sich  nach  der  Hand- 
arbeit der  Knaljen  erkundigen.  Da  wäre  zunächst  eine 
Behauptung,  die  man  vielfach  liört  imd  gedruckt  findet  - 
dafs  sie  nämlich  in  den  Kantonen  Genf,  Neuenburg  und  Waat 
'»obligatorisch«  eingeführt  sei  —  richtig  zu  stellen.  Die  »Sache 
verhält  sich  so.*  Nach  dem  Unterrichtsgeset/c  des  Kts.  (ienf 
(v.  5.  yi.  r8S6,  in  Kraft  getreten  F^nde  Juli  desselben  Jahres) 
umfafst  der  Lehrplan  auch  die  frartuu  inKHiir/^.  Das  vom 
Unterrichtsdeparlement  festgesetzte  .,l'iv;fianiitn'  t/t'hii/ir" 
schreibt  für  alle  sechs  Primar.sch ulklassen  Handarbeiten  im 
einzelnen  vor  (Frobelarbeiten ;  geometrische  Körper  aus  Carton, 
Drahtflechtwerk;  Papp-  und  Hol /arbeiten  verschiedener  Art). 
Der  Handarbettsnnterncht  wird- aber  so  bestimnit  das  Ge- 
setz —  nur  eingeführt,  soweit  es  nacli  dem  Frtei]  des  Staats- 
rates möglich  erscheint.  I'j'nfnhrung  und  Leitunj;  sind  einem 
})esonderen  Inspektor  ülK-rtra^en,  In  der  Hauptstadt  wurde 
nun  allerdings  schon    i8<S(>  mit  der  Handarbeit  begoinien, 


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353 


,inf  dem  Lande  jeil<»ch  erst  iS88,  Nacli  einer  iH^i]  \  ci(>ftiiit- 
licliten  Statistik  M  nahmen  in  rler  Stadt  (lenf  1892:3  von  innd 
1800  Knaben  (Allla<;ssclnilcrn)  nur  etwa  131x3  (also  72";„)  an 
den  Handarbeiten  teil«  obwohl  sämtliche  Schulen  Gelegen- 
heit dazu  boten.  Nach  den  Angaben  des  Inspektors  ist  der 
rntcrricht  in  der  Ilaujjtstadt  thatsäcliHch  dem  offiziellen 
Pro<rrannne  ents])rechend  • '  ' rdnet,  walnend  man  sich  ander- 
wärts nnr  mit  Paj>p-  und  Solu cincrarbciten  oder  mit  einem 
Handwerk  allein  hetafst  (in  den  nn^isUii  LandselmlLii  nst 
auf  der  Mittelstuk*).  Uberhaupt  winden  zur  Zeit  jener 
statistischen  ICrhcbungcn  —  die  tracauj-  mmiuelH  in  den  4 
städtischen  Oemeinden  des  Kantons  und  in  22  von  44  Land- 
gemeinden  gepflegt  und  im  ganzen  von  rund  26«  ><  i  -  =  65"/^ 
sämtlicher  Priniarschulknaben  betriebe  n.  <In  den  seitdem  ver- 
flossenen drei  Jalircn  mag  sich  die  /ald  bedeutend  nliöht 
hallen;  aber  die  Heliauptunir,  die  Handarbeit  sei  nun  wirk- 
lic-li,  nael)  /Alinjrihri i^cr  (rülti^^keil  des  neuen  (rcsetzes,  für 
die  Knaben  in  allen  Primarschulen  des  Kantons  Cienf  obli- 
gatorischwird  noch  immer  nicht  gestattet  sein.)  Den  Unter- 
richt erteilen  die  Klassenlehrer,  auch  Lehrerinnen;  es  wird 
fast  ohne  Ausnahme  das  ganze  Jahr  hindurch  gearbeitet»  und 
zwar  meist  3  Std.  wöchentlich. 

Tti  allen  übriq-cn  Kantonen  stehts  anders.  Das  Primar- 
schulge.setz  des  Kts.  Waat  (v.  9.  V.  Stji  reiht  die  tr<intn.i  uKHimh 
allerdings  unter  die  obligatorischen  Unterrielilsgegensläntle 
der  Primarschule  ein.  Aber  wieviele  Schulen  mit  Hand- 
arbeitsunterricht konnten  1893  im  Kt  Waat  ausfindig  ge- 
macht werden?  Eine  einzige!  in  einem  weltfernen  Weiler,  der 
zur  Hauptstadt  Lausanne  gehört.  Diese  selbst  hat  den  Unter- 
richt erst  im  Schuljalu  e  181)5  T)  begonnen.  -  Im  Kt.  Neuen- 
bürg ist  imter  Zusicherung  einer  staatlichen  Unterstützung 
die  Kinführung  den  Orts-Schulkommi.ssionen  freigestellt 
((iesetz  V.  27.  IV.  89).  -  Das  neue,  am  i.  Oktober  1894  in 
Kraft  getretene  Gesetz  über  den  Primarunterricht  im  Kt.  Bern 
enthält  die  Bestimmung:  Wenn  an  einer  Schule  der  Hand- 
arbeitsunterricht obligatorisch  eingeführt  und  dafür  von  der 
Ciemeinde  eine  besondere  Hesoldtmg  ausgesetzt  wird,  so  leistet 
der  Staat  hierzu  einen  Beitrag  von  60 — 100  Fr.  Auf  Grund 

')  Der  HandaTbeitsiinterricht  für  Knaben  i.  d,  Schweiz*.  Stand 

im  l'riilijalir  1S9;  SniulLfdruck  der  Zcitschr.  f.  schuxi/  Statistik). 
Ich  nnifs  mich  in  meinten  Mitteilungen  hauplsächlich  au  diese 
Statistik  halten,  welche  leider  Primär-  nnd  Sekundarschüler  zusammen - 
}rcn<Jtnn!en  hat.  (Sekundärschulen  siml  niedere  Mittelschülern.  Die 
(Icnfir  Primär  (Allin i^s  Schüh  r  lassen  sich  ausscheiden,  diejeinj^en 
der  nhrigen  Kantone  nicht;  doch  ist  anzunehmen,  dais  sie  in  den 
meisten  Werkstätten  ini<l  im  jian/.en  die  Mehrheit  bilden.  —  Die  in 
den  »Jugendhorten«  Beschäftigten  bleiben  unberücksichtigt. 


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Rudolf  Dietrich. 


dieser  Bestimmung  sind  im  Jahre  1894/5  (wie  der  Verwaltungs- 
bericlit  der  Erziehtuigsdirektion  meldet)  an  ;swei  CTenieinden 

iin  Jura')  vStaat.sl)eiträ<^c  verabfolgt  worden.  -  Die  Basier 
Haiularhcitsscliuleu  (Vereinsanstalten)  erhalten  einen  so  hohen 
Staats1)eitrac^  an  die  Kosten,  dafs  ihr  Vorsteher  sie  staat- 
liche Knabi  uai  beilssclnilen  nennen  kann.  -  -  Der  thnr|L»anisclie 
Slaal  überninnnt  von  Fall  zu  Kall  die  liesoldnnj^  der  Lehrer 
nach  einem  einheitlichen  Satz  (1.50  Fr.  für  die  Stunde).  Ähn- 
lich St  Gallen.  Unter  den  übrigen  Kautonen  scheint  z.  Z. 
nur  noch  Graubünden  diescliulmafsi^e  Handarbeit  der  Knaben 
staatlich  zu  unterstützen.  -  .Ms  (iründer  oder  Veranstalter 
ist  aber  der  Staat  (aufserhalb  des  Kts.  (ienf)  nirji^ends  auf- 
getreten. X'^ielniehr  stehen  da  in  erster  Linie  einzelne  Männer 
(Lehrer);  sie  haben  fast  Lbcnsoxicle  Kurse  ermöglicht,  als 
Vereine  und  Gemeinden  zusannnen. 

Gar  keine  Handarbeiter  haben  (oder  hatten  doch  1893) 
die  Kte.  Luzem,  Uri,  Schwyz,  Obwalden,  Nidwaiden,  Zug, 
Baselland,  .\ppenzell-L,  Tessin,  Wallis.  Mehr  als  luo  .\rbeiter 
unterrichteten  1893:  Zürich  (889),  Baselstadt,  Neuenbürg,  Bern, 
St.  Gallen,  Schaffhansen,  Thnri^an  (126).  Lassen  wir  aber 
das  liältnis  der  Handarbeiter  zu  der  Gesanitzahl  der  Priniar- 
nnd  vSeknndarschüler  niafsirol)end  sein,  so  ergibt  sich  folgende 
Reihe:  Hasel  (i5,8"/o)»  Neuenburg  (5,5),  Schaffhausen,  Zürich, 
Glarus,  St  Gallen,  Thurgau,  Graubündeu  {i,i",o).  I^ie  gleiche 
Rechnung,  auf  die  Gemeinden  mit  mehr  als  10000  Einw. 
augewendet,  ergibt.:  Basel  und  Neuenburg  je  i6,4*/o,  Chaux- 
de-Fonds  14,3,  Bern  13,5,  Schaffhausen,  Wiuterthnrtnid  Zürich -) 
etwa  11,5.  St.  G,allen  10,5"  ,,.  Die  ältesten  Handarl)eitsschulen 
besitzen  die  vStädlc  Iki.>el  Iseit  1S59I,  vSt.  (willen  und  Chur 
(seil  1883)^).  Im  ganzen  zählte  die  Schweiz  (ohne  Genf)  1893 
rund  3600  Handarbeiter,  das  sind  etwa  1,5"  „  samtlicher  Priniar- 
t!nd  Sekundarschüler,  oder  höchstens  5**  wenn  wir  nur  die- 
jenigen Knaben  in  Betracht  zielien,  welche  unter  den  Hand- 
arbeitenden  die  grofse  Mehrzahl  bilden:  nämlich  die  Kif-  bis 
Fünfzehnjährigen.^) 


*)  Darnach  wären  diese  beiden  der  Ncuenburger  (lemeinde  Ver- 
ricres  nachfrefolgt  welche  suerst  ein -Obligatoriiuu*  eingeführt  (i  892). 

-')  Zürich  (Hirflc  jct/t  l^asel  gleichstehen  oder  noch  überholt  halien. 

*i  \\s  venlitrnt  binurkt  -/n  werden,  dafs  die  Knal)enhanihirl>eit 
auch  in  landwirtschaniicheii  Gemeinden  (des  Thnrjraus /,.  Ii.),  in  zwei 
(1400  m  hoch  gelegenen)  Alpendürfern  ( ".raubündens  und.  wie  schon 
einmal  an^e<lentet,  in  a1);ielej;enen  Weilern  (bei  Lausanne  «nd  Locle 
im  Xeueiiianger  Jnra)  la'nj^anir  i^^cfnnden. 

Im  vorigen  Jahre  liat  ibc  IJilihnigskummissiou  der  Schw.  Ge- 
meinnütz. GeseTlsch.,  unterstützt  vom  *Schw.  Verein  r.  Ford.  d.  Ar- 


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tchwcIserUeliet  Volkiielraiwwea. 


Die  vcr.i;lciclK'iulcii  Ubersiclitcn  sollttii  mm  noch  auf 
mehrere  \vicliti<^e  (fchicte  ausj^edclint  vvcnU  n :  die  .so^eii. 
S  c  Ii  u  1  g  c  s  II  11  (l  Ii  f  i  t  s  p  f  1  u  e  die  (vvni  den  schwci/.erisclicn 
Scliulkan/listeu  kurzweg  Spc/.ialklasseii«  gctaufUn)  Sonder- 
klassen für  Seil  wach  begrab  te  —  die  Kinderhorte  -  - 
die  Sorge  ffir  genügende  K  r  n  äh  r u  n  g  und  Ii  e k  1  c  i  d  ii  ii  g 
armer  Schulkinder  während  der  Dauer  ihrer  Sclnilpflidit,  im 
l)esoiidern  für  Erfrisch unq-,  Kräflii^nni^  wrilirend  der  Ferien 
(Ferienkolonien),  leh  darf  jedoch  lihcr  all  das  nicht  1)e- 
richten,')  da  icli  sonst  den  mir  /ui^einesst  neu  Raum  (für  die 
ganze  Arbeit  rniul  vier  liugen)  zu  weil  iiljer.scht eilen  würde. 

Aus  dem  gleichen  Grunde  mufs  ich  auf  eine  —  als  Schlufs- 
stück  dieses  Abschnitts  gedachte  —  Darstellung  des  Fort- 
bildungsschul Wesens  verzichten.  Es  sei  nur  bemerkt: 
dafs  dieses  \ on  Staatswegen  am  besten  im  Kl  Genf  geordnet 
ist  dafs  .dicr  mich  hier  wie  nnderwärts  in  den  verschie- 
denen F'ortbildnngs-  und  ähnlichen  Schulen  oder  Kursen  für 
die  lU'irgererziehung,  auf  die  es  ja  doch  haiiplsächlich  an- 
kommt, z.  Z.  noch  wenig,  viel  zu  wenig  gethan  wird. 

3- 

Die  Gruppenbilder  seh  nl  verwand  ter  Kantone, 
welche  jetzt  dari^estellt  werden  sollen,  können-)  nur  mehr 
oder  weniger  ausgeführte  Skizzen,  teilweise  nicht  einmal 
das  sein. 

Das  letzte  gilt  gleich  für  die  erste  Gruppe:  Tessin, 
Wallis,  Appenzell-Iunerrhoden,  Freiburg  —  frei- 
lich schon  und  haitptsachlich  deshalb,  weil  man  von  ihnen 
zu  wenig  hört  und  sieht,  am  wenigsten  von  Appenzell-I.  Im 
allgemeinen  darf  man  behaupten,  dafs  sie  zu  den  am  meisten 
/rnrnckL;\l)liel)enen  (gebieten  gehören.  Doch  stehen  sie  nicht 
ganz  auf  gleicher  Stufe:  Tessin  und  Freiburg  scheinen  etwas 
weiter  vorgerückt  zu  sein.  —  1H93  >bedauerte  der  neue  Kr- 
ziehungsdirektor  des  Kts.  Tessin  -die  kurze  Schulzeit,  die 
späte  Eröffnung  des  Schuljahrs,  den  häufigen  Entzug  der 
Kinder  vom  Unterricht  und  das  geringe  Zusammenwirken 


htitsunt.  f.  Kn.  .  zwei  unuewolmUch  hohe  Preise  (icxx)  iukI  s""  I  '  ) 
für  die  lAsuiig  dar  Aufjrabe  ausj^eset/.t :  Wie  ist  der  Hatularheits- 
utiterricht  für  heide  Oeschkclitcr  auf  der  Iv  1  c  ni  e n  ta  r  stufe  (i.l)is.;. 
Schulj.)  als  alljjeinein  ))il(letulcr  und  er/icherischer  Faktor  in  die 
\'()lksschu1c  einzuführen  und  in  stofflicher  und  methodischer  Hinsicht 
zu  >restalten? 

'1  Hezülilich  des  vierten  \uid  fünften  (  iejjen Stands  vjjl.  A.  Unber: 
Jahrb.  d   riitt  1 1 iclilswcscns  i.  d.  Schw..  1S04  (Leitartikel;        II.  Mar- 
thaler:  Die  l'enenkoionieu  i.  d.  Schw.  i.  d.  ersten   15  Jahren  ihrer 
Entwickeluner.  1876—90.  (Zeitschr.  f.  schw.  Statistik  TS93). 
Die  Crsache  wurde  oben  angegeben. 


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35« 


Ra«talf  Dl«trieb. 


der  Sclnilc,  Behörde  und  I'aniilie.  Da  diese  (^l)elstände  - 
füj^tc  er  hin/.u  von  Verli.'iUiiisscn  und  ( 'fel>räuelien  des 
Volkes  herrühren,  so  kann  ihnen  nicht  durch  (iesetze,  son- 
dern nur  durch  allmählidie  Bildung  des  Volkes  gesteuert 
werden«.  Die  Gemeinden  haben  sich  bisher  u.  a.  sehr  lässig 
in  der  Krrichtnnjr  von  Fortbildungsschidcn  erwiesen.  Diese 
werden  nänihch  durch  das  Gesetz  überall  dort  verlanj^t,  wo 
sich  TO  Schüler  im  Alter  von  14  18  Jnliren  finden.  \Wnn 
das  nun  aiicli  iiiclil  für  alle  264  (icnuinden  der  7  vSehul- 
inspektionsbezirke /.utreffen  niaj»;,  so  sind  doch  17  Iu)rtbildnni^s- 
sehnlen  für  den  ganzen  Kanton  (so  viel  zählte  man  im  Früh- 
jahr 1893)  gar  zu  wenig.  Deshalb  —  versicherte  der  Kr- 
zieliungsdirektor  wird  der  Rej^ierungsrat  die  Gemeinden 
an  ihre  T*flicht  erinnern.  Beim  »Bedauern  mid  I^^rinnern^ 
ists  jedoch  nicht  geblieben;  man  hat  am  Unterrichtsgesetx 
selbst  wesentliche  Änderungen  vorgenonnncn.  T>iese betreffen 
hauptsruhlieh  das  Inspektorat  (es  handeil  sich  einfach  um 
eine  etwas  strengere-  staatliche  Beaufsichtigung  der  ört- 
lichen Schulbehörden)  und  die  Lehrerbildung  is.  III.  Teil). 
—  Der  Kt.  Frei  bürg  sollte  schon  aus  seiner  »Schulaus^ 
Stellung  einigen  Gewinn  ziehen;  deren  Aufgabe  ist  es  ja, 
für  eine  fortschrittliche  Entwicklung  des  »Schulwesens  zu  wirken. 
Vielleicht  übt  auch  das  reformierte  und  der  Mehrzahl  seiner 
Bewohner  nach  deutsche  Städtchen  Murten  günstigen  Ein- 
flufs  auf  das  Schnlleben  des  Kantons  ans. 

Die  noch  ziemlich  stramme  Verbindung  der  Schule  mit 
der  Kirche*)  ist  ein  wesentliches  Aferkmal  der  ersten  wie 
der  zweiten  Gruppe:  der  »Urkantone«  Uri,  Schwyz  und 
Unterwaiden  (jetzt  zwei  »Halbkantone  Ob-  und  Nid- 
walden).  Ob  diese  übrigens  einen  höheren  Kani^  citmimmt 
als  jene,  ist  nicht  leicht  zu  entscheiden.  Uri  und  Schwyz 
werden  häufig  mit  Wallis  und  Appenzell-I.  auf  eine  Linie 
gestellt  Aber  auch  wenn  das  berechtigt  wäre,  dürfte  es  .sich 
nicht  empfehlen,  sie  in  die  andere  Gruppe  einzureihen.  Die 
Urkantone  gehören  landschaftlich^  politisch  und  mehr  oder 
weniger  aucli  pädagogisch  zusammen.  —  Welchen  Charakter 
die  Volksschule  in  diesen  Gebieten  hat  und  haben  soll,  be- 
kennt der  kantonale  Schulinspektor  von  Obwalden 
Pfarrer  Onilin  in  seinem  jüngsten  Kcriclue:  T.iebcr  i^ar 
keine  Schulen  als  nenheidnische  oder  sog.  konlcs.sion.slose 
oder,  was  dasselbe  i>t,  religionslose  Schulen.  Wir  wollen 
christliche  und  zugleich  tüchtige  Schulen,  imd  diese  sind  für 
uns  um  so  wertvoller,  wenn  wir  sie  ohne  für  uns  »u  schwere 

')  lügciitlich  i^cht  chus  i;c^tii  den  Scliulatlikci  dci  Üuiulcsver- 
fassung,  wird  aber  von  den  eidgenössischen  Behörden  nicht  ange- 
fochten. 


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8o h wr I Keri»<* ho««  Volk ssch ii  1 « •  ■ » p ii . 


()l)fer  haben  konnetl,  und  das  ist  eben  bei  unseren  von 
Leli  rscli  w  c s l ern  nnd  0 rden  s  f  ra n  en  ireleiteten  Sclinlcn 
der  .    Diese  Frauen  mit  ihren   sehr  bescheidenen  An- 

sprüchen (Wohnun«^  und  -  5«^»  Fr.  im  Jahr)  ersparen  dem 
kleinen  kl.  Obwalden  jährHeh  mindestens  15000  Fr.,  fast 
.soviel  als  unsere  ganze  Landesverwaltung  kostet  Somit  wird 
man  begreifen,  wannii  wir  in  der  Urschweiz  mit  solcher  He- 
gcistcrunjif  für  die  Irehrschwestern  eing^enommen  sind  .  Hnber 
nennt  Obwalden  i^elegentlich  ein  schulfreundliches  Länd- 
chen  .  und  Omlin  snclil  die  Richtigkeit  dieser  Behauptttnq- 
in  dini  eiwähiiti  11  Hcriclite  darzuthun.  Immerhin  klni^l  er 
noch  ül)er  Verkelu  theiien  oder  Lässi<»;keit  der  Herren  ( >rts- 
scliulräte,  über  Mangel  an  Reinlichkeit,  Ordnung,  Pünktlich- 
keit  in  der  Schnle.  Über  den  allgemeinen  Stand  der  Ob- 
waldner  Schulen  urteilte  Omlins  \'orj>^änj^er,  als  er  vom  Amte 
y.urücktiat  (1887):  ^Gestützt  auf  eine  lan<r-(  15) jahrige  Kr- 
fahruno;  und  auf  j^ewissenliafte  P>c()V):K]itini.i;  kann  ichsa<^eri: 
unsere  Schulen  lialten  mit.  «Un  Selnikn  der  f!hn<^en  Schwei/, 
olt'ichen  Scln  iu,  sieben  el)t  ns()  i^ut  als  der  I  )in  chschnilt 
sämlliehci  Schulen  in  der  Schwei/,,  eher  noch  etwas  bes.ser  . 
(Zum  Vergleich  Obwaldens  mit  den  übrigen  Kantonen  sind 
freilich  nur  die  sog.  Ergebnisse  der  Rekrutenprufnugen  be- 
nutzt woiV.en).  Unj»^ef:ihr  dieselben  Schulverh;*iltnisse  mag 
X  i  d  \v  aide  n  aufweisen.  Heide  Halbkautone  haben  nur  Cian/.- 
jahrschulen,  wie  auch  Schw^•7:;  aber  doch  scheint  es  um 
dessen  \'olk>s(  liulw  esen  hedeniend  weniger  ijfut  zu  stehen. 
Während  jetzt  alle  (iemeindeii  Ob-  und  Nidwaldens  ganz 
anständige  Schulhauser  und  Schullokale*  besitzen,  kümuieu 
die  Schw  \  zer  Gebirgsgegenden  äufserst  schwer  zu  genügen- 
den Räumlichkeiten,  was  folgende  Angaben  im  r.cricht  des 
Erzieh ungsdepartemeuts  ffüt  iS93'4)  veranschaulichen:  \'ou 
der  Kirchgemeinde  Vordertiial  (in  dem  vielbesuchten  Wäggi- 
thal)  ist  der  lieschlufs,  ein  neues  Sehulhaus  zu  bauen,  gefafst, 
der  ausi>elülnl  werden  soll,  ><il>ald  die  nötigen  Oeldmitlel 
dafür  zu.samnienj^ebracht  sind.  Zu  Frondienstleistungen  lür 
Herbeischaffung  der  Bantnaterialien,  sowie'  zur  Ansfühning 
der  nötigen  Erdarbeiten  haben  sich  die  Bewohner  bereit  er- 
klart, (iemeindekorporatii  Mu  n  und  Genossenschaften  der  March 
(des  Bezirks i,  die  Waldiuigen  im  (iebiete  der  dortigen  (ic- 
meiiuU  besit/eii,  haben  in  rülniiliclur  Weise  Veri^^abniigen 
an  Holz  undOeld  zuf^asichert  Mt)_iL;e  die  arme  GcnR-inde  für 
ihr  edle'.  Werk  auch  anderwärts  noch  hinreichend  wuhlthälij^e 
Schulfreunde  finden,  dafs  der  durchaus  nötige  Bau  recht  bald 
ermöglicht  wird-».  (1S94/5  hat  die  Gemeinde  die  Erlaubnis 
zur  Veranstallunji  einer  vSchulhausbau-Lotterie  erhalten.)  Die 
Gemeinde  Alpthal  (oberhalb  des  Wallfahrtsortes  Eiusiedelu) 


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Ibidoir  Dietrich. 


würde  heute  noch  eines  «^eränniij^cn.  t^eschniackvollen  Schui- 
hanses  enthehren,  wtnii  ihr  ein  solches  niclit  von  ihrem 
Pfarrer  olme  grofse  Belästigung  in  aller  Stille  erbaut  wur- 
den wäre.  Natürlich  ist  es  in  solchen  Gebenden  auch  um 
den  Schulbesuch  übel  bestellt  So  hat  (1893  4)  in  der  aller- 
dings besonders  ungünstig  gelegenen  (leincinde  Muottathal 
fast  Ve  der  schulpflichtigen  Kinder  die  vSchule  ^nicht  regel- 
niäfsig,  ]a  fast  gar  nicht  besucht  .  Mehrere  dieser  Kinder 
halle  der  (lenieindeschulrat  von  tler  AlUagsschnle  lrei<;e- 
sprochen,  daf:ir  aber  zw  einer  vSonntagsschule  (nacli  ikm 
Morgengottcsdienst)  verpflichtet.  lAider  kamen  nicht  alle 
Kinder  dieser  Verpflichtinig  nach,  obgleich  ihnen  das  dortige 
Prauenkloster  St  Joseph  unentgeltlich  das  Mittagessen  ge* 
spendet  hat  .  An  manchen  Orten  scheinen  ganz  untaugliche 
Schulbehörden  zu  walten.  Der  erwähnte  T^ericht  meldet :  I^s 
gil)t  Gemeinden,  in  denen  sich  die  Scliulräte  um  die  Hand- 
liabnng  der  vSchulpflicht,  um  lieatifsichtigung  wie  um  Unter- 
stützung der  Lehrerschaft  nicht  bekümmern;  ob  die  Schul- 
ausgaben fruchtbar  seien  oder  nicht,  ist  ihnen  gleichgültig. 
Ja  es  wird  uns  sogar  berichtet,  dafs  Lehrerinnen  von  Schnl- 
räten  wegen  Handhabung  der  Schulordnung  beschimpft  wor- 
den sind  .  Die  >Hufsen«  für  gesetzwidrige  Versäutnuisse 
haben  die  Genieindenite  einzu/ie'hen ;  aber  es  ist  zu  wahr, 
dafs  die  meisten  dieser  liehörden  i;ar  nielu  oder  doch  zu 
wenig  rasch  eingreifen«.  —  Der  Um  er  In.spektor  --  wieder 
ein  Pfarrer  —  hat  in  seinem  i.Sij4cr  liericht  auch  viel  /ai 
klagen:  zu  wenig  Schulräume  und  I^hrer;  sehr  ungünstige 
(beschwerliche,  teilweise  unsichere)  Schulwege.  1893/4  zahlte 
der  Kanton  2593  Primarsch üler;  davon  hatten  -*584  einen 
Schulweg  von  einer  guten  halben  bis  zu  einer  Stunde  und 
31S  einen  Schulweg  von  einer  ^nlcii  bis  2  und  2 Stunden. 
Itei  dem  weiten  mid  lieschweiliehen  Sclinlweg  kommen  \  irle 
Kinder  halb  erschöpft  in  die  Schule  und  ganz  erscht">pti  nac  h 
Hause.  Zum  Lernen  sind  solche  Kinder  selten  aufgelegt. 
Dazu  kommt,  dafs  die  Bergkinder  bei  starkem  Schneefall  und 
bei  stürmischer  Witterung  die  Schule  oft  Tage  lang  nicht 
besuchen  können.  Das  hemmt  nicht  blofs  ihren  Fortschritt, 
sondern  auch  den  T^ortschritt  der  ganzen  Schule  .  Die  Mehr- 
zahl der  (Tcmeinden  hat  eben  nur  im  Winter  Schtde,  gerade 
in  der  für  eine  Hochgebirgslaiulsrhnft  ungünstigste  11  Zeitl 
Doch  an  eine  Umwandlung  auch  nur  der  meisten  llalbjahr- 
imd  Halbtagschulen  in  Ganzjahr-  und  Ganztngschulen  tut 
nicht  zu  denken;  es  würde  aber  schon  viel  zur  Hebung  der 
Schule  beitragen,  wenn  im  ganzen  Kanton  für  die  drei  unteren 
Klassen  die  obligatorische  Sonnnerschule  eingeführt  werden 
könnte«.   Immerhin  hat  sich  das  Uruer  Schulwesen  gegen 


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559 


früher  im  allgemeinen  etwas  gehoben;  seit  1888  ist  die  Schul- 
zeit um  mindestens  60  Tage  Verlan ^^cTt  worden*.  »In  «iitcn 
Treuen  darf  j^^esagt  werden  erklärte  Landanimann  (Vor- 
sitzender des  Re^ieniiiijfsrats)  Muheim  an  der  Jahresversnmm- 
Inn«^  der  Schweiz.  Genieinnütz.  Gesellschaft  in  Altoil  (1S94) 
dafs  der  Kanton  seit  einer  Reilic  von  Jahren  sich  icdHcli 
und  ohne  ünterlafs  anstrengt,  sein  Schulwesen  zu  verbessern, 
und  dafs  er  hierin  wirklich  schätzbare  und  namhafte  Erfolge 
zu  verzeichnen  hat«.  —  Ich  schliefse  dieser  Gruppe  noch  den 
Kt  Luzcrn  an.  Obwohl  er  landschaftlich  zum  gröfsten  Teil 
anders,  g^ünstij^er  j^eartet  ist  als  die  l>kantone,  so  weist  er 
doch  s^anz  älmlichc  Mänt^cl  auf  wie  Sclnvyx  und  TVi,  Iviu 
Teil  —  (las  l'nlkhucli  j»ehört  ja  auch  (km  iiocligebir<»e 
an,  und  von  diesem  (ieljiet  erzahlt  dw  kantonale  Schul- 
inspektor, dafs  die  Kinder  im  Souinier  und  Winter  ^die  Uu- 
v:uust  der  Witterung  ausgiebig  und  dreist  zum  Schwenzen 
benutzen.  Wenn  es  nur  ein  weni^  re<^net  oder  schneit,  da« 
mufs  man  schon  darauf  rechnen,  hlofs  ^/g  oder  nur  die  Hälfte 
der  Kinder  in  der  vScliule  anzutrtffcu  .  Im  besoiideru  ruj^t 
der  Ins]H*ktor  nocli  das  sehr  impiinklliche  .\iifan«*eu  und 
Schliclscu  des  rnterrichts  in  vielen  »Schulen  .  Auch  die 
Klagen  über  lässige  Bezirks-  und  Ortsschulaulsiehl  und  -Schul- 
pflegc  kehren  wieder. 

Die  dritte  Gnippe  —  St  Gallen^  Bern,  Graubün- 
den kennzeichnet  sich  durch  eine  Mannigfaltigkeit  inner- 
hall) ilires  Volkssehul Wesens,  welche  als  eine  i'olge  nicht 
nur  landsrhaftHrlur  imd  wirtschnftlichcr,  soiuleru  auch  kirch- 
licher und  Volksgenosse  iischaftlicher  (sprachlielierj  ( rcgeusätze 
erscheint.  —  Im  Kanton  St.  fi  allen  haben  (iemeindeu 
(wenn  auch  nicht  alle)  mit  konfessionell  gemischter  IJe- 
völkerung  zwei  Schulhäuser:  ein  reformirtes  und  ein  katho- 
lisches; oder  die  Minderheit  schickt  ihre  Kinder  in  ein 
Schulhaus  der  Nachbargemeinde:  daher  viele  zweite  Schul- 
wege (und  andere  Unzuträglichkeiten).  Eine  andere  Kigeu- 
tümlichkeit  dieses  Kautous  besteht  darin,  dafs  er.  je  nach 
der  Landesgei;rn(l  (ein  j^rofser  Teil  des  Kantons  liei^t  im 
Hoch-  und  lu'Wiereu  iMillelgebirge)      Hall>-,  Dreiviertel-  und 

(^anzjahr-,  und  zwar  Halbtag-  und  »volle«  Jahresschulen  be- 
sitzt   Doch  bilden  letztere  die  Mehrheit:  es  waren  i^'^^^j  4 

312  von  sänulielu  n  547  Schulabteilungen  oder  Klassen  (von 

den  312  fielt  n  freilich  57  auf  die  Hauptstadt).  Im  ganzen 
befinflct  sich  vSi.  (ralleu  in  weit  günstigeren  \'erliältnisseu 
als  die  l)ti(k'n  aixkin,  und  demgemäfs  ist  seine  \'olkss(.-!inl- 
bilduug  tkr  bernischeu  und  bündnerischeu  \i»raus.  Dem 
Kanton  Hern  machen  besonders  zwei  nicht  gerade  schul- 
lustige  Gebiete  zu  schaffen :  das  Oberland  und  der  katholisch- 


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Itndoir  Oielricb. 


französische  Jura.  Deshalb  müssen  die  liehörden  bei  jedem 
iHirtschrittsvcrsuch  änfserst  bchntsam  zn  Werke  j^ehen; 
(las  neue  vSclnili^cst-t?:  vom  6.  V.  1894  fand  erst,  nachdem 
zelni  Jahre  ilaran  gcailK-itct  wurden,  Onade  vor  der  Mehr- 
heit des  Volkes.  Und  es  wäre  auch  1894  wieder  verworfen 
worden,  wenn  die  Behörden  nicht  darauf  bedacht  gewesen 
wären,  den  Gemeinden  müj^hchst  viele  Vorteile  zn  bieten: 
den  ungünstij^^  gestellten  (lemeinden  werden  jetzt  die  Schnl- 
lasten  teilweise  vom  Staate  ab_<^cnominen;  im  l^esniuU len 
gewflbrt  dieser  (gegen  früher)  li«'tlicic  r.eilr;iL;e  an  die  vScbul- 
hansbankusten.  Ferner:  Jede  Cieniciudc  kann  sich  nach  ilirem 
Gutfinden  einrichten  ,  insofern,  als  es  ihr  freisteht,  die  Schnl- 
pflicht  auf  9  oder  8  Jahre  auszudehnen.')  Ihren  Reitrag  an 
die  Lehrerbesoldnng  darf  sie  um  100  Fr.  herabsetzen;  statt, 
wenn  eine  Klasse  (Schule)  überfüllt  ist,  einen  neiuii  I^ehrer 
anznstellen,  braucht  sie  nnr  abteilnngsweisen  Unterricht 
ein/nfnhren  (also  die  Zahl  der  IJnterncbtsstundcn  zn  \er- 
kür/cü);  der  Lehrer  niuls  zwar  dann  eine  liesuklnngszulai^e 
erhalten,  aber  die  Ersparnis  ist  doch  bedeutend,  l'reilieh 
ganz  ohne  Gegenleistung^  sind  die  freien  Benier  nicht  weg- 
gekommen; sie  dürfen  uidit  mehr,  wie  früher,  den  sechsten, 
sondtiii  nnr  noch  den  zehnten  Teil  der  Schulzeit  für  sich, 
für  ihre  Hans-  nnd  Krwerbsgeschafte  beanspruchen;  d.  h.  die 
Kinder  dürfen  blofs  ';,o  der  monatliehen  Unterrichtsstunden 
ohne  gültige  Entschuldigung  versänmen.  Auch  die  lUifsen 
sind,  wenigstens  anf  dem  Pa|)ier,  crlioht  wonlen.  Im 
Kanton  Grau  b ü  n  d  e  n  macht  sieh  znnaehsl  die  Hoch t;ebir gs- 
lage  geltend:  1894  hatten  von  insgesamt  471  Abteilungen 
278  24,  107  26,  nur  16  36  nnd  22  40  Schul wochen,  während 
sich  21  Abteilungen  mit  noch  weniger  als  24  (21  23)  Wochen 
begnügten.  Sodann  die  Spaltung  in  drei  X'olksgenossen- 
schaften :  Deutsche,  Romanen,  Italiener.  Die  Meinzahl  <ler 
Gemeinden  (nnd  Lehrer)  ist  ronianiseli,  die  Mehrzahl  der 
lievölkerung  und  Schüler  aber  deutsch.  Die  Romanen  sollen 
deutsch  lernen,  sind  also  mehr  belastet  als  die  Deutschen 
und  Italiener.  Natürlich  wird  die  fremde  Sprache  nicht 
überall  mit  lufer  gepflcLii;  niauelie  abgelegene  Gemeinden 
sehen  auch  die  Notwendigkeit  des  Detltschleniens  nicht  ein, 
weil  das  Hedürfnis  fehlt:  Ursache  genug  zu  UnebenlK iten. 
Man  nuifs  sicli  daher  sehr  wundern,  dafs  gerade  mid  allein 
dieser  mit  so  mancherlei  Scliwieri^keiten  behaftete  Kanton 
einen  zillerischen  Eehrplaii  erhallen  hat  (18^4).  In  Chvu' 
sind  nämlich  zwei  stramme  Jünger  Zillers  nach  einander 

*J  I).  h. :  entweder  3  X      +   X  9**^  i^if^-,  oder  3  X      +  5  X  ' ' 
Std.   Die  aclujähriiie  Schulzeit  hat  besonders  der  Jura  vorgezogen 
(1894/5:93  von  148  Gemeinden  -  286  von  403  Klassen). 


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Semitiardirektoren  geworden,  die  jungen  Lehrer  also  (nicht 
blofs  im  Seiiihiar^  sondern  auch  durch  ein  für  den  Zweck 
cij^'^ens  t^fcj^rüiidctcs  »-Orgau",  die  -«Bündner  Seminarblätter 
zillciisch  <»^c!)iltk't. 

Die  vierte,  stärkste  (iruppe  \ereini^t  die  Ivantone 
liaselland,  Aar^jan,  Zu^-,  vSulutliurn,  Thiirj^aii, 
S c  Ii  a  f  f  h  a  u  s  e  11 ,  Z  ü  r  i  c Ii ,  A  p  p  e  ii  z  e  1 1  -  A  u  f  s  e  r  r  o d  e  ii , 
Glarns  -  alles«  die  beiden  letzten  ausgenommen  (die  aber 
doch  in  diese  Gruppe  gehören),  Gebiete  des  Hügellandes, 
von  denen  höchstens  ein  Teil  ins  Mittelgebirge  oder  in  die 
Voralpen  hineinragt  Landschaften  mit  günstigen  Lebens- 
beiliii<^'nnq:cii.  Also  auch  mit  den  besten  Volksschulen  (in 
deutsch-schwt.  i/ri  ischeii  I/niulen)?  J;i,  <1uch  gilt  es  nicht  für 
alle:  wohl  auch  und  mit  in  erster  Linie  für  (rlarus,  schon 
weniger  für  Appeiizell-A.,  Solothuru  und  Ziij4,  gar  nicht  für 
Aargau  uud  Baselland.  In  diesen  beiden  Kantonen  läfst  das 
Volksschulwesen  noch  viel  zu  wünschen  übrig.  Vielleicht 
liegt  das  zum  Teil  an  ihrer  politischen  Jugend:  sie  stehen 
cjTst  seit  i7()S  und  1833  auf  eigenen  Füfsen.  -  Wir  besitzen 
noch  intldi  i  der  basel  1  a n dschaftliclie  Inspektor  1S94 
eine  Reihe  überaus  überfüllter  vSchuien,  und  es  ist  oft  fast 
unmöglich,  die  (lemeindeljehörden  von  der  Notwendigkeit 
einer  Trennung  zu  überzeugen.  Solange  im  Schulzimmer 
noch  ein  Plätzchen  frei  ist,  worden  die  Kinder  hineingepfercht, 
und  man  fragt  nicht  lange,  wie  der  Lehrer  ihrer  Meister 
werde.  Pazu  kommt  das  Absenzenunwesen  ;  es  wird  an 
manchen  Orlen  sogar  gewissenliaft(I)  Buch  geführt,  wie  viele 
X'ersäuninisse  sie  (die  Rinder)  noch  zu  gut  liahen  ni;liiilieh 
von  dem  geselzlieh  crlaubuu  Malse).  -  Auch  im  Aargan 
gehören  bedenkliche  Uuregelmäfsigkeiten  verschiedener  Art 
nicht  zu  den  seltenen  Ausnahmen.  Er  ist  aber  jetsit  auf 
dem  Wej^e  zu  einem  neuen  Schulgesetz  mit  mehreren  vor- 
tr%rfflichen  Hestimmiiiigen ;  desgleichen  der  Thnrgau.  Womit 
aber  die  ZüriclRr  ndiörden  auch  sie  arbeiten  schon  lani^c 
an  einem  neuen  ( iesci/  ihr  \'olk  zu  begiüekeii  gedenken, 
ist  noch  (ieheimnis.  Im  allgemeinen  darf  man  sagen,  dals 
T  h  11  r  g  a  u ,  Seh  a  f  f  Ii  a  u  s  e  11 ,  Z  ü  r  i  c  Ii  und  ( i  1  a  r  u  s  ungefähr 
auf  gleicher  Höhe  stehen:  ihre  Volks-  (Kiuder-)Schulen  sind, 
als  iinterrichisanstaltcn,  gut  geordnet  und  geleitet,  wenn 
auch,  wie  alles  in  der  Welt,  vcrbessentngsfähig.  —  Im  Kanton 
Zürich  beanspniclii  ikkIi  ])(.'sondere  Aufmerksamkeit  das 
Sclnilwesen  der  Stadl  Züricli,  einer  Grofsstadt  seit  i«Si)2, 
mit  /.  Z.  rund  t  2Sf>^>C)  Kinwt»hnerii.  "Sinn  sieht  dn  eine  echt 
moderne  Schule,  wie  sie  z.  B.  Andrea  in  d.  Bl.  ijahig.  iSy2, 
S.  m)  treffend  geschildert,  eine  den  Forderungen  des 
modernen  Lebens,  des  Zeitgeistes  in  allen  Stücken  angcpafste 

Ve9fi  ItfllttM^n  (PjJ.-i?«9iiini)  Vn.  7.  24 


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362  Itudoir  Dietrich. 


Schule.  Da  steht  vor  allem  die  Körperitflt  L;e  in  hoher  (lunst: 
also  >  111  an iielle  Fertigkeit  durch  Haudarheil;  aiifser  Turnen 
auch  Spielen  mv]  hu  Winter  Kisferien  .  Zum  Teil  j^ehört 
das  sclion.  wie  die-  imtli  uit^lit  erwähnten  SclHilhäder,  in  das 
jetzt  so  sehr  Ijeliclilt-  Kapitel  Schulj;esnmlhcitsplle<»e  ; 
natürlich  müssen  in  der  Orofsstadl  die  aller  neuesten  Erfin- 
dungen der  H)  gieiniker  erworben  und  verwertet  werden. 
Ferner:  Untersuchungen  der  Augen,  Ohren,  Zähne,  Stimme'); 
Kurse  für  Stotterer.  Doch  auch  auf  die  geistij«:  und  sittlicli 
vSchwachen  richtet  sich  das  Au<;ennierk:  also  Klassen  für 
Schwachbe^ahtc ;  Wrsorgunt^  sittlich  Verwahrloster.  Dnfs 
die  Sehnli^ehrmde  j^länzend  au.s^estattet  sind  und  werden, 
ist  st'lbverständlich ;  im  hesondern  müssen  erstaunlich  «rofse 
Summen  für  die  so  überaus  wichtigen  Lehrmittel  geopfert 
werden.  Aber  man  verlafst  sich  doch  nicht  ganz  auf  die 
\  ic'U  n  Hilder,  Wandtafeln,  Karten,  Apparate,  Modelle  und  wie 
die  herrlichen  Diuge  alle  heilsen :  darum  >'Natnrwanderungeu<', 
monatlich  zweimal  im  Sommcrha11)jnhr,  und  Schnlreisen  ; 
1895  hatte  die  Lehrerschaft  ein  (iutac  liten  über  die  \\'{insch- 
barkcit(!)  der  Festsetzung^  einer  An>\valil  von  Reiserouten 
abzugeben.  Kndlieh,  doch  nicht  zulct/l:  möglich  frühe  Teil- 
nahme der  Kleinen  an  den  Vergnügungen  (öffeutlichen  Auf- 
führungen: Kostümfesten,  Umzügen)  der  Grofsen.  (Die 
vierzehn-  und  fünfzehnjährigen  vSckundarschüler  geben  auch 
Konzerte,  unter  freundlicher  Mitwirkung  usw.<^)  (ileich- 
wohl  bedarf  dies  Völklein  noch  eiiur  Disziplinaronlnuiig  . 
Es  wird  da  n.  a.  verboten:  das  Uni!Krtrc'il>eii  und  Lärmen 
aufserhall)  des  Hauses  nach  eingetretener  Dunkelheit  oder 
während  des  Gottesdienstes  in  der  Nähe  der  Kirche,  sowie  das 
>' Ansammeln«  bei  Leichenbegängnissen  und  Hochzeiten;  das 
Rauchen,  Steinwerfen,  Raufen,  Fluchen,  sowie  rohes  oder 
anstofsiges  Reden  ;  das  Schiefsen  oder  Abbrennen  von  Feuer- 
werk in  der  Nälie  der  Häuser,  auf  Strafseii  und  üffentlichcn 
Plätzen,  sowie  das  Kinsammeln  von  (ield  für  i^astuachtsfeiicr 
und  rdniliclie  Zwecke  ;  der  Kintritt  in  VereiiK-(!)  (»der  die 
Mitwukung  bei  öftentlieiicn  Auüüluungen  olnie  l'^rlaul)nis 
der  Kreissciiulpflege.  «DisziplinamiitteU  giebt  es  für  Primar- 
schüler  acht,  nämlich:  *a)  freundliche  Waniung,  b)  emster 
Verweis,  c)  Versetzung  an  einen  besonderen  Platz,  d)  Ab> 

V  Solche  Untersuchungen  —  mit  möglieh  vielen  Apparaten  und 

Iiistniiiu  ..trii  w  erden  auch  in  andern  Städten  vor^^enonunen.  Sic 
tfthören  heute  zuui  guten  Ton.  lUi  vielen  dieser  i^ntersnehnnijen 
kommt  freilich  nichts  weiter  heraus  als  .Stoff  für  .Statistiker  und  voiks- 
wirtschaftliche  Theoretiker.  -  ■  Und  die.selbcn  Schulen,  wcU  lie  die 
Anisen  ihrer  rflejiUtipfc  so  sorjifältiii  und  wissenschaftlich  unladelhaft 
erft>rschen,  lassen  eben  diese  rfleiflin;;e  sich  die  Augen  ausgucken 
nach  zu  weit  entfernten,  weil  zu  kleinen  Bildern,  Karten  u.  dgl. 


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363 


Schrift  derjenigen  Artikel  der  Disziplinarordnung,  welche 
übertreten  worden  sind,  e)  Zurückbehalten  in  der  Schule, 

f )  Mitteihnif;^  an  die  Kitern,  ^)  Verweis  durch  den  Präsidenten 
der  Anfsit hissiktion,  h)  \'er\veis  vor  der  Aufsichtssektion*. 
Körj)erliclie  Ziu htij^nnj*-  ist  also  nicht  dabei.  — 

Als  vorhin  von  den  deutseii-schwei/.erischen  Kantonen 
mit  den  besten'  Volksscbnlcn  die  Rede  war,  wird  man  den 
Halbkanton  Haselstadt  verniiist  haben.  Aber  er  geliöit 
nicht  in  jene  Reihe,  ist  eine  Grofse  für  sich:  die  Stadt  Basel 
und  drei  Landgemeinden,  ein  Staat  also  ähnlich  den  Hanse- 
städten. Ein  Staat  in  den  günstigsten  Natur-  nnd  Kultur« 
Verhältnissen ein  reicher  vStaat  überdies!  An  dii  sen  Vor- 
zügen liat  nnn  anch  die  \'o1ksschnle  vollen  Anteil.  Weil 
al)er  Ikiscl  keinem  andern  Kanton  gleicht  oder  ähnelt,  so 
läfst  sich  nicht  darüber  reden,  ob  sein  \'olksschnlwesen  noch 
besser«  ist  als  etwa  das  zürcherische,  glarncrische,  thurgauische. 
Man  kann  höchstens  fragen,  ob  der  Staat  Basel  für  seine  Volks- 
schulen  oder  Volksbildnng  das  thut  oder  gethan,  was  man 
von  ihm  verlangen  darf.  Und  diese  Frage  wird  zn  bejahen 
sein.  Freilich  was  überall  fehlt,  fehlt  auch  hier:  die  liürger- 
schnle.  T^nd  doch  fiele  es  Ikisel  leicht,  urnij^stcns  in  der 
Stadt  eine  allgemeine  nnd  eine  höhere  lUiigeischnle  zn  er- 
richten.') Eine  vollständige  Dai stelln ng  des  sauber  ge- 
ordneten Baseler  Volksschulwesens  hat  auf  dem  beschränkten 
kaum  nicht  Platz.  Von  Besonderheiten  oder  Eigentü\|ilich- 
keiten  wäre  übrigens  nnr  wenig  zu  berichten;  Innsichtlich 
der  Sehlde  im  engeren  Sinne,  des  rntenichlshetriebs  nin* 
das  eine:  in  den  letzten  vier  der  aclit  rriniarscludjahrc  wird 
L-inr  fremde,  die  zweite  Landessprache  i  I'ianzösisch !  gcK  ln  t.-) 
AnlsLiclcm  nuils  hauptsächlich  noch  zweierlei  anltalkn  (ob- 
wohl es  nur  natürlich  ist):  dafs  mehr  als  anderswo  »staatlich« 
ist,  z.  B.  schon  seit  1889  die  Kinderhorte  und  seit  1895 
einige  Kleinkinderaustalten«')  —  und  dafs  sehr  viel  anf  die 
Schnlgesnndheitspflege  verwendet  wird  (Schnlarzt  ist  der 
Professor  für  Hygieine  an  der  Fm'versität^  nnd  für  die 
Spenden  an  arme  Stadtkinder  (.Snppen,  Sclnilu',  Sehüler- 
tuch  )  ungewöhnlich   grofse  Mittel  zur  Verfügung  stehen 


')  Mit  tUr  iiur.inüv  i.\/i/njon  hat  das  ICrzicliungstlcparUnant 
iK(>|  begonnen.    Form:    methodische  Kur^e«. 

-)  In  (k*n  nmiatiisclieii  Schulen  ( '.i,iul)ün<kns  ist  es  nicht  ähn- 
lich. Die  Romanen  hranrl-itcTi  nicht  il<.ul.sc  h  /n  Icrncti  (sowenii^  wie 
die  Italiener),  wenn  ilux  .Mullci. spräche  eine  \  erkehrssprache  wäre. 

*)  Diese  wiirdeti  .nes^nmdet  An  <ler  Absicht,  für  die  Kr/.iehitttg 

,ir.(  h  «Ii  i  voischu]i>flichligen  Jnj^en<l  /.u  sot  ut  ii,  sowt  il  l'Hi  rnhans 
und  freiwillige  Thäligkeit  dieser  Aufgabe  nicht  nachzukunuueu  ver- 
niSgeii'. 

^4' 


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Kudoir  Dkirkh. 


(clorli  fliefsfii  diese  (icklci  nicht  aus  der  Staatskasse,  sondern 
aus  StittniiL;cMi  der  ( le.sellscliaft  zur  Jieförderuug  des  Guten 
und  Gemeinnützigen.  ) 

Wir  kommen  zur  letzten  Gruppe.  Sie  wird  gebildet  von 
den  drei  »französischen«  Kantonen  Genf,  Neuen  bürg, 
Waat  Alle  drei  haben  ihr  Schulwesen  in  den  letzten  zehn 
Jahren  neu  geordnet,  (Unf  xiicrst  (i8S6).  Das  neueiiburgische 
und  das  waaüändische  Unterrichtsgesetz  (beide  von  1S.S9) 
sind  dem  genferisclien  nachgei)ildet  worden,  aber  nur  teil- 
weise; jene  unterscheiden  sich  von  diesem  wesentlicli.  Die 
grofste  Ubereinstimmung  liegt  darin,  dafs  in  allen  drei  Kan* 
tonen  die  /Kleinkinderschnle-  dem  Volksschiilkörper  gesetz- 
niäfsig  eingefügt  worden  ist  (in  Genf  werden  die  3  -7,  in 
Neuenbürg  und  Waat  die  5  7jährigen  aufi^x  iioimnen).  Sie 
i^-ilt  als  \'(>rlu'reitnii<;  für  die  l'riuKirschuU-.  lehrt  (k>hal1>  attrli 
schon  Ia-si  u,  Schreil>cn,  Kcrlnuii  miikI  Zeichnen).  <  )l>liL;atoriscli 
ist  sie  für  ilie  Gemeinden,  nicht  aber  für  die  Kinder,  l'rei- 
lich  sind  die  Genfer  genötigt,  ihre  Kinder  wenigstens  ein 
Jahr  in  die  kole  enfantiite  zu  schicken;  denn  ihr  (vesetz  ent- 
hält die  eigentümliche  Bestinnnung,  dafs  zwar  erst  die  Sieben^ 
jährigen  in  die  l'rimarschnle  einzutreten,  aber  schon  die 
Sech.sjährigen  Unterricht  /n  empfangen  haben;  wer  nicht  ans 
der  (cole  ntfuutivr  komnil,  niuls  eine  Aufnahmeprüfung  be- 
stellen. Die  Allla^^ssclutlpflicht  dauert  in  Genf  vom  6.  13., 
in  Neuenbürg  vom  7.  14.,  in  der  Waat  vom  7.  10.  üiler 
15.  Jahre.  Aber  während  Genf  wirklich  sieben  volle  Schul- 
jahre hat,  begnügen  sich  die  beiden  andern  schon  mit  fünfen. 
Im  Kt.  N  e  u  e  n  b  u  r  g  dürfen  die  Zwölfjährigen,  welche  in  der 
Landwirtschaft  verwendet  werden  sollen,  während  des  »Sonnners, 
d.  h,  von  Mitte  April  bis  i.  Novend)er  vom  I^nterricht  be- 
freit werden;  sie  sind  dann  nur  noch  liir  drei  Winter  zum 
Schulbesuch  \  erplliclUet.  Die  Dreizehnjäln  ij^eii  ferner  künnen 
durch  das  Ileslehen  einer  Prüfung  das  Recht  auf  Im  lal.s  eines 
Schuljahres  erwerben.  Und  .selb.st  diejenigen,  welche  durchs 
fallen,  können  frei  werden,  sofeni  sie  in  eine  Herufslehre  ein- 
treten oder  sonst  regehuäfsige  Beschäftigung  erhalten;  sie 
branclien  dann  nur  zwei  Winter  einen  „fvw/rs  ilc  njH'tHinn^  (je 
fünf  Monate  wöchcntlirli  (>  Sl<l.)  (iurchzinnachen.  Ahnlich 
im  Kt,  Waat;')  niu  dal^  e.^  dort  nocli  mehr  .'\usnahmel)e- 
stinnnnngcu  gibt  (in  stark  industriellen  ( )rtschaften  z.  I».  für 
die  14 — 16 jährigen  Abend-  statt  Tagesschule:  wöchentlich 
5X2  St),  in  den  Gebirgsgegenden  die  Ferien  bis  auf  4  Monate 
ansi;edc'hut  werden  dürfen  und  die  Gemeinden  von  vorn- 
herein das  Recht  haben,  den  Schulzwang  auf  acht  Jahre  zu 

M  L  ud  ebenfalls  ähnlich  im  Kl.  Freiburg. 


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SchvelserisrbeB  VoIkB^cbttl1Te»ell. 

iKscliränken.  Ks  ist  sonach  klar,  dafs  tintcr  den  drei  fran- 
zösischen Kantonen  Ticnf  die  verhältnisniäfsij^  besten  Primar- 
schnlen  besitzt,  was  im  cinzehR-n  noch  dnrch  etliche  An|»al>en 
bewiesen  werden  kann.  Unterriehtsj^egenstand  ist  aucli  die 
deutsche  Spraclie  vom  4.  Schuljahre  au  (docli  kauui  au  allen 
Orten).  Einen  besonders  glücklichen  Entscheid  hat  das  Genfer 
(lesetz  ül)er  den  kirchlichen  Unterricht  gefällt:  er  gehört 
nicht  zu  den  Schulfächcrn,  wird  nur  von  Geistlichen  erteilt 
in  Xeuenbur<j[  dni^^et^^en,  obwohl  er  ebenso  wie  in  Genf  aiifser 
allem  Znsanimenhanj»^  mit  dem  Sehnlnnterricht  steht,  auch 
von  Lehrern  doch  nicht  ])f1ic]Umäfsii^  wie  in  der  Waat, 
wo  die  lA'lirer,  wenn  sie  jener  Aiil^abe  ledig  sciu  wollen, 
sich  einen  Gehaltsabzug  -  bis  100  Fr.  —  gefallen  lassen 
müssen).  Ferner  ist  hier  zu  erinnern  an  die  für  samtliche 
(ienieinden  berechnete,  von  einem  Ijesondern  Staatsbeamten 
geleitete  Ivinführnn«;  der  Knabenhandarbeit  als  lehrplan- 
ni.'j!"si;:^e  Schnlülmii.i^ :  vielkiclit  die  vorzügliclistc  Pjqenlieit 
(Kiifs  alU-n  andern  Kanlunen  j;egenüber.  Endlich  vertlicut 
benieikl  zu  werden,  dafs  Genf  als  der  erste  unter  den 
Schweizerkantoncn  in  den  städtischen  Oemeinweseu  Kinder- 
horte (Htt^-n  gnttltcnnes)  von  Staatswegeu  errichtet  hat  (1888). 


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Spracli-  Tind  Sachunterridit. 

Von  EM  Wilk«  in  QuedlinburK. 

(Schhifs.) 

Richten  wir  nun  den  Blick  auf  das  «^anze  Werk,  so  mnfs 
vor  allem  anerkannt  werden,  dafs  die  Verfasser  einen  dtircli- 
aus  richtigen  (»edanken  mit  bewniulernswerteni  Fleilse  und 
peinlicher  Sorj^^falt  durchgeführt  haben.  Was  bisher  nur  hie 
und  da  cMUpfohlen  und  noch  seltener  ausgeführt  wurde,  näm- 
lich im  Sachunterrichte  auch  zugleich  die  Form  der  neuen 
Wörter  einzuprägen,  das  haben  die  Verf.  zum  rrin/.ip  u  liohen 
und  der  Lehrerwelt  gründlichst  eingeschärft  Wer  das  Hache- 
Prüllschc  Werk  durcharbeitet,  wird  nicht  anders  können,  als 
fortan  im  SachunterriclUe  auch  des  Si)raclHinlerrichts  zu  ge- 
denken und  im  Sprachunterrichte  das  weiter  zu  verarbeiten, 
was  jener  an  Sprachstoff  geboten  hat.  Aneli  haben  die  Verf. 
das  Verdienst,  auf  die  Genauigkeit  hingewiesen  nt  hahen, 
die  für  den  orthographischen  Unterricht  nötig  ist.  Besonders 
Haches  Arbeit  ist  in  dieser  Hinsicla  wertvoll.  Das  war  in 
mi.'Nern  Schulen  der  Hauptfehler,  der  die  Orthographie  zum 
Schnlkreuz  machte,  dafs  die  W  Tnter,  mit  denen  die  Kinder 
schriftlich  arbeiten  sollten,  \  orher  ihrer  lH)rm  nach  nur  halb  oder 
gar  nicht  eingeprägt  waren,  dafs  man  meinte,  in  der  Ortho- 
graphie eine  regelrechte  gründliche  Wiederholung  der  Worl- 
bilder  entbehren  zu  können.  Solche  echt  schulmeisterliche 
Peinlichkeit,  wie  sie  Hache  bei  Auswahl,  Gruppierung  und 
Einübung  der  W«"rter  anwendet,  ist  für  <len  grundlegenden 
orthographischen  I  nterricht  nicht  zu  entbehren,  weim  ich 
auch  meine,  der  X'erfasser  könnte  sich  und  den  Kindern  die 
Sache  etwas  erleichtern,  2/jfxi  Merkwörter  für  drei  sSchuljahre 
-  macht  für  jede  Woche  etwa  20  neu  zu  merkende  Wtirter 
ohne  ihre  Ableitungen  und  Zusammensetzungen.  Können 
diese  wirklich  in  der  yorgeschlagenen  Weise  eingeprägt  wer- 
den, ohne  dafs  die  Übung  des  Lesens  und  Sprechens  ver- 
nachlä.s.sigt  wird?  Und  müssen  sie  so  eingc]irägt  werden? 
Ich  glaube,  wenn  ein  deutscher  Lehrer  einen  jungen  iMan/osen 
nach  der  Hachebchen  Anleitung  unterrichtete,  niüfste  auch 


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bprarh-  und  6aciiuiiterrii-hl.  ^ffyj 


dieser  nach  drei  vSchuljiihrcn  den  ij;\l)ulenen  Sprachschatz 
iiuiiullicli  und  schrifthch  richtig  gcl>r.iucheii;  aber  so  lehrt 
wieder  Meister  Hildebrand  —  "»das  Hochdeutsch  als  Ziel  des 
Unterrichts,  sollte  nicht  als  etwas  für  sich  gfelehrt  werden, 
wie  ein  anderes  Latein,  sondern  im  engsten  AnschUifs  an  die 
in  der  Klasse  vorflndliche  Volkssprache  oder  Hausspraclu  . 
Allcnlini^'s.  so  will  es  mir  scheinen,  R.  Hildehraiid  hat  die 
( )rilu>j;^raphie  ym  i^^erinj*-  «geachtet,  ihm  als  t  iiisti .^vui  (ivm- 
nasiallehrer  ist  doch  wohl  nicht  j^anz  der  Blick  iür  dicvSchwierijj- 
keit  anf}^ej;angen,  den  dieser  Unterricht  in  der  Volksschule 
bereitet  Wie  schon  gesagt,  gröfste  Genauigkeit  und  Sorg- 
falt ist  nötig,  um  in  der  Rechtschreibung  einen  sicheren 
Ortnid  VAX  legen;  aber  bei  Befolgung  des  Hildebrandschen 
Satzes  läl'st  sich  die  Zahl  der  Merkwörter  doch  erheblich  ver- 
mindern, rnsere  Sprache  hat  für  ungefähr  zwei  Drittel  ihres 
\\'orL>c  IkU/as  lanttrene  Schreibnng.  Lernen  die  Kinder  tliese 
zwei  Drittel  der  deutschen  Wörter  genau  hören  und  genau 
sprechen  —  »im  Anschlufs  an  die  Volks-  und  Haussprache« 
— «  und  sind  sie  vom  i.  Schuljahre  an  gewohnt  worden,  so 
/u  schreiben,  wie  sie  sprechen,  so  brauclit  man  diese  ganze 
Wörtermasse  -—  wenigstens  um  der  Rechtschreibung  willen 
-  niclit  tnchr  iiiühsain  einznprä.d^en,  sondern  kann  sich  auf 
diejenigen  Wöi  Kr  beschränken,  deren  Schreibung  niclit  völlig 
lanttreu  ist.  Bei  dieser  Scheidung  mnfs  natürlich  die  land- 
schaftliche Sprechweise  in  Betracht  gezogen  werden.  Wo 
also,  wie  im  mittleren  Deutschland,  b  und  p,  d  und  t  hart- 
näckig \  ertauscht  werden,  wird  man  Wörter  mit  diesen  I^auten 
für  die  Schreibung  besonders  üben  niiissen.  Nimmt  man 
diesen  Standpunkt  ein,  so  braucht  man  Wörter  wie  Schule, 
hoch,  neu,  malen,  hören,  horchen,  Hof,  Mauer, 
hart,  turnen  (Hache  S.  21  23)  nicht  ins  Merkbuch  ein- 
tragen zu  lassen.  Eine  weitere  Beschränkung,  der  Merk- 
wörter ergiebt  sich,  wenn  man  die  orthographische  Regel 
nicht  ganz  unbenutzt  läfst,  wie  es  Hache  zu  thun  scheint, 
wenigstens  mit  Bezug  auf  die  Stammwörter.  Die  Regel  z.  B,, 
dafs  man  den  Auslaut  durch  \'er] an gerang  des  Wortes  findet, 
kann  mau  schon  früh  zum  Verständnisse  bringen.  Dazu  ist 
es  eine  Regel,  die  das  Sprechen  und  Hören  fördert.  Durch 
sie  wird  eine  Reihe  anderer  Merkwiirter  gespart,  z.B.  lang, 
Kind,  iweund,  gut,  sang  (Hache  S.  21-23).  Eine 
Beschränkung  der  ^lerkwörter  nach  diesen  beiden  Rücksichten 
scheint  mir  durchaus  nötig,  um  Zeit  zu  gewinnen.  Die  Ein- 
führung in  das  Verständnis  des  Lesestoffes,  die  Übung  der 
Lesefertigkeit,  die  Übung  im  Sprechen,  das  Auswendiglernen 
und  die  Übung  des  Auswendiggelernlen,  das  Schönschreiben, 
alles  das  nimmt  in  den  ersten  Schuljalireu  soviel  Zeit  in  Au- 


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Edwin  Wllkf. 


.Spruch,  clafs  die  Hachcsclicn  Crruppcii  uniiu'.;lich  alle  j»rüml- 
Hch  durchgearbeitet  mid  einige priij^t  werden  können.  Aiifscr- 

dem  werden  aucli  die  meisten  Schnlen  für  da^  j.  Schuljahr, 
viele  wohl  auch  für  »las  3.  auf  die  Führmij^  eines  besondere« 
Midies  vcr/.ielilen  müssen.  Die  Gewandtheit  in  der 
Piihiunj;^  der  I'^eder  ist  in  dem  Alter  wohl  n»>cli  zn  j^eiin;^, 
nni  ein  Heft  /.nstande  zu  hrinj^eii,  das  aueh  in  den  weiteren 
Seliuljahren  als  Xachschla^ebnch  ;;ebraucht  werden  kann. 

Kill  liedenken  i.st  dem  Verf.  selbst  j^ekomnieu,  und  mit 
Recht  Seine  Methode  macht  es  uölijj;  dafs  jedem  Jahrjjanjje 
eine  bestimmte  Menge  einzu])räj^cnder  Wortbilder  zujfewiesen 
wird.  Man  wird  ,  so  fürchtet  II  iche,  von  lvinen«;en  und 
Kinzwäni^en  des  Lehrers,  vielleicht  L':ar  \  r)n  Pedanterie 
sprechen  .  Wenn  er  nun  meint,  tlals  jr  l«  !  ('uiii-^clic  Lehrer 
in  Hinsicht  auf  das  Gelingen  des  Gesamuiuleii  iehis  zur  I)ar- 
briiigiiug  dieses  kleinen  Fretheitsoplers  gern  bereit  sein  wird  , 
.so  ehrt  ihn  diese  Meinung^,  und  ich  wünschte,  er  hätte  recht; 
aber  ich  fürchte,  er  hat  nicht  mlit.  Was  unsern  Lehrern 
fehlt,  ist  eben  die  Hinsicht  auf  das  Gelingen  des  Gesamt- 
unterricht^ .  \  ic  llc  idu  wird  man  mir  dies  Wort  verdenken, 
ich  kann's  nicht  äiaurn,  die  I^rfahrung  hat's  mich  gelehrt. 
Jeder  will  sein  StückclKii  (larten  nach  bestrm  Wi^Mii  und 
Können  bebauen  luid  ihut  es  oft  mit  grolseni  Meil>e;  ob 
aber  dabei  der  ganze  Garten  einen  wohlthuenden  Kiudruck 
macht  und  der  Bodenkraft  entsprechende  Früchte  erzeugt, 
dafür  fehlt  den  meisten  Interesse  und  Rücksicht  Was  hier 
allein  helfen  kann  unrl  was  der  \'erf.  gerade  wegen  seiner 
Methode  des  Sprachunterrichts  hätte  fordern  müssen,  ist 
Wei  te  r  f  ü  h  r  u  n  g  der  Klassen  durch  mehrere  Schuljahre. 

Beide  Verfas.ser  haben  ihr  Augenmerk  darauf  gerichtet, 
den  Kindern  die  Verwandtschaft  der  Wörter  /.lun  Bcwufst- 
sein  y.n  bringen.  In  die.sem  Stücke  erweisen  sie  sich  als  echte 
SchüU  r  Hildebrands  und  Albert  Richters.  Wer  nach  Haches 
und  Prülls  Anleitung  unterrichtet,  wird  die  Kinder  leicht 
(laliin  führen,  dafs  sie  der  Abstaunuimg  gemafs  schreiben. 
\'ielkiclit  wäre  es  für  weitere  .Auflagen  ratsam,  die  Wort- 
familien nicht  als  Wort-,  sondern  in  Sat/i\ilicn  7A\  bieten. 

Ich  konune  zu  einem  weiteren  Einwand  gegen  das  Werk. 
Ich  trage  diesen  wie  die  früheren  nur  vor,  um  den  —  nach 
meiner  Ansicht  —  richtigen  (tebrauch  des  Werkes  zu  er- 
leichtern, nicht  etwa,  um  es  zu\  erwerfen  oder  herabzusetzen. 
Der  formale  Sprachunterricht  .Aufsatz,  Orthographie,  (fram- 
nuitik  darf  nicht  allein  an  den  Sachunterricht  angelehnt 
werden,  -.cihKih  niufs  auch  im  Lesebuche  einen  Stützpunkt 
finden,  richtiger  gesagt:  er  muls  nicht  blofs  mit  dem  Sach- 
unterrichte  im  engeren  Sinne  in  Verbindung  stehen,  sondern 


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Sprach-  und  hjchunterriclit. 


auch  Ulli  (Kr  Ik'linndlnip;  firs  J^cstl^uclistottf^,  die-  ja  aiuli 
in  jic\vii>stui  Siuuc  Saeliuiiicrricht  ist.  Mciuc  Ciiüntlu  für 
diese  Hehauptniig  sind  folgende:  i.  Durch  einen  richtig  be- 
triebenen Leseunterricht  werden  eine  Mengte  von  Wort-  und 
AuJidrticksf< »rillen  dem  Kinde  ^anz  oder  teilweise  eingeprägt 
Diese  Art  der  lunpragnng  ist  sowohl  als  \'orbereitung  für 
das  Mcrkt'M  dit-sc  r  lM)rnien,  als  auch  nls  T71)ini.ix  in  ihrer  An- 
weU(hin,L;  \\  rrl\  nll.  I{s  wird  sich  dalu  i  t  iiiptVlik  n,  manche 
(iruppe  von  Mcikwöilcin  aus  Leseslüekcu  zu  gewinnen,  die 
Betrachtung  grammatischer  ^Erscheinungen  an  sie  anzuknüpfen. 
2.  Auch  die  Wortkunde,  wie  ich  das  nennen  mochte^  was 
die  Verf.  unter  ♦Worterklärungen«  bieten,  schliefst  sich  oft 
am  natürlichsten  an  den  I^esestoff  an,  insofi-rii  der  Lesestoff 
vielfach  ein  IuIIls  Ijclit  auf  die  bttreffendc ii  Ausdrücke  und 
Redensarten  wirft.  3.  Das  Lcsesliick  versetzt  das  Kind  viel- 
fach in  \'erliäUiiissc  und  Stinnnungen,  wie  sie  ilim  sein  Leben 
bringt  oder  bringen  wird.  Das  ist  auch  für  Wahl  des  beson- 
ders einzuübenden  Wortschatzes  wichtig.  Das  Kind  der  Volks- 
schule kommt  später  viel  seltener  in  die  Lage,  eine  Abhand- 
lung über  das  Renntier  (II  fS.  178)  oder  über  die  wichtigsten 
Götter  der  alten  Deutschen  (III  S.  153)  zu  schreiben,  als 
einem  Briefbogen  anzuvertrauen,  was  es  erlebt  hat,  was  es 
traurig  oder  freudig  stimmt.  Ich  verweise  dabei  auf  Rudolf 
HiUlel)rands  I>uch  vom  deutschen  Sprachunterricht 
S.  54  und  S.  84  und  auf  seinen  Aufsatz  Die  Stilübnng  als 
Kunstarbeit«  (Ges.  Aufs,  und  Vorträge  vS.  127  135,  Leipzig 
1890).  Ich  meine  mit  Dörpfeld;  »Grundlage  der  Sprachbildung 
in  der  \'<)lksschule  sind  das  belletristische  Lesebuch  und  die 
sachunterrichtlichen  Lehrbücher  .  Dabei  unterstreiche  ich 
mit  DTirj^fcld  das  und  und  die  Schlufsworte,  möchte  sie  aber 
lieber  tlurch  Sacli  11 11 1  er  ri  rh  t  ersetzen.-  Prüll  scheint 
auch  das  Gefühl  zu  haben,  als  werde  er  dem  Lesebuehe  nicht 
ganz  gerecht  Im  Vorworte  zum  II.  Teile  (S,  VI)  spricht  er 
über  den  Stoff  der  Aufsätze  und  fugt  hinzu:  «Gewifs  bieten 
auch  Lesestücke  und  f  rcdichte  (Göhl,  60  Volksschulaufsätze), 
sowie  Pvrlebni>se  f  Kahnmeyer  und  Schulze)  geeignete  Stoffe 
zu  Schülerarbeiten;  doch  giebt  es  derartiger  ATdeitnngen 
genug  .  Ans  der  gaii/eii  Anlage  des  Uuches  könnte  aber 
doch  gesclilossen  werden,  dafs  die  \'ert.  den  formalen  Sprach- 
unleirieht  ganz  an  die  Realien  auschliefsen  wollen. 

Das  Werk  ist  für  die  Volksschule  bestimmt  Es  wird 
aber  auch  für  Mittelschulen  und  höhere  Mädchenschulen  voll- 
ständig ausreichen.  Für  einfache  Volksschulen  eind  die  Auf- 
sätze und  Diktate  oft  zu  umfangreich  und  nach  Form  und 
Inhalt  zn  hoch.  Die  methodischen  }'>örternngen  könnten 
etwas  ausführlicher  sein,  z.  H.  vermisse  ich  eine  Anweisung 
dafür,  wie  Aufsätze  zu  wiederholen  sind  (II.  Teil  S.  XVU.i. 


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370 


Ich  komme  zum  Eiidurtcil.  Das  Hache-Prüllsclic  Werk 
ist  ein  Buch,  wie  es  nicht  oft  erscheint  Es  ist  geeignet,  den 
vSpracluniterricht  auf  eine  höhere  Stufe  zu  heben  und  ver- 
dient daher  volle  Beachtung  aller  Lehrer.  ^Ht  den  von  mir 
gemachten  Kinschränkungcn  empfehle  ich,  den  I.  Teil  zur 
(inmdlage  des  Unterrichts  zu  machen,  die  beiden  anderen 
mehr  gelej^^entlich  als  Nachschla,£^cl)ncli  und  Stottsammlung 
zu  gebrauclien.  Hin  solcher  Ciebrauch  des  Buches  wird  dem 
Lehrer  nicht  nur  viel  Ärger  und  viel  rote  Tinte  ersparen, 
sondern  auch,  wie  Prüll  wünscht^  dazu  helfen,  die  Kinder 
einzuführen  in  den  Geist  der  »Sprache  und  sie  zur  rechten 
Anwendung  der  Worte  und  Sprachfonnen«  bringen. 


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Auf  der  Warte 


Pfinjjjsttii  ist  die  Zeit  der  Versammlungen,  insbesondere  auch 
der  ijrofsen  Lehrerversammltni«::«'!!.  Wenn  nach  lanj^jeni,  schwerem 
Winterschlnfe  die  Krde  i^rüiieiul  aufpewaclit  ist  niid  sich  mit 
PIftten  uiul  Alucu  sciinnickl.  dann  ergreift  auch  in  der  Päda- 
};<>K<-"-Zunft  jung  und  alt  mit  unwiderstehlicher  Gewalt  di;^  alte 
Wandersehnsttcht  unseres  Volkes.  Wohin  könnte  es  aber  einen 
begeisterten  Lehrer  woht  mehr  ziehen  als  an  jenen  Ort,  wo  er 
mit  gletchgesinnten  Amtsgenossen  raten  und  tliaten  kann,  und 
wovon  spräche  er,  nachdem  er  zu  seinen  trauten  Penaten  znrück- 
i^ekehrt  ist,  wohl  lieber  als  von  dem,  was  er  auf  jenen  grolsen 
Tagunp;en  -tsehen  uml  gcliTirt  hat? 

So  standen  die  letzten  Wochen  völlig  im  Zeichen  unserer 
Versammlungen,  um  so  mehr,  als  in  diesem  Jahre  die  deutsche 
Lehren^ersainmlung  in  Hamburgs  gastlichen  Manem  getagt  hat 
l'nd  deshalb  ist  es  Pflicht  des  Herausgebers,  der  unter  der 
obigen  lJl)erschrift  regelmäfsig  die  H<  u el>enheiten  in  der  Schul- 
nnd  Lehrerwelt  und  die  pädngogi*;clien  Fragen,  die  im  Vorder- 
grtindc  des  allgemeinen  Interesses  stehen,  vorfuhren  und 
kritiscli  beleuchten  wird,  über  die  verschiedenen  \'ersannnlungen 
zu  berichten,  denen  unter  seineu  geschätzten  Lesern,  die  selber 
zugegen  gewesen  sind,  zur  freundlichen  Erinnerung  an  schöne 
Tage,  den  andern  als  ein  karger  Ersatz  für  das,  was  sie  haben 
entbehren  müssen 

Nun  mufs  der  Herausgeber  einer  pädagogischen  Zeitschrift 
allerdings  vieles  können,  und  oft  geht  das,  was  \on  ihm  ver- 
langt wird,  über  die  Kraft  und  das  Verinnj;t:n  eines  sterblichen 
Menschen  hinaus;  aber  dafs  er  zu  gleicher  Zeit  an  verschiedeneu 
Orten  sein  soll,  wird  doch  wohl  niemand  erwarten.  Zu  seinem 
grofsen  Bedauern  hat  er  diesmal  nicht  einmal  eine  der  ver> 
schiedenen  Pfingstversammlungen  besuchen  können.  So  mufste 
er  denn  die  Hilfe  seiner  geschätzten  Mitarbeiter  und  Mitarbeite* 
rinnen,  die  mit  dabei  gewesen  sind  ,  und  ans  eigener  Anschau> 
ung  Ixiicliten  können,  in  Anspruch  nehmen. 

Sie  haben  nun  in  diesem  und  dem  fol^aiidLii  Hefte  das 
Wort  und  die  Verantwortung  für  ihre  Berichte]  HolJentlich 
wird  die  sommerliche  Stille  keine  weiteren  tief  eingreifenden 


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3/2 


II.  IVi^ffo. 


I\R'i^nisse  und  Kraj^cn  autkoimnun  lasst?»  uiitl  dem  HcrausgeljKir 
so  das  Conccpt  vcrilcri>cn. 

I. 

Üie  detil«clie  Lehrerveraaniiiiluiig  in  Hamburg  JKtt6. 

l'fin^slcn  kam  wieder  in  die  Laiule  j;t/<)^eii  mit  Seinem 
Flicdcnlnft  niul  seiner  Wanderlnsl.  und  ein  Pfin.iisten  war  es, 
an  dem  diirchs  .ktitsche  I^chrerliaus  das  Malmen  .ui".U-  Nun 
rüstet.  deulN^he  I,eiirer,  euch  zur  Xordlandsrel.-.e !  Dort  wo  die 
Wogen  des  Weltmeeres  das  Kingangsthor  eures  Valeriamies  um- 
rauscheu,  wo  die  alte  Freistadt  Hamburg  einem  iieueu  Denken 
und  einem  neuen  Streben  eine  gastliche  Freistätte  bietet,  dort 
schart  euch  zu  einer  einzigen  grofsen  Gemeinde,  die,  eins  im 
iMiJden  nnd  eins  im  Wollen,  dem  deutschen  ^'olke  und  seinen 
I'iihrern  die  ewigen  Ideale  aller  Erziehung  leuchtend  vor  die 
Augen  stellt  I 

So  erging  ila>  Mahnen,  nnd  auch  ich  folgte  ihm.  Ich  hoffte 
so  viel  von  der  \'erk<n'|jeruiig  der  Einheit  des  deul.schen  Lciuer- 
standes,  so  viel  für  das  Vaterland,  so  viel  für  die  Schule  und  so 
viel  für  mich  selber.  Für  das  Vaterland,  das  so  manche  veraltete 
und  %ur  Fessel  gewordene  Form  des  Kulturlebens  abstreifen  und 
neue  annehmen  möchte,  mochte  und  mufs,  wenn  es  sich  weiter 
entwickehi  will  zur  Sonnenhöhe  dir  Menschluit,  nnd  nach 
der  I'berzeugnng  aller  Indien  nur  inf  (Um  Wege  einer  natnr- 
und  knlturgemäfsen  \*olkserziehung  kann.  Für  die  vSeluile,  die 
das  verderbliche  Idol  der  Wortweislieit  abgelenkt  hat  von  der 
Bahn  einer  natur-  und  kulturgemälsen  Jugenderziehung.  Für 
mich,  der  ich  müde  geworden  des  fruchtlosen  Kinzelstrcbens,  die 
Schule  auf  die  Bahn  der  Natur  zurückzuführen. 

Ja,  müde  geworde  n.  Der  Mensch  kann  müde  werden  in  seinem 
besten  Mannesalter,  wenn  er  die  Kraft  in  sich  fühlt,  Gutes  zu 
wirken  und  die  Macht  der  Verhältni.sse  keine  Früchte  reifen  Infst 
am  Ilaumc  seines  Lebens,  wenn  er  vergebens  ankiinn)tl  gegen 
den  Sturm  und  die  Wogen,  die  das  I«ebensschifflein  anders  lenken 
als  seine  Bestimmung  ist.  Von  Enttäuschungen  lebt  die  Berufs- 
freudigkeit nicht  nnd  lebt  nicht  der  Schaffensdrang.  An  Ent- 
täuschungen reich  aber  ist  des  Lehrers  Leben,  und  der  bittersten 
eine  wartet  seiner,  wenn  er  von  der  Gedankenhöhe  de!  .i^iofsen 
Pädagogen  oder  \  <>ti  der  lintwickelv.ngshöhe  der  pädagi'L;isclu  n 
Theorie  hineinblickt  in  die  pädagogische  Praxis  \ind  gewahren 
mufs,  wie  diese  trotz  alledem  und  alledem  hier  den  Schnecken - 
gang  und  dort  den  Krebsgang  geht  Ks  sickert  das  theoretisch 
Errungene  kaum  tropfenweise  hinein  in  die  Schulstube,  und  un- 
endlich viel  geistige  Kraft  wird  vergebens  dem  Lauf  der  Dinge 
geopfert.  Was  opferfreudige  Pe^eisterung  in  stillen  Stnnden  er- 
denken läfst,  nur  zu  oft  versinkt  eh  spurlos  in  die  gelieiuiuisvolle 


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UUf  diHiUcIti-  IiHir4'rv<>niiiminIiiii|(  in  IkumbuiK.  T^J^ 

Tiefe  der  Geisteswelt.  Wäre  es  titiverloreii,  diV  Oescliichte  der 
Schule  würde  erfreulichere  Blätter  aufzuweisen  liabeii.  (ledankeu 
setzen  die  MrtsscTi  mir  solnver  in  Hewe,L;;tin'!::.  Auf  sie  hat  vnxi 
jeher  ein  Jongleur- Kunststück  mehr  Kiudruck  gemacht  als  alle 
Wunder  der  ewigen  Wahrheit. 

Diese  Erkenntnis  macht  raude  und  müde  das  verKel 'liehe 
Hoffen  auf  ein  befriedigendes  Wirken,  müde  das  vergebliche 
Spähen  nach  einem  Ar1)eitsfelde,  auf  detn  man  seine  ganze  Kraft, 
sein  ganzes  Können  und  Wollen  einsetzen  und  ansgel)en  kann. 

Ich  reiste  nach    TTani])urg.      Wo  deutsche  Lehrer  sich 
ver.sannneln.  da  hist  thi  /u  Tlnii'^c,  <\:\  ist  deine  Heitnat.  da  ist 
der  Nähr(|uell   deiner   lierulsiieudigkeit   und   dcinis  Srh:itl\ns- 
(hanges;  da  wirst  du  finden,  was  dich  aufrecht  haiL  iiml  dir  tlie 
geistige  «Spannkraft  wiedergiebt,  deren  du  bedarfst,  mn  deinen 
Platz  am  Webstuhle  der  Zeit  behaupten  zu  können*   •  -  so 
dachte  ich  und  SO  hoffte  ich.    Fiul  durfte  ich  nicht  Grofses 
hoffen  in  diesem  Jubeljahre?    Die  deutsche  I,ehrerwelt  liatte 
soeben  den  gefeiert,    den  sit  dt-n  Wtltsclinlmcister  nennt,  hatte- 
Pestalozzis  Xanien  und  Pe^-lalo/ /is  Menschenliebe  hin- 
eingetragen ins  deutsche  Volk   unil  hatte  gewifs  auch  gelesen 
und  studiert,  was  er  gewollt,  was  er  der  Nachwelt  als  (ieistes- 
crbc  hinterlassen,  hatte  die  Bitte  erfüllt,  mit  der  der  Müdling 
von  Neuhof  seines  Geistes  Schwingen  sinken  liefs:  Prüfet  alles, 
behaltet  das  Oute,  und  wenn  etwn^  P.c>>en.<  in  euch  selber  ge- 
reift, so  setzet  es  zu  dem.  was  ich  euch  in  Wahrlieit  und  Liebe 
zu  geben  \ ersuche,   in  Wahrheit  und  Liebe  hin/n!   Denn  wie 
könnten     ihrer  ihre  grofsen  Toten  anders  feiern  .•'  Konnte  man 
da   niclil  erwarten,    re.-»talüz/i   würde  in  der  Hamburger 
Lehrerversaninilung  sein  Auferntehungsfest  feiern  und  alle 
Reden,  alle  Vortrage,  alle  Beschlüsse  würden  aus  seinem  Geiste, 
aus  seiner  C/edankenwelt  geboren  sein?  Konnte  man  nicht  er- 
warten, dafs  dort  etwas  von  seinem  Ideenreichtum,  seiner  Oe- 
«lankeiitie  fe  und  dm  noch  immer  ungehobenen  Schätzen  seiner 
tluon. li>rhen  Ivrkeiinlnis  Inneinziehen  würde  in  das  Herz  jedes 
Teiinelnners  und         die  \'oranssetzung   geschaffen   würtle  für 
die  Verwirklichung  einer  Pestalozzi-schen  Schule?    Mulste  man 
nicht  erwarten,  dafs  die  grofste  I,ehrer\'ersainnilung  im  Jubel- 
jahre Pestalozzis  Begeisterung   für  seine  Ideale  wecken  und 
damit  die  Liet>e  zum  Berufe  nähren,  da.s  Hoffen  auf  bessere 
Tage  beleben  und  neuen  Mut  zum  Schaffen  am  grofsen  Werke 
verleihen  würde?    Ich  wenigstens  hatte  es  erwartet  und  will's 
nur  gleich  gestehen,  ni ei  u  Ivrw arten  hat  sich  nicht  erfüllt. 
Um  eine  Hoffnung  äiuicr  und  eine  lüittäusciiung  i eicher  bin 
ich  aus  Hamburg  zurückgekehrt. 

Ks  mögen  zunächst  rein  äu  fsere  Umstände  gewesen  sein, 
welche  die  Feslstininiung  nicht  auf  die  Hohe  früherer  Versamm- 


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rt.  wirec. 


lungen  koninien  Helsen.  Das  Wetter  war  kalt  und  unfreundlich 
und  kalt,  begeisterunj^slos  die  Leitung  dtr  \'erhandlungen  durch 
C  1  a  u  s  11  i  tzer  -  Herli  n.  Die  Leituni;>ltrlinik  allein  macht  titu 
\'orsilztnden  nicht,  und  mag  sie  imch  so  \<>r/riglich  sein.  I''s 
niufs  von  ihm  auch  der  Geist  ausgehen,  der  die  Versamndung 
besiM^len  soll,  und  daran  fehlte  es. 

Sodann  war  die  Zahl  der  Teilnehmer,  die  auf  über  7000 
stieg,  zu  grofs.  als  dafs  die  Hinheitlichkeit  des  Ganzen  hätte 
gewahrt  bleiben  können,  und  die  i  7  NelKMiyersammlungen  tnige-n 
zur  Zers]>litterung  ohne  /Zweifel  auch  ein  gut  »Stuck  bei.  Der 
lünzelne  ging  nicht  auf  im  (lanzen  und  wurde  darum  auch 
nicht  vom  Gan/en  getragen  und  erwärmt.  Die  Siile  waren  meist 
schon  lange  vor  Beginn  der  Verhandlungen  und  der  Festlich- 
keiten überffillt  Hunderte  fanden  keinen  Kinlafs  und  ginRcti 
ihre  eigenen  Wege. 

Daztt  gesellten  sich  Mängel  anderer  Art.  Mit  der  Grofse 
einer  \'ersaniTn1ung  wachst  natur^eiiiäfs  die  Tragweite  ihrer 
Wirkung  nach  aufsen:  es  niufs  aber  mit  der  Grofse  auch  <lie 
Ou'rditat  des  ( lespnn  1k  lu-n  wachsen.  I{s  müssen  die  ersten 
pädagogischen  Aulori täten  ihr  Wort  in  die  Wag.schale 
werfen,  wenn  über  pädag(^gische  Fragen  entschieden  werden  soll. 
In  Hamburg  aber  fehlten  diese  ersten  Autoritäten.  Rein  war 
nicht  dort,  v.  Sallwürk  auch  nicht,  ja,  von  den  hervorragenden 
(nicht  zu  verwechseln  mit  offiziell«.  11 1  Vertretern  unserer  Wissen- 
schaft dürfte  kaum  einer  an  der  Wrsammlung  teilgenoninien 
hal>eii.  Warum  nicht?  Kr)iinten  nicht  geradi-  sie  die  grollen 
Zu.sammenkünfte  der  deutsclieu  lyehier  zur  obersten  pädagogischen 
Instanz,  zum  pädagogischeu  Gewissen  der  Nation  erliel)en  ?  Ich 
kann  mir  denken,  was  sie  von  der  Teilnahme  abhält,  allein 
wir  haben  doch  nun  einmal  keine  andere  Repräsentation  unserer 
Wissenschaft  und  kein  anderes  Mittel,  ihre  Forderungen  geltend 
zu  machen,  und  da  mufsten,  meine  ich,  alle  Hedenken  f.dlen. 
Kissinaiin  war  anwesend,  sprach  a])er  nicht.  Der  einzige 
l'ä(la.L;(>.i;e  von  Ruf,  der  das  Wort  ergriff,  war  Scherer:  allein  es 
gelang  ihm  augenscheiiüich  nicht,  mit  .seinen  päd.agogischeu  Ge- 
sichtspunkten Kinflufs  auf  die  Versammlung  zu  gewinnen  und  das 
pädagogische  Niveau  derselben  zu  heben.  Es  war  das  auch  unmög- 
lich unter  den  obwaltenden  Verhältnis.sen.  Nicht  die  Debatte, 
sondern  der  Vortrag  wird  zum  Mittelpunkte  der  Verhandlungen 
gemacht.  Dieser  ist  die  grofse  Hauptsache,  jene  die  kleine  Neben- 
sache Die  Referenten  ich  wtif>  niclii,  ob  sie  bestimmt 
werden  cnler  ob  sie  sich  freiwillig  meklen  sind  Herren  der 
Situation.  Sie  haben  das  Recht,  die  Hörer  stundenlang  zu 
unterhalten  bezw.  zu  langweileti,  können  in  den  Schlufswortcn 
sich  nach  Herzenslust  ausdehnen  nnd  überdies  zu  allen  An« 
trägen  das  Wort  ergreifai,  sodafs  jeder  andere  Redner  einfach 


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375 


in  den  HititerRTund  gedrängt  wird,  ja»  es  kann  einer,  und  wäre 
es  die  erste  Autorität,  von  Gluck  sagen,  wenn  er  überhaupt 
/um  Worte  koninil.  Als  ich  mich  tmmittelbnr  nach  Ikcndi<^itni; 
des  Tcws-;c!u-n  Vortrni^es  l)eim  Bureau  nach  der  RtHlnerlisle  er- 
kundigte, li(irle  ich,  daf.s  bereits  neun  Namen  verzeichnet  seien. 
Dafs  man  nach  einem  anderthalbstündigen  \'ortrage  diese  neun 
selbst  bei  einer  Sprechzeit  von  nur  fänf  Minuten  nicht  mehr 
würde  hören  wollen,  war  mir  sofort  klar,  geschweige  denn  die 
17  Redner,  die  schliefslich  eingeschrieben  waren.  Die  Geduld 
ist  erschöpft,  das  Interesse  geschwunden,  man  lint  .c:enii2^  von 
der  Sache,  es  wird  Schlufs  gernfen,  der  Schlufsruf  ist  i^Ieich- 
l)<-(li  utend  mit  cintin  Schlufsautrage,  der  Schlufsantrag  wirtl 
an^cnuninicn  (nach  dem  Tcws.schen  Vortrage  ujit  107  gegen 
93  Stimmen),  die  Generaldebatte  ist  geschlossen  und  damit  den 
noch  eingeschriebenen  Rednern  das  Wort  abgeschnitten. 

Hin  solches  Verfahren  entspricht  doch  ganz  gewifs  nicht 
dem  Zwecke  der  \'ersammUing.  Diese  soll  den  Austausch  der 
McMimii<^en.  den  Austausch  tUr  RrsuUatc:  der  }{inzt'lberatnngen 
Liniri^lirlun,  soll  (ielegeuheit  bieten,  pädago^^isclic  I*Vam.n  von 
verschiedenen  Seiten  und  von  hohen  luid  allgemenien  Gesichts- 
punkten aus  y.u  beleuchten,  und  darum  ist  es  richtiger  und 
zweckentsprechender,  man  giebt  12  Rednern  je  10  Minuten  das 
Wort  als  einem  Redner  120  Minuten.  Den  Schlufsrufem  aber, 
die  sich  in  Hamburg  in  geradezu  unangenehmer  Weise  bemerk- 
bar machten,  gebe  ich  den  guten  Rat,  entweder  zu  Hause  zu 
bleiben  oder  <ich  zu  entfernen,  wenn  sie  nichts  mehr  hören 
wollen.  Das  nimmt  ihnen  kein  Mensch  nbel  aber  übel  Tuhnie 
ich  es  ihnen  sehr,  wenn  sie  mir  den  Gciiui>,  ilen  nur  eine  \  er- 
sammlung  beretten  kann  und  soll,  bedntrtchtigen  oder  gar  rauben. 

Die  Referenten  femer  sollten  niemals  vergessen,  dafs  sie 
Fragen  behandeln,  die  in  den  Kinzelvereinen  bereits  vorberateu 
sind,  dafs  e  also  nicht  ihre  Aufgabe  ist,  alle  bereits  bekannten 
Details  für  und  wider  noch  einninl  ins  Feld  zu  fuhren.  Sie  sollten 
sich  darauf  bi schränken,  die  Haupt-  und  Keni»^edanken  hervor- 
zuheben, \uh\  ihr  Referat  in  einer  einzigen  allgemeinen  These 
gipfeln  lassen,  die  weiter  nichts  enthält  als  eine  prinzipielle  Knt- 
sclieidung  der  zur  Beratung  stehenden  Frage.  Auf  grofsen  I^ehrer- 
versammlungen  können  nur  grofse,  weitgreifende  Fragen  zum 
Aust  ag  gebracht  werden  und  diese  nur  in  weitgreifender  Weise. 

Ist  eine  Revision  der  Lehqihine  notwendii^?  'Hat  der  Lehrer 
an  der  Schul  Verwaltung  teilzunehmen  ?  Ist  die  Kinführung  einer 
Schnll)ii)el  /u  fordern?  Ja  oder  nein?  Dann  bleibt  die  Debatte 
eine  ( /enerakleballe,  dann  kann  sie  von  hohen  Gesichtspunkten 
getragen  werden,  dann  stehen  die  Massen  ge<>ch]ossen  hinter  der 
Kntsciiciduug.  und  die  Entscheidung  wirkt  -ach  aufsen.  Die 
praktischen  Konsequenzen  zu  ziehen  oder  die  Frage  bis  in  ihre 


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376 


lt.  Wlg^e. 


Kinzelheiten  zu  lösen,  kann  nicht  Aufgabe  der  };^r<)fscn  X^ersamm- 
lunj^en  sein,  d.i  die  detaillierte  Lösiin*^  niclit  ülxiall  niid  für 
alle  dieselbe  sein  knnn.  I'jne  einzijj[e  These  und  die^e  uintassciid 
«gehalten,  das  ist  das  Rechte.  Sonst  geraten  die  Verhandlungen 
in  Kleinkrämerei  hinein.  I^s  pafst  dem  einen  dieses  Wort  nicht 
und  dein  andern  jenes  nicht,  es  wird  um  Worte  und  Ausdrücke 
gefeilscht  und  gestritten,  und  die  Sache  wird  unerquicklich.  Mit 
den  Amendements,  den  Abänderungsvorschlägen,  den  Zusatz-  und 
Streichnngsantragen,  wie  überhaupt  mit  der  Spezialdehatte,  ver- 
lieren die  X'erhnndlungen  ihre  Ilnlie  und  ihre  Wurde.  Wie  der 
\'er>aininUuig  /.u.ueniutet  werden  konnte,  dns  Tewssrhe  The.scn- 
ungeheuer,  das  aus  12  niei.^t  fünf-  bis  neiui/.ciligcu  Teilen  be- 
stand, zu  beraten»  ist  mir  nicht  recht  verständlich.  Ober  die 
darin  enthaltenen  Begriffe,  Schlagwörter  und  Forderungen  waren 
nicht  einmal  zwei  Lehrer  in  zwei  Stunden  einig  geworden,  und 
Tausende  aus  allen  Gegenden  des  deutücheu  V^aterlandcs  sollten 
es  werden  ? 

Meine  Fortierungen  l)ezüi;Hch  der  Gestaltung  der 
Hauptversammlung  gehen  also  ilaliin:  Ivs  dürfen  die 
ersten  pädagogischen  Autoritäten  auf  der  Rednertribüne 
nicht  fehlen:  im  Centrum  der  Verhandlungen  stehe  der 
Austausch  der  Meinungen,  und  der  Vortrag,  der  die 
Debatte  einzuleiten,  nicht  zu  verdränge  1  hat,  gipfle  in  einer 
ein/igcii  all^^eniein  gefafsten,  kurzen  und  kl aren  These. 
So  mir  ktinnen  die  grofsen  Zusammenkünfte  der  deutschen  Lehrer 
\verden.  was  sie  sein  sollten,  ein  Hutwickelungstaklor  der  päda- 
gogischen Itlee. 

Die  L,ehrmittelausstetlung  war  nach  jeder  Seite  hin  un- 
gemein reichhaltig,  und  das  war  auch  nicht  geeignet,  nietiie 
Stimmung  zu  lie1)en.  Wie\  iel  Kraft,  wieviel  Scharifstnn  wird  iloch 
aufgewandt,  den  kindlichen  Geist  abzusperren  von  seinen  Xah- 
nmgsfpii  llcn  und  den  Unterricht  hineinznleileii  in  das  Wr- 
künsieiungsverderltt  n  !  Was  sollt  n  denn  nur  diese  pädagogischen 
Nippsachen,  diese  künstlichen  vSpiekreien  ?  Sie  können  doch  das 
Selbsterleben,  das  Selbstbeobachten,  das  Selbsterfahren  uml  direkte 
Anschauen  nicht  ersetzen,  und  da.s  allein  ist  und  bleibt  das 
Fundament  aller  Erkenntnis.  Ein  Pestalozziwerk  und  ein  Pesta- 
l(>//idenknial  war  die  Lehrmittelausstellung  sicherlich  nicht.  Wer 
da  lehrte:  Der  ewige  Quell  aller  Ceistesbildung  ist  die  Welt 
der  Dinge,  ist  das  Leben  .  und  wer  da  forderte:  (Vbt  dem 
T 'nlerriclile  wenigstens  w  ieder,  was  Krämerseelen  ihm  benommen 
haben,  den  reellen  l'!)indruck  der  schönen  Gotle>v\\.lt  ,  der  winde 
fiber  den  heutigen  Lelinuittetkultus  da.sselbe  Verdammungsurteil 
aussprechen,  das  er  fiber  den  fundamentloscn  Wortuuterricht 
seines  Zeitalters  aussprach. 

Hobe  Anerkennung  dagegen  zolle  ich  der  von  der  Harn- 


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deatarh^  t<9hi«rv»ri)iinmlttn(r  in  MiimbiiTif. 

burg-er  Jnpfeiidschrifteii- Kommission  in  der  Knnsthallc  veran- 
stalteten AussUlhm^  von  Hilderln'i ehern  und  illustrier- 
ten Jugendschri ften,  die  eine  luslori.-»che  Kntwickelun^  der 
Illustration  des  Kinderbuches  zeigen  sollte.  Dawar  mit  Bieiien- 
fldfs  ztisatntiiengetrageti«  was  die  wahre  Kunst  einst  und  jetzt 
der  Jugend  zum  Genüsse  dargeboten.  Auch  englische,  fran- 
^.ösiHche,  italienische  und  japanesische  Bilderbücher  waren  ver- 
treten, und  ein  A'ergleich  ilerselhcn  mit  den  deutsclien  liefs  er- 
kennen, dafs  unsere  Künstler  dem  Kinde  doch  tiefer  in  die  Seele 
geschaut  haben  und  in  der  Kunsttechuik  die  fremden  weit  über- 
tretlen. 

Von  den  zahlreichen  Neben  Versammlungen  habe  ich  nur 
zwei  besuchen  können.  Ich  hörte  Scherer  in  der  >Freien  Ver- 
einigung für  philosophische  P&dagogik«  über  die  »Pädagogik 

als  Wissenschaft  und  die  weiteren  Schritte  zu  ihrem 
Aushau^  und  freute  mich  über  seine  trefflichen  Ansfnhrun<^en. 
StKlann  hnrtt  ieh  den  Professor  Lehmann  -  Hühenber  j;  ühcr 
\'olkserzi ehung  nach  en  t w  i  ckelun  gs  ges c  h  i  ch  1 1  i  c  h  en 
Grundsätzen  als  Staatskunst  der  Zukunft-.  Für  mich 
ist  dieser  Vortrag,  der  bereits  am  Pfingstmontag,  also  vor  der 
offiziellen  Eröffnung  der  Lehrerversammlung  gehalten  wurde,  der 
Höhei)unkt  der  Hamburger  Tage  geworden.  Das  war  eineherr> 
liehe  Pfingstpredigt.  Der  sie  hielt,  war  keiner  der  unsrigen  und 
stand  uns  doch  viel  näher,  nl■^  mancher  der  unsrigen.  Bei  ihm 
fand  ich.  was  ich  naelilier  \  i  r^ehens  gesucht  hal)e.  Anregungen, 
hohe  und  ernste  Ciedankeu ;  ich  fand  ein  freies  Manneswort,  einen 
klaren  Hinblick  in  die  Milsstilnde  unserer  Zeit  und  das  feste 
Wollen,  an  ihrer  Beseitigung  zu  arbeiten.  Der  Vortrag  ist  als 
Broschüre  erschienen,  und  ich  wünschte  wohl,  er  t^^elangte  in 
jedes  deutschen  Lehrers  Hände  und  sein  Inhalt  in  jedes  deutschen 
Lehrers  Herz.  LehmannH«)lu  nherg  ist  der  Begründer  des  Deut- 
schen \'olksbundes  ,  der  dtn  ("ieistesadel,  der  alle  hoelilur/ig 
denkenden  Männer  in  .sich  vereinigen  und  den  grt>fscn  (be- 
danken der  Menschheitserziehung  hineintragen  will  in  alle  Ge- 
biete des  öffentlichen  Lebens«.  Ob  das  gelingen  wird?  Die  Zu« 
kunftwird  es  lehren.  Mit  wahrem  Feuereifer  trat  Lan ger mann- 
Barmen  für  die  Sache  des  XOlksbundes  ein;  allein  ich  glaube, 
es  war  ein  Fehler,  dafs  er  die  Cele^^enheit  dazu  zu  sehr  suchte. 
Man  darf  sein  Steckenpferd  nicht  überall  reiten,  das  stufst  ab. 
Wenn  über  die  Pädagogik  als  Wisst  ii>rhaft  debattiert  werden 
soll,  dann  dart  man  mit  einer  lanpfeliliing  des  > Volk.sbundes?. 
ebensowenig  kommen  wie  mit  einer  Empfehlung  der  »evan- 
gelischen Arbeitervereine«,  wie  es  von  einem  andern  Redner  geschah. 

Ich  komme  zu  den  Verhandlmigen  der  Hauptversammlung. 

Die  undankbarste  Aufgabe  war  ohne  Zweifel  Kies -Frank- 
furt zugefallen.  Hr  .sollte  von  neuem  Interesse  wecken  für  eine 

B«lm#n  (P<daff«fiiiM)  Tif.  7.  25 


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Frage,  die  schon  wiederholt  niul  jj^ründlich  lieliaiKkll  worden  war, 
Interesse  für  ein  altes  W'ünschen.  ein  altes  hordern,  das  <o  be- 
rechtigt ist  wie  irj^end  eines  in  der  Welt,  nämlich  dem  JAluer 
m  gewähren,  was  Frankreich  uud  Österreich  ihm  auH  freien 
Stucken  längst  gewährt  haben,  Vertretung  in  allen  Schul- 
verwaltnngsinstan/.en.  Er  sollte  mit  alten  Sachen,  mit  alten 
Gründen,  alten  Gedanken  vor  die  Wrsannnlunjj  treten  inid  doch 
nicht  lanj>;\veilen,  Ks  gelanjj;  ihm  und  das  vor  allem  durch  die 
scharfen  Streiflichter,  die  er  nnf  die  schul]inliii>chcn  l'>ei^ni»c 
uud  Zusländtr  tler  jüngsten  \  ergangen lieil  lallen  liefs.  Seine 
Forderangen  begegneten  selbst\'erständlich  keinem  prinzipiellen 
Widiersprache. 

Kbenso  allseitig  befriedigen<l,  \  i\  l leicht  mit  noch  etwas  mehr 
rednerischer  Wirkung  erledigte  I^nders-Sonneberg  di«.  St  hul- 
bibcl frage.  Der  Kirche  und  den  I'Twnchsenen  die  Bibel,  tler 
Schuh'  und  der  Jugend  ein  nach  pädagogischen  (jrundsät/en  be- 
arbeitetes biblisches  Schulbuch  das  war  der  Extrakt  >eines 
\'ortrages,  eine  Forderung,  welche  die  \'ersanuulung  wohl  ein- 
hellig zu  der  ihrigen  machte. 

Ks  lag  nun  aber  in  diesen  beiden  Themen  nicht  das  eigent- 
lich pädagogische  Moment,  nicht  der  Srliwerpunkt  der^'erhaHd- 
lungen :  es  lag  in  ihnen  nicht  das.  was  die  Massen  herbeigc/o<^c  ii 
hatte,  soweit  sie  sich  von  der  Tagesordnung  der  Hau])tversainiii 
liuig  überhaupt  hatten  herhei/.iehen  lassen.  Sie  waren  l>ereit^  /.n 
durchsichtig,  ihre  Li)>ung  /u  selbstverstämllich  und  dal>ei  ledig- 
lich in  das  Gebiet  des  äufseren  Schulwesens  eingreifend,  als  dafs 
sie  den  Durst  des  nach  frischem  Wasser  lechzenden  Waiiders- 
mannes  hätten  stillen  konneu.  Was  heute  das  Lehrerherz  l)ewegt, 
sein  Senf /.en,  sein  Hoffen,  sein  tätlich  Gebet,  das  ist  eine  Refor* 
nialion  der  Schule  an  Hnupt  und  Gliedern,  von  innen  heraus, 
eine  durchgreifende  Krneueruug  aller  (»rundlagen  des  Unterrichts, 
eine  endliche  \  erwirklichung  der  Idee  der  F^leuientarbildung  . 
Im  Breunpunkte  des  Interesses  standen  darum  Mahraun- Ham- 
burg mit  seiner  Festrede  über  Pestalozzi  und  Tews-Berlin 
mit  der  Beantwortung  der  Frage:  Welche  Stoffe  sind  nach 
den  Forderungen  der  Gegenwart  dem  I.elni>lan  der 
Volksschule  hinzuzufügen  bczw.  aus  dem.st:lhen  zu  ent- 
fernen? 

Ich  inufs  ge>tehen.  der  Hamburger  Srliulrnl  sprach 
uuuieh  kühnes  Wort,  er  schleuderte  manchen  Gedankenblitz, 
manchen  Wahrheitsstrahl  hinaus  in  die  Nacht,  der  die 
draufsen  latiemden  Finsterlinge  mit  argem  Wehgeschrei  auf- 
fahren liefs,  allein  ich  glaube,  es  gehört  dazu  in  Hamburg 
gerade  kein  grolser  Mut.  Das  freie  Denken  scheint  dort  eine 
so  sichere  l*(»sttion  zu  haben,  dafs  es  selbst  in  kirchlichen  und 
religiö.sen    Dingen    laut    geschehen    kunu ,    uhue    dais  dabei 


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379 


irgend  etwas  riskiert  wird.  Tch  verkenne  ferner  nicht,  dafs  der 
Festredner  mit  yjofser  WTiiuu'  spr  ich  und  ntanchen  j^uten  Ge- 
danken hinau^klinj^en  liels  iu.s  tlciitschc  Lchrerhaus  -  seine 
Darlegung  der  Bedeutung  Pestalozzis  für  die  l>/.ieliungs- 
aufgaben  unserer  Zeit<.  aber  hat  mich  nicht  befriedigt  Gewifs 
ist  CS  schwer,  die  reiche  Persönlichkeit  dieses  seltsamen  Menschen- 
kindes in  einer  Festrede  zu  unifassen  und  zu  erschöpfen,  allein 
dies  war  auch  nicht  nötig  und  erwartete  auch  keiner.  Pestalozzi 
war  einerseits  ein  Sn/ialpadagoge  und  Sozialpolitiker,  andererseits 
ein  SchulpädaguKd  i"id  \  nr  lA'hrern  hätte  der  Festredner  doch 
Wühl  in  den  Schulpädagogen  i'eslalozzi  hineindringen ,  den 
Mafsstab  seiner  Erkenntnis  an  unsem  heutigen  Schulunterricht 
anlegen  und  den  Grundriss  einer  Pestalozzischen  Schule  ent- 
werfen müssen.  Fr  that  es  nicht  Es  mag  einen  gewissen  Reiz 
haben,  sich  mit  dem  Sozialpädagogen  und  Sozialpolitiker  Pes- 
talo/zi  TU  hc<chäftigen.  Da  kann  man  die  sozialen  und  wirt- 
st  liattliclien    Zustände    der    C  art    einer    scharfen  Kritik 

unld/.iehen  und  ist  dafür  des  lieilall>  der  Versamminng  sicher, 
während  eine  pestalozzische  Kritik  unserer  inneren  »Seh ul zustünde 
weniger  beifällig  begrüfst  zu  werden  pflegt  Vor  allem  aber 
sollte  man  das  schulpädagogische  Programm  Pestalozzis  nicht 
vermengen  mit  sozialpolitischen  Dingen.  Das  macht  die  Aus- 
führungen unklar,  ergiebt  keine  einheitliche  Wirkung  und  macht 
keinen  T, ihrer  zum  Jünger  des  Meisters. 

Auch  Tew>  machte  kritische  Au^flü^e  in  die  su/.iaipolitischen 
Verhältnisse  der  Ciegenwiu-t,  ja  er  berührte  eine  Menge  Fragen 
und  Sachen,  die  zu  dem  Thema  absolut  keine  innere  Beziehung 
hatten,  obwohl  er  selber  mahnte,  nur  pädagogisch  zu  diskutieren 
und  alles  andere  beiseite  zu  lassen.  Was  haben  denn  nur  z.  Ii, 
die  allgemeine  Volks.schule  und  die  Fortbildungsschule  mit  der 
I.chi planfrage  zu  thun?  Icli  bei^^reife  nicht,  wie  niati  die  He- 
dürlnisse  der  hnhcrcn  Schulen  /um  Stoffauswahlprinzip  für 
die  unteren  Klas.st^n  der  X'olk.sscluile  machen  kann,  die  infolge- 
dessen als  sogenannte  FUementarschule  hauptsächlich  die  Elemente 
der  Bildung  vermitteln  sollen.  Meint  Herr  Tews  die  Elemente 
des  Geisteslebens,  Vorstellungen,  Ans^chauungen,  Gefühle,  gut 
Die  grofse  Well  aber  versteht  etwas  andi  i  darunter,  nändich 
Lesen.  Schreiben,  dit  \it.i  Spi/ies  und  recht  viel  religiösen 
Memorieret  off,  und  dic^\  usfü  Ii  nmm  iiier  solchen  unklaren  Forderung 
wird  nicht  Herrn  Tews  iihcrtrai^cii.  -^ondeni  Ttivtan/cii,  die  ihn  nicht 
einmal  nach  seiner  Meinung  tragen.  Al^er  al)K«-sehen  davon,  der 
Referent  redete  ausdrücklich  einer  Beschränkung  der  Bildung  des 
kindlichen  Geistes  durch  die  Welt  der  Dinge  in  seiner  -.Elementar- 
schule das  Wort,  und  demgegenüber  sage  ich :  So  lange  die  ludieren 
Schulen  dem  fundamentlosen.  geisttötenden  Wortunterrichle  ergel»en 
sind,  so  lange  sie  im  Staube  der  Antike  wühlen  und  dadurch  den 

«5* 


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380  H-  Wlws*. 

idealen  Sinn  der  Oegfemvart  töten,  so  ]anq:e  si'ikI  sie  nicht  wert, 
dafs  ihretwegen  >i7  Prozent  der  Kinder  des  deutsciien  X'olkes 
der  geistige  lirolkurl)  höher  gehängt  wird.  Die  bezüghche 
These  zog  der  Referent  zurück  zugunsten  einer  anderen,  die 
Halben-Hamburg  einbrachte  und  deren  Wortlaut  wohl  keiner 
im  Saale  sofort  faiste.  Ich  erinnere  mich  auch  nicht,  dafs  sie 
zur  Debatte  gestellt  worden  wäre,  aber  angenommen  ist  sie.  Nach 
ilir  soll  der  Unterricht  niclit  nur  in  den  unteren,  sondern  audi 
in  d«.  n  mittleren  Klassen  der  \'olksschnle  von  den  liedürfnissen 
der  luiheren  Schulen  abhängig  gemacht  w  erden.  Nun,  inzwischen 
fliefst  noch  viel  Wasser  durch  den  Rhein. 

Auf  die  Sache  selber  ging  der  Referent  herzlich  wenig  ein. 
Ich  vermifste  vor  allem  ein  aus  dem  Unterrichtsziele  abgeleitetes 
Stoffauswahlprinzip,  das  mir  ebenso  klar  und  deutlich  sagt, 
was  aus  dem  Lehrplan  entfernt  werden  mufs  wie  was  in  den- 
selben aufzunehmen  ist.  Zum  mindesten  erregte  e^  mein  He- 
freniden,  dals  Pestalozzi  so  gar  nicht  um  Rat  getraut  war.  Herr 
Tcws  wäre  sicherlich  zu  anderen  Resultaten  gekoninien.  Ivr 
bewegte  sich  in  sozialpolitischen  Geleisen  und  Ixrzeiclinete  eine 
ganze  Reihe  Stoffgebiete,  die  aufzunehmen  seien,  wufste  aber 
nicht  ebenso  genau  die  auszuscheidenden  zu  bezeichnen.  Nun 
hat  man  bislier  stets  ein  feines  Gehör  gehabt,  weim  nach  neuen 
Stoffen  verlangt  wurde,  ist  aber  taub  gewesen,  weiui  Entlastung 
gefordert  wurde,  und  die  Folge  der  Ainiahme  der  Tewsschen 
Thesen  kann  leicht  die  sein,  dals  wir  zu  der  alten  Last  noch 
ein  halbes  Dutzend  neuer  Disziplinchen  lunzubekuninien  und 
im  Übrigen  alles  beim  Alten  bleibt  Ich  hatte  erwartet,  die 
deutschen  Lehrer,  die  unter  der  zu  bewältigenden  Stofflast 
seufzen,  die  Mas.^en  unkulturellen  Stoffes  zu  bearbeiten  haben 
und  meist  zum  Gedächtniskultus  gezwuni^en  sind,  wfirden  wissen, 
was  zu  ihrem  Frieden  dient.  Ivs  hat  sich  eine,  wenn  auch 
scliwache  Majoritfit  L;efunden,  die  es  nicht  wufste. 

Von  den  ühlichen  Begr ü Isungen',  Festreden  und  Toasten 
ist  wenig  zu  sagen ;  es  waren  eben  die  üblichen.  Pestalozzi  hatte 
keinen  Teil  daran.  Die  Rede  des  regierenden  Bürgermeisters  Dr. 
Mönckeberg  bei  der  Festtafel  war  übrigens  von  imponierender 
P^eganz,  durchdrungen  von  stolzem  Selbsthewufstsein.  des  Ober- 
hauptes einer  freien  Hansastadt  würdig.  ICr  wie>  hin  auf  die  Kr  - 
Weiterung  unseres  Gesichtskreises  durch  den  Hesucli 
nand)urt;s  und  wünschte,  dafs  wir  nun  daheim  nnt  vollen  Hrnidi  n 
wieder  ausstreuen  möchten,  was  wir  dort  gesammelt-  Und  waiir- 
lich,  wenn  auch  die  Verhandlungen  keinen  zum 'Glauben  an  die 
sieghafte  Macht  der  Erziehung  bekehrt  haben,  wenn  auch  die  Ver- 
samndung  kein  Pestalozzi-Jubelfest  war.  wenn  .sie  die  Entwickeln ng 
des  Scliulwcsens  auch  um  keinen  Schritt  gefördert  hat,  dieTeil- 
ndnncr  haben  eine  reiche  Fülle  neuer  Anschauungen  mit  heim- 


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$i;L'firaclit,  und  ckti  Hamburger  und  Kieler  Kollegen,  die  uns  die 
WVj^c  (la/.u  geebnet,  dafür  unsem  hcr/lichsten  Dank.  Wir  fanden 

Zutritt  /u  (k*n  Kiinststättcn,  erfreuten  uns  an  Kuuslt^enfisseii 
fd'-'.ster  Art,  sniien  das  eiijenarli;L;e  I.elteii  und  Trciheii  einer 
Wclthandels'^UuU,  sahen  ckn  llaieu,  ilen  Xur^lo^Ueekanal,  Kiel 
uiul  nul  l*aiaul)uis  vSr.  Majestät  des  Kaisers  die  Geheimnisse  der 
dort  ankernden  Kriegsschiffe,  die  Wellen  der  Ostsee,  Helgoland 
und  die  Wogen  des  Weltmeeres,  diese  Wogen,  die  noch  lange 
in  meine  Träume  hinein  rauschen  werden  wie  ein  Klang  aus  dem 
Reil  1k  der  rnendlichkeit  und  KwiKkt  it.  Das  war  der  Sej^en  d;.r 
Xorillandslahrt.  Mit  diesem  Segen  beladen,  kehrU  ich  /iirück 
und  l)r;u-lite  mit  das  alte  Sehneii  und  das  alte  Hntteii.  Nicht 
weit  vun  den»  Fcslorlc  rauschte  auch  der  Sach.senwald.  lir 
rauschte  keine  Grufse  hinüber  zu  den  deutschen  Lehrern.  Wie 
würde  es  gcw'csen  sein,  wie  würde  es  heute  mit  der  Jugend- 
und  der  Volkserziehung  stehen,  wenn  au  Bismarcks  Stelle  ein 
Freiherr  von  Stein  gestanden  hätte?  — 

Coswig  (Anhalt).  H.  Wi gge. 


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Clironik. 


Allgemein«  SchuliitiitiHtik. 

—  Hin  vor  ctiitj^vr  Zeit  erschienenes  Hlatibuch  jnebt  über  die 
Schulverhaltnissc  in  Knj^land  und  Wales  Aiiskiinft.  Dicoffetil- 
liche  konfessionslose  Volksscliule  »Board  schind)  trscluitil  (Un  W-r- 
tretern  der  Kittheti  unj^ceignet,  weshalb  alle  ReUgionsl)ckcnnliiisse 

StluiKii  tit^Urlialtt  u  iii  iktien  die  KiinUr  Kcli^^ionstintcrricbt  n.ich 
den  hcsomkrcu  l  il.uihciissat/.fil  der  bcUv  ifc  nilcii  Uekenntiiissr  t.  rlialUn. 
Die  Ke^ieriing  j;e\vährt  allen  Scluden  (»hiie  Ausnahme  tür  jetlen 
Schüler,  der  durch  PrOfuujf  vor  den  öffentlichen  Schulinspcktorcti 
einen  gewissen  (vrad  der  Reife  nachweist,  einen  Zuschufs.  wofiir  im 
vorigen  Jahre  knapp  an  14  Millionen  Mark  verwendet  wurtlen.  Da 
(lies  nur  etwa  /.wei  Drillel  <ler  Scliulkoslen  erreicht,  die  an  Mill. 
Mark  1)elra;;:en  (ohne  liaukosU  n  für  ik  lu  Sclnrleni.  so  :unis  (k  r  frhli  tii!i 
Ik'trair  (k-n  nfkntlichc  n  Srliuk-n  diircli  rienieind«  umladen  >in<i  ini 
l'alle  tkr  kt»tnc.ssionelkii  S<.luikn.  wenn  nicht  au.s  Stiflnn^s^elderJi, 
durch  freiwillige  (laben  und  Ivrhebimj;  eines  Schulgeldes  gedeckt 
werden.  Für  die  $i)i^<)2j2  schulpflichtigen  Kinder  bestehen  igSot» 
Schulen,  von  denen  1 1 K34  mit  der  Staatskirche  verbunden  sind ; 
5;^!'»  Schulen  sind  öfk'iitliche  Schulen.  <h)4  gehören  -k  n  K  itlmlikeii. 
der  Rest  anderen  Konkssionen.  Der  t.igliche  Durchschnittsbesucli 
i<l.  h.  die  Srhülerzahli  ist  Ini  Avu  öffentlichen  Schulen  xtnd  den  mit 
(kr  Staalskirche  verbuinkin  n  Schulen  nalit./ii  ijk'iclr  ii  iinlicii 
i  «Sy4  und  1854619;  in  den  katholischen  Scliulen  betragt  er  j^oStjS, 
und  von  den  gesamten  schulpflichtigen  Kindern  besuchen  4  340  )j<) 
täglich  die  Schule  (an  73  Prozent!.  I>ie  Unterrichtskosten  für  jedes 
Kind  betragen  in  den  amtlichen  Schulen  50  M.,  in  den  Staatskirchea- 
schulen  39  M.,  in  den  katholischen  Schulen  .^7  M.,  in  der  wesleyanischen 
.;S  M.,  in  den  anderen  Schulen  41  M  Hie  l.ehrergehalte  sind  am 
h<H  hsii  II  in  »k  ii  (>ffentlichen  Schulen,  und  zwar  Hanptlehrer  4251  M.. 
Hauptlehrenn  22S4  M..  andere  Lehrer  2066  M..  kehrerinnen  i(\>4  >k, 
und  am  niedrigsten  in  den  katholischen  Schulen,  wo  der  J)urch- 
schnittsgehalt  für  die  genannten  (rntppen  2343  M.,  1334  M.,  1581 
bezw%  1052  M.  betragt.  Die  freiwilligen  Beiträgfe  zur  Krhaltung  der 
Schulen  der  Staatskirche  erreichten  die  Höhe  von  nahezu  19  Mill.  M. 


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Chronik. 


Scholgettetsgeliung  uml  -Verw«ltnii|r. 

Auf  Ctniiidlaf^e  weitllufigfcr  Arbeiten  einer  Königlichen  Kom- 
mission hat  die  Norwegische  Regie- ru  ntr  dem  Storthins^  (Kcichs- 
tapi  eiiK-  X'orhiije  zu  einem  !i<-uen  Seluiluesi  t/  \<>rj::c  u  ^1  Dt  r 
erste  I I.mptpimkt  in  der  voT^escJila.uenen  neuen  (»rdinui^,  wodurch 
sie  .sich  von  der  jet/t  bestehenden  unterscheidet,  ist  die  Ivinheit  der 
öffentlichen  Volksschule,  die  eine  Schule  für  alle  Volk.sklassen  sein 
soll.  Diese  bildet  den  Übergang  zur  Mittelschule,  die  wieder  die 
Voraussetzung  und  die  (>rundlagc  fiir  die  GyninaHial-Ausbildung  ist 
I>ie  ('»ymnasicn  werden  in  (hei  Linien,  eine  sprachlidi -historische 
nnl  Latein,  eine  sprachlich-liistorische  I.iniL  ohne  Latein  und  eine 
Re.illinie,  j^eteilt.  ]'.vu-  /.weite  Haupt^  t  r■'^l<l(.  ^nn^  bestellt  in  der  .\us- 
stoisun;;  des  Lateui.-«.  <ius  der  MittelschuU  und  übcrh.mpt  in  einer 
•starken  IJeschränkunjj  der  kUissischen  Sprachen  in  der  Schule.  So 
soll  X.  R.  Uriechisch  nur  ein  wahlfreies  Fach  sein.  Endlich  ist  auch 
der  höhere  rnterricht  in  die  Kürsorge  des  Staates  einbestogen  worden. 

—  Der  dänische  Kultusminister  hat  dem  f^andtag  einen  («e* 
selKeniwxirf,  betreffend  die  Reorganisation  des  Volksschul- 
wesens, vorj^eU'f^l.  nie  Ilauptptiiikte  des  Entwurfs  sind  foljjende: 
I.  Per  Schul/W  alt beginnt  mit  dem  Anfang;  desjenijjen  rnten  ie  lits 
Semesters,  in  dem  das  Kind  das  siebetite  jabr  vollendet.  In  Däneat.irk 
,i:;iebt  ts  auch  Scluiieii  für  Kinder  im  \ orschulpflicliti^en  Alter,  Poj^es- 
koler  Kleinkinderschulen,  die  von  sogenannten  Volksschul- 
lehreririnen.  geleitet  werden.  ÜbHgens  datiert  der  Schttixwang  in 
Dänemark  l>ei  Mädchen  bis  sunt  fünfzehnten  und  bei  Knaben  bis 
/um  seclj/ehnten  Lebensjahre.  2.  Die  Zalil  <ler  Kinder,  die  gleich- 
/eitij^  in  einer  Klasse  unterriclitet  werden  dürfen,  wird  auf  liöchstens 

herabj^eset/t.  3  f.,  schichte.  ( leojjra])!!!'«'  und  Xalurkinide  sind  als 
obliiT.tt '  •i'^i  he  l'nti  ri irlii^i.icher  in  <kii  Lehrplan  alU  r  <")ffi  ntlichen 
\ Oiksschuien  auf/,uneinnen.  4.  Die  geringste  L'nlerrichtszeil  beträgt 
41  Wochen  jährlich,  anf  dem  I,^nde  wenigstens  iHT^tunden  wöchent- 
lich. In  Dänemark  giebt  es  auf  dem  I<ande  vielfach  zweiklasstge 
Schulen  mit  einem  I^hrer.  5.  Für  sämtliche  Lehrkräfte  wird  das 
System  der  Dienstaltersstufen  eingerichtet. 

—  Die  Volk.SXeitung  teilt  mit  dals  /.um  Umbau  des  Cliaritee- 
Krankenhauses  in  Herlin  j<khk)ü  M.  dem  l-'onds  behufs  allge- 
meiner ICrleichterung  der  \'ol  k  ssch  ul  1  ast e u  cntrionmtcn  werden 
sollrn  l>as  (ield  gehe  also  der  \'olkssch\jle  v  i  iloicn,  uu<l  su  könne 
es  kommen,  dais  die  elendeste  Dorfschule  nutlelbar  für  den  Au  l>.iu 
der  Charitee  in  Berlin  beitragen  müsse. 

—  In  der  Provinz  Posen  giebt  es,  wie  der  Dziennik  i'osenanski. 
schreibt  leider  noch  eine  Reihe  kathol.  Schulen,  an  denen  die 
Kinder  wegen  Oberfüllung  nicht  vor  dem  achten  oder 
neunten  Jahre  aufgenommen  werden  können,  obschon  be- 
kanntlich sonst  im  preufs.  Staate  die  Schulpilicht  mit  dem  sechsten 


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3^4 


JotiaoB«»  N»jrer. 


Jahre  bc'i^iiinl.  Iüik  dieser  kathol.  Scliukn  iKliiukl  sich  in  Ik-ndlcwo. 
wo  260  Kinder  in  einen»  kleinen  Schulj^ehäude  nntcrgebracht  sind. 

—  Der  Majristrat  in  Osnabrück  lieCs  bij$  ^nm  Herbst  1895  die 
evanjrelischen  Volksschulen  durch  einen  eignen  Beamten  verwalten; 
aliti  als  (kr  in  <k-n  Ruhestand  trat,  wurde  die  V'erwaltunj^  dem 
Kntii  i;!.  Kreis.schulinsi)(.  1<  tor  natürlich  gegen  Be/  ilihing 
iibertrajj^en.  In  Osnabrink  ist  man  nn.q'ehnitfn  jiennj^  darülier; 
hat  die  Stadl  ein  cis^ent^  l?,uiainl,  ein  eij»enes  SU-ueratnt  etc.,  s«>  soll 
sie  auch  ein  eigenes  Schnlatnl  haheji.  Die  ICinwohner  kTtnnen  doch 
nicht  hinter  dem  Königl.  Beamten  herreisen,  wenn  er  auf  Revisionen 
draufsen  sich  befindet. 

—  Im  Württembergischen  I«andtage  wurde  folgender  Antrag 
angenonnnen :     Die  Beslininningen  des  Art.  72  des  (kset/.es  \  <ini 

Sc  i'tcTiihcr  »836  iiher  die  örtliche  Sch  u  1  an f si  i,  Ii  l  (d.  h.  die 
Srluilaufsiclil  durch  die  ( ■.eisllirht  ri  i  zii  Viclassen.  flalx  i  .(her  nns/ii- 
sprechen,  (hil's  iti  (ienieintkii  mit  griilsercu  Schulk<)Uij>kxen  die  Uiis- 
schnlanfsicht  einem  oder  mehreren  ürlsschulaufsehern,  welche  die 
Befähigung  zu  einem  Kirchenamt  nicht  haben,  oder  einem  Geistlichen, 
der  kein  förmliches  Pfarramt  bekleidet,  übertragen  werden  kann  . 
Kine  kleine  Rresche  ist  damit  in  das  System  i^elcgt.  und  es  Hegt 
nun  hei  den  gröiseren  Schulgenieinden,  der  Fachaufsicht  zum  Siege 
zu  verhelfen. 

Schulor^anisation. 

Die  Kgl.  Regierung  von  Oberfranken  liat  angeordnet,  dafs 
in  Zukunft  je<kr  I,ehrer.  mit  .\nsnahme  ck  rieni;.r<  11  der  untersten 
Kla.s.stn.  welche  wie  seither  die  neuaufgentnnnien».  11  Kinder  für  <lie 
2.  Klasse  vorbereiten,  seine  Schüler  2  Jahre  lang  behalten  soll, 

—  Eine  eigentümliche  Zusammensetzung  des  Lehrerkollegiums 
weist  das  anhaltische  Landesseminar  zu  Cothen  auf:  9  ordentliche 
Seminarlehrer  und  6  Hilfelehrer. 

—  In  lia\ern  sollen  nach  ministerieller  \  erfügung  die  Somnier- 
ferien  acht  Wochen  dauern  Für  den  Winter  sind  sieben,  für  den 
Sommer  drei  Schulmonale  testgesetzU 

Eraiehnng  umd  Untarrieht. 

l'i'ir  diejenigen  Orte  des  Regierun gsbe/Jrks  Potsdam,  in 
welchen  herkömmlich  die  Leichen  von  den  I<ehrern  und  der 
Schuljiigend  mit  r.esang  /u  (irabe  gel^  iti  t  werden,  hat  die 
Koiii-Iiche  Rei^ierutig  angeordnet:  i  dnfs  forl.ia  kein  Schulkind  wiik'r 
den  WilleJi  seiner  Kitern  oder  \'ormündcr  angehalten  werden  darf, 
einer  I«eiche  mit  Gesang  zu  folgen:  2.  dafs  die  Leichenbegleitung 
durch  den  Lehrer  und  die  Schüler  in  der  Regel  nur  dann  stattfinden 
darf,  wenn  die  gewöhnlichen  Schulstunden  dadurch  nicht  unterbrochen 
werden ;  >.  dafs  bei  einem  aus  einer  ansteckenden  Krankheil  her- 
rfdirendi  11  Todesfälle  ilie  Schulkinder  von  der  I^^ichenbegleitung 
unbedingt  aus^cuschlieisen  sind. 


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Chronik. 


385 


—  Im  Anftra.u'c  des  Mnpistrnts  Wiesbaden  wunlt-n  in  (Um 
al>gLUiufencn  Jaiirc  in  den  lilcmenUirschulcn  und  MiUcl.schuicn  rund 
7ULx>  Schüler  auf  ihren  fresunclheitSKtifttand  untersucht  Zwischen 
8  und  9  Prozent  der  Kinder,  namentlich  bei  Knaben,  waren  mit 
UnterleibsdrQsen  und  Bruchantaj^en  behaftet.  jVt  Proz.  xeigten  Rfick> 
-r  itsvcrkrünitmin^fcn.  Ein  Teil  der  Kinder  war  mit  ansteckenden 
Krankheiten  l)ehaftet.  andere  zei;;len  rnreinliolikeiten.  Das  Krgcbnis 
der  l'ntersuchunj^  ist  die  AnstelliTtiir  von  Schulär/.ten. 

Ivin  bedenkliehes  llr^'elinis  hatten  T  n  t er su ch u n en  eines 
Zahnarztes  in  einer  An/.ahl  Ivlbertelder  Schulen.  Von  923  Kindern 
hatten  nur  16  ein  vollatändig  gesundes  Gebifs,  a1so98>/,„  vom  Hundert 
der  Kinder  hatten  mehr  oder  weniger  krankhafte  Mundhöhlen.  Der 
Tro/.entsatz  der  erkrankten  Zähne  betrug  24*/^.  also  von  den  21  077 
Zähnen  der  92,;  Kinder  waren  5150  erkrankt. 

—  Der  Zenlrahiusschufs  zur  l-ördenuiir  der  Volks-  und  Itiui  tid 
spiele  will  ein  deutsches  ()lymj)ia  schaffen,  d.  h.  eine  j^rwiilite 
Städte,  auf  welcher  iu  regeliuäfsiger  Wiederkehr  ein  allgemeines 
deutsches  Fest,  in  dessen  Mitte  die  deutsche  Mannesjugcnd  stehen 
soll»  gefeiert  werden  soll.  Ein  schdner  Gedanke! 

—  Die  Einführung  des  Haushaltungsunterrichts  ist  nun 
auch  für  die  Cothener  Mädchenvolksschule  beschlossene  Sache, 

nachdem  sich  die  städti.sche  Vertretung  Göthens  bereit  erklärt  hat. 
«las  geset/Hche  {Sechstel  der  entstehenden  Kosten  «U  tragen;  lüni 
Sechstel  derselben  entfallen  anf  die  Staatskasse. 

—  An  verscliieiletien  landlielien  SchuU^rttn  des  Reiritnitigsbe/irks 
Oppeln  ist  währentl  <1  es  W  inters  von  selten  tkr  I.ehier  an  den  Nach- 
mittagen der  Sonntage  die  erwachsene  Jugend.  Knaben  und  Mädchen 
abwech.Helnd,  in  der  Schule  versammelt  und  dort  etwa  zwei  Stunden 
nütstlich  beschäftigt  worden,  und  es  hat  sich  diese  Einrichtung  nicht 
nur  bewährt,  sondern  die  Jugend  hat  auch  gern  von  derselben 
Gebrauch  gemacht 

Stellung  der  Lehrer. 

—  Bei  Gelegenheit  der  /.weiten  Lehrerprüfung  /u  Xeu-Ruppin 
soll  nach  der  Preuls.  Schulztg.«  (I«iegnitz)  Provinzialschutrat  Herr- 
mann  u.  a.  folgende  Bemerkungen  gemacht  haben:  »Ihre  Rede  ist 
so  spitz  wie  Ihr  Schnurrbart    Kaufen  Sie  sich  eine  Bartbinde!- 

.\uf  Ihrer  Platte  kann  man  tanzen!  Herbart  hat  die  Schule  ver- 
pestet.  Die  I lerbartianer  knnmu  n  mit  ihrer  X'nrbereitung  immer 
S  Tage  \oi  der  IvwigkeitI  Schorn  können  vSir  sich  an  den  Hut 
stecken I  (Zum  Scminardireklor  gewendet  der  bald  darauf  wegen 
Unwohlseins  die  Klasse  verliefs.)  >  Psychologie  ist  Unsinn «,  Quatsch !  4 
—  Unglaublich! 

—  Als  Freund  der  Volksschule  und  der  Volksschul- 
lehrer hat  sich  wieder  einmal  der  Herzog  von  Meiningen  ge- 
zeigt. Der  Landtog  hatte  dem  Herzog  zu  seinem  70.  Geburtstag  eine 


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JohARoe»  Iterer. 


Siimiuc-  von  ^omx>  Mk.  zur  W  i  füjjftitijL;  ^fsU  llt  I>ci  Her/.oji'  lial  die 
ihm  /.itr  Vcrfüj^uiig  gcslclUc  Sninme  zur  Mniciitun>;  eitits  i.chrcr- 
gebäiuleH  für  das  Herzof^^Hche  Lehrcrsetuinar  in  Hildhur^liaiuten  lie- 
»timmt,  um  damit  zu  bekunden,  welch  hohen  Wert  er  den  Ver- 
anstaltungen beilegt,  die  auf  gediegene  Bildung  unsrcrVolksschullehrcr 
abzielen. 

\"nlksschullchrcrn .  welche  den  Hestiniinungen  des  26  der 
I'rüfiuij;sordnnn^^  vom  15.  Oktober  187?  s<inst  jjenüpt  haben,  darf 
nach  einer  neiierdintrs  Irnifi  nen  l'jilscheidun};  des  Tnlerriclits 
ministers  die  Bc  f  ä  h  1  j;  u  n  g  zu  m  Cnterricht  in  den  l' n  Lerkla.sscn 
von  Mittelschulen  und  höheren  Mädchenschulen  unter Tm- 
ständcn  auch  dann  noch  zugesprochen  werden,  wenn  sie  in  einem  tech- 
nischen Fache,  %.  B.  im  Turnen,  bei  der  zweiten  Prüfung  das  Prädikat 
^gut  bestanden    niclit  erlanj^  haben. 

—  Von  den  I.ehrersöhnen.  (d.  Ii.  Solincn  von  Volksschul - 
Iclnern).  die  iS<)j,'i^(;  die  Xlvitiiricntenprüfuiii;  ablegten,  wttlUen 
wertlen :  l*liih>logen  37Vv  Juristen  35.  (Hfi/icre  lu.  Äledixincr  ^^^J, 
Theologen  117';^,  sonstige  Berufe  92,  Summa  329.  Von  den  Lehrer- 
söhnen  die  1891/92  bis  1^94 /95  die  Abiturientenprüfung  bestanden, 
wollten  werden :  Philologen  iift,  Juristen  1 18,  Offiziere  28,  Mediziner  167, 
Theologen  471.  son.stige  Iknife  305,  Summe  1207;  mithin  entfallen 
von  ihnen  uif  die  Tlieologie  ;,9.  auf  die  Medizin  13.  auf  die  Juris-  . 
l)ruden/.  und  Tliilologie  je  lo,  auf  den  iieeresdienst  2  und  auf  .sonstige 
Ikrufc  25  l'ro/ent 

—  I^in  in  der  bathselieii  j.  Kannner  eingebrachter  Antrag,  nach 
welchem  das  lüementarunterrichtsgesctz  in  der  Richtung  abgeändert 
werden  sollte,  dafs  die  Volksschullehrer  nicht  mehr  gegen  ihren 
\\  illen  gezwungen  werden  können,  einen  ihnen  von  der  kir<  hlidicn 
Behörde  angetragenen  Organisten-  oder  Vorsängerdienst 
an/.unehmen,  wurde  von  lU  r  überwiegende  n  Mnjoiität  der  K.ntnner 
utul  /.war  in  seltener  Kinnuili;^kLil  (kt  lilieialen  und  ultranionlanen 
Partei  gegen  die  vier  Stimmen  der  Demokraten  und  zwei  sozial- 
demokratische abgelehnt 

Bildmig  der  Lehrer. 

—  Im  badischen  Landtag  kam  auch  die  Krage  der  Lehrer- 
bildung zur  Sprache,  wobei  sich  Minister  Nokk  dahin  ausspru  li  dais 
als  Vorbereitung  für  die  Aufnahme  in  <las  Seminar  auch  der  He.such 
einer  RealsrhtiU  grlUn  k:inn  Das  Internat  an  den  Semsnareii  sei 
keine  Zwnn-st  HirnlUnn;^  :  m  _M  ii  r'^bttrg  sei  der  gan/f  iihersle  Kurs 
ein  Kxternat.  An  allen  henunaren  wird  eine  I  tenulsprache  und  /.war 
das  Französische  als  fakultativer  Oegenstand  gepflegt :  in  Meersburg 
ist  es  sogar  obligatorisch.  Dadurch  sei  allen  strebsamen  Lehrern  die 
Möglichkeit  gegeben,  durch  das  Studium  einer  frenulen  Sprache  sich 
auch  mit  der  heimischen  Sprache  leichter  und  eingehender  vertraut 
zu  machen. 


386 


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Cliroilik. 


—  Im  rtötlinjrt'i-  Kchrcrvirtitu-  tuijjftt*  flit-  Mchr/.ahl  (Ur  Wr- 
<,muiiluiijj  /II  «Kt  Ansicht  dt-s  Herrn  l'rtilfssors  Kiiokc,  (Kr  »Iii- 
Rektorats] »1  u tu  11  j;  als  eine  ungeeignete,  mindestens  überflüssige,  be- 
seitigt, dagegen  die  Mittelschiilprfifutig  betbehalten,  jedoch  aus  ver> 
schiedcncn  Gründen  an  die  Universität  verlegt  sehen  möchte.  Merk- 
würdige Ansicht!  Die  umgekehrte  Lösung  der  Kxamenfrage  wäre 
gewtfs  richtiger. 

—  -  Von  den  5  V.  x  a  m  i  ?]  n  n  A  v  n  ,  die  in  Magdebtiri;  die  Prüfnn^ 
hii  helirer  von  Nfittelsrlnilt  11  ;i!>lii;tcn.  bestantlen  10  nicht:  in  Man- 
nover bestatulen  in  tlerscll>en  l'iüfnng  von  2}  nnr  12.  Von  ;>i  in 
Magdeburg  erschienenen  Kekturenkandidaten  bestanden  6  nicht,  dar- 
unter 4  akademisch  gebildete. 

—  Bei  der  zweiten  Lehrerprüfung  in  Oranienburg  be- 
.Htanden  nur  38  von  64  Ivxaminanten.  Die  Forderungen  sind  erhöht 
worden. 

Besoldung  der  Lehrer. 

—  Zum  abgelehnten  Lehrerbe.soldungs  -  Ciesetz  -ist  im 
Herren  hau  sc  eine  Statistik  verteilt  worden,  die  von  einem  Mitgliedc 
der  Petition.skommis.sion  aufgestellt  worden  ist.  Diese  Statistik  be- 
trifft .|2  grofsere  Orte  und  ergiebt,  dafs  in  diesen  Orten  in  den  Jahren 
iS«^-;,  1.S94  tmd  iS<(5  6<y)St.?  M,  nulir  an  die  Rtihegehaltskassen  über- 
geführt wiiiileii  sind,  als  diese  Slädt«.  nluu'  Anscblnfs  an  die  Knlu-- 
gt  halti^kassen  an  Tensionen  zu  zahlen  gehabt  h almi  würden.  Jkrliti 
gehört  nicht  %u  diesen  Orten,  '«*eil  es  selbständig  für  seine  I^hrer- 
pensionen  aufkommt  Fortgesetzt  im  Nachteil  gewesen  sind  die 
Städte  Stralsund.  Königsberg  t.  Pn.  Halle  a.  S.,  Aachen«  Halberstadt, 
Magdebnrg.  Kit  ),  Ilildesheim,  Altona.  Stettin,  (ilogau.  Oörlitz,  Lieg- 
nitz,  Thorn.  Koblenz.  Posen,  Hrandenbnrg.  Uroniberg.  Trier,  Rr»  s1,Hi. 
Mühlhausen  i  Th  ,  <'>snabrück.  Kassel.  Hannover,  Bielefeld,  MiiuU  n. 
Köln,  Himn.  r.  iiiii<.ii.  Düsseldorf,  llllnifeld,  Dortmund.  In  L-in/tlnen 
Jahren  hallen  \  oiieil.  in  uiuleren  Nachteil:  (jreifswald.  l-rankurl  a.  (>., 
Klbtng,  Krefeld,  Duisburg.  Kssen,  Potsdam.  Vorteile  hatten  dagegen 
in  allen  drei  Jahren :  Münster  und  Erfurt.  Die  Summierung  dessen, 
was  in  den  42  Städten  weniger  /u  zahlen  ge\N  escn  wäre,  ergibt  35  2S8 
Mark :  die  Summierung  dessen,  was  die  Städte  mehr  zu  zahlen  hatten, 
702  100  M. 

~  Das  K ultiisnunislerium  ist  schon  mit  der  I  niarbeitung  «les 
Lehrerbesoldungsgesetzes  beschäftigt.  Im  grofsen  und  ganzen 
wird  .sich  die  neue  \'orlagc  «in  den  alten  lintwurf  aiischlicfscn.  Jedoch 
dürfte  die  Frage  der  Staatsbeiträge  in  der  Weise  geregelt  werden, 
dafs  den  grofsen  Städten  die  bisher  bezogenen  Summen  verbleiben, 
dagegen  soll  an  den  .Mters/.ulagcka.ssen  festgehalten  werden.  Dann 
wird  der  Herbst  sicherlich  stürmisch  werden ! 


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Neuere  Erscheinungen  auf  dem 

Gbebiete  des  Turnunterriclits. 

Von  H»  Sohrtfar  in  Berlin. 


Alfred  IJüt t i  IitT.  R  a  ^•  i  n  s  i  c  i  n  »  V  o  1  k  s  t  ii  r  n  b  u c  Ii.  Kin  Föb rcr 
auf  dc-m  (*.e))ietc'  (k-s  Mänticr  und  WTcitistunnvesciis ;  auch  für 
Tunik-lircr  in  nberf  ii  Knahrn  Schulklasscn.  .}.  Aufl  >tit  tiucr 
Tafe!  und  v])vr  31  in  tkn  Tt'vt  ein^refü^'tru  Hul/.,schnilUMi. 
l'iaiikfuil  a.  .M.  iSy^,  J.  D.  Sautiiäiiders  \  cilag.  715  S.  Preis 
8  M.  (ungeb.) 

Dieses  Buch  ist  von  jeher  eine  Fundgrube  turnerischen  Wissens 
jj^t  w  csen  und  hat  in  der  Neubearbeitung  durch  den  jetzigen  H  crausgcber, 
induti  es  /cil.i;cniäfs  erweitert  und  verbessert  wurde,  noch  an  Wert  k^- 
wonnen.  ikr  TilLl  l>Lsa;2:'t  viel,  a1>er  er  sat^t  iiiclitnlk's;  /.IV,  dafs 
nicht  Mojs  ik r 'riiniklii Li"  an  höheren.  soiKkru  aucli  «kr  an  nietkreu 
Schuk'u  da.s  Buch  mit  Nutzen  gebrauchen  kann.  i)er  Trei.s  (ks 
Buches,  angesichts  des  reichen  und  gediegenen  Inhalts  keineswegs 
XU  hoch  bemessen,  niadit  es  ja  den  meisten  freilich  unmöglich«  es 
für  die  Privat-Bücherei  zu  beschaffen.  Dafür  aber  sollten  I^iirer, 
welche  sich  für  Leibesübungen  intere.ssieren  und  Turnunterricht  er» 
teikn,  de.slo  nachdrückhclicr  darauf  hinwirken,  dafs  ls  für  die  Lehrer- 
Bibliotheken  angekauft  würde,  und  das  umsoiiiLlir  als  das  Buch 
u.  a.  auch  treffliche  Handreichungen  für  die  TnU rriclit.s- l'raxis  ent- 
hält. In  dieser  Hinsicht  ilürite  man  \ergei>licii  nacli  einer  wesent- 
lichen Lücke  suchen.  Nachdem  im  zweiten  Teil  (-Tumlehrec)  über 
Grundbegriff,  System  und  Methode  ein  gut  orientierender  Überblick 
gegeben  ist  folgt  eine  umfangreiche  Stoffangabe  für  alle  Oebiete  des 
Turnens, als:  Freiübungen, Ordnungsübungen, (k-rätübungen  iSpringeti, 
Bf>cks|>riti;jcn.  rferdsjintj.iren.  'rischs])nni:en,  Rci  k,  Barrcti,  Schaukel- 
ringe, tlrlfichgewichlsübungen,  KletUni,  rinni^.  n  mit  Handgeräten 
aller  Art).  Hierzu  bietet  der  dritte  Ted  <  Turnlidiieb  1  eine  gründ- 
liche Anleitung  über  die  Betriebsweise  der  Frei-  und  Ordnungs- 
übungen, derOerätubungen,  Musterbeispicleförden  Betrieb  des  Bock-, 
Pferd  und  Tischspringens,  sowie  der  Reck-,  Barren-  und  Schaukel- 
ring-Übungen.  Dieser  Teil  enthält  aufserdem  30  kurze  Beschreibungen 


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3«9 


von  'ruMis]>ielcn  und  zum  Schhifs  lU inerktmiren  ühvr  verwandte 
I.imIk  .sül)iin}^c-n  ( l'^xer/jcri;  n,  I\  rlitc  ii  Schicisen,  Reiten,  Tan/eu,  Kis- 
lautcn,  Schwiiuiuen,  Kailiaiircu  und  KuilL-ni). 

Aufser  der  Theorie  und  Praxis  des  Turnens  interessiert  den 
Freund  leiblicher  Frische  und  Tüchti^fkeit  aber  auch  noch  manches 
andere,  was  hieran  in  enger  Beziehung  steht.  Dieses  Interesse  findet 
durch  den  ersten  Teil  des  Buclies  reichliche  Bcfriedij^uns.  Der 
(UsMiiitinli  ilt  desselben  ist  mit  der  bescheidenen  rhcrschiift  Hiii- 
kitung  la /i'ichnet.  Wir  finden  hier  aufser  «jeschichtHi  hcn  Aiuku- 
tungLii  und  tineni  I'ljerlilick  iiber  den  lieiiligen  Standjninkt  der 
Leibesübungen  Aufsätze  über:  Volkstumen,  Turnziel.  Einrichtung  der 
<Deut(u:heu  Turnerschafts  Platz-  und  Tumordnung,  Turnplatz  und 
Turngeräte«  Übungsstoff  und  Lehrkräfte,  Kunstsprache  des  Turnens, 
Stufenordnen  der  Tumübungen,  Leistungsstatistik  und  Wetttumen, 
I'ünrichtungen  der  Deutschen  Turnfeste.  ( ieselligkeit  in  den  T  'rn- 
vercinen  nn<]  endbch  eine  Abhandlnn^;  übt  r  den  nu-nscliliclicn  f.eib. 

Das  'i  in  nt-n  wird  nocli  vielfach  als  eine  bh>lsf  l,icl iliaht  rci  ein- 
zelner belt achtet.  Man  sollte  endlich  einmal  anlangen,  es  uut  einem 
anderen  Mafsstabe  zu  messen.  Den  Anfang  damit  wird  die  Lehrer- 
schaft machen  müssen.  Möchte  dieselbe  in  dem  Jahre,  in  dem  sie 
allenthalben  dem  Erziehungs-Reformator  Pestalozzi  begeisterte 
Huldigungen  darbrachte,  sich  auch  daran  erinnern,  wie  dieser  Apostel 
der  harmonischen  Menschenbildung  über  die  Leibesübungen  gedacht 
hat.  Man  kann  es  naclile.sen  in  der  W  o  r  !i  e  n  s  r  h  r  i  f  t  für  Men- 
schenbildung (1»;  In  den  gebildeten  Krei.seu  uu.seics  \'»ilkes  i.st 
es  Mode  geworden,  über  das  Turnen  in  den  Schulen  gering  zu  denken 
und  Aber  die  Turnvereine  gar  die  Nase  zu  nunpfen.  Das  sollten  die 
Lehrer  wenigstens  nicht  mitmachen.  Sie  müssen  es  wissen,  dafsdie 
Tnrnsache.  von  welchem  (xesichtspunkte  auch  wir  sie  betrachten,  die 
eifrigste  l'örderxing  verdient.  Gesundheitlich  ist  sie  in  hohem 
(irade  nüt/hcli  und  ])ädagogiseli  ein  unentbehiiiclus  Hilfsmittel 
Am  wenij^stcii  alar  hat  man  bislur  <!cn  nationalen  und  s<i/ialen 
Wert  des  \  eremsturnens  erkannt  und  ausgenutzt.  In  die.ser  Richtung 
kann  die  I^hrerschaft,  die  so  oft  schon  eindringendes  Ver- 
ständnis für  wahrhaftes  Volkswohl  bewiesen  und  uneigen* 
nütxig  dafür  gewirkt  hat.  sich  noch  viel  Verdiemit  erwerben. 
Wer  dazu  sich  ausrüsten  will,  der  findet  in  dem  angezeigten  Buche 
tnanehes  werlvolle  Matt.ria]. 

Alfn'd  Böttclicr.  Staflt  l  uin Inspektor,  Li-hrgani:  für  das  Knnbi'ti- 
turnen  in  \'  <»1  k  s  s  c  h  u  1  en.  Ausführung!,  n  /.u  l  im  ni  seeh.s.stiifij;tii 
1, ehrplan.  Den  luinlchieiu  iin  Xolksücluilcn  vorgelegt.  -Mit  ill 
Abbildungen.  2.  Aufl.  Hannover  1895,  Verlag  von  Carl  Meyer 
((;ust.  Prior).  !45  S.  l8o  M. 

Das  bereits  im  4.  Jahrgang  der  Neuen  Bahnen-  (Heft  iti  an- 
gezeigte und  empfohlene  Werk  r.ötlehers  liegt  nunmehr  bereits  in 
zweiter  Auflage  vor.    Hinsichtlich  der  Befehlsform  der  Übungen  be- 


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it.  SrkruiT. 


fiiulct  sirli  der  Wrfasser  im  wcscntlicbcn  in  rhereitisliiinmiiij^  mit 
(Iciii  in/W  i.sclicn  crsclneiicncn  nrntHi  lu  n  ]jrt.  uisisrlu  ii  I.i  itfa«U'n  \-r>n 
wäliicjui  für  technische  lie/cichnuitgeii,  ila  liici  in  kleine  Abweichungen 
vorkotninefi,  in  einzelnen  Fällen  allerdings  jener  Leitfaden  hcrange- 
2os:en  werden  mute.  Als  methodisches  Hilfsmittel  für  die  Benntzungr 
des  letzteren,  nicht  nur  in  Aeehsklasst^en,  sondern  fiherhaupt  in  ^e- 
holjcnen  XOlksschulen,  wird  Böttchers  ^Lehrjpang  auch  fernerhin  sich 
vi(  lt   l'n  tinde  erwerben. 

Aiiiulic  Schönlank,  stiult.  Lelirerin  in  Ik-rltn,  Lehryilan  für  den 
T  n  r  n  n  n  t  e  r  r  i  c  h  t  in  Mädchenschulen  nebst  IJar- 
stellung  eines  Schauturnens.  Mit  einem  Vorworte  \'on 
dem  städt.  Obertumwart  Prof.  Dr.  K.  Angfcrstein  in  Berlin.  Berlin 
[894,  Nicolaische  Verlags* Buchhandlung  (R.  Strickerh  108  S. 
r,6o  M. 

Der  von  der  stildt.  Schuldcputation  in  Herlin  für  den  Turnunter- 
richt der ( iiMiieiiule-MädcbctischuK  n  vort^cscbriebene  T.ehr])I:in.  wi-lrlu-r 
nur  die  tioiwi  iulij^en  Haiij)!-  und  ( ■.rinuUüraieii  aii.ui(.  lil,  bat  in  du  ser 
Schritt  eine  \  ervoUstäudigung  und  lirweiterung  ei  talucu.  welclie  d;is 
Buch  auch  für  andere  als  die  genannten  Mädchenschulen  brauchbar 
erscheinen  läfst  Bei  der  Benutzung  wird  man  sich  jedoch  nicht 
ganz  streng  an  das  von  der  Verfasserin  Dargebotene  halten  dürfen. 
Die  Sttnuleneinteilnng  /.  Ii.  ninfs  darauf  Rücksicht  nehmen,  dals  ein 
'IVil  der  Stunde  durch  den  Wechsel  der  I.ehrgegcnständc  Ik'zw.  des 
Luleniclitsraumes,  durch  KK  idc  i  al»kgen  u.a.m.  verloren  utht.  Die 
Freiübungen  enthalten  noch  Be/eiclinuiigen,  welche  keine  allgemeine 
Anerkennung  finden,  wie  «Kiebit/gang  ,  Storchgang^-.  DieOrdnungS' 
Übungen  nehmen  im  I^ehrplan  einen  allzu  grofsen  Raum  ein  und  sind 
nicht  fiberall  klar  beschrieben.  Auch  die  reigenartigen  Übungen,  un- 
ricbtijf  mit  *Reigen«  überschrieben,  konnten  eine  l{iii.schränkung  er- 
fahren. Die  .\nswab1  der  Syticlc  ist  viel  zu  reichhaltig;  hier  luülste 
auf  allen  Stuleii  ein  lüehtij;er  Abstrich  gemacht  werden.  Ivs  ist  gar 
nicht  denkbar,  thus  die  Schülerinnen  einer  seehsklassigeii  Schule 
die  richtige  Spielfreudigkeit  und  Spielfertigkeitsich  aneignen  könnten, 
wenn  die  angegebenen  143  Spiele  wirklich  mit  ihnen  durchgespielt 
würden.  Eine  Umarbeitung  des  Buches  nach  den  angedeuteten  Kich- 
tungeii  hin  Würde  seine  Hrauchbarkeit  wesentlich  erhöhen. 
Mari«'  Müller,  Kinder  Ii  ed  K  i  n  d  e  rs  ]>  1  e  1.  Neue  Spiele  nml 
I, jeder  nebst  einer  Sanimluni;  lu'lieViler  Spitde,  C.ediebte.  Kfitsrl, 
1- esls] lielf  /n  kleineren  .\\iHühruiigen  etc.  uml  ciiici  Zusamnieii- 
slelluiig  von  Frei-  und  Ordnungsübungen.  Für  das  Haus,  den 
Kindergarten  und  die  Klenientarklasse.  2.  sehr  venn.  Auflage. 
Frankfurt  a.  M.,  Jägersche  Verlagsbuchh.  212  S.  240  M. 
Für  das  Haus,  den  Kindergarten  und  die  Elemcntarklassc  ist 
das  Buch,  wie  schon  aus  dein  Titel  zu  ersehen,  soweit  es  .sich  uni 
l'iiterhaltungs-  und  Spiel.stofft-  handelt,  ein  Müdeheti  für  alles  .  l'iei- 
unü  ÜrdnungKÜbungtrn.  wie  sie  den  Üedürfnisüen  des  Kindergartens 


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ontspreilun,  ((>  Morf^t-n  ,  Schlufs  ,  I't'sl  und  Marsch  Ii  cd  c*r,  77  Sintj- 
spiclc.  :?s  rtilcrhaltuii^sspieK-,  Sj)it-k'  fiu^  1  reie  (meist  Laviispiele 
für  jüu.UL'T'e  Kiiuleri.  9  riti^erspick^  ,  25  Baulieder.  Hall-  und  Kuj^cl- 
Spiele,  2.S  kleine  l.ieder,  11  WeihnachUslieder.  i  Weihnaclitsfcslspiel, 
ein  Anliati^^  mit  26  C Tehurtetags-  und  8  Neujahrswünscheti.  24  Sprüchen, 
.•^2  Rätseln  und  75  Cledichten  — :  das  ist  doch  in  der  That  eine  reich- 
lialti;ie  Zusaintneiistellung!  Mit  jjli'ioklielieni  Griff  ist  da1)ei  manches 
X'nlkslümliche  oder  von  namhaften  Dichtern  nnd  'J'onkünstlcrn  Ifer- 
rühre  luU-  f(  st  jrelialtcn.  auch  j^eistijjfe  Mr/eiij^nissc  dt  r  W  rfasserin  sin<l 
liiiu  ni<  11-1  Wer  einer  ^jnlclien  Sammlung  bedarf,  findet  in 
Maiie  Miillet  eine  erfahrene  lleialerin  I 

Fr.  Oindier,  städt.  I^ehrer,  und  Hermann  Srhramket  König:!.  Musik- 
direktor in  Berlin,  liin  neuer  Spielkanterad  in  Schule, 
Haus  und  (> arten.  Siebzig  neue  und  originelle  Jugendspiele 
mit  lusti}j;i  II  Weisen.   Berlin,  W.  Paulis  Nachf.  <H.  Jeroschi. 

In  tiei  Thal  ()riL;,iiu  lk  S]ni.  lc  und  el)ensolclie  W  eisen,  welche  l)ei 
jüns^eren  Kin<krn  nach  angemessener  Ivinübnng  gewifs  viel  Anklang 
finden  werden  I  Die  zu  Orunde  gelegten  Texte  zeigen  eine  sinnige 
Hingabe  und  Anpassung  an  die  Ktndesnatur,  die  musikalisch  wert- 
vollen, leicht  sangbaren  Melodien  desgleichen.  Jedem  Spiele  .sind 
Regeln  für  die  -Xnsführung  hinzugefügt.  Die  -euuUsreiche  Arbeit  der 
l>eiden  \  t  rf;tsser  verdient  vdIIc  Wi'irrli^ung  nnd  die  Ivinfülinmir  tuiment- 
lich  in  Kindergärten  \ttrh  in  tlcn  unteren  ScliulklasHeu  kann  sie  er- 
folin^iche  X'erweJidtin;^  finden. 

A.  NVtsrh,  Seminar-Oberlehrer  in  Dresden,  Spiel  buch  für  Mäd- 
chen im  Alter  von  6— 16  Jahren.  Auswahl  von  t,auf%  Sing- 
und  Ruhcsptelen  für  Schule.  Volksspielplatx  und  Familie.  Mit 
einem  Vorwort  von  Schulrat  Prof  Dr.  Eni  er,  rntcrrichlsdiri- 
genten  an  der  Kgl,  Turnlehrer- IJildungsanstalt  zu  Rerlin.  iSA  S. 
mit  .<]  I"ignre?i,  Hr\nno--er  iSm>.  C,  M ex  cr  (( iusta\-  l*ri(»n.  i.5tiM. 
l>u  Sannninng  entliält   r*K>  Spick-  in   rim  r  J{ehandluiii;>i\veisc. 
welche  auf  der  Höhe  der  Zeit  steht.  Nulit  einwand.sfrei  ist  die  Ivin- 
teihtng  der  Spiele,  wie  sie  der  Titel  angiebt,  sowohl  in  sachtichcr. 
als  auch  in  methodischer  Hinsicht   P^benso  kann  man  an  einzelnen 
Stellen  die  Art  wie  der  Grundgedanke  des  Spieles  (die  Spielidee) 
festgestellt  wird,  ablehnen.  .\ndt  i  rrseits  aber  bekundet  der  Verfasser 
eine  genaue  Ikkanntschnfl  mit  dem  Stoffe,  den  er  \<"nii^  beherrsi  ht. 
Die    lkschrf  ihnTT..'-en   «^in«l   «lemnach    klar,    kiir/   und  übersichtlich, 
scheiden  \\k  >c  ntliches  vom  l ' nwe.seutlichen  und  k«>nnen  als  eine  gute 
Anleitung  emj>fohlen  werden. 

iSchUiis  folgt. I 


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Neue  Bllclier  und  Aufsätze. 


n)  Bücher. 

Bor  II  cm  an  II,  Dr.  L.,  Sollen  wir 
Stdlsclirift  treiben  ?  Kin  päda^^o-r. 
(ititachteii  III.  ( fCiiehinij^^iiiiij  der 
k>{l.  norwe.ü:.  Regierung  deutsch 
bearb.  (;,6  S.)  Ifainburgf,  Herold. 
0,75  M. 

Hrnrkm.nm,  urkt.,  Rud.,  XOr- 
sehlüge  /.iir  Reform  desN'olksschul- 
unterrichts  m.  bes.  Berücksicli- 
(i^ung  des  Arbeitsuiiterr.  ((k>  S.) 
Köiiigsberj;,  Oräfe  u.  rnj^er.  i  M. 

I.in/,  Miiu-iM-hitiiehr.,  Friedr.,  Zur 
Tradition  und  Reform  des  fran/ö- 
üischen  IJuterricliLs.  Kine  histor.- 
krttische  Studie.  (03  S.)  I.aiiKeii- 
sal/a,  Beyer  u.  Söhne,    i,-*»  M 

Michaelis,  Dr.  i'aul.  Die 
Willensfreiheit.  (IV.  56  S.)  Berlin, 
R.  Partner.    I»20  M. 

Müller,  (!yniTi.-i)ir.,  i'rof.,  Dr.  II.. 
Bibul  oder  Sehulbibel (^4  S.i 
Wolfeiibiittel,  J,  Zwifslef.  0^50  M. 

Ohlert,  übpriohr.r,  Arnold.  Die 
deutsche  höhere  Schule.  Kin  Ver- 
such ihrer  Umj^estaltung  nach  den 
sittl.,  ;.:fisl.  11.  su/ialiti  Verlialt- 
ni.s,sen  unserer  Zeit.  (X\',  344  S.) 
Hannover,  C.  Meyer.  4  M. 

0])I)ernian  n,  s.  huiinnp.,  Kdin., 
(ieographi.sche.s  Namenbuch.  Kr- 
kläruiig  Kt^oKr  Namen  nebst  Aus- 
spraehebe/eichiiung.  Nach  I<]rd- 
teilcn  und  I, rindern  L:fcordnet  fX'I  I, 
176  S.)  Hannover,  C  Meyer.  2  .M. 

R  e  u  e  n  e  r ,  Fr.,  Be.sondere  l '  nter- 
riclilslelu  e.  Im  Cirundri.sse  dar^^e- 
stellt.  (\  HI,  391  S.)  Gera,  Th.  Ilof- 
mann.   .^40  M. 

S  n  1 1  w n  rk,Dr.  F*.  v..  1  )ie  Arheils- 
kunde  im  iiaturwisseiisehaftliclien 
Unterrichte.  56  S.)  Langen- 
salza, Beyer  n.  S")line.  ",So  Sl. 

Supprian,  Karl.  Ivr/iehunj^s- 
iind  Unterrichtslehre.  (X.  352  S.) 
I«.ipzig.  Diirr.    4  M. 

T  r  ii  p  e  r ,  j ..  f  )r.  K  o  c  Ii .  ( i  1*  f  c  r, 
Dr.  Zimmer,  Zur  pädagog^iseiien 
Palholoijie  u.  Thei  anie  (44 S.)  I,an- 
gcnsalxa,  Beyer  11.  böhne.  01,60  M. 


b  Aufsätze. 

Biedenkapp,  Dr.Ci.,  Niet/solus 
Bedeutung  für  die  Pädagoi;ik. 
rl'.-idatr.  ZI-  19-21.)  Rerltn^  \V. 
u.  S.  I.öw  enthal. 

Bergcniann,  Dr.  Paul.  Über 
Reproduktion    und  (Tedächtnis. 

(Rh.  Bläller  f.  Frz.  u.  Tnl  3  etc.) 
Frankfurt  a.  M..  Dieslerwej;. 

Brunswick,  Dr.  A..  Für  die 
alte  Methode <les neusprachlichen 
Unterrichts.  ( l'VankfurterSchulzti^. 
9--ii.i  Frankfurt  a.  M.  Alf.  Neil- 
mann. 

(iünther.  .\.,  Woher  die  MÜS- 
erff  ilue  in  der  Schulerziehuti}^.  (N. 
päd.  Zeitung  22.)  Magdeburg.  II, 
Jensch. 

Hartnack,  Karl,  In  welchen 
Momenten  des  rnUriiehls  ist 
dessen  11  icli  liildeude  Kraft  zu 
sueluii  Neue  wesld.  I^^ehrcrztg. 
S  -  II.)   Fiberfeld,  Boni. 

Hiemesch,  Karl  Ileinr.,  Die 
Willensbilduni;.  l.ine  ji.sycho- 
logi.sch  -  ])ä(la.i;oL;.  Betrachtung. 
(I).  Blätter  f.  erz.  l'nt.  17—21.) 
Langensalza.  Beyer  u.  Söhne. 

König.  Ad,,  l%iii  ßilderatlaü 
der  Pädagogik.  ( Blätter  f.  d.SchuU 
praxis  3.1    Nürnberg,  Korn. 

Mal  O.K.,  Wa.sheif.st:  'Chn.sto- 
zentrische  Behandlung  des  Kate- 
chismus.* (Ztscbi ,  f  (1  e\ .  K«.  I.-l'nt. 
3.»    Berlin.  Reuther  u.  Reicliard. 

Pfeifer,  W,  Zum  deut.sclieii 
SprachunLcrnciil.  (Päd.  Blätter  2.> 
Gotha,  Thienemann. 

Richter,  Dr.  Paul,  \'..rslellen 
und  Sprechen.  (Päd.  Blätter  2.) 
Gotha,  Thienemann. 

Scherer,  H..   Zur  Lehrerbil- 

duiigsfrage.  (Rh.  Bl.  f.  I'r/  n.  fut. 
3  etc.)  I-Yankfurt  a.  M.,  Uiestei w «  g. 

Zenz,  Dr.  W.,  Die -V.s.stK  lalion. 
i(  )sterreicliisclier  Schulbote  4.) 
Wien,  Pichlers  Wwe.  u.  Sohn. 


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Neue  Balmeii. 

PÄDAGOGIUM.  -'STw^ 
Monatssclirifl  für  Haus-,  Schul-  und  Gesellschafks-Erziehung. 

IMi  8.  Am/mf  1896.  VIL  Jah]*g. 

Über  ITolkslioclisclixilen. 

\'uii  Dr.  P.  BergemaBn  in  Jena. 

Nach  oinciii  treffenden  Worte  d.  Schmollers  in  seinen 
Aufsätzen  zur  Sozial-  uud  Gcwer])epoHtik  der  Gegenwart 
Hc^t  »der  letzte  Grund  aller  sozialen  Gefahr  uicht  in  der 
Dissonanz  der  Besitz^  sondern  der  Bildungsgegeusätze«.  Da- 

lier  ninfs  an  diesem  Pnnkle  alle  soziale  Reform  einsetzen: 
sie  mnfs  die  Lebenslialtunj»,  den  sittlichen  Charakter,  die 
Kenntnisse  nnd  Fähigkeiten  der  unteren  Klassen  heben'.  Das 
Mittel  zur  Erreichung  dieses  Zweckes  ist  die  Erziehung  uud 
zwar  im  weitesten  Sinne  des  Wortes,  sofern  sie  auftritt  als 
Jugend-  und  als  Volkserziehung.  Was  jene  betrifft,  so  gilt 
es,  der  füi  die  Charakter! nldting  vornehndich  in  Hetracht 
kommenden  häuslichen  Ivrziehung  mehr  Aufmerksamkeit  als 
bisher  /nzinvcncUn  und  auch  diese  unter  die  Kontrolle  der 
( iesc  ll^elialL  /u  su  lleii:  die  liilduugs/./iele  der  \'olksschule 
der  niudcnieu  Weltanschauung  und  Lebensauffassung  gemäls 
umzugestalten  uud  den  Kreis  ihrer  Lehrgegenstände  deni- 
cuts])rcchend  zu  erweitem;  die  obligatorische  Fortbildnngs- 
schule  überall  zur  Durchführung  zu  bringen;  in  ausreicheu-p 
dem  Mafse  für  Errichtung  von  Gewer r)eschulen  Sorge  zu 
tragen;  endlich  freie  liildungs«^cnieiuschaften  für  die  Jugend 
ins  Lehen  zu  rufen,  al«^  da  sind  Lesekränzchen,  Spielver- 
einigiini^eu.  Tnnikuisi-  11.  ;i.  111.  und  dabei  darauf  zu  sehen, 
dafs  hier  die  Jugend  ailei  Stände  und  ßeruisklasseu  sich  zu- 
sauiuienfindet  und  kameradschaftlich  miteinander  verkehrt 
WaK  die  Volkserziehung  anlangt,  so  sind  als  dabei  in  Be- 
trat Iii  konunende  Mittel  folgende  zu  nennen:  Anlage  Öffent- 
licher Lesehallen  uud  Volksbibliotheken,  Errichtung  v(»n 
X'olkshochschnleu;  iMiiführung  allgemeiner  \'olksfeste  im  Au 
schlnls  nn  die  S|)iele  der  Ju<4eu(l:  Veranstaliuu l;  nllgemeinei 
geseilij^ei  I  ntel  halUHi.L;.sa!>ende  uud  musikaHseher  und  dra- 
niatisciicr  Aufführungen,  für  welche  entweder  gar  kein  oder 

X«ir  BahnFtt  (PidAfogiunJ  TU.  9,  26 


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394 


Dr.  P.  fierK«in«iia. 


nur  ein  sehr  geringes  Eintrittsgeld  erhoben  wird  und  Grün- 

dune  zahlreicher  kleiner  Geiiieiuschaften  zur  Pfleg:e  sittlichen 
bezw.  sittlich-religiösen  (ieistes.  Für  uns  handelt  es  sich 
jetzt  blofs  Hill  die  Besprechung  der  \'olkserzielninir  nnd 
zwar  dabei  auch  wieder  einzijj  und  allein  um  die  cKs  an 
zweiter  Stelle  angegebenen  Mittels  derselben,  also  um  die  I5c- 
sprechimg  der  Volkshuchschulen, 

Ober  die  Notwendigkeit  der  Errichtung  solcher  Schuten 
wird  seit  einiger  Zeit  in  Deutschland  allenthalben  geschrieben 
und  geredet,  ohne  dafs  man  sich  jedoch  weder  über  ihren 
eigculUchen  Zweck,  ihre  letzte  und  höchste  ncslimiTning,  nocli 
darüber  stets  ganz  klar  ist,  wie  man  die  vSache  :ni/u lassen  habe, 
um  den  Plan  ans  der  Tluorie  in  die  l'rnxis  umzusetzen,  so 
zwar  dafs  ailcu  berechtiglcii  Anlunievuiigeii  auch  wirklich 
Genüge  geleistet  werde*  Es  wird  daher  kein  fiberflüssiges 
Beginnen  sein,  wenn  ich  versuche,  die  Aufgabe  der  Volks- 
hochschule genau  zu  präzisieren  und  die  Mittel  imd  Wege 
anzugeben,  welche  sicher  zum  Ziele  zu  führen,  jene  Aufgabe 
bestimmt  zu  erfüllen  geeignet  zu  sein  sclieineii.  l'm  dieses 
zu  können,  gilt  es,  die  in  anderen  Ländern  bereits  \()rhan- 
denen  diesbezüglichen  Kinrichtungen  einer  sorglälligen 
Prüfung  zu  unterziehen,  die  dort  getroffenen  Mafsnahmeii 
miteinander  zu  vergleichen,  um  dadurch  gewisse  allgenieine 
Regeln  für  ein  nachahmeiules  Vorgehen  zu  gewinnen  und 
diese  dann  mit  den  1»  i  uns  bestehenden  Verlirdtnissen  in 
Einklang  zu  bringen.  Kurz,  es  k(>uunt  dabei  darauf  an,  die 
anderwärts  gesammelten  l{rfahrun^eii  nulcr  Berücksichtigung 
der  deutschen  Kigenart  uns  zu  Nutze  zu  machen.  Um  ieues 
andere  zu  vermögen,  ist  es  allerdings  nötig,  ein  wenig  weit 
auszuholen.  Denn  die  Aufgabe  der  Volkshochschule  kann 
nur  dann  sicher  bestimmt  werden,  wenn  man  über  den  Zweck 
der  Volkserziehung  im  allgemeinen  uud  darüber  sich  klar 
geworden  ist,  in  welchem  Verhältnisse  dieselbe  zur  Jugend- 
erziehung stellt. 

Nacli  dem  Hingangs  bereits  ( Tcsagten  soll  mm  die  Volks- 
crziehung  mit  dazu  beitragen,  die  Kluft  zwischen  den  Ge- 
bildeten und  den  Ungebildeten  zu  überbrücken,  die  vorhan- 
denen schroffen  Bildungsgegensätze  aus  fler  Welt  zu  schaffen 
und  dadurch  die  drohende  soziale  Gefahr  zu  beseitigen.  Die 
Jugenderziehung,  auch  die  best  organisierte  und  umfassendste, 
geschweige  denn  die  den  Kindern  der  grofsen  ^^asse  des 
\'olkes  heutzutage  gewährte  unzureichende,  viel  zu  früh  auf- 
hörende, kann  nicht  als  genügend  zur  Krreichung  dieses 
Zieles  angesehen  werden,  wenigstens  nicht  im  allgemeinen, 
wenn  dies  auch  in,  wie  ich  st)gar  glaube  zahlreichen,  Einzel- 
fällen anzunehmen  ist    Es  sind  das  erfreuliche  Ausnahmen, 


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Cbtr  V«llift|»ocli*rkiileii. 


nach  denen  man  aber  nicht  die  Meuschennatur  überhaupt 
beurteilen  darL   Wie  die  Menschen  nun  einmal  beschaffen 

sind,  ist  für  die  meisten  nnter  ihnen  die  Erziehung,  die  sie 
in  der  Jnj^end  ji^enosscn  haben,  nicht  nachhaltig^  genug,  lun 
sie  für  flie  Zeit  ihres  .<^ati/cii  ferneren  Lebens  vor  dem  Uni- 
sieiij^reilen  l)anausischen  (ieihles  zu  bewahren,  \\  v\u\  es  turtan 
an  lebliafter  geistiger  Anregung  feldt  Und  zwar  niufs  es 
sich  dabei  um  eine  der  Mannigfaltigkeit  der  geistigen  In- 
teressen auch  wirklich  entsprechende  bestandige  Anregung 
handeln.  Oder,  da  jene  Vielseitigkeit  nach  drei  Hauptrich- 
tungen hin  sich  änfsert  und  somit  unter  drei  Hauptgesichts- 
punkten sich  betrachten  läfst,  nämlich  dem  intellektuellen, 
dem  ästhetischen  und  dem  ethischen,  bezw.  ethisch-religiösen, 
kann  auch  gesagt  werden:  die  XOlkscrziehung  habe  es  sich 
angelegen  sein  zu  lassen,  den  intellektuellen,  ästhetischen  und 
ethischen  bczw.  ethisch-religiösen  Bedürfnissen  der  grofeen 
Masse  des  Volkes  gerecht  zu  werden,  dieselben  angeniesseu 
'/M  befriedigen.  Durch  die  Befriedigung  der  erstgenannten 
wird  eine  Hebung  der  Kenntnisse  und  Fähigkeiten  des  Volkes, 
durch  die  der  letzterwähnten  eine  solche  seines  sittlichen 
Charakters  erzieh;  die  Berücksichtigung  endlicli  des  zweiten 
Punktes  ist  dazu  angethan,  seine  Lebensgestaltuug  zu  ver- 
edeln. 

Alle  Volksersdehung  stellt  sich  also  dar  als  intellektuelle, 
ästhetische  und  ethische  bezw.  ethisch-religiöse.  Im  Dienste 
der  ersten  stehen  die  öffentlichen  L^ehallen,  Volksbibliothekeu 

und  \*<'lkshochschTilt  n.  der  anderen  die  Volksfeste,  die  allge- 
liieinen  geselligen  Zusammenkünfte  und  die  gratis  oder  /u 
billigen  Preisen  veranslalleten  dranuitischen  und  musikalischen 
.'Vullülnungen,  der  letzten  die  Gemeiuseliuiten,  welche  nicht 
nur  die  Erbauung  ihrer  Mitglieder  bezwecken,  sondern  auch 
die  freie  Aussprache  über  ethische  und  religiöse  Fragen  zu- 
lassen inul  ferner  vor  allem  die  gegenseitige  liebevolle  Für- 
sorge, die  in  X'orbild,  freundlicher  Ermunterung,  brüderlicher 
Zurechtweisung  besteht,  bclf)nen  alles  Dinge,  "welche  die 
schon  früher  gestellte  Forde  rung  vec  lufertigen,  dals  es  dabei 
sich  mn  nur  kleine  Oemeinseluüten  handeln  solle,  deren  Zu- 
staudekommen  wirklich  blofs  von  der  Ubereinstmimung  der 
ethischen  und  religiösen  Interessen  und  Anschauungen  in 
allen  Stucken  abhängig  ist.  Fassen  wir  nun  den  ersten 
Funkt  näher  ins  Auge,  die  intellektuelle  Seite  der  Volkser- 
ziehung, so  gilt  es,  die  Aufgabe  der  Volkshochschule  gegen- 
über derjenigen  der  anderen  hier  in  Betracht  kommenden 
Mittel,  öffentliche  Lesehalle  und  Volksbibliotliek,  genau  ab- 
zugrenzen, bezw.  das  \'erhältnis  zwiselien  tliesen  untl  jener 
klar  zu  legen.  Das  hat  kciuc  Schwierigkeit  Öffentliche  I>sc- 

26- 


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Dr.  P.  B4>irir»m«iiii. 

halle  und  Volksbibliotliek  dienen  dem  Zwecke  der  intellek- 
Liiellen  Bildung  dadurch,  dafs  sie  dem  Volke  zur  eigenen  He- 
lehrnnjr  geeijj^ete  Lektüre  (lar!>ieten,  wahrend  die  Volks- 
hochschnle  das  nämliche  Ziel  dnrch  l^Uerriclit  zn  erreichen 
bestrebt  ist,  dnrcli  welchen  jenes  dnrch  Lektüre  erworbene 
Wissen  erst  walirbaft  fruchtbar  ^jfcniacht,  «geklärt  und  vertieft 
wird.  Knrz  kann  gesagt  werden :  tbe  Vülkshocluschnlc  ver- 
mag durch  das  ihr  zu  Gebote  stehende  Mittel,  auf  die  in- 
tellektuelle Bildtmg  des  Volkes  einzuwirken,  nämlich  den 
UnteiTicht,  das  Verständnis  desselben  für  die  mannigfachen 
Probleme  des  Lebens,  besoinUrs  des  Knlturlebens,  weit  mehr 
/n  verfeinern,  als  dies  blofsr  L<  ktnre  zn  bewirken  imstande 
ist,  wenn  dieselbe  anch  keincswe^rs  belanj^los,  soniUin  \iel- 
nielir  als  propädentisches  Mitlel  von  Hedentnnii;  ist.  Wie  ciic 
V'olkshochschnle  anf  diese  Weise  die  Selbstbelehrnng  dnrch 
Lektüre  ergänzt,  so  bereitet  sie  weiterhin  aber  auch  das  Volk 
wieder  daranf  vor,  den  in  Büchern  und  Zeitschriften  ent- 
haltenen Bildungsstoff  besser  verstehen  und  wahrhaft  nutz- 
bringend innerlich  verarbeiten  zu  können.  Ja  nrich  Tuehr: 
wie  dieser  \'()lksnntcrnc!it  als  notwendige  lui^.'lu/.ung  zur 
Lektüre  liin/ukonmirn  inul's,  si»  bedarf  er  derselben  sein-  r- 
seits  nnbetlingt,  wenn  er  wirklich  nachhaltig  sein  .soll,  l^s 
ist  eben  in  dieser  Beziehung  um  ihn  ganz  ebenso  bestellt  wie 
tun  jeden  anderen  Unterricht,  z.  B.  den  an  den  Universitäten, 
anch.  Es  besteht  also  zwischen  den  Mitteln,  welche  die 
Hebung  der  intellektuellen  liildnng  des  Volkes  bezwecken, 
der  \'()lk.shochschnlc  einer-  inid  de  r  nffentbche  Leselialle  und 
X'olksbibliothek  anderseits  ein  ge  wisses  Wechseln  rliriltnis 
ihrer  Wirksamkeit  ein  l'mslanil,  welcher  zn  der  Indj^einng 
berechtigt,  dafs  Volkshoch.schulen  nur  in  \'erbindnng  mit 
Öffentlichen  Lesehallen  und  Volksbibliothekeii  gegründet  wer- 
den müssen,  wenn  sie  ihrer  Hestimmung  gerecht  werden 
sollen.  —  Die.se  besteht,  dem  bisher  (iesagten  zufolge,  in  der 
Hebung  der  intellektuellen  I)il(bin;>  der  grolsen  Masse  des 
X'olkcs  dnrch  l'nterriclil.  Hinsielulit  h  desselben  sind  jedoch 
noch  einige  weitere  allgemeine  i\ stsc  i/nn;^«.  ii  initig,  ehe  icli 
zur  Besprechung  des  anderen  Pnnkie.s  meines  Programms 
fortschreite. 

Es  ist  nämlich  noch  die  Frage  zu  beantworten,  in  welchem 
Verhältnisse   der  Volksunterricht    zum  Jugendunterricluc 

stehen  solle  eine  l'rai^'-e,  die  nicht  umgangen  werden  <larf, 
wenn  man  über  die  .Anlgabe  (K  r  \'olkshochschnle  zur  vollen 
Klarheit  gelangen  will.  •  Der  j  ug{Midnnterncht  nun  soll,  wie 
erwidini,  in  den  Vulks.schnl-  und  den  i*orlbiidung.sschul-l  nter- 
richt  zerfallen.  Jener  vermittelt  die  Kenntnis  der  uuentl>ehr- 
liehen  Elemente  alles  Wissens,  aller  intellektuellen  Bildung 


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(soweit  dif  j^^-lelirtc  nicht  in  IJetraclu  kumiiit);  diesem  fällt 
tlic  Aufgabe  zu,  dcii  Kreis  dieses  Wissens  so  zu  erweitern, 
dafs  der  Schüler  der  Fortbildungsschule  am  Ende  ihres 
Kurses  mit  dem  Gymnasialabiturienten  (natürlich  immer  ab- 
t^escben  von  den  für  die  Vorbereitung  auf  einen  wissenschaft- 
lichen Ueruf  erft)rderlichen  Materien)  so  ziemlich  auf  gleicher 
l>ildun.u:sstufe  steht.  Wie  dem  letzteren  nun  zur  wenijrstens 
anurdiernden  Vnllendun;^  seiner  inlellektuellen  Bildung  die 
(ielehrtenhochschnle,  im  besonderen  die  Universität,  offen- 
steht, so  soll  dem  ersteren  die  Volkshochschule  die  bezüglich 
nämliche  (Gelegenheit  bieten.  Ihre  Aufgabe  besteht  somit  in 
der  iiiiterrichtlichen  Ubermittelung  höheren  Wissens,  weiter- 
gehender Kenntnisse,  aber  ohne  es  dabei  auf  Gelehrsamkeit 
abgesehen  zu  lialter..  Freilich,  ^()lange  wir  noch  nicht  durch- 
weg die  obligatorische  I-'ortbildungsschnle  haben,  wird  die 
\'olkshochschule  nicht  geringe  Schwierigkeilen  überwinden 
müssen,  um  ihren  Zweck  zu  erfüllen.  Jedoch  ist  anderseits 
auch  wieder  m  bedenken,  in  wie  hohem  Grade  das  praktische 
lieben  die  Reifeentwickelung  des  Menschen  zu  befördern 
vermag.  Trotzdem  wird  allerdings  die  Volkshochschule  erst 
dann  ganz  oder  doch  leichter  der  angegebenen  Aufgabe  zu 
eutsiMechen  imstatide  sein,  wenn  ihre  Hörer  durchgehends 
anfser  der  Volks-  .luch  eine  l'ortbildun^^ssehule  besucht  haben 
werden.  I^is  dahin  wird  die  Volkshochschule  oft  genug  gleich- 
^ceitig  Fortbtldnngsscliule  sein,  also  zweierlei  Tendenzen  in 
sich  vereinigen  müssen,  was  niemals  ohne  nachteilige  Polgen 
liinsichtlich  der  Hrreichung  ihres  höheren  und  eigentlichen 
JCieles  bleiben  wird.  Hai  aber  erst  die  Volkshochschule  nicht 
mehr  mit  dieser  Kalamität  zu  kämpfen,  so  wird  sie,  worauf 
ich  hier  nur  im  \'orbeiq;ehcn  hinweisen  will,  nicht  nur  den 
ehemaligen  Schülern  tler  X'olks-  und  der  P'ortbildungs.schnle 
eine  willkonnnene  höhere  Hildung.sstätte  sein,  .sondern  ver- 
mutlich auch  gern  von  denen  besucht  werden,  welche  eine 
Hürger-  und  eine  der  niederen  Fachschulen  absolviert  haben. 
In  der  That  wird  man  sagen  können,  dafs  die  Volkshoch 
schule  für  alle,  welche  Keinem  wissen.schaftliclieii  lk*rufc  sich 
zuv:ewen(let  iiaben,  tler  Mittel-  und  Samirielpunkt  des  geistigen 
I,ebens  und  Strebens  zu  sein  bestimm l  ist. 

Kudl  ch  mufs  an  dieser  Stelle  noch  ein  Punkt  zur  Sprache 
gebracht  werden.  Ks  fragt  sich  nämlich,  auf  welche  Gegen- 
stände sich  der  Volkshochschulunterricht  erstrecken  solle. 
Die Heantwortmi -  dieser  Frage  hängt  offenbar  von  dereiner 
anderen  ab,  derjenigen  nach  den  Bestandteilen,  welche  nach 
unseren  heutigen  .Anschauungen  die  iTitellektnelle  Bildung, 
abgesehen  \ on  der  wissenschaftlichen,  gelehrten,  ausmachen. 
Welches  sind  nun  diese  BesLandteile?    Au.szuscheid-n  sind 


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39» 


hier  iiattirlicli   diejcnij;cn  unter  ihnen,  welche  seit  langem 
schon  als  unentbehrlichste  Elemente  der  intellektuellen  Bil- 
ditnjj  in  den  Jugendunterricht  Aufnahme  gefunden  haben 
und  dort  vom  ersten  Schnltage  an  s  »  eifrige  Pflege  finden, 
dafs  die  Schüler  der  Volksscliule  beim  Verlassen  derselben 
zumeist  dieselben  genügend  behensclRu.    Soweit  es  dnrmi 
aber  doch  noch  fehlt,   hat  die  I'\>rtl)il(hingsschn1e   die  Ans- 
fiilluiig   (lii-ser  Lücke  sich   ungelegen  sein  zu  lassen,  bezw. 
niuls  tlaiiii  der  Privatfleils  ausliehen.  Die  Gegenstände,  welche 
ich  dabei  im  Auge  habe,  sind  Schreiben,  Lesen,  Rechnen. 
Sehen  wir  von  diesen  also  ab,  so  glaube  ich  nicht  fehlzu- 
gehen,  wenn  ich  als  sonstige  un\  cräufserliche  Kestandteile 
moderner  Geisttsl)ildung  (in  der  gekennzeichneten  Umgren- 
zung des  Begriffes!   folgende  betrachte:  (Tcschichte,  Staats- 
lehre, Naturknndc  und  Geographie.  He/uglieh  der  Staatslehre 
inid  Naturkunde  möclite  ich  noch  besundcrs  bemerken,  dafs 
ich  diese  Disziplinen  hier  im  weitesten  Sinuc  des  Wortes  ver- 
standen wissen  will.   Zur  Staatslehre  rechne  ich  z.  B.  auch 
die  Ciesetzesknnde  und  die  Nationalökonomie;  bei  der  Natur- 
kunde zieheich  n.  a.  die  Hygieine  und  die  Anthropologie  in 
Betracht.    Aufserdeni  werden  aber  atich  noch  einige  andere 
Materien  zu  berücksichtigen  sein,  nämlich  nu)ralische  und 
ästhetische  (z,  B.  Htterarische)  Belehrungen.    Denn  es  kann 
keinem  Zweifel  unterliegen,  duls  die  ethi.sche  und  die  ästhetische 
Bildunp^  auch  ihre  theoretische,  also  intellektuelle  Seite  haben, 
und  diese  darf  neben  der  praktischen  nicht  vernachlässigt 
werden,  wenn  die  Bildung  (im  ganzen  genommen)  nicht 
mangelhaft  sein,  keine  Lücken  aufweisen  soll.    So  gewinnt 
die  intellektuelle  mit  der  cthisclien   und  ästhetischen  Volks- 
Krziehung  Inihlung.    Ja,  es  besteht  sogar  zwischen  diesen 
und  jener  ein   gewisses  Verhältnis  der  Wechselbeziehung : 
denn  bedürfen  die  einen  der  klärenden  Ergänzung  durch  die 
andere,  so  liefern  sie  doch  eben  dafür  auch  wieder  das  zur 
Illustration  erforderliche  Material.  Und  schliefslich  noch  eines: 
auch  pädagogische  Belehrungen  werden  in  den  Kreis  der 
Unterrichtsgegenstände   der   \'olkshochschule  aufzunehmen 
sein.    Denn  einerseits  kann  nuin  wohl  sngen,  dafs  \'crständ- 
uis  für  lu'/.iclniugsfrageu  zur  intellektuflk-n  Üihlung  gebort; 
antlerseits  erseheint  jene  Forilcruug  als  durch  praktische  Kr- 
wägungcn  vollkommen  gerechtfertigt   Wie  die  einzelnen 
Teile  der  Volkserziehung  trotz  aller  Sonderaufgaben  schliefs- 
lich doch  ein  Ganzes  bilden  und  vielfach  dein  kurz  vorher 
Gesagten  zufolge  ineinander  greifen,  so  steht  auch  die  \'olks- 
erziehnng  in  engster  Beziehung  zur  Jugcnderziehnng.  Sollen 
die  Bildungsgegensätze  wirklich  ausgeglichen  wtKkn,  dann 
mufs  mau  damit  .schon  in  frühester  Jugend  den  Anfang 


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über  Tol1l«k«cliacbiileii. 


iiiadien.  Datnit  dies  aber  auch  niö<):1ic1i  sei,  inüssen  die  KUern 
nicht  nur  IJiklunjj^  bcsit/.cn,  sondern  auch  dazu  befälligt  sein, 
diese  praktisch,  eben  bei  der  Krzichiing  ilirer  Kinder,  zu  ver- 
werten, (1.  Ii.  sie  müssen  es  verstehen,  ihre  Kinder  zu  cfcbil- 
<leten  Menschen  zu  erzielien,  wozu  sie  der  pädagogiscliui 
Schuhrnj^  unbccHnj^t  bedürfen. 

So  läfst  sich  denn  nun  die  Aufgabe  der  Volkshochschule 
endgilti.i;  dahin  bestimmen,  dafs  man  sagt:  die  Volkshoch- 
schule soll  die  intellektuelle  Bildung  vor  allem  der  grofsen 
Masse  des  \*olkes,  weiterhin  aber  überhaupt  der  Angehörigen 
aller  nicht -wissenschaftlichen  Herufe  fördern  durch  den  Unter- 
richt in  all  den  (legenständen ,  welche  als  Bestandteile 
moderner  rTei>lcslnl(lnng  gelten,  abgesehen  von  den  ganz 
elemen Laren,  von  den  nur  für  (ielehrsamkeit  in  Üetracht 
kommenden  (2.  R  Mathematik,  alte  Sprachen,  Philosophie) 
und,  füge  ich  hier  noch  hin^u,  von  denen,  welche  für  be> 
stimmte  praktische  Berufszweige  von  Wert  sind  (wie  fremde 
neuere  Sprachen). 

Damit  bin  ich  bei  dem  /.weiten  Punkte  meines  Programms 
angelangt,  bi  i  der  ErürU  rnnq-  der  I'rage  nach  der  Ckstaltung 
des  Untenichles  der  \'ulk.shochschule  und  überhaupt  nach 
ihrer  Organisation.  Wie  bereits  erwähnt,  gilt  es  hierbei, 
zunächst  die  anderwärts  getroffenen  diesbezüglichen  Anord- 
nungen kennen  zii  lernen  und  dann  zu  prüfen,  ob  und  in- 
wieweit dieselben  auf  unsere  Verhältnisse  übertragbar  sind. 
Tiei  dieser  Crelegenheit  werde  ich  hin  und  wieder  auch  noch 
auf  das  zurückgreifen  müssen,  was  ich  am  Kiide  des  ersten 
Teiles  meiner  .\rbeit  ausgeführt  hal)e. 

Us  ist  eine  eigentümliche  Erscheinung,  dals  Deutsch- 
land, welches  vordem  gerade  wegen  seiner  Volksbildung 
gerühmt  wurde,  in  der  letzten  Zeit  in  dieser  Hinsicht  hinter 
anderen  I^ändern  zurückgeblieben  ist.  namentlich  hinter 
England,  -Amerika  und  Dänemark.  Auf  eine  Untersuchung 
der  (iründe  dieser  Erscheinung  kann  ich  mich  jetzt  natürlich 
nicht  einlassen:  ich  mufs  nnVh  damit  begnügen,  einlach  die 
Thatsache  zu  ke>nstatieren,  dals  es  bei  uns  zwar  nicht  ganz 
an  Bestrebungen  fehlt,  welche  in  zeitgemäfser  Weise  auf  die 
Hebung  der  Volksbildting  abzielen,  dafs  diese  Bewegung 
aber  bisher  noch  nicht  gröisere  Dimensionen  angenommen 
hat,  weder  rücksichtlich  der  Volksbildimg  im  allgemeinen 
noeli  «lei  intellektuellen  im  besonderen,  am  wenigsten  in  der 
Richtung  aul  deren  lur\orrnq-endstes  Mittel,  dir  \'(>lkshoch- 
schnle.  Alb  i<linL'>  liaL  mau  hier  und  da  volkstümliche  \'or- 
liäge  und  <iucli  Kurse  eingerichtet;  aber  es  sind  das  doch 
immer  nur  vereinzelte  Vorstöfse.  Anfserdem  verfolgt  man 
dabei,  soweit  ich  unterrichtet  bin  und  mir  daher  ein  Urteil 


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400 


erlauben  darf,  entweder  melir  den  Zweck,  das  Kortkoinmeu 
im  Leben  zu  erleichtern,  als  den,  ( lelej^enlteit  zur  Erwerbung 

einer  tüchti«fen  allgemeinen  HiklnnjC^  einzijr  und  allein  nni 
des  idealen  Vorteils  willen  ym  bitten.  \Veni<;^stens  ist  das 
der  Fall  bei  den  in  nielircicii  (leiilsclKn  Stä<lren  bestellenden 
Bildungsvereinen,  wie  /..  Ii.  tleni  licilinci  liantiwerkcrA'erein, 
dem  Bildungsverein  für  Arbeiterin  Hamburg,  dem  Münchencr 
Volksbildungs verein  u. am.  und  auch  bei  der  in  Strafsburg 
ans  der  vom  Volksbildungsverein  im  Jahre  1875  gegründeten 
Abend-P'ortbildnngsschnle  ninnuelir  liervorge}j;;angcneu  Volks- 
hoelisclinle,  wenn  .schon  in  etwas  anderer  Weise  als  hei  jenen. 
Oder  aber  man  hat  dabei  nl)erhanpt  nieht  so  sehr  die  breiten 
Massen  des  Volkes  als  vielmehr  nur  dessen  mittlere  vSehiehten 
im  Auge;  so  habe  ich  diesen  Eindruck  z.  K  von  der  Hum- 
boldt-Akademie nnd  der  Urania  in  Herlin.  Vielleicht  irre 
ich  mich;  ist  es  an  dem,  so  mnfs  ich  sagen,  dafs  jene  dann 
allerdings  eine  Volkshochschule  im  besten  Sinne  des  Wortes 
ist,  wenn  ich  auch  nicht  durchaus  mit  ihrem  Lehrplan  ein- 
verstanden .sein  kann,  (iedncht  als  solche  ist  sie  jedenfalls; 
ist  sie  doch  wenige  Jahn.,  nachdem  in  Cambridi^'-e  die  l'ui- 
nrslfff  Kr/vtisiou  begonnen  liaUe,  gegründet  wurden  m  der 
ausges])rocheneu  Absicht,  jenes  Unternehmen,  wenn  auch 
nicht  beafüglich  der  Leitung  sondern  blofs  der  inneren  Ge- 
staltung nnd  der  Ziele,  auf  deutschen  Boden  zu  N  erpflanzen. 
Ul)er  die  nach  dem  Muster  der  Humboldt  -  .\kadeniie  in 
Königsberg  bestehenden  Kurse,  welche  hVau  Hemiette  Becker 
im  Jahre  1S93  ins  T.eben  gei  nten  hat,  und  die  von  rnix  ersitäts- 
Professoreu  abgehalten  werden,  bin  ich  nicht  näher  unter- 
richtet; daher  mufs  ich  mich  mit  der  blofseu  Erwähnung 
begnügen. 

Wenden  wir  uns  jetzt  zur  IV  t:  achtung  der  im  .\uslaude 
bestehenden  diesbezüglichen  Einrichtungen,  der  ausländischen 
\*«tlks!i<)cli<c]uilcn,  so  finden  wir,  dafs  zwei  Arten  derselben 
sieli  unterscheiden  lassen:  die  englischen  und  nach  enj>;lischem 
Mu.ster  eingenchtelen  and  die  dänischen.  Uber  beide  be- 
richtet das  treffliche  Handbuch  des  \'olksbildungsweseus 
von  Professor  Reyer  in  Wien  (Stuttgart  1896);  für  die 
Kenntnis  dieser  ist  ferner  recht  instruktiv  der  Artikel  von 
Professor  M.  Hartmann  Die  Volkshochschulen  Däneumrks*^ 
in  den  Comenins-Blätter  für  \'olkserziehnng  Jahrgang^ 
Xn.  T  nnd  2).  Wa^;  die  enq^Hschen  nnd  die  nach  englischem 
Muster  eingerichteten  \'(  ilkshoelischnlen  betrifft,  so  verweise 
ich  besonders  nocli  auf  den  Aufsatz  von  i'roies.sor  Hamdorff 
*Ober  den  Stand  der  V'olkshochschulen  im  Auslände*  (eben- 
daselbst), alsdann  auf  die  Arbeit  von  Harald  Hjärne  «Die 
Hochschulen  und  die  Volksbildung  in  England (Auszug  in 


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40I 


den  ComeniuS'Hlätter  für  Volkserzielum»;  ,  III.  Jalir<;ang, 
No.  5  wn<l  6)»  auf  das  Werk  von  v.  Schulze-Gävernitz  -Zum 
soötialcii  iTiedeii*  (Bd.  I.  S.  457  ff.  Leip/ij^^  1890)  und  cMidlich 

auf  Dr.  JaiiK-s  Rüssels  Hioschrire  Die  Volksliocli.schulen  iu 
Kiiglaiul  niul  Ainerik.i   (di  iitscli  von  ( ).  \V.  IVn  er,  Lcip/.ij^  iSq.S). 

Der  <|;rofse  Uiik  1  scIul d  /.wisclu-n  dcii  (iänischcn  und  den 
enj4:lischen  Vulk.slujcli.scliukn  ibeiläulij.^  bemerkt:  jene  sind 
Ijedeutend  älteren  Datums  als  diese)  besteht  in  zweierlei; 
zum  ersten  darin,  dals  die  däiiischeu  nichts  mit  der  Universität 
zu  thtm  haben,  während  die  englischen  eng  an  dieselbe  an- 
gescldossen  sind;  «um  andern  darin,  dafs  jene  fast  nur  für 
flie  Landbevölkerung-,  die  landlielien  Arbeiter  und  Hand- 
wctkii.  diese  daj»e<;en  vor/ai<is\veise  für  die  h'abrikarbeiter 
l)esiiiiiiiit.  sintl  ein  Unterscliied.  der  die  l*\)l}^e  der  \'er- 
scliiedcnheit  in  der  IJeschäftigunj^sweise  der  überwie^^endeu 
Mehrzahl  der  Bevölkerung  in  Kurland  und  Dänemark  ist 
Naturgemäfs  ergeben  sich  aus  diesem  letzteren  Umstände 
mancherlei  Verschiedenheiten  der  I^ehrpläne,  auf  <lie  ich 
weiter  unten  nocli  zn  sprechen  kommen  werde.  Anfsertleni 
luiiis  aber  auch  nocIi  darnnf  hinj^ewiesen  werden,  dafs  die 
'i\iidenz,  welche  die  dänischen  X'olksluicli.sclndeu  \erfol^|en, 
eiue  teilweise  andere  ist  als  die,  welche  die  en}*^iischen  im 
Au^e  haben.  Ikiden  gemtni  ist  das  Hestrebcu  auf  die  Aus- 
gleichting  der  Standesunterschiede  durch  die  Erweiterung 
des  <:;eisti<ren  Horizontes  der  luiteren  Klassen  hinzuarbeiten; 
den  dänischen  \^)lk5hoch.schulen  eij^entunilich  ist  jedoch  die 
Absicht,  die  Liebe  zum  Vaterlandc  nähren  und  eine  lebens- 
frohe Auffassun<^^  des  Christcntnms  erwecken  zu  wollen, 
und  ferner  die,  Reformen  auf  dnn  rrcbicU  der  Landwirt- 
schaft insbesondere  der  Meierei  einzutühren,  was  ja 
hinreichend  durch  den  schon  oben  erwähnten  Umstand  er- 
klärt ist,  dafs  die  dänischen  Volkshochschulen  solche  für  die 
Landbevölkerung  sind. 

So  wenig  erschöpfend  diese  Anjj;aben  auch  sein  möj:,H-n, 
so  i^ennti^en  sie  doch,  um  eine  Kntseheidnnj^  darüber  treffen 
zu  kr>iiiRn,  wcIcIks  Sx-^1ein.  <]ns  dänische  oder  das  enj^dische, 
das  füi  ein  nacli.ihinciKk ^  X  oruilien  empfehlenswertere  sei. 
Wir  werden  gelru.st  s  il;«.  11  kcMinen,  dafs  die  Volkshochselinle 
Dänemarks  iu  ihrer  Iu  genschaft  als  spezifisch  ländliche  den 
nio<lernen  Kniturstaaten  nicht  als  Vorbild  hingestellt  werden 
kann,  da  dieselben  ja  in  erster  Linie  —  wenij^^stens  zumeist 
In<lnstriestaaten  sind.  Ks  kann  uns  daher  nicht  wundern, 
dafs  man  die  englisclicn  \'o1kshochschu1en  weit  und  l>reit 
sich  zuuj  Muster  ninmU.  w:ihrcnd  dies  i)L/.iiL;licli  dci  drinisclien 
ni  nur  sehr  beschränktem  Mafse  der  h.ill  i>L,  nämlich  in  den 
Ländern,  in  denen  die  Industrie  noch  nicht  sehr  entwickelt 


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Dr.  P.  Rerv^mu* 


ist,  wie  in  Norwegen,  Schweden,  Pinnland.  Aber  anch  hier, 
ebenso  wie  atich  in  Dänemark  selbst,  ist  man  doch  zu  der  Er- 
kenntnis gekommen,  dafs  es  mit  ländlichen  Volkslioclisclmlen 
allein  nicht  fj^ethan  sei,  dals  städtische  als  Hrgänzuni^  hin::n- 
komnien  inüsscn  —  und  da  .^clit  man  bei  den  Kn,q;ländei  ii  in  die 
Schule.  s«t  out  wie  die  Amerikaner  und  andere  \'r>lker. 
V'ielleielu  isl  man  geneigt  /u  sagen,  dals  diese  wieder  in 
das  andere  Extrem  verfallen  und  sich  einer  Einseitigkeit 
schuldig  machen,  indem  sie  wohl  ihre  Industrie-,  nicht  aber 
ihre  ländh'clien  Arbeiter  berücksichtigen,  was  auch  nicht  ge^ 
recht  sei,  wenn  schon  jene  die  Majorität  ausmachen.  Nun 
ist  es  zweifellos,  dafs  man  da  die  Industriearbeiter  in  erster 
Linie  im  Auge  hat  —  das  ist  ganz  natürlich;  al)er  \<>n 
einem  Ansschlufs  der  anderen  ist  doch  keine  Rede.  Die 
Ab.sicht,  von  der  man  sich  leiteu  läfst,  ist  die,  allen  ohne 
Ausnahme,  der  ganzen  Arbeiterbevölkerung  in  grofsen  wie 
in  kleinen  Städten  und  auf  dem  Lande  Gelegenheit  zur  Er- 
werbung höherer  intellektueller  Bildung  zu  verschaffen, 
(iewifs  ist  dieser  Plan  bisher  nur  /ictnlich  cinscitit::^  rt  alisir'  t 
worden;  das  liegt  an  der  Schwierigkeil  der  Ausführung. 
Jedoch  hat  England  den  Weg  zur  Uberwindung  dieser 
schon  gewiesen  durch  die  Einrichtung  der  County-Kiuse 
und  der  Village-Lectures.  Ja  noch  mehr:  man  hat  überhaupt 
nicht  blofs  die  Arbeiter,  sondern  die  Angehörigen  sämtlicher 
erwerbenden  Benifsarten,  kurz :  eben  die  nicht-wissenschaft- 
lich C»ebildeten  dabei  im  Auge.  Und  dies  ist,  wie  ich  bereits 
im  ersten  Teile  ausführte,  das  einzig  Richtige,  dem  Charakter 
der  Volkshochschule  im  eigentlichen,  im  ganzen  und  vollen 
Sitnie  Angemessene.  Und  ebenso  wie  ich  mich  in  dieser 
Hinsicht  auf  die  Seite  des  englischen  Volkshochschul-Systems 
stelle,  so  thue  ich  es  auch  bezii glich  der  Tendenz;  dieselbe 
darf  keine  andere  sein  als  die  allgemeine:  Hebung  der 
intellektuellen  Bildung  .  Solche  besondere  Tenden/cii  wie 
die:  Pflege  der  Vaterlandsliebe,  Erweckung  einer  lebensfrohen 
Auffassung  des  Christentums,  sind  in  den  freien  ethisch- 
religicisen  Oemeinseliaften  am  Plat/e.  mit  dem  Zweke  der 
\'olkshochschnle  iiaben  sie  nichts  gemein.  Auch  muls  man 
sich  vor  dem  Hineintragen  derartiger  Tendenzen  in  die 
Volkshochschule  (überhaupt  die  intellektuelle  Volksbildung) 
aus  dem  Cirunde  hüten,  \\  dl  dadurch  das  \'olk  mifstrauisch 
gemacht  wird  und  meint,  die  ganze  Veranstaltung  sei  nur 
getroffen,  um  es  nach  gewissen  Richtungen  hin  zu  bevor- 
munden. 

Scldielslich  mnfs  an  dieser  Stelle  noch  der  er.ste  der 
oben  erwähnten  Differenzpunkte  zwischen  dem  dänischen 
und  dem  englischen  System  besprochen  und  eine  die  dabei 


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Cber  Volk^hoi  Un  bulca.  ^03 


in  Frage  koinniciuk'  Sachf  l)ctreffciulL-  KntscbLiiliiu^  1k  ibei- 
geführt  werden:  Soll  die  \'()ll^.sliüclisclnile  in  Verbiiulung  mit 
den  Universitäten  stehen  oder  nicht?  Die  dänischen  Volkshoch- 
schulen l)cdürfcMi  bei  ihrem  Charakter  einer  solchen  Verbindung 
nicht:  da  dieselben  aber,  wie  ji^esaj^t,  eben  wej^en  dieses 
ihres  Charakters  (nändich  als  landlicher  Volkshochschiden) 
/.nnieist  niclit  als  Muster  «gelten  können,  sclicint  Hie  !'Va<»^e 
ohne  weiteres  dahin  entschieden  wertlm  /.n  inüss!.ii,  dais  die 
I  nicirsifj/  J-Jjtimion  das  einzig  luuplehlenswerte  sei.  Dem 
ist  meiner  Meinnng  nach  aber  doch  nicht  so.  Oewifs  ist  es 
sehr  wünschenswert,  dafs  die  Popidarisierung  der  Wissen- 
schaft von  deren  Sitze  ansgehe,  der  ITniversität  also;  aber 
man  wird  nicht  sagen  können,  dafs  dies  ind)edinjjt  nötig 
sei;  dafs  allein  dadurch  die  Krsprit  fslichkeit  der  Arbeit  iL^e- 
wälirleistet  werde,  dafs  die  Tiiiv  cisität  offiziell  dieselbe  in 
ilie  Hand  nimmt  Auch  Sondergründunj^en  nach  Art  der 
Berliner  Humboldt-Akademie  oder  des  Szabad  Lyceums  in 
Budapest  werden  am  Platze  sein. 

Eine  »genauere  Erörternnj^  dieser  Fras:e  jedoch  ist  nur 
möglich  im  Rahmen  der  eini^ehenden  Kesprechnng  der  (^r- 
i^anisation  der  Volks1i(K]i>cliule.  Die  Punkte,  auf  welche 
wir  dabei  unsere  Aufmerksanikiii  vor  allem  richten  müssen, 
sind  fol<;^ende:  ICinrichtung  \(»n  Haupt-  und  Xel)cnstcllen ; 
(iewinnung  geeigneter  lyehrkriille;  Jieschaffung  der  er- 
forderlichen Geldmittel;  Wahl  der  passendsten  Zeit  und 
Festseüning  der  besten  Art  und  Weise  des  Unterrichtsbe* 
triebes.  Bei  der  Besprechung  dieses  Pimktes  werde  ich 
auch  die  Gelegenheit  wahrnehmen,  auf  die  Wahl  der  Lehr- 
gegenständc  an  den  ausLändisclien  \*olkshochschulen  und 
<ler  Berliner  Humboldt-Akademie  einen  kritischen  Blick  zu 
werfen. 

Es  ist  selbstverständlich,  dafs  nicht  in  jeder  Stadt 
eine  Volkshochschule  errichtet  werden  kann.  Es  kann 
sich  nur  um  die  Ciründung  einiger  handeln,  welche  als 
Zentralen  zu  gelten  haben,  und  denen  es  obliegt,  nicht  nur 

in  dem  Orte  ihres  Bcsleliens  rntcrrichtskurse  abzuliallen, 
sondern  auch  die  uniliegeiide  Cegend.  vStadt  mid  I  ami,  mit 
geistiger  Nahrung  zu  versclKu.  Dafs  solche  Zentralen  zu 
sein  blofs  Orte  \on  grofser  geistiger  Regsamkeit,  anerkannte 
Bildungszentren  geeignet  sind,  leuchtet  von  selbst  ein.  Am 
besten  ist  diese  Voraussetzung  in  solchen  Städten  erfüllt, 
welche  eine  CTelehrtenhochschule  besitzen,  ganz  besonders 
wieder  in  l'niversitatsstädten.  Am  einfachsten  ist  es  weiter- 
hin natürlich,  wenn  nun  in  denselben  die  l'niveisität  oder 
sonstige  Hfichschnle  selbst  die  Sache  offiziell  in  die  Hand 
nimmt,  wie  dies  eben  in  England,  Amerika,  Australien  der 


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Fall  ist.  Geschieht  dies  nicht  und  in  Deutschland  scheint 
vorläufig  recht  wenig  Au.ssichl  da^n  vorhanden  zu  sein  so 
wird  ein  besoiidercr  Volkshocliscliiih  treiii  sich  dieser  Auf^^abe 
unlerziclicii  imissc  n,  hc/.\v,  der  mit  der  Rej^ehui};  und  TAMlini<^ 
der  Aiiirelej^enlieit  !)etraute  Aiisschufs  dess^^lheii,  in  den  Aii- 
i^eliörii^e  verscliiedeiier  IJerufskreise  zu  wähleu  sich  srlir 
euipfehlen  dürfte.  Die  erste  Sorye  dieses  Komitees  muLs 
es  selbstverständlich  ?»ein,  in  dem  Orte  seines  Sitzes  selbst 
regclniäfsige  Unterrichtsknrse  einzurichten.  Vielerlei  ist  dabei 
zu  bedeukeu. 

Kin  sehr  schwierijj^er  Punkt  ist  die  befriedi^^ende  Lösunjj^ 
fler  l'ra«^e  nach  (kr  I'.t  scli  'ffuni»-  der  erforderlichen  Cield- 
mitlel.  Zur  Autl)riii.L;iinjj;^  derselben  stehen  uns,  da  wir  mu 
der  offixiellen  Heleili^un«^  der  I ■  ni\ crsitäten  und  snu>tii.;rn 
Hochschulen,  wie  gesagt,  vor  der  Hand  absehen  niü.Nstu, 
nur  folgende  Mittel  zur  Verfü*,nnij; :  Subskriptionen,  Stiftungen 
reicher  Privatleute  inid  Körperschaften  und  staatliche  und 
konnnunnle  Subventionen  —  wobei  wir  uns  nicht  verhehlen 
dürfen,  dals  diese  letzteren  jedenfalls  nicht  allzu  reichlich 
fliefsen  werden.  .\ls  weitere  l^innahme(iuelle  koniiiit  dann 
noch  hinzu  das  von  den  Kursteilnehmern  zu  eulrichLcnde 
Lehrgeld.  Hoch  darf  das.selbe  allerdings  nicht  bemessen 
werden,  aus  Grfinden,  die  so  auf  der  Hand  liegen,  dafs  ich 
darüber  weiter  kein  Wort  zu  verlieren  brauche.  Auch  wird 
man,  um  gänzlich  Unbennttelte  nicht  auszuschliefsen,  l'Vei- 
platze  und  Stipendien  oder  Knnäfsigungen  des  Lehrgeldes 
vorsehen  müssen,  Vergünstiij'ntv^en,  der<.n  Znl>i1iiq^uni;  natür- 
lich blofs  von  der  perstnilicheu  Würdigkeit  abluingig  sein 
darf,  (ianz  von  tlcr  Krhebung  des  Lehrgeldes  Abstand  zu 
nehmen,  ist  gegenwärtig  aus  pekuniären  Rücksieliien  gewifs 
unmöglich  ;  prinzijjiell  möchte  ich  mich  jedoch  dafür  erklären 
und  nicht  Rever  beipflichten,  wenn  derselbe  unentgeltliche 
Kurse  für  jedermann  eine  unverantwortliche  Vergenduug'K 
nennt,  die  einer  P-eteiligung  gleichkäme,  an  welcher  die 
anstfindigen  Kiemente  des  \'olkes  keinen  ^'efallen  finden  . 
lieleiligen  werden  sich  ja  doch  immer  nur  die  Strebs ainc  n ; 
die  anderen  werden  sicherlich  fernbleiben,  .\ucli  sun>lige 
Gründe  la.ssen  sich  noch  für  den  prinzipiellen  Standpunkt, 
den  ich  der  Lehrgeldfrage  gegenüber  einnehme,  anführen; 
aber  ich  will  hier  nicht  weiter  tlarauf  eingehen,  da  bei  der 
heutigen  Lage  der  Dinge  eine  Berücksichtigung  derselben 
doch  wohl  il-;  ausgeschlossen  angesehen  werden  mufs.  Kurz 
und  gut:  jedenfalls  ist  es  v  rl'iufig  nötig,  die  Teilnehmer 
an  den  Kursen  LehrgeKl  zaliUii  zu  lassen.  Ks  «.geschieht 
dies  auch,  soweit  ich  unterrichtet  bin,  im  Auslande  durchweg, 
desgleichen  an  der  Humboldt-Akademie  in  Berlin  und  der 


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Ober  Vulk!.hui'h!>ehul«'ii. 

Vulkshoclischulc  in  Strafsburg.  Die  Hohe  dus  Lehrgeldes 
läfst  sich  all$remciiihin  natürlich  nicht  bestiuitneu :  die  ÖrtUchen 
Verhältnisse  sind  bei  der  Pestsetznnpf  desselben  ausschlag- 
gebend. 

Die  von  den  an«;e.qebcnen  Hinnahmen  zn  bestreitenden 
Ans;qa]H^n  sind  diese:  i.  die  Honorare  für  die  I^ebrer:  ?..  die 
Ik'si  .l(]nn;^\  H  für  die  erforderlichen  ständii^en  r.edi«.  nslelen, 
nänilicli  einen  vSckrelär,  einen  Schreiber,  einen  Dient r;  3.  die 
Miete,  Beheizung;  nnd  Beleuchtung  des  für  die  Kurse  gewählten 
Lokals;  4.  die  Herstellung  von  Drucksachen,  insbesondere 
der  Jahresberichte.  Mancherlei  andere,  unbedeutendere  Aus- 
gaben, die  etwa  noch  zu  machen  sind,  kann  ich  übergehen. 
Was  die  Lehrmittel  betrifft,  die  wie  Karten,  \]ipnrate  u.  a.  ni, 
für  diese  oder  jene  Kurse  nötig  sind,  so  werden  diesellxMi 
wohl  ohne  Schwierigkeit  leihweise  erhältlich  sein;  sind  hin- 
reichende Mittel  vorhanden,  dann  ist  natürlich  die  Anlage 
einer  selbständigen  Sammlung  wünschens-  und  empfehlens- 
wert zumeist  wird  man  aber  wohl  davon  Abstand  nehmen 
müssen.  Dagegen  ist  eine  Bibliothek  unbedingtes  Krforder- 
■\\'<.  w  '  -ranf  ich  ja  schon  im  ersten  Teile  meiner  Ausführungen 
liingewiesen  habe.  Ist  eine  gute  \'olksbibliothek  bereits  vor- 
handen, so  erledigt  sich  ja  die  Sache  von  selbst.  Andernfalls 
mnfs  5.  die  Anlage  wenigstens  euier  Handbiljliolhek  auf  das 
Budget  des  V^olkshochschul-Vereins  gesetzt  werden.  Bei  be- 
schränkten Mitteln  wird  man  selbstverständlich  versuchen 
müssen,  Krsj)arnisse  zu  machen,  wo  solche  irgend  anganglich 
sind.  So  wird  der  Posten  eines  Sekretärs  nnd  eines  Sclireibers 
sieb  znsannnenziehen  lassen  zu  einer  Funktion,  wenn  jemand 
etwa  ein  Komitee-Mitglied  die  wichtigsten,  sonst  jenem 
obliegenden  (ieschäfte  iZu.sauunenstellnng  der  Jahresberichte, 
Mitteilungen  in  den  Tageszeitungen,  Verwaltung  der  Kasse 
u.  a.  m.)  unentgeltlich  zu  versehen  sich  bereit  erklärt  Kiue 
andere  Ersparnis  besteht  darin,  dafs  man  das  Lokal  für  die 
Kurse  ohne  Mietsentschädigung  zu  erhalten  sich  bemüht,  am 
besten  in  einem  öffentlichen  («eltätule.  einer  Schule  oder  der 
Universität,  was  ja  zumeist  nicht  seliwer  fallen  wird. 

/n  den  (icschäften  der  Zentralstelle,  bezw.  des  Zentral- 
koniiu-e.-.  gehört  auch  die  Propaganda  für  ilic  X'erbreitung 
der  Volkshochschule,  für  die  Einrichtung  von  Kursen  in  be- 
nachbarten Städten  und  darüber  hinaus.  Die  Mittel,  die  dabei 
in  Betracht  konnnen,  sindvorzui;  se  litterarische:  Heraus- 
gal)e  voji  Plugblättern  nnd  Broseliüren,  \'eröffentlichungen 
in  der  Presse  u.  n.  m.  Tinden  sich  in  einem  Orte  Interessenten 
für  die  Sache,  so  delegiert  das  Zentralkomitee  eines  seiner 
Mitglieder,  welches  mit  jenen  alle  erforderlichen  vSeluilte  be- 
spricht und  ihnen  bei  der  Organisation  der  Orlsstclle  und 


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4o6 


I>r.  P.  BcrftriHiiiMi. 


des  Ortskomitees  behilflich  ist  Für  die  Kurse  selbst  besorgt 

(las  Zentralkomitee  <^eeigfnete  Lehrer»  unter  rinständen  auch 
Lehrmittel  und  Lektüre.  Der  j>frinze  diesbezü «gliche  (ie- 
schrifts'^aii'L:^  ist  in  Kii'^lniid  nud  Amerika  bereits  trefflich 
orj^anisierl  nnd  fniikti<uiit  1 1  taiU  llos  ^v^k  das  IV.  Kapitel 
des  Rnsselselien  Ihiclies:  Die  Organisation  der  l\)pulari- 
sieningsarbeit«  S.  44  ff.).  Auf  zweierlei  will  ich  noch  dabei 
besonders  aufmerksam  macheu,  auf  zwei  Mafsnahmeu,  die 
sich  sehr  gut  bewährt  haben.  Einmal  darauf,  dafs  man  nicht 
versäumen  solle,  Frauen  heran/uzichen  als  Komiteemit- 
trlicder  und  als  Sekretäre,  nnmcntlicli  in  den  Ortsstellen.  Man 
hat  nämlich  die  HrfahniiiL;  L^emaelil,  (kus  Frauen  weit  rührii^vr, 
unermüdlicher  nnd  geduldij^er  sind  als  Männer  nn<l  somit 
ento;eß;enstehende  Hindernisse  leichter  zu  überwinden  ver- 
mögen. Zum  anderen  darauf,  dafs  wandernde  Bibliotheken 
und  Lehnnittelsammlnngen  <die  ja  besonders  für  uaturwis.scn- 
schaftliche  Vorlesunf»:en  in  lietracht  kommen)  eine  sehr 
empfehlenswerte  Kinrichtuntr  sind:  die  Zentralstelle  wird  dann 
zu  einer  Tan.schstelle,  wo  man  sich  eine  Bibliothek,  ein 
Museum  und  ein  Laboratorium  tauscliweise  verseliallen  kann 
—  nändich  gegen  ein  gewisses,  nicht  zu  liocli  bemessenes 
pekuniäres  Entgelt  und  natürlich  blos  für  einige  Zeit 

Was  nun  die  Kurse  selbst  betrifft,  so  hat  sich  im  Laufe 
der  Zeit  und  auf  Grund  zahlreich  gemachter  Krfahmngen 
herausgestellt,  dafs  es  am  vorteilhaftesten  ist,  die  Arbeit  mit 
kurzen  Kursen  zu  l)C'[^iimen  nnd  dann  erst  lan^e  Kurse  folijfeii 
zu  las.sen,  von  denen  wieder  melm  ;  e  norli  zu  einem  umfassen- 
den Ivchrgang,  einer  Kursserie  /iisaunnengefafst  werden 
können.  Cileich  mit  langen  Kursen,  d.  h.  mit  10  bis  i2suin- 
digen,  also  über  einen  Zeitraum  von  10  bis  12  Wochen  — 
wenn  wöchentlich  eben  eine  Vorlesung  gehalten  wird,  was 
die  Kegel  ist  —  sich  erstreckenden,  anzufangen  hat  sich  als 
unvorteilliaft  erwiesen,  weil  dadurch  von  vornherein  zu  hohe 
Anforderungen  an  die  Teilnehmer,  die  Hörer  gestellt  werden, 
was  wieder  die  Folge  hat,  dnfs  viele  mitlen  darin  al)fallen. 
E.s  gill,  die  Hörer  gleichsam  tür  lange  Kurse  erst  zu  irai- 
nieren.  Wahrhaft  wirksam  werden  die  Belehrungen,  welche 
in  den  Kursen  geboten  werden,  durch  folgende  Mittel  ge- 
macht: durch  Besprechungen,  welche  sich  an  die  Vorlesung 
anschliefsen ;  durch  .schriftliche  Arbeiten,  Aufsatze,  welche 
darüber  die  Hr)rer  anferti.ucn;  durch  Prüfun<^en,  welche  am 
Knde  des  Kurses,  bezw.  einer  L;an/(.ii  Kurs.serie  ab_L;eli;iUen 
wertlen;  durch  die  Privatlektüre  dci  Tlieihiehmer,  bezüglich 
deren  der  Lehrer  natürlich  Winke  geben  muls.  Auch  empfiehlt 
es  sich,  wenn  der  Vortragende  in  gedruckten  kurzen  Leit- 
fäden oder  Leitsätzen   das  Beste,  was  er  über  das  Studium 


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üh»r  TolkAbochirbnlrn. 


des  Gegenstandes  gedacht  hat  und  urteilt in  klarer  und 
systematischer  Form  j^^cordnet  uiul  smit  kurzen  Hclet^en  aus 
verschiedenen  Schriftstellern  oder  Verweisungen  auf  bestimmte 

Seiten  grundleg;cnder  Werke  und  Reihen  von  Fraj^en  für  die 
sich  an  die  Vorlesnno  anschlielsende  Besprechung  und  für 
Aufsätze  über  den  Gct^cnsUind  s>^iel)t. 

Kiuc  solche  anf  Vertiefung  gerichiete  Arl)eit  ist  liau])t- 
sächlich  bei  den  langen  Kursen  und  Kursserien  am  Platze; 
in  diesen  allein  hat  ja  der  Lehrer  es  mit  Leuten  zu  thun, 
welchen  es  mit  der  Krwerbnn«^  höherer  Bildung  wirklich 
Ivrnst  ist,  und  die  daher  bereit  sind,  alle  diese  von  ihnen 
verlandeten  Arbeiten  nnf  sich  zu  neliinen.  In  den  kurzen 
Kursen  konnnt  es  hrIit  hlofs  auf  Anrejeun^i  an;  wem  damit 
allein  nicht  gedient  ist,  wer  mehr  verlanj^t,  der  Uitt  eben  in 
die  längen  Kurse  ein.  Viele  wollen  aber  gar  nicht  mehr  als 
blofse  Anregung,  und  diesen  soll  man  diese  gewähren,  ohne 
noch  grofse  Nebenarbeit  von  ihnen  zix  verlangen.  Kurze  He- 
sprechungen  und  Verweisun^^fen  auf  ergänzende i^ektüre  wer- 
den aber  iinnuTliiu  auch  hier  an.trebracht  sein.  uaTueiitlieh 
das  letzten.  Prüfungen  jedoch  und  sclniitliehe  Arbeiten  ge- 
hören nieivier  Meinung  nach  nur  zu  den  langen  Kursen  und 
Kursserien.  Um  diese  noch  besonders  fruchtbringend  zu  ge- 
stalten, \.'ird  man  am  besten  thun,  Klassen  einzurichten  mit 
der  Bestimmung,  dafs  nur  eine  gewisse  beschränkte  Schüler- 
zahl etwa  20  in  dieselben  uiifgenomtnen  werden  dürfe; 
bei  diese  Zahl  üV) ersteigendem  Andränge  sind  alsdann  Parallel- 
kla'^scn  cinzuritlilen.  —  Hinsichtlich  der  Prüfung  liemerkc 
ich,  (lals  an  den  cnglisclR-n  X'olksliochschnlcn  die  Zulassung 
zu  einer  solchen  iUuon  abhängig  gemacht  wird,  (lals  man 
zwei  Drittel  der  auf  jede  Vorlesung  folgenden  Besprechungen 
mitgemacht  und  dem  Vortragenden  zwei  Drittel  der  gestellten 
Frage  n  schriftlich  beantwortet  habe  —  ein  Verfahren,  das 
mir  durchaus  nachahmenswert  erscheint.  Die  Prüfung  selbst 
ist  eine  schriftliche  mid  dauert  zwei  bis  drei  Stunden.  Sic 
wird  in  F^ngland  von  einem  eigens  l)estellten  Examinator, 
in  Amerika  v(ni  dem  Lehrer  des  betr.  Kursus  abgenonunen. 
Keyer  giebt  jenem  Verfahren  den  Vorzug;  ich  möchte  mich 
dahin  aussprechen,  dafs  man  das  eine  thun  und  das  andere 
nicht  lassen  solle,  d.  h.  man  solle  den  Lehrer  zum  eigent- 
lichen Kxaminator  bestellen,  ihm  aber  noch  eine  aus  zwei 
oder  drei  Mitgliedern  1)esieheude  Konnnission  beigeben.  Auch 
möchte  ich  neben  der  schriftlichen  Prüfung  noch  eine  müiul- 
liche  befürworten  imd  die  Oesamtdaner  für  beide  natür- 
lich mit  einer  zur  Krhohmg  der  IC.xaminanden  untl  zur  Durch- 
sicht ihrer  schriftlichen  Arbeiten  erforderlichen  Pause  auf 
zwei  bis  drei  Stunden  festsetzen.    Es  hat  dies  den  \'or2ug. 


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^og  Dr.  P.  BergvmBii. 


dafs  anfser  dem  T^hrer,  der  dazu  in  den  an  die  Vorlesungen 
sich  anschlicfsendcn  Hcsprcchunjjcn  (jeleo^enheit  hat,  auch 
noch  andere  sicli  von  der  im  mündlichen  Ausdrucke  erlangten 

(Gewandtheit  überzcnt»;en  und  so  ein  Oesanithild  von  der  mehr 
oder  \veui<jer  erspriefslichen  Tliäti^^keit  jenes  j^ewiinien  können 
—  wie  ancli  meiner  Ansicht  nach  die  >chnftlic1ien  Arbeiten 
niclit  nur  aui  ihren  Inhalt  sondern  aueli  aui  ilnc  1^'orni  hin 
<>eprfift  werden  müssen.  Denn  ich  meine  allerdiiij^s,  es  <;e- 
höre  die  Ausbildungf  der  Pähig^keit,  sich  mündlich  und  schrift- 
licli  über  Cielerntes  in  t>ewandter  Weise  auszusprechen,  zu 
den  Obliej^euheiten  des  Dozenten  bei  dem  intensiveren  Unler- 
richtsbetrieb  der  \'olkshochsclinle.  --  Wer  die  Prnfunt^  hr- 
steht,  erhält  ein  Zeuj^nis  ausixe fLiliü^t;  es  sind  an  den  «.hl;- 
lischcu  Volkshochschulen  für  diese  Zeugnisse  drei  (irade 
vorgesehen:  genügend,  gut  und  ausgezeichnet.  Das  Prädikat 
»mit  Auszeichnung  bestanden«  erhält  nur  der  Kandidat,  den 
Prüfungskomnüssion  und  Lehrer  gemeinsam  empfehlen.  Diese 
»Vorzugsschüler«  erhalten  aufserdeni  in  England  noch  Prämien: 
sie  wählen  aus  einer  Liste  von  Preisbüchern  .  Hine  andere 
Art,  dieselben  zu  bt  lohnen,  wäre  die,  ihnen  für  einen  weiteren 
Rurs,  den  sie  hisnclKii  wollen,  das  Lehr<>eld  ganz  oder  teil- 
weise zu  erlassen.  \'ici leicht  ist  mancher  geneigt  zu  sagen, 
Prüfungen  an  der  Volkshochschule  seien  überflüssig.  Nun, 
ich  glaube  doch  nicht  Ganz  abgesehen  von  dem  Vorteil, 
den  sie,  wie  gesagt,  insofern  bieten,  als  sie  Aufseu stehenden 
ein  Urteil  über  die  Thätigkeit  des  Ixdirers  und,  was  noch 
wichtiger  ist,  den  Wissenserwerb  der  Schüler  und  damit  den 
Nnt'/cn  (kr  Volkshochscbuk'.  (kr  dadurch  ja  geradezu  ad 
oculos  demoustrierl  wirtl,  crnKi^lichen,  sind  sie  auch  für  die 
Kursteilnehmer  selbst  von  Wert  und  Bedeutung:  sie  erhöhen 
ihr  Selbstgefühl,  verleihen  ihnen  ehie  gewisse  Sicherheit  und 
spornen  sie  zum  weiteren  I'ortschreiten  auf  der  betretenen 
Hahn  an.  Zudem  gewähren  sie  ihnen  auch  die  Aussicht,  unter 
UuiNtünden  ihre  ruifsere  T.nge  verbessern  zu  können:  hat  doch 
ein  wohlnnterriehteler  Mann,  der  sieli  aiu  li  dai  iiber  a  isweisen 
ka!ni,  dafs  er  nu'hr  Lielerni  liai  al--  -^eiiu  sgk'ichen,  innner 
bessere  Chancen  zum  W'ciLerkonnneu  im  Lcoen  als  eben  jene 
anderen. 

In  Auschluls  an  das  eben  Ausgeführte  will  ich  gleich 

die  Zeitfrage  erledigen.  Der  Volksstndent  ,  um  mich 
dieses  kurzen  inid  recht  bezeichnenden  Ausdruckes  zu  be- 
dienen, kann  .seinen  Studien  iiiclil  wie  der  eigentliche  Student 
seine  «^an/c  Zeit  \\  i<]nien,  sondern  er  nnil's  dieselben  nebenher 
betreiln-n;  er  nnils  tagsüber  seinem  Krwerb  oder  den  häus- 
lichen Pflichten  (Frauen)  nachleben.  Daraus  folgt,  dafs  die 
Kurse  in  die  Abendstunden  zu  verlegen  sind;  ferner  dafs 


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Tber  Volkuhockerhiilpii. 


die  Vorlesuugeu  eines  Kurses  auf  längere  Zeit,  auf  mehrere 

Wochen  verteilt  wenku  müssen.  Wollte  man  (He  Sache  so 
hetreiben,  dafs  mau  täj^lich  eine  Vorlesnnj4  hielte,  so  liiefse 
«las  nnni("),i^lir]u-  Anfonlernnt^en  an  die  Leistnngsfähij^^keit 
des  X'olksstndenlen  stellen.  Wie  schon  erwfilmt,  liat  man 
/luneist  die  ICiniichtnnj^  «jetioflen,  dafs  uian  wiiehenilicli  nnr 
eine  Stunde  liest  Dafs  man  daran  immer  und  unter  allen 
Umstunden  festhalten  solle,  das  möchte  ich  freilich  nicht 
sa*;en.  Man  wird  vielmehr  stets  die  gegebenen  Verlkältnisse 
bei  der  luitschcidung  darüber,  wie  man  zu  verfahren  habe, 
heriicksichtij^en  mnssen,  oder  man  kann  ja  auch  nach  be- 
s<»nderer  W-reinbarnn«;  mit  den  Knr^tcibiehnicrTi  die  Sache 
arrangieren,  was  /..  Ii.  bei  dem  inten.siveu  Kla.s.sennnlerricht, 
wo  der  Dozent  es  mit  einer  nur  beschränkten  Schüler/.ahl 
ivjfl  oben)  zu  thun  hat,  nicht  schwierig  sein  dürfte.  —  Ferner 
fragt  CS  sich,  ob  regclmäfsigc  Kurse  das  ganze  Jahr  hin- 
durch oder  nnr  wälirend  eines  Teiles  desselben  bestehen 
sollen.  Man  wird  anch  hier  keine  unbedingt  allgemein 
giUii,^e  Antwort  geben  können,  sondern  die  Kntscheidnng 
von  der  Nachfrage,  dem  gnilsi-ren  oder  geringen  n  Ikdürf- 
nisse  abhängig  mache"  müssen,  inunerhin  kann  man  sagen, 
dafs  es  im  grofsen  und  ganzen  vorzuziehen  sein  wird,  nur 
während  eines  Teiles  des  Jahres  regelmäfsige  Kurse  abzu- 
halten —  imd  dann  natürlich  während  der  WintennonaU. 
Das  ist  auch  in  England  und  Amerika  die  Regel;  jedoch 
hat  man  hier  wie  da  an  einij^^en  Universitäten  während  der 
Sonnnerferien  Somnierversammlnngen ,  Sonnnerknr.se  {nn<l 
Suuniierschnlen)  einL:t.  l  ichtet.  Man  bezweckt  dnrch  derartige 
Wranstaliungen  den  \'i)lk>^Uulenten  (ielegenlieit  zu  geben, 
lungere  Zeit  hindurch  ganz  in  der  Atmosphäre  der  Universität 
zu  verweilen,  mit  den  Lehreni  zu  verkehren,  die  Laboratorien, 
Sammlungen  und  Hibliotli  i  i  benutzen,  was  alles  am  li 
für  die  am  Ort  befindlichen  Volksstudenten  anfserhalb  der 
l'Vrieii,  bei  Anwesenheit  der  eigentlichen  Studenten,  nicht 
o(Kr  doch  nicht  in  dem  Mafse  möglich  ist  wir  während  der 
b'erien.  Da  wir  bei  uns  von  einer  \'erbindnng  der  \ Dlks- 
hoch.schulen  mit  der  Universität  nach  englischem  und  ameri- 
kanischem  Muster  vorläufig  absehen  müssen,  so  können  wir 
diese  l^inrichtung  selbstverständlich  nicht  nachahmen.  Anch 
scheint  mir  dieselbe  nicht  so  gar  bedeutsam  zu  sein  (vgl. 
dagegen  Russell  a.  a.  O.  S.  73  ff.l;  denn  das  Grns  der  \'olks- 
studenten  ist  ja  gar  nicht  in  der  glücklichen  J^age,  l'^erien 
zu  haben,  und  kann  daher  sich  nicht  beteiligen  i^an/, 
abgesehen  \(»n  dem  doch  auch  nielil  v(")llig  nn wiehligen 
Kostenpunkt.  Dafs  ich  gegen  Sommerkurse  an  und  für 
sich  nichts  habe,  das  habe  ich  oben  bereits  ausgesprochen: 

ll«ie  BubiMMi  (PidiiffOffltii»)  VIJ.  8.  27 


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^10  Dr.  1%  ItrrKPiHJinn. 

^ewils  sollen  solche  abgehalten  werden,  sobald  das  Ik-diii  fnis 

dazn  vorlietjt,  wennschon  wir  dabei  nns  niclil  nach  dem 
X'orbikle  lüij^lnnds  oder  Amerikas  riclUcn  können,  sniulern 
ebenso  wie  hei  den  Winterknrsen  vcrlaluen  müssen.  JriKn- 
falls  ist  es  mit  I'renden  xn  be.i;rnfsen,  wenn  die  l^inrichUin*i 
von  Sommerknrscii  sich  infol^re  des  Interesses  der  L»ente 
als  löhnend  oder  gar  als  notwendig  hcransstcllt;  für  den 
Fortgang  der  Studien  der  Volksstndenten  sind  dieselben  zu- 
dem recht  wünschenswert,  nni  deren  Kontinnität  zn  wahren, 
wozn  Lektüre  allein  nicht  immer  ansreicht.  Damit  alier 
anch  dann,  wenn  we**;en  nnt^ennq^t  nder  lieteiliijnnjr  Sonnnt.  i  - 
knrsc  als  nicht  lohnend  nnter1)lri!)i  n  müssen,  (K  r  (  ilri  ^jL 
Volksstndent  besagten  Vorteils  niciu  vcihistig  gehe-,  cm]>liclili 
sich  die  Einfühntng  brieflichen  Unterrichte  wie  in  England 
nnd  Amerika. 

Als  ]i  'kclste  nnd  mit  der  gröfsten  W'rantwortlichkeit 
vcrbnndenc  Pflicht  der  Hanptstelle  be/w.  des  Zentralkomitees 
milfs  wohl  die  Auswahl  tüchtiger  Lehrkräfte  betrachtet 
werden.  Vielerlei  Anlordernngen  sind  an  einen  X'olk-^boch- 
sehnllehrer  zn  stellen.  Hr  mnfs  eine  gnte  Körperkon.süluüon 
haben,  nm  die  Strapazen  vielfachen  Hernmrei.sens  nnd  den 
häufigen  Wechsel  in  Wohnung  und  Nahrung  ohne  Schaden 
für  seine  Gesundheit  ertragen  /.u  können.  Hr  mnfs  ein 
Mann  von  Gelehrsamkeit  tuid  nmfasst  ikU  r  -Allgemeinbildnng 
sein.  I'r  mnfs  für  die  Saclu  der  \'olksbi1(bnig  begeistert 
sein  nnd  es  verstehen,  nicht  blofs  \\'isstn  /ii  übermitteln, 
>()iii](Tn  anch  seine  Schüler  znm  X.u  lnli  iikcn  mid  vSelbst- 
slnilinm  anzuspornen  kurz:  ei  niul>  nicht  blofs  ein  (jc- 
lelirter,  sondern  auch  ein  guter  Lehrer  sein,  -ein  ^lann  von 
scharfem  psychologischen  Hlickc  und  der  raschen  Fähigkeit, 
sich  anzupassen  nnd  die  l*»edürfnisse  seiner  Zuhörer  zu  ver- 
stehen nnd  aus  der  Fülle  seiner  konkreten  Ivrfahrnng  heraus 
diejenigen  Krlänteningcn  zn  geben,  ohne  die  aller  ])o])tilärer 
Unterricht  unv  erstanden  bleibt.  l\v  mnfs  teilncliuK  nd  und 
geduKlig  sein  und  wissen,  dals  es  den  Zweck  seiner  Üe- 
lehrung  auflieben  hiefse,  wenn  er  die  Gefühle  eines  empfind- 
lichen Zuhörers  verletzen  wollte,  wie  ungebildet  oder  unge- 
schickt derselbe  auch  sein  mag-  (Rüssel  a.  a.  O,  S.  53). 
Kndlich  mnfs  er  auch  ein  Mann  sein,  dessen  Charakter 
makellos  ist,  ein  Maim  \'>n  nnnugetasteter  moralischer 
Tüchtigkeit,  ohne  die  er  memals  mit  der  für  einen  \'o1ks- 
lehrer  erforderlichen  .\utf)rität  inflreten  ki'Minte.  Tu  er.sler 
Linie  kämen  offenbar,  wenn  wir  von  den  liicur«.  Li>chen  For- 
dcnmgen  uns  der  praktischen  Realisiermig  derselben  zuwenden, 
die  akademischen  Lehrer  inl>etracht  Aber  da  stolscn  wir 
auch  gleich  auf  mancherlei  vSchwierigkeilen  und  Hindernisse. 
Der  akademisclie  Lehrer  ist  freilich  Gelehrter  und  Lehrer, 


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411 


lind  man  beti)nt  litut/.utage  sehr,  dafs  er  beides  sei,  nicht 
hlofs  ein  ^rofser  r,rlchrter  jedoch  es  ist  noch  zweierlei, 
ein  i;nur  Universitäts-  und  ein  lücluij^er  Volkslehrcr  /ax  sein. 
Aber  ^icherlicli  wird  doch  das  bei  vielen  der  I^^all  sein,  und 
so  würden  diese  der  Aufgabe  sich  nnterzielien  müssen. 
Kehineii  wir  an,  diese  seien  auch  alle  für  die  Sache  begeistert; 
werden  sie  dann  unbedenklich  die  Last  anf  sich  nehmen? 
Die  älteren  unter  ilinei^  die  Professoren,  haben  meist  mit 
ihren  Berufsobliejfenheiten  schon  j^emigztt  thun;  die  jüngeren, 
(l'c  Dozenten,  tnüssen  fürchten,  in  ihrer  eigentlichen  Laufbahn 
liinlcr  denen  zui  ückzubleiben,  dieruliii;  in  ihrem  i'aclie  weiter 
gearbeitet  haben.  Treffend  bemerkt  Keyer  fa.  n.  ( ).  S.  loi  i, 
dafs  der  eitrige  \ Olksliochschullchrer  geradezu  sich  der(iciahr 
aiissebst,  dafs  man  schlielsHch  von  ihm  sagt,  er  habe  sich 
> verbummelt«.  Blofs,  nichts  anderes  als  Volkshochschullehrer 
sein,  ist   al^er  auch  ausgeschlossen,  wenig'Stens  vorlänfiL; 

aus  pekuniären  (iründen.  Oder  es  dürften  nur  vermögende 
lYivatf^elehrte,  die  ihren  ganzen  Rhrgeiz  darein  sd/ten, 
tüchtige  X'olkslehrer  /n  siin.  (lie>e  Laun)ahn  einschlagen. 
Werden  .sich  genug  .solclie  finden?  Wohl  kaum,  ja  ganz 
gewifs  nicht  Man  mufs  also  auf  andere  Mittel  und  Wege 
sinnen.  Sicherlich  werden  immer  einige  akademische  Lehrer 
als  Vortragende  au  der  X'olkshochschule  fungieren;  ja  die- 
selben werden  den  eigentlichen  Stamm  bilden  müssen.  Andere 
werden  gern  bereit  sein,  als  Heraler,  ancli  als  K.xaminatoren 
ihre  Dienste  zur  Verfügung  zn  stellen;  nianelie  werden  sieh 
aucli  direkt  an  der  Leitung  des  ganzen  Unternehmens  belt  ili^i  n. 
Doch  dies  nur  ncl)enbci;  »lie  Haupt.-%ache  ist  für  jetzt  die  licani- 
wortungder  Frage:  wie  gewinnen  wir  für  die  Volkshochschule 
eine  ausreichende  Zahl  von  Lehrkräften,  welche  den  Stamm  an- 
gemessen zu  erganzen  vermögen?  Nun  kann  kein  Zweifel 
darüber  bestehen,  dafs  bei  uns  in  Deutschland  eine  b'üllc 
branchbarer  Kräfte  brach  lie^t,  meist  auf  Jahre  hinaus  diese, 
nu  ine  ich,  sollte  man  heranziehen,  als  \'oikslehrer  verwi mK  n. 
Ich  denke  dabei  vor  allem  an  die  vielen  Lehramtskandidaten, 
welche  nach  \  ollendetem  Studium  lange  Zeit  hindurch  ohne 
offizielle  Keschäfiigung  anf  eine  Anstellung  warten  und  in 
dieser  Wartezeit  müluselig  ihr  Brot  durch  l'rivatstunden  ver- 
dienen müssen.  Kür  dieselben  wäre  diese  Thätigkeit  ziulem  eine 
ganz  ausgezeichnete  \*orbereituug  auf  ihren  eigentlichen  l»eruf. 
b'erner  cTnj^fichU  es  sicli,  die  befähii^tsten  Köpfe  unter  den 
'reiluehnieni  der  \'«ilkskuise  heranszu^^i  eili  u  und  «Icn-ii  Aus- 
liildung  zu  Volkslehrern  sich  angelegen  sein  zu  lassen. 
Aufserdem  werden  gewifs  noch  manche  andere  brauchliare 
Kräfte  sich  finden.  Alle  diese  unterstehen  der  Leitung  und 
Kontrolle  der  Zentrale. 

27* 


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I>r.  K  Bef){riit*nn. 


Was  das  l'titerrichtsx crfalncn  betrifft,  sd  ist  hcrcits 
mancherlei  cr\v;lhiii  wnrdeii.  Auf  eini<^e  l*mikte  sei  aber 
hier  noch  besonder^  liin^cw  iL  seii.  Im  i^rolNcn  und  <ian/en  soll 
iu  der  Volkshochschule  .->u  \dlahren  werden  wie  in  der  Uni- 
versität, d.  Ii.  es  koiiinit  da  wie  hier  nicht  auf  einen  schul- 
mäfsigen  Betrieb  an,  sondern  der  Dozent  trägt  vor  die 
Abwcichuug  vom  Uni\  ersit:Usunlerrichle  besteht  unr  darin, 
dafs,  wie  i»esaj»t,  im  Anschhils  an  den  N'orlrai^  iMaj^tn  »ge- 
stellt und  scliriftliche  Arbeiten  anfj;e<4ebt  n  werden.  I  )er  \'or- 
traj^  selbst  <hu  t  natnrlicli  auch  niclit  v^au/.  so  beschaffen  sein  wie 
der  akademische;  vor  allem  pafst  inr  ihn  nicht  die  reichlich 
iuit  PVemdwörteni  dnrch$et/.te  Sprache,  •  Der  Lehrer  (an  der 
Volkshochschule)  mufs  volkstümlich,  ursprünglich  und  ein- 
dringlich sprechen,  die  Schlufsfol^^erung  mufs  langsam  vor 
sich  oehen  .  l^enier  mufs  er  sich  einer  anschauliehen  Dar- 
stellung^ befleifsij^en ;  der  Professor  niai^  vor  dem  Universi- 
tätsstndenten  mit  Hej^riffen  arbeiten,  der  Mann  des  X'olkes 
will  einzelne,  lebendi«^^c  Vorstellnn*;en  .  Cnterstützt  weiden 
mufs  die  anschauliche  Darstellung;,  wo  es  ir-end  an«;eht, 
durch  äufsere  Anschauungsmittel.  Bei  i^eoj^raphischcn  und 
naturwissenschaftlichen  Vorlesungen  ist  deren  Anwendung 
selbstverständlich;  aber  auch  bei  jreschichtlichen  verzichte 
mau  nicht  darauf.  Namentlich  emi)fiehlt  es  sich,  damit,  mit 
dem  \^orzeijren  von  Ih'ldern  historischer  l't  rs«"idichkeiten,  von 
.'Vbbikltinj'^en  altberühmter  Hau-  mid  Kuiislw erke,  von  vhv- 
uialigcn  tiebrauchsgegeaständen,  /ai  beginnen.  J)as  ist  mehr 
wert  und  fesselt,  wie  Reyer  sehr  richtig  bemerkt,  das  In- 
teresse von  vornherein  mehr,  als  die  geistreich.ste  Kinleitung. 
—  Im  übrigen  sei  darauf  noch  hin<4ewie.<Jen,  dafs  der  Volks- 
lehrcr  sich  stets  vor  eiiu  iii  Zuviel  hüten  mufs,  davor,  daf« 
er  seine  Hnrer  init  Thal>achen,  \*orführnn*^en,  T^xoerimeiUen 
tii  ra(k/.\i  überschütte;  denn  das  würde  einiüdend  und  somit 
abschreckend  wirken.  Kin  guter  \"<)]k>(!( »zeiit  zu  sein  ist 
jedenfalls  nicht  leicht,  ja  noch  scli wi».  i  ij^er,  als  ein  guter 
Universitätslehrer  zu  sein.  Und  wenn  man  bedenkt,  wieviel 
gerade  beim  \'olksunterrichte  von  dem  Lehrer  abhängt,  so 
begreift  mau,  dafs,  wie  ich  oben  sagte,  die  Wahl  «geeigneter 
Lehrkräfte  eine  sehr  heikle  und  \  erantwortliche  Sache  ist, 
und  dafs  man  dabei  '^elir  \  orsichtiji,'^  verfahren  mufs. 

Was  die  I.eln  ^ei;eii>trnid'^  der  Volkshochschule  betrifft, 
.so  habe  ich  meine  Meinung  über  diesen  Tunkt  ja  schon  vor- 
her geäuLsert.  Jedoch  ich  mufs  hier  noch  einiges  zu  dem 
bereits  Gesagten  hinzufügen.  Den  Gegenständen,  die  ich  als 
für  den  Volksuuterricht  in  lietracht  kouniu  nde  bezeicluietc, 
^xureonen  wir  auch  in  den  Lehrplänen  der  au.sluudi seilen 
X'olkshochschulen  und  der  Humboldl-.Akademic  in  lierliu. 


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413 


Daneben  finden  wir  freilich  auch  noch  mancherlei  andere 
Dinj^e  an<>^e^^(l>en,  die  meiner  Ansicht  nach  nicht  am  Platze 
sind:  ioh  meine  S]>raclRn  nnd  Philosophie.  Diese  letztere 
(nalürlich  nnr  als  solclic  im  eii^entliclien,  im  en.iiferen  Sinne 
geiioinmeii)  ist,  wie  mir  scheint,  älnilich  wie  ilie  Mathematik 
zu  exklusiv,  um  wirklich  erfolgreich  popularisiert  werden  zu 
können.  Was  aber  das  Studium  fremder  Sprachen  betrifft,  so 
ist  dasselbe,  soweit  es  sich  nm  die  alten  Sprachen  handelt, 
doch  thatsächlich  nur  wertvoll  für  den  Mann  der  Wissen- 
schaft, den  (fclehrten:  Crelchrte  heranzubilden  ist  aber  nicht 
der  Zweck  dti  Ndlkshochsclink.  AikUis  scheint  allerdings 
die  Sache  /u  liegen  l)ezüglich  der  modernen  fremden  Sprachen; 
jedoch  es  scheint  eben  nur  so.  Denn  einerseits  ist  deren 
Studium  ebenfalls  blofs  filr  den  Forscher  bedeutsam,  ander- 
seits  ist  ihre  Kenntnis  von  praktischem  Nutzen,  von  Wich- 
tii^^keit  für  <»;ewisse  liernfszweige.  Die  V(  1k  hochschule  aber 
hat  ja  «»ar  nicht  die  Piestimmunjjf,  eine  Vorbei^ itunj^^sanstalt 
für  irjuend  welche  Hernfe  zu  sein.  Sie  ^nll  niclit  ein  höheres 
Wissen  ühci  niitteln,  um  ihre  Schüler  ihrem  liernfe  abwendi«? 
zu  machen  und  für  einen  anderen  Heruf  vorzubereiten;  son- 
dern sie  hat  ja  vielmehr,  wie  erwähnt,  die  Aufgabe,  den  An- 
jjehorigen  der  verschiedenen  nicht-wissenschaftlichen  Berufe 
(ieleji^euheit  zur  Krlangfuug  höherer  allgemeiner  Bildung  zu 
geben  einzijT  mid  allein  nm  des  idealen  \'orteils  willen,  den 
eine  solche  den  sie  Pesitzendeii  L^cwälnt,  und  der  aus  ihrer 
jU! '  'l^imö.i^lichen  X'erbreitnnj;  der  (  Usamtheit,  der  (Gesellschaft 
erwächst.  Dennoch  nnielite  ieh  nicht  ganz  die  genannten 
Gegenstände  an  der  Volkshochschule  missen;  sie  könnten 
als  fakultative  Fächer  in  ihrem  Lehrplane  vorgesehen  werden 
mit  Rücksicht  auf  solche  Personen  nandich,  welche  einem 
anderen  Berufe  sich  uwenden  wollen,  weil  sie  zu  der  Kiu- 
sicht  «gekommen  sind,  dals  der  ergriffene  nicht  der  für  sie 
p.Ksrndste  ist,  oder  die  als  für  die  wissciischallliehe  J.anf- 
l)alin  geeignet  erkannt  werden.  Derartii^e  Krwägnngeii  hissen 
jene,  wie  ich  allerdings  .sagen  mufs,  Inkonsequenz  gerecht- 
fertigt erscheinen.  Dafs  der  Lehrplan  der  Volkshochschule 
nicht  in  derselben  Weise  erledigt  zu  werden  braucht,  ja  gar 
nicht  erledigt  werden  kann,  wie  es  mit  demjenigen  irgend 
einer  »Schule  für  die  Jugend  geschieht,  begnüge  ich  mich  nur 
ifii  \'(irbeigehen  :'ti  erw.ähnen.  Nicht  alle  im  Volkshochschul- 
Lcinj)hin  vorgesehenen  Fächer  müssen  jahraus  jahrein  in 
bald  langen  bald  kurzen  Kursen  durchgenommen  werden; 
sondern  man  hat  sich  dabei  nach  dem  Bedürfnis,  der  Nach- 
frage 7Ai  richten.  So  kann  es  wohl  kommen,  dafs  in  dem 
einen  Jahre  manche  f  iigen.stande  gar  nicht,  andere  wieder 
ein  paar  mal  zur  Darbietung  gelangen;  dafs  in  diesen  Orten 


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414 


der  Wimsch  tiarli  natur\visscnscliattliclR-n,  in  jciuii  Tiach 
llisturisclu  n  \'urlc.smj«;cii  sii  li  sl.'irkcr  bciiK'i  klidi  iiKiclu  u. 
dgl.  III.  Dem  niufs  das  ZciiUalkuiiiiuc  Rccliuiing  tragen  und 
sich  davor  hüteii,  in  pedantisch-bureaukratisches  Reglemen- 
tieren zu  verfallen. 

Zum  Scldufs  endlich  möchte  idi  noch  dtMien  i;egeuüber, 
welche  wohl  den  IMan,  Volkshochschulen  m  errichten,  an 
und  für  sich  i^nt  lieifscn,  diesen  Gedanken  vorlrcfflicli  finden^ 
das  ganze  Unternehmen  als  ein  hoch  iileales  an.'^ehcn,  aber 
an  seinem  Erfolge,  d.  Ii.  daran  zweifeln,  dafs  die  Volkskurse 
grofsen  Anklanges,  guten  Besuches  sich  zu  erfreuen  haben 
werden»  auf  die  bezüglich  der  Hörerzahl  im  Auslande  j^e- 
niachtcn  Krfahrungen  hinweisen.  Die  Statistik  zeigt  uns, 
dafs  viele  Tausende,  die  zur  Erlangung  h(»herer  intellektiu  lU-r 
Hildung  gebotene  (  Vk  i^enheit  mit  I'Veuden  ergriffen  haben, 
Männer  wie  Erauen  der  verschiedensten  nicht-wissenschaft- 
lichen liernfe:  I'VaiRii,  welche  sonst  nur  ihre  Hausarbeit 
besorgen,  Cieschäftslrauen  und  Lehrerinnen,  reife  Männer, 
welche  tagsüber  bei  der  Maschine,  im  Kontor,  im  Kaufladen 
oder  als  Lehrer  beschäftigt  sind  u.  s.  f.«  Sollen  wir  an- 
nehmen, dafs  in  Deutschland  das  I5il(bn]Lisstreben  ein  ge- 
ringeres sei  als  anderswo?!  Ich  glaul)e,  dafs  wir  dazu  kein 
Recht  haben,  und  dafs,  wenn  wir  dem  I'eispiele  I'jiglands, 
Amerikas,  Australiens  folgen,  auch  unser  Thun  erfolgreich 
sein  wird. 


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Ein  neues  encyklopädisclies  Hand- 
buch der  Pädagogik. 

Von  R.  nCimm  in  Berlin. 

Prof.  Dr.  W.  Rcip,  Kncyklopädisches  Handbuch  der  Pädaj^o.uik. 
\'«)llsläti<liu  in  lo  Halbhämlcii  /.u  je  V)  H>r.  I.cxikoiiforniat.  Treis 
tlfs  lialbbaiulcs  7.50  M.  \  ciiag  von  H.  Heyer  u.  Söhne  in  Langen- 
snl/.a.    Bis  jet/t  erschienen  4  Haihbände. 

Ob  CS  gcialcii  war,  ein  Werk  wie  das  oben  j^enaiuite 
gerade  jetzt  herauszugeben,  kaim  bescweifelt  werden.  Setzt 
doch  <lie  Bearbeitung  der  Realeucyklopadie  irgend  einer 
\Vis.«»enschaft  voraus,  dafs  es  auf  dem  zu  behaudehiden  Ge- 
biete zu  einem  gewissen  Abschhisse  gekonnnen  ist,  dafs  zum 
niindesteu  die  (jruudsätze  feststellen,  nricli  denen  die  be» 
treffende  Materie  zu  beliandeln  und  darzustclleii  ist. 

Diese  X'oraussetzuu}^  trifft  aber  für  das(iebiet  dt  i  I'äda- 
goi^ik  zur  Zeit  durchaus  nicht  zu.  So  krampfhaft  aueli  die 
Alten  bemüht  sind,  der  Welt  kund  zu  thuu,  dafs  sie  festen 
Boden  unter  den  Püfsen  fühlen,  und  dafs  das  Wanken  und 
Schwanken  nur  dem  vorwitzi<,an  Rüttehi  etwelcher  unruhiger 
Geister,  neuerunj^ssüchtij^er  ( lernej^rofse,  /nzuschreiben  sei, 
so  liat  sieh  (Ujch  allnr'ihlich  auch  weiterer  Kreise  der  ])äda« 
«^ot^ischen  Welt  ein  ('.rliilil  der  ruruhe  unil  der  I'nsicher- 
heit  benuiehligt.  hnnier  ali^eiueiiier  wird  die  Uberzeu^^au^, 
dafs  das  hergebrachte  Unterrichtssystem  einer  teil  weisen  Um- 
gestaltung bedarf,  dafs  der  Schulerziehung  neue  Ziele  zu 
stellen,  zur  Lüsunj^  alter  Anfj^aben  neue  Bahnen  einzuschlagen 
seien.  Ja,  die  Kritik  der  Zeit  geht  selbst  an  den  grund- 
Icj^cnden  Teilen  unserer  klassischen  I'ädaq« »i^ik  iiielit  vorüber. 
An  nianclien  durch  Alter  und  Uberlielerunjj;^  seiner  .^clieiliL; tc  n 
Satz  hakt  sie  sich  ein  und  sucht  ihn  als  abgestorbenes  C»lied 
aus  dem  S\stem  zu  reifsen. 

Ist  es  da  ein  Wunder,  dafs  die  ältere  Generation,  in  ein- 
seitigen Klassicismus  versunken,  Zeter  und  Mordio  schreit, 
dafs  die  Vertreter  des  Fortschritts  alsKet>  er  niul  Abtrünnige 
gebrandmarkt,  die  von  ihnen  gewiesenen  Pfade  als  Irr-  und 
Abwege  bezeichnet  werden? 

Sovir)  \<{  fü-ilich  rielitie,  dafs  unter  den  Ref< <rnii<ken 
auch  so  manche  Schwachheil  und  Menschlichkeil  mit  uutcr- 


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U.  I(ii>n)aiin. 


läuft,  data  neben  /iclbcwufstcii  lM»nscln  iiilci  n  .mch  riiaii- 
tasten  und  Streber  ihr  Wesen  treiben;  es  kann  nicht  jje- 
leupfuet  werden,  dafs  der  Khifs  der  Ideen  anch  \vnnder1ielie 

Blasen  treibt,  manche  Xichtifjkcit  /.um  biilinbiLcheiukii  (ie- 
dankcn  anfj^cbauscht,  nianeh  kindischer  I'jnfall  als  der  W  eis- 
heit letzter  Scblnfs  i^r]>redii^t  wird.  Aber  ist  derar<i<j^«  s  nicht 
ans  jeder  \  (»n  Rc  lurrnideen  bewej^tcn  Zeit  /.n  verzeichnen? 
Ha))cn  die  Thorheitcn  nnd  Phantastereien  eines  AInn/.er  nnd 
der  andern  Prädikanten  dauernd  verhindern  können,  dals  die 
Wahrheiten,  die  ein  Luther  predi^^te,  zum  Sie^e  liehm^ten? 
Nicht  blofs  im  Kampfe  mit  dem  allen,  anch  im  Wettstreit 
mit  dem  verkehrten  Xeuen  sollen  die  Ideen  des  echten  I'urt- 
scliritts  ihre  Kraft  darthnn. 

Die  Unruhe  auf  ]>ä<la,i:^<>,i,dschem  (lebiele  ist  das  Abbild 
der  Unruhe,  die  das  Kulturleben  der  r,coe"^vart  überiiauj>t 
kennzeichnet.  Ja,  \.enn  wir  überle^^en,  dals  die  ICrziehun«^ 
keine  andere  Aufgabe  hat,  als  das  heranwachsende  Geschlecht 
in  die  Kultur  seiner  Zeit  einzuführen  und  es  in  einer  Weise 
'AM  beeinflussen,  dafs  die  Ziele,  nach  denen  die  Gesellschaft 
seiner  Zeit  strebt,  auch  zu  den  seinigen  werden,  so  LHfst  sich 
wohl  bej^reifen,  dafs  die  Unruhe  einer  Zeit,  die  eir  neues 
Weltalter  zu  y^ebären  scheint,  in  der  die  Mi  um  Iilieit,  die  alten 
Zielpunkte  ihres  Suebeus  als  nichti,^^  erkeiuieiul.  cilrii^  und 
ängstlich  nach  neuen  Idealen  strebt,  dafs  die  Unruhe  einer 
solchen  Zeit  uotwendij^  auch  die  Cirundlagen  der  Ju.iiend- 
bildunj>:beeinflussen  mufs.  Die  Mej^^ründunjir  unserer  klassischen 
Pädaj^ojjik  fiUlt  in  eine  Zeit,  die  mit  der  (»egenwart  wenig 
Alndiclikcit  aufweist.  Nicht  nur  hat  sich  der  Kreis  des  Kultur- 
lebens nach  allen  Seiten  hin  erweitert,  auch  die  Ansichten 
über  Wesen  und  .\ul^abe  dc-^  >fensrhen  sind  andere  <;ewnr- 
den.  Das  X'erlüUtnis  zwischen  l5uli\uiuuin  und  Gesellschaft 
wird  heute  wesentlich  anders  anf*;cfafst  als  damals,  h^tue 
neue  Wertung  sozialer  Guter  und  eine  neue  Formulierung 
sozialer  Pflichten  folgen  unniitlelbar  hieraus.  Aber  all  tliese 
I5ewej^unj;en  haben  noch  nicht  zu  festen,  bleibenden  Ol- 
slaltunj^en  gefülirt.  Noch  ist  alles  im  Müsse.  Dem  An^^st- 
lichen  nn<l  \\r/a^ten  scheint  es  darum,  als  ob  alles  wanke 
und  schwanke;  er  sieht  nur  Ruinen  und  Trümmerwerk  und 
gewahrt  nicht  das  Frühlin«;sgrün  neuen  Lebens,  das  sich 
durch  den  Schutt  hindurchbricht 

Auch  auf  pädaj^oi^ischem  Oebiete  ringt  es  nach  neuen 
Gestaltungen.  Auch  hier  sind  strebende  G.ei.ster  in  grofser 
Zahl  geschäftig,  nicht  mir  die  IM)erlieferniiL'  kritisch  zu  werten, 
sondern  rinrh  den  bewegenden  Ideen  der  Zeit  Hahn  zu  brecl u  n 
auf  (Km  (  Ii  biete  der  b'ryiehung.  Aber  auch  hier  ist  noch 
alles  im  blusse.  Hier  und  da  staut  sich  wohl  die  I  lm;  ul) 
dort  aber  wirklich  die  KrystaUisationskerne  liegen,  an  die 


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417 


sich  (Hc  Wuhilduii'^cti  ficr  Zukimft  aiuscliiiefsen  werden,  kann 
nucli  nirinantl  (.'m^clKidcii. 

Au.s  ilicscm  (irimilc  saj^tc  ich  oben,  dafs  man  l)f/.\vciftdn 
könne,  üb  es  /citj^cniäfs  sei,  j^cradc  jetzt  eine  Realencyklo- 
pädie  der  Pädago.^ik  heratisxugeben. 

Und  doch  scheint  das  Ikdürfnis  dazu  vorhanden  zusein. 
Wenigstens  hat  die  Kritik  allerorten  das  Werk  als  ein  solches 
anerkannt,  (\:\^  eine  I^ncke  ansfnlle,  nnd  die  [^^rofse  Zahl  seiner 
Abnehmer  hat  dieses  Urteil  l)estäti»^t. 

Ich  l)es^reifc  das.  derade  die  Uiindu-  nnd  T'^nsiclierlieil 
auf  pädagogischem  Gebiete  macht  ein  Nach^elilagebnch  noii«;, 
aus  dem  man  erfahren  kann,  wie  nahe  oder  fern  diese  oder 
jene  Krage  ihrer  Losung  steht,  wie  weit  die  Klärung  dieses 
oder  jenes  umstrittenen  Punktes  j^edielien  ist.  Allerdinj»s  ist 
die  IvncN  klopädie  Professor  Heins  nicht  das  einzige  Werk 
dieser  Art.  Aber  die  vorhaiidtiRii  Schrifteti  ,qeiiü<^en  samt 
nnd  siMukis  nicht  mehr  zu  dem  .ni-^r^eljenen  Zwecke,  ller- 
ganj^s  räda.^^oj^ische  Realenc)  klopiulic  (2.  Aufl.  1S51  n.  52) 
und  Älünchs  Universallexikon  der  Krziehuugs- und  Uuter- 
richtslelire,  (3.  Aufl.  1859  u.  60)  sind  veraltet  Rolfufs  und 
Pfistcrs  ^Realencyklopadte  des  Krziehunj>:s- und  Unterrichts- 
wesens (2.  Aufl.  1874,  Nachtraj^  i<S84)  ist  vom  katholisch- 
kirchlichen, Schmid-Seliradcrs  Hncykli  ipädie  des  «gesamten 
Krziehungs-  und  Unterricli tswesens  (2.  Aufl.  iHjG  .Sj),  ob- 
i^leich  viele  \  orzüj^liclie  Arbeiten  enthaltend,  vom  cvanjj^e- 
lisch-orthodoxcu  und  politisch-konservativen  Standpunkte  ab- 
gefafst,  dazu  noch  allzu  umfangreich.  Lindners  xKncyklo- 
padisches  Handbuch  der  ?«rziehungskunde  (1884)  leidet  an  allen 
den  Mangeln,  die  eim  ni  Werke  dieser  Art,  sobald  es  von  einem 
einzelnen  verfafst  wird,  anhaften  müssen.  Kleinere  Nachschlai^e- 
buchcr  endlich,  wie  insbesondere  Sanders  Lexikon  der  l'äda- 
gügik     (2.  Aufl.  1SN9),  konnnen  erst  reclil  nicht  inbetracht. 

So  la<»-  wirklich  ein  «.jewnsses  licdürfniÄ  zur  Hcransj^abe 
einer  neuen  Kncyklopädie  des  P^rziehungswescns  vor.  Der 
Charakter  dieses  Werkes  mufste,  um  seine  Bedeutung  für  die 
(iegenwart  recht  zu  erfüllen,  im  wesentlichen  ein  historisclier 
sein;  d.  h.  Herausj^eber  nnd  Mitarbeiter  mufsten  als  ihre 
eigentliche  Aufq-niK  betrachten,  in  parteiloser  \\\  ise  alle  Rieh- 
tuni^en  zu  Worte  kommen  lassend,  den  orej^enw  ;irtii^^en  Stand 
der  wissenseliattlichen  Arbeit  auf  p.ädao^oa^isrlR  ni  (  W  biete  dar- 
zulegen. Xur  so  konnte  das  Werk  meines  Hraehlens  den 
WTmschen  entsprechen,  denen  seine  Herausgabe  entgegen- 
gekommen war. 

Trägt  es  diesen  Charakter  an  sich?  Gewifs,  zum  grofsen 
Teil;  doch  nicht  ül)erall.  Das  Referieren  wird  hier  und  da 
zum  Dekrrii,  ren.  Das  läfst  man  sich  gern  gefallen,  wenn  es 
wirklich  tlcr  Aubiiufs  eines  originellen  Denkens  ist  —  Pro- 


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R.  RffMnann, 


leüsor  Rein  bat  ja  aiicli  in  rlankenswuiter  Weise  /.m  IJc- 
sprechung  viclcnii  tertcr  neuerer  Ideen  meist  ilen  l'i  Vertretern 
derselben  das  Wort  gej^eben  wo  aber  diese  Kinseiti^keit 
lediglich  aus  der  ZttgehÖrigfkeit  des  Autors  zu  einer  };>^e wissen 
pbilosopbisclien  oder  pädaj^o ansehen  Richtung^  hervors^ebt, 
wirkt  sie  verstimmend.  Der  Herausgeber  reebnet  sich  der 
Scluile  IKrl)arts  zu.  Was  Wunder,  <hifs  bei  der  ersten  Ankiin- 
dis^iui}^  des  Werkes  die  Hefürclitun<>;  laut  wurde,  das  l'nter- 
nebmen  würde  ledij^^licb  der  Tropa^j^anda  für  diese  Riebtnu)^ 
dienen,  l'rolessor  Rein  bat  anj;enebni  enttäuscht.  vScbon  die 
Liste  der  Mitarbeiter  ^eigt,  dafs  ihm  jede  Einseitigkeit  fern- 
Hegt»  und  die  Durchsicht  der  bis  jetzt  erschienenen  Teile  des 
Werks  bestätigt  dies  im  allgemeinen.  Dennoch  scheint  es 
mir,  als  ob  doch  das  Trin/ip  der  Parte ilosigkeit  nicbt  immer 
streng  znr  (ielttin,<^  ^ekoiiinien,  viehnebr  die.se  oder  jene 
Materie  ntir  in  einsi  iiii^rr  IJclencbtung.  d.  b.  mir  von  einem 
bestinunten  Parteistandpunkte  aus,  behandelt  wäre.  Die  Wr- 
isser verschiedener  Artikel  —  ich  rede  natürlich  nicht  von 
solchen,  die  spezifische  Fragen  "der  Herbartschen  Pädagogik 
behandebi  setzen  oicbt  nur  ohne  weiteres  voraus,  dafs  die 
Leser  mit  der  eigentümlichen  Terminologie  ihrer  Scbulspracbe 
bekannt  sitid.  sondern  auch,  dafs  über  die  pbiUxsopbiscben 
Yoranssel/nnj^^eu  ilner  didakti.sehen  Im 'rdenm^en  vollkununne 
Ubereiiistinnnnng  lierrsclic.  \'<>n  der  Ict/Aerni  ist  ali^i"  oft 
noeb  recbt  weiii}^  /u  merken,  \  ielleieht  hätte  der  Heraus- 
geber gut  daran  gethan,  der  Merbartianischen  Bearbeitung 
dieser  oder  jeuer  Materie  noch  eine  andere  von  anderm 
Standpunkte  aus  folgen  zu  lassen.  Doch  tritt,  wie  gesagt,  eine 
derartige  Einseitigkeit  nur  in  einzelnen  Arbeiten  mid  über- 
haupt viel  weniger  oft  liervnr,  als  man  am  Anfani,^  befürcbtete. 

In  der  von  h'wiciuu^^  /a\  Lieferung  innner  nicbr  an- 
.scbwellendeii  .Mitarbeiterliste  stöfst  man  auf  manehen  homo 
novus;  daneben  finden  sich  aber  auch  die  meisten  derer,  die 
einem  fleifsigen  Leser  pädagogischer  Werke  und  Zeitschriften 
als  Pfleger  dieses  Zweiges  der  zeitgenössischen  Litteratur 
bekannt  sind.  Es  sind  einige  darunter,  die  ich  ohne  Schmerz 
vermissen  wurde,  Leute,  die  sieb  überall  eindräir^'^en,  wo  es 
etwas  (icld  oder  I^bre  —  zu  verdienen  i^iel)^  nicb  solche, 
deren  bisherige  Tbätigkeit  mir  wenig  inipomerl  bat.  Aber, 
das  ist  Gescbmaekssacbe,  und  möglielicrweise  giel)L  ibuen 
ihre  Thätigkeit  an  dieser  hervorragenden  Stelle  Gelegenheit, 
sich  so  offenkundig  zu  blauiiereUi  dafs  sie  es  künftighin 
nicbt  mehr  für  ratsam  halten,  mit  ihrer W^are  zu  Markte  zu 
ziehen,  (ianz  besonders  freut  es  einen,  wenn  man  in  der 
Liste  neben  Universitätsprofesson  11.  T^Joktoren  etc.  auch  eine 
so  stattliche  Reibe  von  \'n1k>srlnilniainu  i  u  tindet.  Das  ist 
doch,  meine  ich,  auch  ein  lieweis  dalür,  dals  sich  das  Niveau 


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419 


tlitst'S  Slaiulcs  iti  fleii  let/^teii  JalirzehnU  n  wcscnllich  «gehoben 
hat.  Für  den  Kenner  der  [jädajj^uj^isehen  Hewej^un^  in  der 
Ge^^enwart  bietet  diese  TIiaLsaclie  allerdinj^s  niclUs  (Jber- 
raschendes.  Vielmehr  weifs  dieser,  dafs  die  Vertiefung,  die 
wir  erfreiiliclier  Weise  jetzt  auf  pädaj^ojji schein  Gebieie  wahr- 
nelinieii,  wesentlich  der  rührigen  Arljeit  tüchtiger  Kräfte  aus 
dein  \'olksschullehrerstaiide  /uztischreiben  ist  Besitzt  dieser 
vStand  (loch  vermöge  seines  IJildungsgan'^es  von  vornherein  die 
Haui)tvuranssetzung  jener  Arbeit :  das  pädagogische  Interesse. 

Viel  Namen  nnfznzälilen,  würde  keiiieii  Zweck  haben, 
auch  den  mir  verslatleten  Kauui  ungebührhch  in  Ansprneli 
'  nehmen.  Ich  beschränke  mich  defshalb  darauf,  nur  einige 
derjenigen  Mitarbeiter  anzuführen,  die  anscheinend  die  Be- 
arbeitung  ganzer  Gebiete  übemonnnen  haben,  deren  Namen 
darum  eine  Art  Programm  des  Werkes  abgeben.  vSo  stofsen 
wir  ■/..  R  l)ei  den  Artikeln  psychologi-schen  Inhalts  meist 
auf  die  Namen  Flügel  nnd  P^olf/,  beides  ausge.sproelune 
Herbartianer ;  ausgleichend  wirken  dann  allerdings  Mitar- 
beiter wie  Audreae  und  Dessoir.  Die  Physiologie  und 
physiologische  Ps>xhologie  hat  einen  vorzüglichen  Bearbeiter 
in  Professor  Ziehen  erhalten.  Die  Geschichte  der  Ethik 
behandelt  Jndl,  der  darin  auch  die  Vorzüge  nnd  Mängel 
der  praktischen  Philosophie  Hrr])arts  sorgsam  gegen  einander 
abwägt,  die  Kthik  als  (irnndwi.ssenschalt  der  Pädaj^o.ij^ik 
daneben  aber  Professor  Vogt,  der  natürlich  wieder  nur 
Herbart  kennt.  Iki  den  ^\rtikeln  über  bcliuihygieine  treten 
uns  selbstverständlich  meist  die  Namen  Siegert  und  Janke 
entgegen.  Die  Lehre  von  der  Zucht  behandeln  Hug, 
Andreae,  Trüper  und  verschiedene  andere,  leider  aucli 
der  mehrfach  preisgekrönte  Herr  Közle  ans  Cannstadt,  der 
allerdings  die  schätzenswerte  Kigentümlichkeit  an  sich  hat, 
die  ( ledankendürre  seiner  Artikel  über  Kinder-  und  Krziehnngs- 
feldcr  dann  und  wann  mit  einer  Blüte  unfreiwilliger  Komik 
zu  schmücken.  Ich  breche  ab.  Die  Nennung  von  Xamen 
auf  den  übrigen  Gebieten  der  Erziehtmgswissenschaft  ist  bei 
deren  Vielgestaltigkeit  unthunlich. 

Über  die  Auswahl  der  einzelnen  Artikel  läfst  sich  streiten. 
Der  eine  win!  dieses,  der  andre  jenes  Thema  vermissen. 
Manches  wird  auch  von  dem  und  jenem  als  nberflüfsig  an- 
gesehen werden.  vSo  scheint  z.  R  mir  das  Ciebiel  der  Zucht 
allzu  reichlich  bedacht  zu  sein.  Wohl  weifs  ich.  dafs  dieses 
Gebiet  bis  jetzt  das  Stiefkind  der  pädagogisclieu  Wissen- 
schaft war;  aber  gerade  deshalb  hätte  es  nach  meiner  An- 
sicht in  einer  Realencyklopädie  nicht  gar  so  reichlich  ver- 
treten sein  sollen.  Der  Erziehungspraktiker  wird  sich  nur 
selten  in  einer  solchen  Kats  erholen  mid  Rats  erholen  können, 
da  jede  Maisregcl  der  Zucht  individualisierende  Auwcnduiig 


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it.  RifiiinanD. 


bedingt;  die  WisscMiscliall  aber  kann  durch  die  viek-n  kur/cn, 
von  \  cTschicdt.Mien  Autoren  nacli  \  ci  scliicdciien  (  icsiclits- 
|ninklcn  vcrfafslcn  Arbeiltii  auch  nicht  viel  gewinnen,  wozn 
noch  koiiiiiit,  dafs  bekanntlich  auch  die  Festigkeit  der  |xsy- 
choto^ijtchen  Grundlajre  der  Lehre  von  der  Zncht  nocli  viel 
zu  wünschen  übrig  kifst  Allerdin«;.s  ist,  von  diesem  Gesichts- 
punkte abgesehen,  die  betreffende  Abtcihini^  reich  an  gansi  vor- 
züglichen Ahhan(llnnj»^en,  wozn  ich  ikOkh  flen  praktisch  wert- 
vollen Arbeiten  von  Iln  ^  insbesondere  die  durch  iiire  Tiefe 
ansoe/.eichneten  Ani.Nät./.c  vunAndreae  rechne.  Über  Herrn 
Közle,  dessen  Ausführnn«^en  manches  Kopfschüttehi  hervor- 
gerufen haben,  findet  sich  schon  oben  eine  Bemerkung.  Wie  ' 
verlautet,  hat  ihn  der  Herausgeber  neuerdings  verabschiedet. 

Mancher  Artikel  erscheint  mir  überflüs,sig,  so  der  über 
Arl)eitsscluden  ,  der  neben  fliMi  teils  schon  \  eröffentlichten, 
teils  in  .Aussicht  steheiKh  n  Ariikclu  über  I'.rxiehnnj;  zur 
Arbeit  ,  HantkirbeitsnnU  ri  ichl  u.  dci  ^l.  uUenbar  nur  dann 
einen  Zweck  hatte,  wenn  in  ihm  auüsclilielslich  die  .Vnstalten 
behandelt  wurden,  in  denen  die  Arbeit  als  Selbstssweck  l>e- 
trieben  wird,  also  die  :>Resc1täftigungsanstalten<^,  ■  Erwerb* 
schulen«  etc.  Der  Artikel  beschrankt  sich  aber  k<.  iiu  ^\v^  *r^J 
auf  diese  und  i<(noriert  überhaupt  die  prinzijiielle  Sclieidnn.n 
zwischen  dem  Hetriebe  der  Jni^endarbeit  als  Selbstzweck 
und  demjeniji^en,  welcher  iler  ICi/ielnin^  dienen  will.  Indessen 
wird  der  .\ntor,  der  die  »Sache  nur  oberflächlich  kennt,  dieser 
umfassenderen  .\ufgabe  in  keiner  Weise  j^erecht.  Auch  die 
Artikel  über  >Hriefniarkensamme1n''  (3  Spalten),  über  -Ge- 
burtstage^ (3  Spalten)  und  einige  andere  würde  ich  ohne 
Schmerz  vermissen. 

I^ücken  ha])e  ich  wenige  gefunden,  die  meisten  auf  'ge- 
schichtlichem (Tcbiete.  Das  letztere  ist  bejjreiflich,  da  ur- 
sprünjL^lich  die  Autnahme  «geschichtlicher  Arbeiten  in  die 
P^nc\  klopädie  nicht  vorgesehen  war.  Für  eine  zweite  .\nf- 
lage  würde  ich  die  Berücksichtigung  noch  folgender  Artikel 
vorschlagen:  Aeneas  Sylvins,  Agricola  (Rudolf),  Alkuin, 
Alstedt,  Andrea,  Ant<uiiano,  Aristoteles,  Augustinus,  liastiius, 
Henediktinenschulen,  jßouitz,  Horromaus,  Braun  (Hcinricli), 
r»rnder  (!es  q-emeiusamen  Lebens,  Cnrtmrtu.  Hiltes,  Dolz, 
Hisenlohr,  luasmus,  Hrnst  der  broninie,  brohschannner, 
(iedike,  (>erson.  übrigens  sind  die  veröffentlichten  .\rbeiun 
aus  der  (beschichte  der  Pädagogik  fast  durchweg  vorzüglich. 
Die  knappen,  inhaltsreichen  Artikel  von  v.  Sali  würk(Bacon, 
Bahrdt,  Basedow,  Campe,  Fenelon),  die  gründlichen  Arbeiten 
von  Rausch  über  Francke  und  das  Hallesche  Waisenhaus, 
von  Dietrich  über  v.  bVllenbcr«;,  die  umfangreiche  Cic- 
schichte  des  deutschen  Srhnhvc  s(  ii<  von  \ohle  und  vor 
allem  auch  Prüf.  Paulsens  geistvolle  Ausführungen  über 


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VAn  neu«»  rarykloiMdihohcft  lfaii4lHir|i  4ot  Pidni^oKtk. 


42t 


Aufkläruiv^  ^'"^^  Aufklänuit^sprulaj^oj^ik  vcrrlicnen  hcsoTukre 
Hc! A  orlichuiij;.  Bcfrcindciid  wirkt  es,  wenn  W  i  i  1  tu  .1  im  in 
seiner  .\il)c'il  üIht  Chri-^llirlu"  luxitliiin«^  Tjithcrs  j^ar  iiiclit 
iiiul  der  Rcforniaticiii  mir  iii>uicni  »gedenk l,  als  er  die  CiüU* 
hat,  aiizti^ebcii,  dafs  die  itn  16.  Jaltrlntndert  erstehenden 
Schulen  nicht  nur  innerhalb  der  katholischen  sondern  auch 
auf  den  protestantischen  Territorien  cliristliclien  Charakter 
an  sicli  ^^etraj^en  lial>en.  Dieser  ICnj^herzijtikeit  i^ej^ennhcr 
verdient  l)esf»ndere  Anerkennnnj^,  dafs  Prof.  K  n  o  k  e  s  Arbeit 
ül)er  I'.vanj^elisclie  Padaj^o^ik  nncli  den  sonst  \(>n  nn>ein 
Thei. lo*;en  ar^^  verketzerten  raliunalistischen  l'äd.ij^oj^en,  wie 
Salstniaun,  (Gerechtigkeit  widerfahren  läfsi.  Kine  des  Werkes 
unwürdige  Arbeit  ist  Cassaus  Aufsatz  über  ^Kröbcl'. 
Hoffentlich  wird  durch  den  lYof.  Pappen  heim  übertragenen 
Artikel  -^Kindero^arten    Ersatz  ^^eschafft 

Dafs  der  Herans,q;el)er  aucli  den  ncnestcn  lk'\vc<:i'nn«^cn 
anf  pädaj^oj^ischeni  (iel)iete  lieachlnnj^  sclienkt,  er*jie1)t  sirli 
ans  einer  «ganzen  Reihe  von  Themen,  die  erst  in  jünL;>-ti  r 
Zeit  IJesprecliiui;;  fiiuien.  Icli  nenne  beispielsweise:  lUlirn- 
abende  (Lomber^^),  Kabrikarbeit  der  Kinder  (Winzer),  Ferien- 
kolonien {Orosscj,  Frankfurter  Lehrplan  (Th.  Ziehen),  Fornien- 
kunde  (Zeifsij^),  A1)m  liliifsprüfung  (Men.ije),  Durchführung 
der  Klassen  (Tews),  ( ienieinsanie  Krzielinni:!^  von  Knaben 
nnd  Mädehen  (Tabni^ren),  ( >esanitentwickehin«;  nnd  Ivinzel- 
entN\  iekcbni}^  (CapesinsL  Krxiehnn«^  nnd  ( lesellsehaft  (!'. 
l>anh),  J'A olntionisnnis  nnd  Tädago^ik  (Hoeliej^j^er),  luniieils- 
schnl verein  (Horneniann),  Fortbildtuigskurse  an  der  Universität 

-  Cnim'ititif  Kjtiemmi  (Kein). 

Jedem  Artikel  fol;;t  eine  l'bersiclit  über  die  be/.ü^dielie 
Littcratnr.  lA'i<l<^^r  sind  diese  Angaben  durchans  nicht  gleich- 
uiafsii;,  wenn  ancli  anerkannt  werden  mufs,  dafs  bei  einxelnen 
Artikeln  Mn>terhaftes  ,i;eboten  ist. 

Mein  ( Tcsanitnrteil  nber  <lns  \\\  ik  s^elil  tlaliin,  d.il^  es 
bei  allen  l  n)4leiclun.'ii>ij^keilcü  und  UnvullkununenlK ilen 
im  einzelnen  doch  im  ganzen  die  wärmste  Empfehlung  \  er- 
dient.  Ks  ist  nicht  ein  Werk  aus  einem  Gusse;  doch  gebührt 
dem  Mcrausgebcr  die  Anerkennung,  dafs  er,  xon  wenigen 
Milsj^riffen  abi^esehen,  es  verstanden  bat,  die  berufensten 
Kräfte  /.nr  Mitarbeit  liernir/n/.ielien.  Das  Werk  hat  \ on  Liefe- 
rnn«;  zn  Iviefernn,t;  an  innerer  \"ollkommen]?eit  zn.i^enommen. 
Mii^e  es  in  der  Sehnlwelt  die  X'erbreilun«;  finden,  anf  die 
CS  mit  Recht  Anspruch  erheben  kann! 


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Auf  der  Warte. 

2.') 

Die  Hchole  anf  dein  VII.  Rvanj^liscIi-BOjEialon  K«»ngrefi). 

Noch  je  zog  durch  die  Pfingstwoche  eine  ehiigeiide  und 

begcisterntle  Kraft.  Auch  aufstrhall)  ikr  Gotteshäuser  .saniuuln 
sich  zur  Pfiiij^st/eit  Leute  mit  starkem  r.l;ml)en  au  eine  ijrofse 
Sache,  Leute  voll  vou  heili.v;eui  Iviler  tiir  die  \>r\\  irklichuui; 
li()hor  Ideale.  Seit  Jahrzelmten  vereiui^t  dir  IMiiii^stwoche 
Tau.seiuk  vou  deut.scheu  Lehrern.  I{ine  bedeuUuig>\ *)lle  Ver- 
eiuiguug  tagt  nun  auch  seit  siehcu  Jahren  in  dieser  Zeit  Ks  ist 
der  Evangelisch- soziale  Kongrefs.  Dersellx!  war  vom 
27.  29.  Mai  1.  Js.  für  diesuial  nach  Stuttgart  gekouinieu. 
Was  will  dieser  Konsrefs?  Das  sagt  kurz,  klar  und  iulialtsvoU 
die  diesjäliri^t'  l-'inladunjj::  Tu  <^läu/cudeu  Kesten  Imln-ti  wir, 
daukham  I'rcude  und  liegeisti  rniii;  voll,  in  diLM.  ni  Jahr  die 
grofse  Zeit,  die  uns  ein  geeiniglcs  deutsches  Reicli  errungen, 
allüberall  gefeiert.  Aber  kein  ernster  Patriot  verhehlt  sich,  dafs 
mit  der  nationalen  Einigung  die  grofsen  Aufgalxm  unseres 
Volkes  noch  nicht  gelöst,  vielmehr  erst  für  die  neneArlteit  die 
Voraussetzung  geschaffen,  für  die  Lösung  sihwieriger  Kragen 
tlie  Bahn  frei  geworden  ist.  Als  oberste  und  schwien'j:^tc  dieser 
Aufgaben  hat  die  geistige  und  wirtschaftliche  irklnng  uns 

die  soziale  Krage  :.;LslLllt.  Nur  wenn  olle  hbLiidii^i n  Kräfte 
der  Nation  /u^aninienarbeilcn,  wenn  alle  idealen  Mä».hle  im 
Volksleben  erhalten  und  gestärkt  werden,  ist  eine  gedeihliche 
Lösung  dieser  Frage  zu  erhoffen.  Die  Überzeugung,  dafs  die 
Geschichte  unseres  Volkes  den  sittlichen  und  religiösen  Crnnd- 
satzen  des  Evangeliums  die  oberste  Stelle  unter  diesen  idealen 
Mächten  anweist,  dafs  nur  ernste,  nthige.  snrlikundige  I^rörternng 
der  wirklit  heu  Lage  und  Aufgabe  über  unheilvolle  Sehla-^^worte 
und  leidenschaftliche  ICrregung  emporheben  kann,  hat  vor  .seeli> 
Jahren  eine  Anzahl  evangelischer  Männer  zum  ICvangelisch- 
sozialen  Kongrefs  zusammengeführt.    Der  Evangelisch  -  soziale 

*)  1.  siehe  Heft  VII,  S,  372  etc. 


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Die  Schuir  auf  tl^at  Vif.  Rvan|reli«rh-BOK<ftleii  KonKtrD».  ^2,^ 

Koiii;Tefs  ist  i;rimclsät/licli  unabhängig  von  jeder  politischen 
(»der  kirchliclieu  PnrU  iltoln  hmio;  mul  will  auf  fletii  ^[^etneinsanien 
Bock-n  evaiij^clisch-sittliclu r  ri)er/(.  us;nn^  (  k U  ]L;cnheit  zu  sncli- 
liclicr  iielchrung  wie  zu  Ireiciu  Ciedauktuaustausch  j^ehen.  liv 
hat  durch  seine  bisherigen  Tagungen  und  durch  seine  X'eroffent- 
lichungeii  liewiescn»  dafs  er  diesen  Grundsätzen  streng  treu  bleibt. 
Von  Jahr  zu  Jahr  hat  :'ich  die  Teilnahme  am  Kongrefs  gesteigert.«. 

An  der  t^pitze  des  Kvanj^elisch-SOzialen  Kongresses  stehen 
b(^riifL!i  Leute  <n  die  Natioiialökononieu  Prof.  Adolf  Wagner- 
Jierlii),  Prof.  Max  Weber- Freiburg,  Prof.  vSchulze  -  Gävcniil/- 
l'Veil»urg,  der  Jurist  Professor  vSnlnn-Lei]v/ig,  die  TlieoUj^ic- 
profe.s.soren  Harnack  und  Kaltau-Berlin,  ieruer  noch  eine  glänzende 
Reihe  sozialpolitisch  wirkender  Männer  ans  allen  Berufsstäudeu. 
Hofprediger  Stöcker.  der  Führer  der  Christlich-Sozialen  älterer 
Richtung,  ist  jünL;>t  aus  dem  Kongrefs  ausgetreten;  dagegen 
Yerbleil>l  im  KongreLs  der  Führer  der  jüngeren  Cliristlich-Sozialeu, 
Pfarrer  Nauninuu  iu  Frankfurt  am  Main.  —  Die  Hauptref«  rate 
wann  in  (Üincui  Jahr:  i.  l^ie  soziale  Wirksamkeit  des  im 
Amte  slehcuikn  Oeistliclicu,  ihr  Recht  luul  ihre  CVrcuzeU'  (Prof. 
Prediger  Dr.  von  Soden-Berlin  und  Stadtpfarrer  Planck- lifslingeu); 
2.  »Der  Handel,  nationalökononiisch  und  ethisch  beleuchtet < 
(1^1  Dr>  Rathgen  «Marburg);  3.  >Die  Arbeitslosigkeit  und  das 
Recht  auf  Arbeit'  (Prof.  Dr.  Delbrück-Berlin.  Die  vSpezialkou- 
fereuzeu  behandelten:  i.  Die  Tliätigkeit  lUr  I-nm  im  (»emeinde- 
tlicn^t  (Frau  Gehe  inirat  Lippmann  Berlin);  2.  »Nationale  Woh- 
uungsrctorni     ( I''a1  irikant  Lechler-Slullgarl). 

Zur  «irillcii  Spezialkonfercnz  hatte  Prof.  Dr.  Reim -Jena 
angemeldet:  »Die  Schule  und  die  soziale  Frage  .  Der  Referent 
iKschränkte  jedoch  nachträglich  das  Gebiet,  und  so  kam  am 
29.  Mai  zur  Verhan<lhmg  das  Thema: 

Die  politischen  Parteien  und  die  Schule. 
Der  Kon/c*rtsaal  der  Liederhalle-  war  gefüllt  mit  einer 
stalliichfU  Zahl  von  Männern  und  Frauen.  Vorwiegend  waren 
wohl  Süddeutsche  anwesend.  Sonderlich  das  Schwabeulaiul  war 
stark  vertreten.  Die  Anzahl  der  Geistlichen  war  bedeutenil. 
Das  Thema  hatte  eine  Reihe  Württemberg  i  scher,  besonders  auch 
Stuttgarter  Lehrer  angezogen.  Es  ging  ein  Zug  warmer  Teil- 
nalimc  für  die  Sehlde  durch  die  VerNamnilnnj^.  Das  merkte  man 
sonderlich  an  der  Zustinnnung  zu  den  lehrerfreundliclien  Aus- 
fühniiigeii  der  Redner,  wie  sie  oft  und  lebhaft  gerade  ;ms  den 
Rriln^fi  fler  fK-istlicheu  kam.  Kurz  zuvor  war  im  würiuni- 
licrgi. schell  Landtag  die  Schulaufsichtsfragc  aulgcroHl  wonkn, 
das  Prinzip  der  Pachaufsicht  anerkannt  und  die  liinführung 
angebahnt  worden.  Die  Aussprachen  über  diesen  Punkt  aus 
dem  Munde  der  württend)ergischen  Geistlichen  haben  also 
doppeltes  Interesse:  die  Schwaben  reden  nicht  nur,  sie  helfen 


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424  -W. 

mit.  tlafs  die  Wnrte  Thatcii  werden.  Der  Wen  Referent  hatte 
sieb  ein  />  it i;rniälV.c«^  Tlu-nra  jjewälilt.  TH  i  Stn  ii  um  die  reclite 
Scluih ciiassunj;  liilule  luiuen  hinein  in  die  \\ K^eu  der  Cjei;en- 
wart.  Jvs  ist  ein  \*crdienst,  die  Schule  mit  überzeugenden  Aus 
fuhrungen  auf  ihr  eigenes  Gebiet  zu  verweisen  uucl  voti  ileui 
Forum  der  unabhängigen  pädagogischen  Wissenschaft  aus  der 
Parteien  Venhni-^tc  und  I''inseitii;keiten  /n  zeichnen.  Mrt<;c  das 
neue  Jahrhunderl  dem  deutschen  Rvich  eine  vSchuh erfassun.i^ 
l>rin«;en,  aufj^ehaul  auf  den  Prinzipien  der  ( lewissensfreiheit  und 
Sellistvcrw  altunj;.  Neben  dem  \'ortr:i'.;\-  (ks  Herrn  Timi  -^(>rs 
Kein  wurde  besonder.s  die  Rede  ile.s  Herrn  Pfarrers  N  a  u  ui  a  n  n 
lebhaft  begrufst.  Warmherziger  hat  wohl  kaum  ein  Geistlicher 
vom  Lehrerstand  geschrielien,  als  Naumann  es  in  der  '>I.,e1irer- 
nummerv  der  "Hilfe  that»  die  zu  Pestalozzis  150.  Geburtstage 
erschien.  Dank  und  \'ertrauen  liekuudete  daruni  (he  rauschende 
liej;rüfsun}4   des    tapferen   Manne-^.  Herr    Professor  Rein 

für  tlen  evanj;elisch-sozialen  (leiiankeii  wacker  eintritt,  beweisen 
neben  seiner  Stuttgarter  Rede  auch  seine  Schuhirtikel  in  der 
Hilfen 

Den  Vorsitz  in  der  VcFsaniuilung  führte  Herr  Stadtpfarrcr 
Sand  berger.  In      stundiger  Rede  führte  der  Referent,  Herr 

Professor  Dr.  W.  Rein,  ungefähr  Folgendes  aus: 

Die  JCrziehung  gedeiht  nur  in  friedlicher  Atmosphäre,  und 
darum  sollte  die  Schule  eine  Werkstfitte  d<  s  IVietlens  sein.  In 
der  Oe*4enwart  aber  ist  die  Schule  ein  Kanipioliii.  kt  der  ]io!itissMien 
Parteien  geworden.  Die  politischen  Parteien  \LrUclcn  Weltan- 
schauungen. Diese  stehen  sich  häufig  diametral  gegenüber,  da- 
her der  Streit.  Die  Weltanschauungen  suchen  sich  durchzusetzen ; 
darum  suchen  die  streitenden  Parteien  luufhifs  auf  die  Schule 
zu  gewinnen;  sie  erwarten,  dafs  die  in  ihrem  (ieiste  erzot^ene 
Jugend  die  (Mi^enon  Reihen  verstärke.  Daneben  läuft  das  ideale 
M»)tiv,  durcii  Hilduiii;  'i'id  ('csittung  das  (ilück  des  X'olkes  /u 
begründen,  lim  festunihchriebeues  Schulprogramm  hat  keine  Partei. 
Doch  lassen  sich  aus  allerlei  Kundgebungen  bestinnnte  (truml 
anschauungen  herausschälen.  Diese  beziehen  sich  auf  die  Organi- 
sation des  Schulwesens  (Ällg.  Volksschule,  Aufsicht  usw.),  auf 
den  Lehrplan  (Anschauungen  über  den  Wert  der  lUldungsgüler), 
auf  die  Lehrerbildung  und  Lehrerstellung.  Nach  diesen  Ciesielits- 
punkten  sollen  betrachtet  werden  die  P'orderungen  der  Konser- 
vali \en.  des  Zentrums,  der  Liberalen  und  So/i:\ldemokraten. 

Die  kouservatixe  Partei  in  ihrer  scharien  Ausprägung 
im  rechten  Flügel  der  norddeutschen  Gruj)pe,  \  ertritt  «war,  das 
ist  ihr  Ruhm,  die  Wertschätzung  der  Macht  der  religiösen  Welt- 
anschauung, fordert  aber  in  auffallender  Knglierzigkeit  für  die 
Sehule  ein  s  owK-gend  do.i^mati.schcs  Cluistentum.  Mit  der  Clier- 
schätzung  des  Dogmas  geht  Hand  in  Hand  eine  Uutcrschätzung 


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nie  ^hld«  ttf  ditm  VII,  Rt«tifpliaeh-ft*zlalMi  KaafirtB. 


der  Macht  des  Um^^anj^s  mit  tleii  idealen  Persönlichkeiten  der 
biljlischcn  Geschichte.  Auffallend  ist  auch  die  Anschauun^^  dieser 
Partei,  als  könne  dnrcli  'lie  Schule  die  Volksentwicklung  aufq^e- 
halten  werden.  I  )ie  liildiiUKSuiiUel  sulien  beschränkt  bleiben.  Die 
breiten  Schichten  sollen  nicht  über  ihre  Kreise  gehoben,  sollen 
nicht  mit  Unzufriedenheit  erfüllt  werden.  Zucht  steht  höher  alü 
Bildunj^.  Den  Bildung;sdran^  zurückzuhalten,  das  ist  aber  ein 
unmöglich  Ding.  So  wenig  wir  das  Volk  in  einer  materiellen, 
so  wenig  dürfen  wir  es  in  geistiger  Beschränktheit  lassen.  Die 
Masse  unwissend  zu  erhalten,  um  sie  besser  beherrschen  zu 
können,  das  ist  eine  antike  Auffassung,  die  durch  das  Christen- 
tum überwunden  wurde.  So  denken  die  Stüt/cn  der  Kirche<  . 
Die  gleichen  l'ordei ungeu  .stellt  mau  auch  an  die  i^chierbildung. 
Auch  die  geistliche  Schulaufsicht  hält  man  fest  von  dem  Stand- 
punkt der  historischen  Entwicklung :  die  Schule  sei  eine  Tochter 
tler  Kirclie.  ihr  also  untergeordnet,  der  Geistliche  ist  die  natür- 
liche Autorität  des  Lehrers,  Schule  und  Lehrerseminare  sind 
darnni  streng  konfessionell,  inid  der  Religionsunterricht  wird  von 
der  Kirche  strenge  überwacht.  Die  k(in>crvative  Partei  liat  durcli 
ihre  Forderungen  dazu  beigetragen,  dafs  die  Schule  der  Kirche, 
die  Lehrerschaft  der  Geistlichkeit  entfremdet  wurde,  ja  sie  hat 
manchen  zu  einer  Abneigung  gegen  alles  Religiöse  gedrängt 
Im  Interesse  der  Kirche,  im  Interesse  des  Friedens  liegt  es,  dafs 
die  geistliche  Schulaufsicht  fällt  Der  Lehrerstand  erkämpft  eine 
höhere  Stufe  seiner  Stellung  und  wirtschaftlichen  Lage.  Dnhei 
geschieht  von  der  konservati\en  Partei  alles,  um  die  Leiner  in 
die  Arme  der  Umsturzparti  im  /u  treiben.  (]5r:u  (jl)  Ivs  ist 
schmachvoll,  wenn  eiu  Mitglied  des  preulsischen  Herren- 
hauses jüngst  äufserte,  900  Kl.  Jahresgehalt  dürften  fflr  eine 
Lehrersfamilie  m  hoch  sein  (Pfui!)  Eine  solche  Gesinnung  ist 
brutall  (Bravo!)  Solche  Leute  nennen  sich  Vertreter  des 
Christentums. 

l)n<  Zentrum  Iti  sitzt  ein  hochkon.servntivcs  Schulprogramm. 
Ihis  gesamte  T?il(lu!ii;s\\  esen  soll  vom  vSiaate  losgeli  >st  und  der 
Kirche  überaiUworlcl  werden.  P'ür  die  gan/.e  \\»lk.>^ljildung  von 
der  Dorfschule  bis  zur  Universität  sorgt  allein  die  Kirche.  Die 
Lehrer  stehen  im  Dienste  der  Geistlichkeit  sagt  doch  Windt- 
horst  auf  dem  Katholikentag  1887:  «Die  Sdiule  gehört  der 
Kirche  ganz  allein 

Den  Liberalen  ist  die  Scluile  Sache  des  Staates.  Ihre  For- 
derungen sind  im  wesentlichen:  Tremunig  von  vSeluiIe  und  Kirche, 
Simnllanschule,  b'nchnnfsicht.  unent^'e-lllichei  Scluilhesuch,  freiere 
Lt-lnerbildung,  soziale  und  finanzielle  Ue.s.serstellinig  des  ],ehrei- 
standes,  alles,  um  die  Volksbildung  atif  eine  höhere  Stufe  zu 
bringen.  Dem  Bildungsdrang  des  Volkes  kommt  sie  durch  \'olks- 
bildungsveretne,  Lesehallen»  Vortragskurse  usw.  entgegen.  In 

Wtm  Bahneii  (PidacofivM)  TU.  9, 


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436 


llliberalismus  verfällt  die  liberale  rnrlei.  wenn  sie  die  Simultan - 
schule  als  alleitnj;;eN  mul  liüchstes  Tdeal  zwan^.sweise  einiühren 
will  ;  sie  ist  ebenso  illiberal  wie  die  konservative  Partei,  die  nur 
an  der  Konfessionsschule  hängt. 

Auch  die  Sozialdemokratie  ist  illiberal,  wenn  sie  die 
zwangsweise  Einführung  der  allgemeinen  religionslosen  Staats- 
schule fordert.  Vellmar  erhebt  allerdings  anfg^rund  des  Freilu  its- 
prinzips  Widerspruch  dagegen.  Aufserdeni  decken  sich  die  l-'or- 
derungen  der  Sozialdemokraten  vielfach  mit  dem  Programm  der 
Liberalen.  \'o\i  einem  Punkte  des  s<  i/i;ddemokratischen  riou  raTums 
können  wir  aber  besontlers  lernen.  un<.l  dessen  Aus! liluung  wünle 
der  Gesellschaft  wichtige  Dienste  leisten,  es  ist  die  Forderung 
der  obligatorischen  Fortbildungsschule  bis  zum  r8.  Lebensjahre 
Redner  begründet  die  Nolw mdigkeit  einer  Fürsorge  für  diese 
luitwicklungszeit  eingehend.  Heutzutage  lasse  man  alles  laufen 
und  wundere  sich  schliefslich.  wenn  die  Jugend  der  Sozialdemo- 
kratie anheimfalle.  Der  Staat  ist  rein  mit  Blindheit  geschingen. 
l\r  konnte  viel  Geld  sparen,  würde  er  den  Hebel  an  der  recliten 
Stelle  einsetzen. 

Alle  Parteien  haben  Kinseitigkeiten.  Wir  müssen  aufserhalb 
der  politischen  Parteien  den  Versuch  zu  einer  rechten  Schulver- 
fassung machen.  Den  Weg  zum  Frieden  zeigt  die  unabhängige 
Pädagogik,  Die  Sache  ist  schwierig :  mag  die  Kritik  ihres  AnUes 
walten.  Vor  allem  müssen  wir  ksthalten.  dafs  vier  Faktoren  nn 
der  Gestaltung  des  Hikiung.skl >en>  beteiligt  sind,  von  ileiien  wir 
keinen  ans.schliefsen,  von  denen  al)er  auch  keiner  die  Überlierrschaft 
allein  führen  darf.  Das  sind  die  Familie,  die  bürgerliche  Gemeinde, 
die  Kirche  tmd  der  Staat.  Bisher  haben  sich  nur  die  beiden  letzteren 
um  die  Schulherrschaft  gestritten.  Nur  wo  die  Rechte  der  vier 
Faktoren  anerkannt  werden,  kommen  wir  zu  einer  freien  und 
frie<llichen  Schulverfassung.  PN  imi fs  tnehr  betont  werden,  dafs 
zunächst  die  Familie  das  iir>])iünglichste  und  natürlicliste  An- 
recht in  Sachen  der  Jugendbildung  hat.  Die  bureaukratische  Be- 
vormundung darf  die  Familienrechte  nicht  antasten.  Das  Familien • 
priiizip  muh  die  Grundlage  der  Schul  Verfassung  sein.  Nichts 
verträgt  so  wenig  die  Erstarrung  und  den  Zwang  als  die  Kr- 
ziehung  und  die  Schule.  Wer  Leben  will,  nuifs  F'reiheit  lassen. 
Dafs  es  an  solchem  fri.schen.  freien  Leben  oft  fehlt,  hat  vielfach 
die  Pnrcnukrntie  verschuldet.  Genossenschaften  von  P'amilieii 
iMldeü  (.  ine  Sehnlgemeinde.  welclu:  sich  auf  Gewissens»,  ini^keit 
und  gemeinsame  LebeUhan^ehauung  der  Gemeindegli'.tler  gründet.  ■ 
Ks  dürfen  also  ebensowohl  Konfessionsschulen,  als  Simultan - 
und  Dissideiitenschulen  gegründet  werden.  Der  Staat  niufs  alle 
als  öffentliche  Schulen  anerkennen.  Danel>en  mufs  auch  einzelnen 
Personell,  h'amilien  mul  P^nniliengenossenschaftcn,  soweit  sie  sich 
Über  ihre  Krzieliungsgrundsätzc  genügend  ausweisen  können,  die 


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Dl4>  flrhal»  auf  dnii  VII.  EvjiHcelitch-iMiitlalra  Konfrrf». 


Krrichtung  von  Privatschulen  unter  staatlicher  Aufsicht  erlaubt 
sein.  Sämtliche  Schulgetncinden  erhalten  das  Recht  der  Selhst- 
vcrwaltung.  Die  Kirche  verzichtet  auf  jedes  Redit,  doch  kann 
sie  durch  ihre  X'ertreter  in  den  vSchulvertretntii^'^en  aul  die  Pflege 
un<l  ICntwikhmg  der  vSchulen  Ivinflufs  ^cuiiiuen.  Nach  innen 
erhellt  sich  also  die  Schule  auf  dem  Boden  der  religiösen  Oe- 
nicinschaft.  nach  aufsen  auf  dem  Boden  der  bürgerlichen  Gemeinde 
und  des  Staates.  Der  Staat  führt  die  Oberaufsicht;  er  läfst  durch 
pädagogisch  geschulte  Organe  die  Fachaufsicht  führen.  Pjne 
völlige  Verstaatlichung  der  gesaniten  Schul  Verfassung  wurde  alle 
freie  Heweguntr  inul  damit  alles  walirhafte  T.ehen  unterdriicken. 
Die  rechte  Schuh  erfassung  niufs  sich  auf  den  Prinzipien  der 
Gewissensfreiheit  und  Selbstverwaltung  aufhauen:  sie  allein  ist 
wahrhaft  volkstümlich,  gerecht,  freiheitlich,  echt  evangelisch. 

Der  Vortrag  war  des  öfteren  von  Beifall  unterbrochen.  Be- 
sonders lebhaftes  Kcho  hatte  die  scharfe  Kritik  an  der  konser- 
vativen Partei  gefrivUn:  auch  die  Forderung,  dafs  vSchule  und 
Kirche  als  zwei  ideale  I'aktoren  im  X'olkslehen  Hand  in  Hand 
gehen  sollen,  sowie  die  Forderung,  daf<  man  doch  endlich  die 
W'iiuM  he  der  Lehrerscliaft  anerkennen  müsse,  waren  mit  wartner 
Zustimmung  begrüfst  worden.  Am  Schlu.sse  erhob  sicii  langan- 
haltender Beifall. 

Zum  Worte  hatte  sich  zunächst  Pastor  Kbert  aus  Ham- 
burg gemeldet;  er  schlug  die  Brückv  xoni  Hamburger  Lehrer- 
tag zum  evangelisch -sozialen  Kongrefs.  Fr  er/.ahlt  von  den  Ver- 
sannnhnrgen  dort  und  von  der  Stimmung  der  Fehrtr.  In  Ham- 
burg sterbt  ti  die  Privatschuleii  t  rtrculichi  rweise  aus.  Jü>rluittert 
Imbe  ihn  eine  X'ersannnlung.  in  der  Professor  Lelimann-Holien- 
Ijcrg  sprach :  bei  verschiedenen  Parteien  hat  die  Lehrerschaft 
Anschhtfs  gesucht»  überall  wurde  sie  enttäuscht  Nun  wissen 
die  Lehrer  nicht  mehr  wohin.  (Sehr  richtig!)  Viele  Lehrer  sind 
dem  Ivgidyschen  »Volksbund  beigetreten.  Das  ist  eine  gluck- 
liche P'ntwicklnng :  es  ist  eine  \'orstufe  zinn  evangelisch-sozialen 
Kf>ngrefs.  Betrübt  hat  midi  der  kirchenti  iiidliche  Ton  bei  an- 
deren \'»(rträgen:  ich  glaubi  .  d  ii  iu  ist  die  Kirolie  und  sind  dii- 
Geistlichen  vielfach  .selbst  sclnild.  (Sehr  richtig :)  Jn  den  Släilleu 
ist  die  geistliche  Schulaufsicht  zw  Knde,  auf  dem  Lande  niuls 
man  für  eine  iK'ssere  pädagogische  Bildung  der  Pastoren  sorgen. 
Personen  haben  die  Abneigtnig  gegen  die  Kirche  verschuldet. 
^fan  nnifs  sich  Itesser  verstehen  lernen.  Schmerzlich  berührt  hat 
nn'cli  der  \\'iderspruch  gegen  das  f>ogma.  (Bei  nalu-ren  Ans- 
fnhrnngen  nlier  die  Bedeutung  des  Dogmas  unterlnicht  ihn  die 
X'ersannninng  durch  Widerspracii  und  Schlufsrufe.)  Sehr  s>ni- 
pathisch  war  mir  ein  Vertrag  über  Pestalozzi,  in  diesen»  \'ater 
der  Verlassenen  sollen  sich  Lehrer  und  Geistliche  wieder  finden. 
Der  Lehrerstand  hat  eine  grofse  Zukunft!  (Beifall.) 

28* 


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Referent  Prof.  Dr.  Rein:  Die  Lokalschulaulsiclil  ninfsauch 
auf  dem  Lande  fallen.  Für  eine  pädagogische  Aushildunj;  hat 
der  Geistliche  bei  dem  gegenwärtigen  Stande  der  pfulaj^ogischen 
Wissenschaft  keine  Zeit  übrig.  Die  technische  Seite  des  Schul- 
bctriehs  kami  nur  der  Pachaiifsicht  unterstehen.  Nicht  Aufsichls- 
l)eanite  braucht  der  Lehrer,  sondern  Leute,  die  ilin  /.u  fördern 
wissen.  (Lebhaftes  Hrn\  o')  Ik-zügiich  dc^  Df>gnias  haiuU-lt  sieh 
dannn,  dafs  (lassi.  il )l'  nirlit  ül)cj>.cliatzt  weide.  In  die  \  olk^s«.  hule 
gehört  der  l-nteniclil  in  dur  biblischen  Geschicliie,  das  Syste- 
matische, der  Katechismus  gehört  in  den  Konfimiandenunter- 
rieht.  Das  wird  nach  beiden  Seiten  fruchtbar  sein.  (Beifall.) 

Nun  spricht  Pfarrer  Schäfer  aus  Spcrbach  in  der 
Rhein])fal/.  der  Vorsitzende  der  pfälzischen  Arbeitervereine;  er 
stellt  sich  klar  und  fest  auf  den  I^ntUii  der  Forderungen  des 
Lehrerstaiuk  N ;  Mir  erscheint  es  als  Pflicht,  <1nfs  der  (Teistlidie 
auf  das  Aufsichtsrecht  verzichtet,  weil  die  Sclndc  ein  zu  wich- 
tiger Faktor  im  Volksleben  ist.  als  dafs  die  Aufsicht  Über  die- 
selbe von  ihm  im  Nebenamt  versehen  werde.  Uus  Geistlichen 
fehlt  es  dazu  an  Zeit  und  Vorbildung.  Dem  Lehrerstand  gebührt 
das  Recht  auf  Fachaufsicht.  Wir  treten  bei  den  Gewerkschaften 
der  Arbeiter  ein  für  die  Selbstverwaltung.  Warum  sollen  wir 
es  nicht  bei  dem  T.i lirci  thuti  '  Wir  müssen  es  tlitni.  damit 
Friede  einziehe  zwim^Ikii  ('.ci.-^llichen  und  Lehrern.  Wir  sind 
zu  gemeinsamer  sozialer  Arl)eit  berufen.  In  der  Pfalz  stehen 
die  Lehrer  uns  mifstrauisch  gegenüber,  bahnen  wir  dem  Lehrer 
den  Weg  zur  sozialen  Bewegung.  (Beifall.) 

von  Gerlach,  Redakteur  des  Volk*  in  Berlin,  Organ 
der  Christlich-Sozialen  'i]!  -  rer  Richtung:  Ich  bin  mit  dem 
Herrn  Referenten  f^TutKUal/lich  i  in\erstanden.  Wir  Christlicli- 
So/ialen  stehen  im  schärtsU-u  Ocgcnsatz  zu  <lLn  K< )n^er\-ntiveu. 
Doch  hat  er  sie  in  manchen  Dingen  zu  schart  angepackt,  die 
Liberalen  hat  er  zu  milde  behandelt  Die  nationalliberalen 
Bürgermeister  und  freisinnigen  Stadtverordneten  lassen  auch  viel 
zu  wünschen  übrig.  In  Berlin  haben  sie  den  Lehrern  den  Kin- 
tritt  in  die  städtische  Schul  de]  nitation  verweigert.  Die  liberalen 
Herren  haben  auch  gegen  die  Kommission.sberatung  des  Lehrer- 
be.soldungsge.setzes  inr  Herrenhause  gestimmt.  Um  des  städtischen 
Steuersnckels  willen  haben  sie  mit  den  Ktiu^ervativen  die  .\uf- 
bes.serung  verweigert  und  la.ssen  die  Lelirer  in  ilirer  verzweifelten 
Lage.  Wir  Christlich-Sozialen  wollen  das  nicht  Wir  fordern 
nach  dem  Eisenacher  Progrannn  auch  die  Pachaufsicht  Das 
entspricht  der  .-Xusirlit  sehr  vieler  Geistlicher.  Die  Verquickung 
von  Kirche  und  Schule  schadet  mehr,  als  sie  nützt.  Lehrer 
und  Geistliche  müssen  sicli  als  gleichbereclUii^le  Pt  r^onrn  L'e<»en- 
überstehen.  l'ür  das  Reste  halte  ich  die  \<>llige  Tvtnniiii-;  von 
Staat  und  Kirche  und  daher  auch  von  Sclmle  und  Kirclie,  wie 


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Die  f^hnle  nuf  dm  vil.  BTiin;cU»ch-»oj!l«l«n  Komcref».  ^29 


es  sich  iu  cin/clncii  Kantonen  in  der  Schweiz  lx;wnhrt  hat  und 
womit  5^rrn<U-  die  kirchlichsten  Kreise  nm  meisteTi  /nfrieden  sind. 
Wir  fordern  auch  die  I'ünlicU^^ohnk-,  wie  sie  T5;i\ern  liat.  Der 
Satz,  die  Schule  müsse  die  Su/,iaklemokralie  bekämpfe  1,  ist 
jiTundfalsch ;  das  kann  sie  nicht,  das  darf  sie  nicht  Al>er  das 
dürfen  wir  fordern:  die  Schule  soll  sozial  sein.  (Beifall.) 

Auf  zur  Kednerbühne  steigt  nun  Lehrer  Közle  von 
Cannstatt  Aher  er  spricht  nur  einij^e  Sätze.  Kr  will  die 
Stellunt^  (K  s  I)oj;mas  in  der  Schule  verteidij^en  I  Man  ruft 
vSchlufs,  und  als  er  weiter  >i)rechen  will,  widerspricht  die  Ver- 
sannnluni^  ^anz  enl.scliie<len.  Der  Vorsil/eiide,  Pfarrer  Saiid- 
l)erger:  >lvs  ist  der  ausgesprochene  Wille  der  gan/.en  Versanun- 
lunj^,  dats  über  diesen  Punkt  hier  nicht  verhandelt  wird«. 

Pfarrer  Kscnwein  aus  Langenbcutingen  in  Württeml)crg: 
Die  LehrcrtiesoUlungsfrage  i^i  <.ine  soziale  Frage  ersten  Ranges. 
I{s  ist  K'»"^  n  ; verantwortlich,  die  Lüsunj^  dieser  Frage  immer 
wieder  auf  die  lami^e  ]?nnk  zu  schiel>iii.  Iiier  mufs  endlich 
einmal  >^eholfen  werden.  Wenn  wir  rnetilgeltlichkeit  des  rnler- 
richls  fordern,  so  gilt  das  nur  den  Wdkssclmlen.  liei  den 
höheren  Schulen  müssen  wir  vom  evangelisch-sozialen  Stand- 
punkt dagegen  sein.  Steiterkräftige  Schultern  müssen  auch 
grofserc  Lasten  tragen.  Aufstrebenden  Kräften  aus  unbemittelten 
Klassen  müsse  Unterstützung  zu  teil  werden.  Die  Kinheits- 
schule  müsse  die  Schule  der  Zukunft  sein  als  eine  Folge  der 
sozialen  Kntwickelung.  Der  wachsende  soziale  rki^i  wird  sich 
seinen  Korper  hauen.  Man  kann  die  Sclude  tiiclil  ]>lni/Iich 
durch  Ge.^elz  schüilen;  sie  wird  später  einmal  einem  allgemeinen 
Bedürfnis  entspringen.  Die  höheren  Schuleti  bedü-fen  einer 
gründlichen  Reform:  dieselt>en  kranken  an  einem  ästhetisch - 
aristokratischen,  also  antisozialen  Charakter,  entsprechend  dem 
kl  i<  rsrlu  n  Zitat:  Mirh  ekelt  vor  dem  elenden  Pöbel  .  Ich 
l>in  ki  in  llarlKir.  der  die  < 'rntterhilder  zcrschmeifsen  will,  al>er 
ich  haltr  hn  eine  dringende  Aufgabe,  dafs  jenen  Schülern, 
die  zu  tU  n  lieherrschenden  Kla*^.-.en  gehören,  der  evangelisch - 
soziale  Geist  kräftig  eingepflanzt  werde.  Das  wird  nuui  aber 
nicht  erreichen  durch  Vermehrung  der  Religionsstundcn,  sondern 
durch  pädagogische  Ausbildung  der  Philologen.  Noch  wartet  man 
auf  die  Krrichtung  von  Lehrsiü'iUii  der  Pädagogik  an  den  Iloch- 
^olnilcTt  Die  evangelische  Pädagogik  möge  den  rechten  Geist 
bringen.    (Lebhafter  lieifall.) 

Redakteur  vSchrempf  in  Stuttgart  stellt  -^icli  als  ehe- 
maliger Lehrer  und  jetziges  .Mitglied  der  konservativen  Fraktion 
des  Württembergischen  Landtags  vor:  Mir  .scheint,  dafs  der 
Herr  Referent  zur  konservativen  Partei  nicht  gehört  Rr  hat 
die  Verhältnisse  östlich  der  Flbe  im  Auge.  Wir  süddeutschen 
Konservativen  teilen  diese  Anschauungen  durchaus  nicht  Unser 


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430 


-w. 


Ideal  ist.  flnfs  «lie  Schule  nii<l  tlic  Kirrltc  fUm  \'<>lkc  tlieiicn. 
\Ve<lcr  Kinlu  jiocii  Solnilc  solkti  licn.sclicu.  \"ulk»clHile  !itl 
V'ülk.sscliullchicrbildmi};  kranken  an  l'berfüllung  mit  Facheni 
und  I^etirstoff.  Wir  verlangen  eine  vertiefte  Bildiiii};:.  Das  ist 
gut  konservativ.  Wir  wollen  eine  gute  Schule  und  sind  durch- 
aus Ichrfreundlich.  Wir  lialjen  auch  kürzlich  im  Kandla.i; 
selbständige  fachmännische  vSchulbehörden  geschaffen.  Mii  den 
Forderungen  des  Herrn  Refe  renten  bin  ich  ganz  /ulrieden.  Ich 
habe  mir  gleich  auf  die  Iveilsät/e  die  Xotiz  gemaclit  :  Sehr 
vernünftig!'  Die  Familie  ist  der  Hanpliaktor  in  der  Schul- 
verfassung, danmi  verlangen  wir  auch  die  Konfessionsschule. 
Für  alle  Parteien  ist  die  Schule  ein  wertvoller  Besitz.  Möge 
sie  allen  nicht  der  Zankapfel,  soudeni  der  Augapfel  sein.  (Boirall.) 

Pfxirrer  Xaumann  aus  Frankf\irt  am  Main  wird,  als  er 
zur  Redneiltuhne  geht,  mit  Ihavo  und  Händckl  it-^chen  beuill- 
kntnmt.  drückt  zunächst  -eine  Ik friedigung  aus,  dnf-^  Herr 

Retlakleiir  Schretnpf  eine  so  ^rliarfe  Cirenze  zwischen  den  nord- 
und  süddeutschen  Kon>eivaliveü  gezogen  habe,  und  führt  dann 
in  der  Hauptsache  fcdgendes  aus:  Ks  ist  ein  altes  Wort:  Der 
preufsische  Lehrer  hat  die  Schlacht  von  Königgrätz  gewonnen. . 
Das  wurde  schon  hinreichend  kritisiert  und  zwar  mit  Recht 
Mehr  aber  als  auf  dieser  Art  von  Srlilachlfehlern  hängt  bei  den 
Känipfcn  auf  wirtschnftlichein  (iebiet  die  I.ösung  ntreudlicher 
Schwierigkeiten  von  (kr  Schule  ab.  ICs  kommt  hier  \i\l  ;inf 
die  geistige  und  sittliche  Leistungskraft  eines  Volkes  an.  WOlkn 
wir  Deutsche  eintreten  in  den  Wettkampf  der  Völker,  so  brauchen 
wir  eine  möglichst  grofse  Zahl  denkender  Menschen.  Darum 
müssen  wir  die  Schule  zu  einein  noch  viel  wirksameren  Faktor 
machen,  als  sie  heute  ist  Hier  ist  der  Punkt,  wo  die  soziale 
Frage  mit  der  Schule  zusammenhängt.  Das  zeigt  sich  bei  der 
deutschen  Arheiterbew  emuig.  Dieselbe  hat  bis  jetzt  noch  wenig 
greifbare  lüfolge  aufzuweisen.  Das  hängt  damit  /u^-ritninen. 
dafs  in  der  grofsen  Zahl  von  Arbeitern  eine  so  geringe  Zahl 
von  Köpfen  ist,  die  selbständig  denken  und  die  geistige  Führung 
üliemehmen  können.  Ks  ist  darum  ganz  natürlich,  dafs  die 
Albeiter  alle  Hände  ausstrecken  nach  einer  tüchtigen  Schul- 
bildung. Bildung  hilft  zu  einem  ganz  anderen  Auftreten.  Bildung 
hilft  zur  Beschleunigung  einer  l)esseren  Zeit.  Darum  mü.'isen 
wir  Chrisliich-Soziale  für  die  Srinile  mit  aller  Lebhaftigkeit 
eintreten.  Wir  begreifen  aucli,  dal.s  die  deutsche  Lehrersch.il L 
Sympathien  hat  mit  der  deutschen  Arbeiterbewegung,  weil  der 
Lehrenstand  ein  kämpfender,  aufwärts  strebender  Stand  ist 
Während  die  Geistlichen  im  ganzen  in  annehmbaren  Verhält- 
nissen leben,  müssen  die  Lehrer  erst  noch  gewinnen  und  er- 
kämpfen, sowohl  nn  Achtung  für  ihren  Stand  niid  sozialer 
Stellung  als  an  uialerieller  Verbesserung  ihrer  Lage,  und  kämpfende 


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45» 


Trni'iKii  -^Mlll i\n  iiinuor  iniuiiuuultr.  Der  T.direrstand 
hat  tlai  iuii  auch  \  icl  mehr  W-rsUiiulnis  für  die  so/ialcii  Kämpfe 
Jer  Gejijeiuvart  als  andere  Stände.  Ich  zweifle  darum  nicht, 
dars  die  Zeit  kommen  wird,  wo  die  grofse  Zahl  der  Lehrer  mit 
der  Bewegiinji^  der  Volksmassen  sich  znsammenschliefsen  wird. 
Alw  auf  welcher  Grundlage?  Die  I^ehrer  werden  sich  nicht 
auf  eine  WMtauschauunj;  stutzen  können,  die  auf  materialistisclier 
Cirundlai^i  ruht.  I>a>  köniUMi  ^ie  nicht,  weil  ^ie  Pnda^o^;cn  sind, 
nie  Pädag(>);ik  verlan-l  eine  Ivinwirkuu)^  auf  (iemül  und  Wille 
des  Menschen.  Der  Malerialismus  sagt,  der  Mensch  sei  ledig- 
lich dn  Produkt  äufserer  Verhältnisse.  Dem  gegenüber  mufs 
der  I^ehrer  festhalten  an  der  Verantwortlichkeit  des  sittlichen 
Menschen.  I^r  mufs  mit  seiner  .\rbeit  herantreten  an  die  lebendige, 
bildsame  Seele.  Ivr  würde  .«»ein  Amt  erniedrigen,  wollte  er  die 
materialistische  Wcllanschauunir  :il^  die  rechte  anerkennen. 
Wrh-be  andere  Grundla>;e  <les  Sn/.ialistnu>  innls  al.so  iier  Lehrer 
sucluu  ?  ( iCK'-i'^värtijj;  ist  eine  Kluft  vorhandcu  zwi.schen  Lehrer- 
schaft und  Kirche.  Auf  der  Hamburger  Lehrerversanmdung 
wurden  jene  Stellen  mit  stilmiischcm  Beifall  begrfifst,  die  eine 
Abneigung  gegen  die  Kirche  kundgaben.  Merkwurdigerwei.se 
wird  a1)er  innner  wieder  betont,  dats  die  I«ehrer  den  Religions- 
unterricht um  keinen  Preis  aufgeben  wollen.  Hier  lieKen  die 
Wibindnni^slinien,  die  zusannneiifiihrt.ii  können,  was  (hirch  per- 
.^oüiiciie  SchuUl  und  die  I^nt^\  i<.  kliiiii4  der  i^in^e  sicli  Ireniieii 
mufste.  So  ist  es  .selbstverständlich,  dafs  die  geistliche  Schul- 
aufsicht fallen  mufs.  Das  ist  eine  fast  allgemein  anerkannte 
Forderung.  Ks  ist  nur  verwunderlich,  dafs  sie  in  vorgeschrittenen 
Ländern  noch  nicht  verwirklicht  wurde.  I{in  anderes  aber  mufs 
in  der  Schule  bleiben  lebendig  und  grofs,  die  eine  Person:  Jesus 
Christus.  }'.r  ist  der  grofse  Mittelpunkt  de^  Cliristeiitnnis,  er 
ist  auch  ih\<  grofse  ewige  \  orbild  der  Pädagogik.  liier  findet 
<lie  dealsehe  Sciinle  ihre  Kraft,  ihre  innere  Frische  und  Freudig- 
keit, um  wahrhaft  zu  werden,  was  sie  sein  soll:  eine  ch  istliche 
Schule.  Wenn  die  deutsche  Lehrerschaft  das  will,  dann  werden 
alle,  die  ernsthaft  eintreten  für  das  Wohl  des  Volkes,  sich  als 
Mitkämpfer  und  Brüder  fühlen.  (Langanhaltender  stürmischer 
Beifall.) 

.^tadti)farrer  Tr  anb  von  Stnttu:art,  der  X'erbnndsvor- 
silzende  der  evangelisehen  .Arbeitervereine  \Vürtteml)ergs.  drütkt 
zunächst  .seine  Verwunderung  aus,  dafs  in  der  Pfalz  die  Lehrer 
von  sozialer  Mitarlicit  sich  fenilialteu  und  benchtet,  dafs  in 
Württemberg  sich  gerade  die  evangelischen  Lehrer  l)ei  sozialen 
Veranstaltungen  z.  B.  in  Arbeiter\'ereincn  genie  l>eteiligen  und 
sagt  weiter:  Wir  Pfarrer  \ nid  Lehrer  gehören  zusammen.  Darum 
ist  dringend  nötig,  dafs  alles  ans  dem  Wege  ger:nnnt  wird,  was 
einer  genjciusameu  Arbeit  au  un.sereni  \'olkc  hinderlich  ist,  es 


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-bl. 


iiiuls  die  ucislliclK-  Schulaiifsiclit  fallen.  Dm  Ii  \v[/A  --ch«ui  wollen 
wir  uns  näher  treten  und  Hand  in  Hainl  •^elicn,  I'tarrer  uml 
Lehrer,  ein  Volk,  eine  Kirche,  eine  Schule,  christlich  und  sozial. 
Das  walte  Gott!  (Lebhafter  Beifall.) 

Nachdem  noch  Gymnasialrektor  Dr.  K«:elhaaf  von  Stutt- 
gart gej^enüher  der  Herausforderung  des  Herrn  Pfarrers  Ksen- 
wein  (las  höliere  Schnhvcscn  verleidigt  hatte,  ergriff  der  Referent. 
Herr  l'rofcssor  Dr.  Rein  das  Wort  zur  Schlnfsrede.  l{r  hegrüfste 
die  gl.  sinnuni^sverwandu  n  Ausffdirungen  eiiu  s  si'iiUKiit>chen  Kon- 
servativen und  sagte  dann:  Im  ganzen  sintl  die  \  crhandlungen 
recht  erfreulich.  Bs  ergab  sich  eine  grofse  Übereinstimmung  in 
den  wesentlichen  Forderungen  des  Lehrerstandes.  Ich  kann  nur 
den  einen  Wunsch  anschliefsen :  Möge  von  diesen  Gedanken 
etwas  hinüberdringen  in  die  Kreise,  denen  es  nu")glich  ist,  in 
die  Wirklichkeit  überzugreifen,  damit  unscn  Worte  in  Thaten 
umgesetzt  werden.  (Lebhafter  lieifall  und  ZiisiinminnL;.) 

Durch  den  Vorsit/enden  befragt,  gab  dann  ilie  Wrsanini- 
lung  iiireni  grund.säl/.lielien  Ivinverständnis  mit  den  piidagogi.'iclien 
Anschauungen  des  Herrn  Referenten  einmütigen  Ausdruck. 

Ks  safs  ein  Friedensengel  freundlich  lächelnd  neben  dem 
Rednerpult,  als  die  Geistlichen  so  schwertscharf  für  das  Wohl 
der  deutschen  \''olksschule  und  für  das  gute  Recht  der  Volks- 
<cbn11ehrer  eintraten.  Dnini  breitete  dtr  ICngel  seine  vSchwingeu 
und  hub  an  den  Klug  durchs  deutsche  \*aterl;ind.  Möge  er  Ver- 
söhtuing  tragen  in  Stadt  und  Land,  l'nser  von  inneren  Kämjifen 
zerris.scncs  Vaterland  braucht  Leute,  die  als  lebendige  Kräfte 
der  Nation  die  idealen  Mächte  im  Volksleben  erhalttn  und  stärken  ^ 
helfen.  Solche  Helfer  können  und  sollen  die  Geistlichen  und  die 
Lehrer  sein.  Als  Mitkämpfer  und  Brüder  sollen  sie  sich  fühlen. 
Da  müs.sen  die  feindlichen  Brüder  endlich  Friede  .'ichliefsen. 
Doch  Friede  kann  nur  die  Freiheit  bringen'  Möge  der  Ivvan 
gelisch-Süziale  Kmi Irrels  tin  NL\rkstein  sein  ju  der  Geschichte 
der  lA'hrerbefreiung,  ein  FVicdcn.sdenkmal  in  unserem  deutschen 
Volke ! 

Würzburg.  —hl. 


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Die  „Neuen  Bahnen**  auf  der 
Anklagebank. 


L 

Zum  ersten  Male  seit  ihrem  bald  siebenjährigen  Bestehen 

haben  die  .Neuen  Balineti  in  <licsLn  Wochen  auf  der  Anklage- 
bank gesessen.    Freilich  sijul  sie  nicht  von  einem  deutschen 

Staatsanwälte  zur  Vernntwortuni^  .i;e/.()t;en :  ihr  Anklaj^er  war 
der  ö-;ierreirliisclie  Schuhnann  Herr  Jordan  in  Wien,  Redak- 
teur iler   Osterr.  Scfml/eituni;  . 

Und  welciies  \'crgehcns  be/.iehlcl  ni.iu    uii>tre  Zeil>clii  ift  ? 
Hören  wir  den  Anklapfer  selber! 

Dr.  I'ricd!  ich  1)  i  1 1 e  s  war  noch  iiichl  hcijralKn  mul  schon  hat 
iraii  seinen  Namen  «gesell. äfthcli  ansjjenntzt.  Wir  wissen  aus  (km 
ptrs()nhclien  X'erkehr  mit  dein  \  erstorhenen.  «lafs  es  si^iti  Wunsch 
wiT,  das  Pädagogium.,  die  von  ihm  geleitete  Zeitschrift,  seine 
wichtip^ste,  in  der  letzten  Zeit  einzige  Waffe  in  dem  Kampfe,  den  er 
ja  bis  /um  ktztiii  Atcm/uir  mit  aller  IlncrLric  trckämpft.  mö.L:\-  mit 
ilini  zugleich  zu  ileu  Toten  gehen ;  niemand  solle  es  weiterführen, 
tiieniand  das  Werk  unter  diesem  Namen  fortsetzen.  Dafs  nun  die 
l'ii  ni  i  I\  1  i  n  k  h  a  r  d  t  die  Adressen  der  1*  ä d a  g og i  u m sahn  e  h  m  e r 
verkauft  hat.  hat  uns  peinlich  berührt:  dnfs  aber  der  Redakteur  der 

Neuen  Hahnen  für  sein  Blatt  den  Titel  i'ädagogium  — 
sagen  wir  wählt,  das  finden  wir  einfach  brutal!  Mit  dem  Namen 
<1  es  jüngst  verstoi  Ir  lu  11,  hochverehrten  Pädagogen  auf  den  Abonnen- 
tenfang anszngeheJi,  .uigesichts  der  allseitigen  Trauer  über  den  Hin- 
gang (ks  gefeierten  (klehrten  das  nackte  Geschäftsinteresse  hervor- 
kehren, das  kÖTimn  wir  riucm  I'uchliäudItT  nicht  ver/A-iluTi.  wieviel 
weniger  daher  einem  J.,ehrer,  dem  Redakteur  der  Neuen  liahnen  . 
Wir  hoffen,  die  deutsche  I,ehrerschaft  werde  auf  dieses  Unterfangen 
in  der  einzig  richtigen  Weise  reagieren,  und  wir  stellen  zur  Ikur- 
teilung  des  I'.illes  ff>lgende  Thatsachen  fest:    ii   die  Monatsschrift 

rädagogium  ist  nicht  aus  Mangel  an  Abonnenten  eingegangen, 
wie  Frisch  im   österr.  Sclnill»(»ten.  angibt.   2)  Dittes  schfofs  das 

rädagogium  ab.  als  er  nicht  mehr  selber  re<b'gieren  ktmnte.  und 
hatte  weder  die  Absicht  noch  den  Wunsch,  die  Monatsschrift 
durch  einen  anderen  Redakteur  fortführen  zu  las.sen.  3)  Dittes 
U'hnte  ganz  ausdrücklich  und  rutschieden  auch  <ku  Wunsch 
des  Verlai^sbuchhändl ers,  den  laufenden  Jahrgang  (^das  2.  Halb- 
jahr unter  einer  anderen  Redaktion  oder  nominell  unter  der  alten 


^■^4  Johann»'«'  Moyrt, 

RciUikliuit  vt)llcntlcn  /.u  la.sscn.  ah.  4/  Dittcs  halle  keine  Kennt- 
nis von  dtT  Abmachung;  der  VerlaKsbuchhandlun^^  mit  «Ion  Neuen 
Hahnen  .  5)  Die  Annalinie  <les  'I'ilels  l'äd  aj^o^f  i  nni  seitii.  l  r 
der  Neuen  liahnen  ist  ehcn  n\ir  ans  j^eschäftlichen  ('•rtin<len  cr- 
foljjt  und  dem  Veilejier  wäre  es  nnter  andern  rniständen  siclierlicii 
jjlelch^iiiltiff,  ob  den  früheren  AUmncntcn  des  'PädagOf^ium  dieser 
Titel   liebgewortlen^  ist  (»(ler  nicht.  J. 

So  zu  leseii  iii  der  vösterreicliischen  Schiil/.dtiiii}?  - ! 

liehen  wir  aus  dieser  Atiklacfc  die  Punkte  heraus,  die  uns 
angehen,  so  erj^iebt  sich  I"ol<;en(ies : 

r.  Redakteur  uiul  \  erle^er  der  Xeiien  Hahnen  sin»l  «iurch 
Aufnahme  des  Neheutitels  .  rrulai;<i>;inni  auf  den  Ahonueulen- 
fati}?  ausgegangen^  ;  sie  haben  >das  nackte  Geschäftsinteresse 
hervorgekehrt* . 

2.  I'!rsc1i\\ eiriid  tiitt  hinzu,  dafs  sie  dies  jrethan  haben  -an» 
gesieh ts  der  allseitigen  Trauer  üIkt  den  Hingang  des  gefeierten 
Gelehrten  . 

Auf  Grund  dieser  Ank1:igc])unkte  wird  der  Antrag  gestellt : 
Wir  hoffen,   die  tUul^che    Lehrerschaft    winl    auf  dieses 
Unterfangen  in  der  einzig  richligen  Weise  reagieren  ,  d.  Ii.  sie 
wird  hoffentlich  ein  solches  Blatt  schleunigst  vom  Leben  zum 
Tode  befördcni. 

Tin  diesen  Angriff  möglichst  wirkungsvoll  zu  gestalten, 
und  ilim  eine  weite  Verbreitung  zu  verschaffen,  ga)j  sicli  die 
Oslerr.  Schul/.tg;  die  Mühe,  Abzüge  davon  verschiedenen 
SchnlMiillern  wie  vielen  und  welchen,  weifs  ich  nicht 
/n  -eiulen.  \'on  den  mir  /ngfini^diclien  lilättern  es  sind 
ungetcdir  40  haben  nur  vier  Herrn  J.  den  Cicfallen  gethan, 
den  Angriff  abzudrucken.  Da  ich  die  lÖsterr.  Schul zeitung* 
nicht  lese,  mir  aT)er  bezeichnender  Weise  der  Angriff  nicht  zu- 
gesandt war,  so  erhielt  ich  erst  ans  den  deutschen  Schulzeitungen 
Kenntnis  von  seinem  Dasein. 

Xuu  sind  die  N.  H.  noch  reiclilich  jung,  um  so  ohne 
weiteres  auf  dvn  Antrag  eines  Herrn  J.  liiii  von  der  HihUläcIie 
zu  w  r^ehwiiKk  n.  !vs  ist  darnm  w  ohl  ^elb^U  i.  v-tändlich,  dafs  sie 
sich  zur  \\  ein  setzten,  um  ihr  junges  Leben  möglichst  zu  retten. 
Da  ich  weder  Namen  noch  Adresse  des  Redaktenrs  der  ^Ostcrr. 
Schulztg.«  kannte«  so  sandte  ich  zunächst  den  deutschen  Schtil- 
blättern,  welche  den  Angriff  aufgenommen  hatten,  die  folgende 
Abwehr: 

.\uf  den  nnter  der  f  herschrift:  .Pietätvolle  (ieschäftsleute  ver- 
tiffentlichu  II  Angriff  sehe  ich  mich  gezwungen,  l-olirt  luh  s      «  rwidein 

i|  Wie  aus  dem  Mai-UeÜe  der  Neuen  Bahnen  Ueutlicii  zu  er- 
sehen ist,  ist  der  Nebentitel :  Padagoginm  schon  zn  Lebzeiten 
Dr.  Diltes  für  die  N.  H.  anfuetioinnien,  aber  erst,  nachdem  nach 
lanjjehen  <les  Päd.  der  j,^rt"ilsle  'l'eil  der  bisherigen  I-ieunde  dieses 
hervurragentlen  lilattcs  sich  als  Leser  der  N.  I),  eingefnnden  halte, 
und  meinerseits  n  u  r  zu  dem  Zwecke,    um  auch  äufserlich  kund  zu 


IHr  «Xra^  Buliwii''  mir  der  AnklUfebAiilr. 

;,a1)rn,  (lafs  (lit.-  N  H.  sicli  IhiuüIku  wünltii.  den  frühcitii  lASi-rn 
des  Pi'ul.  ihr  bislK-njiis  Oryati  niöj;liclist  /u  crscl/.«.ti  .  Nacli  Dr. 
Dtttrs'  TMtK'  ist  voll  suitt'ti  der  X.  H.  iiiilits  weiltr  trisflitlun. 
als  dafs  ich  L-iiicn  pietätvolle!!  Nachnif  jjehraclit  hahc  (Jiiüi  lieft. 
S.  II.  320;.  i)ciuiiuch  charakterisieren  sich  «lit  V  orwürfe  des  Herrn 
J..  dafs  ich  mit  dem  Xamcti  des  jütijrst  verstorbenen  hochverehrten 
I'äda.i:(>j::eii  auf  den  Ahoiinenteiifanu:  aiis};e;jfaiii;eii.  anj;esichls  di  r  all 
seilijjen  Trauer  über  den  ffin^an«»  des  y^ef eierten  ticlchrten  das  nackte 
(ie.schäftsinteresse  hervoi^t^kehit-  hal)e.  als  Unwahrheiten.  Da 
die  Thatsadieii  für  jeden  offen  zu  Ta^a  lie;;en,  so  kann  ich  Herrn  J. 
den  Vf>r\vttrf  nicht  ersparen,  dafs  er  höchst  leichtfertig  vorge- 
ganj^eii  ist. 

2)  X  iiii  den  Absichten  nnil  Wünschen  Dr.  Dittes',  ilie  Herr  J. 
auf  Cirund  .seiner  persönlichen  lU k.mTitsc  liaft  mit  dvm  X'erstorlu  ni  n 
fesLslelll,  habe  ich  erst  durcli  die  -Mitteilung  des  Herrn  J.  erfahren. 
Dafs  ich  dämm  pietätlos  gehandelt  haljc,  weil  ich  nnter  den  obwalten- 
den rnistanden  einen  den  früheren  I.esern  des  Päd.  lieb  ijewordenen 
Titel  als  Nelientitel  aufj^enununen  habe,  bestreite  ich  auch  heute 
noch  jfanz  entschieden.  In  dieser  Ansicht  werde  ich  dn<lurch  bestärkt, 
dafjt  ich  hinsichtlich  dieser  Änderung  wohl  bei.siinn  le  Zuschriften 
erhalten  habe,  dals  aber  nur  eitle  ^-ei^'ititriliire  Ansicht  ^rennfsul  ist, 
obwohl  gerade  in  den  letzten  Wochen  /.uischen  einer  Anzahl  von 
Freunden  der  N.  B.^  und  mir  ein  rejrer  Meinnnjjsaitstausch  über  die 
wciti  rc  .\nsi:t-;ta1ttm;_:  di  r  X.  H.  statt^^efunden  lial.  zu  einer  solchen 
Keinerkuni;  als»)  reichlich  Gelegenheit  gegeben  war. 

5)  Aber  selbst,  wenn  Herr  J.  der  Ansicht  war,  dafs  er  mir  aus 
der  Annahme  des  Xebenl'itels  eineii  \'orwurf  machen  durfte,  so  über- 
steigt doch  die  beleidigende  Aufserung:  -dafs  der  Redakteur 
der  X.  B.  für  sein  RIatt  den  Titel  !*/iilagogium  —  sagen  wir 
wählt,  das  finden  wir  einfach  brutal  .  das  Mars  jeglicher  berechtij^tcn 
Kritik.    Mine  solche  Kampit  swcise  richtet  si<  h  ^i  llist 

Im  übrigen  tlarf  ich  einen  Angriff,  der  sich  aiu  l  11  w.i  h  i  Ii  ei  teil 
aufbaut  und  vor  ]» e  rsö  n  1  i  c  h  e  n  He  1  e  i d  i  gu  n  g e  11  nu  ht  zurück- 
schreckt, in  aller  KuIk-  der  Heurteilung  der  dentsoluti  Lehrerwelt 
überlasseil    er  wird  weder  mir,  noch  den    Xeueu  Jkihncn  schaden. 

C  releid,  den  25.  Juni  iSyO. 

Jolian  nes  Meyer. 
Herausgeber  der   Neuen  Hahnen-. 

Inzwisclien  liatte  ich  auf  inaiiclierlei  T'ni wegen  Namen  und 
A<liesse  des  Kedakkins  der  O-^terr.  Scliul/lg.  erfahren  und 
sandte  ihm  nun  sofort  dieselbe  .Vbwehr,  nur  mit  den  Aiulerungeii, 
dals  ich  den  ersten  Sat/.  tiiiter  Xo.  i  der  Abwehr  also  falste: 
Wie  aus  dein  Mai-Hefte  der  X.  B.  zu  crseiicn  ist,  ist  <ler 
Xebentitel  ^ Pädagogium*  von  den  >N.  B.*  erst  aufgcuoninicn, 
nachdem  etc.«,  also  die  Worte  > schon  zu  Lebzeiten  Dlttes*<^ 
strich,  «nd  dafs  ich  ebenso  unter  No.  2  den  ganzen  Satz:  »In 
dieser  Ansicht  werde  ich  etc,'.  fortHefs.  Beide  Änderungen,  auf 
den  Rat  eines  Kreundes  vorgenoninitn,  erfolgten  in  der  Absicht, 
die  Abwehr  so  kiia])p  als  möglich  zu  fassen:  die  Worte  '^chf»n 
zu  T.eh/citeii  Dr.  Dittes  waren  üherflüssij!^.  weil  der  spätere 
Satz:  Xach  Dr.  Dittes'  Tode  etc.  dasselbe  sagte,  und  der 
unter  No.  2  gestrichene  Satz  gehörte,  streng  genommen,  nicht 
zur  Sache. 


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436 


Anstatt  die  Al>\vclir,  wie  es  seine  moralische  Pflielil  i;e\vesc  n 
wäre,  seinen  Lesern  in  der  nächsten  Nnnuner  zur  Kenntnis  /.n 
l)rint;en.  l)eehrte  mich  Herr  J.  bald  darauf  mit  einem  Briefe,  der 
für  den  Schreiher  so  charakteristiscli  ist,  tlafs  icli  ihn  hier  zum 
Abdruck  bringen  mnfs.  Meine  Bemerkungen  lieschränke  ich  auf 
das  Notwendigste  und  füge  sie,  um  Wiederholungen  zu  vermei- 
den und  Raum  zu  sparen,  direkt  den  iMitr.  Sätzen  bei. 

Herr  J.  schrieb  mir  also; 


Wien,  S.  Juh  iSyO. 

Iv  u  e  r  \\\  )1 1 1  gebo  ren ! 

Ihre  lierichtigimg  ist  ja 
länj^t  durch  tinseren  zweiten 

Angriff  ühcrliolt,  in  welchem 
die  Beweiüe  datür  cihracht 
werden,  dafs  Sie  u.  Uelnvnd 
den     Titel  Tädagoginm 


')  ]is  ist  eine  bodenlose  lif lKiiii>lung, 
dafs  ich  trotz  meines  Vers j) reo '."  c n s 
den  Tit^l  r.ul  aiifgenonnncn  Ii  tl"  ich 
habe  nichts  versprochen  I  Also  wieder 
eine  leichtfertiff  ausgesprochene 
Unwahrheit!  Hinsichtlich  des  \'er 
Sprechens  <les  Herrn  liehrend  vgl.  dessen 
unten  erfolgende  Erklärung. 

)  l  ür  jeden,  der  lesen  kann  und  will, 
habe  ich  unter  Nr.  i  meiner  Abwehr 


In.l/  nnr<  Versprechens  als  fcstge-stcllt: 


Nebenliul  für  die  N.  B. 
aufgenoUMuen  haben.')  Zu- 
<letn  ist  Ihv  \"(»i\\iiif.  dals 
unsere  Anklagen  uut  Un- 
wahrheit beruhen ,  ganz 
eigenartiger  Natur:  Wir 
sagen.  Sie  haben  nach  dem 
Tode  Dilles  dessen  Namen 
geschäftlich  ;  m  cl  leutet , 
und  Sie  sagen,  dals  Sie  das 
schon  bei  Lebzeiten  «les- 
.selbeii  gethan.-t    Weil  Ihre 

N.  B.  erst  nach  dem  Tode 
Dilles  bei  uns  erschienen 
.sind,  zeihen  Sie  un.s  der  Un- 
wahrheit! ?  Ob  es  bmt.a 
ist,  was  Sie  gcllian,  i.st  doch 
eine  reine  Gefühlssache ; 
wenn  Sie  es  zartsinnij^ 
nennen,  kann  ich  nichts  fla- 
gegen  haben ;  wir  nennen 
e.H  hier  brutal,  wenn  man 
gtgen  Männer  wie  Dittes 
in  .solcher  Weise  handelt, 
wie  es  Vcrlepcr  und  Heraus- 
jjeber  der  N.  b.  getlian.^ 
hehll  ihnen  das  VcrsLänd- 


a)  dafs  ich  überhaupt   nicht  den 

Namen    Dittes   geschäftlich  ans;.;e 
beutet  habe  (vgl.  ilie  Sätze:  aber 
erst  usw.    und;  meinerseits  nur  zu 
dem  Zweck  etc.«}, 
b|  dafs  ich  es  also  auch  nicht,  was 
Herr  J.  in  besonderer  sittlicher  hint- 
rnstung  hervorhob,  angesichts  der 
allseitigen  Trauer  um  den  Hingang 
des  allseilig  gefeierten  Gelehrten  ge- 
than  habe. 
Und  nun  vergleiche  man  nochmals  den 
SaU  des  Herrn  J.    J;r  enthält  demnach 
eine   völlige  Entstellung  meiner 
Worte,  die  um  so  schwerer  wieijt.  als. 
wie  ich  schon  oben  gesagt,  thi  Worte 
bei    Lebzeiten   Dittes     in   der   Herrn  J. 
zugestellten  Abwehr  gestrichen  sind, 
rin  Miisverständnis  also  gänzlich  au.<«ge- 
Mchlo.ssen  war." 

')  Nicht  blofs  deshalb,  wie  ich  so 
eben  festgestellt  habe.  Aber  auch  der  Vor- 
wurf, dt  :i  Ihn  I,  mit  iliesem  Salze  hat  zu- 
rückweisen wollen,  ist  durchaus  berechtigt. 


Bei  nur  wenigem  Nachdenken  konnte  Herr 

J.  als  Redakteur  wissen,  dafsdas  M  ai  Heft 
meiner  Monalsschrift  unmöglich  nach 
nis  für  unser  Gefühl,  s«  Dittes' Tode  die  Änderung  vorgenommen 
haben  Sie  noch  immer  nicht  haben  konnte.  Aber  er  brauchte  g.ir  nicht 
<las  Recht,  unsere  Kampfes-  nach/udenkeu  :  es  war  nichts  weitet  nötig, 
weise  zu  tadeln.  Uoben  als  tlais  er  sich  \  or  seinem  Angriff  nur 
konnten  wir  Sie  doch  nicht,  etwas  orientierte  ;  auf  dem  dem  Mai-Hefte 
un<l  Sie  wür'len  sicherlich  vorgekbM'  n  P.latt»  ,  d.)s  <1icse  Änderung 
jede  tadelnde  Ikzeichnung  !)egründet,  steht  ganz  ausdrücklich;  im 
Ihres  Thuns  als    persön-  April  1896,   Weil  Herr  J.  aber  weder 


tiir  »Ncucu  Babnen"  auf  der  Ankliii;obank. 


437 


liehe  liclcicliijung  mifgt- 
fafst  haben.*! 

Sic  krmncn  meiner  Mci- 
miiiii  nach  niclits  l)cssLrcs 
Ihuu.  als  erklären,  dafs  es 
nrhli<>  ist.  tlal's  Sic  u«  ,u<  n 
Klink  hardts  Wunsch  <kii 
Titel  I'.  gewählt,  daJs  Ihre 
<licj»hc/..  Xumiiicrerst  uach 
dem  Tode  Dittes  hier  ein- 
j^ctroffen,  die  nehensäch- 
liclic  Hemcrknnti:  tinscrer- 
stits  also  keine  I  n  Wahr- 
heit war.  dals  Sie  darauf 
aus^in^en.  die  1'.  Ah- 
iichmcr  für  Ihr  I'.latt  zu  <re- 
Winnen, die  ( )sterr.Seh  ul- 
z  e  i  l  u  n  g  alst»  in  allem 
Recht  habe,  daf.s  Sie  aber, 
nun  Sie  Diltis  Wunsch 
keuiicu,  dvu  Titel  P.»  nicht 
weiter  fuhtx'ti  wollen.  Das 
ist  männlich,  pietätvoll  und 
würtlij;.»*» 

Krgcbenst 

Kd.  Jordan, 

Rcdaktcu  r  d .  Ostcir.  Schul- 

zeituuu  . 

Wien,  III.  Slrcichergasse  lo. 


ein  wenijj^  nachgedacht,  noch  seine  Aui^en 
anfj^eniacht  hat,  nenne  ich  sein  Vorgehen 

mit  vollen«  Rechte  leichtfertig;  Iis  i.st 
doch  die  I'fltclil  lincs  jeden,  sich  vor 
einem  soKlicii  Ahl  i iif  rd)er  die  thatsäch- 
licheii  Wrhültnissi  /.\\  orientieren,  und 
ii  h  kann  atu  li  Herr«  J.  von  dieser  Pflicht 
nicht  entbijuieu. 

*)  Herr  J.  kennt  nur  Jrbrutale  oder  ^zart- 
sinnij^e  Ilandhinijen,  ein  drittes  ;^iebt 
cü  für  ihn  nicht.  Nun,  ich  beneide  ihn 
ob  dieser  Beschranktheit  nicht,  wie  ich 
auch  nicht  glaube,  clai's  aulser  ihm  in 
Wien  (  hier  ;  irgend  jemand  es  brutal 
nennt,  wenn  man*  n n  bek  a  n  n  l e  Wünsche 
nicht  berücksichtij^t  hat.  Wien  liegt  doch 
noch  nicht  in  II;i.1>  Asiin' 

•1  Herr  J.  hat  uacii  seiner  Meinung 
st  :l»>li\iicinl  «l.is  Recht,  leichtferti.ije  Un- 
wahrheiteJi  und  persönliche  Ikleidij^untjetJ 
uu.s/.usprcchen ;  ich  habe  aber  natüriich 
nicht  das  Recht,  eine  .solche  Kanipfesweise 
/.u  tadeln  I  Leichtfertig  ist  wiederum  <lie 
lichauplung,  dafs  ich  jede  tadelnde  He- 
zeichnung  meines  Thuns  als  persönliche 
Beleidigung  w  in  de  aufgelafst  haben.. 

Diese  Ralsolihiije  ich  \\'eifs  nicht, 
ob  ich  Sic  ariu^ajil  oder  Iäj>i>iscli  neunell 
soll  finden  in  dem  0))igen  ihre  ge- 
nü-t-iiilc  WürdiguiT.^''.  so  dafs  ich  mir  jedes 
weitere  Wort  ersparen  kann. 


I)n  lu/.ieliung  und  I/ebeiisgewohiiheiten  mir  verbieten,  den 
i^k'ichen  Ton  anzuschlagen,  so  antwortete  ich  Ilerni  J.  kurz 
dahin,  dafs  sein  Brief  mir  keincti  Aiilafs  böte,  auch  nur  eine 
meiner  liehaui)luii<4en  xurückzunelnueii>  und  dnfs  ich.  da  meine 
Abwehr  durch  S(  nieii  /w  eiten  Augriff  keineswegs  überliolt  sei. 
ihn  nochmals  ebenso  dringend  als  höflich  bäte,  die  Abwehr  in 
der  »Öslcrr.  Sdnilztg;«  zti  veröffentlichen. 

Die  Ausfuhnmgen  in  seinem  obigen  Briefe  hat  Herr  J.  s[)ätcr 
in  einer  öffentlichen  Richtigstellung  wieder  ausgesprochen,  die 
folgenden  Wortlaut  hat: 

Wer  eine  schlechte  Sache  vertritt,  vergreift  sich  gewöhnlich  auch 
in  den  Mitteln  hierzu  ;  so  auch  der  Redaktciir  der  OJeu  en  B  a  Ii  n  cii  , 
weh  lie  utni  mit  <lem  Xebt.  ntitel  P  a  <!  a  <^  g  >  u  nr  ersclieinen.  l  nsere 
X'orwürfe  gegen  ilie  Herren  iJeliretid  und  Meyer  .sollen  sii  h  als  l'n- 
wahrheiten»  charakterisiren,  weil  gesagt  wurde,  man  sei  mit  dem 
Xameii  des  verstorbenen  Dittes  auf  den  Abonnentenfang  ausge 
gangen,  während  dieses  —  uach  Meyers  Ciestäntlnis  -  noch  l)ci  Leb- 
zeiten des  Dr.  Dittes  geschehen  sef.  Dr.  Dittes  wurde  am  17.  Mai 
d.  J.  zu  C.rabe  getragen.  Lude  Mai  kam  uns.  auf  dem  Ünchhämller 
Wege  jenes  lieft  der  Neuen  Hahnen*  in  die  Hand,  welches  den 
Xehentitel  -  I»ä<lagogiuni  führt ;  das  Datum,  an  welchem  Herr  Behrend 
oder  Meyer  den  Titel  auf  dcu  Umsehlag  der  Neuen  Bahnen  ■  gesehneben, 


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Johminefi  Vr^er. 

koTiiu  n  wir  ja  nicht  wissen;  aber  eines  wissen  wir.  dals  niitdeni  ( iestiind- 
nisst*.  man  habe  scluni  bei  I.eb/.eilen  des  Dr.  Dilles  den  Titel  sciiur 
Zeitschrift  —  s.iyi  n  wir  gewählt,  der  Pietätlosi.uk<  it  i  ist  die  Krone 
anfiürcset/.l  wird.  Wir  wissen  sehr  uenau.  was  Dr.  b"  Ditl.  -^  wäre 
ihm  ein  Maiheft  der  Neuen  Bahnen  /.u  licsiclil  gekommen,  zu 
diesem  Streben,  seine  Zeitschrift  inög-lichst  zu  ersetzen,  presagt  hätte. 
Hine  -Xuerkvinnin^  fürll<.rrn  johatnu  '^  Mi.  \  (.r  w  'iiV' nicht  .i^vwesen. 

L'ebrigcns  isl  es  ein  nut/.lose.s  Beginnen,  mit  jemanden  iiber  Dinge 
des  Ctefühls  xu  diskutieren :  fühlt  Herr  Johannes  Me\-er  nicht,  dafs 
sein  l'nterfangen  alle  jene,  die  in  Dilles  ihren  Lehrer  und  Meister 
verehrten,  tief  verletzen  muisie,  so  können  wir  weiter  nichts  lliuii, 
als  das  bedauernd  zur  Kenntnis  y.n  nehmen. 

Wir  hoffen  auch  nicht,  dafs  Herr  J.  Me\  er  nach  unseren  vor- 
liegenden Ausführungen  den  gegen  uns  erhobent  n  \  orwurf  der  I  n- 
Wahrheit  und  liöchsten  Leiclilf  ertigkeil  widerrufen  wenle ; 
wir  können  auch  gerne  darauf  verzichten,  weil  wir  nicht  im  Zweifel 
sifid  ilarüber,  auf  wessen  Seite  Deutschtands  Lehrer  in  dieser  Frage 
.stehen.  *  J. 

Wer  die  An.L;clegcuheit  l>is  jetzt  \'erfolgt  h-.ii.  wird  verstellen, 
wenn  ich  die  Absicht  liattc.  luiu  zu  scluveigeii.  Ich  war  der 
Meinung,  dafs  ich  etiiein  Manne  wie  Hemi  J.  mit  jcd\in  wei- 
teren Worte  eine  unverdiente  Khre  erweisen  würde.  I^rsl  die 
Ansicht  meiner  Freunde,  ich  wäre  es  mir  schuldig.  dasGewel>e 
iiocliiuals  /u  zerreifseti,  hat  tnich  noch  einmal  auf  den  Kampf- 
platz gerufen. 

Ich   habe  also  der  -  Päd.  Ztg.  ,  die  Ins  heule  allein  die.se 

> Kichlii;hlellung    gebracht  hat,   die  folgende   bjkläruug  einge- 

saiiill,  der  sie  hoffeiiUich  die  Aufnahme  nicht  versagen  wird: 

(Kgeiiiiber  der  Richtigstellung  des  lUrrn  J.  in  Nr.  29  der  ITul. 
Ztg.-  habe  ich  zu  erklären: 

1,  Ich  habe  iii  meiner  erslui  Abwehr  nachgewiesen,  dafs  ich 

aj  überhaupt  nicht  mu  dem  Xainen  Dittes'  auf  den  Abon- 
nentenfang ausgegangen  hin: 
b)  es  also  auch  iiii.  Iit,   was  Herr  J.  besonders  her\or]i(»b, 
mit  dem  Namen  des  verstorbenen  Dittes  gelhan  habe. 
Die  beiden   gegenteiligen  Behaujitungen  des  Herrn  J..  also 
.in eil  die  erste.  ol)wolil  Herr  J.  die    I.eser  das  (iegeiileil  glaulKii 
machen  will,  habe  ich  als  I  nwahrheilcn  bezeichnet  und  bezeichne 
sie  auch  heule  noch  als  .solche. 

2.  Wann  Herm  J.  das  Mai-Heft  zugegangen  ist.  ist  völlig  bt-- 
langlos.  Das  diesem  Hefte  vorgeklebte  lilalt.  welches  die  Tilei.inde- 
rung  begründet,  trägt  die  rntei.schrift :  im  .\pril  1  Sy(>.  So  wenig 
hat  sich  Herr  J.  vor  der  Abfa.ssung  seines  Angriffes  informiert! 

Das  habe  ich  leichtfertig  genannt  und  nenne  es  auch  heute, 
noch  .so. 

Ich  hin  also  gar  nicht  in  der  Lage,  die  gegen  Herrn  J.  erhobenen 
Vorwürfe  der  Unw.'ilirheit  und  I,eichtfcrtigkeit  zu  witlernif«.  n. 
Crcfcld,  den  20.  Juli  i8y6.  Johann  es  M  ey  e r. 

IT. 

Uiul  nun  zu  dem  schon  erwähnten  zweiten  Angriff,  den 
Herr  J.  in  einem  Ahxuge  seinem  obigen  Briefe  betzulegen  die 
Güte  hatte  und  so  zu  meiner  Kenntnis  brachte.  Kr  lautet: 


438 


Dir  «K«>««n  ftahnen*'  «uf  ili^r  Atiklnei'lwiih. 


Die  Finna  Julius  Kliiikliat  It  ii;  T.i  ip/ij;  scikU-1  uns  ht-ziiijlicli 
vorstehtriider  Notiz  eine  ausiiihriiche  Uarstclluiiji  des  )(ati/.en  Sach- 
verhaltes, ans  welcher  hcrvfirireht.  dafs  wir  die  Finna  Belirend  in 
Wiesli.ukii.  die  sich  din  Titi  l  ITclaL:' iuni  für  'Iii  Xcueii  iSaliiiL'H 
aii.meiiitKt  hat.  richtiir  kciiii/.ctchiulcii.  i»ic  Firma  Juliiis  Klinkhaidl 
sUlU  fest,  (lafs  sie  alkulitijrs  das  Adrcsseimiaterial  des  räda^(»>;ium 
an  Ikliiri.d  in  Wiesbaden  verkauft.*)  jedoch  K^^^Ji^i'  die  Absicht  des 
N  triit-.ui  r>  >K :  Neuen  P»ahn«  ii  .  ?ds  Nchentitd  räd.v'-;^';:'""»  zw 
führen,  niolcsiirt  und  die  \'erhandlun^en  mit  dtr  Finna  llchrcnd 
abg-elmiclien,  bis  diese  am  24.  Mär/  foljjen des  Telegramm  an  J.  Klink- 
haidl sandte  l'm  Differen/en  mit  Ihnen  /.u  vermeiden,  will  auf 
Zii.sati^tilel  ver/icliten.  liehrcnd.  Am  25.  März  wiederholte  Ik-hreiid 
diese  Zttsicheninjr  brieflich :  -  Ich  wiederhole  den  Inhalt  meines 
tiestrij^en  ^ranims  Die  Neuen  Hahnen  erscheinen  weiter  ohne 
Titeländeruny  .  Trotzdem  setzte  IJehrend  den  Titel  -I'äd^joj^ium 
als  Subtitel  auf  die  Neuen  Bahnen-.  Aus  die.sen  Thateachen  .neht 
riii  <4enägrender  Deutlichkeit  hervor,  Aa\<  unsere  Anwürfe  j^e^ifen  <len 
Verlej^ar  und  Rtdakteur  der  Neuen  liahnen  vollständiji:  j^eredit- 
fertiyt  sind,  d  1111  es  steht  nun  fest,  dafs  sie  nicht  nur  j^ejjeii  den 
Wunsch  und  W  illen  des  verblichenen  Dr.  F".  Dittes.  sondern  auch 
;  i  ITC  Tt  den  Willen  <les  \'erle<iers  des  I'ädaj^f^jiium  -^ii  Ii  dieses  Titels 
bedienen.  Mehr  braucht  wohl  die  deutsche  Lehrerschaft  nicht  zu 
wissen,  um  den  »Neuen  Bahnen  (samt  Herausgeber  und  Redakteur) 
die  verdiente  Wut <1i- iuii(  an^i  lUihen  zu  lassen.  Fs  i.st  ja  überall 
in  tlcr  Welt  nicht  nur  l>ei  Kulturvölkern  —  üblich,  die  Wünsche 
der  (jcstorbeneu  heilig  zu  achten  :  soll  gerade  der  vielgefcieile  uuil 
verehrte  Dittes  auf  dieses  primitive  Recht  keinen  Anspntch  haben?! 

 .  J. 

I  in  n  aii<K  t\  ii  \  rwwrf  haben  wir  auch  gegen  die  Finna  J. 
klinkhardt  nicht  erhoben.  D.  L. 

Die  kt/kii  beiden  Sätze  der  Notiz  hat  die  Preiifs.  Lehrer- 

zlic.  beim  Alxlrucke  i^estrichcn.  Das  ist  Kritik  Reuiii:' 
ICbenso  ist  von  d;c--ir  Zeitun«;  nicht  die  Annierkuiiu  L'vbT;u  lit. 
Wenn  nian  in  dem  eisten  Anj^ritt  de-  Herrn  j.  die  XOiwiirfe 
gegen  Kliiikhanit  liest,  liegen  die  tiründe  lür  diese  Streiciiuug 
auf  der  Hand. 

Herr  IVhrend  hat  die.sen  Angriff  in  folgender  Ivrvviderung 
zurflckgewieseii:  *) 

Ich  habe  zu  keiner  Zeit  weder  den  Namen  Dittes  ge.schallbch 
ausgenutzt,  noch  mit  dem  Namen  Dittes  Abonnenten  für  die  Neuen 
Bahnen    zu  fanden  .-.(tsncht. 

Zur  .Aufklärung  diene  folgendes:  Am  7.  März  d.  J.  hat  mir  tlie 
Kinnajtdius  Klinkhardt  in  Leipzig  dietnichhändlerischo  Kontinuations- 
liste  des  rädagoginnis  gegen  (.itu  \  ergütnng  von  tausend  Mark 
da  ich  seiner  Meinung  nach  in  den    Neuen  Bahnen  das  dem  Täda- 

')  Da  ich  nicht  wufsle.  ob  Herr  B.  es  überhaupt  für  nötig  hielt, 

den  Zeilnngen  eine  lüwidentiig  /ugeheii  zu  lassen,  habe  ich  solort 
nach  tlcr  er.stmaligen  X  eiöift  iilliehung  des  Angriffs  in  einer  deutschen 
Schulzeilung,  der  Päd.  Ztg.  .  dieser  meinerseits  eine  ICrwitlening 
gesandt,  die  ich  den  übiii^i  n  Zt  itschrifti  n.  weil  sie  durch  Herrn  15. 's 
Entgegnung  nlx  i  llü.s.sig  wurde,  nicht  habe  zugehen  lassen  und  darum 
auch  hier  üb«,  i  g  «.  he. 


440 


gogi.uu  am  uächsteii  Kteiiende  Blatt  habe«  und  da  es  ihm  verfehlt 
dünke,  das  Pädapfogfiutn  ohne  Dr.  Dtttes  weiter  erRchelnen  zu  lassen, 

\  L  i  /icliti  vv  fKlinkli.iidti  darauf  .  Ich  nalini  KlinkhanUs  Offerte 
auf,  wir  wurden  handel.seiniu;,  und  im  letzten  Hefte  des  l'ädagogium  • 
erseliien  ein  empfehlender  Hinweis  auf  das  April-Heft  der  Neuen 
Bahnen  ,  welches  der  Auflage  <ks  I'ädatjo.i^iunis  heij^efü«^t  wurde,  da- 
mit die  Leser  des  Päda^jotfinnis  die  X(  lu  n  l^almen  kennen  lernen 
konnten.  Das  ist  alles  jj^eschehtii,  als  Dr.  Diltes  noch 
Redakteur  des  1'  i  d  i  o  ^ium  war.  Von  einer  \'erlet/unjp  der 
l'iil'il  «je.i^^en  Dittis  <hiirli  ilic-sfs  <4^eschäflltclie  .  erfahren  k'.iun  n!^<i 
cben.so  wenig  die  Rede  sein,  wie  von  einer  geschäftlichen  Ausnul/.ung 
des  Namens  Dittes  oder  ^ar  von  einem  Abonnentenfang-  mit  seinem 
Naimn.  IVidcs  hätte  Diltes  wohl  nie  /.ujicf^eljen.  WccKi  vu  I.cb/eilin 
Dittes  noch  nach  seinem  Tode  ist  sein  Name  von  mir  behufs  ge- 
schfiftlichcr  Ausnutzung  jemals  genannt  worden. 

Was  nun  die  Aufnahme  des  Zusat/.titels  rädagogiuni  be- 
trifft, welclic  e  rfolgte,  als  die  früheren  Abotinciilcu  des  Pädagogiums 
sich  m  giuiser  Zahl  den  Neuen  I^Uinen  /uvv.mdten.  .s«i  gebe  ich 
Kern  zu,  dafs  bei  mir  geschäftliche  Rücksichten  dabei  inU-espnichcn 
haben,  deren  ich  mich  auch  gar  Tiiclil  /u  schänieti  l>ianche.  I!s  isl 
mein  unbestreitbares  Keclit  und  schä<ligc  ich  niemand,  wenn  ich 
nach  Kinganjc  des  »Pädagogtunu  diesen  Titel  —  noch  da/.u  als 
NeI)entiUl  anfnehiiK-.  Ich  habe  es  aber  gt llian  li  uiiitsächlii  Ii  aus 
Rücksicht  auf  die  ueugewonueneu  l.escr  und  zwar  zu  i.cb/.cilen  Dilles. 

Die  Annahme  dieses  Zusatztitels  •Pädagogium«  wäre 
jedoch  sicher  nicht  erfolgt,  wenn  Klinkhardl  iiiicli  nicht 
über  die  W  ünsche  Dittes  völlig  im  I  nklaren  gelassen  halle. 

f'ber  eine  Aufnahme  des  Nebeiilitels  rädagogiuin  isl  während 
der  N'erhandlun^en  zwischen  Klinkhardl  und  mir  überhaupt  nicht 
(Wv  Rede  gewesen,  sondern  tnir  über  den  Ztisntz :  Neue  F<d;ro  des 
l'ädagogiums.  —  Nachdem  Kliiikisardt  anlaiigs  uiclil  abge- 
neigt war,  mir  sogar  die  .Aufnahme  diesen  Titels  zu  pe- 
Klallen.  lehnte  er  jedoch  später  ab  mit  <1(  in  Heinerken:  Den  Znsal/ 
mit  dem  Wortlaut:  ^Neue  Folge  des  i'äd.igogiums  kann  ich  nicht 
iKjwilligeti.  da  ich  hierzu  die  Zustimmung  des  Herrn  Dr.  Dittes  kaum 
erlangen  dürfte  . 

Ich  habe  mich  gefügt,  diesen  Zusatz  Neue  b'olge  des  J'äda- 
gogiums   nicht  aufgenommen  und  habe  mein  \  erspreclien  gehalten. 

Ii»  ist  also  unwahr,  dafs  ich 

1.  gegen  den  Willen  des  W  rle^ers  des  eingegangeni  ti  I'ä'la 
gogiuin    ileii  .XelKiiliUl    r.ul.igf)giuni    auigen«>ainien  li.dK-. 
und 

2.  gegen  (Un  Wunsch  und  Willen  des  verblichenen  Dr.  l*r. 
Dilles  dasselbe  gethan  habe, 

denn  wie  der  Herausfreber  der  ^  Neucn  nahncn . ,  welcher  den  pfc- 
Kchäfllichen  \'erhandlungen  mit  Klinkhardt  \  A  lig  fern  gesl.indeti  hat. 
und  ich.  als  N'erleger  der  Neuen  Hahnen  .  es  anfangen  solllcii, 
Wün.sche  eines  Verstorbenen,  die  unbekannt  waren,  heilig 
halten,  das  wird  wohl  das  Geheimnis  des  Herrn  »J.^  in  der  Öster- 
reichischen SLhul/eilung  "^ein.  — 

Ist  nnl  diesem  Heim  J.  die  deulsclie  Leliieischaft  wirklich  der 
gleichen  Meinungf,  dafs  nämlich  durch  die  .Aufnahme  des  Nebeiilitels 
l'äd.iiM  »uiiini  seitens  der  Neuen  Hahnen  eine  \\  rlelzniig  (h  i  Pii  t.-it 
gegen  den  früheren  I lerau.sgeber  des  l'ätlago^iums  statlgelunden 
hat,  dann  trifft  einzig  und  allein  die  Schuld  hierfür  die  Firma  Jul. 
Klinkhardl  in  Leipzig. 

Wiesbaden,  den  ii.juli  lütjo.  limil  Helirend. 

Verleger  der   Neuen  Bahnen.^. 


441 


Von  Herrn  Jordan  erhielt  Herr  Behrend  auf  die  Einsendung 
der  obigen  Abwehr  uud  das  allerdings  gemessene,  aber  durch- 
aus sacliliclie  Ik'j;k-ilschreil>en  die  folj^tiide  Antwort  auf  offener 
Postkarte,  die  wüdi-nin;  fiir  den  Schniher  eliaraktoristisch  ist: 

Ilei  uns  heUarf  es  weder  eines  rrels^esetzes  «och  irgend  welcher 
jfcschnjaokloscr  Drohunsfcn  mit  dem  Cicnchte.  weil  wir  ohnehin  sehr 
^c  iiaii  wissen,  was  rtoht  und  hilliii  l{t./ü«jlieh  (kr  lU  n  1  lii^unjj; 

des  lUrrn  JolianiKs  Mt\  tr  LrlaidK-n  wir  uns.  an  Sic  die  iKselieitknc 
Anlraj;e.  ol)  Sic  <k'r  >;crirlitli(  lK-  lk\ oUniächti^te  desselben  sind,  weil 
Sie  auch  dessen  nericlititrunj^  in  die  .Östcrr.  Schnlzeitunjj  hinein- 
drohen wollen.  Sehlieislich  diene  Ihnen  zur  Kenntnis,  dafs  weder 
Ihre  Henchligung  noch  die  des  Herrn  Meyer  den  Anforderunj^en 
u  II  s  e  r  e  s  PrefsgeseUces  entspricht,  wir  sie  daher  ohne  weiteres  zurück- 
weisen könnten. 

Wien,  am  i.v  Jnli  iS^/i.  Jordan. 

Jede  Iieniorkun]L;  zu  diesen  w  ih  (k^losen  Aiislnssutiy:en  ist 
fdverflüssiji !  Wir  uiü.s.sen  nun  abwarlcu.  <>1)  und  wann  die  Kul- 
};et;nuuxcu  in  der  ^Österr.  Schulztg.    erscheinen  werden. 

Charakteristisch  ist  auch  für  Herrn  J.,  dafs  er  bis  zum  letzten 
Auj^enhlick  nielit  den  Mut  gefunden  hat,  vordem  pädagogischen 
Publikum  seine  Augriffe  mit  seinem  Namen  zu  vertreten.  Wer 
in  so  wurdeloser  Weise  käni|»ft  wie  Herr  J.,  der  hat  allerdings 
alle  Ursache,   das  Licht   dt  r  (  )tt\ iitlichkrit  zu  sclniieu. 

Sehen  wir  uns  nun  tiocli  einnuil  <Uii  Ankläger  und  seine 
Anklage  an.  lia  ist  ein  Bild  zum  lülmmien!  Wir  haben  fest- 
stellen müssen,  dafs  er  in  diesem  Streite 

wiederholt  die  Unwahrheit  gesagt  hat, 
wiederholt  leichtfertig  vorgegangen, 
vor  i)ersönlichen  Beleidigungen  nicht  zurückge- 
schreckt ist  und 
uberhau|«l  xon  vornliercin  einen  Ton  a n  i^'^c^ch  1  n '.^ en 
hat.  der  eines  gel)ililcten  Mannes  unwürdig  ist, 
klar  ausgesprochene  Worte  entstellt, 
moralische  Verpflichtungen,  wenn  ühcrhaui)t,  so 
erst  auf  wiederholte  Aufforderungen  erfüllt  und 
bis  zum  letzten  Augenblicke  aus  dem  sicheren  Ver- 
stecke «Kr  Anonymität  seine  giftigen  Pfeile  ge- 
•^ehleudert  hnt. 
Tnd  mit  einem  solchen   Manne  mufs  man   sich  herum- 
schlagen!   Wenn  Dr.  Dittes  noch  lebte,   er  hätte   alle  rrsacho, 
cnt.setzt  au.szurufcn:    Gott  behüte  mich  vor  meinen  Freunden  I 
l\s  ist  wohl  zu  verstehen,  dafs  ich  in  diesen  Tagen  gefragt 
wurde,  ob  dieser  HerrJ.  wirklich  enist  zu  nehmen  sei.  und  oh 
er  in  (kr  Tliat  Dr.  Dittes  nahe  gest:ni(!i  n  habe. 

Ich  halK?  jedes  Wort  dieses  Artikels,  für  <!  ts  Ich  die  \'er- 
anlwortnug  zu  übernehmen  linbe,  vor  und  nach  der  Niederschrift 
wiederholt  aufs  gewisseiihalteste  geprüft,  l'nd  da  ich  wohl 
weifs,  wie  leicht  mau  in  eigener  Augelegcnheil  selbst  dann,  wenn 

Neu«  Batiucn  H*k^mgafiuiu)  \IL  s.  2U 


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442  it^nwp  Meyer 

man  sich  aufs  rt-dUclisitr  bemüht,  lueTnaiicUni,  auch  nicht  dem 
(ui^iur.  T"^nrcclit  zu  Ihun,  711  einer  falschen  Anffnssnn-:.'  i^clan^t, 
so  habe  ich  meine  Ausführungen  von  eint  in  (hirciiaus  ruhi^i  ti 
KoUej^en  auf  ihre  Ricliti.i(keit  hin  nachprüfen  lassen.  Was  ich 
geschrieben  habe,  werde  ich  darum  jedem  Angriff  .gegenüber 
aufrecht  zu  halten  wissen. 

Auf  welcher  Seite  aber  auch  nach  des  Lesers  Urteile  in 
dieser  Streitfrage  das  Recht  liegen  möge,  so  viel  ist  sicher,  dafs 
Herr  J.  von  Anfang  an  den  Kampf  in  einer  durchaus  würdelosen 
Weise  geführt  liat. 

Und  somit  ü1)ei  gc])c  ich  Herrn  J..  um  einen  (  icdanken  nuf- 

zunelimen,  den  dersell)e  in  diesem  Streite  mit  Vorliebe  variiert 

hat.  der  deutschen  Lehrerschaft  zur  verdienten  Würdigung. 

«  *■ 

Seit  deni  Bestehen  der  -»N.  B.*  ist  die  Abfassung  dieses 
Artikels  die  schwerste  Arlieit  gewesen,  die  ich  für  meine  Zeit- 
schrift geleistet  habe.  Uu\  ausgesprochener  Keind  jeder  unfrucht- 
baren Polemik  -  es  ist  in  sieben  Jahren  der  erste  Artikel  dieser 
Art,  den  die  N.  H.-  bringen  wünle  ich  auch  diesmal  ge- 
schwiegen haben,  weuu  es  sich  nur  um  meine  Person  ge- 
handelt hätte.  Wer  an  die  Öffentlichkeit  tritt,-  mufs  solche 
Angriffe  kalt  lächelnd  ertragen  können,  oder  er  mufs  seine  Hand 
vom  Pfluge  lassen.  Aber  es  handelt  sich  hier  um  die  ^^N.  B.<  , 
und  da  mufste  ich  reden  I  Wer  da  weifs.  mit  welchen  Schwierig- 
keiten ein  wissenschafllicli-pädagogisches  lilatt  zu  kämpfen  hnt : 
wer  da  weifs,  dnfs  selbst  das  Päd.  schon  auf  dem  Punkte  gestanden 
hat,  nus  Mangel  nn  Abonnenten  einzugelien.  so  dal>  .sich  die 
angesehcn.sten  deutschen  Schuhnänner  in  .seinem  Interesse  mit 
einem  Aufruf  an  die  deutsche  I^ehrenvelt  wandten:  der  wird  es 
begreifen,  dafs  die  »N.  B.^,  deren  Herausgeber  keinen  »Namen« 
in  die  Wagschale  zu  werfen  hat  ich  sage  das  nicht  in  jener 
Bescheidenheit,  die  Goethe  als  die  der  T.nmpe  stigmatisiert  hat, 
sondern,  weil  es  so  ist  ihr  Schild  rein  bewahren  nn"^-'  n  um 
nicht  vom  vScliicksale  ereilt  zu  werflen,  wenn  ich  auch  mit  Dank 
gegen  die  deutsche  Lehrerwelt  bekennen  darf,  dafs  wir  zu  be- 
sonderer Klage  nie  Veranlassung  gehaltl  lialien  —  im  Ciegeuteil ! 

Ich  habe  von  Anfang  an  der  Aufnahme  des  Nebeutitels 
»Päd.«  sehr  kühl  gegenübergestanden.  Nach  meiner  Ansicht 
macht  nicht  der  Titel  das  Blatt,  sondern  der  Geist,  der  in  ihm 
lebt.  Wenn  deshalb  Herr  J.  mir  brieflich  den  Wunsch  Dr.  Dittcs' 
nu'tgeteilt  oder  weTiigstens  in  seiner  öffeiitlichen  Hesprechung  der 
.Angelegenheit  mir  nicht  so  uni|uaUtizierbare  Vorwürfe  gemacht 
hätte,  so  würde  ich  in  vt>ller  Seelenndie  erklärt  haben:  Unter 
diesen  1^ mständen  fällt  der  Titel  wieder.  Jetzt  al)er,  nacli  .solchen 
Angriffen,  erkläre  ich  e1>enso  bestimmt:  So  lange  ich  die  Khre 
haben  werde,  die  .^N.  B.<  xu  redigieren,  wird  die  Bezeichnung 


443 


»Pädago^nutiu  tncht  wieder  vom  Titelblatt  verschwinden!  Die 
^N.  6.^  werden  ihn  auch  fernerhin  fähren  —  trotzdem  und  alle- 
dem! Ja,  wenn  Herr  Behrend  jetzt  seinen  Antra emeiierii  sollte, 
für  unser  Blatt  den  Titel  rädaj^oj^iuni  als  Haupttitel  anf/.u- 
nelinien.  weil  sein  jetzij^er  Titel  dem  Inhalte  tiiclit  mehr  ent- 
spräche. -  eine  Titeländernnj;  überhaupt  rej^te  Herr  Behrend 
schon  vor  Jahresfrist  bei  mir  an  ich  weifs  nicht,  ob  ich  heute 
noch  widersprechen  werde.  Ks  hat  alles  seine  Grenzen,  und  ich 
bin  gewohnt,  wenigstens  anständig  behandelt  zu  werden.  HerrJ. 
mag  dann  meinetwegen  Himmel  und  Holle  gegen  die  »N.  B.«  in 
BoweiLiunp^  setzen  ;  ich  habe  niclits  daj^egcn.  Kr  hat  sich  selber 
so  gründlich  gekennzeichnet,  dafs  seine  Worte  auf  vernünftige 
Leute,  und  das  sind  ^glücklicherweise  die  deutschen  Lehrer,  jjar 
keine  Wirkung  nielir  ausül)en,  höchstens  die  entgegengesetzte  von 
der,  welche  er  anstrei>tc.  (Nachschrift,  bei  der  Correctur  hinzuge- 
fügt: Beweise  für  diese  Behauptung  habe  ich  gerade  in  diesen 
Tagen  mehrfach  erhalten.) 

Und  nun  noch  ein  kurzes  Schlufswort!  Der  Titel  »Päda- 
gogium« bleibt.  Er  soll  mir  l  ine  Erinnerung  sein»  soweit  meine 
Pflichten  gegen  Amt  und  Familie  es  gestatten,  stets  alles  auf- 
zubieten, die  X.  B.  auf  der  Höhe  /u  erhalten,  die  sie  nach 
<1em  VrUile  kompelenler  F:u  hni;inncr  einuelnneu.  ja,  soweit  es 
in  meinen  Kräften  steht,  sie  innner  mehr  zu  vt;r\oIlkümmnen, 
ICr  soll  mir  aber  auch  eine  Mahnung  sein  —  und  bei  meiner 
Charakteranlage  habe  ich  diese  Mahnung  besonders  notig,  — 
nicht  von  jedem  die  Kollegialität  zu  erwarten,  die  auszuüben 
für  mich  stets  selbstx'crständlich  gewesen  ist  und  auch  ferner- 
hin sein  wirdi 

Ob  dies  mein  letztes  Wort  in  dieser  Angelegeidieit  sein 
kann,  hängt  nicht  vt>n  mir  ab.  Ich  darf  aber  aussprechen,  dafs 
ich  die  geehrten  Leser  der  N.  B.  nur  dann  weiter  behelligen 
werde,  wenn  es  durchaus  nötig  sein  sollte.  Die  Angelegenheit 
ist  wirklich  nicht  so  bcileutungsvoll,  dafs  ihretwegen  noch  mehr 
Tinte  unnutz  verspritzt  werden  mfifste. 

Crek'ld,  den  20.  Juli  ih^t). 

Johannes  Meyer. 


.  j  ^  d  by  Google 


Clironik. 

D«r  Kampf  um  <1i«  S«bule. 

—  Au»  Bayern  wird  ein  kraftiger  Vorstofs  tles  katholische« 
Klerus  gegen  diel*  ehrer  vereine  gemeldet  Die  -  Pfalz.  I,chrer- 
zeitung'  veröffentlicht  ein  vertrauliches  Rundschreiben  der  KrmK  rcnz 
der  katholisrlu  n  ( »eistliohkcit  dfs  Kai)itfls  Landau  an  ^säinlliclie 
Lokal  imd  1  hstriktsschuliiisiH-ktonii  <Ur  Pfal/  ,  worin  /ur  rntor- 
zricliiuinL:  i-iiier  Ivingabe  an  die  kcniiL-lit  hc  Rc'ji[^ienmi4  «kr  l*falz  anf- 
.riciimlcrt  wird,  um  diese  zum  lunschiciten  i^ejjcn  das  die  Schule 
und  Kirclic  glcichniäfsi^  schädi','endc  Treiben  des  Pfälzisclien  und 
Ba^'crischcn  Lehrcrvereins'  7.u  veranlassen.  Das  Schriftstück  strotxt 
von  Unrichtigkeiten,  Übertreibungen,  Kntstellnngcn  und  Verdäch- 
tigungen. Ks  zitiert  aus  dem  Zusammenhang  gerissene  Atifserunuen 
von  Rednern  auf  Lehrerversamndun«;en  und  aus  Ailikebi  in 
Lc  lircr/cituniren,  um  die  Kirchen-  \inf1  Slartts'^efäbrlichkeit  ik  rlAbrei  - 
\i.i\int  und  ihren  Zusamnunlianij  sowolil  inil  (km  kultiii k.ini])fe- 
rischen  Liberalismus  .  wie  mit  den  soziakknu^kralischen  Umstuiü- 
parteien,  deren  antikirchlichen  Forderungen  bezü^ilich  derSchulcsich 
stets  zu  decken  pflegen*,  zu  bewei.sen. 

—  Die  englische  Regierung  hat  die  bereits  mit  einer  licdcuten- 
den  Mehrheit  im  T'nterhause  angenommene  l' nterri  ehlsbi  11, 
welche  den  konfessionellen  l'rivatscliulen  gleiche  Hehan<lhiiir  hin- 
sichtlich  der  Staatsznschiisse  wie  der  Staatsschulen  zugesichert  hüttc. 
plöt^dich  /.^rückgezogen. 

Schulrerwaltimg»  -Ori^aiiisation  hiiiI  «Ansstattang. 

Auf  dem  am*  20.  Juni  in  Bochum  abgehaltenen  westfälischen 

Städtetage  erregte  die  Krörteruug  der  vSchulaufsiclit  und  Lelirer- 
rinstc'llnn';'  besonderes  Interesse.  T^e'/üglicb  der  letzteren  besteht,  wie 
Ul)erbüriiernieister  Schmu. ding- Dortmund  ausführte,  fiir  die  gröl'seren 
östlichen  Städte  der  ^hxius.  dafs  die  Magistrate.  lUirgermeister . 
Scluddeputationen  die  Lehrer  wühlen  und  die  Regierung  bestätigt, 
was  den.  mangels  eines  Volkssclnilgcset/xs,  sich  hier  und  da  in  Ver- 
fassung und  allgemeinem  I«andrecht  findenden  Bestimmungen  ent- 
spricht.   In  Westfalen  haben  die  Gemeinden  nur  das  Präsentations- 


445 


recht  und  amli  das  ist  nicht  iihernll  wrihrfnd  die  Re^ienm)';',  oft 
ohne  Rücksicht  auf  die  Wünsche  der  (lenieinde.  flie  T.ehrer  anstellt. 
Der  Wunsch  des  Stärltetajjes  j^eht  dahin,  den  fiemeiiulen  das  Wahl- 
recht zn  geben  und  diese  Anschauunjx  st>ll  bei  der  Vorlage  eines  neuen 
Volksschulgesetzes  ssiim  Aiisdnick  gelangeti.  Bezüglich  der  Schtil- 
aufsicht  wurde  das  allzu  starke  Kingreifen  der  Oberbehörde  in  die 
Schulinterim  beklagt  und  gewünscht,  dafs  den  Gemeinden  ireiere 
Hand  gelassen  werde. 

—  ?>er  Aussclnifs  des  katli« >ltschcu  I.ehrer\-ereins  in  Württem- 
berg hat  den  .Müs^liedeni  dieses  Vereins  die  I  tai;i  xorgeiegl:  Sind 
Sie  für  Zulasssung  der  i,ehrer  zur  lic/.irksaufsicht?  Die.Ab- 
stimmung  sollte  geheim  geschehen,  um  eine  ungefälschte  Meinungs- 
äufserung  zu  sichern.  Nach  den  bisher  eingelaufenen  Nachrichten 
haben  295  Lehrer  gegen  und  nur  144  für  die  Zulassung  gestimmt 
Kin  Schnitt  ins  eigene  Fleisch  ! 

—  Die  Aufwendungen  iler  Stadt  München  für  Schul-  und 
nildiiiigs/wcckf  Urträut  mit  Ijüschhifs  der  Mietanschläge  für 
Schullokalitäten  jährlich  4  .Mil'.iotKU  Mark. 

—  Die  anfangs  Juni  v  eranstaltete  1' robe- Ki n  seil  rei  l>u  n g  für 
die  achten  M ädclienklassen  in  München  hat  die  ganz,  uner- 
wartete Zahl  von  650  Mädchen  ergeben,  so  dafs  mindestens  13  der- 
artige Klassen  im  koniuien<len  Jahre  zu  errichten  sind. 

—  Die  lirrichtung  von  achten  Schulklassen  /um  freiwilligen 
Besuche  für  .Mä<lchen  ist  nach  den  Vorschlagen  der  Stadtvertretung 
in  Nürnberg  ebenfaMs  iri  lulnniiri  worden. 

In  Berlin  ist  die  Sladt\  erordnetenx  1 1  s  iiiiiii'mnti  über  die 
reülujii  iler  Rektoren  um  (ileichlegung  der  l  erien  an  den  (»e- 
meindeschulen  mit  denen  der  höheren  Lehranstalten  zur  Tagesord- 
nung übergegangen. 

—  Professor  Camelly  in  Schottland  hat  gefunden,  dafs  die  Be- 
.schaffenheit  der  Schulluft  nicht  nur  von  der  rnigebuug der  vSchul- 
gcbäude,  sondern  auch  von  der  Reinlichkeit  der  Kinder  abhängt. 
H<  i  reinlichen  Kindern  \vnr«  n  in  einem  I.iter.Luft  bei  unrein- 
lu  !u  II  159,  in  sauberen  Kaiinien  Ss  ,  in  unsauberen  lyj  Hakterien, 
lerner  bei  den  jüng.sten  Kindern  167,  auf  der  nächsten  Stufe  146, 
dann  weiter  '^^<  5>  Bakterien  vorhanden. 

—  Der  Breslauer  Magistrat  hatte  sich  betreffs  der  Verteilung 
der  Schulunterrichtsstunden  an  die  scblesische  Ärztekammer 
mit  dem  Ersuchen  um  ein  (iutachten  gewendet.  C>eheimrath  Prof. 
Dr.  1  Tf^tM  -i»rach  als  Referent  der  Kammer  sich  dahin  aus:  rs  be- 
stehe iuiiucr  noch  eine  I  berbürdunir  trotz  einiger  liessn uii L:en. 
Mati  miK^se  eine  Herabset/ung  der  woeheiUlicheu  l'nterriclits.slunden 
auf  24  und  eine  X  erlängerung  der  Tausen  /.wischen  den  ein/eluen 
Unterrichtsstunden  verlangeu.  Die  Turnstunden  seien  nicht  als  Hr< 
holungsstunden  zwischen  oder  unmittelbar  nach  den  Unterrichts- 
stunden anzuscly.cn ;  der  Unterricht  solle  auch  im  Sommer  erst  um 


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446 


I  hr  hcj;inncn,  uiul  zwar  dcshalh,  weil  die  Schüler,  die  einen  aclil- 
bis  neunslündigcn  Schlaf  brauchen,  tiatiirg«ttiäfH  im  Sotiiiti«r  spater 
schlafen  'gehen  als  iui  Winter. 

Unterrichts-  und  ErxiehungMfragen. 

—  Das  norwegische  Oiklsthin^nahni  mit  ^ö^^xj^en  .Stimmen 
ein  Atnen«leinent  zum  Artikel  3  des  (ieset/es  ftir  höhere  Seluikn  an. 
wo!i;i(  h  die  1  atei  n  isrli  L  Si»r.iohe  als  UntcrrichUsgeRt^iistaud  vom 
(lyniiiasiuni  a  u  s  }^  e  s     1  ( 1  s  s  i  11  wirel. 

—  Das  Repräsenliinleiihaus  in  Washington  heschhus  mit  njh 
liegen  26  Stimmen  den  Ausschlnfs  der  Kinwandercr,  welche 
nicht  lesen  und  schreiben  können. 

—  In  dem  'Meckl.  Schulbl. .  ist  die  Frage  behanilelt  worden : 
>Ist  es  wünschenswcrth,  daJs  in  unseren  niecklenburj^i seilen  f.and- 
schulen  wöchentlich  eine  Stunde  in  der  Naturkunde  unter- 
richtet wird?     So  kann  man  auch  nur  in  diesem  Lande  noch  fragen. 

—  Srit  eini.-;^^!  /tit  hat  <ieh  auf  Anordnun«;  der  slädt  Scliul- 
depulalioti  in  Ii  e  r  1  i  n  eine  l  luwandlung  des  II  andarheits- 
Unterrichtes  in  den  Berliner  Gemeinde-Mädchenschulen  x-oll/ogen. 
Während  deiselbc  früher  hauptsächlich  als  Ivinzctuntcrricht  ertheilt 
wurde,  wird  jetzt  die  auch  in  vielen  anderen  Städten  bevorzugte 
Methode  des  Massen  Unterrichts  aufgewendet. 

--  Nach  einer  jirivatcn  Statistik  der  A'oss.  Ztjr  -  hat  derhaus- 
w  i  rth  sch  a  f  1 1 1  ch  e  Unterricht  in  Deutschland  rasch  an  \erhrei- 
tuni^  L'^t  \\  <  iniKU,  Kr  ist  /.  H  eingeführt  in  Sj  Städten,  die  dem- 
naehslige  lau fülirung  »sL  in  Ji  in  .Vussicht  genommen.  Von  <len 
grofseren  (temeinden  haben  hauswirthschaftlichen  Unterricht:  Aachen, 
Barmen,  Berlin  (6  (>enieindeschulen) ,  Breslau,  Bromberg,  Cassel, 
Chemnitz,  Dannstadt,  Dresden,  Dusseldorf,  lUberfeld,  Hrfurt  lassen, 
Frankfurt  a.  M.,  Hannover,  Karlsruhe.  Kiel,  Köln,  Köuigsherg, 
Leipzig,  Lübeck.  MannheiuK  Magdeburtr  !'"sen.  Totsdam,  Wiesbaden, 
Zittau.  Zwickau.  f>ic  Kosten  werden  in  vSachsen  und  in  Süddeutsch- 
iand  vorwiegend  miix  den  (iemeinden  aufgel)racht .  in  Preiifsen  da- 
gegen von  den  Vereinen,  meist  mit  erheblichen  Unterstützungen 
aus  Gemeindemitteln.  Die  grölsten  Aufwendungen  machen  Chemnitz 
(8200  M)  Karlsnihe  (6000  M|  und  K<51n  (3H00  Ml. 

In  N  e  u  -  R  u  p  p  i  n  ist  seitens  des  1 1 ymnasiunis  für  die  Tertia  und 
Quarta  zwecks  l\rteilung  von  Radf alirunterricht  durch  die  Turn- 
lelircr  an  die  Scbiil»  i  je  ein  I-ahrrad  angeschaft  worden.  Auch  ein 
Untcrrichtsgegeiistand  der  Schule! 

—  Das  Züchtigungsrecht  der  Lehrer  ist  Jicuerdings  vom 
Herzoglichen  Kon.si.storinm  in  Hraunsch weig  neu  geortinet  worden. 
Nach  den  jetzigen  Bestimmungen  sind  den  I^ehrem  und  Lehrerinnen 
körperliche  Züchtigungen  von  Madchen  und  schwächlichen  Knaben 
nicht  gestattet.  In  den  Knabenklassen  dürfen  Züchtigungen  nur 
bei  groben  Vergehen,  niemals  wegen  blofsen  Unfleifses  eines  Knaben 


447 


vorkcMinnen  und  nur,  wxnii  alie  übii.:<.n  Stratniittcl  erschöpft  sind. 
Zutn  Schlajien  ist  nur  vin  niäfsij^er,  nicJit  zu  hieK-sanier  Rührstück 
gcsUillcl,  der  für  gewöhnlich  im  Klassenschrankc  vcrschlos-sfii  auf- 
bewahrt werden  mufs.  Über  jede  körperliche  Züchtigung  ist  eine 
bez&gliche  Beinerkun{r  mit  ausdrücklicher  Bezeichnung  der  Ursache 
der  Bestrafung  in  das  Kfassenbuch  einzutragen.  Das  Schlagen  an 
den  Kopf,  sowie  «las  vSchlagen  mit  dem  Lineale,  da«  Zupfen  an  den 
Ohren  oder  Haaren  und  die  Anwendung  eines  ähnlichen  Strafmittels 
ist  verboten. 

—  Der  Ilaupllelirer  Veith  in  Klausthal  (Hannoverj  hat  i.  einen 
Distanzmesser  und  ä.  einen  Apparat  zur  geometrischen 
Aufnahme  einer  Gegend  erfunden,  welche  Apparate  auch  ffir  die 
Schule  wichtig  werden  können.  Der  Erfinder  versichert,  dafs  zw 
Feststellung  der  zu  einer  Heimatkarte  erforderlichen  Punkte  nnttels 
der  genannten  Apparate  kaum  eine  halbe  Stunde  Zeit  erforderlich 
sein  würde. 

Wablfahrtsbe^itrehuiigen  und  .Schenkungen. 

lune  \' e  ror<l  n  u  n  über  die  R  :i  n  d  I  ti  ti  j  n  pfen  dl  icher 
Verbrecher  unter  Jahren  in  den  S  t  r  a  f  a  n  s  1  a  1 1  c  n  hat  in 
l'ingland  der  .MinisLei  des  Innern  erla.'>sen.  l'ortaji  sollen  sie 
völlig  von  den  erwachsenen  Verbrechern  abgesondert  gehalten  wer- 
den, den  körperlichen  Übungen,  beim  Unterricht  und  in  der 
Kirche  solle  jede  Berührung  mit  den  alten  Sträflingen  vermieden 
werden.  Der  jugendliche  Verbrecher  .soll  nicht  auf  einer  Pritsche 
schlafen  und  ihm  soll  gröfsere  Freiheit  in  der  Heu utzunj;  der  Bücher 
der  ( iefän^fnislnbliothek  gcwrihrt  werden.  Niclil  nur  relijjiöse.  s«»n- 
dejn  auch  anden  ht  lehrciKlL-  Hüchcr  mögen  ilim  während  seiner 
i^an/.en  vStrafzeit  ai.s  I.cklüi  cilienen.  Soweit  aui^ängig,  soliden  jugentl- 
lichen  Verbrechern  ein  Handwerk  gelehrt  werden,  das  ihnen  nach 
ihrer  Freita.ssung  zn  statten  kommen  kann.  Auch  sollen  sie  im 
Ctartenb'iu  iK'Schäftigt  w^erden.  Turnübungen  sollen  zm  Kiitwicklung 
des  K«ri)ers  dienen.  Sic  dürfen  besondere  besuche  empfangen,  wenn 
diese  dazu  geeijin et  erscheinen,  sie  sittlich  zu  heben,  ('ber  jeden  I  '.ill, 
wo  eine  juirendliche  IVrson  unter  14  l.iliren  tti  eine  Strafanslalt  auf- 
genommen wird,  ist  sofort  dem  Unterstaatssekretär  des  Innern  zu 
berichten. 

—  Verschiedene  preulsische  Provinzialfegierungen  haben  auf 
ministerielle  Anweistmg  verordnet,  dafs  Arbeitgeber,  die  schul- 
pflichtrge  Kinder  während  der  Unterrichtsstunden  beschäftigen 

oder  die  Bischäftig\ing  st)lcher  Kinder  in  ihrem  Dien.st  während 
der  Unterrichtssunden  durch  ihre  .\ufseher.  (  «ehilfen  oder  .\rbeiter 
fluiden,  sofern  tiicht  nach  den  Iiestimmun>:en  der  Reichsprozef.sord- 
nung  eine  härtere  Strafe  verwirkt  ist.  mit  (leldstrafe  von  i  bis 
Mk.  bezw.  mit  Haft  von  1  bis  14  Tagen  bestraft  \ver<ien  sollen. 

—  Die  K.  Regierung  in  Oberfranken  hat  auf  (»rund  eines 
einstimmigen  Beschlusses  des  Kreismedizinalausschusses  ein  Kund- 


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44» 


Jobaoor»  Mev«r. 


schreiben  an  die  Bezirk säniter  und  Magistrate  crhus.scn.  in  <ltii  Land- 
volkfischuten  für  die  Winter/.ctt  trockene  Fufsbekletdting  ^Filz- 
schuhe) anzuschaffen,  entweder  auf  Kosten  der  Schulkassen  oder 
der  Amienkassen. 

—  Aus  Anlafs  des  i.sojälirij^cn  ( iLdtiiktaircs  der  (icburt  des 
jrrofsen  I'ä(la}^i>>?cn  uiul  Juj^ciKlscljriflslclkr.s Joachiin  Ilciiirirli  CainjK' 
hat  l'>aii  X'icwcj^  erklärt,  dais  sie  /wr  sti-len  l!t imu i uii;;  an  .li.n 
grofscn  Toten  ihres  Hauses  eine  Stil  tu  ng  nnl  eiiieni  Ka|»ital  von 
2OO0O  M.  errichten  werde,  deren  Zinsen  der  Unterstfi tzun^  be- 
dürftiger Seminaristen  zu  gute  kommen  sotten. 

—  Dem  Wiener  Volksbildungs\*erein  sind  kürzlich  20000  Dub- 
letten der  <l<itliL:i.n  rniversitätsbibliothek  uberwiesen  worden.  Die 
Bücher  sollen  den  Wiener  Volksbibliutheken  eingereiht  werden. 

Stellang  der  Lehrer. 

—  Der  r^andesschulrat  von  Böhmen  will  künftig  den  Lehrern 
die  Teilnahme  an  Ausstellungen,  Kongressen,  I.ehrerv trsaimti 
hni'.M'n  II.  a.  im  Auslande  nur  noch  auf  firund  einer  in  jedem  ein- 
zelnen l'alle  zu  erbittenden  Bewilligung  seitens  des  J«andescliefs  ge- 
slutten. 

—  An  der  städt.  höheren  M  äd  ch  en  sch  u  i  e  m  liochuni 
war  die  Direktorstelle  mit  dem  (>eha]ts.Hatze  des  Kormal- Ktats  aus- 
geschrieben. Ks  hatten  sich  dazu  mehr  als  loo,  grofstcnteils  aka- 
demisch gebildete  I^ehrer  gemeldet.  Die  Wahl  fiel  auf  einen  senii- 
n arisch  gebildeten  Rektor. 

—  Ivin  (iutsbrsit/t  r  in  K.  iiat  anläislich  einer  Schidsit/.ung  eine 
Lehrerin  in  Ausübun;.-  ilirtv  lUrufes  beleirli  ut.  indem  er  tlie 
Äufserjing  fallen  liel.s,  da  ki>nne  j<.  tUT  Hanswurst  .uit.sohreibt  ii.  üb- 
rigens sei  sie  eine  seinem  Kinde  gehässige  Lehrerin  .  Danul  er  in 
Zukunft  derartige  Reden  unterläfst,  wurde  er  vom  Schöffengericht  zu 
Regen  zu  acht  Tagen  Gefängnis  verurteilt 

Besoldung  der  lA'hrer. 

—  In  Baj-ern  nahm  die  Kammer  der  Abgeordneten  den  Antrag 
Schubert  an,  der  die  Festsetzung  eines  (inrndgehaltes  für  dieVoIks- 
schullehrer  verlangte,  de.ssen  Höhe  derjenigen  der  nichtpragmatischen 

Iteainten  entspreche.  In  der  Kammer  der  Reichsräte  wurde  jedoch 
dieser  Beschlufs  abgelehnt,  dagegen  der  Ausschuisantrag  angenom- 
men, wonacli  liii  Regierung  l\rhebnngen  pflegen  soll,  in  welcher 
Weise  die  ge.set/hchen  Ikstimnuingen  ül)er  die  Ciehälter  und  Ten- 
sionen der  Lehrer  einer  Kevi.sion  zu  unterstellen  seien.  Nach  der 
Zusage  des  Ministers  sollen  Mafsnahnien  zur  Abhilfe  erwogen  wer- 
den, insofern  Mängel  bestanden Bayri.scher  Reichsrat  und  preufs- 
isches  Herrenhaus!  Im  übrigen  wurden  bezüglich  der  Pensionen 
und  Unterstützungen  eingesetzt:  ai  zur  belassung  eines  Drittels  der 
zuletzt  bezogenen  Dienstalterszulagen  im  Pen.sionsfall  35,898  M.,  b) 
die  Erhöhung  der  Unterstützungsbcilräge  für  SchuUehrersrelikten  um 


449 


Tr,.\;^  "Mk  iitnl  et  Aiv  ICrhöhutisi  der  Position,  um  aiiob  T.eliri  rn.  die 
vor  <kni  i  l.niu  .1  i'^mi»  pensioniert,  wurden,  cm  JJrittcl  der  Uienst- 
aUers/iilajjen  zu  l»elas.sen. 

—  Auf  die  seitens  des  Stadtverordneten  Cieheimruüi  Prufessor 
Dr.  Dittenberi^er  begründete  Anfrage,  ob  nachdem  das  befürchtete 
Lehrerbesoldungsgesetz  gefallen  sei»  nnn  baldigst  eine  Vorlage 
über  «lie  Verwendung  der  für  das  Jahr  1896/97  zu  gun  stell 
der  Lehrerschaft  der  Stadt  Halle  zuriickgestcUten  Soooo  M.  /n 
erwrnirn  sei.  erf«^l.L'U  dii-  Antwort,  dafs  «j^eirfuwärlig  der  geeignete 
iCcilpunkt  noch  niclit  gekommen.    Also  wietkr  nichts! 

—  Die  kleine  Stadt  1'"  a  1  k  e  n  s  t  e  i  n  in  Sachsen  hat  ihre  Lehrer 
SO  gestellt,  dafs  diese  vor  dem  26.  Lebensjalirc  1350  M.,  vom  26. 
Lebensjahre  an  1500  M,  und  dann  alle  3  Jahre  eine  Zulage  von  meist 
150  ftL,  vom  56.  Lebensjahr  an  also  2^(00,  dann  vom  5H.  I^bensjahr 
an  29CX1  und  vom  59.  Lehensjahr  an  3000  M.  (iehalt  beziehen. 

—  Seit  dem  i.  Jan.d.J.  erhalten  alle  Volksschulleh  rer  Bel- 
uie!is  ein  Mindestgehalt  v»»n  141H»  }'>atiks  (Wohnunj^st  ntsrliädij^un;^ 
mit  einlK  ;.;t  iffen  I  in  den  (iemeinden  m  it  w  rniirer  als  i^ch)  lan wohneni 
und  \on  32«x>  P'ranks  in  den  Gemeinden  von  über  locxx»  J%in- 
wohnern.  Alle  4  jalire  steht  den  Lehrern  gesetzlich  eine  Gehaltser- 
höhung von  too  Franks  zu.  Mindestgehälter  können  von  den  Ge- 
meinden vermehrt,  aber  unter  keinem  Vorwande  verringert  werden. 

—  I>ie  spanischen  Provinzen  schulden  ihren  Lehrern 
bis  zum  31.  Dezember  1S9S  ^m<)355  Pesetas,  das  ist  etwa  f>'/«  Millio- 
nen Mark.  ,In  den  südliMu  ti  Provinzen  >Lila};a  und  (iranada  sind 
Ortschaften,  die  seit  nu  lir  denn  fünf  Jahren  ihren  Lehn  rn  keinen 
Pfennig  gezahlt  halben,  die  nördlichen  biscayischen  l'rovinzen  zahlen 
verhältnismäfsig  am  besten. 

Bildunj$  der  Lehrer. 

—  Über  die  Aufnahmeprüfung  bei  den  Schullehrer- 
seminaren hat  der  preufsische  Kultusminister  durch  eine  Ver- 
fütrung  wieder  das  \'t  rf.ilnen  angeordnet,  nach  dem  die  Prüfunj^  eine 
Konkurren/,  ist.  das  Ifeifst  aus  der  Zahl  der  Rewerber  je<lcsmal  die 
Resten  ausj^ewählt  werden.  Hrti  nbn'ijen  fUnvcrbern  b!(»ibt  es  über- 
lassen, sich  bei  einem  andern  Snninar  einer  erneuten  Prüfung  zu 
unterwerfen.  Seit  jSSS  galt  die  .Anordnung,  dais  ein  aksoluter  Mafs- 
Stab  angelegt  werden  sollte. 

—  Im  zweiten  Ausschusse  der  Kammer  der  Reichsräte  führt  der 
bayrische  Kultusminister  aus.  dafs  in  nächster  Zeit  eine  Ver- 
längerung der  Ausbildungszeit  der  Schullchrer  nicht  vor- 
zunehmen  .sein  dürfte.  Ebenso  .sprar^-  r  sich  gegen  die  obliga- 
torisrlu  1".  i  n  f  ü  h  rn  n  einer  fmn.Kn  Sj)rache  in  das  Lehrpro 
gramin  der  St  inm  n it^n  aus.  hesonle  jedoch,  dais  gegen  die  fakultative 
Ivinführung  keine  iiedenken  bestünden. 

—  Bei  der  letzten  Rektoratsprüfung  in  Berlin  bestanden 
von  13  Prüflingen  5. 


45© 


\'or»'instliiUii?keit. 
Dejn  Deutschen  rcr  v erei  n  f .  (kr  am  jS.  De/.eiiiber 

sein  J5jährij;cs  Jubiläum  feiern  kann,  ist  nach  dein  vor  kurzem  ver- 
öffentlichten Jahresberichte  am  i.  Januar  1895  der  Badische  Landes- 
verein mit  35c»  ftlitgliedem  beigetreten,  auch  der  Lehrer\*erein  des 
Fursteutitins  Lübeck  und  verschiedene  Mecklenburger  Vereine  haben 
sich  anjyeschlosscn.  so  dafs  trotz,  aller  C.egenströnninjien  einZ\i\vachs 
von  AS'fin  Mitg-liedern  zu  vt  r/richm-n  ist  und  die  gesamt»  ■Mit^lirdrr- 
7.1I1I  («-".jcK)  beträj^t.  Der  Wieiii  .^ÜLtUrt  sich  in  -^0  I.amks  und  l'ro- 
vin/,ialvereine  mit  2u\>  N'etbänden.  Nach  dem  Kasüenabschlnis  pro 
1895  betrug  das  Venno^jen  7504,55  M.,  das  der  Rechtsschutzkasse 
599-. 93  M.,  das  der  Feuerkasse  544 > «33  M- 

—  Die  Vereinshauskasse  des  Berliner  Lehrervereins 
besitzt  ein  Vermögen  von  etwa  19000  M.  und  32  500  M.  Sjiareintagen 
der  Mitjjlieder. 

—  Der  KiiUusminister  hat  dem  Verein  Deutsches  I.chrer- 
heim  in  Schreiberhau  10000  M.  als  einmalige  Unterstützung  be- 
willigt. 

—  Dem  Thüringer  Schul museuni,  das  bereits  über stattli che 
Sammlungen  verfügt,  wird  ein  dauerndes  Heim  geschaffen.  Die 
Sammlungen  sollen  nämlich  dem  pädagogischen  Universitätsseminar 
in  Jena  übergeben  werden. 

~  Das  detitsrhc  S i  h  11 1  niu seu m,  dasimjahre  1S76  einjxerichtet 
wurde,  ist  inzwischen  aul  rund  2ck>k)  Hände  anj^ewnchsen  Daneben 
verfügt  das  Museum  üIht  rine  reichhaltige  Sarninhin lj,  \  on  Lehr- 
mittel. Der  soeljcn  ci-schieucue  Katah»g  der  Samudung  enlhäll  aul 
304  Seiten  eine  vorzügliche  Nachweisung  der  vorhandenen  Bücher- 
scIiätKe.  Kr  ist  von  A,  Rebhuhn,  dem  langjährigen  Verwalter  der 
Bibliothek,  mit  Unterstützung  Ireiwilliger  Hil&ikräfte  zusammengestellt. 

-  vSchon  vor  hunder,t  Jahren  hat  die  Lehrerschaft  am  Nie- 
derrhein hinsiclitbrh  rUr  Witwen- und  \V  ai  sen  Versorgung  den 
Weg  der  Selbsthülfe  l)eschritten.  1796  wurde  nämlich  für  die  evan- 
gelischen Lehrer  im  ehemaligen  Herzogtum  Kfeve,  rcclile  Kheinseite, 
eine  Witwen-  und  Waisenkasse  ins  Leben  gerufen,  die  noch  heute 
besteht  und  also  ihr  hundertjähriges  Jubiläum  feiern  kann. 

—  Der  Ausschuis  des  Deutsch-österreichischen  Lehrer- 
bundes richtete  an  den  Wiener  Genieinderat  die  Bitte  um  Cber- 
lassung  des  l\stsaales  und  um  einen  Beitrag  zu  den  Kosten 
für  dcii  L^^liici  t.iix.  IJeides  war  hu  Jahr  |S,S6  gern  gewährt  wt)rden  ; 
diesmal  winde  beides  versai^l.  I nT( »liit dessen  findet  der  Lehrerlag 
nicht  statt,  »  »inges  denn  wirklich  nicht  auch  o  h  n  e  den  ( lemeinderat 

—  Der  ungarische  U  n  terrichtsminisler  hat  zu  den  Kosten 
des  heuer  in  Budapest  stattfinden  den  Landes  -  Unterrichtskon- 
gresses einen  Staatsbeitrag  von  4000  fl.  angewiesen. 

—  Der  Wiener  L e h re rb au  s  v  e  r  e  i  n  zählte  am  Schlu.sse  des  letz- 
ten Vereinsjahres  nahezu  5000  Mitglieiler ;  sein  X'ermögen  betrug 
86040  fl.,  der  von  den  Mitgliedern  erzielte  Rabatt  2991O  iL 


Chronik.  4(^1 


IVrMülial-Na  chritlitt'n. 

—  Ati  die  l.eln Liscliaft  i >cnl>ciil,ui*l.s  uiul  ()slrMc»clis  (il.ifst 
der  Bunilcsausschufsilc.s  clcuUch-öslLi  ixichischcii  Lcliicihuiulcs.  uiilcr- 
zeichnt't  O.  Kntschinka  iitKl  H.  Jun<;  einen  Aufruf  zur  Krrich* 
tung  eine»  Dittesticnkmala  in  Wien.  Beiträge  sind  7.11  senden 
an  Herrn  Oberlehrer  J.  II.  Hotczabek«  Wien  IV,  Allcegassc  44. 

Der  Leipiiiger  Lehrervcrcin  i^inniiitc  Trof.  Dr.  Ludwig 
V.  Slrümpell.     den  xcnliiiistvollcn  Nestor  der  (Untschen  Univer 
sitals|tä(la«;«>^en.  (kti  l:uii:iähri};en  \'erteiditrer  des  deutschen  Schul 
Wesens  in  Kivland.  dt  11  sl  haffcnsfreudi.^eu  1  r>rderer  der  Ivr/.ieh»inj;s 
Wissenschaft  und  T  iitci  1  ichtspraxis,  den  rühri^jen  Pfadfinder  auf  dem 
Cicbiete  der  pä<lago};ischen  Psychologie  und  Pathologie,  den  be- 
geisternden I^ehrer  vieler  Lehrer«,  zu  seinem  Ehrenmitglied. 

—  Seminarlehrer  Prof.  Dr.  II  eid,  langjährige»  Vorstandsmitglied 
des  Hessisclun  I.andeslehrervereins,  ist  am  14,  Mai  gestorben. 

—  In  Naumbnr«^  a.  S.  i.st  am   :?<)  Juni  im  Alter  \<>ti  Jahren 
l.ehriT  T-!d.  Teller  gestorben,   luk.uuit  tlurch  seine  lu  r\ « >i  i  ai;inde 
.seluul.sUllcnsriie  Thätijjkeil,  namentlich  auf  dem  (iebiete  der  l'äda 
gogik  und  der  Naturwissenschaften. 

Fritx  Harkort,  dem  besonders  um  Schule  und  Lehrer  hoch- 
verdienten Abgeordneten,  dem  Kämpfer  für  Volksrecht  und  Volks- 
freiheit, der  am  6.  Märe  1880  starb,  ist  am  17.  Juni  in  Hombruch  bei 
Dortmund,  seinem  letzten  XWdinort.  ein  Denkmal  geweiht  wonlen. 
bestehen»!  aus  einer  IJüste,  tlie  auf  einem  (iranitsockel  ruht,  nei 
der  l'-ntlinlhntiisfrier  waren  vor  allem  die  I^chrervereine  der  Nach- 
bursch.ift  \elllelen. 

—  In  Nr.  26  der  Sächsischen  Schulzeitung  nimmt  Herr 
Schuldirektor  ent.  Lansky,  der  dieses  Blatt  nicht  weniger  als 
46  Jahre  geleitet  hat,  von  seinen  I^esem  Abschied. 

—  In  Frankreich  ist  di  r  ehenialige  Cntenichtsnntiister  J  ules 
Simon  gestorben.    Welch'  1i(»1k  Hedeutung  er  der  X'olk.sschule  bei 
lejite,  beweist  sein  Ausspnu  li      I  ).is  Land,  das  dii  licsU  Sehlde  hat, 
ist  das  erste  Volk.  Ist  es  tUes  nicht  heute,  so  wird  es  dies  motten  sein  . 

—  Lehrer  M.  Spanier  in  .Magdeburg,  seminarisch  gebildet, 
ist  auf  (inrnd  seiner  Dissertation  iLxegeti.sche  Heiträ};e  /.u  Hieronymus 
Onomastikonj  und  nach  bestandenem  schriftlichen  und  mündlichen 
Kxamen  von  der  philosophischen  Fakultät  in  Bern  zum  Dr.  phil. 
ernannt  wonlen. 

Litterarische  Notisen. 

—  Kultusmini.ster  Dr.  Bosse  hat  dem  Seminar-Oberlehrer  Prof, 
I-echner  Ikrlin  den  .Auftrag  gegeben,  alle  atd.'ifslich  der  150.  Wieder- 
kehr von  Ileinrtcli  Pestal<>//is  Oeburtstag  ersch  i  en  eiMn 
Schriften,  seien  es  Jiroschuren.  Bücher  oder  X'orträge.  estailikel, 
C.edichte  etc.,  zu  .sammeln  und  die  gan/.e  Kollektion  als  besondere 
Abteilung  der  Bibliothek  des  Ministeriums  einzuverleiben. 


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Neuere   Ersclieiuungen   auf  dem 
Gebiete  des  Turnunterriclits. 

Von  H.  Schröer  in  üerlin. 
(Schlüte.) 

J.  Bollin;r«*r-Auer,  lAbrera  f1  Törliterscliiile  in  Hasel,  Hc wcjrn » 

spii  U  für  MTkU  licii.  üciiheitet  im  Auftraj^u  des  lü/ichunirs- 
<kpai tciiictUs  des  KaiiU*iis  Hasel.  V'crlajj^  des  Art.  Institut  OrcU 
I'"üfsli,  Zürich  1894.  96  S.  8"  m.  34  Illustr.  Trciü  l'"r.  1.50. 
Das  Düchletn  enthält  eine  Einleitunj^,  in  welcher  allgemeine  Be- 
lehrungren über  die  Bildung  der  Parteien,  die  wichtigsten  Spielgeräte 
und  <las  Isuv^^i.  ti  nnd  Werfen  der  Bälle  jjej^eben  werden.  Dann  foljjeii 
I.  10  vSpiele,  die  nur  im  Freien  jjcspielt  werden  können,  II.  16  Spiele, 
die  \m  I'reien  nnd  im  Turnsaak   in^/vifüliren  sind.   III.  1  Spiel,  das 
nur  im  S  lak-  jjespielt  werden  kann.  Sind  es  auch  nur  2j  Si>ie1e,  die 
hier  eine  Dar.stellung  linden,  so  gehürt  das  Büchlein  duch  un/weifcl- 
haft  zu  dem  besten»  was  auf  dem  Gebiet  der  Spicllitteratur  in  den 
letzten  Jahren  erschienen  ist.   Und  das  will  viel  sagen ;  denn  die 
neue  Spielbcwegnng  hat  anfserordentlich  befrachtend  auf  die  I^itte- 
ratur  <lcs  Spielhetriebes  ein;j;e\virkt  und  viel  (Vutes  hervorj^ehracliU 
Die  Auswahl,  welche  der  Verfa.s.ser  j^etroffen  hat.  i.st  eine  recht  jrliuk- 
liche.  In  welcher  degend  man  auch  das  Hüchlein  /ur  Hand  nehmen 
möye :  das,  was  ni.m  niclit  venni.ssen  möchte,  wird  nian  dann  finden. 
Die  DarstelUniij  der  einzelnen  Spiele  ist  eine  gründliche,  von  reicher 
Hrfahrung  zeugende,  anschauliche  und  trefflich  gegliederte. 
H.  Schröer»  Johannes  Stangenbergers  Spiele  für  die  Volks- 
schute. Gänzlich  umgearbeitet  und  zum  Gebrauch  an  niederen 
und  höheren  Ltliraiistalten  eingerichtet.  6.  Aufl.  Mit  11  in  den 
Text  gedruckten  Abbildungen.   Leipzig  1895,  Julius  Klinkhardt. 
1 10  S.  Preis  geb.  1.20  M 

Seitdem  J.  C.  l*".  (Vuts-Mulhs  sein  klassisclit s  Werk  :  Spiele  /nr 
i'bung  und  Ivrholung  des  Körpers  und  Crei.sle.s  hetau.sgegeben  lialle, 
war  er  Jahrzehnte  hindurch  so  ausschliefslich  das  Vorbild  für  die 
Herausgeber  von  Spielbüchern,  dafs  ihre  Spielanleitungen  zu  jenem 
Buche  sich  verhielten,  wie  etwa  mehr  uder  weniger  verwässerter  Wein 
zu  ungetauftem,  edlem  Rebensaft  — :  bald  gut,  bald  minder  gut  geonU 


453 


nttc  Zusainiuenttollun^^en  vieler  Spiele  mit  einer  meist  vöUijf  uiizu- 
lün|;lichen  Spielbesclircibuiig^.  Krst  im  Verlauf  der  jetzij^en  Sjjielbe- 
weüutiir.  welclie  nicht  nllctn  tiefer  ins  \'olk  /x\  f1rint'\ti  hcuinnt.  son- 
ilern  auch  bes'^erc  S]ii<.linetho<k'H  licr\ urln in;^t,  ist  man  /ii  der  JCr- 
kenntnis  gekiiuimen,  daLs  man.  (ihnc  L'herhebung  und  Impielüt,  in 
zwei  Richtungen  die  bisheri>;en  Bahnen  verlassen  müsse.  Spielan- 
Icituuj^en  dürfen  erstens  nicht  mehr  blofs  mofplichst  kurze,  dürftif;:«, 
trockene  Beschreibunffen  enthalten,  sondern  sie  mfissen  den  («ang 
jedes  Spieles  mit  allen  seine.n  Wechselflllen  und  Fein- 
heiten anschaulich  durstellen,  und  sie  müssen  /.weiteiis  die 
wertvolleren  Spiele  aussonderti  «Ur  reichen  Menj;e  minder 
wertvoller  oder  hvi  unseren  Si  luil  uml  (  asL llscliafts-V'erhältnissen 
wenijj^ei  Inauehbaic!  Spiele,  als<)  eine  engere  Wahl  tieileul  Diese 
Richtung  kam  litterarisch  in  den  'Tumspielen'  etc.  von  Dr.  Kohl- 
rausch und  Marten  zum  ersten  Male  in  Boll  in  ger- Auers 
•»Bewegungsspiele  für  Mädchen«  {i^A)  und  vorliegender  Keubear- 
beitung  der  Spiele  für  die  Volksschule  am  entschiedensten  zum 
Ausdruck,  l'.iw  oberflächliclu  i.  dii  Spieüdee  wenig  zur  Ivntwickelung 
bringender  Spit-Ibetrieb  \  trniau  iiuhl  so  zu  fesseln,  wie  das  I\in- 
dringeti  in  die  I  cinheilen  tlcs  Spiels.  Darum  entspricht  unserer  Zeit 
eine  Spielanleitung,  welche  die  Jugend  lehrt,  wenige  Spiele  gründ- 
lich zvk  erfassen  und  mit  Hingebung  und  Ausdauer  zu  betreiben. 
Spielbficher  mit  überreicher  Auswahl  und  dürftiger  Darstellungsweise 
haben  wir  genug ;  an  solchen  aber  fehlt  es  noch,  welche  darauf  aus- 
gehen, demjenigen,  dereiner  Anleitung  bedarf,  den  lebhaften  Gang 
des  Spiels  vor  Augen  zu  führen,  die  F  ei  n  h  ei  teil  zu  zeigen,  die 
\'ermeidung  von  l-ehlL-rn  nahe/ulegen,  ein  festes  und 
logisches  Regelwerk  auszululden  (Schröer  im  VDiwortj.  Die 
Zahl  der  von  Schröer  behandelten  Spiele  beträgt  nur  45;  die  Au.s- 
wähl  berücksichtigte  vor  allem  den  körperlichen  Übungswert 
der  Spiele;  auch  darauf  wurde  gesehen,  dafs  die  Spiele  wenig  Vor* 
bereitungen  und  Ilil  fsmit  u  l  und  keinen  all/u  kostspieligen 
Platz  erfordern,  dafs  sii  ^iiu  einfache  und  klare  S|)ielidee, 
.sowie  1ei<'lit  zu  behaltendt. ,  .iIkt  fe<u  Regeln  haben,  und  dafs  sie 
für  die  lUUiliü'ung  auch  \i\  i)  isvi  vr  S  i)i  elerni  assen  sich  t  i  n  i  n 
Allgeujeine  <  iriind.sülze  über  ilen  Charakter  der  Sinele,  das  \  erhäU- 
nis  zwischen  Turnen  und  Spiel,  die  Auswahl»  die  Methode  des  Be- 
triebes, den  Spielplatz,  die  Spielgeräte  etc.  gehen  den  Spielbeschrei* 
bungcn  als  einleitende  Bemerkungen  <  voraus.  Die  Spiele  sind  im 
allgemeinen  nach  folgendem  Schema  behandelt:  Name  (die  in  ver- 
schiid  nen  (legenden  gebräuchlichen  Namen  eingeklammeiti.  Zahl 
der  Si)!t'ler,  S  |)  i  el  g  ed  an  k  e  und  \'orberei  tu  n  g.  Ausführung 
und  nll  ji  HKine  .Spielregeln  (letztere  er^-dn-n  sich  rms  di-in  vor- 
gefnliiten  Spielgatige  wie  von  selb.st  und  sind  imniei  .in  helretiender 
Stelle  mit  Sperrdruck  und  beziffert  in  den  Text  eingefügt),  Fehler, 
abweichende  oder  besondere  Spielregeln,  Abarten  des 


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Spieles,  A  11  in  er  k  ti  ti  e  11.  MetliocHseli  sind  die  Spiele  nach  Ver- 
\vati(Us(-liatt  und  Sch\vieri<;keit  aiifsti  i^end  t,'eordTut  niid  auf  die 
StiU«  11  \x  iteilt.  Kürksichllioh  der  ( icschleelilf  r  cij^ucn  sich  i|  Sf)ielo 
\ oriiehmlicli  für  Knaben,  9  Spiele  in  erster  Linie  für  Mä<lclien  und 
22  für  Knaben  und  Mädchen  gleich  j^ut.  Bin  Xachtrag*  enthält 
einige  Winke  über  die  zur  r  Vorbereitung  gehörige  Verteilung  etn- 
;:clner  Spielaufgaben  durch  Auslosen  und  Abzählen  nebst  Abzähl- 
reimen, endlich  eini'je  Worterklärun^^en.  T'nter  den  16  Spielen  der 
I.  Stufe  befinde  n  sich  10  Sin<;spiele  mit  Noten  und  I,iedcrte\ten.  Rei 
<ler  II.  Stufe  tritt  das  Sinufspicl  mehr  zurück  (uiiU  r  1 A  Spielen  Sinv;- 
spiok->:  die  III.  Stufe  wt-ist  Spiele  auf.  wehlu  nui>l  auch  für  l-.r- 
wachscnc  verschiedenen  Alters  (Spieljje.sellschaften »  ^^eeigiiet  sind. 

Der  Neubearbeiter  des  Büchleins  gehört  dem  ^Zentralausschura 
;euT  Förderung  der  Volks-  und  Jugendsptelc  in  Deutschland  ^  an  und 
er«*arb  sich  seine  Krfahrungen  in  langjähriger  Praxis  als  Spielleiter 
gröfserer  Schülermassen. 

Dp.  Vict«r  von  WoikoWHky-IJiedH«,  aufserordcnllichcs  Mit5ilied  des 
Ktinij^l.  preufs.  Statist.  Bureaus,   T>ris  Hewe j;n n  1; ss pi  rl  in  der 
Deutschen  \'olkshyjjiene  und  \  olkser/.iehunj^.    S<)n«k rabth uck 
aus  der    Zeitschrift  des  Konigl.  pr.  stat,  IJ.  .  Jahri;.  KSy5.  Leip- 
zig        R.  Voigtländers  Verlag.  63  Seiten,  gr.  4'.  Preis? 
Diese  ausgezeichnete  Schrift  —  ihr  Verfasser  gehört  gleichfalls 
dem  oben  genannten  »Zcntralausschufs*  an  —  bietet  eine  Cbersicht 
über  den  Stand  des  Bewey^uufj.sspiels,  wie  sie  geradezu  einzig  da- 
steht.   Der  I.  Abschnitt  handelt  vom  Wert  des  He\ve.ü^inj^.'<si)iels  in 
\'olkshyj;iejie  und  X'olkserziehimij .   der  II.  von   der  (Vcsrhirhtc 
desselben.    Xini  fol«^t  dt  1  IIau]»Ueil  derArhvit:  eine  Slalislik,  wie 
sie  eben  nur  mit  dtrn  Mitteln  und  I'^ähij^kcilcn  ciiics  wissen- 
schaftlichen Instituts  durchgeführt  werden  konnte.'  Die 
hingebende  I^iebe,  mit  welcher  der  Verfasser  die  mühsame  Zusammen- 
stellung gemacht  hat  verdient  Bewunderung. 

Hftinrieli  Schröor.  Stfidt.  Tunnvart  in   Herlin.   Die  StabübungO«. 

ICine  Dar.stellun.ij  derselben  in  Wort  und  llihl  für  Schulen  und 

Turnvereine     Mit  icx)  Holzschnitten.    Wien  und  Leipzig  liM/u 

A.  Pichleis  Witwe  u.  Sohn.    130  S.    1.50  M. 

Der  Verfasser  hat  den  Versuch  unternommen,  hinsichllicli  dci 
systematischen  Durchdrinjjunjj  und  Ordninij^,  der  Zu- 
sammenfassung und  übersichtlichen  Darstellung  des  bisher 
von  der  turnerischen  Gesamtheit  erarbeiteten  Übungsstoffes  eine 
neue  r;nindlai:;e  zn  schaffen,  auch  /.u«jleich  in  methodischer  Hin- 
siclit  durch  stufenweis  f f>rtsch rei ten d en  Aufbau  den  Stab- 
übnngen.  welche  ja  anerkaimtt  i  wti^c  so  sehr  sreei}.;;net  sind.  <lie  h'rei- 
übnujjen  zu  beleben  uiul  mit r»..-..s.inU  r  und  wirksamer  /u  s;estalten, 
eine  weitere  Verbreitung;  namentlich  im  Schuiluniunlerricht  zu 
verschaffen.  Der  Inhalt  des  Büchleins  zerfällt  in  einen  theoretischen 
und  praktischen  Teil.   Im  ersteren  befinden  sich  folgende  Kapitel: 


Xcwre  Rntrheiiivnvra  auf  Atm  Afn  Tvtrwmuttivhtt, 


455 


(icsf  liichtlichc  MinkMlunj;,  das  lT])untrsfj:t  rät,  die  ( Iriffarlcii  (xler 
l'as.s\iii^fii,  IlalUiiiurn  des  Stahis.  rhcisicht  der  Stabühunsreti,  die 
AufsUllunji  der  l'benden,  der  ('buugsbeiehl,  Auswahl  der  Stabübiin^eii 
für  Mädchen.  Im  praktischen  Teil  werden  aus  dem  Gebiet  des 
Stahdrchcns«  -schwingen«,  -stofsens,  -hebens,  Ilaltnngswechsels  durch 
Heben  und  Senken.  Drehen.  Stoteen  und  Schwingten,  den  überstctfirons 
und  -.Spreizens  und  der  (lenieiuübuujfen  mit  kurzen  und  langen 
Sljlben  15  lu  et  ]uul  i  seli  ^^eordii«  U  ■lt^'^hu  beschriebene  und 
durolj  Zei  eil  n  u  n  jl;  e  n  erläuterte  1' 1  •  u  n  sb  e  i  s  ]ii  el  e.  voti  den 
allereinfat  hsUn  bis  zu  den  srliw  ierijj;slen  l  biinj^eii  und  ("bun«4:sfolL(en 
forlschreitend,  im  Anschiui.s  an  diese  auch  5oAufj^aben,  sowie  /.um 
Schlufs  eine  Verteilung  des  Cbungsstoffcs  auf  4  Stufen  ge- 
boten. Die  Zeichnungen,  auf  die  der  Herr  Verleger  viele  Mflhe  und 
Kosten  vei'wandt  hat,  machen  —  ungeachtet  einiger  I'''iguren,  welche 
den  Verfasser  nicht  befriedigen     im  ganxen  einen  sehrguten  Hindruck. 


4«;6  l^o<M>  BOcbor  iiD«l  Auf«Su>.. 


Neue  Bücher  und  Aufsätze. 


ai  Bücher. 

A  chctibnoli ,  l'>it/..  I'räpaia- 
tioneu  /ui  Hchaiulluiij4  «Iciitsclur 
C.i.lulilc-  in  tlarstclKinkr  J'rtini. 
(Will.  .>s  s.»  Hilchenbach,  L. 
M  iegaiul.   i/k)  M. 

Backhaus.  J.  C.  X..  Lehr- und 
f'liunj^slxich  il.cn^lischcnSpraclit 
Ausg.  IJ.    1.  Tdl.   (VI II,  HO  S.j 
Hannover,  C.  Meyer,    i  M. 

Hleich,  <;.viiina«.-<niori.  a.  I).,  \'cr- 
ci  11  fachte  deutsche  Keditsclirei- 
buuj^u.  richtij^e. Aussprache.  (42  S.i 
Berlin,  M.  Schil(l])erj;er.  o.St)  M. 

Clafs.  Prof.  Dr.  ('.  ,  rntersuch 
ungell  zur  IMiäiiumenolojjie  uiul 
Ontolo^e  d.  menschlich,  (leistes. 

2:,s  S.)  I^eipz.,  A.  Deichert 
iSachf.   4  M. 

Gerhardt,  ob..Lehr.,  Osw..  Über 
die  jic^^eiiwärti^e  ( le.slallun.LT  des 
luih.  Schulwesens  in  iMankreich. 
y2j  S.)    licrlin.  K.  r.ärtner.    1  M. 

Henze,  Wilh..  I  ber  die  hevor- 
steheiule  Refonn  tki  fr.in/.  (hlho 
graphie  durcli  die  Acatlcinie  fraii- 
«jaise.  (23  S.)  Berlin,  R.  Gärtner. 
I  M. 

Hei  Iniann,  H(>m.-iHr.,  Dr.  Karl, 
Ps)-choloiäfie  mit  Anwendung-  auf 

Kry.ieliuii).^ und  St  lnil])raxis.  l'nter 
Mitwirkung  von  Dir.  Dr.  Jahn. 
(73  S.  m.  2  FijT.)  Leip/...  Dürnsche 
Hiuiih.   0,9s  M. 

Just,  tür.  Dr.  Karl,  Mfirclien- 
uiilci  t it  Iii.  12  X'olksinärchLU  in 
darstellender  l'Orin  f.  die  Mütter 
und  Lehrer  der  Kleinen  (XI.  S2  S.) 
I,cipz.,  A.  Duichert  Xachf.  1,35  M. 

K  O  ru  h  a  S  ,  <1ymn.o2<>Irbi'til.,  Alb., 
Das  ZeichncTi  nach  der  Xalur. 
V  orschläge  /.u  einer  Keform  de.s 
Zeichenunterrichts  an  höh.  I^ehr- 
anstalteii.  Mit  61  1m^.  u.  6  Licht- 
druck Taf.  S.)  Freiburg  i.  ü., 
Herder.    2  Sl. 

l'fer.  ltürit<  rK.  Ii.-Uckt.,   Dic  PflcgC 

dir  (Ifutsiheti  Ausspracht  iti  dt-r 
Schule.  (4oS..j  .\ltenburg,().  Hönde. 
0,60  M. 


b)  Aufsätze. 

HailtJ.   Si-liuMinklor,  DaS  I  ('.r]>Dt. 

lU  ilraj;  zur  chn.sto/.eiilriscliL u  l>e- 
handluiiL,^  des  Katechismus.  »D 
St  Iiiilpraxis  21—23.)   Lei|>zig,  H. 
\\  uiuierlich. 

Bobke,  Georj^.  Darlcpung- ver- 
schied  euer  Koii/entrationsfonuen 
und  Heurteilung  derselben  hin- 
sichtlich des  Wertes.  (Praxis  der 
N'olk.s.sch.  5.f  Halle  a.  S.,  Schrridel. 

ICrler,  J..  Zur  Heiniatkunde  im 
ersten  Schuljahi  e.  ( Praxis  der  b'r- 
/iehun^ssch.  3.»  .Mtenbuiji.  l'ierer. 

I  lÜLCel.  Otto.  Der  Rationalis- 
mus in  llerbaits  Pädagogik.  (D. 
Bl.  f.  erz.  Unt.  22—25.)  Langensalza, 
Beyer  u.  Sohiu . 

Franke,  Dr.  Karl,  8em.-0b»ri., 
DasFörnndWiderder  Frickesdicn 
Recht.sclm  ilmu},'.  (Päd.  Blätter  3.) 
( lotlia,  Tliieneiuanii. 

Hartnack,  Karl.  In  welchen 
Momenten  des  rnteiriclils  ist 
drsscn  siltlicli  !>ildc-iide  Kraft  zu 
sucIku  .'  (Neue  Westd.  l^ehrerztg. 
8    lo.)    Pilberfeld,  Bom. 

Herberhol/.,  u«kt.>r.  Riilillinirn 
für  die  Behandlung  eines  Iasv- 
stfickes.  (Deutsche Scliulpr.  23.  2  j.) 
Leipzig,  WuiuK  I 

Heydner.  (.eor<4.  X'oiu  Stoff- 
gebiete des  Lesebuches.  (Leip/.. 
Lehrenttg.  27.  2H.)  J^eipzig.  Otto 
Klemm. 

Reishauer.  Th.,  Die  luucsle 
Zeit  im  ( Uschichlsuuterrichle  der 
säcli.sisclieu  Seminare.  (Leipzi.uei 
Lehrer/.tg,  30  32.J  Leip/.ig.  Üllo 
Klemm. 

Sachse.  K..  Die  Lüge  und  du 
.sittlichen  Ideen.  iD.  PI.  f.  er/,  l'nt. 
26.1  Langensalza.  Beyer  u,  Sohne. 

S|)itzer,  Zum  gigeiiwärtigeii 
Stand  desZeicheminli  !  richtsunlt  r 
besouilcrt-r  Pirücksichtiguug  «1er 
ein-  und  nuhrkla.ssi'^cu  \  Olks- 
schulell.  (Zeilschnft  drs  \'<  uiiis 
deutseher  Zeichenlehrer  17.)  Stade, 
I'ockwitz. 


j  .    by  Google 


Neue  Balinen.  H^g, 

PÄDAGOGIUM. 
Monatsschrift  fiir  ^Haus-,  Schul-  und  GeseUschafts-ErziehunQ. 

H«ift  9.  SejitmUr  1896.  Vll.  .Ijihi'^-. 


Sdiweiaerisclies  YolksscJuxlwesen. 

Von  Rudolf  Dietrich  in  Knndeni  (früher  in  Zürich l 

iSchlufs.) 

III.  Die  VolUsschüUehrer. 

I.  VVtlllichc  uml  jicisllichc  I.chrkiäflc.    lAiiivr  und  I.chixriuneii. 
s,  KiUhintr  der  wclUiclien  lychrlcräftc.  —  3.  AnKtcUuii}<:  (Wahl».»  — 
•4.  Besoldung.  NclH?nl>cschäfti.inni<;.  -  5.  Sli  Uvcrtrctinijji:.  Kulieji^ehalt. 

6.  \'ereins\ve.scn. 

I. 

Ktwa  4*/o  der  Volks-  fKinclcr-,  -Primär-)  Schiil- 
K  hrer  sind  p^ci  stliclicii  Stamles,  in  stark  übcrwicfjcii<ler 
Mt'lnzalil     LrhrschwesUrn  .    Diese  bilden  inij^cfähr  lo^/u 

s.'uiitliduT  Lclironniien.  l)ie  Kantone,  in  welchen  tUc  «geist- 
lichen T.clnkräfte  vorherrschen,  sind  I'ri.  Srh\v\z,  ( 'liwiilden, 
N'idvvaidcn,  /n^;.  In  AppenzeU-Iinierrlnukii  l>t"-clir;inken  sie 
sich  auf  40,  in  Wallis  ant  I4";y;  vereinzelt  wirken  ?>ie  in  ilen 
Kantonen  St.  (talleu,  ( vraubünclen ,  Tcssin,  Luzem.  Die 
übrifi^en  Kantone  scheinen  z.  Z.  j^^eistliche  Lehrkräfte  nicht 
zn  besitzen;  mehrere,  wohl  die  meisten  laxen  sie  überhanpl 
nicht  Zinn  SchnliHnist  /n.  IJaselstadt  lie^rnndet  liSS.p  diesen 
Ansschlnfs  damit,  dals  die  dein  Staate  znstehend<  Lcitnnj^ 
des  rnterrichts  nicht  vereinl)ar  sei  mit  der  Wrweiuliin«;  von 
Lehrkräften,  welche  als  Mit.t;lieder  reli<;ii).sci  <  »rdcn  nnd 
Kon;;re<;ati()nen  ihren  ^^eistliclien  ()l)ern  zniii  uabedin<;ten 
(ichorsani  verpflichtet  nnd  ihrer  «ganzen  Bildung- weise  nach 
nicht  jfceijfnet  sind,  einen  Unterricht  zn  erteilen,  welcher 
sowohl  im  Interesse  der  geistijjen  ICntwicklnn.i;  nnd  Schnlnnjr, 
als  auch  der  nationalen  reimblikanischen  luziehnn;^  der 
Jm-^cihI  von  den  im  Kanton  liaselstadt  bestehenden  Schnlcii 
j^elMidi  it  werden  mnfs  . 

ICs  wurde  voriiin  licnurkt,  dafs  die  LehrscluN  cstern  den 
zehnten  Teil  der  schweizerischen  !*riniarlehrerinnen  ilarslelleii. 
Deren  Gesamtzahl  nnn  nia*;  z,  Z.  3400  sein;  das  bedcnlet 
etwa  SA'b^U         ( an f  9900  zu  schätzenden)  Priniarlehrkrafte. 


I  tlndolf  Dtolricli. 

J  )ic  Vcrliäkuiszahl  <ler  Lehrerinnen  wäciist  von  Jahr  zu  Jahr 
bescheiden,  aber  stetig;  1890  warsie33®/Q.  In  den  einzelnen 
Kantotieu  sind  sie  freilich  sehr  verschieden  stark  vertrclen. 
Nidwaklen  hat  nicht  vveni^jer  als  iSo"'Q  Lelirerinncn,  (^l)waldeii 
72,  Ncncnhnrj;-  70,  Tessin  67,  Scli\v)z  60,  (ienf  59,  Zuj^  52^ 
Uri  51,  Waat  48,  WalHs  46,  lMeihnr<^  43*,  Ikrn  41,  .\j)]>en- 
zcll-Inncrrhüden  40"',,.  Man  sieht:  die  Lehrerinnen  werden 
aufser  von  den  wälschen  hauptsächüch  von  den  katholischen 
nnd  unter  diesen  in  erster  Lniie  von  den  Urkantonen  (Lehr- 
schwestern) be\  orzugt.  liaselstadt  zählt  z.  Z.  —  die  Zahlen 
schwanken  natürlich  —  auf  100  Lehrkräfte  nnr  29  Lehrerinnen, 
Ariri^nn  iS,  [jizern  17,  l'ri^^clland  9,  Solothnrn  nnd  Ziiricli  8^ 
Sl.  (i  illi  n  5,  Tluirj^an  nnd  Schaffliansen  4,  Ap]ii>n/ell-Anfser- 
rlioden  keine;  im  Kt.  (ilarns  werden  Kelireriinit  n  iiherlinnj>t 
nicht  unbestellt.  Die  meisten  verheiraleU  n  lAhrei  innen  iiiulen 
sich  in  den  Kantonen  Genf  (nahezu  40  "/y),  Waat,  Bern  (über 
30 '^/o),  Tessin  (über  20%), 

Ans  nnsern  Zalilenan^ahen  erhellt,  dafs  die  Lehrerinnen, 
keineswegs  meist  in  städtischen  (  Gemeinwesen  wirken.  Auch 
in  Kantonen,  wo  sie  verhältnismäfsij^-  nnr  schwach  vertreten 
sind,  wie  /..  V>.  im  Kt.  Zürich,  amten  sie  anf  dem  Lande,  in 
nni;eteilten  Schnlen  (mit  niedriv,sler  lUsoldmu;  1,  nnd  dir  l-j- 
fahrung  hat  gelehrt,  dafs  sie  solciien  schwierigen  vStellnngen 
gewachsen  sind.') 


Die  schweizerische  Primarlehrerschaft  weltlichen  Standes 
wird  z.  X  in  37  Anstalten  ansgebildet,^)  welche  entweder 
ansscldiefslich  oder  in  einer  ihrer  Abteihiiii^en  der  Lelivt  r- 
bildnng  diLMu  ii.  Die  xweite  Art  vertreten  tlie  hölieren  kan- 
tonalen Milteiscliulen  /.u  Sululhnm,  Chur,  Xeiieiilnirj^,  tieiif 
und  die  ähnlichen  Privatschnleu  in  Zug  und  Schiers  (Graub.). 
Hier  empfangen  also  die  künftigen  Volksschullehrer  ihre 
wissenschaftliche  Ausbildung  ganz  oder  teilweise  gemeiusani 

't  ('her  die  l'ühigkeil  der  I^ehrenniicii  hat  sich  in  Ict/.tcr  Zeit 
Ivl.  lialsii^er  (Vorsteher  der  stäclt.  Mädchctisclnilc  iti  Hern,  früher 

I  M' i  l.t. des  Lchrersi  iniiiiM  s  in  Rorschachi  einj>ehentl  ausgesprochen; 
vgl.  heiiic  StiüUisclitiii  Sclmifragcn,  11cm  iHy^. 

•j  Neuere  Literatur:  J.  Kaufmann:  Zur  Lelirerbitdunjfsfrage. 
Kolothnm  iSS<i.  -  C.  OuAf.  Jalubncli  d.  rnterriclitsu cseiis  1.S90, 
S.  I — 4".  —  Ikritlil  über  die  I  jrielitun.u  eiües  I.elirotscniinars  im 
Kt.  llasclstadt,  iS^o.  Ralschhi.i:  l)elr.  die  IviiiriclUun.u  von  l-'acli- 
kurseii  /.UY  Ausbildunii:  vmü  rriinarlelirem  [in  l'astl,,  iS»^2.  -  Dir 
I'raL,a-  <lf  r  \'i  rschniel/uii;^  des  Lehr^rst  niiiiars  inil  di  r  Kaiilonsschidi-. 
Iviiif^abc  d.  a.trt;auist. heil  I.Llircrktinfereiiz  und  Jiericht  des  Re^ieruiigs- 
rates,  is<,i  Hoiscliafi  des  Regiemn^Ärate«  des  Kt«.  St.  (»allen  a. 
dCiinfsi  ti  Rai  hitr.  Erweiterung  des  Lclircrsenitnars.  itSg^.  Kom- 
juissiimalhcricht  da/u,  i'^^j^. 


mit  (Icnjciiit^on  imit^eii  Leuten,  welche  sicli  für  den  Eintritt 
in  eine  Hocliscliule  o<1cr  eine  höhere  technische  Schnic  \  or- 
bereiten  oder  ans  der  Scluile  uumittelbar  in  einen  praktischen 
liernl  übersehen  wollen. 

Von  den  37  Anstalten  gehören  23  der  deutschen,  12  der 
fran^osischell,  2  der  italienischen  Schweiz  an  (keine  besitzen 
Tri,  Ob-  mid  Nidwaiden,  (rlarns,  Baselland,  Schaffhansen, 
1k  i'Ii'  Appenzell).  25  sind  staatlich,  4  städtisch  (sämtlich  für 
Lehrerinnen),  S  privat.  Dem  männlichen  (U schlecht  allt'ii^ 
dienen  24,  dem  wcihh'clieii  12  ');  das  vSlaalsseminar  in  Küsnacli 
(Znrichl  ist  j^emischt.  Die  rund  26^'^  Schüler  (wo\on 
Mädchen)  werden  von  etwa  360  Lelirern  und  Lelueiiuncu 
unterrichtet 

Die  Räunilichkeilen  befinden  sich  in  ehemaligfcn  Klöstcni 
iKüsnach-Zürich,  Pruntnit-nern,  Hitzkirch-Lnzern,  Ricken- 
liach -Schwyz,  Hnuterive-Freibur}^ ,  Rorschacli  Si.  (lallen, 
Wetlint^en-.Xarj^an)  oder  in  nocli  l)estelieiulen  Klöstern  (die 
privaten  Mädcheninstitute  In^^cnbohl-Schwyz,  Menzinj^^en-Zu*^ 
und  das  Knabeupt  usionat  St.  Michael  in  Zu;^'  i.  oder  in  ehe- 
mali_i;en  (ia.sthöfen,  alten  Ht  ricn.sii/cn,  oder  endlich  in  Scliul- 
häuseni,  welche  g-ewohnlich  noch  anderen  Zwecken  dienen. 
Kini^e  Lchrerseininarien  haben  ansgfcdehnten  Grnndl)esitz 
zur  Betreibung  einer  (ruts Wirtschaft,  andere  wenigstens  einen 
.ijrofscn  Garten  für  Ciemü.sel>au  mid  freie  Hewej^nni;;  die  am 
schönsten  oelc<reiicii  und  am  besten  ausgestatteten  sind 
Hufwil-Hern  und  Rorsciiacli. 

Xur  an  2}  Anstalten  boulit  ein  Internat  ( Kon\ ii<t).-) 
Ohne  diese  luniiclilun^  sind  die  Staatsseminare  in  Küsnach, 
Lausanne«  Neuenburg,  Genf  und  die  städtischen  Madchen- 
Institnte  in  Zürich,  Bern,  Freiburg,  Aarau.  Als  Widerspiel 
der  Internate  erscheinen  —  freie  \*creine  der  Seminaristen. 
( irob  notirt  9  Turn-,  7  Stenographen-,  4  (  lesanj^-,  3  Wreine 
für  .dlL;emeine  Z^^■f^'f"ke  ,  und  etliche  für  andere  Zwecke 
dürften  ilnn  nicht  bekannt  «geworden  sein.  I^r  behanjitet, 
die  Seminaristen    fühlen,  wie  andere  jnnj^e  Leute,  das  15  e- 

'1  Darunter  thc  muui-ilc  f>r!i)iii  'iii  <!  /i"(^><  I.u  nhi     in  Nciu-n- 

bur^  als  SiiJiou  /•on/nifi  iiii-o;^ji/H(  »In  (ivnnui.u  niiiUmiil,  Jnuti  ji.'iius 
ilamiscllfs  :  bis  war  die  »ikhingsstltte  für  Kinderffärtneritincti 
eine  .\l)l«.iluni^  für  sioli 

^\  in  ciiiixcn  Konviklcii  werden  den  Zö^ihugcn  hauswirtschafl- 
liehe  Arbeiten  übcrtraj^cn.  B.  Kehren  der  Zimmer,  Trcpncn,  (Wuifre, 
Dirki  ii  und  Ahtra.^en  (Us  TisclKs,  I lol/xpallcn.  -  Ol)  Mas  Inl»  i  n.it 
)iut  (Mlcr  schlcolil  sei,  ist  auch  in  der  vSchwciz  eine  Zeil-  und  Slrcil- 
fra}^^.  jünijst  iiSij^i  hat  sich  die  sanktj^allisclie  Lehrcrkcmfcren/  in 
ihren  \\  rhan(lhinm.u  iila-r  eine  Reform  der  heimischen  Lelm  ihildnnjif 
für  I'^orlilancr  (k-s  Kon\ikts  ansiiLSproclKii.  Allcnlin.Lis  sind  dir  \  (-r- 
hiillni.ssc  in  Uor.sehach  l)t.s(»n<kis  gim.sti^  alar  uaiuin  sulUi  ii  sii 
sich  anderwärüi  nicht  ähnlich  gcstaUen  hissen! 

3o' 


.  j  ^  d  by  Google 


Itudolr  »iotrirh. 


(liirfuis  (la/.ii  .  Nun  ist  riln-i  iii('lits  so  j^«.\\ils,  als  dals  die 
VcrcinsiiKMcrci  (wie  die  itiil  iln  vcrschwi.stcrtc  l'^cstdusdci) 
zu  den  verächtlichsten  Erbännlichkeiten,  zu  den  faulsten 
Faulheiten  unserer  Zeit  jfehort  Man  sollte  also  nichts  ver- 
säumen, um  dem  ( K'schleclitt  ,  u  küiitii,^cMi  Hür.^^ern, 
und  besonders  den  künfti^t»!  Volkscrziehern  thatkräftijj^en 
Ahschcu  vor  dcni  Din^^'  ciiv^nllöfseii,  woraus  notwtndi'^^  ^'>^4t, 
dafs  man  es  mindestens  am  Seminar  nielit  ciuiden  darf. 
Uhrij^ens  ist  (kis  Bedürfnis  dazu  hei  der  Juj^end  niclu 
natürlicli,  und  die  Seniinaristen  \ollends  haben  ^ar  keine 
JCeit  für  3Vcreinsthätiy;keit können  keine  haben  auch  hei 
wesentlicher  Verminderung  ihrer  Unterrichtsstunden. 

Du  Mehrzahl  der  Seminare  \erkni.ot  für  den  Kintriit 
ein  Alter  von  15  Jahren  und  Sekundarsehulbildung^.  Auf 
die  Lehrer-  oder  Lehrerinnenbildunjr  im  l)esouderu  werden 
alsdann  4,  3'  .,,  3  oder  2  Jahre  (in  i  r,  2,  17,  5  Anstalten) 
verwendet.  \'on  ilen  22  Anstalten  mit  3  oder  2  Jahreskursen 
fordern  nur  5  ein  höheres  Hintrillsalter  (16  Jahre).')  Im  all- 
i^emeinen  ist  man  der  Ansicht«  dafs  die  jungen  Lehrer  nicht 
vor  ihrem  zwanzigsten  Jahre  in  den  praktischen  Schuldienst 
eintreten  sollen;  thatsächlieh  jedoch  konnnen  sehr  viele, 
wohl  die  meisten  unt  19  (Lehrerinnen  mit  18)  Jahren  ins  .\nit. 

Die  Zahl  der  wöehentlielien  rnterriehtsstniidcü  ist  fast 
i'iberall  /.n  j>rols;  in  nahexu  der  Hälfte  der  Ansliduii  smd  es 
40  und  mehr.  Über  den  l'uter rieht  seilest  ist  nicht  viel 
zu  sagen.  Er  wird  im  allgemeinen,  wenigstens  in  der  deutschen 
Schweiz,  wie  an  deutschen  Anstalten  betrieben;  von  den 
Reformen,  welche  im  Laufe  der  letzten  Jahre  Lehrer  und 
Schulbeamte  verschiedent  11  Ranges  mit  j^utem  Rechte  ^e- 
f'irdert,  mit  IlriiV,  r.<  sdiick  und  (iründliclikeit  erörtert 
hriV)0!K  findet  man  aucii  in  den  neuen  Lehrplänen  dei  Xenn- 
/ii^cij.ihre  wcuiij:^  oder  nichts.  Nur  die  W'c  sl Schweiz  weist 
eini*^e  Fortsehl  iiLe  aul.  Die  Lehrerseminare  zu  lioiwil,  Pruntrut, 
Ikrn,  Lausanne,  Neueubur<^,  (ienf  üben  in  Handarbeit;  die 
drei  letztgenannten  tmd  aufserdem  diejenigen  von  Kreiburg, 
Solothurn,  vSittcn-Wallis  pflegen  die  P>  ü  r  j^crku  nd  e  als  beson- 
deres Fach.  Dazu  nur  noch  eine  Mitteilun;^^  ü1)er  den  vSpracli-, 
Matlieuiatik-  und  naturwissen<e1i.iftlicheii  l'nUrrieht,  Die 
w.'ilsche  Schweiz  widmet  der  Aluttersprnrlu-  nulir  Zeil  als 
iWc  deutsche,  die  ihr  die  iiaturwissensclialilieluii  und  mathe- 
matischen FTicher  ^leicli  hält  oder  gar  vorzieht.  Dagegen 
werden  fremde  Sprachen  an  den  deutsch  -  schweizerischen 
Seminaren  eifriger  betrieben  als  an  den  wal.schen,  und  zwar 

M  l'äila^.  .\l)Uilnii.u  füi  MäUclicu  am  NciicJihur^cr  ( ".yiunasiiun  . 
i -ititriltsalUT  künfti^'^ri  Kii!<kt  j^ärtitcrinm  ii  i6  J.,  küiifli^^^'r  l'riniaf' 
iclireniinvil  17  J.    ÜiitcrrichtskursuR  der  k-tztcren  nur  citijähri)^. 


j  .    by  Google 


KehweicoriMhei  Volksscbalweaeni 


lehren  die  deutschen  und  italienischen  Französisch»  die  fran* 
msischen  Deutsch  obligatorisch;  die  Seminaristen  in  I<ocarno 
lernen  überdies  in  der  Oberklasse  noch  etwas  Deutsch.  Eine 

zweite  und  dritte  iMenidspraclie  tritt  an  einij^-en  Anstalten 
als  fakiiltati\ es  I'acli  auf,  während  andererseits  das  Lehrer- 
seminar /u  Hanterive  und  dir  I  a  hrerinnenseniiii  irr  zu  F^an- 
sanne,  vSiilen  und  liricg  (Wallisj  auf  die  Muttersprache  .sich 
beschränken. 

^ Die  berufliche  Ausrüstung  der  künf ti gen  Volkssctiul- 
lehrer  —  bemerkt  Crrob  -•  kommt  aus  verschiedeneu  C.riinden 
an  den  meisten  Lehrerseminaren  nicht  zu  der  wünschens- 
werten rieltnii;^.  Kinmal  ist  die  nildnn.i;s/.eit  überhanpt  /.n 
knr/.,  nm  den  Schülern  ne})en  einer  i^rwissen  Sicherheit  in 
der  IJeherrschnnjL^  des  Unterriclu>sluites  anch  noch  eiidäfs- 
liche  Kinführunj;  in  die  Traxls  l)ieten  zu  können.  Im  weitern 
stehen  die  SchulanUskandidaten  während  der  Seminarzeit 
noch  in  einem  so  jn  jugendlichen  Alter,  dafs  sie  die  gebotene 
Psychologie  und  Methodik  nicht  gehöriii;  zu  erfassen  und  zu 
verarbeiten  vermögen.  Ferner  ist  auch  die  Materie  an  und 
für  '^irh  <e!!)>^t  -^o  schwien\q-,  dafs  sie  auch  miTrr  den  Lehren- 
den nirlit  immer  die  i^eeii^neten  Vertreter  limlrt.  Ivndlich 
sind  die  vorliandetien  Iunrichtnn_*;en  zur  praktischen  An- 
leitung noch  an  manchen  Orten  sehr  uumi^s^llKül  nnd  können 
schon  aus  diesem  (rrunde  nicht  den  gehofften  Rrlobj;  haben  . 

Die  I^^ähigkeitsprüfung  ist  in  mehreren  Kantonen  zwei- 
teilig: entweder  so,  dafs  .der  erste  Teil  scimn  mu  Hude  des 
vorletzten  Jahresknrses  erledis^t  wird  (Zürich,  nern)  oder 
so,  dals  man  die  theoretische  Tü«  lit^-^^keit  beim  .Austritt  ;;ns 
dem  Seminar,  die  i>rak tische  daj^e.iien  erst  später  prüft  iLn/ern, 
St.  (fallen)  oder  endlich  so,  dafs  zwar  die  l'rüfnn,ij  selbst 
auf  einmal  abj^ewickelt  wird,  der  Oeprüfte  aber  .sein  l^ehrer- 
patent'  erst  dann,  erhält,  wenn  er  praktischen  Schuldienst 
(unter  der  Leitung  eines  Musterlehrers)  geleistet  (Freibufg, 
Waat,  Oenf).')  — . 

Aus  dieser  Fbersicht  erhellt,  dafs  die  iL^rofse  Mehr/ahl 
der  scluveizerlschen  Lehrer  ihre  Ausbildunj^  an  l)i's»)ndeTen 
Anstalten,  den  .sog.  Seuiiuareu  erhält  Nnr  iu  w  enigen  t^haupt- 

'»  i'ür  l»freits  anj^cstellte  Lelirer  wenWn  in  Kantont'ii  mit  dflrf- 

tii^slvr  I.clirrthiUhni,^  {'/..  R.  in  W.illis)  oblii4:.il()risclK-  Wirdcrlioluiij^s 
o<kr  1  orlbiUhntjiskur.se  —  in  aiukrn  Kantonen  (Ucrn,  St.  (i4illen. 
Tlnirjrau  i  faknltati  w  t  I'arh  tKnrse  veran.staltct.  -  Auch  cliezürchcrisolie 
l  ntcrrirlitsbehr>nlt.-  IiirUl  jrl/,t  .Im  l.rlirrin  wissrnscliafllirlii.-  1  -hI. 
l>i!<lnii^skur^r.  Dtuli  srhrinl  <la  <lir  W'alil  niehl  durcli  ])rnif]i(]ie 
i Hu  tu i.ssc  <)<k  r  /cili;i.niiilsc'  l-onlrt  uu;.4rn.  soiHK  rn  ilurch  /ulällige 
persönliche  l  juflnsst*  oder  Ur/i^^lumum  lu  sliumil  /n  werden :  sonst 
nältr  -iL-r  ^iMii!  k;'iM-ii;:il  ] ''--^^^  : <  l'^'i  '-^i'"  -iH  ■  ■;"niu  j!?^';",  i», 
iJic.Ncu  sind  «.uuui  ii.>j^;<';    ^ci>h>^i?,clie  J-..\kui.'-iuni.n  gcf'ilj^t. 


Biidoir  Dietrk'b. 


sächlich  klciiicju  Kaiitoiicii  ist  die  I A'htcrl)il<hiii<4-  hiihcrcii 
Mittelschulen  zu jL;e wiesen;  tl.  Ii.  an  diesen.  Schulen  Inv^iehL 
uel)en  9.  (mIci'  andern  Abteilunt^en  eiiK-  pädai^o^i-ehe  , 
Ivine  ähnlielie  l{inrichlini,i;  eisUeben  nun  auch  doch  bis- 
her ohne  Krfolg:  -  die  Lehrer  anderer  Kantone:  so  die 
Schaf fliatiser  1889,  die  AargiClier  1891.  Die  Hemer  Schnl- 
sMiüde  .sprach  sich  in  ihrer  Antwort  auf  die  oblijfaturisehe 
Kraije  des  Jahres  1890  dahin  ans,  dafs  die  sog.  Wissenschaft- 
HcIr-'  IJildnniLr  in  dem  alten  Seminar  oder  in  einem  (tvm- 
nasiuiu  geholt  werde,  die  Ijcruflichi-  l»ildun,^  ai)er  ein  in 
Hern  zu  .s^ründende.N  einjährii»es  ( )i»e' >eminar  iihernehnien 
solle.  Die  Zürcher  gehen  noch  einen  Schritt  weilei  :  sie  \  er- 
hmj^en  (schon  seit  den  Siebzigerjalircn)  höhere  Vurbildunj^ 
in  der  MitteU,  Benifsbikhnig  an  der  Hochschule. 

Die  beiden  Pläne  derBerii<  r  uv.d  Zürcher  sind  so/usagen 
iueitiander  gearbeitet  worden  im  Kt.  Iiaselsla<lt.  Iiier  Ijl-- 
steheii   seit  nerl)st  für  .solche,   welche  dit-  Rerdsehule 

oder  das  (rvuinasinin  durchlaufen  haben  untl  dem  X'olks- 
schuldienst  sich  widmen  wollen,  h'achkuise  zur  Ausbildung; 
von  Priniarlehrern^.')  Kiu  Kur:^  erstreckt  sich  z.  Z.  auf  drei 
Semester  mit  je  20  -  26  Wochenstnnden.  Im  I.  Semester 
werden  gelehrt  Physiologie,  Psychologie  mit  Logik,  Geschichte 
der  Päda<;ni;ik  im  II.  folgen  Kthik,  allgemeine  Pädagogik 
im  III.  ( iesundheilslehre,  vSchulkunde.  Mit  deutscher 
Sor.iehe  und  Literatur  beschäfligen  sich  das  I.  und  1 1,  .Semestey. 
( iegen.^lände  der  Methodik  sind  im  I.  vSem.  Schreiben  und 
Deut.sch,  im  II.  wieder  Deutsch,  dann  Keligiun,  ivechneu, 
Realien,  Zeichnen,  Singen,  Turnen.  Das  III.  Sem.  führt  die 
Lernenden  in  den  Schuldienst  seihst  ein  (d.  Ii.  in  die  städti.schen 
Primarschulen).  Nebenher  gehen  (für  die  ganze  Dauer  des 
Kurses)  Übungen  im  Zeichnen,  Singen,  \'iolinspiel,  Turnen: 
in  der  allgemeinen  Gewerbeschule.  Musikschule  und  iiu  Turn- 
lehrerverein. Ül)erdies  können  XOrlesungeii  au  der  Hoch- 
seiiuK-  besn(^ht  werden.  Der  gesamte  Unterricht  ist  unent- 
geltlich, auch  der  Zutritt  /u  den  \'orlesuugen,  welche  im 
Rahmen  des  Lehrplans  Hegen  .  Bis  zum  Frühjahr  1896 
.sind  drei  vollständige  Kurse  durchgeführt  worden,  mit  2,  4 
lind  3  vSchüiern,  welche  alle  die  Maturität^;  der  I  .  iscler 
((>ber-)RealscIiule  erlangt  hatten.  So  konnte  wohl  der  jähr- 
liche Jiedarf  neu  anzustclieiider  Lehrer  gerade  gedeckt  werden. 

3- 

Die  Lehrer  werden  auf  lAl)ens-  oder  unbestimmte  Zeit 
angestellt  in  den  Kantonen  Tri.  Scluv\/,  Obwalden,  I^reibiirg, 
iJaselstadt,  beiden  Appenzell,  vSl  (Valien,  (iraubünden,  Thür- 

^}  Divsit  Kurse  ^ind  hei  jenen  37  Anstalten  al.^  Ivinhdt  nutjccüälilt. 


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j^au,  Waat,  Neuenbiir«^,  (rcnf.  In  den  übrigen  Kantonen  ist 
die  Anitsdaiicr  auf  3  -  8  Jahre  fcst.i^csftzt,  und  nach  Ablauf 
dicsrr  l'Visl  liandclt  vs  sich  inii  die  luneucrunt^swnld  .  Von 
vt)rnlK'rcin  ist  nun  die  La<^e  de  t  Lehrer  dort  am  i-  iinsti  '^rsien, 
wo  (his  Waldrecht  einer  vStaats-  oder  ( ienieindelKliö? de  oder 
einem  Au.sschufs  /.usiehl:  in  Baselstadt,  Oenl,  l-reiburg, 
Tessin,  Waat,  Wallis,  Nenenbiirg.  In  den  Kantonen  Hern, 
Luzern,  Schwyü,  Nidwaiden,  Ztijf,  Scliaffhausen,  St  Gallen 
wählt  entweder  eine  IMidrde  oder  ein  Ausschufs,  oder  die 
tjan/.e  (ienieinde.  Letzterer  allein  ist  in  den  übri<(^en  Ran- 
IniK  ii  das  Wahlrecht  übertra^i^  ii.  Die  Lehrerwald  durch  flie 
(ieuieiude  bemerkte  {^ele*^enllich  die  trc isiuiiii^c  Xeiie 
Züricher  Zeitunj^  habe  ihren  j^uten  und  schönen  Sinn 
in  Durfern,  wo  diu  Neubesetzung  einer  J^ehrerslelle  ein 
seltenes  und  die  ganze  Gemeinde  aufs  lebhafteste  interessiren- 
des' Ivreigni.s  sei,  weil  jeder  Bürger  seine  Kinder  dem  Er- 
wählten anvvrtr  imn  müüäe;  in  einer  (irofsstadt  wie  Zürich 
aber  sollten  die  Lehrerwaldeu  der  Zeutralschul])ne,y;^e  über- 
tra.ijen  werden.  Diese  ni>Tkun.^-  i^eht  jedoch  der  Sache 
nicht  aul'  den  Kern.  Mit  Recht  wurde  von  anderer  Seite 
betont,  dafs  dort,  wo  die  ( ienieinde  zu  wählen  hat,  das  (ic- 
fuhl  persönlicher  Verantwortlichkeit  zurücktritt  und  damit 
Unbilligkeiten,  Willkürlichkeiten,  ja  Roheiten  aller  Art  Thür 
und  Thor  geöffnet  sind.  Wer  in  seinem  Amte  bestätigt  sein 
will  oder  als  Bewerber  um  eine  freie  Stelle  auftritt,  mufs  es 
sicli  gefallen  lassen,  dafs  er  von  den  Parteien  und  Cliquen 
atif  ilie  unfeinste,  oft  widerlichste  Art  in  den  lilätteru  hin- 
und  herge/errt  wird.  Das  kann  nuui  /.  H.  sehr  gn'iinllich 
im  -Tagblau  iler  Stadt  Zürich  stu»iiv:cu.  i^eider  beteiligen 
sich  die  ]$ewerber  mitunter  selbst  an  geradezu  skandalösen 
inid  für  sie  kostspieligen  Agitationen^.  So  wurde  1894  aus 
der  Stadt  S«)]othurn  berichtet,  dafs  mancher  Kandidat  für 
drei  \\  ahlg.'inge  schon  gegen  4«  kj  Fr.  ausgegebci:.  Ini  gleichen 
Jahr  schrieb  wohl  et  as  übertreibend  —  das  ( )berländer 
\'olksblatt  ilnterlaken)  nl)er  die  Abhängigkeit  der  bernischen 
Lvln  i  f  \  on  der  Willkür  ihrer  ( lenieiudegenosseu :  Wie 
mauclRi  tüchtige  und  pflichttreue  Lehrer  ist  im  Kt.  liern 
bei  solchen  Walilen  schon  gesprengt  worden»  einzig  deshalb, 
weil  ihm  eine  Partei  oder  einzelne  gewichtige  Persönlich- 
keiten der  C'cnieinde  nicht  grün  waren  .  Ks  kann  einer 
gesprengt  werden,  wenn  er  die  schlechte  Milch  eines  Dorf- 
inagnateu  nicht  mehr  nehmen  will,  oder  sich  niclu  \  erpflichlet, 
einen  Suff  zu  bezahlen,  oder  einem  ungezogenen  »Schlingel 
eine  ( )hrfeige  giebl.  ICrmahnnngen  uml  Iiestrafungeu  werden 
von  Kindern  und  Ivrwachseueu  nu-ist  sehr  übel  aid'geuonnnen. 
Will  der  Lehrer  den  Kindern  l^nge  <  .genheiten  abgewöhnen . , 


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4Ö4 


Ka4oir  Itietrirh. 


dann  konnnl  der  \'att.'r  (Kkr  div  ^T!lUc^  nnd  macht  iliiii 
öftVnlliclR-  (in)])lRilcn  .  Die  Kin*Kr  werdrn  j^ar  ofl  /.u 
Widcrsctzliclikeitcn  angewiesen,  und  wxhrt  sich  dei  J<elircr, 
dann  wehe  ihm  .'I 

Diese  niilslichen  Verhältnisse  haben  zu  Scliiitx«  und 
Trutzbündnisse«  der  Lehrer  g^eführt.  Solche  bestehen 
z.  Z.  in  den  Kantonen  Ik-rn,  Aarjjau,  Zürich,  Sololhiii  i),  Scliaff- 
bansen  (gegründet  in  den  Jalireu  1892  — 1894).  Icii  ))e.i;nüge 
mich  hier  mit  einem  Hericht  über  den  T'crnischen  Leiner- 
verein (dem  etwas  mehr  :ds  '  sämllielier  Primär-  r,nd 
Seknndarlehrer  nnd  -Lehrerimu  11  im^'-ehören).  Jedes  Mitglied 
dieses  Vereins,  das  von  der  ])cai>sieliiij4Uii  Spren^un^  eines 
Mitgliedes  hört,  ist  gehalten^  dies  dem  Sektionsvorstand  nn* 
ver/üglich  anzuzeigen.  Der  in  (»efahr  stehende  Lehrer  ist 
.m/nfragen^  ob  er  die  Kinmischnut^  des  Lebrcrvereins  wünsche. 
Wenn  er  diese  Anfrage  l)ejaht,  folijt  l'ntersnchnnj^»-  and  \'er- 
mittlun^;  dmch  ein  Miti^lied  des  Zeniral-Coiiiitc  .  Desj^leiehen, 
wenn  ein  Lehrer  !>ei  der  Krnenermiirswahl  bereits  he^eitiijt 
worden  ist.  Koiiunt  ein  für  den  oline  Schnhl  Ikdrohten 
oder  sclion  We^^t^ew .'ihlien  befriedigender  Ansgleieh  nicht 
ZU  Stande,  so  darC  seine  Stelle  walirend  /.weier  Jahre  von 
keinem  Mitglied  angenommen  werden  die  begangenen  Un- 
gerecht i.^k  ei  ten  sind  vcm  Zvim  ,il-C< iniite  in  der  IVesse  /u 
vert)ffentliclien ;  dieses  nnd  die  Sektiousvorstände  ihnn  ihr 
M "'i^liclus,  nni  dem  Stellejdosen  y.w  einem  nenen  Amte  yn 
\erliehen.  Mit!^dieder,  die  einen  Kollej^en  o(]er  eine  Ki<lKuin 
\  (.  rchänj^en  hellen  oder  sich  den  Anordnnnj^i^en  lics  Zentral- 
Comite  wi<lerset/.en,  sind  sofort  ans  dem  Lelirerverein  ans« 
zuschliefsen  und  bekannt  zu  machen.  Das  letztere  widerfährt 
auch  Niclitniitgliedern,  die  sich  auf  eine  vom  Verein  mit 
Verbot  belej^^^le  Stelle  melden;  sie  k«>nnen  anfserdem  spater 
niemals  in  tlen  \'erein  anfi^enommen  werden.  T'nd  damit 
nicht  frisch  ans  dem  Seminar  t!  i  t'-nde  Lelirer  nnd  Lehrerinnen 
dem  W-Jcin  ent»j;eJ4en wirken,  werden  dnrcli  ( iiieü  dem  Zentral- 
Comile  l)ekamUen  Zögling  in  die  < »berste  klapse  suwijhl  der 
Staats-  wie  der  Privatseniinare  Statnten  znm  Unterschreiben 
i^ebracht.  -  Die  Wirksamkeit  des  Hernischen  Lehrervereins 
l)eschränkt  sich  übrigens  nicht  auf  den  bisher  mit  bestem 
Erfolg  ausgeübten      Schutz  der  in  ihrem  Amte  bedrohten 

'1  Das   1K1K-,    Stil  (  )kt.  iS.j;    -cUcude  Utilerriclltsj^^esil/.  bewirkt 
vielleicliL  nacii  nnd  nach  eine  \Vciuluii}(  /.um  lie.s.screu  :  <iie  1  tciueiiidcn 
können   jetzt  «las  Wahlrecht  einer  Hfhnrtle  abtreten. 

In  (k  l)  Kaiiiotii  II  Solotluini  utul  Aarjfau  ist  die  .Vunicltliinj; 

aiit  liiK'  .soU  Iii.  SUlK-  dann  crl  i  ;l  1  wenn  si«.  iiiit  ZiisirlieruJl);  einer 
-c);c!»  iiüher  um  \\cni^.slc'i>  jo. >  l'i.  liülicjeii  HestjUluni^  ausge- 
schrieben wird. 


465 


Lehrer.  I^r  .i^ewälirt  seinen  Mitgliedern  anch  Rechtsschul 
vermittelt  arbeitslosen  Kollegen  nnd  Kollcj^inneii  ^  Arbeit, 
tniterstüt/t  erkrankte  lA'lirer  und  Lelirerinnen,  I.elirerwilwen 
nnd  -Waisen,  in  Armut,  \'erschnldun»»;  und  rnj^lncl^  befind- 
liche Lelirerfamilien  .  Als  die  bedeutendste  Hrruii ;;tnseliaft 
des  Jahres  iS95;6  bezeichnet  der  unlängst  veröltenLlielitc 
Bericht  die  >  Darlehenskasse 

4. 

Dafs  die  I'e  soldungsverh  äl  t  n  isse  der  in  25  Kail* 
tone  j^ejL^liederten  Schweiz  jjrolse  Mainiii^faltiiikeit  aufweisen, 
erscheint  nach  allem,  wns  bisher  berichtet  wurdr,  als  selbst- 
versiändli«.  h.  Doch  muls  ich  mich  hier  auf  dii  Milteilnnif 
weniger  1-,  in /.eil  leiten  beschr.inken.  in  den  K.anU»ncH  Zinieli, 
Bern,  Freibtirg,  Baselland,  Waat  erhalten  die  Lehrer  aitfser 
der  baren  Besoldtuig  noch  VVohnnn  g,  Holz>  nnd  Pflanz- 
land,  während  sie  gegensätzlich  in  den  K.ui'onen  Schaff- 
hansen, Aargau,  Neuenburg,  Wallis  anf  nichts  dergleichen 
Anspruch  haben.  Die  übri^^x-n  Kantone  «gewähren  entweder 
die  Wohnung  allein,  otler  die^r  neijst  einem  tier  beiden  andern 
f'e/üi^e.  Zu  dem  «^esel/.lielien  Mindestgehalt  kommen  sog, 
iieiwillige  l>e  süld  u  n  gszu  1  agen  der  (iemeinden.  ( >b 
solche  nnd  in  welcher  Höhe  sie  geleistet  werden,  das  hängt 
freilicli  weniger  von  der  Vermöglichkeit,  als  von  der  Schul- 
freundlichkeit  ab.  Anfangs  1S96  verabreichten  im  Kt.  Zürich 
2bb  (von  im  ganzen  35.1)  (iemeinden  Zulagen;  also  nur  25"/,, 
lief*^cn  es  bei  dem  (ieset/licben  (1200  Fr.)  bewenden.  In  jb 
abgell  L;enen  1  l?erg  -K  Umeinilen  sind  die  Lehrer  mit  beson- 
deren slaaüichcu  llesuUlungszidagen  (loo-  300  Im.)  bedacht. 
Kin  Teil  dieser  (iemeinden  ist  überdies  vorpflichtet  worden, 
aus  eigenen  Mitteln  die  staatliche  Gabe  zu  vennehren,  — 
In  den  meisten  Kantonen  steht  die  Besoldung  der  Lehrerinnen 
hinter  derjenigen  der  I^ehrer  zurück.  Gleichheit  gilt  so- 
weit es  sich  um  das  gesetzlich  bestimmte  Mindestgehalt 
handelt  in  den  Kantonen  Zürich,  Solothurn,  St.  Gallen, 
Graulninden,  .\argau,  H^burgau. 

Die  höchsten  Ik.^oklungen  zahlt  LJaselstadt.  Hier  be- 
zieht ein  Lehrer  der  vier  untern  Klassen,  bei  wöchentlich 
3a  Unterrichtsstunden,  wenigstens  2880  Fr.;  er  kann  bis  auf 
4340  Fr.  konnnen,  wahrend  ein  .Lehrer  an  den  4  obern 
Klassen  bei  gleicher  Stundenzahl  .\c)Ho  Fr.  erreichen  kann 
(.Alterszulü^t  hier  wie  (;ort  in])egriffen).  Die  Primarlehrer 
der  Stadl  Zürich  erhalten  2.S(xi —  ^Soo  (Lehrerinnen  2600  loix)) 
Fr.  Ahnlich  hat  Winterthur  seine  Lehrer  i^estellt.  Weiter 
folgen  die  Städte  St.  Gallen,  Lausanne,  ( icnf.  Die  iiundeshaupt- 
stadt  Bern  gewährt  nur  2200  -  aSocj  (den  Lehrerinnen  1550 


RuUuif  Dirtrirb. 


bis  2i>o)  I'r.  In  diesen  Säl/.cii  sind  selbstverstaucUicti  die 
staatliche  Alters/.nla}^a\  das  W'ohnuni^s^eld  u.  a.  inl>e<;rifl"en. 

Das  !^esct/:liche  Anlan<;si;chalt  ist  ahi^eselien  yin\ 
r»asel  am  IxK-hsten  in  den  Kantonen  \eueni)nr^^  (i'n»  »), 
Waat  und  Scliallliauscn  (je  i4cx>),M  St.  (iallcn  11350  t'üi  l,elirer 
an  Dreiviertel-  und  Gansjahrschulen),  Genf  (1300),-)  Zürich 
und  Appen^cll-Aufserrhoden  (je  1200  Kr.).. 

AI  tersicu lagen  (gewähren  -  ich  nenne  inniKi  den 
für  die  Lehrer  erreichbar  höclisten  Hetraji  ')  dent  den 
Unterleluern  S(H),  I  lanptlelirern  5(X),  Neuenbnr^j  (kx\  Uasd^t  idt 
S^o,  Züricli  4(x»,  ]>ern  und  J^nzern  je  300,  »St»Ii)thnrn,  Selialf- 
liansen,  Sl.  (lallen  (erst  seit  i»^()3),  Thnri^au,  Wnat  je  :?«h>, 
Freiburg-  150,  Aargau  lou,  Gratdjünden  50  I'r.  Auch  im  kt. 
Tessin  erhalten  die  Lehrer  seit  1896;  7  Alterszulagen,  nach 
foljarender  Bestimmun p^:  der  Staat  gewährt  jeder  Lehrkraft 
nach  jedem  Jahrzehnt  öffcutliclien  vScliuldienstes  eine  jähr- 
hche  Zulage  von  50  b'r.  —  macht  nach  30  Jaliren  150  Kr. 
Darnach  w-iren  in  diesem  Punkte  Lehrer  und  lA-hreriniieii 
gleiclieii  Reclites,  wie  auch  in  den  Kantonen  Zürich,  Ln/.ern^ 
vSoloihui  n,  Schaffliaubeu,  St.  Gallen^  Graubünden,  Aargau, 
Thurgau.  — 

Die  Mehrxahl  der  Kantone  bezahlt  also  ihre  Lehrer  z.  Z. 
noch  ungenügend.  Das  hat  natürlich  mancherlei  inifsliche 
Folgen.   Aus  dem  Kt  Ik^rn  wurde  1894  gemeldet,  dafs  in 

dem  letzten  Jahrzehnt  nicht  weniger  als  329  Lehrer  /n  anderen 
IJernfii!  übergetreten  seien;  aufs  jähr  käiiRi:  da  inigefrdir 
gerade  so\iel,  als  aus  einem  der  beiden  .Staalsseminare  ab- 
gehen, l'nd  die  umsatuhi  ,  zählen  gewifs  nicht  zu  den 
schlechtesten.  Aui  ungünstigsten  ist  die  Lage  der  Lehrer 
dort,  wo  nur  sechs  Monate  oder  nicht  viel  länger  Schule 
gehalten  wird.  In  zwei  Kautonen  dieser  Art  sind  vor  kurzem 
(bVühjahr  1.S96)  die  Besoldungen  aufgebessert  worden.  Die 
Walliser  ^'»ileu  nunmehr  75  (statt  50)  I'r.  für  <lon  Monat 
erhalten.    Ob  aber  jeder  wirklich  soviel  bekommt,  ist  eine 

'I  Im  Kt.  Scliaffliausen  bezieht  der  Lehrer  an  einer  z\vetkla.s!«i gen 

S<]ii;l<  wx-ni^stctis  i.S"".  an  rliui  iiiiiictciltfii  Ukk»  <uler  1700  Fr.,  je 
iiaclulciu  er  weniger  tnlcr  mehr  al.s  40  Schüler  hat. 

*>  Das  (ienfer  (Icsetz  mitcrscheidet   /vir///.*-  {Hauptlchrer?)  und 
V  /s     I  rnti  i  kliren.    ISei   l't  slsc  t/.uiii^  «ler  UeSoMutini  ii  teilt 

ts  die  Cieiiicindeii  in  .1  <ini|>j)c'M:  Slädlc  grüisere  Dorkr,  kUiiitre 
l>örfor.  Für  die  let/le  (iruj)pe  ucUcii  die  liöehslen  Besolduagssalxc 
\n%^rn/  2050,  ,w/«-/vv.  i7<»o  Fr.),  für  die  erste  (Hc  niedrigsten  1650, 
s('ii^-i<':\  i.v«>  l"r.i.  S<»  werden  mIso  ilie  j^röfsfreii  CUineindt-Ji  zu  lie- 
.soKlun>;,s/,nlairvn  i^*. /wuni^cu.  -  .\n  das  (  »csel/ücliu  zahlen  :  die  Stadt 
r,eiif  V4— du  ii)»rigen  (temeinden  V*- 

')  \\\  wild  s]).ilt^Uns  M.'uh  _H>  rMensljahren  in  fester  Anslelhin.ü: 
erreicht;  in  Neuenbürg,  Basel,  Bern,  Aargau  nach  15,  in  (ienf  nach 
jo  Jahren. 


467 


andere  Fraj^e.  Ist  doch  schon  das  frtilRrc  Miniinuiii  für 
manclicii  nicht  crlanjj:])ar  «gewesen!  Im  l'nilijalir  1896  zählte 
der  Kaiitoii  543  I'riniailchrci ;  vnti  diesen  hcxoi^cu  1 5  weiii'^er 
als  2(K>  Im-,  (für  6  Monate),  wviui  130  noch  nicht  V'<>  i'J>d 
nnr  45  mehr  als  500  l'r.  l  nier  den  lelzl«;enannten ,  die 
wohl  alle  länj^er  als  sechs  Monate  »Seh nie  hallen  müssen, 
befanden  sich  blofs  zwei,  deren  Besoldung  iocx>  I'V.  betrugf. 
Die  Tessincr  standen  i>ich  schon  früher  besser  als  die  Walliser: 
sie  bezogen  für  6  Monate  wenij^stcns  sex»  Pr.,  für  7  Mon. 
6()ü  l'*r.  nnd  für  S,  9,  10  Mon.  nicht  mehr!*)  Also  wenig 
*jenni;.  (ileichwohl  kam  es  \  or,  dafs  hrt  r  nnd  (  U  nu  inden 
eine  noch  nnter  dem  j^esetzlichcn  Miniiiiuni  sUlKnde  15e- 
soldiiuj;  \  ereiid)arten  I  Solchen  ( iepllo^enheiu  n  uiinschle 
der  Staatsrat  (die  Regierung;)  durch  eine  Strafbestimmung 
im  neuen  Gesetze  ein  Knde  y.n  machen.  Aber  der  (irofse 
Rat  (die  Volksvertretung)  strich  diese  Ikstiminnng,  desgleichen 
eine  andere,  nach  welcher  sämtliclic  Besoldunj^en  (hirch  die 
Staatskasse  ausgezahlt  und  von  dieser  dann  die  Anteile  der 
Cntneinden  eingezogen  werden  sollten.  Damit  war  ein 
.•>ehr  nötit^er  Druck  auf  nachlässige  und  ^äinnige  (ge- 
meinden ije.ibsiehtigt.  Und  wie  steht  nun  im  neuen  (besetze? 
Die  Lelirerbesoldungen  werden  von  den  Genieinden  spätestens 
am  Knde  eines  jeden  —  Trimesters  bezahlt! 

In  solchen  Verhältnissen  muls  das  X  cbenbeschäf- 
tigungswesen  blühen.  Das  Krziehungsdepartement  des 
Kts.  Cranhünden  bemerkt  in  seinem  jüngsten  llericht  (über 
d.  j.  J.S<)4);  I>;ifs  hei  so  karger  liesoldung  und  meist  nnr 
halljjrdrriL'ir  Srliuld. liier  die  I^ehrer  durch  Xebenl)eschäftigung 
einen  weileien  V'enlieust  suchen,  ist  selbstverständlich,  uiul 
dafs  in  Fällen  zn  grofser  Ausdehnung  dieser  Nebenbeschäf- 
tigungen während  der  Schnldauer  die  Schule  leidet,  ist  be- 
greiflich<.  Nach  dem  gleichen  Berichte  hatten  von  471 
Lehrern  und  Lehrerinnen  38  Kc  ine  Xe1)enbeschäftigung,  15 
waren  geistlichen  »Standes,  332  Landwirte,  42  beteiligten  sich 
au  der  b'reuidenindustiie,  3  trieben  Handel  oder  Handwerk, 
I  I  \\,iren  l'örster,  S  Postbeamte.  10  Ik-nnite  anderer  .\rt  , 
uändicli;  Kreis-  und  Ci^enieindepräsicicuLen,  Richter,  Zivil- 
Standsbeamte  usw.^  —  übrigens  kommt  es  auch  in  anderen 
Kantonen  mit  Ganzjahrschulen  und  höheren  Besoldungen 
vor,  dafs  die  Lehrer  zux  iel  nebenher  treiben.  Vor  einigen 
Jahren  war  im  Kanton  Zürich  viel  die  Rede  von  einem 

Jetzt  crlialtcii  die  I.chrcr  650,  775,  Soo,  M25  —  die  I.chrtrinnen 
575.  595«  ^*'5  l**"-  (ohne  die  schon  erwähnlcn  bescheidenen  Alters- 
znlni^eii).  -  -       \  <>n  «kii  in  den  kath  olischen  Kantonen  so  sehr  bc- 
hil)tcn    Lfiiröchwestcni*  verlangen  manche  für  ihren  Schuldienst 
gar  nichts. 


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468  ttiMlolf  Dietrich. 

Lc'lirtr,  der  eine  uii<^;laubliclie  Meiij»;^  Äiiitcheii  innehatte 
Freilirli  ist  auch  riclitij^,  in  (h)ppeUeni  Sinne  richti<^^  (hifs 
wie  (Iis  I'üii<hier  Kiziehnn^^sdepaitenieiU  erklärt  au 
diesem  I'ht. Isi.iiid  nielit  nnr  die  Gewählten,  .sondern  eijensu- 
sehr  die  Wähler  Schuld  tragen  . 

5- 

Wessen  sich  die  Lehrer  zn  versehen  haben,  wenn  sie  im 
Dienste  erkranken,  erhellt  ans  f(dj;ender  llhersieht.  Ii;  !'  r 
Hälfte  der  K.iiUone  /ahlen  Sl.ial  oder  ( '.eitu  iiKU-  (xlrr  lieide 
znsannnen  dii  Kosten  (1er  vS  l  e  1 1  v  er  l  r  e  t  n  n  liJesiddnnt^ 
des  Vikaisi  ivilweise  oder  j^anz  j^anz  in  den  Kantonen 
Lnzern,  (Uarus,  liaselland,  Aargan,  Waat;  bis  ganz  in  Zürich 
und  Genf;  inindestetis  zu  drei  Vierteilen  in  St  Gallen;  zn 
zwei  Dritteileii  in  Bern;  halb  in  Hreiburgf  nnd  Schaffhausen ; 
Solothuni  endlich  leistet  einen  nid)estininiten  Keitraj^.  In 
den  Kantonen  Zng,  Tessin  nnd  Baselstadt  treten  sowold 
vStaats-  oder  Gemeinde-,  als  auch  Lehrer- (  l'nterstnl/nngs-) 
Kassen  ein.  l'ür  den  Kt.  Zug  gilt:  In  l^'ällen  von  Krank- 
heit oder  Altersschwäche  soll  der  Regierungsrat  einen  Teil 
au  die  Besoldung  des  Stellvertreters  beitragen  ;  im  übrigen 
hat  der  Erkrankte  Anspruch  auf  Unterstützung  aus  einer 
obligatorischen  Vereiuskasse.  Im  Kt.  Tessin  zahlt  die  (ie- 
nieiudc  die  Stell vertretnngskosten  einen  Monat  lang  ganz, 
später  niir  hall>;  anfscrdeni  gewährt  eine  fniwiHige  l'nter- 
stützungskns>-c  riii  Krankengeld  \on  2  I  r.  für  deti  T.^^-. 
Im  Kt.  Baselstaill  bestehen  seit  iS<Si  sieben  ol)ligaUniMhe 
V'ikariatska.ssen  (davon  eine  für  die  Schulen  in  den  drei 
lyandgenieinden).  Der  jälirliche  Beitrag  der  Mitglieder  wird 
nach  der  Zahl  ihrer  wöchentlichen  Stunden  bemessen  (näm- 
lich: so  viele  »Stunden  einer  erteilt,  soviel  uuil  50  oder  60  Cts. 
hat  er  abzugeben).')  Der  vStaat  bezahlt  jährlich  an  jede 
Vikariatsknsse  ebensoviel  wie  die  Gesamtheit  ihrer  .MitL;lie(ler, 
überdies  kann  er,  wenn  infolge  lang  audai!cr?!der  Krankheit 
eines  Lehrers  eine  Kasse  ini\  c  i  hältnismälsig  stark  angegriffen 
wird,  die  Kosten  des  betretteuden  \'ik»oiats  ganz  überueinuen. 
(Der  Vikar  erhält  für  die  Stunde  an  den  vier  Unterklassen 
1.20,  an  den  vier  Oberklassen  1.50  Kr.).  Die  thurgauischen 
und  neuenburgischen  T^ehrer  sind  allein  auf  ihre  Kassen  an- 
gewiesen: jenen  bezahlt  die  gesamten  Vertretungskosten  eine 
Alters-  und  Milfskasse;  diese  empfangen  aus  ilirem  Fn}iih 
sro/tfin  flf  jurroffffnrr  ))lofs  die  Hälfte,  und  zwar  mir,  wenn  die 
Krankiieit  über  zwei  W\>chen  und  nicht  über  drei  Monate 

'1  je  naoluk-in  «r  ni  «k-n  vier  fnlfr-  («Kr  ( )hcrkl;isscu  unltT- 
richtet.  —  Die  Kasse-  kann  übrigcn.s  auch  bei  antkrn  Uriui>lichen  Ab- 
haltiinjiren  des  I^chrers  in  Anspruch  gcnoniinen  werden. 


8*hweiitcrUrliM  VollMM'liiilwpteii. 


aiilialt.  In  den  «^'•csel/liclien  lie.stinininnj^cn  der  iil^rij^en  Kan- 
tf  nc  i<t  von  einem  besonderen  Stel!\  <  rlreter  ül)er1iaTi})t  nielit 
(iie  kedi  ;  entweder  sind  örlüclie  oder  benaehharte  Kollej^en 
<leslvi  krankten  ver])lliehUuilic\'ertretnn<j; ohnel'Jitscliädij^nnj^ 
zn  übernelinien  (Schwyz),  oder  inau  holt  die  aiis<»efallenen 
Stunden  so  gnt  als  ii.(")g]ich  nach  (Nidwaldeii).  Ähnlich  mag 
die  Ancfelejjenheit  auch  in  Uri,  Obwalden,  beiden  Appenzell« 
Granbünden,  Wallis  geregelt  sein. 

Uni^efälir  dieselben  <:^esetzlichen  Bestinininn^en ,  Vor- 
kehrnn^en,  ]if1no;cnheilen  <^elten  doch  nicht  obenan  in 
denselljcn  Kantunen  —  für  die  Zeit,  in  welcher  der  Lehrer 
y.uni  M  i  I  i  tiird  i  cn  st^)  einj^av.ogen  ist.  Her  Stellvertreter 
wird  ganz  vom  Staate  (Haselland,  Genfj,  oder  von  der  Ge- 
meinde (Glanis»  St  Gallen,  Neuenbürg),  oder  von  Staat  und 
Gemeiiule  gemeinsam  (Waat)  bezahlt.  Oder  es  werden  wenig- 
stens die  Kosten  der  Stellvertrctnntj  für  die  Daner  der 
Rckrntcnsclinle  ans  öffentlichen  Mitteln  bestritten  (Zürich, 
Solotlmrn,  Aari^Tun.  In  ()l)wa1den,  l'Yeibnrti,  Appen/.ell- 
Anfserrhfxlen.  I !a sei, -.ladt  iA'ika:  iaiskassen»,  Znif,  Srhaffliansen, 
Uri,  (iraubünden  liat  aneh  der  Lehrer  .-selbst  mit  für  die 
Kosten  auf/nknmnien ;  in  Bern  und  Thnrjjan  aber  fallen  sie 

'i  Nc])ciilici  Lin  W  uil  iihrr  diesen  Militärdicii.st,  vuii  ik-in  uähiciul 
(kr  kt/.t«.!!  Jahre,  ähnlich  wie  in  Dciitscliland,  auch  in  der  Schwcia 
oft  die  Ke<k-  war.  Nur  hajicklt  es  sich  hier  Tiiclit  um  ein  Klassen- 
vorrtclit,  das  /u  erringen  wäre,  .sondern  um  die  Frage;  ob  Schul- 
dienst und  Mintard k*nst  sich  mit  einander  vertragen.  In  der  Praxis 
wird  diese  I'*r<i.ue  \  i  t schiedetien  Kantonen  sehr  vcrM  tiieden  jje- 

löht,  wie  C.  tirob  iüt>o  nnllelst  einer  Umfrage  ie.stgestellt :  der  Lehrer 
wird  wie  jeder  andere  Kür.irer  behandelt  fer  hat  nach  dem  Rekruten- 
kurse seine  vier  W  ii-derholuiij^skurse  duroh/uniaclien  i  ockr  von 
einem  oder  meint ren  «»(kr  alkn  \\"ie(krliolunjiskur.sen  flispensieit 
ot\t,T  üliirhaupt  nicht  /.u  «liesen  Kursen  einberukn  ockr  zuixelasseu. 
Cher  die  Aussichten  auf  Avancement«  berichtet  (i roh :  In  -i  Kan- 
tonen (Xidwahkn.  Zu^.  Schaffhntisin  Waat)  kann  der  rrimarU  hrer 
zur  ausnahmsweise,  in  y  Kantonen  iLu/.ern,  Scliww.,  (ihuus,  l-iei- 
burg,  Solothurn,  BsLselland,  Appenzell-Awfserrhoden,  Nencnburp,  (tenf) 
nie  Offizier  werck-n  'l'li  il -ä.  l.lirli  w  art  ii  iS(;<»  von  iTi^j^esamt  _'5i>S 
dien.stiiflichtigen  Lehrern  niederer  untl  höherer  Schukn  3H1  L  nler- 
offiziere,  265  Offiziere.  —  —  Im  l'rühjahr  1H92  brachte  der  bemische 
kr/.iehun_usdirektor  (iohat  l>ei  (kr  lUindesversanimlun^  (kti  AiUrajr 
ein.  (kn  MiUturdienst  der  I. ehrer  attf  die-  Rt krutensehuk  zu  be- 
schränken .  In  der  lie^ründunj.;  tlieses  Antrajj^es  wurde  u.  a.  be- 
hauptet der  Militärdienst  sei  den  Lehrern  nicht  /.uträg-Hch ;  das 
Avancement  erwecke  in  ibrt  ji  einen  f:i1sr]i(  n  I'hr^aiz  und  \  (  v;>tdasst 
sie  /.um  Aufgehen  ihres  Berufs,  Ueni  widersprachen  aber  nicht  \\eiii;;er 
als  drei  Offiziere  höchsten  Ranges  (Bri{|rade-  und  Divtstonskonnnan- 
<lantent.  Sie  wi(k'rki;ten  jene  Heliauptun.nen.  ^•^Tw^esen  t^rnnds;it/ 
heb  auf  die  He.stiinuunigeii  tler  liundcüverfa.ssung  un<l  beriefen  sich 
auf  die  guten  Erfahningen.  die  sie  mit  den  Lehreroffiaieren  gemacht 
leine  Division  /iihUe  ibimals  unter  ihren  Lalaillonskoniiii  im^  inlen 
3  Lehrer^,  (iobals  Antraj^  wurde  \ on  mein  als  'j^  der  StJunueudeu 
verworfen  —  was  aber  an  den  ihatsächlicheu  Verbältnissen  in  den 
Kantonen  kaum  etwas  geändert  haben  durfte. 


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^aiiz  '/n  seinen  Lnstrn.  Allerdinj^s  kann  in  mehreren  der 
znlel/.t  «genannten  niid  in  den  nicht  erwähnten  Kantonen  di^^ 
Kekrntensehnle  wähn  inl  der  Innigen  l'Vrien  dmehijeniaelit  we  r- 
den, sodal's  dort  \  on  Slellvci  ti  eiiui^i;  niclil,  höchstens  von  Nach- 
holen der  aiisoefallcncn  Stunden  die  Rede  ist  — 

Die  f^Tohc  linntheit  der  Bilder  von  der  wirtscliaftlichen 
LajTfC  scliwei/erischcr  l^chrer,  die  ieli  l)is]ier  vorznfnhreii 
hatte,  rei/t  denjeni^jen,  der  :v>.  die  j^rolse  Zald  nnd  \cr- 
scliiedene  Art  der  Kantone  «lenkt,  kanni  /nr  \'erwinHU  i  iuilj. 
Daj^ej^en  nia^  den  dentsclien  Lehrer  ila>,  was  er  nunmehr 
über  die  Z  n  k  n  n  1 1  a  n  s  t>- e  d  i  e  n  t  e  r  1  ^  e  h  r  e  r  er üihrt,  be- 
fremden. Aber  auch  das  ist  begreiflich,  in  gewissem  Sinne  sogar 
natürlich.    Doch  davon  später.    Zunächst  das  Tliatsächliche. 

Xnr  in  fünf  Kantonen  geniefsen  Lehrer,  elclie  wegen 
Altersschwäche,  körperlichen  oder  i^eistij^en  Ciebrechen,  danern- 
der  Krankheit  vom  Amte  znn'icktreten  müssen,  tin  staat- 
liches Rnhej^ehalt.  Das  Recht  dazu  erwerben  sie  in 
Zürich  nnd  Ik-rn  der  Rejicl  nach  mit  dem  30.,  in  üasel  schon 
mit  dem  10.  Dienstjahre,  (ilarns  und  Aargau  haben  keine 
Altersgrenze  festgesetzt;  doch  bcstiuiuien  sie  die  Höhe  der 
Pension  uach  der  Zahl  der  Dienstjahre.  Arn  günstigsten 
sind  die  Lehrer  wieder  in  Basel  gestellt;  da  gilt  »als  Nonn 
für  die  Festsetzung  der  Pension  der  P>etrag  von  der 
letzten  Jahresbesoldung  einschliefslich  der  Alterszulage,  ver- 
vielfältigt mit  der  Zahl  der  vollendeten  Dienstjahre;  der 
Regicrungsrat  kann  aber  über  diese  Norm  hinausgehen, 
sofern  deren  P'esthaltung  einen  offenbar  ungenügenden  Be- 
trag ergeben  würde?.  Das  zulässig  höchste  Ruhegehalt  ist 
4500  Fr.  —  Die  Züricher  .sollen  wenigstens  die  Hälfte  der 
gesetzlichen  Barbesoldung  erhalten;  thatsächlich  beziehen 
sie  (nach  30  jähriger  Dienstzeit)  .Sot)  tckk)  b'r.  Den  Aarganeru 
wird  höchstens  ein  Drittel  der  gesetzlichen  Iksoldnng  ge- 
währt (4(X)  500  Vy.).  Die  licrncr  und  (ilanier  bckounucn 
nicht  mehr  als  400  I^V. 

Die  Glarner  und  Aargauer  inüs.seu  überdies  einer  vom 
Staat  unterstützten  *  obligatorischen  Kasse  Iwfi treten.  Solche 
gcsetjjlich  geordnete  Kassen  bestehen  —  neben  einige-n 
> fakultativen^  —  aufserdeni  noch  in  15  Kautonen.  Xnr  die 
wenigsten  sind  reine  Alters-  oder  Pensionskassen  der  Lehrer; 
die  meisten  übernehmen  auch  die  l'nterstntznng  der  W  itwen 
und  Waisen  (für  welelie  übrigens  in  mehreren  Kantonen 
selbständige  Kassen  wirken),  und  einige  gewäliien  lieitiäge 
an  die  Kosten  der  Stellvertretung  in  Krankheitsfällen. 
An  Pensionen  zahlen  diese  Kassen :  im  Kt  Genf  1400,  Neuen- 
burg 8üo,  Schaffhausen,  St.  (i allen,  Appenzell-Aufscrrhoden 
je  600,  Waat  500  Fr.  —  in  den  übrigen  Kautonen  höchstens 


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lletiweisfritrbrH  VolkiuM*hvtwciteii. 


47» 


40C),  in  iiiclireren  kainii  100  Fn  jährlich !  Die  Tessiiier  müssen 
sich  z.  Z.  noch  -  ein  Pcnsions^cset/c  soll  in  \'' ir1»«  rcifnno-  sein 
-  mit  einer  frei\villi<;en  Kasse  behelfen.  l  ud  in  Uli,  Oh- 
mul  Nidv\alclen,  \\'nlHs  bestehen  nicht  einmal  Kasst-n. 

In    gröfseien    vSuulicn    endlich  aber    ancli  in 

kleineren  schnlfrenndHclieii  Orten  —  erhalten  die  ausgedienten 
Lehrer  Zuschüsse  zu  den  staatlichen  Rnhegehalten  ans  der 
Genieindekasse;  oder  dieCicmeinde  selbst  entrichtet  Pensionen, 
■und  dann  fällt  die  staatliche  Leistnng  oder  ein  vom  Staat 
jL^t  spendete!'  Ikitmq  in  ihre  Kasse.  So  j^-cwähi  i  die  Stailt 
Zürich  ihren  Priniai  Ichrern  1900-  2500  Fr.  Ruhegehalt  - 
Jiern  freilich  nnr  <Sik)  Fr. 

Woher  kommt  es  nnn,  dals  eigentüch  nnr  in  einem 
einy.igen  Kanton  für  die  dienstuntauglich  gewordenen  Lehrer 
von  Staatswegen  genügend  gesorgt  ist?  Man  ist  in  der 
Schweiz  dem  Pensionswesen  überhaupt  abgeneigt,  und  eine 
Heamtenklasse  zn  bevorzngen,  widers])rcche,  sagt  man,  den 
demokratischen  (irnndsrit/eu.  Gegen  das  letzte  läfst  sich  in 
der  That  nichts  einwenden.  In  Hasel  stehen  denn  anch  die 
Lehrer  mit  allen  andern  Staatsbeamten  und  Staatsange- 
stellten  unter  dem.selbcn  rensionirnniiSi^esetz.  Im  übrigen 
mögen  etliche  Äufserungen  ans  verschiedenen  Lagern  ver- 
anschaulichen, wie  man  sich  zur  Sache  verhält  *Wir  be- 
kämpfen den  Grundsatz  der  reinen  vStaatspension  —  schreibt 
der  lierncr  Professor  J.  H.  (iref  in  einer  Anfangs  1894  ver- 
öH(.  nllichten  Studie  weil  er  in  einseitiger  Weise  nnr  eine 
Klasse')  \on  Staatsiiienern  i)erücksichtigt  und  jeder  Beamte, 
der  im  l)ienste  des  Staates  invalid  geworden  ist,  offenbar 
das  gleiche  Recht  auf  eine  Staatspension  hat  wie  der  Lehrer. 
Wir  bekämpfen  diesen  Grundsatz  der  reinen  Staatspension 
aber  auch  deshalb,  weil  nur  in  den  wenigsten  Fällen  der 
Staat  im  vStande  ist,  eine  erkleckliche  Pension  auszurichten, 
und  stellen  den  (trundsatz  auf,  dafs  die  Pensionirnng  nur 
auf  (trnndlage  von  Heiträgen  des  Staates  und  der  Lehrer- 
schaft bernlien  darf  ,  Ähnlich  })erichtet  der  städtiselie  Schnl- 
rat  zu  Seliahlian.sen  im  vSeptember  i<S()j^:  T'!s  existieren  keine 
Bestimmungen  über  die  Pensionirnng  der  Lehrer.  Man  ar- 
beitet schon  lange  an  der  Krage  herum,  konnte  jedoch  bis 
heute  keine  Lösung  finden,  von  der  sich  hoffen  liefs,  dafs 
sie  bei  der  städtischen  Einwohnerschaft  Gnade  finde.  Hier 
wie  anderwärts  ist  man  den  Pensionen  abgeneigt,  und  um 
keine  auszahlen  zu  müss(  11,  findet  man,  ebensowohl  wie  die 
Lehrer  seien  auch  die  .sämtlichen  analeren  Angestellten  zu 
bedenken  .    Mitteist  eines  andern  (irnndes  hat  vor  kurzem 

'1  Zwei  Klassen:  1.«  !n  t  niid  ( iCistHcho  (in  rcforiiiirlfn  Kantoiiciu; 
im  Kt.  Zürich  auch  die  l'oli/.i.sten. 


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Rudoll  Dietrich. 

(Ftl)i.  18961  (!ie  (ieniciiule  7a\'^  die  vom  Stadtrat  hcantrag^tc 
Alteihv  rrsorj^un«;  der  lA'lirer  vcrwin  teii.  Mau  nieiiUc*  näm- 
licli,  die  luirsorge  luü.^^e  auch  auf  die  Cicistlicheu  aus^^edehnt 
werden,  während  der  Stadtrat  die  Ansicht  vertrat,  dafs  diese 
ledigen  Herren  noch  warten  könnten,  nuisomehr,  als  sie 
höhere  Kiuualnucu  beziehen  als  die  weltlichen  Lehrer,  die 
fast  alle  l^'auiilienväter  sind.  Doch  es  fehlt  aucli  niclit  au 
peusiousfreuudlicheu  Sliuiuieu.  II  über  veröffeutlicht  'Jahr- 
l>nch  icS()2)  eine  Zuschrill,  dit.  er  von  sehr  konipeteuler 
Seile  aus  Basel  erhalten  und  u.  a.  erklärt:  Das  Motiv  für 
die  l'ensiuniruug  ist  klar:  alle  (iehalte  sind  so  niäfsig,  dafs 
von  Ansammeln  eines  erheblichen  Vermögens  nicht  die  Rede 
sein  kann.  Die  Ausrichtung  eines  hierzu  ausr<»ichcnden  Gc< 
haltes  würde,  den  Staat  viel  mehr  belasten,  als  die  IVnsionen 
es  thun,  und  zudem  wäre  man  nicht  sicher,  dnfs  di  r  Mehr- 
betrag des  Gehaltes  auch  wirklich  kapitalisirt  würde  und 
die  Invaliden  nicht  doch  hülilos  würden  .  Und  in  den  \'er- 
hautllungeu  des  zürcherischen  Kantonsrate.s  über  eine  Ini- 
tiative ,  welche  Abschaffung  der  staatlichen  Pensionen  und 
Kuhegehalte  verlangte  (18(^4),  wobei  aufser  den  Lehrern  auch 
die  (geistlichen  in  l'rage  kamen,  bemerkte  ein  Miti^licd  def 
Regierung, die  ^Institution*  (der  Ruheo ehalte) sei  im  eiucnsten 
wohlverstandenen  Interesse  des  vStaates,  der  Kirche,  der  Schule 
ins  T.ebeu  «j^erulHi  w)rdcn.  Mau  wollte  es  den  (»emeinden 
ennriolichen ,  ohne  ( iewissensbisse  alte,  nicht  mehr  voll 
lei.Nlungsfähit>e  (leistlichc  und  Lehrer  (huch  junge  tüchtige 
Kräfte  zu  ersetzen.  »Der  Vorteil,  den  die  Betreffenden  da- 
durch erlangten^  war  nicht  das  ursprüngliche  Ziel,  sondern 
eine  sekundäre  I'V)lge  .  ICine  Grausamkeit  wäre  es,  wenn 
es  im  Kt  Zürich  dahin  käme,  dafs  ein  alter  abgearbeiteter 
(Geistlicher  oder  Lehrer  einfach  auf  die  ( lasso  o(>stt  Iii  würfle  . 
Von  der  Abschaffung  der  rVnsionen  hätten  nalin  lich  die  l^and- 
gemeinden  den  gröfsten  Nachteil:  sie  kinniten  lüchlige  Lehrer 
nicht  mehr  festhallen.  Der  Kantonsrat  spiaeli  t>lcU  mit 
grofser  Mehrheit  für  Verwerfung  der  Initiative  aus.')  Diese 
hat  übrigens  den  zürcherischen  Erziehungssekretar  Huber 
veranlaist,  eine  umfassende  Darstellung  der d'ensiousverhält- 
uisse  nach  ihmn  gegenwärtigen  Stande  in  dem  vorhin  er- 
wähnten Jahrbuch  (d.  h.  anfangs  iSy)U  zu  veröffentlichen. 
Hn!>er  gelangt  zu  dem  grundsrii/liclirn  l'h'gei)nis:  Die  He- 
solihuigcn  der  schweizerischen  Liliier  sind  durchschniltlieb 
SU  bescheiden,  dafs  sie  i'a.sparni.N>e  nicht  gestatten.  Der  Suiat 
hat  infolgedessen  die  Pflicht,  in  irgend  einer  Weise  das  Alter 
seiner  Lehrer  sicher  zu  stellen«.  Das  geschehe  am  besten 
durch  Gewährung  staatlicher  Ruhegehalte.  ^Sie  bilden  gleich 

i>  Und  in  der  X'olksabstimnturifi:  wurde  sie  denn  auch  venvorfen. 


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dem  Besoldungsall  sprach  ein  Recht  an  den  Staat«,  und  des- 
halb darf  dieser  von  den  Lehrern  nicht  verlangen,  dafs  sie 

selbst  —  wenn  aucb  nur  teilweise  -  die  Pensionsnüttcl 
anf]jriiiq:eii.  Die  Riiliejjebalte  sollen  iibrij^ens  ausschliefslicb 
an  Iiualitk-  vcrabfoli^-l  werden,  d.  Ii.  an  solcbe,  die  diircb 
liolies  AlUi,  Krankbeil,  körperliche  oder  «^^eistij^e  Gebrechen 
diensluniahig  geworden  sind.  Dagegen  ist  die  Kürsorge 
für  die  Witwen  und  Waisen  Sache  der"  Lehrer:  >etne  direkte 
Pflicht  des  Staates,  auch  für  die  Hinterlassenen  seiner  Funk- 
tionäre zu  sorgen,  ist  nicht  vorhanden«. 

6. 

In  allen  Kantonen,  aiisi^«,  ii«  •innu  n  (riarns,  sind  die  Lehrer 
zur  Teilnahme  an  Versanuuhiiigcii ,  Kfuiferen  zen  ver- 
plliehlet,  iür  welche  mehr  oder  weniger  eingelieiule  gesel/.- 
Hche  Bestimmungen  bestehen.  Anfser  den  Kantons-  werden 
in  den  meisten  gröfseren  Kantonen  noch  Bezirkskonfereuzen 
abgehalten,  entweder  unter  frei  gewählter  oder  luiU  r  l)ehörd- 
licher  Leitung.  In  Schwy/,  I^Veiburg,  St.  Gallen,  Thurgan, 
Waat,  Lnzern,  Zug  zahlen  die  niicntscbnldi^l  Fehlcii(Un 
T — 4  Fr.  Rnlse.  Diese  P>n Isl  kann  in  T'ri  schon  im  ersten 
Falle  30  Fr.  betrai^en,  inid  in  GraubüiKlcn  wird  den  Nach- 
lässigen die  staatliche  ( iehall.>^/.ulage  verkürzt  oder  entzogen  ! 
Dagegen  erhalten  die  Anwesenden  in  den  vier  erstgenannten 
Kantonen  und  aufserdem  in  Uri,  Schaffhansen,  Appenzell- 
Innerrhodeii  und  Neuenbürg  2  -5  Fr.  »Vergütimg i  oder  Tag- 
geld, in  LiiJteni,  T^ri,  St.  Gallen  Reiseentsehädigung. 

Zweck  der  Konferenzen  ist  ü1)erall  kVi  r  t  b  i  1  d  u  11  g. 
Dane  In  n  al»t  r  haben  sie  in  (U  n  Kanluiien  Zürich,  Hern, 
Sulotluu  n,  iki.Nclstadt,  S(^hall'liau^rn,  Appeiizell-Auf.serrlujden, 
St.  Gallen,  Aargau,  Thur^au,  W  aat,  Neuenburg,  (ienf,  I^uzern, 
Zug  —  Begutachtnn  gs-  und  Antragsrecht  Dieses 
erstreckt  sich  auf  Lehrmittel,  Lehrpläne,  Verordnungen,  auch 
auf  (»esetzesent würfe  —  jedoch  durchaus  nicht  in  allen  vor- 
hin genannten  Kantonen  gleichermafseii.  In  Lnzern  und 
Zni^  im  jeras-  Recht  zienilit^h  beschränkt,  und  anderwärts 
seheint  es  auch  nicht  weit  zu  gehen  oder  nicht  genügend 
geachtet  zu  werden.  l'us  allen  -  klagte  1893  ein  Sciialf- 
iian.ser  Referent  ist  der  Erfolg  mancher  Kouferenzbescbläs.sc 
nur  zn  bekannt  Ob  wir  wünschen  oder  hoffen,  ob  wir  bitten 
oder  fordern,  es  kommt  alles  auf  dasselbe  hinaus.  Unsere 
Gesuche  werden  nicht  einmal  beantwortet;  es  sei  nur  an 
das  wiederholt  gestellte  Gesuch  um  Kenntnisgahe  der  In- 
spektionsberichte erinnert  .  Des  verhältnismäfsii^  weitest- 
gehenden und  wirksamsten  lii'ijiuiachtungs-  und  Aiili  agsrechtes 
erfreuen  sich  die  Züricliei,   l»erner  und  Thurgauer  Scinil- 

Nruc  Bahnvn  {PtiiUgogiuiu)  YII.  d. 


Rudolf  Dietrich. 


synodc  .  Die  Züricher,  Neuenburger,  Genfer  haben  überdies 
Kinflufs  anf  <lic  T*cscl/nnj:i  mittlerer  und  oberer  Scbnlbehör- 
den:  die  Neiienl)nr^cr  I!ezirksk(>nl\iriizcn  entsenden  je  einen 
Vertreter  in  dtn  kaiitoii.den  PriniarscliuhaL ;  die  (Genfer  (doch 
nicht  die  Lehrer  der  Triniarschnle  allein,  sondern  aller  Schul- 
arten) besetzen  lo')  von  den  30  Sitzen  in  der  kantonalen 
Schulkommission;  im  Kanton  Zürich  wählt:  der  Bezirks  ver- 
ein (Prinuir-  und  Sekundarlehrer)  3  von  den  9—13  Mitg^lie- 
dern  der  liezirksschnlpflc^e  —  die  Schnls\  node  (\'ereini*^nn<^ 
sämtlicher  T.chrer  niid  Lehrerinnen  an  den  \'olks-  tnid  höheren 
Schnlen)  zwei  nou  den  sieben  Mili;lie(lern  des  Krziehimgs- 
rates,  d.  i.  der  höchsten  UntcrriehlsbehÖKle. 

Noch  ein  Wort  besonders  über  die  bernische  Schnl- 
synode.  Sie  ist  seit  1S94  eine  »Volkssynode*,  d.  lu  ihre 
Mitglieder  werden  vom  gesamten  Volke,  gerade  wie  die  Ab- 
geordneten in  politische  Behörden  gewählt.  Znr  Zeit  j^ehören 
der  Svnode,  die  im  ganzen  105  \'ertieUr  zählt,  60  Schid- 
manner  an;  davon  sind  25  Primär-,  17  Sekundarlehrer.  iHi)5 
tagte  sie  /Jim  cr>lt  n  Mal,  uiul  in  der  Kröffnnngsre(ie  begrün- 
dete Kr/iehnngsdircktor  (iul>al  die  Ncuernng.  Man  wolle  — 
sagte  er  -  der  Schnlsynode  eine  breitere  (»rnndlagc  geben. 
Da  die  Volksschule  dem  Volke  gehöre,  so  sollten  auch  Leute 
aus  allen  Berufsständen  ihre  P^erater  und  Besorger  sein.  Vom 
Znsaninienarbeiten  der  Fachmänner  und  Laien  dürfe  mau 
sich  in  persönlicher  nnd  sachlicher  P»e'/.iehnng  den  besten 
Krfolg  versprechen;  ja  die  nene  S>node  könne  eine  >Schule 
für  Volkssclinhuünner    in  höherem  Sinne  werden.-) 

')  Die  K<»iifercii/.  (kr  Klcinkitiiler-,  rrimar-  und  Krgänzungs- 
.schulcii'  vcrfüjft  über  3  Sit/c. 

•1  üafs  die  alte  Synode  einen  nicht  unbedeutenden  Kinflufs  auf 

>h\  I  jilw  ieklunjif  <ks  Schulwesens  ausgeübt,  erhellt  aus  folgender, 
nur  bis  /.um  Jalire  iSX:;  /.urückijchcmler  L' bersicht :  1SS2  wüiisclitc  die 
Synode  V  ersorgung  anner  Schulkinder  mit  Nahrung  und  Kleidung 
durch  den  Staat:  die  Regierung  riit^i-raeh  sofort  (iS<)4  wurden  9000 
Kr.  aufgewendet).  Hehufs  theoretischer  und  praklis«  her  I'oilbildung 
der  Lehrerschaft  veranstaltete  die  Behörde,  den  liesch Hissen  der 
Synode  (iSsS)  entsprechend,  : Wiederljolnngskurse  niil  lA-hrern  in 
:\\\vu  I.andesteilen  ;  aufserdeni  \  eiteilte  sie  einen  mit /iendich  groisen 
Kosten  htjrge.stclllen  Katalog  für  Lehrerbibliuthcken.  1892  bewirkte 
die  S.  die  Hcraus>fahe  ei«e.s  neuen  rnterrichtsplancs  für  den  Turn- 
iiiitrm'c!it  und  die  .Vbhaltung  mehrerer  Turnlehrerkurse,  deren  Teil- 
«eUmcr  Staatsuntcrstützuug  empfinden.  sprach  sicli  die  Synode 
für  Förderung  der  Knabenhandarbcit  in  der  Schule  aus.  Daraufhin 
wurden  zunächst  die  Seminaristen  sin  Hofwil  und  rnnitnUi  nnt  deiu 
neuen  l'nterrichtsgegenstand  \ertraut  gemacht:  dessen  1  infühnnitv 
in  die  \'olksschule  /.u  unterstützen,  ist  erst  dun  li  das  lu  iu  Schul - 
{{[^esetz  möglich  geworden.  Dieses  hat  auch  n<ich  mehrere  andere,  in 
\  erschiedenen  Jahren  gt  äinserte  Wünsche  der  vereinigtci^  l.ehrt'r- 
Hchaft  zur  ticllung  gebracht,  B.  Rej^elung  des  Lehrmittel  Wesens 
durch  den  Staat.  Kuifühning  der  Fortbildungsschule,  MaCsnabmen 
zur  Gesund lieitspf lege. 


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All  freien  V e r  c i  n  i  <j u  n  e u  dw  TA'lircrscIiaft  ist  kein 
Maii.i;;t'l.  Neben  den  -  ja  nicht  clurcliaus  Lifrenliclicn  -- 
liiiiulnissen  /nr  Walirnn«^  der  »StaiiiU  sintL  i  csscii  (s.  Alheim. 
3)  bestellen  in  den  Kantuncn  mit  lel)liafterer  Kntwickchinjjf 
tüchtijje  Facbvereine,  Vereine  für  wissenschaftliche  Fort- 
bildung, reich  p^ej^liederte  Ortsverbände  (unter  denen  derjenijj^e 
der  Stadt  Ziiricli  der  bedeutendste  ist).  F'reilich  gehts  ancli 
nicht  ohne  katholische,  evan»elische,zillensclie Sonderbündelei. 
Von  allen  diesen  inaimiprfaltigen  Können  des  Znsaninien- 
stehens  nnd  Znsannnenwivkens  kann  hier  nicht  die  Rede  sein. 
Ich  beschränke  mich  anf  einen  kur/cn  Hericht  über  den 
gröfseren  der  beiden  Landesverbände;  denn  sehr  nngleielie 
Gröfsen  sind  sie,  müssen  sie  sein.  Der  „8oc/W  p^htftMfique  th 
ht  Smuse  rommtle*'  steht  eben  ein  bei  weitem  kleineres  Ver- 
breitungsgebiet zur  Verfii^»:nng  als  dem  Schweizerischen 
Lehrer  verein  :  Wcährend  jene  mit  den  Kantonen  Genf, 
Waat,  Nenenbnri^,  höchstens  noch  Freibnrg  nnd  Wallis  (ans 
denen  aber  tn'clu  \  ic  l  /.n  holen  ist)  nnd  dein  bernischen  Jnra 
sich  beo-iiü;4cii  iniifs,  kann  sich  dieser  über  die  *^ro[sc  Alrlir- 
/alil  (ly)  der  Kantone  erstrecken   nnd  damit  den  gevvaiüLen 

Namen  rechtfertigen.  Dafs  er  die  deutschen  Kantone  eben- 
sowenig wie  die  ^^ixnze  Schweiz  gleichmafsig  umfafst,  ist 
nicht  seine  vSehnld.  Das  letzte  «gedruckte  Verzeichnis  (welches 
den  Stand  der  Mitgliedschaft  im  Dez.  1S94  ausweist)  nennt 
nur  37  Mits^Heder  ans  den  vier  wälsclKU  Kantonen  Tessin, 
Waat,  Nenenbnro^,  (»enf.  Auch  die  katholischen  Kantone 
(Lnzern  ausgenommen)  sind  sehr  schwach  vertreten  :  von  den 
Uiuein  lial  sich  gar  nur  einer  herangewagt;  die  ob-  und 
Kidwaldner  und  die  Walli.ser  fehlen  ganz!  Die  verhältnis- 
niäfsig  meisten  Mitglieder  stellt  Glarus;  dort  .scheinen  dem 
N'erein  alle  Lehrer  anzugehören.  Es  folgen:  Zürich  mit  V5» 
Baselstadt  nnd  Thnrgau  mit  etwa  Appenzell-Aufserrhodeii 
mit  der  Hälfte  dw  l'rimar-  nnd  Seknndarlehrer  nnd  -Lehre- 
riniuMi,  Die  Züiicher  l)ilden  fast  ein  Drittel  der  (iesanitz.'ihl 
2(>79.  Diese  ii>cheint  gering,  nmsomehr,  als  sie  nicht  l)lcjfs 
die  eben  bezeichneten,  sondern  auch  Seminar-,  l i\ ninasial-, 
Keallehrer,  ITniversitätsprofcssoren,  Iteamte,  Laien  einschliefst 
—  während  die  Schweiz  1894  allein  9600  l*rimarlehrcr  und 
-Lehrerinnen  hatte!  -  -  und  der  Jahresbeitrag  (1  Kr.)  recht 
bescheiden  ist. 

Die  Lcitnni;  Üci^  t  ^eit  ii^94  in  den  Händen  der  Züricher. 
In  fiiesem  Jahre  wiutU  citie  Netiorgani-^ation  des  Wreins 
durchgeführt,  die  Herausgabe  eines  Lelirei  kak  nders  vorbcreilcl 
und  eine  Waisen slil  tun g  gegründet.  Der  Kalender  erschien 
zum  ersten  Mal  für  1895  und  warf  2600  Fr.  Reinertrag  ab. 
Das  Vermögen  der  Waisenstiftung  beträgt  z,  Z.  25000  Kr. 

31* 


Rudolf  I>i«lrioli. 


Organ  (Us  Vereins  ist  eine  Wochenschrift,  die  Schwei- 
zerische L  c  h  rer zei  t  n  n  g.   Das  Hhiti  kostet  jälu lieh  nur 

5  l'i.,  ist  änfserlich  und  inhaltlich  gut  ausgestattet  und  ge- 
schickt)  freilich  nicht  unparteiisch^  geleitet;  es  darf  daher  als 
das  in  fast  jeder  Ikziehung  billigste  unter  den  in  deutscher 
Sprache  geschriebeneu  Fachblättern  hczi-ichnet  werden.  Die 
IaIii erzeitnng  ist  übrigens  anch  Organ  des  Pestalozziannnis 
(seit  1S91)  und  der  Ocsellschaft  znr  rflc^^e  der  dentsclien 
Sprache  in  Zürieli  1895),  deren  Mitteilungen  eine  nam- 
hafte liereichcrung  des  lilattes  bilden.  Seit  1891  gil)t  der  Wr- 
ein  aufserdem  die  >Schw.  pädag.  Zeitschrift heraus  (jährlich 

6  starke  Hefte^  Preis  für  die  Abonnenten  der  Lehrerzeituug 
2  l'r.l,  an  welcher  bedeutende  Pädagogen  und  angesehene 
Fach  geleinte  mitarbeiten;  als  Heilage  bringt  sie  jährlich  vier- 
mal   Pestalozziblätter  . 

\'on  dentsch-sclnvcizeriseher  Seite  ist  nnn  in  den  k  t/ten 
Jahren  eine  <  )r^aiiisan< )n  der  i^eNamten  sch\veizeri>c]ien 
Lelnerschalt  ,  genauer  eine  \'eil>iudung  des  Schw.  lyelner- 
vereins  mit  der  Soci^^  jHtl,  de  h  Sttiiwe  row.  versucht  —  bisher 
aber  nichts  weiter  erreicht  worden  als  gegenseitige  Ver- 
tretung in  den  Vorständen  nnd  gemeinsame  festliche  Tagung 
alle  vier  Jahre.  Da  hat  man  nmi  vor  kurzem  (13.  15.  Juli 
iS{)6)  den  ersten  wirklich  -seh\\  eizerischen  lychrerlag  in 
(ienf  al)gehalten,  in  den  drei  Landessprachen  (das  Roniauische 
zählt  nicht)  vt>rgetra<;en  und  verhandelt  -  aber  auf  fran- 
zösischer (( ienfer)  Seite  mit  aller  Hestimmlljeit  betont,  dafs 
eine  Verschmelzung  der  drei  Lchrerverbindungen  der  fran« 
zösischen,  deutschen  und  italienischen ')  Schweiz  zu  einem 
Schw.  Lehrer  verein  weder  wünschenswert  noch  nutzlich  sei*. 
Diese  P>klärnng  kann  nicht  überraschen.  Der  volksge- 
nnssenschaftliche  ( ic^^nsat/'  ist  7.\\  grofs.  Dazu  kommt  ein 
politischer:  die  nemseliseliw  ei/er  sind Zentralisten,dieWäl.schcu 
üuni  grölsten  Teile  l'öderalisten.'') 

'1  Ccineiiit  ist  die  auf  Te.Ksin  und  (trauhütidcn  boschrankte 

Nach  Absclihifs  der  Arbeit  erschien:  Rtaiiil  ift-  nhi/m'^ni/^Iiirs 
/u'i/<ti:i>i;ii//i(s  f>iiii/i<ts  i/  l'ortasioti  >fr  l  Exposition  s<<il,ui,  sitisst  11  (it-t/H'e 
:  hearl).  v.  Selmliiianneni  d.  franz.  mnl  deutsch' ti  Schw  I.aii- 
saniic.  I'aN'i»t  1S96.  S".  X  III  it.  vh'  S.  7.50  h'r.  —  Nur  du.  Icl/.tc  dieser 
«)  >f(»n().i^r.  liielet  eine  laMrän/uni^  /u  ineiuer  Darstelluuj;.  indem  sie 
di-n  Stand  dt  s  irni  l  ith  Tnl.  f.  Knaben  im  I'riihjalir  i^m  i  n  u  liurist. 
(icnf  1893;  2(xK),  1S96:  .>4oo  Handarbeiter  (—  787^  sänill.  i'rimarsclml- 
knaben)T  die  übrifren  Kantone  x^yy.  \(yoo,  6360  11  andarb.  (Ver- 

nichrnnj4  liauptsüchlidt  t.  d.  Kt.  Zürich:  I2ix\  Niruenhur^;  Soo,  Basel- 
Stadt:  400). 


j  .    by  Google 


Ein  neues  Lesebuch  für  Mittel- 

sclxiilen. 

Von  Otto  Schilze  in  Halle  a.  S. 


Stöger  II.  W<»Iilral»e,  I.vsibuc!i  für  M  i  1 1  cl  s  c  Ii  n  K  ii.  i  I'.iwcitcrte 
Ausijabi:  der  Neubearbeitung  des  Scharlach- Hau|)tüchcu  I«ese- 
buclLS.)  I.  Teil:  228  S,  —  2.  Teil:  340  S.  —  3.  Teil:  509  S.  — 
4.  Teil:  tS;  S.   Halle  a.  a,  Herrn.  Schroedel. 

Die  vorliegende  Ausgabe  für  Mittelschulen  oben  «ge- 
nannten Lesebuches  wurde  in  den  «N.  B.«  als  in  Vorbereitung 
befindlich  bereits  bei  der  eingehenden  Würdigung  der  ersten 

Aii'^.q^aht  für  I 'ärger- und  Volksschulen  jSielie  Heft  2^  Jg.  1895 
Zur  I.esebuehfrage  |  angezeigt,  (iedacht  waren  ursprüng- 
lich 5  Teile;  die  Herausgeber  haben  aber  abgesehen  von 
einem  durch  gesetzliche  Bestinitmnigen  geforderten,  den  IV. 
Teil  ausmachenden  > Kanon  der  aiü  der  Mittel-  und  Ober- 
stufe zu  lernenden  Gedichte'  nebst  einer  Auswahl  des 
Besten  aus  der  lyrischen  und  epischen  Poesie  des  achtzehnten 
und  neunzehnten  Jahrhunderts  und  einer  "'Auslese  aus  der 
Spruchdichtung  Goethes,  Schillers,  Rückerts  ihrem  ersten 
Plane  entgegen  auch  hier  die  Dreiteilung  in  lauter-,  Mittel- 
und  Oberstufe  beibehalten,  und  das  ist  entschieden  y.u 
loben,  da  in  der  Tliat  ein  Weniger  der  Bände  ein  Mehr 
bedeutet  gegen  d.is  \'icl  . 

Weiterhin  ist  dieselbe  von  uns  bei  der  Besprechung  der 
ersten  Au sgabe  gerühmte  ausgezeichnete  Gruppierung 
der  Lesestoffe  beibehalten;  es  ist  den  Herausgebern  auch 
hier  darauf  angekommen,  die  sorgfältig  ausgewählten  Ein- 
heiten überall  zu  Oanzen  und  Gruppen,  Lese  gangen 
und  Kesekapiteln  zu  verbinden,  die,  ein  Verweilen  in 
demselben  G  ed  a  n  k  e  n  k  r  c  i  >  e  gestattend,  das  Lesebuch 
des  enc\  kK)pädistischen  Charakters  entkleiden.  So  haben  die 
Herausgeber  abermals  eine  Konzentration  gewonnen, 
wie  ihresgleichen  in  keinem  Lesebiiche  zu  finden  sein  dürfte. 

Auch  bei  der  Auswahl  der  Stoffe  waren  die  gleichen 
Grundsätze  und  Grundanschauungen  mafsgebend :  es  ist  den 


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Otto  HrhttU«. 


HerausgLbcni  darauf  angekoiiiineii,  mit  mir  wertvollen 
Einzel  Stoffen  eines  jeden  Bandes  den  Zögling  einzuführen 
in  die  Fülle  der  Heziehungeii  des  Menschen  zw  seines- 
gleichen, /n  der  ihn  umgebenden  Natur  und  W  e  1 1 ,  zu 

dem  über  Natur-  und  Menschenleben  waltenden  Ciotte; 
es  galt,  alles  des  wirklichen  I  n  t  e  r  e  s  s  e  s  1*^  n  t  b  e  h  r  e  n  d  e 
fernzuhalten,  der  Quellen-  und  (]  u  e  1 1  e  n  ge  ni  ä  fs  t  u  Dar- 
stellung breiten  Raum  zu  gewähren,  der  I'orderung  einer 
vorzugsweise  epischen  G estalt uug  der  Lesebücher  ge- 
recht zu  werden  und  endlich  den  ethisch  «religiösen 
Aufgaben  der  Schttle  mit  dem  ganzen  Charakter  des  Lese- 
buches  wirksame  Unterstützung  zu  \erleihen.  Und  wie 
nun  diesen  Grundsätzen  entsprechend  die  Auswahl  selbst 
getroffen,  das  ist  in  allem  fast  muster-  und  meisterhaft  zu 
nennen.  Zum  Beweis';  dessen  führe  ich  aus  Teil  III  aus 
der  Partie  der  Quelleudarstellungen  nur  eins  an:  Unter  der 
Hauptüberschrift  «Luthers  Wesen  und  Wirken,  dargestellt 
nach  seinen  eigenen  Aussprüchen  *^  wird  folgendes  treffliche 
Material  geboten: 

t.  L«fth«r  und  s«inc  Eltern. 

I — 3.  Kur/.c  Aussprüclic  über  ^'ater  «iid  Mutti.T  und  Ahnen, 
.j.  Hfik-idsclircibeii  I.utlttrs  :mi  sciiK-n  kranken  X  alcr. 
^  I  iillu  r  ;m  Mt I.III' Iii limi  über  dcti  Tod  seines  Vaters. 
II.  Luther  und  das  Reformationswerk. 

a.  Luther,  der  streitbare  II  t  ld. 

1.  Ausspruch  über  sein  Klosterleben. 

2.  Aus  den  95  Thesen. 

3.  (Wbel  vor  der  Kcichstagssitzung  f\Vurins|. 

4.  Sclihifswort  (k-r  Wrlciili^ini^fsrcdc. 

5   Sehrt  ibt  n   an  Lukas  Cranacli.  den   fürsichtigen  Meister, 
•seinen  ÜcIhii  (Uvatler  und  b'rennd 

6.  liricf  an  Melancbtlion  von  der  \\  .iilburj^. 

7.  Brief  an  Melanchthon  von  der  Feste  Koburjj  «her  den 
Reichstaj;  zu  Augsburg  und  die  Awgsburgischc  Konfession. 

b.  Luther,  der  Werkmeister  der  evangelischen  Kirche. 

1.  Lutbir  1111.1  fbe  Hibel. 

aa.  Ans  (kni  Sendscbreiben  «Vom  Dolmetschen', 
bb.  Von  der  lieili^an  Hiblia 
cc.  T")r.  Martin  I.ntbers  I.ied  von  (kr  Jiibel. 
dd.  Aus  tkr  XOrrede  auf  den  l'salter. 

2,  Luthers  Fürsorge  für  die  Schule. 

aa.  Ans  dem  Sendschreiben:  An  die  Bürgermeister  und 
Ratsherren  deutschen  ].,andes,  dafs  sie  christliche 
Schulen  aufrirlit^  11  \ind  ballen  sollen  . 

bb.  N'erscliiedene  Aiiss])riK-hc  über  Lehrer,  Kinder,  Volk, 
Katechisiuus  und  Bibel. 


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cc.  Von  der  Mnsika. 
dd.  Frau  Mtistka. 

III.  Luthcrt  der  Hefd  im  Beten. 

IV.  Luther  und  du^  Obrigkeit. 

V.  LHthers  sinnige  Betrachtung  der  Natur. 

1.  Gou  nahrl  alle  Tiere. 

2.  Gott  kann  alle  Handwerke. 

3.  OtJtt  könnte  wohl  reich  werden. 

VI.  Luther  im  Kreis«  der  Familie. 

a.  Frau  Käthe  und  die  Kinder. 
1—3.  Venschiedetie  Aussprüche. 

4.  An  seine  Hausfrau. 

5.  Abermals  an  seine  IIau,s£rau. 

6.  Luther  an  .seine  i-Vau. 

7  —  11.  Auiisprüche  über  .seine  Kinder  und  über  Kinderer/.ieluiii^ 
nebst  z%vei  Briefen. 

12.  Aus  Luthers  Testament  vom  6.  Januar  1542. 

13.  Kin  Brief  tler  Frau  Käthe  an  ihre  Schwester  nach 
Luthers  Tode 

h.  I.  ulher  und  M  e  1  a  n  i  Ii  t  h  o  n. 

1.  Luther  über  Melanchlhon. 

2.  Mebuu  ht!'.i 'i:  iiber  Luther. 

Läl.sl  iiicliL  scliuii  diese  scheinatisclie  Atifzälihiii^  er- 
kemicji,  wie  einzigartig  und  tretfeiid  von  den  Heniusgebein 
aiLsge wählt  worden  ist!  Wahrlich^  ihre  Auswahl  —  je  weiter 
nach  obeUf  desto  inustergfiltiger     ist  des  grofsten  l.»obes  wert! 

Der  erste  Teil  weist  75,  der  zweite  gegen  90  und  der 
Oberstlift  nl'.uul  mehr  als  iixj  neu  liiuzu<(ekoniniene  be/.w. 
M  r s a  t '/ iiiunniern  auf.  A  u  s  e  soll  i  e  d  c  n  sind  insbesondere 
luauclK  (kr  vf^n  uns  in  der  ersten  r.c'>] »1  cchunj»^  verworfenen 
iruekcncn  und  inhaltslosen  I>eschreibun»(en  aus  der  Natur- 
kunde. Als  >Gruppe<  stehen  neu  die  Darstellungen  aus 
der  alten  Geschichte,  die  Bilder  deutschen  Städte- 
lebens und  die  Aufsätze  und  Lebensbilder  aus  dem  Gebiete 
der  Künste  (Bankunst,  Malerei,  Musik).  Was  die  Nummern 
aus  dem  Gebiete  der  Knuste  anlani^t,  so  hätten  wir  von  ihnen 
\'rv\\  einijrc  treffendere  und  farbeurt  icliere  und  auch  cinii^e 
hrHi  j^^ewünscht,  denn  i^erade  dieses  Gebiet  ist  nach  Stoff 
und  (lehalt  so  reieh  und  anziehend  und  von  erzieherischem 
Werte,  dafs  ein  X'erlangen  nach  mehr  gewifs  als  berechtigt 
anerkannt  werden  wird. 

Da  die  Herausgeber  auch  sonst  vielfach  neue  Töuc  und 
Wege  an-  und  ein.schlagen,  so  nehmen  sie  vielleicht  auch 
dankbar  einijj^e  ^veitere  .Xnre.i^nnj^en  und  Wünsche  entj>;ej^en. 
So  würden  wir  es  beispielsweise  höchst  willkonnnen  heif^cn, 
wenn  späteren  Auflagen  vielleicht  noch  einige  Cirnppeux 


Otto  8r1itilse. 


zugefüji^t  würckii  unlcr  den  L'bcrsclirifkn  etwa:  a.  Dialek- 
tisches, b.  Siiinbiltler  und  v*^\  inbole,  c.  Die  clirisl- 
Hchen  Feste,  bezw.  die  deutschen  I'\stc  ülierhaupt, 
\'olkstuui,  X'olkssitte,  Volksart  oder  dci^l.  Des  be- 
sclir:inkten  Raumes  wegen  begnügen  wir  uns  mit  die.sem 
eintaeheu  Hinweise. 

Auch  der  sich  anschliefsende  IV.  Teil  zeugt  von  aufser- 
ordentlichem  Kleils  und  (ieschick.  Der  «^Kanou  der  auf  der 
Mittel-  inid  Oberstufe  zu  lernenden  Gedichte  —  120  ist 
nach  den  Deutsch-Lchrplänen  solcher  Schulen  zusamnRiiL^e- 
slellt,  für  deren  rrci)rauch  das  Mittelschullesebueli  Ljedaeht 
ist;  auf  diese-  WVi.se  ist  eine  kaum  eiueu  \\'juisch  übrig- 
lassende ZusammcnstellunjLj  herausoek»  iihhil  11,  die  von  den 
hel  l  liehen  Blüten  der  einschlägigen  Lilleralur  die  schönsten 
und  duftigsten  bietet  —  Bei  der  ^  Auswahl  des  Besten  ans 
der  lyrischen  und  epischen  Poesie  des  achtzehnten  und  nenn- 
jjehnten  Jahrhunderts  sind  die  Herausgeber  auf  25  Dichter 
zurückgekommen,  auf:  Klopstock,  Höltv,  Herder,  (^loethe, 
Schiller,  Claudius,  Hebel,  K.M.  Arndt.  Rückt-rt,  Th.  Körner, 
Schcnktiiilurf,  1' bland,  (  r.  Schwab,  Jnsl.  Kcmki,  Cluimis.so, 
lucheiuloi  ff,  \V.  Müller,  Ciciok,  Spitta,  Ilullinann  \  .  Fallers- 
leben, (ieibel,  J.  Mosen,  Kinkel,  Hreiligrath,  Kopisch.  Iki 
den  dieser  »Auswahl*  beigegebenen  ^^Sprücheu^  von  Goethe 
und  Schiller  haben  auch  in  dankenswerterweise  die  drama- 
tischen Werke  der  genannten  Dichter  Herücksichtigung  ge^ 
funden.  —  Das  dem  IV.  Teile  angefügte  Hauptregister 
für  das  i^csamtc  I.escbncbs\\  erk  will  und  i^i  mehr  als  ein 
nur  aufsfus  t  )rieiitieruug.smiULl,  es  niüchle  Unterlai^en  ab- 
geben füi  ileii  Unterrichtselbst;  auch  die  kurzen  biograpliischen 
lieiträge  sind  unter  Rückscliau  und  Bezugnahme  auf  den 
gesamten  Lesebuchsinhalt  gegeben  und  wollen  ihrerseits  an- 
deuten, wie  l^itteraturkundliches  gewonnen  werden  kann  aus 
der  Sache  und  auf  Grund  der  Sache  an  Stelle  des  Redens 
über  die  »Sache  ohne  den  konkreten  Untergrund  . 

Unser  Kndurteil  lautet:  Das  Lesebuch  für  Mittelschnleu 
von  Steger  und  Wohlraljc  ist  ein  Werk,  wie  es  deren  nicht 
viele  giebt,  da.s,  meisterhaft  angelegt,  bis  ins  eiii/chistc  hinein 
äufserst  geschickt  und  musterhaft  zur  Ausführung  gelangt 
ist,  ein  Werk,  worauf  die  Herausgeber  stolz  sein  dürfen  und 
das  der  Schule  und  der  gesamten  Pädagogik  zum  Segen  und 
zu  kräftigster  Förderung  gereichen  wird. 


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Zwei  Tersammlixngen  für  wissen- 

scliaftliclie  Pädagogik. 


I. 

Freie  Veivini/arnn^  für  phihisophisthe  PäilHgo^ik. 
(Ständige  Nebenversamiulung  der  Deutschen  I,eUrerver.sanaulung.^ 

Die  3.  Tagung  der  I*rcieii  Vereinigung  für  philosophische 
rädagoj^ik  fand  vom  26.  2S.  Mai  d.  J.  zu  Hand)urj^  statt.  ') 
Als  Versni!iiiiluMLi<ort  war  derselben  für  alle  drei  Morgen  der 
'riK;iter>;ial  des  K<  c  nttj^nrlt  iis  ,niL;e\\  ie>en  wuiileu.  ein  schönes 
J,ulval.  in  d-.ni  die  Sitzung  jedesmal  gegen  '/..S  I  hr  iiegann. 
Der  erste  Vorsitzende,  Lehrer  F.  A.  Steglich -Dresden,  eröffnete 
die  Versammlung  mit  Begrüfsung  der  zahlreichen  Anwesenden 
und  dankte  dem  Ortsausschusse  für  Bereitung  der  gastlichen 
»Statte,  worauf  Realschuldirektor  Dr.  Reinniüller  als  Deputierter 
des  Ausschusses  für  XLl>enversannnlungen  das  Wort  erhielt  und 
eine  licr/lichc  B».^rnlsiiniisrtde  an  die  I{rschienenen  richtete. 
Erster  ('.cj^x n^-land  «k  r  Tagesürdnung  am  26.  Mai  war  ein  kurzer 
Jahresberiehl,  den  der  Vorsitzende  erstaltete.  Auh  demselben  sei 
folgendes  angeführt:  Über  die  Stuttgarter  Tagung  wurde 
referiert  in  den  N.  B.  (Aug.  94J,  im  Pädagogium  (Sept  94),  in 
der  Allgem.  D.  Lehrerzettung  (1894,  ^r.  30),  die  die  offiziellen 
Protokolle  brachte,  welche  sodaiui  in  der  Denkschrift  des  Stutt- 
garter Lehrertages  mit  Aufnahme  gefunden  haben;  der  erste 
Jahresbericht,  welcher  in  Stuttgart  verlesen  ward,  er^^eliicn  voll- 
ständiiT       den  Rhein,  Hl.  (FS94.  Die  Rlum.  Jil.  brachten 

in  demselben  Helle  auch  die  Satzungen  der  Fr.  V.  zum  Ab- 
druck, wie  es  die  N.  15.  (Aug.  94)  ebenfalls  gethan.  Interessenten 
können  sich  also  ohne  weiteres  über  die  Fr.  V.  orientieren; 
aufserdem  jedoch  sind  nun  auch  gedruckte  Satzungen  unent- 
geltlich vom  A'orsitzenden  zu  l)eziehen.  Der  in  Stuttgart  von 
Dr.  vSpitzner  gehaltene  \'ortrag  ist  im  Druck  erschienen  (Leipzig 
1894,  Ii.  Ungleich),  doch  hat  die  daselbst  angenommene  Reso- 

'1  \\t»1.  den  Pericht  über  die  Stuttgarter  Tagung,  >N.  B.»  Aug. 
1894;  ebenso  den  i.  Bericht  in  den  >N.  B.<  Aug.  1893. 


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4B2 


httion  in  der  gc>jebeiieii  Passung  eleu  gewünschten  Ivrfolg  nicht 
gehabt,  ^)  weshalb  sich  die  Pr.  V.  in  ihrer  Hamburger  Tagung 
nochmals  mit  dem  Gegenstande  der  pädagogischen  Pathologie 
befassen  will  (am  3.  Tage).  Zu  den  im  ci  hlcii  Jahreshericlitc  er- 
wähnten ehrenvollen  Begrüfsungen  der  Fr.  V.  f.  philos.  Päd. 
ist  noch  die  «j^ekommen,  welche  Schtilinspektor  H.  Scherer- 
Worms  im  neuesten  Pädag.  Jnlirc>l)cric]iU-  (Bd.  47,  S.  5  r>) 
der  Vereinigung  gewidnit-l  hat  und  welche  im  wesentlichen  mit- 
geteilt wird.  Die  litterarische  Thätigkeit  der  Mitglieder 
der  Pr.  V.  galt  in  erster  Irinie  der  Mitarbeit  an  unsem  Zeit- 
schriften :  Allgem.  Deutsche  Lehrerztg.,  N.  B.,  Rhein.  BL,  Päd. ; 
auch  die  Lelirerin«  ward  berücksichtigt.  Aufs^dem  sind  einige 
wertvolle  Schriften  von  Mitgliedern  erschienen,  die  z.  T.  in 
den  genannten  Zeitscliriften  resp.  itn  Päd.  Jahresbericht  (hier  vom 
Mitglied  Scherer)  t)esprochen  wurden.  Die  Artikel  in  den  päd. 
Vereinsblätteni  sind  bekannt;  von  den  besonderen  Schriften  sind 
ZU  nennen:  Über  die  geisL  Fehler  der  Kinder,  von  Dr. 
Spitzner  (Leip/.  1894)  und  Woldem.  lyommatzsch  (Chem> 
nitz  1895»  Druckerei  v.  Carl  Wiechert);  Pestalozzis  Pädagogik, 
V.  H.  Scherer  (I.,eipz.  I^?95  T'  andstetter) ,  über  Jak.  Froh- 
schamniers  System,  v.  Dr.  B.  Münz  (Breslau,  Schottländer); 
die  zwei  vSchriften  so/inipädagogischer  Tendenz  von  T>r.  med. 
lul.  Reich:  vSozialh) gicn.  Studien  ,  Politik  der  Bevölkerung 
und  (»esellschaft  (Leipz.  1895,  Aug.  Dieckmann)  etc.  etc.  — - 
Von  den  Sektionen  der  Fr.  \\  hat  sich  bis  jetzt  am  regsamsten  die 
Gnippe  Westfalen  gezeigt,  welche  mit  den  westf.  lyehrertageti 
Csteni  1S95  u.  96  eine  zweite  und  dritte  Sitzung  abhielt; 
vor.  J.  sprach  in  Hagen  Hauptlehrer  lUidde  über  das  Charak- 
teristische der  Lotzeschen  Philosophie,  speziell  der  Psycho- 
logie '\rr"l.  T\li.  ]}1.  1S95),  in  diesem  Jnhre  in  Gelsenkirchen 
I.elire!  Kniep  über  die  Phantasie  in  der  Auffassung  Jak.  Froh- 
schammcrs  >  (s.  Allg.  D.  Lehrerztg.  1896,  Nr.  23,  S.  233).  Von 
den  Zeitschriften  der  Fr.  W  hat  bekanntlich  das  Pädagogium 
mit  März  1896  zu  erscheinen  aufgehört;  es  wird  gleich 'Diester- 
wegs  Jahrbüchern  stets  einen  ßhrenplatz  in  der  deutschen  päda- 
gogischen Tjtteratur  behaupten.  Für  die  Mil.ulieder  erwächst 
daraus  die  Mahnung,  sich  noch  fester  mit  den  Rh.  Bl.  und  den 
N.  B.  zu  verknüpfen,  die  vereint  nm  ehesten  geeignet  erscheinen, 
das  Pädagogium  zu  ersetzen,  soweit  dies  nngängig  ist  Die 
N.  B.  thun  sagt  der  Jahresberieht  ^  alles  Mögliche;  und 
die  Rh.  Bl.  sind  nicht  nur  ein  gei.-.tiges,  sondern  auch  ein 
finanziell-geschäftliches  Vermächtnis  Diesterwegs  (da  der  Ver- 
leger des  alten  Meisters  jüngster  Sohn  ist)«.  Daneben  sei  die 
Allg.  D.  I^ehrerztg.  der  Paden,  der  uns  aller  8  Tage  verbindet ! 


S.  N.  B.  Aug.  i«94,  ö.  396—397. 


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Ffwte  VercinigiiiiK  för  (ihiluiuphiM-lit!  PädaK^i^i'^- 


—  Aus  der  Zahl  der  Mitj^liedcr  (z.  Z.  cn.  150)  ist  am  6.  Okt. 
1S95  Prof.  Dr.  H  oche^i^er-Czeniowitz  durch  den  Tod  ge- 
strichen worden  (s.  N.  B.  Deas.  1895);  wie  dieses  teuren  Toten, 
so  gedenkt  der  Jahresbericht  noch  zweier  Männer,  die  zwar  der 
P*r.  y.  f.  ph.  P.  nicht  formell  angehörten,  aber  der  Sache  und 
der  Wissenschaft,  welche  wir  vertreten  vvolk-n.  tjetreu  gedient 
ihi  lA'ben  lanj; :  ()l)er>clui!r:U  A.  BertheU Dresden  (-r  26.  April 
1N96)  und  Sclmlrat  Dr.  Friedr.  r>i  lies- Wien  (  •  1 5.  Mai  i.Sc)6). 
Die  Versaninilunj(  ehrt  das  Andenken  dieser  drei  Zierden  der 
deutschen  Lehrerschaft  durch  Krheben  von  den  Plätzen.  Uni 
nach  Möglichkeit  zu  ersetzen,  was  wir  in  diesen  Männern  ver> 
loren,  ist  enger  Zusanimenschlufs  aller  notwendig,  die  unserer 
Wissenschaft  dienen  luid  den  Idealen  nachstreben  wollen.  I^nlur 
schliefst  der  Vorsitzende  den  Jahresbericht  mit  dem  Wunsche, 
dafs  auch  der  Fr.  ^■.  stell  iinrnor  mehr  slrebetide  Deister  an- 
schliefsen  möchten.  Mtiehleu  die  Ziele,  die  von  der  I'r.  \'.  f.  ]>h. 
P.  (und  ihren  Zeitschritlenf  angestrebt  werden,  glücklich,  weiui 
auch  nur  allmählich,  erreicht  werden! 

Nach  einsliiiiniij;t  r  Cii  nchmi>;vuij4  drs  jahresbericlUes  seitens 
der  \'ersanunlung  erhält  das  Wort  Haupllehrer  G.  Sicvert- 
N ieder.schelden  b.  Siegen  seinem  Vortrage:  Ober  die  Be- 
deutung des  Prohschammerschen  Kinheitsprinzips 
(der  Weltphantasie)  ffir  dU  Pädagogik<.  Der  reichhaltige 
und  übersichtliche  X'ortrag  währte  ge^en  i  '  /^  St,  und  es  sei 
im  voraus  !)emerkt,  dafs  der  zweite  (aut  die  I*raxis  in  Schule 
und  Leben  sich  beziehende)  Teil  desselbeti  am  j-.  Mai  zur  Be- 
hantliung  kam.  Mit  Recht  machte  nündich  der  \'orsitzende. 
als  nach  9  Uhr  wegen  der  Kjitfernun.v;  des  L,ükals  der 
Haupt\ersammlung  und  in  der  Besorgnis,  keinen  Platz  zu  find^ 

-  -  viele  Hörer  den  Saal  verliefsen,  den  Vorschlag,  den  zweiten, 
auch  für  sich  verständlichen  Teil  des  Vortrags  auf  den  zweiten 
Tag  zu  übernehmen.  Dem  von  eingehendem  Studium  zeugen- 
den Vortrage,  der  jedenfalls  in  einer  gröfseren  Zeitschrift  oder 
n!'^  Hroschüre  erscheinen  wird,  lagen  folgende  l^eit.sätze  zu 
Grunde: 

I.  Itidetu  (his  h  roh  sc  h  a  ni  in  e  rs  eil  e  Ivinluil.sprin/ip  11  eine 
tiefere  Ivrkeuntnis  der  menschlichen  Natur  erniü|^licht, 
indem  dassclhe  2)  durch  Aufhebung  de.s  schroffen  Dualismus 
(las  I'robleni  der  Weclisehvirknng  zwischen  Leib  vind  »Seele 
seiner  Lösung  näher  führt  und  damit  die  \' ererb  ungs- 
theurie  in  neue  Ikleiichtimg  rückt,  erweist  sich  dasselbe 
4)  als  wirksam  zur  hesstien  Erkenntnis  und  Leitung  des 
g  e  s  u  n  d  e  n  S  e  e  1  e  n  1  e  b  e  n  s  wie  auch  zur  Heilung  der  geistigen 
K  e  hier  des  K indes. 

II.  Aus  Frohschauimerü  Auffu.ssung  der  menschlichen 
Natur  und  dem  derselben  zu  (Grunde  liegenden  Kinbeitsprinzipe 
ergeben  sich  folgende  Resultate: 


F.  A.  8l«sUe1u 


1.  Die  Auffassung  der  Seele  als  eines  O  r a  n  i  s  mu»  mit  ver- 
schiedenen Kräften,  die  durch  das  Band  der  Phanta.sic 
zur  Einheit  verbunden  sind. 

2.  Die  Seele  ist  infolge  der  in  ihr  stattfindenden  Idce- 
realisienui«^  ent\vickluiii:sliedürftig  und  als  Synthetische 
l'oteuic  etitviickluu^s f ä hi ^. 

3.  Bei  der  gresamten  Seelencntwickluni'  bildet  das  (lenjut 
den  dunklen,  beweglichen  Hintergrund  der  übrigen  (reislvs- 
thätijjkeitLn 

4.  DadasCieuuU  um  die  iuucrlich  und  sell'slätidi^.  inilivid'u  11 
und  lebendig  j^ewordene  j)lastische  l'oleu/  «1er  Welt- 
plinnt  isir  i^t,  sozeigrt  «ich  injeder  Thätigkeit  des  Gemütes 

dies  e  s  e  1  b  s  t, 

5.  Diese  Auffassung  ist  wichtig 

a)  fi'jr   ilie    ii.idriLfi »Irische    I's\ choloj^^ie  (Apperception, 
Aufmerksamkeit,  Intereüse  u.  s.  \v.| 

b)  für  die  Auswahl  und  Behandlung  des  Stuffes. 

c)  für  die  Socialpädagogik. 

III.  1' r  o  Ii  s c  !i  a  ui  ni  e  rs  l"r/ieluin<is /.  i  e  1  f< '.lürk^c  li;4kt  it  1  ist  als  /u 
weit  gehend  ab2ulehnen  und  die  harniunischc  Ausbildung  des 
ganzen  Menschen  als  solches  nnwandelbar  festxnhalten.  Doch 
verdient  das  der  1*  ro  h  s  c  h  a  ui  ni  e  r  sehen  l'thik  /u  (irunde 
lieircnde  Trin/ip  lin  der  Auffassung  des  gen,  i'bilosophenj  Jic- 
achlunjr.  da  dasselbe 

1.  «lie  Verbindung  zwischen  Menschheitsideal  (Realisierung 
der  Ideen t  iitid  l'rziehunjrs/icl  (harmonische  Ausbildung 
des  ganzen  Menschen)  herstelit ; 

2.  als  eine  Grundlage  erscheint,  die  die  I'undamcnte  der 
Individual-  und  Socialethik  in  sich  schliefst. 

IV.  Die  1' r . .  Ii  sc  h  a  nmi  crsrhe  ori^'-niiisrlie  .Methode^  verlangt 
um  ihres  (1  y  n  a  m  i  .-^  cli  e n  Momenles  willen 

1.  ein  aufmerksames  Studium  und  eine  sorgfältige  Beachtung 
der  tliatsächlich  gegebenen  körperlichen  und  seelischen 

Zustände. 

2.  Indem  sie  so  den  Pädagogen  darauf  hinweist  neben  der 

methodischen  .Aufgabe  die  psycholo- isrlie  nicht  zu  ver- 
gessen, hilft  ihre  Anwendung  zur  Verhütung  und  Heilung 
der  geistigen  Fehler  beitraj^en. 

3.  Das  der  receptiven  Seite  ikr  menschlichen  Natur  ent- 
stTt  cbcnflc  TU  e  c  h  a  n  i  s  c  h  e  Monu  iit  \\  «  isl  tU  n  Kr/.ieher 
daraut  hin,  dals  die  schaffende  Potenz /u  ihui  jiethätigung 
die  Aufnahme  des  notwendigen  Materials  voraussetzt, 
also  ciTie  rein  formak  Hildung  unmöglich  ist. 

4.  Sunach  tritt  der  Mensch  in  Beziehung  zur  Natur  und  Ge- 
schichte und  erscheinen  die  Lehrstoffe  als  Kultur- 
},Miter,  in  dirm  rberlicferun^  die  welthistorische  Be- 
deutung des  I.ehrerstandes  beruht. 

5.  Da  also  die  organische  Methode  sowohl  der  historischen 
Continuität  als  auch  der  menschlichen  Natur  gerecht  wird, 
i.st  sie  natur-  und  kuUurjir«  tn;iis  und  steht  somit  im  Dienste 
der  lndi\idual-  und  Soziaipadagopk. 

V.  Da  die  Organisation  der  G esell.sch af t  auf  Grund  der 
Kechtsidce  und  unter  dem  gestaltenden.  s\  iithetischeti  ICinflu.sse 
der  Weltphantasic  dm  Zweck  hat.  nicht  blofs  das  leibliche 
I.eben  zu  sichern  ninl  zu  fördern,  son<lern  auch  ;xeisti>^e 
Hildunij  zu  errint^en  un<l  fort/itst^  t/«.  n.  die  Ideen  der  Wahrheit 
{in  der  Wissenschaft^  des  Guten  (im  sittlichen  Leben),  des 


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Frei*  Y«rai»i(UB|r  für  philMopMuoh«  PXdHTiWilt.  485 


ScTiotitn  (in  der  Kunst)  zn  verwirklichen  und  diirrli  Rili 
j^ion   und  Civilisation,  d.  Ii.  durch  die  (iesaintkullui    in  ilas 
I.eheti   einzuführen   und  sie  fortzubilden,  so  steht 
d  ein  K  u  1 1  u  r Staate  die  oberste  Ordnung  und  I^eitung 
d  er  S c Ii  u  1  c  z u. 

VI.  Z  usa  ni  m  c  n  t  a  SS  u  u  ^  ;  Das  auf  der  \V  el  l  pli  a  n  t  a  s  i  e 
aufgebaute  S  yst  e  ni  Frohsch  a  ni  ni  e  rs  verdient  die 
n c  a c h  t  n  n  jüf  d  er  I*  ;i «1  a  o  e n  i  n  h  o Ii  e  111  M  a  f s  e ,  «1  e n  n 
e  s  ist  ^  e  e  i  j;  n  e  t ,  d  i  e  \"  e  r  Ii  i  11  d  u  n  g  /.  \v  i  s  c  Ii  e  11  I  n  d  i  v  i  - 
dual-  und  Soci  a  1  ])s  ychol  ojjf  i  e,  Itidividual-  und 
Socialethik  und  damit  zwischen  Individual-  und 
S  o  r  i  a  1  p  ä  d  a  ji^  o  ^  i  k  h  e  r  z  u  s  t  e  1 1  e  n 

Nachdem  am  27.  Mai  dieser  mit  kldiafteiii  Beifall  nnfge- 
nomnicnc  Vortrag  beendet  war,  nimmt  tlie  Versammlung,  welche 
von  einer  Abstimmung  und  Debatte  über  die  anfgestellteu  I,eit' 
Sätze  absieht,  noch  eine  Nach-  bezw.  Zuwahl  vor:  Als  dritter 
Vorsitzender  wird  gewählt  Hauptlehrer  Sievert-Niederschelden, 
als  weiteres  Vorstandsmitglied  (auf  Vorschlag  des  Wirsitzciulen) 
Scluilinsp.  Schercr  Worms.  IJeide  Herren  nehmen  die  Wahl  an. 
Nun  erhält  Scluilinsp.  H.  Scherer  das  Wort  zu  seiiutn  \'orlra.ire: 

Uber  •  Päd  ajjogi  k  n]<  \\' i  s  ^  en  s  cli  :i  f  t ,  sowie  lihir 
vv  eitere  Schritte  z  u  i  h  1  e  ni  A  u  s  b  a  u  .  1  )a  de  r  Ketei  en  t 
keine  I^eitsätze  aufgestellt  hat,  ist  es  schwer,  die  Hauptgedanken 
seines  inhaltvollen  stundigen  Vortrages  zu  skizzieren.  (Viel- 
leicht thut  er  dies  in  den  »N.  U.  oder  »Rh.  Bl.  gelegentlich 
einmal  selbst!)  Schcrer  führte  in  freier  Rede  im  wesentlichen 
die  r.cdankeii  aus.  welche  er  sclion  in  seinem  Wegweiser  zur 
Forlliihlung  in  der  wissenschaftlichen  und  praktischen  V.-Sch.- 

i'ada^oi^ik  (I,ei])zig,  BrandstellerV  sowie  im  Päd.  Jahicsltcr 
(z.  Ii.  in  Jkl.  47)  näher  be^rüiuleL  hat.  Wenn  Relerenl  sicli  kurz 
fassen  will,  so  glaubt  er,  die  Kernpunkte  des  Scherersclieu  Vor- 
trages durch  folgende  Sätze  wiedergeben  zu  können:  i.  die 
Pädagogik  als  Wrssenschaft  mufs  eben  so  selbständig  be- 
handelt und  betrachtet  werden  wie  andere  Wissenschaften;  in 
ihrer  jetzigen  (offizi( lloiO  Cicstalt  ist  sie  noch  ein  Mischprodukt 
im<  dem  Neu  -  lV->talo//i;uii'^!nus  einerseits  und  der  von  der 
Kirchenlehre  l»ceinllul.-.len  Regulativ  -  Pädagogik  andererseits. 
2.  Die  Schattenseiten  dieser  (Katheder-)  Pädagogik  liegen 
offen  zu  Tage  und  veranlassen  zu  den  sog.  Refor m be- 
streb nn  gen,  die  dahin  gehen:  a)  die  V.-Sch.- Pädagogik 
wissenschaftlich,  d.  h.  natur-  und  kulturgemäfs,  weiter 
auszubauen  und  ilir  h)  in  der  Praxis  des  \'.-Sch.- 
Wescns  die  H  errsch  a  f  1  Lro'^  rn  /w  helfen.  3.  Man  ist  daher 
bestrebt  und  niu  is  es  sein,  ant  <\\v  Ou  eilen  werke  der  Päda- 
gogikzurückzugehen, auf  die  päd.  Kla.->siker,  deren  Schriften 
die  Grundsteine  der  päd.  Wis.senschaft  bilden,  wenn  auch 
manche  Einzelheiten  angesichts  des  heutigen  Kulturzustandes 
auszuscheiden  sind.    4.  Man  mufs  bestrebt  sein  (und  man  ist 


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486  A.  StrgUcb. 


es),  den  G  r  ii  n  d  w  i  s  s  e  n  s  c  h  a  i  t c ii  der  Pädaso^i^^  inid  ihrer 
I^iitwickc  hniL;  eine  tortgeset/.te  Aiifinerksainkeit  zu/iiw  enden :  a) 
die  empirische  und  experimentelle  S  ee  1  e n  k  u  ii  d  e  hal»en  schon 
vieles  aufgehellt;  doch  da  sie  zur  völligen  Erklärung  der 
psychischen  Phänomene  noch  nicht  ausreichen,  niQnsen  sie  durch 
die  rationelle  oder  philosophische  Psycholoj^ie  ergänzt  werden. 
Hrst  die  Vereinigunj^  aller  zwei  resp.  drei  Grnppen  wird  in 
Zukunft  <lie  wissenschaftliche  Psyclioloj^ie  bilden,  b)  In  der 
der  Sittenlehre  }<e\vidnieten  Litteratnr  zeißt  sicli  das  Streben, 
die  ethischen  ("Jesetze  in  ihrer  I' n  al)h  an  ^  i  irk  ei  t  von  der 
religiösen  Weltansciiaiiung  darzustellen.  Der  ivriolg  dieses 
Strebens  mufs  auch  der  Selbständigkeit  der  Pädagou;ik  nützen. 
—  Seiner  Pe.stalozzischrift  will  der  Vortragende  einige  Schriften 
folgen  lassen,  die  den  in  dem  Vortrage  ausgesprochenen  Ten- 
denzen Rechnung  zu  tragen  bestimmt  sein  sollen. 

Der  mit  lebhaftem  Beifnlle  anfi^enoninienen  Rede  Scherers 
folgte  eine  längere  I>ei>atte,  in  welclier  des  ülteren  der  Denlsclie 
Vulksbund'  erwähnt  ward,  der  die  Ausl)veiluni;  der  ]>äd.  Ideale 
ebenfalls  begünstigen  wtrrde.  Aus  der  Debatte  ging  folgende 
Resolution  hervor,  die  einstimmig  angenommen  wurde: 

Im  Anschlufs  an  den  Vortrag  des  Herrn  S9hulinspektors 
Scherer:  liber  Pädagogik  als  Wissenschaft  etc.  beschliefst  die 
I'r.  V.  f.  ph.  1*.  (stand  Xcbenver.s.  d.  D.  Lehrervers.)  an  den 
ständigen  Ans<;ehnl<  (he  l'itle  /n  richten,  derselbe  wolle  auf  die 
Tagesordnung  einer  der  nächsten  Lehrerversannnlungen  die 
Frage  stellen:  »Welches  ist  der  gegenwärtige  Stand  des 
Ausbaues  der  Pädagogik  als  Wissenschaft,  und  inwie- 
fern sind  die  Fortschritte,  die  dieser  Ausbau  erfahren, 
in  den  I^chrerbtldungsanstalten  zu  bcräcksichtigen?« 
(Kndgiltige  Fassung  vorbehalten.) 

Gegetistand  der  Tagesordnung  am  28.  Mai  war  ein  Referat: 
•  Über  die  pädagogische  Pathologie  in  ihrer  W'ichtii^- 
keit  f  fi  r  Jn  ge  1  d  h  >  u  i  eti  e  und  Scli  u  1  pr  ;\  \  i  s  .  Als  Rcierciit 
namens  des  \'urstantles  war  Kollege  Dr.  AHr.  Spitzner  be- 
stimmt; leider  war  derselbe  vor  der  Abreise  nach  Hamburg  an 
das  Krankenbett  seines  Vaters  gerufen  worden.  An  seiner  Statt 
übernimmt  der  erste  Vorsitzende  F.  A.  Steglich  das  Referat, 
während  dessen  Ivrstattung  und  Besprechung  der  ijeugewälilte 
dritte  Vorsitzende  vSievert  die  \'er.samnilnng  leitet.  Der  Referent 
bei;ründet  u\  tingefnhr  "  ,  stündigem  \'ortrage  f<">lgende  Sät/e,  an 
deren  \\'iederL',ai)e  wir  uns  heute  genü-en  las.sen,  da  jedenfalls 
in  nächster  Zeit  in  den  N.  H.  das  Tliema  selbst  einmal  des 
nähereu  behandelt  werden  wird.  Ks  wurde  dargethan:  Bei  der 
Wichtigkeit  der  pädagogischen  Pathologie  für  die 
Jugendhygiene  und  Schulpraxis  handelt  es  sich  zunächst 
(bei  dem  gegenwärtigen  Stande  der  Dinge)  darum,  dals  die 


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Freie  T«r*liilg«iif  fllr  phlloBophlMho  Pidaffeftk. 


geislij^c  Gesundheit  der  Jugend  ebenso  einj;ehend  und 
iiinfrissend    wie   die    leibliclie    Gesundheit  derselben 
einen   Gegenstand   schulhv)»  ionischer   Fürsorge  bilde. 
Hierzu  gehört  vur  allen  Dingen: 

1.  die  Förderung  des  Ausbaues  einer  wissenschaftlichen 
l)adagogischen  Pathologie  als  Grundlage  einer  gedeihlichen  päda- 
gogischen Jugendhygiene,  welcheder  medizinischen  Hygiene 
ebenbürtig  zur  Seite  steht  ttnd  mit  ihr  zu  gemeinsamer 

Arbeit  berufen  ist: 

2.  die  Herbeiführung  staatlich  angeordneter  ni ed  i  z  i  n  i  s c  h- 
pädago  i;  !  scher  Beobachtungen,  UntersuchnngeJi  und 
statistischer  Erhebungen  in  Bezug  auf  die  thatsüchlichen 
Zustände  und  Verhältnisse  der  Schulkinder  hinsichtlich 
ihrer  geistigen  Beschaffenheit,  Normalität  und  Bil- 
du ngsf  äh i gkei  t  und  hinsichtlich  der  Bedingungen  ihrer  geistigen 
Kntwicklung  in  der  äufsern  und  iunern  Sphäre  ihrer  Um- 
gebung, speziell  der  Schule. 

Dem  ebenfalls  beifällig  aufgeiioinmenen  Referate  fol.i^te  t  itic 
längere  allgemeine  KrArternng.  die  schliefslich  zur  einhelligen 
Annahme  des  folgenden  B  e  s  c  h  1  u  is  a  n  t  r  a  g  e .s  führte : 

Unter  Zurückgreifen  auf  ihren  in  Stuttgart  gefafsten  Be- 
schhifs  iiiwl  im  Iliiil-Hck  dai.iuf,  <l;ifs  in  den  Itl/Uii  Jaliiiii 
in  der  pädagogi.schen  Tresse  und  in  zahlreichen  I^hrcrx xrciiien 
über  *die  geistigen  Fehler  der  Kinder  und  ihre  notwentligc  Ue- 
achtiing  seitens  der  Krzieher  verhandelt  worden  ist,  richtet  die 
l'Veie  Vereinigiini,''  fitr  philosopltische  Pfidagogik-  nach  einem 
Rcid.iU,  das  in  ihixi  3.  Taj^unx  llamhurg  erstattet  wurde, 
an  den  ständigen  Ausschufs  der  deiUsi  lun  I.i  hrerversaniin- 
Iwng  <las  höfliche  Fnsuchen,  derselbe  wolle  gefl.  heschliefseti, 
die  l'rage  der  pädagogischeu  rathologie  in  ihrer  Wich- 
tigkeit für  Jugendhygiene  und  Schulpraxis  als  Ver- 
einstlumn  für  eine  fU  r  foliL^enden  Dentsclieii  Lehrer- 
vers a  ni  ni  hi  n  ^en  vtir/.u.selihigeii  resj)   zn  hestininien. 

HoHentlich  werden  sich  auch  diese  Verhandlungen  als  segens- 
reich für  den  weiteren  Ausbau  der  philosophischen  Pädagogik 
erwiesen  haben. 


Dresden. 


F.  A.  S  t  eg  I  i  c  h. 


Auf  der  Warte. 


Die  Abändernng  der  Prüi'iiii^Hordiiutiju:  für  Miti«laehullehr«r  and 

Rektoi'en. 

'  Es  erben  sich  Gest-tz'  und  Rechte  wie  eine  o\v\s;e  Kraiiklieit 
fort'.  Ist  einmal  ein  (innul  j^eleg:t,  so  wirrl  auf  diesem  Grunde 
und  an  diesem  Grunde  weiter^ehmit,  niibckinnmerl  darnm,  o]» 
er  ein  Produkt  kranker  oder  t^fsundi  i  Zust:(ti(k' war.  Die  Grund- 
lagen ob  ihrer  Wahrheit  /u  priUcu  und  .sie,  lalls  ihre  Zeit  längst 
unter  der  P>de  He^,  durch  neue,  zeilgemäfse  zu  ersetzen,  ja, 
wer  in  der  Folgezeit  daran  denkt,  Icommt  leicbt  in  den  Ruf  eines 
unpraktischen  Idealisten,  eines  unruhigen  Neuerers  oder  auch 
wohl  eines  ituverbesserlichen  Re  aktionärs»  während  das  bequeme 
Beharren  in  den  betretenen  Bahnen  sich  mit  V(»rHcl>e  in  den 
Mantel  der  Besonnenheit,  des  mafsvollen  Fortschritts,  des  *mit 
den  Realitäten  rechnenden  Mannesalter^  hfdll. 

Auch  im  Schulwesen  giebt  es  eintn  sulciun  Grund,  von 
deni  man  sich  nicht  losdenken  kaini,  auf  dem  die  so  praktisch 
Klugen  und  männlich  Besoiniencn  pietätvoll  festsitzen  wie  das 
Schiff  auf  der  Sandl)ank,  einen  Grimd,  au  dem  sie  flicken  und 
neuern,  in  mafsvolleni  Tempo  naturlich,  und  von  dem  aus  d^i 
vSclude  doch  niemals  eine  :.:;esTtndc  Reform  erstehen  kann,  weil 
er  eine  tote  und  tnnl)e  ]"iucht  am  Baume  de-  n:iti(»ti.il(  ii  Lebens 
war.  Dieser  Gnnul  sind  die  R  e  u  1  a  t  i  v  e.  (  UK  i  --(•Uten  >ie 
längst  zu  dem  Toten  geworfen  sein  .•'  Jii,  so  giaulien  so  viele, 
die  an  dem  Schnlwagen  seitdem  gescholx^n  haben,  allein  sie 
thaten  es  ja  in  ihrer  .sogenannten  Besonnenheit  stets  unter 
pietätvoller  Berücksichtigung  des  Gewordenen,  der  Realitäten 
und  die  Urrealität  waren  eben  die  Kegnlatix  e. 

Die  pädagogischen  Normen  vom  Oktober  1S54  bildeten  ein 
würdiges  Seitenstnck  /u  den  Ohnützer  Punktationen  vom  No- 
vember iSsc).  Wie  die-^e  (k  ii  jM  iliiischen,  .so  l)edeuteteii  ji  ne  <len 
geistigen  Selbstmord  riciil.sen,s.  Doch  in  der  tiefen  X'eibeugung 
der  Staatsoberhoheit  vor  den  bildungsfeindlichen  weltlichen  Ge- 
lüsten der  Kirche,  wie  sie  in  den  Regulativen  zum  Ausdruck 
gelangte,  lag  nicht  das,  was  der  Entwicklung  des  Schulwesens 


Ulf  Altfindtrnng  4er  PrShmirMmlnii»K  lir  NUtelteballehrer  und  B«ktor«]i. 

auf  die  Dauer  verhängnisvoll  wurde:  das  war  vielmehr  die  voll- 
ständig laienliaftc.  unwissenschaftliche  Auffassung  des  Unterrichts- 
und I^rziehunuss^eschäftes.  jene  Auflassung,  welchr  tliu  hohe 
Kunst  der  phuivollen  Mensciienbildung  alles  Künstlerischen  ent- 
kleidete tiiid  auf  eiu  paar  haiidwerksniäisige  Handg^riffc  herab- 
würdigte, ja,  die  Thätigkeit  des  öffentlichen  Unterrichtens  und 
Krziehens  noch  unter  das  Thun  des  Handwerkers  stellte.  Es 
war  die  vollständige  \'erleugnung  alles  dessen,  was  unsere  grofseii 
Meister  über  das  Werden  und  Wachsen  der  Menscbenseele  er- 
forscht und  entdeckt  hatten,  der  radikale  Bruch  mit  Prenfsens 
.glorreichster  \'t  r.v,^ingenheit,  der  Bruch  mit  dem  Pt  stalu/./itum 
und  die  Proklaniierung  des  Dogmas,  dafs  die  gedächlnisniüfsige 
Beherrschung  des  notwendigen  Wissens  den  Lehrer  ausmache. 
Nicht  darin,  dafs  die  Regulative  die  allgemeine  Bildung  des 
Lehrers  auf  ein  so  äufserst  bescheidenes  Ni\*eau  herabdruckten,  lag 
das  am  meisten  Verderbliche,  sondern  darin,  dafs  sie  für  den  I^ehrer- 
stand  die  allgemeine  Bildung  mit  der  Berufsbildung  identifizierten 
und  die  Notwendij^kt  it  einer  besonderen  niif  der  allgemeinen 
Bildung  sich  erlulx-udcn  wissenschaftUcli  pädagn-isclKii  Fach- 
bildung verneinten,  so  dais  lurtan  in  und  mit  der  allgenieinen 
Bildung  die  Fähigkeit  sowohl  zur  Anstellung  als  I^ehrer  als 
zur  Besetzung  der  höheren  und  höchsten  Stellen  im  Schulwesen 
gegeben  war.  Kein  Lehrer,  kein  Schuliuspektor,  kein  Schulrat 
und  kein  Dezernent  in  der  Abteilung  für  das  Schulwesen  wurde 
fortan  nach  einer  wissenschaftlich -pädagogischen  Bildung  gefragt, 
keiner  gefragt:  Hast  du  einen  Comenitis,  einen  Pestalozzi,  einen 
Herbart  grüiidlicli  studiert?  ICs  >;Liüi'L^te  für  die  niedlichsten 
wie  für  die  höchsten  Ämter  der  Nachweis  der  allgemeinen  Bil- 
dung, wie  sie  in  d^  Muster- Volksschule,  Seminar  genannt,  oder 
in  einer  höheren  Schule  erworben  wurde. 

Das  war  der  Kemschatten,  den  die  Regulative  weit  hinein« 
warfen  in  die  kommenden  Zeiten.  Unterbunden  war  der  Lebens- 
nerv des  inneren  »Schulwesens. 

iMiicr  der  wenigen,  die  päd ac^M irischen  Tiefldick  gcnni»;  be- 
saiten, um  die  ganze  ruf  sc  der  (Vclalir  /u  erkennen,  war  J)iester- 
wcg  ,  der  unentwegte  \  ertreter  der  Pestalozzischen  Schule,  der 
'  unverbesserliche  Reaktionär«',  wie  ihn  der  Minister  v.  Bethniann- 
H oll  weg  nannte,  weil  er  hinter  die  regulativischen  Bestimmungen 
zurück  wollte.  Doch  was  half  es,  dafs  er  bis  zum  Ende  seines 
Lebens  im  erbittertsten  Kaniiife  ausharrte?  Ks  war  ihm  mit  all 
seiner  Knergie,  mit  all  seiner  rücksichtslosen  Beweisführung  nicht 
mö'^lich.  den  einmal  f_r<  thaiien  »Schritt  nngethan  zu  machen,  ja, 
er  konnte  es  niclit  im  Cieringsten  verhindern,  dafs  man  sich  in 
die  geschaffenen  Verhältnisse  hineinlebte,  dais  man  sich  an  sie 
gewöhnte  und  die  Weiterentwickelung  des  Schulwesens  an  die 
Regulative  anknüpfte.  Und  wie  geschah  die  Weiterentwickelung? 

ir«n  8«kMii  (Pidifof Inn)  TU.  ».  32 


490  Wlfice. 


Die  Miiiinial/alil  (30)  der  zu  lernenden  Kirclienliedcr  wurde 
durch  eine  Maxitiinl/nlil  iin)  ersetzt.  Die  unbestimmte  Menj^e 
der  zu  lernenden  S]u  iK  1k- crliiclt  in  der /<nli]  iv!o  eine  bestinunlL- 
(Frenze.  Der  gesonderte  fakultative  Reahuilerrieht  wurde  in  einen 
obligatorischen  verwandelt  —  d.  h.  für  die  einklassige  Volks- 
jichule,  denn  nur  für  diese  waren  feste  Bestimmungen  getroffen. 
Der  für  die  Aufnahme  in  das  Seminar  vorgeschriebene  religiöse 
Memorierstoff  wurde  auf  das  Pensum  der  einkla-si.^en  Volks- 
schule reduziert,  das  Pensum  des  Seminars  im  Rechnen,  in  der 
Raunilehre  und  im  Zeichnen  wurde  ct\vn<  erweitert  und  flvr 
Ausschlufs  der  >sö>;i'naniUen  klas>i.-.chcn  I,itltralur  von  der 
Lektüre  der  Seminaristen  mit  einigen  Ausnainnen  versehen. 

Das  waren  die  ebenso  bedeubiamen  wie  tiefsinnigen  >Hr- 
gänzungcn«  der  Regulative,  die  erst  recht  daxu  Ixfltntgcn, 
dafs  das  pädagogisch  fundamentlose  System  der  Herren  von 
Räumer  und  Stiehl  seine  Wurzeln  tiefer  und  tiefer  schlug. 

'<)  vcr<_;^tngen  iS  Jahre.  Ks  kamen  die  Sonnentage  des  poli- 
tischen Autschwungs  Preufsetis,  und  nach  diesen  Sonnentagen 
kam  wieiler  ein  neues  Ministerium  auf  itn  l/mde,  das  Ministerium 
Falk.  Mutvoll  korrigierte  es  al>l)ald  die  im  Laufe  der  Zeit 
etwas  verschobene  Stellung  des  preufsischen  Staates-  zur  Kirche 
nach  den  alten  preufsischen  Prinzipien,  und  ich  bin  der  Überzeugung, 
Falk  hat  auch  die  ehrliche  Absicht  gehabt,  der  Jugend-  und 
Volksbildung  aufzuhelfen.  Doch  wie  das  anfangen?  Kr  selber  war 
Jurist.  Ich  glaube  kaum,  dafs  er  vor  seinem  Amtsantritte  die 
Reguhitive  gelesen,  geschweige  denn  das  preufsisclie  Schulwesen 
der  Vergnngenheit  gnindlieli  studiert  liatte.  Jedenfalls  hatte  er 
keine  l'ädagügik,  keinen  Cumeniiis,  keinen  Pestalozzi,  keinen 
Herbart  und  Diesterweg  .studiert,  und  ein  Stein  war  nicht  vor- 
handen, der  ihm  in  grofsen  Zügen  den  Plan  zu  einer  Neuorga- 
nisation der  Volksbildung  hätte  entwerfen  können.  Ihm  wird, 
als  er  ans  Werk  gehen  wollte,  der  himmelweite  Unterschied 
zwischen  Juristerei  und  Tadagogik  zum  "Rewnfst.sein  gekommen 
sein :  doch  er  wollte  uik1  mufste  etwas  thun.  etwas  schaffen, 
man  erwartete  es  von  ihm.  da  er  liberal  war  und  nicht  kon>(.r- 
valiv  wie  .sein  Vorgänger,  und  so  entliefs  er  denn  den  intellek- 
tuellen Urheber  der  Regulative  und  griff  zu  einem  Mittel,  das 
ihn  mit  Anstand  aus  seiner  schwierigen  Lage  befreien  zu  können 
schien:  er  liefs  sich  in  Fachmänner- Konferenzen*  über 
die  Au  '  -enheiten  des  Schulwesens  belehren  und  übertrug  die 
Aufgabe,  <K  1  ^'^lk•<selnde  andere  Cirundlagen  zu  geben,  ebenfalls 
einem  h  ac  h  manne  ,  dem  als  Xnchfolger  vStiehl*  im  Dezenmt 
für  das  \'olksschul-  und  Senunarwesen  in  da>  Miuisieiiuni  be- 
rufenen Seminardirektor  Schneider:  ein  kluger  und  verstän- 
diger Gedanke,  aus  dem  Gutes  hätte  erspriefseu  müssen,  weim 
seine  «  Fachmänner«  nicht  -  Regulativ-Pädagogen  gewesen  wären. 


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491 


^^oclltc  niaiich  altes  lA'hrcrberz  im  Stillen  der  alten  Päda- 
goj»ik  die  Trene  l)C\vahrt  IuiIkti,  diejcnif^cn,  welche  vorwärts  j;e- 
konnuen,  welche  in  die  niafs>;cl>i.  ndc  ii  Stellen  eingerückt  waren, 
sie  alle  verdankten  ihre  Karriere  ihrer  Wirksamkeit  inner- 
halb der  Regulative.  Sie  gerade  waren  es  gewesen,  welche 
die  Stunden'  und  die  LehrpUnc,  die  Prfifinigsordnungen,  die 
Lehr-  nnd  die  Lenibüchei  und  die  Lehrer  selber  regulativisch 
bearbeitet  hatten:  sie  ji:erade  hatten  das  lu  ne  Dogma  von  der 
Herufslo<ii;keit  de^  Tvehrerstandes  in  die  l'raxis  übertragen  nnd 
alles  gcLhan,  um  <lie  reichen  l^rkeuulnisschätze  der  grofsen 
Meisler  nnd  (U  n  (u  danken  einer  w  is^eu.^chaftlich-pädagogischen 
Bernfsbildnng  in  \'ergesseuheit  geialen  zu  lassen,  und  dämm 
eben  waren  sie  gewonlen,  was  sie  waren,  und  einer  der  eifrigsten 
Vertreter  der  Stiehlscheii  Schule»  die  ohne  jede  wissenschaftlich - 
pädagogische  Bildung  arbeitete,  einer,  der  in  all  seinen  Ämtern 
nach  Kräften  dazu  beigetragen,  dafs  sie  nun  festgefugt  dastand, 
das  war  der  neue  Dezernent  ffn  das  Volksschul-  uud  Seminar- 
Wesen,  der  (leheimrat  Schneider. 

Und  die  F  a eh  m  an  n  e r  -  K  u  u  1  e  r  e  n  z  ,  mit  der  sich  iler 
Minister  über  das  X'olksscludwesen  unterhielt,  du  lieber  Hinnnel, 
Mitglieder  aller  Parteien,  nämlich  aller  politischen  und  kirch- 
lichen Parteien,  waren  um  einen  Tisch  versammelt,  und  das 
nannte  man  ernsthaft  «Fachmänner -Konferenz  !  Ich  möchte 
wohl  wissen,  was  die  b'achmänner'  v.  K  1  e i  s t  -  R  e  t  zo  w  , 
Überpräsident  a.  D.,  v.  M  a  1 1  i  n  c  k  r  t)  d  t ,  Regienni c^srat  a.  1 )., 
und  Weifs,  l'a)>rikant  in  Berlin,  dem  Minister  über  die  1a1>»^u- 
fragen  der  \  olksschule  erzählt  haben !  Unter  den  20  Mitgliedern 
befanden  sich,  was  sicherlich  am  meisten  zu  verwundern,  auch 
^wei  VolksschuUehrer,  nämlich  Böhm  uud  Dörpfeld,  und 
Dörpfeld  scheint  der  einzige  Fachmann  gewesen  zu  sein,  der 
mit  (ler  Absicht  gekommen  war,  pädagogisch  zu  denken  und 
l)ädagogisch  zu  diskutieren.  .Allein  er  kam  nicht  zum  Wort 
und  hat  nachträglich  in  seitun  (rrnndlinien  der  Theorie 
eines  lAhridanes  Ixd^nunt  gegeben,  was  er  dem  Minister 
eigentlich  lialte  sagen  ut>llen.  Diesem,  der  nicht  wufste,  dafs 
die  Schule  auf  einer  höheren  Warte  steht  als  auf  den  Zinnen 
der  Partei,  der  keine  Ahnung  davon  hatte,  dafs  sie  ein  Organis- 
mus sein  uuifs,  der  aus  der  Erziehungswissenschaft  sein  Leben 
schupft,  dem  Minister  Falk  scheint  die  lyust,  selber  Hand  an 
zulegen,  sehr  bald  vergangen  zu  sein;  er  überliil^  --iil!  nnd 
die  vSchnle  sciucTu  Dezernenten  und  dieser  entwarl  ihm  Die 
A  1 1  g eni  e  i  u  e  n  lU  s  t  i  ni  m  u  n  g  e  n  .  Sie  tragen  Kalks  N  amen, 
allein  i'alk  dürfte  an  ihnen  .so  un.schuldig  sein,  wie  es  Bis- 
marck au  den  Matgesetzen  zu  sein  später  behauptete. 

Mancher  Mensch  kann  viel,  er  kaiui  den  Mantel  nach  jedem 
Winde  hängen,  kaim  zweeu  und  mehr  Herren  dienen,  kann  mit 

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492 


seinem  sogenannten  Standpunkte  von  einem  Koden  anf  den 
andern  springen  den  Grad  seiner  ]^;idngogischen  KrkiniUiiis 
kann  er  nicht  wechseln  wie  zwei  Rcc  ki.,  der  ist  und  l»lcd)l 
unter  allen  limsläuden  ein  Prutlukl  seines  Lehens,  seines  lang- 
jährigen Tfauns  und  Lossens,  Denkens  und  Nicbtdenkcns,  und 
darum  ist  auch  der  Sprung  vom  Staatsanwalt  und  Justizrat  zum 
Staatspädagogeii  ebenso  schwierig  wie  der  Sprung  von  Stiehl 
auf  Pestalozzi.  Wer  erwartet  hatte,  der  liherak  Minister 
Falk  würde  auch  unreine  der  grofseii  <chulpoliti>chcu  Fragen 
lösen,  der  sah  sich  sehr  bald  L::ctrmscht,  und  q-eläust  Iii,  wer  dn 
erwartet  hatte,  an  niafsgel^eiuler  Stelle  würde  über  Naclil  die 
F>keiniinis  gekommen  sein,  dafs  zur  Leitung  und  Beauf- 
sichtigung der  Kntwtckehnig  eines  menschlichen  Wesens  an 
Leib  und  Seele  zum  mindesten  eine  ct)enso  lange  berufliche 
Lehrzeit  gehört  wie  etwa  zum  Schuhmachen,  zum  Häuserbauen 
oder  zur  Leitung  einer  Lokomotive,  und  man  würde  nun  den 
Lehrern  eine  mindestens  dreijährige  pädagogische  Fachbildung 
geben  lassen,  würde  die  Seminare  zu  solrlien  Hernfsschulen 
machen,  wie  sie  eiil>])rechend  die  Schneider,  die  Zinnnerleute, 
die  Brauer,  kurz.,  la.->i  alle  Handwerker  bereits  hatten,  zu  Be- 
rufsschulen, in  welchen  die  angehenden  Lehrer  an  den  Werken 
Pestalozzis,  Herbarts  und  Diesterwegs  theoretisch  und 
praktisch  durchzubilden  sind  und  deren  I^esuch  den  Nachweis 
der  notwendigen  allgemeinen  Bildung  bedingt.  Und  erst  recht 
gründlich  getätischt  sah  sich,  wer  erwartet  hntte.  er  würde  etwas 
hören  von  deutscher  Xational>chide,  <lem  Iiiliaite  und  den 

Zielen  der  allgemeinen  Men.>chenbiklung,  von  einem  StoUaus- 
Wahlprinzip,  von  psychologischer  Konzentration  bezw.  Metliodi- 
siennig  des  Unterrichtsstoffes  u.  s.  w.  NichtSi  nichts  von  alledem, 
den  Sprung  von  Stiehl  auf  Pestalozzi -Herbart  versagte 
das  Naturgesetz.  Der  Geheimrat  Schneider  war  an  den  Boden 
gebunden,  den  er  seit  dem  Jahre  1S54  bearbeitet  hatte,  und  von 
fh'esem  Roden  aus  erfüllte  er  den  Auftrag  des  Ministers  in  höchst 
einfacher  Weise.  hW  belegte  nämlich  mit  Besiiinmuni^en.  was 
h\  das  alte  Kegulati\  nicht  hineingezogen  war,  die  normalen 
Volksschuleinrichtungen,  die  Trennung  der  Geschlechter,  die 
I<«inrichtung  und  Ausstattung  des  Schulzimmers,  die  unentbehr- 
lichen Lehrmittel,  die  Tabellen  und  Listen,  die  Schulbücher  und 
Schulheftc  und  die  mehrklassige  Volksschule  und  legte  darüber 
fest,  was  initer  Stiehl  Sitte.  Gebrauch  und  Norm  geworden 
war.  Ferner  schuf  er  eine  ncne  Schulart  mit  erweitertem  Lehr- 
plan, die  Mittelsclnde,  k ihre  Ziele  der  Sl  iniiiaras]>iranten- 
prüfung  zugrunde,  l)ürtleLe  darüber  huiaus  den  »Seminaren  ein 
ziemlich  bedeutendes  Pensum  in  allgemeiner  Bildung  und  Musik 
auf,  streute  hier  und  dort  eine  landläufige  methodische  Bemerkung 
ein,  schuf  die  Mittelschullehrer«  und  die  Rektorenprfifung,  änderte 


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493 


die  Firma  und  —  eine  neue  Ära  der  Kntwickelung  des  Schul- 
wesens halte  begonnen. 

T'<  wurde  zu  weit  führen,  wnlltr  m-Ii  ^Vw  Allgemeinen  Be- 
sliininuagen  im  Kinzelnen  einer  Kritik  iiiiler/ielien.  Wer  sie 
als  l'ädniroi^e  prüft  und  mit  den  Regulativen  vergleicht,  der 
kann  in  ihnen  unnniglich  einen  nennenswerten  Fortschritt  er- 
blicken, gleichen  doch  z.  B.  bezüglich  der  Religion  die  neuen 
Forderungen  fast  bis  zum  Wortiaute  den  alten.  Nur  formell 
wurde  l)eseitigt.  was  Stiehl  geschat'fen;  in  Wirklichkeit  war 
niclit  mehr  die  einklassit^e  Volksschule,  es  war  das  ganz-:'  Volks- 
schulwesen nach  >Stieli!--rlieni  Rezepte  reglementiert  und  durch 
die  schwanketide,  vieldeutige  Sprache  dem  didaktischen  Malerialis- 
nnis  Thür  und  Thor  geöffnet.  Die  nnps\ ch(»lngisi'lK-  wisseti- 
schaftlich-systeinaLische  Stoffauswahl,  auf  alle  Fächer  ausgedehnt, 
begründete  die  Wissensschute.  Das  Seminar  blieb  allgemeine 
Bildungsanstalt,  und  die  angebenden  Lehrer  wurden  nach  wie 
vor  t)erufslos  hineingesandt  in  die  Werkstatt  des  Geistes.  2 
Stunden  Pädagogik  wöchentlich  —  welch  ein  Hohn  auf  das 
IVstalozzitum.  auf  das  Lehen  und  Streben  unseres  grofsen 
Nfeisters,  auf  unsere  liernfswissenschaft  und  unsere  Kunst!  2 
Stunden  Pädagogik  wöchentlich  und  was  für  eine  Pädagogik! 
—  genügten  dem  (leheimrat  Schneider,  um  Lehrer  zu  bilden, 
und  als  Konsequenz  6  Wochen  Hospitierzeit,  um  aus  Theologen 
Schulinspektoren  zu  machen!  Die  Lehrer,  die  dem  ^kiihnen 
Kluge  <lt  s  Palkeiiv  zujut)elten,  ich  glaul)e  nicht,  dafs  sie  wufsten, 
was  sie  thaten.  Sie  waren  abgedrängt  von  ihren  Idealen;  sie 
seuf/ten  unter  den  materiellen  Sorgen  und  deuteten  die  Omkel- 
spriu  l'.v  (Ks  Ministers  zu  ihren  (Tunstcn.  Durch  seine  materiellen 
Wrsprecluingen  berückte  er  sie.  die  so  lange  ohne  Hoffjuing 
gewesen,  und  sie  stempelten  aus  Dankbarkeit  für  seine  leeren 
Versprechungen  seine  Fehler  zu  Fortschritten  um,  ja,  IjegriUsten 
es  wohl  selbst  als  Portschritt,  dafs  er  anstatt  der  geistlichen 
die  weltliche  »Srlnilaufsicht  einführte,  anstatt  der  Pastoren  Philo- 
logen. Landwirte,  Förster  und  Apotheker  zu  Schulinsj)ektoren 
machte.  Wer  sich  näher  über  die  Ära  F'alk  unterrichten  will, 
der  lese  Snrk,    Schlaglichter  zur  V(i  1  k  s  1»  i  1  d  n  n  g  . 

Und  wieder  verschwanden  24  Jahre.  Minimier  gingen, 
Minister  kamen  die  AUg.  Bestinnnungen  überdauerten  ihren 
Wechsel.  Ks  blühte  die  Herbart  -  Zillersche  Schule  auf,  das 
pädagogische  Denken  in  einer  Weise  befruchtend,  wie  es  zuvor 
nie  geschehen  war.  Die  Schulreformbewx -tnig  .schlug  ihre 
Wellen,  und  vcmi  Kaiserthnme  rauschte  ein  FVühlingswehen  hinein 
in  die  Winterstarre  des  Bildungswesetis.  Das  Dreigestirn 
Comenius.  Pestalozzi  und  Diester  weg  leuchtete  nnf  am 
pädagogischen  Himmel,  und  eine  dankbare  (Tenieintk  grul)  ilire 
Werke  heraus  aus  dem  Wust  der  Leitfäden  und  Lehrbücher, 


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494 

(kr  V'cronliuini^LH,  W-rffiiMitT^in  iiiul  Vorscliriflon  einer  iiiiiii- 
slcritllcn  l*iu1ni;o;^'ik.  l'iul  (kiiiinoli  scliicJi  es  tiirltt  l'rnliliii^^^ 
werden  zu  wollen  in  der  de  Ischen  t^cluile.  !  )a>  wordene 
war  zu  fesl  gefügt,  als  dafs  es  den  ersten  Stürmen  liülle  weichen 
koiitieti,  und  behielten  das  Steuer  in  der  Hand,  die  in  l>e- 
sonnenein  P^ortschritt  auf  dem  Gewordenen  aufbauen  wollten. 

Da  ging  zur  letzten  Osterzeit  das  Gerüclit  von  einer  Neu- 
regelung tl^^r  Prufungsordnnni;  für  Mittelscinil  lehrer 
und  Rekloren  durch  das  Land,  und  neu  l>elel)te  sich  das 
Hoffen.  An  dieser  vSlelle  war  der  ]?rn(  h  mit  tUii  Allt^.  Be- 
stinitnun>;en  offenbar  am  K  ii  lUesleii ;  Iiii.  r  knnnU-  'lir  I'.nl.i«4ot;ik 
als  Wissenschaft  und  als  Kunst  ohne  tietgreitemle  rinwid/.un;;en 
in  ihre  Rechte  eiiiKcsctzt  und  durch  eine  so  erreichbare  gründ- 
liche Vertiefung  der  pädagogischen  Fachbildung  der  Lehrer  und 
ihrer  Vorgesetzten  einer  zeit.neniäfsen  Schuheforni  (he  Wege 
geebnet  werden.  Das  Mittelsduilexamen,  das  «Iciii  einseitigen, 
unfruchtbaren  (»vlt  livteutum  \  erfallen  war  und  mit  der  päda- 
]ioi;ischen  KachbihliniL;  iMt^enthch  ^nr  niclits  /u  thun  h:itte, 
konnte  ohne  Not  aus  der  päda«^oi;ischen  Karriere  gestrichen 
werden.  Wollte  man  es  beibehalten,  dann  war  sein  Schwerpunkt 
aus  den  einzelnen  Wissensgebieten  in  pädago«^ischc  Krkeniitnis 
und  praktische  Tüchtigkeit  zu  verlegen.  Unter  allen  Umständen 
nuifste  das  Rektorexamen  umgestaltet  und  erschwert  werden. 
In  der  bisherigen  Form  entsprach  es  dem  Wesen  des  Amtes 
gar  nicht  und  war  überdies  so  1(  icht,  es  bewe>;te  sich  nach  den 
IkTichten  ilber  seinen  \'erl:uil  aliiibernl!  so  ^i\n/.  im  Rabimn 
der  Stieldschen  Schulkuntk,  dafs  es  keine  (larantieeii  bieten 
konnte  für  die  erforderliche  Tüchtigkeit  des  Rektoratskandidateu. 
War  das  Mittelschulexamen  immerhin  eine  Leistung,  wenn  auch 
wesentlich  des  Gedächtnisses,  das  Rektoratsexanien  war  keine. 

Ich  machte  in  Nr.  ..^  In  ]*äd.  Zeitung*  Vorschläi^e 
zu  seiner  Neugestaltung,  forderte  für  die  Zulassinig  den  Nach- 
weis einer  zehnjährigen  Schulpraxis,  für  die  srhriftb'che  Prnlung 
Antei  lii;niig  der  Arbeiten  in  der  Klausur  nnd  unter  Aulsicht, 
lür  ilie  thet>retischc  rriiiuag  xar  allem  liekanntschaft  mit  den 
methodischen  und  didaktischen  Theorieen  der  Gegenwart  und 
die  wissenschaftliche  Beurteilung  dieser  Theorieen,  für  die  prak- 
tische Prüfimg  Inspektion  einer  Schule,  im  Anschtufs  daran 
Abhaltung  einer  Konferenz.  Bericht  über  die  gesammelten  Be- 
obachtungen, wissenschaftlti  l5e  Htgründung  der  untcrrichtlichen 
Mafsnahmen  und  der  etwa  alnvrirheiiden  Ansichten.  Mir  kam 
es  «Inrnuf  an,  die  l'rüfungsbedingungen  so  /u  gestalten,  wie  es 
das  \\  e.^en  des  Amtes  bedingt.  Ich  wollte  sie  crscliwcreu,  aber 
gerec  1 1 1  erscl  i weren. 

Volle  Zustimmung  fanden  meine  Vorschläge,  von  Kinzel- 
stimnieu  abgesehen,  in  der  Zeitschrift  >Der  Rektor».  Bezüg- 


Dio  Abinderuag  der  Prüfunxeonlnune  ffir  MitU^locballcbrrr  und  Rrktor««. 


lieh  der  praktischen  Prüfmi-^  füllte  dieselbe  hinzu:  -Man  o^ehe 
dem  Kandidaten  die  Hekeln  ciluiui;  einer  Gemeinde  nncdi  7a\- 
sainuK-nsetziin^  tlci  Bevölkciiniir  inbeziig  auf  Zahl.  Jie>.cliäHigung, 
Religion  u.  s,  w.,  der  vorliandeneii  JLehrpersonen,  der  zur  Ver- 
fügung? Htehenden  Räume  u.  s.  w.  und  verlangte  von  ihm,  dafs 
er  aufgrund  dieser  Angal)en  eine  ihm  bestimmte  Organisation 
tlcr  Schule  auf  dem  Papier  durchführe.  An  reicher  Abwechslung 
der  Aufgaben  1  imm  und  wird  es  nie  khlen. 

Dagegen  nannte  ein  t^ewisser  Rektor  Wielanil  in  der  neiit- 
hen  S  c  h  n  I /.  e  i  t  u  n  g  nieiue  \'(>rschläge  eine  überragt  lunde 
Ktaktiun  ,  und  die  Päd.  Zeitung  btkämpitc  sie  in  zwei  wei- 
teren Artikeln.  Aufserdem  veröffentlichte  sie  in  Nr.  27  anonym 
eine  Zuschrift,  die  mit  rührender  Naivetät  den  Beweis  lieferte, 
wie  Lehrer,  die  durch  beide  Prüfungen  gegangen  sind,  nicht  ein- 
mal eine  schwache  Ahnung  von  einer  wissenschaftlich  päda- 
gogischen Fachbildung  haben  und  darunter,  wie  einst  Stiehl, 
ein  paar  niethotbschc  Handgriffe  \erstehen.  Die  Metliodc  folgt 
meist  <1ein  Sioilc  wie  der  Schatten  der  Tugend  ,  meint  der 
wackere  Rektoratskandidut.  Solchen  I<eulen  denn  ilircr  giebt 
es  mehr  —  wollte  ich  es  fortan  unmöglich  machen,  das  Rektor- 
examen zu  passieren,  dahec  meine  Vorschläge,  Ich  hatte  die  Ab- 
sicht, diese  gegen  die  Angriffe  zu  verteidigen;  inzwischen  ist  der 
angekündigte  Ivntwurf  einer  .Abänderung  der  Prüfungs- 
ordnung für  M  i  t  tel  sch  u  1  K  Ii  rcr  n  tul  Rektnren  veröffeiit 
licht  und  den  Provinzial-.Scliulkolle^ien  untt  Rcgitrrun>;c  n  /ur 
Begutachtung  zugegangen,  und  die  Lehrerschaft  hat  nunmehr 
zu  die.sem  Lnt.wurf  Stellung  zu  nehmen. 

Was  bringt  er?  Die  Vorschriften  über  das  Mittelschul- 
examen haben  nur  unwesentliche  Korrekturen  erfahren.  Er- 
lassen wird  e<  denjenigen,  welche  die  Prüfung  für  das  Lehramt 
an  höheren  Schulen  bestanden  haben,  alsi)  nicht  eo  ipm  den 
Theologen.  Die  T,ehr]>efä!iigting  im  Lateinischen  kann  nur  noch 
nel)enbei  erw  orbeii  w  :  den.  .''.nm  b'ran/u^ischen  gelu'a  t  stets  I-JV^- 
lisch.  und  aus  Deutsch  und  (icschichte  ist  eine  neue  Fachgruppe 
gebildet.    Das  ist  das  Bemerkenswerteste. 

Auch  das  Rektor  ex  amen  ist  an  sich  geblieben,  wie  es 
war;  doch  ist  es  erlassen  allen  akademisch  gebildeten  Lehrern 
und  den  Geistlichen  mit  fünfjähriger  Schulpra.xis.  Sodann  ist 
eine  neue  Kategorie  von  Rektoren  geschaffen,  der  \'olk-^ebul- 
rcktrir.  der  ^•f>n  fler  Abki^nn;^^  der  Prüfung  für  Lehrer  an  .Mitlel- 
.-elinkii  cnti)un«len  ist.  und  hier,  hier  ist  die  Stelle,  an  der  der 
Gei.^l.  iler  die  Allg.  liestinnnungen  durclidringt  und  seit  dem 
Jahre  1S54  über  dem  Schulwesen  schwebt,  mit  den  Händen  zu 
greifen  ist  Man  überlege  nur,  was  es  besagen  will,  wenn  einem 
Schulmanne  die  Fähigkeit  zuerkannt  wird.  Schulen  zu  leiten, 
den  Lehrern  Freund,  Führer  und  Berater  und  dem  Schulwesen 


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496  H-  wijcK». 


ein  T'ntwickcliin.irsfnklor  /u  sein,  und  daljci  die  P*ähi}j[keit  abge- 
sprochen, als  heliier  an  einer  Miltelsclinlc  .'mi^estellt  werden  /u 
können.  Und  doch  ist  diese  IJestininuinj;  eine  Konsequen/.  des 
Systems  Stiehl-S  eh  neidet,  eine  Konscqueiiz  des  noch  immer 
herrschenden  Dogmas»  die  Beherrschung  des  Wissenstoffes  mache 
den  Lehrer  und  nicht  eine  wissenschaftlich-pädagogische  Fach- 
bildiinj^.  Vom  Standpunkte  (kr  Allg.  Hestimnningcn  ans  war 
diese  Abänderung  ein  mafsvoller  Kortschritt.  Und  der  nächste 
Scliritt  wird  der  sein,  dafs  tlas  Kektorexanien  für  Volksschul- 
leiter gnn/  n1»i^eschafft  wird:  denn  in  seiner  bislu  rigen  I'\)rni  ist 
es  so  leicht,  dats  alle  Ivchrer  es  ablej^en  koinjcn.  Was  ist  Päda- 
gogik? Was  ist  Psychologie?  ^Unsinn  ,  soll  jüngst  einl'rovin- 
zialschulrat  gesagt  haben.  Noch  hofft*  ich  fest,  dafs  die  Provin- 
zial -Schulkollegien  und  Regierungen  die  geplante  At^nderung 
abändern,  dafs  sie  die  T^nterordnung  eines  der  wicluiusten, 
verantwortungsvollsten  Amter  im  Schulwesen  unter  das  einseitige, 
unpädagogische  P'achlehrertum  nicht  billigen  werden,  und  niclit 
billigen  werden,  dafs  tote  S]HvinlL;eU  lu>.amkeit  übel  jenes  päda- 
gogische Fachwissen  und  Fach  können  gestellt  wird.  da,s  stets 
eine  tiefe  allgemeine  Bildung  voraussetzt  und  darum  einschliefst. 
Wird  mein  Hoffen  sich  erfüllen?  Oder  werden  die  Regulative 
sich  forterben  wie  eine  ewige  Krankheit? 

Coswig  (Anhalt).  H.  Wiggc. 


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CliroxLik.. 


I>«'i*  Kf»nij>r  um  (Iii*  Sohule. 


—  Die  uUramunlane  (  icrniania  schreibt /.um  IaIi rc'rbesolthin>>.s- 
j^eseU:  Der  Kultusinini.slcr  dürfte  aus  dem  Scheitern  <ks  I.ehrerhe- 
solduni^'s^esctzes  im  Hcrrenhatis  in  Verbindung  mit  der  Resolution 
des  Abgeordnetenhauses  die  Übcr7.eug^ung  gewonnen  haben,  dafe  ein 
von  chnstHchen  Übenseugunfren  {^releiteter  Kultusminister  heute  ebenso 
wie  /AI  Zeiten  des  (trafen  Caprivi  und  des  (*>rafen  Zedlitz-Trfitzsehler 
den  Mut  besitzen  nnifs,  ein  auf  c  h  r  i  s  1 1  i  cli  e  n  A  n  s  c  Ii  a  n  n  n  ^  e  n 
anfj;ebautes  \' *  >  1  k  s  s  c  h  u  1  es  c  t /. ,  oder  iu>rh  besser  ein  den 
christHchen  (»rundsaUcu  c  nlsjucviicudes  all^;«.  luviiie.s  l  iit«.  1 1  ichlsgesvl/., 
wie  c«  die  \  erfa.s.sung  in  Aussicht  genommen  hat,  den\  Landtag  zu 
unterbreiten 

—  Die  Kreissynode  Iserlohn  erklärte  die  Forderung  der  konser- 
vativen Partei  auf  Vorlegung  eines  Volksschul  gesel/ es  im 
Sinne  desfirafen  Zedlitz  für  sehr  beda\uHir!i  und  milsbilligte  sie. 

—  Der  Mrhifs  über  die  Abän(!erung  der  rrüfutTgsordnung  für 
Lehrer  an  Mittelschulen  und  Kekt'^n  n  (s.  Auf  der  Warle  iti  diesem 
Heftel  versetzt  die  («ermania  in  starke  ICrregung.  Die  Oilsschul- 
inspektiun  der  Pfarrer  in  den  Städten  ,  so  ruft  sie  schmerz- 
bewegt aus,  >ist  in  Gefahr,  wenn  nicht  die  katliolischen  Stadt- 
schulgemeinden und  die  geistlichen  OrtsschuHnspektoren  der  Städte 
rechtzeitig  Verwahrung  einlegen.  Und  doch  hat  das  Zentrum  im 
Kulturkampf  so  hcifs  »im  die  Krhaltung  der  geistliclieii  OrlsschuU 
inspektion  ;jekämpft  I  Der  b-vanj^elische  ( >berkirchenrat,  so  führt  sie 
au-^'.  habe  die  (iefahr  fi'ir  die  j^eistliclie  Scbii!anfsiclit  sofort  erkannt. 
scuhj  \  oi.sullun;^^  wur<lc  aber  vom  Tuten  ielilsniinisler  abscldäi;i;(  bc- 
scliieden.  und  er  wurde  damit  getröstet  ,  dais  den  lieistlichen  der- 
jenigen Konfession,  in  deren  Hand  bisher  die  Ortsschulaufsicht  ge- 
legen habe,  die  Aufnahme  in  den  Schulvorstand  gesichert  werden 
solle.  Dieser  Trost  genügt  der   (".erm.    ganz  und  gar  niclit.    ICs  sei 

höchste  Zeit,  dafs  von  katholi.scher  wie  von  evangelisclier  Seite 
Protest  eiugelexjt  werde  gegen  diese  unter  der  Ilaiid  V>v  absiclitigte 
und  teilweise  S(  lieii  in  die  W'eire  geleitete  Heseitiguug  der  geistlichen 
Ortssclndinspcktion  in  gn»is(  leii  und  grofsen  Städten  —  seitens  des 
-wohlwollenden   Ilerni  rutciiichtsministers  .  Wo  steht  denn  in  jenen 


49? 


Vorschlaj^cii  etwas  von  drr  Srhiiliiis]>cklioii  ?  Vud  tlafs  die  rrcist- 
lirht-n  die  irn>fsen  Sc1mi1s\ .sUiiK  in  den  St;idlcn  nicht  leiten  können, 
bedarf  doch  ei^enlhili  keines  Beweises  njchi. 

~  Die  Kreissynode  Hagen  hat  küfziich  bejtchtosseit.  das  Kdnigl. 
Konsistoriam  zu  bitten,  es  möge  die  OeistUchen  ermächtigen, 
ihr  Amt  als  Ortsschul Inspektor  nach  Umständen  auch  ohne  be- 
sondere Genehnngiiiiu  des  Konsistoriums  nieder/. n legen. 

—  Auf  dein  IV.  hessischen  Kath<dikentage.  (K  r  am  :?S.  Juni  in 
Offtill >:ii^  Ii  n.  M.  tagte,  wurde  dit-  fnVjrtTdc  Resohition  angrnotnnien : 

1  )a  sowohl  (lif  !v)tern  als  aticli  dir  Kin  lu;  riii  unveräufserlit h^-s  Kerbt 
auf  die  Schule  haben,  ila.s  ihnen  »luroli  das  staatliche  Schulinono]>ol 
entzogen  ist,  so  fordern  wir,  dafs  der  Kirche  und  den  KUern  der 
gebührende  Einflufs  auf  die  Schule  wieder  eingeräumt 
wird;  insbesondere  verlangen  wir,  dafs  der  Kirche  ihre  volle  Frei- 
heit in  der  blrteilung  und  I,eitung  des  Religionsunterrichtes  in  den 
Vf)lks-  und  höheren  Schulen  in  keiner  Weise  beschränkt  werde, 
l'erner  verlangen  wir  die  Beseitigung  der  getneinsaTuen  Sehlde,  da 
sie  iiiinniLT  ihre  Aufgabe  eiiKr  religir>s  sillliclien  i'>ziehnng  der  Kin- 
der erfüllen  kann.  Wir  verlangen  nicht  minder  »lie  Wiederlierslellung 
konfessioneller  Lehrer-Seminare,  die  Zulassung  der  Orden  xur  Lehr- 
thätigkeit,  sowie  endlich  die  Wiederherstellung  und  Gewährleistung 
des  katholischen  Charakters  deijenigen  höheren  Lehranstalten,  welchen 
derselbe  stiftungsgemäfs  zukommt«. 

Allgemeine  Schnlstatistik. 

—  Auf  der  Nishnij  Nowgoroder  Ausstellung  hat  das  Ministeriuni 

der  Volksanfkläning  eine  kleine  Karte  der  N'olksbildungs-!  in 
Rufsland  ausgestellt,  die  richtiger  Karte  der  rnbildung  genannt 
werden  niüfste.  }{s  erweist  sich,  dafs  es  solcher  idealen  (hegenden, 
wo  auf  lüo  l'jnwohner  mehr  als  6  Schiller  kommen  in  Rufsland  nur 
zwei  gibt :  I-'iunland  und  l^ivland ;  5  bis  6  Schüler  uuf  100  Kinwohner 
weisen  nur  die  Gouvernements  Kurland,  Ksthland  und  Taurien  auf; 
4  bis  5  Schüler  noch  die  Gouvernements  Jaroslaw  und  Ssaratow. 
Sodann  ist  es  aber  mit  den  »Bildungsoasen«  zu  Ende!  Der  grofste 
Teil  des  r,oii\ ernenients  Petersburg,  die  ( louvernements  Moskau, 
Twer,  Smolensk,  Kabiga.  'I'ul.i.  Orel,  Wladimir,  Rjäsau.  'J'ambow 
haben  nur  noch  3  bis  4  Schüler  auf  100  lunwobtier,  und  noi  h  scliwär/er 
und  dunkler  sieht  es  in  dem  übrigen  Rufsbind  aus.  i  )ais  es  im  I  ral- 
gebiete  nicht  mal  i  Schüler  auf  loo  Kinwohner  gibt,  nimmt  m.iii 
schliefslich  noch  ergebungsvoll  hin,  dafs  es  aber  im  europäischen 
Ruisland,  noch  dazu  hart  an  der  Westgrenzc,  auch  ein  solches  Gebiet 
gibt,  —  das  Gouvernement  Kowno  —  dürfte  doch  allgemeines  De- 
fremden  erregen. 

—  Im  Jahre  1S9;,  gab  es  in  Petersburg  3<vi  \'olksscliulen,  sämt- 
lich überfüllt.  war  die  Zahl  der  \  (tlksseliulen  auf  32S  ange- 
wachsen, «.he  «ibci  auch  sämtlich  überfiillt  waren.  Nach  amtUcber 
Mitteilung  konnten  im  Jahre  iN<j5  in  Petersburg  wvgen  Raummangels 


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6t54  Kindtrr  Iceine  Auf  nähme  iti  den  Schulen  finden.   VTnd  dabei 
drängt  sich  in  Petersburg  der  ganze  Fortsc'-n'lt  Knislands  /lusammen !« 

(iali/icMi  zählt  iinttr  seiiuii  mehr  als  6  Millioiifii  I'iii- 
wohncrti  {  Millioiicii  AiialphalH  tvn.  vh«)  ( ifiiiciiKU  n  sind  ohne 
Schul^^n  jvKxt  h.ilitn  wi-^jcn  Man^^cls  an  Lehrern  j;t.s|terrle  Schul- 
klasscii.  und  hkm)  Lelirper.sonen  sind  ohne  Lehrbefähigunj^.  In»  letzten 
Jahre  blieben  744. ««o  bildungsfähige  Kinder  ohne  jeden  Unterrieht. 

Hchiilverwaltiing,  -OrganitMitioii  und  •Ansstallong. 

—  Bei  der  Ortindsteinlegiinp'  des  Lehrcrheinifi  in  Schreiberhan 

äufserte  sich  Dr.  l?nsse  f^esprächsweise  üherdic  1 !  1  -  <  inei  n  e  X'olks- 
schule  dahin,  dafs  die  \'olksschnle  auch  fiir  die  liöhere 
ScIriiU  dir  einzig  riehtige  \"  o  rix*  rc  1 1  ti  n  s  nn  s  t  ;i  1 1  st-i.  wobei 
er  aus  stinn  i-rsten  Srliulzeit  heHcliU  u  ,  111  der  lv.  «KiiiilRT  fn  uc  er 
sieh  nocli  heule,  wie  neben  den  S«ihneu  <ler  ersten  bauulieii  Quedlin- 
burgs auch  neben  dem  Suhn  des  Arbeiters,  des  Knechts  und  des 
Handwerkers  gesessen  und  dadurch  von  vornherein  auch  Verständ- 
nis für  andere  Volkskreise  gewonnen  habe. 

—  Der  Senat  von  Bremen  hat  die  blrriohtung  eines  M  äfK  hcn- 
gyni n asi  u  ms  genehmigt,  dessen  Absolvicrung  znm  Universitäten 
besuch  berechtigen  soll. 

—  Aus  f-"r.mk Ullstein  i.  Schi,  wird  berichtet:  I)ie  K<iiii-1.  Re- 
gierung verlangt,  che  I.cbrcr  möchten  «he  Schulkinder  vt»r  Schädigung 
der  Fisch-  und  Krebsbmt  warnen.  Darauf  verfügt  die  Kreisschnl- 
inspektion:  >Die  Herren  I.,ehrer  wollen  alsbald  die  erforderliche  Kin- 
tragung  in  den Stoffx'erteilungsplan  machen  und  hierher  berichten, 
in  welchem  Monat  und  bei  der  H  es|>  rech  u  n w  ilchen  Ti«  rrs 
die  verlangte  W  arnung  erfolgen  si>ll  .  N'ertninderung  des  Schreibwerks! 

Dir  l'r!auV)Tn's  zur  l'bernalmu-  der  I.t"itung  einer  Privat- 
srhulc  ist.  weiiii  dieselbe  über  die  Ziele  der  XHlkssrhule  hinausgeht, 
uacli  V  erfügung  cles  L'nternchtsniin isters  allgenieiu  nur  solchen  Per- 
sonen zu  erteilen,  welche  neben  der  Hrfüllung  der  sonstigen  Voraus- 
Setzungen  auch  den  Nachweis  des  bestandenen  Rektorats- Kxamen 
erbracht  haben. 

—  Wie  die  P.  M.  erfährt,  wird  in  Posen  die  tel ephonische 
Verbindung  der  vSchulen  mit  der  Ceutralkitung.  Regierung  und 
Kreisschulins]»ektio!i  in  Aussicht  i^xiiommen.  (ianz  wi(  im  Inhrr  -f.  r, ; 

--  Das  ( )berlatulesgericht  in  Köln  bat  die  Stadl  kem>-rlitid 
verurteilt,  einem  Knaben,  der  durch  einen  v(>n  einem  Kemscheider 
I«ehrer  erhaltenen  Schlag  erheblich  verletzt  und  dauernd  an  seiner 
(iesundheit  geschädigt  ist,  die  Summe  von  20,000  M,  als  Ent- 
schädigung zu  zahlen.  Gegen  dieses  Urteil,  das  von  allgemeiner 
Tragweite  ist,  ist  die  Stadt  bei  <lem  Reichsgerichte  vorsUlii:;  geworden. 

—  Auf  <ler  letzten  (iencralvcrsammlung  des  Landwirtschaftlichen 
Zentralvereins  für  T.itnnvn  titifl  Masuren  wurde  <Kr  Hniipt\'orsteher 
beauftragt,  bei  dem  Kcgieruugspniüidenteu  dahin  vorstellig  zu  werden, 


500 


dal.s  in  'U  ii  ländliclien  Scbnlen  «1  r  \f>  r  ni  i  tt  a  cfsn  ii  1 1  i  r  i  rli  t 
eiiij^efühil  wckIc.  ditsr  M  iisiLj^tl  in  li\ ;;ic iiij,cher.  sozialer  uiiU 
wirbicliafUiclicr  Be/.icliiiiij;  iiulwcndijj  ersclKinc. 

—  Gegen  den  Bau  eines  Centralschulhatiscs  ist  von  etwa 
100  Bürgern  in  Schneidemühl  an  die  kgl.  Regierung  zu  Bromberg 
eine  Petition  gesandt  worden,  in  der  sie  wünschen,  dafs  zwei  Schul- 
hänser  in  unserer  Stadt  erbaut  werden  sollen.  —  Wir  können  den 
Petenten  nur  beipflicliten.  Soleh  «^rofse  Scliulkasenieii.  welche  errichtet 
werden,  weil  sie  billi  j^er  sind,  erschweren,  ja  verhindeni  oft  die  gute 
erziehliche  i^inwirkiuij^  der  Schule. 

—  Auf  dem  (iute  X  etzband,  dem  (trafen  Künigsmarck  ge- 
hörig, schreibt  die  Neu-Ruppiner  Ztg.  ,  fehlt  dem  Schul  hause  ein 
Abortsgebäude  für  die  Schulkinder,  so  dafs  in  der  Umgebung  des 
Schulpalastes  rechte  Naturzustände  herrschen.  Vm  diesen  ein  Ende 
zu  bereiten  beantragten  der  Lehrer  sowie  die  Schulaufsicht,  den 
nötigen  T?;iu  lu  r/.ustellen.  ab»  r  \  t  rgeblieh  ;  der  r.titsherr  lehnte  alles 
ab  mit  dem  JU  ntcrktu,  es  wäre  ja  schon  Hunderte  von  Jahren  so 
gegangen  .    Noblesse  oblige! 

Braiehangs-  und  Unterrichtafk«gen. 

Der  französische  8eininari)rofe8Sor  A.  Moulet  besuchte  ver< 
schiedene  deutsche  Schulen  und  veröffentlichte  nach  seiner  Rückkehr 
seine  Erfahrungen.  Unter  anderm  schilderte  er  eine  Naturgeschtchts- 
stunde,  in  welcher  das  Knochengerüst  des  metischlichen  Körpers  be> 
schrieben  wurde,  und  knüpft  daran  folgende  Ilemerkungen  :  Iiier 
zergliedertrn  uthI  zerlegten  inT^ere  jungen  Doktoren  ohne  Mitb  it!  die 
Knochenmaschine;  derkUinsti'  Kn« »rhin  wui de  IkilitiiU.  \<ini  IlijiU  r- 
liaupt  bis  zum  \  ersenbein,  die  Wirbel  mit  einbegniJcn.  Die  Jülern 
sind  ganz  Aug'  und  Ohr.  Ist  es  möglich,  daXs  diese  Jungeua  das  alles 
wissen  ?  Ja,  meine  guten  Leute,  eure  Kinder  wissen  das  alles,  und  sie 
wissen  noch  viel  andere  Sachen  und  setzen  die  gröfsten  Zweifler  in 
I'Irstaunen  damit.  Die  bibli.sche  (beschichte  ist  ihnen  ebenso  geläufig 
wie  das  Abc  ;  sie  sagen  auch  alle  Hücher  der  heiligen  Schrift  her,  so- 
gar vom  li-t/tf-n  aTT^rfniiiren,  und  d.is  Schicksal  <lor  zwölf  Stämtne 
Israels  ist  iür  sie  kein  ( reluininis.  kennen  ^ic  da^^c^cti  ihre  freselze 
und  IJürgerplIichten  ?  Diese  Kinder,  die  heute  die  Schule  verlassen, 
hat  die  Erziehung  dieselben  vorbereitet  für  das  Leben,  für  das  wirk- 
liche Leben  ?  Werden  sie  den  Anforderungen  der  Seele  eines  Mannes 
des  Jahrhunderts  entsprechen  ?  Hat  man  in  den  Herzen  dieser  Kinder 
ein  höheres  Ideal  entwickelt,  die  morgen  Männer  sein  sollen,  viel 
edler  als  das  Streben  nach  der  nötigen  Krkenntnis  eines  bescheidenen 
frommen  Lebens,  des  (lehorsanis  \nid  der  rnlerotdimtVL^^*  In  <licscr 
Zeit  <ler  ivi  iL;t.  n  Anschauungeti,  des  ficbi-rhaflen  Su  <  1  cu--.  tici  ernsten 
Kample,  wo  das  (rute  und  das  Büse,  das  Heilsame  und  das  Schätl- 
liche  sich  vermengt,  sich  kreuzt  und  bekämpft,  wird  dieses  Kind,  zum 
Manne  geworden,  unterscheiden  und  wählen  können,  für  die  Sache 


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Chrunik.  ^(^f 


des  Fortsclirittcs  niul  der  (iercchtii^ktit,  <Kler  lieruiniritn  ohne  Ziel, 
ein  l'ahr/,eiij(  oluie  I.otse.  allen  Winden  preisgegeben .''v.  VVas  iüt  aus 
diesen  Henu  rkun^en  zu  lernen  ? 

—  y\A  der  ICinriclilung  enies  X  ii  1 1  o  n  a  1 1  a  g  s  luv  den  Ische 
Kanipfspiele,  von  dem  wir  in  Heft  7  berichteten,  hat  sich  der 
KuUusniinister  Dr.  Bosse  in  einem  Schreiben  an  den  Vorsitzenden 
des  Zentralausschusses  zur  Forderung  der  Volks-  und  Jugendspiele, 
Abg.  V.  Srhcnckendorff,  einverstanden  erklärt»  und  staatliche  Förde- 
rung in  Aussiclu  ^Lstellt. 

—  im  Regierun c^slM/irk  Oppeln,  wo  seit  Jahren  die  ans  der 
Schnle  /n  entla.ssendeii  knahen  einen  Lebensl.mf  zn  schreiben 
haben,  hat  die  Königl.  Regiernng  verfügt,  dafs  anch  seitens  der  Mäd- 
chen bei  Beendignng  der  Schulpflicht  dieser  I^ebenslauf  zu  fertigen  ist. 

—  Für  Einführung  eines  biblischen  I^esebuchs  hat  sich 
nnch  die  ani  lo.  Juni  stattgefundene  Konferenz  der  Geistlichen  der 
Kphürie  Allenbnrg  ansg^esprochen. 

—  Tn  der  Nikolaistrasse  zn  (iera  fand  vor  kiir/.enj  die  Ver- 
teilnng  von  600  III  u  lu  eus  töck  e  n  au  je  300  Knaben  und  Mäd- 
chen .statt. 

Wohlftihrt«bestrebiiii£en  und  Scheukung«!!. 

—  Nach  einer  vom  preufsischen  Kultusministerium  veröffent- 
lichten Zusammenstellung  sind  im  Jahre  1895  den  Elementarschulen 
sechs  Vermächtnisse  und  Schenkungen  im  Werte  von  41 000  M. 
zngeflossen.  Taubstnmmeti  und  Blindenanstalten  erliielten  8  Scheu- 
knngen  mit  5.S000M,  und  Waisenhänser  nnd  Wohlthätigkeitsanstalten 
drei  Sehenkxingen  von  zusammen  jSofX)  >f.  * 

—  Der  (ienieinderat  zu  Kisenach  hat  die  iCrrichtung  einer  Schule 
für  Seh  wae  hsi  n  n  Ige  beschlossen. 

—  Hin  nicht  genannt  sein  wollender,  dem  Adelsstand  angehoriger 
hoher  Gönner  hat  dem  Witwen-  und  Waisenunterstätzungs- 
verein  der  Lehrer  in  München  ein  Geldgeschenk  von  12000  M. 
zugewendet.   Kine  hochherzige  Gabe! 

—  Die  iCrben  des  verstorbenen  (Veh.  Kominerzienrats  Schichau 
haben  der  Stadt  Irlbinir  zur  !•  11  ichtung  eines  J  ugen dspielplat/e.s 
15OQO  M.  zur  X'erlngitng  gestellt. 

—  Dem  Komitee  für  l'erienkolon  len  für  aime  kranke  vSchnl- 
kinder  in  Nürnberg  sind  derartig  reiche  Mittel  zur  Verfügung  ge- 
stellt worden,  dafs  222  Kindern  die  Wohlthat  eines  Landaufenthaltes 
auf  drei  Wochen  zu  teil  werden  kann. 

—  Ans  den  Volksschulen  Danzigs  wurden  in  diesem  Jahre  123 
nnne  schwächliche  Kinder  in  die  Ferienkolonien  der  Umgegend 
geschickt. 

—  Df^r  I)iisseld«)rfer  bYaneuvorein  beabsichtigt,  seinen  segens- 
reichen JauMchlungen  eine  neue  hinzuzufügen:  eine  Handels- 
schule für  Mädchen. 


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502 


Stollun^  der  Lehrer. 

—  Zum  cinjährij^-fifi  willij^t'ii  M  i  i  i  tärd  i  cn  st  der  \'olks- 
schullchrcr  bemerkt  die  Nordd.  AUg.  Ztg.',  dafs  die  Seminare, 
nicht)  wie  irrtümlich  ansfenomnien  war,  Berechti^iigsscheine,  son- 
dern nur  Ahgang.sKeugnisse  ausstellen.  Auf  Cinind  der  letzteren  er- 
teilt dann  die  bei  jeder  Regrienm^  besteben  de  Konimtssion  znr  Prüfnnj^ 
für  den  einjäh ri<^- freiwilligen  Militärdienst  den  Hcrechtiiiiinjissebein 
einem  jeden.  <1er  das  Abgangszeuji^nis  und  die  sonst  erforderlichen 
Papiere  besil/.t. 

—  Das  s^cj^en  den  Ivlberfelder  Kollej^en  Julius  Ilonke  wegen 
seines  politischen  Verhaltens  (er  ist  Anhäui^er  der  deutschen  Rechts- 
partet und  als  solcher  öffentlich  aufgetreten)  eingeleitete  Disziplinar- 
verfahren endete  vor  der  ersten  Instanz  mit  Anitscntsetzung  bei 
Zuerkennung  der  j;eset/lichen  Pension  auf  5  Jahre.  Herr  If.  wird 
beim  Staatsministerium  llornfnn};  einlcj^en. 

—  }\u\  Kulttiil.ild  ans  der  Provinz  i^iebt  die  Xarbriebt, 
dafs  die  l)eiden  un\ li in  ir;ithetc!>  I.ebrcr  '/..  und  W.  zu  Lopicuno  ni 
ganz.  I,.,  da.s  vier  oder  fünt  «Wicnlliehe  t.aslhriiiser  hat,  weder  fiu  l  icld 
noch  gute  Worte  Bekd.sti};nn<(  erhalten  konnten,  sodafssie  i(ez\vnngen 
waren,  fast  ein  ganzes  Jahr  hindurch  ihr  Kssen  sich  eigenhändig  zu 
bereiten,  so  gut  oder  so  schlecht  es  eben  ging.  Den  Bemühungen 
dl  ^  Kreisschulins])ektors  ist  es  endlich  gelungen»  für  <be  beiden  I.ci- 
densj»enc)ssen  winigstetis  Mittagessen  in  I,.  zu  verschaffen,  worüber 
die  l'reude  g^rois  ist. 

—  Drei  jun^j^^e  T^uisiiirn  a\is  Posen,  div  vor  Knr/eni  einen 
Lehrer  anrempelten  \nid  dann  nnl  einem  Messer  durch  einen 
Stich  in  die  Brust  veKetzten,  wurden  zu  drei  Jahren,  einem  Jahr, 
bezw.  drei  Monate  Gefängnis  verurteilt. 

—  In  der  Kreiskonferenz  der  katholischen  I<ehr]>ersonen  des 
Landkreises  Bochum  maehte  der  Vorsitzende  Sehnhat  Dr.  Roheis  auf 
die  T"  1  r  r  f  nllun>^  im  I. e h reri n  n e n bern  f e  .uifmerksam.  l'!s  sollen 
allem  1111  Recjierungsliezirk  Ani.sherg  über  ax>  SchulamUsbewcrbcrinncu 
stelleuh'.-^  Sein. 

—  In  den  Urkunden  iiber  die  lierufung  von  Lehrerinnen 
an  Schulen  ist  nach  Verfügung  des  Ministers,  soweit  dies  noch 
nicht  geschehen  ist,  in  Zukunft  die  Bestimmung  aufzunehmen,  dafs 
die  feste  Anstellung  der  betreffenden  Lehrerin  im  Fall  ihrer  Ver- 
heiratung mit  dem  Schlufs  des  Schullialbjalires  ihr  Jvnde  erreicht. 

—  Die  Frage,  ob  die  an  städtischen  Schulen  angestellten 
Lehrerinnen  die  Ivigensehaft  von  Staatsbeamten  besitzen, 
hat  das  Ketchsgcricht  l>ejHht. 

Bildung  der  Iiehrer. 

—  Kiner  längeren  Attsführung  der  «N.  päd.  Ztg.'  entnehmen  wir 
über  die  I\in\vohnerzahl  der  Orte,  in  welchen  die  Lehrerbil- 
dungsanstalten sich  befinden,  folgende  Aufstellung: 


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Cbronlk.  qO'f 

AiiKitbl  <l«>r        "/«  «irr  (lc>- 
Biiiwoliiimiibl  BpmiNiin».  •nmMn«. 

Ortf  bis  50(X)  l^iiuv   51  4r 

(tlariintiT  21  bis  21« >o  '7"/„l 

Orte  von    ^cxyo  bis  icxmh»  Ivinw   35  39 

„       „    looüo    „    2CXXX)     ,   17  14 

„      „   2oooct  und  mehr  „    20  16 

Die  Vcfieilniig  auf  die  Provinzen  ist  folgende: 

rroT  i  a  X  Ml  4m  Rinv.  3000-  M9»  KImw.  tllfWO   1<MM  Ein.  »1000  GIbw.  a.  m. 

Ostpreufsen  6-^2  — 

W'cstprtnfsten  2                   2                   1  I 

Poiiiincrn  24! 

I'ostn  3               —                 !  2 

Sclilcsicii  853  3 

Brandenburg  2               $               ^  z 

Sachsen  3            -4              —  5 

Schlcswisf-Holst  16              —  — 

Hannover  322  4 

W'cstfakn  5                 2                 2  t 

Ibssen  Nassau  5                —                  I  — 

kiicinprovinz   ir  5  i  2  

Suninia:       51  t"  20 

Recht  interessant  ist  auch  da»  Verhältnis  zwischen  Ivxter- 
nate  und  Internate; 

AihmIiI  iler        Tollitfindlfr»        Ti^itwrlM  */*  der 

l'rovtn/:  Kfmiuarv  Rxteniatc  Kzternala  Esti-mulc- 

().sl])n  ulst  n  8  —  T 

W  estpreuisen  6  —  3  50 

Potninent  7  --  2  29  * 

Posen  6  2  3  83 

Brandenburg  12  6  —  50 

Schlesien  19  8  2  53 

Sachsen  12  3  4         "  59 

Sclibswii-^- Holst.  7  4  —  57 

Hann(>\cr  II  3  5  73 

Westfalen  lO  4  5  90 

Hessen- Nassau  622  66«/j, 

Khetn|irovin%   lo  8  5  68 

Summa:      123  40  32 

Besohl uu^  dt^r  Lehrer. 
—  In  Hallo  a  S  ist  mdlieh  die  A  us/.ah  1  u  n     der  So, 000  M 
noch  in  diesem  Jahre  erreielit  (s.  lieft  \  III,  S.  44yJ.    Die  \'erleilung 
soll  am  15.  Oktober  an  alle  ku  der  Zeit  in  Halte  angestellte  Lehrer 
und  f «ehrerinnen  erfolgen  und  für  jeden  15*^/«  des  Gehaltes  betragen. 


Keuo  Ilfichor  und  AufaüUi.. 


Neue  Büclier  und  Aufsätze. 


n)  Bücher. 

Uergcmaii  11 ,  I^r.  Paul.  AUain 
SnittliK  päclairo^'sche  Theorien  im 
Rahmen  scim  s  Syslt  ins  dir  ju  ak- 
tischen  Pliilosopliic  2  Teile. 
64  U.7.SS.)  Wicshmkii,  1^.  lichreiul. 
ä  1,20  M. 

Du  Ii  I  .  S.  J.  Iknili..  Die  Studieti- 
ordnunj?  der  (iesellschaft  Jesu. 
Mit  e.  l<inleiluiig.  (VIIT.  286  S.) 
Freihurj^  i/H.,  Herder.  M. 

1'"  iclilutl/,  K..ki..  Ma\.  räila- 
gojri.sche  .\i)horisnien  und  das 
herrschende  SclniKsysteni.  Juno 
psycliol(>i(isi'li  i)rid.iirf\u  Studie. 
(73  S.)  Dessau,  \<    Kahle.  1,20  M. 

Iv  Uders,  srimi.iir.,  .\dl).,  Die 
SchuUiibelfraj^e.  Vortra<r.  (16  S.) 
I.eijv/i.u,  K.  liölini.  «),3()  M. 

Hesse,  sihui.iir.,  lCrn.st,  (iram- 
matische  Aufg:abeii  in  Aufsatzfomi 
m.  hrsond.  Berürksicht,  de  r  Wort- 
bihlung,  der  VV'ortbeUeutung  und 
der  Sprachrichtipfkeit.  3  Hefte. 
Dresden,  A.  Muhle.  3,30  M. 

Knoke,  Prof.  Dr.,  Karl.  Das 
(löttinger  Kekt<)rensenunar  iiu 
Winter  1H95/96.  (SS  S.)  lierliu, 
Kv-'uscher  u   Reichard.  1,20  M. 

l.elnnann  -  Hohenberg,  l'n»f., 
Volkserziehung  nach  eutwickc- 
lungsgescliichtlichen  <  irund.sätzen 
als  Staatskunst  der  Zukunft.  (T«) 
vS.)  kiel,  I.ipsius  u.  Ti.scher.  o.^m)  M. 

I,einuiig,  Wilh.,  Ist  eine  Schul- 
bibel wiinschenswert  (27  S.) 
Magdeburg,  Schallehu  u.  WoU- 
brfick.  0,50  M. 

Mittenzwey,  sriniidir.,  L.,  Die 
Tflrm  des  Ik-wegiingssjiieles.  ins- 
besondere durch  dieSchrebervcr- 
eitie.  (VII,  13B  8.)  Leipzig.  K. 
Strauch.  1,50  M. 

K  e  b  ni  k  e,  Prof.  i>r., Job.,  Grund- 
rifs  der  (reschichte  der  Philosophie 
zum  Selbststudium  und  fiir  Vor- 
lestmi^en.  (VII.  3*1«  8.)  lierlin,  C. 
l>iinLker.  4  M. 


I  i  Aufsatze. 

liicdenkapp,  Dr.  fleorg^.  Die 
Zerstörung  d.  Mittel] mnktwahnes, 

e i  n  e .  \  u  f ga  l le  d  e  r  P äd  a  gogi  k .  ( X  e  u  e 
päd.  Ztg.  3.?).  Magdebur<4.  jt  iisi  h 

l'lrbach,  J..  Ik-ujerkuugeu  /.u 
dem  Unterrichte  in  der  deutschen 
C.i  aunuatik,  insbes(^ii<Iere  /.u  «je 
uanuleni  ruterrichle  in  den  höh. 
Mädchenschulen.  iMittelsch.  13). 
Halle  a;S..  ScIikxUI 

P'els,  A.,  Ansichten  Pestalozzis 
überden  Kinflufsder  Mutteranf  die 
Jugenderziehung.  (Preufs  Schul- 
ztg.  58).  I,iegnitz.  Se\  ffarlh. 

I'  l  ü  gel.  ( ).,  I  )er  .substantielle 
und  aktuelle  Seelenbcj^ff  und  die 
J",iiilu  il  des  Hewufstseins.  (Ztschr. 
f.  Thilos,  u.  Päd.  2—5».  l.,angen- 
salza.  beyer  u.  Söhne. 

Oltz.  ( Über  das  S\.steni 
der  ICthik  von  Priedrich  Paulsen. 
(Hv.  Schulbl.  8).  Oütereloh,  Ber- 
telsmann. 

b'riedrich,  Joh.,  Die  (Organe 
der  Krziehung.  l'in  Kapitel  aus 
dem  philosojihiscb -pädagogischen 
System  J  akob  l-Vohsch  rtniincr*;.  1  Hl. 
f. d.  Schulpra.x. 4 1.  NümlK  i  L;.  Korn. 

(irute.  I..,  Der  christliche  Reli- 
gionsunterricht ohne  d.  alte  Testa- 
ment. (N.  Westd.   l.ehrcrztg.  i»S). 

(^rüni  ng.  Fr..  Organisation  der 
Mittelschulen.  (Mittelschule  14,  15). 
Halle  a/S.,  Schrödek 

Henschel,  Max.  Die  Schul- 
arztfrage unter  besonderer  Berück- 
si(  liti-LTiiiiy  <k  r  sächsischen  u  I.eip- 
zigei  \  ei lialLui.sse.  (I.eipz.  Pchrer- 
ztg.  37.38).  Leipzig.  Ott»)  Klemm. 

Hrnmanit,  Die  Ik-deulung  d. 
biblisclien  iieschicbte  im  Reli- 
gionsunterrichte. (Ilannov.  Schul- 
ztg.  25  -  2y>].  Hannover,  Helwing. 

Klär,  Dr.  Th.,  Päda^og.  Ex- 
perinientalschnlen  —  eine  noch 
unerfüllte  h'orderung  Pestalozzis, 
(Päd.  Studien  )).  Dresden,  Blcji 
u.  Kämmerer. 


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Neue  Bahnen. 

— ^  PÄDAGOGIUM.  -^^^ 
Monatsschrift  für  Haus-,  Schul-  und  Gesellschafts-Eraiehong. 

Helt  10.  Okfobrr  1896.  Vll.  Jahrg. 

Qescliiclite  der  MetliodilL  des  kultiir- 

gescMchtlichen  Unterriclits. 

\  (iii  Johann  Bengei  in  Kaercn. 


Klotto:  Was  sie  Weltgeschichte  nennen, 
Ist  (  in  wuslverworrner  Kiirnul: 
l.ist  inul  l^ug,  Ciewalt  und  Schwache, 
Feigheit,  Dummheit.  Wahn  und  Greuel. 

Weber,  Dreizehnlinden. 

"Was  ist  Kultur?  Was  Kulturgeschichte? 

Die  Autwort  hält  schwer,  sehr  schwer.  Wir  alle  i^laiiben 
sie  ohne  starke  Aiistreii«;uii*>  aimaliernd  richtig  gebeu  zu 
köiiueii:  aber  wer  will  sie  «^'•enau  ^ebeu? 

Ihiseres  Wissens  liat  noch  kein  geübter  KnltnHiistoriker 
versncht,  die  He<^riltc  Kultnr  luid  Knltur^jeseliielite  in  einem 
kur/eu  und  ruudeu  Satze  zu  bestimmen;  sie  siud  zu  weit- 
greifend und  eben  darum  t\\  unbestimmt.  Die  Aufgabe  der 
KttUurgeschichte  geht  ins  Unendliche,  und  das  Unerniefsliche 
läfsl  sich  eben  weder  scharf  bestimmen  noch  nuigrenzen.* 

Das  Wort  Knltur  ist  von  dem  latcinisclien  coln-r  = 
anbanen,  pfleq^cn,  bearbeiten,  abcreleitet.  Iis  wurde  im  Dent- 
srhen  urspriin Jülich  nur  \nn  Anbau  und  P.earbeitnny;  des 
Ackerbodens  ^ebranehl.  Später  aber  verallgemeinerte  sich 
der  Begriff  uud  bezeichnete  nun  überhaupt  die  Vervollkomm- 
nung eines  Oegenstandes,  besonders  aber  die  Kutwickeluug 
imd  Veredelung  de^  i;cistij^en  Lebens  der  Menschen.  In 
diesem  erweiterten  bildlichen  »Sinne  wird  das  Wort  gebraucht, 
wenn  von  der  (rcschichte  dci  Kultur  die  Rede  ist. 

Für  die  Inhaltsbestiunnun^  des  llegiifles  kulturqe- 
.schichte  ist  ein  Aiil.>atz  ( i  e  I)  h  a r d  t  s  \m\  <;i(»lscin  Iutercs>c, 
der  den  Titel  iührt :  1* o  1  i  t  i  s  c h  e  u  n  d  K  u  1 1  u  r  e  s  c  h  i  c  h  t  e 
(Zeitschrift  für  allg.  Geschichte,  Jahr«;.  1SS6,  S.  873).  In  dem- 
selben wird  folgendes  ausgeführt:  -  Politische  Geschichte  ist 

'j  lioncjjj^er,  kulUir^cschichtc,  S.  3. 

Kcue  Bahnen  (_Pii<.l«gai;iuni)  VU.  lo. 


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Johann  &ens»l. 

Staaten-  oder  Staatsgcschichtc.  Ihren  Inhalt  bilden  allezeit 
diejenijn;^eii  ^Tei^^-nisse,  die  sich  auf  die  staatliche  (icnieinsam- 
keit  beziehen.  Aber  der  Mensch  hat  nicht  blofs  ein  staat- 
liches Sein,  sondern  er  lebt  anch  in  der  (iesellscliaft,  in  der 
Familie,  als  Individuum.  Er  ist  nicht  blofs  Mitglied  cin;.'r 
politischen  Gesellschaft,  sondern  anch  Glied  einer  religiösen 
Gemeinschaft,  einer  Berufsklasse,  und  die  Entwickelung 
aller  dieser  und  vieler  anderer  Richtungen  der 
menschlichen  Existenz  will  die  Kulturgeschichte 
in  ihre  Kreise  ziehen. 

Es  herrscht  allerdinj^s  über  keinen  Bej^riff  so  viel  Un- 
klarheit, und  es  wird  mit  keinem  Winte  so  viel  Mil'sbraneh 
g^etrieben  als  mit  dem  Worte  Kulturgeschichte!  Was  sich 
nirgends  in  ein  bestimmtes  Schema  einreihen  läfst,  wird  ge- 
wöhnlich unter  jene  Rubrik  geschoben,  und  die  sog. 
Kulturgeschichten  bieten  ein  Sammelsurium  von 
allem  und  noch  einigem  andern  ohne  System  und 
Ordnung.  Diese  Unklarheit  hat  auch  bis  jetzt  am  meisten 
dazu  beigetragen,  dafs  die  Möglichkeit  einer  wissenschatt- 
lichen  Bearbeitung  überhaupt  bestritten  w  urde.  Der  Haupt- 
fehler liegt  darin,  dafs  der  Begriff  »Kultur«  in  .seiner  Aus- 
dehnung  sehr  schwer  zu  begrenzen  und  zu  bestimmen  ist, 
und  dafs  niemals  ein  organischer  Aufl^au  der  Kidturgeschichte 
versucht  worden  ist  »Kultur*  durch  ein  deckendes  deutsches 
Wort  wieder  zu  gelten,  ist  nicht  rnnglich.  Ausdrücke  wie 
(»esi  Illing«  bezeichnen  zwar  den  drundzug  der  ganzen 
Sache,  lassen  aber  nicht  die  Richtungen  erkennen,  in  denen 
sich  die  (iesitlnng  ausspricht.  Man  hat  sich  mil  Weudmigen, 
wie  Sittengeschichte,  Leben  und  Sitten  eines 
Volkes  u.  dgl.  zu  helfen  gesucht,  Auskunftsmittcl ,  die 
nirgends  einen  vollen  Ivrsatz  bieten. 

Kulturgeschichte  ist  im  weitesten  Sinne  Geschichte 
des  Menschen;  das  Tndi\-iduum  nnifs  die  Basis  sein,  von  der 
sie  ausgeht  und  stufenweise  fortschreitet.  Dies  h:\{  sie  /nerst 
auf  seinem  Lebenswege,  von  der  Wiege  bis  /mn  (ir;il>e  7\\ 
geleiten,  in  .seinem  äufsern  Dasein  (Kleidung,  Xalinnig, 
Erwerb  u.  s.  w.)  und  seiner  innern  Entwickelung  (geistiges 
Werden,  Unterricht  und  Ausbildung  u.  s.  w.).  Die  konzen- 
trischen Kreise,  in  denen  dieses  Fortschreiten  vor  sich  geht, 
sind  schon  angedeutet:  die  individuellen  Existenzen  ver- 
knüpfen sich  in  der  I^amilic,  in  der  Ocsellschnft.  im  Staat, 
in  der  Menseiiheit  als  ( resamllieit.  Die  Slelhiug  in  der 
Familie  ist  zuerst  die  iles  Kindes  zu  den  Eltern  und  CtC- 
schwistcni,  dann  die  des  Gatten  oder  der  Gattin,  die  des 
Vaters  oder  der  Mutter;  die  Gesellschaft  schliefst  im  engern 
Sinne  den  Verkehr,  im  weitern  Sinne  soziale,  kommunale 


506 


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nMobIclilr  der  VHbodtk  4m  kHUurfretcMcbtiieb«ii  Unterricht*. 


iiiul  kircliliclK'  Wrbäiidp  ein.  Nocli  inaiini«"faltij»"er  sind  die 
Bezieliiiuj^eii  des  ]{iii/,cliRni  zum  Staate,  und  die  vSi)itze  der 
iifnnzen  pNTaiiiidc  Uildet  sein  Verhältnis  zur  Mrnsclilieit, 
liHiaus  über  alle  Sehianken,  die  sonst  das  tägliche  Leben 
umgrenzen«. 

»Die  FragC)  ob  und  wie  Kttltnrgeschichte  in  der  Schule 

zu  treiben  sei,  ist  SO  alt  wie  der  Gescliichtsunten  iclit  scll)st! 
saj^t  Alb.  Ricliter.  Eine  (jcschichte  der  Metliodik  des 
kulturgeschichtlielien  Unterrichts  ninfs  also  schon  früli  an- 
lielHii.  Bekannt  ist  das  Wort  von  jJaco,  der  im  i6.  Jahr- 
hundert  lebte:  Wird  der  ( Tescliiclusnnterricht  in  diesem 
Teile  (im  kulturj^eschichtlieheii  näuilieh)  vernachlässigt^  so 
gleicht  er  der  Bildsäule  des  Pol)'phcm  mit  ausgestochenem 
Auge.. 

Arnos  Comenius. 

Der  erste  deutsche  Päda<(ojj^e,  der  der  Kulttiri^esrliiclite 
sein  An,i;eiinierk  zuwandte,  war  Arnos  Ct)menius,  -der 
Cirofsvater  tler  deutschen  \'olksschule  .  Im  29.  Kaj)itel  der 
Did.  magna,  wo  er  von  der  deutschen  Schule  handelt,  sagt 
er  bezuglich  des  Geschieh tsuuterrichts:  »Die  Jugend  soll 
von  den  Zuständen  im  Hause  und  im  Staate  so  viel 
keimen  lernen,  als  zum  Wrständnis  desjenigen,  was  sie 
täglich  im  Hause  und  in  der  Bürgerschaft  vorgehen  sehen, 
ausreichend  ist  .  I'crncr:  ICine  ganz  nllq-cmcin  gehaltene 
(/cschiclite  der  ( irüiidung,  Verderbnis,  Wiederherstellung  der 
bisher  durch  die  Weisheit  Ootles  verwalteten  Welt  werden 
sie  sich  zu  eigen  machen«.  Der  erste  Satz  giebt  den  Stoff 
der  Kulturgeschichte^  der  zweite  den  der  politischen 
Geschichte  an.  Sollte  vielleicht  dadurch,  dafs  die  Kultur- 
geschichte vor  der  politischen  angeführt  wird  (die  »AUge^ 
meinen  Bestimmungen  vom  15.  Oktober  1S72  ordnen  in 
umgekehrter  Weise),  Cotnenius  jener  den  Vorzug  vor  dieser 
geben?  lune  nähere  P)etrachtung  des  ersten  Satzes  legt 
aufserdcni  nahe,  dafs  Comenius  einen  Zweig  der  Kultur- 
geschichte, der  besonders  iu  unsern  Tagen  Förderung  ge- 
funden hat,  die  Volkswirtschaftslehre,  Gesellschaf  ts- 
und  Oesetzeskuude,  voniehmlich  gepflegt  wissen  will. 

Iu  der  Skizze  der  pausophisch en  vSchule  giebt 
Comenius  eine  Anordnung  des  geschichtlicluii  rntcrrichts- 
stoffes  nach  prula^ogischen  (irnndsätzen.  Die  Schüler  teilt 
er  in  sieben  Klassen.  Der  fünften  Klasse  würde  die 
m  e  c  1 1  a  u  i  s  e  h  e  G  e  s  c  h  i  e  h  t  e ,  die  ( r  e  n  ü  s  s  c  des  G  e  i  .s  L  e  s , 
Fragen  und  Erfindungen,  zu  Fragendes  und  zu  Findeu- 
des vorfuhrt,  anzuschliefscn  sein.  Der  politischen  Klasse 
würde  gute  Dienste  leisten  die  rituale  Geschichte, 

33* 


die  Cr ewoli  n h  L- i teil  verschiedener  Völker  in  ver- 
schiedenen Dingen  zu  erzählen  hätte.  Für  die  letzte  Klasse 
würde  ein  angenehmer  Begleiter  die  allgemeine  Ge- 
schichte sein,  die  den  Lanf  der  Jahrhunderte  und  in  ihnen 
das  Ringen  der  Menschen  znm  Gegenstand  hatte-;.*)  In  fast 
gleicher  Weise  spricht  Comenins  anch  in  der  D/W.  wc/;'.  über 
die  Verteilung  des  Unterrichtsstoff«,  s  in  der  Oescliiditc.  Die 
dritte  Klasse  erhält  einen  Anszng  \(*n  tlt-n  Krtindungen 
der  Dinge,  die  \icrU'  einen  Auszug  der  sittlichen 
Tu  gcnd  ni  nstcr,  die  fünfte  eine  (iesehichle  der  gottes- 
dienstlichen  Gebräuche,  wie  sie  bei  den  verscliiedencn 
Volkern  vorkommen^  die  sechste  Klasse  erhält  eine  allge- 
meine (1  e  5  c h  i  c  Ii  t  c  der  ganzen  Welt,  besonders  aber  des 
Vaterlandes,.*) 

Anch  hier  begegnen  wir  wiedenim  der  Knltnrgescliichlc. 
Mechanisclie  ( iesehieiite,  (»enüsse  des  (  ".eisles,  Krfiiuluugen, 
ritnale  (iescliichte,  CTew^hnheiten  vei>.clnedener  X'ölker, 
güttesdienstliche  Ciebränche,  es  sind  nur  verschiedene  Partieen 
der  einen  Kulturgeschichte. 

In  Comenius  also  haben  wir  einen  der  ersten  I<örderer 
des  kulturgeschichtlichen  Unterrichts  zu  verehren. 

Johann  Bernhard  Basedow. 

Nach  Comenius  hat  erst  IJasedow  wieder  der  Knltnr- 
gescliiclite  seine  Anfmerksanikeit  zugewandt.  J.  B.  P>asedow,^) 
das  Haupt  der  Philanthropen,  behauptete  von  der  Universal- 
geschichte, dafs  sie  nur  Gedächtniswerk  sei,  und  rdafs  alle 
Konij)endien,  voll  von  Regen  tenn amen  und  M ord ge- 
sell ichten  der  vier  Monarchieen  luid  anderer  Reiche  von 
den  ältesten  Zeiten  an  bis  auf  die  nnsrigen,  nicht  so  gemein- 
nützig wären,  als  beispielsweise  die  (ieschiclite  von  ilein 
Schmied,  der  aucli  nicht  um  \  ieles  (reld  einen  /um  Dieb- 
stahl nötigen  Xachschlüssel  machen  wollte  (Mellioilenljueli, 
2.  B.  S.  90).  Dieser  eine  Ausspruch  läfst  schon  klar  erkennen, 
dafs  liascdow  kein  besonderer  Freund  der  politischen  Ge- 
schichte, dieser  M  ord  gesch  ichtc,  ist,  die  von  nichts 
andern!  zu  erzählen  weils,  als  von  blutigen  ludberungs- 
zngen,  herrsch-  und  ruhmsücbligen  Inirsttn,  (lefechten  und 
»Seidachten,  Eroberungen  und  Belagerungen,  Namen  und 
Zahlen  . 

Um  aber  ßa.sedows  Ansielilen  über  den  Geschichtsunler- 
richt  genau  zu  verstehen,  mufs  das  ganze  siebente  Buch 

')  SV//o/.  Paus.  Di  l.  71. 
•j  l>i<{.  Hill '4.  caj).  j^o,  jj  Ii). 

')  Für  (ku  Ii  an /.cn  Artikel  über  Basedow  siebe:  Kehr,  Geschichte 
der  Methodik.  1,  S.  181. 


j  .    by  Google 


tlfs  K  1  e  tii  e  n  t  a  r  \v  er k  es  (Hd.  3,  S.  i  272)  1)crücksicliti<^t 
werden.  K.s  zertallt  in  folgende  Abschnitte:  i.  Cirnndbegriffc 
von  Staatssachen,  2.  ( U ovriaphie.  3.  I^twas  ans  der  T"f^ni- 
vcrsalhistorie  in  /eitoidnung.  4.  Mythologie.  5,  Wappen- 
kunde. 6.  Hegriff  und  Zusammenhang  der  historischen 
Wissenschaften.  Das  unter  Nummer  4  und  5  Angfeführte 
h'ifst  erkennen,  dafs  Basedow  das  knltnr geschichtliche  Moment 
in  der  (ieschichte  berücksichtigt.  Noch  kkirer  wird  uns 
seine  Ansicht,  wenn  wir  henchtcn,  in  welclie  Unterabteilungen 
er  den  ersten  Abschnitt:  ( iriuKHu  griffe  von  Staatssaclien 
/.erlegt:  Wildheit  eines  Volkes,  natürliclie  Freiheit  eines 
\'olkes,  Regiernng  der  Hausväter,  Regierung  der  Grorsen, 
Regierung  eines  Fürsten,  von  klagbaren  und  andern  Be- 
leidigungen, von  Gerichten  iitid  Strafen,  vom  Krieg.swesen, 
noch  etwas  von  \'aterland,  l'rieden,  Krieg  und  Völkerrech t  . 

Auch  die  K  u  jifer  des  Klementarwerkes  ,  die  den  Zweck 
iiatten,  historisch  treue  Anschauungen  -au  vermitteln,  stehen 
vornehmlich  im  Dienste  der  Kultin  geseliichte.  Die  erste 
Tafel  enthfilt  H.  ein  Bild  der  vSlilt.shütte  mit  dem  Znbeli'ir, 
sowie  eine  Darstellung  der  olympischen  Spiele  mit  Wett- 
lüufern,  Wettkämpfern  und  mit  Poeten,  die  ihre  Dichttmgen 
vortragen.  Auf  einer  andern  Tafel  findet  sich  ein  Triumph' 
zug  des  Augus'tus.  Fast  wichtiger  noch  sind  die  Tafeln  mit 
AbbildiinL^en  der  verschiedenen  Waffi.  nnrten,  eiiter  belagerten 
h'estnng,  eines  Lagers,  einer  Armee  in  Schlachtordnung, 
eines  Schlachtfeldes;  teiner  die  Verbrennung  eines  Ketzers, 
ein  hierarchisches  Konsistorium,  eine  Prozession. 

Christian  Gottfried  Salzmann. 

Neben  r>asedow  ist  unter  den  Philanthropen  auch  Salz- 
mann als  h'örderer  der  Kulturgeschichte  zu  nennen.  Salz- 
nuum,  die  liebenswürdig^U  »^restalt  unter  den  Philanthropen 
und  der  bedeutendste  Praktiker  derselben  ,  hat  seine  An- 
sichten über  ( "n.^e]iichtsunterricht  unter  anderm  niedergelegt 
in  seiner  Sclirilt:  Noch  etwas  ül)er  die  Krzieiiung. 
Dort  führt  er  aus:  «Im  Geschichtsunterricht  wollen  w?r  uns 
zuerst  mit  der  (ieschichte  eines  benachbarten  Ortes  bekannt 
machen.  Vor  der  Hand  habe  ich  mir  dazu  das  berühmte 
Kloster  Reinhardsbninn  gewählt.  Wir  wollen  es  oft  besuchen. 
Wir  bleiben  bei  einer  alten  Inskription  und  einem  Kruzifix 
stehen,  das  dabei  gehauen  ist.  und  natürlich  entsteht  nun 
die  l'rage,  wie  es  wohl  x-ust  liier  möge  ausgesehen  haben. 
Wir  iragen  einen  hier  bek»inuten  Freund,  ob  nicht  mehrere 
solcher  Überbleibsel  aus  den  alten  Zeiten  vorhanden  waren. 
Kr  führt  uns  zu  einer  Reihe  steinerner  Männer,  die  durch 
die  Länge  der  Zeit  zum  Teil  verstümmelt  wurden,  zeigt  uns 


Johann  Bengel. 


Tiiiimiicr  von  I A'iclicnstcint  ii,  ri>erhlcil>sel  citu  s  nltcii  Klosters, 
fülirt  uns  in  cino  alte  Kiiclu.  s;i«;t  uns  \uii  ciiuni  uialtt-n 
Ik"gräl)nisse  fürstlicher  l'crsunen,  zu  dem  wir  hinabsteigen. 
Wir  sehen  einander  bedenklich  an,  sind  ganz  in  der  alten  Zeit 
Bs  geschehen  au  mich  hunderterlei  Fragen,  von  wem  die 

Knochen  wären,  wer  das  Kloster  crhaut  habe  ') 

Wenn  Salzniann  durch  diese  Iklehnuigen  in  den  Zög- 
linirt'n  znnäclist  auch  nur  das  Vei langen  nach  dem  Unter- 
richt in  der  (beschichte  wecken  \v<il1te,  »^o  lassiii  sie  doch 
auch  den  »Schlnfs  zu,  dafs  er  das  kullinm.  srlnrln  lit  lir  Mouient 
beim  Unterricht  beiiiek^ielitigle.  Denn  Insclniiuu,  <ilte 
Kruzifixe,  Steine,  Denkmäler,  Kloster  gehören  doch  ohne 
Zweifel  der  Kulturgeschichte  zu.  Auch  das  Buch,  das 
Salzmann  seinen  Seliülern  empfahl  und  ans  dem  sie  liber 
alles  Auskunft  haben  koiniten,  rechtfertigt  diesen  Schlnfs. 
Ks  war  (iallcltis  Geschichte  und  Ues  ein  c  i  Vni  n  g 
des  Herzogtums  (iotha.  (Über  Cialletti  siehe  unlcu 
Seite  519.) 

Durch  einen  solchen  Unlci  rieht  wurde  den  Schülcm  ein 
sog.  kulturgeschichtlicher  Anschauungskursus 
und  daran  auschliefsend  ein  kulturgeschichtlicher 
Heimatskursus  gegeben,  ein  Verfahren,  das  in  letzter  Zeit 
neue  Förderer  gefunden  hat  (Biedermann,  Richter  etc). 

Johann  CHristow  Gatterer. 

Wenn  nun  lui.seduw  und  Sal/manu  neben  ilci  jH»litiselien 
auch  die  Kulturgeschichte  berücksichtigten,  so  blieb  die  letztere 
doch  immer  mir  Stiefkind,  Das  ganze  achtzehnte  Jahrhundert 
hindurch  war  der  Geschieh tsiuiterricht  im  ganzen  nichts  als 
Regeutengeschichte,  (»egen  das  Ende  des  Jahrhunderts  aber 
erhoben  sich  mehrere  vS(  luihnänner,  die  mit  den  herkömm- 
lichen Gesell ichtsbüchern  nicht  zufrieden  waren. 

Von  diesen  war  der  Zeit  nach  der  erste  Job.  Clnislow 
Gatter  er,  T^ehrer  der  Geschichte  in  (iidlingen.  ICr  verfafsle 
ungefähr  um  die  Mitte  des  vorigen  Jahrhunderts  ein  Hand- 
buch der  Universalhistorie  von  Erschaffung  der 
Welt  bis  zum  Ursprünge  der  meisten  heutigen 
Staaten.  (G»öttingen  1761),  Über  die  Anlage  desselben 
sagt  er:  Wh  entwerfen  eine  kurze  Universalhistorie.  Nur 
das,  was  nntzlicli  und  brauchbar  ist,  soll  unsere  Aufmerksam- 
keit unterhalten.  Die  Zeiten  sind  \' er  gangen,  in 
welchen  man  das  W  e  s  e  n  t  i  i  c  h  e  der  ( j  e  s  c  h  i  c  h  t  e  i  n 
einer  umständlichen  Erzählung  der  Kriege,  Schlach- 
ten« Mordgeschichten  und  dergleichen  setzte.  Man 


*)  Noch  etwas  über  Erziehung,  Mannsche  Ausgabe,  S.  48. 


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Gvavbirht«  «l»r  Uethudik  dp»  kulturK«t-rhic|itlioh4>D  rnterricbls. 

hält  jetzt  nur  das  für  merkwünliL;,  was  uns  einen  wirklichen 
\'orteil  l)ei  nnscrn  IIriu|)i\\  i>>i  iiscli.ittcn  «iticr  sonst  nach  nn- 
sern  Al)sichten  gcw.ihrL  Zu  dem  Hude  wollen  wir  bei  jedem 
Buche  dieser  Uiiiversalhistorie  eine  vierfache  Beschäftigung 
anstellen.  Im  i.  Abschnitt  werden  wir  die  brauchbarsten 
Schriftsteller,  sowohl  die  Quellen  als  die  H ilfsinittel 
benennen,  im  2.  die  Erdbeschreibung  oder  das  Wissens- 
wurdi}^^stc  von  der  i^n'n<rr:i])lr'sclu'n  l^eschaffenheit  de  1  Länder 
vortragen,  im  3.  die  i  tillichc  ( feschichte  im  (rrundrifs  unter 
dem  Titel  Ii  e  .y^ eh  i  n  Ii  t  i  l  <•  11  erzählen,  nnil  endlich  im  4.  die 
güttesdienstliclie,  pt)!  i  t  ische,  häusliche  und  ge- 
lehrte Verfassung;  der  Völker  und  Staaten  ungefähr  nach 
dem  obigen  Kntwurf  im  la  Paragraphen  beschreiben.**) 

Dieser  n>.  Paraj^;riiih  aber  läfst  Ulis  einen  klaren  und 
deutlichen  Hlick  thnn,  inwieweit  (iallerer  die  Kulturgeschichte 
herücksichti«4t.  Hei  der  kirchlichen  \'erfassnui;  wird  «ge- 
handelt \<m  den  (löllern,  Priestern,  l'Vsten,  Tempeln,  Haincu, 
( )rakeiii,  \\'rdirsa«;ereicn,  l'esehwrfi uiii^en;  bei  der  poli  lisciu  n 
von  den  Ke^cnten,  Rcielista«;en,  (iesetzen,  Geriehlcn,  Stralen, 
von  Mafs,  Gewicht  und  Cveld,  von  Bündnissen,  von  der  Zeit- 
rechnung, vom  Kriegswesen ;  bei  der  häuslichen  von  Ehe- 
j^i  löbuissen,  Hochzeiten,  von  der  Kindererziehunj:,^  von  Namen 
der  Alten,  von  (te))änden  und  Häusern,  vom  Mausrat,  von 
Kleidt-ni  nn<l  Schmuck,  Speisen  und  (ietränkeu,  von  (last- 
mahit  II,  Spi'  K  n  und  Lustbarkeiten,  vom  (trüfsen,  von  Handel 
und  Sehillahn,  von  Ärzten,  IV-^räbnissen  und  Trauerj^e- 
bräuchen;  bei  der  j;el ehrten  von  den  Sprachen,  von  der 
Schrift  (Urspi  ung  und  verschiedene  Arten  derselben),  von  den 
Wissenschaften  und  den  (iclehrten. 

/um  Schlufs  möji^e  hier  noch  ein  Bruchstück  aus  dem 
Inhaltsverzeichnis  des  Huches  stehen,  das  uns  noch  näher 
über  die  Aulaj^e  desselben  orientiert. 

Geschichte  der  Römer  bis  zum  Jahre  476. 

r.  Schriftsteller  (Quellen  und  Hilfsmittel).  S,  758  -765. 

II.  I\rdbeschrei))uno.  S.  765  777. 
III.  Iie«;ebenhciten.  vS.  777  «S50. 
\'erfassun}4.  S.  850  qio. 

1.  ofotlesdiensUichc  W-rlas^unj^.  S.  ^50. 

2.  politische  \'erfassung.  S.  857. 

3.  häusliche  Verfassung.  S.  885. 

4.  gelehrte  Verfassung.  S.  899. 

Nach  diesem  Inhaltsverzeichnis  unifafst  die  politische 
Geschichte  73  Seiten,  die  Kulturgeschichte  aber  60  Seiten. 


')  Universalhistorie  §  14,  S.  60  u.  61. 


Johiinn  K<-n^cl. 


August  Ludwig  Schlözer. 

Der  hcdcnUMidste  unter  den  Männern,  die  am  luide  des 
vorif^en  Jalirluinderls  anf  die  Herücksielilij^nnj^^  des  Knltnr- 
gesehielitlichen  im  Cieschichtsunterriclit  dranj;en,  war  der 
Göttinger  Historiker  Schlözer,  dem,  wie  in  der  Gesclitclits- 
wissenscbaft  überhaupt,  so  auch  in  der  Methodik  des  (»e- 
schiclusnnterricht  eine  l^lirenstelle  «»el)üln  t. ') 

Welch  ein  warmer  l'cM'derer  der  Knltnrgeschichte  Schlözer 
war,  geht  schon  ans  den  folgenden  Worten  liervor :  I*.r\\  aclie 
docli  besonders  das  iiniije  Pnhliknm  ans  einem  Sehlummer, 
in  den  nns  dii-  lu/irluini^  eingewiegt,  komme  es  doch  von 
(ieni  verderblichen  ( icscliniacke  an  M  or  d  s  p  i  e  l  e  ii  allerund 
neuer  Menschen  morde  r,  Mehlen  genannt,  zurück!  Froh« 
locke  es  nicht  länger  über  rauschende  Kriegsthatcu  der  Er- 
oberer, das  ist  über  die  Leidensgeschichte  der  von  diesen 
Hösewichtern  am  Narrenseil  lu  rnnic;^  fülirten  Nationen!  son- 
dern glaube  es  vorläufig,  dafs  die  stille  Muse  eines 
(»enies  und  die  sanfte  Tugend  eines  Weisen  oft 
gröl^ere  Revolutionen  angerichtet,  als  d'w  Stürme 
allmäciitiger  Wüic- riebe,  und  dafs  manch  glück- 
licher Sorite  die  Welt  mehr  verschönert  habe,  als 
die  Fäuste  von  Millionen  Kriegern  sie  verwüstet 
haben,  überzeuge  es  sich  endlich,  tlafs,  wenn  man  klUlftig in 
der  Weltgeschichte  Esaus  Linsengericht  mid  die  Kaziken  von 
Sicvon  übergeht,  die  Halgereieü  der  SpaiUmer  mit  den 
Mcsseniern,  sowie  die  der  Roiiui  iiiii  dvw  \\)lskern  katim 
berührt,  aber  die  I^rfindung  des  I'euers  und  (i  las  es 
sorgfältig  erzählt  und  die  Ankunft  der  Pocken,  des 
Branntweins,  der  K  a  r  t o  f  f  e  1  n  in  nnsenn  Wel tteilc  nicli  t 
unbemerkt  läfst  und  sogar  sich  nicht  schämt,  von  dem  V er- 
tausclten  der  Wolle  mit  dem  Linnen  in  »inserer  Klei- 
dung, mehr  Xoti/  zu  nehmen,  nls  von  den  I)\  nasten  Tfsi, 
I^eang  und  Tscinn       man  enislha!i  und  zweckmäfsig  handle. 

In  seiiu  ii  zahliciehen  histurisclu  n  Scliriften  legte  Scblö/er 
das  Hauptgewicht  auf  die  Kultuu uLwickelnng.  Hier  inter- 
essieren uns  vornehmlich  zwei  seiner  Werke :  Weltgeschichte 
nach  ihren  Hauptteilen  (Göltingen  1792)  und  Vorbe- 
r  e  i  t  u  n  g  z  u  r  W  e  1 1  g e s  c h  i  c h  t  e  für  K  i  n  d  e r  ( 1 779).  Nament- 
lich das  letztere  Werk  hat  grofsen  Kinflufs  auf  den  damaligen 
Oeschichtsmiterricht  ausgeübt.  In  zahlreichen  Schulen  wurde 
es  eingeführt,  von  1779  i8(  »6  erscliieiu  11  sechs  /mn  Teil  sehr 
starke  Anfingen.  .\uch  über  Deul^chland^  (Tn.n/.en  ging  e> 
hinaus,  indem  es  ins  Lateimsdie,  Ungarische  und  i*'ranzö.sisclie 

')  l'.r  brach  mit  Kraft  und  (»eist  tinc  iie«e  Bahti'.  PöHtz, 
kleine  Weltgeschichte,  S.  38. 


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iil)t-rsrt/t  wtirde.  Wäbii  iid  ')  der  erste  Teil  i^esrliiclitlirlK  11 
Sinn  unil  »;c.sehiclilliLhe  He^riffe  entwickelt  diu\li  den  Nach- 
weis der  Veräiidenni^en,  denen  die  Hrde  iubezng  aufCiCstalt, 
Fruchtbarkeit,  Bel)aming,  Pflniiüeii-  und  Tierleben  ausgesetzt 
gewesen  ist,  sowie  durch  I{elehinn<;en  über  die  allmähliche 
Knlwickelunj^  der  menschlichen  desellschaft  und  ü' er  die 
x  ersehiedeni  !i  L,'^^runl.^^f^)rmen,  eiUhrdl  der  /weite  'i'eil  die 
rr-vsrhiclur  uiul  dit-  ATif-iii'^-^e  luinschlicluT  Kultur  durch 
Hrtintiun}4  niei  lianischer  Küu.nU,  .^owie  HeU  lu  uu^^^en  über  die 
Arten  j^eschichtliclier  l'berlict'erun^.  Das  Inhaltsverzeichnis 
eines  dieser  Abschnitte  wird  am  besten  zeigen,  wie  Schlözer 
verfährt  Der  Abschnitt:  Erfindung  mechanischer  Künste  ent- 
hält: 'Der  Urnjensch  wird  ein  Kulturmensch.  Hohe  Würde 
der  mechanischen  Künste,  »Stufen  ihrer  I^rfindunj^.  Unter- 
schicrl  zwischen  Wildeu,  f'arl'iren  und  kultivierten  \'r'1kern. 
(leschichtc  der  meisten  Künste  ist  verloren.  Mutmafsiin^en, 
wie  einige  haben  erfuutleu  werden  können.  vSpinnen,  l'il/en, 
Weben,  Nähen,  (neuere  KrHudungen :  Spinnrad,  Stricken, 
Strumpf wirkerstuhl,  Spitzenklöppeln).  Wie  die  Kochkunst 
entstanden.  Kssen  und  Trinken,  Zu.sainmenleben.  Anfang  des 
Sprechens.  Erfindung  des  Feuers.  X'ölkcr  ohne  Feuer.  Künste, 
es  zu  konservieren:  Oemeindefeuer,  Vestalinncn.  Künste,  es 
zu  reproduzieren:  I*\*uerreibeu,  Küclu nft  uerzeujr.  Xntziiu'/ 
des  TYniers:  Metalle  zu  schmelzen  und  /inu  KA»chen.  Kiichcn- 
geräte.  Töpferkunst.  Backen.  \'erschieileue  .\rten  von  KiUtur. 
Würde  der  Handwerke.^ 

Johann  Gottlieb  Aibrecht. 

Ganz  im  Geiste  vSchlözers  schrieb  der  Professor  J.  (i. 
.\lbrecht  sein  Werk:  I^ber  das  Studium  der  Oestdiichte 
(Ansbach  1793).  ICs  heifst  in  demselben:  »Soll  das  Studium 
der  Geschichte  lehrreich  für  uns  werden,  so  mü'^sen  Krie»^e, 
Belagerungen,  vSchlachteu  und  die  maunigfaltij^eu  vStaatsrevo- 
lutionen,  wo  wir  das  freie,  kühne,  edle  \'ülk  zum  sklavischen, 
feigen  und  verworfeneu  herabsinken  und  dagegen  andere 
Staaten  aus  ihrem  Nichts  zur  höchsten  Stufe  der  Macht 
hinauf  steigen  sehen,  so  müssen  diese  nackten  Fakta  nicht 
allein  unsere  Aufmerksamkeit  heften.  Die  moralischen 
Revolutionen,  wodurch  jene  politischen  herbei'j:^efidn  t 
wiudeJi,  die  Abwechselungen  in  den  (»esetzen  ,  Si  tten  , 
Religionen,  R e g i  c r  11  n  g s f  o r  m  e n  u  n  d  d  er  Kult u r  d e r 
Volker  in  den  verschiedenen  Perioden  ihrer  bürger- 
lichen und  politischen  Existenz,  die  mannigfaltigen, 
oft  so  tief  liegenden  und  dem  zur  Beobachtung 

1)  Kehr,  Geschichte  der  Methodik  i.  Bd.,  S.  188, 


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Jobann  Hengel. 


nicht  gcwöhntcji  Auge  kaum  bc  hj  or  k  barcu  Ur- 
sachen, die  auf  den  blüliendeu  Zustand  oder  auf 
den  Verfall  derselben  einen  so  entscheidenden 
Kinflnfs  hatten  --  das  ist  es,  was  nicht  oft  genujy 
wiederholt  werden  kann,  was  vor  allen  andern 
i^ekannt,  erforscht  und  mit  Aufmerksamkeit  be^ 
trachtet  zu  werden  verdient^    (Seite  4  u.  5.) 

Johann  Matthias  Schröckh. 

In  demselben  Jahre,  als  »Sehl ö/.er  seine  \'v)rl)ereituni;  zur 
Web  i^esrliiclUe  für  Kinder  herausgab,  erschien  auch  das  Werk 
eines  aii<krn  i^rofsen  f lisl< >i ikers :  Allj^emeine  Weltj^e- 
schichU'  füi  ivinder  von  Professor  Scliröckli  in 
Wittenberg,  3  Teile  (Leipzig  1779).  Schröckh  wandelte 
den  gleichen  Weg  wieSchlözer.  Kr  sagt  in  der  Vorrede  zum. 
ersten  Teil:  Die  nächste  vStelle  gab  ich  solchen  (icsch ich ten 
von  grofsen  Mäitnern,  die  liewunderungeu  der  Weisheit  und 
edlen  Recht^cliaftenheit,  der  (irofsmut  und  des  standhaften 
Muts,  oder  auch  Verabscheuung  des  Irrttnus  und  Lasters  be- 
fördern kviunen.  Kndlirh  idanbte  ich  die  Krfiailung  von 
Ci  e  s  c  t  z  c  u ,  Künsten  und  W  i  s  s  e  u  s  c  h  a  f  t  c  u  mit  ihr  e  u 
herrlichen  Früchten  keineswegs  anfser  Anführung  ztt 
lassen.- 

Wie  eingehend  Schröckh  das  kidturgeschichtliclie  Mo- 
ment berücksichtigte,  möge  an  einem  Heispiel  gezeigt  wer- 
den. In  dem  Knpilcl:  Die  alten  Deutschen  behaiuklt  er 
auf  iC)  Seiten  folgeiuK  Absehnilte:  (»estalt,  Nahrung,  1  Abens- 
art der  alten  Deutschen.  Ihr  kriegerischer  und  freiheitsli<jl)eii- 
der  (ieisl.  line  kriegerischen  ()c]»!;iiiehe.  W'affen.  Kriegs- 
heer. Heerführer.  Schlachten gesänge.  Weiber  ttnd  Kinder 
muntern  die  Fechtenden  auf.  Religion  der  Deutschen.  Ihre 
Götter,  (ichciligte  WiUdcr.  Priester  tmd  heilige  Frauen. 
Tugenden  der  alten  Deutschen.  Ihre  unveränderliche  Ehr- 
lichkeit. Ihre  clieliche  Treue.  Ihre  Ga.stfreundschaft.  Trunk- 
sucht, llne  i'  ürsten.  Ihre  Versamndungeu.  Strafen.  Hinkünfte 
und  Hofstaat  der  Fürsten.  Leibeigene.  »Spicl>ucht.  Gold, 
Silber,  Handel.  Wulinuugeii  der  alten  l)eut.schen.  Ihre  Klei- 
dung. Ihre  Leichenbegängnisse.') 

Schröckh  gab  seinem  Werke  auch  Bilder,  Kupfer- 
tafeln bei,  die  er  trefflich  nach  zwei  Gesichtspunkten  aus- 
wählte: die  Hilder  sollten  darstellen  erstens  Beispiele  von 
kindlicher  l-lhrirbictimL^^  Liebe  und  (Tehorsam,  strenger  l\r- 
zieluuig,  Tugenden  und  Fclileru  der  Kinder,  die  belohut  bczw. 


Seite  61—77. 


Ge»cblelil«  der  Hetliodik  de«  knltarK««>chichtlk>b«n  L'ut(>rrieht«. 


bestraft  wurden.  Zweitens  sollten  die  Bilder  kultur- 
geschiclitlichc  Momente  darstellen.«  Der  dritte  Band 

K.  H.  t  utliält  27  Bilder,  von  denen  niclil  wonij^t  r  als  iH  e 
Hälfte  der  Kultiir.L;e>cliiclitc  dient.  Ivs  sind  folj;ifende:  Ul- 
fila^  erfindet  eine  r.mlislalienselirift.  Die  Denisehen  machen 
ihren  Streit  dnreh  Zweikämpfe  ans.  Hoiiifatins  fällt  die  Donner- 
eiclie.  Die  I>entsclien  xielien  vom  J^andi  in  die  Stadt.  B. 
Schwarz,  erfindet  das  Schiefspvdver.  Die  Hansa.  Gulenber^ 
erfindet  die  Buclidruckerktnist  Ouerike  erfindet  die  Lnft- 
pumpe.  Französische  Sprache,  Mode  und  Sitte  verderben  die 
Gemütsart  vieler  Deutschen  usw. 

J.  Chr.  Dolz. 

Noch  \or  Schlnfs  des  Jalirhiinderts,  1797,  erschien  ci»i 
Leitfaden  /nni  Unterritlite  in  der  a  1 1  j^e  ni  c  i  11  e  n 
Mcnschcnge.schicii  te  von  Dulz,  der  ebenfalls  genau 
in  Sclilözers  Bahnen  wandelte.  Im  Vorworte  der  ersten 
Auflage  sagt  Dolz  (S.  V):  -^Nacli  meiner  Kr^tnung  darf  in 
ein  Lehrbuch  der  Geschichte  für  Btir^nsclinU  11  nichts  an- 
deres jiufgenonnnen  werden,  als  nur  solche  Vorfälle  nnd  Kin- 
richtmijTfen,  die  für  jnnj^e  Menschen,  als  Menschen  nnd  künftij^e 
Härder  des  Staates,  wiehtiq-  nnd  interessant  sein  können. 
Dahin  jT^eliönn  vorzüs^licli  die-  nfj^cbriihtiun,  Hinrichtnn^en 
und  Anstalten,  dnreh  die  <.lie  sitiliche  nnd  religiöse  Bildung, 
der  Kuiistfleifs  und  Wohlstand  der  Menschen  befördert  oder 
gehindert  worden  ist« 

in)er  den  Zweck  des  Geschieh  tsnnterrichts  drückt  Doh 
sich  folj^enderniafsen  ans  (S.  9):  -Bei  lulernnng  jeder  Sache 
hat  (U  r  (knkeiiile  Mensch  einen  Zweck.  Der  nächste  Zweck, 
den  l  in  denkender  JiinglinL^daduich  711  eiit  iclK  11  snelit,  dafs 
er  sicli  mit  der  (leschichte  ItL'kaiint  macht,  ist  I '.(.fricdijjung 
einer  edlen  Wif.sbegierde,  die  aus  (km  \\'unsche  entspringt, 
sich  das  Gegenwärtige  ans  dem  Vergangenen  erklären  zw 
können.  Die  Geschichte  der  Menschheit  soll  uns  aber  lehren, 
welcher  (irad  der  wissenschaftlichen  Kenntnis,  der  Sittlich- 
keit, des  feinen  Knnstgeschmacks  und  des  bürgerlichen  Wohl- 
standes icdesmnl  angetroffen  wnrde,  dnnh  welche  ^'ersonen 
nnd  zu  welcher  Zeit  die  \'erM'hi«. denen  Zwv'v^v  der  mensch- 
lichen Kenntnisse  durch  lü finchau^en,  Kntck-cknngen,  Ikob- 
achtungen  nnd  Berichtigungen  bereichert,  nnd  durch  welche 
Veränderungen  die  Menschen  zu  ihrer  gegenwärtigen  bürger- 
lichen (politischen)  Einrichtung,  zu  dem  Grade  ihrer  geistigen 
und  sittlichen  Bildung  und  zu  ihrem  Wohlstande  gelangt, 
oder  wodurch  sie  an  der  Hrreichnng  eines  gröfsern  Wohl- 
standes [gehindert  worden  sind  und  vielleicht  noch  jetzt  daran 
geliiudert  werden.« 


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Johann  Renircl. 

Eine  Probe  aus  diesrm  Werke  niö<^^e  hier  stehen: 

Karl  (1  e r  ( i  r  n  fs  c . 'i 
Unter  Pipiiis  Si)lnK\  K:\r]  dem  (irolstii,  (\vr  46  Jahre 
rej^iertc,  \v;ir  das  fräiikiselu-  Rrich  so  Ijlidund.  d  ifs  seit  den 
Zeilen  dvv  Kr>nier  kein  Reich  in  luiropa  diesem  kai uhngischen 
gleich  kam.  Karl  erlangte,  als  römischer  Kaiser,  im  Jahre 
800  ein  Recht  auf  den  gröfsten  Teil  von  Italien  und  besafs 
überdies  iMankreich,  einen  Strieh  von  Un.i>arn,  (he  Nieder- 
hande,  Schweiz,  ein  vStiick  von  Spanien  und  Dentschhmd  bis 
an  die  Hi(UT,  ]{!be  inid  S.udc.  Im- lH'krie.i>te  <he  (himals  nocli 
freien  Sachsen  nnd  ntitii^te  sie  thirch  Sohlaten.  die  oliristliche 
ReHj^ionslehre  anzunehmen.  Weil  er  die  überwundenen  \*ölker 
zu  einer  X'erfassung  vereinigen  wollte,  .so  versetzte  er  einen 
Teil  der  Sachsen  in  seine  fränkischen  Landen  Er  endigte 
die  Herrschaft  der  Langobarden  in  Italien  (774);  besiegte  die 
Slaveu,  die  sich  im  ostlichen  Teile  von  Europa  ausbreiteten, 
und  von  welchen  die  Russen,  Höhmen,  Lausitzer  und  ehe- 
maligen Polen  abstammen,  ingleichen  die  \'(irmrmiier,  welche 
aus  dem  Norden  kamen  und  Seeraulx-  vei  niel)en;  \\ar  aber 
bei  seiner  kriegerischen  Regierung  dueh  immer  daraut  be- 
dacht, Ordnung,  Sicherheit  und  Wohlstand  in  seinen  Ländern 
zu  erhalten  und  zu  befördern.  Deshalb  schickte  er  von  Zeit 
zu  Zeit  Abgeordnete  in  seineu  Staaten  herum,  die  die  öffent- 
lichen Mängel  und  Mifsbräuche  in  der  Rechtspflege,  in  den 
Klöstern,  Hospitälern  usw.  entdecken  und  abstellen  si>llten: 
ga!>  scharfe  (iesetze  gegen  die  Fehden,  suchte  Zweikämpfe, 
'rruiikenheit  und  Kleiderpracht  auszurotten  und  befrirderle 
dadurch,  dafs  er  den  (rrund  zu  mehreren  nachlierigen  Städten 
z.  Ii.  zu  Hamburg  legte,  verschiedene  Märkte  anlegte  und 
den  Juden  zu  Köln  öffentliche  Bedienungen  zu  bekleiden  ver- 
stattete, den  Handel.  Da  er  in  Deutschland  Handwerker 
zu  haben  wünschte,  welche  hier  bei  der  damaligen  Xational- 
erziehung  und  bei  den  gewöhnlichen  Wallfahrten  änfserst 
selten  waren,  so  befahl  er  den  Aufsehern  seiner  MeierliTife 
und  Mecken,  gute  KühsiIlt  als  vSchmiede,  (iokl-  uml  »Silber- 
arbeiter,  Schuhmacher,  Drechsler,  Wagner,  Vogelsteller,  Seifen- 
sieder, Brauer,  Bäcker,  Netzinacher  u.  a.  in  ihre  Dienste  zu 
nehmen.  Bei  Lebensstrafe  verbot  er  das  Verbrennen  der  sog. 
Hexen  und  Zauberer  und  liefs  zum  Resten  der  änfserst  un- 
wissenden Priester  Auszuge  aus  den  Religionsvorträgen  der 
altern  Kirchenlehrer  nuichen,  die  nachher  zu  den:  Namen 
Postillen  \'eranlassung  gaben.  Auch  soll  die  l.ini  iclilung 
und  Anordnung  der  noch  ]vi/.{  wcihnliclien  Sniiulagse\  an- 
gelien  und  lCpi>leln  von  K.iil  dem  Grofsen  hernilneii;  allein 


»)  $  49i  Seite  55. 


OnehiclUe  der  Methodik  des  kaltarvenehicbtUelMD  Onterriclits. 


die  Auswahl  dieser  biblischen  Abschnitte  war  schon  zu 
(irei^nrs  I.  Zclicu  «getroffen.  In  allen  Klöstern  1ief>  Karl 
Schulen  ank.iiLii  und  darin  Unterricht  in  den  Antanj^sj^rün- 
den  der  Wissenschaften  und  Künste  erteilen,  liefs  selbst  an 
seinem  Hofe  Schule  halten,  zog  fremde  (jelelirte  in  seine 
Länder  und  belohnte  sie,  wie  den  Paul  Warnefried,  Egin- 
hard und  Alkuin.  Karl  selbst  soll  eine  deutsche  Sprachlehre 
geschrieben  haben,  da  bisher  die  deutsche  Sprache  noch  nicht 
zur  Ii ü ch e r s p r a ch e  und  (Gerichtssprache  gebraucht 
worden  war.  Auch  veranstaltete  er  eine  jetzt  aber  verloren 
gegangene  vSaninilung  der  ältesten  Lieder  der  Deutschen, 
gab  den  Monaten  deutsche  Namen,  die  von  wichtigen  Natur- 
veräudernngen  und  christlichen  Feierlichkeiten  hergenommen 
waren,  z.  B.  Wonnemonat,  Christmonat  etc.  £r  starb  8145 
Der  Leitfaden  fand  grofse  Verbreitung.  Er  wurde  in 
mehreren  Bürgerschulen  mid  auch  in  einigen  Lehrerseminaren 
eingeführt.  Von  1707  bis  iStq  erschienen  sechs  Auflagen. 
\*on  dem  Prediq-er  Fuhrmann  wurde  er  konnnentiert.  l^benso 
gab  Dolz  sclb>i  einen  Kommentar  heraus,  der  1S13  erschien 
und  den  Titel  iührie:  Abrisse  der  allgemeinen  Menscheu- 
uud  Völkergeschichte,  3  Teile  (I^eipzig).  Auch  dieses 
Buch  zeichnete  sich  durch  eine  sorgfältige  Berücksiclitigmig 
des  ktilttirgcschichtlicheii  Momentes  aus. 

Georg  Friedrich  Ruf. 

Noch  eines  andern  P.nches,  das  am  Anfang  des  19.  Jahr- 
hunderts erschien,  sei  hier  gedacht:  Ruf,  K  Knien  tar- 
A  I >  i  i  Is  d  e  r  W  e  1 1  g  e  s  c h  i c h  t c  { Karlsrulie  1 807).  In  der 
Vorrede  des  ersten  Ruches  (Seite  XXVI)  nennt  der  Verfasser 
als  Ott  eilen  seines  Textes  Schlözer,  Gatterer,  Schröckh  u.a., 
ein  Zticlun,  dafs  Ruf  auch  der  Kulturgeschichte  ihr  Recht 
beim  rnlerrichte  /.ukomnien  liefs.  .M>er  in  incthodi.schcr 
ITinsieht  weicht  er  weit  von  diesen  Männern  ab:  er  ver- 
sucht in  NLiuLUi  I'iiclie  die  Zeil  und  ihre  Daner  nebst  ihren 
l'orlscln  itlcn  aN  eine  mathenialische  (iröfse  darzustellen. 
Zu  dem  iüide  verlalste  er  zwei  hisiuri.sehe  Karlen,  die  dem 
Unterricht  sollten  zu  Grunde  gelegt  werden.  »So  wie  für 
den  Unterricht  in  der  Geographie  die  Landkarten  nach 
(iraden  und  Minuten  entworfen  und  zur  Messung  geo- 
graphischer (Tcgenstände  mit  Meilen  -  Mafsstäben  ver.sehen 
sind,  so  habe  ich  auf  meinen  Karten  die  Zeit,  als  eine  Ans- 
dehnnng  in  die  Länge  nach  einem  Maf'^stabe  in  Jahrhunderte 
geteilt,  und  die  hi.sU>ri>ehcn  ( icgensländc,  \  t>lkcr,  Staaten, 
Männer  darin  bestimmt  und  abgemessen  .    (Seite  XI.) 

Hiernach  gliedert  sich  nun  das  ganze  Buch  in  zwei 
Teile,  in  den  ethnographischen  Teil,  in  dem  die  Völker 


Johann  BengH. 


nacheinander,  und  den  s\ ncliroiiistischcii  Teil,  in  dem  die 
Völker  n  ehe  n  einnmler  licliatHleU  worden.  Der  erste  Teil 
dient  vorwit  ^cnd  der  pülitisclicn  (  k.sehichte,  drr  /weite  der 
KnUnrj^escliiclite.  Dieser  zweite  Teil  «rereiclit  tltni  linclie 
zur  besonderu  Zierde.  Hier  lehnt  der  X'erlasser  sich  an 
Gatterer  nndDolz  an,  ado]>tiert  auch  den  Dölzschen  Namen: 
Menschen gfeschichte.  Vom  Heginn  des  Menschen g-eschlechts 
an  <»;iebt  er  eine  vollständii^e  (beschichte  aller  niensclilichen 
Thatij^keiten;  doch  während  das  AUertuni  und  Mittelalter 
zietniich  eint^ehcnd  behandelt  sind,  werden  das  aiis;^?hende 
Mittelalter  und  die  Neu/.eit  nur  selir  unvollständig  berück- 
sichtij^L 

Das  Ziel,  das  Ku£  zu  erstieben  suchte,  findet  unsern 
•Beifall,  den  Weg  aber  zu  diesem  Ziele,  nämlich  die  Trennung 
in  einen  politischen  und  kulturgeschichtlichen  Kursus,  muts 
man  heute  als  methodischen  Mifsgriff  bezeichnen.') 

Gailetti,  Bredow,  Kohlrausch,  Pölitz  ^die  Gegenströnninj^). 

Glückverheifsend  für  den  knltnrj^eschichtlichen  Unterricht 
war  das  neunzehnte  Jahrhundert  anj^ebrochen,  Scldüzer, 
vSchröckh,  Albreclit,  Dulz  beherrschten  den  rnterricht.  iSii 
dscliiin  wieder  eiti  neues  Piuch,  die  kleine  Wel t |>^esch i ch te 
für  d  e  n  e  r  s  t  e  n  A  n  f  a  n  g  b  e  i  ni  I  I  a  u  s -  n  n d  S  c  h  u  1  u  n  t c  r - 
rieht  von  Pfarrer  J,  A.  C  Lohr  (Leipzig),  »das  ganz  in 
Dolzens  Hahnen  wandelte  und  inbezug  auf  Auswahl  des 
vStoffes  noch  lieute  manchem  Ireitfadcn  der  Geschichte  als 
Muster  gegenüber  gestellt  werden  kann  .'^) 

>\Vir  sehen  also  nun  eine  vollsländige  (ieschichte  dc^r 
Ivrfindnnm  n  und  luitdccknngen,  des  geistigen  Lrbens  der 
Menseliluil  nel>eu  der  Krie^'s-  nnd  Slaatsi^rseliiclili  rinlur- 
gchen.  Allein  die  let/Lerc  wurde  durch  die  gewalligeu  iü- 
schütteningen  am  Hude  unseres  Jahrhunderts,  durch  den 
grofsartigen  Aufschwung  tuiseres  Volkes  in  den  PVeiheits- 
kriegen  wieder  in  den  Vordergrund  gestellt  Wer  mochte 
es  auch  den  Teilnehmern  an  den  Käni])fen  von  r-Sij  15, 
we  r  den  Zuschauern  der  französischen  Revolution,  des  Anf- 
>u  i^cns  und  des  lulöschens  von  Xajioleuns  Stern  \  enK  nken, 
Wenn  sie  lieber  jene  gewaltigen  Ivrei<;nisse  an  sieh  \  (<riiber- 
ziclien  liefsen,  als  die  stille  Friedensarbeit  früherer  Jahr- 
hunderte?«^') 


')  In  (kr  I'oljic  ist  <Hcse  methodische  Aiusicht  noclintals  aufgc- 
taticlit,  so  bei  Kirchniann.  Hluiuc  11  n 

^)  Kehr,  ('.csthi'ditc  der  Mctluniik.  r    Btl.  S.  196. 

')  II  iibncr,  N  euere  lieslrcbuu«;en  auf  dem  Gebiete  des Cieschichts- 
utiterrichts,  Breslau  1892,  Seite  t6. 


Oep^bkbt«  drr  Methodik  tles  iiiillttrK«*«birbtlicli*n  Un(«rrirbt». 


Die  Oegenstromniig  knüpft  sich  namentlich  an  die 
Kamen:  Oalletti,  Bredow,  Kohlrausch,  Pölitz. 
Galletti,  Professor  in  Gotha,  scliricb  ein  Lelirbucli  de  r 
CS  ch  i  ch  t  s  k  n  II  d  c  ((jotha)  nnd  cinLchrbnch  für  den 
Sch  n  1  u  n  t  e  rri  eil  t  in  d  er  (r  escli  i  ch  tsk  n  n  d  e  (Ootlia). 
Seine  übrigen  Iiistorisehen  Werke  interessieren  nns  hier  nicht. 
1816  erschien  von  dem  letzteren  Werke  schon  die  siebente 
Auflage,  ein  Zeugnis  für  die  grofse  Verbreitung  des  Buches. 
Bei  (  latterer  überwiegt  die  politische  Geschichte,  der  Knltnr- 
geschiclite  \\'ird  nnr  ein  bescheidenes  Plätzchen  am  Knde 
eines  jeden  A1)schnittes  einj^erannit.  Nicht  also  im  Verein 
mit  dem  jedesmaliq-en  Stoffe,  sondern  nac1iln"nkcnd  als  Stief- 
kind erscheint  sie  liier,  (rallcttis  llüclier  wiircU  n  liin  Verein 
mit  den  (jcseliiehtsbüchern  von  l>rcdo\v  nnd  Kohlrausch) 
Vorbilder  für  die  GeschichtsbücJier  bis  auf  itusere  Tage,  die 
ia  auch  heute  noch  meist  am  Knde  einer  Periode  einen 
Kultnrabrifs  in  Xotizenform  bringen.  £s  mu£s  allerdings 
gesagt  werden,  dafs  Oalletti  mit  der  Knltnrgeschichte  nicht 
sf)  radikal  nmsprang-,  wie  Peine  Xach treter.  Kr  widmete  ihr 
wenigstens  noch  vier/ehn  Paragra])hen  nnd  hielt  sich  dabei 
aneh  /itmlieli  frei  von  dem  Notizenkram,  den  wir  nach  ilnn 
zn  beklagen  haben. 

Die  beiden  anderen  (Geschieh tswerke,  die  einen  noch  ge- 
waltigeren Einfluls  als  Galletti  ausübten  und  für  die  Be- 
handlung des  Geschichtsunterrichts  in  der  Volksschule  von 
gröfserer  Bedeutung  gewesen  sind  als  alle  Forderungen  der 
Pädagogen  nnd  alle  Vernrdnnngen  der  Regiernni^^en,  waren: 
Merk  w  ii  r  d  i  g e  e  g  e b  e  n  h  e  i  t  e  n  ans  der  a  1 1  g  e  ni  e  i  n  e  n 
Weltgeschichte,  für  den  ersten  Unterricht  in  d e r 
(j  esc  Ii  i  c  Ii  le,  besonders  für  Bürger-  nnd  Land- 
schulen von  G.  G.  Bredow  (Altona  1813)  und  die 
Deutsche  Geschichte  von  Kohlrausch  (1816).  Rs 
war  neben  der  durch  die  Zeitverhältnisse  vorbereiteten 
Stinnnnng  des  Volkes  vorzngsweise  der  glücklich  getroffene 
Ton  der  b>zählnng,  der  diesen  Püchern  zn  so  ^^rofscr  \'er- 
breitnng  iind  Anerkennnng  in  Hans  \im\  Selinle  verhalf. 
I>ei  allem  Werte  aber,  tlen  dieselben  besitzen,  haben  sie 
doch  d  e n  ( I  e s ch i  c h  t s  n n  t e  r  r  i  c h  t  i n  B a h n e n  gelenkt, 
die  jetzt  als  nicht  zum  Ziele  führend  bezeichnet 
werden«.')  Bredow  bietet  allerdings  in  den  neun  ersten 
Paragraphen  seines  Büchleins  Darstellnngen  aus  der  Urgc- 
scliichte,  die  ersichtlich  anf  Schlözer  bernlien  uud  allerdings 
geeignet  sind,  eine  verständnisvolle  Anffa.ssnng  der  Knllnr- 
entwickelnng  der  Menschheit  vorznbereiten ;  er  bietet  anch 
am  Schlnsse  des  Mittelalters  ein  paar  Abschnitte  über  lir- 

■j  Hübner,  a.  a.  O. 


fiiuhinj^en  und  ICntdeckiin^eu ;  im  iibrifjcn  aber  ist  seine 
(xeschiolitc  eine  iMirstcii-  und  Ki  it  ^sj^eschiclite.  Audi  Kohl- 
rauscli  hat  nur  hv'wu  MittclalU-r  die  KultnrtMitwickclun.ij 
im  dcutsclicn  \'olkc  Ix.  rücksicliti'ji^t,  und  es  ist  inten  ssant  /.u 
seilen,  wie  viele  Jalii/.elnite  lan^  ilic  Parai^raplien  aus  (ialk-tti. 
Hredüw  und  Kohlrausch,  tlie  die  Knliüi \ ei hältnisse  berühren, 
in  den  für  die  Schulen  bestiininten  Leitfäden  die  ditrchatts 
herkömmlichen  und  einzigen  waren.*) 

Schlözer,  vSchröckh,  Dolz,  Lohr,  Ruf  sanken  nun  in  Ver- 
üfcssenhcit,  und  mit  ihnen  die  Kulturj^eschichtc.  Der  Historiker 
K.  Ii.  T..  PöHt/,  der  viele  (iese]iirlitsl>{ic1i(  r  \  ri  talsir,  durfte 
in  seinem  lluelie;  K 1  e i  n  c  W  e  1 1  s>  e s e h  i e  Ii  t  e  1 1  a  i p/i i  ^.Vp. 
einem  r.nclie.  das  sehr  verwandt  ist  mit  Bredou  luid  Kobl- 
rausch,  geradezu  sa^en:  Dals  ein  Lehrljueh  der  allgemeinen 
Geschichte  nicht  auch  die  Kultur  aufgenommen  hat,  damit 
nicht  die  Entwickelung  der  eigentlichen  politischen  Begeben- 
heiten zu  sehr  dadurch  beschrankt  wenU  ,  wird  jeder  trereclit- 
fertigt  finden.  Die  Kidturj^eschichte  ist,  bei  <lem  jälnlichcn 
Auwachsen  der  politischen  He^xlienheiten,  nnabhängicr  von 
(Kr  politischen  beschichte  !)c>niuiers  darzusuUen,  wälueiul 
nuch  viele  in  un\erhältnismril>i«»;cr  lireite  mit  speziellen 
Teilen  der  (leschichtc  beim  Unterricht  der  Jugend  sich  be- 
schäftigen und  dadurch  derselben  den  festen  und  sichern 
Blick  auf  das  (vrofsc  und  Ganze  in  dem  inncni  mid  äufsern 
Leben  unseres  Geschlechts  verkümmern  luid  verdunkehi*.*) 
Nach  diesen  Orundsatzen  hat  Pölitz  seine  kleine  Weltge- 
schichtt  nui^tK  ij^t,  vcr^^ebeus  suclit  man  selbst  nach  kultin- 
ge.schiciitlichen  Abrissen  am  I'jide  der  einzehieii  kurzen  Perioden. 

Friedrich  Strafs. 

Xur  hin  und  wieder  taucht  in  diesem  Zeitraum  ein 
Werk  auf.  das  den  schüchternen  Versuch  macht,  das  kultur- 
geschiclitiichc  Moment  dem  Unterrichte  wieder  einznglie<lern. 
So  das  Puch  des  Dr.  in.  Stral's:  Handbuch  der  Welt- 
<»-eschichte  (Jena  iS^o),  ilas  zwar  nicht  für  den  vSchul- 
mileriiehi  bestimmt  war,  aber  doch  seiner  \*orzügc  wegen 
hier  angeführt  werden  .soll. 

Strafs  gönnt  in  seinem  Werk,  wie  gesagt,  auch  der  Kultur- 
geschichte eine  Stelle,  In  der  Kinleitung  giebt  er  eine  (be- 
schichte der  frühesten  Entwickelung  des  Menschen geschleclits, 
er  l»(.1i.indclt  da  Ursprung  des  Mensclu-u'^eschlechts,  Xaluungs- 
uiiikl,  (  )l>(lac1i,  Kleidnno,  Jagd,  Ziilniraug  der  Tiere,  Acker- 
hau, Urebraucli  dch  i*euers,  Ausbreitung  der  Menschen 
(I.  Pand,  vS.  13  31). 

')  Kehr,  licsclüclUe  der  Melhudik.  i.  lid.  Ö.  196. 
Vorrede  S.  XII. 


j  .    by  Google 


Oeurbirlitp  der  Methodik  de»  kttltiirKeicliiBlitliehen  ÜMerrieht*. 


Wie  Strafs  die  Oeschichte  auffafst  und  nach  dieser  Anf- 
fassnii^  auch  dargestellt  hat,  q;clu  aus  tOl pendeln  Ausspruche 
.hervor:  Man  hat  die  CUscliiclite  die  Wissenschaft  der 
l'ürsten  genannt,  weil  sie  am  hestcn  über  Regierungs- 
niafsre^ehi,  Gesetze  und  Staatseinriclitungen  urteilen  lehrt 
Der  Krieger  schöpft  aus  ihr  Beispiele  der  Tapferkeit  und 
des  Kdehnutcs  und  der  niannii^faltigeu  Mittel,  sich  aus  Ver- 
legenheiten zu  ziehen  und  die  des  (icgncrs  zu  nutzen.  Der 
Rechtsgelehrte  lernt  durch  sie  den  Grund  und  Cieist  der 
(icsetze  kennen.  Der  G  ot  t  es  gel  ehrte  wird  durch  die 
l'aekel  dei  ricsc  hichte  aui  den  l^rsprnng  und  Wert  einzelner 
RcUgiunslehren  und  Meinungen  geführt  Dichter  und 
Redner  schöpfen  aus  ihr  den  reichsten  Stoff  und  die  treff- 
lichsten Heispiele  der  Tugenden  und  Menschengröfse.  Der 
Sprachforscher  dringt  nur  mit  ilirer  Hilfe  in  den  (»eist 
und  Sinn  der  alten  Völker  ein;  der  Philosoph  verliert  sich 
ohne  sie  in  leere  (Trüheleien. 

Das  Ihicii  von  Strafs  zeichnet  sich  auch  in  metho- 
discher Hinsicht  in  vorzüglicher  Weise  aus,  imU-m  es  nicht 
den  Nachtreteru  Bredows  und  Kohlrauschs  folgt  und  den 
einzelnen  Perioden  kultui  .geschieh tltche  Abrisse  anhängt, 
sondern  die  Kulturgeschichte  eng  mit  der  politischen  ver- 
flicht. Es  schien  dem  Verfasser  zweckniäfsiger,  das 
Wichtigste  der  Kulturgeschichte  in  die  Darstel- 
lung der  liegebenli  t  i  ten  so  zu  verflechten,  dafs 
es  durch  diese  mehr  Licht  und  Bedeutung  erhalte,  als  be- 
sondere Al>.sehnitte  der  litterari.schen,  artistischen,  teehni.schen, 
religiösen  etc.  Ktdtnr  einzuschalten  .    (Vorrede  Seite  VIII.) 

Johann  H.  G.  Heusinger. 

Sein  wnhlthuend  berührt  in  dieser  I\riode  der  Reaktion 
gegen  den  kulturgeschichtlichen  Unterricht  auch  das  Werk  wm 
Dr.  J.  H  eu  s i n  ger:  Die  all g em ei ne  Cr  e  s e Ii  i  e  Ii  t  c  1 1  )i csden 
1835).  \firh  Angabc  des  Titels  war  das  l'nch  besonders 
fiir  das  Bedüiini.s  der  Lrchrcr  eingerichtet;  ihnen  sollte  es 
Wegweiser  beim  Geschichtsunterricht  sein.  Das  Werk  atmet 
durchaus  kulturgeschichtlichen  Geist  und  ist  in  seiner  An- 
lage NÖllig  verschieden  von  den  gewöhnlichen  Geschichts- 
büchern damaliger  Zeit 

Das  erhellt  schon  aus  seiner  Kintcilung.  Ks  zerfällt 
nändich  in  vier  AbteihniLa  n :  i.  Geschichte  der  Mensch- 
heit. 2.  (jcschichte  der  \ Dlker.  3.  Gesehichte  einzelner 
Begebenheiten.  4.  Geschichte  einzelner  Personen. 
Schon  der  Name  der  ersten  Abteilung:  Geschichte  der 
Menschheit,  der  deutlich  an  Dolzens  Leitfaden  anklingt, 
läTst  den  Inhalt  erraten.   Diese  Abteilung  enthält  eine  Ge- 


scliiclite  der  Menschen  von  ihrem  Urzustände  bis  j^nrOep^en- 
wart  und  schildert,  wie  der  Mensch  aus  dem  einfaehsu-n 
Naturznstand  nach  und  nach  zu  jener  Kulturstufe  empor- 
stieg, die  er  nun  einnimmt,  rolitische  Geschichte  wird  (hibei 
nur  berührt,  insofern  sie  mit  deni  Eutwickchmgsj^janj»:  ver- 
knüpft ist,  denselben  verursacht  oder  beeinflurst,  oder  die 
Folj^e  desselben  ist 

Die  zweite  und  vierte  Abteihni.i^:  (beschichte  einzehier 
Völker  und  Personen,  sind  für  die  kultur^esclnchtliche 
Methode  von  *^»^enui;erer  Hedeutnnij;,  da  hier  das  |M.liiisrhe 
Moment  in  den  \'order<^rund  tritt,  ohne  al>er  (ias  knilm- 
geschichtliche  ganz  zu  verdrängen.  Denn  nicht  nur  poUtisclic 
Personen,  wie  Kaiser,  Konige,  Fürsten,  sondern  auch  kulttir- 
geschichtliche  werden  berücksichtigt,  wie  Kant,  Kafael,  Leib- 
nitz, Petrarca,  PHnius  usw. 

In  der  dritten  Abteilung:  Geschichte  einzelner  IJegeben- 
h  ei  teil,  wählt  Heusinq^er  meistens  solche  aus,  <lie  von 
kultnr.m  seliielitlichem  Interesse  sind.  Ks  sind  folgende: 
Amerikas  ICntdeckuug.  Constitution,  (ieseliielUe.  iiert»en. 
Kreuzzüge,  Krieg.  Lehnwescu.  Mittelalter.  Mythologie. 
Obelisken.  Politik.  P>Taniiden.  Reformation.  Revohition. 
Sklaven.  \  ölkerwauderung.  Nur  vier  rein  politische  Be- 
gebenheiten sind  aufgenommen. 

Heusingers  P.uch  hat  al)er  doch  keinen  gro/seu  Kiufluls 
auf  den  Uuterriclit  damaliger  Zeit  gewonnen. 

Gustav  ZeHs. 

Ein  Zeit-  und  Gesinninigsgenosse  Heusingers  war  Pro- 
fessor G.  Zcifs.  Kr  setzt  sein  »Lehrbuch  der  allge- 
mein e  n  G  e  s  c  h  i  c  h  t  e  V  o  m  S  t  a  u  d  p  u  n  k  t  e  d  e  r  K  u  1 1  u  r« 

hauptsächlich  denen  entgegen,  die  die  jx^litisehe  (»cschichte 
als  den  Hau|jtge,<4enstand  des  Geschiehtsunterriehl.s  heti  aeliteii. 
I)al)ei  geht  er  von  der  Erfahrung  ans,  dafs  die  Seliüler  >ieh 
viel  weniger  für  politische  als  für  Kulturgeschichte  inter- 
essierten. Das  politische  Interesse,  das  die  Jugend  in  den 
letzten  (den  vierziger)  Jahren  gehabt  habe,  hält  er  für 
ein  unnatürliches  und  krankhaftes.  Diese  Krfahrnng  habe 
darin  ihren  Grund,  dafs  die  politische  Geschichte  mehr  den 
Verstand  beschäftige  und  mehr  Reife  des  Urteils  und  Kennt- 
nis des  Lebens  \  ( >rausset/.e,  während  dagegen  die  I^eistnngen 
in  Kunst  und  WisvSen.schait  in  ihrer  liedeutsamkeit  viel  an- 
schaulicher hervorträten  und  Herz  und  Phantasie  viel  mäch- 
tiger anregten.  »Dazu  kommt,  das  Verständnis  des  Staats- 
organismus ist  für  Schüler  sehr  schwierig,  die  Regierung  und 
Verwaltung  eines  Landes  hat  nicht  die  Kafslichkeit,  Anschan- 


j  .  d  by  Google 


Opkchirhtr  der  Methodik  de*  kuUurl;•'^•'hi(')llli^lll'll  ITnlorrirhttt. 


lichkeit  und  Idealität,  wie  die  ^rofsen  Erscheinungen  der 
Litteratur,  dw  Kunst,  des  Handels  und  der  Gewerbe.  Hierzu 
kommt  lerner,  dafs  die  grofsartig^en  Leistungen  auf  den  ver- 
sciiicdcnen  Gebiott-n  der  Kultur  dem  von  Hegeisterunj^  für 
das  Ideale  erlüllten  Jünglinge  gegenüber  eine  viel  gnilseie 
Air/ichniigskraft  besitzen,  weil  sie  ihm  in  einem  viel  reinern 
und  idealeren  Lichte  erscheinen.  Die  politische  Geschichte 
zeigt  uns  den  Menseben  oft  nur  zn  Sehr  von  einer  weui^f 
idealen  Seite;  Herrachsucht,  Eigennutz,  andere  Begierden  und 
Leidenschaften  treten  uns  überall  entgegen;  —  die  Werke 
der  Künstler,  Diclikr  und  Philosophen,  die  Kntdtckini^^cn 
und  Krfindnn<jen  ci.scliriiRii  uns  dai^e^cn  xit-hnclir  als  \\\rkc 
iciuci  Ilcgci>Urung  und  edler  Aulopferung.  Die  Kultur  sollte 
daher  in  der  Gescliichte,  ivie  sie  auf  Schulen  gelehrt  wird^ 
nicht  wie  ein  blofses  Anhängsel  der  politischen  Ge- 
.seliielite  behandelt  WLiden;  di\  Geschichte  sollte 
vielmehr  vom  Standpunkte  der  Kultur  aus  betrachtet 
werden.  Das  L  1  r  des  \'f>lkes  ist  nandich  eine  Einheit 
und  (faiizbeit.  .Slaal,  Rrlii^ion,  Litteratur,  Kunst,  Sitten  und 
(»ebränclu  c  iiu  sX'olkcs  liilden  ein  organisches  Ganze,  sieben 
in  einem  engen  Zusamnienhang  und  in  Wechselwirkung.  In 
jedem  lebt  und  spiegelt  sich  der  eigentumliche  Geist  eines 
Volkes.  Sie  alle  sind,  diesen  Geist  zu  erkennen,  gleich  not- 
wendig. Eine  Geschichte  vom  Standpunkte  der  Kultur  soll 
aber  darum  nicht  speziell  eine  Kulturgeschichte  wer- 
den. Sie  fafst  die  Erzeugnisse  der  P.ildung  nur  im  Zusannneii- 
bang  mit  dem  sie  erzeugenden  Volksgeiste,  und  den  mit 
diesem  in  inniger  Verbindun«?^  stehenden  Tliaten  und  Schick.sale 
der  Völker;  sie  stellt  das  Slaalslebcn  der  einzelnen  Völker  in 
den  Mittelpunkt  ihres  Gemäldes,  weil  der  Staat  der  Träger 
und  die  ßedingtuig  aller  Bildung  ist,  und  ein  Volk  ohne  Ver- 
einigung zu  einem  geordneten  Staatslebeu  weder  Bildung 
noch  (kscbicbu  bat.    (S.  54). 

Zeifs  vertritl  also  in  seinem  Werke  den  Standpunkt,  der 
in  der  heutigen  Methodik  fast  allgemein  anerkannt  wird,  dafs 
jxilitiscbe  und  Kulturgescbiclite  in  organischem  Zu- 
sammen h  an^ge  behandelt  werden  sollen.  Dabei  hält  er  sich 
frei  von  einer  Oberschätzung  der  Kidturgeschichte  und  einer 
Unterschätzung  der  politischen,  wie  dies  z.  B.  Buckle  (Cie- 
schichte  der  Civilisatiou  Englands)  thut,  der  in  der  politischen 
Ge.schicbte  nichts  sieht,  als  persönliclu-  Anekdoten  von 
Königen  und  Fürsten,  endlose  N  acb  r  i  eh  len  dui  ü  ber, 
was  ein  Minister  gesagt  und  ein  aniierer  ged  aclit 
bat,  lange  Berichte  von  h'eldzügen,  vScblachten  und 
Belagerungen,  die  sehr  interessant  sind  für  die,  die 
dabei  waren,  aber  völlig  unnütz  für  uns.« 

34^ 


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524 


Georg  Weber. 

Einen  wannen  Vertreter  fand  die  verachtete  KnUnr<je- 
scliichte  y.n  dieser  Zeit  in  dem  I  Icidcll)er<i;^er  IVoftssftr  Dr.  ( 
Weber,  der  bekanntlich  eine  All^^enieine  Welt  ♦>  eseliiehte 
(Leipzij^-  T857),  ein  Kt  hrlnich  der  Wel  t  j/tsch  ieli  te  mit 
R ück sieh  l  a  11 1  K  u  1 1  u r,  J^i  ttcra  liir  nnd  K  c  l i  «;ion.s\v esen 
tiiid  einem  Abrifs  der  deutschen  Litteraturgcschichte 
als  Anhang  (Leipzig*  1849),  aufserdem  ;!wei  nietliodische 
Schriften:  »Der  Geschiclitsnnterricht*  nnd  Der  (ic- 
schichtsnnterr  icht  in  Mittelschnlen  (Heidelberg 
icS64)  hcransq-e<^cben  hat.  \\'el)er  forderte  für  den  ( cscliichts- 
nnterricht  politiselie  und  Rullnr}j;;eschirlite.  Hr  läl>l  .sicli  liier- 
über  also  vernehmen:  Soll  der  ( iescliiehtsunterrielu  .Nciiic 
Aufgabe  lösen,  so  mufs  er  mögliehst  umfassend  sein;  er  mufs 
Kultur  nnd  Litteratur  berücksichtigen,  inufs  Religionswesen 
und  Staatsverfassung  in  sein  Hereieh  ziehen,  mufs  Sitten, 
Denkweise  nnd  Lebenszustände  darstellen  nnd  würdigen,  er 
mufs  die  Lebensthätigkeit  der  iiaeh  \'nlkern  gesonderten 
Menschheit  in  ihrer  Totalität  aulfassen.  Nieht  als  ob  irh  ver- 
langte, dals  diese  Seile  des  j^i  scliiehtlichen  Lebens  ej  .•>e1i<"']>feMd 
behandelt  werden  sollte;  solche  b\»rderungen  würden  eine 
gänzliche  Mifskennung  des  jugendlichen  Fassungsvermögens 
beurkunden;  ich  meine  nur,  dafs^  wie  wenig  man  auch  in 
Einzelnes  gehen  mag,  doch  jede  Anfserung  des  geistigen  und 
praktischen  Nationallebens  gewürdigt  werde;  ich  verlange 
nur,  dafs  man  die  (W-^rhichte  nieht  als  Sache  des  blofsen 
(iedäehtnisses  betrachte,  sondern  als  eine  wirkende  nnd 
schaftende  Welt,  in  der  sich  die  Thaten  und  Hestrel)ungen, 
die  Meinungen  und  Denkungsartcn  vergangener  Geschlechter 
abspiegeln  und  wo  der  Lebende  Belehrung  und  Unterweisung 
finde  für  alles,  was  in  der  Gegenwart  seinen  Geist  beschäf- 
tigt, seine  Wilsbegit  rde  reizt;  dafs  der  geschichtliche  Inhalt 
nicht  als  ein  geschehener,  sondern  als  ein  gesch eli ender 
sich  darstelle,  an  detn  sich  das  Herz  erwärme,  der  Charakter 
bilde,  die  I  i  Ii  ilski  all  schärfe;  denn  nur  daim,  wenn  das 
jugendliche  Gemüt  das  Cirofse  nnd  Erhabene  der  gcschicht- 
licheu Thaten tmd  Erscheinungen  mitfühlt,  andern  Schlechten 
und  Gemeinen  Abscheu  empfindet,  wirkt  die  Cicschichte 
bildend.«  (Lehrbuch,  Vorrede  Seite  VII  u.  VIII.) 

(Sclilufs  folgto 


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Ein  neuer  Beitrag  mir  Proli- 
sdiammer-Iiitteratur. 

Von  F.  A.  St«il6li  in  Dresden. 


Joh.  FiiiMlii«  h,  I.clircr  in  Wiir/.lniig,  J  a k o b  Frohschainmer,  eiu 
Pätlajjojfe  iinter  den  modernen  Philosophen.  Kinfühning^ 

in  «las  |)IiiIos(t]>]HSi  h  ]i:Tflni;<\L''isi  lic  S\>>t<.  ni  I-rohsohninnu-rs. 
i  üi  th  t.  U,  liSyt),  \  crlajf  von  Cicorg  Koscnberg.  loo  S.  Treis 
1.45  M- 

In  Heft  I  (los  xori^ni  Jahri^an^ts  der  X.  H.  wurde 
vom  \'orsitzcnden  der  »Sektion  Westlaien  der  Fr.  \'er.  f. 
philos.  Pädag.  ,  Kollegen  Sievert  in  Niederschelden,  die 
Schrift  VOM  Dr.  Hernhard  Münz  über  Prohschanuners  System 
(Bre.slau  1894,  Schottlander)  empfehlend  besprochen,  und  es 
ist  wohl  zu  hoffen,  dafs  jene  gediegene  Abhandlung  des 
Wiener  jungen  CrU  hrten  inzwischen  viele  anfiuerksanie  Leser 
gefunden  haben  und  deren  noch  nielir  limlni  möge.  Heute 
sind  wir  in  der  erfreulichen  Lage,  auf  eiu  liuch  hinweisen 
/u  können,  wt-lehcs  zu  dem  verdienstlichen  Münzschen  Werke 
eine  wertvolle  Brgänznug  bildet:  es  ist  das  hier  angezeigte. 

Während  in  dem  Buche  von  Münz  der  Schwerpunkt  in 
der  Darlegung,  Krläuteruug  und  tieferen  Begründung  der 
philosophischen  Lehre  des  Münchner  Denkers  zu  finden 
ist,  legt  der  W  vL  der  \-orlieo^eii(U  n  Sclirift  das  Hauptgewicht 
auf  die  Darstellung  uuti  Krläuteruug  drr  p 'u!  >  j o  i  s  eh  en 
(ledanken  seines  grofsen  Landsmannes,  tun  uci  am  15.  Mai 
dieses  Jahres  verstorbene  Dittes  in  die  deulselie  Leluerwelt 
einführte.  Demgemäfs  nimmt  der  Abschnitt  über  »die  Päda- 
gogik Frohschammers*  den  meisten  Raum  (S.  33-  77)  in 
Anspruch,  die  lihriL^m  Kapitel  sind  entsprechend  kürzer  ge- 
halten. (lU  icli  Dr.  Münz  giebt  Friedrich  zuerst  eiu  knappes 
Bild  vom  Leben  und  Wirken  Frs. ;  die  übrigen  Abschnitte 
sind  betitelt:  Fr.'s  Schriften  (2),  Fr.'s  IMiilos-^phie  (3),  die 
Pädagogik  Fr.'s  (4),  zur  Kritik  (5),  W^irkungen  der  Philcsophie 
Fr.'s  (6j,  Stellen  aus  Fr.'s  Schriften  (7).  Die  ganze  Arbeit 
zeugt  von  Liebe  und  Begeisterung  für  den  pädagogischen 


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Beruf  und  die  pädaji^otjischc  Wisscnscliaft  und  für  alles,  was 
dieselben  zu  fördern  L;tei,t:;!ict  ist,  /nt^-leicli  ist  sie  ein  I'cweis 
jjrofsen  IHeifses  und  riiigchendeu  vSiikHuius,  das  \\i  i.  den 
Werken  des  geuanuleu  riiilosophen  und  der  neuem  päda- 
gogischen Lritteratur  in  all  ihren  Zweigen  angedeihen  liefü. 
•  Hervorgehoben  zu  werden  verdient  der  Umstand,  dafs  das 
Buch  die  erste  Schrift  über  Frohschanuiier  ist,  wrMir  in 
seinem  en<;ern  Heiinatlande  I>a\ern  erscheint;  Friedrich 
widerlegt  also  an  seinem  Teile  das  Wort,  dafs  kein  Ti  opliet 
angenehm  sei  in  m  incui  \'atcr1;nide,  und  man  darf  wohl 
sagen  und  hoffen,  sein  Ihich  werde  /.ur  Wertschätzung  einer 
grofsarti^en  deutschen  (ieistessehöpfung  reichlich  beitragen 
—  auch  in  Bayern,  wo  allerdings  den  Männern  ä  la  Datier 
und  Hertling  der  Name  Fr.'s  kein  .^angenehmer*  Klang  ist. 

Inden  N.B.«  hat,  wie  die  geehrten  Leser  wissen,  zuerst 
unser  frühverklärter  Dr.  Rud.  Hochegger  auf  die  pädagogische 
Bedeutung  des  süddetitschen  Denkers  hingewiesen;  an  manchen 
Stellen  seines  Buelie>  greift  iMiedrich  auf  die  Ausführungen 
Hocheggers  zurück,  sie  /.  T.  glossierend  und  durch  manche 
Bemerkung  ergänzend.  Am  wenigsten  anfechtbar  .sind  des 
Verfassers  Darlegungen  da,  wo  er  ein  Bild  der  Lehre  des 
Philosophen  entrollt  Wo  er  sich  aber  szur  Kritik  i  ästet, 
bietet  er  auch  der  Antikritik  Anhaltspunkte;  so  i  1  4t  er 
UK-ines  KraeliUns  bei  der  Kritik  der  iM'/scheu  PsNehniogie 
zn  sehr  nur  den  I'Ulslaplen  Küljies  n.  a.  T)nch  <ei  darülH-r 
keineswegs  mit  ihm  gerechtet!  Sa^t  er  duch  sellisi:  lJar> 
Kapitel  zur  Kriuk-  soll  uielu  .inicgeiid  als  absclüiefsend 
wirken.  Anregend,  aber  nicht  abschliefsend!  Das  gilt,  wenn 
man^s  recht  versteht,  auch  von  dem  vorliegenden  Werkchen 
überhaupt.  So  sollte  die  Schrift,  wie  Wrf.  im  \'orworte 
sagt,  sein;  und  so  ist  sie.  Niemand  wird  das  Buch  aus 
der  Hand  legen,  ohne  wertvolle  hnpnise  t  rhalten  zu  haben. 
•  Der  Verf.  hat  sich  durch  dasseHu  \uiuilhatt  in  die  päda- 
gogische Litteratur  eingeführt.  Mochten  recht  viele  Kollegen 
im  deutschen  \'aterlande  ihm  gebührend  danken  I 


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über  den  Gegenstand  des 
Erkennens. 

Von  Prot  Dr.  fioiwin  K.  UphuM  in  Halle  a/S. 


Dr.  KHsiniir  TwMr<lo\vski.  Zur  I.chre  vom  Inhalt  und  (ieg en- 
tstand der  \  t)r.sttll  unjien.  Kinc  psychologische  Unter- 
Kiichtinfr-   Wien,  Alfred  Holder  1804.') 

I*^s  ist  eine  I-Vciulc,  dieses  Buch  zu  lesen  \uu\  /u  .sUulieren, 
nicht  blofs  wegen  der  Klarheit  und  Eindringlichkeit  der 
sprachlichen  DarstetUing^  sondern  auch  und  mehr  noch  wegen 
der   Schärfe   und  Geschlossenheit   der  (ledankenführung. 

Xirj^ends  treten  dem  Verständnis  vSchwierigkeiten  entgegen, 
üherall  fühlt  man  '<\ch  ani^^ere^^t  und  ^^efördert.  Ks  unter- 
scheiilet  sich  in  i)eiilei  Hinsiclil  vorteilhaft  \  den  in  letzter 
Zeit  erschieneneu  Werken  über  l^ogik,  von  Krduiann.s  gitil'sereni 
Werke  ebensowohl  wie  von  den  kleinereu  von  I^ipps  und 
Schuppe.  Der  Verfasser  ist  vor  allem  Logiker.  Der  Logik 
gehören  die  meisten  seiner  Auseinandersetzungen  an,  und 
in  dieser  liegt  seine  Stärke.  Der  Wunsch  ist  bei  der  Lektüre 
des  r.uebt<  in  mir  wirdtiholt  rege  geworden,  nnd  ich  kann 
nicht  nnihin,  ihm  hier  Worte  zu  leihen:  Möge  er  uns  in  nicht 
7Ai  ferner  Zeit  mit  einer  Logik,  zu  der  die  Vorarbeiten  bei 
ihm  offenbar  schon  zu  Ende  geführt  sind,  beschenken.  Dieses 
rückhaltlose  Lob  darf  mich  nun  freilich  nicht  abhalten,  mufs 
mich  vielmehr  dazu  antreiben,  das  meines  Erachtens  Nicht- 
zutreffende und  Verfehlte  in  iK  i  ( »rnndanschannug  des  Ver- 
fassers hervorzuheben  nnd  seine  l'nhaltbarkeit  nachzuweisen. 

Iidi.ilt  nnd  (rei^^enstaiul  der  \-orste11ungen  sollen  nach 
(K  ni  W  i  lasser  voneinander  nnd  auch  von  dem  \'orstellen  ver- 
schieden sein  (S.  4),  Inhalt  und  (»egenstand  sind  nach  ihm 
nicht  blofs  logisch  verschieden  (S.  2<^).  Ks  besteht  unter 
den  Korschern  der  Gegenwart  eine  weit  verbreitete  und,  so- 
viel  ich  sehe,  immer  zunehmende  Strömung,  welche  nicht 
blofs  allen  l'nterschied  zwischen  Inhalt  und  Gegenstand 
leugnet  und  den  Inhalt  einfach  für  den  Gegenstand  erklärt, 

•>  Der  Verf.  setzt  voraus,  dafs  f!tri  I.tM^r.  der  die  nachfolgende 
Besprechung  verstehen  will,  auch  das  Buch  gelesen  hat  oder  liest. 


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Dr.  Qotwin  K.  Cplm«». 


sondert!  niirh  (eiit<^c.i^cn  Brentano  S.  3,  LieUmatiii  S.  51)  allen 
Untcrscliifd  /.wi.srlKii  XCrNtcllcn  und  Inhalt  au>/.iiiiicr/rn 
sucht,  das  Vorstellen  cLWii  als  bcwufstcs  ICtwas  und  nnij;c- 
kehrt  das  bewtiCste  Ktwas  als  Vorstelleu  erklärt.  Der  Ver- 
fasser kann  sich  fiir  seine  Ansicht  auf  eine  Reihe  von  For- 
schern berufen,  auf  Ilöfler,  Hillehratul.  liolzano,  Zinnnermann, 
Kerry,  Aristoteles  und  die  Scholastiker,  Descartcs,  (S,  4,  8,17, 
S.  TO,  S.  3,  S.  26),  sog^ar  auch  auf  ■Vlill  (S.  10,  aber  wenn  die 
Din  ^x-  blolsc  f'rrni'Uit'tif  posslhililii  s  of  snfs<i{ioii  sind,  so  fällt, 
wie  es  scheint,  nicht  blols  der  Unter.schied  von  Inhalt  und 
Gegenstand,  sondern  auch  der  von  Vorstellen  und  Inhalt).  Kant 
und  Krdmann  (S.  84  u.  S.  85),  ebenso  Siegwart  nnd  Liebniann 
(S.  4,  S.  16,  S.  31),  ja  einmal  auch  Höfler  (S.  27)  verwechseln 
Inhalt  und  (TCgenstand. 

Vor  nlleni  ist  die  Fra^je  zu  beantworten:  Was  ist  (icj^eu- 
stand  im  (rcti^eusat/.  ziuu  Inhalt?  I'>  ^ciiüi^t  nicht,  wnni 
man  sa,<^t:  ( Te«:;enstand  ist  das  als  unabluinj^i«^  vf)ni  I  )enken 
Angcnonuneiie  (S.  4).  Vielmehr  ist  Gegenstand  des  \'or- 
stellens  das  von  dem  betreffenden  Vorstellen  nnd  seinem  In- 
halt als  unabhängig  Hetrachtete,  (Gegenstand  des  tTrteils  das 
von  dem  betreffenden  Urteil  \nid  seinem  Inhalt  als  unab- 
hängig betrachtete,  sofern  darauf  das  Vorstellen  und  llrteilen 
gerichtet  ist.  (Der  \\  rfasser  sagt  mit  Höfler  gleichsam  ge- 
richtet ist  S.  .\\  Auch  das  Vorstellen  und  der  X'orslelluugs- 
tuhalt  (S.  ^3,  S.  82,  vS.  i<M»i,  das  Urteil  nnd  sein  Inhalt  wie 
alle  Hewulstseinsvorgäuge  können  (iegeustautl  dt  s  \'orstelk  iis 
und  Urteilens  sein.  Aber  kein  Vorstellen,  kein  Urteilen  ist 
sich  selbst  Gegenstand,  Vorstelhmgs-  und  Urteilsgegenstand, 
sondern  liöchstens  Gegenstand  eines  andern  zweiten  Vor- 
stellens oder  Urteilens,  von  dem  es  selbst  unabhängig  ist 
{William  /(DIU s  Paycholoi^x  rol  /  />.  iSo.  ff)<\  jiS,  jio,  jjj, 
jyi  srq.  17/  srrf.  ^-ji:  />.  K^atnKl  />.  ,y/y.  (icgcü  den  Verfasser 
(S.  36  u.  33)  mufs  ich  bemerken,  dafs  das,  was  von  uns 
selbst  in  der  Phantasie  gebildet  wird  für  das  Vorstelleu, 
durch  das  es  gebildet  wird,  nicht  Gegenstand,  sondern  nur 
Inhalt  sein  kann;  ebenso  sind  die  von  den  Dingen  in  uns 
erzeugten  Empfindungen  ihre  Erscheimnig  ,  in  denen  der 
Verfasser  Akt  und  Inhalt  unterscheidet  (vS.  3),  sich  weder 
selbst  ( ici^^enstand,  noch  haben  au  diesem  Inhalt  einen 
Gegenstand  im  eigeutliclu  11  Sinne;  hinq-e'^en  sind  Gegen- 
stände im  eigentlichen  Sinne  die  nach  lierkelev  von  Gott  in 
den  endlichen  Geistern  erzeugten  Ideen,  die  nach  Relunke 
ebenso  wie  tmsere  eigenen  Äewnfstseinsvorgänge  vom  Be- 
wnfstsein  überhaupt  abhängigen  fremden  Bewufstseinsvor- 
gänge  und  äufsereu  Dinge  sie  sind  Gegenstände  für  . unser 
eigenes  Bewulstsein,  für  das  Bewufstsein  überhaupt  können 


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üliOT  d«B  OegC«»ti,fld  des  Erkenn«!».  {^29 


sie  natürlich  nur  Inhalt  sein  ;  eiullich  auch  das  Dingf  an 
sich  oder  die  Dinj^c  an  sich  Kants,  sofern  darunter  nur  niclit 
etwas  <^anz  luid  j^ar  Unerkennljares  \crstnn(kii  wird,  (auch 
die  prmunit  )it  f^osihHiliiS  i>f  Sensation  MilN,  x'lcrn  sie  nicht 
etwa  l)lofs  in  der  srns(i/i(>n  mit  dem  bej^leitendeii  Nei>en«;e- 
dankeu  ihrer  Wiederkehr  bestehen  sollen,  sondern  den  Gegen- 
stand eines  von  ihnen  verschiedenen  Vorstellens  bilden,  von 
dem  sie  natürlich  unabhängig  sind). 

Ks  fragt  sich,  ol)  so  etwas,  wie  der  Unterschied  von  In- 
halt und  (Tej^enstarid,  in  den  \'( >i stiHnnt^en  konstatiert  wer- 
den k.iini.  Nac-h  nK  inen  lu  fahnni<4t.  11  li.'llt  es  überaus  schwer, 
davon  dii  ieiiii^cn  zu  über/rillten,  wclclu  sicli  einerseits  nicht 
mehr  im  Hanne  des  naiven  Hcwnlstseins  l)elinden  und  anderer- 
seits auch  die  Notwendigkeit  dieses  Unterschieds  für  die 
Erkenntnistheorie  nicht  zugeben  zu  können  glauben.  Wenn 
wir  uns  ein  Haus  vorstellen,  was  können  wir  konstatieren? 
Eine  Gesiclitsenipfindnnj^:,  sei  es  eine  ursprüngliche,  sei  es 
eine  wicderanflebende,  die  als  nr.sprün«j:l!clie,  wie  wir  saj^en, 
von  dem,  was  wir  ein  H^^ius  nennen,  herbeij^elührl  wird.  \'on 
dem  Wir  oder  Ich  ist  nichts  zu  entdecken,  auch  nicht  v<m 
einem  liewuistseiu  um  ein  Ktwas.  Hin  bewufstes  lUwas 
scheint  alles,  was  vorhanden  ist.  Von  Inhalt  und  Gegen- 
stand, von  einem  Unterschied  beider  ist  nichts  zu  entdecken. 
Jndes  manchmal,  wenn  auch  \  erhältnismäfsij^  selten  bei  der 
Vorstellnnj^:  sinnlich  wahrnehmbarer  Cei^rnstfinde,  verbindet 
sich  mit  dem  besprochenen  bewnfsien  l-.iwns  ein  anderes, 
das  wir  Name  nennen,  eine  ( ichörsenipfindun^^  eine>  ije- 
s]>rochenen  oder  ( Tesichl.scnijjlindunji^  eines  geschriebenen 
Wortes,  beides  wiederauflebende  Empfindungen.  Auch  sie 
sind  zunächst  nichts  anders  als  bewufste  Etwas.  Allein  die 
Namen  sind  Namen  von  Gegenständen,  nicht  von  Vorstellungs- 
inhalten, sie  benennen  Gegenstände,  und  das  ist  ihre  erste 
iMinktion;  sie  wecken  in  dem  IirnLnden  aufserdem  den  ent- 
sprechenden Wnstclhmi^sinhalt  und  <»^eben  endlich  kund,  dafs 
der  vSpreclunde  etwas  vorstellt  dns  i^^t  ihre  /weite  und 
dritte  Funktion  (S.  lo  I2).  Das  Wort  Soinie,  sagt  Mill,  ist 
Name  der  Sonne  und  niclit  Name  unserer  Vorstellung  der 
Sonne (S.  lo).  Dasselbe  gilt  natürlich  vom  Namen  Haus. 
Durch  den  Xanien  die  Gehörsempfindung  eines  gesprochenen 
oder  die  Gesichtsempfindting  eines  geschriebenen  Wortes, 
beide  an  .Mch  genommen  nichts  als  bewnfste  Etw'as,  hat 
demnach  die  Vorstelhnig  eme  Beziehung  ant  einen  Gegen- 
stand, die  Vorstellung  des  Hauses  die  Be/ielmng  auf  den 
Gegenstand  Maus,  die  ihr  ohne  den  Xanien  Icldt.  Diesem 
Gegenstand  gegenüber  müssen  wir  dann  die  urspiüngliche 
oder  wiederauflebi&nde  Empfindung,  das  bewufste  Etwas,  das 


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Dr.  n«i!Wio  K.  l'pbttM. 


wir  ztniächst  allein  in  der  V'orstellnn^  enldeckcii  als  \'or- 
stelliinj^sinluiU  iKvcicliuen.  Der  Verfasser  erklärt  uns  nicht 
näher,  wie  V'orslcUiin L;en  einen  f '.e^ciistand  haben  ktuinen. 
Ilüffciillicli  findet  diese  im  Anselüufs  an  seine  luürternng 
über  die  Namen  «gegebene  Erklärung  seine  Zustimmung. 
Kr  erklärt  uns  auch  nicht,  woher  es  kommt,  dafs  die  Namen 
Namen  von  ( ie«jen,ständen  und  nieht  von  \'(irstellungsinhalten 
sind;  ich  Inn  nicht  so  znversichtlich  in  der  Erwartung,  dafs 
er  der  Krklärnnj:^.  die  icli  liin  lüi  }i;eben  möchte,  seine  Aner- 
kennnni^  nieht  versaj^t.  Xamen  haben  sich  für  uns  mit  den 
I^ni])findnnj;en,  von  dLiicn  \virsaj»en,  dafs  sie  von  den  Dinj^^en 
heniiiuen,  associiert;  wir  haben  darnm  von  ilineii  ein  associa- 
tives  Wissen  (\  ergl.  meine  Psychologie  des  Krkenncns  S.  169^ 
Aber  streng  genommen  funktionieren  sie  als  Namen  nur  im 
Urteil,  nur  dnrch  das  Urteil  können  sie  anf  Gegenstande 
be^oj^en  werden.  Namen  von  Oej^enständen  werden  sie  erst  im 
Satze,  wie  es  ja  anch  Sprache  eij^enllich  mir  \m  Sal/c,  dem  Ans- 
drnck  des  T ^rtrils,  ,L;ibt,  ob«j;leich  oft  TeiU  des  Sat/.es  u  '\v  das  Snb- 
jekt  durch  ilie  iIaUnn<;,  den  lUiek,  den,  l'in«(erzei<»^des  Rcden<ien 
ergänzt  werden  müssen.  Das  Urteil  besteht  nnn  seinem  Wesen 
nach  in  dem  Bewufstsetn  der  Wahrheit,  obgleich  das  Wort 
und  der  Hegriff  der  Wahrheit  nur  in  Urteilen  über  Urteile 
(z.  B.  Es  ist  wahr,  dafs  nsw.)  eine  Stelle  findet  Vor- 
stellnngen  sind  wahr  nnd  falsch,  wenn  sie  einen  Gegenstand 
haben,  wie  schon  Descartes  mit  Recht  betont  (S.  26),  aber 
ein  I>c\\ '.üsiNcin  der  Wahrheit  leinsehlielslich  /////•/// v'A  vor- 
liantlen»  gibt  es  nur  im  Urteil.  Das  setzt  aber  voraus,  dafs 
in  ihm  Inhalt  und  Gegenstand  unterschieden  wird,  denn  die 
Wahrheit  besteht  in  der  Übereinstimmung  oder  Korrespon- 
denz der  \'orstellnngsinhalte,  welche  im  t^rteil  eine  Rolle 
spielen,  mit  dem  ( .egenstande.  Der  Unterschied  von  Inhalt 
nnd  (rcgenstand.  der  für  die  Vorstellung  schwer  zu  konsta- 
tieren ist  nnd  zweifelhalt  erscheinen  kaini,  ist  für  das  Urteil 
zweifellos  vorhanden  nnd  leicht  zu  entdecken.  Durch  den 
mit  ihr  verbundenen  Namen  und  weiterhui  durch  das  Urteil 
ist  auch  die  Vorstellung  auf  einen  Gegenstand  gerichtet  und 
auch  für  sie  der  Unterschied  von  Inhalt  und  Gegenstand 
gültig.    Das  ist  unsere  Meinung. 

In  doppelter  Hinsicht  weicht  der  Verfnsser  von  dieser 
unserer  Meinung-  nb.  Sclf>^lverständlich  kanti  iiacli  unserer 
Auffassung  bei  den  ik  w  ui^lseinsvorgängen  \  hinein  Inhalt 
nur  die  Rede  sein,  wenn  sie  anf  einen  (iegcnsland  gerichtet 
.sind.  Ist  dies  nicht  der  Fall,  so  sind  sie  nichts  weiter  als 
bewufste  Etwas,  die  weder  als  Inhalt  noch  als  (xegenstand 
charakterisiert  werden  können.  Der  Verfasser  ist  nun  mit  Bren- 
tano und  seinen  Schülern  der  Ansicht  (S.  3),  dafs  allen  Be- 


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531 


wuratseinsvorgängfen  die  Biv.icluinjj  auf  (.iiicn  Inhalt,  ein 
iininaiicntes  inlcMitiotiales  ( )l)jokt  (.'ij^iic,  itiid  dafs  siechen  da- 
durch von  plu  sisclien  \'f«r<^än.i^en  unterschieden  wenU  ii.  Ich 
unk  1  scheide  lunpfindnnj^cn  und  (»rliilile  als  nrspriin)»liche 
Iie\vnl"stseins\ ori^.nijji^e,  die  nnter  l  nisuinden  in  neuen  I>e- 
wiifstseiiisvurj^änj^en  iPs\  choloj^ie  des  Krkennens,  S.  iii) 
wtederaitfleben  können,  in  jedem  Fall  aber  durch  nichts  als 
ihre  I>e\vufsiheit,  oder  dadurch,  dafs  sie  durch  sich  selbst 
bewufst  sind  und  in  diesem  Sinne  als  Bcvvufstsein  von  sich 
he/.eichnet  werden  können,  charakterisiert  sind.  He/.üj^lich 
der  (rctühle  hahe  ich  das  ausführlich  j^ezeit^l  ( Psycholoj^ie 
iles  Krkennciis,  S.  i  Dafs  es  Empfindungen  j^ieht, 

die  zur  Kenntnis  der  Anlseiiwcll  nichts  beitragen,  nur  sich 
selbst  kund  thun,  wozu  auch  wohl  die  Spannnngsenipfin- 
dnnji^en  der  Sehnen,  nicht  die  Cielenk-  und  Muskeleinpfin- 
dnnj^en,  die  sirli  als  Druckempfindungen  erwiesen,  /u  rechneu 
sind  iKiil])e,  (H  inidris  der  experiuientellen  Ps\  choloj^ie,  S.  23 
n.  S.  I  |S,  I's\  r1i(<lo»;it;  (it-s  l%rkennens,  vS.  bedarf  keiner 

\\tiurcii  iü(>rternn<j.  Wie  der  \'erfasser  in  dieser  Hinsicht 
HrcntaiK»  f^^l^t,  so  auch  in  der  andern  niii-^iciit,  in  welcher 
er  von  unserer  Mcinuni;  ahwcieliL  Kr  sclilitisl  sich  nändich 
auch  der  Brentanoschen  Urteil sthcorie  an^  nach  der  das 
Wesen  des  Urteils  in  dem  Anerkennen  und  Verwerfen  des 
t'rteilsjrc'o^enslandes  Hcl;!  (S.  S.  S.  2S,  »S.  36,  S.  09;  Inhalt 
des  (  l  u  ils  ist  nach  dem  Verfasser  die  h*xistenz,  S.  9).  Ich 
halle  ilem  j^a-^^'unber  in  in)ereinstinnnnnj^  mit  Uberweg, 
Stuart  Mill  (I^oj^ik,  übersetzt  von  vScliiel,  Bd.  I,  S.  107, 
J'i.xnminalion  <>/  Sir  W'illidiii  lldfuilloiis  f'lii}<>sof^li\\  p.  .j2l),  mit 
Bergmann,  mit  Thomas  von  Aqnin  (S.  iheol.  p.  i  4.  XVI.  a.  2), 
mntatis  umtandis  mit  Sigfwart  (vgl.  Rickaby  First  J*rtfidf*lt's 
/^Q<f  Longnuuis,  Green  aud  Co.,  Jjondou,  p.  24 — 26)  an  niemer 
Definition  fest.  Was  Ilillebrand  (die  neuen  Theorien  der 
kategorischen  vSchlüsse,  S.  ig  ff.)  gegen  »Sigwart,  Vherweg, 
Mill  sagt,  hat,  sofern  es  diese  meine  Definitioij  nnt  f)etrifft, 
nichts  auf  sich.  .Anerkennung  und  \'erwerfnng  sind  Willens-, 
nicht  Krkenntnisvorgänge,  so  schon  nach  den  Stoikern, 
welche  zuerst  von  ihnen  reden,  und  dann  wieder  bei  Dcscartes. 
Oft  kommt  es  vor,  dafs  das  Bewufstsein  der  Wahrheit  nicht 
in  der  Form  der  blinden  rberzengnng,  sondern  der  Einsicht 
in  die  Sache  tms  wirklich  aufgeht,  plötzlich  in  uns  aufblitzt, 
dafs  wir  aber  nicht  dabei  verweilen,  es  nicht  festhalten,  wohl 
gar  es  absichtlich  in  den  Hintergrund  drängen,  weil  es 
n USCHI  XciLjungcn  nicht  entspricht,  dafs  wir  es  mit  andern 
Worten  nicht  anerkennen,  weil  wir  es  niclii  wollen.  Der 
Verfasser  meint  (S.  67),  eine  primitive  Psychologie  habe  die 
Inhalte  einfach  fär  ein  psychisches  Abbild  der  Gegenstande 


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Goswin  K.  Tpliue«. 

erklärt,  dafs  von  photoy^rapliischer  Aluiliclikeil  keine  Rede 
sein  könne,  <c!ieine  honte  eine  allfjfeniein  im  nej^ativen 
Sinne  jj;cir)sie  iMaije  zu  sein  (S.  6S).  Wir  erinnern  uns  des 
Wortes  Mills,  dafs  der  Name  freilich  den  (iegenstand  be- 
zeichne, aber  doch  nur  den  entsprechenden  Vorstellungsinhalt 
in  dem  Hörenden  wecke  (S.  io\  des  Wortes  Höflers,  dafs 
sich  die  VorsteUunt^  nur  «^Iciclisam  an!  den  Gegenstand 
richte  (S.  4).  Uns  trifft  jedenfalls  ein  von  der  heutzutage 
allj^emein  in  nej^ativem  Sinne  beantworteten  I'^'raq^e  her«-e- 
nommener  lunwand  nicht.  Wir  iiaben  mit  Absicht  l)ei  der 
luläntenniL^  des  1 ',e\\  ufstseins  der  Walirheit  dem  Worte  in)er- 
einstimnning  das  amkre  Korrespondenz  zur  Seile  ^»estellt 
Dafs  wir  von  den  ('.ej^custänden  nichts  wissen  aufser  in  den 
Vorstellungsinhalten,  dafs  sie  uns  nur  in  der  Umhüll nng  und 
Verkleidung  der  \'.  >i>tellun}:;sinhalte  erscheinen,  von  denen 
sie  trotz  ihrer  Unabhängigkeit  von  ihnen  für  unser  Hewnfst- 
sein  unabtrennbar  sind,  was  ich  in  nieiner  I's\ choloj^ie  des 
Krkeunrns  wiederholt  nachdrücklichst  einschärfe  (l'syclutiojuiic 
des  b'rkeinrens  S.  56,  S.  76,  S.  221),  scheint  von  denen,  welche 
Inhalt  und  (gegenständ  unterscheiden,  nicht  immer  strenge 
festgehalten  zu  werden,  auch  vom  Verfasser  nicht  (S.  70). 

P^rdmann  niuinit  Obergangsfornieu  zwischen  Vorstellen 
und  Urteilen  au,  einmal  in  der  Beziehung  der  successiv  auf- 
tauchenden Merkmale  auf  den  Gegenstand,  wobei  der  (iegen- 
staud  als  Subjekt  und  die  Merkmale  als  seine  Prädikate  ge- 
dacht werden,  sodann  in  der  Zusammenfassung  \  on  l'rteilen 
in  Kinem  Wort  Der  Verla.N>er  zeigt,  dafs  es  sich  im  ersten 
Falle  nicht  um  l'rteile,  sondern  nur  um  das  Vorstellen  von 
Urteilen  handelt,  dafs  im  zweiten  Falle  etwa  Definitionen  in 
Kiu  Wort  znsammengefafst  werden,  die  für  den  Definier«,  nden 
allerdings  Urteile  sind,  so  lange  sie  in  Sätzen  ihren  Ausdruck 
finden,  hinsichtlicli  de  s  Definierten  aber  auch  unter  dieser  Vor- 
aussetzung immer  nur  als  vorgestellte  Urteile  betrachtet  wer- 
ilen  können  (S.  5  8).  Die  Ausführungen  des  Verfassers  sind 
in  diesem  Punkte  so  schlagend,  dafs  man  den  Versuch,  den 
Gegensatz  von  Vorstellen  luid  Urteilen  zu  beseitigen,  wohl 
als  endgültig  abgethan  betrachten  kann.  Vorstellungsinhalt 
und  Vorstell ungsgegenstaiid  werden  nach  dein  Verfasser 
(S.  la— 20)  beide  vorgestellt,  sind  also  beide  ein  Vorgestelltes, 
aber  in  verschiedener  Weise,  für  den  Vorstelluugsiuhrdt  hat 
das  Merkmal  vorgestellt,  wenn  mau  ihn  hdialt  betrachlet, 
eine  detenniniereiide  liedeutuug,  ebenso  wenn  auch  in  an- 
derem Sinne  für  den  (icgenstand,  wie  wir  ja  auch  von  einem 
Bilde  und  von  einer  Landschaft  in  freilich  verschiedenem, 
aber  doch  eigentlichem  Sinne  sagen  können,  dafs  sie  gemalt 
seien.   Betrachten  wir  aber  den  Vorstellungsinhalt  als  Vor- 


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Pbrr  d«n  <l^<>u*l*Bd  dos  Krkrniiras. 


5.« 


Stelhmg'sgc^en stand  mler  als  vorj^cstcllten  Gegenstand,  nennen 
wir  analo.i^cr  Weise  das  I^ild  Landsclinft,  so  erhält  dort  das 
Wort  \ Ol  i;(  sullt,  liier  das  Wort  «gemalt  einen  i^anz  anderen 
tnieij^enllielu  11  Sinn,  es  hat  wie  wir  saj^en  eine  niodifieierende 
lledentnn«^.  Ahnlich  niufs  anch  der  Ansdrnck  Existenz  nicht 
blofs,  wie  der  Verfasser  ausführt  (S.  25),  auf  den  vor^estelllen 
Gegenstand  d,  h.  auf  den  Inhal der  als  Gcgeustaud  vorge- 
stellt wird,  angewandt,  ehie  niodifieierende,  sondern  anch 
anf  den  Inhalt  als  ICrzenj^nis  des  Vorstellens  nnd  anf  den 
eit^entliclien  ( je<»;enstand  angewandt,  eine  deterniini'  rt ude  Üe- 
dentnnt;  linhcn.  Ansfiihrlich  wird  die  I''raj^e  bohaiulell  (S. 
20  2(j),  ol)  es  .gegenstandslose  Vorstelliin}^i*n  i^iht,  nnd  in  ver- 
neinendem Sinne  beantwortet.  Hier  (S.  21  23)  und  später 
35)  wird  denn  auch  die  Bedeutung  des  Nichts  besprochen. 
Es  soll  nicht  Gegenstand  einer  stell  II  dl;  sein  können,  son- 
dern nnr  ein  sogenannter  niithezeichnender  s\  nkatej^ore- 
niali  1  (].  h.  für  sich  allein  bedentniiL;sloser  Ansdrnck  sein 
wie  und  /n  nicht  nsw.  In  dem  Satz:  Ich  sehe  Nichts  , 
liat  der  Ansdrnck  Nichts  keine  andere  l^edenlnnj^  wie  der 
:  nicht,  kein  .  Kr  ist  gleiehbedentend  mit:  Ich  seile  nicht 
den  Gegenstand,  von  dem  geredet  wird,  den  andere  sehen 
wollen«;  oder:  :>Ich  sehe  dort  nicht  etwas,  kein  etwas  ^;  oder: 

Ich  sehe  iiberhanpt  nicht*.  Aber  anders  ist  es  doch  mit  dem 
Sa)/:    Ich  stelle  Nichts  vor«^,  der  freilich  anch  heifsen  kann: 

Ich  stelle  j^;ar  nicht  \<>r  :  nber  anch:  ich  stelle  Nichts 
d.  h.  was  das  Wort  Niehls  bulentet  vor  ,  wo  Nichts  etwas  weder 
immanent  n«)ch  transeeiuk  iit  Seiendes,  weder  Rewnfstsein,  sei 
es  \'orj4aiij4  oder  Inh.ih,  noch  Nielitbew  iilstsein,  sei  es  \"or- 
<(ano  oder  Ding,  ist  Gewifs  ist  dieses  Ktwas  in  sich  wider- 
sprechend ;  aber  warum  soll  das  Widersprechende  nicht  Gegen- 
stand sein  können,  warn m  sollte  nicht  etwa  die  Wirklichkeit 
ans  lanter  Widersprüchen  l)este]ien?  Zn  behanpten:  Nichts 
existiert  ist  freilich  in  sich  selbst  widersprechend,  ab(.  t  ich 
kann  doch  !»iiian]iten :  Nichts  existiert  nicht  ,  nnd  hier  ist 
das  Nichts  ilueh  (ie<jenstand  eines  Urteils,  obj^leich  es  nie- 
mals (.egenstand  eines  Wüllens  (die  W-rnichtnng  ist  natür- 
lich etwas  Anderes  als  das  Nichts)  werden  kann  (S.  35).  Ge- 
wifs die  Vorstellung*  Nicht-Raucher  umfafst  nicht  alles,  was 
anfser  den  Rauchern  noch  vorhanden  sein  kann,  sondern 
teilt  einen  übcr<^eoi dneten  liegriff,  etwa  Menschen  oder  Männer, 
in  Rancher  nnd  Nicht-Rancher,  nnd  ein  solcher  übergeord- 
neter Begriff  lafst  sich  für  das  Nichts  mcht  finden  1 S.  22). 
Aber  daraus  folgt  doeli  nnr,  dafs  dem  Nieiits  nicht  eine  ähn- 
liche Bedeutung  eignen  kann  wie  dem  Ausdruck  Nicht- 
Raucher  und  ähnlichen,  keineswegs  aber,  dafs  ihm  gar  keine 
Bedeutung  eignet  Ich  mufs  deshalb  an  meinen  Ausführungen 


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534 


liher  das  Nichts  (l\sycli'>]nirie  des  Krkennens  S.  50  — 51)  fest- 
halten, nehme  im  iihi  i-^en  mit  dem  \  erla.sscr  an,  dais  es 
ge^LTcnstandslosc  \'orstelhin*>cn  nicht  .i;il)t. 

Dci  N'erfasser  ist  der  Meinnn*;,  chifs  die  Allj^emeinvur- 
stelhtiigcii,  wie  sie  nur  einen  Inhalt  hatoi,  so  auch  nicht  eine 
Mehrzahl  von  Gegenständen,  sondern  unr  ei  neu  (Tcgenstand 
haben  können  (S.  35,  vS.  102— in).  Man  nuifs  unterscheiden 
zwisclien  Allj;emein\()rstelhin<^en  mit  dem  Hewnlstsein  ihrer 
All^emeiidieit  ninirrrsulia  rrflt xiu  nnd  Allj^emeinvorstelhnij^en 
ohne  dieses  Ik  wui.Nl.sein  i  iiiiivi  rsalid  ilir<  ita).  W'ns  <He  letzteren 
angeht,  so  kommen  sie  zustande  und  bestehen  lediglieh  in 
dem  Absehen  von  den  individnellcu  Merkmalen,  da  die  ge- 
meinsamen dem  allgemeinen  Namen  cnupi  ccheuden  Merk- 
male für  sich  allein  nicht  vorj^e-u  lU  werden  können.  Dieses 
Absehen  ist  nur  in  negativen  Urteilen  möglich,  deren  Gegen- 
stand dann  die  für  sich  nicht  vorstellbaren  gemeinsamen 
Merkmale  bilden.  ( )hne  dieses  Urteil  kounnen  wir  über  blofse 
(iemeinbilder  nnd  allijemeine  Namen  nicht  hinans,  durch 
dasselbe  ei  halten  ilic  allj^emeineu  Xanu  n  eine  n  Ciegeustaud, 
den  (gegenständ  nämlich  des  Urteils,  der  damit  auch  Gegen- 
stand der  Allgemeinvorstelhing  ist,  in  der  ja  der  allgemeine 
Name  immer  nnd  notwendig  eine  Rolle  spielt.  So  hat  die 
Allgemeinvorstellnng  ohne  liewnfstsein  ihrer  Allgemeinheit 
in  der  That  nur  Kineii  (iegenstand.  Anders  ist  es  mit  der 
AllLjt  HU  in\  (>rstellnng,  wenn  sie  vom  Hewnfstsein  ihrer  Allge- 
mciuhcil  d.  h.  ihrer  Anwendbarkeit  anf  mehrere  Ciegenstände 
begleitet  wird.  Die  Anwendung  der  Allgemeinvorstellnng  auf 
viele  Gegenstände  ist  natürlich  nur  uu")glich  in  einer  Reihe 
von  bejahenden  Urteilen,  deren  jedes  einen  besonderen  Gegen- 
stand hat  nnd  die  alle  zusammen  eine  Vielheit  von  (legen- 
ständen  haben,  die  damit  auch  CiCL'^cnstände  des  in  all  diesen 
Urteilen  wiederkehrenden  allgemeinen  Namens  nnd  damit 
auch  der  all i^lhi einen  Vorstellungen  werden.  Ivs  zeii^t  sich 
hier  wie  überall;  Worte  erhallen  durch  Urteile  ihre  liezielmng 
auf  Gegenstände  und  dadurch  werden  die  letztem  zu(jegen- 
ständen  der  Vorstelluu geu,  in  denen  die  Worte  eine  Rolle 
spielen.  Das  tritt  besonders  deutlich  hervor  bei  den  \'or- 
stellungeu  der  Zahl  und  ks  Continnnms  (vS.  76).  Urteile,  in 
denen  wir  die  niederen  Hinheiten  unterscheiden  nnd  /.n  einer 
höheren  Einheit  /nsannnenfas.^en,  die  i^leichartigen  Teile  je 
für  sich  insAnjj^t  lassen  nnd  als  znsaniiiu'nhän'nend  erkennen, 
ermöglichen  die  Deliaitimieu :  Zahl  i.^l  usw.  ,  Continnum 
ist  usw.*.  Der  zusammengesetzte  Gegenstand  jener  Urteile 
ist  auch  der  dieser  Definitionen,  er  wird  durch  die  Worte 
Zahl  nnd  Continnum  benannt  nnd  dadnrch  anch  zum  Gegen- 
stand der  Vorstellungen.  Wo  möglich  noch  deutlicher  ergibt 


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535 


sich  das  Gleiche  bei  den  indirekten  \'()rstelhiiigeM  (S.  92  ~  100), 

deren  ("icj;(enstände  vermittelst  Relationen  zu  andern  (k  j^en- 
ständen  vnri^x  stellt  werden  (S.  94);  Beispiele:  Land  ohne 
Beri^e,  An^^c  de.>  .\Unsrlieu.  Hier  treten  xori^^estelUe  Urteile 
(oder  das  X'orstellcn  tler  Urteile!  verniitlelnd  ein:  i^aiul  (als 
Subjekt  gedacht),  das  kehle  Berj^e  hat  oder  der  Ber*;e  er- 
maii};)^ehid  (als  Prädikat  gedacht);  ebenso  Auge,  das  einein 
Menschen  t^ehört  oder  einem  Mensclmi  eij^entihnlich.  Der» 
einheitliche  Gegenstand  dieser  Urteile  ist  anch  der  ou  den 
ziisannneilLjest  t'/ten  Namen  benannte  (ie<;e!ist.iii«l  und  wird 
dadnreh  znm  (iej;enstnnd  der  indirekten  \'"  nstelinnj^en.  Der 
Wrfasser  i»reift  in  seiner  nmständlichen  lütiiUrnn*^  anf  die 
innere  Spraehforni  znriick  (^S.  97),  aber  aneh  er  kann  die  Ur- 
teilsvcrniitthmg  nicht  entbehren  (vS.  9Snnt.,  S.  99  nni.),  wenn 
er  sie  anch  niclit  in  gleicher  Weise  wie  ich  geltend  macht 
Merknnd  ist  nach  dem  Verfasser  vorgestellter  Bestand- 
teil <k  ^  <  U  L!;<^  iistandcs  nicht  des  Inhalts  (also  vorbestellt 
im  determiniereii(k  11  >^inne)  (S.  40-  48,  S.  tS2  92  insbesondere 
S.  .SC)).  Ivin  vori4e>lellter  Ik'standteil  der  Vorstel1nnL;s-^cL:cn- 
stände  ist  aber  nicht  ihre  Identität  mit  sich,  obwolil  ein  He- 
standlcil  derselben,  er  ist  auch  kein  grundlegender  Bestand- 
teil von  ihnen,  weshalb  das  Oesetz  der  Identität  als  allge- 
meine Bedingung  alles  uns  mö glichen  V'orstellens,  j^als 
Grnndgesetz  des  Vorstellens  nie! iL  betrachtet  werden  kann 
(S.  (/)).  Sehr  ausführlich  wird  die  \  erschiedenlieit  (S.  29 — 40) 
und  das  \'erli;illnis  (S.  S31  von  Vorstellnngsiidialt  nnd 
Vi)i .sti]lun,t4>|4ej^enstand  hesjtrochen.  Ich  mache  anfiiierksani 
anf  die  schwierige  Untersnehnng,  die  S.  51,  wozu  vS.  (»5  /.n 
vergleichen,  angedeutet,  S.  64  und  66  durchgeführt  ist,  nnd 
auf  die  sehr  einleuchtende  Auseinandersetzung  mit  Kerry 
(S.  too,  wozu  S,  82  zu  vergleichen  ist). 


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,Zwei  Yersammlungen  für  wissen- 
scliaftliclie  Pädagogik. 


2.') 

28.  (ien«^ralvei*Muuiniliiii;!:  des  Wroiiis  tiir  wissonseliaft liehe  Patia^o^ik 

/II  (tlaiicIiHii  i/S. 

Die  Arbeil  auf  den  \*tisaininlun>^cii  des  \'.  f.  w.  I*.  hcstehl 
bekanntlich  blofs  in  der  Diskus.sion,  während  die  Unterkij;en 
dazu  vorher  tn  detii  ^»Jahrbucliec;  des  V^ereins  gedruckt  in  die 
Hände  der  Mitglieder  gelangen.  Für  den  Berichterstatter  ent- 
steht dadnrch  ein  Übelstand.  Denn  da  die  Diskussion  blofs 
herausheben  soll.  was  niaji  tadelt  oder  unter  Beifüi^unj;  einer 
V)esunderen  lienierkun.^;  billigt  (Jj  7  der  (jescliättsonlnnni;!,  so 
kaim  es  ^esclielun,  dafs  die  Hanpt};edanken  der  j^edruckteii  Ab- 
liautllun^  in  der  Di.skussioii  nur  nni;enüt^end  zur  Aii^^prache 
konunen.  Dem  wird  sich  auch  durch  einige  orientierende  Be- 
merkungen nur  unvollkommen  abhelfen  lassen,  da  es  eben  im 
Wesen  dieser  Vereinsarbeit  liegt,  dafs  Lektüre  und  Rede  und 
Gegenrede  ineinander  }>reifen  sollen. 

Von  den  7  Arbeiten  des  28.  Jalnlniehs-)  wurde  die  eine 
iilRM'hrnipt  nicht  zur  Diskussion  ireslcllt.  weil  sich  der  \'erf.  oder 
\  icliiu  hi  Heraus^cljer  eine  (.  in.  eilende  W'ürdif^ung  derselben  \  oT 
behalt iH  hat:  Herbarts  vScheinata  /.u  X'orksungeii  über 
Pädagogik  in  Göttingen  .  aus  der  Königlichen  und  Universitäts- 
bibliothek zu  Königsberg  i.  Pr.  herausgegeben  von  Rudolf  Hart- 
stein. Nach  diesen  Kntwurfen  hat  Herbart  1K07  -1H09  seine 
pädagogischen  Vorlesungen  gehalten.  Sie  decken  sich  in  Inhalt 
und  Anordnung,  ja  selbst  im  Ausdruck  teilweise  mit  dem 
späteren     l'  niri  f  s    ( 1 S  3  5 ), 

Zillig,  Lehrer  in  Würzburg,  setzt  die  im  \<)!ii;eii  Jahre 
Ijegonnenen  Betrachtungen     zur  Frage   des  i^elirplaus  in 

')  1.  siehe  Heft  IX.  S.  4S1  c-tc. 

•)  Heiau.sgegeheii  voll!  N'ofsit/.eiuleu,  l*r<)f.  Tlicod.  \'<igt  in  Wuii. 
Dresden.  I{le\l  11.  Kaeiiinurer.  iS()6.  2<)[)  S.  Im  IluchhaiuUl  5  M.  Der 
v«)ni  \'i)isit/.eni!t  11  hearbeilete  l'.eiicht  ers<  In  int  unter  dem  Titel  ICr- 
läutcrungen  ebenda;  Trei.s  1  M,  Mitglieder  erhalten  diese  und  die 
sonstigen  Vereinsschriften  gegen  den  Jahresbeitrag  von  4  M.  An- 
meldung beim  Kassierer  K.  Teupser  in  Leipzig,  Münsterstrasse  6. 


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2ft  Gen^nitrrrdiimnilunf  4e*  Tmiai  fir  witMucbafkllrlw  Fidufo^k. 


der  Volksschule  fort  mid  erörtert  diesmal  »die  c-Uiische 
Abhän^^igkcit  der  Lehrfächer  .  Hierliei  handelt  es  sich  darum, 
(!afs  erstens  unter  den  Snchfächern  und  zweitens  auch  unter 
jenen  für  Zeichenfonn  uiul  Zahl  mit  Hille  der  etliischen  Ik'ur- 
teilunj;  eine  solche  l*lat/,lul^e  gefunden  werde,  welche  dorjedes- 
mali};en  Nähe  des  betr.  Faches  zum  ICrziehun^^s^edaiiken  gemäfs 
ist<.  Dies  ist  aber,  wird  hicr/.n  zunächst  bemerkt  erst  die  zweite 
Frage  der  I^ehrplaiitbeorie.  Die  erste  Frage  würde  sein:  Woher 
konnnt  überhaupt  der  }):idagogische  Lehrstoff,  der  uns  zur  Aus- 
wahl (oder  auch  zur  Abweisung)  vorliej^t?  In  dieser  Hinsicht 
findet  die  rädatrnu;^ik  iimncr  soziale  Kor/k  niin^en  an  die  Schule 
vor  luid  hat  nuiiiiKlir  Kritik  zu  üben  und  lachniännischen  Rat 
zu  erteilen.  Sie  hat  hierbei  zu  l»eaehlen:  erstens  den  obersten 
Knd/Aveck  derKrziehung  (von  diesem  Gesichtspunkte  aussagten 
die  Pietisten :  hinaus  mit  den  heidnischen  Klassikern,  herein  mit 
den  Kirchenschriftstellern);  zweitens  auf  die  verschiedenen  Rich- 
tun>;en  der  Geistcsthätigkeit  (Interessen),  welciie  im  richtigen 
Verhältnis  zu  pflej^en  sind  ( ilso  nicht  etwa  blofs  die  Interessen 
<kr  I'*rkenntnis,  und  diese  nicht  etwa  i:rnr  lilofs  in  He/iehung 
:ini  materiellen  Nutzen  u.dgl.):  drittens  aut  die  Natur  des  kind- 
lichen Geistes,  insofern  sicli  nur  ein  bcstinnntes  Stoffmafs  einer 
pädagogischen  Behandlung  unterziehen  läfst.  Ks  ist  folglich 
nicht  richtig,  wenn  Zillig  den  pädagogischen  Lehrstoff  rein  aus 
dem  obersten  l\nd zwecke  der  ICrxiehung  deduzieren  will.  Für 
das  Verhältnis  der  Lehrfächer  folgt  daraus,  dafs  man  den  Ge- 
siniHUigsunterrioht  niclit  aulgabenstellend,  sondern  als  auf- 
galjenkcmzentrierend  an^elK^  mufs.  -  Xilligs  nnqipierung  der 
Lehrfächer  in  gesinnungbildende,  goeliniackbildende  und  er- 
keuntni.sbildende  findet  ein  Redner  angemessener  als  die  seither 
üblichen  Gruppierungen  Zillers  u.  a.  Behandelt  werden  in  diesem 
Jahrbuch  nur  die  ersten  beiden  Gruppen,  und  die  weitere  Be* 
sprecbimg  betraf  vorwiegend  die  erste.  Hier  wurde  u.  a.  die 
liestinnnung  getadelt,  dafs  der  Geschichtsunterricht  das  .Vnwen- 
<lungsteld  für  die  vom  Religionsnnterrirhle  i^c  lit  iu  ii  sittliche  n 
X'orbilder  zu  erschlielsen  hal)e;  aber  ^\vv  l<eli.uit>nsunlerriciit 
weist  aucli  auf  sein  besonderes  Anwendungsfeld  hm  ujan 
denke  z.  B.  an  die  Übung  der  Sakramente,  an  gewisse  Vor- 
schriften der  Haustafel.  Wohl  aber  sollen  die  sittlichen  Grund- 
Sätze  der  Religion  auch  in  der  Geschichte  Anerkennung  finden 
und  als  Mafsstab  der  Beurteilung  dienen.  Ferner  giebt  der  Reli- 
gionsunterricht nicht  blofs  sittliche  Vorbilder,  sondeni  auch 
das  ]isychologische  Verständnis,  wie  ein  sittlicher  Wille  im 
Men-^elii  11  nach  und  nach  entsteht.  Die  G»e.schic]ite  hat  dann  die 
besondere  Aulgabe,  die  Entstehung  und  die  Geschicke  der  mensch- 
lichen Gemehischaften  darzulegen,  dadurch  Teilnahme  dafür  zu 
erregen  und  zu  späterer  Mitwirkung  au  den  Aufgaben  dieser 

Kra*  Bahnen  (PfidaffOf  tun)  TU.  10.       ,  zs 


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53?  ,  ^  _„._  .   

Gemeinschnftcii  lu  i  anzuziehen :  ebenso  hat  auch  die  Reli^^ion  in 
die  nienschliclu  11  (k nieinschaften  einzuführen,  nur  in  andere 
Verhältnisse  derselben  als  die  Geschichte.  Man  land  überhaupt, 
dafs  Zillig;  die  Geschtclite  zu  ideal  ansieht:  aln  politische  Uln- 
zipliti  hat  »ie  es  zuerst  mit  Mach tf ragten  zn  tliuu;  sie  bietet 
auch  Hilder  des  SchlecliU  n  und  Ab-rlunlidien.  vielleicht  so^ar 
mein  als  des  CUiten  und  Indien  und  w  iikt  iu  ihrer  nackten  Thal- 
sächlit  hkeit  erst  dann  wahrhaft  l)ildend  auf  ju^eti«nir]u>  ( 'oninter. 
weini  der  I  nUnicht  das  unveitlurbene  oder  (buch  de  n  Ki-  li'^ions- 
unterricht  bereits  j^eläuterte  sittliche  l'rteil  de>  Kiuilc.-.  sicts  in 
richtij;er  Weise  darauf  lenkt,  wach  erhält  und  nicht  im  Stoffe 
ersticke»  läfst 

Fack,  Lehrer  iu  Jena,  schreibt  vfibcrdeu  neuen  Würz- 
burger Lelirplan  .  den  Zilli^  u.  a.  unter  dem  Titel:  Lehr- 
plau  für  die  Volkssc  luiK  .  Nebst  einer  Kritik  und  einem  An 
haiij^e  \'om  Standpunkte  des  er/.ielu-udeu  Tuterrichts  in 
Ivlsliiijjen  haben  ersclu  inen  lassen.  Derselbe  hat  in  einem  Teile 
der  bayri.scheu  pü^laJ40J;i.schen  und  puliti.schen  l're.s.se  eine  leb- 
hafte Polemik  hervorgerufen,  aufserclem  aber  die  zu  seiner  Be- 
gründung dienende  vorige  Abhandlung  veranlafst.  Kin  Redner 
sj)rach  seine  Freude  darüber  aus.  clafs  die  Arbeit  Kacks  im 
Jahrbuch  sich  finde;  denn  es  sei  richiiKer,  den  im  Kampfe 
stehenden  Deukj;enos.sen  beizustehen,  als  über  die  in  Kmn])f 
Geratenen  die  Nase  zu  rümpfen  und  sich  im  (  »enusse  der  Ruhe 
seiner  Kluj^heit  zu  freuen.  Andernieil^  entspreche  es  ^anz  der 
Sitte  des  Vereius,  wenn  dieser  Beistand  auch  darin  bestehe,  dais 
Fack  »die  Würzburger«  auf  Fehler  und  Mängel  ihres  Plans 
und  ihrer  Theorie  hinweise.  Danach  verfuhr  die  Versanmilung 
auch  Fack  gegenüber.  Die  ersten  beiden  Teile  der  Abhandlung, 
die  nur  Thatsächliches  enthalten  (der  Zweite  eine  ( ie.i;enül)er- 
stellunj^  des  Zillerschen  und  <\v^  W'fir/bur^er  Planest  riefen 
keine  Debatte  heiAcr,  desto  nielir  daj;eji;en  der  Dritte:  (>rund- 
legende  l'ntersuchun^^en  ,  nämlich  zu  der  im  vierten  Teile 
folgenden  Beurteilung  des  neuen  Lelirplanes.  liier  handelte  es 
sich  um  die  Stelhntg  des  Wissens  in  der  Hrzieliungsschule  und 
um  die  Frage,  oh  es  reine  Krziehungsschuleii  gebe  oder  in 
welchem  Siinie  und  UmfaiiKe  die  Ivrziehun^sschule  zugleich 
eine  Lernschule  sein  müsse  oder  tlürfe.  fliese  Fra^o;  führten 
aber  weiter  darauf,  ob  man  die  Idee  der  \ Ollkommenheit  mit 
Herbart  als  eine  ^elbständixe  ethische  Idee  oder  mit  T.ntt  und 
Hartenstein  als  einen  blof.seu  Coellicienlen  «»der  .Muitiplikalur  an- 
zusehen habe,  und  die  Lage  -der  Gedankenschlacht  war  die,  dafs 
die  Redner,  welche  steh  gegen  Fack  wendeten,  die  erste  An- 
schauung, welche  auch  der  Würzburger  Arbeit  zu  Grunde  liegt, 
gegen  die  zweite  und  damit  gegen  die  Anschauung  Facks  oder 
wenigstens  gegen  die  Konsequenzen  seiner  Kritik  zu  verteidigen 


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539 


suchten.  Es  widerstrebt  dem  Berichterstatter,  aus  dieser  Debatte, 

in  die  auch  der  Ihiterschied  des  mittelbaren  und  des  onmittel« 
baren  Interesses  mit  hineinspielte,  I^inzelheiten  hrrans/ngreifen, 
und  er  verweist  flrdier  auf  die  siK'Hcr  folo;cnde  iinifasst-ndc  "Re- 
rit  lilL  1  slailuH^  in  lUii  l{i l."!ntL'runi»cn  zum  Jalirluu  ln.-.  (>ri;cn 
I';u  kN  Knlik  des  neuen  lAlM'])lans  wurde  nun  j^cltend  gcnuiclit: 
man  hat  bei  einer  solchen  Beurteihing  von  dem  Begriffe  der 
ausgestalteten  sittlich-religiösen  Persönlichkeit  auszugehen.  Diese 
entsteht  nur  in  einem  reichen  (Gedankenkreise,  dessen  Vieles 
eine  geschlossene  Iv  i  n  h  e  i  t  bildet,  in  welclier  die  sittlich -l  eli^ioseu 
Cinnul^ätze  die  Herrschaft  ausilben;  danach  hat  der  Lehr- 
phui  zu  sorgen  a)  lür  die  rechte  \'ielseiti}j;^keit,  b)  für  das  Neben- 
einancK-r,  c)  dies  aber  in  der  richtii^en  l'ber-  und  rnleiord- 
nutii;,  und  da  die  Persünliehkeil  das  Krgebnis  einer  langci» 
Knt Wickelung  ist,  so  ist  auch  d)  das  rechte  Nacheinander  der 
Stoffe  und  der  geistigen  Zustände,  welche  mit  Hilfe  der  Stoffe 
hervorgerufen  werden  sollen,  zu  .bedenken.  Zu  diesen  a11i;e- 
njein  geltenden  Gesichtspunkten  konnnen  noch  die  Rücksichlen 
auf  die  kinflliclu  Itidividnalität.  die  sehr  versrhie<lener  Art  sind, 
nie  \\'r>rzl>uri.n  1  i-  i  tüllen  die  ersten  drei  l'"ordei  iingen,  (Mv  x'ierte 
aber  niin<lestens  nicht  in  der  Weise,  die  sonst  im  \'erein  ver- 
treten wird,  nämlich  indem  man  die  kulturgeschichtliche  Unt- 
wickelung  aller  Fächer,  nicht  blofs  der  Gesinnungsfächer  ver- 
folgt und  das  Rongeniale  zu  gleichartigen  Gedankenmassen 
zusammenordnet.  Auch  die  individuell-kindlichen  Rücksichlen 
werden  im  Würzburger  Plane  mitunter  verletzt,  so  wenn  derselbe 
im  ersten  Schuljahre  dns  debiet  lUr  sichtbaren  lleiniat  zu  sehr 
verläfst.  Her  T'nUisrhied  zwiselkii  aller  tuid  neuer  Auf- 
fassung der  Konzentration  lebt  al.so  auch  in  diesem  Vereiusjahrc 
weiter;  doch  kann  dies,  meinte  der  Vorsitzende,  weder  dem 
Vereinsleben  noch  der  Sache  schaden,  wenn  die  verschiedenen 
Ansichten  in  reinem  Wahrheitstrieb  in  ähnlicher  Weise  nach 
der  ^richtigen  Auffassung  hitistubcii  wie  in  Hach'scher  Musik 
<lie  selbständig  nel>eii  einander  hergehenden  Stimmen  .nacii  der 
HarTnoni<*. 

l'jiu  I,ehrplanfragc  behandelt  auch  Pastor  prini.  Dr.  Kat/er 
in  Löbau,  nämlich  den  christlichen  R  e  1  i  g  i  o  ns  u  n  le  i  i  i  c  Ii  t 
ohne  das  alte  Testament^.  Die  Forderung  hat  Verf.  be- 
kanntlich zuerst  in  seiner  Schrift  -^Das  Judenchristentum  <  aus- 
gesprochen,  aufserdem  haben  zwischen  ihm  und  Thrändorf  Au.s- 
einandersetzungcn  in  der  -  Zeitschrift  für  Phih)sophie  und  Päda- 
go<^M'k  fiS95,  S.  15)  begf)nnen,  die  (nach  Jahrbuch  S.  2S7) 
fortgesetzt  werden  sollen.  Die  (  .lauchauer  Debatte  erkannte  an 
Katzers  \'orgehen  drei  Hauptgedanken  als  richtig  an:  1)  ilals 
bei  dem  Unterricht  im  alten  Testament  der  chri.stliche  Stand- 
punkt der  obere,  für  die  Beurteilung  der  Personen  und  Ver- 
as* 


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S40     _   

hälttiisse  mafs gebende  ist;  2)  dafs  folglich  die  religiösen  Be- 
trachtungen nicht  mit  dem  alten  Testamente  heginnen  dürfen 
(im  Zillerschen  Lehrjilan  hei^nimen  sie  mit  den  christlichen  Kest- 
gescliichten) ;  3)  dafs  wir  aus  dem  alten  TeslaTmuU  uoch  sorg- 
fältiger auswählen  miissen.  Nur  darf  die  Auswaiil  nicht  etwa 
darauf  zielen,  alles  Unrechte  und  Schlechte  zu  übergehen;  aiicli 
Christus  erzählt  vom  gottlosen  Richter,  vom  Schalksknecht  usw. 
Die  vielfach  vorhandene  Überbürduug  mit  Stoff  ist  es,  welche 
einen  Teil  der  Lehrer  die  Arbeit  Katzers  freudig  begrufsen  lafst. 
Zur  1  Jberbiirdung  wird  aber  mitmiter  auch  neutestanutttliclicr 
inid  kirchengeschichtliclKr  r.ehrstoff  gemifsbniucht.  und  dafs 
Kat/er  die  ^*berbü^<.lung^irage  net)enbei  mit  vorschwelit,  beweist 
sein  Wunsch,  dafs  wir  bald  /.u  einem  neunten  Schuljaine  ge- 
landcn  nidchten.  Ein  anderer  Teil  der  Lehrer  mag  in  Folge 
der  Ergebnisse  der  neueren  alttestamcntlichen  Forschungen  vom 
alten  Testamente  als  Unterrichtsmittel  nicht  mehr  Oelirauch 
machen;  deren  Bundesgenosse  will  aber  Kat/.er  nicht  sein,  vielmehr 
s])richt  er  gegen  respektwidrige  Behandhm^,^  des  alten  'l\-sta- 
niciilt  s  nnd  hält  seine  Forderung  für  iniabhängig  vnii  diesen 
tlie' )l()i;i>eheii  Strcilfrngeti.  Blofs  darauf  geht  seine  Thc>e,  d.U» 
ein  voraur^gcheuder  alUeslamenlliehcr  Uuleriicht  nicht  geviguet 
sei»  Christum  seinem  Wesen  nach  verständlicher  zu  machen, 
und  hiergegen  richtete  sich  die  in  Glauchau  geübte  Kritik,  ßs 
wurde  geltend  gemacht:  Was  Katzer  s^zwei  Religionen  nennt, 
sind  nicht  strenge  Gegensätze,  sondern  nur  ^•erschiedene  I£nt- 
wickebingsstiifen  desselben  religiösen  (Tcistes;  Clnistus  sieht 
auch  seine  Lehre  nicht  als  Auili>>ung.  sondern  als  W  eilerbiklung 
der  alten  Lehre  an.  Nationale  und  kosmopoliti.sche  Religion 
z.  B.  sind  nicht  solche  Gegensätze:  der  nationale  Standpunkt 
ist  vielmehr  schon  ein  Fortschritt  gegen  den  egoistischen,  und 
erst  aus  dem  nationalen  kann  sich  der  kosmopolitische  ent- 
wickeln. So  wirft  Katzers  Ausdruck  Judentum«  verschiedene 
Anschauungsweisen  zusammen,  als  wären  sie  eine,  und  übersieht 
gerade  das  Höchste  und  Beste,  was  altisraelitischer  Cjeist  lur- 
v<>i  .i^ebraelit  hat.  T'ni-ekehrt  stellt  er  dasjenige  Chri>lenlnni  , 
welches  die  Kinder  im  Umgange  mit  den  lulcrn  annehmen,  zu 
hoch,  indem  er  die  niederen  (eudämonistischen)  Gesinnungs- 
demente,  welche  dieses  s Christentum«  bei  den  Eltern  so  häufig 
hat,  übersieht  (£s  w^urde  an  die  anonym  erschienene  Schrift 
-Zur  bäuerlichen  Glaubens-  und  Sittenlehre«  erinnert;  man  denke 
auch  an  die  Thaten  der  christlichen  Ahyssinier  I) 

Katzers  Arbeiten  reichen  zu  dem  Nachweise,  dafs  man 
den  seitherigen  kulturgehchichtlichen  Weg  verlas.scn  nn'isse. 
nicht  ans.  Umgekehrt  fürchtet  man  von  seniem  Vorschlage,  es 
werde  dabei  das  Höchste  und  Heiligste  vor  die  Kinder  gebracht, 
bevor  sie  die  rechten  Augen  dafür  haben.    Zu  einer  weiteren 


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'2'^.  Gi^nf  ralvcr-iimmliiMi,'  dr".  Von  in-  fiir  »  Uncii-irhaftln'hi'  Piiiliicrit^ik,  f 


PrüfitniC  fehlt  einstweilen  ein  ;iu>l;\ fuhrter  Lelirplan.  I$s  wnrde 
ntit>;eleilt,  da  Ts  Dr.  Lietz  (Dreidcn)  dem  Verein  eineu  solchen 
vorleben  werde. 

Dr.  Thrätidoit.  Senuuaii>l>crlelirer  in  Auerbach  i.  V'., 
bietet  in  ilieseni  Jahil)nche  den  JSchlufs  Seiner  Präparationeu 
xur  Reformation5|rcschicbte  (in  der  Art  der  Atisffthrttng 
für  Seminaristen  der  o1>ereti  Klassen  lierechnet).  Darauf  folgt 
eine  pädagogische  Kegründuni;  der  .Stoffanswahl  und 
Behandlung».  In  dieser  set>:t  sich  Verf.  l>esondera  mit  den 
ReslininHni<j:;vn  der  noiu'ti  prcnfsischen  Lehrplnne  niiseitnnder 
nnd  behauptet,  nicht  die  AuKUstana,  die,  aufs  u«  lindeste  >;esaj;t, 
den  neuen  Geist  in  die  alten  Schläuche  der  sclujlastischen  Doj;- 
nuitik  laist,  sei  die  rechte  ^uellenlektüre  für  die  hohem  Schulen, 
sondern  vielmehr  diejenigen  reformatorischen  Schriften,  in  denen 
der  •  echte  Luther  ►  spricht  Die  Debatte  stellte  nur  Unwesent- 
liclu .ui>. 

Dr.  Wilk.  Direktor  in  Gotha,  bringt  über  das  Q  u  a- 
tlrieren  und  das  O  u  ad  r  a  t  w  u  r  ze  1  /  i  e  h  e  n  eine  ausführ- 
liche I'räparation.  welche  die  nackten  niatheiiKilisciu  11  .\iitv;ai)en 
aus  sachlichen  rroblenien  ableitet  und  /.ugleicii  <.leu  Zweck  ver- 
folgt, des  Verfa.s.sers  besondere  Ansicht  über  die  Unterscheidung 
von  WillensKiel  und  Krkenntntsziel  (mau  vgl.  das  27.  Jahrbuch 
nebst  den  zugehörigen  Krläuterungeu)  zu  illustrieren.  Auf  Mit- 
teilungen aus  der  kurzen  Debatte  \er/.ichtet  Berichterstatter 
ebenso  wie  bei  tiein  Anfsat/.e  von  Dr.  Hey  er  in  Leipzig  ül)er 
die  Lehrwerkstätte  .  Die^e  Arbeit  ist  ein  .Vnfaiii^,  den 
b'achunterricht  in  näheren  /uNamiiu  iihnng  mit  Tluni  ic  und 
Praxis  des  erziehenden  Unterrichts  zu  l)ringen,  und  tulst  hin- 
sichtlich der  historisch-statistischen  Angaben  auf  dem  grofseu 
Werke  von  Franz  Scheven. 

Bei  diesen  wenigen  Mitteilungen  möge  es  sein  Ikwendeu 
hallen.  So  lückenhaft  sie  der  wirklich  vollbrachten  Arbeit  gegen- 
über auch  sind,  so  über>chreiten  sie  doch  vielleiclu  >t  lion  den 
verfügbaren  Raum.  In  betreff  der  freundlichen  Aufnahme  sei 
bh»is  noch  erwähnt,  dafs,  was  bisher  in  der  Vereinsgeschichte 
noch  nie  vorgekommen  war,  das  Ratskollegium  für  die  \'er- 
schoncrung  der  Versammlung  einen  Geldbeitrag  bewilligt  hatte, 
und  dafs  neben  dem  ruhigen,  würdigen  Verlauf  der  Verhand- 
lungen auch  die  geselligen  Veranstaltungen  d  i/.u  beitrugen,  die 
Teilnehmer  gehoben  und  neugestarkt  heimziehen  zu  lassen. 


Leipzig. 


Fr. 


Rundscliau. 


September  f8c)6. 

Der  Entwurf  c  uu  i  ik  ir  u  riniuii^siirihitiii;;  fiii  Millclsi  luinchrLr  utid 
Rektoren.  —  Die  Schule  auf  «lein  Kalholikentajife.  —  Die  i,v  Il.iui)t- 
ver.samniltmjr  'l^s  Itaynsclrcii  I.ehrt  r  \  c  n  itis.  —  Der  v  intern. i  iiuiak- 
KüUgrefs  fiir  rsycliolo^ic.  -  Die  Kreii/./eituiijLj  über  <lie  in<Hlernen 
Lehrer»^.  —  Die  Kölnische  Zeitung  fiber  die  Rerechtijrnnsr  der  I,elirer 
■/.um  ( inirilirii^  frciwillij^en  Dit-nst.  Das  nt- ue  Sclinlj^eselz  in  Srliwx  flcn- 
Norwcgen  unU  die  klassischen  Sprachen.  —  Der  I'uU  I.anifennanii. 
—  Pestalozzi-Studien  von  L.  W.  Seyffarth.  —  A.  Chr.  Jessen  ^egen 

die  •Neuen  Bahnen 

Der  ministerielle  Entwurf  einer  netten  Prüf  u  n  j^s- 
ordnung  für  Mtttelschnllehrer  nnd  Rektoren  l)e- 
schäftigt  die  I^hrerschaft  in  steiKfit^«-«"  Mafse.  In  den  Wreinen 
sowohl»  als  aucli  in  Zeitungsartikeln  wird  er  anfs  lebhafteste 
besprochen.  Auch  die  N.  B.  haben  in  dein  vorigen  Hefte 
einen  eing;ehenden  Beitrat::  /n  dieser  Zeitfra^je  K<-*bracht und 
in  dem  nächsten  Hefte  werden  diese  I''rörterunj;en  forti;Lsel/t 
werden.  Sit  können  w  iv  uns  au  dieser  Stelle  darauf  besclnänkeii, 
die  verschiedenen  Stroinungen  zti  kennzeichnen,  die  iit  dieser 
Frage  an  die  Öffentlichkeit  getreten  sind.  Den  weitestgehenden 
Vorschlag  macht  die  Neue  Westdent^clie  I^ehrerztg.  ,  die  beide 
Prüfungen  beseitigt  wissen  und  für  das  Aufrücken  in  Rektor- 
stellen nnd  mis  diesen  in  Krei<scliulinspektorstellnngen  anf  der 
Grnn(ll;i.i;L-  einrr  als  l\ei;el  inn(.  /nhaltenden  gerechten  nnd  billigen 
Berücksichtigung  des  Dienstalters  die  prakliscii -berufliche  Be- 
währung ausschlaggebend  macheu  wilK.  So  sympatliisch  uns 
auch  dieser  Standpunkt  ist,  und  wenn  wir  auch  der  Hoffnung 
leben,  dafs  bei  der  stetigen  Weiterentwickelung  der  Seminar» 


'i  Wie  uns  nulnere  Zuschriften  /.eigen,  hat  dieser  Artikel  ins- 
besondere in  seinen  geschichtUcflien  Ausführungen,  nicht  überall 
Zustimmung  gefunden.  Wir  haben  das  vorausgesehen,  haben  ihn 
aber  trotzdem  gebracht,  auch,  trot/deni  wir  i)ersrmlicli  einen  ab- 
weichenden  Standpunkt  einiuhnien.  Man  wolle  <loch  nie  xerj^essen. 
dafs  die  X.  H.  xon  jeher  alle  diese  Fragen  als  offene  behandelt 
haben,  dafs  deshalb  in  ihnen  als  .mi  einem  neutralen  Hoden  die  Ver- 
treter der  verschiedensten  Ansichten  zu  Worte  kommen  können. 


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Rnridtx'hau. 


bilduiij^  matt  in  Zukunft  von  den  beiden  Prüfnngen  wird  ab- 

srhtn  köüiuTi,  heute  können  wir  diesen  Vorschlag  nicht  ernst 
nehmen:  uiittr  den  gri^einvnrtiircii  \*crhriltiiissen  dürfte  eine  Be- 
seitigung hridcr  I*rü langen  leiciil  geeignet  sein,  der  Rückkehr 
zu  der  nichtfaehtuänaischen  Schulaufsicht  die  Wege  zu  bahueu. 
Wir  finden  anch  keine  anderen  Stimmen,  die  sich  nach  dieser 
Richtunjr  hin  äulsern.  Dagegen  wird  der  von  dem  Entwurf  in 
Aussicht  genommene  Wegfall  der  Mittelschullehrerprüfuiig  als 
Vnrlu  dingling  für  die  .\blegnng  (K  <  Kektorexamens  für  Volks- 
schuleu  von  der  Mehr/ahl  der  Ta  In  er  freudig  begrüfst:  in  diesem 
Sinne  bewegen  sich  n.  n.  Kundgebungen  der  Preufs.  I^ehrer- 
/eitung  ,  der  Pädagt>gisehen  Zeitung  ,  (le>  Lehrervereins  zu 
Halle  a.  S.  und  des  Hanuoverschcn  lydirci  Vereins.  Dabei  wird 
jedoch  gleichzeitig  die  Erwartung  ausgesprochen,  dafs  das 
Lehrerbildungswesen  baldigst  eine  den  Forderungen  der  Gegen- 
wart entsprechende  Umgestaltung  erfahre,  die  Prüfung  für 
Mittelscliullehrer  überhaupt  aus  dem  pädagogischen  Prüfungs- 
wesen entfernt,  diejenige  für  Rektoren  der  pädagogischen  Idee 
gemäfs  reorgain'siert  und  ihre  Ablegung  von  jedem  verlaugt 
werde,  der  sich  um  eine  leitende  Stelle  im  Schuldienste  bewirbt«, 
also  auch  enigegeu  dem  Entwürfe  von  Geistlichen,  Oberlehrern 
höherer  Schulen  und  Kandidaten  des  höheren  Schulamtes.  Mit  dem 
Wegfall  der  Mittelschulprfifung  überhaupt  wäre  dann  auch 
ein  schwerer  Stein  des  Anstofses  beseitigt,  die  Bestimmung  näm- 
lich, dafs  einem  Schulniaune  wohl  die  Fähigkeit  zugesprochen 


Aus  der  Aussprache  der  abweichenden  Auschanungeu  wird  ohne 
Zweifel  schliefslich  die  Wahrheit  tini  «o  reiner  hervorgehen  ~ 

lind  Jivir  um  diese  ist  es  uns  /.u  tluni  I  Dannn,  so  sehr  mich  jede 
derartige  Zuschrift  auch  erfreut,  ist  sie  doch  ein  Zeichen  dafür, 
M'clclies  Interesse  den  A«sfiihningeii  der  »X.  B.«  entgegengebracht 
wild,  heher  w'hv  es  mir  <l<i.  Ii.  wenn  die  abweichemlen  Ansichten  nicht 
nur  mir  brieflich  mitgeteilt,  sondern  zu  einem  kurzen  Beitrage  für 
die    N.  IV    verarbeitet  würden. 

Insbesondere  bin  ich  von  einem  Kollegen,  der  im  Kampfe  für 
die  Schule  mit  in  den  xortler^tt  n  T\ei!un  stellt,  daiauf  aufmerksam 
gemacht  worden,  daLs  Sacks  ScIda.iilicliLer  /.ur  \  olksi)iidung  in  keiner 
Weise  verdienten,  als  Quellenschrift  für  die  Beurteilung  der  Ära 
Falk  angeführt  zti  werden.  Wenn  ich  luni  anch  schon  vor  1 1  Jahren, 
als  die  Schlagüchtert  erscliienen,  die  Litteratur  iiufmerksani  verfolgt 
habe,  so  mnfs  ich  doch  gestehen,  dafs  mir  dieses  Buch  nicht  zu  Ge- 
sichte ^'ekonnuen  ist:  w ahrscheiiilieli  fUshalb  niclit.  weil,  wie  mir 
mitgeteilt  wird,  nur  die  ersten  Lieferungen  erschienen  sind.  Soweit 
kenne  ich  allerdings  Sack,  dafs  ich  von  vornherein  annahm,  das 
Br.ch  sei  vom  demokratisclien  Standpunkt  aus  abgefalst.  Das  konnte 
ai  er  bei  dem  Standpunkte,  der  mir  für  die  Redaktion  tler  N.  H. 
riaf.sgebend  ist.  an  und  für  sich  kein  (irund  .sein,  die  Streichung 
dieses  Citats  /u  l)eaiitt  li  I>ieser  Standpunkt  giebt  mir  aber  auch 
die  innere  I  reiheit.  den  l.eserii  »U  i  \  1'  \  ou  dem  entgeg<'ng<  set/,ten 
Urteile  eines  geachteten  Mitgliedes  un.seres  Standes  Kenntnis  zu 
geben.  Sie  mögen  auch  in  dieser  Frage  entscheiden. 


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wird,  vSchulen  zu  leikn.  aber  iiiclil  die.  als  Lehrer  an  einer 
MittcWi  Hille  an^v^tt  llt  /n  werden.  I'jidlioh  sind  rd»er  auch 
Stiiiiiiun  laut  j^eworden,  welche  dtn  XWui  dl  <!r>  MilUlschnl- 
exauRus  lür  die  V'olk.sschul  Rektoren  bedauern,  da  dadurch  der 
Bildungsgrad  derselben  und  damit  auch  die  Vollcsschule  t)e- 
deuteud  herabf>;edrückt,  die  Zahl  der  Rektoren  und  somit  die 
»Stellenjägerei«  und  Unzufriedenheit  sich  bedenklich  steijjern, 
die  RektorprfifuuK  niöi;licher\veise  /u  eitier  dritten  Lehrerprüfung^ 
au'^^\  1'  hsen  uud  den  Reibireien  und  Abs()uderungs<;elüsti  n  durch 
'  J^rliaituii  j:  des  X'olksschulrektorals  stins  f^/misr  weM  iitl'^li  \'fn  - 
schul»  L^rliisttt  werden  würde.  In  diesem  vSinnt  liül«  n  ^\c\\ 
u.  a.  der  Schrilllciter  der  Haunov.  Scliui/t};.  im  Lclucrwicui 
Haiinover-I^iuden  ausgesprochen,  ferner  der  Berliner  und  Kouigs- 
berger  Rektoren  verein,  die  »Frankf.  Schulxtg.«^  und  die  -Scliul- 
pflege«,  bekauutlich  das  Hauptorgan  dea  Preufsischen  Rektoren- 
vereins. Unsere  Ati.sicht  ist  kurz  ausgesprt)chen,  folgende:  i) 
Bevor  uicht  eiue  /ei  tircm  "i  fsc  tu  iTc^taltuug  d es  Lehrer- 
bilduugsweseus  stal  l  t  (K  a  hat,  hallen  ^^ir  dm  \\\  g- 
fall  der  Mittelschullelu\  rjn  (iluiig  für  die  V<)lk»clnihcku»reu 
uicht  für  wüuscheuswert;  2)  das  Rektorexauien  hat  jeder  ab- 
zulegen, der  sich  überhaupt  um  eine  leitende  Stelle  im  Schul - 
amte  bewirbt  Wie  so  über  die  Grundfragen  keine  Einigkeit 
im  Lehrerstaude  herrscht,  so  noch  weniger  ülicr  Hiuzelheitent 
für  beide  Prüfuugeu  sind  die  verschiedensten  A'orschläge  /.u 
Abäudei  uiiReu  t::eTiincht,  die  so\\  ()hl  das  Mafs  der  Aufordernugen, 
als  auch  die  Handlialie  <ler  rrüfinigeii  betreffen.  Wir  kiunieu 
auf  diese  sich  leider  viellacli  widersprechenden  Ansichten  hier 
nicht  näher  eingehen,  weisen  aber  insliesondere  auf  einen  Artikel 
in  No.  34  der  «Schles^  Schulztg.«.  hin,  mit  dem  wir  uns  in 
fast  alten  Punkten  in  Übereinstimmung  befinden. 

Alljährlich  iui  vSonnucr  hält  das  Centrum  Heeresschau  ül>er 
seiue  Getreuen.  Katholikentag  neuiit  es  die  \'ersaunulung, 
obwohl  CVntnun  inid  KatholicisT!iti<  doch  glücklicherweise  noch 
nicht  ideutiscli  ^iiid.  lün  Katholikentag,  der  sich  uicht  nul  der 
Schule  beschäl ligl,  isl  undenkbar,  und  so  .sind  denu  auch  auf 
der  Tagung  dieses  Sonmiers,  die  in  den  letzten  Tagen  des 
August  in  Dortmund  stattfand,  folgende  Resolutionen  ange- 
nommen: 

»r)  Die  43.  (leneralversanindmig  protestiert  aufs  energischste 

gegen  die  so  oft  vurkoinniendeJi  SchnKihungcn  und  laitslelhmgen 
katholischer  Lehren  und  ( "lehräuclie  auf  den  hölrfreü  Schulen,  nanient- 
Wch  in  (iegeinvart  katholischer  Schüler,  nicht  luiuder  uejren  den  (le- 
l.iauch  von  ( le.sehichl.s  und  Lesebüchern  ähnlichen  Inhalts.  Sic  fordert 
die  Httcrn  uud  Krzieher  auf,  solche  Fälle  ungesäumt  in  den  öffent- 
lichen Blättern  zur  Besprechung  zu  bringen,  damit  auch  auf  diesem 
Clebiete  unser  Recht  endlich  resiiektiert  wird.  2)  In  Erwägung,  dafs 


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Rundichao. 


545 


die  Volksschule  ihre  erzit  hin  li<-  AufjLiabe  nur  dann  zu  erfülliii  ver- 
Tiiap.  wenn  die  Religion  die  ( is  ntii11.i<rr  und  dt  !i  Mittclpinikt  l  iMcl  ; 
in  lüwäcjntTT  ft nu  r.  dafs  die  rr!im«)se  i.r/.iclinn^  von  Christus  nirlit 
dem  StaaU.  s<>tnlern  der  Kirche  idKrUagcn  ist;  fordert  die  4.v  General- 
versammlung der  Katholiken  I>eutschland»  die  BeReitigung  aller  Mafs- 
re^eln.  durch  die  man  in  den  meisten  deutschen  Ländern  den  Hin- 
Üufa  der  Kirche  auf  die  Schule  unterj^raben  oder  fast  gan?,  vernichtet 
hat.  Insbesondere  fordert  sie  die  Beseitigung  des  |»renfsi\*  lu  n 
Ministeii  il  l'tlassrs  \  nm  tS.  l-ebniar  tS-o  in  betreff  iKs  k  itholisclien 
Keli^i"ii^unterrielil^  in  'len  X'olks^rliuleii,  der  die  Mrteihni.L;  desschul- 
planniaisigeii  Keligion.vni'.terriehts  ftii  lU-n  St.uit  in  luli  iiimnit, 

und  der  sowohl  mit  tieni  katholischen  Dogma,  als  auch  mit  der 
|>reufsischen  Verfassung  in  Widerspi  uch  steht.  4)  Sie  verlangt  ferner 
die  allgemeine  Wiedereinsetzung  der  katholischen  Pfarrer  in  ihr  Amt 
als  Ortsschulinspektoren  und  dementsprechend  die  Aufliebung  der 
Hrlasse  des  j^^egenw artigen  l'nterrichtsniinisters  Dr.  Bosse,  in  denen 
er  fiir  tiRlii kla.ssige  Schulsysteme  die  allmähliche  ('bertragung  <1er 
Oitsschulinspektion  an  die  Rektoren  oder  Hanptlehrer  in  .\ussicht 
stellt.  5)  Weil  nach  Ausweis  der  l\rfahrung  tlie  l»U»ise  geistliche  ( )rts- 
schulinspektion  ohne  die  entsprechende  geistliche  Kreisschulinspektion 
unwirksam  bleibt  und  der  Kirche  keinen  genügenden  Kinflufs  auf  die 
Volksschule  gewährt  so  fordert  die  Generalversammlung  die  allmäh- 
liche Wiedereinführung  der  geistlichen  Kreisschulinspektion  im  Neben- 
amt, wie  sie  vor  dem  Kulturkampf  allgemein  bestanden  hat.  Die 
Thatsache,  <lafs  fnati  in  den  x  nrwiegi-nd  )tn»ti  slatitischen  L.iiidi  s- 
teiUn,  /.  T^.  Hrnndenbutu,  roiumern,  I'kiv  in/.  Sachsen  etc..  die  Kri  is- 
schidttispektion  im  NebeuanU  bis  hciile  last  allgemein  beibehalten 
hat,  ist  ein  klarer  Beweis,  dafs  die  preufsische  Regierutig  die  Krei.s- 
schnlinspektion  im  Hauptamt  nicht  für  unbedingt  notwendig  hält  und 
dafs  auch  in  dieser  Beziehung  die  Katholiken  unter  sehr  ungleicher 
Hehandlung  leiden.  6»  Die  Generalversammlung  beklagt  es  auf  das 
tiefste,  dafs  sich  die  Katholiken  Deutschlands,  insbesondere  Preufsens, 
nach  dem  gcLrciuvärli^ii  n  Zustand  der  ( leset/gebiing  in  derhochwich- 
tiLTin  iMa;^»-  dcT  l.i/it  luiiiu  mid  dos  T'Tüerriehts  fast  ganz  der  Will- 
kür der  jewedigen  }irole.slantischen  Jiehörden  preisgegeben  sehcu.  Sic 
verlangt  deshalb  dringend  von  der  Regierung  ein  allgemeines  Unter- 
richtsgesetz, wie  es  die  preufsische  Verfassung  verspricht»  damit 
auf  diese  Weise  die  Kirche  in  ihren  Rechten  gesetzlich  sichergestellt 
und  die  von  der  Verfa.ssung  gewährleistete  Unterrichtsfreiheit  end- 
lich atur  Wirklichkeit  werde. 

Das  sind  dieselheti  Fordenmgen.  die  srhmi  luindertnial  aiis- 
gespt  «H-lu'ii  u!id  hundertiTinl  als  (k?iu  hnlieixn  /wi  cke  der  Päda- 
gogik widcrslreitcjul  /.uriiok«;e\vie."Heii  sind;  doch  jene  Versamm- 
lungen sind  nicht  zu  beieinen.  Nicht  den  Menschen  in  seiner 
von  Gott  gegebenen  Bestimmung  zum  Ziele  der  Bildung  zu 
setzen,  sondern  die  Konf^iou,  die  Kirche,  die  doch  mir  als 


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546^ 


Mittel  (Ut  rdii^nöscn.  der  christliolK ti  liilduni:!:  dioticii  knnn, 
«las  i<l  i.ine  Unikchiun-  dt-r  Iki^nlk  und  Vcrhältni.s.stf,  aus»  der 
nininKTuichr  (iiUcs  culspriiigcn  kaiui. 

Al)er  katholisch  ist  Trumpf  .  Das  liat  auch  die  i  3.  H au  p  i- 
-  versatnmlutif^  des  Bayrischen  Lehrervereins  erfahren. 
Kultusminister  v.  Landniann  ist  sehr  verstimmt  gewesen  —  ob 
er  dieser  Verstimmung  dem  Vorsitzenden  tles  Bayrischeri  Lehrer- 
vereins. T/mdtaj^sabg.  Schubert,  .^^e^enüber  zum  Ausdruck  j^e- 
bracht  hat  oder  j;^e};enül)er  ainkren  Personen,  ist  uns  trotz  nlltT 
Aufkläruti^^eti  nicht  kh\r  i^ewonlen,  alier  auch  i^^an/  ^^leicligiilti^^ 
-  dafs  Scludxrrl  in  seiner  Gej^en wart  den  Jahre^htiiclil  erstaltet 
hat  und  daliei  mit  dem  katholischen  Lehrerverein  nicht  säuber- 
lich verfahren  ist  Mau  sieht,  wohin  auch  in  Bayern  der  Kurs 
geht.  Nattirlidi  ist  die  klerikale  Presse  vor  Freude  aus  dem 
Häuschen.  Im  übrigen  hat  die  VersammUing,  die  in  den  Tagen 
vom  4.  7.  Au;^u<t  in  München  stattfand  und  von  54f>o  Kest- 
gäslen  besucht  war,  einen  würdigen  \*erlauf  genommen.  In  der 
1  )ckgieilenversannnlung  wurde  u.a.  beschlossen,  dals  Mitglieder 
ohne  weiteres  ihre  Mitgliedschaft  verlieren,  wenn  sie  einem  Ver- 
due  beitreten,  der  gegen  die  Grundsätze  und  Ziele  des  bayrischen 
Lehrer\*ereins  wirkt.  Einstimmig  wurde  der  Antrag  abgelehnt, 
clafs  alle  Lehrerrelikten,  gleichviel  ob  der  Vater  Mitglied  des  bayr. 
T,ehrervereius  war  oder  nicht,  glciclu-  T'nterstüt/.ungen  aus  dem 
Lehrer- Wnisenstift  erlmlten,  ebenso  der  weitere  Aiitrau:.  dafs  in 
der  Redaktion  der  I,ehrer/.eitung  ein  Wechsel  ein/.uLreten  habe, 
da  der  Schriftleiter  das  Organ  nicht  harm-  und  farblos  genug 
leite.  Dem  Redakteur  Kraft  wurde  im  Anschhu?.  daran  eine 
grofsartige  Ovation  bereitet.  Ebenso  wurden  auch  die  Verdienste 
Schuberts  durch  Überreichung  einer  wertvollen  goldenen  Uhr 
nebst  Kette  gewürdigt;  seine  einstimmige  Wiederwahl  entfachte 
einen  seltenen  l^eifallssturm.  Die  erste  Hauptversammlung  wurde 
durch  den  Kultusminister  begnlfst.  Möge  .  so  schlofs  der 
Mini-.ler  •-eine  Ansprache,  der  bayerische  Lehrerstand  stets  die 
destruktiven  Tendenzen,  die  sich  auch  bei  ihm  einzunisten  suchen, 
energisch  zurückweisen,  möge  er  nie  vergessen,  dafs  die  Schule 
nicht  seinetwillen,  sondern  er  der  Schule  wegen  da  ist  möge  er 
stets  eingedenk  sein  der  hohen  und  heiligen  Pflichten,  die  ihm 
inbezug  auf  die  religiös-sittliche  ICr/.iehung  unserer  Kinder  ob» 
liegen  .  Reichstagsabgeordneter  Weils- Nürnberg  hielt  einen  \'or- 
trag  über  dn^  Thenia:  Schule  und  Lehrer  inmitten  der  ve>lks- 
wirtschaftlu  1k  u  Jku  egung  der  (icgenwart  .  In  <lei  /.weiten 
] Luiplver.samndung  kam  das  Thema:  ( »esichtspunkle  /,ur  Aus- 
gestaltung der  Volksschule  nach  den  Forderungen  der  Pädagogik 
und  den  Bedürfnissen  des  Lebens»  zur  Verhandlung,  das  Ober- 
lehrer Gärtner-München  mit  Rücksicht  auf  städtische,  Loch- 
brunner-Moosburg  mit  Rücksicht  auf  ländliche  Verhältnisse  be- 


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Roodtchau.  ^_^y 


handelt».-.  Hie  Wihaiullunj^en  y.euj^len  von  einem  seltenen  ei'n- 
fnüti>;«-n  rteistc.  der  die  1>a\risvlu  I.chrrrschaft  erfüllt.  Möge 
dieser  (leist  nie  ;uis  ihren  Reihen  weichen! 

Oleich/eitii;  mit  der  r  ;.  HanptvcrsannnUm};  dt^  li.iyrischen 
Lehrerx ereins  ta^^le  in  München  auch  der  III.  Internationale 
Kongrefs  für  Psychologie«^.  Männer  der  Wissenschaft  aus 
ganz  Europa  waren  zusammengekommen,  um  über  psychologische 
Themata  zn  sprechen.  Professor  Sommer  in  (riefseu  führte 
einen  von  ihm  konstruierten  Apparat  für  Gedankenlesen,  einen 
soj^enannten  Ps\ choj^rn]>hen,  vor  tiiid  erklärte  ihn.  Der  Redner 
jrin^^  davon  aus.  dafs  das  l.etlaukeule^en  auf  <ler  \Vahrnelimun>; 
der  Ausdrucks))evve>jungen  beruht.  L'tdjewufst  machen  die 
Hände  des  Menschen  eine  Menge  von  Bewegungen,  <lie  der  Gc- 
hirnthätigkeit  entsprechen  und  diese  zum  Ausdruck  bringen. 
Diese  Ausdrucksbewegungen  sichtbar  und  mefsbar  zu  machen, 
sei  Aufgatie  der  exakten  Wissenschaft  Die  .\nalyse  tlieser  Be- 
wegunt^en  ergieht.  dafs  sie  nach  drei  Richtungen  hin.  mit  Be- 
zug all!  Druck,  Stöfs  und  seitliche  Schwanknn^^.  i^elien.  Darauf 
fufseiul  hat  Professor  Sommer  einen  Apparat  k( uislniierl,  In-i 
dem  die  Hand  auf  einer  frei  sch\\el>endeu  Schale  liegt  und  alle 
Bewegungen  dieser  Hand  auf  einer  rotierenden  Trommel  in 
graphischer  Darstellung  wiedergegeben  werden.  Hat  der  Betreffende 
sich  z.  H.  eine  Zahl  gemerkt,  so  wird  in  dem  Augenblicke«  da 
diese  Zahl  genannt  wird,  die  Hand  eine  stärkere  unbewufste 
Be\vei::nn<j;  machen,  die  in  der  graphischen  Darstellung  als  starke 
Abweichung  der  Kurve  anllt  iU.  IVnfessor  Sommer  erörterte  dies 
an  einer  Reihe  von  Heispieleu  und  legte  l'.l  iUer  mit  dei.irtigen 
Kurven  vor.  Der  Anfang  eines  experiinenlellen  i^lmluims  des  Ge- 
dankenlesens ist  damit  gemacht  Dr.  Hermann  Ebbinghaus 
(Breslau)  sprach  über  eine  Methode  zur  Prüfung  geistiger  Fähig- 
keiten und  ihre  Anwenclung  bei  Schulkindern.  Im  Auschlufs  an 
die  vom  Hreslaner  Magistrat  angeregte  t 'ntersuchung  über  die 
Wirkung  frtrti^e^etzter  Unterrichtsstunden  auf  die  Aitfnahnu  ffihig- 
keil  der  Selnilei  I  iihrte  er  aus.  dafs  man  erst  eine  richtige  Melhutie 
halle  >ucheii  mü^^en.  Weder  die  Anwendung  der  Rechnungsprobe, 
noch  der  Gedächtnisprobe  erweise  sich  als  geeignet.  Am  besten 
könne  man  die  geistige  Fähigkeit  und  Leistungsfähigkeit  durch 
eine  Kombi nationsprobc  prüfen,  indem  man  den  Schulern  ein 
ihrem  Auffassungsvermögen  angepafstes  Lesestück  \orlegc,  in 
Avelchem  Worte  und  Silben  fehlen,  die  der  Schüler  ergän/eii 
müsse.  I'rofessor  W.  Preyer  in  Wiesbaden  sprach  über  Indivi- 
dnalitäl  der  Ilandst  hrifl  ,  Der  Redner  eriäulerte  denselben  durch 
zalilreiche  Schriilpruben,  <lie  vielleicht  einzig  in  ihrer  Art  sind. 
Um  nämlich  zu  ermitteln,  ob  durch  mangelhafte  Beherrschung 
der  Hand  und  des  Armes  die  Handschrift  in  Bezug  auf  die 
allein  psjxhologisch  (charakterologisch)  tn  Betracht  kommenden 


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Merkmale,  nlso  in  ihrem  Wesen  verätidcrt  winl,  \  ort; lieh  der 
Vnrtva^eiule  die  Huchstahen  der  vom  Scluvibkamiil  lielallenen 
mil  den  von  denselben  Individuen  nach  der  Heilung  hergestellten 
Schriftzeichen.  Die  Proben  .stammeti  aus  der  Sammlung  tles  l>e- 
kannten  SpeKialisten  Julius  Wolff  (früher  in  Prankfurt,  jetxt  in 
Wiesbaden)  und  wurden  einschrieben,  ohne  dafs  die  Patienten 
wufsten,  um  was  es  sich  handelt.  Alle  l)eweisen,  so  ataktisch 
und  /.ilternd  auch  vor  der  Kur  die  I  laiidhewegungen  waren.  Ms 
schliefslich  das  Schreiben  überhaujU  iiniii'iglich  wunle,  d  if^  doch 
l>is  /iilt-tzt  <1ie  indix-idnelleii  Cliai aklei ei L^eiischaften  i>esondcis  in 
den  honnen  tlci  Ilucll^labc•n  und  im  Xamens/.iig  vollkommen 
deutlich  erkennbar  bleilKn.  Da  nun  die  Wolffsche  Behandhnigs- 
methode  —  eine  Kombination  von  Massage  und  Gymnastik  — 
zur  Ivrzielunf^  vollständiger  Wiederholung;  der  natürlichen  Hantl- 
schrift  meistens  nur  einige  Woclien  erfordert,  so  schliefst  Prof. 
Preyer.  dafs  die  v^törungen  im  Ablauf  der  Schreibbewegntig 
während  des  Schreil»krampfes  nicht  vom  (Uliirn  ausgehen,  son- 
dern peripherisch  sind.  ICin  Trost  für  die  vielen  mit  dieser 
deprimierenden  Bcschüftigiingsneurosc  Ikhafteten  und  eine  neue 
Stütze  für  wissenschaftliche  Gi  iplutlogie,  der  zufolge  das 
Charakteristische  jeder  Handschrift  nicht  von  der  Hand,  sondern 
vom  Gehirn  herrührt 

Ca  im!  Da  ist  er!  An  die  Laterne  mit  ihml  \'on  Zeit 
zu  Zeit  kann  es  sich  die  K  r  e  u  z /,  e  i  t  u  n  g  ,  des  verflosset»en 
Hammerslein  Organ,  nicht  verkneifen,  sich  an  den  nioderneu 
Lehrern*  zu  leibLii.    So  schrieb  sie  kürzlich  wieder: 

Iv.s  ist  eine  st-hr  elcnicul.iic  Wahl  lieit,  die  wir  hier  au.ssprev  lKii, 
wenn  wir  auf  die  schöne,  dienende  Stelhuig  der  Schule  gegenüber 
den  drei  Lebenskreisen  der  Familie,  des  Staates  und  der  Kirche  hin- 
weisen; aber  es  mag  doch  heilsam  sein,  dies  zu  betonen.  Die  moderne 
Lehrerschaft  will  das  ja  nicht  anerkennen,  sie  fordert  die  SMlung 
von  iintniltellunvTi  vStnal^'liencrn  und  will  von  einer  engern  n^  /irlning 
zur  l  amilie  und  Kirche  ni("!jts  wissen.  \ Ollijj  frei,  völlig  selbsliindig 
soll  der  Lehrer  sein,  herr.sehend,  nicht  dienend  nach  dem  lleispiel 
unsers  Heilands.  Zum  Dienen  sind  alle  Christen  berufen  ;  möchten 
alle  den  ihnen  verordneten  Dienst  nur  treulich  ausrichten 

Diese  Ausführungen  legen  der  9niodemeii<>  I.,ehrerschaft 
Absichten  unter,  die  nur  in  der  Phantasie  jener  Zeitung  existieren. 
Die  Auslassungen  zu  widerlegen,  wird  uns  niemand  zumuten: 
es  genüut,  sie  niedriger  zu  hängen. 

In  manchen  Kreiden  sieht  man  eben  auf  alle  ICrrungen- 
schafteu  der  Lehrerwelt  mit  scheelen  Augen.  Kaum  haben  die 
Lehrer  die  Berechtigung  des  einjährig  -  freiwilligen 
Dienstes  erlangt,  da  nörgelt  man  auch  daran  herum.  Weil 
bis  jetzt  wenige  von  dieser  Berechtigung  Gebranch  gemacht 
haben,  meint  sogar  die  ^  Kölnische  Zeitung .;cs  wäre  daraus 


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UundacbAU. 


549 


Wühl  der  Schlufs  zu  zic  Iicti.  (]nfs  dns  Ikdürfnis  nicht  so  hremieiid 
war,  wie  es  in  den  1  a IncrkitiMcn  ijeschihkit  \\uitK  .  Die 
Picuf.s.  I.chrtr/.tg.  fühil  das  Wcltblatt  sehr  i^ul  al>.  iudciii  Nie 
schreibt:  Zunächst  wollen  wir  dazu  l>etnerken,  dafs,  ganz  al)>;L- 
seheii  davon,  ob  die  Lehrerschaft  von  der  verliehenen  Berech- 
ti>;iinR  eruiebigeii  Oehrauch  iiiaclit  oder  nicht,  mit  dieser  \\r 
leihuii-  der  I.ehrerscliaft  einfach  das  geworden  ist,  was  sie  auf 
(»riniil  iluxr  liilduu}^  /n  \rr!anj;eii  berechtigt  war.  Die  hVaj^e 
Htm,  \\i..\\eil  die  Lehrerschalt  diese  Gerecht i.miiiL;  l>tnut/.en  will 
re-sj*.  kann.  häni;t  im  wesentlichen  von  der  niaUricllen  L.aj^e  der 
Lehrer  ab.  Und  von  diesem  (icsichtspunkt  aus  betrachtet, 
wundert  es  uns  gar  nicht,  dafs  die  jungen  Lehrer  sich  vorläufig 
noch  scheuen,  sich  in  grofse  Unkosten  zu  stürzen,  zumal  da  sie 
bis  it^cK)  noch  den  billigem  Weg  des  lo  wöchigen  Dienstes 
offen  haben.  Die  (leneration.  welche  heute  ins  Amt  tritt,  hat 
bei  Ivrgreifiiiii^  der  T.(lirerlanf1)nhn  nicht  mit  den  Kosten  ge- 
rechnet. (Ül  der  freiwillige  Dit.n>t  \erursacht.  Dies  wird  ;iun, 
nachdem  die  I'ercditigung  verliehen  ist,  allmählich  mit  in  Be- 
rechnung gezogen  werden,  vorausgesetzt,  dafs  die  Gehaltsver- 
hältnisse der  Lehrer  sich  immer  mehr  denjenigen  der  Beamten 
u^heni,  welche  mit  ihnen  gleiche  Bildung  haben.  Wir  halten  es 
für  recht  naiv,  jetzt  schon  fiber  Nacht  eine  Wirkung  von  der 
verliehenen  Berechtigung  zu  erwarten. 

'Was  Dent^rliland  auf  dem  Gebiete  des  l'nterrichtswesens 
säet,  das  ernun  die  andern  Kulturvölker!*  An  diesen  Satz 
wurden  wir  wiederum  erinnert,  al^  wir  die  ßestimmungen 
des  neuen  norwegischen  Schulgesetzes  lasen.  Wie  un- 
endlich viel  ist  bei  uns  über  die  Reform  der  höheren  Schulen 
geschrieben  worden  und  was  haben  wir  erreicht !  ?  Und  nuti 
heifst  CS  in  dem  Schulgesetze  unserer  norwegischen  Stannnes- 
brndci  klipp  und  klar:  Die  klassischen  Spracheti  mit  Kiuschlufs 
des  I.au  iii  sind  vom  T^ntenichl  in  den  Mittelschulen,  also  auch 
der  Cynamsien.  ausgeschlossen,  der  König  kann  indes  mit  (jc- 
nehmigung  des  Storthings  bestimmen,  dafs  bis  auf  weiteres  in 
einzelnen  Gymnasien  ausnahmsweise  in  Latein  unterrichtet 
werde«.  »An  welchen  Fächern  oder  Teilen  von  Fächern  die 
Schiller,  welche  Latein  *  lesen  .  nicht  teilnehmen  sollen,  wird 
durch  Reglement  festgesetzt*  .  Die  Mitteilung,  dafs  solche  Ab- 
weichungen erlaubt  worden  sind,  wird  dem  Stortliiiiu  gleich- 
zeitig mit  der  Budgetvorlage  für  die  liöhnn  Scluilcn  zugehen <. 
Ob  nändich  die  mögliche  Ausnahme  zur  Wirklichkeit  wird,  hängt 
davon  ab,  ob  das  Storthing  dafür  jedes  Jahr  das  nötige  Geld 
bewilligt  »Die  klassischen  Sprachen  dürfen  in  Zukunft  den 
Platz,  den  .sie  bisher  im  Organismus  des  Unterrichts  hatten« 
nicht  beibehalten.  Sie  gehören  zum  1 'ach Studium ,  nicht  zur 
allgemeinen  Bildung,  gehören  also  auf  die  Universität,  nicht  auf 


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(|^0  J»hiiniiM  U9j*t 


die  Mittelscluilen.  Der  WtsucIi.  die  nltcn  S^irnohcn  in  ihrer 
lMslK-n5.r(  n  Stc'llmi'jf  Uclns<c!i,  knini  :ds  konltat  nnr  i  inen 
\'crlusl  J4ci^li.i4ci  Kräfte  lierbeiliiiireii,  oliiie  dafs  ein  cmi)4erinaisen 
wertvolles  Ziel  erreicht  wird.  Und  selbst  wenn  dies  i;esch:dK'. 
wenn  man  wirklich  znr  Belierrschiin.i;  der  Sprachen  <;elan«;te, 
-  was  ja  t)ekannterma(sen  nicht  gcHcliieht;  nur  ein  j^ansc  un- 
bedeutender Anfang  wird  darin  j^eiuacht.  so  wurde  dies 
Resultat  in  keinem  vernünftigen  Verhältnis  xuden  angewandten 
Anstrenj^nnj^en  stehen,  indem  es  nnr  zu  erreichen  wäre  durch 
Aufircben  dessen,  was  weit  .i;röl"sere  l^« dculnntr  tiir  das  Lehen 
<kr  (  K-.a'invart  hat  .  Das  unj;efähr  ist  der  sachliche  Inhalt  der 
Begründung,  der  auch  bei  uns  eine  Reihe  hochgebildeter,  er- 
fahrener und  ernster  Männer  beistininien.  Die  Stützen,  welche 
die  alten  Sprachen  noch  aufrecht  halten,  sind  so  morsch  ge- 
worden, dafs  sie  über  Nacht  stnr/.en  können.  Die  giofsen  Kultur- 
völker werden  ül)er  kurz  oder  lang  dem  kleinen  Volke  im 
Norden  naclitnl<^en  müssen. 

\'iel  Aulsehen  hat  in  diesen  W'nrhen  di  r  F a  1 1* Lan  s^er- 
mann  gemacht.  ICs  wird  den  meisten  unserer  I.eser  bekannt 
sein,  dafs  Herr  Langermann  in  Bannen  seinen  Schuldienst  auf- 
geben wollte,  um  eine  ihm  angetragene  Stellung  als  Redakteur 
der  «Kieler  Neuesten  Nachrichten«  und  als  Agitator  des  von 
Hl  rrn  Prof.  Lehmann -Hohenberg  gegründeten  »Deutschen  \'olks- 
buntles  zu  übimrhmen.  Mit  begeisterten  Worten  pries  er  in 
einem  Offenen  Hriete  die  Hestrelmn'ji  n  des  Herrn  l'roft  ssors : 
er  würde  nicht  allein  den  Lehrerstaiul.  neiTi.  das  gnn/<  dmtsrhc 
\'olk  erlösen,  es  der  sozialen  Gesundheit,  der  Freiheit,  dein  Glücke 
eutgegenführen !  Nicht  lange  hat  diese  Begeisterung  gedauert 
Schon  bald  darauf  brachte  die  »Päd.  Ztg. die  lakonische  Notiz, 
Langcrniaun  habe  schliefslich  die  Stellung  abgelehnt,  weil  ihm 
das  gegebene  Wort  n icht  gehalten  worden  sei.  Herr  Prof. 
Lehmann  wies  diese  Angabc  zurück  und  erklärte:  eine  ICinigung 
wurde  nicht  trzicH.  weil  Herr  Langermann  sehr  hohe  Forde- 
rungen stellte  und  die  Sicherheit  seiner  jetzigen  Stellung  nnr 
gegen  eine  Bürgschall  aulgeben  wollte,  die  überhaupt  nicht 
beschafft  werden  konnte.  Zudem  mafs  Herr  I«augermann 
setner  Mitwirkung  eine  Bedeutung  zu,  die  weit  über  das 
hinausging,  was  als  wahrscheinlich  gelten  konnte.«^ 
Nun  veröffentlichte  Herr  Langermann  in  einem  über  lo  Spalten 
latigen  Artikel  in  der  Päd.  Ztg.  seinen  ganzen  Briefwechsel  mit 
Herrn  rmfrssor  Lehmann.  Da  die  JCrwideiuiiL;  des  k-tzteren  bis 
zur  Stuntle  noch  aussteht,  so  enthalten  wir  un.-»  billigcrweise  vor- 
läufig jedes  Urteil.s.  Nur  für  die  Stimmung,  in  welcher  Kollege 
Langerniann  .sich  jetzt  Ix^findet,  mögen  die  folgenden  Äufserungen 
zeugen.  »Welche  Beurteilung  -  so  heifst  es  in  einem  Briefe  — 
würden  Sie  (falls  die  Verhandlungen  scheiterten)  vor  deröffent- 


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licliktit  erfahren?  Würde  man  nicht  sagen:  \Vn!4  dürfen  wir 
für  tl  i  (.■  Kt'j'^t'K«-'  lU'freiuiij;  unseres  X'olkes  v<ni  einem 
Manne  erwarten,  der  seihst  mit  den  Männern  n  i  (  Ii  t 
a  ti  s /.  u  ko  m  m  e  n  vermoelite.  die  er  seiher  als  l>esi>ii<U  i  s 
hefälii};t  he/. eiclinet  li.iUe?  Krst  mulsle  von  JCj;idy  laulen, 
diinii  Langeniiann,  dann  Schwaner (Bekanntlich  haben  auch 
V.  KKitly  nn<l  der  frühere  I^ehrcr  Schwaner,  letzlerer  bis  dahin 
Kedaktenr  der  Kieler  Neuesten  Nachrichten  ,  sieh  von  Prof. 
Lehmann  i^atrennt).  In  einem  anderen  Hriele  sehrieh  er  noch 
schärfer:  Sie  /wint^en  mich,  .  .  .  vor  der  ( )ftentlichkeit  meinen 
Rücktritt  zu  rechltertiKen,  um  so  der  un<terhliehrn  lliainaj^e, 
welche  uirhride  als  moderne  \'ol  k  ^l»e^l  ück  er  unsaus- 
j;elieferl  hahen  würden,  für  meine  Person  so  klein  zu 
machen  wie  niö.i;lich.<  Und  an  einer  Stelle  der  Auseinander- 
set^.ung  selber  heifst  es:  «AUcrdinj^s  kenne  ich  jet/.t  die  Freiheit 
im  sozial -ethischen  Ztikunftsstaate  des  Herrn  Prof.  I^ehmann- 
Hohenheri(.  Aber  das  will  ich  offen  einj^estehen :  Tausendmal 
lieher  in  der  i^ej^en wärti.i;en  Sklaverei  als  in  seiner  h'rei- 
luit  So  i<i  Herr  Lanuermann  zu  Herrn  Prof.  I.clnnann  ge- 
kommen un<i  wie<ler  von  ihm  gekommen,  l'iul  welche  ernste 
Lehren  ir\t:hi  uns  dieser  Fall  ?  Ks  ist  ja  ein  schönes  Zeugnis  für 
den  idealen  Sinn  der  deutschen  Lehrerschaft,  dafs  sie  sicli  leicht 
für  Bestrebungen,  die  dem  Wohle  des  Volkes  dienen  wollen.  Ije- 
gcistert.  Angesichts  unserer  'modernen  Volksl)e,i;lücker  a!)er, 
die  wie  Slernschnujipen  kommen  und  verschwinden,  thäten  wir 
doch  hesser,  wenn  wir  uns  ihnen  kühler  gegenüberstellten,  wie 
es  überhaupt  wünschenswert  wäre,  wenn  wir.  wie  die  X.  W'esltl. 
Lehr/.tg.  nut  Recht  sagt,  all  den  vielfachen  Anerbieten,  den 
mannigfachen  Lockrufen  aus  anderem  Kreisen,  ni«>gen  sie  nun 
mehr  materielle  «xier  mehr  geistige  Interessen  verfolgen,  mit  etwas 
mehr  kOhleni  Mifstrauen,  mit  etwas  mehr  kluger  Rcserviertheit 
begegneten. <•    Wenn  nur  die  liebe  Kitelkeit  nicht  wäre! 

Und  nun  haben  wir  noch  eine  Ivhrenpflicht  zu  erfüllen, 
dir  ui)>  schon  lange  schwer  ;nif  di-m  Herzen  gelegen  hat.  I'n- 
eriiuKllii'h  in  <Un  He-tiii uingvi».  I'eslalozzi  in  der  Lehrersch.Ut 
imuKi  Icheudigci  wxkIcu  zu  Ixsseu  und  alles,  w;ls  die  Geschichte 
des  grofsen  Pädagogen  betrifft,  zusammenzutragen  und  zu  sichten, 
hat  L.  W.  Sey ffarth  in  diesem  Jahre  die  >  P  e  s  t  a  1  o  z  z  i  -  S  t  u  d  i  e  n  ^ , 
eine  Monatsschrift  für  Pestalozzi-Forschung  etc.,  begründet.  Die 
gesamte  pädagogische  Presse  hat,  wie  die  Prenfs.  Lehrerztg.« 
schn  iht,  diese  neue  luscheinung  auf  dem  (gebiete  der  Pädagogik 
mit  I  rcuden  i^ci^rfif'-l.  Um  aber  <1n^  P>rstehen  der  Pestnln/zi- 
Studicn  ganz  zu  Niciiein,  ist  es  notwcuilig,  dafs  die  Uehrci  kreise 
unsern  Seyflarlh  noch  werkthäliger  als  bisher  unterstützen, 
Seyffarth  hat  seinen  Forschungen  schon  grofse  Opfer  gebracht 
und  wird  sie  weiter  bringen;  aber  des  Besten  Kraft  niufs  er- 


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JokADDr»  >loyer, 

lahiiR'i),  wenn  sie  nicht  in  Acr  T.t'lircTschaft  tliatkn'ifti>;c  l'iiter- 
stül/uiiK  fiiitlct.  Die  IVstalu/./i- Hliillcr  kosten  vierteljährlich  nnr 
60  Pf.  Ks  wäre  für  jeden  der  mehr  als  2000  Zweig  vereine  des 
Deutsclieit  Lehrcrvereius  eine  Kleinigkeit,  wenn  er  wenij^stcns 
auf  t  Kxeniplar  der  > Studien  abonnierte.  Sie  sind  eine  Fund- 
^rxihv  für  j  '  i  Pädagogen  und  Ijesonders  auch  j;ceiK"<-'t,  in  die 
Arbeiten  der  Lehrer\  ereiiu  tu '.u-  Momente  liinein/utra.m.n  nnd 
sie  so  xn  frischem  Lel)en  nnd  SUxhen  an/rnre^en.  Wir  hallen 
es  für  ciiK  Ivhrenpflicht  der  dt  nL>chen  Lehrerschaft,  im  Jnbel- 
jähr  ihres  Altmeisters  dnrch  l'nlerstüt^ung  de.s  selbstlosen  Unter- 
nehmens Seyffahrts  zu  beweisen,  dafs  sie  ihren  Pestalozzi,  auch 
im  Herzen  tragt 

Schlicislich  mögen  uns  die  geehrten  Leser  noch  ein  kurzes 
Wort  in  eigener  Sache  K<-slatleH.  In  der  bekainiten  Streit- 
frage i'^t  nnn  gegen  die  X.  R  nnch  Herr  A.  Chr.  Jessen 
anfgetrekii,  der  Redaktem'  der  ^Dentsch  nsttrn  Lehrer/tg.  . 
einer  /it  inlich  indH'kannteii  und  nnbedeuteiuU  m  Zeilschrift.  ') 
Zur  vSache  bringt  er  nichts  Xeue.s.  "eine  Iklähigiing  /um 
Richter  in  dieser  Angelegenheit  bekundet  er  aufs  glänzendste 
dadurch,  dafs  er  für  die  unqualifizierbare  Kampfesweise  des 
Herrn  Jordan  kein  Wort  iles  Tadels  findet,  dagegen  meine  I\nt- 
gegnung,  die  er  in  keinem  Punkte  widerlegt,  eine  Sclimähschrift 
nennt.  Dafs  Ikri  Jessen  seinen  Oesinnungsgenossen  niclit  fallen 
lassen  will,  nehme  uh  ihm  gar  nicht  übel:  aber  dann  hatte  er 
zu  sdiweigen.  So  schlägt  er  der  Wahrheit  offen  ins  (ie>i<.!!l, 
und  seine  Ausführungen  charakterisieren  .sich  als  eine  der  wider- 
lichen Blüten,  wie  sie  so  leicht  auf  dem  sumpfigen  Ikxlen  des 
Cliquenwesens  aufschiefsen.  Wie  sehr  man  übrigens  fürchtet, 
dafs  die  österreichische  Lehrervveit  durch  unsere  Abwehr  die 
Wahrheit  erfährt,  geht  daraus  hervor,  dafs  die  Deutsch-Ö.sterr. 
Lehrer/lg.'  ein  Inserat,  das  auf  den  Sonderabdruck  unseres 
.A.ngnsl  Artikels  anfnierksani  miiclite.  /nrückgewiesen  hat.  .Sjx.iKt 
seiner  .seihst  und  weiis  nicht  wie!  Und  solche  Leute  spielen 
sich  als  Richter  über  andere  auf! 

b  Wer  diese  Charakterisierung  /.«  schroK  finden  .sollu-,  möge 
bedenken,  daf.s  Jefwen  den  »N.  B.^  dieselben  Worte  gewi<lniet  hat. 
Mit  der  Deutsch  !  )sterr.  I.ehrer/tg.  aber  kann  unsere  Zeitschrift 
ruhig  <len  W  ri^di  icli  ruishalten :  die  N.  H.  sind  in  I)«.  \its(  hl.iml 
mindestens  tbcu.^u  lakannt  wie  <lie  Ueulsih OsUrr.  I, ehrer/lg.  in 
Österreieh.  und  auch  in  ihrer  Be  K  utuni;  stehen  sie  siclu  rlicli  <licscr 
Zellschrift  nicht  nnch.  I'ntspreclu  n  <iu  W'nit^  al^  '  hinsichtlich  tlcr 
N.  Ii.  der  Walirljcit.  .so  auch  hinsichtlich  tlcr  DeutscJi  österr. 
I^elirer/tg.' 


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Neuere  Aufsätze  aus  dex^ 

Fachpresse. 

\'on  C.  Ziegler  in  Kicheti  bei  Hanau. 


I. 

Die  pädagogische  Presse  setzte  auch  in  dein  verflossenen  Jahre 

jsielbewufst  uiul  rubi^  ihre  Arbeit  fort.  Wie  im  \'oijalirc,  so  wollen 
auch  diesmal  die  Abhandlungen  aus  dem  f tobietc  der  alliremeinen 
Piidaijro'jfik  sirh  entweder  mit  den  l'ordeninL^'^en  des  l.iluMis  aus- 
einaiiderset/A  n.  tuK  i  die  ]>ad.iL;i 'uiscbe  Tbi  oiir  luul  Praxis  ]is>"ebo- 
lügiscli  vertiefen.  Xaturgemäis  al>er  iiber\vic};en  heuer  die  Arbeiten 
der  ersten  Gruppe,  hat  doch  der  deutsche  Iyehrer\'erein  durch  sein 
Thema:  ^Umgestaltung  der  Bildungsziele  nach  den  Forde- 
rungen der  Oegenwart«^  den  sozialen  Gesichtspunkt  indenVorder- 
i^nind  gerückt.  Da  die  X.  11.  über  das  Thema  eine  umfassende  Ab* 
bandlunj^  «rehrarht  haben  und  die  \'erbaii(l!unL;i  ti  durch  die  Annahme 
der  Tewsschen  Thesen  in  Hamburg  voi  Ifuifii;  /.nni  Alischlnfs  gekotrinten 
sind,  si  lu  II  rvir  hier  von  einer  Herichlei.sUilliniL;  iiber  die  zahlieii.  lieu 
Artikel  /u  ihm  um  sü  eher  ab,  als  diese  das  Thema  so  verschieden- 
artig auffassen  und  anfassen,  daCs  ein  Bericht  darüber  zu  einer  Ab- 
handlung auswachscn  niüfste. 

Zwei  spezielle  Forderungen,  die  mit  Berufung  auf  das  Leben 
häufig  an  die  Schule  gestellt  werden,  beleuchtet  R.  Köhler  in  seinen 
AbhandUin<^(Ti  •  f'btr  anfechtbare  und  u  n  a  n  fech  t  ba  r  i  l"f)r- 
derunjjen  ati  die-  Schule  (h'rankf.  Schul/tg.  i-  ;>)  und  Kosmo- 
j)olilismus  und  \'at crl a n d  sl i ebe  in  ihrem  \'erliältnisse  zu 
einander  und  zur  Ivr/.iehuui^  (Ivbenda  20  24).  Wenn  behauptet 
wird,  führt  er  aus,  dafs  gerade  jetzt  die  Ansprüche  des  praktischen 
Lebens  mehr  als  früher  durch  die  Schule  berücksichtigt  werden 
müfsten,  so  hat  diese  bOrdeniUir  nur  dann  Berechtig^ung,  wenn  sie 
darauf  au.sgeht,  den  Unterricht  von  aller  Pedanterie  und  von  nnniU/cm 
Wissenskram  zu  befreien;  will  sie  die  Hedürfnis.se  des  ])iaklisclien 
Lebens  den  idealen  Interes.sen  der  Menschheit  gegenüber  in  den 
Vordergrund  stellen,  so  bezeichnet  sie  einen  verhängnisvollen 
Irrtnni.  Wer  im  Kmste  bestreitet,  dafs  der  Sinn  der  Jugend  nach- 
drücklich auf  die  hohem  Güter  der  Menschheit  zu  lenken  ist,  der 

Heu  BahMB  (ItdAgocl«»)  36 


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554 


verkennt  das  zwar  lirfer  licjcende,  aher  wirkliche  Bedürfnis  unserer 
Zeit,  die  weit  mehr  auf  das  Äufserlichc  und  Materielle  gerichlct  ist, 
als  uns  lieb  sein  kann.  Ähnlich  verhält  es  sich  mit  der  Fordeninsf 
einer  stärkeren  Betonung  der  Vaterlandsliebe.  Niemand  kann  leugnen, 
dafs  die  Erweckung  der  Vaterlandsliebe  eine  unserer  wichtigsten  Auf- 
gaben ist,  aber  eben  darum  ist  es  angfebracht,  vor  der  ('»efalir  /.u 
warnen,  in  »lie  der  Patriotismus  leii  lil  verfällt,  znmnl.  wetin  der  (»e- 
sclnehlsuntt  rriclil  der  Iiaui)tsache  nach  auf  eine  \  erherriiciuinji;  ikr 
VV'aftetillialen  hinausläuft  und  in  diesen  die  IMüte  des  Kulturlebens 
erblickt.  —  Kine  andere  Zeitforderun^;  greift  Dr.  Kalthoff  heraus  in 
setner  Arbeit:  »Volkswirtschaftslehre  und  Volkscrzichung< 
(Padag.  8).  Ihm  ist  die  Forderung  eines  volkswirtschaftlichen 
Ivlenientaninterrichts  eine  notwendij^e  Konsequenz  des  modernen  I'nter- 
rielitsprinzips.  Der  Mensch,  der  heute  moderti.  d.  h.  jiesetzmäisig 
denken  will,  niufs  /.um  wenigsten  das  Wesen  eines  ökonomischen  ( Ge- 
setzes l)e.L;riffen  haben.  I)ie  (.eset/e,  welche  »mscre  ökunnmische 
ICxistenz  bedingen,  liegen  uns  näher  als  tlic  Gesetze,  nach  denen  die 
Weltenkorper  sich  bewegen,  sie  treten  auch  früher  in  Geltung  als  die 
sittlichen  Gesetze,  weil  der  Mensch  erst  ein  materielles  Dasein  be- 
sitzen niufs,  ehe  er  sittliche  Punktionen  ausführen  kaun.  Deshalb 
heifst  es  das  Nächstliegende  vor  dem  I-erneren  übersehen,  wenn  wir 
Naturgesetze  lehren  und  nu)ralische  (iesetze  piedigen.  aber  die  lie- 
setzc  des  r)kiMn>nii.sclK ii  Lebens  nnbernrksichtigl  lassen.  Ks  stecken 
auch  in  den  UulcrrichLsst<>ffeu  su  ljcdeuLs;une  okoiuunische  Üegriffe, 
dals  der,  der  mit  der  entwickelnden  Methode  Krnst  macht,  gar  nicht 
daran  vorbeikommen  kann.  Die  Schwierigkeiten,  die  in  der  Natur 
der  Sache  liegen,  wiegen  nicht  schwer  genug,  die  Möglichkeit  dieses 
Unterrichts  ztt  verneinen,  lü  darf  nur  nichts  anderes  wollen,  als  eben 
die  elementaren  ökonomischen  Vorgänge  und  Hegriffe  dem  Verständ- 
nis erschlielsen.  .\uf  eine  sehr  ernste  hrage  des  Lebens  lenkt  W. 
Bartholomäus  die  Auimerksamkeit :  Was  kann  die  Schule 
und  insonderheit  der  Lehrer  im  Kampfe  gegen  den  Mifs- 
brauch  geistiger  Getränke  wirken?^  (Päd.  Bt.  V.).  Kr  will  den 
Schüler  dahin  gebracht  sehen,  aus  eigenster  innerster  Übenteugung 
heraus  das  Sittliche  zu  wollen  und  durchzuführen,  sein  eigenes  Fleisch 
zu  kreuzigen,  den  Reizungen  und  Lockungen  der  Welt  zu  wider- 
stehen, soweit  das  in  menschlicher  Macht  liegt,  '/.w  dem  gleichen 
Resultate  kotnuit  Herforth  il.tlntr/..  f.  U.  u.  W.  47.  4S).  X'ielleicht 
ist  es  den«  IJcrichterslatter  gelei;enllieh  ver«rönnt,  die  einzig  Krfolg 
in  Aussicht  stellende  .Vutwort  au.sführiieh  zu  begründen  :  Grund.saiz- 
liche  Enthaltsamkeit  lehren  und  üben! 

Die  Pädagogik  nimmt  aber  nicht  nur  Forderungen  des  Lebens 
entgegen,  sie  stellt  auch  ihrerseits  solche  an  das  Leben.  Eine  wich- 
tige borderung  die.ser  Art  erhebt  Jobs.  Tews  in  seinem  Auf.satz; 
^K  i  n  derarbeit  (1).  Jil.  f.  e.  V.  52),  Wir  l>ranchen  staatliilie  Vor- 
i>chniteu,  sagt  er  dort,  welche  die  KrziehungspfJicbteu  der  Kltem 


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y«a«rv  Anfrftti«  MM  der  Pftekprms«. 


555 


ebenso  bcstininit  fcstb  p-fti.  wie  die  I^ildiinifspflicht  jresetzlich  festge- 
stellt ist.  Damit  alh  in  ist  es  aber  nicht  K<^  t,linn  ;  in  vielen  l'*ällen  zwingt 
tlie  N\»t  dazu,  die  Kinder  zur  Ivrwerbsarhcit  heran/aizichen.  Jvin  Staat, 
der  es  ernst  nieiut  mit  der  Beseitigung  der  Kinderarbeit,  miils  auch 
stark  genug  sein,  die  Konsequenzen  auf  sich  zu  nehmen  und  dem 
schwer  ringenden  Familienvater  die  Mög^Hchkeit bieten, «seinem  Kinde 
da»  Brot  zu  beschaffen,  ohne  es  zur  Mitarbeit  heranziehen  zu  mössen. 
Kinen  .andern  Wetr.  die  Kinderausbeutung  überflüssig  zu  machen, 
girbt  es  nicht.  Die  I.ösnng  der  .\nf;.^;ilK  isl  nicht  leicht,  aber  nicht 
unmöglicli.  l^tiser  Volk  bat  kein  höheres  (iut  als  seiiu- J iij^-end.  Wenn 
diese  zu  einem  l)edeulcndeii  Teile  unter  \  erliältni.s.sen  auiwäch.st,  die 
eine  volle  I'iutfaltung  ihrer  Kräfte  unmöglich  machen,  so  ist  das 
Vateriand  in  Ciefahr;  Jugendschutz  ist  Schutz  des  Vaterlandes. 

Fas.sen  wir  die  Arbeiten  der  zweiten  Gruppe  ins  Aup^e,  so  ist  zu- 
erst die  wertwlle  Abhandlung  über *nie  Aufmerksamkeit^  (vSchule 
11.  I. eilen  I— .x)  voji  \V.  bick  zu  erwfdinen.  Ivr  definiert  die  .\ufnierk- 
SMtTikeit  als  die  Kon/entration  (]vs  Bewufstseins  auf  einen  kleinen 
Kn  is  \  (in  \'f>rstelhingen.  dir  d  ulnrvh  in  hellerer  lielem  litung  er- 
scheinl.  Nacii  dem  Grunde  ihres  i  .tilstehcus  ist  sie  entweder  willkür- 
lich oder  unwiltküilich.  In  letzterem  Falle  beruht  sie  entweder  auf 
der  Starke  und  Neuheit  des  sinnlichen  Kindrucks  —  primitive  A.  — 
oder  auf  der  ApperKeption.  Die  willkürliche  Aufmerksamkeit  steht 
unter  der  Herrschaft  des  Willens.  Sie  zeigt  sich,  nach  aufsen  ge- 
riclttct  darin,  dafs  sie  die  .^-Sinnesorgane  in  eine  der  .Vttffassiinu  des 
Wahrnehnmngsobiekles  ^linisliL;^  I.aui.  bringt  uiul  die  ^eiigncten 
Aiiperzeplionsma.ssen  sammtll.  nach  innen  geriehlcl  darin,  ilals  sie 
eine  bestimmte  Vorstellung  oder  \  orstellungsgruppe  im  üewufstsein 
festhält,  und  zwar,  indem  sie  fremde,  nicht  zur  Sache  gehörende  Vor* 
.Stellungen  abwehrt  und  die  Reproduktion  so  lenkt»  dab  der  im  Be> 
wufstscin  stehenden  Vorstellungsmasse  die  notigen  apperzipierenden 
Hilfen  zugeführt  werden.  Die  Aufmerksamkeit  hat  eine  grundlegende 
Hedtiittnit:-  für  unser  gesnnitcs  (reisUslclieii.  Sic  ist  <lic  stibjektivc 
Bedingung  i\\v  ilic  Kl  uluil  und  1  »eutliohkL it  uiiSLier  \'orsttllnn;::en. 
Sie  ermögliciiL  die  J.nlstehnng  starker.  umfa.s,sendcr  und  gegliederter 
VorstellungsmaHsen.  aus  denen  das  Begehreu  und  Wollen  sich  ent- 
wickelt. Durch  das  wiltkärliche  Aufmerken  wird  der  Wille  geübt  und 
gekräftigt.  Aus  der  Bedeutung  der  Aufmerksamkeit  für  unser  Geistes- 
leben  überhaupt  ergiebt  sich  unmittelbar  ihre  Bedeutung  für  den 
Unterricht.  Sie  ist  die  (irundvorau.ssetznng  alles  Lernens  Daraus  er- 
wächst dem  Priflnirogeii  eine  doppelte  \ufgabe:  er  mufs  sich  über 
die  I^edinutin-r!i  khirheil  vetx  liatii  n.  unter  denen  die  Aufmerk.sam- 
keil  entsteht;  er  mufs  die  MiLlcl  kennen  lernen,  durch  die  er  die 
Aufmerksamkeit  der  Schüler  zu  wedcen*  zu  leiten  und  zu  erhalten 
vermag.  Um  die  Aufmerksamkeit  im  allgemeinen  zu  wecken  und  zu 
erhalten,  ist  nötig,  dafs  der  Kehrer  die  Kinder  zu  regieren  versteht; 
dafs  äufsere  Störungen  femgehalten  werden;  dafs  die  Anschauungs- 

36* 


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55^ 


itiittL-ln  so  In  scbnfftMi  sind,  (i.us  sie  nicht  /.crstrcucnd  wirken;  dafs 
die  vScliider  nicht  übcrniiuk't  werden  ;  dul.s  die  Schüler  zur  SeUnst- 
thätigkeit  angeregt  werden.  Hierbei  kotiimt  besonders  die  diätoj^i^che 
Lehrfomi  in  Betracht  Zur  Krregunpf  und  Erhaltung  der  primitiven 
Aufmerksamkeit  ist  von  HedeutunR :  »lafs  idles,  was  dem  Schiller  /nr 
sinnlichen  Auffa&sung  dargeboten  wird,  so  beschaffen  sei.  daf,s  starke 
Rei/e  von  ihm  aitsirehen  :  dafs  lA'hrer  und  Schüler  lani  tnnl  «leullich 
sprechen;  dafs  AnschauuiiiismiUel  in  reichem  Mafse  V»ciiul/.t  werden ; 
dafs  in  der  l-'orni  tks   l  nlcnichts  Abwechslung  stalllni<le.    Ans  der 
Lehre  von  der  apperzipierenden  Aufmcrki>amkeit  ergeben  sich  für  den 
Unterricht  folgende  Weisungen :  der  I^ehrstoff  ist  so  auszuwählen  und 
anzuordnen,  dafs  er  vom  Schüler  apperxtpiert  werden  kann;  alles, 
was  gelehrt  wird,  mnfs  /n  dem  bereits  Ikkannteii  in  Beziehung  ge- 
setzt werden  ;  jede  Lehreinheit  hat  >nit  einer  \'orbereitung  /u  beginnen, 
durch  die  das  liewufstsein  der  Srbüter  für  die  Aiifiiahiiie  des  Neuen, 
das  der  Unterricht  bieten  soll.  ciii|>langljch  circin.n.  lit  w  ii«!.    Hie  will- 
kürliche Aufmerki»amkeit  ist  tür  «len  er/äehen<len  l  nterriclil  von  ge- 
ringerer Bedeutung  als  die  unwillkürliche,  da  sie  meist  auf  einem 
mittelbaren  Interesse  beruht.  Sie  ist  grundsätzlich  nur  da  in  Dienst 
zu  nehmen,  wo  darauf  gerechnet  werden  kann,  dafs  die  unwillkür- 
liche ihr  entgegenkommt  und  sie  verstärkt.  Wo  sie  einem  mittelbaren 
Interesse  entsprin'^t,  ist  sie  nach  Möglichkeit  entbehrlich  zu  machen, 
weil  sie  kein  trit  hkräftiges  Wissen  tT/cnL^l  und  auf  die  sitllicht*  Mnt- 
wickehmg  des  Scliülers  von  ii;u  hleiligcui  hiiiflufs  ist.         Auf  zwei 
wichtige  Mittel,  die  Klarheil  und  Deutlichkeit  der  Vurstellungen  u\ 
erhöhen,  weist  K.  Zeilsig  hin:  »Formenkunde  und  bildliches 
Darstellen  als  Prinzip  und  Fach*  (P&d.Stud.4).  Unsererohen 
Vorstellungen  von  den  Dingen  sollen  zu  geläuterten  Anschauungen 
erhoben  werden,  da/u  gehört  vor  allem  die  genaue  Hinsicht  in  die 
l'onnenverhällni.sse.    Im  Anscblnl<  ;in  den  Sachunterricht,  sowiit  er 
sicli   auf  ( '.eiienstände  der  Natur   und  Kunst  bezieht,   sin<l  darum 
iMjrmenbelrachtungen  nötig  und  aus  den  konkreten  Krscljcinungeti 
folgende  Sätze  herauszuarbeiten:  i.  Oft  sind  zu  gewissen  Fonnen  be- 
stimmte Stoffe  nötig,  um  mit  den  («egenständen  den  grofsten  Ge- 
brauchswert zu  erzielen.   2.  Die  Form  der  Gegenstände  hat  meist 
Rücksicht  zu  iKlnnen  auf  gewisse  Naturgesetze.  3.  Der  Gebrauch,  die 
Aufgabe,  bedingt  die  bonn  mancher  Dinge.    4.  Die  Form  mancher 
(iegenst.'inde  ist  vnni  Schönlieitsgefühl  althäni^ig.  Die  b'ortset/tm'Lr  der 
Formenkuiide  isl  das /.eu-luurische  titul  ]ilaslisi  he  DnrstcUen,  es  mufs 
"  ie  jene  von  Anlang  bis  l'nde  der  Schulzeit  ununterbrochen  Anwcn- 
cung  finden  und  an  der  Gesamtarfaeit  des  Sachunterricbt^  Anteil 
nehmen.  Anschauen,  Vorstellen  und  mündliches,  schriftliches  oder 
bildliches  Darstellen  sind  die  Operationen  bei  Betrachtung  von  kon- 
kreten Dingen.  Das  Anschauen  selbst  ist  nur  die  kleinere  Hälfte  der 
Arbeit,  die  weit  schwerere  ist  die  innere  Ausgestalt\mg  der  X'orstellung, 
eine  Arbeit,  die  die  l'ädagugik  fuüt  gar  nicht  beachtet,  weder  theo- 


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Vtutrt  AnMttf  an«  der  PaehpreM«. 


557 


retisch  iinU-rsuclit.  noch  in  «Ki  rrnxis  /n  fönUrn  iKinühl  i^l  Anf 
der  Oherstnfi"   situl    dann    bL-ulc.    J  i  u  im.  iikuinU  \ind   hddlu  lu  s  F>ar- 
sttlk-n,  /.um  1. teil  zu  ci  heben.       Anl  ein  anderes /ienilich  unlieijanlcs 
IVld  führt  uns  vS chic j;cl  in  seiner  Abhandlung:    Die  Ermitte- 
lung der  U nterrichtsergfebntsse*  (D.  Bl.  i  e.  U.  25—28). 
Schlegel  resumtert:   Die  Knnittelungf  der  Unterrichtsergicbnissc  ist 
die  pädajio-isi  he  Tliättgkett,  weUdie  be/weckt,  die  Wirkung^  festzu- 
stellen,  welche   ilie  anjjcwandlen    Unterrichtsmittel  hervurirtbracht 
liabeti.  !*s  handelt  sieh  nicht  um  die  Ivrzenirimir  p^vchisrlu  r  ( iebilde, 
soiidrrn    um   tlie   iirttiilU  hint;;'  ihres  Vorhandriisrins.    iai    der  Ans- 
führunj{  dieser  Thätigkeit  muis  man  sicli  /.nnächsl  darüber  klar  sein, 
welche  Wirkung  man  von  dem  Unterrichte  er^'artet,  also,  wie  der 
Gedankenkreis  des  Schülers  nach  den  Forderungen  der  Schule  be- 
schaffen sein  soll,  und  zweitens  mufs  man  die  Mittel  kennen,  durch 
welche  man  sich  über  die  wirkliche  (ieistesbeschaffenheit  der  Schüler 
möfjlichst  wahrheits^emäfse  Auskunft  /u  verschaffen  vcnnajr.  Hin- 
sichtlich des  lel/.ten  Punktes  wiederum   ist   t  s  wichtig?,   tlals  e>.  der 
Prüfende  verstellt,  den  Schüler  zu  den  versclnedeii.sten  Ciei.steslhalij^- 
keilen  zu  \  cranlassen ;  deshalb  i.st  der  Versuch  y;emacht  worden,  die 
Üblichen  Pröfungsfragen  zu     uppieren  nach  den  Geistesthätigkeiten, 
welche  dieselben  hervorrufen.   Wenn  man  es  nun  auch  mit  der  Er- 
mittelung der  rnterrichtsergcbuisse  aufserst  gewissenhaft  nimmt,  so 
darf  man  doch  nicht  glauben,  dafs  uian  alle  Ivrfolj^e  ermitteln  könne; 
es  p^iebt  eben  auch  hier  unniefsbare  und  nnwt  irbare  (".rüfsen;  es  sei 
nur  erinnnl  an  die  Wirkung,  wiklit  die  l'er.scinlichkeit  tJes  Lehrers 
auf  das  ( iemüt  des  Zöglinj;s  ausübt,    i  )der,  wie  will  nuui  die  Menge 
der  Gemütslagen,  in  welche  der  Unterricht  den  Schüler  versetzte,  er- 
mitteln !  Und  dieser  Wechsel  ist  doch  für  das  Werden  der  Persönlich- 
keit von  grofster  Wichtigkeit  Selbst  in  dem,  was  mefsbar  und  wäg- 
bar ist,  werden  wir  die  Wahrheit  niemals  völlig  erreichen ;   es  wird 
.stets  eine  Differenz  bleiben  zwischen  dem  ennittelten  und  dem  wirk 
liehen  Mrfolire.  Dahin  aber  tnnfs  unser  üemühen  gehen,  diesen  Unter- 
schied iniuier  kkiiur  /u  nulclKii.    h'reilich  darf  man  nicht  zuiück- 
öchrecken,  wenn  es  einmal  ungün.stige  Resultate  giebt;  nicht  darauf 
mufs  das  Bestreben  in  erster  Linie  gerichtet  sein,  möglichst  glänzende, 
sondern  möglichst  wahre  Resultate  zu  haben ;  nur  durch  die  Wa';rheit 
hindurch  führt  der  Weg  zum  Glänze.  —  Die  Psychologie  der  Sinnes- 
oi^ne  behandelt   \V.   Lay   in   einer  Arbeit  Physiologische 
Psychologie  und  Schulpraxis    (1).  Schulprax.  1S94  Nr.  43  — 
1S95  Nr.  15).    Kr  stellt  folgende  Sät/t  hrraus  :  t    1  ).  r  Lehrer  mufs  im- 
stanch'sein,  die  angeborenen  Kigen^cliatleii  d.  1  ^inlUM  rgane.  nament- 
lich des  (»esichUi-  und  Gehörsinnes  bei  jedem  .seiner  Schüler  mög- 
lichst bald  auf^ünden.  2.  Kr  mufs  möglichst  eingehend  mit  der 
Anatomie  und  Ph3'siologie  der  Sinnesorgane  vertraut  sein.  Darauf 
hat  der  Seminarunterricht  Rücksicht  zn  nehmen.  3.  Er  mufs  jeden 
Schüler  nach  der  Eigentümlichkeit  seiner  Sinne  behandeln  und  be- 


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55» 


urteilen.  4.  ]'.r  iiinis  stets  vor  Augen  hahen,  «l.ii.s  <las  Kintl  seine  An- 
lajieJi  unabänderlich  äb«niehmen  luufs.  Uaf.s  es  für  seine  An» 
laj^en  nicht  verantwortlich  gemacht  werden  kann.  —  Auf  die  päda> 
]ro^.sch  sehr  wichtifircn  Abweichnnjreu  von  dem  allgemeinen  Typus 
des  Sensoriunis  lenken  Ufer  (IX  Bl.  21.  22)  und  Thienie  d'rax.  d. 
Krz.  5.  iu  durch  ihre  Arbeiten  ^Üher  S  i  n  n  e  s  t  y  p  e  n .  die  Aufmerk- 
samkeit. Sie  besprechen  (U  n  <  tesirhtst\"iins,  tu  i  welchem  dir  ( icsirhts- 
vc»rste!hiii;jrii  «)  lebhaft  im  Hewuistseiii  emporsteigen,  tlais  su  in  r,e- 
dachtnis,  l'hantasie  und  Urteil  die  \vichti>;ste  Rulle  spielen,  vlen  Ge- 
hörst>-pn.s.  hei  dem  die  Gehprsvorateltun^^en  diese  Stelle  einnehmen, 
und  den  I)ewe^ngst>'pus,  bei  dem  das  Gleiche  von  Muskelempfin- 
dtmgen  gilt.  Die  Verarbeitung  dieser  Lehren  führt  mit  Notwendigkeit 
zu  einer  Revision  der  I,ehre  von  der  Anschaulichkeit  des  Ihiterriclits. 
Diese  Abhandhmiren  ffdiren  bereits  hinüber  in  das  (iebiet  der  jjäda- 
jjfo irischen  rallii)li>L:ic,  die  noch  nicht  überall  jiebührend  jjewünbi^t 
wml.  .Mit  Naeh<huek  ucist  darauf  hin  Dr.  Spil/ner  in  einem 
Artikel  Zur  I'*ruge  der  U  nterri  ch  tshy  gi  en  c-^  (  rankf.  Schul- 
ztg.  A-  51  Ks  ist  durchaus  nötig,  dafs  die  deutsche  Lehrerschaft  die- 
selbe als  eine  bedeutungsvolle  Zeitfrage  behandelt.  Ks  gilt  die 
Kraft  einer  selbständigen  pädagogischen  Wissenschaft  auf  dem 
l'elde  der  Jugendhygiene  zu  erweisen,  es  gilt,  den  Ausbau  der 
eben.so  von  der  llrfaliruntj,  w\v  \-on  gründlichen  psycholoijischen 
und  physioli'uisolun  KcniUuissLn  v;eli .igeneti  pädagogischen  l'atho- 
lügie  AU  betreiben.  Ivs  wäre  ein  schwerer  Irrtum,  wenn  man 
diesen  Zweig  der  Pädagt)gik  als  eine  müfsige  Spezialfrage,  als 
>klinische4  Pädagogik  ohne  allgemeine  und  praktische  Bedeutung 
ansehen  wollte.  Das  ist  sie  nie  und  nimmer.  Sie  mu/s  ein  Bollwerk 
gegen  den  medisinischen  Andrang  auf  die  vSchulpraxis  und  dic(vrund- 
lage  einer  segensreichen  pädagogischen  Jugendhygiene  werden.  — 
(iegen  eine  solche  falsche  l'ordernng  wendet  sich  Leisner  mit  seiner 
Arbeit  Die  geistige  A  n  s t  r  e  n  u  ii  n  u  u  n  s  e  1  ^  1  S  c  h  u  1  k  i  n  d  er 
(Sachs.  Sciml/lg.  ib),  nämlich  gegen  ilie  i-orderung,  die  Lektionen 
ans  dnstQndigen  in  dreiviertelstündige  umzuwandeln»  weil  die  Kinder, 
wie  experimentell  nachgewiesen,  nicht  länger  aufmerksam  sein  können. 
In  der  Praxis  ist  es  mit  der  theoretischen  Forderung,  Kinder  aollen 
eine  Stunde  aufmerksam  sein,  gar  nicht  .so  schlimm  als  es  .scheinen 
mag  und  als  es  nun  gar  zu  vielfach  gemacht  wird.  Die  Anstrengung, 
welche  die  Kinder  dabei  zu  macluti  halten,  ist  nicht  so  gewaltig, 
der  Verbrauch  der  Kräfte  nicht  .su  i^\i>i>.  als  von  aufserhalb  des  Kehr- 
faches Stehenden  angenommen  wird.  Während  der  Lehrer  vorträgt, 
erzählt,  sind  die  Kinder  aufnehmend  (rcxeptiv)  thätig,  und  das  .strengt 
sie  zunächst  nur  wenig  an;  da  wird  vielmehr  der  («eist  erhoben  und 
erleichtert,  nicht  ab^  niedergedruckt  und  beschwert  Bei  Demon- 
strationen abstrakter  und  schwierij^erer  Xatur  sucht  der  Lehrer  durch 
;i11crleT  ti  •hnischc  Kunstgriffe  und  .sonstit;e  Mittel,  dur«  h  Anschauungs- 
gegenstäude,  \  ergleichungen,  lunkleidungen.  durch  allerlei  erklären- 


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559 


(los  und  (las  Intirtsse  förclermlcs  Beiwerk.  <lurch  Krzalil-  und  I*'fill- 
stoff  die  Klippe  einer  imi  s]>i  kuiativen  fU-dankenarheil  seilen 
der  Kinder  in  \\ olntliiu tuler  Weise  zu   umschiffen.    Antworten  kann 
immer  nur  ein  Kind  aui  einmal  —  in  vielen  Stunden  kumnit  jedes 
regeltnätei^  nur  ein-  bis  zweimal  an  die  Reihe  —  und  sofern  die 
Kinder  vcranlafst  sind,  dem  Gange  des  Unterrichts  im  ganzen  nnr 
teilnehmend  zu  folgen,  ist  das  ein  so  sacligeniälses  und  wohlbcrech- 
ti^es  Verlangen,  dafs  von   eiiier  rberanstrenj^unjf  und  einem  ver- 
hältnismätsis^  zu  weil}4,eh  v  i  n  Wrbrauch   der  Kräfte  nicht  sobald 
j^eredet  werd;Ji   katm     In  Summa:   In  unsern  Schnltn,  die  I.cbrer 
haben,  welche    das  Handwerk  versteheJi   und.  wollen  wir  noch  hinzu- 
füi^en,  die  verständig  geleitet  werden,  haben  die  Kinder  keineswegs 
derartig  Plagen  zu  erdulden,  dafs  die  Frage  nach  der  natfirllchen 
Dauer  der  Aufmerksamkeit  als  eine  so  brennende  bezeichnet  werden 
dürfte,  wie  neuerdings  mehrfoch  gethan  worden  ist.  —  Die  Kla«;ea 
über  die  jjeistij^e  Überanstrengung;  haben    vielfach   eine  X'ernach- 
lässij^uni;  und  l'rterscluitzunjr  der  (iedüclitni.spflej^e  zur  b'olj^e  j^ehabt. 
die  }•■  V.  Sali  \v  ü  r k    7.  ti  tu  S  c h  u  t  z  e  d  e  i     e d  ä  c  Ii  t  n  i  s b  i  1  d  u  n  .i; 
das  \V»jrt  ergreifen  lälst  (Rhein.  Iii.  i.  2).    i>ie  Anlegung  und  (iang- 
barmachung  der  Vorstellungsbahnen  gehört  zu  den  wichtigsten  Ob- 
liegenheiten des  Unterrichts.  Das  eigentümliche  Gebiet  dieser  Bahnen, 
das  (icdächtni.s.  ist  ein  Teil  unseres  JUeibes  und  I«ebens,  der  mit  uns 
wächst  und  mit  uns  sich  verändert,  nicht  eine  Tafel,  die  sich  mit 
diesem  oder  jenem  Inhalt  beschreiben  lälst,  der  sich  dann  ebenso 
leicht  wie«lcr  ausloschen  läfst.    Was  dem  (»edächtnis  wirklich  ange- 
eignet ist.  kann  mit  der  Zcsl  unter  dem  ICinllufs  neu  hinzutretender 
Vorstellungen  andere  Gestalt  annehmen,  aber  es  ist  uns  nicht  mög- 
lieh, durch  irgend  einen  Akt  selbstwillig  etwas  aus  ihm  zu  entfernen. 
Verbindungen,  die  wir  mit  lebhaftem  Interesse  geschlossen  haben,  in 
unsenu  tiedächtnis  zu  lösen,  i.st  eine  Arbeit,  die  sogar  körperlich 
angreifen  kann,  und  sehr  schmerzlich  ist  es,  befjticin  gewordene  l'fadc 
derCiedanken  wieder  zu  verlassen  und  den  rechlen  I'unkt  /n  finden, 
von   dem   au.s  eine  andere  Richtung  hätte  eingeschlagen  werden 
uiüssen. 

(Scbluls  folgt.) 


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N  icf.scu,  lunpu.,  Jos.,  l>er  Schul- 
ji^arten  im  I)ien.ste  der  J«*nsiehung 
uuA  il.  s  Tut',  rii(  !its.  Tbeoreti.soli- 
prakti.schc  Ankituiiif.  (IX.  170S.) 
Dü.sjteldorf,  I,.  Schwann.  2,50  M. 

Pacbe.  t)sk.,  IIand!>ueli  des 
«kutsibeii  b'ortbildungswescns.  i. 
Teil.  jVlII,  iSS  S.  mit  i  Bildnis.) 
Wittenberg.  R.  Herrose.    ;^  M. 

I'ohlniann,  im.i.,  Dr.  Ad.,  ICin 
UDiL  liir  den  Sibulirietkn.  Ivin 
Wntra^'.  Nebst  e.  Nacbwort  v. 
Schuir.  I  r,  Polack.  S.>  K«ssen, 
it.  \).  Bädecker.    0,40  M. 

Rolf  es,  Dr.K..  Die  substantielle 
I'(jrni   und  der  Be.i^riff  'In       i  L 
bei  Ari.stotcles.  tl\  .  1  14  .S.)  l'ader- 
bom,  Schöning!].   5.20  M. 


und  Aufsätze. 

b)  Aufsätze. 

1 1  o  1 1  k  a ni  m,  !• DörpfekLs  Freie 
Schuljreincin<1e  im  Ijchte  knltur- 

liislonselur  linlw i ekeln uiv.  (l'äd. 
Studien  i.i  Dresden»  Bleyl  und 
Kämmerer. 

K!  ii.  Dr.  Tb.,  l'ädagojrische 
Ideen  Rieliard  Mul»  isters,  eines 
Zeitueno.ssen  Sbakespear.s.  (l'äd. 
Studien  3.)  Dresden.  Bleyl  und 
Kämmerer. 

kehmsick,  kritA  Warum  Mär- 
chen? Kine  ICrortcrung*.  iPad.ij^. 
Studii  11  1  )  Dresden,  Bleyl  und 
Kämmerer. 

Ostermai,  ().,  Die  neueren 
Ref(»nubestrebun^en  auf  demOe-* 
biete  di-s  «.'vaiim  l  ist  lu  11  K  i  liii^iotis- 
unterrichls  <Ur  \  olkssehule.  ;i*äd. 
vStudien  Dresden,  Bleyl  und 
Käminer<  r 

l'alusclika,  A.,  Wie htöseii  sieh 
volkswirtschaftliche  Kletnentar- 
kenntnissr  im  l\.ihmen <ler jet/iiien 
kehrplüne  der  \'olk.s.schule  ver- 
mitteln, und  welche  Kenntnis.se 
k<nnmen  hierbei  haui)tsäehlieli  in 
Iklraebt.  (l'raxisder  X'olksscliule 
7.1    Halle  a,  S..  Schrödel. 

Paul,  \V.,  Biolo^sehe  Hetraeb- 
tuufieu  im  nalnri;rscbiclilliclun 
Unterricht  der  \  tilk.s.sclude.  (Aus 
der  Schule  5.1    keipzijf.  DOrr. 

(  Hl  .'i  1>  i  r  1;  .  1  .     I.,tin.t,     \Vi  k^hc 

Ausrü.stunj;  liefert  die  iiolu  i  e  Mäd- 
chenschule ihren  Zöf^linuen  für 
den  Kampf  des  Daseins  :*  (Lehrerin 
Jij    <iera.  Tb.  Ilcimaiin. 

R  i  fsni an  n ,  R  .  Joachim  Heinrich 
Campe,  (l'äd.  Ztir.  -'7  Berlin, 
W.  und  vS.  Löwenthal. 

T  h  r  ä  Udorf,  A.  Iv.,  Theologie 
und  rsycholojfie  in  ihrem  Ver- 
hältnis zur  TiliL^iöseli  Ju;;en(kr- 
/.iehung.  (Ztschr.  f.  Thilos,  u.  Päd. 
2.      f^anj^ensalxa,  Bevern. Söhne. 

Waldapfek  J..  Die  l'äd. tu- .-ik 
Bact>ns.  (Ztschr.  f.  Phllo.s.  u.  Päd. 
1.2.)  kanj^^eusalza,  Beyer  u.  Söhne. 


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Neue  Balinen. 

— ^  PÄDAGOGIUM. 
Monat88cbrift  fiir  Haus-,  Schul-  und  GeseUschafts-Erziehung. 

H«*fl  11.  Nmuiuhn-  1096.  YIl.  «liiiirg. 


Gbescliiclite  der  Methodik  des  kultur- 

gescliichtliclien  Unterriclits. 

\  Oll  Johann  Bengel  in  Kacrcii. 
(Schlufs.) 

P.  F.  Kirchtnann. 

luiieii  1k*i  \ orrajrciHk'ii  Platz  unter  den  Männern,  die  für 
einen  kulturge.schiclitliclien  I  nlerricht  eintraten,  niniml  P.  \\ 
Kirch  mann  ein  dnrch  seine  Schrift:  Geschichte  der 
Arbeit  und  Knltnr,  dargestellt  als  Lelirge  gen  stand 
für  Schulen  (Leipzi^,^  1855)-  In  diesem  Bnche  äufsert  er: 
Lan;»e  schon  hat  die  ( lescln'chte  einen  Platz  im  Unterrichte 
beliaupict,  al)cr  welche  (ieschichle^ '  Nicht  die  Geschichte, 
die  den  .stillen  und  friedh'chen  Leben.skreis  dnrch  Arbeit  und 
Rinj^en  der  ^^cistij^en  Kiälle  der  Menschen  bereitet  hat, 
sondern  die  Gescliichte  des  entfesselten  Ehrgeizes  und  der 
bhUiK<^*n  Thaten,  welche  Staaten  zerstört  itnd  gegründet» 
Völker  zertreten  und  gefesselt  haben.  Nicht  aber  so ;  sondern 
die  Jugend  unseres  X'olkes  soll  sich  begeistern  für  die  Eut« 
wickelunt:;  nnd  Förderung  friedlicher  Kinriclitungen  und 
geistiger  P>rungensch:'.ftrn,  und  dazu  kann  und  soll  die 
(leschichte  anleiten,  wenn  ^ie  die  friedlichen  und  geisti^eii 
Kntwickehmgen  in  der  Menschheit  in  den  Vordergrund 
treten  läfst«. 

t  Von  einem  solchen  Unterrichte  läfst  sich  auch  mehr 
für  die  Charakterbildung  erwarten..  Wenn  die  Völker  und 
Staatengest  Iii  eilte  das  Streben  bei  dem  Schüler  erregen  kann, 
ein  «^n>fscr  Feldluir  oder  Staatsmann  zu  worden,  so  mnfs 
die  lieseliichtc  der  Kultur  und  .\rl)eit  dem  künlti^xn  P.iirger 
das  Strebeziel  aufstellen,  ein  I''ürdt  rer  und  \\  rbesserer  auf 
dem  Felde  der  iriedlichcn  Kultur  zu  werden.  Und  wenn 
jene  Geschichte  den  ge werbtreibenden  ßurger  als  ein  wirk- 
sames Glied  in  der  grofsen  Volksgesellschaft  erscheinen  läfst, 
so  erbebt  eine  Geschichte  dieser  Art  ihn  zu  einem  beachtungs- 

SvM  Babnra  lPaiüif<i(liui)        II.  t? 


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werten  Förderer  der  wahrt  ii  Interessen  der  niensclilielien 
( jesellsehaft  nnd  vcrniaji:  so  den  j^erin.^:sten  Handwerker 
mit  einem  Selbstgefühl  zn  erfüllen,  das  ihn  nnter  denSchvvierig- 
keiten  des  Lebens  vor  Mutlosigkeit  und  Verzagtheit  bewahrt' ') 
Ktrchnianu  ist  der  Meinung,  dafs  die  Oeschichte  in 
zwei  l^nterrich ts jrcgenstände  zn  scheiden  sei,  in 
politische  nnd  in  K  n  1 1  n  r  e  s  c  h  i  c  h  t  e.  l*nr  diesen 
let/.terii  ('ei»^enstand  lieft  rte  er  in  dem  ()l)en  .«genannten  Hnche 
das  Material.  Dasselbe  gliedert  '^icli  in  fünf  Hanptabschiiitlc: 
1.  Krfindnnf;:  nntl  \'er\ ollkuninniunj^  der  Mittel  zur  lleirie- 
digung  der  dringendsten  Lebensbedürfnisse.  II.  Der  Mensch 
in  zunehmender  Erkenntnis  nnd  Beherrschung  von  Raum 
und  Zeit  III.  Knnstbestrebuiigen  und  Kmistleistnngen  der 
Menschen.  IV. Wissenschaftliche  Rcslrebungen  und  Leistungen. 
V.  Spiel,  Luxus,  HequeniUchkeit,  gemeinnützige  \'ereinc  und 
Anstalten. 

Der  erste  Al)schnitt  behan<lelt:  Xaln ungsstoffe,  (ie- 
träiike,  Ciewürze,  Feuer,  Qefäise,  i^elfel,  Mes.ser,  tiabclu,  (Ge- 
bäude, Fenster  und  Glas,  Öfen  und  Schornsteine,  Bearbeitung 
der  Schafwolle,  des  Flachses,  der  Baumwolle  und  Seide, 
Fufsbekleidung  nnd  K()pn>rdeckungen,  Bergbau,  Waffen, 
Handelf  Münzen.  Diese  Inhaltsangabe  des  ersten  Abschnittes 
mag  genügen,  denn  sie  gestattet  einen  hinreichenden  Blick 
in  die  Anlage  des  Hnches. 

Fiiis  mnfs  zugegeben  wenleu,  dvv  Verfasser  hat  grofsen 
Fleifs  daraul  verwandt,  den  Stoff  zu  sammeln  und  zu  ver- 
arbeiten. Aber  ob  Kirchmann  etwas  Brauchbares  für  die 
Schule  geschaffen  hat,  das  i.st  eine  Frage,  die  man  wohl 
kaum  bejahen  wird.  Zunächst  darf  wohl  nie  das  Kiiltur- 
geschiehtliehe  losgetrennt  von  der  politischen  Cicschichte, 
also  für  sich  allein  behandelt  werden,  Srulann  ist  das  ge- 
sammelte Material  sicherlich  nicht  das  lioic  und  Rechte. 
Kirehmann  steht  auf  dem  Standpunkte  Campes,  der  den 
F^finder  des  Spinnrades  höher  schätzt  als  Homer.  Uns  , 
sagt  A.  R  i  c h  t  e  r will  es  scheinen,  als  ob  in  einer  deutschen 
Volksschule  von  ganz  anderem  die  Redr  sein  müfste.  Wenn 
es  sich  z.  1».  darum  handelt,  die  vSchüler  einsehen  zu  lehren» 
Nvelchen  F^influfs  ( iesang  uiul  Musik  auf  die  Kulturentwickelung 
des  deutschen  \'olkes  gehabt  haben,  so  vermögen  das  nimmer- 
mehr die  trockenen  Notizen  Kirc  liui.inns,  es  mnf.s  vielmehr 
ein  lebciHÜges  lÜld  gezeichiKl  wer<ieu: 

?  Der  fahrende  Siinger,  der  im  Mittelalter  von  Burg  zu 
Burg  zieht  und  zur  Rotte  oder  Fiedel  die  Lieder  von  Sieg- 


')  Kircbmann,  Vorrede,  S.  1\  ii,  VI. 
IMe  Kulturgeschichte  in  der  Volksüchule,  S.  13. 


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5^3 


fried  und  Kricmhild  singt^  der  während  des  Winters  auf 
einer  Bnrg  Her])erge  erhält,  um  des  Ritters  Tochter  in 
Gesang  und  Musik  zn  unterrichten,  der  der  Hurgherrin  die 
Tj'edcr,  die  ihr  besonders  q-efallen,  in  ein  besonderes  liucli 
cinsclireibt  oder  sie  wenig.sU'Us  dem  Kapellan  vorsingt,  der 
in  der  linrg  oft  der  einzige  des  vSchrcibcns  Kundige  ist; 
oder:  der  wandernde  Spielmann,  der  unter  der  Linde  nntten 
im  Dorfe  Lieder  singt  und  dann  seine  lustige  Weisen  zum 
Tanze  aufspielt,  bei  dem  jung  und  alt  mitsingt;  die  ehren- 
werten Meistersinger,  die  am  »Sonntag  Nachmittag  vor  grofser 
Zuhörerschaft  ihre  gereimten  historischen  Ijedcr  sangen  n.s.w. 

Zur  Widerlegung  der  l'orderiing  Kirclimanns,  ]jolitische 
und  KnUur.Lj;eschichte  im  Unterricht  voneinander  zu  trennen, 
sei  ein  Wort  des  Professors  von  Zwiedineck  ange- 
führt: »Gerade  die  Staatshistorie  kann  von  dem,  was 
man  Kulturgeschichte  zu  nennen  gewöhnt  ist,  gar  nicht 
getrennt  werden,  wenn  sie  ihr  Ziel  unverrückt  vor  Augen 
halt.  Die  ICntwickelnng  des  Staates  ist  von  der  Kntw  ickelung 
des  Individuums  und  der  h'aniilic  bedingt,  der  Einzehie 
wirkt  auf  die  (icsamtheit  ein,  und  diese  wieder  bestiuiuil 
unil  begrenzt  die  Tliätigkeit  des  Kinzelnen.  Die  vStaats;^e- 
schichte  mufs  stets  das  Gesamtleben  des  Staates  vor  Augen 
haben,  sie  darf  keine  Erscheinung  der  materiellen  und  geistigen 
Kultur  übersehen,  die  auf  die  Form  oder  den  Inhalt  dieses 
(lesamtlebens  Kinflufs  gewonnen  hat  ....  Sich  darüber 
Klarheit  zu  verschaffen,  in  welcher  Verschlingung  Politik, 
\'erkc]ir,  Handel,  Kunst,  Litteratur,  Philosophie  etc.  sicli  zu 
alle  u  Zeiten  bewegen,  ist  die  Hauptaufgal>e  der  (xescliiehle 
im  weitesten  Sinne.  ICrkenni  sie  dieselbe  nicht,  so  dient  sie 
auch  der  Wahrheit  nicht  Hin  Zeitbild,  auf  dem  sich  nur 
Staatsmänner  und  Offiziere  bewegen,  ist  unvollständig  und 
wirkt  geradezu  irreführend,  wenn  es  den  Anspruch  erhebt, 
alles  aufgenonnnen  zu  hal)en,  was  der  Aufnahme  wert  ge- 
wesen sei' .  (Zeitschrift  für  allgemeine  Creschichte,  jahrg.  1886.) 

J.  F.  C.  Campe. 

Ivin  gewaltiger  i'cind  erstand  in  jener  Zeit  der  Kultur- 
geschichte in  dem  Professor  Dr.  Campe,  dem  Verfasser  des 
Werkes  -(Geschieh tc  und  Unterricht  in  der  Ge- 
schichte- (Leipzig  1859).  Ihm  ist  die  (»eschichte  für  alle 
Zeiten  eine  in»  moria  rertun  grsfnntni  und  ihre  Aufgabe  keine 
andere,   als  Thaten    tmd    nichts   .ds  'riialcn    zu  erzählen. 

Thaten,  nicht  Zustände,  sind  die  eigentlichen  Ob- 
jekte der  Oescliichtc        Diese  Ansicht  sucht  er  zu  be- 

')  Campe,  S.  28. 

37* 


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J«hAnn  Bmi|{»L 


weisen:  i.  durch  den  Begfriff  der  (k>cliichte,  2,  durch  das 
Interesse  der  Schüler  nu  der  That  und  3.  durch  die  Be- 
geisterung der  O«. scliicl!t>sclirciher  hir  die  That. 

Das  Wort  (icsc liiclitc  kommt  her  von  «geschehen  ,  sie 
erzählt  also  (ieschehenes,  (ieschehnisse,  oder  auch  wie  der 
landläufi<>:e  Ausdruck  lieisst:  Tliaten.  Denn  jede  That  niufs 
gfeschehen  sein^  wenn  sie  eben  eine  That  sein  soll.  Dem 
kann  allerdings  nicht  widersprochen  werden.  Aher  jede 
That  ruft  nach  ihrer  \'ollbringung  doch  einen  he^-timmten 
Zustand  hervor,  der  \or  der  That  nicht  bestanden  und  der 
dnch  auch  zur  That  gehört,  wie  Leib  und  Seele  /.usammen 
gch<»ren.  Thatgeschiclite  =  hall>e  Geschiclue,  politische  (ie- 
schichte  =  halbe  Cicschichte. 

Campe  verweist  2)  anf  das  Interesse,  das  die  Schüler 
der Thaterzähhmg  entgegen  bringen.  Wir  gestehen  freilich' 
offen,  dafs  die  vSchüler  sich  auch  für  langwierige  Kriege  und 
blutige  Schlachten  interessieren,  ihr  Herz  erwännrn  und 
sich  begeistern,  sobald  dieselben  ihnen  anschaulich  und 
lebendig  vorgeführt  werden.  .Allein  nur  einzelnen  Episoden 
bringen  die  SeludcM  eine  .sulclic  Vorliebe  entgegen,  dafs  .sie 
an  den  Lippen  des  Lehrers  hängen.  Bei  weitem  die  meisten 
historischen  Regebenheiten  und  grofsartigen  Staatsaktionen 
verfangen  bei  dem  Schüler  nicht,  er  bleibt  völlig  teilnahm- 
los und  kühl  bis  ans  Herz  hinan.  Sobald  wir  jedoch  in 
solchen  l-Tilkn  in  die  deutsche  Litteralur  griffen  und  die 
Cieschichte  einmal  selbst  sprechen  liefsen,  da  schienen  die 
Schüler  wie  umgewandelt,  weil  ihnen  nun  zugleich  ein  Blick 
in  die  Knliurzustäude  der  betreilcnden  Zeit  gewährt  war  .'j 

Für  seine  Ansicht  beruft  sich  Campe  3)  auch  noch  auf 
die  Entstehung  der  Geschichtsschreibung.  ^Fragen  wir^  was 
den  Historiker  begeistert,  was  die  Geschichtsschreibung  ins 
Leben  gerufen  hat,  so  sind  es  Thaten,  m'cht  Zustände  ge- 
wesen. Zustände,  in  denen  es  lebt  oder  gelebt  hat, 
zu  wissen,  verlangt  kein  \'<>lk,  aber  Thaten  \  erlangt 
es  <ler  Nachwelt  Überlieferl  zu  sehen  .Allerdings, 
die  persischen  und  panischen  Kriej^e,  der  pelopounesi.schc 
Krieg,  die  Herrlichkeit  des  grofseu  Karl,  die  Ottonen  und 
Stauf  er  haben  grofse  Geschichtsschreiber  erweckt  Aber  doch 
nicht  innner  ist  es  so!  Die  Reformation  hat  keinen  Ge- 
schichtsschreiber hervorgebracht,  auch  nicht  der dreilsigjährige 
Krieg.  Ja,  gerade  umgekehrt  sind  in  den  letzten  I>czemiien 
grofse  ( lesehiclu.Nlorscher  und  -sehreiber  erstanden,  Xiebnhr, 
Mounusen,  Curtius,  Droysen,  Ranke,  der  kleinen  Geister  in 

*f  Krici;cr,  Dvr  (icschichtsuntet rieht.  .N'ürnlj.rg  ii>j(y,  S.  20  f. 
*)  Campe.  S.  47. 


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der  Kbcne  des  j^ewöhnliclien  Lebens  nicht  zu  gedenkt  ii.  und 
doch  haben  sich  in  nnsern  Tagen  keine  weltgeschichtlichen 
Kreignisse  zugetragen,') 

Trot'/dem  nun  Campe  mit  Dreistigkeit  (wie  er  es 
selbst  utuiil)  tlic  Ansicht  verficht,  dafs  die  Kultur  gar 
nicht  in  die  Ciescliicluc  gehört,  und  dals  der  Stand- 
punkt der  Kultur,  wenn  von  ihm  aus  als  von  einem  hohem 
die  (yeschichte  betrachtet  werden  soll,  ein  ganz  unberechtigter 
ist  und  ein  falsches  Bild  von  der  r,rsrln"chte  und  ihrem 
Inhalt  geben  nnifs  sieht  er  sich  doch  später  zu  dem  Zu- 
geständnis gezwnn<^cn.  dafs  die  kulturgeschichtlichen  \'er- 
liältnissc-  -luch  in  Ileziehung  auf  die  deschichte  betrachtet 
werden  künneu.  Kr  sagt:  Die  Aufgabe  derselben  ist :  Thaten 
zu  verstellen.  Diese  Aufgabe  zu  erfüllen  ist  aber  schwer. 
Denn  die  That  erklärt  sich  nicht  von  selber;  man 
mufs«  aufser  vielem  andern,  dessen  es  dazu  bedarf,  hinauf- 
steigen  in  die  allgemeine  Menschen-  und  hinabsteigen 
in  die  ein/tlne  V'olksnatur,  um  gerade  diese  That  in 
ihre r  Kigi  ntünilichkeit  zu  begreifen,  ,Man  mufs  eine  Masse 
V  Uli  k  u  1 1  n  r  eselii  ch  tl  ich  en  Stoffen  mit  heranziehen, 
um  das  \  ersländnis  zu  fördern;  man  mufs  auch  die  Tiiat 
Über  sich  selbst  hinaus  bis  in  ihre  Folgen  und  Wir- 
kungen beobachten  und  sie  begleiten  bis  da,  wo  sie  sich 
in  gewissen  Zuständen  fixieti  und  gleichsam  k rystallisiert 
Ks  giebt  keinen  Teil  der  Kuteratur  und  Kunst,  der 
dieser  geschichtlichen  l'.c  iraeli !  uug  sich  entzöge; 
aber  bei  dem  einen  tritt  dirsr  Hezielning  so  grofs  und  lull 
hervor,  dafs  <lie  C.eschiehle  sie  autnrhnien  und  beiiul/ien 
mufs;  bei  dem  .indern  ist  diese  Beziehung  .so  schwach,  dals 
nur  die  Behandlung  der  (beschichte,  die  bis  auf  die  letzten 
Folgen  oder  bis  auf  die  tiefsten  und  unscheinbarsten  Wurzel- 
fäserchen  vor-  oder  zurückgeht,  sie  zu  benutzen  und  zu  ver- 
werten vermag  .^)  . 

Man  sieht,  Campe  wirft  <\\c  Knltnrge^chirlitr  'nr  Unus- 
ihiir  iiinaus.  läfst  sie  aber  wit<lir  /nr  Hintcitluir  herein. 

.\l)er  w  ulün  wirft  Campe  die  \  ciachtete  kullurgeschichte? 
-hl  die  Erdkunde,  die  nach  K.  Kitter  ihre  Culminatiun 
erreicht  in  der  kausalen  Bezieh ung  der  Formen  und  Ver- 
hältnisse der  Erdoberfläche  zur  Bildung  und  (vesitttmg  der 
Menschen,  gehören  jene  Kulturzustände,  die  jetzt,  weil  man 
den  rechten  Platz  für  sie  verlorcTi  hat,  in  die  (reschichte 
eingezwängt  werden,  wo  sie  als  fremdartige  und  unof^nnische 
Stücke  nicht  zu  ihrem  Rechte  gelaiigeu  können,  und  den 

')  Krii'j^er  a.  a.  (>.  S.  24. 

Campe,  S.  55. 
")  Campe,  S.  65  ff. 


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^66  J«Imuis  BengtL 

echten  Kindern  des  Hanses  den  Platz  veren 5:^:011  und  das 
lirot  ncliiiien.  Alsdann  wird  die  (Teschichie,  \on  diesem 
massenhaften  vStf)fk'  befreit,  leiclUen  und  frolien  Herzens 
sicli  ganz  ihrem  eigenen  Lebenskreise  zuwenden  können^ 
(S.  40). 

CSimpe  freut  sich  auch,  einen  Gewährsmann  für  diese 
Ansiebt  anführen  zu  können,  nämlich  K.  H.  Rättij^  in  dessen 
Schrift:  Über  die  Wahl  des  historischen  Stoffes  für 
den  (t\ vn  nasialnnterricht  (Xenstrelitz  i8so).  Die  be- 
treffende Stelle  ans  dieser  Sclirift,  die  Cani{)e  allerdinjirs  tn'cht 
anfülirt,  laulel:  Die  (ieojjraphie  ist  überhaupt  u;eeiL;net, 
diejenigen  Elemente  in  sich  aufzunehmen,  die  mehr  oder 
weniger  der  Natunnacht  verfallen  sind  und  die  das  geschicht- 
liche Prinzip  in  unreiner  und  unausgebildeter  Form  erscheinen 
lassen,  während  es  unanj^emessen  zu  sein  scheint,  allerlei 
geschichtliches  Material,  das  ans  der  Sphäre  welthistorischer 
Völker  entnommen  ist,  dieser  \\'issenschaft  j^ei^en  üire  \atnr 
aufzudringen.  Sie  beschränkt  sich  auf  das  Z^^t;in(biche  und 
Ciewordeiie,  und  daher  ist  mit  iliiem  Hegriffe  ilasjenige  ver- 
wand was  weniger  in  der  Form  des  Werdens,  als  des  ab- 
geschlossenen Resultates  interessiert  und  so  gleichsaut  eine 
flächenartige  Lagerung  in  dem  geographischen  Systeme 
bildet,  dessen  Idee  auch  ein  deutlicheres  Licht  darauf  wirft«. 
(S.  2S  und  29). 

Karl  Biedermann. 

Campe  war  ein  tapferer  Kämpe,  der  mit  vielem  Mut 
und  nicht  ohne  Geschick  eine  Lanze  einlegte  für  die  Pürsten- 
und  Regentengeschichte.    Aber  trotzdem  rückt  seit  den 

sechziger  Jahren  die  Kidturgeschichte  immer  mehr  in  den 
Vordergrund.  Noch  im  Jahre  1S59  genehmigte  der  preu  fsisch  e 
Unterrichtsminister  eine  Instruktion  für  den  (Tcschichts- 
nnterricht  an  (iymnasieii  der  Provinz  Westfaleii,  in  der  es 
heilst:  In  den  beiden  oberen  Klassen  tritt  eine  Krvveiternnjr 
des  Geschichtsunterrichts  d  u  r  c  h  A  u  i  n  a  h  m  t  d  es  Kult  u  r- 
geschichtlichen  ein:  der  Litteratur,  Kunst  und  solcher 
Mitteilungen  aus  den  Gebieten  der  Wissenschaft,  Religion, 
der  Erfindungen,  des  Verkehrs,  der  Sitten  und  Kinrichtungen, 
die  geeignet  sind,  ein  möglichst  anschauliches  Bild  von  der 
Individualität  des  \'olkes  und  \-(m  den  Fortschritten  in  der 
Kntwickelunj^  der  ^re^aniien  Menschheit  zu  ei/,cu^en.  ') 

Im  Jahre  i8ou,  ein  Jahr  nach  der  Campeschen  Schrift 

'1  lA'htviLl  ist  Kenntnis  uml  X'crsläinbiis  di  r  wichtigsten,  ins- 
besondere der  kukui jiesehiehtlicheu  Bejjebenheilen  und  i'ersonen  . 
(Lehr-  und  Prüfungsordnung  für  die  KeaJschnlen  und  Seminare  im 
Königreich  Sachsen.) 


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erscliien  von  rniversitätiä^Professo r  Dr.  Hiedermann  eine 
Arbeit:  Der  tieschich  tsnn  terriclit  in  der  Schule,  seine 
Mängel  und  ei  ti  \' orschla  zur  Abhilfe  (Hrauuscliweig). 
In  diesem  Buche  l)eiciiclilet  Hiedernuiun  »gewisse  Män}»^el  des 
Unterrichtshetriel)s  in  der  ( i(  S(  Inclite,  und  sein  Vorsehl ai^;  zur 
Abhilfe  bestand  in  der  Furdernug,  dals  die  Ku  1 1  u rgcsehieli  ic 
die  Führerschaft  beim  Unterricht  übernehtneu,  die 
politische  sich  aber  nur  an  jene  anlehnen  müsse. 

Sechszehn  Jahre  später,  im  Jahre  1H76,  hielt  Biedermann 
in  der  Päda<»o.ij^ischen  ( lesellschafl  zu  Leipzij^  einen  Vortraj^ 
über  das  Tlumn:  Der  ( »  esch  i  ch  ts  u  n  te  rri  cli  1  in  der 
Schule  («gedruckt  Leipzij^  i'^7'^>).  Der  Inhalt  läl>t  sich  kurz 
also  zusammenfassen;  i.  Die  l*äda}^ot»ik  fordert  mit  Recht 
einen  Kort^anir  vom  Leichten  zum  Schweren,  vom  Kinfachen 
zum  Zusammen  gesetzten^  vom  Nähern  zum  Entfernten.  Alles 
dies  aber  ist  bei  der  gewöhnlichen^  der  sojr.  politischen  Ge- 
schichte schwer  oder  jjar  nicht  /.n  leisten.  Denn  j^rofse 
Staatsaktionen,  Kriejut-,  Diplomatie,  Reformen,  Revolutiotien 
sind  für  Kiudrr  /u  schwer,  zu  \erwirkrlt  und  zu  entfernt. 
2.  Die  räda.L,n'L:ik  fordert  ferner  mÖL'licijsle  .\uschaulichkeit 
lies  zu  lernendtu  Stoffes.  Die  ist  aber  schwer  iu  der  poli- 
tischen (leschichte  m  erzielen,  wo  die  einzelneu  Momente 
nur  der  Zeit  nach  aufeinanderfolgen,  gleichsam  eine  unend- 
liche Linie,  keine  Fläche  bilden.  ,v  /u  dem  kommt  end- 
lich der  so<;.  Praj^nuatisuii:^  der  polit i-^t  lu  11  «  a  schichte,  der 
dem  Wrsländnis  ^rofse  S».  Ii  w  ieri«;keiten  bi<  h  i. 

Die  pt)litise1i''  (  H  srhic  h  1  c  \<\  also  zu  schwer  für  <lie 
untern  Stufen.  lU  i  (K:  ku'nur-i  >.  hirlulichen  Methode  aber 
heben  sich  alle  Scin\  leri^^keiuii.  liiei  kann  der  J^ehrer  vom 
Nahen  zum  Fernen  (z.  B.  von  der  jetzigen  Art  mensch- 
licher Wohnungen  und  Kleider  zu  früheren  Arten)  fortgehen. 
Hier  kann  er  mit  dem  Kinfachsten  anfauj^en.  Hier,  für  diese 
nächstliej.;endeu  Oegenstäude,  kommt  dem  Lehrer  \  ou  Seiten 
des  Kindes  Interesse  und  Verständnis  enf^-^c'^rn.  liier  endlich 
wird  soj^ar  ein  bewufstes  l'rteil  sich  leicluei  einsiellen. 

Die  b'raj^e  ist  nun:  Wie  1  ä  fs  t  sich  das  kulturj^e- 
.schi  cht  liehe  Moment  für  den  Unterricht  brauch- 
bar machen?  Der  Unterricht  wird  in  drei  Stufen  ge- 
gliedert Die  erste  Stufe,  die  etwa  mit  dem  zehnten  Lebens- 
jahre be^dnnen  könnte,  schlösse  sich  naturgemäfs  an  den 
.sujj.  .Xnsi  li:tnunj^^'>unterricht  au,  indem  sie  <Hc<en  gleichsam 
nur  UTK  Ii  l  lick\^  ärts  hin  erweiterte.  Mau  k(>unte  diese  Stufe 
auch  als  k  u  1 1  u  i  e  s  c  h  i  c  h  1 1  i  c  h  e  n  .\  u  s  c  h  a  u  u  u  i):  s  u  u  t  e  r- 
r  i  ch  t  bezeichnen.  Eine  z  w  e  i  le  »Stufe  kulturgeschichtlichen 
Unterrichts  ,etwa  vom  elften  Lebensjahre  an,  konnte  sich  an 
die  in  den  Schulen  übliche  Ueimatskunde  anschlielsen  und 


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56« 


sich  so  zu  einer  Ii  t  i  m  a  t  Ii  cli  en  K  ul  t  u  r  cscli  i  ch  te  ^c- 
stalten.  Die  dritte  Suit\-  eiullicli,  ^^•el^hc  (kii  /vvei  let/tcu 
Jahren  in  der  \'(>lk.sscluile  ani«^es[>art  l'licl>c\  wiinU-  rim-n 
niethociisi  licn  und  proj^rcssiven  (lescliichlsunterriclil  <lai  bicU  n 
müssen»  aber  wiederum  so,  dals  die  Kulturgeschichte 
dessen  Mittelpunkt  bildet.  Hiedermann  schlä^^t  vor,  den 
Unterricht  in  der  deutschen  (leschichte  in  zwölf  Kuttnrbilder 
zu  ^prnppiern:  i.  Urzeit.  2.  \*ölker\van<lernno;.  3.  Zeit  Karls 
d.  Gr.  4.  Konslitnierunj*^  nctitscldands  als  sell)ständi<rcs  Reich 
unter  eigjenen  Könij^en.  5.  Zwisclienreicli.  6.  Ri  forniatinn. 
7.  Drcifsij^jähriger  Kriet^.  8,  l'Viedricli  II.,  der(ir.  9.  Zerlall 
des  Reiches.    u>.  Wiener  Kongrcls.    11.  1848.    12.  1866. 

Zehn  Jahre  später  erschien  von  Biedermann  eine  neue 
Schrift:  Der  Geschichtsunterricht  auf  Schulen  nach 
knlttirgesch  1  clul i du  r  Methode  (W'iish.iden  1885).  lune 
lesenswerte  Arbeit,  die  dem  kulturgescliichtliclien  Unterricht 
manche  Freunde  gew  nui!  »Sie  umfafst  drei  Teile:  i.  Kin- 
leituu}^.  2.  Die  kiihuri;^eschiclitlielic-  und  die  er/rdilciide 
•Viethode  des  ( .1  srliirlitsnntcrricbts.  3.  Die  knlturj^escluclit- 
liche  Methode  in  ilucr  prakliselun  Anwendung.  Eine  cha- 
rakteristische Stelle  aus  diesem  Werke  lautet: 

*Ks  hat  Zeiten  geffeben,  wo  Kriege  und  Schlachten  (das 
l'echten  und  Totschlagen  )  nahezu  den  einzigen  Inhalt  der 
Gescliiclite  ausmachten,  wo  eine  herrsehende  Klasse  \  ornchni 
verachtend  auf  die  \V>lksmasse  herabsah,  wo  das  Xdlk 
seihst  so  ^rln  das  r.elUhl  seines  eigenen  Wertes  ein^ebiilst 
hatte,  dals  es  auch  seinerseits  nur  für  das  Treil)en  der  Höfe 
und  des  Adels  Sinn  und  Interesse  besafs.  Diese  Zeiten  aber 
liegen  Gott  sei  dank  weit  hinter  nns  und  werden  hoffentlich 
nicht  wiederkehren.  Auch  die  Schätzung  kriegerischer 
Thatcn  ist  heute  eine  andere  ^^eworden.  So  sehr  wir  gewifs 
jede  zur  Verteidigung  des  Vaterlandes  vollzogene  kriegerische- 
That  linchschätzcii  und  bewundern,  so  erblicken  wir  doch 
in  dem  Kriege-  an  sich  eine  traurige  Xotwrndigkeit,  während 
in  frühern  Jahrhunderten  Kriege  un<l  »Sehlaehten,  Kroberungeu 
und  Vergewaltigungen  der  Nachbarn  gewissermafsen  zum 
rechten  Sichansleben  eines  Volkes,  insbesondere  aber  zum 
notwendigen  Schmucke  des  Thrones  gehörten.  Für  diesen 
bedeutsamen  Wandel  in  unserer  ganzen  Lebensanschautin g 
giebt  es  kein  schöneres  Zeugnis,  als  jene  herrlichen  Worte 
Kaiser  Wilhelms  I.  Kv  wolle,  sagte  der  siegreiche  Meld, 
Mehrer  des  Reiehes  sein  nicht  an  kriegerisciirn  Krf)l>ernngen, 
sundern  an  den  (ȟtern  und  (iaht  11  des  iMicdciis,  aui  dem 
Gebiete  nationaler  Wohlfahrt,  Freiheit  und  Gesittung'.  Und 
wir  wollten  unsere  Jugend,  indem  wir  sie  gewohnten,  in  der 
(teschichte  nur  an  kriegerischen  Schauspielen  ihre  Freude 


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Omchlrlit*  irr  H^tbodllt  4os  tiiU«rf(*i«blchlllch«n  Vatcrrlekts.  *  :^6fj 


ZU  haben,  7a\  einer  Lebensauffassung  und  Gesinnung  anleiten, 
die  der  Kaiser  Wilhelms  T.  gerade  entgegengesetzt  wäre? 

Auch  unser  deutsches  \'olk  i^t  Lilücklichcrwcise  bisher  — 
tnit/  seiner  »Sie*j^e  und  dcr  'dadiuch  mit  einem  Male  erlan<;ten 
hervorraj^enden  Strlliini;  L^än/lich  frei  j^eblieben  von  jenem 
unseh'j^cn  (iröfst  n wahn  (Cli<iu\ ini.smus),  der  unsere  Nachbarn 
im  Westen  nicht  zur  Ruhe  kommen  läfst  Hüten  wir  uns 
doch  ja^  durch  den  Geschichtsunterricht  etwa  die  Keime  eines 
solchen  in  die  Herzen  der  Jupend  zu  le^en!»  (S,  l6  u.  17.) 

In  demselben  Jahre  erschien  von  T'irdcrmann  ein  anderes, 
f^! öfseres  Werk :  Den  tschc  Vol ks-  und  K.u  1 1  urgeschicli  t  c 
tür  Schule  und  Hans.  3  Teile.  (Wiesbaden).  Ks  unter- 
scheidet sich  \  on  den  g-ewiilniliclu  11  ( reschichtsbüchern  durch 
folgende  Momente:  i.  umla.ssendc  Dar.stcllung  der  Kultur- 
geschichte, 2.  sorgfältige  Auswahl  des  Wichtigen  und  Not- 
wendigen, 3.  eine  solche  Anordnung  des  Stoffes,  die  die 
grofsen  geschichtlichen  Begebenheiten  und  Personen  in  ihrem 
innern  Zusannuenhan^e  vorfuhrt. 

Während  die  deutsche  Volks-  und  Kulturtj^e- 
schiciiu-  ein  Buch  vornehndich  im  rlit^  Hand  des  Leiners 
ist.  i^ab  r.icik'iniann  im  vorio-en  Jahre  auch  ein  Schülerbuch 
heraus:    Ltit  laden   der   deutschen   (ie  schichte  für 

den  S ch  u  1  g  e  b r a u  c  h  (Leipzig  1 895).  Er  ist  ebenfalls  nach 
kulturgeschichtlicher  Methode  gearbeitet  Wenn  man  das 
Buch  liest,  so  glaubt  man  den  alten  Dolz  vor  sich  zu  haben. 

F.  W.  Miquel. 

Die  Forderuii.i'<  ?i  nicdernianns,  für  das  aelue  bis  zehnte 
Lebensjahr  einen  kullin ge.sclnchtlichen  Anselianun^sunter- 
richt  und  für  die  beiden  folgenden  Jahren  eine  kulturge- 
schichtliche Heimats-  oder  Vaterlandskunde  zu  geben,  waren 
in  der  Form  zwar  neu,  ihrem  Inhalte  nach  aber  hatten  sie 
schon  \'.ir;>ani^cr  gehabt,  SO  Salzmann  (siehe  Seite  509) 
und  F.  W.  Mitpiel.  Dieser  verfafste  die  »Schrift:  Wie  wird 
die  deutsche  Volksschule  national?  (Lingen  iS5t\ 
I^ort  führt  der  \'erfasser  folgende  (iedanken  aus:  Hs  ist 
alles,  was  dem  Kreise  des  Volkes  fern  liegt,  aus  der  Volks- 
schule zu  entfernen.  Denniach  alle  jene  abstrakten,  bohlen, 
verflachenden  Redensarten,  die  einer  vermeinten  Geschichts- 
wissenschaft entnommen  sind;  alle  jene  geistvollen  Kon- 
struktionen und  S\ stematisier»m«^'en,  wie  sie  unsere  Philo- 
.so])hen  die  Hülle  und  Fülle  zu  Taj;e  gebracht  haben,  alle 
icne  Massen  von  Zahlen  und  Xamen,  von  \'nlkern  nnd  I'er- 
.sonen,  von  Kriei^en  und  Schlachten,  für  die  das  \ Olk  nicht 
die  geringste  Sympathie  und  darum  auch  mehl  das  ^;eringsle 
Verständnis  hat;  überhaupt  jene  sogenannte  Weltgeschichte, 


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Jnlunm  BeBff«l. 


die  man  mit  Recht  ein  Kreuz  für  die  wissenschaftliclie  De- 
finition und  eine  Mördergrube  für  die  pädagogische  Benutzung 
nennt  . 

Der  Kern  des  hisuui.schen  Untciiichts  in  der  X'olks.sclmle 
ist  für  Miquel  zunächst  die  Ciescliichte  des  sächsischen 
StammeSf  für  den  er  eine  kulturgeschichtliche  Anschaunngs- 
und  Heimatskunde  entwirft  An  die  uralten  Sitten,  Gewohn- 
heiten und  Rechte  wird  der  (leschichtsunterricht  an<;ekuüpft| 
wie  übcrliaupt  an  alles,  was  mit  vollem  Strome  iu  die  (Gegen- 
wart ansmütitU  t.  I  >er  Verfasser  zcii^t  in  detaillierten  Hek  ij^fn, 
wie  <litSLi  l  iiUiricht  behandelt  weiden  soll.  Ih-i  rnterrieht 
beginne  mit  der  IJeschreibun«^  einer  ak.säehNi>ehen  liaueni- 
wohnun^,  ^ehe  von  dem  Hause  auf  die  Felder,  den  Vieh- 
standf  die  Mark,  das  Moor,  den  Wald  u.  s.  w.  über,  beschreibe 
auf  dieser  so  gewonnenen  Räumlichkeit  das  Leben  und 
Treiben  der  alten  Sachsen,  immer  das  Neue  mit  dem  Alten 
vergkidiend.  So  gehe  er  weiter  /.u  den  Nachbarn,  der 
Haueruschaft,  dem  Cnu.  Miitiii  in  diese  heithiische  \\\lt 
tritt  dann  das  Chrisit  ulinii  hinein,  es  f<^li^t  die  Hekeln  ung 
der  vSachsen,  der  Sachsenkrieg,  sächsisclie  W  anderungeu  und 
Verpflanzungen,  Heinrich  IV.  und  die  Sachsen. 

Die  Aufgabe  aber,  eine  kulturgeschichtliche  Anschauungs- 
und Ileimatskmide  zu  verfassen,  ist  schwer  zu  lösen.  Campe, 
der  für  die  Grafschaft  Ruppin  ein  solches  Buch  zusaumien- 
zustellen  versuchte,  sagt:  Ich  kenne  die  f^ff^F^en  Schwierig- 
keiten \-o11knTmiK'n,  welche  es  mil  sich  bringt,  wenn  man 
die  allei  nru  listen  und  alk  rl  u  sondersten  ( i(\i>enst?inde  in  ♦ 
klicndigtin  Zu.->aninR nhange  mit  dem  gröfsern  dan/.en  fassen 
und  dadurch  dies  letztere  gegen  das  Zerflicfsen  in  eine  kalte 
und  leblose  Allgemeinheit,  jenes  erstere  gegen  das  Erstarren 
in  kleinlichen  und  den  Geist  bornierenden  Einzelheiten  sichern 
will.  Denn  allerdings  hat  das  Besondere,  dem  Miquel  mit 
Recht  eine  so  hoch  hekheiuk^  mid  bildende  Kr.ift  xuselireibt, 
durchaus  diese  Bedeutung,  indem  es  auf  den  Men.Nclien  aus 
der  nächsten  Nähe  wirkt  un<l  iliii  lausend t.ich  reizt  und 
anregt;  aber  die  Macht,  tiefer  un<l  daucrhafLer  einzuwirken, 
empfängt  es  doch  nur,  wenn  es  selber  von  dem  (»eiste  der 
Allgemeinheit  erfüllt  und  ditrchdnmgen  ist.  Ohne  diesen 
(leist  ist  die  Beschäftigung  damit  eine  sehr  wenig  erspriefs- 
liche,  und  der  (iewinn  daliei  höchstens  der,  dafs  uiüfsige 
Neugier  befriedigt  wird 

K.  Kappes. 

l'ast  gleichzeitig  mit  l>iedermann  redete  auch  K.  Kappes 
über  Kulturgeschichte  aufklärende  und  ftirdermle  Worte  in 

')  Geschichte  u.  Unt,  in  der  beschichte,  S.  241. 


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QMebirhte  der  Maltodik  dem  kvhwgfKMbOMMMn  rntorriehts. 


seiner  Schrift:  Zur  Methodik  des  Geschichtsunter- 
richts (Freibur^  1861).  Bei  der  Fiaj^e:  Was  soll  gelehrt 
werden?  <^\€ht  er  f'Oi^'-ende  Antwort:  Dafs  ein  hlofses  Ans- 
weiuliglcriieii  von  Ki u  ^sercijj^nisseii,  Zahlen,  Tabellen,  (  k  ne- 
alogieeu  u.  s.  w.  ebenso  u n päd a*jo irisch  als  wertlos  ist,  darüber 
kann  kein  Zweifel  mehr  sein.')  ....  Man  hat  in  nenerer 
Zeit,  um  den  Fehler  eines  nur  äufserliclien  Erfolges  zu  ver- 
meiden,  den  Unterrichtsbüchern  eigene  Abschnitte  über  die 
Kultur  Verhältnisse  heimbegeben.  Allein  die  Erfahrung  zeigt, 
dafs  solche  gesonderte  Abschnitte  über  vStaatsverfassung, 
IJtteratnr  niid  Kunst  ilirem  wohlgemeinten  Zweck  nicht  ent- 
spreclien,  teils  weil  gar  liäufij^  für  eine  i^ründliche  Einsicht 
in  diese  Seite  des  Völkerlehcns  naeli  I'.ehandlung  der  poli- 
tischen Geschichte  zu  wenig  Zeit  übi  ig  bleibt,  teils  weil  jene 
Erscheinungen  in  ihrer  Absonderung  vom  übrigen  Unterricht 
nicht  richtig  verstanden  werden.  Vereinzelte  Namen  bleiben 
wohl  zurück,  aber  ein  trenes  lebensvolles  Bild  wird  das  Ge- 
dächtnis nicht  zurückbehalten.  Der  innere  Kansalnexns  aller 
dieser  einzelnen  Krscheinnngen  der  Völkerentwickelnng  bleibt 
dem  Schüler  bei  der  strengen  Trennnng  des  einen  von  dem 
anilcrn  entweder  \ollständig  verborgen  oder  scliwel)t  ihm 
nur  wie  ein  dunkles  Etwas  vor  seinem  Geiste,  das  er  nicht 
fassen  und  verstehen  kannte.') 

»I^m  nnn  diesem  Mifsstande  zn  begegnen,  hat  man  den 
umgekehrten  Versnch  gemacht,  indem  man  geradezu  an  die 
Stelle  der  politischen  Geschichte  die  Knltnrgeschiehte  setzen 
und  von  dieser  nnsL^chend  die  nach  anfsen  hervortretende 
Thätii^ktit  des  Volkes  als  Ergänzungen  in  das  Hild  der 
knlturgeschichtlicheii  Kntwickelnng  einfügen  zu  müssen  ge- 
glaubt hat.  Dieser  Versuch  leidet  an  einem  inner n  Wider- 
spnich.  So  lange  es  feststeht,  dafs  die  innere  Entwickelung 
der  Völker  in  erster  Linie  von  den  änfsern  Verhältnissen 
abhängt,  so  lange  wird  die  politische  Geschichte  der  Ans- 
gang'jpnnkt  des  Unterrichts  bilden  müssen.  Dies  ist  der 
eineiige  von  der  Natnr  gezeichnete  Weg  .'*) 

Das  Richtige  scheint  wohl  in  der  Wrmittlnng  von 
beiden  Arten  des  Geschichtsnnterrichts  zu  liegen.  Es  ist 
wohl  ein  solcher  Lehrstoff  herzurichten,  der  ebensowenig 
ausschliefslich  nur  die  politische  Geschichte  enthält,  als  die 
KnUiu  i^t  schichte.  Ks  ist  der  Lehrstoff  in  der  .A.rt  herzu- 
richten, dafs  es  dem  Schüler  möglich  wird,  mit  der  Erkennt- 
nis der  Krei^iii'^se.  in  denen  ein  VrAk  seine  (rrölse  nnd 
Schwäche  zeigt,  zugleich  auch  Einsicht  zu  erhalten  in  das 

M  Kappes.  S.  5. 

Kappe»,  S.  7  u.  8. 
*)  Kappes,  S.  to. 


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572 


JohJtnn  B«ic»l. 


intuTc  Leben  desselben,  \vie  dieses  von  den  änfseren  \'er- 
hältnissen  bedinj^t  ersehe  im  und  anf  dasse  lbe  wieder  zurück- 
wirkt; dafs  es  ihm  nu»j^lieli  wird^  ein  Ciesamtbild  des  Volkes 
zu  erfassen  und  festzuhalten  .') 

Um  zu  diesem  Ziele  zu  gelau>;en,  schlägt  Kappes,  <;erade 
wie  Biedermann,  drei  Kurse  vor:  In  einem  ersten  Kursus 
ist  der  Schüler  in  das  Lernen  der  (leschichte  einzuführen. 
Im  zweiten  Kursus  überwiej^t  die  politische  (ieschichte,  die 
wesentlichsten  kulturj^eschichtlichen  Momente  werden  ein- 
t^ereiht.  Im  dritten  Kursus  aber  sieht  die  Kulturgeschichte 
im  Vordergründe.^) 

Wilhelm  Herbst. 

Wir  kommen  nun  zu  einem  bekannten  Metlmdiktr, 
Wilhelm  Herl>st.  Professor  Dr.  W.  Ilerbst  ist  ein  Aii- 
häu^^'-er  der  soj^.  biograjdii^chen  MelhotK  des  (ieschielus- 
uuterrichts  uud  verfafste  nach  dieser'  Methude  das  Histo- 
rische Hilfsbuch  für  die  Oberklassen  der  Gym- 
nasien und  Realschulen.  So  trat  er  in  geraden  Gegen- 
satz zu:  kulturgeschichtlichen  Methode  Biedermanns.  Zu 
diesem  Hilfsbuch  gab  Herbst  ein  Begleilwort  heraus,  das 
den  Titel  führt:  Zur  Frage  über  den  (^i  e  sc  h  i  c  lu  s- 
unter rieht  (Mainz  iS6g)  und  aus  dem  seine  methodischen 
Ansichten  leicht  i^eschöpft  werden  können. 

Je  reiciier  Herbst  das  biographische  MaUu.il  berück- 
sichtigte, desto  .sparsamer  das  kulturgeschichtliche.  Herbst 
ist  der  Meinung,  dals  nicht  in  der  Volksmasse^  nicht  in 
Formen  und  FanrichtunL;rn.  si.ndern  in  Personen  die  rie- 
schichte  kulminiert.  Kr  bezeichnet  die  kultnrgescbiclilliclie 
Methode  rds  Auflösung,  Abschwächung  und  die  »illerver- 
ti  hl^e.^te  Nfethode  .  Mit  dieser  Ansicht  wird  Herbst  wohl 
etwas  zu  weit  gehen,  aber  volle  Zustimmung  verdient 
er,  wenn  er  also  fortfährt:  Aber  auch  die  Art,  wie  die 
meisten  Lehrbücher  entweder  am  Schlufs  einzelner  Perioden 
oder  ganz  am  Ende,  jedenfalls  anorganisch,  Ubersichten  des 
Kulturlebens  anhängen,  ist  ganz  verfehlt.  Die  meisten  I^ehrer 
lassen  sie  auch  ruhig  stehen,  wo  sie  stehen.  Dami  aber  ist 
es  eine  mülsige  Zugabe  uud  di  slirdb  unnütze  ri)crfrachtung 
<les  Huclies.  Wa.s  \  <'n  knlluri^i  schichtlicheu  Ahuueuten  zu- 
lässig ist,  mnfs  sich  in  die  politische  (leschichte  organisch 
eingliedern  las.sen;  es  darf  nicht,  .so  zusagen,  fremd  vorder 
Thüre  .stehen  bleiben,  wie  es  leider  meist  geschieht^  (S.  31). 

Xach  diesem  Grundsatz  ist  Herbst  verfahren  und  hat 
das  jedesmalige  kulturgeschichtliche  Moment  mit  den  bio< 

')  Kappes.  8.  14. 
*)  Knppc'it,  S.  19. 


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Or«rhichti>  «l«r  Methodik  4«»«  liultWfK**cl>i^t>tl>chep  l*D(»rr{ebta. 


graphischen  verknüpft.  Ansführlicher  spricht  er  hierül)er  auf 
Seite  52:  Knllnrgeschichte  als  solche  findet  sich  in  nicincni 
Buche  nicht.  Und  doch  ist  dasselbe  V(j11  knltnrjj^eschieht- 
licher  Momente.  Die  grofsen  Kiilturfragen,  wie  Licht  und 
Sdiatten  der  absoluten  Monarchie,  Kniporkonimen  des  Bürger- 
standes, Wesen  und  Schick.sal  der  republikanischen  Staats- 
fonn,  Begriff  und  KntstehunL;  der  politischen  Forni  der  Zeit, 
der  centripedale  und  centrifujj^ale  Zug  in  iniserni  National- 
libcii,  diese  und  andere  Fragen  der  Art  müssen  dem 
Scliiiler  lebendig  werden.  Man  mag  wollen  oder  nicht,  die 
Kreignisse  reden  von  .selbst.  Bleiben  sit*  lür  den  »Schüler 
stumm,  so  ist  das  seine  oder  des  Lehrers  Schuld.  Das  Ge- 
setz, dem  das  Buch  gegenüber  der  Kulturgeschichte  folgt, 
ist  einfach  dies:  alle  diese  Zustände  in  den  engsten 
Rapport  zu  setzen  mit  der  bewegenden  That  und 
deren  Tragern  . 

Noch  ein  trefflicher  Cfedanke  soll  aus  der  vSclirift  von 
Herbst  gcnunnncii  werden,  ilcr  (rednnke  nänilitli.  dals  es 
bei  der  Kulturgeschichte  darani  ankonimi,  ruhen- 
des Sein  möglichst  in  lebende  Bewegung  zu  setzen«^. 
(S.  39K  Also  auch  Herbst  ist  mit  so  vielen  andern  der 
Meinung,  dafs  das  Zustandliche  in  ein  Thatsächliches,  das 
Geschehene  in  ein  Geschehendes  aufzulösen  sei. 

Oskar  Jäger. 

Neben  Herbst  besitzt  auch  Direktor  O.  Jäger  grofses 
Ansehen  auf  dem  Gebiete  der  Methodik  des  Geschichtsunter- 
richts.  Jäger  verbindet  mit  gründlicher  Wissenschaft  eine 
langjährige  Erfahrung,  die  ihm  Vertrauen  erworben  hat  Da- 

ncl)en  erwirbt  ihm  auch  seine  Selm  ibart  viele  Freunde  und 
grofse  \*erl)reitnng  seiner  liücher.  Sarkasmus,  Sat\  re,  Ironie, 
Fnrrht]t)sigkeit  uür/en  seine  Sehriften  und  nuichcn  das  Lesen 
derselben  y.um  (  '.c  ini>se.  Jäger  ist  konservati\ er  Xatur,  die  ^ 
neuern  liestrelmngen  auf  dem  Gebiete  des  Geschiclitsiniter- 
richts  lassen  ihn  unberührt.  Dahin  ist  zu  zählen  sein  Wider- 
stand gegen  die  Benutzung  der  Quellen  im  Geschichts- 
unterrichte und  gegen  einen  kulturgeschichtlichen 
Unterricht.  Die  letztere  Abneigung  hat  Jä.Qcr  mit  Herbst 
gemein,  /war  erkennt  er  an,  dafs  der  (k-schichtsunterricht 
we^enilieh  nichts  anderes  als  Krieg  und  Kriei^jsgesehrei  sei; 
das  sei  zwar  zu  beklagen,  al)ei  niehl  zu  äiuiern.  Wörtlich 
sagt  er  also:  Dreiviertel  unserer  WeltgeschielUen  und  tles 
atJ  sie  gegründeten  historischen  Unterrichts  besteht  in  der 
That  in  jenem  > Fechten  und  Totschlagen«,  mit  Locke  zu 
reden,  das  mehr  als  nötig  wäre,  überall  in  den  Vordergrund 
gerückt  wird.   Doch  läfst  sich  dies  zwar  mäfsigen, 


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574 


aber  nicht  ändern,  denn  Knltnr-,  Littel atnr-,  KnnstL;;e- 
scliichteals  solche  Knaben  vorzntrajj^en,  ist  unmöj^lich  luid 
unfrnchtbar,  \md  Kriech-  und  Staaten^csclnchtc  ist  nun  ein- 
mal die  notwendige  Voraussetzung^,  bildet  den  Rahmen  für 
die  übrigen  geschichtlichen  Stoffe.  Das  aber^  dafs  die  Ge- 
schichte nicht  blofs  »Fechten  und  Totschlagen«  ist,  <laJs  sie 
Bewcgnngf  des  (ieistes  und  was  sie  sonst  noch  alles  ist,  das 
lernt  der  vSclinler  mehr  aus  seinem  Homer,  Herodot,  Xenophon, 
Salhist,  V'irj^il,  Livins,  als  aus  dem  \'n11konMnensii  u  X'ortra^^ 
des  Lehrers.  Denn  dort  schaut  er  das  Leben  einer  inter- 
essanten Vergangenheit  unmittelbar  und  mit  eigenen  Augen; 
er  sieht  das  Haus,  die  Waffen,  den  Verkehr,  Handwerk,  Kunst, 
Dichtung,  Schiffahrt  der  heroischen  Zeit,  er  schaut  die  grofseii 
und  kleinen  Kräfte,  die  das  Menschenleben  bewegen,  in  ihrer 
unmittelbaren  Wirksamkeit:  und  mehr  als  dies,  er  erarbeitet 
sich  den  intellektuellen  C.cnnfs,  den  dieses  Betrachten  längst 
eiUscliw  uudenen  Lebens  .gewährt,  während  er  dem  ( ".esi  hichts- 
voitraj^e  des  Lehrers  blofs  folgen  kann,  gelangweÜL,  wenn 
er  langweilig,  neugierig,  wenn  er  anziehend  ist:  aber  in  jedem 
Falle  ohne  jene  intensive  Freude,  die  die  ernste,  produktive 
Arbeit  gegenüber  cUr  1>lofs  receptiven  begleitet-  (Bcmcr- 
kungcn  über  den  geschichtlichen  Unterricht,  Wiesbaden  1892, 
Seite  37). 

Auf  dieses  abfällige  Trleil  Jägers  über  den  knltnrge- 
sc  iiiclitliclK  ii  Unterricht  möge  das  I'rteil  eines  Mnnnes 
folgen,  der  /ueist  I^cluer  der  (iesehichte  an  einer  lu'heren 
Anstalt  war,  dann  Professor  an  der  Universität  lionn, 
zugleich  auch  ein  namhafter  (veschichtsschrciber,  Lobe  II. 
Derselbe  sagt  in  seinen,  schon  iS.j-  erschienenen  iCrrnnd- 
zügen  einer  Methodik  des  (i  eschich  ts  u  n  ter  r  i  ch  t  s  ^ 
(S.  211:  ])',{'<  ei<>enlliche  I^rgel)ni«^  des  ges(  litlichen  Stu- 
diums ist  niehl  snunhl  die  Kenntnis  der  l'.n  i^nisse,  als 
die  ihrer  Wirkungen,  der  \'  e  r  h  ä  1 1  n  i  s  s  -  u  n  d  K  r- 
scheinungcn,  die  sich  als  ihre  l'^olgen  gestalten 
und  fixieren.  Die  Eroberung  einer  Provinz  durch  eine 
Schlacht  ist  viel  wichtiger,  als  die  Schlacht  selbst...  Die 
IM  t  hellen  Farben  malende  Erzählung  hebt  am 
liebsten  die  Cirofsheit  der  unmittelbar  erscheinen- 
den, die  Einbildungskraft  fesselnden  Thal  lur\dr; 
sie  schiebt  dem  eigentlichen  ge  s  c  Ii  i  cli  1 1  i  c  Ii  l  n  1  u- 
Leresse,  d.  h,  dem  an  dem  Werdeu,  Ivnlslclien  und 
Vergehen  von  Verhältnissen  und  Cie stalten  im 
Volksleben,  die  Teilnahme  an  den  blofsen  Hegeben- 
heiten unter.  Diesem,  immer  Wiederau  das  Poetische 
stn  i  f enden  Elemente  dürfen  \.  ir  uns  für  die  Zwecke 
des  Unterrichts  nicht  hingeben.^ 


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575 


Die    Allgemeinen  Bestimmungen". 

Iii/wis  luu  war  für  die  jM  i.  nlsi.schen  X'olk.sscluik'ii  durch 
die  All)^t-iiKiucn  Bcsüinimin>4cu  \  oni  15.  Oktober  1872  das 
(leschiclitspcnsmn  amtlich  festgelegt  worden.  Die  Allgemeinen 
I^stimmiin^cn  bedeuten  einen  Wendepunkt  in  der  Entwickc- 
IniiLi  di  s  ( lescliichtsunterrichts.  Sie  erhoben  die  Geschichte 
aucli  in  dr:  X'olksschule  zu  einem  besonderen  Unterrichts- 
fach und  seliieden  .L,'^enau  /wischen  politischer  und 
K  u  1 1  u  r  es  eh  i  eil  t  e.  Von  der  jxilitisclu  n  (  icschiclite  saj^en 
sie:  In  der  (ieschichte  sind  aus  der  älteren  (leschiehle  des 
deutschen  \'aterlandes  und  aus  der  filtern  brandenburgischcu 
Geschichte  einzelne  Lebensbilder  zu  geben;  von  den  Zeiten 
des  dreifsigjährigen  Krieges  inid  der  Regierung  des  grofsen 
Kurfürsten  an  ist  die  Reihe  der  Lebensbilder  ununterbrochen 
^ve^ter  y.u  führen  ,  während  es  von  der  Kulturgeschichte 
lieifst:  Soweit  sie  dem  \'crständnis  der  Kinder 
z  u  t^-^ä  11 54  1  ich  sind,  werden  die  k  u  1 1  u  r  h  i  s  t  o  r  i  s  e  h  e  u 
M(»nicnte  in  die  Darstellung  mit  a  n  t  g  c  n    ni  m  e  n.'' 

Damit  war  also  auch  der  Kulturgeschiclite  das  Heimats- 
recht in  den  preufsischen  Volksschulen  gegeben. 

Wie  gestaltete  sich  nun  aber  die  Unterriclit^praxis?  Es 
bewahrheitete  sich  auch  hier  das  Wort  Polacks:  Wie  oft 
fliegt  die  Theorie,  und  die  Praxis  lahmt  liiiikt  nd  hinter- 
drein! Obschon  die  I'.c  stiTunningen  aus(lrüeklich  vor- 
schreiben, d;«fs  die  kiilliii  historischen  \'erhältnisse  mit  in  die 
Darstellung  aufzuurhuKn  seien,  rifs  doch  die  Staats-  und 
Kriegsgeschichte  die  Herrschaft  au  sich.  »Ein  Blick  in  die 
Lehr-  und  Lernbücher,  in  die  Lehrplänc  nud  Stoffverteilungen 
zeigt  unS|  wie  wenig  kulturhistorische  Momente  berücksich- 
tigt werden.  In  den  gt  m  hichtlichen  Lehr-  und  Lernbücheni 
finden  wir  auch  jetzt  n«  i  h  meist  am  luide  eines  gröfs<-ren 
Abschnittes  eine  bescheidene  Zugabe  von  knltir. gescliirht' 
liehen  Notizen  (nach  dem  Muster  von  Ihcdow  und  Ktilil- 
rausch).  Die  alten  Deutschen,  Rittertum,  Turniere,  Ent- 
deckungen und  Erfindungen  am  Ende  des  Mittelalters' , 
darauf  beschränken  sich  in  den  meisten  Fällen  die  in  der 
VolksschuU  j^vbotenen  kulturhistorischen  Momente.  So  er- 
fahren die  Kinder  \\o\\\  genaui-  Einzelheiten  über  die  Kriege 
Karls  des  (irofsen,  sie  müssen  die  Schkichtorte  im  ßojähriijen 
und  7jährigen  Krie^ge,  die  Schlacht(huen  aus  den  I>efreinnL;s- 
käni|)kn  und  (ien  letzten  drei  Kriegen  genau  herzählen 
können;  sie  haben  auch  allerhand  interessante  Züge  von 
allerhand  Herrschern  gehört;  -  aber  wie  der  deutsche  Bürger 
und  Hauer  im  Laufe  der  Jahrhunderte  lebte,  wie  die  einzelnen 
Stände  sich  entwickelt  haben,  was  die  deutsche  \'olksseele 
fühlte  und  erlebte,  was  unsere  Vorväter  begeisterte,  —  davon 


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erfuhr  und  erfährt  noch  heute  oftmals  der  V'olksschüler  so 
gut  wie  nichts.« 

J.  C.  N.  Backhaus  und  W.  Fricke. 

Uiii^c  nicin  lelirrcicli  dafür,  wie  uKin  <u'h  Ix'- ii\  hti  ,  kultur- 
geschichLüclie  X'erhältuisse  au  cltii  »Schüler  /.u  bringen,  ist 
ein  Buch,  das  in  demselben  Jahre  mit  den  »AU|reuieinen  Be- 
stimmungen« erschien:  Backhaus,  Leitfaden  der  Oe- 
schichte  für  Mi  ttel  s  clni  1  en  und  d  i  c  O  h  r  r  >  t  n  f  e  der 
Volksschule.  Dort  wird  z.  H.  unter  der  Überschrift:  Ent- 
deck n  n  <:,«^eii  und  andere  !•  o  r  t  s  c  h  r  i  t  te  folj^^endes  an<>^e- 
lülirl:  Lc  l/le  Felini l;l i  iclitssitzunji-  in  Celle  1 5'S.S.  ^  Elektri- 
zität \un  WilHani  ('.illKit  1500.  ( ire^orianisclier  Kalen- 
der 15S2.  -  Xeutnndlaud  enldeckt  i6ü6.  liank  in  Ham- 
burg 1610,  —  Erste  Zeitung  in  Frankfurt  1615.  —  Kreislauf 
des  Bhites  von  Harvey  in  London  1630.  —  Louisdors  1640. 
—  Neuholland  und  Neuseeland  1642.  Kartoffeln  in  Berlin 
1651.  —  Gesetz  der  Schwere  und  luitdeckini«  der  Farben 
von  Xewton  1666.  (ieschwindi^keit  des  Lichtes  vonOlal 
Ktinier  i<')75.  -  Prefsfreiheit  in  Kn^i^land  1697.  —  Waisen- 
haus in  Halle  durch  A.  II.  Franke  169S  usw. 

So  sah  die  kultur«^eschichtliche  Kost  aus,  die  dem  Schüler 
vielfach  vorgesetzt  wurde.  Wahrlich,  der  »didaktische  Materia- 
lismus' war  und  ist  noch  heute  manchmal  unverschämt  grofs. 

Noch  eines  anderen  Buches  sei  hier  gedacht,  das  bald 
nacli  flen  Allg.  Hestinnnungen  erschien.  I{s  ist  Im  icke, 
Leitfaden  für  den  (reschichtsunterriclit  in  der  \'olks- 
scliule  ((icra  Dem  Kulturleben  zur  Zeit  der  vStrmfer 

wird  z.B.  ein  acht  Seiten  langer  Abschnitt  gewidmet,  de.s>cn 
Inhalt  wir  hier  kurz  durch  Stichworte  andeuten  wollen:-) 
Materielles  Leben:  Burg,  Dorf,  Stadt,  steinerne  Wohnhäuser, 
Baustil,  ( ilasfenster,  Ofen,  Lampen,  Wachskerzen,  Strafseu- 
pflaster,  Heerstrafsen,  Hemden,  Strünii)fe,  Tischtücher,  (rabeln, 
Löffel,  Handwerker,  Innungen,  Kaiifleute,  C*ilden,  Münzen, 
Wechselbriefe,  Herbergen. 

Ideales  Loben:  Trinkgel;ige,  Turniere,  Tan/,  Jagd.  Poesie, 
Uberseizungen  aus  dem  l"ran/<i»ischen,  Xibelungen,  Gudrun, 
Mitinelieder.  Nieder-  und  Oberdeutsch.  Reinecke  Fuch.s. 
Kloster-  und  Domschuleu.  Schreibschulen,  lateinische  Schulen. 
Aberglauben,  Drachen,  Zauberringe,  Tarnkappe,  lebenver- 
zehreude  Wachsl>ilder.    vSittliclie  Hildung. 

Der  Staat:  T^ntslf  Innig  der  Fürstenmaclit.  Cicistliche 
Macht.  Kmporkounnen  der  vStädte.  Rechtspflege,  FelnngLricIit, 
Faustrecht,  (Geistliche  Regierung,  Tapstgcwalt,  Münchordeu, 

')  lIübiKi.  Xeucrc  Bcslrcbun^^en.  S.  i»>  f. 

*)  Entnommen  aus:  Richter,  die  Kulturgeschichte,  S.  17  u.  18. 


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Oe«elil«ht*  d«r  M«thodlk  d«s  lwllnif«tcUehtlfelMii  Uatwrickta, 


577 


Ritterorden,  Kultus,  Prozessionen,  Reliquien.  Arnold  von 
Brescia.  Stande. 

Erfindiuii^aMi :  Windmühleu,  Wassermühlen,  Spiegel,  Turm- 
uhren, Leinenpapier. 

Welch'  eine  Unmasse  von  Stoff  auf  diesen  acht  Seiten! 
Wie  viel  Zeit  würde  wohl  dazu  gehören,  das  alles  in  lebens- 
vollen, anschaulichen  Bildern  den  Kindern  vorzuführen!  Und 
wenn  dies  ge.schehen  wäre,  welchen  Vorteil  würden  die  Kin- 
der davon  haben? 

H.  Winnefeld. 

Besonders  ausführlich  spricht  sich  in  den  sicbzig^er  Jahren 
für  die  Berücksichtigung  des  Kulturgeschichtliclicn  Dr.  H. 

W'inncfeld  aus  und  zwar  in  seiner  Schrift:  Ziel  und 
Methode  des  G  e  sch  i  cli  l  s  u  n  l  e  r  r  i  c  h  t  s  nach  seiner 
nationalen  Bedeutung  (i>onauesclnno;en  1874).  Er  be- 
zeichnet als  die  Aufgabe  des  (t  eschich  tsun  terrich  ts 
«nicht  ein  mechanisches,  blofs  gedächtnismäfsiges  Aneignen 
einer  bestimmten  Summe  von  Thatsachen  und  Jahreszahlen, 
sondern  Aufgabe  des  ( icschichtsunterrichts  ist,  dafs  er  \or 
allem  ein  Verständnis  des  allgenieinen  Gesetzes  der  Geschicltte, 
ein  klares  Bewnfstsein  der  Iuit\vickelun<_^'-sifeset'/e,  sowie  der 
notwendigen  WechseUs  irkuii^  n  du  Ereignissen  und  Charakteren 
zur  deutlichen  Anschauung  hi  ingt  und  jede  Person  als  das 
Werk  ihrer  Zeil  aultassen  lelirl.  ') 

*  Kein  Gebiet  des  Lebens,  anf  dem  sich  der  einem  Volke 
eigentümliche  Charakter  ausprägt,  wie  seine  religiösen  An- 
schauungen, seine  Wirk>  nii  eit  in  Kunst  und  Wissenschaft, 
die  sittlichen  imd  sozialen  Zustände,  darf  unberücksichtigt 
bleiben,  die  gnn^'e  KnUnrgeschichte  mufs  eine  den  Bedürf- 
nissen der  vSt  nnle  enL>iii  echende  Stelle  linden.  Uni  das  UiC- 
dachtnis  ihnch  diesen  ueiieii  Su»if  nicht  zu  sehr  an/u.->lrengen, 
kann  man  die  Erlernung  von  Jahreszahlen  einschränken.«^) 

Auch  gegen  die  kulturgeschichtlichen  Abschnitte,  die 
eiuer  Periode  oder  gar  am  Hude  eines  ganzen  Buches  ange- 
hängt sind,  eifert  Winnefeld:  »Die  kulturgeschichtlichen 
Darstellungen,  sollen  sie  nicht  einem  dürren  Ast  am  grünen 
I5auiiu  gleichen,  bilden  keinen  von  der  politischen  (iescliichte 
losgeir»ten  Exkurs,  der  etwa  am  ICnde  einer  Periode  als  lir- 
gänznug  angefügt  wird,  sie  niüs>en  sieh  in  u  n  ini  l  Lei  barem, 
von  selbst  ersichtlichem  Zusammenhang  an  die 
politischen  Ereignisse  anschliefsen  und  mit  Bei- 
spielen aus  denselben  belegen,  lassen.  Nur  bei 
gröfsern  Kepetitionen  kann  es  sich  empfehlen,  nach  der  poli- 


'j  Winnefeld,  S.  S- 
*)  Winnefeld.  S.  14. 

ir*M  BubuD  (PIdafOflm)  V1L  11. 


38 


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57« 


tischen  (icschichte  einer  Periode  die  merkwürdi, eisten  knltur- 
geschichtliclien  Momente  derselbLii  im  Zusannnenluiiig'  vor- 
tragen zu  lassen.  Uine  suiclie  Rc])ctition  bielcl  dem  Lclircr 
Gelegenheit,  einzelnes,  das  bei  der  politischen  Geschichte 
keine  Verwendung  finden  konnte,  hier  nachzuholen. 

Joseph  Palla. 

Um  diese  Zeit  kla^^te  auch  Professor  Joscpli  Palla 
bitter  über  den  r/eschichtsunterricht,  der  die  reine  Für^teu- 
geschichte  |)flegc  und  bevorzuge.-»  Ein  suielK-r  Untenielit 
vermöge  nicht  die  dreilache  Forderung  zu  erlüllen,  die  an 
ihn  zu  stellen  sei.  »Die  erste  Forderung  nämlich,  die  wir 
an  den  Geschichtsunterricht  stellen  müssen,  geht  dahin,  dafs 
er  dem  Kinde  Musterbilder  vorführe,  die  (iesiimung  und 
Charakter  bilden.  Dieser  Forderung  entspricht  aber  die  Fnrsten- 
geschichtc  zum  geringsten  Teile,  sie  läfst  das  V'olk  und  seine 
Kinder  in  der  Regel  kalt.  Die  zweite  F'orderung  an  den 
Geschiehtsunlerricht  geht  dahin,  dafs  er  dem  Schfder  die  für 
das  Ivcben  ntjlwendige  Welt-  und  Meuschcnkcnnluis  gewähre. 
Wie  soll  dazu  die  Fürstengei»chichte  imstande  sein?  Zum 
dritten  verlangen  wir  vom  Geschieh tsimterricht,  dafs  er 
den  Schüler  befähige,  die  lugenart  seines  Volkes,  dem  er  zu- 
gehört, zu  erkennen.  Die  Ivigenart  eines  Volkes,  seine  Kultur 
wird  aber  doch  nnr  aus  der  Geschichte  eben  de  s  \'<>lkes  inid 
nicht  der  Für>u  n  erkannt.  Die  reine  F'ürstengeschiehle  uiufs 
sich  daher  im  Interes.sc  hiiherer  Ziele  auf  ein  bescheideneres 
Mafs  beschränken,  sie  mufs  namentlich  in  der  Volk.sschule 
einen  volkstümlichen,  kulturellen  Charakter  bekommen.  An 
Stelle  des  herkömmlichen  Wustes  von  Staatsaktionen  und 
Hof  geschieh  teil  müssen  die  volkstümlichen  FHemente  treten. 
Unter  den  herkömmlichen  Stoffen  des  Geschichtsunterrichts 
hat  jedenfa«]'^  die  Volksschule  am  meisten  zu  leiden,  denn 
ihr  bleibt  aneli  die  alte  Cieschiehte  verschlossen,  die  wcni  i^stens 
auf  höhern  Scliulen  den  Hauptteil  jener  Hilduug  gewährt, 
den  die  Geschichte  überhaupt  bieten  kaun."^) 

Angeführt  seien  auch  die  Worte,  mit  denen  Palla  die 
Resultate  eines  Unterrichts,  der  vt)rzugsweise  die  politische 
Geschichte  berücksichtigt,  geifselt:  Der  vSchüler  hat  .sich 
durch  so  und  so  viele  Kapitel  im  Schweifse  seines  Ange- 
sichtes hindurcligearbeitet,  giel)t  sich  endlich  Rechenschaft 
über  das  er\\  <  irht  HLWissen  und  findet:  Xamen,  Zahlen,  einen 
Wust   von  ThaL.saelien,  die  nach  Motiv,  Inhalt   und  Folge 

>)  Winnefeld.  S.  ,:;S. 

*)  In  seiner  Sclihft :  N'aterlandskuude  an  l^eUrerbildungs- 
anstalten  (Ktagenfurt  1874). 
*)  Palla,  S.  16  tt.  17. 


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57? 


einander  zum  verwechseln  ahnlich  sehen,  dazu  einige  Ereig- 
nisse, dir  ihn  lebhaft  interessieren,  z.  B.  Investiturstreit,  Kreuz- 

zug^e,  Unter^anjr  der  Stanfer,  Hrfinduiij^^en  und  Entdeckunj^^en, 
ohne  dafs  er  sie  nach  ihrem  ("irinidc  vollkouiuun  bej^^riffe. 
Kin  j^rofser  Teil  der  aufj^;e\vciuletcii  Zeit  und  Arln  ii  erscheint 
als  verlieren,  denn  von  dem,  was  die  (ieseliiehte  ihn  lehren 
soll,  hat  er  nur  dunkle  Ahnungen.  Die  Schuld  an  diesem 
mehr  als  bescheidenen  Resultate  tragen  ebensowohl  der  ^rofse 
Umfang  als  auch  die  Zerrissenheit  des  Stoffes  in  zahllose 
Kapitel,  das  Hervordrängen  des  Personenkultus  und  der 
Mrin<^el  nii  Lcklün-  -gleichzeitiger  Schriftwerke.  I'nbestritten 
1111(1  durchaus  notwendig  nl--'>  i^t  <  s  s  i-.t  V\]  /  dafs  wir  der 
Jugend  nicht  hlofs  die  Vaterlandsliebe  im  Kriegsrock  zeigen, 
sondern  dieselbe  auch  aul  iler  Bahn  des  Friedens  in 
dem  Strahlenkleide  der  Wissenschaft,  der  Kunst, 
der  Industrie,  der  Erfindung  usw.  vorführen.**) 

Die  Herbart-Zillersche  Schule. 

ICin  besonderes  Verdienst  um  die  Forderung  des  kultur- 
geschichtlichen T^nterrichts  hat  sich  die  Herbart-Zillersche 
Schule  erworben.  Biedermanns  erste  Schrift:  Der  ( rcschichts- 
unterricht  fand  insbesondere  bei  den  Herbarlianern  freund- 
liche Autnaiime.  Zuerst  war  es  Professor  Zill  er,  der  in  seiner 
>Orundlegung  zur  Lehre  vom  erziehenden  Unter- 
richt (1H65)  erklärte,  *die  ßiedermannsche  Methode  sei  die 
allein  padaL:'>gi.sche  (S.  275).  Er  förderte  dann  diese  Methode 
so  sehr,  dafi>  die  \'erfasser  der  acht  Schuljahre  geradezu 
sagen  durften,  dafs  Biedermanns  Schrift  \  iela  icht  sclion  wieder 
in  Vergesseiilicit  geraten  wäre,  wenn  nicht  Zillei  den  Haupt- 
gedanken (K>>Lil)en  autgegriffen,  umgerirbeitet  und  weiter 
gebildet  halle.  Durch  Ziller  sei  der  griindlegeiKle  (»cdaiike 
der  Biedermann  scheu  Vorschläge  gerettet:  das  Fortschreiten 
von  einem  Hauptmonient  der  Geschichte  zu  einem  andern 
mit  jedesmaliger  rückwärtsschauender  Ergänzung  (Fünftes 
Schuljahr,  vS.  \c)), 

.Auch  in  (lem  Jahrbuch  des  X'ereins  für  wisscnsclirifl- 
liche  Pädagogik  ,  14.  Jahrgang  beschäftigt  sich  Prof.  Ziller 
mit  Biedermanns  Nlethode  und  spricht  sich  ausführlicher 
darüber  aus,  welche  kullurgeschichtlichen  Stoffe  im  \ orbe- 
rcituugskursus  des  Geschichtsunterrichts  berücksichtigt  wer- 
den können:  *  Begegnen  wir  einem  alten  Herreusitz,  mit 
Resten  eines  tiefen  (irabens,  mit  Spuren  früherer  Befestigung, 
mit  starken  ( lebäuden  ohne  Schönheit,  aber  von  grofser  Sicher- 
heit, mit  einem  wüsten  (>artcu,  mit  herrlichen  Waldungen 

V  Palla,  S.  34. 

3«' 


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Johann  Denifcl. 


und  schönen  Feldern  tind  findet  iimn  dazu  im  Friedhof  uralte 

Grabsteine  mit  verwischten  Sein  iftz{iq;cn,  Wappen  nnd  Jahres- 
zahlen, so  wird  üTiscrni  /iii^liiii;  (hirch  diese  stillen  Redner 
eine  C.esellschaftsklasse  geschildert,  wie  sie  heute  nicht  mehr 
besteht- 

Mit  diesen  Worten  schildert  Zitier  die  Art,  wie  knltnr- 
geschichtliche  Verhältnisse  «nterrichtlich  behandelt  werden 

können.*) 

Auch  die  Verfasser  der  acht  vS cht dj. ihre  (Theorie  und 
Pr :i  \  i  s  d  es  Vcilh  ssch  n  1 1I  n  terrich  t  s  n  a  eh  H  er h ar  t  seh  en 
( i  rn  II  (1  Sätzen  \  oii  Rein,  Pickel  und  Scheller)  liaben  die 
Hicderinaniisehe  Mclho(lc  nicht  nur  irittt^;eheifsen,  sondern 
sogar  in  einer  Weise  au^gedchnl,  die  liiedermaun  selbst  la.->t 
ZU  weit  zu  gehen  schien.  Dem  eigentlichen  Unterricht  geht 
ein  Vorkursus  voraus,  der  im  dritten  Schuljahr  die  heimat- 
liche Sage  und  im  \ierten  die  Nibelungensage  behandelt 
Dann  werden  dem  Schüler  die  Hauptwendepnnkte  in  der 
Kntwickeluno;  unserer  nationalen  Kultur  Nor^cfiihrt  und 
zwar  nach  Piedennanns  Vorschlägen:  der  l'ulerrieht  führt 
den  Schüler  von  einem  Ilöhenpunkt  der  (ieschichlc  /um 
andern  und  ergän/t  den  Zusammenhang  durch  rückblickende 
Betrachtungen. 

Besonders  durch  die  Würdigung  der  heimatlichen 
Sage  leistet  die  Herbart'sche  Schule  der  Kulturgeschichte 
besondere  Dienste,  da  die  unterrichtliche  Pehandlung  der- 
selben das  kulturgeschichtliche  Moment  besonders  berück- 
sichtii^t.  So  sagen  die  Verfasser  der  Schuljahre  (S.  «S5),  dafs 
sich  am  Ende  der  Xibelungensage  folgendes  kulturgeschicht- 
liche Material  ergeben  soll:  Königshof,  Ämter  am  Köuigs- 
hof,  Rittertum,  Ritterschlag,  Ritterrüstung,  Turniere,  Auszug 
zu  Abenteuern,  Burgen,  Jagd,  Feste,  Gastfreunde,  Mannen- 
treue, Vasallen,  Waffenfreundschaft,  Freundestreue,  Besuche, 
Frauen,  Trachten,  Schnuuk,  Kampfspiele,  Verlobung,  Ver- 
heiratung, Begräbnis,  \\'nlnihans,  ^Innster,  Freie,  Leibeigene, 
Somien wende,  Aberglauben,  RieMcn,  Zwerge,  Drachen  usw." 

Albert  Richter. 

Eine  Autorität  auf  dem  riebiete  des  Geschichtsunterrichts 
bezeichnet  man,  wenn  man  den  Namen  des  I^eipziger  Schul- 
direktors Alb.  Richter  nennt. 

Was  den  kulturs^eschichtlichen  l'nLcirielu  anlangt,  so 
verdienen  drei  Schriften  Richters  genannt  /.u  wenlcn:  i. 
Uber  d  en  G  cschi  ch  tsu  n  t  er  r  i  c  h  t  in  der  Volksschule 
(I^eipzig  1872).    2.  Uu eilen  im  Geschi chtsunterrich te 

I^icbc  Auijlührung  Zillers  vriiiiicrl  au  jeue  üben  mitgeteilte 
Stelle  aus  der  Schrift  Salzmanns:  Noch  etwas  über  Erziehung. 


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OeMbleht«  4er 'Methodik  dw  kultw^vtebicbUloIwi»  ITnterrlebti. 


(T.eipziV  r886).  3.  Die  Kulturgeschichte  in  der  Volks- 
schule (Ootlia  1887).  Ein  erschöpfendes  lÜld  der  Ansicluen 
und  Bestrebungen  Richters  hier  zu  geben,  ist  nicht  aii^än^ig; 
es  mufs  viehnelir  auf  die  Schritten  selbst  hingewiesen  werdeu. 

Für  uusem  Zweck  genügt  es,  wenn  wir  uns  auf  die 
jüngste  der  genannten  Sdiriften  beschränken,  auf  -»Die  Kul- 
turgeschichte in  der  Volksschule*,  da  die  erste  Schrift  fast 
ganZf  die  zweite  zum  gröfsten  Teile  wörtlich  in  jene  aufge> 
nomnien  ist. 

Die  I'ruL^c.  ob  und  wie  Kulturgeschichte  in  der 
\' o l k s s c h u  1  e  /. u  treiben  sei,  ist  so  alt  wie  der  Ge- 
schichtsunterricht iu  der  Volksschule  .  Zum  Er- 
weise dieses  Satzes  giebt  Richter  eine  kurze  Geschichte  der- 
selben und  behandelt  nacheinander  Schlözer,  Resewitz,  Dolz, 
Lohr,  Bredow,  Kirchuiann,  Fricke  und  Backhaus.  Im  zweiten 
Teile  seiner  Schrift  spricht  Richter  darüber,  dafs  sich  die 
Geschichtsschreiber  über  die  Grenzen  x  w i  s  cli  e n 
]) o  1  i  ti  s c Ii  e r  und  Kulturgeschichte  nicht  einig  sind 
und  führt  Aussprüclie  von  Kriegk,  Falke,  (Tcbhardt,  Zwie- 
dineck  an.  Im  driiUii  Teile  beginnt  d«is  -Methodische  der 
Schrift  Richter  stellt  als  Grundsatz  auf:  Im  Unterrichte 
sind  politische  und  Kulturgeschichte  nicht  zu 
trennen.  MitFleifs  sammelt  er  dann  wieder  die  .Ansichten 
der  Pädagogen,  um  diesen  Snt/  /n  erhärten:  Scholtze,  Weber, 
Hiedernianu.  Muster,  dir  TTc  rhartsclu-  Sc  liule,  Rein,  Pickel 
und  Seheller,  Willmann  und  die  österreicliischcn  IJnterrichts- 
insLrnküe»ucn  werden  angeführt.  Im  vierten  Teile  spricht 
Richter  \ou  der  Notwendigkeit  eines  kulturgeschicht- 
lichen Anschauungskursus,  wie  ihn  Biedermann  ver- 
langte. Wiederum  werden  die  Ansichten  der  Pädagogen 
herbeigeholt  und  scharfer  Kritik  unterzf>L;eii.  Richter  giebt 
dann  selbst  zwei  Proben  einer  kulturgeschichtlichen  Ileimats- 
kuiide,  eine  für  die  Stadt  und  eine  für  das  Land.  Die 
erstere  schliefst  .sich  an  eine  bestiniuite  Stadt,  au  Lreipzig  an. 
Die  zweite  möge  hier  stehen : 

Von  dem  Leben  tmd  Treiben  an  einem  Bahnhof  kann 
der  Lehrer  einer  Dorfschule  nicht  wohl  ausgehen,  wenn  er 
Verkehrsverhältnisse  früherer  Zeiten  schildern  will. 
Das  Dorf  hat  keine  Messen,  und  den  Jahrmarkt  in  der 
nächsten  Stadt  haben  die  Kinder  kaum  alle  gesehen.  Aber 
es  führt  vielleicht  durch  die  Feldmark  des  Dorfes  eine  Eisen- 
bahn, ani  Casilmfe  findet  sich  noch  das  Sdiild  mit  dem 
wei.s.sen  Ruis  oder  sonst  einem  Hilde.  Sollte  sich  da  nicht 
erzählen  lassen,  wie  die  durch  das  Dorf  führende  Strafse 
sonst  belebt  war,  wer  im  Gasthofe  einkehrte?  etc.  Und  der 
Schilderung  eines  Frachtwagens  alter  Zeit  bringen  die  Kinder 


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Jutinnn  licuitel. 

des  Dorffs  \iclleiclu  ein  noch  viel  gröisores  luteresjse  ent- 
gegen, als  die  der  »Stadt 

Kill  Denkmal  aus  der  Zeit  der  Hefreinngskriege  liat  das 
Dorf  nicht,  aber  man  erzählt  sich  noch  aus  der  Franzosen- 
zeit»  welche  Häuser  damals  eingeäschert  wurden.  Aus  der 
Schwedenzeit  klingt  noch  die  Sage  herüber,  wie  das  Dorf 
damals  auf  einem  i^nn/  nndcrn  <  >rtc  L^estanden  liahe,  wie  in 
iler  I'eldmark,  die  man  jet/l  ii«>t  h  den  I  v-irenstein,  den  Tannen- 
herg  etc.  nennt,  früher  ein  Itliiliendes  Dnrf  q-eslnnden  habe  etc. 
Sollte  d.nan  der  lA'lirei  nieht  ankmiplcn  können,  \\\ni\  er 
das  Kriegswesen  früherer  und  jetziger  Zeiten  \  er  gleichend 
schildern  will? 

jetzt  hat  der  R.mer  seine  Felder  l)eisaninieii  liegen, 
früher  besafs  er  viele  schmale  Streifen,  je  einen  in  jeder 
Feldmark.  Jetzt  jirangen  die  bVlder  mit  rotem  Klee,  und 
im  Herbste  liefern  sie  Kart«>ffehi.  Wie  lan^^e  ist  das  her? 
Wie  war  r>  ti  iiher?  Wie  gin^^  e  s  n)il  den  Kai  löffeln?  Jetzt 
hat  man  Säe-,  Mäh-  und  Dreschmaschinen       und  früher? 

In  vielen  Dörfern  sind  alte  Inschriften  in  der  Kirche 
oder  im  Turm,  Sagen  oder  hi$tori.schc  Überlieferungen  leben 
im  Munde  des  X'olkes  fort,  alte  Hilder  in  den  Kirchen  ver- 
setzen unmittelbar  in  vergangene  Jahrhunderte.  Das  sind 
Dinge,  auf  die  der  hi  iniatknndliche  Unterricht  in  der  be- 
treffentlen  Dorfseluile  Rücksicht  zu  nehmen  hat,  wenn  er 
geschichtlichen  vSimi  wecken  und  })fV"gen  wilb  .  (S.  47U.  4.S.) 

Im  fünften  Teile  behandelt  Richter  den  Sagciiknrsus 
und  zeigt,  wie  auch  die  Sage  unterrichtlich  behandelt  werden 
kann,  dafs  sich  für  die  Kulturgeschichte  reiche  Ausbeute 
ergiebt  Im  -^celisteu  Teile  wird  der  eigcntlidie  Oeschichts- 
nnterrichl  behandelt.  Dabei  stützt  sich  der  Verfas.ser  ganz 
auf  Scholtas  Werk:  Die  Kulturgeschichte  im  historischen 
l'nterrichl.  Des  Weitern  verbreitet  sich  dann  Richter  über 
den  (iel>ranch  der  Quellen  im  l'nterricht,  i^iebt  hierzu  einen 
geschichtlichen  TTberblick  und  erörtert  alsdann  das  Thema, 
wie  auch  die-  Ouellen  kulturgeschichtliche  Bildung  fördern 
können.  Dies  tlint  Richter  an  der  Hand  des  von  ihm  ver- 
fassten  Ouellenbuches  für  den  l'nterricht  in  der 
deutschen  (teschichte  (Leipzig  1  SS;;,».  Wie  sehr  Richter 
auch  bi-i  \bfns'-nn<:  «bcses  i'.uches  bemüht  «gewesen  ist,  auch 
d(  !  kiillur^e^chichte  gerecht  zu  weiden,  nuige  uns  Liebes- 
ki ncP)  sagen:  Wir  müssen  es  als  einen  grolsen  X'orzug 
dieses  Buches  bezeichnen,  und  sind  deshalb  dem  Verfasser 
zu  grofsem  Dank  verpflicliet,  dafs  er  in  demselben  bestrebt 
ist,  den  Zuständen  des  deutschen  X'olkes  eine  ebenso  grofse 

')  Über  die  Benutzung  von  Quellen  im  Gcschichtsunt.,  S.  2$, 


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Ho'^chiclito  >l<>r  STethodik  dos  kulturg'i>8chichillcheu  Unterricht«. 


5^3 


Aufmerksamkeit  zu  widmen  wie  den  Thatsaclien,  die  die 
aiifsern  (leschickc  des  Ivandes  Ikstimineii.  Richter  hat  alle 
jene  VerhriUnissc  bcn'icksichtisj  t,  die  uns  von  der  Vorwelt 
ein  richtiges  liiUl  hinstillt  n  ;  w  führt  uns  in  Haus  und  Hof, 
an  den  traulichen  Henl  und  in  das  stille  Familiengemach, 
in  die  rauschenden  Haine  unserer  germanischen  Voreltern, 
in  deren  geheimnisvollem  Dunkel  sie  ihren  Göttern  geopfert; 
er  macht  uns  bekannt  mit  dem  öffLiitlichen  Leben  verwehter 
Jahrhunderte,  dem  Schmerz  und  Ernst,  den  Tagen  des  Jubels 
und  den  Tagen  der  Not  und  Wr/wcifUm*:::.  Diesem  Streben, 
auch  das  Zustriiidliche  zu  l)erücksichtigen,  verdanken  wir 
auch  die  Autuahuie  einer  <>^anzen  Anzahl  von  Quellenstücken 
rein  kulturgescliichtlichen  Inhalts,  so  z.  B.:  I3as  Kapitulare 
von  Paderborn,  Aus  alten  deutschen  Volksrechten,  Karls  des 
Grofsen  Bestimmung  über  die  Bewirtschaftung  der  könig- 
lichen Güter,  Karls  des  Grofsen  Bemühung  um  die  Brziehung 
seiner  Kinder,  Die  Meistersintjer  u.  s.  w. 

A.  Richter  hat  auch  Tuehrere  I^ücher  für  die  Hand  des 
Scliült  rs  verfafst,  die  sich  iR  ben  der  Uerücksichti^ifunq-  von 
OuellensLücken  besonders  durch  Betonunji;;;  des  kulturg-eschicht- 
lichen  Momentes  vor  andern  Leitfäden  unterscheiden. 

Mit  de«  Ausfühl u Ilgen  Albert  Richters  sind  wir  auf 
dem  Höhepunkte  angelangt  Neue  Gedanken  sind  seit- 
dem nicht  aufgetaucht  Wir  brechen  deshalb  hier  ab*)  und 
sprechen  nur  noch  den  inni,efen  Wnn'^ch  ans,  dafs  die  KnUur- 
p-eschichte  sicli  immer  mehr  die  ihr  im  Creschichtsunterrielite 
gebüluende  Stellun;;  rK.bcrn  möge  -  zuni  Heile  unserer 
Jugend  und  unseres  Volkes! 

»)  Wer  auch  die  »cuesten  Vertreter  des  kulturgeschichtlichen 

l"iitcrn\  lits  in  ilireii  Anscli:nmn<>fcn  kennen  lernen  wil!,  <U  n  verweisen 
wir  am  dcu  crwciterteu  Abdruck  dieser  Arbeit  in  den  >  l'ädagogischen 
Zeit-  und  Streitfragen«. 


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Zwei  Fragen  aus  der  Geometrie. 

Vou  W.  Aigiohm  in  Bromber^. 

2.  Welohefi        in  der  Geometrie  die  etHten  llntenicht«- 

|yreg:enetAnde? 

Ks  ist  bekannt,  dals  anch  lioiite  nocli  in  dv\i  mci>Leu 
Lelnl>üohern  der  Cieuuieti  ic,  die  lüi  höhere  Lehranstalten  be- 
stiiiiuit  sind,  im  groUeii  und  ganzen  der  wissenschaftliche 
Lehrgang  Euklids  innegehalten  wird«  so  unzweifelhaft  es 
anch  dem  Padagoj'cn  ist,  dafs  dieser  Lelir<>an<^  weit  über 
dem  I'assnnjjsverniöo;en  der  Mehrzahl  der  vScliüler  steht ;  denn 
Bej^riffe  wie  Cieonietrie,  ("Iröfsi-,  mallu  niatischer  Körper,  R  nmi, 
Axiom,  I^'läehe,  Linie,  ICbt  iie,  ( 'rlrichlicit,  Ahnliclikt.  ii.  Kon- 
^rnenz  nsw.  drängen  sich  bei  diesem  Wege  auf  eine  zn  knrze 
und  zu  frühe  Unterrichtszeit  zusammen. 

Gcwifs  ist  es  nötige  dafs  auch  in  der  Geometrie,  und 
hier  erst  recht,  von  Anfang  an  klare  Vorstellungen  erzengt 
werden;  aber  es  liej^t  i^ar  keine  zwinj^ende  Veranlassunj^  vor, 
schon  zu  Rej^inn  des  Unterrichts  über  diese  Dinj^e  zu  sprechen. 
Wohl  sollen  all  diese  Krklärnnj^en  in  den  voll  entwickelten 
Schulen  i^ei^i  ben  werden,  abrr  nicht  zu  Bej^inn  des  T'nter- 
richts,  sondern  erst  dann,  wenn  der  vSehüler  sich  längere  Zeit 
mit  Linien,  Flächen,  Körpern  usw.  beschäftigt  hat,  wenn  er 
mit  Verständnis  ein  bestimmtes  geometrisches  Pensum  zu 
überblicken  vermag,  und  sich  nun  die  I^rklärungen  und 
Definitionen  aus  dem  durchlaufenen  Unterrichtsgange  folgern 
lassen. 

Diese  Anschauung  scheint  sich  endlitli  auch  in  den 
Kreisen  der  Lehrer  an  höheren  Ivchraiisiallen  ikdui  zu  brechen. 
So  beginnt  die  lou.  Antlage  von  kand)ly,  erschit-nen  1894, 
nicht  mehr  mit  der  Firkläning  der  Begriffe:  Geometrie, 
'  Raum  etc.  und  der  Behandlung  der  Axiome,  sondern  mit  der 
Beschreibung  des  Würfels,  Hierbei  werden  die  Hezeichnnngen  : 
Körper,  Mäche,  Linie,  Kante,  Punkt,  ICcke,  Winkel,  Scheitel, 
Schenkel,  senkrecht,  wagrcciu,  .schräge,  parallel  u.a.  gebraucht, 

M  I,  siehe  Heft  IV,  vS.  205  ff. 


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Frii^en  aus  *U't  Geomctrir.  ;^,S;^ 


ohne  definiert  zu  werden.  Definiert  werden  nur  die  Hezeich- 
nung^en:  Würfel.  \'iereck  niid  Quadrat.  An  die  Behandlung^ 
des  Würfels  scblieist  sich  in  g;leicher  Form  die  des  Prisma, 
der  Pyramide,  dts  Cvlinders.  des  Kegels  und  der  Ku.l^^cI.  Zu 
den  vorhin  gciiaunttrn  oenennungen  treten  neu  auf  die  Namen 
für  die  verschiedenen  Dreiecke  und  Winkel,  för  Vielecke, 
Kreis,  Kreisfläche^  Mitteljnuikt,  Körperspitze  usw. 

Das  Verdienst,  diese  Änderung  hervorgebracht  zu  haben, 
darf  die  Yolkschulpädagogik  für  sich  beanspruchen.  Freilich 
ist  der  P^rfolg  noch  kein  durchschlai^euder.  Ablest  lien  davon, 
dafs  diese  Neuerung  noch  lange  nicht  überall  gut  gchcilscn 
wird,  tritt  die  Besprechung  der  Körper  bluls  als  Vorübung 
auf,  die  nur  wenige  Stunden  ausfüllt  Dann  greift  wieder  der 
alte  Gang  Platz. 

Was  ist  dadurch  gewonnen?  Es  ist  ein  Fortschritt,  dafs 
die  ersten  Unterweisungen  sich  an  Körper  anschlielsen.  Da- 
durch erhält  der  geometrische  Unterricht  eine  anschauliche 
(rrundlage.  Dafür  stürmt  nun  aber  iri  kurzer  Zeit  Tuigewöhn- 
licli  viel  Neues  auf  den  \'orstellungskreis  und  das  Oedächt- 
nis  des  Kindes  ein.  Aufscrdeui  liei^t  das  CTclernte  spater  als 
toter  Ballast  im  Gedächtnis  der  Schüler,  weil  von  demselben 
im  folgenden  Unterricht  kaum  Anwendung  gemacht  wird, 
da  nach  wenigen  Stunden  der  »wissenschaftliche«:  Gang  zu 
seinem  Rechte  gelangt  Nun  kommen  doch  all  die  schwierigen 
Begriffserklännigen,  die  eingangs  genannt  wurden,  zur  Be- 
liandlunq-.  Der  Unterricht  beweq-t  sicli  in  pbilosopliischen 
Auseinauderst  l/nugen  vor  etwa  zwöltjährigen  Kindern,  die 
sich  rein  recepliv  verhalten  müssen.  Ihre  einzige  Thätigkeit 
besteht  darin,  dafs  sie  jene  schweren,  unvollkommen  verstan- 
denen Gedanken  nachsprechen. 

Es  ist  eigentümlich,  dafs  auch  das,  was  an  sich  leicht 
fafslich  tmd  klar  ist,  in  dieser  Lehrform  schwierig  wird.  Einer 
der  ersten  Paragraphen  von  Kambly  giebt  die  geometrischen 
Grundsätze,  deren  erster  lautet:  Jede  Gröfse  ist  sich  selbst 
gleich  und  ähnlich  a^^/t.  Was  ist  wohl  einfacher,  als  dafs 
dieser  Würfel  sich  selbst  gleich  ist,  dafs  jener  (Jfen  sich  selbst 
gleich  ist,  dafs  endlich  auch  ich  selbst  mir  selbst  gleich  bin! 
Und  doch»  was  macht  dieser  Satz  den  Kindern  für  Skrupel! 
Am  besten  fahren  hierbei  die  (ileichgiltigen;  aber  mancher 
eifrige  Junge  (ich  spreche  gerade  in  diesem  Falle  aus  Er- 
fahnin^!  kann  die  VV'eisheit  dieses  Satzes  nicht  ergründen. 
Oft  schon  habe  ich  mich  gefragt,  was  hierbei  den  Kindern 
unverständlich  ist.  \'ielleicht  ist  es  die  sonderbare  Art  des 
Vergleichs,  nanilich  uals  eine  (Wölse  mit  sich  selbst  verglichen 
wird,  während  sonst  bei  einem  Vergleich  doch  mindestens 
zwei  Grofsen  nebeneinander  gestellt  werden.  Vielleicht  werden 


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586 


W.  Atqtstthm. 


(He  Kinder  auch  dadnrcli  vcH)lnfft.  dafs  man  liier  etwas  an 
sich  SelbstverstHndliclRs  in  dir  wiclitij^ye  Form  des  Lehrsatzes 
fafst,  Man  wird  linden,  dals  der  Scluiler  den  Gedanken  i^an^ 
richtig  erfafst»  wenn  man  die  vSaehe  als  selbstverständlich 
und  bekannt  voraussetzt  Darum  ist  es  besser,  den  Satz  gar 
nicht  als  Lehrsatz  zu  geben.  Hat  aber  die  Beweisführung 
später  VeranlasMing,  sich  auf  denselben  zu  stützen,  wie  etwa 
bei  der  Beweisführnnj^  des  Satzes:  »Im  gleichschenkligen 
Dreieck  sind  die  I'.asiswinkcl  i^dficli  ,  wo  die  Senkrechte, 
welche-  das  ^kiehsebL nklige  I)rcicek  halbiert,  beiden  Teil- 
dfri ecken  angehört,  <lann  brancht  man  ja  von  dieser  Linie 
nicht  /AI  sagen,  sie  ist  sich  selbst  gleich,  soudct  n:  es  ist  ein 
und  dieselbe  Linie. 

Solche  Kleinigkeiten  sind  es  oft,  welche  das  Kind  von 
diesem  Unterrichtsgegenstande  znrücksch recken  nnd  es  kopf- 
scheu ihachen.  I'nd  darnm  stelle  ich  znnächst  folgende  For- 
•  dening  anf :  Der  erste  Unterricht  in  der  ( i  e  o  m  e  t  r  i  e 
darf  sich  nicht  mit  den  sogenanutm  (rrnndsätzen 
beschäftigen.  Die  rör  tern  n  ge  n  über  die  Hegriffe: 
Cieometrie,  mathematische^O  röfse,  geometrischer 
Körper,  Raum,  Gleichheit,  Ähnlichkeit,  Kongruenz 
usw.  fallen  zu  Beginn  des  Unterrichts  weg. 

Die  Volksschulpädagogen  haben  den  » wissenschaftlichen c 
Weg  in  der  Geometrie  längst  verworfen.  Sic  lassen  im  An- 
fange des  Unterrichts  die  strenge  weisfiihning  fallen,  ver- 
meiden, wo  es  nngäni^ig  ist,  die  Definitionen,  beginnen  mit 
dem  Würfel,  schreiten  dann  znr  IHäche  nnd  znletzt  znr  Linie, 
um  dann  aufwärts  von  der  Linie  zur  Fläche  und  zum  Körper 
zu  gelangen.  Aber  auch  dieser  bessere  Weg  ist  noch  ein  Rest 
der  alten  Methode,  gewissermafsen  eine"  Abschlagszahlung. 
Körper,  Fläche,  Linie  mit  allem,  was  dazu  an  Erklärungen 
nnd  Definitionen  nötig  ist,  das  giebt  eine  Menge  von  Kenem, 
in  das  die  Kinder  ohne  Not  hineingestürzt  werden.  Indem 
man  sie  anf  einmal  mit  riini  so  grossen  Masse  nener  Vor- 
stellnngen  üherscliüttet,  können  sie  sich  in  die  Kinzelvor- 
stellung  nicht  genugsam  vertiefen,  diese  durch  die  früheren 
Vorstellungen  nicht  assimilieren;  es  ist  nicht  möglich,  dafs 
sie  jede  einzelne  nene  Vorstellnng  vonstaiulig  beherrschen. 
Wer  darnm  diesen  .\rbeits^toff  als  Überleitung  in  die 
eigentliche  Geometrie  betrachte  t,  ihn  gewissermafsen  als  selbst- 
erworbenes geistiges  Kigentnm  der  Kinder,  als  bekannt  vor- 
anssetzt,  der  mntet  den  Kindern  zn  viel  zn.  Wold  sagt  man, 
es  ist  dieser  Weg  so  beqnem,  es  la.ssen  sich  die  Begriffe: 
Körper,  Fläche,  Linie,  Punkt  so  vorzüglich  am  Würfel  demon- 
strieren;  mein  Einwand  aber,  dafs  diese  Weise  plötzlich  zu 
viel  Neues  bietet,  wird  dadurch  nicht  entkräftet 


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587 


Aufscrdcin  ist  dieser  Weg  zu  künstlich.  Ks  ist  zwar 
in  der  ( )rcllulu*^^  wenn  in  der  Botanik  als  Anschannni^sniittel 
eine  IMlan/.e,  in  der  Plnsik  zur  Orundlaj^^e  des  rnieirichts 
der  Apparat  benutzt  wird ;  al)er  einen  besonderen  Körper  zur 
Anschauung  vorzuhaliLU,  wenn  das  Kuid  niitun  in  der  Masse 
der  Körper  steht,  einen  besondern  Korper  zu  beanspruchen, 
um  Flächen  und  Linien  z\i  erläutern,  wo  es  um  das  Kind 
her  an  nllcn  (iej^instfintlen  von  I^'lächen  und  Linien  wimmelt: 
das  halte  ich  für  Künstelei.  Ks  soll  der  Würfel  ja  nicht  aus 
dem  rnlerriclue  verbannt  werden.  IVr  ^ori^frilfi ijc  Lehrer 
wird  s|)äter  nur  zu  oft  zu  ihm  irreileu  müssen.  AIki  icli 
glaube,  man  führt  das  \'erstandiHs  der  Kinder  irre,  wenn 
man  sich  so  an  den  einen  Körper  klammert^  wie  es  die 
meisten  j^^eonietrischen  Bücher,  die  hierin  Harnisch  und  Kehr 
folgen,  thun.  Auch  ist  es  durchaus  notwendig,  die  Hegriffe: 
Punkt,  Linie,  Fläche,  Körper,  Winkel  usw.  nebeneinander  zu 
stelK  n  und  sie  durch  diese  Xebeneinanderstellunjx  zu  klaren, 
abe  r  auch  das  erst  später,  wenn  die  Schüler  sich  mit  diesen 
Dnigen  iänj^er  bt-schäftii^t  haben. 

Und  .SU  behaupu  icli  weiter:  Der  Weg  vom  Würfel 
xur  Fläche  und  Linie  als  Hinleitung  in  die  Geo» 
metrie  überhäuft  die  Kinder  mit  zu  vielen  neuen 
Vorstel  1  u  n  <4 en  und  ist  d arum  nicht  zu  empfehlen. 

Um  die  Linie  zu  demonstrieren,  ist  gar  kern  Würfel 
nötig.  Dazu  sind  liank-.  Tisch-  und  Thürkanten  genug  vor 
hanikn.  Dazu  dient  auch  die  zuerst  durch  eine  Sclinur  aii- 
gegebcac  und  später  nur  gedachte  Kntfeniung  zweier  Tmikle 
im  Klassenraume,  auf  dem  Hofe  usw.  Der  Weg  des  am 
Faden  geschwungenen  Steincheus^  Funkens,  der  Weg  des 
Blitzes,  des  geworfenen  Schneeballes  usw.  zeigt  eine  Linie, 
l^benso  bilden  wir  Linien  beim  P.rcchen  eines  Papierbogens, 
beim  Falten  eines  Briefes.  Ks  läfst  sich  also  dit  Linie  .sehr 
gut  veranschaulichen  und  erklären,  ohne  ikn  Würfel  und, 
was  hiri  die  llauj>lsache  ohne  vorher  KTtipi  r  und  Flächen 
l)ilian(kU  zu  haben.')  So  bietet  dieser  Anfang  tlen  \'orteil, 
dais  nicht  so  viele  Vorstellungen  sich  häufen,  sondern  dafs 
die  Linie  allein  die  ganze  Aufmerksamkeit  der  Schüler  für 
sich  beanspruchen  kann. 

Dazu  kommt  noch  ein  Zweites.  Bei  dem  L'nterrichts- 
gange,  der  vom  Körper  abwärts  zur  Linie  führt,  ist  das  Ver- 
halten der  vSchnler  wie  beim  wissenschaftlichen  Gang,  wenn 
auch  nicht  in  dem  Mas.se,  receptiv.  Die  Kinder  hören, 
merken  und  antworten.  Kine  Selbstthätigkeit  kann  weniger 
Platz   greifen,   weil  der  Würfel   in   der  Hand  des  Lehrers 

*)  Vergleiche;  Augschun,  Grundzüge  der  Geometrie.  Berlin, 
E.  S.  Mittler. 


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S88 


einen  bestimmten  Weg"  vorscVireiht.  Ist  nbcr  die  Linie  der 
AusL;:ani;^s])unkt  im  Unterricht,  so  beginnt  aucli  sofort  die 
Thätigkeit  (kr  Schüler:  Anwählen  von  Linien  an  den  ver- 
schiedenen Ciegenstäudeu  der  Klasse,  Aufsuchen  von  geraden, 
gekrümmten,  wagrechten,  senkrechten,  schrägen  Linien; 
Hervorheben,  durch  welche Thätigkeit  Linien  gebildet  werden; 
Schätzen  von  Linienlangen  und  Abständen,  korri. liierendes 
Nachmessen  usw.  Hndlich  lassen  sich  all  diese  mündlichen 
Darle^niii^en  der  vScliüler  zu  schriftlichen  häuslichen  Ar- 
beiten vei  wenden ;  es  müssen  Linien  der  vciscliiedeiisteii  Art 
gezogen,  punktiert,  gestrichelt  werdeiu  Eine  Fülle  von  Ar- 
beiten! 

Somit  beantworte  ich  die  eingangs  gestellte  Frage: 
♦Welches  sind  in  der  Geometrie  die  ersten  Unterrichtsgegen- 
stände?« also:  Der  Unterricht  in  der  Geometrie  darf 
nicht,  wie  es  gewöhnlich  in  den  h  ö  h  e  r  e  n  Sch  ul  en 
der  hall  ist,  mit  der  Erklärung  der  Hegriffe: 
(Tcometrie,  Raum  usw.  und  der  Jiehandlung  der 
Axiome  beginnen.  Auch  i  s  t  n  i  c  h  t ,  w  i  e  d  i  e  h  e  u  t  i  g  e 
Volksschulpraxis  es  liebt,  vom  Körper  abwärts 
zur  Linie  zu  schreiten.  Der  Unterricht  beginne 
mit  der  Linie,  schreite  fort  zum  Winkel  und  dann 
zu  den  Parallelogrammen  und  Dreiecken! 


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Ist  zur  erfolgreichen  Ijeituzig  einer  Yolks- 
schuXe  die  JLblegung  der  Mittelechul- 
lehrerprüfimg  tot  dem  Rektoratsexamen 

notwendig  oder  nicht? 


Ente  Allt^^  Hrt. 

Mati  mag  di*.-  sogenannten  F  acliprü  f  im  gen  noch  so 
gering  werten,  dafs  der  Staat  sie  entbehre!!  könne,  wird  keiner 
iK'haupten  wollen.  Kr  hat  niiü  einmal  kein  anderes  Mittel,  sich 
von  der  speziellen  Kachtüchtigkeit  liir  die  Ämter  und  Stellungen, 
öber  die  er  verfügt  und  die  er  beaufsiclitigt,  zu  ül>erzeugen. 
Im  Privatleben  bedingt  der  Erfolg  die  Befähigung;  da  spornt 
die  freie  Konkurrenss  des  Pleifses  und  der  Intelligenz  zu  den 
höchsten  Leistungen  und  zur  dauernden  Steigerung  des  Berufs- 
wissens und  Berufskönnens.  Im  staatliclieii  Leben  ist  das  anders. 
Die  Beamten  sitzen  fest  und  sicher  in  ihrer  Stelle,  sobald  sie* 
defiiiili\  ang^estellt  sind.  Ihr  Kampf  luns  Dasein  /.\vin<;t  sie 
nicht,  ihre  Rrälte  voll  und  ganz  in  den  i>ienst  des  Amtes  zu 
stellen,  da  es  keinen  materiellen  Gewinn  bringen  wfirde^  wollten 
sie  mehr  thun,  als  ihnen  ausdrücklich  befohlen  ist  Und  was 
di«  Menschen  sonst  noch  treiben  kann,  mit  den  ihnen  verliehenen 
Pfunden  zu  wuchern,  der  grofse  Gedanke  der  Pflicht  und  der 
ideale  Flug  des  Cieistes,  nun.  der  erstere  ist  nur  von  sehr 
wenigen  so  tief  erfaist.  dafs  er  dieselben  Früchte  zeitigen  könnte, 
welche  die  freie  Konkurrenz  zeitigt,  und  der  ideale  Sinn  nnlir- 
liegt  auch  innerhalb  des  Beamtenstaudcs  mehr  und  mehr  tlem 
materiellen  Zuge  der  Zeit,  ganz  abgesehen  davon,  dafs  er  von 
der  Reaktion  noch  immer  als  staatsgefährlich  verfolgt  wurde. 
Kurz  und  gut  im  Staatsleben  ist  auf  eine  Erhöhung  der  beruf« 
liehen  Qualität  der  Beamten  nach  der  Anstellung  kaum  zu 
rechnen.  Dm  so  mehr  hat  der  Staat  Veranlassung,  die  Quali- 
fikation vorher  gewisseiihatt  zu  prüfen,  und  die  (iaraiilic  dafür, 
dafs  seine  Amter  gut  verwaltet  werden,  mufs  um  st>  grüiser 
sein,  je  zweckentsprechender  Finrichtuug  und  Wesen  der  Fach- 
prüfungen ist  Prüfungsobjekt  ist  das  zum  Können  erhobene 
Wissen  d^  bezuglichen  Berufssphäre. 


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590   _         H-  WiJf«*- 

Nun  hänj^t  jedoch  diu  Hraiiclibarkeit  eiTie<  Menschen  im 
Leben  nicht  allein  von  seiner  speziellen  FachtiK lilit^keil.  sotidoni 
auch  voti  seitier  Charaktertfichtiirk«  il  ab.  Daiiun  tordert  dur 
Staat  liir  alle  seine  wichliKcicu  Ämter  und  Stellungen  auisci 
dem  fachlichen  Befähigungsnachweis  den  Nachweis  einer  ge- 
wissen Charakterbildung  oder  allgemeine  Bildung. 
Diese  EU  vermitteln  ist  Aufgabe  du  :dli;cmeinen  Hildungsan- 
stalten,  und  der  Staat  sieht  den  Nachweis  der  geforderten  all- 
gemeinen Hildung  erbracht,  wenn  flie  entsprechenden  Anstalten 
(xk  r  gewisse  Klassen  dersc  Ihm  absoK  icrl  sind.  Dals  die  allge- 
meine Bildung  der  Fachbildung  vorangehe,  ist  ihm  oberster 
Grundsatz. 

Demgemäfs  ist  das  Bildungs-  und  Prüfungs- 
wesen aller  Stände  geordnet,  welche  im  gesellschaft- 
lichen Organismus  grofsere  Bedeutung  haben,  nur 
des  Lehrers  tan  des  nicht.  Für  diesen  wird  von  dem  Nach- 
weis einer  bestimmten  allgemeinen  Bildung  vor  dem  Kintritt  in 
die  Berufsschule  nicht  gerade  abgesehen,  das  geforderte  Mals 
jedoch  von  vornherein  für  ungenügend  erkliirt.  Anstatt  aber 
die  Anforderungen  ganas  einfach  genügend  zu  erliölien,  wird  das 
Fehlende  in  der  Berufsschule  ergänzt,  eine  Arbeit,  die  diese  so 
vollständig  in  Anspruch  nimmt,  dafs  sie  ihren  eigentlichen 
Charakter  ganz  eingebüfst  hat  und  allgemeine  BilduiiL^^anstalt 
geworden  ist.  Der  Lehrplan  (k>  Seminars  hat  für  die  Fach- 
bildung wenig  Raum :  sie  ist  dort  winziges  Anhängsel  und  ver- 
flacht zu  einigen  meth<»dischen  Rezepten. 

Das  ist  kaum  zu  begreifen,  wenn  n>an  sich  \  crgegcnwärtigt, 
welchen  Wert  der  Staat  sonst  auf  eine  tüchtige  Fachbildung 
legt,  wie  er  sein  Möglichstes  thut,  um  sich  tüchtige  Mediziner, 
Juristen,  Theologen,  Chemiker,  Ingenieure.  Förster,  Künstler, 
Techniker  n.  s.  w.  heranzubilden.  Warum  vernachlässigt  -  er 
seine  Lehrer.^  Warum  bcirelit  er  T 'uterlassungssnnden  an  der 
Stelle,  an  der  sie  sich  am  emptitidlichsten  raclu-n  müssen 

Die  ganze  Verworrenheit,  welche  auf  dem  (lebiete  der 
Lehrerbildung  herrscht,  zeigt  sich  am  dcullichsten  im  päda- 
gogischen Prüf u n gs wesen.  Die  erste  I.,ehrcrprüf un 
ist  fast  ganz  eine  Prüfung  nicht  in  allgemeiner  Bildung,  denn 
das,  was  das  Wesen  des  Charakters  ausmacht,  läfst  sich  nicht 
abfragen  und  vorzeigen,  sondern  in  dem  Wissen  und  Können, 
welclie^  als  Hilflnnvj:*imittel  l'nterrichtsolyekl  in  den  allgemeinen 
l>ildunvi,>anstallen  ist.  Die  zweite  L  eh  r  e  r  ]i  r  ü  f  u  n  g  ist  eine 
Fach})rüfung,  das  M  i  1 1  e  1  s  c  h  u  1  e  x  a  in  e  n  wietler  eine  Prütung 
in  allgemeinem  Wissen  und  das  R  e k  t  o  r  a  t  s  e  x  a  ni  e  n  wieder 
eine  Fachprüfung.  Eine  sonderbare  Stufenleiter!  Da(s  da  von 
einem  inneren  Zusammenhange,  von  einem  geordneten  Aufbau 
nicht  die  Rede  sein  kann,  liegt  auf  der  Hand.    Es  ist  kein 


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tut  tnr  «rroltcrri«]»«!!  I^ettnitg'  tiwf  Y«1kMcliBle  *lc. 


Pru  f  u  n  j;'sor  gaii  i  s  in  u  s ,  sondern  ein  Gern  eng  sei  von 
P  rill  im  gen.  in  dem  die  citu  isoliert  neben  der  andern  lie^rt 
lind  die  /.eiüiche  l'oli;e  ebenso  gut  eine  andere  sein  knniile. 
Wenn  man  nnn  noch  Ijcriicksichtigt,  dafs  das,  was  in  den  beiden 
Fachprüiungen  als  fachliches  Wissen  und  Können  gefordert 
wird»  der  pädagogischen  Idee  verzweifelt  wenig  entspricht,  so 
wird  man  mir  sicher  beipflichten,  wenn  ich  behaupte,  dafs  die 
Dinge  geschickter  gar  nicht  auf  den  Kopf  gestellt  sein  konnten. 
Man  iibertnii::^  diese  \'erb"dtnisse  nur  einmal  auf  einen  andern 
Stand,  z.  Ii.  auf  den  Stand  der  Ar/te,  daun  fällt  ihre  Unnatür- 
lichkeit  noch  viel  greller  in  die  Augen. 

Was  zu  verlangen  ist,  das  ist  eine  Gestaltung 
der  Lehrerbildung  und  des  Lehrerprüfun gs wesens 
nach  den  sonst  im  Staatsteben  geltenden  Prinzipien. 
Die  berufliche  Ausbildung  ist  als  eine  Arbeit  für  sich  anzu- 
sehen und  von  der  allgemein  i  hing  abzutrennen.  Diese 
bildet  das  Fundament  jener  tmd  ist  (lort  zu  erwerben,  wo  andere 
gebildete  Stände  sich  ihre  allgemeine  Hildnng  erwerben.  Bis 
zu  welchem  Grade,  will  ieh  hier  unentschieden  In^^en  und  ver- 
weise auf  die  bezüglichen  Forderungen  v.  Sallwürk..s,  Rcins,  des 
deutschen  Lehrertages  in  Halle  u.  a.  Vorläufig  möchte  ja  das 
Mafs  etwa  genügen,  welches  jetzt  in  den  Seminaren  vermittelt  wird. 

Nach  Beendigung  der  Fachstudien  auf  der  Fachschule  findet 
eine  Fachprüfung  statt,  deren  Ablegung  die  Berechtigung  ver- 
leiht, an  allen  nll£;emeinen  Bildungsniistalkn  angestellt  tu  werden, 
deren  Ziele  unter  der  für  den  Lrlnvistand  geforderten  allge- 
meinen Bildung  liegen,  und  dort  jeden  Unterricht  zu  erteilen, 
der  -sich  stofflich  innerhalb  der  Grenzen  des  für  den  Lehrer- 
stand geforderten  allgemeinen  Wissens  und  Kdnpens  hält  Ja, 
ich  sehe  keinen  Grund,  weshalb  ein  fachtüchtiger  Lehrer,  der 
etwa  bis  zum  l8.  Lebensjahre  eine  höhere  allgemeine  Schule 
besucht  und  dann  auf  seiner  Fachschule  die  Kunst  erlernt  hat. 
an  eben  denselben  allgemeiti  wcrtxollcn  Lehrstoffen,  die  ihm 
Bildungsmittel  waren,  die  Jugend  t-mporznbilden,  nicht  auch  in 
den  unteren  und  mittleren  Klassen  der  Iniheren  Schulen  mit 
bestem  Krfolgc  sollte  unterrichten  können. 

Für  Lehrer  an  höheren  Schulen  wird  es  selbstverständlich 
besondere  Fachschulen  geben  müssen,  deren  Besuch  die  Absol- 
vierung einer  neunklassigen  höheren  Schule  bedingt.  Der  Kreis 
des  allgemeinen  Wissens  und  Könnens,  an  dem  die  praktische 
Schulnnq  erfolgt,  ist  dort  abso  weiter  gezogen  allein  das  ist 
auch  der  tin/.ige  Unterschied.  Ivs  giebt  nur  eine  pädagogische 
Wis.senschaft  und  nur  eine  pädagogische  Kuu.st.  In  reichen 
und  armen  Kindern  schlummern  dieselben  reinen  Segenskräfte; 
die  Natur  der  menschlichen  Seele  ist  dieselbe  in  den  Hütten 
und  auf  den  Thronen,  und  gleich  ist  das  Wesen  des  sittlichen 


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592  Wi«o. 

Charakters.  Ks  g-iht  nur  einen  Weg  vom  Lehrstoff  zum  sittlicheu 
Charakter,  nur  einen  Weg,  die  geistigen  Bedürfnisse  und  In- 
teressen der  Menschennatur  zu  befriedigen.  Die  psychologischen 
Erwägungen  bedingen  dasselbe  Fachwissen  und  die  unterricht- 
lichen Malsnahtnen  dasselbe  Fachköuneu.  Gewifs,  aus  der  Seele 
eines  Lehrers,  der  einen  reicheren  Schatz  wahrer  AUgemein- 
l)ildung  in  sich  trägt  und  dessen  Iferz  infolgedessen  wärmer 
für  alles  Wahre,  Schöne  und  Gute  schlägt,  fliefst  es  reicher  und 
wärmer  hinein  in  die  Seele  des  Kindes,  allein  es  ist  ja  Sache 
des  Staates,  die  Grenzen  der  allgemeinen  Bildung  des  Lehrer- 
standes  ni(">glichst  weit  hinauszuschieben.  Ober  die  stofflichen 
Ziele  der  höheren  allgemeinen  Schulen  aber  braucht  er  selbst 
für  die  v höheren«  Lehrer  nicht  hinauszugehen,  da  die  theo- 
retische und  praktische  Schulung  in  der  Fachschule  die  wünschens- 
werte Vertiefung  und  Ikreielierun^:  stets  einschliefst.  Jedenfalls 
wird  die  pädagogische  Fachprüfung  im  Prinzip  für  alle  Lehren- 
den dieselbe  sein;  es  wird  immer  nur  eine  geben  köinien,  »leren 
Ablegung,  ich  wiederhole  es,  die  Berechtigung  giebt  zu  jedem 
Unterrichte,  der  sich  innerhalb  der  Grenzen  der  für  die  Aufnahme 
in  die  Fachschule  geforderten  allgemeinen  Bildung  bew^t 

Nun  kann  ich  aber  denjenigen  nicht  beistimmen, 
die  da  meinen,  diese  eine  Fachprufung  genüge  auch 
zur  rbernnlnne  leitender  Stellen.  Ivin  andere^  ist  tUts 
T, ehren,  ein  anderes  das  Leiten.  Ein  Rektor  (l)irektür)  soll  in- 
.spizieien,  organi>icien,  repräsentieren,  er  soll  den  Untergebene  i 
eine  Autorität  sein  auf  dem  Gebiete  des  Unterrichts,  Förderer 
ihrer  Fortbildung,  Vorsitzender  der  amtlichen  Konferenzen  usw. 
Das  alles  sind  Forderungen«  welche  das  Lehramt  an  sich  nicht 
stellt  und  darum  die  Lehrerfachi)rüfung  nicht  einschliefst.  Die 
Möglichkeit,  aus  den  Reihen  der  Lehrer  ohne  besondere  Prüfung 
die  geeigneten  Kräfte  herauszutinden,  bezweifle  ich.  Der  Hin- 
weis auf  die  entsprechende  Beset/uiij;  der  leitenden  Stellen  in 
audern  Zweigen  der  Sluatsverwaltung  ist  wenig  beweiskräftig. 
Im  Bisenbahnwesen,  Gerichtswesen  usw.  sind  diese  Stellai  wesent- 
lich repräsentativer  Natur  und  nur  in  geringer  Zahl  vorhanden. 
Sie  bedingen  ein  würdiges  Alter,  aber  kein  vermehrtes  Weissen 
und  Können.  Die  Beziehungen  zu  dem  Gemeinschaftskrei.se,  dem 
ein  luscnbahndirektor  oder  Gerielitspräsident  vorsteht,  sind  mehr 
äufserliche  als  innerliche,  nrehr  bureaukrntisrhe  als  per^^öidiche 
und  geistige.  Im  Sehnlwesen  aber  ist  das  dies  aiuIi.i-~,  sollte  es 
wenigstens  sein,  und  hier  dürfte  es  bei  der  groiseii  Zahl  der 
leitenden  Stellen  schwer  halten,  so  ohne  weiteres  jedesmal  den 
rechten  Mann  für  den  rechten  Platz  herauszufinden.  Der  Staat 
müfste  sich  doch  in  irgend  einer  Weise  von  der  erforderlichen 
Qualifikation  überzeugen,  da  diese  bei  der  lehrenden  Thätigkett 
Tii  iit  hervortritt,  und  überzeugen  kann  er  .sich  nur  durch  eine 
Früiimg. 


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tut  Kür  orfolKivicbpii  Ijeltmir  «incr  VolktMiml»  »le, 

Ich  bin  also  im  Oej^eiiteil  der  Meinung,  dcJs  für  die  Schul- 
lei ter  eine  besondere  Fachprüfung  durcliaus  notwendig  ist 
iinfl  (lafs  sie  der  o;rofseti  WTantworilichkeit  des  Amtes  geniäfs 
nicht  tiefgreifend  genug  gestaltet  werden  kann  und  genau  so 
gestaltet  werden  mufs,  wie  es  tlas  Wesen  des  Amtes  l)edingt. 
JCs  ist  eine  zweite  pädagogische  F'achpruiung,  für  wciclie  die 
erste  Grundlage  und  Voraussetzung  bildet»  die  sich  nur  auf  die 
Schulleitung  erstreckt  und  für  alle  leitenden  Stellen  im  Schul- 
wesen dieselbe  ist:  denn  das.  was  speziell  zur  I^eitung  einer 
"  le  gehört,  ist  nicht  anders,  ob  die  Schule  nun  Gymnasium 
oder  \'olksschule  heilst.  Ich  wüfste  wirklich  nicht,  welche  Eigen- 
schaft, welche  P*ähigkeit  einem  V(>lksschulrektor  fehlen  könnte 
und  einem  ( »ynniasialdirektor  nicht.  Was  diesen  vor  jenem  aus- 
xeichueu  mufs.  ist  ein  gröfseres  Mafs  allgemeinen  Wissens,  das 
aber  hat  mit  der  Leitung  an  sich  nichts  zu  thun.  Eine  solche 
Rektorprfifung  wird  in  ihrer  Einrichtung  und  in  ihrem  Wesen 
mit  der  hetttigen  allerdings  kaum  mehr  als  den  Namen  gemein 
hal)en. 

Damit  ist  kurz  skizziert,  wie  das  Lehrerbikhings-  und  Lehrer- 
prüluugswesen  etwa  aussehen  müfste,  wenn  es  wohl  stehen  soll 
iti  der  Schule  und  im  N'aterlande.  Cberraschen  können  die  For- 
derungen nicht,  denn  es  ist  ja  nur  auf  das  Schulwesen  Über- 
tragen, was  sonst  im  Staate  Norm  und  Regel  ist  Die  l)esteheu- 
den  Hinrichtungen  und  Zustände  haben  sich  überlebt,  wenn  sie 
überhaupt  jemals  Existenzberechtigung  gehabt  haben.  Ich  wies 
schon  vor  zehn  Jahren  auf  das  Zweckwifh '■.•»  nnd  T'nnatürliche 
der  Mittelschullehrer-  nnd  der  Rektorenpnitunj^  hin,  habe  seitdem 
durch  Wort  tmd  Schritt  für  eine  Neugestaltung  heider  K^wiikt, 
und  darum  gereicht  es  mir  zur  besonderen  Genuglhuung,  dals 
auf  Antrag  des  geschäftsführenden  Ausschusses  den  Zweigver- 
einen des  preufsischen  Lehrervereins  für  die  laufende  Arbeits- 
periode das  pädagogische  Prufungswesen  zur  Beratung  zuge- 
wiesen ist.  Die  Form  jedoch,  in  der  es  geschehen  ist,  halte  ich 
für  durchaus  verfehlt  und  für  geeignet,  mehr  zu  trüben  als  zu 
klären,  Ist  zur  erfolgreichen  Leitung  einer  Volks- 
schule die  A  b  l  e  g  u  n  g  der  M  i  1 1  e  1  s  c  Ii  u  11  e  h  r  e  r  p  r  ü  f  u  n  g 
vordem  R  ek  tu  i  l  sc  xame  n  notwendig  oder  nicht?' 
so  lautet  die  gestellte  Frage. 

Die  Mittelschullehrerprüfung  ist  eine  Prüfung  in  all- 
gemeinem Wissen.  Der  Umfang  des  hier  Geforderten  übersteigt 
aber  nach  dem  Wortlaute  der  bezüglichen  X'orsehriftcn  keines- 
wegs das  Mafs  dessen,  was  von  dem  Lehrer  überhaupt  an  all- 
,Uenieincr  Hjldunu  verlangt  wird.  Beweis.  Die  AUg,  Hest. 
.schreiben  den  Seminaren  in  der  Arithmetik  lolgendes  Lchr- 
pensum  vor: 

«Die  Quadrat-  und  Kubikwurzeln.  Die  Lehre  von  den  Pro- 

II«»«  B*hBea  (PX^sfliMi)  TU  tl.  lu 


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portioneo  tiiid  die  von  den  positiven  und  negativen  (»röfseii. 
Gl«  ichungen  des  ersten  Grades.  Potenzen  und  Wnr/eln.  (  Tkicli- 
uui^cn  des  zweiten  Grades  und,  wo  es  eiieichl)ar  ist,  die  I^elire 
von  den  Reiben  und  den  I«ogarithinen'. 

Dieselben  ««Allg.  Best.«^  fordern  für  das  Mittelschulexamen: 
Die  Lehre  von  den  ent-  :  setzten  Gröfsen.  Rechnung 
mit  Potenzen.  Quadrat-  unil  Kuiiikwurzel.  Gleichungen  des 
ersten  niifl  zweiten  (^rade-:  mit  einer  nnd  Tnchroren  Unbekannten. 
Arithuietliische  und  geonieliische  PrD.uiosi«  »nen.  Logarithmen. 

Ist  das  nicht  bis  auf  den  Zwischensat/.  wo  es  erreichbar 
ist  ganz  genau  dasselbe?  Und  ähnlich  ist's  in  allen  andern 
Gegenständen,  so  dafs  man  sich  unwillkürlich  fragen  mufs: 
»Warum  ist  denn  nur  das  Mittelschulexameii  eingerichtet  wor- 
den ?  Ich  suche  veigebens  nach  einer  befriedigenden  Antwort 
Wenn  im  Jahre  1S72  die  Seminare  noch  niclU  nnf  der  Höhe  der 
zu  fordernden  T,fistungen  standen  und  man  (kn  alten  Lehrern 
Gelepenfieit  bieten  wollte,  da^  an  ihnen  \'er^;uinite  nacb/uluilen. 
so  halte  das  lixamen  einen  gau/.  andern  Namen  und  den  Charakter 
einer  temporären  Einrichtung  erhalten  müssen.  Jedeufalls  über- 
steigt gegenwärtig  das  im  Seminar  vermittelte  allgemeine  Wissen 
und  Können  das  in  einer  Mittelschule  zu  vermittelnde  in  ge- 
nügendem Grade,  so  dafs  zum  erfolgreichen  Unterrichte  in  Mittel- 
schulen vom  Lehrer  ein  besonderes  ICxanien  in  allgemeinem 
WMs-^cn  niclit  /n  verlanij^en  ist  und  das  Mittelschulexamen,  das 
überdies  nicht  einmal  Neues  fordern  soll,  unbedenklich  aufge- 
hoben werden  könnte. 

Man  hat  darauf  hingewiesen,  dafs  bei  der  Mittelschnllehrer- 
prfifung  ein  verhältnismäfsig  bedeutender  Prozentsatz  der  Kan- 
didaten strauchelt,  und  daraus  gefolgert,  dafs  die  Seminare  doch 
wohl  nicht  das  leisten,  was  jene  fordert.  Dieser  Schhifs  ist  un- 
berechtigt. Würden  nicht  auch  viele  Seniinarnbitnrienten  slrnncheln, 
wenn  die  Abgangsprüfung  von  fremden  SeininarKhrern  a1)ge- 
halten  würde?  Sodann  aber  werden  gerade  beim  Mittelr%chul- 
examen  in  durchaus  zweck-  und  vorschriftswidriger  Weise  die 
Anforderungen  über  die  gesetzlichen  Grenzen  hinaus  nach  der 
unfruchtbaren  Seite  des  Detailwisseiis  hin  ausgedehnt  und  zwar 
mit  solch  individueller  Willkür,  {lais  der  Kandidat  nicht  auf 
alle  Kventualitäten  vorbereitet  sein  kann,  (^ewifs,  in  der  Regel, 
ja,  in  dl  11  nllernieisten  Fällen  besteht  der  Tüclitii:^ere  und  nnter- 
lii -1  (U  r  M  iii(K  r\\  (  rli -c.  allein  diese  Tüchligeren  sind  schon  bei 
der  er?>len  Lelnerprülung  und  dort  mit  viel  gröfserer  Sicherheit 
entdeckt  worden. 

Hinfällig  sind  auch  die  Bedenken  bezüglich  des  fremd- 
sprachlichen Unterrichts.  Im  Vordergrunde  steht  das  Französische« 
und  Französisch  ist  obligatorischer  Unterrichtsgegen^land  in 
den  meisten  Seminaren.    ^Der  Unterricht  wird  in  drei  Kursen 


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ertdU,  welche  von  der  übri^^en  KlasscTicinteiluiig  unabliängig 
/u  l)iklen  siiul  niul  in  welche  die  Seininaristen  je  nach  dem 
Maf.se  ihrer  \'<»rbiklunj^  cititrctcii  .  lu  ifst  es  iti  den  All^^.  Best.« 
Aber  was  dort  «geleistet  wird,  i^cnüut  nidit  für  einen  ralittiKllen 
Unterricht  in  Mitlelschnleii  luiil  höheren  'INichterschulen,  wird 
man  entgegnen.   Ich  zu,  dafs  es  nicht  genügt  für  eine 

Gestaltung  den  Unterrichts,  wie  ich  sie  mir  denke  und  wie  sie 
von  anderer  Seite  auch  schon  gefordert  ist  Ich  halte  daran 
fest,  dais  das  Kind  in  der  Schule  jede  fremde  Sprache  so  lernen 
mufs,  wie  es  sie  auf  natürlichem  We.ue  lernen  wfirdc,  und  das 
ist,  wie  es  seine  Muttersprache  lernt:  durch  ülir  und  Mund. 
Ks  schaut  die  (»ej^enstände,  Thätigkeit^n  u.  s.  w.,  hört,  wie  sie 
geiuiunt  werden  und  spricht  es  nach.  Üas  neue  Wort  verbindet 
sich  direkt  mit  der  Sachvorstellung.  Erst  wenn  das  Kind  die 
fremde  Sprache  genügend  mit  dem  Ohr  und  dem  Munde  beherrscht, 
dann  lernt  es  sie  lesen  und  schreiben  und  lernt  ihre  Gesetze  und 
Regein.  Diese  einzig  naturgemäfse  Methode  aber,  welche  von  seiteii 
des  Lehrers  ein  vollständiges  Vertrautsein  mit  der  fremden  Sprache 
voraii^sL-t/t,  hat  bi.s  iet7t  in  öffentliche  deutsche  Schulen  noch 
keinen  Kingang  gefunden,  und  das  eben  ist  ein  Grund  mit, 
weshalb  den  L,ehrem  das  für  sie  notwendige  Wissen  und  Können 
fehlt  Bei  uns  hält  man  starr  an  der  Buchmethode  fest,  welche 
auf  einem  weiten  und  schwierigen  Umwege,  durch  Auge  und 
Hand  (Lesen  und  Schreiben)  zur  Sprache  führt,  und  nach  dieser 
Buchmethode  /u  unterrichten,  ist  doch  wahrhaftig  keine  Kunst. 
Heute  dies  Kapitel,  morgen  das  Kapitel,  heute  Seite  20,  morgen 
Seite  21,  und  genau  .so  wie  es  im  Buche  sieht:  \  er's  nicht 
lernt,  bleibt  sitzen.  So  ist  es  doch  nun  einmal,  und  so  ist's 
immer  noch  trotz  alledem  und  alledem,  und  ein  solcher  Unter- 
richt kann  dem  Volksschullehrer  von  heute  ebenso  unbedenklich 
fibertragen  werden  wie  dem  geprüften  Mittelschullehrer  oder 
dem  Akademiker,  zumal  jener  vor  seiner  Aufnahme  in  das 
Seminar  meist  eine  gehobene  Schule  besuchte,  hier  wenigstens 
vier  Jahre  fr  inz< »siechen  ruterricht  hatte  und  dann  im  Seminar 
seine  Kenntni.NSc  noch  <lrei  Jahre  lang  erweiterte  und  verlieite. 

Im  übrigen  bemerke  ich,  tlai.s  .sich  wolil  in  jedem  Seminar 
einige  jutige  Leute  finden  dürften  —  früher  wenigstens  war  es 
so  —  welche  die  Reife  für  die  Obersekunda  oder  die  Prima 
einer  neunklassigen  höheren  Schule  erlangt,  also  eine  allgemeine 
X'orbildung  genossen  haben,  wie  sie  für  unser«  ganzen  Stand 
gefordert  wird.  Das  sollte  anerkannt  uufl  sollte  auch  belolnit 
werden.  Wenn  Lehrer,  welche  nel)en  .i^ntcn  Seminar/engnissen 
solche  Zeugnis.^e  allgemeiner  Bildung  aut/uueiscn  lial)en,  bei 
Besetzung  der  Stellen  an  gehobenen  Schulen  bevorzugt  würden, 
dann  würden  immer  mehr  diesen  Bildungsgang  wählen  und  die 
nötigen  Kräfte  auch  für  den  ersten  «iglischen  und  ersten 

39* 


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596 


lateinischen  Unterricht  zur  Verfügung  stehen.  So  wurde  die 
Entwickdung  des  Lehrerbildungswesens  hineingeleitet  werden 
in  die  Bahnen,  welche  allgemein  als  die  zweckmäfsigsten  aner- 
kannt sind. 

C/  ff-rn///  i  rHSt'o.  d  : i  s  M  i  1 1  e  1  s  c  h  u  1  e  x  a  m  c n  kann  a  b  - 
gescliaftt  werden;  allein  wenn  es  q-e<chieht,  dann  ninfs  als 
Grnnd  öffentlich  anerkannt  werdLU,  dafs  das  alljjemeine 
Wissen  und  Können  desLehrci  ^  für  den  Unlei  rieht 
in  Mittelschulen  vollständig  genügt.  Das  ist  eine 
conditio  sine  qua  non^  und  eine  zweite  Bedingung,  da(s  die  Ab« 
Schaffung  des  Mittelschnlexaniens  nicht  die  erste  Reformthat 
sei  auf  dem  Gebiete  des  pädagogischen  Prüfungswesens.  Voran- 
gehen nm  fs  üir  die  Kcform  des  Rektorexaniens.  Jenes 
ist  iikIh  oder  weniger  uunül/AT  Hallast.  der  verderblich  werden 
kann,  dieses  aber  ist  au  .sich  verderblich,  da  es  mit  dem 
Wesen  des  Amtes  disharmoniert  und  dem  Staate  nicht  die 
Männer  liefert,  deren  er  für  seine  wichtigsten  Schulämter  bedarf. 
So,  wie  es  ist,  ist  es  weiter  nicht  als  eine  Copie  des  fachlichen 
Anhängsels  der  ersten  lyehrerprnfung. 

Die  Allg.  Best,  schreiben  den  Seminaren  für  den  Unter- 
richt in  fler  Pädrirnioilc  \nr:  l>aN  Wesentlichste  nti*^  der  (ie- 
.schiclite  (In  lü/iehung  nnti  dc>  1' lUcrrichts.  l^intührung  in  die 
Hauptwerke  der  Litteratur,  vorzugsweise  aus  der  Zeit  nach  tler 
Reformation.  Allgemeine  Erziehung.^-  und  Unterrichtslehre  unter 
Hinzunahme  des  Notwendigen  aus  der  Logik  und  Psychologie. 
Die  spezielle  Methodik.  Schulamt.  Schulverwaltung«.  Sodann 
soll  der  vSeminarist  nach  i;  i  i  der  I.chrordnung  mit  den  be- 
achtenswertesten resp.  bewährtesten  Lehr-  und  Veranschau- 
lichnng'^iiiitleln  und  nach  i?  mit  den  guten  Volks-  und 
Jugendscliritten  bekannt  öjetnarlit  wi-rden. 

Und  §  6  der  PrüiiuigNtmhiung  iüi  Rektoren  besagt:  -Die 
mündliche  Prüfung  verbreitet  sich  über  die  Geschichte  der  Päda- 
gogik, über  das  ganze  Gebiet  der  Krziehungs-  und  Unterrichts- 
lehre in  ihrem  Zusammenhange  mit  der  Psychologie,  vorzüglich 
aber  über  spezielle  Methodik,  über  Schulpraxis,  über  Lehrmittel, 
Volks-  und  Jugendschriften  . 

Das  ist  nach  meiner  Auffassung  wieder  uanz  dasselbe.  So 
ist  da.>.  ganze  I.ehrerprüliing.Nwesen  ein  Drehen  auf  derselben 
Stelle.  Es  scheint,  als  .seien  die  Ailg.  Best.'  nicht  das  Werk 
eines  Mannes,  soTidem  vieler  Hände  Werk,  als  habe  jeder  Teil- 
verfasser isoliert  gearbeitet  und  der  ZusanimeiLsteller  das  Ganze 
nicht  ^oi-fältii;  genug  durchgesehen. 

Wie  ich  das  Rektoratsexamen  gestaltet  wissen  möchte,  hal>e 
ich  bereits  dargelegt  inid  wiederhole  nur  nf)t  Ii,  dafs  die  Auf- 
1- .Miii'^  d(.*<  RektornnUt  -  iii  t m  WdksschulrektMr.il  inid  ein  Mittel- 
sehulrekiorul  dem  \V  esen  tler  Dinge  nicht  entspricht  und  darum 
unzulässig  ist. 


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597 


Wäre  also  gefragt:  "»Ist  zum  t  rfol erreichen  Unterrichte  an 
Miltclsclmlen  ein  })esonderes  MitUl>c1niloxainen  notwendig?  so 
würde  ich  die  Fraise  kurr  und  liinulii;  verneinen.  T"''nd  wäre 
};efraj^t:  Ist  das  Kcktuiexanu  ii  n.  tonnltodrirftig  ?<  ich  würde  aus 
vollster  T  bcTzeuginij;  ju'  aiiUvorteii.  Ahvr  auf  die  Fraj^e:  >Ist 
zur  erfolgreichen  T^eitiing  einer  Volksschule  die  Ablegung  des 
Mittelschulexamens  vor  dem  Rektorexanien  notwendig?«  giebt 
es  als  Antwort  weder  ein  bedingungsloses  Ja  noch  ein  bedingungs- 
loses Nein,  denn  sie  ist  schief  gestellt  Nach  den  bisherigen 
\'c'rhnTidln!igen  zu  urteilen,  scheint  man  ja  ob  der  falschen  Frage- 
stellung den  Kern  der  J^acht  glücklicherweise  nicht  ans  dem 
Auge  zu  verlieren.  Was  mich  aber  doch  mit  grofser  Hesor^ni^ 
erlülU  hat,  das  ist  die  Verwechselung  der  Begriüe  ^allgcinemc 
Bildung«'  und  > wissenschaftliche  Bildung  bei  der  Übertragung 
derselben  auf  unsem  Stand.  Da  nennen  Zeitungsartikel,  die  sich 
mit  dieser  Frage  beschäftigen,  das  in  der  ersten  lychrerprÜfung 
und  im  Mittelschulexamen  geforderte  allgemeine  Wissen  und 
Können  ernsthaft  die  wissenschaftliclic  Bilthing  d  n  Lehrers. 
Nein,  des  Lehrer^  eigenstes  ThätigkeilM^ehiel  ist  die  l'T/iehungs- 
und  UnterhchUkuust,  deren  grundlegende  Wissenschaft  die 
Psychologie  ist.  Soweit  der  Lehrer  seine  Kunst  auf  die  Psycho- 
logie 7.U  gründen  vermag,  ist  er  ein  wissenschaftlich  gebildeter 
Mann  und  seine  Fachbildung  eine  wissenschaftliche.  Der  Lehr- 
plan der  Gymnasien  und  verwandter  Schulen  enthält  keine  Wissen- 
schaften, sondern  allgemeines  Wissen  und  Können,  denn  diese 
Schulen  sind  eben  allgemeine  KildungsanstnUen.  und  allgemeines 
Wissen  ist  es  auch,  was  der  Lehrer  an  Cieographie,  Oeschichte, 
Naturgeschichte  usw.  in  sich  hat  und  in  sich  haben  soll,  denn 
nicht  Gelehrsamkeit  soll  er  verbreiten,  sondern  rechte,  wahre 
allgemeine  Menschenbildung.  Das  möge  man  sich  endlich  auch 
dort  einmal  merken,  wo  man  «wissenschaftliche  Vorlesungen« 
für  Volksschullehrer  veranstaltet,  und  es  »wissenschaftliche  Vor- 
lesung nennt,  wenn  fiicusa  dekliniert,  aimer  konjugiert  und 
fimvi  f  buchstabiert  wird. 

Cosu-ig  (Anhalt).  IL  Wigge. 

Zweite  Antwort. 

Ks  oil)t  r ragen,  die  auf  den  er->len  Blick  .-.i»  klar  sind,  dafs 
keine  vSophistik  uutl  keine  Kunst  der  Rede  sie  voll.släiidig  zu 
verwirren  und  zu  verdunkeln  vermag.  Zu  diesen  Fragen  gehört 
diejenige,  ob  in  dem  |$  3  des  neuen  ^  Entwurfs  einer  Prüfungsord- 
nung für  Rektoren  .  der  die  X'olksschulrektoren  von  der  .\b- 
legung  der  Mittelschulj>rüfung  befreien  will,  ein  Fortschritt  oder 
ein  Rückschritt  enthalten  sei. 

h's  i«^t  olme  weiteres  klar,  dnf<  damit  entweder  die 
Bildungsansprüclie  an  den  \  olksschulrektor  gegen  die  seitherige 


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598 


Praxis  t-rhehlich  herabj^csct/t  wcrfkti,  o(kr  dafs.  wenn  dies  nicht 
der  I'all  sein  soll,  die  neiic  I*rüliiii>4  eine  VcreiniKung  der  seit 
herij^eu  Mittclseiini  und  KelNl<»rat.sprüfunK  darstellt.  Was  Ict/.teres 
t>edeitt«ii  will,  keinen  uns  die  Kollegen  ans  Hessen  verraten, 
die  diese  unglückliche  Vereinigung  längst  haben  und  infolge 
dessen  diese  Prüfung  so  schwierig  finden,  dals  sich  ihr  nur 
wenige  unter/Jehen.  Auch  diejenijien  unter  uns  können  darüher 
urteilen,  «lie  beide  lixaniitia  n1)j^ele^t  und  die  TeiUmi;  der  Ar- 
!>eitslast  als  eine  j^rofsc  W  nlililmt  ein]>fiuiden  haheii.  D;««^  He 
wufstsein,  kurz  x'orher  in  t  inei  1  »c^iniik  vt.  ii  Prüfunj;  die  |)i)sili\ eti 
Kenntnisse.  das  l'acliwissen  .  nachgewiesen  /u  haben,  gibt 
jedem  bei  seiner  Vorbereitung  zur  Rektoratsprüfuu);  eine  Ruhe 
und  ein  Behagen,  eine  Neigung,  sicli  in  die  hier  auftauchenden 
vielfachen  philosophischen  und  spekulativen  Probleme  sinnend 
zu  vertiefen.  <lie  iiinuner  aufkoninieu  können,  wenn  er  noch 
auf  eine  l'riifuui^  im  I'nch wissen  tr^'fafst  sein  niufs. 

l{s  kdinnit  hiu/u,  dals  durch  che  vorherige  Able.mmi;  der 
Mittelschulprütung  die  Rekli>ialsprüliinj^  notwendigerweise  in 
ein  leiteres  Alter  fällt,  diis  über  eine  j;röfsere  Summe  praktischer 
Erfahrung  verfügt,  und  dafs  dieses  Alter  an  und  für  sich  mit 
gröfserer  Lust  und  Neigung  an  eine  selbständige  philosophische 
Behandlung  der  h>/iehungsfragen  herantritt 

Hierin  aber  sehe  ich  den  wesentlichen  Wert  der  Rektorats- 
prüfuni^.  nicht  in  dem  ]^raktischen  Kleinkram,  nicht  in  der 
Kennlnis  der  zahlreichen  Methoden  und  MelhtKlchen  und  dem 
klassenmäfsigen  Zuschnitt  deü  Unterrichtsstoffes,  nocli  weniger 
in  der  Kenntnis  an  und  für  sich  recht  wichtiger  Gesetzes-  und 
Ministerialbestinimuugen.  Und  wo  die  Rektoratsprüfung  in  den 
Händen  verständiger,  wirklich  pädagogisch  hoch  gebildeter 
Schulräte  lag.  da  trug  sie  diesen  Charakter  philosophischer  Ver- 
tiefung in  wichtige  Krziehungsprobleme  stets.  Wer  darin  eij^enes 
Denken  und  geistige  Reife  nachwies,  der  hatte^ bestanden,  sitnmta 
citfii  Idiith  sogar,  wenn  er  auch  an  luetliodi scher  Fixigkeit  hinler 
anderen  zurückstand. 

Diesen  Charakter  wird  und  mufs  die  Prüfung  notwendig 
verlieren,  wenn  die  Examinatoren  Leuten  gegenüber  stehen,  über 
deren  Wisscnsunifang  sie  nur  durch  ein  im  Durchschnitt  ein 
Jahrzehnt  zurückliegendes  Seminarzeugiiis  orientiert  sind.  Bei 
Kxnminatoren  und  I^Naniinanden  wird  T'ngewi  f^heit  und  Schwanken 
an  die  Stelle  der  seitherigen  Ruhe  und  v'^trherheit  treten  und 
der  Ausgang  des  Ivxamens  von  unberecheni)aren  Zwischenfällen 
abhängen.  Ich  führe  als  Beispiel  an,  dafs  ein  Examinand  über 
Ziel  und  Methode  eines  Faches  sich  sehr  befriedigend  aus- 
gesprochen habe  und  nun  plötzlich  auf  eine  eingeti'orfeue  Frage 
l  ine  krasse  rnkenntnis  in  der  Materie  selbst  verrät.  Hat  er 
bestanden?  oder  hat  er  nicht  bestanden? 


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Tet  9ur  erfoltcrwicbcn  Itoitnng  ein«r  Volkaiohute  «Ic. 


599 


Man  glaube  iiiclit,  dafs  das  ein  erküiislcllcs  Problem  sei; 
ich  spreche  aus  Krfahrung.  Zahlreiche  jjlänzende  Vorträge  über 
Ziel  und  Methode  eines  Gegenstandes,  über  dessen  Geist  und 
Gemüt  bildende  Wirkung,  habe  ich  gebort,  und  wenn  ich  mich 
später  mit  dem  Vortragenden  in  ein  Gespräch  über  den  Gegen- 
stand  einliefs.  trat  nicht  selten  die  krasst^te  Unwissenheit  Über  die 
Sache  selbst  zu  Tage.  Ja.  unsere  Schullitteratur  leidet  /um  grofsen 
Teil  an  diesem  Phelslnnd,  dorli  will  ich  mich  darauf  nicht 
weiter  einla^-scn  ;  nni  so  weniger,  al^  ich  k  ider  ;^lanbe  annehmen 
zu  müssen.  daJs  an  ein  Aufrechtiialteu  der  seitherigen  Bilduiigs- 
ansprüche  an  den  Rektor  nicht  gedacht  wird.  Mau  glaubt 
offenbar,  es  sei  nicht  nötig,  dals  der  Reittor  einer  Volksschule, 
und  sei  sie  auch  sechsklassig.  wenigstens  in  einigen  wenigen 
Fächern  ein  gründliches  vSachwissen  habe,  damit  er  mit  den 
Mannern  dieser  Fäclier  als  ein  wohlunterricliteter  Gleicher  ver- 
kehren könne.  T>ie  von  /ahlrcichcn  Lehrerversammiungen  j^e 
nugsam  charakterisierte  Seniinarbildung  neb^^t  einiger  ])a(la 
gogischen  Vertietuug     soll  für  den  Volkssciiulrektor  genügen! 

Wer  die  Geschichte  der  Volksschule  und  ihrer  Leitung 
kennt,  der  weifs,  dafs  eine  derartige  Auffassung  von  je  her  im 
Regiment  gesessen  hat.  Ks  mufste  deshalb  manchen  Kreisen 
wahrhaft  wohl  thun,  als  sie  aus  dem  zu  Hamburg  gestellten 
Thema  dc^  F.andesvcreins  Treufs.  Volk.sschuUehrer :  Ist 
zur  erfolgreichen  Leitung  einer  \'olks  schule  die 
vorherig  e  A  b  1  e  g  u  ?i  g  des  M  i  1 1  e  1  s  c  h  u  1 1  e  h  r  e  r  e  \  a  ni  e  u  s 
nötig  so  deullicli  eine  alte,  wohl  bekannte  iMelodic  heraus- 
klingen  horten.  Denn  dafs  die  Fragesteller  eine  verneinende 
Antwort  erwarteten,  liegt  auf  der  Hand  und  ist  vollends  für  den 
nicht  zweifelhaft,  der    die  Stimmung«  der  Fragenden  kennt 

Wie  eine  Rechtfertigung  vor  der  Anklage  klingt  es,  dats 
sie  ihrernetien  Tdcnl- T.eitun^  da--  I'.pitheton  erfoli:i:rcicli  beifügten. 
Sie  wollten  und  wollen  ja  bei  Leibe  keine  Scli.'ulii^nin.^  »k  i  Schule. 
Sie  wollen  den  Fortschritt,  also  mufs  auch  die  neue  Leitung 
erfolgreich  sein.  Und  diesen  l'^rfolg  glauben  sie  nicht  ge- 
fährdet, wenn  der  I^eiter  sachlich  auf  dem  Seminarwissen  sitzen 
geblieben  ist  und  nur  die  zugehörige  Theorie  etwas,  oder  meinet- 
wegen auch    betrachtlich  V.  vertieft  hat. 

Sie  übersehen  zweierlei :  Kinmal.  dafs  es  sich  nicht  blofs 
um  redende  und  schreibende.  «f>Tidcrn  in  erster  Linie  um  ]irak- 
tisch  thätige  Piid  i-o^en  iiandelt.  DalV  e--  >nh.  um  im  \'er.L;leich 
zu  reden,  nicht  um  tlie  Bildung  von  Kun^lkrilikern,  Ästhetikern 
und  Theoretikern  handelt,  sondern  um  ausübende  Maler,  Bild- 
hauer, Musiker  etc.  Gewifs,  Kritik,  Ästhetik,  Theorie  und  Ge- 
schichte ihres  Faches  soll  und  darf  diesen  nicht  fremd  sein,  aber 
damit  schaffen  sie  kein  Bild,  keine  Dichtung,  keine  Oper  USW. 
Das  praktische  Können,  die  Beherrschung  der  technischen  Schwierig- 


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fioo 


keiten  ist  die  crsk-  C.nnull;i;;t-  ihrer  Tierufsthätijrkeit.  luul  ohne 
diese  iml/t  sie  alle  Thtr(»rie  niclits;  sie  sind  im  Praktischen 
uiihraudibar  oder  Pfuscher. 

Nicht  anders  ist  es  mit  dem  Lehrer.  Seinen  Wissensstoff 
mufs  er  beherrschen,  reiche  positive  Kenntnisse  mufs  er  besitzen, 
sonst  nutzt  ihn  seine  Theorie  wejii^.  Diese  Kenntnisse  aber 
sich  jedesinrd  für  die  betreffende  Stunde  oder  das  iKlnft  udc 
Kach  extra  anzuschaffen,  ist  ein  j.-iinnierlicher  Nnthehelt,  lU  r  div 
Kräfte  des  Lehrers  früli  aulreibl  und  die  Schüler  un»  zahlreichere 
Lern  gelegen  hei  ten  betrügt,  als  der  Pfnscher  ahnt. 

Das  alles  ist  freilich  kein  Geheimnis  und  auch  denen  l)e- 
kannt,  die  die  Mittelschulprüfung  bekämpfen.  Aber  sie  ver- 
lassen sich  dem  gegenüber  auf  die  Gewissenhaftigkeit,  auf  den 
Fortbihbnigstrieb  des  Lehrers  luid  andere  schone  Dinge,  «leren 
Vorhandensein  wir  gern  anerkennen,  flie  nbcr  gvwifs  bis^tT  gt-- 
deihen.  wenn  sie  nicht  ganz  sich  selb-'^l  überlassen  >in(i,  siuiilnn 
durch  bestimmte  Forderungen  in  teste  Bahnen  gewiesen  wertlen. 

Und  dafs  mit  den  Ansprüchen  der  Mittelschulprüfung  weder 
etwas  Überflüssiges  noch  gar  etwas  Schädliches  gefordert  wird, 
beweist  wohl  am  besten  die  Thatsachc.  dafs  die  Opposition  gegen 
sie  nicht  von  denen  ausgeht  die  sie  erfüllt  hal>en  und  nun  mit 
Kntrüstnng  sehen,  dafs  sie  ihre  Zeit  und  Kraft  verschwendet 
haben,  sondern  von  denen,  die  sie  nicht  erfüllt,  die  die  Prüfung 
nicht  gemacht  balKii. 

Das  ist  eine  auffallende  Erscheinung  und  setzt  die  Authen- 
tizität der  erhobenen  Anklagen  von  vornherein  herab. 

Aber  diejenigen,  die  den  ^ erfolgreichen  Leiter«  der  Volks- 
schule mit  einem  minimalen  Wissensquantum  konstruieren  wolleti, 
übersehen  noch  ein  Zweites: 

Der  Volksschulrektor  gröfserer  Anstalten,  die  doch  alle  in 
gr<Useren  Orten  /n  finden  sind,  hat  senie  Aufgabe  nicht  erfüllt, 
wenn  er  seine  vScluile  'geleitet  ,  seine  Stundenpläne  gemacht, 
die  Pensen  verteilt  hat  u.  a.  m.  Iii  mufs  unbedingt  den  gebil- 
deten Mann  reprä.sentieren  und  ohne  Vorbehalt  den  gebildetsten 
Renten  des  Ortes  zugezählt  werden.  Wir  sagen  nicht,  dafs  er 
sich  gesellschaftlich  oder  giu-  politisch,  in  Vereinen  usw.  her- 
vorthun  solle;  aber  er  mufs  ein  Mann  sein,  auf  dessen  Urteil 
man  Wert  legt  auch  in  Dingen,  die  nicht  im  engsten  Siinie 
Schulfnigen  sind,  er  mufs  in  Achtung  und  Ansehen  bei  den  ge- 
bildeten Kreisen  .sieiien  und  als  gleichwertig  von  ihnen  ange- 
sehen werden.  Damit  erfüllt  er  für  die  Hebung  der  Volksschule 
und  des  Lehrerstaudes  eine  Aufgabe,  die  kaum  überschätzt  wer- 
den kann.  Aber  das  erreicht  er  nicht,  wenn  man  bei  aller  An- 
erkennung seiner  persönlichen  Ehrenhaftigkeit  über  sein  Wissen 
die  Achseln  zuckt. 

Angesicht'-  dieser  Ansprüche,  die  wir  uuberlingt  an  einen 
Volksschulrektor  stellen,  ist  es  geradezu  lächerlich,   wem»  mau. 


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iHt  xitr  crfotgrvirlwn  l^eltun«  »ln«r  V«lk*A«'httl4!  elc.  ftoi 


behauptet,  es  sei  unj^ereiint,  von  ihm  die  Lelir])efäliij;iinj>;  für 
Mittfl'^rlinUii  und  höhere  TnclUirschulen  /ti  f'>rdeni.  Wir  be- 
haupten lui  ( 'it  i^enteil.  dnl--  il;i>  ;inr  ein  Mni(U--tnials  vuii  Bil- 
dungsansprüchcn  ist,  die  man  an  ihn  zu  stellen  hat. 

Man  wird  vielleicht  entrüstet  einvvaideii:  alno  der  Lehrer 
gilt  allgemein  als  nicht  gebildet  im  höheren  Sinn,  er  l)cdarf  dieser 
Achtuiijr.  dieses  Ansehens  nicht?  Wir  erwidern,  dafs  wir  dieses 
Bedürfnis  völlig;  anerkeinjcn  und  dieses  Ansehen  cnergiseh  für 
ilm  fordern,  ihils  es  aber  leider  so  steht,  (hifs  man  dem  lA'hrer 
lediglich  "deines  Amtes  weisen  noeh  (hese  AnerkemUing  in  den 
Kreisen  der  Mehr/ahl  tlei  Gebildeten  versa.i^t.  bis  er  sie  sich  (hireh 
hundert  Beweise  seiner  Tüchtigkeit  mühsam  per>önlieh  erruni;en 
hat  Und  ist  ihm  das  gelungen,  so  rechnet  man  das  seiner  Person 
zur  I<*hre  an,  ohne  dämm  auf  den  Stand  weitgehende  Rück> 
schb'isse  /.u  machen.  Tnd  darin  nun  sehen  wir  (ien  I'ortschritt 
für  (he  Hebunj;  der  X'olksschule  und  das  Ansehen  des  Standes, 
dafs  der  aus  dem  Stande  der  \'(ilks-chnllehrer  herx-orj^ci^nncfene 
^'olksschuh ektor  krall  seines  Amtes  schon  als  \\  n^cliaftlich 
gebildeter  Mann  /u  gelten  hat;  (k'ifs  man  ihm  .uit  Grund  der 
von  ihm  zu  erfülleudeu  geistigen  Anforderungen  these  Stellung 
von  vornherein  zuerkennt.  Kommt  es  dahin,  dafs  das  nicht  der 
Fall  ist,  dafs  man  in  ihm  unr  den  »erfolgreichen  Leiter  einer 
Volksschule  sieht,  so  ist  nicht  nur  das  Amt  des  Rektors,  woran 
ja  an  und  für  sich  wenig  läge,  sondern  die  Volksschule  selbst 
und  der  Stand  der  X'olkssclinllehrer  tief  j^^eschädigt.  Aus  den 
Leuten  ist  nichts  2U  macheu  ,  das  würde  das  allgemeine  Ur- 
teil sein. 

Wie  sehr  man  die  wissenschaftliche  Bildung  ül>er  die  päda- 
gogische Fachbildung  stellt,  das  sehen  wir  deutlich  genug  aus 
der  Thatsache,  dafs  nicht  etwa  blofs  die  Regierungen  theologische 
Schulinspektoren  von  jeher  bevorzugt  haben  und  bevorzugen,  son- 
dern dafs  auch  /ahlreiche  Stadtverwaltungen  die  ir^cichen  Wege 
wanrleln.  wenn  sie  zu  leitenden  Slelhni'^en  unsere^  Arheitstje- 
bietes  akademisch  (»ebildete  berufen.  i>b  lii^r  ein  \tilliger 
Irrweg  vurliegl  oder  nicht  doch  ein  Körnchen  Wain  heil  m  dieser 
verschiedenen  Wertschätzung  der  verschiedenen  Bildnugsarten 
steckt,  mag  hier  ununtersucht  bleiben.  Die  Thatsache  allein  ist 
Beweis  genug,  dafs  wir  mit  blofser  Fachbildung  nicht  vorwärts 
kommen. 

Ich  widerstehe  der  \'ersuchung.  die  zahlreich  erschienenen 
Artikel  gegen  die  Mittelschnlprüfung  hier  Revue  passieren  zu 
l.is'-en  Hn«^  Ar>-»'nal  der  wirklich  sachlichen  Gründe  ist  dürftig 
ausgc.Nlallel.  \  lele.  wie  z.  II  derjenige,  dafs  die  AUgem.  Be- 
stimmungen«^ liesondere  Prüfungen  für  Rektoren  an  Volksschulen 
überhaupt  nicht  vorgesehen  hätten,  sondeni  dafs  dieselben  erst 
später  hinzugekommen  .seien,  existieren  für  denjenigen  nicht, 


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6o2 


der  dem  Rektor  die  Aufgaben  stellt,  die  wir  soeben  kurz  ge- 
zeicliiiet  haben. 

Andere  Autoren  machen  sich  eine  ideale  W  ell  /.uicclil  und 
operieren  mit  Dingen,  die  sein  sollten  und  sein  konnten,  die 
leider  aber  bis  jetzt  noch  nicht  sind.  Da  müssen  die  zukünftige 
Reorganisation  der  Seminare,  die  künftigen  pädagogisclKu  Lehr- 
stühle nn  den  Universitäten  nnd  aiidLrc  schöne  Dinge  herhalten» 
nm  die  1  nterflnssigkeit,  ja  Schädlichkeit  der  Mittelschullehrer- 
prüfung /u  hc  wi  isen. 

Am  kichlLstiii  machen  es  sich  diejenigen,  die  gegen  das 
>tote  Fachwissen-  /u  hclde  /.ieheu  und  eine  vertiefte  Allge- 
meinbildung« oder  gar  gröfseres  Allgemeinwissen*  ver- 
langen. Dieser  letzte  Ausdruck  redet  Bände  und  zeigt  die  ganze 
Verschwommenheit  und  I'hrasenhaftigkeit  der  »Bewegung  . 

Aber  den  \'ogel  schiefst  der  Autor  ab,  der  da  schreibt: 
»Tritt  der  3  thatsächlich  in  Kraft,  so  wird  jeder  strebsame 
Lehrer  nach  al),L;ek.uler  zweiter  Prüfung  sich  mit  l^ifer  dem 
Studium  der  Pädagogik  widmen  und  sich  dadurch  liir  die  Aus- 
übung seines  Berufes  inmier  mehr  erlüehtigen,  sein  Studium 
wird  also  der  Schule  zu  gute  kommen  und  segensreich  wirken, 
selbst  wenn  er  niemals  Schulleiter  werden  sollte  Derjenige 
aber,  welcher  sich  zur  Mittelschulprüfung  vorbereitet, 
wird  viel  Zeit  auf  das  Studium  der  von  ihm  gewählten 
T'-icher  verwenden  und,  wie  die  I'rf  ilirung  lehrt,  in  der 
Zeit  der  Vorbereitung  gar  man>  nial  seine  Schule 
etwas  vernachlässigen  müssen.  Du  seither  gtlurderle  Mittel- 
schulprüfung hat,  das  ist  nicht  zu  bestreiten,  gar  manchen 
abgeschreckt  usw.« 

Hier  haben  wir  ein  ganzes  Bündel  schöner  Offenbarungen 
heisammen:  Unreife  des  Urteils,  ein  bischen  Unredlichkeit  der 
Kam])fesweise  nebst  einigem  Anflug  von  Neid,  und  zuletzt  das 
nni\'e  (restäudnis,  das  Ding,  Mittelschulprüfung  genannt,  sei  zu 
schwer ! 

Ach,  es  ist  eine  häi>liche  Kinriclitung,  dafs  die  Götter  vor 
jeden  Erfolg  den  Schweifs  gestellt  haben! 

Wir  nehmen  Abschied  von  dem  Thema,  indem  wir  uns 
dahin  zusammenfassen:  Entweder  sollen  durch  den  Krlafs 

der  Mittelschulprüfung  die  Bildungsansprüche  an  den 

Volksschulrektor  verringert  werden,  und  daiui  ist  der 
Krlals  im  hn\:hsten  Grad  zu  bedauern;  oder  die  An- 
sprüche sollen  im  wesentlich  eti  aufrecht  erhalten  wer- 
den, und  tUmn  ist  es  eine  hüehst  unpraktische  Ein- 
richtung, das  seither  Getrennte  zusammen  zu  legen. 

Frankfurt  a/M.  K.  Kies. 


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Biundscliau. 


Oktober  iHyö. 

Der  international«  Kraiienkonjjre/}*  und  die  Volksschullehrerinncn.  — 

Der  S.  W  rhantlsla}:  <!cs  tKiilsclicii  I  Vöbtl Vereins.  Der  erste  deutsch c 
l'ortbilduiij^sschultai^  und  das  I'ortbiUluniisschuhvesen  in  tkn  deut- 
schen Städten.  Die  Herbstversaninilunjjen  der  deutschen  Lehrer- 
vereine.  —  Das  schulpolitische  rro^ranim  der  national-so/ialen  Partei, 
—  Das  konnnetide  Lehrerbi  solduiij^sjieset/.  —  Die  Ciehaltsverbcsserufiir 
der  Heanilen  und  die  Lehieiwilwen.  —  I..  \V.  Seyüurtlis  Aulrui  /ur 
(Erfindung  einer  Pestaloz7.i-Stiftttngf. 

Der  Herbst  liat  wiederum  seiueu  Kin/.ug  in  die  Lande  ge- 
halten, und  wie  alljährlich,  so  hat  er  uns  auch  heuer  eine  Fülle 
grofser  und  kleiner  Versammluugen  gebracht  Wenn  der  Wind 
über  die  Stoppelfelder  weht  und  unsere  gefiederten  Sänger  sich 
anschicken,  ihre  nordische  Heimat  mit  dem  sonnigen  Süden  zu 
vertauschen,  dann  greifen  auch  in  den  Gauen  unseres  Vaterlandes 
die  ATi'^ehoritjen  der  verschiedciUTi  Berufsstniide  zum  W'ander- 
sta1>e,  um  in  giöisi  jeii  Vereinigungen  ihres  Standes  und  ihr 
eigenes  Wohl  zu  förtlern. 

^  Viel  Aufsehen  hat  der  internationale  Prauenkongrefs 
erregt,  der  diesen  Herbst  acht  Tage  lang  in  Berlin  seine  Ver- 
sammlungen abhielt  Aus  aller  Welt  hatten  sich  die  Frauen  ein- 
gefunden, junge,  alte  und  ganz  alte,  und  wenn  wieder  einmal 

der  Beweis  erbraclit  w  erden  sollte,  dafs  die  Frauen  reden  können, 
so  ist  er  glänzend  ^cliet\rl  worden.  Wieder  einmal,  sagen  wir, 
da  man  schon  seil  Hvas  Zeilen  wtil.^.  dafs  die  Frauen  y^uten 
Mundes  sind.  Wir  müssen  es  uns  versagen,  auf  alle  \  erliand- 
luugen  des  Kongresses,  die  sich  auf  die  Schule  bezogen,  einzu- 
gehen; zur  Kennzeichnung  der  Bestrebungen  mag  es  genügen, 
wenn  wir  die  Forderungen  festlegen,  welche  die  Lehrerin  Fraulein 
Miefsner  in  Berlin  im  Anschlufs  an  ihren  Vortrag  über  die 
deutsche  Frau  an  der  \  < )Ik^sdnile  im  Namen  der  Volksächul- 
lehrerinnen  .lulsU-lke.     I>irse  lauten: 

Die  \'<  »IkssrliuiU  linriniu  11  \  x  i  lan^jeii  f.  dieselbe  staatliche  Für- 
sorge für  due  .\u.sl>ildung,  wie  für  die  der  Lelirer,  eine  gleiche  Aus- 
bildung und  Zulassung  zu  allen  staatlichen  Prüfungen,  auch  zu  den 
Rektoratsinüfungen ;  2.  Mehranstellung  von  Lehrerinnen,  so  dafs  die 


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6o4 


Mädihfuk lassen  /um  ^röfsUn  Teil  und  die  j;enuschlen  Klassen  /.ur 
Tlälfte  unter  der  Leilnnj:  von  Lehrerinnen  stehen  :  dafs  die  Leitung 
\(in  Mädclunsehulen  in  die  lländt:  von  lA'hrcrinnen  ^ekj^l  vver<le; 
4.  gleiche  Rechte  für  gleiche  Pflichten,  vor  allen  IMnpcii  {gleiche  Be- 
sotdtinjf  für  (rleichc  Arbeit:  5.  Sit/  und  Stimme  in  den  Schiilvorstän- 
den,  Kommissionen  und  Deputationen  ;  und  6.  w  cihliche  Sehnlinsptk- 
toren,  /.nnächnt  für  den  rnterricht  in  \vril>liehen  llandarhriten,  der 
Ut'fjenwarti^  norh  von  tnännlii-lu  i;  Srlii!l:iisprkt<<n-!i  1)i  .mf^i*  lili.  t 
winl  ni»'  l*'t".iu  sei  /.tu  lvr/.!«-h»  rui  iK  iutrii,  \\'.-\\  ml-  sieii  dnesanilen 
Sitten  bewahrt  hat,  die  der  Mann  ini  Kanipi  um  ilas  Dasein  einge- 
bnfst  hat.  (t>  Nicht  /.«  unterschätzen  sei  die  so/jale  Ik-deutunj;  der 
Volk:Mehullchrerinnen,  die,  /.umeist  aus  den  besseren  Klassen  .stammend, 
dttrch  threStethinfi:  da/u  berufen  sind,  versöhnend  zwischen  den  ver- 
schiedenen einander  feindlich  ;;e^enälR>rstehenden  Schichten  der  Be- 
volkerunjf  /u  wirken. 

Die  \Vit/.l)lätler  sind  natürlich  hei  der  Iliuid  mit  ihren 
(»lossen;  allein  die  IMiatsaclie  wird  kein  enT^ler  HeolnichtfT  leii'^neti. 
<lafs  die  l'Vnuenhewe^iin};,  wie  diese  \  er^  uuiiiinng  Ijcw  u  s,  t-in 
sehr  wiel)tit;e>  Kapitel  ist.  und  wenn  auch  uuiivchc  Forderungen 
ülier  das  vertifinftige  Ziel  hinausgehen,  so  nnifs  doch  namentlich 
mit  dem  Streben  nach  gröfserer  Freiheit  im  Erwerb,  in  der  Er- 
langung wissenschaftlicher  Bildung  als  Zeichen  der  Zeil  errechnet 
werden.  Freilich  ist  und  bleibt  es  ein  zweischneidiges  Mittel, 
welches  die  l'rauenreclitlerinnen  anwenden.  Je  mehr  es  gclinq-t. 
die  Frati  mit  dem  Manne  in  Wettbewerb  /.u  bringen,  umsomehr 
dürfte  sich  die  Zahl  der  Kheschliefsungen  herabmindern,  denn, 
wie  die  Erfahrung  zeigt,  werden  dadurch  die  Krwcrbsverhältnisse 
der  Männer  verschlechtert  und  damit  auch  die  Möglichkeit  zur 
Gründung  eines  Hausstandes  verringert  Aber  dafs  die  Frauen 
nicht  mehr  he  iraten  wollten,  ist  unseres  Wissens  auch  nicht  von 
einer  einzigen  Rednerin  behauptet  worden. 

Noch  immer  entbehren  die  meisten  deutschen  Länder  staat- 
licher VeranstaUungen  zur  IvrziehiuiL:  der  vor-  und  nachschul 
ptlieliligen  Jugend.  Um  so  dankenswerter  ist  es,  dafs  private 
Vereinigungen  es  sich  angelegen  sein  lassen,  diese  Lücke  aus- 
zufüllen. Für  das  vorschulpflichtige  Alter  wirkt  schon  seit  Jahren 
der  deutsche  Fröbelverband  in  grofsem  Segen.  Sein  dies- 
jähriger \'erbandstag  fand  in  Berlin  statt.  Den  ersten  Vortraj^ 
hielt  der  72jährii;c  rfrirru  Bähring  über :  Die  Bedeutung  Frül)t,ls 
für  die  immer  dringender  werdende  Xaticmalerziehmig  .  i>er 
\'ater  (K  Ivedners  war  Pfarrer  in  ICichsfeld.  das  in  der  Nähe 
von  Keilhaa  liegt,  luid  stand  in  regem  Verkehr  mit  Fröbel.  Der 
Vortragende  gehörte  zu  dem  kleinen  Kreise  FrObelscher  Zög- 
linge. Das  Referat  entliielt  eine  grofse  Menge  personlicher  Kr- 
innerungeu  aus  dieser  Zeit  Krau  Dr.  Ooldschnüdt-Leipzig  be- 
antwortete die  Frage:    ^Inwiefern  sind  die  Fröbelschen  Erzieh- 


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ungsaiistalten  Schulen?  und  wünschte  namentlich  die  Aufgliederung 
des  Kindcr':jaitens  an  die  Schule  und  die  X'erhinduni^^  der  Kin- 
dergärtncniuien-SeTuinnre  mit  den  Lehrerinnen  Seminaren.  Prof. 
Dr.  Zinnner  aus  Herburu  .sprach  über:     Lehrdiakunie  .  Um  den 
Kindergärtnerinnen«  die  gegenwärtig  meistens  nar  in  privaten 
Stellungen  sich  befinden,  eine  möglichst  gesicherte  Zukunft  zu 
geben,  empfahl  der  Redner,  dals  die  Kindergärtnerinnen  auch 
für  die  Krankenpflege  und  zur  Erteilung  des  UnteiTichts  in  der 
Hauswirtschaft   und  in  den   wetliHchen  Handarl)eiteti  licfähi^t 
würden.    Am  /.weiten  Versammluiii;>tage  kam  ein  X  itrlra:;  von 
Fräulein    ICleonore   Heerwart-l acli   über:      Die  AusbiMung 
von  Lchrcriunen  an  K.iiidcrgärlntrinuen-Seminaren    zur  X'erhand- 
Inng.  Sie  forderte,  dafs  mit  den  Kindergärtnerinnen^Seminaren« 
an  denen  dn  zweijähriger  Kursus  besteht,  besondere  Kurse  von 
einjäliriger  Dauer  zur  Ausbildung  solcher  Lehrerinnen  verbunden 
würden.    Prof.  Pappenheini  hielt  alsdann  einen  Vortrag:  Zum 
•    Verständnis  PVobels  ,   in  dem  er  die  in  den  Schriften  I'röljels 
niedergelegten  tVcdanken,    die  sich   nur  mit  der  Erziehung  (ks 
Kindes  bis  zu   seinem  I''intritt  in   die  Schule  beschäftigen,  ais 
einen  Torso  bezeichnet,  der  zu  seiner  X'erwertung  für  die  späteren 
Stufeti  des  Unterrichts  und  der  Erziehung  einer  weitem  Aus- 
bildung, namentlich  auch  durch  die  Mitarbeit  der  Lehrerschaft, 
bedürfe.   Den  letzten  Punkt  der  Tagesordiuing  bildete  ein  \'or- 
trag  des  Lehrers  Otto  Janke-Iterlin  über  das  Thema:  Kinder- 
garten und  Schule  .    Schon   durch   die  ganzen  Wrliaiidhingen 
liatte  sich  nls  roter  Faden  der  Gedanke  gc/i >i;en,  wie  de  r  K iiider- 
garten  nul  der  Schule  in  organische  \  erbindung  gesel/l  weiden 
könne.  Der  Redner  bezeichnete  als  das  zu  erstrebende  ideale  Ziel: 
Der  Kindergarten  mufs  eine  allgemeine  Kinrichtung  werden;  die 
Schule  mufs  sich  dann  an  den  Kindergarten  organisch  anschliefsen, 
auf  ihm  weiterbauen  und  die  Fröbelschen  Cirundgedanken  auch 
auf  den  s])äkni  Stufen  verwerten.   Doch  kann  die  Schule  auch 
jetzt  den  Forderungen  der  Fröbelschen    Pädagogik  entspreclun, 
wenn  sie  die  kindliche  Natur.  insl)c-ond(  rc  die  Triebe  nach  sinn- 
licher Anscluuiung,  nach  Bewegung  und  nach  Thäügkeit,  besser 
als  bisher  berücksichtigt,  wenn  sie  namentlich  die  Beschäftigungs- 
mittel  des  Kindergartens  im  Unterricht  verwendet,  und  wenn  sie 
für  die  erste  Schulzeit  die  Lehrziele  beschränkt,  die  Stundenzahl 
vermindert  und  die  hohe  Klassenfrequeuz  herabsetzt.  Damit  der 
Kindergarte  n  die  Schule  unterstütze,  mufs  er  für  die  F^rwerbung 
eines  richtigen,  l)rauciibaren  und  reichen  \'orstellung<krei.ses.  für 
die  Kf>n/entr,iiit)n  seiner  Bildungsmittel   um  bestimnili  Mittel- 
punkte und  lür  die  mafsvoUe  Beschränkung  in   den  Autgaben 
der  einzelnen  Bildungsmittel  Sorge  tragen. 

Während  der  Fröbelverband  schon  auf  acht  Verhandstage 
zurückblicken  kann,  haben  die  Freunde  der  Fortbildungsschule 


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JobranM  Ifcyer. 


in  diesem  Jalire  /um  ersten  Male  gemeinsam  beraten.  Der  erste 
deutsche  Im»  r  tl)  i  1  d  u  n  ^s  ta  ^,  eine  Schöpfung  <les  uneiniiul- 
liclien  Schuldirektors  ().  Pache,  tagte  am  21.  September  in  Leipzig. 
Das  Hauptthema  bildeten  Vorträjj^  des  Abgeordneten  v.  Scbeucken- 
dorff  als  Referenten  und  Schulrats  Polack  als  Korreferenten  fiber 
die  Notwendigkeit  der  allj^emeinsten  Ausbreitung  des  Fortbil- 
dunj^sscliuUvesens  in  Stadt  und  Land.  Nach  langen,  in  allen 
wcscntliclien  Punkten  /ustitnnu nflen  Debatten  wurden  die  nach- 
folj^endcn  Hesc]ilüs>i\  wcKlu'  (Uii  ( »edaukengang  der  Referate 
wiedergeben,  ein^linnni!.;  anj^cuoinnu  n  : 

I.  Die  wirlsehaflliclic,  politische  und  soziale  l.ulw ickeliuig  un- 
serer Zeit  erfordert  einen  Ausbau  unseres  nationalen  Erziehungswesens 
nach  der  Richtung  der  Portbildungsschulen,  die  sich  organisch  an 
die  Volksschulen  anzulehen  hat.  Die  Fortbildungsschule  niufs  daher 
den  ein  reiferes  X'erständnis  voraussetzenden  von  der  Volksschule 
nicht  zu  ItewältTLT».  11*1^11  Lehrstoff  atifnc  htiion.  der  aus  der  Entwicke- 
lunj?  des  öffentlichen  Lehens  in  Reich.  Staat,  (ienieinde  und  Volks- 
wirtscliaft  .sich  herausgebildet  hat;  sie  tnuis  den  jungen  Meiisclien 
beruflich  möglichst  vorbilden  und  erziehlich  auf  ihn  einwirken,  be- 
sonders auch  nach  der  Richtung  der  Achtung  vor  Gesetz,  Ordnung 
und  Sitte.  2.  I>ie  Fortbildungsschule  mufs  in  ihrem  Kndziel  eine  solche 
mit  verbindlichem  Besuclu-  sein.  Doch  werden  alle  Bestrebungen, 
welche  das  Fortbildungsschulwesen  nach  <ler  jjenannteu  Richtung  v<»r- 
er.st  auch  auf  dem  freiwilligen  Wege  fiUfUrn.  dem  Wibands.  wiH- 
krniniiL'n  sein.  1.  Der  Verband  wird  autu i  fi mU  rt.  für  diese  Ideen  im 
\  ulke  zu  wirken,  daji  Fortbildungsschiduesen  pädagogisch  nach  den 
Forderungen  der  Zeit  weiter  auszubauen  und  endlich  aucA  der  Frage 
der  Ausbildung  von  Fortbildungsschnllehrem  in  besonderen  Kursen 
näher  zu  treten. 

Im  Anschlufs  an  diesen  Pericht  wird  den  Lesern  die  nacb- 
fol  i^ciide  interessante  Übersicht  über  das  F o  r t  b  i  1  d  u  n  g  s- 
scbulwesen  in  den  detit'^chen  Städten  mit  mehr  als 
so  000  Hin  wohnern  willkommen  sein,  die  wir  dem  iteuesten 
Jahrgange  des  Jahrbuches  deutscher  Städte  eniuclunen.  Aus 
dieser  Übersicht  crgiebt  sich,  dafs  der  Besuch  der  Fortbilduugs- 
anstalten  in  den  Grofsstädten  recht  verschieden  ist.  Die  grofste 
Schülerzahl  weisen  die  Städte  mit  Portbildungsscbulzwang  auf. 
So  hatte  ^fünchen  im  Winter  1894  bis  1895  14202,  Nürnberg 
543«*^.  Augsburg  1963,  Leip/ii;  6799,  Dresden  5966.  Chemnitz 
377S.  Mannheiin  2046.  l.iiheek  iMSo  F(>rtbilduii.L;>scliülcr.  In 
Preufsen  haben  \  <'n  den  grtjiseu  Städten  nur  K<hii Lüsberg,  l'osen, 
Dan/ig.  Fraukturt  a.  O..  Hannover,  Krfurt  und  Bochum  obliga« 
torische  Fortbildungsschulen,  Der  Schulzwang  ist  aber  noch  in 
keiner  dieser  Städte  in  derselben  Ausdehnung  durchgeführt,  wie 
•  in  Bayern  und  Sachsen.  Deswegen  ist  die  Schülerzahl  verhält- 
nismäfsig  niedrig.  Königsberg  hat  807,  Danzig  1230,  Posen  593, 


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607 


Frankfurt  a.  O.  .S97,  Hannover  2808,  Krfnrt  939  und  Bochum 
ca.  in  1(1  I'\>rlV»ilfluiii;sschrikr  l)C7.\v.  Schülerinnen.  Weiter  fort- 
|r(^<rhritUTi  i^l  (He  Fortltildtmi^T'^'^cluile  in  einigen  prenfsisclien 
■  Slätitcn  ohne  Schul/.\vau>4.  So  hatte  Wiesbaden  i  i.;o  Kiel  1531,, 
Kssen  1361,  Aachen  1297,  Altona  T231  und  Kraiikturt  a.  M. 
1S31  Fortbildung.>schülcr.  Die  liediner  Fortbildungsanstalten 
haben  zusammen  etwa  20000  Schüler  und  Schülerinnen,  die. 
Breslaner  rund  5000,  während  die  Hamburger  allgemeine  Ge- 
werbeschule 4140  Scluiler  zählt.  (ie]Ljennl)er  der  grofsen  Zahl 
der  jun«i:en  Leute,  für  welche  der  Forthildunj^sunterricht  recht 
notwendipf  erscheint,  sind  diese  Zahlen  recht  winzig.  Beschränkt 
man  sich  nur  auf  das  mannliclie  Geschlecht,  so  erj;el>en  sich  in 
Berlin  60000,  in  Haiuluug  20000,  in  Leipzig  und  München 
15000,  in  Breslau  14000,  in  Köln  12000,  in  Magdeburg,  Frank- 
furt a.  M.  und  Hannover  Sooo,  in  Königsberg  und  Düsseldorf 
7000,  in  Altona  6000,  in  Charlottenburg,  Danzjg,  Bannen  und 
Elberfeld  5000  junge  Leute,  für  lohe  der  Fortbildungsunter- 
richl  iK  .t\\  cndiq:  erschein*^.  Diese  Zahlen  lassen  erkennen,  wie 
weit  man  auch  in  den  grofsen  vStädten  noch  vom  Ziele  eTilfernt 
ist.  Die  Zahl  der  Fortbildungsschülerinnen  i<t  mit  AuMiahnie 
der  bayerischen  und  badischen  Städte,  wo  für  beide  t  ic.Nchkcliter 
derselbe  Fortbildinigsschulzwang  besteht,  überall  gering.  Die 
Unterrichtszeit  hat  neuerdings  mehrfach  eine  Änderung  dahin 
erfahren,  dafs  man  von  den  späten  Abendstunden  und  dem  Sonn» 
tagsunterricht  abgegfiti;.;cn  ist  und  besser  gelegene  Stunden  an- 
gesetzt hat.  Ivine  erfreuliche  Krscheinung  i.st  es,  dafs  die  Zahl 
der  Gehülfen  und  der  über'iS  Jahre  alten  Schüler  überall  be- 
trächtlich ist;  in  Hamburg  z.  B.  betragen  die  letzteren  ?^  pCt. 
Daneben  ist  es  bemerkcn>svcrl.  dafs  in  den  Städten  mit  Fort- 
bildungsschulzwang ein  beträchtlicher  Teil  der  Schüler  weiter- 
führende freiwillige  Schulen  besucht  Von  der  Einführung  des 
Schulzwanges  darf  deshalb  ein  Rückgang  der  bestehenden  frei-  ^ 
willigen  Schulen  nicht  befürchtet  werden. 

Im  Wetteifer  mit  den  Fn  (iiukti  der  V'olksl .ildung  aus  allen 
Ständiii  haben  auch  die  iicTutLiun  Bildner  des  \'olkes,  die 
V  o  1  k  s  s  ch  u  lle  h  rer  ,  diesen  Herbst  in  mehreren  \*ersamm- 
1  u  n  ge  n  der  Schule  Wohl  beraten.  In  Schlesien,  Bosen,  Pommern, 
Brandenburg,  Sachsen,  Hessen,  ferner  in  Thüringen,  Anhalt  und 
Braunschweig  tagten  die  Hauptversammlungen  der  I«ehrer\'er- 
bände;  unter  diesen  konnten  die  \'erbände  von  Sachsen,  Branden- 
burg, Po.sen  und  Schlesirti  Juliiläumsfeiern  veranstalten,  da  sie 
auf  eine  2  "  jährige  \'ereinsarbeit  zurückschntien.  Auf  der 
B  r  a n  d  e  ti  b  u  r  gi  s ch  e  n  Provin/ial  T.ehrerversammlunu  hielt 
Lahn-Stolpe  die  Festrede,  Berndt- Friedeberg  sprach  über  Die 
Volksschule  im  Kampfe  gegen  die  fehlerhafte  Erziehung  unserer  ^ 
Zeit«  und  Krüger-Forst  über  rDie  Volksunterbaltungsabende 


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fio8  Jobanop*  Meyor. 

iin<l  die  Stellung  der  Lehrer  dazu'.  Die  A  II  ^em  ei  n  e  Seh  le- 
sische Le h  rer  \  i  r  s  n  III  m  1  u  n  wurde  durrh  eine  Festrede 
von  Golisch- Breslau  citiL-.kitrl:  M.  Jiarl>ch-Iiieslau  hielt  einen 
Vortrag  über  *SozialpäaaK(>Ki^^  •  Die  Voseiier  Provinzial- 
Lehrerversammlung  hörte  Vorträge  von  Richter- Posen  über 
> Pestalozzis  Wirken  für  Volksbildung  und  Volkswohlfahrt«,  von 
Tews-Berlin  über  die  Stellung  des  Lehrers  zn  den  Hauptfragen 
des  öffentlichen  Lehens  nnd  von  \Vest])hal-Hroniben^  über  die 
nenesten  Bestrebnn<;en  auf  dem  Gel)iete  des  naturknndlichen 
Unterrichts  .  Die  Po  nun  ersehe  Lehrer  versa  m  mlun^ 
l'  iletete  Judt-Jaruicn  mit  einer  Festrede  Zum  Gedächtnis  Pesta- 
'3zzis<-  ciu;  Steinka-Stolp  sprach  über  das  Vereinsthema:  >Ks 
1. .  zu  untersucheu,  ob  und  in  welchem  Umfange  der  religiöse 
Lehrstoff  nach  Answahl  luid  Anordnunj^  einer  Re\ision  bedarf?«: 
am  zweiten  Ta^c  behandelte  Bnchholz-.Stettin  da--  Thema:  Die 
landwirtscliaflliche  nnd  ^ewcrbliclie  Kinderarbeit  .  Diejalires- 
\  ersammlun>4  tles  Hessischen  Volksschn  llclirervc  rci  ns 
erfrente  Pfalzgraf- Kassel  dnrch  einen  Vortrag  über  das  Thema: 
.  Ist  der  \'orwnrf  berechtigt,  dafs  die  Volksschule  unter  zu  starkei 
Betonung  der  Verstandesbildung  mehr  Belehrung  als  Erziehung 
bietet?'  und  Betting- Kassel  durch  seinen  Vortrag  über  »Volks- 
kunde, \olksschule  und  Volksschullehrer  .  Die  Säolis Ische 
Provin/.ial- I^ehrerversammlnng  zeichnete  sich  sowohl  durch 
die  anftreten<len  Redner,  als  aneh  dnrch  die  Wahl  der  Themas 
ans:  am  ersten  Tai^e  A.  SrhrnderMagdebnry:  Rückblick  anf 
das  25  jährige  bestehen  des  \  erbandes  - ,  Dr.  Sclimeil-Magdebnrg 
«Die  neueren  Refornibestrebungen  'auf  dem  Gebiete  des  natur- 
wissenschaftlichen Unterrichts«;  am  zweiten  Tage  Polack- Worbis 
^Pestalozzis  Erbe«,  Reifsraann- Magdeburg  *Ist  zur  erfolgreichen 
Leitung  einer  Volksschule  die  Ablegung  der  Mittelsclnillehrer- 
prnfnnc^  vor  dem  Rektorexamen  notig  oder  nicht?  (Die  Frage 
wnrde  verneint).  Anf  der  Thüringer  Leh rerv ersa m m  1  n n g 
spiacheai  am  ersten  Tage  Dr.  Kelerstein-Jena  über  Schule  und 
Leben  .  Troll-Gera  über  «die  Organisation  mehrklassiger  vSchulen 
und  Wagn-r-Apolda  über  »den  Schwachsinn  und  seine  päda- 
gogische Bedeutung^ ;  am  zweiten  Tage  Höhn -Schmölln  über 
»die  Reform  des  Lehrplans  für  die  \'oIksschnle  nnd  Tlücnie- 
Bernbnrg  über  die  Heimat  als  Mittelptmkt  des  Unterrichts  in 
der  Fnrtl>ildnngsschnle  .  Die  Brau n seh  w  ei  sehe  lA-hrer- 
versa  iinn  1  u  u  g  hörte  am  ersten  Tage  Wu  lräge  von  Heege- 
HraunNchweig  über  die  Teilnahme  des  Lehrers  an  der  Schul - 
verwaltn  g  und  von  ÜlmannOkvern  über  die  Frage:  Sollen 
die  Kreisvereine  als  organische  Glieder  des  Landeslehrervereins 
beibehalten  werden?  (Die  Entscheidung  wurde  vertagt).  Am 
zweiten  Tage  sprach  Lehrer  Bebenroth- Varle  Über  das  Thema: 
)r  Welche  Stoffe  sind  nach  den  Forderungen  der  Gegenwart  dem 


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RuMdarbiitt.  fictc^ 

Lehrplan  der  Volkssclnik-  hiir/tiziifüi^un  l>e/\v.  aus  demselhcTi 
zu  entfernen?  Auf  der  HanpU ersaunnlunj^  des  Anhaltischen 
lychrervcrvins  hielt  Schmidt- Raj^^uhn  eine  CiedäclUnisiede  auf 
P«Htalo7.zi' ;  Greew-Bernburg  sprach  über  >Sc1iulwaii(lenitigeti' 
und  Schneider-Bernburg  üt)er  .die  realistische  Grundlage  der 
ethischen  Fächer  .  W^ir  scweifeln  nicht  daran,  dafs  aus  diesen 
Versammlungen  reiclu  -ensströme  bis  in  die  entlegensten 
Schulen  unseres  \''iterlantles  geflossen  sind. 

Wo  neu». C/ci'-tesströnnnigen  auftauchen,  da  sind  es  in  erster 
Linie  die  \  olkr>schullehrer.  um  deren  Gunst  man  sich  bemüht. 
So  haben  wir  es  hei  Prof.  Lehmann -Hohenberg  erlebt,  so  zeigt 
es  sich  auch  wieder  bei  Pfarrer  Naumann,  dem  Begründer  der 
jüngsten  politischen  Partei,  der  national -sozialen.  In  der  Probe- 
nununer  der  neu  gegründeten  Zeitung  dieser  Partei  Die  Zeit« 
hat  der  bekannte  christlich-so/.iale  Vührer,  Pfarrer  Jul.  Werner 
in  Heckendorf,  <\n<  -^chnlpol  itisclie  Trogramm  der  national- 
sozialen  Partei  entworten.  Hei  den»  regen  Interesse,  das  in 
Ivchrerkreisen  gerade  dieser  Partei  entgegengebraclit  wird,  können 
wir  nicht  uniliiii.  da.sselbe  hier  wiederzugeben,  .soweit  es  sich 
ü}>er  die  Stellung  der  Schule  zu  Kirche,  Staat,  Haus  und  Ge- 
meinde ausspricht    Pfarrer  Wenier  schreibt: 

•Wir  halten  die  rechte  Schulorganisation  fdr  eine  dringende  und 
Mr'ichtige  .\ufgal)e.  Die  Schule  ist  in  der  (tegenwart  vornehndtcl» 
eins  .\n.stalt  des  Staates  ;  aber  wir  setzen  dabei  voraus,  dafs  der  Staat 
anch  den  an  *Kr  Schule  teilbnhendcn  Lebensfaktoreu  wie  Kirche. 
Klternlians  und  Gemeinde  gebührende  Rechnung  trägt.  Dies  geschieht 
durch  eine  passende  Neuordnung  der  bestehenden  \'erbindungcn. 
So  meinen  wir.  dafs  z.  B.  Schule  und  Kirche,  welche  ergänxungs- 
hcdurftig  und  ergänzungsfähig.  aufeinander  angewiesen  sind,  in  ein 
t>e.s,seres  N'erhältnis  zu  einander  treten  müssen.  \'ox\  lokalen  Katz- 
lialgereien  zwischen  Lehrern  und  Pastoren,  wie  sie  hie  und  da  vor- 
kommen nnfl  p:i\vifs  iiiehi  in  menschlichen  Schwächen  auf  eim  r  oder 
beiden  Seilen  ihren  (.niiul  haben,  reden  wir  nicht  .\ber  etwas 
anderes  ist  es  doch,  ob  riicht,  wie  die  Dinge  nun  cuunal  liegen,  die 
gegenwärtige  \'erbindung  von  Kirche  und  Schule,  wie  sie  in  der 
sog.  geistlichen  Schulinspektion  zum  Ausdruck  kommt,  das  gute  Ver- 
hältnis nicht  vielfach  unnötig  erschwert.  Aus  vielen  (*ründen,  die 
wir  heute  nicht  einzeln  entwickebi  wollen,  fonleru  wir  die  facldichc 
Schulanfsieht  durch  besondere  Schidbeainte.  Diesem  ZitU  werden 
wir  nachstreben;  nicht  durch  eine  Uidenschaftlichc  A i^italn .n,  tbe 
nur  \  rrbitternd  wirkt  und  nur  auf  der  i  icgen.sejte  reakliunätc  ( »cbi.slc 
wutiiiuiU  (»der  sie  gar  dem  Scheine  nach  rechtfertigt,  .sondern  durch 
planmä/sige  Beeinflussung  der  öffentlichen  Meinung  und  der  Gesetz- 
gebung. Die  berechtigte  Kinwiricung  der  Kirche,  namentlich  in 
Sachen  der  religiösen  Erziehung,  sowie  auch  die  Rechte  des  Eltern- 
hauses kommen  am  besten  auf  dem  Wege  der  Verwaltung  zum  Aus- 

VMt  B«]UMtt  (PidifOfflnai)  TU.  11. 


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5io  ^«IwiiM«  X«T«r, 


dnick.  Tn  einem  richtig  zus.nniiun;4e.selzten  vSchuivorstand,  in  dem 
der  Lehrer  nicht  tehleu  darf,  wird  auch  Kirche,  Haus  und  ticuieinde 
schon  ihre  gerechte  und  ausreichende  Vertretung  finden.  Je  mehr 
derartige  Anschauungen  sich  ausbreiten,  klfiren  und  befestigen,  um 
so  mehr  steht  zu  hoffen,  dafs  der  leidenschaftliche  Ton,  der  auf 
ftllhcren  Lehrerversammlungen  herrschte  und  oft,  selbst  zum  Leid- 
wesen vieler  anwesenden  und  nicht  anwesenden  Lehrer,  über  ein 
besonnenes  Ziel  hinausschofs.  sich  niä(sigen  wird.  Was  die  wut- 
schatllichen  und  socialen  I'orderungen  des  Lehrerstandes  angeht,  so 
werden  wir  die  Bestrebungen  des  Ministers  Bosse,  der  Lehrerwelt 
zu  einer  auskömmlichen  standesgemäfsen  Existenz  zu  verhelfen, 
furchtlos  und  energisch  unterstützen.  Zustände  wie  die,  dafs  So  Prozent 
aller  Lehrer  ein  C^ehalt  nnter  1800  Mark  beziehen,  sind  unerträglich. 
Den  I,chrcrstand  hat  man  bisher  tinerseits  mit  unverbindlichen 
R^.<lcnsarten  aus  ptditischem  .Wahlinteresse  uni^chnuMchelt  und  dann 
wierler  in  brutaler  Weise  geringschiit/ig  beh.indt.ll  Konservative. 
Nationalliberale  und  Freisinn  teilen  sich  j^enieinsam  in  dies  Vorgehen. 
Daher  kommt  es,  dafs  viele  unserer  Lehrer  aufser  ihrer  Fuchzeitung 
keii;e  parteipolitische  Zeitung,  sondern  meist  eine  angeblich  oder  eine 
wirklich  unparteiische  Zeitung  lesen.  In  dieser  Tbatsache  spricht 
sich  die  richtige  Erkenntnis  aus,  dafs  die  alten  Parteien  alle  es  an 
dem  wahren  und  aufrichtigen  Interesse  für  den  I^ehrerstand  in  dieser 
oder  jener  Weise  haben  fehlen  lassen.  Allein  die  Neigung  für  die 
unpolilisclu n  Zeitungi  11  hat  auch  ihre  (Tefaliren,  ist  auf  jeden  l'all 
nur  so  lange  berechtigt,  als  es  an  einer  i'artei  luul  ZciUing  gefehlt 
hat,  welche  die  Socialreform  unter  ausdrücklicher  Berflcksicbtigiuig 
der  notleidenden  und  aufstrebenden  Stände  vertreten  hat.  Wir  bitten 
die  Lehrerwelt,  die  Bestrebungen  der  neuen  Partei  des  nationalen 
Sodalismus  auf  dlristticher  Grund  1.11; c  vorurteilsfrei  zu  prüfen,  bezw. 
im  eigenen  Interesse  und  dem  der  (iesanjtheit  /u  fördern  . 

Wir  stehen  nach  den  Krfahrnngeu  dt  r  letzten  Jahre  nlleü 
politischen  Neugründungeii  und  so  auch  dieser  etwas  skeptisch 
gegenüber.  Gewifs  die  Begeisterung  ihrer  Führer  ist  ehrlich; 
aber  wir  fürchten,  dafs  sie  in  kurzer  Zeit  nur  ein  Gewirr  auf- 
dringlicher Fragezeichen  vor  sich  sehen  werden,  die  durch  den 
Anruf:  «Lalst  uns  mit  leuchtenden  Augen  in  die  Zukunft  sehen«, 
nicht  zu  be-seitigen  sein  werden.  Ihr  Idealismus  gleicht  einiger- 
mafsen  dem  Papierdrru  lu  n,  den  un.sere  braven  Jungen  auf  der 
Wiese  steigen  lassen  und  flcr  alyttuls,  mit  cim  tri  I^aternchen  ver- 
seilen, --ich  ausnininit  wie  ein  schöner  groisti  vStern  oder  wie  eiu 
flackerndes  Meteor;  aber  leicht,  gar  leicht  geht  er  in  Flanimeo 
auf,  und  den  Jungen  bleibt  nichts  in  der  Hand  als  die  dürre 
abgesengte  Schnur.  Hat  nicht  auch  die  »Gesellschaft  für  ethische 
Kultur«  in  ihren  Aufrufsblättern  vor  zwei  Jahren  ähnliche  Töne 
angeschlagen  wie  Pfarrer  Naumann ;  hat  sie  nicht  auch  geglaubt, 
alle  Welt  warte  nur  auf  ein  Zeichen  und  werde  mit  Jauchzen 


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6n 


uiul  vSpieleu  unter  dem  Banner  hochfliegeoder  idealer  Gedanken 

den  Tvindwurni  der  socialen  Frnj^en  bcsiepfcn.  Nun,  wir  werden 
ja  sehen.  Brinj^t  es  diese  nene  Gründung  fertig,  durcli  ihr  Wirken 
neue  j^rofse,  ideale  Gedanken  in  den  Ta.i;cskainpf  zu  werfen; 
erweisen  ihre  .Vuliänger  sich  aLs  ehrliche  Freunde  der  Lehrer 
—  gut,  so  werden  sie  uns  als  Kämpfer  ivillkommen  sein,  und 
an  der  Unterstützung  der  I<ehrerwelt  wird  es  dann  nicht  fehlen. 

Ehrliche  Freunde  werden  wir  schon  in  der  nächsten  Zeit 
«ehr  nötig  haben.  Ks  geht  auf  den  Winter  zu,  und  das  Schick- 
sal des  I^ehrerbesol  (1  un  fj^sgesetzes  niufs  sich  nun  bald 
entscheiden.  Ein  Sorgeustein  ist  der  preufsischen  Lehrerschaft 
vom  Herzen  genoniuien ;  während  es  im  Spätsommer  hiels,  dafs 
der  Landtag  erst  im  Januar  zusammentreten  würde,  wird  er  nun 
doch  auf  den  20.  Novemher  einberufen  werden.  Damit  ist 
wenigstens  die  Möglichkeit  gegeben,  dafs  die  Gehaltsauf« 
besserungen  zum  i.  April  u.  J.  durchgeführt  werden  und  die 
Lehrer  nicht  noch  ein  Jahr  zu  warten  brauchen.  Bangen  Herzens 
aber  frngeu  die  preufsischen  Lehrer,  auf  welche  Grundlage  die 
Kl  ^ict  uul;  tlas  ^}eset7  zu  stellen  gedenkt.  Die  letzte  \'orlage  ist 
bekanntlich,  wenn  auch  nicht  allein,  so  doch  zu  einem  guten 
Teil  daran  gescheitert,  dafs  die  grofsen  und  gröfsereu  Städte 
sich  durch  die  Steigerung  der  Stellenbeiträge  benachteiligt  und 
in  der  Einordnung  in  die  Bezirkszulagekassen  neben  einer  wei- 
teren finanziellen  Belastung  eine  empfindliche  Einschränkung 
der  komnumalen  Selbstverwaltung  auf  dem  Gebiete  der  Volks- 
schule sahen.  Kommt  die  Regierung  nun  nach  dieser  Seite  hin 
den  Städten  Lulgegcn,  so  liei,^t  die  l^efürchtung  ualie.  dafs  sie 
aus  des  Ciiarybdis  des  Widerstandes  der  im  .Herrenhause  ein- 
flufsreichen  Städte  in  die  Scylla  des  Widerspruches  der  Mehr- 
heit des  Abgeordnetenhauses  treibt  Die  »mittlere  Linie*  zu 
finden,  auf  der  sich  die  beiden  bisher  noch  entgegengesetzten 
Auffassungen  vereinigen  lassen,  wird  nicht  leicht  sein.  Und  dann 
erhebt  sich  die  weitere  bange  Frage:  Was  wird  die  X'orlage  den 
Lehrern  bringen?  Sie  haben  <1  \  crflosscne  Tvehrerbesoldungs- 
gt-^ct/  bcHirwortet  iroi/.  sciiui  kläglichcu  Gehaltssätze;  sie 
glaul>tcn  Dr.  Miquel,  dafs  die  ungünstige  Finanzlage  tles  Staates 
eine  Erhöhung  der  Zuschüsse  nicht  ermdgliche.  Nun  haben  wir 
aber  in  der  Zwischenzeit  erfahren,  dafs  diese  geradezu  glänzend 
ist  20 — 28  Mill.  Mark  will  der  sonst  doch  so  sparsame  Finanz- 
iii nister  zu  einer  allgemeinen  Bcamten-Aufbes.serung  hingeben. 
D  e  Gehälter  der  Subalternbeamten  der  verschiedenen  \'erwal- 
f  i  ngen,  die  jetzt  gcu  nhulich  da  anfangen,  wo  im  allgemeinen 
diLs  Lehrergehalt  authört,  sollen  nach  den  Zahlen,  die  teilweise 
bereits  veröffentlicht  sind,  recht  hübsche  Aufbesserungen  erfahren 
(300 — 600  M.),  die  wir  den  Herren  von  Herzen  gönnen,  denn 
brauche  kann's  gewiXs  ein  jeder.   Auch  die  Geistlichen  und 

40» 


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6l2 


die  höheren  Beamten  gehen  keineswegs  leer  aus,  obwohl  der 
Notstand  in  diesen  Kreisen  wohl  noch  nicht  allzu  grofs  sein 
mag.  Was  aber  dem  einen  recht  ist.  sollte  dem  andern  billig  sein. 
Unter  diesen  Umständen  hissen  sich  nnmöglich  die  Sät/e  der 
verfiobseiien  Vorlage  anfrechl  erhalten  Als  einen  Teil  iler 
grofscn  Besoldungsregel nng  der  Heamlenscliatt  müssen 
wir  eine  Gesetzesvorlage  erwarten»  die  wenigstens 
annähernd  die  alte  Forderung  der  Lehrerschaft  er- 
füllt: den  Subalternbeamten  I.  Klasse  (allerdings  ein 
Begriff,  der  nicht  ganz  feststeht)  gleich  besoldet  zu  wer- 
den! Unsere  Hoffnungen  sind  freilich  gering.  Wie  verlautet,  ent- 
hält der  in.  ue  Gesetzentwurf  die  Gehaltssätze  des  alten,  und  wir 
glauben  auch  nicht,  dal">  die  Deputation,  durch  welche  der  ge- 
schäitbtührendc  Aushchuls  des  Landes  Vereins  preufsischer  Volks- 
schullehrer bei  dem  Kultus-  und  Finanzminister  vorstellig  werden 
will,  daran  viel  ändern  wird.  Noch  geringer  ist  unser  Ver- 
trauen zu  den  politischen  Parteien.  Wir  fürchten,  dafs  die 
Uandtagsverhandlungen  das  harte  Urteil,  das  die  -  Zeit  in  dem 
oben  mitgetheilten  Artikel  über  die  Stellung  der  politischen 
Parteien  zu  den  Lclinrn  fällt,  nur  hestäti.i:'n  werden.  Die 
Sturmvögel  sind  schon  geflogen.  Ikzeichnet  ilocli  die  "  Post 
die  Wünsche  der  Lehrerwelt  nach  annähernder  Gleichstellung 
mit  den  Subaltembeamten  für  —  »frivol  !<  Nach  ihrem  politischen 
I<exikon  wird  es  also  wohl  stimmen,  weim  der  Lehrerstand  mit 
seinen  Gehalts.sätzen  in  die  letzten  Reihen  der  Unterbeamten  ver- 
wiesen wird.  Der  Lehrer  steht  ja  noch  nicht  am  allerletzten 
Ende!  Wir  aber  möchten  der  Post«  doch  zur  Beherzigung  ins 
Album  schreiben*  den  vSpruch  : 

Man  kann  im  W  ünschen  sich  vergessen, 
Man  wünschet  leicht  im  Cberfhifs; 

Wi  r  aber  wünsch  eil  nicht  \  t  T  im  ssi  n 
Wir  wünschen,  was  man  wünschen  muis; 
Denn  soll  der  Mensch  im  Leibe  leben. 
So  braiicliet  er  sein  täglich  Brot, 
Und  .soll  er  sich  /mn  ('.eist  erheben. 
So  thut  ihm  seine  1  iliIkiL  not!' 

Und  nun  noch  rius,  das  mis  sehr  am  Herzen  liegt!  Die, 
welche  .sich  bei  (Kr  allgemeinen  Gehaltsverbes.scrung  über- 
gangen oder  zurückgesetzt  glauben,  werden  sich  schon  melden. 
Mit  Recht  aber  fragt  die  »Deutsche  Warten :  Wer  denkt  an 
die  Stummen  unter  den  Vergessenen,  an  die  Volksschule 
lehrerwi  t  wen?  Eine  Lehrerwitwe  bezieht  250  M.  Pen.sion, 
macht  täglich  66".  Pf*:;.  Nun,  ihr  Jubelnden  und  ihr  Murren- 
den, wie  steht's  mit  eurem  Gerechtigkeitssinn  ?  66'/«  Pfg.  täglich! 
Nur  eine  einzige  Million  vt)n  den  20  Millionen  und  den  armen 
Witwen  ist  geholfen!  Grofse  statisti.sche  Vorarbeiten  —  eine 
beliebte  Ausrede  —  sind  nicht  nötig,  um  die  Anzahl  der  Volks- 


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Ruoil»cbau. 


613 


schullelirerwilwcii  festzustellen,  jede  Bezirksregierung  kennt  ganz 
genau  die  Anzahl  der  Witwen  ihres  Bezirks.  Welche  politische 
Partei  nimmt  sich  der  wirklich  Elenden  an?  Wer  tritt  ffir  sie 
ein?  Dankbar  gesegnet  sei  jedes  Wort,  das  in  diesem  Sanianter- 
dieiisie  in  die  Gewissen  der  niafsgebenden  Personen  und  Körper- 
schaften hiiieingerufen  wird! 

Schlieislich  möchten  wir  noch  eine  Anres^iing  des  verdienten 
Pestalozzi -Forschers  L.  W.  Seyffarth  in  weitere  Kreise  tragen. 
Wie  zu  der  Herausgabe  der  Werke  des  Comeuius,  Luthers, 
Kants,  Herders  usw.  sich  viele  Kräfte  vereinigt  haben,  so  wQnscht 
Seyffarth  auch  ffir  Pestalozzi  eine  solche  Vereinigung,  die  unter 
dem  Namen  einer  Pestalozzi-Stiftung*^  ins  Leben  treten 
köiuite.  Ilir  Zweck  niüfste  sein,  weitere  Forschungen  über  das 
Leben  und  Wirken  Pestalozzis  ntr/ustellen,  seine  (lehilfen  und 
Schiller  und  deren  Wirksnüiktil  ans  Lichl  zu  ziehen,  auch  die 
KorteutwickLhnii;  und  Realisierung  .seiner  Ideen  auf  sozialem, 
wie  auf  pädagogischem  Gebiete  zur  Darstellung  zu  bringen,  vor 
allen  Dingen  aber  seine  eigenen  Schriften,  wozu  auch  viele 
seiner  Briefe  gdidren,  in  einer  möglichst  korrekten  und  um> 
fassenden  Ausgabe  herauszugeben.  Seyffarth  glaubt,  dals,  wenn 
vielleicht  der  deutsche  Lehrerverein,  der  damit  etwn  eine  be- 
sondere Konnnissinn  beauftragte,  die  Sache  in  die  Hand  nähme, 
.sij  kr<nnU-  (.Iw  .is  ( "imf-M.-s,  \  ielleichl  Oröfseres  noch,  als  jetzt  in 
Aussiciit  genommen  ist,  gebchaltcu  werden.  Jedenfalls  ist  der 
Oedanke  ein«r  ernsten  Krwägung  wert  Es  wäre  schön,  wenn 
das  zu  Ende  gehende  Pestalozzi -Jubeljahr  auch  diese  Frucht 
noch  zeitigen  konnte! 


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Neuere  Aufsätze  aus  der 

Fachpr 

Von  C.  ZkQler  lu  liichcn  bei  Hanau. 
rSchlufs.) 

II 

Auf  fUni  (Vclncte  «Ics  K  t  1 1  g  i  o  ii  s  u  n  t  c  r  r  i  c  b  l  s  iKi  rscIit  zur 
Ztil  eine  lebhafte  Rcfornislrötmiii;;.  Die  l'aclipresse  spiejjell  sie  ;ic- 
treulich  wieder,  auch  hier  stehen  die  Tajie.sfrajien  im  \'oiilerj;runcle. 
Di«  Schtilbibd.  das  alte  Testament  das  Leben  Jesu,  der  KatechtsuitiK, 
das  sind  die  Zielpunkte  der  Arbeit.  Den  Oesicbts winket,  unter  dem 
sie  sich  vollziehen  soll,  bdem  htet  S  c  h  m  a  r j  e  in  seiner  Beantwortung^ 
rler  Frajje:  Was  ist  die  Aufj^abe  des  R  el  i  ionsun  terriobts 
in  der  (lenenwarti*  (Matnb.  Scbulzti;.  i ».  I'nsere  Aiifj^^ahr  ,  sairt 
er  dort,  besteht  nicht  in  flcr  ('berniittelun^  von  Relij^ionskenntnissen, 
sondern  in  <U  r  Pflanzung  untl  l'flcge  der  Religion  selbst.  Die  An- 
lage asnr  Religiosität  ist  dem  Menschen  angeboren;  sielst  seine  beste 
und  fOr  die  rechte  Lebensführung  und  I«ebensvollendung  die  aller- 
wicbtigste  Anlage.  Es  gilt,  sie  «n  einem  kräftigen  I<ebensprinzip  zu 
entwickeln.  Können  wir  dieser  Forderung  nach  unserer  Überzeugung 
mit  (U  n  uns  von  der  Kirche  ilarircreicbten  I'onnen  und  Mitteln  nicht 
oder  nur  halb  genügen,  so  sind  wir  damit  keineswegs  der  \'erpflich- 
tung  überhoben,  denn  wir  sind  ja  nicht  Mietlinge  im  Amte,  um 
korrekte  Ansichten  vorzutragen,  .sondeni  Arbeiter  im  Weinberge  un- 
seres Gottes  und  ihm  vor  unsemi  (lewissen  verantwortlich  für  das, 
was  wir  in  Erfüllung  unserer  Pflicht  thun  oder  nicht  thun.  Kr  wird 
die  Früchte  aus  unserer  Hand  fordern.  Von  einem  Abfinden  in  der 
Weise,  dafs  wir  äufserlich  den  kirchlichen  Forderungen  genügen  und 
innerlich  uns  dorli  saijen.  dafs  wir  es  ganz  anders  hätten  machen 
müssen,  (lari  bei  ehrlichen  im«!  wahrhaftigen  Lehrern  nicht  die  Rede 
sein.  -\iso  müssen  wir  das  Recht  für  uns  in  Anspruch  nehmen,  aus 
(»runden»  die  in  der  Natur  der  Sache  selbst  liegen,  von  dem  abzu- 
weichen, was  die  Kirche  als  Satzung  aufgestellt  hat  . 

Zur  Schulbibelfrage  liegt  eine  ganze  Anzahl  von  Arbeiten  vor, 
da  aber  von  den  eine  Schulbibel  torderiulen  Abhandlungen  keine  über 
die  von  Dr.  Dix  in  den  ;N.  B.>  veröffentlichte  hinausgeht,  können 


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Npuitp  AufnÄtzi-  «US»  rter  Kachprp«»o. 


Wir  uns  ein  näheres  Kingehen  darauf  ersparen  ;  hinweisen  aber  müssen 
wir  auf  rleti  Artikel  Keine  Schnlbibel  (Sachs.  Schulztpr.  45,  46). 
Der  uiiL:Lnannte  Verfasser  stellt  fol  tuende  Sätze  auf:  Die  vorjxt.l)raclitLn 
(jfüiKle  sprechen  nicht  für  eine  Schulbibel,  sondern  beweisen  nur  die 
Notwendigkeit  einer  aosführlicben  bibtisdien  Geschichte,  die  es  er- 
möglicht, den  Gebranch  des  A.  Testamentes  zu  beschrinken.  Auch 
die  Schulbibel  ist  kein  eigentliches  Schulbuch,  denn  wider  sie  gelten 
dieselben  Einwände,  die  gegen  die  Vollbibcl  g^erichtet  werden,  mit 
der  einzigen  Ausnahme,  dafs  manche  Stellen,  die  irt'schlechtliche  Ver- 
hältnisse berühren,  gemildert  oder  gcstruhen  worden  sind.  In  dem 
\'erlangcn  nach  einer  Schulbibel  liegen  gruise  Inkunsc<iucnzen ;  denn 
andere  Schulbücher  enthalten  auch  zu  viel  und  zum  teil  zu  sch"'iengen 
Stoff]  in  anderen  Unterrichtsfächern  müssen  wir  den  Kindern  ganz 
dieselben  Schilderungen  bieten  von  der  Entfaltung  der  Sünde,  wie 
wir  sie  in  der  Hibel  finden.  Wenn  aber  der  (iebrauch  der  ganzen 
Bibel  auch  unbedenklich  erscheint,  so  ist  doch  nichts  dagegen  einzu- 
wenden, wenn  als  Schulbuch  unter  Tinständen  jahrelang  nur  ein 
Neues  Testament  mit  den  Psalmen  benut/.l  wird.  —  Über  das  Bibel- 
lesen haudelt  Misch  ke  iu  seiner  Arbeit  -Der  Lehrplan  fürdas 
Bibellesen  in  Volks-,  Mittel-  und  höheren  Mädcheu- 
Schulen-t  (Bl.  f.  d.  Schulpr.  20^  21).  Mischke  stellt  folgende  Grund- 
sätze auf:  Das  Bibellesen  hat  sich  vorwiegend  auf  Lehrabschnitte  zu 
beschränken,  die  auf  der  Oberstufe  zu  lesen  sind.  Die  Geschichte  des 
Reiches  «  fottes  und  das  Bibellesen  müssen  ein  Fach  bilden  und  zwar 
ist  der  Lese.stoff  dem  (ieschiehtspjnu«  nach  historischem  Prinzip  an- 
zugliedern. Sachlicher  Anschluf.s  kann  nnr  beim  Kalt  ehisnnis  statt- 
finden, soferu  CS  sich  darum  handelt,  ciUitelue  Katechisinusslücke 
durch  Bibelabschnitte  zu  vertiefen.  —  Auf  einen  in  der  Regel  unter- 
schätzten Zweig  des  Bibellesens  lenkt  nachdrucklich  die  Aufmerk- 
samkeit eine  Abhandlung  von  Lichtenfeld:  »Zur  Behandlung 
d  (  r  P  e  r  i  k  o  p  e  n  i  n  d  e  r  V  o  1  k  s  s  c  h  u  1  e  ( Päd.  Bl.  6).  Die  Peri- 
k()penl)ehandhintr  i'^t  fnr  den  \  erfasscr  der  bedeutungsx  ollste  Teil  des 
Bi)>«.llesens  und  vorzüglich  ueei.unet,  das  V  erständnis  der  neutesta- 
nitnllichen  Lebensbilder  und  Lebensstücke  zu  lördern,  in  den  (ieist 
der  Schrift  einzuführen  und  das  Interesse  für  das  kirchliche  Leben 
zu  entwickeln.  Nur  muls  die  Perikope  auch  wirklich  ausgelegt  wer- 
den. Die  in  ihr  ruhenden  Schätze  dürfen  nicht  nur  gestreift,  sondern 
müssen  lu  rans^^^dioben  und  verwertet  werden. 

Die  durch  l'astor  Dr.  Katzer,  den  X'erfasser  der  Schrift  über  das 
jndenchristentum-,  neu  aufgerollte  l'rairt'  der  Stcllnn;^-  des  alten 
Teslaiiieiites  steht  in  engem  Zusamnu  nhaiige  mit  tkni  Stande  der 
alttestamenthchen  Forschung,  In  einer  Abhandlung:  Die  alt- 
testamentliche  Kritik,  ihre  Arbeit  und  ihre  Ergebnisse« 
(Neue  Päd.  Z.  21—39)  iH^ht  Prof.  Rothstein  einen  sehr  ausführ* 
liehen  Überblick  darüber,  worauf  wir  verweisen  müsseUi  da  sich  der 
reiche  Inhalt  nicht  gekürzt  wiedergeben  lälst.  —  Die  pädagogische 


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6(6  Zleg:l*r. 

Seite  fafsl  ins  Aujie  der  Reitr;i};  /nr  Fr:i;;e  nach  dt- r  S t t  l I n n ^ 
II  n  f\  y  e  r  \x  e  r  t  ii  n  des  a  1 1  e  ti  T  c  s  t  a  n\  e  n  l  e  s  im  c  h  i  i  s  t  U  c  Ii  e  n 
R  c  1  i  ji  i  t>  II  s  11  11 1  e  r  r  i  c  h  t  von  Karl  Koch  (Päd  /A^.  47).  I);i4i 
alte  Testament  ist  dem  \  eriasser  das  reinste  und  krättij2^ste  Zeugnis  von 
dem  Ringen  der  Menschheit  nach  der  rechten  Gotteserkenntnis  und  der 
innigsten  Oottesgemeinschaft  und  von  dem,  was  die  Menschheit  iir 
der  religiösen  Erkenntnis  erreicht  hat  bis  zu  dem  Zeitpunkte,  da  die 
{>roplietische  \Veissag:ung  sich  erfüllte.  Hedenken  wir.  dals  unser 
Cliristentun».  obp^lcich  nns  thici  Mannij^faltij^keit  \velt:^feschiclitlicher 
rmsländi-  ^^eboren,  kt  i iii.ulii:  direkt  anj^elegt  ist  <lnrrb  < 'rüiKlung 
<les  nuisaischen  Sta.itsw  <  -^n---,  und  dafs  ts  innenit  li  rothciotet  wurde 
durcli  die  Propheten.  Ks  ist  ein  <»rj.;anischer  Zusammenhang /.wischen 
a1t(^nl  und  neuem  Testament  unleugbar  vorhanden,  und  dieser  Zu- 
sammenhang mufs  im  christlichen  Religionsunterricht  zur  (ieltung 
konmien.  Selbstredend  müssen  die  Ergebnisse  der  Bibelforschung  ver- 
wertet und  die  (beschichten  vom  Standpunkte  der  religiösen  Rntwicke» 
lung  Israels  aus  betrachtet  werden 

T>  a  s  Lebensbild  Je  s  u  a  n  f  d  e  r  < )  b  e  r  s  t  u  f  e  ist  der  ♦  1  eijen  - 
staml  einer  Arbeit  von  H.  Kirst  (I).  Hl.  50,  50.  Der  Verfasser  be- 
leuchtet die  Lebensbilder  Jesu  von  H.  Delff,  I>r.  Thrändorf,  \V.  Hey- 
schlag und  S.  Bang.  Die  Behandlung,  wie  sie  Bang  wünscht,  ist  ihm 
nicht  ratsam,  weil  es  nicht  möglich  ist  för  jeden  einzelnen  Zug  und 
jeden  Ausspruch  noch  den  ursprünglichen  Ort  zu  ermitteln :  nicht 
kindlidi.  weil  es  in  vielen  I'ällen  sehr  schwierig  ist,  den  Schülern  den 
Prai^matistnus  begreiflich  /u  machen  ;  nicht  nötijjf  wt-il  di  rrhn<tHche 
«  ■.l.iul»^  durch  den  persniili(  lien  Kindruck  Christi  licr\ orgeruteti  wird- 
Dagegen  erklärt  er  sich  für  das  Heyschlag  sche  Lebensbild  und  /war 
aus  folgenden  Gründen :  1 .  Giebt  es  uns  eine  vollständige  und  lebendige 
Anschauung,  soweit  dies  nach  den  vorhandenen  Quellen  möglich  ist 

2.  Ist  der  Stoff  in  diesem  Lebensbllde  so  wirkungsvoll  zusammenge- 
stellt, dafs  durch  ihn  Interesse  und  Teilnahme  mit  Jesu  Wirken, 
Leben  und  Leiden  erregt  werden  und  wachsen  wird  3.  Werden  uns 
in  demsell>en  keine  Widersprüche  i^ebfiten,  w  ir  rrhalien  vielmehr  ein 
/.usainiiieTi]iäiit;t-tidt s  und  /.usanimenslimmendes  Hild.  4  b>h:ilien  wir 
trotz  der  Harmonisierung  nicht  Geschichten  aus  dem  Leben  des 
Heitandes,  sondern  eine  Geschichte.  5.  Wird  durch  die  Hingliederung 
der  Synoptiker  in  das  Johs.-Kvang.  dieses  dem  Verständnis  mehr  er- 
schlossen. 

Das  Leben  des  Heilandes  soll  auch  die  Hauptgrundlnirc  für  die 
,\u^K'irung  des  Katechismus  bilden.  Nicht  nur  fiir  den  K'  ittclii^tuus 
unten iclit  !t?i  ir  ^n/en,  snuflt-rn  auch  für  jede  Katecbismuslektion  (im 
abschlitistiultu  rnlciiiclU)  ist  der  Heiland  der  pcisönlich-anschau- 
liche  Mittelpunkt,  der  filaube  an  den  Heiland  das  Ziel  .  Diese  These 
»Ober  die  christozentrische  Behandlung  des  Katechis- 
m  u  s<  (l>.  Schu1]>r.       illustriert  S.  Bang  durch  die  Behandlung  des 

3.  Gebote». 


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617 


Zum  (»eschichtsnnterricht  liej;t  eine  \vertvi)lU>  Ahhatulhing 
von  II.  Weijrand  v'>r:  T>if  Mctl^ride  des  t  sch  i  chlsnnter- 
riolits  '!*ä(l.  6.1.  Zeiie;.4Lti  w  n  \S  eil^eschiehle  in  ihre  einzelnen 
Faklor  cn  und  ^rruj)pieren  wirtlicse  nach  der  Weile  ihrer  \  crl>rcitunj;.  die 
nie  gefunden  haben,  so  erhalten  wir  zwei  ijrofse  Gruppen  :  eine,  deren 
Faktoren  überall  in  gleicher  Weise  nur  mit  örtlichen  Variationen 
thätig  gewesen  sind,  und  eine,  deren  Faktoren  nur  an  bestimmten 
Orten  gewirkt  liaben.  Dafs  ersterc  als  typische  Fi«juren  einen  allge- 
meinen und  jrröfseren  Werl  haben,  leuchtet  ein  und  darum  auch, 
dafs  sie  den  \'or/iiir  mr  ienen  verdienen  Snlehc  Faktnren  sind  darum 
auch  in  erster  Linie  in  <len  X'orkutsus  auizunelun«-  n  und  innner  wieiler 
in  das  Bereich  der  Betrachtunj^  zu  ziehen,  letztere  dagej^en  nur  in- 
soweit als  sie  für  die  Heimat  de.s  Schülens  raindesten.n  denselben 
Wert  haben,  den  jene  für  die  weitere  Geschichte  haben.  (Gerade  in 
der  Unkenntnis  and  Nichtbeachtung  dieses  wesentlichen  Unterschiedes 
zwischen  den  historischen  Faktoren  liegt  der  Hauptgrund,  dals  wir 
inil  dem  t'.eseliiehtsunterricht  trotz  aller  Bemühungen  nicht  von  der 
.Stelle  kommen  Der  Han])tkurs  dehnt  sich  durch  zwei  Jahre  hin- 
durch !>ic  .\uswahl  riehtel  sich  ganz  uiul  gar  nach  den  örtlichen 
Vcrhällnissen,  Die  Anordnung  der  einzelnen  BiUkr  ge.schichl  in 
chronologischer  Reihenfolge.  Jedes  niufs,  in  sich  abgeschlossen,  ein 
methodisches  Ganzes  bilden  und  ausführlich  behandelt  sein.  Pen 
Schlufs  macht  der  Vertiefungskurs,  der  von  den  Thatsachen  auf  die 
Ursachen  zuruckschreitet.  Ihm  sind  wieder  zwei  Jahre  zugeteilt ;  der 
Stoff  ist  wesentlich  derselbe,  wie  im  Hauptknrs,  nur  die  Behandlung 
ist  eine  andere.  Waren  dort  die  Wer-.  Was-.  \\  ann-  und  Wietragen 
vorherrschend.  s<i  werden  es  hier  die  Warum-,  Weshalb-  und  Wozu 
fragen  sein;  denn  im  Vergleichen,  Lrteikn,  Schlieisen.  kurz  in  der 
Verstandeslilätigkeit  ruht  die  Hauptaufgabe  dieses  Kursus*  Den  Um- 
fang  der  weitergehenden  Unterweisungen  rnuJs  natürlich  stets  die 
stofifliche  Wiederholung  des  durchzunehmenden  Pensums  sein.  — 
:Bemerknng'  t:  i-lter  den  Geschichtsunterricht  vom  psycho- 
logischen St  a  n  (1  {)ii  n  k  t  aus  verÖffenllieht  11.  I'ree  illaus  u.  Sch. 
51.  52).  Die  mei^Un  Lehrpläne,  sagt  ei,  maelicn  den  l-"ehler.  dals  sie 
Geschichte  \erlangei:,  statt  Leben.sbüdei.  Liii  Kind  bi.s  zu  14  Jahren 
kann  höchstens  ein  Verständnis  für  die  Hauptthatsachen  erlangen, 
aber  nicht  ein  eigentlidies  Geschichtswissen.  Die  Hauptsache  ist, 
ein  geringes  Stoffquantum  tüchtig  durchzuarbeiten  und  zum  Eigen- 
tum der  Jugend  /u  machen.  Ethik  und  Patriotismus  geben  dieZiel> 
punkte  an.  auf  die  immer  direkt  zugesteuert  werden  mufs:  die 
intellektuelle  (inindlige  darf  deshalb  nicht  in  die  Breite  ge/.errt 
werden.  .Ms  Beispirl  eines  s^rsehiehtlichen  S\  steins  ,inf  <lei'"irund- 
läge  des  geschichllichen  Lehr.sl«ides  im  Seminar  zu  \S  eimar  veröffent- 
licht Bär  ^Hilfsmittel  für  den  Staats-  und  gesellschaftskundlichen 
Unterricht  I.  Heeresverfassungen«'.  —  Die  beiden  bedeutungs- 
vollen Arbeiten  in  dieser  Zeitschrift  setzen  wir  als  bekannt  voraus. 


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6i8  <■  ZipKi^T. 


Auf  dem  (lebictc  des  Spraclninterriclits  iKiisrht  jrleichfalls 
eine  lebhafte  Hewejfunjx.  Die  Herrschaft  der  Criimm  itik  soll  gje- 
brochcn  und  die  Sprache  als  Übennitllerin  der  Kulturgüter  betrachtet 
werden  ;  auch  die  l'ormen  der  Sprache  sollen  als  etwas  Lebendiges 
erkannt  werden.  «Die  formalen  Aufgaben  des  deutschen 
Unterrichts»  beleuchtet  E.  v.  Sallwürk  (I>.  Bl.  5-1 1).  Wir  haben, 
fülirt  er  aus,  Laut,  Wort  und  Spradiform  zu  betrachten.  Die  Auf- 
gabe, das  natiirli che  Wesen  der  Laute  zu  erklären,  fällt  der  Phonetik 
zu.  Was  die  Laule  tirspriinirlich  he/ciohncl  haben,  davon  schweigt 
diese  Disziplin/  KüntiU'ii  wir  /n  sulurer  Iviiisiclit  darüber  gelangen, 
so  wäre  es  mehr  vSaclic  dci  l'h\ .siolugie,  .-»le  uns  lait/uteilen ;  denn 
man  kann  heute  nicht  niclu  daran  zweifeln,  dafs  die  ursprünglichsten 
Sprachlaute  oder  was  zu  ihnen  geführt  hat,  nur  ein  durch  unseren 
Organismus  bedingter  Reflex  auf  die  uns  treffenden  Eindrücke  von 
aulsen  sein  können.  Von  den  Lautzusammcnstellungen,  insofern 
mit  ihnen  bestimmte  V  orstellungen  gew  ohnheitsmäfsig  assoziiert  sind, 
so  dais  sie  ntis  als  der  natürliclu'  Attsdntck  derselben  erscheinen, 
was  sie  nrsprünglicli  nicht  sind,  handelt  die  Idiuuiatik.  Ihr  (ie^eii- 
«tand  sind  die  lUiumata,  die  tici  einzelnen  Sprache  eigeutünilicheu, 
ihr  besonders  zugehfirenden  Lautgebilde.  Wären  diese  ein  natftr* 
liebes  Wtderbild  der  Dinge,  welche  sie  zu  bezeichnen  haben,  so 
könnten  die  verschiedenen  Sprachen  nicht  so  ganz  verschiedene 
Tiilder  für  die  nämliche  Sache  erfunden  haben.  Übrigens  behandelt 
die  Idiomatik  das  Wort  nur  als  Träi^fcr  des  Begriffs.  Die  formale 
Seite  des  W(»rtes  und  fU  r  \\ ortverhindunj^eii  weisen  wir  der  Schematik 
zur  Behandlung  zu.  Diese  be.schäftigt  sieh  mit  dem  Worte,  wie  es, 
wenn  ich  so  sagen  darf,  in  der  Oesellschait  er.scheint;  denn  nur 
durch  die  Berührung  mit  seinesgleichen  kommt  das  Wort  dazu,  sich 
eine  gewisse  Form  zu  geben,  welche  ihr  inneres  Wesen  nicht  ändert 
Von  diesem  Standpunkte  aus  fallen  Wort-  und  Satzformen  in  das 
nämliche  Gebiet.  ■-  Mit  demselben Gegenstandebe.schäftigt  sich  auch  die 
Arbeit  von  K.  Wilke  U  nsere  .Aussprache  und  ilire  Pflege  (PSd. 
Ztg.  iS.  19)  und  C.reen  in  seiner  .Arbeit  Die  Fibel  un<l  ihre  Be- 
handln ng  mit  Berücksichtigung  der  N  ormalwörtermethode 
und  der  phonomimischeu  Laulbehaudluug^  (Neue  1'.  Z.  6). 
Green  entwickelt  folgende  Sätze :  >Der  heimatkundliche  Unterricht  hat 
die  Phonominiik  besonders  zu  berücksichtigen.  In  Bezug  auf  den 
Schreibleseunterricht  hat  der  heimatkundliche  Unterricht  die  Aufgabe, 
die  in  der  Fibel  auftretenden  rbungswcirter  dem  Sprachschatze  der 
Kinder  einzuverleii :en.  Der  heimatkundhehe  rtileiriclit  ist  wählend 
der  ganzen  Dauer  des  MleiHeJitarunternchls  uiil  dem  Schreihlese- 
unterricht  organisch  zu  vcrknüj>fen.  Diese  Wrknupfung  ist  zunächst 
durch  eine  phonomimische  Behandlung  der  Sprach  laute  herzustellen, 
später  geschieht  sie  durch  Bezugnahme  des  heimatkundlichen  ITnter- 
richts  auf  den  zusammenhängenden  I^esestoff  der  FibeL  Die  Fibel 
hat  zusammenhängenden  Lesestoff  so  früh  als  möglich  zu  bieten. 


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Die  KautjjcwiniiuMj;  durcli  Analyse  ist       vemerfen.    I  ni  die  Laute 
als  I^U  inrnt  irln  st.nifltt  ili    fler  Worte  erk(MnuMi   /u   Inssen    ist  drr 
SrbüUr  '.II  vr>lii  I.iiiu'  zur  Wortver^^leicluiiij»  an/.uixucii  niid  nst  in 
/weller  J.inie  antzutonlerii,  Wörter  zu  analysieren.    Der  elenienlare 
Schreibleseunterricht  hat  langsam  von  einer  Schwierijrkeit  Äur  andern 
forbtuHchretten  und  kommt  erst  Ende  des  zweiten  Schuljahres  sium 
Abi«clilnfs.   Das  L'ensum  für  den  Schreibteseunterricht  im  «weiten 
Schu^ahr  ist  die  l^handhni      !rr  Schärfung^.  der  Dehnun;;.  <ler 
.seltener  \ i>rkounnenden  IJtichslaben  wie  i|U.  x  usw.  und  der  Latein- 
schrift.   Im  erst»'!  Schuljahr  ninfs  dem  Schiller  die  Schreibunj^  der 
Wörter  niriulii  li.si   lanj;e  eindeuti^r  bestinnnt   sein,   darum   sind  v. 
SchliU's-.s  mui  /.  erst  im  AnschhU's  an  die  kleine  Druckschrift  einzu 
führen.  Die  Schreibunji;  des  eti-Lautes  als  äu  wird  erst  bei  der 
(irofsschrift  dem  Schüler  bekannt  ufemacht,  ebenso  die  Schreibunj^ 
der  Anstaute.   Die  Orthographie  ist  in  den  Fibeln  weit  eingehender 
zu  l)er«cksichtiKen,  als  das  bisher  üblich  ist,  insonderheit  ist  deshalb 
die  Kou'^onnutenhäufunji^.  Schärfunjjj  und  Delinunjij  weit  ausfülulicher 
zu  beh-MMkln  als  das  bisher  ^^eschehen  ist.  —  Weil  die  S})rachformen 
als  etwas  Lebendiges  aufzufassen   siutl,   i.sl   die   l-rage:  ('»ehören 
sprachgeschichtliche   Belehrungen   in   die  Volksschule?* 
mit  V..  Wilke  (Päd.  Bl.  6)  xu  bejahen.  —  ^Die  theoretischen 
C>  rund  lagen  des  Lesebuches*^  untersucht  G.  Hey  derer  (Allg. 
I).  Lehrcnstg.  ii.  12).   Kr  kommt  zu  folgenden  Sätzen :  Die  nationale 
Litteratur  gehört  zu  den  Sachy:ebielen  und  zwar  zu  den  humanistischen  ; 
sie  ist  ein  iiotweiidi^^er  Bestandteil  <les  rnl<rnrltts     Sic  '^tcbt  nicht 
im  I~>ienste  eines  andern  Sachgel»iett  s,  sondern  iimunl  Litic  .>^cll>slaii<li>!^e 
Stellung  ein.    Sie  wird  nicht  durch  das  müiidliihc  Wort.  stMulern 
durch  ein   Buch  vermittelt.     Das  Kind  verlangt   ICrzählungen  als 
I^esestoff :  die  Erzählung  mufs  über  eine  dramatisch  bewegte  Hand, 
hing  verfügen,  darf  aber  nicht  zu  knapp  gehalten  sein,  mufs  des 
Kindes  Neigung  zum  Detail  entgegenkommen :  die  Sprache  mufe 
klar,  einfach  und  anschaulich  sein;  in  der  lürzählung  mufs  sich  des 
Kindes  Welt  spiegeln;  also  komnun  die  \ olkstümlichen  Stoffe  in 
Betracht-         Für  die  Aufnahme  reali^lisi  lu  r  St«^ffe  i^ilt  fol-tii-Us 
Kriterium  ;  das  Stt'ick  mufs  der  nationalen  Ijlteratur  angehören  und 
mufs  ein  Geschehnis  berichten,  darf  keine  Beschreibung  sein.  So- 
dann gilt  der  Satz:  Ins  JUesebuch  gehört  nur,  was  der  lebendige 
Unterricht  nicht  bieten  kann. 

Otto  Km  st  veröffentlicht  eine  sehr  lesenswerte  Abhandlung 
Über  die  u  n  t  e  r  r  i  c  h  1 1  i  c  h  e  B  e  h  a  n  d  1  ti  n  i:  lyrischer  e - 
dichte  (räda.u''^u  6).  l-.r  fidirt  aus;  Der  Lehrer  hat  sich,  wenn  er 
ein  C'.i-dicht  hrli.uideln  will,  vor  alb-m  folgende  hragen  v«)rzidegen  ; 
Welches  tieiuiil  oder  welche  Stimmung  liegt  dieser  Dichtung  zu 
Gnmde.*  mit  anderen  Worten:  Was  ist  die  künstlerische  Tendenz 
dieser  Sch<5pfung?  Sodann:  Wo  liegt  der  Ak/ent  des  (Scdichts,  d.  h. 
durch  welche  Partien  dieses  (Gedichts  kommt  die  Absicht  des  Dichters 


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620 


am  stärksten  uiul  deutlichsten  zum  Ausdruck  I'\  rucr:  Auf  welchen 
psycholl sollen  Vorausset/unj^en  ruht  die  W'iikun:;  <lics«.  r  I  )K  lituii.!:r, 
und  weist  das  kindliche  Seeleuinventai  all  diejenigen  MunieiiU  aul, 
die  vorhanden  sein  müssen.»  wenn  das  Gedicht  seine  spezifische  Kraft 
attsüben  soll  ?  Endlich :  Wie  stelle  ich  es  an,  diejenigen  Vorstellungen, 
an  welche  das  Gedicht  anknüpft,  in  meinen  Schülern  so  lebendig 
und  dadurch  die  Schüler  so  aufnahincffdii^^  wie  möglich  zu  machen, 
ohne  die  eij^enartij^e  Wirkuiij^  des  Cedichts  vorwegzuriehtnen  oder 
^ar  /.u  übertreffen  ?  W  enn  er  sich  mit  iliesen  Fra^^eii  ab^jefunden 
hat  und  er  nun  daranireht,  seinen  Schülern  das  (iedicht  «larzubieten, 
hat  er  zunächst  dafüi  zu  sDigeii.  dafs  das  Gedidit  die  Schüler  in  der 
geeigneten  Stimmung  finde.  Hin  dezentes,  ohne  jede  Weitschweifig- 
keit und  Breitspurigkeit  gegebenes  Präludium  schlägt  die  geeigneten, 
den  Kindern  bekannten  Töne  au  und  leitet  unmerklich  zur  Dichtung 
hinüber.  Dabei  werden  möglichst  geschickt  die  etwa  nötigen  Er- 
klänmgen  zum  (iedicht,  so  weit  es  irgend  angeht,  vorweggenomnien. 
Diese  Hrklärungen  werden  gleichsam  eingeschmugijelt,  so  dafs  der 
Schüler  sie  gar  nicht  als  Krklärun^eii  empfindet;  ganz  uiueiinerkt 
und  heimlich  bereitet  man  dem  Kunstwerk  eine  Stätte.  Beim  \  orliag 
achtet  der  Lehrer  besonders  darauf,  dals  der  Akzent  der  Dichtung 
deutlich  herausgearbeitet  und  den  Schülern  fühlbar  werde,  ohne  dafe 
er  in  pedantisch  aufdringlicher  Weise  deklamiert  An  die  am  stärksten 
akzentuierte  Stelle  anknüpfend,  giebt  der  Unterrichtende  nach  been- 
digtem \'ortratr  des  (iedichte^  d  is,  was  an  Krläutenitijren  etwa  trotz 
aller  Einführung  noch  erforderlich  ist.  AV»er  er  hesehr.mkt  sich  dabei 
auf  das  Allernotwendigste.  Separate  l^rkluninuen  sind  ileshalb  so 
absolut  stimmungsfeindiich,  weil  alle  SLimnuuig  nichts  anderes  als 
Zusammenklang  \  ieler  schwach  bewufster,  gleichmälsig  verdunkelter 
Vorstellungen  ist,  die  Erklärung  aber  über  einzelne,  meistens  nicht 
einmal  die  künstlerisch  wichtigsten  Stellen  ein  ganz  unverhältnis« 
mäfsig  starkes  Licht  verbreitet  und  so  die  erklärten  Stellen  als  auf- 
drintrlich  helle,  grelle  b'lecke  auf  dem  f',edioht  erscheinen,  sich  mit 
lästi<;er.  herrischer  Hartnäckigkeit  im  Hewujstsein  behaupten  und  die 
vorher  schwach  beleuchteten  stelhni.i;t-ii  .i;an/.  ms  nunkel  drän.uen. 
Die  Rückkehr  zum  Halbdunkel  der  Slimiuung  erscheint  diuin  als 
etwas  Gewaltsames  und  ist  oft  erst  nach  langer  Zeit  möglich.  Sind 
aber  die  Erklärungen  unvermerkt  vorweggenommen,  so  gehen  gleich 
bei  der  ersten  Darbietung  des  Gedichts  schwierige  und  leichte  Stellen 
in  einem  hin,  und  alles  erhält  von  vornherein  die  für  eine  har- 
monische Stimmungswirkung  durchaus  erforderliche  gleichmäfsige 
Ik'leuchtung.  Die  (iedichtslunden  niü.ssen  völlig  untet  der  1  lerrsehatt 
der  Kunst  stellen.  -  Der  e  r  s  t  e  A  u  f  s  a  t  z  u  n  t  e  r  r  i  e  Ii  t  in  seiner- 
praktische n  G  e  s  t  a  1 1  u  n  g  ist  der  Gegenstand  einer  Abhandlung 
zur  Preisbewerbung.  Der  Verfasser  geht  von  folgenden  Gesichts- 
punkten aus:  In  dem  Musterstuck  des  Lesebuches  liegt  der  kind- 
lichen Auffassung  eine  feststehende  stilistische  Form  vor,  die  eine 


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621 


\vit.(Urli"Uv  viTul  allst iliüi  Hetraclittinp  /ttlfifst  Dtiich  <lic  tlenkeiulc 
BciiacliUiUi^  einzelner  stilistisclier  Krsclienmiij^en  eii^nen  sich  die 
Schüler  nicht  blofs  die  Auffasswngs-  und  Ausdrucksweise  des  Muster- 
stücks an,  sondern  sie  lernen  zugleich  auch,  sich  in  bewufster  Weise 
einer  M annigff alti^keit  und  Angemessenheit  ini  A  usdruek  »i  befleifsigen, 
die  diMi  li  Iduis^lu  uml  ästhetische  Rüoksichlen  liestinnnt  wird.  Die 
der  schriftlichen  Darstellnn/j  voransjreschicklen  niüntllichen  T bunten 
hefähij^en  das  Kind  einerseits,  den  vernuhttt  ti  Scliat/.  s])r:ir1ilir!ier 
Formen  in  freier  W  eise  zn  benntzen,  aiuU  insi  tts  winl  es  durch  die 
gewonnene  stilistische  Kinsicht  doch  ininier  im  Bannkreise  tier  loj^isch 
stilistischen  (besetze  des  Musterstückes  festgehalten  und  vor  Abv\  e>>;en 
bewahrt. 

Über  -Die  Reform bewegung  auf  dem  Gebiete  des 
naturgcscliichtl  ichcn  l  nterrichts-  veröffentlichte  der  Ikricht- 
erslatler  eine  Abhandlunj^  (l'äd.  Monatsh.  j),  die  die  sicli  bereits  fcst- 
stt/i  nden  irrtümlic!u  ii  Ansichten  über  den  Verhiuf  der  Heweynnüf 
beiichtijjcn  und  MäniKin,  wie  Baade,  Scheller,  Conr.a<l.  Kollbacli  ilir«,- 
historische  Stellung  in  derselben  sichern  will,  —  (iegen  den  Seylert- 
scheit  Vorschlag  einer  Zweiteilung  der  Synthese  wendet  sich  Dr. 
Wilk  mit  seiner  Arbeit:  «Die  Synthese  im  naturgeschicht- 
liehen  Unterricht«  (D.  Bl.  25.  24).  Im  (>esinnungsunterricht.  führt 
er  aus,  ist  die  Zweiteilung  der  Synthese  bejjriindet,  weil  sich  die 
iiVinVen  Arttti  des  Interesses  nicht  mit  derselben  Unmittelbarkeit  an 
den  i^t-schichtlichen  Stoff  fcsthän<ren,  wir  ^  as  sympathetisrhe  und 
eiiii)iiische  Interesse.  Wer  aber  ylaubt.  Im  der  naturgescliiclillichen 
Synthese  allein  mit  Hilfe  des  empirischen  Interesses  eine  gleiche  Be- 
geisterung zu  erdelen,  der  irrt  sich  gewaltig.  Nur  in  Ausnahmefällen 
kann  diese  in  die  beiden  Teile  zerfallen.  Bei  heimatkundlichen  Gegen - 
standen  wird  die  von  vom  herein  spekulativ  angelegte  Synthese  die 
Repfel  sein.  Aber  auch  in  dirstni  I-alle  tritt  zur  Synthese  noch  ein 
zweiter  Teil,  welcher  die  denkende  Fr^än/unj;  g^enannt  werden  kann. 
Die  praktische  Durchfi'ihrunjr  seiner  drundsätze  7tiij:t  W  ilk  an  einer 
J'räpni  alitdi  iiber  den  Hasen  (H.  HI.  45— 47».  —  Se\  k  ils  Aihcilskunde 
veianlai.st  K.  v.  SaHw  iirk  zu  einer  au.sführlichen  Abhandlung :  Die 
Arbeitskunde  im  naturwissenschaftlichen  Unterricht  (D. 
Bl.  29^-35).  Eine  die  Kulturentwickelung  besonders  betonende  Dar- 
stellung niuls  nach  seiner  Ansicht  schon  in  den  einfachsten  Schul- 
Verhältnissen  eine  Stelle  finden,  sie  kann  aber  erst  dann  eintreten, 
wenn  als  «Grundlage  eine  sachliche  liearbeitnni:  der  Dinge  und  \*er- 
hfiltni.sse  stattm  fiinden  hat,  weicht-  den  Stoif  und  die  Ik  dinLCimL'  «ler 
Kulturarbeit  enthallLti.  Dann  erst  kennen  zntn  AbschUUs  die  Grund- 
linien eines  Systems  der gegenwiu ligeii  Kullurarbeit  gezogen  werden. 
Das  ergiebt  eine  Arbeitsknnde  im  weiteren  Sinne  als  die  von  Seyfert 
und  setzt  voraus,  dafs  der  von  ihm  bearbeitete  Stoff  dem  naturkund- 
lichen Unterricht  einverleibt  werde.  —  Die  verschiedenen  »Kon- 
zentrationsversuche  auf  dem  Gebiete  des  naturkundlichen 


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622 


V.  /Angler. 


Unterrichts  bespricht  H.  Scinuidt  (l'iid.  Ztg.  50,  51;.  i>cr  Stand- 
punkt der  Vertreter  der  Konzentration  scheint  ihm  unhaltbar.  Ent- 
weder, sagt  er,  haben  die  recht,  welche  das^Priossip  einer  allgemeinen 
Konzentration  auf  den  Schild  erheben ;  dann  müssen  wir  wenigstens 
lile  üebiotr^  der  realen  Sphjlre  zn  einem  einheitlichen  Han  verschmelzen. 

s  thun  aber  die  Neuerer  nicht  und  zwar  aus  denselben  (iründen, 
die  jjrejjcn  ihre  \\  !  suche  sprechen.  ( )der  aber,  jene  Kichtnny;  hat  über- 
hnupt  nicht  rcclit.  dann  hat  :nirh  <lie  Wnschmelzuni;  <lt  r  ht^teff njcncn 
Zweige  auf  dem  uinfangrcKhen  t.ebiete  der  Naturkunde  keinen  vMnn. 
—  «Zum  l.,ehrplan  in  der  Pflanzenkunde*  veröffentlicht  F. 
Baade  einen  Artikel  (Päd.  Ztg.  2).  £r  will  den  unteren  Schulklassen 
die  Betrachtung  sorglich  ausgewählter  einzelner  Pflanzen  zuweisen, 
während  die  Srhider  der  Oberklassen  ihre  Kraft  an  (Jruppenbetrach- 
tungen  erproben  können.  Zu  solchen  Uetrachtungen  eignen  sicli:  (>ut 
nni.urenzte  sy.slematiscbc  < '.riijiiien,  I'flanzinyennssenschaften.  welche 
der  heiinischeTi  Landsrhaft  das  (  ".l  iu  äi^c  ^Lbcn.  tiie  /.u>aniiu».  nhätigcnde 
Darstellung  der  iAbensarbe)t  cler  i'fianze  und  ihrer  Werk/enge.  — 
Über  »Experiment  und  Beobachtung  im  botanischen  Unter- 
richt« verbreitet  sich  F.  Schleichert  (D.  Bl.  27—29}.  Die  so  über- 
aus wichtigen  Vorgänge  der  Ernährung  der  Pflanzen,  der  Aasimilation. 
der  (las  i  n  l  W'asserbewegung  in  der  Pflanze,  der  Transpiration. 
Atniunp  vieler  Wachstums-  und  Reizerscheinungen,  deren  elementares 
\'erständnis  auch  ilen  Schülern  der  X'olksschnle  nicht  vor*  tithalten 
werden  darf,  lassen  sich  nur  mit  Hilfe  geeigneter  ICxperiiiKiiU  klar 
erkennen.  Sclb.^lretlend  Irelen  i^.xperimenlc  erst  dann  auf,  wenn  eine 
reiche  Menge  empirischen  Materials  sich  im  Laufe  der  immer  fort- 
gesetzten Beobachtungsthätigkeit  angesammelt  hat,  das  imstande  ist, 
das  Interesse  für  den  Versuch  wachzurufen.  —  Eine  wertvolle  Abhand- 
lungüber    Die  erziehende  Bedeutung  des  Schulgartens  ver- 
öffentlicht Dr.  Jieyer  (D.  Hl.  ;/>.  37).  Der  \  erfasser  hat  einen  (larten 
im  Auge,  bei  dessen  Hewirtschaftung  lediglich  erzieherische  ( tesichts- 
puiiktr  inaisgcliL ml  sind,  iii  dem  die  Kinder  selbst  zu  Arbeiten  haben, 
und  zwar  lediglicii  zu  <lciu  Zwecke,  um  all  der  sittlichen  und  intellek- 
tuellen Förderung  teilhaftig  zu  werden,  die  mit  einer  rechtschaffen 
vollbrachten  Arbeit  sich  ganz  von  selbst  einstellt. 

Verhältnismäfsig  stiefmütterlich  wird  stets  der  geographische 
Unterricht  in  du  b'achiiresse  behandelt.  Über  -Zweck  und  Zie  l 
des  erdkundlichen  l'nterrichts  stellt  Kup|)ert  ( 1  less.  Schul- 
ztir.  2,  3t  folgenfk-  Sätze  auf:  Der  erdkun<lliche  rntctiicht  in  der 
mein kl.t.^sigcn  \  ulk^  -L  IiuIl-  hat  den  Zweck,  den  Schülern  die  Kennt- 
nis der  Krde  und  iluct  i)c\^uhiier,  sowie  der  wichtigsten  ICrscheiuuugen 
am  Himmel,  in  geistbildender  und  erziehender  Weise  zu  übermitteln. 
Ks  ist  Aufgabe  der  Heimatskunde  als  erste  Stufe  des  erdkundlichen 
Unterrichte,  dem  Schüler  an  geographischen  Objekte^  der  Heimat  die 
notwendigen  (inindbegriffe  zu  veranschaulichen  und  zu  erläutern,  so- 
wie das  Verständnis  der  Karte  und  das  wichtige  Kartenlesen  vorzu- 


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bereiten,  in  koir/entn' Jüchen  Kreisen  weiterschreitend.  UA^^  Aer  Hei- 
niatskundc  die  Keiuitiiis  des  \  aU  i lainU s.  >ü\vie  die  derW  ellU  iU  und, 
soweit  CS  der  l'assungskraft  der  Sehiilei  entspricht,  das  Wichlijjste 
aus  der  matbemattscheii  Geographie.  Während  der  Lehrgang  auf  der 
Mittelstufe  noch  den  synthetisch-konzentrischen  Weg^  einschlägt,  wird 
er  auf  der  Oberstufe  den  analytischen  gehen,  um  früher  zu  einer 
Übersicht  über  die  ganze  Erde  zu  irt^^langen.  Neben  der  beschreiben- 
den I.ehrfonn  niufs  auch  die  vergleichende  zur  gebührenden  (Geltung 
ko!^i7iicn.  Das  Warnniund  Weil  in  den  Beziehungen  und  Ikdingungen, 
tlie  richtige  Dar.sLellung  von  Ursache  und  Wirkung,  luiti-^en  Leben 
in  den  toten  Stoff.  Die  zeichnende  Methode  sei  nur  Unlerrichlsniillel. 
nicht  Unterrichts%iel.  Die  Anschauungsmittel  (Karte,  Globus,  Relief, 
Tellurium,  Bild)  müssen  einfach  und  in  bester  Auslfibninj^  sein,  (ieo- 
graphischc  Charaktetbilder,  so\de  ethnographische  Bilder,  sollen  den 
rnlerriclil  l)e!eb<  n  und  das  Interesse  der  Kinder  an  denistlben  er- 
luilien.  In  tler  Hand  des  Schülers  sind  .\llas  uiitl  Leitfaden  (Rt  ;ilieii 
buch  und  Renllesebucli i  unentbehrlich.  Durch  wei'-e  lU-srliräiikung 
des  SLuJlcs  uutl  »Htere  Wiederholung  wird  die  sichere  .\neignung  <lcs- 
selben  erstrebt. 

TIT. 

Zur  vSc Ii  u  i  organ  i sa  t i  nn  sf  r age  licfeit  II.  Scheret  i  nu  n  wert- 
vollen Heitratv  durch  Tk-anlvv«  nlung  der  Frage:  \\"  ei  c  h  es  Scli  u  1- 
systeni  enlsprielil  am  vollkduniensten  den  pädagogischen 
Anforderungen?  (Päd.  Ztg.  14.  15).  Rr  ffihrt  den  Nachweis,  dafs  das 
achtklassige  Schulsystem  das  vollkommenste  Schulsystem  ist.  Denn  der 
Unterricht  kann  sich  in  diesem  System  vollständig  dem  Hntwicklungs- 
gaii:4i  des  kindlichen  (ieistes  anschliefsen.  kann  lückenlos  fortschreiten 
und  du  l!u1i\ idualität  niöglichsl  lierücksichtigen  :  es  erleichtert  dem 
Lehrer  <lii.  Arlieit  und  erhalt  ihm  sn  seine  l*ris<  lu  ntul  T.eistunj^s- 
fähigkeit.  Je  mehr  sich  ein  Schiil.s\ .^Icni  dem  a».  hlkla^^ii^L  11  iifdu  rt. 
desto  vollkommener  ist  es.  Im  scchsk lassigen  Schulsystem  mu.>.>eii 
entweder  zwei  Klassen  zweistufig  oder  eine  Klasse  dreistufig  sein ;  in 
der  siebenklassigen  Schule  mufs  die  oberste  Klasse  zweistufig  sein. 
In  beiden  Schulsystemen  treffen  wir  also  dieselben  Nachteile,  vrie  sie 
sich  bei  dem  vierklas.sigen  vSchulsystem  vorfinden.  Auch  das  sechs 
und  sielienkla.ssige  Schulsy.stem  mü.ssen  daher  gegenüber  d«.ni  aclit- 
klas«igen  als  unvollkommen  bezeichnet  werden,  obgleich  .>^ie  voll- 
kurnmener  sind  als  das  \  icrklassige.  Das  achlkl. issige  vSchuls>  stein 
entspricht  am  vollkommensten  den  pädagogischen  .Anforderungen, 
es  niufs  daher  bei  umfangreichen  Schulsystemen  als  Norm  ange- 
sehen werden. 


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M«ie  Bucher  nnd  AufiiUi. 

Neue  Büclier  und  Aufsätze. 


a;  Bücher. 

Ik a  U  C  k  III  a  ll  ll,  Uhranat.- Vorst.,  Karl, 

Dieiiti kindlichen  Alterauftretende 

Schwerhörigkeit  und  ilirc  päda- 
gognsche  Würdigimg.  (VlI,  1038.) 
Leipzig,  II.  Ilaacke.   2  M. 

Friedrich,  Joh.,  Jakob  Froh- 

sclinitinur.  J-'m  ITulaLToj^c  unter 
den  modernen  riulo.sophen.  Kin- 
führun^  in  d.  philosophisch-pädafr. 
System  Im olischaniniers.  (\'.  9SS.) 
l-'ürtli,  ti.  K»)senl)er}^.    1.50  M. 

Friedrich,  (iyina.-ubpri.,  tiu.slav, 
Die  höheren  Schulen   und  die 

C.ejicnwart    (51    S.)    I,cip«i^.  K. 
Warti}^.    o/x)  .M. 
II  eis,  Karl,  Derdeutsche 

Unterricht  in  ikn  ersten  Schiil- 
jahr<Mi  auf  ]ih.aKlisrh«.-r  Ciniiul 
la};e.  I  juc  Anleitung,  .tiigcknüplt 
an  die  Fibel  vt>n  VV.  Hangert. 
K>4  S.)  I  Vankfurta.  M.,  M.  Diester- 
weg.   ü,5o  M. 

Lewit.  Dr.Jul.,  Darstellung  der 
tlieoretischen  nnd  |»i aklischen  Pä- 
dagogik im  jüdischen  Altertume. 
nach  talmud.  (Quellen  unter  ver- 
gleichender IJerücksichtigiing  des 
glfich/.citii^fcii  Sein ifltumes.  (70 S.) 
Ikrlin,  Mayer- .Müller.  1,50  M. 

Met  scher,  Dr.  Hcinr.,  Causal- 

Nexus  /.wischen  I,eil)  und  Seele 
und  die  daraus  risultierctKlcn 
psvchophysiachen  I'liiinomene.t.i2; 
8.)  Dortmund,  J.  W.  Ruhfus.  3  M. 

Pagel.  Lehr.,  Franz,  Der  frei- 
willige lirziehungsbeirat  f.  schul- 
entlassene Waisen.  Kin  Versuch 
zur  Lösung  der  Frage:  Was  ist 
das  deutsche  \'olk  seinen  ver- 
\%-aisten  Kintiern  schuldig.'*  (9«»  S.) 
Berlin,  L.  Öhmigke.  o.Ho  M. 

Th  i  (  1,  I,,  )ir,,  Fet.  Jobs..  Fin  Tag 
iui  Leben^>lleim,  soziale  Naturer- 
ziehun|rsansta]t  für  verwai.ste  und 
uneheliche  Kinder  beiderlei  Ot- 
.schlechtes.  (2.S  S.)  Fei])/ig- Reud- 
nitz, II.  N.  Thom.  0,50  .M. 


b)  Aufsätze. 

Itengel,  Joh..  Die  l'rox inzialge- 
schichte  im  (teschichtsuntenicbte. 
(Rh.  westf .  Scbulztg.  50.)  Aachen , 

Harth. 

Berfremann.  Dr.  F.,  Absolu- 
tistische u  evolutionistische  lübik 
im  Kaniiife  um  die  I'ädaj^ogik. 
(Leipziger  I.ehrer/tg.39-41.)  Feip- 
xigr,  Otto  Klemm. 

llfsse.  Iv,  Die \«>lksschule  im 
Kampfe     gegen  Sprachsünden. 
(  Allg.  deutsche  Lchrerztjär.  .'^7. 
Leipzig',  Klink h.irdt 

Höhne,  Welche  Nachteile  .sind 
mit  dem  Ma.ssenunterrichte  und 
welche  mit  dem  bjnzeluntcri  iclite 
verbunden  *  Welche  X'orschläge  /u 
ihrer  Feseitigunj^  sind  zu  machen  * 
(Päd.  lU.  5.1  Cotha,  Thienemann. 

I ,  i  s  0  ll  I)  1  \^  s  k  a  .  M  ai  ia.  Dir  Re- 
form der  \ Orbiidung  der  \  olks 
schullchrerin.  (Lehrerin  23.)  (>era, 
Th.  Hofmann. 

Malo,  II..  ICin  dringlicher  Re 
form  Vorschlag  von  S.  Rang  betr. 
ein  einheitlicli-anschauliches  Le- 
bensbild Jesu.  (Ztschr.  f.  ev.  Re- 
lij^ionsunt.  4.)  lierlin,  Reuther  und 
Reichard, 

R  h o den .  l)r.< i.  von.  Das  Prolklcm 
d.  Relif,(ionsuntenichts. ( l\v. Schul- 
l»latt  <).)  (ifller.sloh,  Itertelsmann. 

ScliL  T».  r,  II  ,  Dir  Anf-abe  der 
wissenschalthchen  i'adagogik  im 
allgemeinen  und  in  der  Gegenwart 
im  Ih sonderen.  (Päd.  Ztg.  34.) 
Berlin,  W.  u.  S.  Löwenthal. 

Stall  n,  Dr.,  Zur  !•  rage  über  den 
C.eschichtsunterricht.  (Päd.  Bl.  5.» 
(tf»tha,  Iv.  \'-  Thienetnann 

Stelter,  Katharina.  Dir  soziale 
Arbeit  der  \'<dksschullLlirti in  im 
.\nschlufs  an  die  \"olk.s.schule.  (Die 
L<:;hrerin  22.)  Oera,  Th.  Hofmann. 

Vogel,  Moriz,  Zur  Förderung 
des  Schulgesangunterricht.s  und 
des  Chorgesanges.  (.Mlg.d.  Lehrer- 
i'tg.  33.  ;>4  )    Leipzig,  Klinkhardt. 


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*   V    « ■>  * 


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Neue  Bahnen. 


Monatsschrift  für  Haus-,  Schul-  und  Gesellschafts-Erziehung. 


IhÜ  12. 


Dtz<  uibfr  1896. 


VII.  Jahrg. 


Friedrich  Dittes. 


Von  Rwloir  Dietrfoii  in  Nürnberpr- 


I.  Wirken  und  Wesen. 


1.  \'or\vort.   -   2.  Bis  zur  Berufungr  nach  (iotha.  --  5.  Iti  Gotha.  — 
4.  In  Wien.  —  5.  Schriften.  —  6.  Die  Monat-sschrilt  Pädagogiuni.  — 
7.  (refsamtbild  der  Persönlichkeit  —  S,  Nachtrag  zu  3. 


Eine  nnparteii.sche  Schrift  über  Friedrich  Dittes  ist  ein 
schwieriges  Ding.  Wanim?  Weil  nnparteiische  Unterlagen 
fehlen,  weil  es  an  ziivcrläs.'^igen  queUeinnälsi^cii  Nachrichten 
überhaupt  mangelt,  l'nd  leider  gilt  dies  gerade  für  den 
längsten  und  wichtigsten  Abschnitt:  wir  besitzen  keine  ob- 
jekttven  »Wiener  Geschichten^r,  Dittes  hatte  keinen  Frennd, 
der  mit  ihm  in  Wien  gelebt,  ihn  ganz  verstanden,  ihm  und 
über  ihn  die  Wahrheit  gesagt.  Ich  habe  bei  dem  gegen- 
wärtiq^en  Direktor  des  Pädagogiums,  Herrn  Dr.  Rmanuel 
Hannak,  nach  brauchbaren  Akten  gefragt:  er  konnte  mir 
jedoch  fast  nichts  anderes  mitteilen,  als  was  ich  schon  wufste. 
—  Über  die  (iothaer  Zeit  dagegen  ist  mir  von  Herrn  Semi- 
nardircktor  A.  Zeyfs  Erhebliches  mitgeteilt  worden,  doch 
leider  erst,  als  die  Arbeit  schon  im  Drucke  war  (s.  Nach- 
trag).') Ich  .selbst  habe  mit  Dittes  (von  1886—95)  nur  brief- 
lich verkehrt,  und  —  aufser  in  den  beiden  ersten  Jahren  — 
nur  geschäftlich,  rils  Mitarbeiter  des  Pädagogintns. 

W  as  ich  nun  auf  den  folgenden  Blättern  biete,  hat  mich 
zwar  viel  Zeit  und  Mühe  gekostet;  aber  das  schliefst  nicht 
au-s  dafs  ich  mich  geirrt.  Ja  ich  möchte  fast  wünschen,  dafs 
ich  in  recht  vielem  geirrt,  weil  dann  zu  erwarten  wäre,  dafs 

')  (iern  benutze  ich  die  ( Ulejienheit.  den  trennTinten  Herren  für 
ihre  freundliche  Dienstwilligkeit  auch  an  dieser  Stelle  zu  danken; 
desgleichen  Herrn  Verlefrer  Kfinkhardt,  welcher  die  Güte  hatte,  mir 
die  in  seinem  Verlage  erschieiu  neu  selh'^trindigen  Schriften  von  Dittes 
und  sämtliche  Jahrgänge  des  Pädagogiums  auf  längere  Zeit  leibweise 
zu  überlassen. 

]t«M  Baküfla  TR.  1>.  4 1 


I. 


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■  I 


626 


Hutloir  niptriob. 


alle  möglichen  Aiistreiimiiii^cn  L^cuiacht  werden,  iiiii  der 
pädagogischen  Welt  endlich  da>  richtige  Bild  des  Mannes 
zu  zeigen.  — 

Mir  stehen  nur  drei  Bogen  zur  Verfügung.  Das  zwingt 
zu  knappester  Fassung,  welche  mir  aber  auch  die  Thatsache 
ermöglicht,  dals  während  der  letzten  Monate  alle  Fachblätter 
einen  Aufsatz  über  Dittes  gebracht.  Ich  brauche  also  nur 
zu  wiederholen^  wo  es  das  Cxcbot  der  \'ollständigkeit  erfordert 

2. 

Christian  Friedrich  Dittes  stammt  aus  einem  Bauernhause. 
Er  wurde  am  23.  September  1829  zu  Irfcrsgrün  im  sächsischen 
Vogtlande  geboren:  in  einem  waldumrahmten,  von  Somiuer- 
frischlern  besuchten  Dörfchen  halbwegs  zwischen  den  Städten 
Letigcnfeld  und  Kirchberg,  au  der  ELsenbahu  Zwickau- 
Falkcnstein.M 

1844  trat  Dittes  ius  T.ehrerseminnr  zu  Planen  ein,  184S 
in  den  N^olksscluildieiisi.  Jedocli  nicht  dieser,  ein  höheres 
Schulamt  war  sciu  Ziel,  das  er  nur  deshalb  nicht  auf  dem 
kürzesten  Wege  erreichte,  weil  er  von  Haus  aus  unbemittelt 
war.  So  blieb  er  denn,  mn  sich  den  Lebensunterhalt  zu 
sichern  und  nebenher  den  (ivuinnsialstudien  obliegen  zu 
köuTieii,  Volksschullehrer  bis  1S5S:  in  Thalheini  bei  Chemnitz« 
Reichenbach,  Plauen,  Leipzig.  Doch  wulste  er  schon  1850 
einen  UrLuil)  zu  erlani^en.  der  ihm  den  Hesuch  der  Landcs- 
univerMtät  aul  drei  Semester  gestailetf.  i85<S  sodann  konnte 
er  seine  Hochschulstudien  fortsetzen  und  1860  mit  den»  Be- 
stehen der  Prüfung  für  das  höhere  Schulanit  und  dem  Erwerb 
des  Doktortitcls  abschliefsen. 

Er  erhielt  sofort  Anstellung  als  Subrektor  der  mit 
einem  Progymnasium  \  erbundeneii  Realschule  zu  du  innitz. 
Von  gröfserer  Hedentung  für  ihn,  lür  seine  Zukunft  war 
freilich  ein  anderes  .\mt,  das  er  in  derselben  Stadt  erlangte: 
der  Pädagogische  Verein  wählte  ihn  zu  seinem  \'or.sitzenden. 
Als  solcher  fand  er  Oelegenhcit»  sich  öffentlich  hervorzu- 
thun,  nämlich  auf  der  Jahresversammlung  des  Allgemeinen 
Sächsischen  Lehrer  Vereins,  die  1Ä64  in  Cli  innitz  abgehalten 
wurde.  Vor  dieser  Wrsammlung  ^]'i.\ch  Dittes  im  Auftrage 
seines  Vereins  über  die  deutsche  Sprache  und  Litteratur 
auf  den   sächsischen  Lehrerseminaren        Die  Unterlagen 

Vi  Am  ^'V  Scpltnibei  iJSyO  ^Incltcn  der  Auerbacher  und  der 
Kirch l)er}jer  Ik /irks1ehrer\'ercin  ni  Irfersgrfui  <-itie  Gedächtnisfeier. 
])(m  I^eschluf^  nn  <  >rte  ein  1  )ittesilcnkmal  /;•.  errichten,  folgte  so-' 
gleich  ciuc  Sammlunü.  mit  achtenswertem  lirgebnis. 

*)  Der  V'ortrag  erschien  1864  bei  Kcl.  Focke  in  Chemnitr..  Später 
nahm  ihn  Dittes  in  den  XVII, Jahrg.  des  Pädagogiums  (S.  680  ff,)  auf. 


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Frif>ilrl4'h  IHllM. 


627 


dazu  saiTiiiu  Ue,  MHÖfi^licli  erschöpfend  ,  der  Verein.  Das  ge- 
schah, erzählt  Dittes,  auf  folj^ende  Weise.  Unser  Pädagogischer 
Verein  zählt  mehr  als  loo  Mitg^liedcr;  dicselhen  sind  meistens 
aus  nnsern  I>an(K  ^-^t  ininaren  hervorj^eganjL^en ;  isflücklicher- 
weise  hat  jedes  dieser  Seminare  mehrere  Glieder  zu  der 
hiesigen  jüngeren  Lehrergcneration  gestellt.  Es  konnten 
daher  auch  mehrfache  und  »twar  dem  Leben  selbst  entlehnte 
Berichte  über  alle  Landesseniinare  abgestattet  werden.  Ferner 
wurden  die  »Stundenpläne  verschiedener  Seminare,  sowie  zahl- 
reiche diktirte  Hefte  und  Ausarbeitungen  von  Seminaristen, 
sodann  etlicb.e  in  der  Säclmisrhen  Schulzeitnng  enthaltene 
Aufsätze  tiir  und  wider  die  vSeminare,  desgleichen  die  Allge- 
meine »Seminarordnung  von'1857,  endlich  auch  das  Stalistisclie 
Handbuch  über  den  Personalbestand  der  sächsischen  Lehrer- 
schaft zu  Rate  gezogen. 

Der  Vortrag  selbst  beantwortet  die  fünf  Fragen:  Was 
sollen  die  Seminare  leisten  was  leisten  sie  wirklich  — 
woher  rühren  die  Mängel  im  Seminarunterricht  wie  sind 
sie  zu  beseitigen?  die  lu-iden  letzten  jedoch  nur  mit 
ein  j>aar  Worten  (aul  wenig  uielir  als  2  von  20  Seiten).  Wir 
heben  hier  nur  zwei  Stellen  heraus:  i.  Diejenigen,  welche 
sich  dem  Kantor-  und  Organistendienst  nicht  widmen  wollen, 
würden  eine  viel  angemessenere  Bildung  erhalten,  wenn  sie 
den  Kursus  einer  Realschule  absolvirten  und  auf  diesem  Grunde 
noch  einen  dreijährigen  Semiuarkursus  durchliefen.  2.  t>Da 
die  Muttersprache  niemals  allseilig  begriffen  werden  kann 
ohne  Vergleichung  mit  eiuom  fremden  Idioni,  so  mufs  das 
Seminar  wenigstens  eine  iremde  Sprache  leinen,  und  zwar 
ist  Dittes  fürs  Latein.  [Später  (vgl.  Die  Spiacheufrage, 
mit  besonderer  Beziehung  auf  Lehrerbildung  ,  Päd.  V,  331  ff.) 
hat  er  seine  Ansicht  wesentlich  geändert  (dies  aber  in  dem 
erwähnten  zweiten  Abdruck  des  Chemnitzer  Vortrages  nicht 
angedeutet):  er  zieht  eine     liioderne  Kulturs|)rache  vor. 

Welche?  dies  hängt  namentlich  von  ortlichen  l'mstätiden,  von 
ethnographischen  Verhältnissen  und  Bezichnugen  ab.  \nraus 
Opportunitätsrücksichten  kann  ich  für  eiuc  kleine  Konzession 
au  das  Lateinische  stimmen.  Ich  betrachte  nämlich  die  gegen- 
wärtige Situation  un.serer  Kultur  als  ein  Übergangsstadinui 
zwischen  der  bisherigen,  römisch  gefärbten  Bilduugsweise 
und  einer  neuen,  wirklich  liberalen  und  freien,  in  der  Wurzel 
echt  nationalen,  in  der  Krone  wahrhaft  humanen  Bildungs- 
weise. Auf  die  Dauer  dieses  in)ergangsstadiums  nun  wäre 
icli  dafür,  dafsin  den  r>berklnsKen  der  Lehrerbildnngsan*:talten, 
falls  sie  einen  sechsjährigen  Ki;i  siis  erhalten,  ein  niehl  ubliga- 
tori.scher  Unterricht  in  der  lateinischen  Sprache  gegeben 
wurde,  an  welchem  aber  nur  diejenigen  Zöglinge  teilnehmen 


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kudolr  Dlfltrtrh. 


dürften,  die  in  allen  Hauptfächern  gute  Fortschritte  anf- 

weiseii.'^-  ] 

Der  Vortraj^  und  die  an  ihn  j^a-knüptlt  Deli.ittc  !>c- 
riclitcL  Dittes  (Päd.  XVII,  678}  hatt''  den  Kilolg,  daüs 
sich  die  sächsische  Staatsregicrnn^  zu  einer  eingehenden 
Untersuchnng-  sämth'cher  Seminare  des  Landes  nnd  hierauf 
'/M  einer  tcrnndlichen  Reorganisation  derselben  veranlafst  sah, 
welche  Reform  sich  licrnach  naturg^emäfs  auf  das  tranze 
sächsische  \'()lksscliul\vesen  ausdehnte  und  demselben  die 
noch  heute  hesuhende  Verfassung  j^ab.')  Dil Us  seihst 
wurde  im  tnluciulen  Jahre  als  Seniinardirektor,  Lande^scllul- 
iuspektor  und  vortragender  Rat  im  Ministerium  an  Karl 
Schmidts  Stelle  nach  Gotha  berufen ;  wie  verschiedene  Lehrer- 
zeitungen wissen,  auf  Empfehlung  Diester wegs. 

3- 

Man  wundert  sich,  dais  die  j^othaisclie  Regiening  drei 

so  hohe,  verantwortungsreiclie  Staatsämter  eineiti  so  jungen 
und  unerfahrenen  Manne  übertrug.  Jung  allerdings.  Aber 
unerfahren^  Auch  das.  Denn  sein  X'olksschnldiensi,  di.r  für 
ihn  nur  ]\littel  zum  Zwecke  war,  kann  ilini  kaum  angereelniet 
werden.  Und  die  paai  Jahre  an  der  Chemnitzer  Realschale 
vermochten  ihn  wohl  auch  nicht  auf  eine  Stellung  wie  die 
Gothaer  vorzubereiten.  In  einem  höheren  Schulamt  (im  eigent- 
lichen Sinne),  als  Schulleiter  hatte  man  ihn  noch  nicht  ge^ 
seilen.  .Wn  r  er  hnile  v  ielleicht  schriftstellerisch  als  glücklicher 
lütindcr  und  Planer,  als  geseliickter  Sehulbanmeister  nnd 
Verwalter  sicli  ius<^cwiesen  ^  W  ir  w  i^-^en  nichts  dergk  ielien 
von  Dittes.  Sonaeli  .scheint  jene  kurze  Chenniitzer  Reile  -  - 
die  aber  doch  hauptsächlich  Kritik  ist  den  entscheiden- 
den Bindruck  gemacht  zu  haben.  Die  philosophischen  Jugend- 
arbeiten (auf  die  wir  zurückkommen  w  erden)  fallen  liier  auf.ser 
Betracht.  T'^s  mag  übrigens  sein,  dafs  wir  uns  die  Aufgaben, 
welche  Dittes  in  Ciotha  zu  lösen  hatte,  viel  gröfser  und  höher 
vorstellen,  als  sie  wirklich  waren. 

Jedenfalls  wis-^m  wir  manche>  nicht,  was  wir  behufs 
sicherer  und  volkstäudiger  Beurteilung  der  Sachlage  wissen 
sollten.  Wir  kennen  weder  die  Berufnngs-  (und  Entlassungs-) 
Urkunde,  noch  die  Besoldungsverhältnisse  genau,  noch  die 
dreifachen  Amtsptlichten.  noch  die  von  Dittes  verfafsten 
Seminar-  und  Schn1in^}u  ktionsberichte,  noch  seine  \'orträge 
im  Ministerinnr  nr)ch  die  vSumme  seiner  amtlichen  T^eistungeii 
und  Wirkungen,  noch  die  Rolle,  die  er  in  der  (Tcsellschaft 

*)  Dais  ditse  X'crfasbung,  weil  sie  heule  noch  besteht,  auch  wert 
Lst,  heute  noch  zu  besteben,  will  D.  hoffentlich  nicht  sagten. 


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gespielt.^)  Xm  über  dfu  Lehrer  und  Direktor  des  Seminars 
sinn  wir  im  allqt  nniiien.  jedoch  aus  zweiter  nnd  dritter  Hand, 
/jcinlich  i,mt  miUn  ielitel.  Die  Hnniici  uiiL;eii  allerdings, 
welche  zucr.st  im  (  >>lcrr.  Schnlboten  \  er(itfcnlliehl,  dann 
1896  von  der  Allg.  deutschen  Lehici/xitung»  naciigedi  uckt 
worden,-)  sind  wolil  mit  Vorsicht  aitfzunehineti :  es  spricht  da 
ein  Schüler,  der  für  seinen  Lehrer  schwärmt  und  ihm  alle 
Tugenden  nachsagt.  Mehr  (icwicht  werden  folgende  Äufse- 
rungen  Kehrs  haben:  Mit  Dittes  begann  eine  neue  Epoche 
im  Seminar.  Seine  nihif^n-  He^oTincnheit  ntul  klare  Konse- 
quenz letzte  rnliig  einen  I'.nistrin  auf  dt  ii  andern;  er  hielt 
es  mit  Lcssini;:  die  t;rrii.sic  ik  ulliclikril  war  mir  immer  die 
grüfste  Schönheit.  Jene  Jahre,  in  denen  e.->  mir  vergVinnt  war, 
an  seiner  Seite  zu  wirken,  waren  für  unser  Seminar  Zeiten 
ruhiger  Entwicklung  und  darum  Jahre  des  Segens*.  ^Er 
war  ein  Maini.  der  als  Leiter  des  Seminars  die  strengste  Ge- 
rechtigkeit mit  der  freundlichsten  Milde,  den  unbeugsamsten 
W'ahrlieitssinn  mit  dtT  besonnensten  Ser^falt  y.n  \-ereinbaren 
wnfste,  und  der  allen  durch  die  Klarheit  seines  ( ieistes,  durch 
die  Herzlichkeit  seines  Tnigangs  wie  durch  die  Biederkeit 
seines  Charakters  für  immer  lieb  und  teuer  wurde  .'j  Und 
über  die  Abschiedsfeier  zu  Khren  des  nach  Wien  Berufenen 
wird  berichtet:  Nachdem  Dittes  dem  Seminarkollegium  und 
den  Seminarlehrern  Lebewohl  gesagt  hatte,  ergriff  Kehr  das 
Wort,  um  dem  Scheidenden  den  Dank  des  Seminars  zu  sagen. 
Als  aber  der  SehTuer/  des  Abschieds  ihn  ^ri  üherwältiq^te, 
dafs  Thräneii  ine  Stimme  erstickten  und  <  r  nur  noeli  die 
A\'orte  sagen  k<jnnte:  I>erge  und  Thäler  können  Menschen 
trennen,  aber  nicht  die  Herzen!  Gott  geleite  sie!*  -  dablieb 
kein  Auge  thränenleer,  und  selbst  Dittes^  der  ernste^  ruhige 
und  unerschütterlich  feste  Mann  \  einte,  als  solle  ihm  das 
Herz  brechen  Auch  heute  sind  die  (kfühle,  die  damals 
zum  Ausdruck  kamen,  noch  nicht  erloschen.  Der  i^cgen- 
wärtige  Direkto  r  Zevfs  (sclinn  \  Dities  Lehrer  am  Seminarj 
.Hufserte  in  senier  vor  den  Zöglingen  gelialteneii  (TedaclUnis- 
rede  am  2.  Juni  i<S()6  n.  a.:  Was  D.  hier  al.s  Leiter  des 
Seminars  untl  des  ganzen  X'ulksschulwesens  vollbracht,  das 
verpflichtet  die  gothaischc  Lehrer  weit  für  alle  Zeiten  zu 
inniger  Dankbarkeit  gegen  den  teuren  Heimgegangenen. . , 
Er  nahm  alles  t  rnst  tuid  streng  und  hat  uns  Schweres  zu- 
gemutet: aber  wir  thaten  gern,  was  er  forderte. . .  Wir  fan- 

')  iCinige  dieser  i'unkle  kliiil  jedoeli  der  Nachtrag  auf. 
*>  Vgl.  auch  Preufs.  Lelirerzeitung,   Sonntagsblatl  iS<>6.  Nr.  28. 
1  Nach  dem  Schnlhl.  d.  Pfov,  Brandenburg  und  der  Deutschen 
Schulpraxis;  (Juelle  «icht  genannt. 
*}  l'reufs.  Lehrerz.  a.  a.  O. 


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Rudolf  Dictricb. 


den  in  iliin  einen  crtalm  iu  ii  Berater,  tU  iii  wir  willisj  ioit^^teii; 
vor  allem  aber  einen  \  orgeset/ten.  der  wie  ein  Freund  mit 
uns  verkelirte  und  für  uns  sorgte  . 

Weniger  günstig  scheinen  die  Beziehungen  nach  oben 
und  atttsen  gewesen  zn  sein.  In  einem  Briefe,  den  Dittes  1888 
an  den  früheren  Leiter  der  Päd.  Zeit un3^^  Heinr.  Schröer  ge- 
schrieben, spricht  er  von  liefti^^er  Feindschaft  ,  die  er  sich 
in  Gotha  zugezogen,  weil  er  dort  im  Seminar,  im  Ministi  rinm 
und  in  öffentlichen  \  ersannulniiLien  siel.s  und  niu  eriiüllt  seine 
Meinung  gesagt  und  nainenllich  stets  nachdrücklich  für  den 
Lehrerstand  eingetreten  sei  .  Sicher  ist,  dals  die  Regierung 
nichts  gethan,  uui  ihn  in  Gotha  festzuhalten  (als  er  1868 
nach  Wien  berufen  worden)  —  während  sie  sicli  später  be- 
deutend anstrengte,  um  Kehr  zum  Bleiben  zu  bewegen,')  was 
ihr  ja  auch  auf  ein  paar  Jahre  gelang. 

4- 

Welche  Gründe  bestimmten  Dilles,  dem  Rufe  nach  Wien 
zu  folgen? 

Konnte  ihn  Wien  anlocken?  Wie  mau  weifs,  haben 
sich  die  Wiener  auch  heute  noch  nicht  aus  der  Versumpfung» 
in  die  sie  Metternich  geleitet,  herausgearbeitet.  Jessen  spielt 
wohl  auf  diese  Thatsache  an,  wenn  er  sagt  (Deutsch-österr. 
Lehrer/  1896.  Nr.  ii):  Die  Wiener  Ijift  wirkt  entnervend  . 
Und  über  (kis  (Kslevreichische  Re,i,ncrnii,L;sN\  stein  \  <>u  lieiite 
urteille  vor  kurzem  ein  einheimiselier  Suzialpuiitiker  und 
Volkswirtschafter:  Es  ist  der  Absolulisnuis,  gemildert  durch 
Schlamperei.  Dafs  unter  solchen  Verhältnissen  auch  die  Presse 
(die  Presse,  die  in  den  Wiener  Geschichten*  eine  so  grofse 
Rolle  spielt!)  weniger  Charakter  besitzen  mag  als  anderswo, 
leuchtet  ein.  Weiter:  ein  stockkatholisches  Volk!  Auf  ultra- 
montane W'ühlereien  mnfste  der  sehr  liberale  Protestant 
Dilles  als  auf  etwas  Selbstverständliches  gefai^>l  sein.  Knd- 
lich  die  Anstalt,  an  deren  Spitze  Dittes  berufen  war:  ein 
blofser  ^Notbehelf  s  eine  ^Rorrekturanstalt^  —  von  der  gar 
nicht  sicher  war,  wie  lange  sie  notwendig  sein,  also  wie  lange 
sie  bestehen  wwCiv  ,  erst  in  zweiter  Linie  eine  KortbiU 
dun<;.san$talt  im  eigentlichen  Sinne. 

Dagegen  halte  man  die  G-niiiaei  Stellung.  Mich  dünkt, 
'  S  kann  für  einen  ganz  von  seinem  Beruf  erfafsten  Schulmann 
eine  beglückendere  nicht  geben.  Was  hatte  D.  allein  schon 
.in  seinen  Mitarbeitern  (im  Seminar/ 1  Von  den  vielgestaltigen 
äulseren  Verhältnisseh,  welche  in  Gotha  samtlich  günstiger 

*)  Er  sollte  iiS72  als  iSchulrat  nach  Nürnberg  kommen.  \'gl.  die 
sehr  fiusfübtlicbeii  Mitteilunjrcn  von  J.  Hahm  im  Repett.  d.  Päd.  1885, 
\'  —  und  die  Angabe  Kolatseheks  auf  S.  10  seiner  >;og.  Schmähschrift. 


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Kri«drich  UiiC«».  (,'f 


wareil  als  in  Wien,  w  ollen  w  ir  ^ar  nicht  reden.  Dittes  selbst 

sai^'-te  in  Wien,  an  der  Schhilsfeier  des  12.  Schnljahres:  Als 
mich  der  ( remeinderat  hierher  holte,  hatte  ich  in  Deiusch- 
land  eine  Stelle  inne,  w  ie  es  eine  zweite  nirgends  mehr  gibt. 
Ich  war  materiell  gut  gestellt,  genois  Ehre,  Achtung,  An- 
sehen und  war  persönlich  vollkommen  frei-«. 

Und  doch  ^in<,^  er  nach  Wien!  Da  darf  man  schon  aul 
die  Heweggründe  begierig  sein.  Ivs  fielen  wohl  hauptsächlich 
in  Betracht:  die  höhere  ICinnalune  bei  verminderter  Arbeit 
-  •  die  grofsere  Freiheit  und  Selbständigkeit  nach  oben  hin 
der  viel  weiter  gehende  Kinflufs  auf  die  Verhältni.ssc  seiner 
Anstalt,  i>c.sonders  auf  die  Anstelhiiii^  der  Lehrer.  Und  nicht 
zuletzt  hegte  Dittes  die  Holiiiung :  er  werde  das  rädagugium 
ganK  nach  seinem  Sinne  gestalten,  auch  umgestalten  dürfen. 
I>afs  er  dies  wirklich  gehofft,  noch  mehr:  beabsichtigt,  er<- 
hellt  aus  der  (reschichte  seiner  Wiener  Thätigkeit  Leider 
standen  solche  Wünsche  in  Widerspruch  zu  dem  Wortlaut 
des  Statuts:  darin  liegt  die  mächtigste  Ur.sache  seines  I-'alles. 

Aber  nicht  Idols  amtlich,  sondern  ancli  und  das  ist 
das  schliimiisic  |  le;  s>'Milirh  liai  Dittes  Schiiihnu-h  gelitten 
in  W  ien;  w  enigstens  scuciiii  es  so.  Wir  sind  niclit  mein  ganz, 
klar  über  den  Mann;  der  Glaube  au  ihn  ist  erschüttert  Die 
dringliche  Frage  nach  dem  wirklichen  Dittes  beantwortet 
niemand.  Wer  könnte  es?  Kia  ehrlicher  Freund,  der  die 
Wiener  Zeit  mit  erlebt.  Ein  solcher  Mann  scheiut  nun  eben 
nicht  vorhanden  /ti  ^ein. 

Die  hauptsäciiHchsten,  aber  siuntlicii  mein  oder  weniger 
peiM»iiiich  oder  parteilich  gefärbten  Unterlagen  zur  Beur- 
teilung des  i'ädagogium-Direktors  Dittes  sind:  1.  von  ihm 
selbst:  Mitteilungen  aus  Wien,  im  Jahrg.  1869  der  Allgem. 
deutschen  Lehrerzeilung  Das  Lehrerpädagogiimi  der  Stadt 
Wien;  Wien,  A.  Pichlers  Witwe  u.  Sohn  1.S73  —  W'iener  (tC- 
schichten.  Päd.  IV ;  -  2.  Das  Wiener  r.'ir'aL^ogium  von  i<S68-  81, 
dargestellt  von  Adolf  Kolatschek;   ].ei|)'i!^.  Reichardt  1886. 

Der  X'erfasser  der  zulct/t  angeiührten  Schrift,  früher 
*  i\  imiasial])rofessor,  hatte  die  keferatss orlage,  die  Krrichtung 
cimr.s  >i.idtischen  Lehrerseminars  betreffend  ,  bearbeitet  und 
war  von  1868-72  Mitglied  der  Auf  Sichtskommission  fürs 
Pädagogium.  Rr  tritt  als  persönlicher  Gegner  des  ersten 
Pädagogium-Direktors  auf.  Diesem  ist  er  mit  der  Feder  bei 
weitem  nicht  gewach .seu;  er  schreibt  oft  flüchtig,  sodafs  seine 
Darstellung  an  nuuu  h<-n  Punkten  unklar,  ungenau  oder  gar 
unwahr  erscheint,  vielleicht  auch  ist.  Man  kann  ihm  das 
übel  auslegen.  Aber  dafs  er  wis>entlich  oder  absichtlich 
entstellt,  gefälscht,  glaube  ich  nicht.  Untl  gar  seine  ganze 
Kritik  kurzerhantl  als  Schmah-schrift  zw  brandmarken,  g^lit 


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BadoU  IH«lnoh. 

niclu  an.    Mir  scheint,  sie  hat*ungefähr  gleichen  sachlicheti 
Wert^ wie  die -  Wiener  Geschichten  ,  y.u  denen  sieancli  ilircm 
Tone  nach  pnfst.       NatürHcli  c  i  r».  ^^le  das  Bnch  die  rfeniüter. 
Man  war  gespannt  anf  die  Autwurt  Dittes  sei  da/,n  genötigt^ 
bemerkte  Sehubert  in  seinem  Repertorinni  (1887,   IV);  ein 
paar  Monate  s]>ater  jedoch  meldete  er  (1887,  VIII):  Dittes 
wird  Kolatschek  keine  Antwort  g'eben.    In  einem  umfang- 
reichen Briefe  an  mich  legt  er  die  Oründe  dar,  warnui  er 
sich  mit  seinem  Cegner  in  1;  ine  Hrörternng  einlassen  wird. 
Er  spricht  zu  mir  fest  und  siclier;  hätte  er  das  kürzer  ge- 
macht, mein  Glanbt-  an  seine  Dailti^nng  wäre  nicht  kleiner 
geworden:  aber  er  wollte  die  Ict/lc  I*alle  glätten.  Ich  gestehe: 
Kolatschek   hat  mich   ü'n   einen  Angenblick  irre  gemacht, 
aber  nnr  für  einen  Augenblick;  sein  Buch  mufste  ich  bald 
als  das  erkennen,  was  es  ist  und  bleibt:  eine  Schmähschrift, 
und  anf  eine  solche  darf  keine  Entgegnung  erlassen  werden. 
Der    Ehre  wäre  zuviel.      Den  umfangreichen  Hriel  selbst 
hat  vScbnbert  nicht  veröffentlicht,  auch  nach  dem  Tode  des 
Schreibers   nicht    Übrigens    hat  Dittes   doch  geantwortet 
(Päd.  IX,  481  ff.),  al)er  nurinivSehimpfstildes  XVI.  Jalirhnnderts, 
ohne  auf  Thatsächliches  einzugehen.    Dagegen  erklärt  er 
hier  -  wie  er  es  früher  und  später  auch  anderwärts  gethan 
-  es  handle  sich  nicht  blofs  um  seine  Person,  sondern  um 
die  Zukunft  des  ganzen  Lehrstandes,  der  Pädagogik,   ja  um 
die  öffentliche  Moral  und  das  öffentliche  Wohl.      Xnr  hilft 
uns  diese  Erklärung  nicht  über  Kolntschcks  liucli  liinweq;.') 
Würdigen  wir  nun  die  übrigen  niRllenscliril'ten  ziuMtc- 
scliichte  des  Pädagogiums  unter  Dittt-s.    vSie  stammen,  wie 
gesagt,  sämtlich   aus  dessen  Feder.    Dittes  hat  also  der 
Allg.  deutschen  L,ehrerz.  (schon  im  März)  1869  eine  Reihe 
»Mitteilungen«   geliefert*)  (über  die  erst  im  Herbst  1868 
eröffnete  Anstalt):  aber  nicht  etwa  blofs  sachliche  Auf- 
klärungen. Perichte,  Auszüge   aus  Statuten   und  Lehrplan, 
sondern  auch,   und   /wnr   vorzugsweise  persönliche  Urteile, 
Behauptungen,  die  mindestens  als  voreilig  bezeichnet  werden 
müssen.  Die  Wiener  I^ehrer  z.  H.  werden  derniaisen  gelobt, 
dafs  man  —  wie  Kolatschek  mit  Recht  bemerkt    -  sich 
fragt,  wozu  denn  der  Wiener  Gemeinderat  ein  Pädagogium 

')  Rilsmann  bemerkt  (räd.  Z.  1S96,  Nr.  ,^9»:  er  habe  auf  Grund 
.sicheren  Materials  in  zwei  Aufsätzen  (der  V.  Z.j  die  Hauptauklagen 
als  unbegründet  nachgewiesen.-  Ich  finde  das  nicht.  —  Vgl.  P.  Z. 
1886.  Xr.  37  ;  1887.  Nr.  4. 

*)  Die.se  Mitteilungen  liabe  ich  nielil  ^iLlcsen.  litii  KiiiikhiuUt, 
der  Verleger  der  A.  d.  L.,  an  den  ich  mich  gewendet,  konnte  mir 
die  Nrn.  nicht  vcrschnffen  h  h  li.ilu  mich  daher  an  die  Zitate  Viri 
Kolatschek,  von  denen  idi  glaube,  dai.**  sie  richtig  sind,  da  er  auch 
sonst  richtig  zitiert 


63  a 


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gcgrüncU  t  und  zu  (ksstn  Leitung  einen  Direktor  aus  Ciotha 
berufen.  Wollte  Dittes  x  ielleiclit  mit  jenem  Urteil  über  die 
Wiener  Lehrer  siine  Abneigung  gegen  die  Uhnngsschule 
deeken  ?  Und  was  be/.\v  eek(e  er  mit  der  OllVnlcn  nug:  das 
Pädagogium    besitze    einen    ^L'lnn    als    Diickloi.  dessen 

Element  der  Kampf  ist?  Dafs  es  der  Anstalt  zur  Zeit  der 
Eröffnung  beinalie  an  allem  fehlte«,  ist  mindestens  eine 
Übertreibung,  wie  die  Phrase  »ich  drängte  znr  Eröffnung 
der  Arena  -  eine  Geschmacklosi  gk  ei  t.  K  u  rz :  die  »  Mitteilungen  * 
sprechen  kaum  zu  (runsten  ihres  \  erfassers,  und  es  lafst 
sich  denken,  dafs  sie  beim  C  ietneiiul«  rate,  sofern  sie  ihm  be- 
kannt wurden,  grof<r^  "Mifstnllcn  erregten.  Weiler  die  bei 
'  Pichler  erschienene  ]ilo^v. liüre.  Deren  Schlufswort  ist  wieder 
voll  von  hochtönenden  Phrasen.  lM)ertreibungen  (um  niehl 
einen  schärferen  Ausdruck  zu  gebrauchen),  Selbstverherr- 
lichutig.  Bin  starkes  Stück  auch  ist  das  Totschweigen  des 
ersten  Übungsschuldirekturs  Willmaun,  und  die  Behauptung: 

die  Übungsschule  fristete  in  den  ersten  Jahren  (also  unter 
Willmann!)  ein  kümmerliches  und  sieches  Dasein.  Die 
breit  erzählten  Wiener  ( »eschiehten  -  endlich  machen 
wiederum  einen  ungünstigen  Kindruck.  Da  beschäftigt  er 
sich  höchst  ernsthaft  mit  pfäffischen  Klatschereien  und  andern 
Dummheiten,  von  denen  man  glaubt,  sie  könnten  einen  ge- 
reiften Mann  nicht  im  geringsten  riihren.  (Und  wirklich 
hat  D.  einmal  im  I*ädagogium  seinen  Schülern  gegenüber 
geäufsert:  um  die  kitter  der  Finsternis,  ihre  Gehilfen  usw. 
kümtnere  er  sicli  iiieht.)  Da  scheut  er  sich  nicht,  die  ihn 
allzu  jjlninp  li)1)iiu<ic  Inden,  von  kniinschem  Pathos  getraL^enen 
Aufsäi/e  mehiciei  üsterreichischei  Lehrerzeitungen  einzu- 
fügen! Und  w^i(^  rühmt  er  sich  selbst!  Einmal  sagt  er,  er 
habe  «während  emer  langen  Reihe  von  Jahren  ein  in  seiner 
Art  seltenes  Beispiel  von  Uneigennützigkeit  im  öffentlichen 
Dienst  gegeben  -  nur  finden  wir  leider  nicht,  worin  denn 
diese  Uneiuicnnützigkeit  bestanden.  Zu  einer  ( leldgeschichte 
verbraucht  er  vier  Seiten  und  doch  versichert  er  wieder- 
holt, er  sei  kein  Gnlflenjä^^er,  liabe  nie  Ciewinn  gesucht! 
Schliefslich :  wx'lch  ungeheuerliche  Aufserungen  über  sein 
Dienstverhältnis!  Er  meint  S.  219:  Wer  dem  Pädagogium 
nicht  blofs  einige  Pflichtstundeu,  sondern  seine  ganze  persöu* 
liehe  Hingebung  widmen  wollte,  der  hätte  sich  von  Anfang 
an  sagen  mögen:  Lafs  die  IToffnung  draufsen!  Und  weiter 
behauptet  er,  sein  Leben  als  Direktor  des  Pädagogiums  sei 
eine  dreizehnjährige  Trag()die  des  Kampfes  um  die  höchsten 
Güter  der  .Menschheit  gewesen.    .S.  \-\^  aber  klagt  er  L^ar: 

Die  AufsenweU.  sofern  sie  mein  pächigogisehes  Interesse  in 
Anspruch  nahm,  war  meinen  .\ugeu  \  erschlossen,  und  meine 


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634 


liuJoir  üii-trii'b. 


,<<:an/A    Sitiuitiou    hatte    ciucii    Ik-i^eschmack    von  i^db- 

cigeiiMchattl ! 

Was  vcrlanj^ic  demi  der  Geuiciiidcrat  vom  Direktor  des 
Pädagogiums?  Kr  sollte  (nach  dem  Konkursausschreiben 
V.  28.  IX.  66)  ein  Fachmann  sein,  der  bereits  an  einer  ähn- 
lichen Anstalt  mit  Erfolg  ^a- wirkt,  der  den  Unterricht  in 
sämtlichen  päd agojji sehen  Disziplinen  einschliefslich  der  Schul- 
praxis übernininit,  aul'serdeni  <  )rjL;anisationstaknt,  Kenntnis 
der  Wiener  Srlmlxustände  und  lA-hrerbednrfnisse,  Wrstandui.s 
lür  das  autonome  ( icnieinwesen  der  JStadt  Wien,  endlich 
richtijjeii  Takt  und  lortsciirittliche  (iesinnunt^  besitzt.  Was 
dem  Genieinderate  bei  der  Wahl  am  lo.  III.  68  vorschwebte, 
war  ein  freisinniger  und  tüchtiger  Pädag<j}^num-I)irektor,  der 
sich  vollkommen  und  ausschliefslich  der  Anstalt  widmet; 
ein  Kämpfer  im  Klemeutf  welcher  aus  dem  Fädadoginm  selbst 
eine  Katnpfstätte  maehte,  pafste  ihm  zu  keiner  Zeit. 
1  Kolatschek.)  —  (iewifsnic  hi  niiL^ewöhnliche  Antorderuni^en  ' 
})er  das  vollkonnnen  und  a;isschliefslich  ?  Es  ist,  wie  in 
•  ielcn  l'aiien,  nicht  so  streng  gemeint:  Diltcs  wurtlc  ja  anf 
Betreiben  oder  unter  Zustimmung  des  Gemeinderaies  Bezirks- 
schuHnspektor,  Landesschulrat,  Mitglied  der  Lehrerprüfungs- 
kommission. Sein  Anstellungsverhältnis  war  auch  äufserlich 
aufs  günstigste  geordnet:  die  bare  Besoldung  betrag  3600  £1.; 
die  freie  Dienstwohnung  wurde  auf  1200  fl.  g^ewertet;  ein 
Kiindi^ji-niigsrecht  stand  dem  ( iemeinderaic  inehl  zu.  Seine 
Pension,  um  das  auch  noch  hier  zw  erwähnen,  wurde  iKHi 
auf  2jiK>  fl.  festgesetzt  und  steuerfrei  ei klärt;  verzehren  durfte 
er  sie  an  jedem  Orte  des  In-  oder  Auslands.  Nämlich  das 
Recht,  den  Direktor  in  den  Ruhestand  zu  versetzen,  hatte 
der  Gemeinderat  Aber  nur  unter  zwei  Bedingungen:  .>i.  wenn 
das  Pädagogium  zu  bestehen  aufliören  soTlie;  3.  wenn  der 
Direktor  nacli  einer  vom  Oemeinderate  gepflogenen  Unter- 
suchung durcii  denselben  als  knr]ierlich  oder  geistii^  zur 
KrfüllnuL,''  seiner  Pflichten  unlaugiicii  erklärt  werden  sollte. 
Dafs  die  zweite  Bedingung  zutreffe,  hätte  der  rienieinderat 
in  dieser  oder  jener  Form  behaupten  können.  Dem  kam 
jedoch  Dittes  zuvor:  er  erklärte,  dafs  er  zur  Lösung  seines 
Dienstverhältnisses  im  Wege  gütlicher  Auseinandersetzung- 
berL'it  sei. 

Ich  habe  nun  im  Zusammenhang  kurz  zu  erzählen,  wie 
ts  "^o  weit  gekonnnen.  Gleicii  am  Anfang  konnte  der 
<  leineinderat  merken,  dai's  Dittes  doch  nicht  der  gesuchte 
Mann  .sei.  Dieser  stellte  nämlich,  als  er  schon  gewählt  war; 
die  Bedingung:  Jede  Beeinflussung  des  Pädag<jgiums  durch 
(icistliche,  gleichviel  welcher  Konfession  oder  welchen  Ranges 
dieselben  sein  mögen«  ist  vollständig  und  unbedingt  auszu- 


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Frlvtlricli  Diu«». 


sclilicfscn.  Dif  verschiedenen  Aufsich tsheliörden  werden  also 
niemals  und  unter  keinerlei  Form  irj^-eud  eine  Inspektion 
odei  .-»onst  einen  amtlichen  Akt  durch  eine  rcrsönlichkeit 
«geistlichen  Standes  in  der  Anstalt  vornehmen  lassen  .  Zwar 
zog  Dittes  diese,  vom  Ciemeinderat  als  unannehmbar  erklärte 
Bedinguu}^^  zurück;  aber  der  Grund  zum  Mifstrauen,  zur  Un- 
zufriedenheit auf  Seiten  der  Behörde  war  gelegt  Als  dann 
Dittes  seinen  Dienst  angetreten  hatte,  änfserte  er  neue 
Wünsche  und  Absichten.  Ob  es  nicht  doch  besser  und  tun- 
lich -wäre,  wi'un  man  i:4;1eich  jetzt,  an  Stt-lle  des  Päf':iL:;()<^inins, 
das  doch  keine  Aussicht  auf  Bestand  habe,  ein  sechsklassi<»^es 
Seminar  errichtete?  fragte  er  am  ersten  Tage  (erzählt 
Külatschek).  Das  klingt  eigentlich  unglaublich:  Dittes  kannte 
ja  das  Statut^  war  auf  dieses  verpflichtet  1  Ferner  wollte 
er  die  Übungsschule  nur  als  Anhängsel  betrachtet  wissen, 
am  liebsten  freilich  sie  ganz  beseitigen:  womit  wieder  eine  Um- 
bildung der  eben  ^gegründeten  Anstalt  beabsichtigt  war.  Denn 
CS  leuchtet  <t]nR-  weiteres  ein,  dafs  eine  Korrektnranstalt 
gerade  auf  die  L'!>niiL;sschnle  das  gröisle  <  rcw  icht  legen  nuilslc. 
vSelbst  eine  reine  Lehrcrlortbildungsansialt  kann  ihrer  nicht 
entbehren.  —  Drittens:  in  der  Eröffnungsrede  (!)  nannte  Dittes 
das  Pädagogium  ein  ^Experiments  und  den  Diesterwegschen 
Unterrichtsgrundsatz  (Stat  i?  33)  —  -die  Form  jedes  Vortrags 
im  Pädagogium  mufs  zugleich  die  I'*orm  abspiegeln,  in  welcher 
der  (jegenstatid  in  den  Schulen  zu  lehren  sein  wird  er- 
klärte er  als  unricliliL^  und  undurchführbar,')  In  diesem 
letzten  Punkte  hatte  er  sachlich  recht.  -Aber  damit,  dal's  er 
das  in  der  Kröllnnngsrcde  sagte,  hatte  er  natürlich  nicht 
recht;  er  hätte  es  vor  Annahme  der  Wahl  sagen  müssen;-') 
an  Zeit  und  Gelegenheit  fehlte  es  ihm  nicht.  •  -  Viertens: 
Kaum  stand  die  Anstalt  in  Thätigkeit,  als  ihr  Direktor  die 
schon  gewürdigten  > Mitteilungen  an  die  AUg.  d.  Lehrerztg. 
schickte.  I'nd  im  ersten  Jahresl)cricht  rückte  er  wieder  der 
-Aufsichtskomniissicin  ^^^egenüber  mit  seinen  Äudernnq^s-  und 
Umgestaltungs\  (Mschiägen  heraus  doch,  wie  zu  erwarten 
war,  ohne  Krfolg.  Die  Kommission  bemerkte  u.  a.  (nach 
Kolatschek):  Die  Frage  der  Umgestaltung  des  Pädagcgiums 
bleibt  am  besten  unerörtert;  sie  soll  keinesfalls  früher  in  Er- 
wägung gezogen  werden,  als  bis  der  Bau  des  Pädagogiums 
selbst,  dessen  Plan  ein  ebenso  tief  als  allseitig  erwogener 

'1  Die  AuLsichtäkoiuniiiision  wurde  dadurch  derart  verstiramt, 
dai»  sie  das  Festessen  absagen  Itefs. 

•)  Wenn  Kolatschek  in  der  Hrklänni^  einen  Sloi's  sieht  der  das 
ijan/e  (iebätide  erscliiitterte,  so  ist  das  Ueilich  eine  .^t  iI.l  \"er- 
grölseruujj^ ;  aber  .sie  erscheint  begreiflich,  da  jener  Lehrgrundsalz 
ans  Dicstcrwcgs  (Uttachteti  stammt. 


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636 


lind  von  eiiuMii  einlicitlichcn  Oedankeii  gctraj^entr  ist, 
vollendet  sein  w  ii  d.  Für  jetzt  kann  es  sich  nnr  darum  liati- 
deln,  die  I>csiimniun^\n  des  Slattit^.  snwic  alle  übrij^'-en  auf 
die  Anstalt  sich  bezielieiulcn  Xuiinen,  die  so  klar  sind,  dals 
ein  Zweifel  über  ihre  Auslegung  <^aT  nicht  bestehen  kann, 
sinn-  und  wortgetreu  atiszuführen.  Jene  Fra^je  schon  jetzt 
und  bevor  inan  weifs,  ob  und  inwiefern  das,  was  man  mit 
Krnst  und  Uberlegunii^  j*^ewollt,  sich  auch  praktisch  erwiesen 
habe,  aufwerfen  und  in  Heratunji^  ziehen,  hiefse  nichts  niidcres, 
als  das  eit^'^eiie  Werk  den  Winden  ])reisj^eben,  indem  man 
einerseilN  .>icli  selbsi  den  tesien  lioden,  den  man  hat,  unter 
tlcn  Fülsen  iiinwejLj  ziehen,  und  andererseits  wieder  den 
Feinden  des  Pädagogiums,  die  nur  darauf  warten,  sowie  der 
Schablouenweisheit  nnd  Projektniacherei  Thür  und  Thor  öffnen 
würde.  Kein  wahrer  Freund  des  Pädagogiums  kann  dies 
wünschen  .  Eine  deutliche  vSprache.  Doch  Dittes  kehrte 
sich  nicht  daran.  Tn  seiner  vSchrift  Das  Lehrerpädaf^oi^num 
usw.  sagt  er  offen,  worauf  er  abzielt:  Männer  zu  bilden, 
welche  in  je<ler  Hinsieht  für  die  leitenden  vStellungen  im 
Volksschuldienslc  tüchtig  sind.  Diejenigen,  welche  das  Piula- 
gogiuin  mit  Ehren  absolviert  haben,  kann  man  getrost  als 
Kandidaten  für  Direktor-^  Inspektor-  und  Seminarlelirerstellen 
betracliten*.  Im  vSinne  seines  (rründers,  des  Wiener  Ge- 
meinderats  ,aber  sollte  das  Pädagogium  die  ungenügende 
wissenschaftliche  und  berufliche  Ausrüstung  der  Volk.sselml- 
lehrer  (die  ihnen  der  Staat  gewährt)  verbessern,  ergänzen, 
überhaupt  tüchtige  Lehrer  für  die  städtischen  Volksselinlen 
bilden  davon  ist  auch  immer  in  den  (nebenbei  bemerkt, 
ziemlich  dürftigen)  Berichten  der  Aufeichtskommission  die 
Rede.  —  Aus  alledem  erhellt:  Dittes  war  nicht  gewillt,  das 
Pädagogium  den  vorgeschriebenen  Bestimmungen  gemäfs  zu 
leiten,  obwohl  er  sich  schon  durch  Annahme  der  Berufung 
dazu  verpflichtet. 

In  demselben  Jahre,  in  welchem  die  zuletzt  ani^x liiiirit 
Schrift  erschien  (1873),  ^vurde  Dittes  Mil^^^hed  (K  s  Keieiisrates, 
tlem  er  nun  bis  1879  angehörte.  Der  Oeineinderal  war  davon 
umsoweniger  erbaut,  als  er  in  .seiner  Mehrheit  liberal  -  war, 
während  l3ittes  sich  zu  den  sog.  Demokraten  .schlug.  Für 
uns  hier  fällt  nur  die  allgemc  ine  Frage  in  Betracht:  ob  Dittes 
wohl  daran  that,  jenes  politii>che  Amt  zu  übernehmen.  Und 
wir  v  erneinen  diese  Frage,  zunächst  auf  (iruud  der  Wiener 
(^reschicl.Uen  .  Dittes  redet  da  wie  anderwärts  viel 
von   der  mul  Schwierigkeit   der  Arbeit,   die   er  als 

Direktor  des  l'ädagugiuuis  zu  bewältigen  gehabt;  er  ki  igi. 
oft  darüber,  dafs  er  sich  in  seiner  beruflichen  Stellung  ge- 
.sundheititch  geschädigt,  klagt  weiter  über  einen  »Bcige- 


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637 


schmack  v<)n  Leibeigenschaft  .  I)etiig^eg;eiu*iber  innfs  man 
docli  annelmicn.  dafs  er  weder  Zeit  nocli  Kraft  für  einen 
sechsjährigen  Rcichsratsdienst  beses>ci!.  Zwi^c  lun  dem  einen 
und  andern  besteht  ein  offenbarer  VVKlti.sprucli.  Aulsenlem 
fehlen  die  Beweise  dafür,  dafs  Dtttes  mit  der  umfassenden 
und  gründlichen  staatswissenschaftlichen  und  volkswirtschaft- 
lichen Hiklnng  ausgerüstet  gewesen,  welche  ihn  befähigt 
hätte,  iin  Reichsrat  eine  seiner  beruflichen  Stellung  genügende 
Rolle  zu  spielen.  Oder  wollte  er  einseitiger  •  Kulturkämpfer 
.sein  ? ' ) 

Nun  war  nicht  mehr  viel  /n  verdtrl)en.  Die  Reibereien 
oder  Ärgernisse  der  letzten  beiden  Jahre  (iö8o/Si)  können 
wir  unberührt  lassen.  Dagegen  müssen  wir  eine  höchst  be- 
fremdliche Thatsache  noch  hervorheben.   Dittes  behauptet, 

er  sei  nicht  verpflichtet  gewesen,  irgend  welchen  Unterricht 
/u  erteilen.    Allerdings  spricht  die  Anstellungsurknnde  nicht 

davon,  mul  man  mag  das  nis  eine  persönliche  Flüchti,L;l<eit 
Mes  rienuindernte<;K  als  eine  sachliche  Lücke  ansehen.-) 
,Vl)cr  Dittes  hätic  doch  (wenn  er  alles  reinlich  geordnet  haben 
wollte)  auf  die  einfachste  Weise  die  rechtzeitige  AiisiüUting 
der  Lücke  bewirken  können.  Doch  ich  halte  das  für  eine 
höchst  unbedeutende  Änfserlichkeit  —  jene  Verpflichtung 
dagegen  für  selbstverständlich,  für  eine  innere  Xotwendig- 
keit,  für  den  dringlichsten  Wunsch  eines  Sohulleiters.  Dittes 
sellist  kann  unmöglich  geglaul)t  haben,  dafs  ihm  dir  Ge- 
nieinderal  für  die  blofse  Direktion  36(;k)  fl.  gezahlt  und  über- 
dies noch  eine  grofse  Wohnung  gewährt.  Seine  Reden  \-on 
Uneigennützigkeit,  von  freiwilligem  \'erzicht  auf  grol>c  ik- 
träge,  die  ihm  gebührt  hatten,  sind  mir  unverständlich,  so- 
weit sie  sich  auf  den  Unterricht  in  Pädagogik  und  Methodik 
beziehen,  und  sie  l)ezielien  sidi  allerdings  zumeist  darauf.  - 

•Aber  die  Anfeindungen,  \'erleumdnngen,  ultramontanen 
Wühlereien  und  ('kri::^l. ?  Die  1a<sc  man  doch  endlich  ein- 
mal aufser  (kni  .Spiele!  Dittes  muiste  auf  irL^nid  i  ine 
Weise  von  seinem  Posten  zurücktreten,  weil  er  sicli  silb.st 
unmöglich  gemacht:  weil  er  von  vornherein  wesentlich  andere 
Ziele  verfolgte  als  derjenige,  der  ihn  berufen,  und  aufserdeni 
durch  sein  Reden,  Schreiben,  sein  ganzes  Verhalten  und  Wesen 
mifsliebig,  zuletzt  unerträglich  geworden.  Wir  können  zu 
keinem  andern  Schlnls  kommen. 

Mit  dem  Rücktritt  \>m\  l^ädagoginm  aber  unter  selir 
vorteilhaften  äufser*  n  liedingungen  endet  das  j^rakti.sche 
Wirken  des  nun  schon  52  jährigen  AhuiuL>.    Osterreich  und 

')  Seine  thalsächlicheu  lAisluni^cn   i's  Ki  ioli-^r  il  Iccmu'  nicht. 
Kolatschck   versichert   übrigens,    der  nnl   Wiilnuuui  ah}<e- 
schlossene  Anstellungsvertrag  weise  dieselbe  Lücke  auf. 


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6^8 


Radoir  t>l#trlrli. 


Denlschlan«]  knimtcn  oder  wnlltm  Ihm  eine  Stelliniir. 
sie  beanspi ucIjLc,  uiclit  oder  iiiclit  mein  ))ii.un.  l'ud  um 
eine  Professur  in  der  vScliweiz  sich  zu  bewerben,  halte  er 
wohl  nicht  Lust  Aber  er  hätte  ja  kleine  Abteilungen  junger 
Lehrer  wissenschaftlich  fördern,  oder  Junglinge  sittlich  und 
politisch  bilden  können.  Ohne  Entgelt,  versteht  sich;  wäre 
für  einen  Dit.  IChrensaclie  gewesen,  und  er  war  ja  auch 
danach  gestellt  Dafs  er  wirklich  etwas  dergleichen  g'ethan« 
wird  nir<4ends  gemeldet.  Auch  von  eiiutn  irrolsen  wissen- 
schaftlichen, oder  sonst  einem  bedeutenden  schriltsu  llerisrlien 
Werke,  das  in  den  letzten  fünfzehn  Jalircn  seines  Jüchens 
entstanden,  wissen  wir  nichts.  vSoilie  ihm  das  eine  oder 
andere  nicht  Bedürfnis  gewesen  sein?  Das  'Pädagogium 
kann  doch  höchstens  die  Hälfte  seiner  Zeit  in  Anspruch  ge- 
nommen haben. 

5- 

Indem  ich  mich  den  von  Dittes  herausgegebenen  Druck- 
werken zuwende,  mnfs  ich  erklaren:  i.  dafs  es  mir  auf  dem 
beschränkten  Rnnme  nicht  möglich  ist,  alle  zu  !ji  nc litendcn 
Scliriften  eingehend  zu  würdigen  -  2.  dafs  ich  nicht  den 
akademischen  Broschüren  (Jugendarbeiten)  und  den  Lehr- 
büchern, sondern  der  Monatsschrift  Pädagogium  die  bei 
weitem  gröfsere  Bedeutung  zuerkenne.  Demgeinäfs  widme 
ich  diesem  Sammelwerke  einen  besonderen  Abschnitt  und 
aufserdem  den  II.  Hauptteil  des  Dittes-Hcftes  ,  wäht'  ii<l 
ich  von  jenen  selbständigen  Schriften  teils  nur  den  Inhalt  <A), 
teils  --  die  Schule  der  P:if!n<:^ogik  ist  zu  bekannt  blofs 
den  Titel  (B)  anführe.  1);H>  hitto^^  von  iSf)6  — S6  den  Päda- 
gogischen jalncsbericht  liciciu.sgLgebcii  und  in  diesem  den 
Abschnitt  Pädagogik  bearbeitet,  kann  ich  leider  nur  erwähnen. 

A.  I .  Das  menschliche  B  c  w  u  i"s  t  s  t;  i  n.   i( iekröutc  Preis- 
arbeit)  1852. 

Einleitung      Theorie  (P^ntstehung  und  Anwachsen 
Wechsel  des  m.  H.)  —  Anwendung  der  Hewufstseins- 
theorie  auf  Erziehung  und  l^nterricht 

2.  Das  Ästhetische.   (Gekrönte  Preisarbeit)  1853. 

Einleitung  -  das  (rrundw  <  sen  des  Ä.  (d.  A.  als  seelische 
Entwicklung  die  ästh.  .\nffassung,  Produktion  und 
Darstellung;  -  d.  Ä.  als  (Gegenstand:  in  Xatur,  Menschen- 
weit,  Ktinstwerkeni  Die  pädag.  Bedeutung  d.  A. 
(Ziele  uutl  Kräfte  Mittel  und  Methoden). 
|i  und  2  sind  1893  bei  J.  Klinkhardt  in  Leipzig  als 
I.  Heft^  der  -Gesammelten  Schriften ^  erschienen. 
Preis  2.40  M.J 


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3.  I'ber  RcH  ;^ion  und  1  el i  <jf löse  Mensclieiibildungf. 

PI.11R11,  F.  K.  Neupert  1^5' 

l  her  Rtlij>ioii  -  (Kinkiiuiij^  —  ästhetische,  praktische, 
theoretische  di uiidla^eii  der  Religion  —  die  Prudukle 
der  reHgiöseii  Entwicklung  —  geoffenbarte  und  positive 
Religion  —  änfsere  Darstellung  der  R.)  —  Über  relig. 
Mensch enbildung  (Einleitung  —  allgemeine  Theorie 
<1.  rclig.  M.  relig.  Erziehung  Religionsunterricht). 
(Die  Schrift  soll  sein  ein  Teil  der  angewandten  |i>ra!:;- 
niatischen|  Seelenlehre  und  eine  Fortsetzung  von  i  und  2.) 

4.  Xaturlchre  des  Moralischen  und  Kunst!  ehre 
der  moralischen  Erziehung.  Leipzig,  Gust.  Maver 
1S56.    Preis     .75  M. 

Xaturlehrc  d.  M.  (Einleitung  die  allgemeine  sittliche 
Norm  —  die  gesellschaftliche  Bedeutung  der  s.  N.  — 
die  Abweichungen  von  der  s.  N.  —  die  Offenbanings- 

formen   der  s.  N.)  —  Kunstlehre  der  moralischen  Er- 
ziehung (Einleitung  —  die  Zöglinge  und  ihre  Lebens- 
rirhtiiii?^       die  P'rzieher  und  ihre  Wirkungskreise  - 
die  Zwecke  und  ihre  X'ermittlungeu). 

5.  Ü  1)  e r  d  i  e  s  i  1 1 1  i  c h  e  F r  e  i  h  e i  t  mit  besonderer  Herück- 
siehtigung  der  vS\slenu  \on  Spinoza,  Eeibniz,  Kant, 
(liekrönte  Preisschrift.)  1859. 

Positiver  Teil:  Einleitung  —  regressive  (theoretische) 
Untersuchungen  (empirische  Gesichtspunte  -  rationale 
Hestiinmungen)  -  progressive  (pragnuitische)  Dar- 
stellungen (die  sittliche  Freiheit  als  Präsens,  Perfektuni, 
Futurum).  Kritisclur  Teil:  Vorbemerkungen 
Spinoza       Kaut  Leibiiiz. 

6.  Uber  den  E  u  d  ä  m  o  n  i  s  in  n 

Einleitunii       der  F.  an  sich      der  E.  und  der  Men.sch, 
die  rreseH.Ncliaft,  die  iulelligible  Welt  -  Schlui's. 
I5  und  6  sind  1892  vereint  bei  J.  Klinkhardt  in  Leipzig 
erschienen.    Preis  2  M.| 

B.  I.  Grundrifs  der  Erzichungs-  und  Un tcrri cht.s- 
lehre.  1868.  —  la  Aufl.  1895.  -   Preis  3  M. 

2.  (i  esch  i  ch  te  der  Erziehung  und  des  Unter- 
richts für  deutsche  X'olksschullehrer.  1870.  ~-  10.  Aufl. 
1895.    (In  einem  \ac1nvort  werden    <lie  bis    1893/4  im 

Pädagoi^ium     erseliiciRueu   geschichtlicheji  Aufsätze 
angcfülirt.)       Preis  2  M. 

3.  Eehrbuch  der  praktischen  Logik.  18;  1.  — 
9.  Aufl.  1891.  -   Preis  i  M. 

4.  Lehrbuch  der  Psychologie.  1872.      7.  Aufl.  1882. 

Preis  2,40  M. 


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640 


fUldoU  Dietrich, 


5.  Methodik  der  X'olksschule  auf  ^eschichtl.  Grundlage. 
1S74.  -     4.  Aufl.  1S7S.        Preis  3,60  .M. 
[Verlag:  J.  KHnkliardt  in  Leip/ig.    15   kosten  als 
Schule  der  Pädagogik    (5.  Aufl.  1896)  7,  geb.  8  M.| 

6. 

Dliu  Vorwort  (rrn;;iainni)  zum  ersten  Hcfu  der  Monats- 
sehriu  P ä d  a  go  i  u  ui  ,  das  int  Oktober  1S7.S  t  i  schien,*) 
entuehmeu  wir  folgende  Stellen:  i^cr  Zweck  der  Zeitschrift 
ist,  den  Weg  zu  dem  von  Pestalozzi  aufgestellten  Ziele 
aller  Men.scUenbiWung -)  gangbar  zti  macheu  .  Sie  will  nicht 
irgend  einer  Klasse,  einem  Stande,  einer  Partei,  einer  Sekte, 
einer  Nation,  sondern  der  Menschheit  dienen:  unser  Stand- 
punkt  ist  der  kosmopolitische,  der  internationale,  der  humane. 
Ans  allen  Kulturvölkern  der  Gegenwart  wollen  wir  Mitar- 
beiter für  unser  rnternehmcn  werben,  damit  die  qeineinsame 
Sache  der  Mcii.sLliiieit  t^^eiiic'iii>aTn  beraten  und  ^el'udLrl  werde. 
Das  Bildungswesen  aller  zi\ ili>ierlen  Xaiioiien  unserer  Zeit 
soll  in  seiner  Wirklichkeit  dargestellt  und  geprüft  werden, 
damit  ebenso  die  Mangel  wie  die  Vorzüge  des  Bestehenden 
hervortreten  und  die  erforderlichen  Reformen  augebahnt  wer- 
den. Hierdmch  sollen  zugleich  die  Bestrebungen  der  ver- 
schiedenen Knlturvr)lker  vor  Zcrsi-litterung  bewahrt  und  auf 
ein  gemeinsames  Ziel  iiingelenkt  werden,  damit  alle  von  ein- 
ander lernen,  alle  einander  Warnungen  oder  \'orbilder  dar- 
bieten, keines  aber  in  Selbstüberhebung  und  rugerechtigkeit 
verfalle. . . .  Wir  werden  die  prinzipiell  wichtigen  Punkte  der 
Wisseuschaft  vom  Menschen  im  weitesten  Sinne  (der  Physio- 
logie und  Psychologie,  der  Erkenntuisklire  und  Hthik,  der 
Sozialwissciischaft  und  Kultnri^eschichte)  beleuchten  müssen, 
um  die  iMuidnuiente  einer  befriedi'^euden  allgemeinen  \\\U- 
anseiiauini^  /u<  gewinnen  und  um  Stellung  zu  nehmen  zu 
den  wis^t  ii.schaftliehen,  sozialen,  politischen  und  relii^iösen 
Zeilliageu. . . .  Für  wen  wir  schreiben?  P'ür  Pädagogen  jeder 
Kategorie  und  jeder  Stufe,  sofern  sie  geneigt  sind,  neben  den 
speziellen  Angelegenheiten  ihres  persönlichen  Dienstes  den 
Zusammenhang dersil In  n  mit  dem  Kulturganzen  zu  würdigen 
und  zu  pflegeii;  für  Staatsmänner,  Landes-  und  Gemeinde- 
vertreter, sofern  sie  unsere  Überzeugung  teilen,  dafs  das  Bil- 
duugswesen  eine  wichtige  Angelegenheit  der  Völker  sei;  für 

iici  J.  Klinkliar<U  in  ].cii)zig.  Der  j,mii/.c  Jahrgang  kostet  jetzt 
4.50  M,  (statt  ()  M  l.  das  einzelne  Heft  0.75  M. 

-t    Das  Ziel  rtiterrichts  ist  cwijr  nichts  anderes  und  kann 

nichts  anderes  sein  als  die  durch  die  harmonische  Ausbildung  der 
Kräfte  und  Anlagen  der  Menscheiinatur  entwickelte  und  ins  £eben 
geförderte  Menschlichkeit  selber. 


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641 


Väter  und  Mütter,  für  alle  Freunde  menschlicher  Gestttung* 
und  Wohlfahrt,  sofern  sie  bereit  sind,  unseren  Anschatitingen 

und  \*orschlägen  eine  nnpnrteiisclie  Prüfnnj^  zu  widmen-.*) 
Was  ist  über  dieses  ProL;ranini  zu  urtcik-n?  Dafs  es  viel 
zu  weit  g:eht,  viel  -/n  viel  inntal>t,  unausführbar  ist,  oder  war. 
Thatsächlicli  hat  denn  auch  Uittts  nur  einen  Theil  von  dem^ 
was  er"  versprochen,  gehalten.  Weder  ist  in  den  ij'/j  Jahr- 
gängen »das  Bildung^swesen  aller  zivilisierter  Nationen  unserer 
Zeit  in  seiner  Wirklichkeit  dargestellt  und  geprüft-  worden, 
noch  ist  das  Pädagogium,  wenige  Aufsatze  abgerechnet,  so 
geschrieben,  dafs  es  von  Pi  hiofogen  jeder  Kategorie  und 
jeder  Stufe,  von  Staatsmännern.  Landes-  und  Gemeindever- 
tretern, von  Vätern  und  Müttern  mit  Lust  und  Nutzen  ge- 
legen, oder  überhaupt  gelesen  werden  könnte.  Und  dais  es 
einen  erheblichen  Binflufs  auf  die  »Bestrebungen  der  ver* 
schiedenen  Kulturvolker«  wirklich  ausgeübt,  wäre  schwer 
nachzuweisen.  Diese  Feststellung  kann  nur  insofern  als 
Vorwurf  oder  Tadel  aufgefafst  werden,  als  sie  besagt,  dafs 
Dittcs  sicli  etwas  für  ihn  T^mnögliches  vorgenommen.  Der 
wirkliche  Wert  des  Pädagogiums  wird  damit  in  keiner  Weise 
lierabgesetzt.  Ohne  Zweifel  hat  es,  als  Monatsschrift,  alle 
Zcit.-schriften  verwandter  Art  übertroffen  . 

Dittes  hat  es  verstanden,  mehrere  tüchtige  Männer  von 
ausgeprägter  Eigenart  an  sich  zu  ziehen  und  seinem  Päda> 
gogium  zu  erhalten.  Darunter  rechnen  wir  gleich  den  ersten 
im  Mitarbeiterverzeichnis  des  I.  Bandes:  den  Major  a.  D, 
P'ricdr.  A.schcr,  dessen  Beiträge  ganz  dazu  angcthan  waren, 
auch  Väter  und  Mütter  für  das  Pädagogium  zu  gewinnen 
(leider  starb  er  schon  r883\  Ferner  gehören  hierher  der 
Mathematiker  und  Naturwissenschaftler  J.  A.  Pick  (ein  vor- 
züglicher Mensch  und  Erzieher),  der  Seminardirektor  und 
namhafte  Deutschmeister  Theodor  Vemaleken,  der  schwei- 
zerische Pestalozziforscher  Heinr.  Morf.  Spater  kamen  hinzu 
der  Münchner  Philosoph  J.  Froh.schammer,  den  Dittes  be- 
sriuders  als  K ulturkanipfq;enosse  .schätzte,  der  Rcalgymnasial- 
diicktor  und  nu'hrj.'ihrige  Redakteur  der  Rheinischen  Blätter 
Rieh.  Köhler,  der  mit  Vorliebe  dem  Herausgeber  gegen  den 
Militarisinus  und  Klassizisnms  beistand,  der  Didaktiker, 
Ethiker,  Ästhetiker  Albrecht  Gdrth.  Hinter  diesen  und  anderen 


>>  Dittes  hat  steh  späterhin  noch  mehrmals  Ober  die  Aufgabe 

.scitur  Ziitschrift  L:<  ;infsert,  so  im  Schlufswort  zum  \'I  Jnhrp^,  wo  er 
am  linde  in  aller  Kürze  sa^t:  Das  Päd.  wird  bleiben  ein  unabhängiges 
Org-an  derjenijjen  Pädagogik,  welche  keine  andere  Richtschnnr  aner* 
kennt.  aU  (lie  freie  Prüfung  nnd  F'orschung.  und  kein  andcre.s  Ziel 
im  Auge  hat.  N  (1en  Fortschriit  der  Menschheit".  —  —  Das  ist  das 
Päd.  doch  nur  sclir  selten  gewesen  ' 


Seae  B«bnni  VU.  18. 


42 


tüchtitren  Männern  stand  freilich  mancli  nnbcdentende  CTföfse, 
Süd  als  es  dem  Pädago^iinn  auch  an  leiclUer  Ware  nicht  fehlte. 
Z.B.  im  V.  Jahrg^ang:  da  schreibt  A.  GrüUich  (ein  bekannier 
Vielschreiber)  ungemein  wortreiche  und  ganz  gewöhnliche,  sehr 
wohlfeile  Betrachtungen,  Belehrungen  im  Anschltifs  an  einen 
mittehnäfsigen  staatHchen  (sächsisclien)  Lehrplan,  und  dazu 
.sind  ihm  von  den  kostbaren  und  viel  begehrten  Seiten  der 
Zeitschrift  71,  sage  71  i^cwährt  worden  110  hätten  vollauf 
genügt).  Im  gleichen  Jahrgang  gestattet  der  T)emokrat  Dittes 
einem  Hugo  Weber  anuierknngslos  die  Jichauptung,  dafs  der 
Volksstaat  1.  ein  Utopien,  2.  ein  Xonsens,  3.  in  der  I-'ort- 
bildungsschule  lächerlich  zu  machen  sei!!  Im  XVII.  Jahrg. 
findet  sich  ein  Aufsatz  von  H.  Weigand  über  «die  Methode 
des  Geschichtsunterrichts  .  Allda  wird  u.  a.  Folgendes  ver- 
übt: »Das  Kind  soll  die  historischen  Leistungen  nach  seiner 
Meinunq^  beurteilen  .  Hat  es  fiV>er  (auf  gewisse  Fragen) 
eine  andere  Antwuri  als  die  (»eschichte,  so  sagt  der  Lehrer 
vielleicht:  Da  magst  dn  wohl  Recht  haben;  aber  KTmige 
denken  und  liaudehi  eben  anders  als  Schuljungen  und  thun 
in  ihrer  Weise  auch  recht,  ich  hätte  es  vielleicht  noch  anders 
gemacht,  und  obs  dann  besser  geworden  wäre«  ist  auch  noch 
fraglich  .  Unglaublich,  aber  wahr.  Welcher  Art  jene  ge- 
wissen Fragen  sein  können,  zeigt  das  Heisj)iel:  >Was  hättest 
dn  an  König  Wilhelm  I.  Stelle  1H66  mit  dem  Konige  von 
Hannover  gemacht?  HottentiicU  sind  die  Kinder  vernünftiger 
als  ihr  Herr  Lehrer.  — 

Reichliche  Entschädigung  für  Aufsätze  von  dieser  vSorte 
findet  der  Leser  in  der  zweiten  Abteilung  des  Pädagogiums: 
in  den  meist  sehr  gut  geschriebenen«  fortlaufenden  Berichten 
über  das  pädagogische  Leben  und  Treiben  in  den  wichtigsten 
Staaten.  Eine  gleich  umfassende  und  ausgedehnte  Rund- 
schau^ wurde  und  wird  von  keinem  andern  1-V.rhl)latte  ge- 
boten. Ähnlich  verhält  es  sich  mit  den  i88i>  eingelührten, 
zuerst  monatlichen,  dnnn  vierteljährlichen  Berichten  aus  der 
Fachpresse  ,  welche  sich  auf  die  .sachlich,  persönlich  oder 
zeitlich  bedeutenden  Aufsätze  einer  grolsen  Zahl  deutscher, 
österreichischer  und  schweizerischer  Schul-  und,  Erziehungs- 
blätter erstrecken  und  niemals  blofse  Titel  oder  Überschriften, 
sondern  brauchbare  Skizzen,  Inhaltsangaben,  Auszügebringen, 
auch  kritische  Bemerkungen  nicht  vermissen  lassen. 

Scharte  Kritik,  geübt  von  einem  vStaiul]iunkte  ans,  der 
ziemlicli  weit  links  liegt,  ist  das  weseutlichslc,  das  eigenste 
Merkmal  und  Wirkungsmittel  des  Pädagogiums.  Daran 
denkt  man  gewohnlich  zuerst,  wenn  von  ihm  die  Rede  ist, 
und  mancher  weifs  von  nichts  anderem.  Wer  aber  die  17'/« 
Jahrgänge  durchgeht,  der  wird  finden,  dafs  das  Pädagogium 


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Friedrich  Dlttat. 


auch  zeit-  und  vemunftgemäfses  Neue  zu  gestalten,  oder 
Grund  zu  legen,  auszubauen  verstanden  und  in  solcher  Arbeit 

Hervorra^roTides^  Bleibendes  j^^cleistet. 

Dafs  luni  einer  solclien  Zeitschrift  niclit  der  äui'sere  Er- 
folg ward,  der  ihr  j^ebührtc,  hefreiiidet  den  Kenner  der  Ver- 
haltnisse nicht.  Im  (»eg^enteil :  man  möchte  sich  fast  wundern, 
dafs  sie  ly'/^  Jahre  alt  geworden.  Sie  war  eben  nicht  von 
der  Art,  dafs  ihr  ein  langes  lieben  hätte  in  Aussicht  gestellt 
werden  können.  Wirklicli  schreibt  Dittes  am  Schlüsse  des 
V.  Jahrelanges:  der  Hestand  der  Zeitschrift  sei  vorläufig  noch 
auf  ein  Jahr  gesichert,  obwohl  die  bedeutenden  Opfer,  welche 
dieselhe  bisher  erfordert  hat.  die  Verlagshandhmg  entschul- 
digten würden,  wenn  sie  sicli  von  dem  Unternehmen  zurück- 
zutreten entschlösse  .  Allerdings  meldet  Dittes  schon  am 
Schlüsse  des  VI.  Jahrg.  (Sept  1884),  der  Leserkreis  habe 
sich  bedetitend  erweitert« ;  doch  scheint  das  nicht  von  Dauer 
gewesen  zu  sein.  Dittes  klagte  s|):Uer  oft,  dafs  das  Päda- 
gogium nur  mit  Mühe  sein  Dasein  friste  .  Im  Sommer  1892 
suchten  Heransgeber  und  Verleger  dadnrcli  die  Zahl  der 
Haltenden  zu  vermehren,  dafs  sie  an  deutsche,  österreichische 
und  schweizerische  Fachblätter  Besprechungen  senden  Helsen: 
Klinkhardt  erklärte  sich  mit  dem  Erfolge  zufrieden,  obwohl 
dieser  —  wie  nicht  anders  zu  erwarten  —  ein  recht  be- 
schei<fener  war. 

Noch  in  frischester  Erinnerung  ist  bei  jedermann,  dafs 
das  Pädagogium  mit  dem  6.  Hefte  des  XVIII.  Jahrgangs 
(März  TR96)  y.u  erscheinen  aufgehört.  Dittes  u^b  als  nrund 
an:  Meine  ungünstigen  (icsundheitsverhältnisse  gestatten 
mir  nicht  mehr  jene  regehnäfsige  und  intensive  Arbeit, 
welche  für  eine  .solche  Zeitschrift  unerlälslich  ist^.  Dieser 
Grund  genügt  wohl,  um  den  Rücktritt  des  Gründers  und 
Leiters,  nicht  aber,  um  das  Eingehen  der  Zeitschrift  zu  er- 
klären oder  zu  rechtfertigen.  .Man  suchte  nach  einem  andern 
Grunde,  und  fand  ihn.  Eine  Lehrerzeitung  schrieb,  als  sie 
jene  Kunde  vernomnien.  in  komischem  Pathos:  Leider  war 
es  ihm  1  nittes-lvlias)  nicht  vergönnt,  einen  Elisa  zu  finden, 
der  in  seinem  (ieistc  iKn  Kampf  für  die  Verwirklichung 
der  pädagogi>clieu  Iilee  im  Pädagogium  fortführen  könnte. 
Es  gebricht  au  Männern  —  an  Männern  gebricht  es  in  Israel  c. 
An  Männern,  die  den  Redakteur  Dittes  hätten  ersetzen  können? 
Es  wäre  ja  eine  unerhörte  Schande,  wenn  unter  den  Hundert- 
tausend oder  wieviel  deutschen  Volksschulmännern  nicht 
etliche  wären,  die  eine  Zeitschrift  wie  dris  Pädagogium  würdig 
zu  leiten  vermöelitcn.  —  Weniger  uugiaubiich  klingt  eine 
andere  Ikhauptung:  das  Pädagogium  sei  aus  Mangel  an 
Abonnenten  eingegangen.  Das  wurde  aber  lebhaft  bestritten ; 

42* 


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644 


ftwloir  J>l«triob. 


man  nannte  einen  dritten  Grnnd:  Dittes  der  mittlerweile 
seiner  Krankheit  erlejE^en  war  115.  V.  q6i  —  habe  *an  einen 
Freund  und  Mitarbeiter  geschrieben,  die  Zeitschrift  soll,  so 
lange  er  lebe,  keinem  andern  ztir  Leitung  übergeben  wer- 
den; er  habe  seine  ganze  Kraft  für  deren  Gedeihen  nnd  die 
Klärung  der  durch  sie  verbreiteten  Ansichten  und  Grund- 
sätze eingesetzt  und  wolle  nicht  erleben,  dals  man  wohl  gar 
das  Gegenteil  /.w  Ichwn  beginne.  Darum  solle  dies  Unter- 
nehmen bis  auf  lUii  Namen  authören  zu  existieren  Der 
Verleger  Klinkliardi  bestätigt  das  in  der  Hauptsache:  Ks 
war  sein  Wunsch  und  Wille  ^das  Pädagugitun  eingehen  zu 
lassen),  und  dem  fügten  wir  uns«.  Dieser  Wunsch  imd  Wille 
wäre  unbillig  gewesen,  wenn  es  sich  um  ein  blühendes  Unter- 
nehmen gehandelt  hätte,  doppelt  unbillig  einem  \'erleger 
gegenüber,  der,  wie  Dittes  oft  rühmt,  für  die  Zeitschrift  grofse 
Opfer  gebracht  Dieser  \Vnn<^(1i  nnd  Wille  wäre  aber  auch, 
unter  derselben  Voransset/uiig,  aus  einem  andern  Grunde 
befremdlich,  dci|)pelt  befremdlich,  da  er  \  on  einem  Dilles  her- 
rührt. Kaum  kann  jemand  von  der  Bedeutung  und  lurt- 
dauemden  Notwendigkeit  seiner  Sache  fester  überzeugt  sein, 
als  es  Dittes  gerade  hinsichtlich  seiner  Zeitschrift  war  —  sie 
werde,  sagt  er  am  Schlüsse  des  letzten  Heftes,  »in  der  deut- 
schen Pädagogik  jederzeit  als  eines  der  Ium  \  orragendsten 
Denkmältr  dastehen  .  Nun  ist  es  aber  nalürlicli  nnd  auch 
als  geschichtliche  Thatsache  jedermann  bekannt,  dafs  der 
Mensch  gern  für  die  Kwigkcit  baut  Kr  selbst  kann  nicht 
ewig  leben;  daher  sorgt  er  sich  urchl/eitig  um  einen  Nach- 
folger, der  sein  Werk  weiterführt:  sofern  er  au  dessen  Lebens- 
fähigkeit  ehrlich  glaubt,  und  sofern  er  die  äufsereu  Beding- 
ungen dazu  vorhanden  weifs.  --•  -  Das  Pädagogium  ist  an 
Mangel  an  zahlenden  Lesern  eingegangen.  Dafs  dies  nach 
dem  ersten  oder  zweiten  X'iertel  des  XVIII.  Jahrgangs  ge- 
schehen werde,  war  bereits  am  Ende  des  XVII.  sicher.  Be- 
leg für  diese  Hehntij^tnnq^  die  icli  hier  ausspreche,  um, 
wenn  möglich,  dem  un windigen  Verdeck-  und  Versteckspiel 
ein  Ende  zu  machen  -  ist  ein  Brief,  den  mir  Dittes  am 
15.  Oktober  1895  geschrieben. 

7. 

Ich  komme  -/um  schwierigsten  Teil  meiner  Aufgabe. 
I)ie  grofse  Schwierigkeit  ist  schon  im  \  nrwort  ^nr  Genüge 
augedrutet  worden;  sie  liefse  sich  kurz  bezeichnen  mit  dem 
lickaniiLen  Worte  Schillers  über  Waliensteiu. 

•)  Albr.  Görtli  im  Volksschulfrcund  1896,  Nr.  34.  -  Ähnliches 
hat  der  Wiener  Ed.  Jordan  in  die  Österr.  Schute.  (Nr.  geschrieben. 


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6*5 


Über  eins  allerdings  herrscht  volle  Klarheit;  Dittes  selbst 

bestätigt  es  oft  f^emig,  fast  zu  oft:  dafs  er  mit  Vorliebe 
Kritiker.  Kniiijiter  war.  Kr  hatte  freilich  leicht  käinpfen, 
der  unabsetzbare  ]  )ireklur  des  Pädagogiums,  der  gut  gestellte 
Pensionär I  Kr  Übertriebs  aber,  gerade  in  Wien,  wo  er  sich 
durch  das  schwächlichste  Geschwätz  aufregen  liefs.  Er  über- 
schritt überhaupt  oft  das  Mats,  auch  im  Urteilen  und  Richten. 
Dittes  war  Temperamentsmensch  -  sagt  R.  Rtfsmann 
(Päd.  Z.  1896,  39)  —  stark  im  Lieben,  stark  im  Hassen. 
Kühle  Objektivität,  nnmentlicli  bei  Beurteilung  von  Persön- 
lichkeiten und  l^arteien,  lag  nicht  in  seinem  Wesen.  Dafs 
er  sich  darum  in  seinem  ITrteil  dann  und  wann  zu  nicht 
verdienten  Härten,  ja,  ihm  selbst  unbewufsl,  zur  Ungerechtig- 
keit fortreifsen  liefs,  werden  alle  bestätigen,  die  ihn  näher 
kannten. 

Seiner  Lust  am  Streite  stand  eine  ungewöhnliche  Rede« 
gewandtheit  zur  Verfügimg;  ja  er  befand  sich  als  Redner 

und  Agitator  vielleicht  mehr  in  seinem  Kiemente,  denn  als 
Lehrer  tnid  vSchriftstelltr.    Man  lese  /..  Ii.  seine  Vereinsrede 

zum  Schutze  der  Volksscliule  im  XI.  Jahrg.  d.  Päd.  Dabei 
bedurfte  er  des  lauten  Beifalls  der  Masse.  Kr  .sah  auch  da^ 
Lob  seiner  Person  und  seiner  Schriften  gern  gedruckt,  sogar 
im  Pädagogiuni,  und  in  ziemlich  plumper  Form.  Er  selber 
sprach  von  sich  und  dem,  was  er  geleistet,  oft  und  viel;*) 
das  Selbstgefühl  des  selbstgemachten  und  vom  (xlücke  be- 
günstigten ^^annes  war  aufs  stärkste  ansgf1)ildet.  Audi  die 
Selbständig!  '  i*,  die  den  leisesten  \'i  rsueli  tler  Bevornmndung 
•/urückweisL  Dafür  ein  eri^ötzliclie.s  Beispiel.  Nachdem  man 
Dittes  die  Diesterwegrede  für  den  iJ39oer  Lelirt-rtag  übertragen 
hatte,  wurde  den  Diplomaten  in  Berlin  ein  wenig  bange  vor 
dem,  was  kommen  mochte.  Sie  schickten  also  einen  wohl- 
stilisirten  Brief  erratbaren  Inhalts  nach  Wien.  Half  aber 
gar  nichts;  Dittes  antwortete:  Für  ausführlichen  Brief  bestens 
dankend,  lialte  ich  für  gut,  ganz  und  gar  den  eigenen  Ge- 
danken zu  folgen. 

Das  ist  der  echte  Diiu>;  doch  nielit  der  ganze.  Sein 
Bild  zeigt  auch  freundlichere,  sveiclieic  Züge.  Er  liebte  die 
Natur;  auf  einem   Spaziergange        erzählt  Rifsmaun 

äufserte  er  eine  geradezu  naive  Freude  am  Naturleben. 
Und  mild  gegen  Menschen,  nämlich  gegen  seine  Schüler, 
konnte   er   auch   sein;  die  früher  erwähnten  Erinnerungen 
eines  Gothaers  feiern  gerade  die  Milde  als  ein  hervorragendes 

^  T'r  wird  zwar  von  VcrschicfKntTi  als  schliclil  ntid  bescheiden 
gepriesen  ;  (iem  widersprechen  aber  die  für  jedermann  oUen  daliegenden 
Thatsachen. 


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646 


Kttdotf  Dietrich. 


Merkmal  dts  Lehrers  Dittcs.  Dafb  ci  Ireiiudschaitlicher  Ge- 
fühle fällig  war  wenngleich  er  nie  einen  rechten  Freund 
besessen,  er,  der  eines  solchen  dringender  bedurfte  als  mancher 
andere  —  berichtet  Ricli.  Köhler  (in  den  Rhein.  Blättern 
1896,  IV),  der  uns  auch  in  das  häusliche  Leben  des  Mannes 
einführt.  Nach  diesen  Mitleihinji^eii  Kolliers  (Auszügen  ans 
Briefen)  scheint  zwischen  den  Ciatten,  wie  zwischen  Kitern 
und  Kindern  das  beste  Verhältnis  bestanden  zu  haben.  Uber  die 
Kinder  (drei  Söhne  und  eine  Tochter,  alle  gut  x  ersurgtj  schrieb 
der  Vater  1894:  »Sie  sind  so  brav,  charaktervoll  tiud  gut, 
möchten  mich  auf  den  Händen  tragen,  und  eins  würde  fürs 
andere  sterben,  wenns  nötig  wäre.  Von  der  Tochter  Helene 
(seit  1895  Gattin  des  BürgerscluiMirektors  Zens  in  Wien) 
sagt  er:  >Sie  ist  in  der  Tliat  mein  Kugel,  nieiir  als  .\niiL;one. 
und  völlig  unbcschreibbar,  ihrer  Mutter  M  gläii/cndes  Ab- 
bild, verdient  ganz  und  gar,  was  Pestalo/.zi  von  Gertrud 
sagt.  Am  Schlüsse  des  Briefes  erklärt  Dittes:  Ich  bin 
glücklich.« 

In  seiner  amtlichen  Thätigkeit  war  er  es  teilweise  auch. 
In  der  Volksschule  zwar  wohl  nicht.  Er  strebte  von  ihr  los, 

und  später  wollte  er  mit  ihr  entschieden  nichts  mehr  zu  thun 
haben.  Die  Übungsschnlc  am  Pädagogium  hätte  er  am 
liebsten  beseitigt,  dieses  selbst  in  eine  Leliierlioelischule  um- 
gewandelt, und  das  letzte  Ziel  seiner  Wünsche  wäre,  nach 
Riismann,  die  Berufung  auf  die  Lehrkanzel  für  I*ädagogik 
an  einer  deutschen  Universität-'  gewesen.  Die  akademische 
I^ehrweise  sagte  ihm  am  meisten  zu.  Doch  auch  dem  Seminar» 
lehrer  Dittes  wird  ein  gutes  Zeugnis  ausgestellt,  nicht  blofs 
von  dem  für  ihn  schwnnnenden  Schüler,  sondern  auch  von 
entgegengesetzter  Seite.  Kolatscluk  schreibt  in  dem  Berichte 
über  seinen  Resuch  in  Gotha:  Die  Vorträge  des  Seniinar- 
direktors  stachen  von  jenen  der  andein  Lehrer  auts  vorteil- 
hafteste ab;  insbesondere  war  es  ihre  durchaus  seminaristische 
Form,  welche  den  Zuhörern  sofort  entgegentrat  Dittes  dozirte 
nicht,  sondern  unterrichtete,  wobei  sein  Vortrag  ebenso  fafs- 
lich  und  klar  als  gehaltvoll  und  lebendig  war.  Xamentlich 
zeichnete  sich  der  Unterricht  in  der  Pädagogik  durch  präzises 
Znsammenfassen  aller  wesentlichen  Momente  aus.  .  .  .  Im 
ganzen  ging  die  Ansicht  der  Deputation  dahin,  dafs  Dittes 
j  .denfalls  eine  vorzügliche  seminaristische  Lehrkraft  .sei,  zu 
ceren  Acquisition  sich  das  Pädagogium  nur  Glück  wünschen 
könnte.« 

Dafs  Dittes  auch  zum  Schul-Begründer,  Ordner,  Leiter, 
Verwalter  berufen  war,  glaube  ich  im  Hinblick  auf  sein  Wesen 


Gestorben  189:7. 


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6*7 


und  Wirkeil  nicht  annehmen  zw  dürfen.  Die  Mitteihmgf 
Kolntscheks,  man  habe  ihm  in  Ootha  i^esagt,  D.  sei  ^kein 
Frc-nnd  von  vielen  Kaii/clci^-escliäften  uiul  administrativen 
Arbeiten  ,  erscheint  mir  znverlässig.  Die  (jeschichte  des 
Wiener  Pädagogiums  wurde  sich  anders  gestaltet  haben, 
wenn  D.  mehr  Verwaltungsmann  gewesen  wäre.  Auch  seine 
Zeitschrift  hat  nicht  stramm  planmäfsig  gearbeitet.  —  Man 
könnte  zwar  auf  Ootha  verweisen,  da  habe  sich  D.  alK 
Organisator^  bewährt.  Aber  als  er  kam,  hatten  Schmidt 
und  Kehr  doch  schon  das  meiste  ^^ethan.  Die  Re/i«  hnngen 
des  I  )irektors  /n  seinen  Mitarbeitern  sclieineii  in  ( "lOÜia  geradezu 
musLeihaft  gewesen  zu  sein.  Umsomehr  l)eiremdet  in  Wien 
das  V^halten  gegen  Willmann.  Der  Grund  dieses  Verhaltens 
ist  noch  nicht  aufgeklärt;  dafs  dabei  gegensätzliche  päda* 
gogische  Anschauungen  eine  Rolle  spielten,  darf  man 
vermuten. 

Als  Pädni^nv^iker  nun.  als  päd agf)gi scher  Theoretiker 
geh()rl  Dittes  nicht  /.\\  den  sch(')pferisclien  (Geistern.  Er  hat 
dnrcli  mniKllirlien  T'nterricht  und  in  seiner  Zeitschrift  auf 
die  allgemein  gilligcn  Lehren  des  Comenins  und  Pestalozzis 
als  auf  feste  Grundlagen  immer  wieder  hing^ewiesen,  hat  sie 
erläutert,  verteidi^ft,  zu  verbreiten  gesucht,  im  übrigen  eine 
lebhafte  sc hulpoli tische  Thätigkeit  entfaltet.  Der  Schul- 
(und  Kultur»)  Politiker  spricht  hauptsächlich  in  den  Aufsätzen; 

Uber  den  gegenwartigen  Stand  der  deutschen  Pä(1p,(;f >rr;]^. 
im  V.,  Entweder  oder  im  XII.,  Zum  letzten  Jahr/.ehnt 
des  XIX.  Jahrhunderts  im  XIII.  Jahrg.  d.  Päd.  Schulpolitiker 
ist  Dittes  selbstverständlich  auch  im  österreichischen  Reichs- 
rat gewesen,  Und  noch  früher.  Auf  der  allgemeinen  detitschen 
Lehrerversammlung  in  Wien  (1870)  verlangte  er  eine  be- 
sondere und  selbstäi  1:  M  ( )berbehoide  für  das  Schulwesen, 
jedenfalls  Trennung  des  Unterrichts-  vom  Kultusministerium, 
und  weiter  brachte  er  den  Autrag  ein:  Den  Kltcm  steht  es 
trei,  ihre  Kinder  am  Religionsunterricht  teilnehmen  zu  lassen 
oder  nicht. 

Welche  Stellung  Dittes  eniti  neuen  pädagogischen  Schule, 
dem  Herbartiauismus  gegenüber  einnahm,  ist  zu  bekannt, 
als  dafs  ich  hier  davon  reden  müfste.  Ich  bemerke  nur,  dafs 

ich  Rifsmanns  jüngsten  Änfserungen  über  diese  .-Angelegen- 
heit mich  anschliefse  (Päd.  Z.  1896,  39).  Dagegen  stimme  ich 
nicht  üherciu  mit  einer  andern  Auffassung  Rifsmanns,  nach 
welcher  Dittes  über  die  klassischen  Pädagoq^en  nicht  habe 
hinaust^eheu,  \  uu  den  Relonnbewegnngen  der  neuesten  Zeit 
nichts  habe  wissen  wollen.  Dittes  hat  gerade  den  bedeu- 
tendsten Bestrebungen  der  Gegenwart  —  die  auf  sittliche 
und  politische  Bildung  des  Volkes  gerichtet  sind  —  sein 


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Rudolf  Diatrich. 


Pädagogium  g^eoffnet,  und  an  der  Verbreitung  der  Hilde- 
brandischen  Gedanken  über  den  muttersprachltcben  Unter- 
richt hat  das  Pädagogium  ebenfalls  erheblichen  Auteil.  Da- 
gegen ist  Dittes  eini<;eii  anderen  zielbewufstcn  Neuerern 
allerdings  nicht  gerecht  geworden,  wie  der  Aufsatz,  mit  dem 
er  den  letzten  Jahrgang  des  Päda<^oi^irims  eröffnet  (  Die  Zer- 
setzung der  deutschen  Pädagogik  )  beweist  Wir  finden  da 
starke  Übertreibuncren,  Schiefheiten,  Verkehrtheiten,  wohl- 
feile Schimpfereien  und  Spötteleien.  Am  bedauerlichsten  er- 
scheint die  Gerin|^schätzttng  der  sog.  Kinderpsychologie :  man 
sieht  da  wieder  einmal  recht  klar,  wie  fremd  ihm  die  Kinder- 
schiile,  der  grundlegende  Unterricht  geworden. 

Aber  der  Aufsatz  ist  auch  nicht  arm  an  guten,  treffen- 
den Bemerkungen  mul  mit  der  Zersetzung  hat  errecht 
Was  eine  grofse  schöne  Kmheit  sein  sollte,  auch  sein  könnte, 
wenn  an  so  vielen  r)rten  nicht  der  gute  Wille  fehlte,  ist 
»zersetzt*,  zeriailen,  zerstückelt,  verzettelt  (oder  wie  man 
sagen  will)  in  eine  Menge  Teile  oder  Parteien,  deren  Ver- 
treter sich  um  einander  nicht  kümmern,  höchstens  gegen- 
einander streiten.  Wohl  wird  im  einzelnen  manch  Tüchtiges 
geleistet;  aber  es  fehlt  an  Zusammenfassung,  es  fehlt  das 
geistige  und  ein  auch  notwendiges  äufseres  Band.  Und  des- 
halb geht  viel  verloren;  anderes  bleibt  zwar,  aber  es  wirkt, 
nützt  nicht,  weil  man  ihm  nicht  seinen  Platz  im  Spiel  der 
Kiäite  anweist,  v  ellach  deshalb  nicht  anweist,  weil  man  es 
nicht  kennt  Sorgen  wir  für  Zusammenschlufs,  bestellen  wir 
einen  Forderer,  Hüter  der  Einheit:  einen  freien,  deutschen 
Erzichungsrat,  dessen  Hoheit  alle  Teil!  iI  i-  am  Erziehun^;s- 
geschäft  anerkennen,  dessen  Stimme  überall  Gehör  und"  Be- 
achtung findet.  Die  würdigen  Mitglieder  waren  zu  finden  im 
Kuratorium  der  Diesterwegstiftung,  in  der  Conicnius-Gesell- 
schaft,  der  GeselLschafL  für  Verbreitung  vun  Volksbildung, 
der  Gesellschaft  für  ethische  Kultur  -  es  fehlt  nur  einer, 
der  den  ersten  Schritt  thut  — 

Eine  der  treffenden  Bemerkungen  in  dem  Aufsatze  von 
der  Zersetzung  gilt  den  vielen  Pabukanten  der  Anleitungen, 
Handreichungen,  Materialien  usw.,')  und  den  Lehrern,  welche 
jene  Ware  kaufen.  Dittes  urteilt  hier  und  anderwärts  über 
die  Lehrer  und  Lehrerzeitun<4cn  .^lJeng,  aber  iiiclit  unbillig. 
In  einem  Briefe  z.  B.,  der  unter  dem  Hindruck  des  Nach- 
spiels zu  seiner  Diesterwegrede  geschrieben  worden,  spricht 
er  von  Versöhnungsmeiern,  und  weiterhin  vom  »heutigen 

')  DittfS  vcnvirft.  wie  alle  auf  (kr  Höhe  stehenden  Sclnilniänner 
der  Gegenwart,  auch  die  Schülerldtfädcn  -  vgl.  Über  den  Gebrauch 
von  Lehrbüchern-  itn  »Ein  Retdienbuch  und  Jtwei  Schnlinspek- 
toren«  im  VI.  Jahxg.  d.  P. 


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649 


ServilisTiius  der  deutschen  T.ehrcT  ;  er  iü'^t  hinzu,  dieser  Ser- 
viliMiuis  sei  von  denen  ver.schnldet.  \\  eiche  auf  ilireii  (der 
Lehrer)  Scluiltern  in  die  Höhe  gekleltert  oder  jt^ckrucheu 
sind,  darunter  Tote  und  Lebendige  .  Wäre  Ihnen  —  heifsl 
es  in  einem  andern  Bjncfe  —  die  geradezu  ekelenegende 
Situation  der  pädagogischen  Journalistik  mit  ihrem  greu- 
lichen Bettel-  und  Schwindelwesen  bekannt,  so  würden  Sie 
begreifen,  warum  ich  schon  öfters  gesonnen  war,  die  Feder 
niederzulegen  Ich  finde,  wie  q^esagt,  solche  Aufserungen  ge- 
wissen Verhältnissen  nnd  i'ersunen  angemessen.  Zuweilen 
aber  wendet  er  sich  an  die  Lehrer  (Leser  seines  Pädagogiiinis) 
in  einem  Tone,  der  mir  nicht  gefallen  will,  in  einem  Tone 
nämlich,  der  einigermafsen  schulmeisterlich  (oder  väterlich?) 
klingt  Kr  >vill  z.  B.  über  etliche  philosophische  Streitfragen 
sprechen  und  leitet  nun  seihe  Rede  u.  a.  mit  den  Worten 
ein:  Tcli  rechne  auf  ausdauernde  Aufmerksamkeit  (gesperrt 
gcdrnckt) .  meiner  Lcs'-t;  ein  paar  Zeilen  weiter  wird  zum 
zweiten  Mai  beharrliche  Aufmerksamkeit  verlangt.  Noch 
mehr  Mifsfallen  muls  das  Folgende  erregen.  Am  Schlufs  des 
> Vorberichts <^  zum  einzigen  Hefte  seiner  Oesammclten 
Schriften 4  —  das  Heft  enthält  die  ersten  Früchte  seiner 
philosophischen  Studien,  und  er  stand  damals  am  Anfang 
der  Zwanzigerjahre  fi'Jigt  er:  ob  es  heute  noch  eine 
nennenswerte  Zahl  von  Lesern  für  Schriften  wie  die  hier  ge- 
botenen gibt,  von  r.esern,  wclehc  nicht  die  Kraft  und  Neigimg 
zur  \*ertiefung  in  schwerere  (ieisteswerke  verloren  haben«. 
Eine  andere,  in  diesem  Falle  wichtigere  Frage  stellt  er  nicht 
—  er  hat  sie  von  vornherein  bejaht  die  FVage  nämlich: 
ob  den  Lehrern  (die  denkt  er  sich  ja  als  seine  Leser)  wirk> 
lieh  zugemutet  werden  darf,  mit  den  vorliegenden  beiden 
^Geisteswerken  sieli  zu  beschäftigen.  Wir  sagen:  Nein.  Die 
VolksschullehrcT  haben  weniq-  Zeit  für  allgemein-wissenschaft- 
liche Fortbildung;  deslialb  darf  man  ihnen  nur  die  bedeu- 
tendsten Werke,  Schritten  gereifter  Männer  emplelilen  — 
nicht  die  (übrigens  grofsenteils  veralteten)  Aufsätze  eines  zwar 
sehr  begabten,  sehr  strebsamen,  sehr  fleifsigeu,  aber  doch 
noch  sehr  jungen  Mannes,  der  selbst  erst  Anfänger  im  selb- 
ständigen Erfassen  der  Wissenschaft  ist  Für  die  VolksschuU 
lehrer  ist  das  TUste  gerade  gut  genug;  von  dem  Satze  gibt 
es  zu  niemandem  Gunsten  eine  Ausnahme. 

Nun,  der  Kritiker  Dittes  selbst  erkennt  die  Richtigkeit 
dieses  Satzes  im  CirnncK  ati :  er  verlani^^t  ctt  .venug  bessere, 
höhere  lüldung  und  würdigere  Behandhing  der  Volksschul- 
lehrcr,  w  ie  er  auch  für  Hebung  ihrer  sozialen  und  w  irtschaft- 

*>  Nach  Rffsmann  und  Görth  a.  a.  O. 


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Kuliolf  Dictricb. 


Uchcii  Stelhmg,  für  Befreiinii^  der  Schule  von  der  Kirche 
ein. «4^0 treten.  Das  ist  ihm  Non  (kr  allzu  bescheidenen  -- 
deutschen  lAhrerscliaft  hocli  anq^ercchnet  winden,  Ferner 
hat  er  sich  durch  .seine  Reden  in  Ueluerx  erbainiiiauigen  und 
Vereinen  nnd  durch  die  Verwerfung  der  Herbart-Zillerschen 
Pädagogik  viele  Verehrer  erworben.  Deren  Zahl  mufs  sehr 
grofs  sein,  und  die  Gefühle  für  Dittes  nmssen  sehr  hoch 
gehen,  wenn  die  Aufserungen  in  den  Lehrerzeitungen  an- 
läfslich  seines  Todes  bare  iSTfinze  sind.  Wir  tceben  liier  eine 
kleine  Auswahl  solcher  Aufsernui^'^eii.  Deut.sch-österreiciiische 
Lehrerzeituuj:^:  Das  sch.ärfste  unserer  Schwerter  liegt  zer- 
brochen, unser  gevvalti, Laster  Rufer  im  Streit  ist  vcrstununt  . 
Bairische  Lehrerzeitnng :  »Ein  Grofsmeister  der  deutschen 
Erziehungswissenschaft  ist  verschieden,  der  hervorragendste 
Pädagog  für  die  Volksschule  seit  Pestalozzi  und  Diesterweg, 
ein  Mann,  den  die  deutsche  Lehrerschaft  mit  Stolz  als  ihren 
Altmeister  verehrte  .  Leipziger  Lehrerzeitung:  Nichts  Klein- 
liches und  Schwächliches,  nichts  »Schwankendes  und  Unsicheres 
war  an  ihm  .  .  .  auf  dem  Kani])fplatz  ein  Held  mit  Riesen- 
kraft .  .  .  der  Pädagogik  unserer  Ztit  war  er  eine  Notwendig- 
keit . . .  Pestalozzi,  Diesterweg  und  Dittes  werden  die  Grund- 
pfeiler  auch  der  künftigen  Pädagogik  bleiben  .  .  .  seine 
Schule  der  Pädagogik  ist  nicht  nur  eine  wissen.schaftliche, 
sondern  auch  eine  nationale  That  .  Trotz  dieser  über- 
schwänglichen  Titulaturen  und  Redensarten  steht  fest,  dafs 
Dittes  sehr  vielen  seiner  Verehrer,  Kleinen  und  Grofsen,  un- 
bequem war.  Das  hat  sich  u.  a.  sehr  deutlich  in  den  Ver- 
lumdlungen  über  ein  neues  Pädagogiuni  i^ezeigt  Dittes  selbst 
wufste  es  sehr  wohl.  Auf  die  Einladung  zum  Stuttgarter 
Lehrertage  (1894)  antwortete  er:  >Es  ist  wohl  besser,  dafs 
ich  wegbleibe;  denn  ich  würde  doch  dort  eine  Verlegenheit 
sein,  nicht  blofs  für  die  Mucker?.  — 

Welchen  Platz  wird  nun  eine  unparteii.sche  Geschicht- 
schreibung dem  Pädai;()*;en  Dittes  anweisen?  Sie  wird  ihn 
nicht  unter  die  -grofsen  Pädagogen  <  versetzen;  denn  er  war, 
wie  gesagt,  kein  schöpferischer  Geist  Aber  sie  wird  ihn  den 
rührigsten  Verbreitem  pestalozzischer  und  comenianischer 
Ideen  zuzählen,  ihn  int  Berichte  über  die  Herbart-Zillersche 
Schule,  in  dem  grofsen  Kapitel  von  der  Schulpolitik,  in  der 
Geschichte  der  Lehrerbildung,  der  Lehrervereine,  der  päda- 
gogischen Presse  eine  gewicht'i^e  Rolle  spielen  lassen.  Und 
welches  Schlulsurteil  mag  sie  über  den  Mann  fällen? 

Vielleicht  dieses:  PViedrich  Dittes  ist  nach  dem  Jahre  1860 
in  iltener  Weise  vom  Cilücke  begünstigt  worden.  Das  grofse 
Crlück  hat  einerseits  sein  Selbstbewufstsein,  andererseits 
reinen  F)hrgeiz  nnd  Wagemut  derart  gestärkt,  dafs  sie  über- 
mächtig in  ihm  wurden,  ihn  verblendeten.  Infolgedessen 


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rri«drtc1k  DlUea. 


65r 


verreclnictc  er  sidi.  merkte  das  aber  erst,  als  er  auf  Grund 
der  falsclien  Rcc^miii^,^  schon  zuviel  gewaj^t  iiatte.  Das  ver- 
wirrte ihn,  vei  scizic  .^t^ine  Seele  in  einen  krankhaften  Zustand: 
daraus  erklärt  sich  ulanclies  fast  Unglaubliche  der  Wiener 
Zeit  Er  selbst  sah  wohl  ein,  dafs  er  allein  —  oder  sein 
Gluck?  —  an  seinem  Falle  schuld  war;  aber  es  sich  oder 
gar  öffentlich  einzuj^estehen,  fiel  ihm  zw  schwer:  daher  der 
oft  grimmige  Pessimismus  im  allgemeinen,  die  mannigfachen 
nach  anfsen  i^crichteten  Klajj^en  und  Anklagen  im  einzelnen; 
die  gTolsc  I  jupfindiichkcit,  Reizbarkeit;  das  viele  Reden  von 
sich  und  .seinen  LLisiuiij^cn;  die  vSncht  nach  frenukin  I^obe. 

Von  einem  Martyriuiuv  zu  reden,  iu  das  ihn  äuisere 
feindliche  Mächte  versetzt,  ist  nnsta  thaft  Dittes  hat  sich 
auch  nicht  irgendwie  »geopfert«:  dazu  hatte  er  schon  gar 
keine  Gelegenheit  Die  Folgen  aber  des  *  Kampfes  ,  den  er 
doch  gesucht,  mufste  er  kennen.  Übrigens,  wieviel  wirkliche 
Unbill  ihm  auch  zugefügt  worden  sein  nint;::  einem  Schul- 
mann kann,  ungerechterweise,  noch  ganz  anderes  widerfahren, 
so  Schweres,  dals  jenes  da^^egen  fast  nichts  wiegt  T'nd  wer 
etwas  davon  erlebt  und  ertragen,  macht  von  den  Kanipi- 
wunden  eines  Mannes,  dessen  > Element  der  Kampf«  ist, 
nicht  viel  Aufhebens. 

8. 

(Nachtrag  zu  3).  Als  der  Druck  der  Arbeit  bereits  be- 
gonnen hatte,  erhielt  ich  von  Herrn  Seminardirektor  A.  Zeyfs 
eine  Reihe  schriftlicher  Mitteilungen  über  Dittes  in  Gotha 
und  die  von  diesem  herausgegebenen  Seminarberichte.  So 
war  ich  iu  den  Stand  gesetzt,  den  allzu  dürftig  ausgefallenen 
3.  Abschnitt  zu  ergänzen.  Eine  Umarbeitung  dieses  Abschnittes 
aber  würde  im  Druck  zu  grofse  Störungen  verursacht  haben; 
deshalb  zog  ich  einen  einfachen  Nachtrag  vor.  — 

In  dein  Schreiben  vom  19.  Januar  1865,  mit  welchem 
Dittes  für  die  Ikrufung  dankt,  ben;erkt  er  u.  a. :  Ich  werde 
mein  I^cbensglück  darin  finden,  unter  einer  so  erleuchteten 
und  segensreichen  Regierung  meine  geringen  Kräfte  der 
Volksbildung  in  Ihrem  schönen  Herzogtume  widmen  zu 
können.  Wenn  ich  leider  überzeugt  •  sein  mufs,  dafs  mein 
schwaches  Verdienst  und  Talent  vielfach  überschätzt  wird:') 
so  darf  Ich  doch  .  .  .  die  Versichcrtmg  aussprechen,  daf^^;  es 
ir.ein  ernster  und  fester  Wille  ist,  mit  hingebender  Treue 
und  frölilichem  Mute  iu  das  Amt  einzutreten,  zu  welclicm 
Sie  mich  berufen.« 

Dittes  erhielt  in  Gotha,  wie  berichtet,  die  drei  Ämter 
eines  Semiiiardirektors,  Landesschulinspektors  und  vortrap^en- 
den  Rates  im  Ministerium.    Das  zweite  und  dritte  Schemen 

')  Wohl  die  einzi^^e  Aufsenin^  dieser  Art! 


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652 


aber  im  wesentlichen  eins  j^eweseti  zu  sein.  Dei  Inhal)er 
führte  das  I )ietisti)rndikat'  Sclnihat;  Dittes  selbst  nannte 
sich  in  Gotha  immer  Schulrat  und  Seminardirektor  .  Dienst- 
obliegenheiten (nach  Zeyfs) :  a)  am  Seminar  aofser  der  Direktion 
wöchentlich  12  Std.  Unterricht  (in  ^theoretischer  Pädagogik 
und  deren  Hilfswissenschaften  ,  Deutsch,  Religion);  b)  jär- 
liche  Inspektion  der  30  Volksschulen.  Besoldnnj^^  für  a:  1 100, 
für  h:  40MTh:i1t''  f  wovon  2or)  Thlr.  als  Taggelder  und  Reise- 
kos tenvergü  tun«;).    Keine  ireie  Wohnnnjj;^.  - 

Im  Vorwort  zum  ersten  Jahresbericht  über  das  Lehrer- 
seminar in  Gotha,  Schuljahr  1865/6  (das  mit  dem  Satze 
beginnt:  ^Unsers  Wissens  ist  der  vorliegende  Jahresbericht 
der  erste,  welcher  von  einem  deutschen  Lehrerseminar  aus- 
geht«) spricht  Dittes  von  der  Notwendigkeit  und  dem  Nutzen 
der  Seminarberichte:  sie  sollen  »das  allgemeine  Interesse- 
für  die  Lehrerbildnnn^  wecken,  lebhaften  Verkehr  zwischen 
verschiedenen  Seminaren  anbahnen  und  unterhalten,  dem 
einzelnen  Seminar  für  sich  als  Mittel  zur  Selbstschan,  als 
Ansporn  zum  i  urtschritt  dienen.  Deshalb  wünscht  auch  D., 
•>um  der  Sache  willen  recht  dnn<,and,ii  da£s  sein  erster  Ver- 
such »offen  und  unparteiisch«  beurteilt  werde.  »Nicht  blols 
Bernfscrenossen,  sondern  alle,  die  Sinn  und  Verständnis  für 
Volksbildung^  und  Kulturverhältnisse  überhaupt  haben,  sind 
kompetent  und  berechtigt,  ihre  Ansichten  über  Seniinare  im 
alli^cnieinen  und  über  das  unsere  im  besondern  auszu- 
spreelien.^  -  Folgt  ein  Abdruck  seiner  Festrede  über  Stellung 
und  Aufgabe  des  Seminars*,  gehalten  am  8.  Januar  1866 
beim  Einzug  des  Seminars  in  sein  neues  Heim  (ursprüng- 
lich Kloster,  später  vom  Gymnasinm,  zuletzt  von  der  Volks- 
schule benutzt).  Hier  wird'  kurz  als  Aufgabe  des  Seminars 
erklärt:  die  Zöglinge  mit  echt  religiösem,  wissenschaftlichem 
niul  pädagogischem  Geiste  zu  erfüllen.  Der  dritte  Jahres- 
bericht bringt  als  Anhang  eine  von  Dittes  im  Auftrage  des 
Ministeriiuns  verfafste  » Anwcisungzur  Ertcilung  des  Religions- 
unterrichts in  den  Volksschulen  des  Herzogtums  Gotha.  ^ 
Bs  wird  da  auch  das  ^Verhältnis  zwischen  Schule  und  Kirche 
erörtert  und  u.  a.  betont:  -»Die  Schule  ist  nicht  verpflichtet, 
den  Kindern  die  Dogmen  einer  bestimmten  Kirche  einzu- 
prägen, weil  sie  dies  nicht  kann,  ohne  mit  den  Regeln  der 
Pädagogik,  und  also  mit  ihrer  wesentlichsten  .Aufgabe  in 
Widerspruch  zu  kommen.  .  .  .  Kben  deshalb  stellt  sich  unser 
l'lan  für  den  Religionsunterricht  auf  den  rein  biblischen, 
nicht  auf  einen  speziell  konfessionellen  Standpunkt«.  — 

Von  dem  Landesschulinspektor  (Schulrat)  weifs  Herr 
Zeyfs  nur  zu  melden:  »dafs  D.  als  ein  strenger,  gerechter 
tmd  für  seine  Lehrer  wohlwollend  eintretender  Inspektor  noch 
in  gutem  Andenken  steht«.  — 


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9tMrUk  Dilta«. 


In  dein  Entlassungsdekret  des  Herzogs  vom  8.  Jutii  1868 
wird  auf  die  eigentlichen  Leistungen  oder  Verdienste  des 

nacli  Wien  IkrufLiien  iin  einzelnen  nicht  eingegangen,  son- 
dern nur  kurz  rnsere  besondere  Zufriedenheit  mit  seinen 
bisherii^en  DienstleistnuLjcn  bezeuj^l.M  0{)  Dittcs  nocli  eine 
andere,  weniger  einfache  Kntlassungburkunde  vom  Ministerium 
erhalten?  —  Am  Schlüsse  des  Begleitschreibens  zum  Entwtirf 
des  Dieustvertrags  (1865)  hatte  Minister  v.  Seebach  geäufsert: 
Am  übrigen  kann  ich  nicht  unterlassen^  auch  Ihnen  gegen- 
über es  auszusprechen,  wie  sehr  mich  Ihre  Tkreitwilligkcit, 
dem  er<^angenen  Rufe  zu  i()]q;en,  erfreut  hat,  da  ieh  die 
wohlbegründete  Erwartung  hege,  dals  es  durch  Ihre  Be- 
rufung gelnni^eu  ist.  den  schweren  Verlust  zu  ersetzen,  den 
das  Schulwesen  des  Landen  durch  (las  frühe  Hinscheiden  des 
^fannes,  dem  Sie  im  Amte  nachfolgen,  erlitten  hat«^. 

II.  Auslese  aus  dem  Pidagoglum. ') 

1.  BilduiiiT  und  Stellung  der  Lehrer.  —  -\  Allgemeine  Pädagogik.  — 
3.  Sittliclu  c  tliisrhe)  und  bürgerliche  (poHtisclu  i  Bildung.  -  4.  Älutter- 
sprachlicher  Unterricht.  —  5.  Erdkunde  und  Geschichte.  —  6.  Zur 

Geschichte  der  Pädagogik. 

I. 

J.  PVoh.Ncluunnier  weist  im  XIII.  Jahrgang  (H.  ii:  Die 
Bedeutung  der  Philosophie  für  die  Lehrerbildung) 
nach,  dafs  wenn  der  Lehrer  seiner  grofsen  Aufgabe  ge- 
wachsen sein  soll,  bei  seiner  Ausbildung  die  Philosophie  »in 
entsprechender  Weise  zur  Mitwirksamkeit  kommen  niufs. 
Er  will,  dafs  der  Lehrerstand  der  Vertreter  und  I'nrdcrer 
der  niial)]i:iuL^igen,  nur  \  ou  der  Pliilosophie  erhältlichen  Ethik, 
der  allgc  uuiuen  Nächstenliebe  und  Ilunianität,  der  Vertreter 
des  sittlichen  Oewissens  werde  .  Der  Staat  bedarf  eines 
Standes,  der  die  unbedingt  giltigen  sittlichen  Gesetze  ver- 
tritt und  dem  Volke  tief  einprägt  durch  Bildung  und  Er- 
ziehung der  Jugend;  dies  kann  aber  nur  der  in  seiner 
sozialen  Stellung  gehobene  Lehrerstand  sein  .  In  zwei  früheren 
Auf.sätzen  (Die  Bedeutniif^  des  Lehrerst.andes  in  unserer  Zeit 
\^ITT,  2  —  Kultnrstaat  und  Lehrerstand  IX,  i)  hat  Froh- 
.schaniHier  vHbnliche  (redanken  entwickelt;  Der  T^ilnerstand 
soll  die  niudernc  W  is.Nenschaft  und  Zivili.sation  vertreten  und 

M  .Ähnlich  iilljrenuin  und  kurz  gefafst  ist  das  Zciigiiis  für  den 
Wiener  räda^u^iinn  Direktor;  von  besonderer  Zulrirdenheit»  frei- 
lich spricht  dieses  Zeugnis  nicht 

'>  Auslest:  iiiiht  dos,  sondern  ans  dem  besten.  Der  beschränkte 
Raum  gestaltet  nicht  die  IJenicksichtigung  aller  bedeutenden  Ar- 
beiten ;  von  den  Beiträgen  zur  Philosophie,  Ps\  chologic  und  Schul- 
j)t)Htik  habt-  ic!i  'Lranz  abgesehen.  Die-  Ausk^c  wird  .ilsn  nicht  dtn 
Reichtum  und  die  Maunigialtigkcit,  sonderu  nur  eiuigermaisen  die 
Eigenart  des  Pidagogiums  im  einzelnen  veranschanH^en. 


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?54 


s!o  ins  \  ()lk  eiüfnhren,  sie  \  ert(-Mflijvend  und  das  nnnufliörlich 
im  I  katholischen  ?|  Volke  jji^enährte  Mifstrant-n  i^c  L^en  sie  zer- 
sticnen.  -~  Man  sieht,  es  handelt  sich  im  tiiur.dc  um  Ver- 
Nveiulung  der  Lchici  iiri  KnlUii  kämpf  ;  I''rolischammer  sagt 
denn  auch  geradezu:  *Die  Lehrer  sind  die  Soldaten  des 
Staates  im  Kampfe  nm  seine  Souveränität  und  Kultunnission 
der  Kirche  gej^eiiüber-.  Merkwürdig,  dafs  dies  thatsächlich 
iiicht  zutrifft    Aber  man  weifs,  warum! 

2. 

a)  Was  die  Pädagogik  mit  audern  Wissenschaften 
(besonders  mit  Naturwissenschaft,  Medizin,  Staatswissenschaft, 
Volkswirtschaftskunde,  Gesellschaftskunde)  gemeinsam  hat, 
zeigt  A.  Keferstein  (XI,  7:  Die  Stellung  der  Pädagogik 
innerhalb  der  Wissenschaften).  Kr  betont  dabei,  dafs  glück- 
liche oder  befriedigende  Lösungen  politischer,  volkswirtschaft- 
licher, sozialer  Aufgaben  nur  mit  Zuhilfenahme  ethisch- 
pädagogischer  Motive  und  Hebel  möglich  sei.  Im  Hinblick 
auf  ihre  letzten  Gründe  imd  ihr  unmittelbar  praktisches  Ziel 
erklärt  er  die  Pädagogik  als  die  erste  der  Wissenschaften. 
»Nur  der  Erzieher  hat  die  beneidenswerte  Mission  zu  erfüllen, 
die  wahre  Menschheitsidee  nicht  allein  zu  ergründen,  sondern 
auch  auf  dem  geradesten  Wege,  in  unmittelbarster  Weise 
zu  verwirklichen  . 

b)  In  der  Erziehung  zur  moralischen  Kraft  sieht  Friedr. 
Ascher  (V,  5)  den  Kernpunkt  aller  Erziehung  .  Als 
»Elemente  dazu«  bezeichnet  er  »ein  einfaches  Wollen  des 
Guten  und  Rechten  (selbständiges  Einsehen  der  Notwendig- 
keit, es  wollen  zu  müssen)  und  eine  in  Enthaltsamkeit  und 
Selbstbeherrschung  geschulte  geistige  Kraft,  damit  man  auch 
könne,  was  man  will  .  -  Aschers  Erziehungsmaximen 
(VI,  8)  enthalten  manches  Bedenkliche;  scheidet  man  dies 
aus,  so  bleiben  vortreffliche  Anweisung<Mi  für  Eltern  übrig. 
An  die  Spitze  stellt  er  den  Satz:  Die  nutwendigsLe  Tugend 
der  Eltern  ist  Achtsamkeit  und  mit  ihr  verbunden  die  Sorg- 
samkeit, und  ihre  Hauptquellen  sind  Gewissenhaftigkeit  und 
Liebe».  Dann  folgen  knapp  gefafste  Eiuzellehren  für  Be< 
handlung  der  Kinder  vom  i.  5.,  5.  10.,  10,-15.  Alters- 
jahre. Znm  Beispiel:  i.  Dein  Kind  soll  den  Ungehorsam 
gar  nicht  kennen  lernen.  Die  ganze  Erziehung  in  den  ersten 
fünf  Jahren  l)rauc!it  aus  nichts  anderem  zu  bestellen  als  aus 
der  Erziehung  z\nn  Gehorsam.  Wenn  nur  vom  zweiten 
Lebensjahre  an  nichts  versäumt  wird!  Je  weniger  du  ver- 
säumst, desto  milder  kannst  du  dein  Kind  behandeln.  Das 
Kind  mnfs  wissen,  dafs  deine  Festigkeit  unerschütterlich  ist 
Ernst  und  Festigkeit  paart  sich  sehr  gut  mit  Milde.  2.  P'ast 
könnte  man  sagen:  das  Erste  und  Nötigste,  was  das  Kind 


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Filadrich  Ditte». 


655 


ZU  lernen  hat,  sei  die  (Tednld,    Ruhe  imponirt  ihm  besonders, 

und  Kraft.  3.  Nun  ist  es  Zeit,  den  jungen  Menschen  anzu- 
leiten, dafs  er  sein  eigener  Richter  werde,  und  die  walire 
Eine  darin  suche,  in  reiner  Brust  sich  immer  des  guten 
\\  iikii.s  und  des  Strebeus,  recht  zu  handeln  und  seine  Pflicht 
zu  erfüllen,  bewufst  zu  sein,  mag  ihm  die  äufsere  Aner- 
kennung dazu  werden  oder  nicht 

c)  Von  der  Erziehung  zum  Gehorsam  sagt  Ascher 
(II,  3),  dafs  sie  eigentlich  die  P>ziehung  zu  jeder  Erziehung 
sei.  Er  führt  nun  aufs  feinste  aus,  wie  der  mechanische, 
dann  der  Gehorsam  aus  Tti;  sieht  und  endlich  der  freiwillige 
aus  Ehrfurcht  und  Tjebc  daroebrachle  (»cliorsam  zu  erzielen 
sei.  (Wir  beschranke  u  uns  hier  auf  den  wichtigsten  Abschnitt.) 
Die  ersten  Anfänge  will  Ascher  wie  ein  Spiel  betrachtet 
wissen.  »Verlangt  vom  Kinde  anfangs  nur,  was  es  selbst 
gern  tbut  und  was  ihm  ein  Spiel  ist,  blofs  damit  es  sich 
gewöhne,  das  zu  thun,  was  das  Wort  des  Er/idicrs  ausspricht. 
Erst  nach  und  nach  menq^t  man  behutsam  h'oiderungen  ein, 
deren  Befolgen  etwas  Mühsames  oder  Helästigendes  an  sich 
hat  In  dem  taKt\(»lleii  Sichhineindenken  in  das  Kind 
und  dessen  eigeutümliclies  Wesen,  um  immer  nur  Passendes 
und  Mögliches  zu  fordern,  li^.^i  zum  gröfsten  Teile  die  Kunst 
der  Behandlung.^  «Je  feiner  der  Kaden  ist,  an  dem  das 
Kind  geführt,  je  ruhiger  und  weniger  aufdringlich  er  geknüpft 
wird,  desto  haltbarer  und  fester  wird  er  sein.  Der  Erzieher 
kann  zufrieden  sein,  wenn  das  Kind  etwa  mit  dem  fünften 
Lebensjahre  zur  nötigen  Folgsamkeit  gelangt 

3- 

a)  Was  ist  Moral?  i^Karl  Teutschmann  XVIII,  2). 
Im  engeren  Sinne  uTiierscheidet  man  zwischen  Moral  und 
Ethik;  jene  zeigt,  weiehen  Grad  von  Sittlichkeit  die  Menschen 
haben;  diest  lehrt,  welche  Sitten  sie  haben  sollen  .  .  . 
Von  Jnf^^end  auf  werden  wir  gelehrt  die  Moral  als  ein  von 
aufserhallj  der  Natur,  ohne  ihrZuthun,  ja  gegen  ihren  Willen 
kommendes  Gesetz,  und  ihre  Übung  nicht  als  unser  Werk, 
sondern  als  eine  Art  Gnadengeschenk  zu  betrachten.  Aber 
wirklich  liegen  die  sittlichen  Begriffe  uns  im  Blute,  werden 
sich  gar  nie  hinaustreiben  lassen,  gehören  zu  unserm  Wesen, 
wie  der  aufrechte  Gang  und  die  gegliederte  Sprache,  l'nd 
eben  in  diesem  Gedanken:  dafs  sich  die  Moral  als  ein  Natur- 
gesetz, wie  alle  anderen,  offenbare,  liegt  zweifellos  eine  grofse 
und  unerschüUtrliche  Beruhigung  ....  Mitleid  und  Pllicht- 
gefühl  stellen  die  beiden  Hauptaufsenmgen  des  moralischen 
Instinktes  dar,  welcher  mit  dem  geselligen  Triebe  gleichbe- 
deutend ist  .  .  .  Unter  Egoismus  verstehen  wir  die  Schattca> 
Seite  des  Ichs,  in  welcher  alles  Böse  wuchert,  während  das 


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6s6 


B«d«ir  Dtdtrtoli. 


Ich  in  seiner  eiitfernleien  oder  näheren,  aber  stets  freund- 
lichen Bezichnnpf  zu  dem  andern  die  Lichtseite  des  Ichs,  in 
der  alles  (Uite  gedeiht,  darstellt.  Was  sich  aber  von  nnserni 
persfin Hellen  Lebensinhalt  weder  in  der  einen,  noch  in  der 
andern  Riclitung  befindet^  ist  moralisch  gleichgültig,  weder 
gut  noch  schlecht,  wohin  alle  physischen  Prozesse,  aber  auch 
die  rein  intellektuellen  Vorgänge  gehören  ....  Versteht 
man  Egoismus  in  jenem  (vorhin  nmschriebeneu)  Sinne,  dann 
versteht  man  auch  die  Morallchren  aller  besseren  Religionen, 
und  findet  das  eitihcitliche  I^aiid  unter  ihnen.  In  der  I^ändiqimg 
und  Unterjochung  dieses  Ki'^enwilltns  beruht  ihre  (ieniein- 
sainkeit,  .so  ver.schiedeu  sie  auch  sou.^i  die  Welt  erklären  mögen. 

b)  Die  kirchliche  und  die  philosophische  Sitten- 
lehre (A.  Görth  XIV,  5.  6).  Ist  die  Menschheit  durch  das 
Erziehungssystem  der  Kirche  in  sittlicher  Hinsicht  gebessert 
worden?  Die  Geschichte  mufs  diese  I  r  i^e  verneinen  .  .  .  . 
Kant  wurde  der  Reformator  der  Sittenlehre  und  der  grofse 
Erzieher  der  Menschen  zu  echter  SittHclikeit.  Nacli  Kaut 
ist  der  sittliche  ( icset/L^rber  nicht  Gott,  sondern  der  Mensch. 
Darum  ist  die  Sittenlehre  von  der  Religion  und  ihren  Lehren 
und  Dogmeu  ganz  unabhängig.  Sie  mufs  sogar  die  kirch- 
lichen Gebote  und  Forderungen,  welche  an  ein  be.stimmtes 
sittliches  Thun  und  Lassen  Drohung  vju  Strafen  und  Ver- 
heifsung  von  Belohnungen  auf  Krden  und  im  Jenseits  knüpfen, 
als  unsittlich  und  gefährlich  abweisen  und  verwerfen  .  .  .  . 
Welche  (Tfundsätze  fordert  die  durch  Kaut  begründete 
philosophische  .Sitte  nlelnr  im  ( ici;«.  usatz  zur  kirchlichen? 
Frage  nie  nach  Lohn  oder  Strafe  aul  Eiden  oder  im  Himmel, 
sondern  thu  das  Gute  aus  Achtung  vor  dem  Gesetze,  aus 
Achtung  vor  der  die  Welt  erhaltenden  heiligen  Pflicht.  Thue 
recht  und  scheue  niemand.  Wenn  du  siehst,  dafs  das  gute 
Recht  gebeugt  n  1  !  las  Gesetz  frevelhaft  verletzt  wird,  so 
Lifs  dich  weder  durch  die  Rücksicht  auf  deine  eigene  Be- 
haglichkeit, auf  deine  irdische  ( r]ück«-eliq^keit,  noch  durch 
die  Furcht  vor  dem  l)r>sen  Blick  und  den  Drohungen  der 
(Gewalthaber  und  eigensüchtigen  Übelthäter  von  dem  sittlichen 
Kampfe  um  diese  heiligen  Güter  zurückhalten.  »Die  Ehr- 
würdigkeit der  Pflicht  hat  nichts  mit  Lebensgenuls  zu  schaffen; 
sie  besitzt  ihr  eigentüiuliches  Gesetz  und  ihr  eigentümliches 
Gericht.  (Kant.)  Jede  fremde  Autorität,  die  statt  des  Ge- 
setzes Xonn  iliren  Sonderwillen  aufstellen  und  durcliführen 
will,  hat  für  sich  keine  sittliche  Berechtigung  oder  Geltung 
und  soll  unter  T'mstrnideu  (?)  als  gefährliche  Tvrannei,  als 
verderbliches  Heniniuis  für  die  Ausbreitung  und  Ausübung 
echter  Sittlichkeit  aufs  aufserste  bekämpft  werden  ....  Die 
Sittenlehre  stellt  den  Menschen  lediglich  auf  sich  selbst  Sie 


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6s7 


kann  nur  einen  TTalt  tj^ewahren:  der  lieo^t  in  dem  echten, 
auf  ideale  I^ii^lK-  L;c^rüiuktLii  sittlichen  Glauben. 

c)  Der  l'essi  nii  s  Hl  11  s  nnd  d  i  e  Si  tt  en  1  eh  re  (J. 
Rehmke  7-12).  Einleitung  l^cssiniisnius  und  Sitten- 
lehre in  Indien  (im  Brahmanismus  und  Buddhismus)  und 
Europa  (bei  Schopenhauer  und  Hartmann)  —  der  empirische 
Pessimismus  und  die  Sittenlehre.  Ergebnisse  :  i.  Der  Pessi- 
mismus ist  untauglich,  die  Basis  einer  Sittenlehre  zu  bilden. 
War  es  dem  Hartmannschen  Pessimismus  scheinbar  doch 
gelungen,  \vcni,L;'-tcns  jM'sitivc  Aufstcllun,i;cn  für  eine  Sitten- 
lehre zu  bieten,  so  lag  der  ( iruiid  darin,  dafs  in  Wirklichkeit 
das  Absolute,  nicht  aber  speziell  der  rcssiniisuius  desselben, 
die  Basis  war,  aber  allerdings  die  Basis  einer  Sittenlehre, 
die  auf  Unmenschen  zugeschnitten  ist  2.  Den  Eigenlust- 
Pessiniismr  !,  i.  die  auf  Erfahrung  gegründete  Erkenntnis 
vom  tauschenden  Schein  derjenigen  egoistischen  Neigungen, 
weicht-  der  Entfaltnnqf  des  waliren  Selbst  entgegenstehen) 
diesen  Kigenlnst-Pessiniisnius,  welcher  Wahrheit  ist,  hat  die 
Sittenlehre  als  das  wirksame  prophylaktische  Mittel  gegen 
den  Egoismus  in  ausdrücklicher  Weise  mit  in  sich  aufzu- 
nehmen. 3.  Glückseligkeit  und  Wollen  sind  unzertrennliche 
Genossen.  Im  egoistischen  Wollen  ist  die  Glückseligkeit 
stets  das  Ziel;  im  sittlichen  Wollen  ist  sie  stets  die  Basis 
des  Wollens;  in  jenem  fehlt  dem  Wollenden  die  Glückselig- 
keit, in  diesem  aber  besitzt  er  sie.  (  )hne  Glückseligkeit  zu 
besitzen,  ist  dem  Menschen  sittliches  Wollen  unmöglich. 
4.  Ohne  ethischen  Optimismus  (nach  welchem  das  sittliche 
Leben  einen  Lustüberschufs  aufweist)  gibt  es  keine  Sitten- 
lehre für  den  Menschen,  wie  es  keine  Sittlichkeit  für  ihn  gibt 
ohne  die  Crlückseligkeitsbasis. 

d)  Die  volkswirtschaftliche  Sittenlehre  im 
Schulunterricht  (Wilh.  Neurath  X,  6).  \'erf.  will  den 
Gei'-t  der  echten,  unserer  Zeit  entsprechenden  volkswirtschaft- 
lichen Moral  kennzeichnen  .  Nach  ihm  soll  die  Grundregel 
einer  gerechten  ( r  ü  t  er  vert  e  i  I  u  n  g  lauten:  Dem  Ganzen 
und  jedem  Ciliede  solche  und  soviele  Mittel  usw.,  dafs  sie 
imstande  seien»  unter  den  gegebenen  Verhältnissen  ihre 
Pflichten  möglichst  gut  zu  erfüllen;  oder  kür/cr:  Jedem  nach 
seiner  Pflicht  als  Mensch  und  als  Glied  des  sozialen  Ganzen; 
jedem  die  Mittel  nach  seinen  Pflichten.  Und  die  Pflicht  eines 
jeden  ergibt  sich  aus  .seine  r  Stellung  zur  sittlichen  Aufgabe 
der  Menschlicit  nberhauj>i,  sowie  zur  historischen  Aufgabe 
der  Nation  und  der  Zeil,  i'nd  die  Pflicht  fordert  nicht  blois 
die^  Entfaltung  unserer  eigenen  Anlagen  des  Geistes  und  der 
Liebe,  sondern  auch  das  Leiden,  das  Entbehren  und  die 
Lebensaufopferung  im  Dienste  der  von  der  Menschheit  zu 

ITn»  BaluM  TU.  lt.  ;  r^/>(3 

» • 

'.Ii', 

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Bmilolf  Di«tri«li. 


vollbrin ölenden  Sendung....  Der  Staat  ist  die  znr  Einheit 
des  Rc'wnfstscins,  zur  Einheit  des  W  illens  nnd  Einheit  der 
ThaL  oder  zur  PersönHchkeit  gewordene  oder  eriiobene  Ge- 
sellschaft, welche  alle  Lebensinteressen  der  Nation  als  Glied 
der  Menschheit  umfafst  und  die  Erfüllung  der  nationalen 
Mission  zur  höchsten  und  eigentlichen  Aufgabe  hat  .  .  . 
Recht:  Es  gibt  kein  von  der  Moral  losgelöstes  Recht;  jedes 
Recht  kann  nur  auf  eine  entsprechende  Pflicht  begründet 
sein....  Reclit  und  Pflicht:  N'nr  als  Trailer  euws  Ideal- 
bewuLslsein.s,  nur  vcrmöi^^e  seiner  idealen  Missini),  nur  als 
Geno.sse  des  zu  verwirklichenden  Idealreiches  (X  crwirklichung 
des  Reiches  des  Geistes  und  der  Liebe)  hat  der  Mensch  ein 
angeborenes  Recht:  das  Recht  nämlich,  durch  Leben  und 
Wirken^  durch  Leiden  und  Sichopfern  seine  Pflicht  zu  er- 
füllen,') sein  ideales  Amt  zu  besorgen          Besitz:   Er  ist 

seinem  Wesen  nach  ein  Amt.  Die  (irundliesitzer  und  Kapi- 
talisten fnn<:^iercn  als  \'erwalter  gesellschaftlicher  (  »iitcrqnellen 
nnd  (iüterma.ssen;  sie-  sind  Inhaber  herrschaftliclier  Ämter 

im  Dienste  der  Gesellschaft  Jede  rechte  Arbeit  ist  eine 

soziale  Amisverrichtung. . . Die  zunehmende  Vergeistigung 
der  Welt,  die  Entfaltung  und  Ausbreitung  des  Geistes  und 
der  Liebe  ist  das  eigentliche  Ziel  aller  Arbeit,  der  wissen- 
schaftlichen, künstlerischen,  pädagogischen,  politischen  und 
wirtschaftlichen  Arbeit. 

e)  Volkswirtschaftslehre  und  Volkserziehung 
(Kaltlioff  X\'TI,  Das  Naturgesetz  umfängt  nnd  trägt  den 
Mensclien  nnbewufst;  das  Siltcngesetz  wendet  sich  überall 
an  das  Bewufstsein  des  Menschen;  in  dem  ökonomischen  Ge- 
setz dagegen  ergreift  der  bewufste,  seinen  eigenen  Willens- 
trieben  folgende  und  sein  eigenes  Thun  regelnde  Mensch  das 
Gesetz  des  unbewufsten  Lebens,  um  sich  dasselbe  dienstbar 
zu  machen;  er  gestaltet  aus  der  Welt  iles  Xaturgesct7.es  durch 
den  wirtschaltlichen  Prozefs  die  Bedingungen  seiner  .sittlichen 
Menschenwelt. . . .  Darin  liegt  der  unmittelbare  Wert  der  Volks- 
wirtschat tslehre  nnd  das  allgeineint-  Interesse,  das  diese  Wissen- 
schaft beanspruch dafs  sie  den  Menschen  das  ihm  zunächst 
Liegende,  die  Bedingungen  seiner  materiellen  Existenz,  die 
Bedingungen,  unter  denen  er  sein  tägliches  Brot  findet,  ver- 
stehen lehrt  Und  so  lange  uns  dieses  Verständnis  fehlt,  sind 
wir  mit  aller  unserer  Wissenschaft  wie  die  Geographen,  welche 

')  V<^1.  Karl  Moinianl:  Recht  und  Pflicht.  Elberfeld,  L 
Friederichs  1854.         Ilm   Naurath  bekannt^) 

Vgl.  Heinr.  lierkiier ;  Über  Sparsamkeit  und  Luxus  vom  Stand- 
punkte der  nationalen  Kultur*  und  Sozialpolitik.  (Schmotlers  JAhrb. 
1896,  I.) 

*j  Vergl.  Georg  v.  Gizycki:  \  orlesungeii  über  soziale  lUhik. 
Berlin,  F.  Dfiminler  1895.  S.  57. 


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6S9 


in  fremden  Weltteilen  besser'  Bescheid  wissen  als  in  ihrem 

eigenen  Hause.  Die  (xesetze,  welche  unsere  ökonomische 
Existenz  bedinsfcn,  Hegen  uns  jedenfalls  naher  als  die  Ge- 
setze, nach  denen  die  Wellt  ukörper  im  Universum  sich  ))e- 
wegen;  sie  treten  auch  Irülier  in  Geltung  als  die  sittlichen 
Gesetze,  weil  der  Mensch  erst  ein  materielles  Dasein  besitzen 
mufs,  bevor  er  sittliche  Punktionen  ausführen  kann.  Deshalb 
heilst  es  über  dem,  was  in  der  Perne  liegt,  das  Nächstliegende 
übersehen,  wenn  wir  Naturgesetze  lehren  und  moralische  Ge- 
setze predigen,  aber  das  Volk  über  die  Gesetze  seines  öko- 
nomischen Lebens  im  Unklaren  lassen. 

4. 

a)  Schriftsprache  und  Mundart  (W.  Nagl  X,  12). 
Durch  das  richtige  Verteilen  der  Schwerpunkte  in  der  Rede 
und  durch  die  entsprechende  anschauliche  Pärbung  dieser 
Schwerpunkte  käme  unsere  Sprache  an  der  Hand  der  Dialekte 
nicht  nur  zu  einer  psychologisch  treffenderen  Gedanken- 
Gruppienmi^^  und  zu  einer  lebendigeren  Anschaulichkeit  und 
Frische.  s«>ii(1cmi  es  hätte  auch  den  praktischen  I^rfoli;,  dafs 
sie  auf  das  Ciros  der  Nation  eine  intensivere  Wirkung  aus- 
üben würde, 

b)  Muttersprache  und  Grammatik  (J.  Kanlich 
XIII,  7).  Das  Wesentliche  des  Wortes  ist  Inhalt  und  Umfang 

des  Begriffes,  den  es  bL/.eichnet,  das  Eigentümliche  sein  Klang. 
Die  F'ornien  stellen  (iebrauchs werte  vor;  ihre  Keimtnis  ist 
weniger  das  Ergebnis  einer  V'erstandesthäti'^keit.  als  vielmehr 
Sacht-  einfacher  Übung.  Vertiefuiii^  (ks  vSprachgcfühls  reicht 
in  (Uli   nieisLeii  hallen  ans;  nielhudischcs  Geschick  macht 

ganze  Abschnitte  des  Sprachbuches  überflüssig  Der  Schüler 

bringt  aus  der  Kinderstube,  weit  seltner  aus  dem  Kinder- 
garten, viel  von  jener  Art  Sprachbildung  mit,  die,  indem  sie 
sich  mehr  an  den  .äufsern  Sinn^  wendet,  dem  innersten  Kern 
der  Sprache  am  nächsten  kommt.  .  .  .  Die  Sprache  ist  ein 
blühendes,  klimmendes  Reich,  das  die  Seele  mit  tausend  leben- 
digen I  Tulen  umspinnt.  Hie  mikroskojiisclie  Methode  der 
(Trammaük  legt  in  ihieii  zusammenhangslosen  Übungsbei- 
spieleu  diese  l''äden  einzeln  blols  und  tötet  sie  zuvor,  um  sie 
besser  auf  ihre  Struktur  prüfen  zu  können. . . .  Die  Volks- 
schule kann  der  Verödung  der  Schriftsprache  steuern  durch 
eine  gründliche  Reform  des  Unterrichts  in  der  Muttersprache.') 

')  Im  Vlil.  Jahrg.  (H.  io>  sind  dem  Buche  des  Reformers  RuU. 
Hildebrand  (»Vom  deutschen  Sprachunterricht  in  der  SchuleO  10 

Seiten  gewidmet.  Sie  enthalten  Aus/üf^e,  welche  den  Zweck  hal)en, 
flen  Inhalt  des  liuches  übersichtlich  dar/ustellen  (vj,d.  das  Milde- 
hrandliefl    tler    .\.  Ii.  .  Okt.  iSy^s».  I>eni  i-insender  antwortete  Ditlcs : 

42* 


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66o 


Vor  allem  niüfste  erkannt  werden,  dafs  Kenntnis  der  Formen 
unter  rmständen  zm  Wortaniuit  führen  kann,  und  dafs  die 
Einreibung  eines  (k  i^eusiaudes  in  eine  begriffliche  Kategorie 
noch  kein  Verständni.s  desselben  ist 

c)  Drei  Volksschtillesebücher  (Th.  Kirchberg  X, 
II.  laV  Eine  an  trefflichen  Bemerkungen  reiche  Kritik.  — 
Das  Iresebuch  sollte  der  freundlichen  Villa  o;leichen,  die, 
fem  gelegen  vom  Staube  und  Geräusche  der  Landstrasse, 
inmitten  V)lühender  O arten  und  seliattig^er  Parka nlni^en,  nneh 
dem  Drange  der  Gesehäfte  zur  Krholunpf  und  Krfrisehunn 
einladet  und  manch  trauliches  Plat/clien  zu  Ijeschaulichci 
Ruhe  und  innerer  Saiiiüiiung  gewaln  L.  .  .  .  Politische  Grenzen 
sind  dem  Lesebuch  nicht  zu  setzen.  ...  Es  soll  keinem 
Unterrichtsüache  aufser  dem  Deutschen  direkt  dienstbar  sein. 
.  .  ,  Es  bezeichnet  oder  enthält  4as  höchste  Ziel  des  ge- 
samten Unterrichts,  und  widmet  sich  im  Gegensatz  zu  den 
Realien  hauptsäelilieli  idealen  I'cstrebunoren.  ...  Ks  soll 
durcl]drun<.ren  sein  wm  einem  wahrhaft  relij4i'"*sen  Hauche, 
von  sittlicher  und  sittlich  macht nder  Kraft;  der  tiische  und 
fröhliche  Geist  eines  gesunden  und  edlen  MeUbclientums 
durchwehe  und  erfülle  es.  ...  Es  soll  die  Dichtung  zu  seinem 
Mittel«  und  Kernpunkte  machen  und  das  Schönste  der  . 
Schöpf unj^^  die  Menschenseele  rein  und  voll  entfalten 
in  der  blühenden,  mustergiltiy^en  Sprache  der  Männer,  welche 
der  Dichtun«^  Schleier,  j:^ev  ebl  ans  Morgenduft  und  Somien- 
klarheit,  aus  der  Hand  der  VVahrlieit  emplan^^en  haben; 
"welclie  das  aussprechen,  was  tausend  andere  fühlen,  oder 
was  luibewufst  in  verborgenen  Tiefen  des  Herzens  schlummert. 
.  .  ,  Es  soll  ein  Volksbuch  sein,  den  Geschmack  an  guter 
Lektüre  bilden.  (Das  hat  die  Schule  noch  nie  ernst  genug 
ins  Auge  gefafst;  sie  hat  es  mit  verschuldetf  dafs  die  ver* 
rücktesten  Romane  und  dgl.  vom  Volke  so  xibermälsig  be- 
günstigt werden.)  Im  einzelnen  wendet  sich  Kirchbcr<r 
ge<^en  das  Überwuchern  der  Realienstoffe  ,  gegen  die 
Leistungen  Schniid.s,  Krunuuachers,  Curtmans,  Gülls  und 
etlicher  anderer  (Hey  läXst  er  gelten).  Er  will  ausgemerzt 
wissen  erkünstelte  Kinderliedchen,  frömmelnde  Geschichtchen, 
Militär-  und  andere  > Gedichte  <  und  Aufsätze,  welche  falschen 
Patriotismus  predigen,  eine  verkehrte  Auffassung  von  der 
Stellung  und  den  Eigenschaften  der  Fürsten,  fromm-chau- 
vinistische Phrasen  I'^rankreich  geirenüber  n.  ä.  \  erbreiten. 
Natürlich  lehnt  K.  auch  die    Geschäftsaufsätze  ab. 


-Es  versUhl  sich  wohl  von  selbst,  dais  ich  (]«>n  ij«-simfkn  lieilkräf- 
tigen  und  in  sich  selbst  gewissen  declanken  Hihiebrands  mit  Freuden 
Vonichub  leiste«. 


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VrMrkih  Dille*.  56l 


5- 

a)  Sy  stein  Uli  k  und  I  n  d  n  k  t  i  o  n  im  (W  <  •  r  a  p  h  i  e- 
nnterrichi  i Alois  Geistbeck  X\'II,  2.  3).  Die  Anbalnumg 
einer  vei nüniligen,  der  Wirklichkeit  rntsprechenden  Natiir- 
iind  Weltansclmnun^  ist  als  eine  Grmultendtnz  des  j^eo- 
graphischeii  l'uterrichls  im  \'crcin  mit  dem  natui knndlichcn 
Unterrichte  zn  betrachten.  .  .  .  Ziel  des  erdkundlichen  Unter- 
richts: Gewinnung  von  klaren  und  richtigen  Anschauungen 
der  Erdränme,  selbstthätiges  und  denkendes  Erfassen  der 
Natur  eines  Landes,  insbesondere  der  kausalen  Wechselbe- 
ziehnngfen  der  sj^ef^j^riipliischen  Rrsclieinnn^en  der  P>dnber- 
fläche,  stete  Durciidringuni;  von  Empirie  und  Abstraktion. 
.  .  .  Das  Verfahren,  durcii  das  man  einen  Schüler  in  eine 
Laiidschait  einführt,  soll  dasselbe  sein,  mittelst  dessen  ein 
unbekannteiä  Land  erschlossen  wird.  Indem  man  eine  Land- 
schaft durchwandert«  gewinnt  man  ein  lebendiges  Bild  davon, 
dessen  Darstellung  zuletzt  die  Landkarte  in  konventionellen 
Zeichen  gibt.  Sogenainite  ideographische  Vorbegriffe  sind 
dabei  überflüsNig;  der  Schiller  lernt  dieselben  im  (icgenteile 
erst  im  Gelände  kennen  und  zwar  auf  Grund  eigener  Be- 
obaclitung.  Die  Hatiptsaclie  ist,  dafs  er  recht  zahUciclie, 
klare  Anschauungen  erwerbe.  Ist  erst  ein  Schatz  von  An- 
schauungen  beim  Schüler  vorhanden,  so  läfst  sich  auch  der 
weitere  geographische  Unterricht  mit  Erfolg  darauf  auf- 
bauen. .  .  .  Die  Gesetze  der  Geographie  haben  weder  die 
mathematische  Bestimmtlieil,  n(»ch  die  Allgemeinheit  physi- 
kalisclicr  und  chemischer  Ge>et/.e.  Die  ( leset/niäfsigkeit  der 
geographischen  Phänomene  liegt  offenl»ar  in  ihrer  Genesis 
und  in  der  daraus  folgenden  räumliclicii  Hulfallung,  Ver- 
breitimg  und  Anordnung,  sowie  auch  in  dem  Verhalten  ver- 
schiedener Phänomene  zu  einander  bezw.  in  ihrer  gegen- 
seitigen Bedingtheit  In  diesem  Sinne  kann  und  soll  auch 
die  Schule  von  geographischen  Gesetzen  oder,  wie  Richt- 
hofen  vorsichtiger  sagt,  von Gesetzmäfsigkeiten  sprechen;  ja 
deren  Kntwicklung  nnifs  einen  ganz  wesentlichen  Teil  des 
geographischen  Unterriclils  bilden.  Wie  die  Vergleichung 
der  geographischen  Objekte,  so  bilde  auch  die  Auffindung 
geographisehcr  Gesetze  einen  feststehenden  .Vbschuitt  in 
einer  geographischen  Lektion.  .  .  .  Das  ist  gerade  ein  Vor- 
zug der  Geographie  vor  der  Botanik  und  Zoologie  und  be- 
zeichnet ihre  Mittelstellung  zwischen  diesen  und  den  beob- 
achtenden Naturwissenschaften,  Physik  und  Chemie,  dafs  sie 
schon  von  den  ersten  Anfängen  an  die  Auffindung  von  f»e- 
selzen  eruiügHelil  und  eine  reiche  I  iille  sehr  elementarer 
Erscheinungen  darbietet,  deren  Gesetzmälsi^keit  der  Schüler 
selbst  und  durch  eigene  Verstandesthätigkeit  erkennt,  eine 


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502  l;u<)«ijf  |)irtrirh. 


geistige  Arbeit,  die  spater  immer  mehr  an  Intensität  gewinnt 

und  imitier  mehr  den  o^anzen  T'ntcrricht  beherrscht  Die 
methodisclic  P>(.liandliiiii4  jj;^liedert  sich  also  in  drei  Stufen: 
I.  Xatnrl)e()l)achtun'L,^  ('^i  Auffassung  der  geographischen  Er- 
scheimuigcn  eines  Läuderraunies  und  ihrer  Wechselbe- 
ziehungen auf  anschaulicher  Grundlage.  Messen  (?).  a.  Ver- 
gleichende Betrachtung  mit  anderen  Gebieten.  3.  Auffindung 
gcograj^hi  scher  Gesetze. 

b)  Ein  neuer  Weg  in  die  Erdkunde  (R.  Dietrich 
X,  3).  Plati  für  die  Behandlung  eines  Landes:  i.  Lesen  der 
Karte.  Die  Karle  ist  ein  Bild,  ein  Gemälde.  Die  Kinder 
sagen,  was  sie  sehen  und  —  was  sie  nicht  seilen,  d.  h,  sie 
schliefsen,  ganz  wie  es  bei  jedem  andciea  Bilde  doch  auch 
geschieht,  bei  einem  Gruppenbilde  z.  B.,  nur  dafs  hier  die 
Phantasie  mehr  Recht  hat  als  dort  Denn  der  Unterricht 
hält  sich  streng  ans  Kartenbild,  und  was  sich  einfach  und 
natürlich  nicht  finden  läfst,  das  bleibt  imgesucht.  Aber  inner- 
halb dieser  Grenzen  Ijeslreben  wir  'ms,  nlles  ^Mö^liclie  herans- 
zide.sen,  zn  schliefsen,  zu  erschlielseu.  Besonders  werden  v.  ir 
das  Leben  und  Weben  der  Mensclien  zu  erkennen  traehien. 
Und  wäre  das  etwa  so  schwer?  Wenn  wir  ein  meerum- 
.^hlungenes  Land  vor  uns  haben  '  wenn  ein  Staat  von 
mächtigen  Strömen  bewässert  wird  —  wenn  Hochgebirge, 
wenn  Hfigelland,  wenn  Ebene  die  Gestalt  der  Oberfläche 
bedingt:  was  werden  da  die  Bewohner  treiben?  Das  sollten 
die  Kinder  nicht  finden?  vSie  snchen  es  gern;  denn  sie 
fühlen,  wie  anziehend  die  Arbeit  ist,  fühlen,  wie  sie  hinein- 
ge/.c)<^en  werden  in  das  Land.  ...  2.  RehandluuL^  des  l^andes 
in  einzelnen  Ciebieten  und  ans  diesen  im  Zusaiiiiiieiihange 
die  Verhältnisse  des  Pestlandes,  des  Wassers  und  der  Menschen 
—  die  letzteren  nur,  soweit  sie  sich  auf  Laudbau,  Handel 
und  Gewerbe  beziehen.  ...  3.  Schilderung  einer  Stadt  (oder 
Landschaft),  wie  sie  gerade  dem  betreffenden  Lande  eigen- 
tümlich ist.  Hier  ist  auch  der  rechte  Platz  für  alles,  was 
über  den  Volkscha^akter  und  das  Klima  (auf  das  selbstver- 
ständlich schon  bei  i  gesclilossen  wird)  sich  sagen  läfst. 
Ohne  künstlerische  Abbildungen  kann  aber  diese  Stufe  nicht 
betreten  werden  —  die  nächste  ebensowenig.  4.  Mitteilungen 
über  Kunst  und  Wissenschaft,  insonderheit  über  Kunstdenk- 
mäler, über  Bauwerke,  die  das  Land  gerade  in  auffallender 
Anzahl  und  Schönheit  besitzt  ...  5.  Aufsuchen  der  Schau- 
plätze hervorragender  Ereignisse.  Also  nicht  bei  jeder  Stadt 
ein  schablonenniäfsiger  Abrifs,  sondern  nur  ein  Heransheben 
derjenigen  Gegenden  des  Landes,  die  in  gewissen  Zeital)- 
schnitteu,  bei  gewissen  Entwicklungen  eine  grofse  Rolle  ge- 
spielt haben.  ...  6.  Die  Eigenart  des  Landes  übersichtlich 


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trMtUh  IWitei.   663 

zusammeir.ifcstellt.  7.  Verq^lciclnin.ij^cn  innerlialb  des  Landes. 
8.  Ver«»Uii.  liniii;(.Mi  verschiedener  Läiuic-r.  (Die  <.  in faehe  Volks- 
schule niuls  in  der  Regel,  wej^en  Mangels  an  Zeit,  auf  3  5, 
darf  aber  nicht  auf  6—8  verzichten.) 

c)  Die  Geschichte  in  der  Volksschule  (Joh.  Lipp 
X,  10).  Hin  eigfenartiger  Lehrplan Der  Geschichtsunterricht 
soll,  wie  derii.itur-  und  erdkundliche,  folgende  Stufen  haben: 
Heimat,  Vaterland,  europäische  Nachbarstaaten,  Krdteile,  Erde. 
Mit  dein  Scliulhaus  beginnt  L.,  in  der  Zeit  schreitet  er  n'ick- 
wäris,  l>ainit  werde  der  GTumlsalz  der  Anschaulichkeit  auch 
auf  den  Geschichtsunterricht  übertragen;  denn  es  handle  sich 
zunächst  nur  um  kurze  Entwicklungsgeschichten  von  Per- 
sonen, Binnchtungen  und  Gebäuden,  für  welche  die  Kin- 
der ein  lebhaftes  Interesse  mitbringen.  Kur  Erdkunde  und 
Geschichte  benutzt  L.  denselben  methodischen  Gang;  die 
erste  Geschichte  geht  mit  der  ersten  Geographie  Hand  in 
Hand^.  Folgt  eine  Skizze,  welche  den  ganzen  Plan  veran- 
schaulicht. 

a)  Die  Pädagogik  des  Plato  und  Aristoteles 
(Rud.  Parolla  XI,  6).  Nach  Plato  ist  die  Erziehung  die  (mit 
dem  Kindesalter  beginnende)  Leitung  und  Pührungder  Jugend 

zu  der  von  dem  Gesetze  vorgeschriebeneu  und  von  den  vor- 
trefflichsten und  ältesten  Männern  gutgehcifscncn  Lebens- 
weise. Vom  dritten  bis  zum  sechsten  Lebensjahre  beschränkt 
sich  der  Unterrieht  auf  Spielen  (unter  der  Aufsicht  der  Wär- 
terinnen, die  von  Frauen  überwacht  werden)  und  Erzählen. 
Vom  6.  Jahre  an  werden  die  Geschlechter  getrennt;  doch 
erhalten  beide  grundsätzlich  denselben  Unterricht  in  Gym- 
nastik (Ringen  und  Tanzen)  Musik  und  Kriegsübungen  durch 
besondere  vom  Staate  angestellte  Lehrer.  Schreiben  und  Lesen 
beginnen  mit  dem  11.,  die  Pflege  der  Dicht-  und  Tonkunst 
mit  dem  i  ^.  Altersjalire;  im  17.  treten  Arithmetik,  Geometrie 
und  AstruntiUiie  aul. . . .  Aus  den  Krläuleningen  und  Winken: 
Man  darf  den  Kiuderu  nicht  erzählen,  was  Hesiod,  Homer 


')  ICine  sehr  interessante  methodische  Arbeit,  welche  das  Prinzip 
der  kon/.entrisclien  Kreise  iu  origineller,  aber,  wie  UQS  scheint,  pan/ 
natürlicher  und  höchst  befriedigender  Weise  zur  Durchführung  bringt  . 
Dittes. 

*)  Die  Auslese  bescliränkt  sich  auf  Arbeiten  über  weniger  be- 
kannte rädagojico  i  dodi  siud  die  Comenius-Forschuugeu  Kvacsalas 
mit  Rücksicht  auf  ihren  besonderen  Wert  ebenfalls  noch  herange 
/  :  1  worden.  -  Aufsätze  über  Pestalozzi  finden  sich  i.  d.  Jahrg,  I. 
III_V,  VIT  XT.  XIII,  XVIII  ;  überjoh  Jak  Wehdi  i.  d.  Jahrj,r  XIII, 
XIV.  —  Fellenliergs  scheint  sich  keui  .Milai heiter  des  Pädagojjiiiiiis 
attgenommen  zu  haben. 


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664 


Rudolf  DUtrieh. 


und  ntulere  von  <K  ii  (iöttern  und  Heroen  sa^^en,  nichts  vom 
übcrniäfsigen  Cielächtcr  der  Götter  (weil  das  überhaupt  un- 
zieniliclj  ist),  nichts  vom  unmännlichen  Javnmern  Achills  (weil 
Kinder  tapfere  Bürger  werden  sollen).  Was  Böses  erzeugen 
kann  ist  auf  jede  Weise  zu  unterdrücken.  Die  Knaben  sind 
auf  dem  Schulweg^e  von  Pädagogen  zu  be|:^kiten.  Gymnastik 
darf  nicht  in  Atliletik  ausarten.  Hurch  Wrbindunj^  von  Tan-/ 
und   Musik   wird   im   höchsten  (»rade  die   Krziehutu^  /nni 
ScluHRii  und  Anstandii^en  bewirkt,  weil  dabei  das  (icfiilil 
für  Ordnung  am  besten  zum  Ausdruck   ktnunit.    Für  beide 
Geschlechter  die  gleichen  Beschäftigungen,  weil  jene  im 
Grunde  nicht  sehr  verschieden  sind.  —  Aristoteles:  Die 
Erziehung  ist  der  Einflufs  eines  schon  entwickelten  Menschen 
auf  einen  noch  nicht  enl wickelten;  sie  <li<.nt  zur  Ergänzung 
der  Natur,  \^)m  fünften  bis  siebenten  Jahre  sollen  die  Kin- 
der dem  T'iiterriciUe,  au  welchem  sie  später  teilnehmen,  nur 
zuschauen;   für  die  Jüngeren  und  Alteren  besteht  je  ein  be- 
sonderes Civnuiasiani.  G\  ninaslik  und  Mn^ik  beherrschen  den 
Lehrplan;  doch  hat  die  Beschäftigung  mit  der  letzteren  nur  den 
Zweckf  die  Bildung  eines  ästhetischen  Urteils  über  die  Musik 
zu  ermöglichen.  Als  oberste  und  allgemeine  Unterrichtsregel 
gilt:  Es  ist  nicht  die  wissenschaftliclie  Methode  anzuwenden, 
sondern  von  dem  dem  Schüler  Bekannten  auszugehen;  unser 
ganzes  Lernen  kommt  nur  auf  dem  Wege  der  Induktion  und 
Deduktion  zustande. 

b)  Zur  Geschichte  der  Wiedergeburt  der  Päda- 
gogik (J.  Kvacsala  XIII,  3).  Der  bekannte  Comenius-Forscher 
will  eine  skizzenhafte  Darstellung  der  Bewegungeti  geben, 
die  sich,  teils  anknüpfend  an  die  Reformation,  teils  unab- 
hängig von  ihr»  auf  dem  (lebiete  der  Erziehung  und  Kr- 
ziehungswissenschaft  im  XVI.  und  im  .\nfang  des  XVII. 
Jahrh.  vollzogen  und  die  (irundgedanken  der  späteren  Refor- 
matoren in  ihrem  Keime  aufweisen.  Jene  I^ewe^^un^^en  nehmen 
ihren  Anfang  bei  Fr.  Kunnaeus  (zu  Heginn  des  X\  II.  Jahrh. 
Lehrer  an  der  Akademie  in  Genf),  welcher  der  »B:gründer 
der  systematischen  Didaktik«  gewesen,  aber  nur  den  Unter- 
richt im  Auge  gehabt;  die  s  Methode  n frage«  betrachtet  er 
vom  Standpunkte  des  Schülers  aus,  indem  er  Anweisungen 
gibt,  wie  man  lernen  soll.  Sein  Schüler  war  der  Lehrer  des 
Comenius:  J.  H.  Ahstedt.  Auch  diestr  bescln.lnkt  sich  auf 
den  Unterricht,  von  welchem  übrioens  sowohl  die  Realien 
als  auch  die  Muttersprache  ^in  .\iiuel-und  Hochschulen)  an.s- 
geschlosseu  sind.  j^Vom  neuen  Geiste  hat  er  kaum  Kennt- 
nis«. Vertreter  des  ^ neuen  Geistes^  sind  Baco  und  Radtke; 
sie  haben  *die  neue  Zeit  auch  dem  Inhalt  nach  vorbereitet«. 
Ihnen  gesellt  sich  Andreae  bei,  der  sich  mit  der  Erziehung 


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Frledrfeb  OUt««. 


665 


beschafti.i^t,  und  Kilhard  Liibin  Ij^eb.  i.S''5'<  '^«^"i"  ^^t^"  ^^e- 
dankcn  einer  \\"r1)in(luii u  des  Sprachunterrichts  mit  dem  Sach- 
unterricht ausgesproclien.  In  des  Cumenius  (reiste  aber 
konzentrier ten  sich  alle  diese  (d.  h.  die  fortschrittlichen)  Ideen, 
und  er  verband  sie  zn  einem  schönen  nnd  festen  Ganzen 

c)  Beiträjjc  zur  Comenius-Forschnnß;  (J.  Kvacsala 
X,  9.  10).  Der  Parallelismns  des  Si)rachunterrichts  mit  dem 
Realunterricht  (d.  h.  dafs  man  die  Sprache  nicht  nnr  und 
überhaupt  nicht  der  Wörter  wegen  lernt)  und  die  Strenge 
psychologischer  Hehandhuig  der  Materialien  (d.  h.  dafs  man 
alles  stnfenmäisig  und  freudeervveckend  mitteilen  soll)  —  das 
sind  die  beiden  Grundgedanken,  auf  welchen  sich  die  Methode 
des  Comenius  über  alle  anderen  Methoden  erhob.  Dafs  die 
Ausführung  diesen  Grundgedanken  entsprach^  ja  fast  in  jeder 
Einzelheit  einen  feinen  erzieherischen  Sinn  verrät  und  zur 
(reltnni^  bringt,  hat  seinen  Tvehrbüchern  den  fast  unglaub- 
lichen IsrfolL;,  die  mannigialti^sten  Lobeserhebungen  und 
Ans/.eichnnni^^en  verschafft,  Dafs  er  aber  Iroi/.dem  nicht  ge- 
zögert hat  -—  und  zwar  am  Schlüsse  seiner  erfolgreichen 
Wirksamkeit  —  rückhaltlose  Kritik  an  seinen  eigenen  Werken 
zu  üben,  ist  ein  Beweis  seiner  persönlichen  Gröfse,  wovon 
übrigens  ein  jedes  seiner  Werke  mehr  oder  weniger  Belege 
liefert  Und  was  sein  gesamtes  Schaffen  zu  der  etln'schen 
Hohe  einer  vSelbstaufopferung  erhebt,  ist  die  Tlialsaclie,  dafs 
es  ihm  nie  um  seine  Person,  um  seinen  \''orteil,  nni  seinen 
Xameu  zu  thun  war,  was  allerdings  t^^eeignel  ist,  die  I^iel)e 
für  seine  Person,  den  Ruhm  seiner  Werke  zu  verdoppeln. 

d)  Joh.  Balth.  Schupp  lA.  Schultz  XIII,  4.  5). 
i6to — 61.  Hofprediger  in  Giefsen,  Prediger  in  Hamburg. 
Verlangt  (in  seinen  lehrreichen  Schriften  )  für  die  Volks- 
schule, welche  er  als  -die  wahre  (^^rundlage  des  Staates  und 
der  Volkswolilfart  anerkennt,  tüchtige,  d.  h.  gründlich  ge- 
bildete, vor  allem  seelenk nndige  Lehrer;  diesen  sei  aber  anch 
die  gebührende  I lochachtung  zu  zollen  nnd  eine  entsprechende 
Besoldung  zu  gewahren.  (Letztere  soIi  mit  durch  freiwillige 
Beiträge  der  >  Reichen  aus  ihrem  Überflusse«  bestritten  werden 
-  -  eine  Forderung,  die  wir  auch  heute  noch  geltend  machen). 
Weiterhin  erfreut  Schupp  durch  die  hohe  Werthschätzung 
der  reinen  Kindesnatur,  rechte  Würdigung  der  Muttersprache 
als  Krziehungsmittcl,  Verurteilung;  des  ornmTnatische»  Drills, 
Verweis  auf  Comenius  als  den  vSprachlehrmeister  .  .  .  Zwei 
Belege  für  \'oriu leilsfreiheit  und  Walirlieitsmut :  Weisheit 
ist  an  keine  Universität  gebunden;  das  höchste  Wissen  er- 
langt man  nicht  nur  durch  Universitatsunterriclit  --  •  die 
Schule  ist  von  der  Kirche  zu  trennen. 

e)  La  Chalotais  |A.  Pinloche  XIII,  6),  1701—85.  Jurist 


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666 


in  der  Bretai^^iitr.  Kämpfte  uneniiüdlicli  ^cgeii  die  Jesuiten 
und  tyrannische  Staatsverwaltung'.  Hai  die  znletzt  genannte 
Fordcruni»-  Schnpps  noch  SLli.irkr  und  wohl  nnabhängij^ 
von  diesem  ausgcsproclien.  In  seinem  X'ersnch  einer  Xational- 
erziehnng  (1763)  erklärt  er:  Ich  beanspruche  für  die  Nation 
eine  Erziehung,  die  einzig  und  allein  vom  Staate  abhängt, 
weil  sie  ihm  ihrem  ganzen  Wesen  nach  ausschlielslich  zugehört 
f)  Die  erssieherisch  e  Einwirkung  Abrahams  a 
Santa  Clara  auf  das  österreichische  \'()lk  f\V.  Xagl 
XIII,  10).  XagP)  stellt  zunächst  fest,  dafs  Abraham  (1642 
bis  1709)  in  hohem  Grade  zum  X'olkserzieher  befahl q^t  war 
vermöge  seines  »feinen  Gefühls  für  das  Bedürfnis  der  Zeit, 
für  die  Lage  der  Verhältnisse,  die  im  schreienden  Gegensatz 
zwischen  Gebildeten  und  Volk  kumulirte«,  vennöge  seiner 

unmittelbaren  Xeignng  und  Liebe  zum  \*olke  und  ver- 
möge seines  Witzes.  Die  Waffe  des  österreichischen  Bauern 
(und  nin  diesen  handelt  es  sich  vomehinlich)  gegen  das 
FrLHitk  und  Xene  ist  sein  Witz,  iinLj;lanl)licli  \  ielseitiqfe  und 
gewandte  Ironie  .  Wer  niclu  sciiRiu  W'il/  /u  l>egegnen 
weifs,  verfängt  i;ei  ihm  niclu.  Abraliam  konnte  es:  Die 
zwingende  Kraft  des  abrahamischen  Wortes  lag  im  volks- 
tümlichen Witze.  Er  kam  dem  Votkswitz  mit  L^berlegenheit 
zuvor.  Indem  er  .seinen  Zuhörern  die  Witze  im  vorhinein 
aus  dem  Munde  und  aus  dem  Herzen  griff,  hob  er  gleichsam 
ihre  ganze  Seele  mit  heraus,  verarbeite  te,  be.schnitt,  ergänzte, 
kurz  niodnlirte  sit  nach  seinem  eigenen  Cieiste  und  stellte 
ihnen  diese  umgeuRKkltf  Seele,  die  mni  Abrahams  Stempel 
trug,  zurück  .  ^  So  kam  es,  dafs  die  ganze  Zeit  \  on  ca. 
1670— 1770  in  Österreich  der  Geist  Abrahams  ausfüllte  (und 
das  Wiener  Volk  zollt  den  Kopien  Abrahams  jetzt  noch 
Beifall).  Er  zwang  auch  die  starrköpfige  geistliche  Schule 
zu  einigen  Konzessionen.  Allermindestens  blieb  der  einer- 
seits süiselnde,  anderseits  lebensfeindliche  Ton  beschränkt, 
trockene  Moralisten  und  Beichtväter  von  Kanzel  und  Beicht- 
stuhl liinweggebannl,  und  lernten  die  Geistlichen  mit  den 
bestehenden  Faktoren  des  X'olkstums  rechnen.  Fragen  wir 
nun  nach  der  bestimmten  thatsächlichen  Leistung  Abrahams, 
so  wird  uns  znr  Antwort:  er  hat  das  Svstem  der  Kirche 
popularisiert  .    Dieses  System»  d.  h.  das  Gute  an  ihm  gebot 

Zurückhaltung  und  Mäf.sigung;  Arbeit  (hierin  kam  der 
natürliche  Volkscharakter  dem  S\stem  einigerniafscn  ent- 
gegen) und  Si)ar.sanikeit:  strenges  Streben  nach  dem  Hellten. 
Xützlichen,  Xötigen;  Achtung  vor  der  (J)brigkeit  und  Fest- 
halten an  der  Religion-.^,  Man  (die  Kirche)  begnügte  sich 
aber  zunächst  mit  der  Übung  in  der  Zurückhaltung  (Ent- 

•)  Der    Bauerniisyclioiog    des  Pädagogiums. 


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Fri«ilricii  Dille« 


halt.samkeit),  und  diese  hat  Abraham  mit  Entrgie  einge- 
führt. Aber  dann  war  sie  zu  regehi,  und  das  hätten  spätere 
Volksmänner  besorgen  müssen'.  Solche  sind  nun  leider 
nicht  gekomnun.  und  so  ■  stininiU'  das  Landvolk  zukt/.t 
(nach  Abrahams  Zeit,  in  der  t*rstcn  Hälfte  des  X\'III.  Jahrli.» 
mit  der  strengen  geistliclicn  (asketischen)  Schule  überein  , 
was  sich  in  seiner  uitliclun  Kinseitigkeit  und  trägen  l'n- 
beweglichkeit  traurig  genug  otlenbarl.  Heute  hat  das  alle 
Moralsystem  bei  den  Bauern  noch  die  volle  Alleinherrschaft 
—  die  anders  denken,  die  fortschreiten  wollen»  werden  ge- 
ächtet und  gebannt  .  (  Die  heutigen  Geistlichen  wirken 
nicht  persönlich,  erzielilicli.  verstehen  auch  die  Leute  nicht'.) 

g)  Job.  Ignaz  Melchior  v.  elbig  er  (Aug.  Janntta 
XI,  51.  1724-  88.  J.  hehaiidc'lf  besonders  eingehend  das 
Eigenlünüiche  mid  Kefni matuiische  an  Felbigers  S\  stein: 
bezüglich  der  Rechtscliatlenheitslehre  (eigener  Unterrichts- 
gegenstand; Belehrungen  über  die  Pflichten  der  Schüler,  des 
Menschen  gegen  den  Nächsten  und  die  (yesellschaft,  luid 
über  die  rechte  Haushaltung),  der  Heimatkunde  (Entwicklung 
des  Karten  Verständnisses;  Messen  und  Reisen  auf  der  Karte) 
und  des  rTeschichtsunterrichts  (welcher  LebensgeschiclUen 
von  Mfinnern  aus  allen  Herufen.  vornehmlich  solchen,  dcucn 
sich  die  Schüler  widmen  dürften,  bringen  .soll). 


Xa  eil  Wort  des  H  e  r  a  u  >  g  e  h  e  r  >. 

riil)eeinfhifst  links  oder  rechts,  wollen  die  Neuen 

Bahnen  nur  dci  Wahriieit  dienen.  Das  ist  von  jeher  ihre 
Ehre  gewesen  und  .soll  es  auch  in  Zukunft  bleiben.  X'on 
diesem  Grundsatze  habe  ich  mich  auch  leiten  lassen,  als  ich 
der  vorliegenden  Arbeit  die  Attfnahme  nicht  versagte,  nach- 
dem ich  mich  überzeugt  hatte,  dafs  es  atich  dem  Verfas.ser 
nur  um  die  Wahrheit  zu  thun  gewesen  ist  Mit  ihm  kann 
ich  aber  nur  wünschen,  dafs  er  ^icli  in  manchem  geirrt 
haben  mochte.  Ich  werde  keiiu-  I'.ericluigUTTLr.  die  :nif 
(irnnd  zu\ crläs<iir(-n  Materials  erfolgt,  nnige  sir  mir  direkt 
ziigelien  oder  in  einer  anderen  Zeitschrift  ersclieiiu  11.  den 
Lesern  vorenthalten.  Es  soll  den  X.  II.  nicht  uaehgesagt 
werden  können,  dafs  sie  wider  besseres  Wissen  ein  falsches 
Bild  der  Persönlichkeit  des  verdienten  Pädagogen  verbreitet 
hätten.  Auf  leere  Redensarten  oder  wohl  gar  öde 
Schimpfereien  werden  die    N.  Ii.  -  allerdings  nicht  reagieren. 

Johannes  Meyer. 


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Inlialts-yerzeiclmis 

zur 

„Umschau  in  Nachbargebieten"  (April— Juni  1896) 
„Wlssenschaftlidien  Beilage"  {JxiM  —  Dez.  1896). 


iV  s=  Umschau.  —  VV  B  =  W'iss.  Beil.  -   Wo  weder  l'  noch  \V  H. 
dann  immer  W  B.  -  Ziffern  am  Ende  =  Seitenzahlen.) 


I.  Abliamllungeii. 

A.  Geschichte  und  Geschichtsschreibung.  Länder-  und 

Völkerkunde. 

H.  Grimm:  Betrachtun {^en  über  nationale  Geschichtschreibung.  (K. 

y.  Treitschkcs  Dcntsclie  (lesrhichte  im  XIX.  Jahrh  1        T  2tS. 

F.  Kachfuhl :  Deutsche  Geschichte   vom   wirtschaftl.  Standpunkte. 

(K.  Laniprechts  Deutsche  Geschichte.)  —  V  219. 
K.  Vamb^* :  Armenier  und  Kurden.  —  U  287. 

B.  Staats-  und  Sozialpolitik.  Volkswirtschaft 
Frz.  PÄtow:  Die  Monroe- Doktrin.  —  U  28«. 

H.  Hcrkiier   Si>arsamkeit  und  Luxus  vom  Standpunkte  dernationalen 

Kultur-  und  Sozialpolitik.  —  U  223. 
H.  Delbrück:  Die  Aussichten  der  Sozialpofitik.  --  L  221. 
Fr.  Naumann  :  Das  Problem  der  kirchlichen  Sozialpolitik.  ^  ü  231. 
I«.  JolU' :  Das  württembergische  Vereins-  und  Versammlungsrecht 

-  W  B  II. 
J.  Jastrow:  Arbeiterschutz.  —  W  B  12. 

G.  Schan/  iFr.  Wönshotfer) :  Arbeitslosenversicherung  fSpanwangi. 

-  334. 

Frz.  C>[)pcnhciracrt  Die  soziale  Frage  der  oberen  Klassen.  —  W  B  27. 

J.  Platter :  Der  Kric^  .ir^n  die  Mütter  (F>auenemanzipation).  —  W  B 33. 
Schmölder:  Der  Arbeitsmarkt.  —  U  288. 

C.  Philosophie.  Sittliche  und  bürgerliche  Bildung. 

R.  M.  Mever:  Der  Kampf  um  den  einzelnen.  —  W  B  17. 
Fr.  \V.  Forster:  Weltpolitik.  -  W  B  10. 

Derselbe;  Ein  mündiges  Volk.  < -Der  verzauberte  Kaiser  —  W  B  i8. 
R.  Dietrich :  N  olkstüralichkeit  der  ethischen  Bew^fung.  —  W  B  25. 

Derselbe:    Di*.  Dcinokrntic  und  die  ethische  Bewegung^- .  —  W  B  41. 
W,  För.sttr:  Iletrachtung  über  die  Stellung  der  Fürsten.    -  V  ^27. 
M.  Wittich:  (,ut  deutsch.  -  U  333. 

F.  Avennrius  (Kunstwart):  Allerlei  zur  Rücksdiau.  (Männlichkeit: 

Kuechtssinn.)  —  U  327. 
E.  Isolani :  Soldaten  auf  der  Bühne.  (Militarismus  und  Patriotismus.) 

-  U  329- 


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D.  Sprache. 

Th.  Matthias:  Die  Mundarten  im  Spiegel  der  Schriftsprache. —  WB  i. 
W.  Münch :  Gedanken  über  Sprachschönheit.  —  U  332. 

K.  Kunst  im  allgemeinen;  einzelne  Künste. 

A.  Bartels:   Kunst,  künstlerische  Thätigkeit,  Kunstsinn»  Ästhetik 

der  Kuiist._ (Johs.  ^'olkc^l.-^  Astlu  tische  Zeitfiajjen.J  —  W  B  9. 
V.  Aveiiarius:  l'berschät/.ung^dcr  Kviiist.       W  l\  5. 
H.  Scluiiidkuii/ :  Kunst  und  Öffentlichkeit.  —  U  224. 
I«eonh.  hivr :  Kritisclus  üh«.  r  Tageskritik  (Kunstkritik).  -    V  226. 

A.  l*hiH|>])i    I):is  Wnndi.  rli.ii (■  in  der  I'^ii-^ie.  --  W  II  2 

U.  Dictricli  .    Deutsche  Dichtung  ,  (Krink.i   -  L'  '^21.).  W    H  ',4. 

A.  Hiese:  Wie  entsteht  das  Lied?    -  VV  B  ,v 

\V.  IJölsclie:  Zur  Naturgeschichte  des  modernen  Romans.  —  \V  B  42. 
A.  Dresdner:  \'ün  der  Schauspielkunst  —  \V  B  4. 
A.  L'Arronee:  Vorschläge  zur  Verbesserung  unserer  Theaterzustände. 
-  W  B  19. 

II.  Bfiehar. 

A.  Geschichte.  —  A.  Schäftle:  Joh.  Frie<lr.  Cotta.  30.  —  ().  I,yon : 

Bismarcks  Reden  und  Hriefe,  16. 

B.  S  t  n  n  t  s     u  n  d  S  <  >  /  i  a  1  j)  o  1  i  t  i  k  ;    \'  o  1  k  s  w  i  r  t  s  c  h  a  f  t ;   \'  o  1  k  s- 

k  u  n  d  e.  "  \y.  Koscher :  Tolitik.  29.  —  G,  v. « ii^ycki :  Vorlesungen 
über  soziale  Ethik.  20.  —  L.  y.  Buch:  Über  die  Elemente  der 
polit,  Ökonomie.  22.  —  (i.  Maicr:  Der  Kaniijf  um  Ar!)cit.  21.  - 
K.  Jeutsch:  Volkswirthschalt^^lchre.  14.  —  Statistisches  Jahrbuch 
der  Schweiz.  14.  ~  Fr.  Anders;  Skizjien  aus  unserm  heutigen 
Volksleben.  37. 

C.  P  h  i  1  OS  o  p  h  i  i  :  sittliche   und   V>ürgeilich(   Bildung.  K. 

Jentscb:  Geschichtsphilosophische  Cedauken.  6.  —  Züricher 
Reden  (ethisch-soziafwiss  Vortrag.  1X9^1.  32.  —  Die  Sittlichkeits- 
lehre als  Xaturlehre.  38.  -  K.  Hilty  :  (iliick.  44.  —  W.  Münch: 
Anmerkungen  /um  Text  des  Lebens.  6.  —  1'.  v.  (lizycki :  \'om 
Baume  der  i.ikennlnis.  46.  11.  Nclir}- ;  ZitateuschaLz.  3.S.  — 
A.  Exner:  Über  politische  Bildung.  13.  —  I.  Perthes:  Staate- 
bürgi  rntlas.  7. 

l).  Natu  r  w  i  s  s  e  n  s  c  h  a  f  t.  I.  I..  A.  Koch  :  Das  Nerven  leben  <les 
Menschen.  47.  —  Lassar-Cohn  :  Die  Chemie  des  täglichen  Lebens. 

E.  Sprache.  —  M.  Heyne:  Deutsches  Wörterbuch  (kl.  und  gr.  Ausg.i 

15,    Vi.    1  >.    --  ().  :    rnsere    Muttersprache.    !5.  —  Tli. 

Matthias:  Sprachlebeu  und  Spraclischäden.  23.  —  (>.  Kares: 
Poesie  und  Moral  im  Wortschatz  7. 

F.  Kunst  nnd  Künste.  —  R.  Reichenau:  .Vns  nnscm  vier  Wänden, 

36.       Stifters  Werke.  40.  —  (•.  l'rex  tag:  (icsammelte  Werke.  X2. 
.  —  l\  V.  Reber  und  A.  Beyersdorfer ;  Klassischer  Skulpturen- 
schatz. 47. 

III.  Kleine  Mitteilungen. 

Der  uiodenie  Men.sch.  48.  —  Litterarisclies  Iutcres.se.  48.    -  Über 
Schiller.  32.  —  Zu  Schillers  Glocke.  24. 

Pfahlbauten.  32.  —  Höhenlage  schweizerischer  Gemeinden.  24.  -  Die 
Glctscherl.iw  itie  in  dcr.Vltels.  8.  —  Jenseits  des  Polarkreises.  24. 
.  —  Zuckererzeugung.  40.  —  Kufslauds  Weinbau.  32.  —  .Antwerpens 
Bllenbeinhandel.  16. 


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Pädagogische  Bücher-  und  Zeitungsscbau. 

Nr.  1.  IHM.  Vll.  Jahrg. 


Iii»  In  illeitw  yuiniiior  aufffitführtvii  Bichw  und  /rf>iti»chriftoifArtili»l  »iml  im  l*l«t«ii  <|«i«rl«l 

4m  Jnikr^  lit*&  *r«4^M^n«M. 


I.  6e«chiohto  und  Grundwissenschaften  der  Pädagogik. 

;i.  (Icschicbte  der  Pädagogik. 

fri  Ihhihi.  Moldenhauer.  G.vnm.- ri  r  I"'  rTeschichtc-  des  höheren 
Schiilw csen.s  der  RheiM])i( i\  in/  unici  junusisclier  Regierung.  (VIIl, 
lao  S.)  Köln,  I'.  N\nl»iKr  *;  Äi.  -  Scherer,  gchniinnpektor.  H..  Die  Testa- 
lo/./.isclie  rädagogik.  nach  ilucr  ivntwicklung.  ihrem  Auf  uiid  Aus- 
bau und  ihren»  l.iufluf."-  aut  du.  Ocstaltung  des  X'olksschulwe.sens  dar- 
gestellt. (VI.  .112  S.)  Leipzig.  R  Brandstetter.  4  M. 

//•  Auis.itu.  Vi.  Weidemanii  Pestalozzi,  unser  aller  Meister.  (Hann. 
Schulztg.  47.  4S1.  -  Muszynskt,  Was  lehren  die  griechischen  Pädagogen 
von  der  nien.sciilichen  Seele  ^  (Rath.  I.ehrerztg.  .>i  -  .>.iK  —  L.  W. Seyffiirtll. 
Aus  I'estaloz/.is  Leben  mit  besonderer  Ileziehung  auf  Frankfurt  a.  M. 
iPrankf  Schulz,  12).  -  Karl  Keller.  J*-hnnti  Michael  Sailers  Lehren 
und  die  Ik'Strebungeu  der  ( iegenwart  in  lle/.u].;  auf  die  körperliche  Er- 
ziehung. (Päd.  Bl.  6».  N.  N.,  Die  Schul{)ra\is  des  19.  Jahrh.  in  ihren 
ILiuptent\vickelung.s.stufen  dargestellt  und  tnit  besonderer  iicriu  k.sich 
tigung  der  kausalen  Iteziehungen  zwi.scheu  ihrer  VervoUkonininuug 
nnd  der  \'erticfnng  der  Lelirerbilduagr-  (Deutsche  Schulpr.  49—52).  — 
Dr.  H.  Morf,  Pestalozzi  als  Pegründer  unserer  .Annen-Krziehungsan- 
.stalten.  (Sanuni.  päd.  \ Ortr.  4).  Panzelpr.  0,75  M.  —  W.  BarthoiomällSt 
Das  allgemeine  Landrecht  und  die  preufsische  Volksschule.  (Samml. 
päd.  Vortr.  5)-  Einzelpr.  0,60  M. 

b.  Grundwissenschaften  der  Pädagogik.  . 

ff/  ßiirhrr.  Ehfat,  «.ii.  i  r.>r.,  Pankraz,  Die  Bedeutung  der  I«ogik. 
be/.w.  der  Krkenntnistheorie  für  Wissenschaft,  Schute  und  Leben.  (V, 

J43  S.  ni.  Pildn  1  Ziti  in    l'ahl.  2  M. 

fi)  Aujsäl:,t  .  Daniel  Salltt,  Psychologische  lüiäuteruugeu  zur  Fähig- 
keit der  Zurechnung  und /ur  sirafrechtlichen  Unreife.  (D.  Volk.s.schul- 
freund  40.  41 '  Or.  phil.  Maximilian  Heym,  Die  Frauenseele.  (Leipz. 
Lehrerictg.  7).  —  Fr.  Max  Bergfeld,  Kurze  natürliche  Sittenlehre.  iLeipz. 
Lehrerztg.  6).  N.  .N..  Da.s  Individuum  unter  dem  (Gesichtspunkte 
einer  naturalis*. i  In  .;  Weltanschauung.  *A!lg.  Deutsche  I.clircr/ti: 
,^9—411.  —  J.  Pompetzki,  Die  \  or.stellungeii  und  ihre  Reproduktion. 
iPas.  Lehrerztg.  ;9),  —  N.  Ii,  Die  Hanptlehren  des  Spinoitismu.s  und 
Leilniizianisnius  in  ihrer  Konxergenz  und  Divergenz  nnd  mit  beson- 
derer Berücksichtigung  der  pädagogischen  Moniente.  lAllg.  D.  Lehrer 
Ztg.  49-511.  --  Dr.  Koch,  Pädagogik  und  Medizin.  (Deutsche  I.II.  f.  erz. 
rnterr.  41,  421.  -  Dr.  Max  Jahn.  Die  neuere  Psychologie  ir,  ilireni\'er- 
hältnis  /ur  Pädagogik.  iLeipz.  Lehrer/tir  ji  \-s  —  Budde,  Über  das 
Charakteristische  der  Lolzeschen  Philosopiuc.  speziell  tler  Psychologie 
(Rhein.  Bl.  5».  —  Or  Kremstes,  ÜberCiedächtnisuntersuchungeii.  (Rhein. 
Kl  f.  .  Römpler.  Sech  iu;<l  Seelenleluc.  1  Päd,  Blätter  51.  —  Of.  Karl 
Teutsohmann,  W  as  ist  .Moral    (Pädagog.  z). 


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3 


2.  Allgemeine  Erziehungs-  unci  Unterricbtslehre. 

a    I '  tu  f  .1  s  s  i- 11  <1  (  S. 

ij)  lii«!i<i.  1.  Grefsler.  i;. !  I  r»iUlmi;^s/iek- «U  t  X  olkssdiulc  in  Rück- 
«icht atif  die  Fcirdoniti-'  n  'Ii  i  "  .<.  4en\varl.  f.H'S.)  WiLsbiKlt  ji.  I"..  Iklnviid. 
n/ifi  —  Handbuch  der  I'.r/i.  !iiin;^>>  und  rntcnichlskdirc  fin  höhere 
Schulen.  IIrs){.  \.  Dr.  A.  iJaunicislcr.  4.  litl.  \.  11.  4.  Al)t.  Müticlicu. 
C.H.Beck.  .^soM.  bc/w.  y  M.  Dass.  2.  Bd.  I.  .\ht.  yWX,  ii.  VI!I. 
206  S.i  KIkI.  7,V'  M    . '-Iv  V,  M. 

//>  .{ußtHzt.  L  Boy,  l'mije.staUiinu  der  Hilclunj{.sicicle  ili  v  \  «»lks- 
schule  nach  den  FordeninKeti  der  (Te-icuwart.  fX,  WcHtd.  Lehrer/t^. 
V)— ;6j.  Nachtni}:  ;S.  —  Feuersenger.  Si  lmle  und  Familie :  wie  sind 
'^ie  xm\  einander  abhän.ci;;.  und  wie  haben  sie  daher  aufeinatuler 
Rück.sielil  /.u  nehmen?  1)  diutsche  \Olkssehiile  ,ii  .i;,).  Neumann, 
Wie  berücksichtiget  die  Sdude  bei  der  An sl>ild«njr  der  Kinder  die  Be- 
dürfnisHe  des  Gebens.*  (I>.  dcuische  XOlkssch.  3.^). 

b.  Ii  r  /.  i  e  h  II  n  \i. 
m  Hiulnr.    Fuchs.  j...iir.r.  Anui.  Dc-r  ■Hr/iehinvj-'^  Knt  Prakti.seher 
orSchlaK  zui"  l'*r/iehun<i  nii.s«  r*  r  silllieh  uuuunniim. n  j uj^etid.  Lcipz.. 
.  Fleischer.  1.50  M.  —  Lindner.    h„i.iir.  Dr.  (i  A  .  Die  siiiHch-reHjftö«« 
Weiterbildnnj:  der  Jün);lin>;e  dnreh  die  F<>rthilduu);^.s.schule.    (24  S.i 
Leipzig.  Dürr.schc  Buchhdl.  0,3t »  .M. 

h)  Aufsätzr.  Hermfne  Scltrainiii,  Inwiefern  kann  die  Schule  der  For- 
1  :  mj  individueller  Hr/ichnni:  mfhkotnnien    (D  Lehrerin  IL  — Mcta 
Siebert,  Lob  und  Tiulcl  in  der  SelniK .  (D.  Lehrerin  51. 

e.  r  n  l  e  r !  i  e  h  t. 

Aitpuilit.  E.  Walther,  Zur  Frage  der  VVictterliolungsbueher  in  der 
Volksscnnle.  (T.eipy..  Lehrerztjf.  H.  9).  —  Dr.  Berth.  Sohnli«.  Der  hyjjie- 
ni.'-  Ii  '  1'  rr  '^t  an  höluren  Schulen.  (Ztschr.  f.  l'hilos.  u.  Päd  4  -  <>t, 
Wulkow.  Dr..  Der  Lehr.stoH  und  das  lieben.  «Rhein.  HL  .^k  —  H. 
Schmidt,  Konzentrationsversnche  auf  dem  Gebiete  des  naturkundlichen 
rnterrichts.  iPäd.  7X%.  50,  511, 

d.  Soxi alpäda;c"}(il^> 
///  JSiu/in.  Buch.  Dr.  (l.,  Über  Ferienkohmien.   114  S.»  Dresden. 

A.  Köhler.  0.50  M. 

h)  Au/sij/zr.  Schmid,  l  l)er  Schul jrarten.  (Lehrerztii  1.  Thür.  .;s -40). 
Gottbehilt,  Die  ('lesundlieilsjifki^e  in  der  Volk.sschule  (Lehrer/l^. 
f  Thiir.  401.  Dr.  E.  Thrändorf.  Alli:«.  nu  in«.  Tluiunnitälsselril.  «Kr 
Konfessionsschule.^  iZt.schi.  f.  l'hilus.  u.  I'äd.  4.  ;  .  A.  Ernst,  i  >»e 
Ilaushallunj^skunde  in  der  niitlleren  und  luduren  .Mädchen.schnle. 
(T).  Mittelsch.  19.  20).  Bartholomäus,  Was  kann  die  Schule  und  in- 
sonderheit der  Lehrer  im  Kampfe  ge^cn  den  MiKsbrauch  gei.sliger  (ie- 
trfinkc  wirken?  fPäd.  Blätter  51 

3.  GpsHuiungsunterrloht. 

a    K'  I  1  i     i  o  n. 

ti/  Bütiiti.  Füi  üringer  u.  ßertrams  bibl.  <  icschicliUn.  Meari).  u.  i\x 
e.  Hilfshuch  1  den  ev.  Reliyrionsnnterrichl  an  Realschulen  und  den 
entspr.  Klassen  <ler  N'ollauslallvii  (.i^än/.l  von  Ltof.  Dr.  llötticlier. 
(XIIL  2qS  S.  ni.  1  Karte.)  Herlin.  A.  l'rausuil/..  (ieb.  i.Sv»  M.  — 
Koraniapf)  Kmst,  Bibl.  (Ttrschichte  f.  die  Oberstufe.  Mit  e.  Anh.  zur 
Bibelkunde,  einer  Lber'-i  über  das  Leben  Ksu  und  e.  <ieschichte 
der  christL  Kirche  bi.s /.um  Abschlu.sse  der  apostol.  Zeil.  (\  lU,  209  S.j 
Leipzi]?.  F.  Brandstetter.  \  M.  —  Kitti,  K«ir.*  u.  ücbuir.  h.  u.,  H..  Die  bib> 
Hscnen  (leschiohten  des  alten  und  neuen  Testamente!»,  als  Heilsge- 


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^adjif  Dirl*p|M«  Bilrli«r>  nn«!  ZpitmftvhtM. 


schichu-  aii>w^clejjt  und  fnichtbar  jaremacht.     Tl.  (X.  333  S.  ni.  4  Karten.) 

r,tra.  Th.  nOfinaini  ^  M..  ircb  ;.jo  M  Oppermann,  s,  t.i.üt,^,...  Hdm.. 
DU'  Schulbibdfrui^e.  Ihre  <  icschiclilc.  licdeutuug  unU  ihr  j^egeu- 
wärtijrer  Stand.   <44  S.)   <iera.  Th.  Hofmann.   0,40  M.    --  Btrth,  Hem- 

«»i.eri..  <*>.  K.,  Die  SysUniatik  ik-r  bcicUii  cv.ni mlischcii  Hauptk.itc- 
chisnicn.  ivinc  rtfli^ufionswissenschaftl.  Studie:  /.um  Cfcbrauch  f.  I.threr 
n.  Stndit^rende.  ttid  S.»  Borna.  R  Noske.  3  M.  —  Heirice,  «<>  iuii.-l>ir.,  I'nif., 
Dr.  Usk  ,  I>ii  ! U  1  j;rr«Ic'  Jesu.  l  ui  Schüler  hiUierer  Lehranstalten  er- 
klart. -7  S.i  r.otha.  }  \  i  crlluv  1  M  Wohtieben  n  c. 
lA'itfaden  für  clen  eviinj.iclisehe!i  Reli^;iun.MinUM u  Iii  in  dt  u  oUcreii 
Klasse«  höherer  Lehranstalten.  (X\'I.  -M2  S.i  Aui;.  Neumann. 
?.5<>jM.  Kundi.  i{i-iit:inii>*i.iir..  j'il  K.itholische  Reli^innslehre  für  !.<.  lirer 
uiul  Lehrerinnen  -  HiUhinji.sanstaltcn.  2.  'l'l.  nn  S.)  VVitn.  .Ma^cr 
n.  Co.    f. 04  M. 

.'i  \iit.uif:,.  H.  S.,  Wie  kann  il.is  Kirclienlied  den  keli;:;inn^v.nter 
nein  in  der  HiUlunj:  des  (Uniüles  unlerstüty-en  (Kath.  1. eh rcr/tg.  33. j 
—  Karl  Koch,  Beitrat;  /.ur  J-ra.ue  nach  der  Stelinn;;  und  Verwertung 
de.s  alten  Testamentes  im  ohri.stlichen  Kelij^ionsunlerncht.  iPäd.  Ztg. 
46,  47.1  -  N.  N.,  I  )ie  v^trlhitiir  der  rrojdieteii  nn  L(  hri>lane  des  evange- 
lischen Keli^jionsuntcriH hts.  J.Vllg,  dtntsehe  I,LhrLi/,tj.r.  4f>-4S.i  — 
C.  Mlschke.  Sluffplan  fär  das  Hiltellesen.  Mitlelsch.  U).\  —  LichteiK 

feld.  Zur  Hehandhmg  der  l'erikopen  in  der  Volksschule,  (i'ädag. 
Blätter  0.) 

b.  <  \  e  s  c  h  i  c  Ii  t  e. 

»fi  fiinhrr.   Smolle.  <•  viiui.-l*rof..  Dr.  Leo,  I^hrt>ueh  der  cieschichte 

der  Nt  ii/eil  f.  die  unteren  KliLvsen  der  MittelselniK  i  \  '  11;  S.  in. 
.Vbliild-^n  1  Wien,  A.  Holder,  (leb.  i.yo  M.  Biedermann,  l'rof  Dr. 
Karl.  Leitfaden  der  deutschen  Cieschichte  für  den  Schulj;ebrauch. 
Mit  4  (leschichtskarten.  (95;  S.i  I.«ip/.iir.  K  \  oi;^lländer.  o,S<>  M., 
i^eb  <>,<><>  M.  —  Freundgen.  t;,-  1.  s.huir..  J..  «'.esihiehtliche  \'c)rlräge. 
Beitrage  /.um  U  nterricht  in  tier  ♦  .eschiehte.  (.",34  S.)  Lcipzi^f,  Dürrsche 
Buchh.  3  M.  —  Sewin,  Liulw..  Cksehichtliohes  Quellenbuch.  (S8  u. 
So  8.1  Lp/.g..  K.  \"oi;-;tl.in(l<  ;  a  o,(h^  M.  Buhl.  .Mitt.i»chuii.hr..  Ludw.. 
10  Festreden  /.ur  Geburtsta«;sfeitr  Kaiser  WilheUus  II.  in  der  Schule. 
<64  S.I  Minden.  A.  Hufelands  Verl  1  M.  -  Rofttaeh.  Dr.  Fr..  Hilfs. 
buch  für  den  Tnterricht  in  »Ur  d»  lasohen  ("•eschirbti  m  diu  oben  11 
Klassen  höherer  Mädchenschulen  u.  Lehreriniicii  Hildungsan.stalteii. 
II.  Hlfte.  (XX  und  S.  241  76h.»  Neuwied,  Heusers  Verl.  3.50  M.  — 
Leillbrand,  Chr.,  Lcitfatlen  für  den  I  nti  i  rieht  in  der  ( ieset/.eskunde  u 
\'(»lks\virtsch.  ftslchrt .  l-üt  l-ortbilduuii.sschulen  l»earb.  (l\  -r,  S.i 
Stuttgart,  A.  iu»n/  it.  Co.  n.n.  ^L  Winter,  scUui.iir.  Dr.  IL,  Li.hrbuch 
der  deutschen  u.  lM\rischen  (".eschicl.le.  m.  Kinschhus  der  wichtigsten 
Thatsadieii  (K  r  auiserdeiilst  lu  u  « "teschiclite  u  r  Kultur;;i  s^-hichte 
f.  höhere  Lehran.stalten.    t.  Hdchu.    <\  Iii,  S.  m.  .\bbikign.  u. 

10  Karten.!  München.  R.  i »Idenbourjf .  (Veb.  2.35  M.  —  RIobter,  Alb., 
Deutsche  l  t.iucu.  KuUurgcschiclitl.  Lebiiisbilder  \\  \  .  \\-,  S.i  Lpzg.. 
F.  Uraml.stetter.  4  M.,  geb.  3  .M.  Rothert,  l'roi.  i>r.  ICd..  Karten  u. 
Ski77en  aus  der  auisenlent.schen  Ciesohiolite  der  letzten  Jahr''.underte. 
ti;  larb  Karten  mit  eincedr.  w.  \  Seiten  Texl  i  Düs^ibU  il  \  Hagel. 
Karl.  .M  Schwahn.  \\  dlh  .  Lehrbuch  der  (  .cschii  hle  t.  cbi  ( )ber- 
.stufe  halberer  Lein  .u;.vL.il  un  v  Tl.:  Die  Neii/eit.  Hamburg,  (). 
Meifsners  \  ci  1  i  M.  Rüde,  A«lt>lf.  Ouellenlescbuch  i.  *len  (ieschichts- 
unlerriclu  in  \  mIWs-  \i.  MiUe^-^  lailcn.  (X,  if>s'  s.i  I ..m  j:rn-:i!:'ri  \\ 
Beyer  u.  Sühne,  i.tjo  .M.  -  Hübnert  KwiiMhuUu.p..  .Max.  1  tieoretisch- 
prakti.««chvs  Handbuch  für  den  ( Teschichtsunterricht  in  preuCsischen 
\olk>scbubu.  III.  >\'in,  2Cn>  S.  m,  S  Abbildgn.)  Breslau,  F.  Goerlich, 
2.40  M..  geb.  2,tH)  M. 


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4 


Aujsaiu.  H.  Wi'igand.  Di«.  l\  }>i.srluii  Ivrschcinungcn  «kr  Weil- 
jccschichte.  fllntus  u.  v'^oluili  _;5  >  Heinr.  Free,  Benicrkmi^reti  über 
fltn  f "ieschii-litsiiiitcrricltt  in  flrr  XOlksscluile  vom  psycholojjisrht'n 
«Standpunkte  ans.  t^iaus  u.  Schule  .si.  52.1  Th,  Franke,  JKr  (Ge- 
schichtsunterricht auf  der  rntcrstufe.  <I>eulschc  Schulpraxis  4*»  -43.1 
F.  W.  Schmidt,  Tber  dii  rin;iestaltini.u  des  ( iisi  liichlsunUrrirhts  in 
der  \  olkssclinle  nach  den  l'onleninjjen  der  Gejrenwart.  (Alljf.  (ientsche 
Lehrerztjj.  43.  44.1 

c.  t  i  e  .s  a  n  ^. 

nUrher.   Wllg.  F..  Liederbuch  für  höhere  Ivehraustalteu.  im  An- 

schliU's  an  Dr.  Radtniachtrs  .\us\vahl  \  <>lksli'unl.  Licfk-r  u  ( .cdichte 
herau.sj^e^j:.    (III.    i<>8  S.i    I hldhnrjchaustii.    1''.  VV .  (ladow    w.  Sohn. 

0.  50  M.  Fricke,  H.  und  Jos.  Haas,  Liederbuch.  ICine  Sananlun;;  ein- 
und  mehrstintiniger  (Gesänge.  Kleine  Ausg.  1112  S.)  Hamburg,  O, 
Meifsner»  Verl.   o,6u  M. 

4.  Sicirairterrieht. 

a.    ( 1  e  o    r  a  |i  !i  i  ;  . 

lUuhn.  Geistbeck,  Im  Alois  \i  1  ;/  Hilschmann,  <  •eo^r.q'liischc 
Zeiohcnskiz'/eii  in  einlachsUt  l'orin.  l.ulnci heft.  172  Karlcn.sk iz,zcn 
ni.  4  S.  Text.t  .Miinchen.  Mcy  u.  Widmaycr.  2  M.  I  >asv  Srhidcrheft. 
(ih  Hl.i  IChd.  0.15  -M.  Wiermann.  i.y.  -L  tn  A  Ililfsbuoli  zur  Udmats- 
kunde  der  Trov.  Hannover,  für  den  debrauch  der  Schüler  bearb. 
(V,  185  S.  m.  Ahbildgn.  u.  Karten.)   Hannover,  Hahn.    Kart.  1,20  M. 

—  Seydiitz,  V..  v.,  (i< dürrapliic  Aus!^  !'  l'iir  hölicre  M  !  Jiciischulen. 
3.  Hft.  (96  S.  ni.  Abbild^j^n.  u.  Karten. 1  t>.«o  M,  -  Ha(}kliiami.  N'ene 
SchnljieoKri^phie.  v  Hft.         144  S.)  Di'jsseldnrf.  \..  Schwann.  i.Sfi.M 

—  Rprp,  üyinii.-i.».-hr..  Heinr.,  .Mctliodi.solie.s  lAhrbuch  einer  bt-^ründeJid- 
verglcichenden  Kr^lkiitidc  \\\\  htm  Ii  irsttHL;  der  nn-j^si  lil  r.ruxibv- 
verli.  n.  vorwiej^entlci  Iklrachlung  dci  cin/i  Iikii  l{r<li  iuiik  als  uirt- 
schaftl.  (Geniein.scliaftfn  u,  als  Stätten  niensi  lilii  1r  i  Kultur.  I.  (XYI. 
1^4  S  )  Honn,  .\.  Henry.  4.-';  M  .  ^cl»  5  .M.  Debes,  I"  .  (Gradnetze 
zum  Zeichenatla.s.  2^•  11^1-  NHltekuropa.  Leipi^ig.  II.  Wajfuer  u.  E. 
Debes.   0.60  M. 

!>i  f,7/\,>'  Fertl.  Frank,  rbtr  die  Aufgaben  des  cletucntaren 
geographischen  l'ntt wie  lit.'^.    irädaufo.u   i  -  1 

b.  X  a  t  u  r  b  v  .s  c  h  r  e  i  b  u  n  j;  . 

Hiklui.  Croflberger,  Lrhr.,  Beruh..  Miueralienkunde  aul  (.  lu-niischer 
Grundlage  ni.  bcsond.  Bcrücksichti.trnni;  der  weiteren  rmj^ej^end  von 
y  r.i  .1  tuit  a  M  -3  S.I  P'rankfurt  a.  M..  .\.  Blazek  jun.  «v^o  .M.  - 
KahRRieyer  u.  Schulze,  s«iiuiiiu|Hrktort>ii,  Naturgeschichte  in  Lebeosj^eniein- 
schaften  u.  tiruppenbikk'rn  f.  gehobene  Schulen.  ;^  Ufte.  Hielefeld. 
VMhaKi  ii  tt.  Klasin^r.  Kart.  .v7<'  M  Pilling,  l'n  f  Hr.  l*r.  (>..  He- 
gleit.schrift  zu  d«  n  .Vn.mhauuns^.'^takln  für  dcu  l  nUrrichl  in  ikr 
Pflanzenkumic  \oi»  Prof.  Dr.  1-.  « ».  IMlbu-  u.  W  .  MiUkr.  2.  Tl.  .N'  u. 
S.  Hl  — 144.)    Bra\niHchweig.  F.  \  iewc;;  u.  Sohn.   tv5o  .M.  --  Engleder, 

1,  chr..  I'rz.,  I.citfatltii  /11m  T'nti  rricht  in  der  Naturj;cschiclU(..  1.  Al>t. : 
Die  Tierkunde.  Zugleich  bcgleit,  Te-xl  /.u  Ivngk'ders  Wandtafehi  der 
Naturgeschichte.         S.)   KfsHngen.  J.  l**.  Schreiber.    Kart,  0,75  M, 

c,  Xatnrlehre. 

.//  Hiiihi  i:  Smolka,  <..  «i,.riit>tiHi..i'rof.,  AI..  Kehrbuch  der  anorganischen 
Chemie  f  .m  werbl.  I.ehran.stalleu.  iX.  .;«r Wien,  i'.  Deulicke.  >  .M 
SprocKhoff,  »eat.-L«-iir..  Alb..  Xuturkuude  lur  höhere  -Müdcheuschulen. 
.V  'n..  cnth,  das  Pensum  f.  Kl.  U  u.  I.  (223  S.i  Hannover,  C.  Alever. 
1,50  M.  —  BrtMt.  Prof.,  Dr.  (t..  Schulphysik  f.  die  Gymnasien.   2/ Tl. 


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PiilaR9irl«<^h4>  Bücher*  ui»4  /i>itini4(«»clMiu.  e 

iVlIl  II.  S.  Si  -  ;oi  m.  l'i};.!  Iterlin.  1,.  Siniion.  M  -  Platzdascb. 
.Mitiiisiiiuii.hr. r  Knl' ,  l'r.iktisclu  ChfUiii.-  für  inittktV  Lehranstalten. 
Hanfhvtrkd  und  ( .t.  werbt trcibetuK-.  -;2.;  S.  in.  i  'l'ab.i  Duis- 

Imrjr.  J.  ICwich.  Kart.  2  M. 

//)  Anfsi'i/:i.  Dr.  Böklen,  (  her  die  T.«  tintzitTii:  ]'li\  sikalisrlier  Appa- 
rate für  I  nterrichts/.weckf.  <SüdU.  Bl.  f.  h(»h.  l  nternchlsanst.  jy).  — 
Edwin  Wllkt,  Gehören  sprach^t^schichttich«  Itelehninjrcn  in  die  Volks- 
schule? (Päd.  Bl.  6h 

5.  Sprachu«torrioiit 

a.  Umfassendes. 

tri  Hiither,   StroM,  M«kt.,  Karl,  Ansfuhrlicher  Kntwurf  zu  einem 

I.elirpian  für  den  devit.scheii  I  nterricht  in  einer  /klassigcn  Volks- 
schule. (40  »S.»  IJerlin.  J.  Kentel.   0,40  M. 

hi  .  Itttsiiftf.  Prof.  Moritz  Heyne,  l>ie  deutsche  Sprache,  eine  Zeugin 
deutscher  ( .eiste.sjfc.schiehte.    (Hann.  Schulztjj.  46»     -    Rieh.  KShier, 

l**ini)fes  über  den  <K  ut<chfn  rntt.rriclit  in  unseren  SchiiK-n.  (I'aedagox. 
I.  2).  —  Rud.  Dietrich,  lliUlchrand  Heft.  (Nene  Halmen  toi. 

b.  Sprechen  nn<l  Lesen. 

»II  lithfhi.  Klee,  I'n»r.,  <i>nin.-<Hn'rl.,  Dr.  ( ".hold.,  (intTid/.ÜKe  der  J.itle- 
raturjit.sehiclile.  Imu  höhere  Schnlen  und  /.um  Sclb.^tunterricht.  <V1, 
iS(»  S.i  Dresden,  (i  ISondi.  1.50  M..  ireb.  2  M.  Bilse,  ivif.  fivmii-f>ir 
Dr.,  Dcutsdies  Lesebuch  für  die  l'rinia  der  ludieren  Lehranstalten. 
<XIf.  440  S.»  lassen.  (L  Baedeker,  .v'io  M.,  j^eb.  4.20  M.  —  Htine, 
Dir..  IL  u.  Prof.  W.  Schröder,  n  n..  .Aufj^aben  ans  dtntschen  Dramen. 
4.  u.  Iklchn.  (V.  .ss  u.  VU,  81  S.i  Leip/.ig,  W.  lüi^jelmaun.  äo.tH>M., 
kart.  ä  I  >I.  -  Frey,  Jos.,  Handbuch  für  den  vereinigten  Sach-  und 
Sj)racliunterrichl  di  s  1.  .Schuljahrs.  Kin  Heitra;,  1'  f  r  n  (Ks  ersten 
Lese-  und  Schreibunterrichts,  sowie  des  Anscliauun;:8uulernchts.  1 
LfiC.  (144  S.)  Stuttj^art.  J.  Roth.  1..S0  >L  —  Löfsl,  V.,  J.  Moller,  Dr.  Zwerger, 
Lesebuch  für  ffewerbl.  l'ortbildunjr.sschulen  und  verwandte  .Vnstalten. 
.Vusj^.  .\.  (VIIL  40S  S.)  -München.  R.  Oldenbourjr.  2  M..  ^nh.  2,35  M. 

—  l)as.selbe.  I'>\veilerte  Ausjj.  (VI  11,  512  S.i  Ivbd.  2.50  M  .  ;;eb.  2,.S5  >L 

—  Schmid,  i>ir,  Iv  u.  o»„.ri.-hr.  Fr.  Speyer.  Deut.sches  Lesebuch  f.  höh. 
Mädchens*  bvTlrii   Auf  <*.niii<l  iK  <  di  utsrlu  ii  Lesebuchs  f.  höh.  Töchter 
schulen  von  iL  Wirth  nach  den  prcuis.  Ueslhumungeu  vom  31.  Mai 
1S94  neu  bearb.  2.  Tl.  (XIll,  4110  S.^  l.eip/i,;^.  B.  <;.  Teubner.  Cieb.  3  M. 

-  Puls.  oi..rUhr.  Dr.  Mfr..  Lesebuch  für  (lie  höheren  Schulen  iK  iitsi'h- 
lands.  4.  Tl.  i\L  i-iS  S.i  (lotha,  IC.  F.  Thieneuumns  \  crl.  tieb.  L»So  M. 
"  Dix.  I*'r.  u.  Th,  Herstes.  1».  i»..  Deutsches  l^esebuch  für  höh.  Mädchen- 
schulen. Ausg.  B.  1.  Tl.  ^2SS  S.I  Hrcslau.  V.  Hirt.  t  Ub.  ?  ;:5  >L 

i>)  Aii/siir., .  R.  Frltzsche.  ^'b<  r  <lic  Notw  endi.i;keil  und  du  Vus 
j^estaltunggesouderter  SpUi  hiihi.n.ueu  in  tkr  lüeiuenlarklasse.  iLeiuei- 
vXg.  i.  Thür.  4*',  411.  —  R.  Oietlein.  /\ir  lAsun^  <1  er  Fibelfrage,  (.N.  päd. 
Xtir  i(>i  P.  Mackeprank.  Die  bedeuiunj.;:  du  «Ir  iivciien  Sa^v  für  l\r- 
/.ichung  und  rnlcrnchl.  iSchulbl.  d.  l'rov.  Sachsen  .vj.  401.  —  Armin 
SehnMt,  Zur  Behandhiu  i:  poeti.seber  Stücke  in  der  Schule.  \  Paedutfog.  121. 

Paul  Neugebauer.  W'ii  sind  dit  Lese  imd  Spvechiibuni^en  i-.if  I  nter  . 
.Mittel  und  Oberstufe  /u  lietreiben.  tbiniit  aut  jetler  dieser  .Stufen  in 
einem  dem  jcw  eili.u^  '1  St;iu<l^>unkte  entspreebeuden  Mufse  befriedi.i;en<le 
Spraehletli.inkeil  und  L^riindlich«.  iumI  \\  <>il\  eislandnis  erreicht 

wird.'  (I'ra\.  »1.  Landsiii.  4.  N.  H.    I>i«.-  Spt.ielie  tles  Lehrers,  <las 

\vichtij.:slt  MilUl  vwv  Spr.ich-  uml  <  leislesbiUbinu  <lis  KiTuks  d). 
Schulprax.  ^11,  Schwarz,  Der  erste  deutsche  .Sprachunterricht  mit 
besondert  r  ikrücksicliligung  utrnquistischer  Schulen.  iINks.  Leiirer- 
/■IK-  -^^i- 


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6  F.  U.  >chiaidl. 

,   c  Aitfsal/,  \jiui  « 1  r.iiinnatilc. 

'/y  Hin  Im  .  Funk.  l>r.  (  '...  Ikispicle  /.iir  Synlux.  Ans  <lcutst  lu  n 
Klassikern  für  den  i  iiKrriclil  an  \'olks-.  Mittet-  und  höh.  SchiiU  n 
/nsnmTm-nf^L'stclll.  148  S.i  (itttha,  V.  V .  Tbk-iu-TnaTin  t'/ki  "NI  Saat- 
feld, Dr.  (iünthci  A.,  Katechismus  ticr  <kutschcn  kcchlschrcibunjf. 
(VIl.  35:.  S.»  Leipzijr.  j.  T.  Weber.  (;eb.  ;,.5<>  M.  -  Beriln, 
llcTin..  ITilirtT  durch  die  dcntschc  S|)rarlu  /.tu  I'ntw  u  Va lun^  ik-s 
Sprachg^t'fühls  bis  zum  richtigen  Sprechen,  Schreiben  und  Zcichcn- 
setzen.  5  Ufte.  Breslau,  M.  Woywo«.  1,70  M.  •  -  Jonas,  «ivKin.  -I'rof..  Dr. 
Ant.,  Deutscht'  Aufsätze  für  die  Miltelkla.ssen  höherer  Sihukn.  kW  . 
•43  ^-^  nulin,  R.  r,,urtmr  2  M.  Pätzold,  (i.vnin.-iiir..  Dr.  l-'rdv..  iCnt- 
wfirfe  zu  (kulsciicii  .\ibciltrn  vtui  i  erliii  bis  Prima,  nebsl  einigen  aus- 
geführten .\ufsatzen.  iVII,  20S  S.>  Berbn.  K.  (iaertner  a.Jto  J\F 
Zimmermann,  .Max.  Das  Rechtschreibenin  Aufsatzform  mit  einem  sprach 
liehen  Vorübungsstofk-.  Für  die  Hand  des  Lehrers  beurb.  (VIII,  .S4S.1 
München.  M.  Kellerer.  1,35  M.,  kart.  1,50  M.  —  HÜrWil,  J.  V..  Mund- 
art,  Snraclumterricht  und  Kechtschreibnn}^.  (IV,  57  S.I  Aarau,  H.  R. 
Saueriänder  u.  Co.  0,80  AI. 

//;  Au/stitsr.  K.  NSIIe,  Ocdanken  zur  Ortliographierefonw.  fHann. 
Schulztg.  3K— 41).  —  Rud.  E.  Peerz,  Der  Recht.schreibeunterricht  auf  der 
ol^  rstufc  (U■r^■olk.<schuk^  fösterr.  Schulbote  1 1 ).  -  K.  Benderoth,  Wort- 
kuniilichc  Belehrungen  in  dei  Volk.s.schule.  ( Rh.- We.stf.  Schulz,  ii  -  i^i- 

d.  Schreiben. 

Au/xa'lze,  J.  G,  Vogel,  Gedrängter  Abrifs  einer  (■ejtchichte  des 
Schreibunterrichts.  (Bl.  f.  d.  Schulprax.  5). 

e.  Nenere  Sprachen. 

//;  /)Vo //,  Münster,  in.»rithr .  Dr.  Karl  u.  I.ehr  Ad.  Dageförde,  l  lk 
mentarbuch  der  französischen  Sprache.  (..'52  vS.»  Berlin.  L.  t)lnnigke.s 
Verl.  r,8o  M..  cfeb.  2  M.  —  Boerner,  (•MIHI.-  (»Iicrli-Iir  ,  Dr.  Otto.  1, ehrbuch 
der  französischen  Sprache.  .Mit  bes.  lieriicksichtigung  der  Übungen 
inr  mnndl  ttiid  schriftl  freien  Cicbraurli  der  Sprache,  .\usir  H  für 
höhere  Ma<lchcnscliukn.  2.  Tl.  (\  i.  i^^^i- 5f>  S.(  I.eipz.,  H.  ( 1\  ubncs . 
(»eb.  i.So  M.  —  Stier,  (i..  Lehrbuch  der  franz.  Sprache  fiii  b.ih.  Mäd- 
chenscl  n^  r   2.  Tl.  (Vlll.  i  .OS.t  Leipzig.  Iv  .\.  Hrockhaus.  K.ut  i.5(^.M. 

-  Boerner,  «i>inD..otMTi<>br..  *  Hto  u.  i-ror.  Osk.  ThiergeB,_u.  ü.,  Lehrbucii  der 
enjfl.  Sprache.  Mit  bes.  Bcrücksichtipung-  der  Übungen  im  mündl. 
lind  schriftl.  freien  (kd)rauch  <ler  S{^rnche.  Mit  2  XOllbildern  :  Herbst 
und  Winter.  (\'1II.  130  u.  92  S.»  Leipzig.  U.  (».  Teubner.  Geb.  2,20  M. 

—  TMergen,  i  i..r.,  ur.  O^k..  Ommmatik  der  engl.  Sprache.  Im  An- 
schlufs  an  «las  Lehrbuch  der  engl.  Sprache  für  den  Schulgebrauch 
bearb.  (XIl.  2<k)  S  i  Leiy)zig.  IV       Teubner.   <kb,  2  M, 

/'/  Anlsiil:.,.  Fr.  Linz,  /.ur  ri.ulili<Mi  und  Reform  des  französischen 
I  nterrichts.  iDeut.sche  Hl.  t.  erz.  I  nterr.  V)  49).  Flemming,  l'ber  den 
jetzigen  Staiul  1  <  frenulsprachlichen  rnterriclils.  (Hl.  f.  d  Schul- 
prax.61.  -  W.  Ameiungk,  Der  französische  l  nterricht  in  tkr  achlslufigeu 
Mittelschule.  (D.  Mittelzell.  21.  321.  —  EmiHe  DroetelMr,  Einiges  über 
den  fremdsprachlichen  C  nterricht.  iD.  Lehrerin  1). 

6.  Zahl-  und  FofMunterrichi 

n.  K  cell  neu. 

rt>  Jiiiihfi.   Liektbtau.  \V.  u.  B.  Wfeae.  Hi-minRriftir..  Rechenbuch  für 

Lehrciseminart. .    2.   Tl  S.     Hreslau,    I'.    Hirt.    2  .M.  Bork. 

ii;iiii».>Pri>r..  Dr.  lieiur.,  .Matheni.  Hauptsätze  tür  ( tymiuisicu.  Metho- 
disch /.iLsammengestellt  2.  Tl.  1255  S.  ni.  Fig.)  Leipzig.  Uärrschc 
Iluchh.   2,40  M.,  geb.  2.60  ^L     HtrtmaiHl,  sobuiutr.,  Dr.  Berth..  Rechen- 


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l*i«l«iroici»i>lt«  HScW'  mitl  £i'i(Mtit!>»(;haii.  ^ 

buch   f.  (He  alluc'Tiuinc    I*' *rt1iiMiuir4sschuU-.    MtllKxli.sch  geordnete 
Anfjiabciisaminuing  niil  ^Icitlmi.  Ikriuksi  IiliL^uUi^   dti   Rcihcnu})c-  • 
rationell  und  Sachjyehiete.   AtiHj?.  f.  Schüler.   !g6  S.i    l'rankfmt  a. 
Kcsstlrinji.    d.^o  M.  —  Kraup,  .»i...ri. iir..  A.  u.  I.flu.  Chr.  Renz.  KVrlun 
buch  für  }4c\vcil)litlic  l'i)rU>iUlun>(Shcliulcn.  «96  S.  ni.  Stuttxarl, 
A.  Uoiiz  u.  Co.   0.40  M.    Dasselbe.  T,ehrerlicft.  \t2S  S.  ni.  Kijf.)  Ebd. 
1,20  M.      Holzmüller.  ...  ^>.  ri>. -.  it.-nir..  I>r.  (tusl..  Mctbcxlisclus  Lehrbuch 
der  Eltmcntar-Mathcmatik.    (Vyninasial-Ausj;.    I.  Tl.  22S  S. 

m.  H.  O.  Teubner.   Geli.  2.40  M.  ~  Bergmann.  iT..f.  Fr/..  Die 

vier  (irun(lreohnun;4;.sarteii.  behandelt  nach  der  Methode  des  Kopf- 
rechnen.s.  ill.  20«)  S.)  Wien.  A.  I'ichlers  \V\v,  u  Sohn.  ;>  M.  — 
Mutzger,  I'rof.  Cour..  Lehrbuch  der  < Vleichungen  2.  (  .r.idcs  1  Quadrati.sche 
<Tleichunj3fen)  mit  2  und  mehreren  rnbekannten.  IR-arbeitet  nach 
^v-ttTu  Kle>cr.  [W,  i^h)  S  !r.  S  FigJ  Stuttj^art.  J  ^L^ier  4  M.  - 
Ueb,  Auf^iabeii  /um  nuindhchen  Rechnen  i.  Mädchenoberklassen 
gehobener  Volks-  und  Fortbildungsschulen.  (III.  36  S.)  Nürnberg. 
P.  Korn.    (>.;,()  M. 

///  AiitsotK .  Konr.  Eidaiit  l'as  Rechneu  in  der  X'olksschule  und 
die  Forderungen  de.s  praktischen  Lebens,   lösten*.  Schulb.  9.) 

b.  Kaumlehre. 

Hüfhrr.  S^ifker,  Prof.  Dr.  Th..  Lehrbuch  der  Stereometrie  mit 

ri)unß:s  .\ufj>^   für  liöhere  Lehranstalten.  (IV.  108  S.  m.  Hols»chn.> 
rotsdani.  A.  Stein.    i,<x»  >L 

c.  Zeichne  n. 

u\  liihlin  umi  Vorlagen.  Schwätz,  Z4»ieiieniebr.,  Chr.,  Zirkekeichnen. 
I.,ehrganp  f.  Realschulen.  Hamburg,  Crone  u.  Martinot  0,7s  ^I.  — 
Willig.  'X\\.  \     W'atidtafeln  zu  \Villij;s  iKiRr  Zeichen.schule 

f.  I-,  2-  und  mchrkh  Schulen.  2.  Abt.:  Krunnnlinij^e  Figuren.  20  Tfln. 
Breslau.  F.  Hirt.  20  M.  —  Eggers.  i.^hnr,  FV/..  Lehrbuch  de.s  Zirkel- 
/eichnens.  42  S.  ni.  l'ijj.  und  4  l-ijr.-Tafeln.  1    Leipzig,  F.  A.  See- 

mann. o,<>.  ^L.  kart  ^L  Scheinecker,  Karl,  iii  krummlinige 
geometrische  Ornaniculc  aus  allen  Stil.irleu.  mit  Anlcitunj^  zu  deren 
Au.sfühntn^'^  für  den  I  nterricht  sowohl  als  aucli  zur  selbständ.  l'bung 
im  }.^eometrischen  Zeichnen.  So  Tfln.  m.  \TII.  iS  S.  Text.)  Wien. 
A.  l'ichlers  W\v.  u.  Sohn.  In  Map^c  lo  ^L  Effenberger,  ke«iBcii.>Lebr., 
P .  Das  Pfanzenzeiohnen  und  seine  Anwendung  auf  das  Ornament 
in  verschiedener  \  f>  iss\m;^  u.  Durchführun};.  2  Ilft.  (15  z.  T,  färb. 
Tfln.j    Bayreuth,  iL  >lcuschniann  jr.    In  .Mappe  6  M. 

hl  An/xiitzf.  Kupir  Waitiier,  Sehen  und  Zeicnnen.  (Xeuc  Hahnen  12.) 

7.  Turnen  und  Handarbelt. 
n.  Turnen  und  Jugendspiele. 

'II  hih/h-r.  Hermann,  runiiii^p.  Auj;..  S])rir.)>:reifen  -  l'bungen.  In 
planm.ilsij^er  I'olire  für  d  t-  "M ■idchenlnrnen  bearb.  153  S.i  Iterlin, 
K.  (iaeitner.  o.u»  M.  —  Bolünger-Auer.  r«chi»-r>.ch.-K.hr.,  J-,  Frei-  und  Stab- 
übnngen,  durcligetunit  ant  4.  Twrnkurs  f.  >rädchenturnlehrer  in  I^uzeni. 
iqS  S.)  Hasel,  k  l'eich.  0.5(1  M.  Leitfaden  für  den  Turnunlerriclit 
in  dun  prcuisuschcn  \ Dlk.s.schulen.  <V11I,  145  S.  ni.  Fig.i  Herlin. 
Hesser.    1  M.  —  Rietmann,  Reigen  und  Keigentän7,e,  entli. 

iS  I  rei  un<l  SLibidMinusrci^^en  w.  21  Reigentnn/c.  (VlIL  j^^ö  S.  m. 
F'ig.i    Leipzi.u    '     Si!auc-li.    Karl.  ^.V'  M- 

Ai  .  \iiisiit  > .  Schnell,  l'bc  r  Turn-  und  Spielplät/c.  iZtschr.  f.  Turnen 
u.  Jujietidsp.  15).  —  6.  Kalb.  « .<  ^i,  iiispunkte  für  die  Ausgestaltung  und 
llebunj;  des  n inturnens.  iZlscln.  1  'ftuneu  u  jitircTiflsp  j2).  —  H. 
Schröer.  C»esichtsj>unkte  fiu  die  .\u.»»^esialtuni;  und  Hebung  des  .Schul- 
tuniens.  (Monats.schr.  f.  d.  Turnw.  11.  121. 


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K  i*'.  W.  Krliuiiilt. 

h.  K  n  a  b  c  Ji  -  u  n  d  M  ä  rl  c  h  c  ii  -  H  a  n  r]  n  r  b  r  i  l. 

A//  liüiint.  Grohn,  i.phr'^riu.  lilisc.  Der  ILuularhcitsunUiriclit  iu 
den  Mädchen  A'olksschiilon  der  Städte  Dresden.  Kassel.  Soest,  Karls- 
nilu  1  St '  ii>!i\ti  j  i  V..  <2o  S.'  J'v  ili-i.  I,.  <')hnn)^kes  W-rl.  0.40  M. 
—  Hilfsbucti  tür  den  H.indaibciLsunlcnicht  i«  \  olks-,  Bürger-  und 
höheren  Mädchenschulen.  Hrsjr.  von  den  \"orstdicm  u.  Handarbeits- 
lehrerirmen  der  Mädchenschulen  /u  l»es,sait.  (.\s  S.  ni.  4  Tflti.)  Dessau. 
I*.  Bauiunun.  0.40  M.  Berlnger.  Jos.  Au^..  H:iu(U»Mti;.;keit.sunlcmclU 
u.  Miltelscluilc.  IviiK*  Darleijun«;  ihrei  r.c/.ii hnu;^cti.  140  S.i  Mauti- 
heiin.  J.  Uertnanu.    i  M.      Scherer.  H.  11.  Lehr.  J.  Eckert, 

/eirliiKn  tmd  H  iudfertivl  it.  I  jue  .Vulcit  r  /»n  I-lrteilunu:  Hi<  sf  ; 
rutcrrichts  in  der  X'olkssciiule.  1123  S.  ni.  Abbildgn.)  (W)tha.  Iv.  b. 
Thienetnann.  In  Mappe  3  >r.  —  Kwittlit  Mnrfrftrh.-Dir..  Von  der  Hand- 
fcrtijfkeit  <ler  Kualni..    \    tUaj;.    Dresden,  A.  Küliler.    (^50  M. 

bi  Aujsälzc,  N.  N.,  liiuige  Hemerkuneen  über  den  Handarbeits- 
nnterricht'in  Mädchenschnlen.  <X.  päd.  ^tsj.  \\\.  » 

8.  Schulverwaltuny.  -Organisation  und  «Ausstattung. 

iU  Bücher.  Stephineky,  Fcrd.,  Zur  Schulaufsichlsfragc.  bUn  Bei- 
trajj  zur  Charakteristik  der  Bewejfnnjf  K^^S^^n  die  jireistl.  Schulaufeicht. 

(89  S.I  Köln.  J.  r.  Hachem.  i  M.  —  Bennstein.  Alex..  Die  Einrichtung 
und  Au.sstattung  der  cinkb  Sduilc  mit  den  be.sten  der  vorhandenen 
J,ehrmitlel  und  Scli\daii.>.sUUuu;;s}ie}4eu.ständes  zugleich  als  (irundl. 
f.  die  Ansst.  der  niehrkl.  Schule,  biihrer  durch  die  lA-hrniittel  Anssl. 
des  ().  e\-.  ,Schulk()iij;resses  zu  l*ots<huu.  .Sj  Herlin.  Huchh.  der 
<ieutschen  behrer/Ag.  o.tx»  M.  —  Wundtke,  Ma.\.  Die  Schule  <ler  Zu- 
kunft. Zur  Kritik  nnd  XenWldunpr  unserer  Schnlorganisatton.  «44  S.) 
Ikrliti.  V.  Kr;irbi.  .1  ;r,  M.  Schäppl.  v u.-khi.  J..  Die  ( >ri: aiiisiiti'Oi  des 
hauswirtüchaftl.  und  beruflichen  rntcrrichUs  in  un.sern  Mädchenschulen. 
Ein  Beitrag^  zur  Degrundting:  einer  rationellen  X'olksemähnin  j;.  17;,  S.» 
Zürich,  b!.  Speidel.  1  ."NI.  —  Schenkendorff,  b!.  \' .    Die  .Xussje- 

.staltung  der  \'<»lkssrhule  nach  den  b'orderunjxon  der  (  n  tiv.  nrt.  \'or- 
tratr.  121  S.i  <'.örlit/.  V.  \V.  Satti.i:  iu  Komm.  0,4«!  M.  Bennstein,  .VIcx.. 
Die  lieutijie  Schulbaiikfra^e.  b'ine  über.Mchtliclie  Zusaniuien.steUtinjf 
»kr  bi.sher  bekannten  Scbulbanksysteme.  1  S.  u.  M  S,  ni.  Ahbildgnj 
Jierlin.  Ihuhh.  der  <leulsclien  Lchrerztt^.  0.50  M. 

h  Anf}tfilz4  .  Rindfleisch.  Die  Teilnahme  des  T.chrcrs  an  derSchul- 
\-(.r\va]tnnir.  'Scliles.  Scb ül/t'.:'.  ~-  ,VM  —  C.  Ommerborn.  Hi'^tfui.-.che 
Rückblicke  auf  die  b>it\\  iekehm^  tler  cleulscJieii  lüirtbilduufjsschulc. 
{Deutsche  Schid/.tji.  51.  5.?.!  -  Aii|.  Her«Mi,  Mein  zum  Sitzen  und 
Stehen  einj^erichtetes  Sclndpult  uut  aufkl.ippbareni  I'i.srhblalt.  Sit/.- 
und  I'ufsbrctt.  (Ztschr.  1.  Scbul'ivsuiidheilsi)fl.  —  GUnther  Di(  Or 
jranisation  der  Mittelschule.  iD.  Mittelschule  ^4.)  —  Dr.  Adolf 
Pohlmann.  Kelij^ionsunterncht  und  Schnlnnfsiclit  im  Kähmen  des  Volks- 
schulffeset/cs.  iKv.  Schulhl.  12.» 

9.  Lehrer  «id  LebrerhiMii. 

Aithiil.4.  Trof.  Dr  Knoke,  l'bcr  die  | uida^oj^nsche  Wu beieitnu}*" 
der  Theologen  für  das  Srbubnilsiclitsami.  (Schulbl.  d.  I*ru\.  Sachsen 
42  45).  H.  Liebeskind,  Die  Ikdcutuiig  der  Lehrerpersönlichkeit  für 
Schule  und  nemeinde.  (Uehrerztff.  f.  Thür.  46.  47». 


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Pädagogische  Bücher-  und  Zeitungsschau. 

Nr.  2.  "        189«.  VII.  Juliig. 

I.  GescMebte  uttd  Grundwissensohaften  der  Pädagogik. 

a.  <ie,schichte  der  Pädagogik. 

Ol  liihlur.    Gebtianlt,  IKruno,  Die  Einführung:  der  Pestalozzischetl 

Mctliock-  in  rrcuist-n,  \\\\\  virkimdl.  KapiU-l  pimis  SrhulKcschichlf. 
(Sc»  S.|  Berlin.  R.  (iatrtner.  1,4t)  M.  —  Sdiwendimanji,  Ur.  Juhs.,  Der 
Pädajfope  Pestalozzi,  nach  zeit}?eiiöss.  Ouellen  im  Uchte  der  Wahr- 
heit (lar}4:esU'lU.  S.t  Lii/cni.  Räber  u.  Co.  0,70  M.  Polack,  s.huir.. 
I'rii  flr..  \  at«.r  1'c.st.ilozzi.  HiMcr  au.s  dem  Leben  des  j^rolsen  Kr/iehons. 
Ji.^ciul-  VI.  Volk.sschrift  /.u  Ilcinr.  l'estalox/.i.s  i^cjjähr.  (icbinLstaj;c, 
hrs.n.  v<»n  der  rhein.  Testalozzi-Stiftg'.  ^94.  S.  mit  liiKK  iii  •  iionii.  F. 
SiH  iiiieken.  0,30  M  Ufer,  itofct..  t'hr  Zum  ( »edäclilni.s  I Vsl;il(>//is. 
l  e.sirede.  (14  S.>  .Mleiiburj;.  ().  lioiuie.  0.40  M.  —  Friedrich,  Joh.,  Jahn 
als  Krzieher.  Sein  Le))eii,  seine  pädagogische  Bedeutung^  und  seine 
Lehren.  (III,  192  S.i  .München,  ]•;.  I'ohl.  2,8<)  M.  -  Meichers.  Uouiuhnr. 
Karl.  Conienius  u.  I'estalu/./J  i;ine  vergleichende  Betrachtung  ihrer 
pädagogischen  Grundideen.  (47     '  Bremen,  K.  TTampe.  0,60  M. 

b)  Aiifsät-.r.  Martin  FroiOhauer,  Jean  Paul  l'riedr.  Richter,  ein  pada- 

gfsi^ischrs  Dil  bterl eben.  iKep.  d.  Täd.  5.)  —  G.  Sofümer,  Johann  Ileinr. 
l'e.stalo/./.i.  l\ni  Beitrag  zur  Charakteristik  und  Würdigung  der  Be- 
deutung desselben  für  die  Volksschule.  <Pos.  Lehrerztg.  i.  2.)  —  fL  N., 
Pestalozzi.  Zur  15  >  Wiederkehr  seines  ('»ebiirtst.ii^es.  iDer  Rektor 
—  6«  Mater,  Heinrich  Pestalozzi,  der  Begründer  unserer  Volks- 
schule. (Rep.  d.  Päd.  4.1  —  L.  W.  SeyfTarth,  Pestalozzi  in  seiner  welt- 
ge.schichtlichen  Bedeutung.  (Prems.  Schulztg.  4  i6.»  —  H.  Scherer, 
l'e.staloxzi  für  immer'  i-Mlg.  Schiin»!  r.  —  Frz.  Biergurs,  Die  l'äda- 
gojjik  i'cstalozzis.  (Deutsche  Sehui/.l;^.  2.)  —  J.  G.  Obst,  I>ie  Bedeutung 
Pestal« i//i.s  für  die  heutige  \'olksschulj)ädagogik.  (Prax.  d.  Landsch.8.) 

R.  Stumvoll,  [  )ie  sozial-politischen  Mi  t  n  Johann  Heinrich  Pestalozzis. 
(Schulbl.  d.  l'rov.  »Suchsen  3,  4.)  -  Or.  Paul  Natorp,  B.  C.  J^udwig  Natorp 
als  Pestaloxzianer.  (Lehrerztg.  i  Westf.  8—12.)  —  Dr.  H.  Norf,  Aus- 
spruche Pestalozzis  übLt  1" rziclnin i;,  ruteiricht  und  Schule  l'aeda.u.  4.) 
—  C.  LupM,  Johann  .\nu)s  Cuuienius  und  seine  Bedeutung  für  die 
heutige  Pädagogik.   i  Prax.  d.  Landsch.  6.) 

b.  Grundwisseuschaiten  der  Pädagogik. 

a>  fiiirhir.  Bergmann,  Dr.  Paul.  Die  (Ith  i  l-undamental-Probleme 
der  Pädagogik  und  ihre  theoretische  Lösung.  (72  S.>  Leipzig,  U, 
Klemms  Sort   ü,8o  M. 

b)  Aufsätze.  Or.  Karl  ARdraH  Über  die  Faulheit.  Ein  psychologischer 

Versuch.  (Rcj).  d.  Päd.  5.)  —  N.  N.,  Das  ^  '  t  sse.  eine  Triebfc!- r  des 
Unterrichts.  (Allg.  D.  i,ehrerztg.  6,^  --  R.  Ohmichen,  >iur  Frage  über 
die  Entstehung  des  Gewissens  (Leipz.  Lehrerztg.  10.  rt.)  —  J.  Redllok, 

Das  Abbilden   als  Krkenntnismittel.    (Zlschr.  I.  Phü.  u    Päd.  ^.i 
Ed.  Schlegel,   Bedeutung  und   l'flege  der  Phantasie  ui  der  Schule. 
(Schulbl.  d.  Prov.  Sachsen  j,  2.) 


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2.  Aligemeine  Erziehungs-  und  Unterrichtsiehre. 

a.  l  '  in  f  a  ss  <.-  n  d  »  s 

rtj  liiitha.  Pfeifer,  W,,  Organisation  und  I,ehrj>lau  der  niehrkl. 
Volk«-  oder  Bür^erscnule  nach  den  Korderungen  der  (iejfenwart. 

T2(.  S.'  (M)tha.  V.  V  Thiencniann.  M  —  Brüggemann,  Orj^ani 
satiou  uud  Lchrplan  der  mehrslufiKeu  Volks.sehule  nach  den  Forde- 
rungen der  (Vegenwart.  (132  S.  ni.  4  Tab.)  Berlin,  Öhntigkes  Verl. 
2  -Nf  —  Reinke,  i{«.kt..  Wilh..  Organisation  und  I. ehrplan  der  nielir- 
stuficfeii  \'nlksschule  nach  den  Fordern  11 '^en  der  r.cjj^cnw art  112S  S.i 
Berlin,  I..  ( Jlnuijjkes  Verl.  i,()o  M.  Schäfer,  Lehrer,  Frdr..  Arbeitskraft 
und  Schule.  \  ier  päd.  Abhandlunj^en  auf  pliysiol.  (irundlage.  156  S.) 
Frankfurt  a.  M.,  K«      ^i' m.s.,  M 

A/i/sii/:r.  Dr.  med.  Nesteroff,  l  her  dje  phy.sisclie  I'.ntwu  kelnnji 
der  Schul1«in<ler  und  die  körjierlichen  Übungen  in  den  Schulen, 
(/tschr  f  Schul}j:esundhcit.s]ifl.  Dr.  Alfr.  Spitzner,  fieistige  Cber- 

an.streui^ng  in  den  Schulen.  Nerv(».sität.  d'aedag.  4.) 

b.  Ii  r  z  i  e  h  ti  n  ^. 

fil  liiiihci.  Haufe,  Dr.  ICwald.  Die  I'!r/.iehun<j:  zur  .VrbeitstüchtijLr- 
keit.  eine  Hauptfordernti«^  an  die  moderne  Schule.  i.^S  »S.)  Znaini, 
Foiirnifi  u.  Ilabi-rkt        ,  M. 

///  An/\t'i/:r.  Chr.  Balling.  Die  erziehliclie  AufL::il't^  der  X'olks.-^clude. 
<Re  .  d.  Päd,  5.)  —  N.  N.,  Die  Ivr/.iehung  /.ur  Ilofliclikcit.  (D.  deutsche 
Vo  kssch.  3,  4.) 

c.  Unterricht 

(Ii  imhn.  Stoffe,  welche,  .sind  nach  den  l'oriU  runiifen  (K  r  f  ic-^cn- 
wr.rt  auü  dem  I,ehrplun  der  Vulks^schule  zu  entfenieu  bezw.  demselben 
einzufügen  ?  Beiträge  zum  Vereinsthema  des  deutschen  Lehren'ereins. 
X'eroffentl.  auf  Heschluf.s  der  XII.  Hauptversaniml.  des  anhält.  Lehrer- 
vereins.         50  S  1  Dessau.  R.  Kahle.  o.So  M. 

hl  .\n/sn/^t\  Konr.  Eidam,  Das  erste  Quartal  in  der  l^lcnicniarkla.sse. 
lösterr.  vSchulb.  21.  N.  N.  1  >u  \  erktiüpfunji  und  Ven^'ehung  der 
Unterrichtsstoffe.  tSchiilbl.  d.  Prov  Sachsen  6  -H>. 

d.  Sozialpädagogik. 

Iii  Ih'uhd.  Fisolier,  Prof.,  srniiniir-  ».  »iymn.-Dir..  Dl  Karl,  (irund/ütie 
eiuer  So'/,ialpäda.uo;trik  und  Sozialpolitik.  <5'>S.f  l'isc  uach,  M.  Wiickens. 

0.  75  M. 

bi  Att/sätzc.  W.  Liemum«,  Zeitgeist  und  Schule.  (Frkft.  Schulztg.  1,  2). 

3.  MuMMiuiitarrioiit 

a.  Religion. 

a)  liiii  lit  ).  Le  Maire,  scm.-i'riifokt,  Karl.  Katholi.sche  Kirchen-t  schichte 
ziinäch.st  für  die  oberen  Kur.se  der  J.ehrerbildun}.,^sanstalten  utul  der 
Realschulen.  (X'III.  \\\  S.)  München.  K.  Oldenbourix.  (icb.  1,75  M. — 
HeMpel,  ne«.-s.  iiuiinsp..  SihBir.,  Dr.  R..  Zur  liehandlun}r  der.Vpo.stel^.j^escInchte 
in  cfer  Schule    I'rläutenmjTren  und  niethodi.sche  Winke.    iIII.  tu»  vS.i 

1,  eii>zig.  1'".  Hranüstetter.  1,20  M.  Arobrassat,  Tücbt«T«(fa.-n<*kt.,  -A.,  Der 
religiöse  Lernstoff  für  evangelische  höhere  Mädchenschulen.  1IV.  59S.J 
Dresden,  I'.  Jacobi  Kart  o,<k)  M  Eckstein.  Th..  Hibl.  Ce- 
Kchichten  für  die  Unterstufe,  neb.st  einem  Anhang,  enth.  die  gebräuch- 
lichsten («ebete  für  die  Schule.  140  S.)  Tilsit,  M.  Bergens  m  Komm. 
0,50  M.  —  Kolbe,  i-iiHtor  u.  Kr.«i-ihoiiuiin«i>.,  Jolis.,  Die  bibli.sche  ('tc.schichte 
in  Lebensbildern.  .\u.sy:eführte  Katechesen  für  die  Oberstufe.  2.  Tl. 
Das  neue  Testament  (A  III,  252  S.)  Leipzig,  IL  O.  Wallmann.  2,60  M.; 
geb.  3M.      Inst  iHr.,  Dr.  Karl,  Der  abschlieisende  Katechisums-Untcr- 


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P8iliifO|ifi*rh<<  BQiih«pr^  und  SeltBnyBwIiaa.  1 1 

rieht.  1.  lieft.  if>s  S.»  Altenbnrg.  II.  A.  Pierer.  0.90  M.  —  Bender,  vm»t., 
.\  l.  lf.  f'''i  rsicht  fihcr  flie  (icscliiolite  <kr  cliristlicheii  Kirdu*  für 
Schule  und  Haus.  (III.  6S  S.(  Hremeu.  M.  Hein.sius  Nachf.  0,40  M. 
—  Schmltl,  I>r.  J,.  KathoHscHer  Kateohisnin»  fflr  die  Volksschnlen. 

S.i  Rc^cnsbur^^.  F.  rn.stt  t  .».40  M.  ~  Wegener,  k  ....  it.  i,,,fr..  Th.. 
Hilfsbuch  für  den  Kelig^iousunterricht  in  den  unteren  utul  mittleren 
Klassen  höherer  Lehran.»italten.  Aus;;:.  H  (IX.  201  S.i  Herlin.  K.  S. 
Mittler  u.  Sohn  ^<  •  M. :  ^r^b.  2,1a  M.  Gottesleben.  L,.i,r«>r.  N..  Die 
bil'lisrhe  ( "le.schiehte  in  tler  katholi.-^chen  X  olksschule.  Ivin  Handbuch 
im  .\uschluls  an  die  von  (i.  Mey  und  Dr.  I'T.  J.  Knecht  neu  l>ear- 
beitelen  Schu.'^terschen  bibl.  r.c.scliichten  mit  nieth.  Anleitung  und 
\  i- K  II  I.ehrproben.  3.  Hd.  i.Tl.  (IV.  .>2.SS.j  l'aderborn.  1- .  Scliöiiinj;h. 
2,w  M.  -  Jaoob,  i»«»t.,  iir.  Alb.,^  Dr.  Martin  J,uthtTS  kleiner  Kalcchis- 
niiis,  mit  einfacher,  übersichtlich  an  den  Text  sich  anschliefsender 
Wort-  und  S.iclierklänin«;  durch  Sjjri'u  lic.  bibj.  Heispiele  und  Lieder- 
vcr.se  erläutert  iÜT  evangelische  \'olksschulen.  (\  I.  H.*<  S.i  (iotha.  G. 
Schloefsmann.  0,35  M.  — ^  Wolter,  A.,  Kleine  Bibelkunde.  Hin  Hilfs- 
buch für  Lehrer.  Seminaristen  und  Präparanden.  {VI,  75  S.I  Gotha, 
(i.  Schloelsuianu.  o.So  M. 

J///.vr//:< .    Lic.  theol,  Kabitsch.  Siuft  »ks  ersten  Reliji^iuns- 

unterrichts.  (Päd.  Hl.  u.  N.  N,  Wie  .soll  sich  ilie  \  olk.sschule  zu  der 
neueren  alttestamentb\ bi.  11  ^'  i'^^-  vschaft  stelktK'  Dt-titsthe 
l*ehrcrztg.  13,  14 1.  —  Wilh.  Karl  Bach,  Über  Hehandlunc;  des  Katechis- 
mus auf  der  Mittelstufe  der  Volksschule.  (Deutsche  \olkssch.  yt. 

b.  Geschichte. 

lifirhirr.  Amlrii,  J.  C.  Kiir/.er  Kehrjrau}^  der  (kschiclitc  för  höh. 
M'tdr  heu  schulen  Hcarb.  von  I..  Sc\iii  Mit  ( ieschichtskarten.  \2 
Hihlertafeln  /.ur  «»e.schichtc  der  Haukun.st  und  Bildhauerei,  6  Bilder- 
tafeln zur  Kulturf^eschichte  und  einem  Anh.:  Landes-  (Provinzial-) 
<  '  i  ' :!l  iS  u.  b  S.t  I.eip/.i}^.  K.  X'oij^lfinder.  (ieb.  2.40  M.  — 
Brandenberg,  .s.uuirat,  I>r.,  Leitfaden  für  den  geschichtlichen  L  nterricht 
in  den  oberen  Klas.sen  der  Volk.s.schule,  2  Tie.  (IV,  62  11.  \\\  S.I 
K(iln.  M.  du  Monl-Schauber};.  Zus.  1,25  M.  -  Fritzsche,  1<  ll.uistiine 
für  den  ('tcschicbtsunUrricht  in  (kr  evan^^elischen  Landschule.  l%ine 
Handreichung^  für  Lvhier  uiul  S(  niinaristen.  I.  Kurs.  (VI.  144  S.) 
Altenburg.  H.  .\.  Pierer.    i.So  M 

ht  Ai//s,)/.i.  Henze,  Wie  i^l  *K  i  <  .t  >k  hichtsunterricht  zu  ge.stalteii. 
wenn  er  nicht  nur  Leben  wecken,  .sondern  auch  zu  einer  für  das 
Lehen  bildenden  Analy.se  der  Gegenwart  führen  soll?  (N.  päd.  Ztg. 
^  'M.  -  R.  Fritzsche.  r)ie  (lestaltung  der  Systein^'  if  in  (bschichts- 
unterrichte.  «Deutsche  Hl.  f.  er/.,  l.nterr.  9  — ii).  —  N.  N.,  Wichtigkeit, 
Schwierigkeit  und  Weise  des  kulturgeschichtlichen  rnterrichts  in  der 
Schule.  (D.  deulsclic  \  olk.ssch  o.  7).  W.  Floll,  Über  den  Bildungs- 
wert der  (ieschichte.  (Aus  der  Schule  i,  2). 

c.  ( I  e  s  a  n  g. 

rtr;  Hluhet.  Pfennigsdorf.  Di»k.,  <>.,  Heiniatkläuge,  Ivine  Saninilung 
unsrer  schlichten  j.;cistl.  und  weltl.  Volksweisen,  für  den  (»ebraucn 

in  Sc  hulen,  christl.  \  ereineii  und   l  amilien   zusaiujuenge.stellt.    i\  I. 
n;  S    ('ötlu-n,  Schriften  Xicderl.  <ks  e\ani:.  \'ereinshauses.    i.So  M. 
-  Osburg.  Wilh  .    Deutsche  (iesanglehre  für  I'räpa 

randenschukii  und  l,ehrerseniinarieii.  sowie  für  den  Selbstunterricht. 
IL  Tl.  1S4  S.  ni.  biir.t  Lci]>/.i'.^f.  M.  Hesse.  0,40  !\I 

hi  Aiißtiiu.  H.  Busse,  Ober  tkn  (iesangunlerricht  nach  .Noten. 
(Schulbl.  d,  Prov.  Sachsen  5».  N.  N.,  Ourch  welche  Mittel  entielt 
(kr  N'olksschulgesauj^unlerricht  seiner  hohen  Bedeutung  entsprechende 
Ivrfülge.''  lAllg.  Deutsche  Lehrerztg.  71. 


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1 2  W.  .HrhmMl. 

4.  Saclimterricht 

a,  f *•« o r a p h i  e. 

//  GeistbecK.  Di.  A.  u.  Fr,  Engleder,       '  raphischc  r\|Kii- 

liilikr.  XI.  i  )L'r  1  l.irilaii;^<.  r  l  jurd.  Typus  der  iiorwi-^j.  Steilküste. 
DresUcTi,  A.  Müller.  I  töhdlums.  .Mit  I.einw .- Kaiul  u.  Oscn  2,5t)  M. 

1).  N  n  1 1!  r  1'  c  V  r  Ii  1  i.-  i  1)  11  n 

liiulnr  und  Wtim/hi/fhi.  Eschebach,  Hans.  Der  Waltl  im<l  scitie 
Bewohner.  (14^  S.  m.  Abbildjrn.)  Münster,  A.  RuHJ^ell.  2  M. :  ^«.1».  2.60 
M.  --  Matthes,  i.ohr.  r.  I  r/.,  Illustrierte  Naturgeschichte  für  die  Ju;;cn«l. 
Mit  5«^>  färb.  Illustr.  auf  47  Tfln.  u.  Abbilden  iru  l'ext  40; 
S.i  Stuttgart,  (1.  Weise,  (icb.  7,50  M.  Engleders  Wandtafeln  fiu  den 
natiirkiindl.  rnterricht.  I  .\bt. :  Tierkunde.  9.  Kf^-  ii^rh.  Tfln.  l\is 
linj^eii,  J.  1'.  Schreiber.  Mit  Leinwand  j^erändert  und  mit  Oseu  (>  M. 
—  Lan^beiD,  VV'.,  Ik-tvachtungeii  und  iienierkuni^eti  über  den  neuen 
preiifsischen  Lelirplan  iit  den  Xatimvissenschaften.  Vortrasr.  (26  S.i 
Neustrelitz.       H  irmwilz.  0.75  M.       Frenkel,  l)r  I'rrd.,  Ana- 

tomische Wantltafeln  für  den  naturj^eschichtlichen  Unterricht  an 
höheren  l^^ehranstalten.  I.  u.  II.  Taf.  Mit  Text.  Jena,  (.>.  Fischer,  k  Tai. 
5  M.,  auff^ez.  10  M. 

c.  Naturlehre. 

/liir/irr.  KltU^  Ol.,  ri.  hr.  r,  Th.,  Kur/er  Leitfaden  für  den  ersten  l'nter- 
richl  in  der  anorj^anischen  Cheinii  .  AT  11,  88  S.  «i,  AbhiUlgn.)  SL 
Petcr.sburg,  C  Ricker  in  Komm,  i.v»  M. 

5.  SpracbuiitMTiehL 

a.  t- in  fassen  des. 

Iliit  !in.  Krumbacher,  Dr.  C.  J..  ( '.escliic'-te  und  Kritik 

der  (Kutschen  Schullesebücher.  _•.  Tl.  Mitbearbeitt t,  nach  dem  T»»de 
des  \'er(.  bcarh.  und  herau.sgej^cben  von  J.  (1.  Sieber.  (VI,  242  S.  ni. 
Abbtldgn.)  Leipzig.  B.  (r.  Teubner.  3,60  M. 

b.  Sprechen  und  Lesen. 

<U  Hin  In  I  nitii  liihlt  i  .  Schmid,  Mi«.l<'li»'ii»rh.-  u  seni..i»ir..  M.  u.  <  M)erlehr. 
Fr.  Speyer.  Deutsches  Lesebuch  für  höhere  Mädchenschulen  Tl. 
(XII.  .107  S.I  Leipzi.u,  \\  ('..Teubner.  ;  M.  -  Kohmann,  ti  L.  SchifTarth, 
Auswahl  vt>n  Dichtungen  und  riosastücken  zur  ICintuhrung  in  tUe 
deutsche  l.itteratur.  (X,  210  S.)  Nürnberg.  F.  Korn.  (5eb.  1,25  M.  — 
Pfeiffer.  W.  n.  Alb.  Kuli,  Hilder  für  den  .\nschauungs  Unterricht  aus 
den  lie\ -Speklerschen  l'aheln.  6.  Jjg.  3  färb.  Tfln.  t>  M.;  auf  l.einw. 
ni.  Stäben  fi  M.  Text  dazu  von  Kreisschulinsp,  A.  Kleinschtnidt. 
*5i  S.)  o.iK)  M.  ('»olha.  1-.  .\.  Pertlus.  —  Vogt,  V:.,  Schul- Wandkarte  zu 
Schillers  Wilhelm  Teil.  2  151.  ä  S_'  .  5(1.5  cm.  Farbendr.  Hreslau.  V.. 
Morgenstern.  4  M.  Puls,  Dr.  .\ltr..  J.esebtich  für  die  höh.  Schulen 
Deutschlands.  5.  Tl.  (IX.  S.)  ('.(»tha.  V..  1'.  Thieiiettiann.  (ieb.  2,40 
M.  Hirt,  Kerd.  D(  ut'~i  li(  v  Lese  buch.  .Vusg.  A. ;  l'ür  evaiig.  S«  linlcn 
mit  einfachen  Schuh  ei  h.illiii.s,scn.  Itegr.  v.  (»eh.  Reg.-  untl  Schulrat 
Kd.  Bock.  Neubearbeitving  von  1895,  2  Tie.  in  s  Abteilgn.  (Mit  Ab- 
bildgji.i  Hreslau.  I-'.  Hirt.  Zus.  1.75  M.:  gel).  ^.40  M.  —  Olx,  L'r.  u.  Th. 
Kersten,  i».  i».,  Deutsches  Lesebuch  für  höhere  .Mätlchenschulen.  Nach 
den  yuellen  bearb.  Ausg.  B.  2.-4.  'I'l.   (140.  S.)   Bre.slau.  F. 

Ilirl.  Cell.  2.75  .M..  2.75  M.  u.  2.50  M.  Kippenberg,  j..  Deutsche  (ie- 
dichte  für  <lie  Mittel  und  (JbersLuJe  höherer  Madchenschulen.  Nach 
den  preuls.  Bestimmungen  über  das  Mädclien Schulwesen  vom  31.  Mai 


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iS<>4  ausy:t\välilt.  (iröfscrc  Ausj;.  (X.  m2  S.)  Hannover,  Nordtlentschc 
\  .  uist.iU.  r,t'h.  i.fx)  M.  —  Milkley,  urn..  W..  u.  MitUlsdnill  H. 
Suhring.  I  ibwl  uiul  trstts  I.esc-bucli  nach  der  aunöscnd-zvisanimen- 
slcllcndcn  lA-lirweisc.  Aus^.  C.  (64  S.  m.  Abbüdgti.)  Potsdam.  A.Stein. 
<kl        -  Berndt,  H.,  K.  Cranz,  H.  Grobe,  VorHi'litillnhrcr,  Deutsches 

Lesebuch  für  \ Orsehulen.  i.  u.  2.  Tl.  ( 144  u.  21)5  S.i  Leip/iK.  I^ürr'sche 
nuchhandlunji]^.  Geb.  T.40  M.  11.  1,65  M.  —  LMebvch,  das,  inderVolks- 
schule.  TJehaiidlun^  (Untsclur  T.csestficke  nach  (kn  fonnaUn  Stufen, 
der  (irainmatik  und  ( )rUiu^raühic  in  konzvntri.schcn  Kreisen,  netxst 
einer  kurzen  Utteratur^cliicnte.  Bearb.  für  die  Unter-,  Mittel-  und 
Oberstufe.  u.  4.  PI  III,  i88u.  64 S.)  I^nj^ensalza,  Schulbuchhand- 
\un^.  i.-4«>  M  n.  0.45  M. 

A///s,i/zr.  N.  N.,  Denken  und  Sprechen.  (All;;:.  D.  Lehrerztg.  y. 
io>.  —  Rektor  Ambraisat,  Zur  Fibelfra^e.  «D.  Mittelsch.  3). 

c.  Anfsal/  und  (iranunatik. 

ii)  liiitiui.  Kruspe,  <Jvinu.-oiicrichr.,  Prof.  Dr.  Jul..  Deutsclie  Sprach- 
lehre.  Kin  Abrirs  der  deutschen  Satst-  und  Wortlebre  für  höhere 

Lehranstalten.    flH,  ^;  S  1   Strafsburi:.  V   Schlcsicr.   fieb.  f>..S<)  >f.  - 
fiMOhäftsaufsatz,  Der,  in  der  \'olks-  und  l'oitbildungüächule.  Ein  Hilfs- 
buch  znr  EinführunjDT  in  die  schriftlichen  Arbeiten  des  (»eschäftslebens. 
N'on   n'neni  Schulnianne.    Stolberg  iRlild.»,  J.   .Mathes.    0,70  M. 
Löfsl,  V.  n.  J.  Moller.  Anfsat/.übungen   für   1  drtbildnng.sschulen  und 
verwandte  .\nstaUen,  1248.)   Münclien,  R.  (ildenbourg.   1.20  M.. 

kart.  1.40  M.  --  (MMriiolzer,  sokui«inrii>hr.,  J.  A.,  Der  Brief  in  der  \  olks- 
.scliule.  .Vnlcitnng  und  Material  zur  AbfassnTi;^  ^  f^"  Rri(  fcn  in  <len 
oberen  Classen  der  l'rimar-,  sowie  in  den  Sekundär-  und  FortbiUhmg.s- 
schulen.   (76  S.)   St.  Gallen,  Huber  u.  Co.   0,70  M. 

hi  Aiiisälie.    Edwin  Wilke,  C her  Zweck,  .\nlage  und  Cfebrauch  von  ' 
Sprarlilieften   in    der  \"olksscliule.    ^IVn\,   d.  \'<)lks.sch.  2.)    —   N.  N., 
Sprachiehler  und  »Spracheigentümliclikeiten  der  Kinder  in  ihrer  .sprach- 
wissenschaftlichen Beleuchtung  und  unterrichtltchen  Verwertung. 
(Deutsche  Hchulprax.  15;  r6). 

d.  R  L  c  h  t  s  eil  rei  ben  und  Schönschreiben. 

Hiiiiicr.  Missalek,  Wilh.,  Die  grundlegenden  l'bungen  in  der 
deutschen  Rechtschreiliung.  ffir  den  Schul-  und  Hausgebrauch  syste- 
matisch bearbeitet.  (47  S.i  Breslau,  .M.  Woywod.  0.20  M.  —  SoMIMs, 
i  rhr.r.  J"S,  Ililf.sbuch  für  dcu  Unterricht  in  der  Rechtsrhrcibung  und 
Sprachlehre  auf  der  Mittelstufe  der  \'olk.sschule.  Mit  he.sonderer  He- 
rficksichtigung  des  Crüwellschen  I.e.se])uches  bearbeitet.  Lehrer-.Au.s- 
gabe.  nioS.»  Taderborn,  V .  Schöningh.  \  >r.  Sehiiler-.Au.sg.  f';^  S.t 
Ebd.  0.20  M.  —  Grabow,  sihuirac,  Dr.  A.,  Schrägschrift  oder  Steilschrift.' 
Wis.senschaftiiche  Tiegründung  einer  naturgeinäJsen  Schreibschrift  von 
5S  (irad  mit  Iklehrgn.  über  <lii  (iestaltung  der  Uuch.staben.  Schreib- 
regeln u.  Alphabeten.   (30  S.  m.  5  Tfln.j  Bromberg.  Mittler.  0,80  M. 

e.  Fremde  Sprachen. 

Büfhtr.  BliohMre  Lehrmittel  für  den  französischen  Unterricht. 

I  ran/,  f'bungsbuch  f.  die  (Oberstufe  von  (•  ynin.-Oberlehr.  Dr.  .\lb. 
Reuni.  (Xnf,  i '<>  u.  20  S.i  Bamberg.  C.  C.  Buchner.  o.So  M.  — 
Strien,  unngviiui.  iJir..  pror.  Dr.  ("...  Schulgrammatik  der  französischen 
Sprache.  2.  Abt.:  Satzlehre.  Ausg.  A:  Für  lateinlo.se  Schulen.  (VIII 
u.  S.  Si  1  n.illc,  1'..  Strien.  *\-^  M.  —  Schwochow.  urkt,  H..  Kurz- 
gefafste  Methodik  tles  fremdsprachlichen  Unterrichts  in  .^littelschulen 


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»4 


und  IiölKivn  Madclicnsclnikn.  Iviii  Lern-  und  Wicdcrlinlun^^shucli 
zur  Voii»ereituni^  ;iu(  ]iä<la>{ogischc  Prüfiiiij^en.    ICrwcit.   u.  tlurch 

1.  ebr|)i"obeti  verm.  Abdr.  aus  des  Verf.  Vorbereitung  auf  die  Ktik- 
t<  T ;its)irüfuni^.  (7"-  ^  Keii>/i;4.  Sivjisniund  n.  \*<>ll<eninjj.  i  M. 
Pioetz,  Cfusi.  u.  O.Kares.  i>.  i».  Kur/.cr  hchrgaiiK  der  fran%o.siMclien 
vSpraclic.  rbunj^shuch.  Ansj;.  C.  iXU.  ^72  S.)  Berlin,  K.  A.  Herbig. 
2,70  M.,  ^tl).  >  M.  —  Mangold,  O  \  niii.-  I'rof..  Dr.  Wilh..  Methodische  iMagcii 
dos  ttiirli^-chcn  l "nterrichts,  den  Mit.ulitdcni  >]c^  vn<j\  FvH ( 11k nrsus 
/u  licilin  im  <  )kl.  iSy5  x  orjxelr.  145  S.i  Ikrlin.  J.  Sjirm);cr.  1  M.  — 
Banner.  (j>Mi.i -t»hert«hr«  Dr.  Max,  l'ran/ösiKohe  Satzlehre.  (IV.  82  S.> 
Hielefcld  '  'h.i;^'cn  u.  Ixlasin.i;.  dfl).  1.20  M.  Plate,  Ur:<i'.<iiuiiihr..  H. 
u.  Dr.  Otto  Kares,  linglistlK-s  Unterrichtswerk  nach  den  neuen  Lehr- 
plänen. Kurzer  Lehrjj.  der  enjfl.  Sprache  mit  besonderer  Beriick- 
sichligiing  der  K(>nvcrsatif)n  von  l)r.  Otto  K,irc<.  II  Teil.  Lese-  und 
i'bungsbuch.    iXII.  2588.»    Dresden,  L.  lihlcrniami.    i,tSo  M.,  gel). 

2.  ;^(>  M.  —  Goerlich,  i!<;ii-Mnn.-i..hi.,  Dr.  Kwald,  Freie  franzd.si.sche  Ar- 
lieilen,  Mu.sterstücke  und  .\uf}jal)eii.  Für  die  mittleren  und  oberen 
Klassen  höherer  l.e!itni;<1alttn,  /usamnK  n'j:t  >li  11t  un<1  In  arb.  I.  Tl. 
(X.  i  \S  S.i  lA-ip/ig,  i\iii>;tr.  j  M.  —  Ricken,  Di.  W  ilh.,  1- 1  an/.üsi.sclie 
Si liul;irammatik  für  höhere  Mädchenschulen.  (V,  181  S.  in.  1  Karte.) 
Berlin.  \V.  Gronau.  Geb.  2  M. 


6.  ZaM-  «nd  Fornunt^rrieht 

a.  Rechnen. 

G.,  Rechenbuch  ffir  nllj^e- 
meine  Forlbildunj^.sschulen.  Ki'\  Stuttgart.  .\.  Hon/  u.  Co.  M. 
LehrerauKg.  ICbd.  1  M.  -  Bengei,  Joh.,  Angewandte  Aufgaben  im 
Zahlenkrc^e  von  i-  ioo.   Kine  Sammlung-  von  mehr  als  6c»  Aufj?. 

(5;  S.)  .\achen,  K.  Harth.  0.50  M.  —  ZIstl,  (i>mii.-i .  in  Dr.  M.,  Die  »ie- 
sel/i  il^r  vier  ( irundrt  ob!niii;rsarten  für  .Mitlelscluileu  und  /um  Srlbst- 
unUi  ru  ht.  S.)  Str aiil  nig^,  C.  Attenkofer.  o..St)  >L  Hartmann, 
s.  hui.iir  ,  Dr.  Ik  i  tli.,  Rechenbuch  für  die  allgemeine  l'ortbildung.ssclnde. 
Methodisch  -n  i-hu  te  Auf^'^abcnsammlimg  mit  gleichmäisiger  H«'nii  k- 
.sicliligung  der  Keciienoperationen  und  .Sachgebiete.  .\usg.  für  Lehrer. 
<Vnr,  184  S.)  Frankfurt  a.  ÄI.,  Ke.s,selring.  2,75  ^L  —  GMdy,  fbanicM 
»luiii.iii..  Jos..  Das  Kechuen  im  ersten  Schuljahre.  (Zahlenr.  von  i  —  jo.i 
II  19  S.j  (iraz,  Ii.  Wagner.  2  M.  -  Grafs,  Lehrer,  j.,  l>ie  \  eran.scliau- 
lichung  beim  grundlejfenden  Rechnen.  I''rweiterte  .\uspabe  des 
Schriflrechuens  über  r, i  u|)]>en -Zahlbilder,  (uo  S.i  Miiiii  lu  ii.  M. 
Kellerer.  i.5t>  .M .  Steuer,  s.min«ri«»inr.  W..  Rechenl)uch  für  obere 
Klasseti  der  Knabenschulen.  i\  ,  102  S.i  Hreslau.  M.  W'oywod.  Karl. 
0,50  M.  —  MorafS,  Hmipiit  hn-r.  J.  <  >  ,  Rcchenlmch  für  ( )!  v  rkl.issen  von 
Mädclieii  und  höheren  Mädchenschulen  etc.  1.  Heft.  i\  IIL  7S  S.  ni. 
Abbiklgn.)  Karlsrulle,  ( ).  .\eninich.  u..so  M.  —  Pfosch,  < ..  u.  £.  Troelltsch, 
Rechenbuch  für  Volksschulen  Ausg.  11.  2.  u.  ^.  Heft.  (52  u.  50  S.) 
München,  R.  ( )l(k'nbouri:  a  i\io  M.  Rocke.  ('...  G.  Roger  w.  F.  Wolf, 
Aufgaben  für  schriftliches  Rechnen.  Ausg.  I{,  für  einfache  Schulver- 
haltnisse. 3  Hefte.  «48,  64  u.  «(»  S.)  I.eip/ig.  Dürr 'sehe  Buchhandlung. 
Zus.  0.75  M. 

/')  Aiiisiii.t.  Unterlauf.  Du  \\ rt  infaclinuj:  des  Rechcnunlerrichts 
auf  tler  l-nter.slufe  nutlelst  <les  rnterl.iutschcii  RechenapparaUs. 
(Deut'fche  Schulztg.  7  — loi.  Rudolf  KnUlIng.  Hcilräge  zur  L«>.sung  der 
\\  i«  1,1 ; :  sUn  ri-c  heiimelliudisclu  n  Slreittra^^cn.  (<  >slt  rr.  Sc}iulb<.>tc  .^i. 
C.  Schöler,  Die  I.nlstehuug  der  Zahl  iukI  tlie  Ctrnntlsäl/.e  lieiui  ele- 
mentaren KechenuMtcrrichle.  (Paedago-iuui  6l  —   R.  66llier,  Die  Kr- 


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Ptd«KotclB«tir  Bfieher-  and  Keitunjrxtohaii.  i  * 


folge  im.scrs  RcclictnintcTrichts.  Nach  iieobachtuugui  in  der  l*ort- 
bUdungSHchulc.  iLeip/..  Lehrer/.tg.  26». 

b.  Ratint lehre. 

Hürher.   Sohultx,  i^hi.     1  .    Leitfatkn  der  Planimetrie  für  Werk- 

meistcrsfluiU-n  uml  ifcw erbliche  l-'orlhilduiij^sschukn.  ?.  '\^\.  ^- 
S.  m.  y«>  Fig.j  Ksseii,  (i.  D.  Haetleker.  Kurt  0,75  M.  —  Geometrie,  prak ~ 
tische,  fflr  gewerbl.  Fortbildungs-  und  Handwerkerschulen,  sowie  zum 
Sell)stiinlcrrichlc.  HearbeilL-l  von  einem  elum.  Milj^licde  niehrcrtr 
l'rüfuiigs-Kommissioni-ii.  i\  III.  1  i«;  S.  ni.  Kij^.i  !•  rankfnrt  a.  M.,  Jaeijers 
Verl.  I  M.  —  Lemgauer.  (i  viiin.-l'inf..  Jos..  Die  (inindkliren  der  Stc-rco- 
inclric.  lein  Leitfaden  für  den  riiUrricht  mit  rhungsanfj^ahen.  (III, 
M  I  S.  ni.  l'ij-.i  K<  tn|)h  ti  j.  Kösel  :  v»  M.  Martin,  l'.  u.  0.  Scilinidt 
Soll  die  k.Mimlchn  im  An.soldnis  an  cinlKitliche  Sacligehiete behan- 
delt WH  rdrii  '  \\\w  McKlt'ilwort  zur  Rfttimlehr«.-  für  MiUelscluden  und 
Verwandte  I AhransLilUn.  nach  h'onnenj^enii  ii'  'i  iK  .iiln  iU  l.  115  S.l 
Dessau,  K.  Kahle.  0,25  .M.  ~  Martin,  1".  u.  0.  Schmidt,  Raumlehre  für 
Mittelschulen.  Bürjirerschulentind  verwandte  Anstalten.  Nach  Formen- 
j^emeinschaften  hearb.  1.  Hfl.  (VIII.  Ho  S.  ni.  65  Fig.)  Dessau,  R. 
Kahle.  Kuit.  o.to  M. 

c.  Zeichnen. 

a)  fifkftrr  ittnf  Voriaiifeu.   Mager,  Kem.-Kpichraifhr.,  K..  Themen  und 

Till  S(  n  ülx  r  den  /eiclKMuniterrir]'.! .  lÜiu  S.iimnlmij^  \ on  Resolulionen 
unti  Kraftüätzen.  57  Stuttgart,  SütldcuUsehe  \  erlag.sbuchhand- 
lung.  1.50  M, 

Ä>  Aiifsiifzf.   Fri.  N.  Sehreyer.  Über  das  Zeichnen  in  den  N'olks- 

scludeti.  ifVstvrr.  Sehnlh.  11.  —  Joh.  Müller.  Der  Zeichenunterrii  lit  tUr 
\  ulksschule  und  die  (ie.schichte  seiner  Methode    (ÖsteiT.  Sehulh.  3/. 

7.  Turnen  und  Handarbeit 
a.  Turnen  und  Jng^endspiele. 

,it  liiiilui.  Seehaus.  <t.'>ni.>,-r..i,r..  Otto,  Jugendspiel.  X'ortrag  (lo  vS.) 
Jkrlin.  ( ).  Hreuier.  <).;,oM.  —  Schröer,  Turn«..  Ileinr..  I )ie  Stahühtin.üen. 
luue  Darstellung  dersell)en  in  Wort  und  P.ild  für  Schulen  utul  Turn- 
vereine. iIX.  130  S.  m.  I'ig.)  Wien.  A.  Pichlers  Wwe.  1.  Sohn.  1.50 
M..  geh.  i.So  M.  —  Tönsfeldt.  rurnm.,  (  i..  Das  Turnen  in  der  Altersriege. 
Wuikf  für  ihre  Leiter  und  .Mitglieder.  140  S.j  Wien.  A.  l'ichlers 

Wwe.  u.  Sohn.  1,50  M.,  geb.  i,Ho  M. 

In  .\iiis,ii:,.  Pr  I.  Dr.  Fink,  Die  tunierische  Erziehung  —  eine 
Uuclle  der  \'aterlaudsliebe.  (Ztschr.  f.  Turnen  u.  Jugendsp.  19). 

b.  Knaben-  und  Mädchen  -  H  andarbeit 

Hl  -fiiii  lii  i.  Springer,  Dr.  W  ilh..  Kurzer  Abrif.s des  Hand- 

arbeitsunterrichts in  der  \'olks.schuIe.  Zum  (iebrauche  für  Handar- 
beitslehrerinnen wie  zur  Ivinführung  der  Schti1.uifsichtsl)eamten  in 
di#.ses  I. ehrgebiet.  (79  S.  m.  12  Abbildgn.i  Bresiau,  l-\  Hirt.  1  M.  — 
Go«tl€i  Dr,  \V..  Die  I.ehrerbildungsanstalt  des  deutschen  \  ereins  lur 
Knabenhandarbeit  /.u  Leipzig.  Bericht  ü";>t  i  ihre  Thätigkeit  im  Jahre 
1895.  I.eijizig.  I "rankenstein  u.  Wagnir.  oi  , .  M. 

/'/  Aujiiii,t.  Elise  Crohn,  Der  I  nterncht  in  den  weiblichen  ll.iud- 
arbeiten  in  den  Dresdener  Schulen.  {IKsterr.  Schulb.  3). 


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i5  W.  Schmidt. 


8.  Schulverwaitung.  -Organisation  und  -Ausstattung. 

An/siilzr.  Dr.  B.,  Die  Stelluni^  eines  Rektors  zu  seinen  i,elirern, 
(D.  Rektor  i.  2).  -  Dr.  Wilh.  Schulthess,  Der  Kektinationssitz  und  seine 
Bedeutung  für  die  Schulbank frai;i.  (Ztsclir.  f.  Schul;je.simdheltspf1. 
I.  2^.  —  H.  Schreiber,  l'ber  irn-i  Ivlassen.  (D.  Soluilfivnnd  2).  —  E. 
Haufser,  Dius  l'ortbiklung.sschulwLsen  in  seiner  Jieik-ulung  für  d;us 
wirt^chaftl.  Leben  der  (>egenwait.  (X.  Bad.  Schulztgf.  7.  8|. 

9.  Lehrer  uml  LehrerinM«. 

ti)  lli'uJui.  Boüvier,  i-r.ir.,  HerilK  il  n.  I.rhn  riti  Elise  Engethard,  Welche 
Fol}(en  hal  die  Heranziehung  des  weiblichen  (Geschlechtes /.um  Lehr- 
berufe auf  päda^()<nschcni  und  sozialem  (yebiete?  Zwei  preisgekrönte 
Abhandlungen.  {2H  S.)  Wien,  Manz.  0.40  M. 

In  Ai'/sänr.  H.  6.,  Seminarbildun'JT  und  Srminarlehrer.  (I.eipz. 
Lehrer^ty.  17,  |S;.  ~  Prof.  EhiBner»  Zwr  Reform  der  Lehrerbildung. 
(Päd.  lU.  I).  —  N.  N.,  Zum  T^ehrerbesoldunjfsjjesetz.  (Päd.  Ztg.  4».  — 
Wichard  Laukamm,  Die  Seminarübunjrsscliulc  als  praktische  Vorberei- 
tunjrsslätt«  für  angehende  Lehrer.  (AUg.  Deutsche  I^ehrerztg.  12».  — 
I'rof.  E.  Klein,  Was  zu  einem  guten  Direktor  gehört.  (Paedag.  3).  — 
K.  H.,  Di*.  Treue  des  Lehrers  in  der  Schulzeit,  i  l'i  i\,  d.  Landadh.  7). 

Maria  Lischnewska,  Das  Lehrerbesoldungstrestl/  I)  Lehrerin  12). — 
N.  N.,  Des  Ik'st»klungsgeset7.es  Ivnde.  (N.  VW.sUl.  Lcliier/tg.  6).  —  M.  H, 
Der  Fall  des  Besoldungsgesetzes  im  Herrenhause.  (l*äd.  Ztg.  19).  — 
J.  Tews.  Die  Mindestbeträge  i'  r  I  ^  rx  1  j^elifiUcr  im  deutschen  Reiche. 
(Hann.  Schulztg.  9,  lo).  -  Elise  Cholerius,  Die  Ordnung  der  wissen- 
schaftlichen Prüfung  der  Lehrerinnen  und  die  CVründung  ^•on  wissen- 
.sehaftliclu  n  1  : tl  iklungskur.scn  in  Königsberg  ( )stpr.  (Ztschr.  f.  weibl. 
IJildg.  I)  N.  N.,  Die  l-ortbildung  des  I. ehrers.  (Preufs.  Schulztg.  29, 
\o).  L.  Ochs,  Die  Stellung  des  Lehrers  im  Verhältnis  zu  seiner  amt- 
lichen Thätigkeit.  (Allg-  Schulbl.  f.  d.  Kgbz.  Wieabaden  9— lU. 


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Pädagogische  Bücher-  und  Zeitungsschau. 

Nr  3.    '  -  -  Jahi^ 

rSdta  17. 

I.  fietohichfe  und  finuidwisMiisoliaftiii  dar  Pädago|ik. 

a.  Geschichte  der  Fädag'oj^ik. 

Ol  lim  In  ).  Isler,  A..  Heinrich  PcstaU)Zzi.  illuslr.  I  csLsclu  iÜ  lüi 
die  Juj,'en(l.  Iin  Aiiftra);e  <k's  scluvci/.,  LchrervereitlS  bcarl).  S.) 
ZünMi.  J.  R.  MfilKr.  o.So  M  Senckel,  Ffr.,  KrciMcboliiup.,  l'rdr.,  Johann 
Heinrich  l*cstaU)zzi  und  Johann  Hinrich  Wichern.  Knie  J5-  und  150- 
jShri^e  Knnneninfr  an  /wei  deutsche  V'olkserziehcr.  Vortrag.  (II,  34 
S.)  l''rankftirl  a/()..  II  irncckern.  Co.  in  Konnn  0,75  M.  —  Bibliothek 
der  katholischen  Pädagogik.  IX.  Ikl.;  iJie  Studienordnun^  der  Gesell- 
schaft Jesu.  Mit  einer  Einleitung  von  Bemh.  Duhr.  (VIII,  286  S.)  Frei- 
l)ui^  i/H..  Herder.  —  Sammiung  der  bedeutendsten  päda^^oj^isclien 
Schriften  aus  alter  und  ncTier  Zeit.  12.S  u.  129.  Ufg.  inth  :  Iltitjo 
von  St.  \iktor,  das  I.clutnKh.  Jolis.  ()ersr)n.  iiher  die  lliiitiilinnig 
der  Kleinen  /u  Cliristus.  l'berset/t,  einjjeleitet  und  erläutet t  \ 011  i^.- 
\\.  Schuh.  J,  l'n  iimlucu.  r.KU  iiKnn,  V .  Schöninj^h.  ä  0,2.1  Rohle, 
Ür.  C,  (ieschichle  des  deutschen  Schulwesen.s  im  l  nirif.s. 
(Aus  Heins  encyklop.  Handbuch  der  Päda^^j^ik.)  (III.  54  S.)  Langen- 
salza, H.  Beyer  u.  S«")hne.  1,20  M. 

bi  An/sii/:t:  G.  Maier,  Joacliini  Heinrich  Catiipc.  Zur  Erinnerung 
an  des.sei)  150.  fieburtstas.  (Kej).  d.  Päd.  9).  —  0.  Scbneiller,  Zu  Canipes 
150.  (ieburtstaj^e.  (Xeue  |)äd.  Ztjj.  26).  —  N.  N.,  Zur  (iescliiclili  dei 
Schul/ucht  im  Miltelnlter.  (Bayr.  Kehrerzt^;.  20).  —  Dr.  G.  Bledenkapp. 
Nietzsches  Hedeulun;<  für  die  l'äda.t^oj^^ik^  (Täd.  Zt^j.  i8  — 21).  —  ür.  G. 
Schumann,  Rede  zur  l'eier  des  liundertfiinf/.ijgähngen  Geburtstaj^es 
<les  rs  I\  Iii..//!.  (Schull)l.  *1.  Pruv.  Sachsen  ir,  12).  N.Ii, 
l*eslalozzi  und  Jiasedow.  l"inc  pädagogische  Parailele.  (Allgemeine 
Deutsche  Lehreratg.  15— iK>.  Job.Meyerf  Eberhard  von  Rochows  Be- 
deutung für  das  prei: l'sische  N'olksschulwesen.  iDititschi  Scliiil/tg. 
15—17).  —  0. Flügel,  Der  Rjitionali.sniu.sin  Herbarts  Pädagoj^ik.  (Deutsche 
Bl.  f.  erz.  Unterr.  22— 25>.  ~  H.  TWemann,  Joachim  Heinrich  Campe. 
C.'  <1>  iikblatt  zum  20.  Jiuii  1S96.  (II;iu>  w.  Schule  27.  2.S».  -  Heinr. 
Wilhelm,  Ro '.sseau.  (Ke]».  d.  Päd.  S).  —  N.  N.,  I.r  war  ein  I.eli/er.  Zum 
</.e<läohtnisse  an  Heinrich  Juli\:s  Bruns  an  dessen  150.  ( leburtstagc. 
(Schles.  Schulztg.  27,  28).  —  Fritz  Witt,  Joachim  Heinrich  Campe.  Kin 
Gedächtnisblatt  zmw  29.  Juni  1896.  (Prax.  d.  Volk.ssch.  6j. 

b.  Grundwissenschaften  der  Pädagogik. 

ä)  Bücher.  HeffRIMII,  Beniinar.iir.kt..r,  Dr.  Karl,  Psychologie  mit  .\n- 
>et'i>dnn«r  mif  Fr/ichung  und  Schn1]>r;<\is.  l'"ür  Lehrer-  und  l.ehre 
rinnen  vSeminare  und  zum  Selb.stunleiä icht.  Unter  Mitwirkung  von 
Dir.  Dr.  Jahn  hrsg.  (7;,  S.i  l.eijizig,  Dürrsche  Ihichh.  Kart.  o.<)5  M. 

h)  .\nfs,H:r.  M.  Scherm  Dis  Gedächtnis.  rVniTTj^  und  Stärkung 
dts.selben.  (Rli.-Uestf.  Schulztg.  ;>2,  3;,!.  •-  Karl  Heinr.  Hiemesch,  Die 
Willensbildung.  Kine  i)svchol()-iisch  pädagogische  Betrachtung.  (D. 
in.  f  1 1/  (interr.  iS-21 ». '  H  Wingr.  <  ".iM ,t  es  Phantasievorstellungen  ? 
(FrauLf,  Schulztg.  7,  ü;.  —  Dr.  Paul  Richter,  Vorstellen  und  Siuccbcn. 


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r.  Vr.  Sdimiclt. 


(Päd.  IJlättcr  2).    —   Dr.  Paul  Bergemannt  Vhvr  Roproiliilctimi    und  ('»c- 
dächtnis  I.  (Rhein,  niätler  3).  —  Prof.  F.  Mähr,  Die  Hinbiklung.  (Päd. 
6).  —  Alb. Neumann,  Über  das  Stottern.  (1).  Mittclnchule  in.  -  Dr.  WNh. 
Zenz,  Der  Ik-^nff  (O.slcir  Srliulhotr  v  -    R.  Rannersmann,  Di«.- ll:nii»t 
ideen  dtr  wi.s.scn.schaftlichen  l'äda^ojjjik.    (D.  deutsche  \  olk.s.sch.  in. 

-  Heinr.  Free,  Der  Gesichtssinn  und  .seine  Funktion.  (Hnnn.Scliul/.l;^. 
15  iS).  —  K.  Sachse,  Die  huge  und  die  sittlichen  Ideen.  (Deutsche 
Bl.  f.  erz.  Uuterr.  2(i). 

2.  Allgemeiiie  ErMaiigs-  mil  Unterrichtslelire. 

a.  T' m  f  a.s.scnde.*«. 
a!  /.*7  A  r.    Schorn-Plath  u.  Supprian.  II;iii<1l)urh  der  l'>/.iduini;s- 
und  l  iitcrrichtslchie.  liu  Anschhils  an  Schorns  (ie.schichte  der  Pütla- 
i^<)«rik.  2.  Tl.  (X,  352  R.)  Leip/icr,  Diirrsche  Buclih.  4  M.,  peb.  4,50  M. 

-  Gerhardt,  oi»riiiir,  Oswald,  ('her  die  .u:t,-^'iiu\ ärliut.-  ( ieslaUuji.u  dts 
liöhcren  Schnhvesens  in  hrankrcich.  (^7  S./  licrlin,  K,  ( '.ai  rtner.  1  M. 

-  Engelhardts,  h-hse,  Prci.si^ckrönte  .\hhnndhnijr  überdie  hiaj^i-:  Welche 
Folj^en  hat  die  1  leran/.ieliun.ir  des  weibl.  (mm  IiK  chls  xiin!  I  i  hrberufe 
auf  ]»rid;?i4o'^isrheni  nn<l  sozialem  (iebiele.''  Kntisrli  btlcur  lUi  t  \()n 
W  ieiii  1  lAhitiinneii.  veiöffentlin  hl  v<»ni  X'erein  der  Lt  lu vi  innen  und 
KTzieliennnen  in  Österreich.  (.',9  S.)  Wien.  ISIanz.  o/«)  M. 

/)}  Anlsiil't  .  Rud.  Dietrich,  Scli\vei/.<  risrhes  N'olk.ssclinl Wesen.  (Xi-ne 
Dahnen  5-7).  —  Joh.  Komscheidt,  Uuiueslaltunt«  tle.s  Lehiplans  und  der 
Organisation  der  VoIks.schule  nnch  den  Forderungen  der  («eircnwart. 
(.Nene  Halwien  -  n  Paul  Schönwaldt,  Die  schadliehen  hjnniis^r  il(  r 
landwirtschaitlichen  und  gewerblichen  Kinderarbeit  auf  un.serc  Jugend 
und  die  hieraus  sich  ergehenden  Forderunj^^n.  (I*rax,  d.  Landsch.  lo), 
--  A.  Kuntze,  I  ber  den  hohen  Weit  der  katechelisclK-n  Lelirniethode. 
(I.ehrer/.tg.  f.  O.^l  u.  Wcstpreufsen  2.  31.  —  Karl  Hartnack,  In  wilclien 
Monienten  des  t  nUii  ii  Iiis  ist  dessen  sittlich-bildende  Krait/.u  suchen.'* 
(Neue  Westd.  Lchrerzt<r.  s  -101.  -  K.  Toups,  Umgestaltung  der  Bil- 
dnn^s/.iele  <ler  X'olkssclsnle  nach  den  I'(»rdenin«_reTi  de  r  ( ^c^j^inw .irt 
(Neue  Westd.  I.elirerztg.  50-52).  —  N.  N.»  Zur  Technik  des  Cen.sierens. 
(11.  Kektor  8.  9).  —  Or.  Renkauf,  I^seabende  im  Dien.ste  der  Kr/.iehung. 
(Di  ut^clu  n  f  IT/  T'r.t.  rr.  ;o).  —  H.  F.  Walsemann,  He^mff  und 
Aufgabe  der  liriciehuujsj  durch  den  Unterricht.  (Khein.  Blätter  2).  — 
E.  Sauer,  Was  kann  die  \'olk.sschule  thun,  um  ihren  Schülern  eine 
ideale  Kichtunjc  zu  <;eben  (|{1.  f.  d.  Schulprax.  3).  -  E.  Unger,  Die 
Au.sbeutunjif  schnli)flichtij»er  Kinder  im  gewerblich«  ?)  und  wirtsch.ift 
liehen  Leben  und  die  Nachteile,  die  sich  für  ürzieliung  und  l'niei- 
richt  daraus  etf^eben.  (D.  deutsche  Volkssch.  13  - 19). 

b.  Erziehung. 

n)  Fififhcr.   Kleti,  ncp.-  a.  Sriminit  «.  n,,  H..  Unsere  Kleinen  und  deren 

erste  erziehliche  I.eitunj^.  l-'in  Buch  für  Mütter.  iXI.  220  S  1  (Ura, 
Th.  ilofinann.  2,50  M.,  geb.  in  l^einw.  ni.  iiold.sclin.  3,^5  M.  -  Brück, 
R<«ktor,  H.,  Das  Lesebuch  im  Dienste  der  Frxiehung.  l*<in  Beili.ii;  ^ur 
h'örderung  der  sittlich-relijriösen  lirziehunu,  durch  den  Leseunterricht. 
(VlII,  56  S.j  Arn.sber^ij:,  J.  Stahl.  Kart,  o.c/j  .M. 

l>)  Aiilsiii Schreiner,  über  tleti  PVohsiTin  und  seine  Pflege  durch 
die  Schule.  (Deutsche  Schulztg.  22).  —  S.  Wild,  Die  Krziehung  zur 
\  aterlandsliebe.  (Rh.-We.stf.  vSchulzli;.  31.  35).  Jurksen,  Die  nnti(-n;de 
lirziehung  als  Aufgabe  der  Volk.ssehule.  (Lehrer/tg.  f.  Ost- u.  Wesipr. 
«  I.  15)  G.  Koschel,  Die  Volk.ssehule  als  Fr/.iehungsanstaU. 
deutsche  X'ulk.ssch.  Sj.  N.  N..  Die  Pedentung  <kr  ^Iusik  auf  d-  rn 
tiebiete  der  Jirziehung.  (D.  deulsclie  \  olk.s,se]i.  iS).  A.  Cünther,  \\  o- 
her  die  Mtfserfolge  in  der  Schulerziehung.^  (Neue  päd.  Ztg.  221. 


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Fndii!;«>((i<«che  Biktirr-  uod  Zi-itun(;v»cliau. 


c.  rntcrriclit. 

dl  liiuLa.    Regener,  I  r..  Iksoiukic  l  uUri  alilslclirc-.    Im  rirund- 
rissc  (hiri'cstcllt.  (X'III.  .V>'  ^  '  <Ura,  Tli.  Ilofni.inn.         M..  i;eb.  4  M. 
-    Brückmann.  i:rVi.,r.  Kiul..  X'nrs.liläj^c  zur  Reform  des  \  «'lkssr]i\il>inttr 
richts  mit  besonderer  lierücksichtigung  des  ArhcitsunterrichLs.  (Oy  S.j 
Konijfsberjr.  (»räfe  it.  ünzer.  1  M.  —  Bomemaim,  Dr.  L..  lTn.sere  höheren 

Scliideii.  Ikher/i^ietiswerte  Aiissvhnitle  aus  dt  11  \'i  rli.uidhmj^en  über 
l">ai;cn  tlcs  hulicreii  rulerridit»  von  1890.  (23  ö.)  Jlamburjr.  Herolds 
Verl.  0,75  M,  —  Lehrplan  für  die  Genieindeschiilen  zu  Görlitz.  (147  S.) 

{»«"irblZ,  I*.  W.  SiiUt'4*.  1,75  M.  • —  Richter^  <>ymii.-Dir.,  Dr.  Gn.st.,  Unter- 
richt und  «reistiLTe  Ivrmüdunjj  Jüue  schubuänn.  WurdiVnnj^  der 
ScbnU  1;.  Kraepciius  Über  y:eistige  Arl)eit  .  iIII.  41  S.)  Halle,  lUlch- 
handlunjr  des  Waisenhauses.  o.So  M. 

/'/  .\iifs,'il:<\  E.  Lawin,  NWli  hcs  sind  dii-  ZwLi  k«.'  ili  t  unttrrirlu 
liehen  Spaziergänge,  und  wie  sinti  sie  einzurichten,  damit  diese  Zwecke 
erreicht  werden?  fPrax.  d.  Lnndsch.  ii>.  —  W.  Rosobkowsfcl,  Der 
^^emoneIstoff  in  drr  N'olk^M-huU  ur.d  seine  Behandlunjr.  iPrax.  d. 
I.andsch.  m>).  R.  Müller,  i>ie  häuslichen  Scluilaufgaben.  (Neue  päd. 
'/X%.  14.  15).  -  Joh.  Bergknecht,  Welche  alljfenietncn  (testchtspunkte 
hat  der  I,i  hrer  bei  Aufstellunii'  eines  neuen  Lehrplanes  zu  l>eachten  ? 
il'reuis.  Schi  l/t;r  —  N.  N.,  Der  erste  Umgang  mit  den  Kleinen. 
tt)berrlicin.  VA.  f.  erz.  I  nlerr.  4- 

d.  vS  et  /.  1  a  1  p  ä  d  a  jjf  o  t;  i  k. 

.\/i!s,i/:,\    H.  N.,  nie  ScliulueUUreiheit.  iLtipz.  lA*hrer/t}^.  211. 
König,  Welche  Veianslaltunircn  sind  fiir  das  nachschnIpflichliLre  .\lter 
zti  treffen,  um  der  V'errohunu:  der  aus  der  Schule  entlassenen  {uj^iend 
und  <K  n  darau.s  erwachsenden  («efabreti  vorzubeugreu  f  (Schles.  Schul- 
ztg.  -Mj. 

3.  fiesinRunsMinterriobt. 

n.  R  eli  irion. 

ftii'ihi.  Rohrmüller.  M..  l'räp.H i-lioneii  auf  ileti  rnk  nicht  m 
Lhnslojih  V.  SclimuLs  bil>lischer  (iesciiichte  für  katht»!.  Vtilksschulen 
nach  Dr.  .\lb.  Werfers  Neu bearbeitunj?.  2  Tie.  (104  u.  1728.)  Mfmchen, 
M.  Kellerer.  i  M.  u.  i.^x»  M.  —  Zuck.  'Htn  Ivinlieilliclu <  Iveli^ions- 
buch,  cnth. :  liibli.schc  Gcschiclite,  Kirclicngeschichte,  Katcchi.snius 
ni.  I^rläutenuigen  u.  Kirchenlieder.  Für  evangf.  Schulen  zusammen- 
j^csleUt.  iXII,  331  S.)  Dresden,  (i.  Kühtmann.  o,.So  M.,  geb.  i  M.  — 
Beck,  s.  iiuir..  s.-iciinar.iir,  I>r.  Karl  .\\v^.,  Hamlbuch  zur  ICrklärung  der  bib- 
lischen (iescliichte.  1.  lid.  Das  alte  Testament.  (\  I1I,  511  »S  i  Köln, 
J.  r.  Hacheni.  4  M.,  geb.  5  -M.  --  Bang,  s.  imi.iir.  S..  Das  I.eben  unsere.s 
Heil.indes.  l  ür  Schule  und  Haus  im  Wortlaute  der  ]",vangelien  nach 
».einem  ge.'schichtl.  Verlaufe  einheitlich  dargestellt.  Mit  einem  Christus- 
hilde und  eiuer  Karte  von  Palästina.  (VIII.  127  S.i  Leipzig,  i:.  Wun- 
derlich. o.(k)  M.,  geb.  0.75  Vi.  —  Geschichte,  kleine  bildische,  für  die  4 
untersten  Jahrgänge  der  katholischen  \  olks.schule.  Mit  Genehmigung 
Sr.  Kminenz  des  Hochwürdigsten  Herrn  Kardinal -KTzhischofs  von 
K'"ln  -j  S  .  Dü.s.seldorf.  I..  Schwann.  o.v>  M-,  kart.  0,40  M. 
W,  Koppeimann,  Die  Sitt  nl'  l;re  Jesu,  dl,  45  S.i  Herlin,  kcuther  u. 
Kcichaid.  o,(xi  M.  Glattfelder.  Dr.  A.,  Handbuch  der  bibl.  Geschichte 
für  die  Unterstufe  der  k.ith.  \  Iksschule.  iIV,  79  S.)  Trier.  Paulinus- 
Druckerei.  o,S«.>  M.  Wolter.  -\..  Jesus  Christus.  Ivin  Lebensbild,  nach 
den  vier  i'Aangelien  zusammengestellt.  Mit  4  Karten  in  b'arbendr. 
((49  S.)  Gera»  Th.  llofmann.  1,20  M,.  peb.  i.u.  .M.  Hoffmann,  Kemioar- 
u.  Jcdigiotiikiirer,  C,  Hilfsbuch  zum  Unterricht  in  der  biblischen  Ge- 


20 


F,  W.  8chmlrie. 


schichte.  Für  Seminaristen  u.  T,ehrer.  <X,  ;,oi  S.)  Habelsch'werdt 
Franke.  2,40  M..  jicb.  ^.So  M. 

/>/  AiifSiitir.  Rektor  Schmidt,  Wie  ist  flcr  KatLflusimisuiiU-nicJU 
cin/.unclUcii,  'l;iniit  «Icrscllic  fruchthat  fi'ir  die  Auftjaheii  des  Lehens 
wird.''  (Pra.x.  «1  1  idsclk.  hm.  —  Voigt.  Die  ä  te.steii  Ahl)il<hingeti Jesu, 
i  Täd.  Hl.  4).  0.  Ostcrmai,  Die  tu-uemi  Refornihestiebtttiueti  auf  dem 
(Jebictc  des  evaiigclisclieii  Kcligionsmiterrichts  der  XDlkssclinle.  (Päd. 
Studien  S)-  —  N.  N.,  Kini^e  Bemcrknng'en  zum  bihl.  Cieschichtminter- 
richte  auf  <ler  oin  istuft  (Preuis.  Schul/.t^.  4  1 )  Georg  SUrsmann  Der 
gt:.sclHchtliche  Keliijion.suntei rieht  auf  der  t)ber.stufc  ilcr  Wilks.sehule. 
(Hann.  Schulz.tj?.  u  — 13).  —  F.  Schnitze,  In  dem  Unterridite  in  der 
biblisehen  ( iescluohte  soll  das  Lebensbild  Jesu  deutlich  hervortreten. 
Unter  welchen  X'orausset/.un^en  kann  dies  nur  jjescliehen,  und  wie 
ist  die  erforderliche  Zeit  dafür  /u  j^ewinnen.^  (l'rax.  d.  Landsch.  12). 
Ff,  Uide,  Besprechnng  des  von  Pfarrer  Schäfer  \  erfaf.sten  ür.rlics  I  )ie 
innere  Mi.ssion  in  der  Si  liule  .  iPrax.  d.  Landsch.  12).  —  Or.  Karl  JllStf 
Der  zweite  Artikel.  (Prax.  d.  l'lr/.iehun^^sch.  z). 

b.  (\  e  s  c  h  i  c  Ii  Y  v. 

n)  ItiiilK'i.  Wagner,  iv.if.,  Dr.  I  r.,  Deutsche  Lebensbilder  und 
Sajit''»  für  <K  n  < 'icschiclitsunterricht  auf  der  Mittelstufe  höh.  .Mädchen- 
schulen. Nach  dein  preufs.  I.ihr])lan  vom  31.  Mai  1S94  bearb.  (So  S.l 
J^eipüig.  F.  Hirt  u.  Sohn.  Kart.  0,75  AL,  ^ei>.  i  ÄL  —  Kornrumpf,  1-rnst, 
Vaterländische  Geschichtsbilder.  Hin  Hilfsbuch  für  den  (Geschichts- 
unterricht in  prcufsiM  In  II  \'olks-  und  Pürtrer^clmlun.  il\  ^  )  S.) 
Leipzig,  F.  Braudstetter.  Kart.  1.35  M.  —  Weigand,  IL  u.  A.  Teüklenbuq|, 
Deutsche  Geschichte.  X ach  den  Fordeningfen  der  (tejrenwart  f.  Schule 
und  Haus  I)earlKitLi  iX  IIl,  152  S.)  Hanno\er.  C  Me\er.  0.75  .M., 
kart.  0.90  M.  —  Rofsbaüh,  Dr.       Leitfaden  f.  .1  rnter- 

rieht  in  der  (ieschichte  <les  Altertums.  Nach  dem  preufsisclKu  Lehr- 
plan vom  31.  Mai  1S94  bt-arb.  (\  IIL  102  S.i  Xeuwiid,  Heusers  Wrl. 
(ieb  i.-c  M.  Sevin,  Ln>h\iu.  (ieschichtliches  (Juellenbiu-h,  Ijne 
Samuilujiijf  von  Quellensclirilien  für  den  Schulgebrauch.  5  lUlchn. 
(80  S.)  Lei[>zig,  R.  \'oi};tländer.  0,60  M.  —  Broofcinsnil,  Sprolrmrlchr.. 
(tcschichte  des  j)reulsischen  St.mtes.  Mit  /.ahlreichen  .Abbildimiren 
und  einer  Karte  des  preulsischeu  Staatts.  (XI L  21.S  S.)  Münster, 
H.  Schöning'h.  1,60  M.,  R-eb.  2  M.  —  Winter,  Dr.  H.,  Lehrbuch 

der  deutschen  und  bayrischen  (kschichte  mit  Pjnschlufs  der  wicli- 
tig.stcn  Thatsaclien  der  aufserdeutsclun  (Ieschichte  und  der  Ktdlur- 
ge.schichte  für  höhere  Lehranstalten.  Mit  10  (kschicht.skarten  und 
30  kunstgeschichtl.  Abbildj^n.  2.  Hdchn.  Neuere  Zeit  vom  westfäl. 
I'>icden  bis  zur  Gegenwart.  (\'H,  230  S  !  München,  K.  ( vldcnbourgh. 
2, -'5  ^L,  u-eb.  2,ü)^L  Mertens.  I'roirynin.-Dir.,  Dr.  Mart.,  Ililf.sbuch  für  den 
Unten  U  lli  in  der  deutschen  Geschichte,  fin  3  Tin.)  i.  Tl.  Deutsche 
f'.eschichte  ^•rm  de  n  ältesten  Zeiten  bis  zum  Ausgang  des  Mittelalters. 
(VHI,  140  S.)  Freiburg  j/Ji.,  Herder.  1,40  M. 

h)  Aufsätze.  Dilclier,  Welche  Aufgaben  erwachsen  dem  Geschichts- 
unterricht in  (U  r  \'o]kssclnde  aus  den»  Wesen  des  modernen  »Staates.* 
(l'äd.  IJI.  4j.  —  W.  Fick,  über  <len  Pilduugswert  der  (Ieschichte.  (.Aus 
der  Schule  f.  2).  —  H.  Reishauer.  Die  neueste  Zeit  im  ( leschicht.sunter- 
ii<lite  der  sächsischen  Seminare.  (Leipz.  Lehrerztg.  30.  311  H.  Wei- 
gand, Lehrmittel  für  den  ( ieschichtsunterricht.  (Paed!  d).  —  Th.  Franke. 
Zum  Ausbau  des  ersten  Geschichtsunterrichts.   (Ü.sterr.  Sch-ulb.  4,  5>. 

c.  ( i  e  s  a  u  g. 

rt)  liihlur.  Herrmann,  A..  P.salter.  Sammlung  ^stinim.  Llioiale  lür 
Kirchen-  und  Schulgebrauch  nach  dem  evang.  Gesangbuche  für  Rhein- 
land u.  Westfalen,  nebsteinigen  geistlichen  Uedem  und  Motetten.  (IV, 


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Fl<lli((4igl«eh<>  pAflher-  un«!  2Hluti|{a«eliKu.  2  t 


1C2  S,)  DoTttmmU,  F.  \V.  Kuhfus.  0,50  M.  —  Schulze,  Wilh..  Volks- 
licderbtich.  Kine  5«aninilung  t>  und  sstimni.  Ueder  für  liöh.  lA  hraii- 
.slalteti.  (:<).s  S  )  Ikriin,  I..  nhniijrkes  \"erl.  d.So  .M.  —  Liederstraufs. 
!'.iiu  S.iiinulimy^  von  Choräk-n  mul  I,it  fU  rii  fiir  die  \'<'lks-  u.  Mittel- 
schule. UlU.  (16.  11.  <)2  S.i  I..ingcn;-!al/.;i,  ScluUl)UchlulI.  Zus.  t.35 
M.  --  Bockeler,  II..  I.iedtihtKli  für  Schule  und  Maus.  2  Ufte.  (\  I.  41 
u  \  •»'>  S.)  Aachen.  A  jacobi  u.  Co.  0,50  M.  —  Dass.  für  «lie  t  inkl. 
\  oikssch.  y2  S.)   lihd.  0,30  M.   —  Sohul-Liederbuch^  Leipziger. 

AiiHg.  W.  Für  einf.  Schulverbältnisse.  150  IJeder  und  eine  Anzahl 
nuthod  C.t  liör-  u.  Notenühtinj^en  enth.  Im  .\uftr.  dt  r  C'iuu  niiisstiftp^. 
bearh.  von  Kantor  A.  Kleine.  (I\',  139  S.j  J.,eip/.ig,  Dürr.sche  lUiclih. 
Kart.  o,5;o  M.  —  Kihne.  Soniina  r-  M  unIIc  li>lir.,  l-r..  Die  Knopftafel.  Kin  Hilfs- 
mittel zum  Zweck  einer  natur^emäfsen  iMnführuug  in  das  Sinken 
nach  Noten,  it;  S.  m.  1  Tfl.t  Coepenick.  \V.  II.  Osterwald.  o,f>o  .M. 

.hi/.uy/:<:  Emmy  Keerl,  Die  (irellsdie  (iesanj{smethodc.  (Die 
Lehrerin  16).  -  N.  N.,  Das  deutsche  Volkslied  in  der  Volksschule. 
(Preiifs.  SchulKtg.  28). 

4^  Sacliuiiterricht. 

a.  Geographie. 

UberieltriT,  Dr.  Hans,  I^eilfadcn  der  Hinimt*ls- 
kunde.  Für  den  Schul^cbrauch,  insbesondere  an  höheren  Mädchen- 
schulen, .spwie  für  den  Selbstunterricht.  Mit  18  V\%.  im  Text  und  i 
Sternkarte  des  nördl.  Himnuls.  (IV,  76  vS  i  Tk-rlin,  R.  Caertner.  <'.eb. 
in  Leiiiw.  1.50  M.  Buchhoiz,  i.ciircr.  A.,  J.citladcii  für  den  I  nterncht 
in  der  (ieographie.  (IV,  4S  S.»  Herlin,  Nicolais  Verl.  o..v^  M.  —  OppW- 
mann,  schuiiti-p,  IMm.,  (.ieographistlus  Nanu nbuch.  I^rklärung  pto- 
gvapliischer  Namen  nebst  Aus.s])rachebezeichnun}i:.  tVIli,  I67  S.) 
flannover,  C.  Meyer.  2  M.,  kart.  2,25  M.  —  Wolf,  J..  3  Wandtafeln  für 
Hitninelskunde.  Farbendr  l'fsÜTiuen.  A.  l.uuj^;.  ä  1,50  M..  auf  I.iiinv. 
n).  Stäben  ä  ;^,jo  M.  —  Tschander.  semimir-obrrtchr^  F.,  Die  ck'utscbeu 
Kolonien.  Für  die  Schüler  von  Lehrerbildungsanstalten  dargestellt 
(40  S.)  Breslau.    H.  Handel.   o..}o  M. 

/>/  (  vA  //  ,  Adolf  Tromnau,  Die  HnuptweLM'  <U  s  Welthnndt  ls  im 
erdkundlKluii  l  uleiiicht.  (IM.  f.  d.  Scliuli»ra\.  r_'i.  Wisot/ky,  ivui- 
führung  in  das  Kartenverständnis.  (Prax.  d.  Volkssch.  5). 

b.  Naturlehre. 

o)  liürlnr.  ÜMptrt,  Oberlehrer.  F..  Leitfaden  dcrChemie  und  Miue- 
r  iloiric  für  (lymna.sien.  (VI.  47  S  i  Ücrlin.  L.  Sinion.  Kart,  n/v»  M.  — 
Crimsche,  Ivinleituiig  in  <lie  i'hy.sik.  Kin  Beitrag  zur  Methodik 

des  pln  sikalischen  Anfangsunterrichts.  Progr.  (24  S.)  Hamburg, 
llen.Ids  Verl.  1,60  M. 

Aulsäize.  Fritz  Witt  Beiträge  zum  Unterricht  in  der  Natur- 
lehre in  einfachen  Volksschulen.  (Prax.  d.  Volkssch.  3).  —  R  N.,  Die 
Lehre  vom  Schall.  (Deutsche  Schulprax.  14). 

c.  Naturbeschreibung. 

<r<  l'i'nlicr.  Naturoeschlchte  nach  I.cbc  Tisircmeinschaftcn.  I*'ür  die 
Volksschule  btrarb.  v.  mehreren  Lehrern.  8.  Hft.  (IV,  52  S.>  Langen- 
salza, Schulbuchhdl.  0,40  M.  —  Prtft,  Krrittf hutinap..  Herrn..  Die  Naturj^- 
schichte  in  der  l^lementarschule.  (49  S.i  Strafsburg,  V.  TUill    o,So  M. 

Ki>rtii<»hrfr,  T^f  B..  Unsere  Beerengewächse.  Bestimmung  und 
Beschreibung  uiiscici  einheim.  Beerenkräuter  und  Beerenhölzer.  (\'II, 
lOI  S.  m.  72  Hol/s(  Im  I  I'reiburg  i  B..  Herder.  Kart.  i.;,o  M.  —  Röfsier, 
(i  vmii.-<  >bcrl«>hr..  Dr.  Kich..  Die  verbreitctstcn  Schmetterlinge  Deutsch- 
lands, iiine  Anleitung  zum  Bestimmen  der  Arten.  (XL  ijo  S.  m.  z 
Tfln.)  Leipzig,  B.  G.  Teubner.  Geb.  1,80  M. 


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22  F.  W.  SfbnMf. 

/fl  Atifsöi'^e.   Ludwig  Epstein«  Der  naturjjrescliichtltche  ITnterricht 

in  dt-r  Xdlkssi  hulc  nach  <k'ii  lu  nvron  Refornilu  strt  l»un<j:cii.  (Prax.  cl. 
J^and.sch.  li).  —  H.  Anrieh,  lintvvuif  zur  Sloffvcrtcilun^i  für  Ueii  Unter- 
richt in  der  l'flanxcnkunde  in  der  siebenkl.  Volksschule.  (Prax.  d. 
XOlkssch.  31.  —  U.  L.,  W  if  cr/.iclKii  wir  iitisere  vSchiiler  zu  aiifinerk- 
»antcu  nt.'ol>a(  !ilern  »kr  Natur  und  iliror  I!rsolic-inuni::c-ii (Kl|i.  cl. 
Päd.  8).  —  R.  Kabisch,  Der  Nährwert  uiuscrcr  Nahrungsmittel,  (l'rax. 
d.  Krzieliungssch.  4). 

5.  SpracliHnterrioht 

a.  Umfassendes. 

AufstVir.   Sdwlte,  Rudolf  Hildebrand   zum    (;edächtnis.  (Päd. 

Bl.  4).  —  H.  Wigge  Hii  M utler.si)rache  ciik  1  )is.' ij.ün  1 N.  l'äd.  Zljjf. 
18,  ly).  —  W.  Pfeifer,  /inn  ikiilsthcn  .S))raehunterncht.  ^I'äd.  Iii.  2). 

b.  Sprechen  und  Lesen. 

■  <>    l'üi  ln  r.     Meyer,    i:i.j»U.-liul-I)ir..  l-mf,     Mfr.     (I.     U.     K.-  iNt  t.ul 01.  rl.  hr.T 

Louis  Nagel,  j».  1»..  I)eut.*^ches  I,csebuch  fm  Kcalschnk-n  uiul  vci  wamUe 
Lehrau.'^laUen  im  Anschhifs  an  die  prmis  I^hrpläne  von  iH.)!.  Ober- 
.stnk.  Prosaheft.  Nt».  1  f  (iir  Klassen  II  u.  I.  {loS  S.  m  •  K  nteti- 
•skizzenj.  Ueipzip,  Dürrsclie  Huchh.  tit;b.  1,65  M.  —  Paldamus,  »eü. 
üüiversoh.-uir.,  Hr.  F.  C,  Deutsclies  Lesebuch.  Nach  Mafsfi^nbc  der  Be- 
stimmungen vom  31.  Mai  iStj4  fiir  hölu n.  Mädchetisclnden  bearbeitet 
von  Dir.  Dr.  Karl  Rehorn.  5  Tie.  Frankfurt  a/M..  M.  Die.stcrwcK. 
(•eb.  in  Halbleinwdbd.  /u.s.  12,15  M.  —  Putzger,  Dr.  1'. 

\V.  u.  Schuldir.  L.  E.  Rasche,  Deutsches  Lesebuch  für  einfädle  X'olks- 
.srhuliil.  2.  Tl.:  5— Sihiilf.  (X'I,  4S8  S.)  Leii>/i<r,  Durt-.l"-  niir]i]i, 
i,;;5  M.,  ^4eb.  in  Ilalbknuv.  i/h»  M.  —  Steger  u.  Wohliali» 
Lesebuch  für  Mittcl.scliulen.  (l'rvveiterte  Aus^.  (kr  Neul'  '  ilj?.  des 
Scliarlach-IIaiii'tsrlien  Lesebiu  hs;  ;  l'k;.  Halle,  II.  Schi  "mIlI  .M., 
geb.  8,50  M.  —  Green,  Ludw.,  l'ibel  Uirtkn  \  creinigten  Si>rach-,  Schrcib- 
iind  T,eseunlerriclit.  Nach  phonetischen  Grundsätzen  Inrarb.  {wd  S.) 
L' ii  i  '  >.  R.  Keisland.  o.(V)  M.,  .Xumerkun^ni  .1  i/u  wi  S  <  M. 
—  Fechner,  Trof.,  Scminar-Ubcrlelir.,  lieinr.,  Anleitung  /-ur  Lrtciluui;  des 
ersten  r.,eseunterrichts  nach  der  NoniiaUvorterniethode  ni.  Vorkursus. 
He<rkit\vort  zu  der  Neuen  l'ibel*  und  di^ai  ICrsten  Lesebuche».  (IV, 
7^.  S  f  lUrlin,  \Vie>randt  u.  (".rieben,  i  M.  Schneiderhau,  s.-niiT.;»r- 
oi.cri. ),,..  I'ili  ,  Deutsches  Lesebuch  für  X'olksscliulen.  2.  u.  3.  Scbulj. 
(VIII,  711  S.i  I'reibur^  i,B.,  Herder.  0.55  M.,  geb.  0,65  M.  — 
Achenbach.  1  ritz,  l'räjjarationen  zur  Ikhaiulhni.,'  deutscher  (ledirbte 
in  dar.siellender  Unterrichtü weise.  1.  Tl.;  Mittelstuk*.  iIV.  XV'IH,  yS 
S.I  Hilchenbach.  L.  Wienand.  1,60  M.,  geb.  2  M.  —  Frey,  Jos.,  Hand- 
liiiv'h  für  den  vereinij^ten  Sach-  und  Sprachunterricht  dts  cisUn 
Schuljahres,  iiin  Beitrag  zur  Reform  de.s  ersten  Lese-  und  Schreib- 
unterrichts. somHc  des  Anschauungsunterrichts,  zunleich  Kommentar 
/I  1  Verf.  .\BC-Bnch.  2.  Lfg.  (ö.  145—456  m.  .Abbild^«.)  Stuttj^art 
j.  Kolli.  3  M.  Ufer,  f!iir--x-b  UrVt  C"lir,  Ttii  Pflejrc  «kr  deutschen 
.\u.ss|trache  in  »ler  vSchuk-.  i.ui  erueileitei  X  urira^.  (40 S.)  Altenburj^;, 
().  Höndes  N  eri,  o.^x)  M.  Cyranka,  s.minar.iir.,  Dr.  L.,  Wiederhol un<^s- 
büchleiu  fiir  den  l'ntenicht  in  der  d  ut'-ilun  Litteraturjre.schichte, 
nebst  einem  Abrif.s  in  der  Poetik  und  .Metrik.  (64  S.i  Breslau.  V.  JlirL. 

0.  60  M.  —  Kinzel.  iw.  l>r.  Karl,  tiedichte  des  18.  Jahrhunderts,  aus- 
sj:ewählt  und  erl.i  '  r     X.  rW)  S.)   Halle,  Bochh.  des  Wais  vli mses. 
(ieb.  j,2o  M.       Wacker,  »emin*rdir,  K.  u.  r<jj..  u.  «chiiir«!  J.  fiansen,  l». 
Deutsches   Ix*sebttch   für  katholische  höhere  Mädchenschulen,  i. 
Tl.  I  iir  d.is  j.  u.  5.  Schulj.  (XX,  275  S.)  Münster,  H.  Scbdningh. 

1,  äo  M.,  geb.  iu  Leinw.  2,20  M. 


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2.1 


//>  Aitfsälu.  Edwin  Wilke,  Spracls-  und  SachunteiTicht.  (Ntiie 
Balitieti  (\  71.  -  Heberholz,  Richtlinien  für  die  Behnndhinp  eines  Ce- 
(liclits.  (hculsclic  Srliul])! a\\  23,  --  Georg  Heydner.  N  om  siDtf^^e- 
bitt  (Ks  I,ts«.'I)iu']is  iLfipz.  I,t  hriT/t;^  :^7,  ■2'<).  N.  N.,  l  nt' rriclits- 
f»n»])cii  aus  (kin  (.Ll>ictt.'  des  Sclvn. ihlcsc- 1  ritcrrii lits.  (IJ.  \ Olksscliul- 
freund  18,  101.  —  M.  Rodermund,  iibcr  da.«5  Vorlesen  und  VV>rer/.ählcn 
eines  lAsestikks.  (Rhein. -Westf.  Sclinl/.t»j.  Robert  Wernecke,  J)ic 

ersten  Übungen  im  Schreiben  und  lA-sen.  (I>.  I«ehrenn  17,  iS). 

c.  Aufiiatz,  Grammatik  und  Recht  seil  reihen. 

in  lith/m.  Wilkr.  i;,ki..r,  l-'dwin,  Sprncbhefle  ffir  Volksfichiilcn. 
Aus«;.  A  hüUihefle.  3  Ufte.  (22.  50  n.  S9  S.l  Halle.  II.  ScbrcMlel. 
/ns  (!.(,<>  M.  Dasselbe.  Im  Ansdihi.ssc  an  <las  I.e.sebuch  f  l^iiii^cr- 
1111*1  X'olksseluilen  von  Scharlach  n.  Ifaupt  bearb.  Atisj.;  1?  tHi  n 
lAlir«.r.  2  Tie.  in  ;  Jffln  iIH.  <)-,  IV,  172  u.  III.  17?  S.,  I.lul,  1, 
—  Lieb,  A.,  Obunji.sstotte  für  tlen  Tutcrricht  in  der  tienlsehen  Si»rach- 
lehrc.  Aiifjrabenbwch  für  die  Obcrl«!a»RC  der  Volksschule.  (IV,  S.) 
Nurnbrri;,  1'.  Ktirn.  <>  M  Edcrt,  i,.iin'r.  R.,  ruschäftsanfsät/.c  l'(  - 
lehruugen,  Muster,  Redewendungen  und  430  Aufg.  Für  die  Hand  der 
Schüler  in  pfcwerbl.  und  kaufm.  Fortbildnnjfsschnlen.  2  Ufte.  77 
u.  HI.  .S7  s.l  Hannover.  C  Mcyn  Zns.  1.35  M.  Lippert,  .\iri.Nii.iis.imi- 
Itinki,  K..  Deutsches  Spraclibiiclilein  für  X'olkssclmleii.  3  Hfl(  IX',  ;,r, 
.j2  u.  4'  S.)  I'reibur^'^  i/H..  Herder.  0.S5  M.  —  Böttichcr,  i'ioi..  u.aiMhiii- 
oiuriihr.,  Dr.  C.otth..  Ubunjicn  zur  dent. seh  eil  Grammatik  mit  einem  Ali- 
rifs  (kl  fUulschen  Si>rachlehre  für  die  inileren  Kla.ssen  h'"1'  Schulen, 
insbesoiulere  für  Realschulen  und  verwandle  An.stalten.  (\  Iii,  loSS.) 
Leipzig,  (V.  Freytajif.  (k*l».  1.20  M.  —  Bleich,  (ivmn.-obcri.  «.1».,  W.,  Verein- 
fachte deutsche  Koc!it.schreibung  und  richtige  Aussprache.  I42  S.) 
Berlin,  M.  Schildberger.  0,80  M. 

hi  Attfsittze.  Franke,  Das  Für  und  "Wider  der  Frickeschen  Recht- 
schieibnn.u.  (Päd.  Hl.  3).  H.  Prüll,  i'iber  den  «resaniti  n  S[<rachntiter- 
riiht  in  der  X'olksschule  im  Aiisrlihifs  an  den  Sachunterricht,  d.eip/. 
Lehier/.t^.  2.^,  241.  —  Paul  Neugebauer,  Wie  werden  die  Kindel  znm 
.sell>.st.in<1"^^en  schriftlichen  Ausdruck  ilirer  (kdanken  befähii^t?  iPra.\. 
d.  Landsch.  12'  Kuntz,  Der  grammatische  l'uterricht  in  der  Vulks- 
.schule  nebst  lA'lirprobe.  (Hl.  f  d.  Sc]iul])ra.\.  3). 

d .  I'-  r  e  ui  d  c  vS  p  r  a  c  1'.  e  n . 

Ol  liiklitr,  Gescnius,  F.  W.,  luiglische  Sprachlehre.  \'ölhg  neu 
bearb.  von  Prof.  Obcrlehr.  Dr.  Emst  Regel.  Ansg.  f.  höhere  Miidchen- 

scluiUii.  (XI \'.  Yy.)  S.)  Halle,  H.  (iesenins.  (".eb.  3,50  M.  -  Hahn,  Th. 
U.  E.  R0O8,  Französischer  Sprech-,  Schreib-  und  Leseunterricht  für 
Madchenschulen.  3.  Stufe  <VIII.  iSo  S.t  Halle.  H.  (resenins.  i.So  M. 
Stiori  Georg,  I.chrlnich  der  französischen  Sjirache  für  höh.  Minlchen- 
schulcn.  'i'l  T'iitrrricht.s.stoff  für  die  4- Klii"^!^''  iA'II.  t?oS.)  I.eipziir. 
F.  A.  Unukiiaus.  Kart.  1,50  M.  —  Bahrs,  proi.,  l>i.  H..  Denlsche 
Cbungsjstücke  zum  Obersetzen  ins  Französi.schc  für  die  oberen  Klassen 
von  keal.uyninasien  und  Oberrealschulen.  Im  Anschlufs  .m  die  Lehr- 
bücher der  frauit.  Sprache  von  Dir.  Prof.  Dr.  Strien  herau.sgeg.  {Vill, 
157  S.)  Halle,  R.  Strien.  (Jeb.  1,80  M.  —  Spenoker,  I)r  Frz.,  Die  franz. 
Orannn  itik  1.  d  Ri  lUchule.  Progr.  (36  S.l  Hamburg.  Herolds  Verl.  2.40 
M.  Backhaus,  J.  C.  N..  Lehr-  ti.  Übungsbuch  der  engli.schen  Sprache. 
Ansg.  H.  i.Tl.  (\I1I.  i[(»S.)  Ilantu)ver.  C.Meyer,  t  M.,  geb.  T.30M. — 
Bube,  J..  Schulgrammatik  (1er  englischen  Sj-i  u  lu-  für  die  Oberklassen 
höherer  I.i  1tt .üistalten.  <\'III.  2or  S.i  .sinil-art.  P.  N<  ff  \\^x\.  2  M.. 
geb.  in  Leinw.  2,50  M.  —  Wershoven,  i'r..r.  Dr.  l*.  J.,  Hauptugeln  der 
englischen  Syntax.   Mit  einem  Anhange:  S3*nonyma.  (IV,  47  S.) 


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P.  W.  Srhinidt. 


Trier.  Fr.  Liiitz.  Kart.  0,60  .M.  MahÜM,  J.  Frdr.,  Fraiiiiös.  Vokabel- 
SchatK.  (teordnet  nach  den  Acccnten  und  dem  Geschlecht  der  Haupt- 
Wörter.  (;>4  S  ^  Ifa11< ,  C  A  K.h  iiurK-rer  u.  Co.  0.60  M.  Heine,  Lebrer, 
K.,  Eiiiführuu>(  in  üic  Iran/,.  Konvctsatioii  auf  (iruml  <lcr  An.schaminfC» 
Ans^T-  A.  Xach  den  Bildern  von  Strübing-Whikelmann.  Für  die  Hand 
der  vSchük-r  bearbeitet.  (VH,  55  S.)  Hannover.  C.  Meyer.  0.60  M.. 
geb.  o,9f>  M. 

///  A/i/s<it:t\  N  M.,  Sli»ffv<.rUiUiii^  vuul  Mctlioik'  di^.s  fran/ösisclutj 
Unterrichts  in  den  I.c lux  i tukhinjisanstalten.  {Vi\i\.  Iii.  41.  —  Dr.  H. 
Brunswick,  Für  die  alte  M«.'t!i<><ii  <1  niMispracliliclien  rnterrichts. 
(Frankf.  Schul/.t^.  y— in.  Elis.  Haakb,  Wie  hat  der  Unterricht  iui 
Französischen  die  AiifKal>e  /u  lösen,  die  Schülerinnen  mögrtichst  ein- 
/.nfülifiii  in  das  \'rr.stän<lnis  der  j.jeistiy:eTi  nnd  niaiericHen  Kultur, 
lieben  und  Sitte  des  französisrlu  11  XClkis'   !>  I,elircrin  ly). 

6.  Zahl-  und  Formunlerricht 

a.  K  cell  n  en. 

i!)  liiii  Jii  t.  Engelhardt,  u<-ki»r,  V  Rr(  lu  tiVnicli  für  \'olks.<cliulen. 
AuHg.  H.  2.  llft.  (72  S.  ni.  ;^  iMg.»  \\  ilLcu.  K.  <iräfe.  o.jo  M.,  j^el».  0.50 
M.  —  Pflieger,  pror,  obwiehwr,  W..  Ivk-nientc  der  Arithmetik  für  die  mitt- 
leren lind  «  Ix-ren  Klassen  höherer  I.ehran.stalten.  (IV,  12SS.)  Strafs- 
burg, F*.  Ihill.  i,«So  M.  —  Doms  Aufgaben  für  mündliches  und  schrift* 
liches  Rechnen.  Ausg-.  C  für  höhere  Mädchenschulen.  Nach  den 
ininislc  ri(.ll(.  n  lU  stiniiniinjjen  iiher  das  MädcheiiS(  hulwn  st n  vom  31. 
Mai  1S94  bearbeitet  von  Seminariehrer  A.  FUsner  und  K.  Sendler.  1. 
bis  6.  Hft.  Breslau.  H.  Handel.  Zus.  1,45  M.  —  Mahler,  r..vmn.-i'r..r..  (l., 
Ivcitfaden  für  den  .Anfanj^sunterricht  in  der  .\l*.;i  l)i.i  in  (iymnasien. 
T.yceen.  I.ateinschiik-n  und  verwandten  .Xnstaltcii.  lA  IlI.  1  j'^^i  S  i  Stiitt 
uart.  1'.  Xeff.  1,20  SI.,  \r^^h_  1,50  M.  —  Herrigel,  ihu.t.ii.Uf...  vi.  j;.»!- 
1,1, r.M  A.  Manz,  Rechetibiicli  für  die  (Oberstufe  z\veiklassij;er  Schulen. 
Für  die  Ik'dürfni.sse  des  jjrakti.schen  Lebens  nach  methodischen  <  iniiid- 
sätssen  bearb.  (</)  S.)  Heidelberg,  vorm  Weils  Sort  0,50  M.  l^ehrer- 
heft  (ro9  8.)  0,95  M.  —  SohweHng.  «Jvnm.-nir.,  Kar!,  Sanimhm^  von  Auf- 
gaben ans  (kr  Arithmetik  für  li'ihere  Lehranstalten.  I  '•rLr'iiiL'c. 
(XXI,  242  S.)  Freiburg  iiJi.,  Herder.  3  M„  geb.  3,40  M.  —  Bardels,  Dr. 
K.,  Arithmetische  Autj^aben  nebst  I.ehrbnch  der  Arithmetik  vorzujjs 
weise  für  Realschulen,  höhere  Hürgerschiilen  und  verwandte  Anstnlten, 
neu  bearbeitet  und  mit  f  itu  r  I.ojrarithmentafel  versehen  von  Dr.  H. 
Hartenstein.  (IV,         S  j  Leipzig.  H.  (i.  'J'eubner.  (ieb.  2  M. 

///  A///sti7:f.  Muthesius,  Die  vier  (irutnlrechnungsarten  im  schrift- 
lichen Rr.  liiu  ii  J'a-1  -;).  Ivfktor Hohmann,  /.ahleubilder /n r  Zer- 
legung der  (^irund/ahien  durch  den  TeilungJvStrich,  eine  willkommene 
Krgftnzting'  zur  russischen  Rechennia.sc1iine.  (Päd.  Bl.  2).  —  C.  SehSler, 
Dir  l'utstc  liung  der  Zahl  nnd  die  (imii(ls."il/f  Ikiiu  >  li  iiu  ntarc  n 
Rechenunterricht.  (Paedag.  6).  —  R.  v.  d.  Welse,  W  eiche  Stoffe  sind  im 
Rechetinnterricht  auf  der  Mittelstufe  besonders  zti  üben  und  wie  sind 
diese  1  Illingen  zweckmäfsig  zu  ge.stalten  (l'rax.  d.  Landscli 
Emil  Zeifslg,  In  der  \'olk.s,schuic  algebraische  Aufgaben libl.  I.  d. 
Schulprax.  10,  iii. 


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Pädagogische  Bücher-  und  Zeitungsschau. 

Nr.  4.  1S9«.  VII.  .laliig. 


l  Geschichte  und  Grundwissenschaften  der  Pädagogik. 

H.  <jeschichtc  der  Pädaj^off^ik. 

<ji  Büi'htr.  Schmid,  «rii.  itmi  .  uyiiir>..Dir.,  I>r.  K.  A..  beschichte  der 
Ivrzichmi;^  \  <>!i  Aiifanu  an  bis  :uif  iinsfi*-  7(  it.  licail).  iti  ( iemeiiisrhaft 
jjut  einer  Aii/.alil  von  (iclehrleu  und  Schulnianturn.  \.  Hd.  i.  Abt. 
fVIII,  612  S..  Stnttff..  J.  O.  Cotta  Nachf.  18  M,  ^  Uwit,  Dr  Ju  .. 
Darslellunj^  <ler  theoretischen  imd  ]>rnktischt'ti  Pädaijoinlc  im  jüdischen 
.Vltertum,  nacli  tahuud.  Quellen  unter  vcrgieich.  licrücksichtiKung 
«les  jfleichÄeilifien  Schrifttum».  (708.1  BerHn,  Mayerii.  Müller.  1.80  M. 

Waldmann,  Dr.  l" .  re.stahr/.zi  untl  Muralt.   Vverdon  u.  St  1*  '  r  hiiru 
<5.s  S.)  Sdiaffhausen,  C.  Schoch  in  Komm.  0,80  M.       Pestalozzis  samt - 
liehe  Werke.    Tnter  Mitwirk^^  von  Dr.  H.  Morf  u.  i-rof.  Dr.  O.  Iluii- 
/.ickcr  herausjie^j.  von  oi...pfr.  1,.  W.  Seyffarth.   19.  u-  20.  JW.  5.  i<». 
I,fji.    l.ieniiitz,  C  Seyffarth.    ä  0.60  IM 

in  Aii/sii/u.    J.  Walter.  Die  N'olk.sschule  vor  ii>o  Jahren.    'Re|)  <1. 
Päd.  ii.i      WHhelm  Gamper,  Die  relij^iöst-n  .\nschauun.uen  l'tislaloz/.is. 
(Päd.  StiitluTi   ;  I  -   Dr   H  Morf,   Pestnlo/,/is  nau.si)äda«^o<jik .     Rln  in. 
Blätter 4. j  —  Paul  SchoenwalUt,  (Jverl>crj4  und  Pestalozzi,  (liinc  i'arallelc.» 
(Prax.  d.  Latidsch.  t.|  —  Oskar  Kobel,  Pestalozzi  und  Overberpr.  (Schtes. 
Schul/tir  .'3  ■       A.  Fels,   Pe.stalo//is  .Ansichten  über  den  Minfhii^  -u  1 
.Mutter  auif  die  Jugenderziehung.    (Preuls,  Schulztu.  5.S,  59.*  —  Ernst 
Otto  Hofmann,  Die  erste  Pflanzstätte  pestalozzianischer  Ideen  in  Nord- 
deutschland.  ( Deutsche  Volk  *    '    -2.1 — Tschech,  Rou.sseans  und  I.ockes 
l.r/ichungsprinxipicn   —  ein  \  (  ip:ieich.    (Katli.  Schnl/tir  1 
N.  N.,  J.  II.  Cauipe  und  seine  jjadagogischcn  .\tisehautingen  und  He- 
slrcbtingen.  (SchuUd.  f.  Hessen  m  »      H.  Korsoh,  Welche  FortÄChritte 
maclitt         pi  etifsische  X'olk.sschnhv »     n  in  der  Zeit  voti 
)D,   \olk.s.schulfreund  3S,  39.»  ~   0.  W.  Beyer,   Zur  (ieschichte  des 
ZillerMchen  Seminars.   (Deutsche  Bl.  f.  erz.  rnterr.  ^1-  40.)  Emst 
Schreck,  Joachim  Heinrich  Campe  al>  r   1       4   und  J n.uendschrifl 
.steiler.    (Hann.  Schulzt^.  27— 33.»  —  W,  Henning,  Mine  Charaktcri.stik 
Pestalozzis.   iPest.-Studien  3.1 

b,  C  i  r  u  n  il  \v  i  s  s  e  n  s  c  h  a  f  t  e  n  d  e  r  P  ä  d  a    •  >  i-  i  k . 

-l///.vf //,<•.  0.  Folti,  Üher  tUi.s  System  der  lUhik  \on  I  rictlr. 
Patilsen.  rHvanjf.  SchnlMatt  8.  9.)  —  Dr.  Th.  KHIIir,  Päd a.nv. irische  Rx- 
Ijerimentalschulen  eine  noch  unerfüllte  Forderung  Peslalo/./is  1  Päd. 
Studien  j.t  0.  fliigel.  Ncncti  Arbeiten  üher  die  (iefühle.  (Zlsihi  f 
Philos.  u.  Päd.  I.  2.1  -  0.  Flügel,  1  >er  subsl.intiellc  und  .iktnelle  Seelen 
liegriff  uinl  die  bjnht  ii  <!' s  Bewuistscin.«».  (Ztschr.  f.  Pliilos.  u.  Päd.  j  1 
Or.  C.  Spielmann.  Inu  llim.  tr/  und  Intcre.s.se.  (Prn\  d  \  rlksscli.  S  ) 
Dr.  P.  Bergemann,  Ab.soiutisusche  inul  cvolutionistisclie  Mthik  im 
Kampfe  um  die  Pädapop^ik.  <I^ipz.  I^ehrerztpr.  .^9—41.»  —  H.  Sohsrsr. 
Die  AufgaVu  der  wissensrli  iftlichen  Pädagogik  im  allgLii  '  1  und 
in  der  (legen wart  im  hcsontlercu.  iPäU.  Ztg.  34,  35.J  Ed.  Schlegel, 
Kini|;c'  (U*d:tnken  aus  llerbarts  Rriefeii  üWr  die  Anwendung  der 


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26 


r.  W.  Sehmidt. 


Ps3'cliologie  auf  die  rä<l;iL;(>^ik  iSchulUl.  f.  Sachsen  .;7,  —  Dr.  Ed. 
Martinak,  Zur  Begriffsbestimmung  der  iutellektuelleti  (Pfühle  und 
des  »FntercMes<».   (Sfidd.  BI.  f.  höh.  l'ntertichteanst.  7.  8.) 

2.  Allgemeine  Erziehungs-  und  UnterriohtsJehre. 

:i    n  TTi  f  a  s  s  e  u  d  es. 

(1)  Büdnr.  Friedrich,  •  iMDit.-oi.tTi.,  (»ust..  Die  liohert'ti  Scluikn  und 
die  (legenwart.    151  vS.i    Leipz.,  IC.  Warttgs  Wrl.    0.60  M. 

In  AufstHze.  N.  N.,  Die  einklassim  imf!  iiuhrklassige  Volksschule. 
Eine  vergleichende  Würdigung.  (Deutsche  \  olks.sch.  zo,)  —  N.  N.,  Die 
Erziehung  schwachsinniger  Kinder.  iBl.  f.  d.  Schulprax.  15.  16.)  — 
Laura  üuäbicker,  Welche  \usiü'-tiine  liefert  die  höhere  Mädchenschule 
ihren  Zöglingen  für  den  Kampf  des  Daseins?  (D.  Lehreiin  21.)  — 
Hans  Suck,  Die  Schulhygiene  auf  der  Berliner  (Tcwerbeansstellung  1S96. 
(Ztschr.  f.  Schulgesundheitspfl.  9  )  -  N.  N.,  Woran  die  Schule  der 
fiCgenwart  hauptsächlich  krankt.  (Hayr.  Lehrcrztg.  .^2,  ; P.  Kuntze, 
Die  Behandlung  schwachsinniger  und  schwachbegalAci  Kinder. 
fSamml.  päd.  Vortr.  4.^ 

b.  Erziehung. 

At//söfz{.  Keim,  Das  Ehrgefühl  und  seine  Pflege  durch  die  Schule. 
(Pra\   d   I,andsrh   ?  (  —  A.  Pasternach,  Die  Macht  der  C;ew«>hnung: 

im  Dienste  der  Krziehung.    (Lehrer/tg.  f.  Ost-  u.  We.stpr.  33.1 

c,  T'  n  t  c  rr  i  c  h  t. 

(1)  Jtüclu'i.  Graboiie.  scniiii*r-üiiungiiBthuUeiir.,  (i..  Das  dritte  Schuljahr. 
(X,  305  8.)  Wien.  A.  Pichlers  Wwe.  11.  Sohn.      M.,  geb.  ^^,40  M. 

I>)  .  f/.",vr/':^  F.  Schulze  Welche  Tunsi  hränktmL;  i  rfährt  in  der 
Volksschule  die  i  orderung:  Häusliche  Arbeiten  .sind  unerläislich  ? 
Und  wie  vermag  die  Schute  alsdann  den  häuslichen  Fleifs  su  ersetzen. 
(Prax.  d.  Landsch.  2  )  —  Fr.  Linde,  Die  l'ehlcr  des  I^ehrers  beim  Tnler 
richte,  fPrax.  d.  I.andsch  t  1  —  N.  N.,  I  ber  die  Anschaulichkeit  rles 
Unterrichts  in  der  \*olks.scliule.  (Deutsche  'olksseh.  21.  iia  -  N.  N., 
Zur  Durchführung  der  Klasse.  «.X.  Westd.  Lehrer/tg.  23.»  -  N.  N.. 
('her  Leitfäden.  Rr.ilii  iibücher  und  Ri  alU  sLl)iu  lu  1  fh'rankf.  Schul- 
xtg.  —  Dr.  Gänsen,  l' her  Unterrichtspläne  oder  i'cnsenvcrteilungen. 
(Rhein.-Westf.  vSchnIztg.  46—49  )  -  P.  Odelga,  Über  Methode.  (Bl.  f. 
die  Schulprnx  ;S  1  -  H.  Arnold,  Die  (iesundln  it>  und  h>nährungs- 
lehre  im  Unterrichte  der  Volksschule.  tDer  Rektor  iH.)  —  HSbae, 
Welche  Nachteile  sind  mit  dem  Massenunterrichte  und  welche  mit 
dem  P'in/elunterrichte  verbunden?  Welche  Vorschlage  ÄU  ihrer  Be- 
seitigung .sind  KU  machen.   iPäd.  BI.  5.) 

d.  Sozialpädagogik. 

it)  liii'lh  i.  Witte.  Dr.  \\  ,  Wie  sind  die  (iffeutlichen  beste  des 
deutschen  X'olkes  zeitgeuiäls  zu  reformieren  und  /u  waliren  \'olks- 
festen  /.u  gestalten.''  132  .S.i  Ueip/i«.  K.  \'oigtländer.  <>,.S4^  M.  —  Thiel. 
Lehr..  1'*  ^  Johs.,  Kin  Tag  in  Uebeiisheini.  sozial«  \  »lurerziehungs- 
anstalt  fiir  verwaiste  und  uneheliche  KintK  1  litiderlei  Uie.schlechts. 
Allen  UeiUMchen  Müttern.  Vätern  und  ICrziehern  geträumt.  (2S  S.> 
f^eipz.,  II.  H.  Than.  0,50  M.  _  Ragel,  Lehr.,  Fr/,.  I)er  freiwillige  Er- 
Ziehungsbeirat  für  schuleTillas'iene  \Vaisen.  Min  Wf^iich  zur  I/">sting 
der  Frage:  Was  i.st  das  deutsche  Volk  .seinen  verwaisten  Kindern 
schuldig?   (g6  S.)   Berlin.  L.  Öhraigkes  Verl.   o.«o  M. 

h)  Aiih<'i/:f.  Jlauptlehrer  Schöttler.  Was  kann  die  Schule  nn>\ 
besonders  der  Uchrer  zur  Fördet  uuj^  der  Mäisigkeitssache  tiiun  i 
(Uehrer/tg.  f.  Westf.  u.  Rheinl.  13.^      W.  B..  Die  Stellung  der  Schule 


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PAdAfogiMb«  IMIclivr-  tutd  ZoUungMeluML 


»7 


im  Staats-  und  Volksleben.  (Deutsche  SchuLztg.  39.)  —  Kafi.  Steiter, 
Die  soziale  Arbeit  der  VolksRchullehrerin  im  Anschinfs  an  die  \'olks- 
.scliule.  (I).  I.elir  rii-  ?2.\  —  Job.  BergklKOllt,  Soziales  Interesse  in  Haus 
und  Sclmlc  il'mns  SclntlztL:  7r.>  EndHs,  Ober  Notwendigkeit» 
Zweck  und  Kinrichlun};  der  l;lUruabcnde.    (Allg.  Schulbl.  22 — 25.) 

3.  Gesinnungsunterriohi 

a.  Relijirion. 

liiii  Jin.  Enders.  imi.iir  ,  Adh  ,  Di*-  Schidl)iV)LHrai;c  V  ortrag. 
(HjS./  I«eipi6.,  K.  Böhm.  (»,30  M.  —  Kratz,  i»ror.  Dr.  Heinr.,  Kommentar 
zur  bihl.  Geschichte.  Fiir  die  Hand  von  Präparanden,  Senünaristen 
und  Lehrern  an  Volks  \in<l  höheren  Schulen  im  Anschlufs  an  Zahn- 
(riebes    bibl.  Hi.storien    bearb.  27",  S  i  Neuwied,  I Icu.sers  Verl. 

2.50  M..  geb.  ;^  M.  —  Leinung,  Wilh..  Ist  eine  Schiilbibcl  wünschens- 
wert.'* (27  S.i  Magdeburg.  Schallehn  u.  X'oUbrück.  0,50  M.  —  Dlinze,  H.. 
Das  biblische  Lesebuch  idic  Schulbibel)  der  Bremischen  Bibelgesell- 
schaft, seine  Berechtigung  und  seine  Bedeutung.  (32  S.)  Bremen,  J. 
Morjrenbesser.   0,40  M.      Cohen,  Carl  und  Religionslehrer 

Ant.  Stelzmann,  /W///-  fhmu'no.  Katholi.sches  ( sang-  und  l'.ebetbuch 
für  höhere  Lehranstalten.  <\1I1, 401  S.j  Düsseldorf,  L.  Schwann.  1,75  M. 
—  Ankel,  itea]aoh.-ob«ri.  Dr.  O.  und  Realschiillehr.  Ed.  Wölfl.  Spruch-  ujid 
Liederbuch  für  den  evangelischen  Religionsunterricht.  Mit  einem 
Anli.uitr:  debete.  (V.  -'24  vSj  Hanau.  G.  M.  Alberti.  1,40  M.  Hof- 
mann,  imi  Heinr..  Biblische  Anschauungsbilder  z.nn  neuen  Te.stament 
für  die  Schule  Ilerausgeg.  von  Jul.  JUohmeyer.  II.  S^e.  (>  lU.) 
Breslau.  C  I  \\  iskdlt  15  M  .  auf  Leinw.  mit  Ösen  20  M.  -  Jonas, 
<i}mH.-i>ir.,  rrof.,  lir.  Rieh.,  Lehrbuch  für  den  ev  angelischen  Religions- 
unterricht in  den  unteren  und  mittleren  Klassen  höherer  Lehranstalten. 
Mit  Karl  n  oii  Palästina.  (1S6S.1  Köiii;^sberg.  J.  IL  Bons  Wrl. 
i.OoM.  ■  Ctemeo,  i>n>f.,  uc,  Dr.  Aug.,  Einführung  iu  die  Heilsgeschichte 
des  alten  und  neuen  Testaments.  Für  höhere  Schulen  bearb.  (13.S  S.i 
Lei|)/.,  Dürrsche  Buchh.  Kart  _•  M  —  Dreher,  Dr.  Th..  (iottbüchlein 
oder  Kleinster  Katechismus  für  katholische  Kinder.  (50  S.|  Freiburg 
i'B..  Herder.  0.30  M..  geb.  ()..;5  .M.  —  Habermas,  s«uiiu*ir-oi>i«rit.|jr..  W'aaim 
i  I  lern  Bibcllesen  und  Bibelkunde  in  der  evangelischen  Volksschule 
liL  ute  w  eilergeheinle  Beriu  ksichtigung  als  seither,  und  wie  hat  sich 
(^lei  I  nUTricht  in  diesen  1  ächern  zu  gestalten  "  (15  S.)  Leipz.,  Dürrsciie 
Buchh.  0.5*^*  ^L  —  KabiSOh,  Hcuiimtrlohr..  I.ii  .,  Richard.  Die  Episteln  des 
chri.stlichen  Kirelic  iijahri  s  fiir  \'<)lksschnl]eli rer  rrä]inranden  und 
Seminaristen  schulgeniäls  erläutert.  (VIIl,  207  S.)  Güttingen,  Vauden- 
hoeck  u.  Ruprecht.  2,40  M.,  ^eb.  2.80  M.  —  Aust,  RHigionaiebr.,  Karl, 
Lehrbuch  der  Kirchengeschichte  für  den  evang.  Religionsunterricht 
an  Volks-  und  Bürgerschulen,  sowie  verwandten  Lehranstalten.  (IV, 
loR  S.)   Wien,  A.  Holder.   Kart.  1.20  M. 

/'/  An/stitze*  Prof.  Dr.  ZhiRMr,  Hi-  innere  Mission  und  die  Volks- 
schule. (Lrax  d  Wilksseh  9.»  -  Ballhorn.  Di(  \f  rlundung  der  bib^ 
lischen  Geschiclile  niii  Kalcchisiuus.  Spruch  uiul  ts,iieheiilied.  (Ztschr. 
f.  weibl.  Bildg.  i.v)  —  Habermas.  Warum  erfordern  Bibellesen  und 
Bibelkunde  in  <Ur  e\  angel.  Schule  heute  weitergelu ndi  1 U  riicksich- 
tigung  als  seither,  und  wie  hat  sich  <ler  Lnterrichl  in  diesen  l  ächern 
zu  gestalten?  (Aus  der  Schule  4.)  —  R.  IBIIeher,  Welche  Schwierigkeiten 
bietet  der  Religi«>nsuiiterricht  auf  der  l'iilerstufe  mnl  sind  die- 
selben zu  überwinden?  tria.\.  d.  I«unUsch.  1.)  —  L.  Grote,  Dei  christ- 
liche Religionsunterricht  ohne  dris  alte  Te.'^tament,  (Neue  Westd. 
Lehrer/.tg.  iS.»  --  R.  Hagen,  <  ■  1  äber  den  Katechisnuisunlerriclit 

iBl.  f.  die  .Scluilpiax.  i/.t  ■-  N.  N.,  Zur  Litteralur  des  l)iblischen  (ie- 
.schicht.sunlernchls.  <Lehrei/Ag.  f.  \\  estf.  ;,S,  iy.)  -  Dr.  G.  von  Rohden, 
Das  Problem  des  Religionsunterrichts.   (Kv.  Schulbl.  9.) 


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28 


F.  W.  üilimldt. 


1>,  (i  csch  i  c  h  t  c 

liii.h,!     GrülNch,  ><iiuir..  A  .  (U'.schichts/aJikii  finden  I  nlerrk-ht 
in   iler  t'intaciicn   X'olksschuli'     ;  Wandt. ift-ln.    l)ixs<kn.   A,  MuhU-, 
M..  aufj^tr/.      M.         Sevin.  I.udw  .  r.csehielitlichcs  (Jni.lKtil)nrli. 
(y   rdrhn    iSj  S.»   I.cip/i^,  K    \'« »i-tlän.K :    o/x»  \\        Trautmann,  ('>., 
Bilder  aus  der  braudcnbuigi.scli  j)rcuisi.schtu  (icsciiiciiic  in  scliulgc 
tnafser  Fonii.  (IV.  48  S,)  !)<»isau,  R.  Kahle.  0,30  M.  —  Hartem.  I>r.  \V. 
F^eitfadcn  der  ( icschiehU-  für  die  niittlt  rcn  Klassen  liölien  1   I  rhr;i?i 
.stalten,    i.  Tl.:  (it;.sdiichtL'  des  Allerliwns,   <U,  155  S.  niil  4  Karlen. 1 
Hannover,  ^fanz  n.  T.ati;,a.  f.6c>  M.  --  SeemamM  Wandbilder.  Mei.ster- 
werke  der  bild.  Kun.sl,    lianknnst,    Hildnerei,   Malerei,  in  t««»  Wand 
bildern.    Mil  Text  von  Di.  C.eor^  Warneeke.  5.  I,f^.  u»  Tlln.   15  M 
anf^'e/  n.  lackiert  25  M.  -    Schultz.  .iMm.  in,  .  Dr.  l"erd  .  Lehrbueb  der 
C  lesebicllte  fnr  die  <  >i'ct  sl\ife  lj«)berer  I.ebranstalten.      .\bt  C.esoliiohte 
«les  Mittelalters  un<l  dis  Zeil  iU.  rs  der  Reform, iti  ni,    I.ebraufj;.  der 
Unter  Prima.  (V'ill,  24,^  S.)  Dresden,  1,.  lüikrinann.  Ceb.  -'.So  M  — 
Weigand,  H  tind  A.  Teeklenbarg,  Deutsche  ricschichte.  Krgänxtiti.t^sheft 
für  die  Kb<  itipi n\  in/,  lu  aib.  v.  Job.  HeM;;el.       S.t  o,j<>  M.  --  Haehnel, 
Ur.  C  t..  .\us  deutscher  .Satte  und  Cie.schichte.  Der  deutschen 
lugend  erzählt.  fVIIl,  22?  S.  mit  1  Karte.»  Berlin.  Weidmann.  (leK 
4  Pfalz.  it.His.h.-iHr.,  i'n.f..  Dr.  l'"rz  .  Die^UMliirlu  in  ibrcn  (irnn<! 

xügeii.  1-jn  Kebrbueb  für  die  tlentscbe  Sebule  und  ein  Lesebuch  fiir 
«las  deutsche  Haus  in  1  Teilen.  4.  Teil  i\  I.  ;f»S  .S.)  Leipz.,  Dörr.'^che 
Bucbb.    2.45  M..  geb.  ! 

'  I  ,'  y/:?.  Bertha  Pattai.  I  bei  die  Henkksicbti^nng  »Kr  «ie- 
schiehte  <ies  Altertunis  in  der  Hürj^eischule.  (Osterr.  Sc1iu11k»Ic  S.i 
N.  H.,  Das  Verhältnis  der  La«desj*e.sohichtv  /.ur  deiitscben.  (Bayrische 
I.ebrerztg,  VI  loh.  Bengel,  Die  l'r«>\  in/ia!ges(  laichte  im  <  fcsrliirlits- 
unterrichte.  (khem.  Westf.  Schul/.tR,  .st>.i  Dr.  Staha,  Zur  l'ruge  über 
den  Ct^chichtKunterricht.   (Päd.  Itl.  5.) 

4.  Saeliuirtarrtobt 

a.   <f  e <»  VC r  a  II  h  i  e. 

,n  hm  Im.    Hackmann,  \V..  .Neue  .Scliulgengraiiine.    l  iiU  i  lietiiek 
.sieht,  der  dialci)?.  rnterfichlsf.  verfafst.  4  Heft,  (IV.  356  S.i  1)h.s.si.-1- 

dorf,  I..  vScluvann.  ;^  M.  —  Seydiitz.  Iv  \ ..  <  ieograpbie.  .Ausg.  Iv  l'ür 
höliere  Mädchenschulen.  4.  Heft,  ii'*^.^  S.t  Breslau.  V.  Hirt.  i.<)<.»  JNl, 
•—  Welghardt,  K..  Mathematische  «Geographie.  I^eitfaden  für  den  t»nter- 
ricbt  in  der  <)bt  il<  ili.i  «In  Mittelseluden.  144  S.  mit  l'"ig  I!ü1d  Kon 
korfli.i.  o/>f>  .M.  Charakterbilder,  geographische,  für  Schuk  tind  Haus. 
^'*^»  .vS  .^7  ollarbeiidr.  W  ien,  V..  llöl/.el.  S  M  ,  auf  Deckel  gesj^innt 
12  M  Klenk,  H«iiullHtr.  J.  <>  .  Das  deutsche  \  aterland,  seine  Kolonien 
und  .Answanderungsgebietc.  l-.iti  geogr.ipb.  Hilfsbuch  für  b'ortbil- 
«lungs  ,  Mittel  und  X'olk.sscliMlen.  (\  II.  1  lO  S.i  Stuttgart.  .\.  Bon/. 
U.  Co.  1.50  M.  —  Jahnke,  Hckt.»r.  Rrn.st  Bilder  ans  der  llrdkunde.  (84  S.) 
D.mzig.  R  Harlb.  o,;^  ^|.  -  Lehmann.  <  leogr  Cl.  ir.)k(i  rbililer.  Xi».  .";4. 
Die  r.ütlhardbuhn  bei  W  a.s.scn.  Leipzig,  Schulbildcrvcrlag.  1,40  M.. 
aufjrez.  i.6i>  M. 

h)  .\iils,it:.<  \  G.  Wollweber,  Die  i;lemente  der  mathematischen 
(feojCia]tbü  11?:. 1  .Im  Belian«llung  in  der  X'olk.sschule.  (Rep.  tl.  Täd. 
12.)  Ed.  Oppermann,  Bestrebungen  auf  dem  <*«ebiete  des  erdkund- 
lichen rnterrichts.  (Rep.  d  Päd  11.)  —  Fr.  Max  Bergfeld.  iCrfahningen. 
Ilrfolge  und  \  or.^chläge  bt  /  l-  r  heimatkundlichen  I.ehrfuisgänge 
(Preuls.  ScUul/.tg,  txj,  01. >  —  H,  Harms,  .Sollen  die  .Sehnler- Handkarteti 
stumm  Uder  mit  Namen  versehen  .sein?  iKh,-Wc.stf.  Schuht^.  42— 44.1 


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h.  X  atu  rhejiclireibwn  Jf. 

,    !)u  hn  uikI  Itilili-i .    Lehmann,  s  .  i-  r.  Zoolo^nsc hur  Alias.  Ivi 
gaijzun^.siaftl  ä  1,40  M.  —  Bilder  iui  den  ersten  Anschauungs- 

unterricht und  zur  Cirundtajfi:  fiir  den  naturfreschichth'clien  rnterricnt. 
Tafc !  Sehul/farV-tTi V  der  Insekten,  l'arhendr.  Müiirlun,  R.  Ohlen- 
Iniurgh.  1,30  WitlaC2ll,  J>r.  1;..  Naturgeschichte  für 

ßfirgerschnlen  in  y  Stufen.  2.  Slttfe.  Die  wicbli)jsten  (inippen  der  drei 
Reiche.  151  S   in.  142  llolzsch.i   Wien.  .\.  Ihilder.   (lel).  1,50  .M. 

hl  .\iiistit  i.  W.  PauL  liioloifische  Hetrachlnnjjen  im  natnrjjeschieht- 
licluii  I  nterricht  der  N'olks.sclinle.  (.\ns  der  Schule  5.)  —  Wichard 
Laukamm,  Methodische  Winke  zur  I^rteilnnj^  des  naturgescbichtlichen 

1  M  Ttulil»;  im  Sonnnerlialbjalir«  Aus  der  Schule  5.»  Gottfr.  Erck- 
mann,  S\  steni  oder  J.ehensj^enieinschaft  (Schulb.  f.  Hessen  \2.  i.v» 
^  Karl  Plrfll,  Was  können  wir  mich  in  der  einfachen  Volksschule  vom 

I,  el)en  der  Pflan/en  lehren.'  (l'reufs.  Sclml/ti;  —  Skrobek.  iHr 
natur^eschichtliche  rnterrieht  in  dt  r  \  .  Ik.sschule.  »Aus  d.  Schule  0.) 

5.  Sprachunterricht. 

a.  r  ni  fassen  des. 

iimhn.  Schneider,  svminar.iHfbnr,  J..  Zur  Methtjdik  des  deutschen 
t'nlerricht*«  der  N'olksschule.  (VIII,  177  S.)  Düsseldorf,  I..  Schwann. 

2  M.  -  Hefs.  •«eiiiiiii.i-Lohier,  Karl,  Der  deutsche  l'nterricht  in  den  ersten 
Schuljahren  auf  |)honetischer  <  irundlajre.  Kine  Anleitunj;.  anj^eknüpft 
au  die  l'^ibel  von  W.  Hantiert.  154  S.  i  I'ratikfurt  a.M.,  Diesterweg.  0,50  M. 

b.  SjJieclien  unil  l.esen. 

tU  fiiithfr.   Awwriawig,  theoretisch  -  praktische,  xur  Kehandlnn^; 

deutscher  I.esestücke  iji  zweisprachijfen  Schulen.  \%x  S.i  Zabern.  .\. 

b'tu  lls      t'/  rt   M      —     Schmid,  Mii.U  h.'ns.  li.-  u.  s,.|niii«r<Iir.-kl<.r.  K.  U.  Oberlehrer 

Fr.  Speyer,   litutsches  Lesebuch   für  höhere  Mä<lchenschulen.    .|.  Tl. 

II.  I'rosa.  iSchtufs.»  »VI.  257  S.i  LeipziK-  I^       Teubner.  (;eb.  2  M. 
Wchncr.  >emiiiariohr.  1,  A     Die  ('.]('<. kr.  (.III  S\ nilud  menschlicher  \'er- 

tinigung.  Darlegung  cies  (iedanken/.usanunenhangs  des  I.iedes  von 
der  Glocke  nach  einer  den  philosophtsch-asthetischen  An.scha\tun|yen 
Schillers  entnommenen  Beleuchtung.  (7^  S  1  I.ii]>/iL:  .\  Wehner. 
i.(>oM.  —  Mufff  i*rof..  uyuuu-uir.,  Df.  Chr.  uud  Mädchenschul- üir.A.OammaiM. 
Deutsches  Lesebuch  für  höhere  Mädchenschulen,  IV.  Bd.  (VIII.  360  S.) 
Herlin,  (i.  (irote.  i.So  M.,  geb.  2.20  .M.  Lesebuch  für  evangelische 
\'olksscbulen.  Herau.sgeg.  im  .\uftr.  der  Königl.  Regierung  /.u  .Arns- 
berg, littelstufe.  (X,  262  .S.  m.  Hildern.)  Hielefeld,  Velhagen  u.  Kla.sing. 
(».48  Mm  }feb.o.S<>M.  Dasselbe:  Oberstufe.  (XIV,464S.)  Kbd.  0,02  M.. 
jyeb.  1.4'»  1^1  -  Lemberg,  nuupii.hrer.  .\uir  I'r.iparritioneti  zn  deutschen 
('•edichteu.  Nach  Herbartscheu  (irundsatz.en  au.sgearbeitet.  1.  Heft; 
rhiand.  (TTl,  loS  S.i  Lanj^-ensatza.  H.  Beyer  u.  Söhne.  1.20  M.  - 
Jänisch.  .Mbert.  Neue  .Vnwcisnng /.um  naturgeniäfsen  SchreiV^K  st  uTitt  r- 
richt.  .Mit  Orig.-tiedichten  von  Fritü  Mügge.  (191  S.  mit  Jiildern.j 
Potsdam.  A.  Stein.  1.50  M.  -  KStle,  iwr..  K.,  Der  Sprechunterriehl  bei 
geistig  zurikkgebliebenen  Kindern  ICin  Leitfaden  für  Lehrer  an 
lIiU>kla.ssen  für  Schwachbegabte,  an  Ifliutenanstalti-n  und  für  die 
l  aniilie.  144  S.i  /üricli.  Müllers  N'erl.  1  M.  -  WolfT,  luku.r.  Joh.  Jtjs.. 
Lesebuch  für  Fortbildung.sschulen.  Zugleich  ein  Buch  für  die  b'amilie 
und  das  Haus  tles  .\rbeitk!->  und  Handwerkers.  (XII,  46()  S  "nl  \b 
bildgu-i  Freiburg  i/Ii.,  Heider.  ,;.ju  .M..  geb.  3,80  M.  -  Schneiderhan, 
semiiuu^ob«riehrvr,  Jos.,  Handbuch  zum  Unterricht  im  vereinigten  Au- 
schauungs-  inul  Sj)raclinntcrriv  l.t  in  den  Unterkla^-M  ti  iler  \'olks- 
schulen.  iXV,  37S  S.)  Stuttgart,  .Süddeutsche  V'erlag.sbuchh,  ^,ik>  M.. 
geb  4.  v)M.  —  Nsiter,  M.V.;  Deutsches  Lesebuch  fürösterr.  Madchen- 


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IJürjjcrscliukii.  2.  u.  3.  ri.  (214  u.  227  S  j  insbriitk,  l  .  Rauch,  (ich. 
ZMS.  3,30  M. 

/>!  f  '/.'^  >'■',/  .  A.  Freybe.  Wie  k-nmu  n  wir  /u  l  iiur  hnliercu  Stufe 
der  nationalen  Aneignung  der  (.ioethcsclun  l-aust-Tragödie  gelangen  ? 
(JCtschr.  f.  den  deutschen  Unterricht  8,  9.)  —  E.  Wedekind,  Der  ver- 
citiij^U-  Sprech-,  Schreib-  und  I.eseunterricht  nach  der  iMbel  von 
I.tidwi^r  (irern  fXi-ue  Päd.  Zti:  r-o  •  W.  Rodermund,  Zur  fiehandbinir 
'Ut  I.esestiukL  aui  der  Mittel  Hberslulc.    <  Rhein.- \\  estf.  Schul- 

/Xg.  45—47.)  -  Wllb.  Bingert.  iMionetik  und  Schreibleseunterricht. 
uSchulb.  für  Jle.ssen  17.1  -  N  N.,  '/.ut  Praxis  des  I.tMiinterrichls. 
(DeuUicUe  Schulprax.  38—40)  —  Frltz  Lehmensick,  Warum  .Märchen? 
(Päd.  Studien  f.| 

c.  Aufsat/..  C»ranittiatik  und  Rechtschrei hen. 

'N  liiiilui.  HeMe,  srhui.iirrktor.  luiisl,  ( i raniuiatische  Arbeiten  in 
Aufsat/.fonn  mit  besonderer  Herücksichti^junjr  der  Wortbildunj^.  der 
Wortbedeutung  und  Sprachrichtijjkeit.  3  Ufte.  (56.  yO  und  i«x>  S.) 
Dresden,  A.  lluhle.  3.30  M.     Rasche,  l%nii1.  Die  Krzählung 

im  Aufsalzunterriclite  (Kr  \'< »Iksschule  T'im  Sanindunj;  ausjjeführter 
.Vutsat/.übungen  im  Anschluis  an  epische  .Musterstücke.  (116  Sj 
Dresiden,  A.  Muhle.  1,30  M.  —  filmt,  «rbniieit,  Dr.  G.,  Gut  Deutsch 
ohne  Lehrvi  für  jedennann  leicl-t  11  crlmicn  fXlI.  133  S.)  Herlin, 
Neufeld  und  Henius.  1  M.  —  KrauTs,  Lciir.,  Karl,  Pnüctisch  erprobte 
Aulgabensannnlun^  für  den  ersten  Unterricht  in  Rechtschreiben, 
Sprachlehre.  Wortbildunj^;  untl  Aufsatz  auf  Grund laji;e  des  Sachunter- 
richts iniAnsi  hlufs  an  die  bil  ' !  l'ür  das  2.  und  3  Sclailj  jS  S  ) 
Giefsen,  K.  Koih.  0,40  M.  -  Ebner,  Prof.  Dr.  11,,  300  tleul.sche  Auf- 
sätze allgemeinen  Inhaltes.  Dispositionen  und  Ausführungen.  (VI, 
'■■V\  S,i  Pilsen,  C  Maascb.  M.  Müller(- l'raueii  stein  1.  i.;,  ht.T-iU.-iHr., 
Dr.  Geo.,  (>ramniati.sclie  Belehrungen  im  Anschlüsse  an  Kippeubergs 
deutsches  Lesebuch,  i.  Tl.  Für  die  l^nterstufc.  (IV.  76  S.)  Hannox-er. 
Norddeutsche  \  erlajjsanstalt.  (ieb.  1,20  M.  Krüger,  K<-k(or,  K.  .\.. 
Sprachschule.  Für  Volksschuleti  bearV»  Ufte.  132,  44  utul  -2  S  i 
Zus.  0.75  M.  —  Eiermann,  D.,  Ijnliihnm;;  in  die  deutsche  Recht 
Schreibung;  an  höheren  Mädchenschulen.  Bürjjferschulen  und  x  er 
wandten  Anstalten.  Sihülcrnu.sjr.  iStt  S  1  Karlsruhe.  K.  Srlierer.  o.<K)?d. 

b)  .iiifsiUu.^  Franz  Hanl,  Der  deutsche  vSpiaciiunlerncht  in  der 
X'olksschule.  fösterr.  Schulbote  9.)  -  A.  Beyer,  Der  tarraniniatische 
ruterricht  auf  der  Mittelstufe  der  höheren  Mädchensch\i!e  in  (je- 
uiäisheit  der  ministenelien  Bestimmungen  vom  31.  Mai  (D. 
I/chrerin  24.)  —  J.  Erbach,  Benierkung^cn  zu  dem  Unterricht  in  der 
deutschen  Grammatik,  iiisl)eson(lere  /u  sogenanntem  rnterricht  in  den 
höheren  .Mädchenschulen.  (1)  MitlelscIuiK  i'.i  -  Max  Hahn,  'e  icli 
einen  .Vufsatz  vorbereite.  i  Deutsehe  Sclnüprax.  311  E.  Hesse,  Die 
Volksschule  im  Kampfe  gegen  Sprachsünden.  (.Allg.  deutsche  Lehrer- 
ztg.  37,  38.  —  L  OstlMtaier,  Zum  Aufsatzunterricht.  (Österr.  Schulbote  6.; 

d.  S  c  h  r  e  i  Im  11 

HiUhd.  StrahiendorfT,  schreibiebrer.  H..  l'.neflicher  und  .Selbstunter- 
richt zur  Aneignun;j  einer  schönen  u.  jieläuf.  Beamten -Handschrift. 
IIb  S.  n)it  22  lith.  Tfln.i  Selbstverlag  (Berlin  S.W.,  Beuthstr.  11.)  In 
Mappe  !«>  M  Da.ssell)c  zur  .Vneii^n.  einer  schönen  u.  irel  kaufm. 

n.in<U(  hiiit.  (lO  S  m.  23  lith  Tfln.)  Ivbd.  10  M.  Schwaigholer,  Prof. 
Di  \  \  orlagen  zur  Current  und  Lateinschrift.  115  BH  Wien,  A. 
Pichlers  Wwe.  u.  Sohn    0.73  .M. 

e.  X  c  u  e  r  e  S  p  r  a  c  h  e  n . 

limlm.  Aloe,  sebulvftrtu  S.,  Uber  die  Ivrlernuuji  des  i-ran/ösischen. 
Vortrag.  <27S.I  St.  Gallen,  Febr.  0.40  M.     Rink,  Utlo,  Die  Konjugation 


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der  franzosischen  Zeitwörter,  lünc  nach  Resfeln  lind  Latttg'efietzen 
R^eonlnclc  iihcrsichtliche  Darstcllun'Lr  alkr  Fnrt <xelniäl'si^kfiten.  nebst 
e.  Anli.  Kunjuiiationslal)fIlcn.  i6.S  S.i  l{raunscli\veij,Mroststr  6i.  Stllisl- 
verlag'.  Kart.  2  M.  Heine,  i.ciinr.  K..  Kinfülirnn^^  in  dir  itm/o'-i.srhe 
K()n\  crsation  auf  C.rnnd  der  Anschaunnjr.  Ansu  H.  Nach  den  liilder- 
taieln  von  K,  Hölzel.  Für  die  Hand  der  Schiller  bearh.  (VII,  72  S. 
m.  4  Bildern.)  Hannover,  C.  Meyer  0.70  M.,  geb.  i  M.  --  — ,  Metho- 
disclie  Winke  fiir  die  lulrinhirtion  n  hj  1 0111  * n^nflou  /ntfiiiiisr  i'i  /xtxr 
(i'iutuitiou.  u6  S.i  Kbd.  0,25  M-  —  Birkiartf,  R«ktor,  Carl  und  i'rof.  Dr. 
H.  Pianok,  Syntax  der  französiscben  Sprache  für  die  oberen  Klassen 
von  Realgymnasien  und  (tyninasien.  {XII,  211  S.)  SttlttR..   P.  Neff. 

1  An  M  ,  ifcl)  2  ^\  —  Borgmann,  K<-«iKrii.-oi.rrii-hr ,  Fcrd  ,  Leitfaden  für  den 
englischen  .\nfangs-Unterricht.  (III,  163  S.i  J{ienitrrha\  en,  I«.  v.  \'an- 
gerow.   (»eb.  2.25  M. 

6.  Zahl-  und  Formunterricht. 

a.  R  e  c  h  n  e  n. 

///  liiit  lu  r.  Heun,  Loiin  r,  Hans.  MctlnHÜsch  gcurilncle  Rechen - 
uhunji^en  für  die  Hand  der  Schüler  in  den  Mittelklassen  der  Volks- 
sflml  (.17  S  I  \\Tir/l>urg,  .\.  Stubers  \'vx\.  ri.^i»  M.  Fährmann,  i.riupr, 
K.  l.niil,  Zur  .Uisgestaltuntf  der  jisychologisch  berechtigten  Rechen- 
methode. Das  rx'thm.  Zählen,  der  Konzentrationspnnkt  des  elemen- 
taren Rechnens.  Kine  psycholo<jisch-päda|:  r  ht  Studie,  144 
S.;  Plauen.  A.  Kell.  1,60  M.,  geb.  2  M,  -  Ohienburger,  A.  u.  J.  Würa- 
dSrfer,  i.ohrpr.  Rechenbuch  für  mündl.  u.  schriftl.  Rechnen  in  4  Hftn. 
2.-  4.  Ilft.  164.  -s  u.  94  S.)  Wiesbaden,  Chr.  Ijmbarth.  ä  0.40  M„  geb. 

Dr.  (inst..  Methodisches 
Lehrbuch  iLi  lUcuu-ntar  MatheniaUk.  2.  Tl.  (N'III,  27»)  S.  mit  Fig.j 
Leip/ij»,  H  Teubner.  <k?l).  M.  VSgler,  webach.-i>ir ,  Ma.x.  Der 
praktisclie  Rechenmeister  rKUi  die  Kunst,  schnell  und  siclicr  /n 
rechnen  \\\\\  lieitrag  v.wx  Jiebung  und  börderung  der  Rechenknn.sl. 
(X,  422  S.)  Wiesbaden,  c;,  Quiel.  .^.25  M..  geb.  3.90  M.  —  UmleNthal, 
Prof.  I\ni'-t.  Kei  1k  iiU  lii  i  I.cilfadi  Ti  füi  den  Rechennnterricht  in  den 
/Avd  untersten  Klasi»en  der  Realschulen  u.  verwandter  An.slMlten. 
(160  S.)  Wien.  ^.  Hölder.   Oeb.  1,80  M. 

I>)  .\iffs,i/:t.  Emil  Zeifsig,  Rechenlektion  für  das  dritte  Schuljahr. 
Prax  d  !",r/ii  ]iuivl!Ssc!t  ;i  Rudolf  Roll,  Die  W  rmisrhaulichung  beim 
grundle;.;cmlcn  KcchcuunlLi liehic.  (Hayr.  Lehrei/lj;.  31.)  ---  N.  N.,  Wie 
entspricht  der  elementare  Recheniniterricht  dem  Wesen  des  Rechnens 
und  den  geistigen  PMlÜLrkeiten  der  Schüler'  \  \M  f  dir  Schulprax.  17.) 
—  J.  Dietrich,  Die  V'eranschaulichung  im  Rechenunterriclite  de.s  ersten 
Schuljahres.  (Schulbl.  f.  Hessen  n.»  —  R.  Bervmaai,  Über  die  I,ehr- 
WLisi  (L  s  ersten  Recht iiunterrichts  iKatli  I.chret/tL:  ■>>  1  Schroeter, 
\\  le  muls  der  Kechcuunterhcbt  erteilt  werden,  damit  alle  Kinder 
gleichniäfsig  gefördert  und  für  das  Leben  praktisch  vorgebildet 
werden?   iPra.x.  d.  Landsch.  3.) 

b.  Raumlehre. 

fiiiil/n.  Fink,  Keki..i-,  l>r.  K..  Hie  elementare  svstematischc  und 
darstellende  tleometrie  der  Kbeue  in  der  Mittelschule,  j.  u.  2.  Kurs, 
für  die  Hand  des  Lehrers  bearb.  (XV'II,  151  S.l  Tübingen.  II.  Lani)p. 

2  M.  loFig.-Taf.  u.  S4  Bl.  dazu  für  die  darslellend-geonietr.  Übungen 
ge/  von  Reallehr.  .\uer.  2.8«^  M  -  — .  Samndung  von  Sät/en  und 
Aulg.  zur  syst.  u.  darst.  Ceomelrie  der  I<;bene  in  der  MilteUschule. 
Schülerheft.'  1.60  M.  —  Kambly  u.  Boeder,  vStereometrie  u.  sphärische 
Trigonometrie.  \'ollst.  nach  den  preufs.  Li.]ii]d  iuen  von  1^02  umge- 
arb.  .\usg.  der  Stereometrie  u.  Trigonometrie  von  Kambly.  Lehraufg. 


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(kl  Trima.  M94  S.  m.  Fig.)  Breshiu.  I'.  Hirt.  '  70  M  '^eV)  j  M. 
Wolf,  niirKcr»ciiiiiicin..  Iv.  Chr..  >Icthndi.scher  Leht>;au^  tür  tkn  jrco- 
metrischeii  I  titermiit  in  der  ein-  un<l  nuhrklassi;^cii  \'«)Iks.schule  u. 
ii!  der  Vurthildim- ssrluilc.  iX'lII.  14.S  S.  111.  ick>  I'ij^.i  Leif>zig.  S. 
Klemuis  Sort.  i,6c»  M.,  geb.  2  M.  Sohmehl,  KeaUcbaiiohr..  inrnf.,  Dr,  Chr., 
Lehrböch  der  (»eomelrie.  Für  j^ewerhl.  Schtilen  bearbeitet.  Mit  290  in 
den  Text  eiiij^edr.  iMguren  und  einer  Auf:.;  il  11  unilun^!:-  (VIII.  179 
S  I  <'iefsen.  iC.  Roth,  i.50  M..  y;eb  i.S<»  M  Kleinschmidt,  HHr)r«'r.«ip|i  Iiilohr., 
Iv  ,  Leitfaden  (k'r  (  ieonietrie  nnd  des  ;;couieliisohen  Zeiolinen.s  fiir 
Knaben-Bürjiersclnden.  Mit  ni  den  Text  gedr.  .\l)l)ildj;n..  6  l'iix  - 
Tfln,  u.  über  600  Aufgaben,  di.  218 S.)  Wien,  A,  Holder,  geb.  2.64  M. 

c.  Zeichnen. 

tif  liiiihtr  iivif  ]'n:!<f^,->t.    Thleme,  K  (>.. 

Abrii.s  der  Creschichle  ik-s  Zcicheuunlt!  richls.  Im  .\nschlufs  an  Thienie.< 
Lehrg.  für  den  Zeichenunterr.  l)earb.  (40  S.  ni.  Imjj.)  Dre.sden,  A.  Iluhk 
Beyer,  Prof.  O.sk..  Die  Nadel  Schrift  zur  lie.schreibnnj^  von  Zeich 
nungen.  Vürlagen  li'ir  den  (?ebrauch  in  Schulen  und  Zeichen -.Vteliens. 
4  Wandtafebi.   Wien,  R.  von  Waldbeim.   S.50  M.,  anfgez.  i.»  M.  — 
Schleising,  z.i.hciiiehr.'r,  C  .  Zeichen  II  it     \.  (>  Tfhi.  Ilildburghausen.  V. 
W  fiadow  n.  Sohn,    a  0.20  M.  —  Steigl,  l'r/..  Nene  Zeichenvorlagen 
für  tkn  Schulunterricht  I.  u.  II.  Ilft.  Wien,  A.  l'ichler.s  Wwe.  u.  Sohn.  . 
In  Mappe  14,50  M.  ~  EITenberger,  KeftiM-imitohrar,  F..  Da.s  Pflanzenzeichnen 
und  seim  Anwendung  auf  d.i.s  ( )rnanient  in  verschiedener  Auffa.ssujig 
und  I  )nrchinhrung,  ,v  Ilft.  (15  /•  Tl.  färb,  Tfln.)  lia}  reuth,  II.  Ileu.sch- 
niann  jr.  In  Mappe  6  M.  —  Lange,  ivrhnik.-nir .  Walt.,  Das  Fachzeichnen. 
I'üne  Snnnnluiii.:  son  \"(iilaurn  aus  allen  (k-bieti  ii  für  Im  rtbiMiin^s-, 
tiewerbe- l'ach.schulen  etc..  herausgegeben  in  Verbindung  mit  Architekt 
(iewcrbe-schultehr.  Max  Metzger,  Tecli.'I^ehreni  Rieh.  Krftgcr.  Hcnn. 
Wild.  Kd.  (irabowski.   b'rz.  Melilhorn  nnd  l'rit/  Zeiter    5.    7.  Hefl. 
(a  15  Tfln.i  Dresden.  Ct.  Kühlmann    Sitbskr.- Preis  für  Heft  5    S  /ms 
j6  M.,  r.inzelj)r.  ä  6  .M,        Hartmann,  «j>iiin..i,i.hr<T.  ICdni.,  Die  Ikh.nid 
lung  des  ersten  Zeichenunterrichts  an  höheren  Leb  ran. stalten  nacli 
Körpenn  od  eilen  u.  nac!i  der  Natur  in  ausgeführten  Lektionen.  (VIII, 
77  S,  ni.  Abbildgn.j   Braunschw.,  O.  Salle.   1,50  M, 

/>)  .Iff/m/tr.  SehefTers,  T>ie  Bwlewtnng  dos  JCeicbenunterrichtes 
im  .Vnschlufs  an  bemerkenswerte  .Äu  i>;rn  Ztsi  Ijr.  des  \  ereins 
tleutscher  Zeichenlehrer  25,  2^1.1  —  Karl  Gotter.  Die  X  erwertung  der 
Pflan/.enformen  im  Zeichenunterrichte  iN.  Päd.  Ztg  V>.  37.1  —  Spitzer. 
Zum  gegenw.  Stand  des  Zeicheiiuntei richts  \inter  Ite.sonderer  Ikrück 
sichtigting  der  eii^  tuid  mehrklassigen  V<»lk.H.sciiulen.  (Ztschr.  tlcs 
\  ereins  deutscher  Zeichenl.  17.  iS.i 


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Wissenschaftliche  Beilage 


Xo.  1.       Besorgt  von  litui.  jMtricJi  in  Kandcrn.      .hl Ii  1896. 


L  AbhaiHliuii^on. 

I. 

Die  Mun  i  Il  ten  iin  Sj'it  i^^el  tlcr  Schriftsprache  (von 
Tlieodnr  Nfattlii.i-  \\'^^^c•nschaItl.  Hefte  dts  Allj^eni.  deutsrlun 
S|>r:!f  li\ c  leins  X»;  ua-.  will  dn^  sa^en !  I)a>  liild  dieSchi  ill- 
>praehe  als  Spiegel  der  Mundarleu  palst  nicht,  ebensowenig 
übrigens  zwei  andere  Bilder,  mit  welchen  Matthias  den  Gegen- 
satz oder  das  Verhältnis  zwischen  Schriftsprache  und  Mundarten 
zu  veranschaulichen  sucht  Was  er  eigentlich  zeigen  will,  ist: 
wie  die  Mundarien  an  der  Kntwickhing,  Fort  .  T'nd)ildnn.ü:  der 
Scliriftsprache  niitarheiten.  Veränderungen  an  ihr  bewirken,  der- 
art, dafs  allerli  i  Mundartliches  in  die  Schriftsjirnrlic  überf^oht, 
diese  durch  jene  i>ereichert.  erfrischt,  gestärkt  wird.  Zu  ei  ki  tmeii 
sei  das,  findet  Matthias,  hau])tsächlich  an  i.  der  OeslaUung 
der  Lautbilder,  2.  der  \'erniehrung  und  Verän<lerung  des  Wort- 
schatzes, 3.  der  Mannigfaltigkeit  der  Satzfügungen,  4.  der  Klang- 
farbe der  Worter  und  Sätze. ^  Die  Belege  mufs  man  in  dem 
Aufsätze  selbst  nachlesen.  —  Am  Schlüsse  seiner  Ausführungen 
l)eriihrt  Matthias  das  verkehrte  Streben  nach  sogen.  Kinhcit- 
h'chkeit  d^r  Aussprache.  ]{r  meint  dazu:  Ob  das  Ziel  erreicht 
werden  wird,  ja  überhaupt  kann?  Ob  dies  wirklich  das  Ziel 
der  Schrifts])!  u  1k  i-t,  die  ja  auch  in  Worttoniun  un<l  I.ant- 
bildern,  W'iM  üiigung  untl  .^atzbau  nicht  auf  tlie  \  erwiseliung 
alles  Mundartlichen  hingearbeitet  hat?  Doch  die  Erreichbarkeit 
des  Zieles  —  überall  gleiche  Aussprache  der  Laute  und  Wörter 

einmal  zugegeben,  so  würde  sich  bald  herausstellen,  dafs 
damit  für  das  gesainte  Gebiet  der  Schriftsprache  noch  immer 
keine  gleiehe  Redeweise  erreicht  wäre;  der  glciclK  Sal/ton,  der 
gleiche  Tonfall  wünU  noi:  h  immer  fehlen.  Noch  immer  wird 
dann  die  südöstlichen  Deutschen  jener  (ihren  slavi'^rhen  Nach- 
barn eigene)  gehoben  dahinschwebende  Ton  der  Rede  kenn/eichaen, 
wie  die  Rheinländer  jene  natürliche  Feinheit  und  bequeme 
Weichheit  oder  die  Norddeutschen  die  wuchtige  und  schneidige 
Scliärfe.  Freuen  wir  uns  also  auch  hier  einer  gewissen  Mannig- 
faltigkeit!- Ks  wäre  wohl  noch  (hirauf  atifmerksam  zu  machen, 
dals  die  sog.  nnindartlichen  Anklänge  der  Sprache  oft  einen 
ganz  be^.onderen  Reiz,  ja  eine  eigenartige  Schüidieit  verleihen. 

Neben  d<  !n  geschriebenen  wird  es  ein  gespnH'hencs  Gemein- 
deutsch (im  slrengen  Sinne)  hoffentlich  nie  geben. 

* .   

•  .  \  «Digitized  by  Google 


2 


R.  Dietrich. 


2. 

Adolf  Pliilippi  erörtert  in  den  Prcufs.  Jahrb.  ( i .Si)6,  III)  das 
Wesen  des  Wiinderbareti  in  der  roesic.  I*'r  stüt/l  sicli 
dabei  auf  Tor(|ualo  Tnsso.  der  sich  (in  seinen  i  s<"^7  ers«  liieiic-nLn 
l>i^kui->Ln  ül)er  die  Diclitkunsl  nnd  das  iuioisclie  r>cdiclil) 
tol^t  lulci  nialsen  zur  Saclie  i^c;kui.->crl:  Da>  \\  undcriiare  soll 
glaublich  sein;  um  es  glaublich  erscheinen  7A\  lassen,  darf  der 
Dichter  sich  von  der  geschichtlichen  Wahrheit  im  grofscn  nicht 
entfernen;  aber  in  einzelnen  Dinj^en  soll  er  äiideni  und  erfinden. 
Tasso  selbst,  meint  riiili])pi.  hat  diese  iMirdernns  in  seinem 
Jernsakm  Icr  Hau])tsache  n  u  h  nicht  erfüllt;  er  k  iniih  nicht, 
weil  er  mitten  im  italienischen  Klassi/isnnis  slanti  und  aut  (iieseni 
lioden  das  echte,  «.glaubliche  Wunderbare  nicht  gedeiht.  Da- 
gegen, wenigstens  zum  Teü,  aut  dem  IJudcu  der  deutschen 
Romantik.  Als  das  Schönste  in  dieser  Art  bezeichnet  Ph.  die 
Laurenburger  Kls  von  Brentano.  Wenn  man  diese  ent/.ückendc 
Geschichte  liest,  so  drängt  ihr  traulicher  Ton  jeden  Zweifel, 
(  b  denn  so  etwa  iiuch  wirklich  sich  zugetragen  haben  konnte, 
ici.se  zurück.  Die  Wirkung  beruht  aber,  wenn  man  dem  etwas 
weiter  nachdenken  will,  auf  dem  Skizzenhaften.  Die  Chronica 
i\v<  fahrenden  S(  liiiK  i  ^  von  Hrentano  ist  ja  überhau]>t  nicht 
vollendet,  und  i-i  aucli  die  Laureid)nrgerin  darin  nur  !nit 
leichten  Suichen  angelegt.  Wie  aber  in  der  ia/aiilmig  wiik- 
licher  Vorgänge  das  grdfstmogliclie  Detail  den  überzeugenden 
ICindruck  des  W^irklichen  gibt,  so  ist  umgekehrt  auf  dem  Gebiet 
des  Wunderbaren  gerade  die  Andeutung  der  Täuschung  günstig. 
--  }{ine  vSpielart  des  Wunderbaren  (nicht  mehr  das  echte  )  ist 
dem  künstlichen  Märchen  eigen,  z.  1>.  der  neuen  Mi  Inline  im 
Wilhelm  Meister.  Ivs  f  i  bört  zu  der  grolNtn  <  >attung,  tiir  die 
die  Griechen  .len  treilcutlen  Ausdruck  des  ^.tJpluslischen  hatten, 
und  es  kommt  etwa  auf  das.selbe  hinaus,  was  Schiller  in  der 
l)ekannten  Abhandlung  unter  sentimentalischer  Dichtung  versteht. 
Der  Frag«  nach  dem  Glaublichen  stehen  wir  hier  anders  gegen- 
über, als  bei  der  naiven  Dichtung.  Wir  lassen  uns  täuschen, 
aber  nicht  bis  zum  völligen  lernst.  Die  dem  wi  klichen  Leben 
entnonnnenen  Züge  müssen  überzeugend  .sein.  Wo  das  Wunder- 
•  bare  anfängt,  tritt  an  die  Stelle  fk  s  treuherzigen,  volkstündichen 
Tones  eine  leicht  ironische  Temperatur,  die  sich  aber  nicht  vt)r- 
drängeii   darf.  lune   dritte    l'orm    des    Wunderbaren  ver- 

anschaulicht Popes  Lockenraub.  J'.s  i.st  Romantik,  aber  ohne 
ihre  Naivetät.  Wir  glauben  das  nicht  ernstlich,  wollen  es  auch 
nicht;  aber  wir  finden  es  doch  nicht  so  albern,  wie  wenn  uns 
manchmal  Schwulst  für  Ivmst  geboten  wird.  Ls  liegt  ein  Reix 
darin  und  immer  noch  eine  gewisse  X.itürlichkeit.  so  etwa,  wie 
sie  das  kococo  hiiltt.  l*o])es  Lnckciuaub  ist  \iellei<.ht  das 
glänzeutlste  ICr/eugnis  ditscr  (ialluiig.    (iiei  uns  iiabcn  selbst 


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5 


Tx-ssiiii;  utid  I.iclitf  nl  <  an  solchen  Spidcrcien  Gefallen  j^e- 
fntulen.)  ländlich  dds  nunlerne  nierveilleux  ,  cin<;efnlirt  von 
Rousseau.  Dieser  erkl.ärte  einst  Hunie  gci;enül3er:  man  inufs, 
um  (las  Interesse  der  I^ute  zu  erregen,  das  Wunderbare  irgend 
woher  holen.  Die  alte  Mythologie  hat  keine  Wirkung  mehr; 
<lie  roniaiitischc  mit  ihren  Feen,  Riesen  und  Zwergen  hat  sich 
ebenfalls  er>chöpft.  l\s  bleibt  für  den  »Schriftsteller  nnr  übrig 
(las  \Vnn(ler))are  im  Leben,  in  den  Sitten  und  Charakteren,  in 
(Un  Znsländen  der  rksellschaft  und  in  den  lvrei<;nissen  des 
Staates  anf/usuchen  und,  dürfen  wir  vielieieht  hinzusetzen, 
nötigenfalls  /.u  erfinden.  Das  also  ist  das  Geheimnis  von 
Koussean's  Schreibart,  das  auch  noch  für  unsere  Zeit  seine  Be- 
deutung hat  Denn  jeder  weifs,  dafs  ohne  die  Kunst  des  An- 
ordnens die  l>esten  Thatsaclun  keinen  Eindruck  machen,  und  dafs 
andererseits  eine  i^esehickte  Cirup])ierun};  über  viele  Schwächen 
des  Stolfes  hinwei^hilft.  Der  beste  G^schiehtschreiber .  sai^t 
Mac.anlay.  sehr  l)ezeichnend  für  ihn  Ibst,  wendet  hie  und  da 
absichtlich  etwas  von  der  T  bertreiiiung  des  Märchenerzählers  an. 

Einen  zweiten  Beitrag  zur  Vertiefung  in  die  Dichtkunst,  in 
etneOatttmg  dichterischer  Werke  bietet  die  Gegenwart  ( i  S96,  18) 
Alfred  Bieses  Antwort  auf  die  Frage:  Wie  entsteht  das 
Lied'  Zunächst:  Was  ist  das  Lied'  Alles  in  Kinem  z 'gleich: 
Duft  und  Gefühl  uiul  Gesang  (null  J.  G.  Fischer),  Wenn, 
ntiti  r  welchen  Bedingungen  entsteht  es?  ICs  muls  dem  Dichter 
aul  di-n  Xäuiln  brenncTi  meint  Biese  ;  es  nnifs  iliTU  /u 
schaffen  niaelien  in  seinem  iiniern;  sein  Herz  mufs  \»»n  i.iner 
Empfindung  voll  .sein,  und  er  mufs  eine  dichterische  Kraft,  eine 
individuelle  Natur,  eine  Persönlichkeit  sein  voll  seelischen  T<el>ens, 
und  er  nmfs  die  künstlerische  Kraft  besitzen,  was  er  lieobachtet 
und  was  in  seinem  Innern  wallt  und  wogt,  zu  gestalten  —  dann 
entsteht  das  echte  Lied.  Aber  das  Wie  läfst  ^ich  nicht  so  be- 
stimmt und  scharf  fassen,  ins  Innere  der  Xatur,  in  das  orgatiische 
Leben  und  Weben  dringt  nun  eimnal  ninmier  des  Men-^elun 
Geist,  geschweige  denn  in  jenes  Geheimnis,  wie  die  ICmpfiiulung 
Wort  und  Klang  wird.  Da  mufs  uns  am  Bilde,  am  farbigen 
Abglanz  genügen ;  aber  man  streift  den  Schmelz  von  dem  zarten 
Schmetterling  ab,  wenn  man  ihn  mit  derl)er  Paust  packt,  und 
so  flattert  auch  die  Psyche  des  IJedes  von  dannen,  wenn  man 
das  duftige  Wesen  auf  das  rr<>krustesbett  der  siologie 
spantieu  will.  Solcher  Bilder.  Gleichnisse  von  Dichtern  selbst 
führt  ß.  zwei  schöne  an.  die  ich  hier  wiedergebe: 

Es  drän^H  sich  aus  der  Ouelle 

Ein  Tropü  n  klar  und  helle; 

!-"mi  zweiter  fols^i  ihm  nach. 

j  in  drittel  ja;^t  den  zweiten. 

I  nd  wie  sif  weiter  gldtcn. 

Wird  tnähtich  draus  ein  mnntrer  Bach. 

iClaus  Ciroth.i 


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4 


Dunkel  iioch  ehcii, 

Kin  Puiikt  in  dir  h«;}(iniits  zu  wehen, 

Schon  ilnlni^ls  und  quillt 

Und  übcrsciiwillt, 

Wird  eignes  lachen, 

Wird  Laut  und  Klang, 

l'nd  wif  eilt  Sc-ijfcn 

KomniL  Uirs  cnt^vücn; 

h'.ui  I'rc-nides  schier, 

l'nil  ist  doch  aus  <1ir  - 

Schuu  ^h  du.s  duchtc'üt,  war.s  Gesang. 

fj.  G.  Fischcfh 

Biese  iiuichlc  noch  im  cin/chien  fvslslcllcn,  wie  den  Dichtern 
die  Lieder  kommen:  o1)  ^anz  plötzlich  hervorquellend,  oder  oh 
lanK^  in  der  Brust  als  Ivrinnerunj^scliatx.  Gehegtes  langsam  ans 
Licht  tritt;  ob  mit  der  Kmpfindung  auch  zugleich  die  Form 
sich  bildet  oder  spateres  Nachdenken  erst  im  ein/einen  fi.  illnnii 
zur  Vollendung  führt;  ob  sogleich  im  Affekt  das  Lied  sich  wie 
Erlösung  losringt  oder  erst  wenn  <He  Wtit^en  sich  gesänfli^t 
haben  und  er  nieint,  ni-m  wlhU  aut  ilitse  und  ähnlijlie 
Kragen  /.umei.-.l  ilie  Ant\vi>il  cihalun:  dafs  baUl  das  eine,  bnld 
das  andere  vorherrsche.  Heinr.  Seidel  z.  Ii.  berichtet:  Gedichlc 
entstelten  auf  alle  Arten,  leicht  und  schwer,  langsam  und  hlitic- 
artig,  allmählich  und  plötzlich.  Wahrscheinlich  lernt  jeder 
wirkliche  Toel  zwischen  spielendem,  fafsl  unbewufstem  Schaffen 
und  mühevollem  Ringen  mit  dem  Stoff  alle  Zwischenstufen 
kennen:  ja  selbst  das  ho  verpönte  Hinsetzen  zum  Dichten  kann 
zuweilen  zu  ganz  erträglichen  Resultaten  fulnvn. 

Wie  Biese  die  Arbeit  des  Lvrikers,  su  sucht  Albert  Dresdner 
die  Arbeit  des  Dramatikers  (\'on  der  Schauspielkunst, 
Kmistwart  1895^6,  XI\')  in  ihrem  Wesen  zu  erfas.sen.  Mehr 
noch  freilich  beschäftigt  sich  diese  Abhandlung  mit  der  Aufgabe 
und  Bedeutung  des  Schauspielers,  mit  dem  Verhältnis  zwischen 
diesem  und  dem  Dichter  und  mit  dem  Nachweis,  dafs  die 
Schauspielkunst  produktiv  sei.  X'ieles  von  dem,  was  er  da 
vorträgt,  fordert  zu  RandlKin«  rkuni^cn  und  weiteren  Auseinander- 
sel/nnt^en  lieraus;  oliiic  wxiKres  bei^linmicn  aber  wird  mau 
Seiner  Bemcikung  über  Jen  >og.  Regis.^eui  ;  Die  Thäli,i;kt.  it  des 
Regisseurs  müfste  darin  bestehen,  dafs  er  sich  das  Stück,  wie 
es  sich  auf  der  Bühne  darstellen  soll,  von  der  Hauptrolle  bis 
zu  den  letzten  Einzelheiten  der  Ausstattung  anschaulich  vor* 
stellt  und  diese  Anschauung  dann  verantwortlich,  aber  jedenfalls 
streng  einheitlich,  verwirklicht.  Jir  mnfste  also  im  gröfsteii 
Sinne  als  ein  Krziehcr  wirken.  Ivine  Vergewaltigung  der  l*er- 
S(')nlichkeit  des  Schauspieler^  wäre  bei  diesem  Wrfahren  insofern 
nicht  zu  befürchten,  a!-^  *\rv  Kv-i^-^cur  ja  versiändiger  Weise  die 
Individualitäten  der  i  )ai  .->ullei  n.ich  Möglichkeit  benutzen  und 
verwerten  wird.    Eine  gewisse  Zimperlichkeit  aber  in  der  An- 


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5 


fassuiii;  lies  Scliauspickrs  kniiiittii  wir  uns  alicnliii.us  al);;c\vöhiicu : 
in  Frankreich  wird  län};st  (kr  tin/clnc  Darslclkr  ungk-ich  rück- 
.siclit.slosLr  in  (kn  Dienst  (ks  (»an/cn  gestellt. 

Die  Ocsatiitheit  der  KüiiHte,  die  Kunst  sdilecliüiiii  tatst 
Ferd.  Aveiiariiis  ins  Auge.  ZuiiücliHt  untersucht  er  die  War- 
nungen vor  l"jberscliätzung  der  Kunst  (Kunstwart 
Xni).  V.s  ist  wahr  sa,i;t  er  ,  >;era(k-  der  höhere,  geistigere 
Kunstj;ennl"s  l»riiiL;t  eine  Ciefahr  mit  sich,  (he  /u  all  jenen  Be- 
denken auch  kunstfreundlicher  Männer  den  eij^entliclun  C. rund 
;;e}^ehen  hat.  wenn  .gleich  man  sich  (ks>en  nicht  immer  Ijewnlsl 
ward.  Ich  deute  auf  das  Lehen  in  Scheini;efühkn,  in  IMiantasie 
vorslelhmgen  und  Phantasieenii>fiiidun;;en,  (kiien  das  Sul>strat 
im  wirklichen  Lehen  fehlt  Wir  können  ein  Kunstwerk  sehr 
wohl  mit  voller  Stärke  gcniefsen,  ohne  dafs  es  uns  fürs  wirk« 
liehe  Lehen  im  mindesten  /.ur  C.esinnnug  seines  Sch(*)i>fers  be- 
kehrte. Wir  sind  dann  wie  in  der  Hypnose,  .solange  wir  unter 
seiner  Wirkung;  stehen,  und  repru(hi/ieren.  wieder  ästlietisch 
h\ pnotisirl,  leic!u  <k-n  Znstand  der  früheren  H^  ]>n()Se;  aher  unser 
wahres  kel)en  k.mii  weiter  };ehen,  ohne  1  x.  nu  1  kürli  davon  he- 
emflulst  zu  sein.  In  der  WrinitlUiii^  des  Cienu.sses  wni 
Kunstwerken  liegt  jedoch  gar  nicht  die  höchste  Bcdcutunji;  der 
richtigen  ästhetischen  Ivrzichung,  mag  jener  Genufs  auch  'au  den 
höchsten  Gütern  des  Lebens  zählen.  Sondern  darin,  dafs  .sie 
uns  unsere  Krdenhcimat  mit  dem,  was  auf  ihr  in  Kr.rpern  oder 
isL-ekn  i>t  und  war,  mit  verfeinerten  Sinnen  und  j^eläulerteni 
lünpfinden  zu  iKtrncliten  lehrt,  ^odafs  wir  schier  ununte  rbrochen 
in  edlem  v'^inne  j;enieisen.  OlU!  su  ästhetisch  ( '»elnl^K  li.  n  wird 
jedes  Stückchen  Wiese  und  iiimuiel.  aher  auch  jeties  Men^chen- 
angesichl  zum  Bild,  tkr  plätschernde  Bach  und  der  rauschentle 
Wald  singet!  ihm  Melodien,  die  kein  anderer  hört,  und  Komödien 
tuid  Tragödien  spielt  das  Leben  um  ihn,  wo  andere  kaum  Glück 
oder  Unglück  -  lien:  reicher  und  gehobener  ist  sein  jj^anzes  Sein. 
Üer  umuiterbrochene  Zn^  immenhang  mit  der  Wirklichkeit  hat 
in  ihm  das  vSpielerische  ckr  nur  ästhetischen  Hildunj^:  aufgel()St 
und  si  inem  ICmpfinden  das  Mark  j;e>;el>en  indem  er  die  Schein- 
gefühle ergänzte  oder  iti  Kealgefühle  um>el/.le.  Wie  sollte  solch 
ein  Mcu.scli  im  Leben  minder  tüchtig  stehen?  Ihn  führt  ja  die 
Kunst,  die  den  nur  künstlerisch  Gebildeten  vom  Leben  ab- 
zieht, erst  recht  in  die  Tiefen  des  wirklichen  Lebens  hinein.  — 
Wir  glauben  nicht,  dafs  eine  ä.sthetische  Krziehtmg  überschätzt 
werden  kann,  wenn  sie  in  .solcher  Weise  geschieht.  Wollen 
wir  ganze  Menschen  bilden,  brauchen  wir  die  ästhetische 
Mr/iehuug  nicht  tnehr  und  nicht  weniger,  brauchen  wir  sie 
genau  ebenso  n«Jtwendig  ,  wie  ihre  I\rgänzungen .  die  ICrzieh- 
ung  des  Denken.s,  der  Sittlichkeit,  .sowie  der  körperlichen 
Tüchtigkeit. 


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6 


ß.  Dietrich. 


II.  HüclH'i'-Anzci;?*'». 

ZlH'  ilrttclit u inj :    i'ti  i  i/,  r  ///.v   mlii'^hnii  ii  l\iiinni  \  nu<l  <ii  i 

i^fhalleu  sau.  Auf  rhisr/ur  I}nHf^iiii'^t  n .  /\i:^fhtthxr,  Vrtrth'  uri'tint  f//> 
.\hbaniihaii;en<  öder  -^Kleiwii  Milteiiunjien*  iwck  htsonilen  aufmcrksmn 

Karl  .1  «Mit seil  :  (tcscliichtsphilosophisclie  GLclunken.  I'in  I.citfadc« 
(litrcli  ilie  \Vi(krsi>rüche  (Ks  1.1-lx.ns.  Lfip/iiT.  I'r.  W.  (rninow 
iSip.  Kl  S'».  VI  u.  .|<.S  S.  -  i'rtMv  i^t  h.  4.50  M. 
V.'ww  Satinniuiij^'  \(>n  Anfsät/tii .  welche  iirsprniiivlii'l'  <lvn 
(licn/.hoUn  erschienen  sind.  Zuerst  saj^l  Verf.  in  seinem  Vor- 
wort —  werden  die  (iesichtspunkte  cniiiltelt  von  denen  ans  die 
irdischen  Verändeninjj^en  tax  beurteilen  sind,  dann  die  gefundenen 
(»ntndsätze  auf  eini$;e  historisclie  Krschctnunjren  anjErewandt;  zulet/.t 
wendet  sich  die  Hetrachtnnj^  wieder  alljicnieinen  (ie.ijenständen  v.w. 
aber  nnt  Rücksicht  auf  die  C.ejrenwarl  und  schliefst  nnt  einem  lilick 
auf  die  Zukunft,  l^tr  rlii  L^esrhichtliche  r^eispielsaniinlunjj,  \vi<-  ninn 
deti  mittleren  Teil  nennen  kf"nu1f  wurdcTi  snnders  S(dclu  Steife 
ansj^ewälilt.  die.  wie  einijje  f!' >ri  ntiniselie  l,|»isi>den.  wt.-nijr  bekannt 
oder,  wie  die  Reformation,  zwar  allgemein  bekannt,  aber  (iei;eu.stand 
heftij^en  Streites  sind.  —  Von  den  Betrachtuni^en  der  ersten  und 
dritten  (imppe  seien  anf^effihrt:  Gott  —  der  Weltzweck  —  Glöckselig:- 
keit  und  \'ollkoninienheit  —  vom  vermeintlichen  Fortschritt  —  Zweck 
aller  \'erän<leruni^en  und  wahrer  Beijriff  des  l'ortschrills  -  das  \"er- 
hältnis  der  Sittlichkeit  zu  Christentum.  Staat  und  Kirche  lM\  i'i<  it 
—  iWv  nächsten  .\ufi!;ibi,  ?i  der  christlirheTi  \V«.lt.  —  Dem  iJuche  niulsle 
ei  '(  lUlicli  eiiu-  Artikeheihe  ^^rewidiiKl  Werden.  Am  Sclilulse  dann 
wäre  das  Wesen  des  cijjcnarti^en  Mannes,  der  es  ^geschrieben,  mit 
scharfen  .Strichen  zu  zeichnen.  Denn  ein  eig^enartij^cr  Mann,  noch 
mehr:  ein  bedeutender  Mann  ist  Karl  Jentsch.  —  Auch  äufserlich 
zeichnet  sich  das  Buch  aus  vor  andern :  durch  Handlichkeit,  feines 
Papier,  /.war  kleinen,  aber  deutlichen  Druck,  einfachen  und  doch  .sehr 
ansprechenden  Hinband,  der  sicli  \on  dem  l)ekannten  schabhinen- 
haften  ele<];^antenv  vorteilliaft  unterscheidet,  lu  jeder  iieziehung  ein 
'»illij^es  !?uch. 

Wilh,  Miini'h :  Anmerkungen  zum  Text  des  Lebens.  Hcriin,  K.  (lärtncr 
1X95.  —  S".  XII  u.  200  S.       Treis  geb.  ^.fx)  M. 
Durch  reiche,  vornehme  Ausstattung  mm  Geschenkwerk  be- 
stinmit.   luhaltHch  ein  Scitenstück  /.u  Auerbachs  Tausend  Gedanken 
des  Collaborators.      Münch  hat  .seine  2.S0   Anmerkungen  .  die  den 
sinnigen  Hm  V  irhler  bekunden,  in  drei  Abteilungen  gebracht,  die  er 
üiieiselirieben  :  Xattn  r-nd  Seelenleben       K'tdttir,  ( iesellschaft  Stände 
uiul  \'<>lker       Allerlei  .Metischlithes.    Im   übrigen   genügt    um  da^ 
Ruch    zu    empfehlen,    die  Wiedergribi-   der   anmutigen   .\ul.ici  iitigen 
zum  Titel  ;  Anmerkungen  .setzen  einen  Text  vorau.s,  der  gehaltvidl 
ist  und  nicht  immer  ganz  leicht  verständlich.   Und  dazu  einen  Ver- 


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fasscr,  tler  den  Text  wdHI  durchclaclit  hat.  Sie  können  aufdringlich 
stin,  «ivsc'huät/iir.  matt  und  \erstiniint'nd.  und  tlie  Zahl  der  I.escr 
Kro's.  wcIcIk-  ihr  lautes  IJuch  liclur  mit  ciifcncT!!  Sinn  kscn 
WDilcn  .  .  .  Wo  man  ilio  Anmerkungen  als  tinv  Sarnmluu;;  iiii  sich 
darbietet,  ist  jeder  um  so  freier,  sich  um  sie  zu  kümmern  oder  nicht. .  . . 

Olli»  kaii's:  Poesie  und  Moral  im  Wortschatz,  mit  besonderer  lierüek- 

sichtigun«;  der  deutschen  und  englischen  Sprache.  IvsKen«  G.  I>. 

Ilndekcr  1882.  —  8^  199  S.  —  Preis  geh.  240  M. 

\*erf.  will  darlegen,  welch  reiche  Belehrung,  welch  gesunde  Kr- 
bauung  und  Hcntcnserhebung  jedem  /u  Teil  wtnl,  der  sich  in  die 
reichen  Sch;it/e  unserer  lebenskr;ifti;^en  ]Muttersi>rachc  verlieft  und 
das  AnfkeinieJi,  das  ]'",miM)r\vachsen  unserer  seelenvollen  Wort.uebilde 
bei m'^'ht.  l",r  will  «lie  l 'ber/.eu;;un«!  wecken  und  verbreiten,  dals 
das  W Ort  eine  dicliterische  und  .sittliciie  I.ebensmacht  ist.  la*  niochle 
durch  .seine  Schrift  alle,  die  in  ihrem  Berufe  das  Wort  als  Ilaujit- 
organ  ihres  Wirkens  zu  betrachten  haben,  einladen,  den  (schalt  des 
sprachlichen  Ausdrucks  zu  prüfen,  das  unter  der  Hülle  deutscher 
Worte  verl>orgen  liegende  (lold  zu  beachten  und  zur  Krhöhung  der 
Über/.cu:.i^onden.  i)ackenden  Kraft  ihrer  Rede  zu  verwerten,  l'nd  das 
reichhaltii^e  Büchlein  i.st  in  der  That  vortrefflich  y^eeiiinet.  das  zu 
leisten,  was  es  lei.sten  st>ll.  baue  äuisersl  ij-eschickte.  freilieh  manch- 
mal (.twas  kühne  Ausbeute  des  Wortschatzes  für  dn'^  \*erslän<lnis 
der  l\jesie  und  lilhik  .  IJesondcrs  hervorheben  luöclite  ich  tlie  Ab- 
schnitte: Seele,  Geist  und  ihre  Wortsippen  --  Poetische  Wirkung  des 
Begriffswandels  —  die  poetische  Wiederbelebung  des  Wuntclbewufst- 
seins  —  die  englische  Schwestersprache  und  ihr  germanisches  Herz  - 
P.edenlunj^  dcs  Wortt  s  für  die  sittliche  Ibblung  -  Iläfsliche  Worte  för 
häfsliclK  Din.ue.  und  die  moralische  Schönfärberei  —  >f()ralisch  herunter- 
gekommene Worte.  Auch  ist  nocli  auf  die  71  wissenschaftliclu  ti  .\n- 
merkuni^en  als  auf  einen  w  esentlichen  Vorzu}^  der  S(  lirift  zu  vet  weisen. 
Ju.stus  Perthes   —    Paul   Luughuuü :    .Staatsbür-^eralla.s.    (  lotha.  J. 

Perthes  1896.   kl.  S*    Preis  geb.  M.  2,-. 

Kin  Taschcnatlas  in  .sauberem  Leineneinband.  Hr  bietet  24  Karten- 
blätter und  32  Seiten  klein  und  eng  gedruckte  Degleitworte  zur\'er- 
fassung  tind  Verw  altung  des  Deutschen  Reiches  und  der  Hundes.staaten. 

Wo  es  d.is  Cebot  der  rbersichtlichkeit  erforderte,  ist  eine  I);irstellun;4 
auf  drei  Platter  verteilt  worden  :  überdies  werden  die  Ilaujjtkarteu  durch 
Nebenkärlchen  erläv.tert.  Inhalt  der  2.^  Plälter:  1.  \'olksstämme  und 
deulscii*.  Mundaiten  ■>.  Kelii^.  Ikkenntnisse.  3.  \.  (iliederun«;  der 
evauj^.  und  röui.-kalli.  Kirche.  5  .s.  J>ie  Reichsta;;swahlkreise  nach 
der  Farbe  ihrer  Vertreter.  9- 11.  Justizverwaltung.  12.  Privatrechts- 
systeme. 15.  Invaliditäts-  und  Altersversicherung.  r4,  Handels-  und 
Vcrkchrsanstalten.  15—17.  SCoHe  und  indirekte  Steuern,  18—23.  ^''h- 
tari.sche  Verhältnisse.  21.  Deutsche  vSchulzj^ebiete.  Mit  grufslem 
Interesse  werden  W(»hl  Hlalt  5  bctiachtct :  PI.  S  läist  die  /aisamnu  11 
Setzung  de,s  Keich.stagcs  von  1S95  mit  derjenigen  von  iS;i  verf^leichen 


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8 


lt.  Otelrlrh. 


und  zeigt  die  Verhivituntr  dt  r  Soziahlcniokratic  uacli  (kii  Wahlen  von 
fSo.v  —  —  Tloffonllich  f(»l«il  liald  die  I!ri^ün/nnif  /um  StaatsbürKcr- 
atlas;  ein  Alias  der  dc  ntsrh'-Ti  \' ol  k  s  \vi  i  l     Ii  ,i f  t. 

III.  Kleine  Mittrüiin^oii. 

rnscre  Ia-.slt  erinnern  sich  tkr  Zcilinii^snachrichten  ühor  <lic 
Clclschcrlawine  an  der  Allels  fii.  vSepl.  v.  J.).  Der  hcdeutcndste 
<"ie()lo(,r  (it-i-  Sehwei/..  Trof.  A.  Heim  in  Zürich,  hat  nun  kür/.lioh  eine 
wissenschaftliche  Darslellung  jenes  ICreignisscs  verötfcntlicht.  auf  die 
sich  «lie  folgenden  Angaben  ^)nden.  —  Vom  Kandertlinte  ans  sle^t 
iWv  Allels  /.iemlioh  .uleiohmäfsi^  bis  y''>;\\  m  an.  Der  (iipfel  \erlänH 
in  eine  dreieckige  Spit/.c,  welche  blendender  Hochfirn  umkleidet,  der 
nach  nnten  in  einen  kleinen  Hängegletscher  übergeht.  Auf  steiler, 
g^latter  l  nterl um  iuIiliuI.  reicht  dieser  /iendich  weit  in  ein  kleines 
n«>(')iirilchen  hinab.  Hochfirn,  birneis  im  l  ( lletschcreis  fol.i;en  da  rasch 
aufeinander.  Nur  etwa  ^(jo  in  unter  der  Spit/.e  löste  sich  liei  einer 
Mächtigkeit  \  on  45  ni  in  j^^rofReni  bof^cn  form  igen  Hrnche  das  untere 
Stück  des  (iletschers  ab.  um  Ihalwärts  zu  stürzen.  Im  Thale  tniten 
verbreitete  sich  die  Lawine  strouuutig  über  ein  weites  tiebiet  und 
bedeckte  eine  Fläche  von  i  qkni  durchschnittlich  5  m  hoch  mit  den 
Trümmern  des  (iletschers.  Die  der  Masse  iinit  wolineiide  Kraft  liels 
es  nichl  zur  .Xnflürmung  ei>us  Kegels  kommen;  alles  stob  ausein- 
amler.  Die  HiUfte  der  Masse  war  eigentliches  lusmehl.  Ki.ssta\d>  und 
darin  lagen  eingeliettel  abgerundete  liisslücke,  selten  kopfgrofs.  im 
Sturze  bearbeitet  und  dem  gr«>l»en  (lerölle  eines  I'lnfsbettes  ähnlich. 
•  Da  die  Lawine  nicht  wie  ein  THug  arbeitete,  tlen  Boden  nicht  aufrils. 
nicht  einmal  den  Rasen  beschädigte,  sondern  nur  darAber  hinglitt, 
war  auch  dci  St' ingehalt  der  Trümmerniass«  aufsert»rdentlich  gering. 
Kr  machte  kau««  niehr  als  aus.  Wie  Wasserwogen  an  steilen 
Kästen  in  heftip^er  Brandung  sich  auftürmen  und  ^^nrückprallen.  so 
schlug  dieser  Kisstroni  an  der  gegenüberliegenden  Thal  wand  hoch 
auf  nn<l  warf  eine  1*  i.  lit  i  i kc  iinhfire  nraudung'^v.  t  lle  zuri'u  ls  \och 
lange  waren  ilie  Spui  eil  liii^  iA  uu  an  den  b'elswanden,  M tu  IcLslüi  keU 
älndicli.  zu  i  rkcnnen.  —  An  das  schwer  gangbare (»ebiet  der  massen- 
haft utnl  geschlossen  aufgeschichteten  Ablagerungen  schlufs  sich  ein 
zweites,  ungefähr  gleich  au.sgedehntes  (lebiet  an,  das  Heim  als  Spril/.- 
zone  bczcicnnet,  weil  Hunderte  von  kleineren  Kis.stnckcn  rcgcll<»s  um- 
herlagen, als  ob  sie  hingesprilzt  worden  wären.  Auf  dem  gisamlen 
(iebiete  {2  (|kmi  haben  sich  miiulestens  5  Millionen  Kubikmeter  Hin 
untl  l"isst:iul)  abgelagert.  Zur  Rück  befördern  ng  an  ihren  t'rspnnigs- 
ort  niüfsten  nicht  weniger  als  kxk»  Pferdekräfte  3  Jahre  laug  in  Thätig- 
keit  sein.  Die  Abschnielzung  dürfte  ?  j.dire  dauern.  —  l  i  s.u  Ik  <!i  < 
Sturzes:  Der  (ilcUseher  lag,  wie  bemerkt,  in  einer  Meereslndie  \<»n 
mehr  als  3000  ni  auf  sehr  steiler  Unterlage.  Nur  dadurch,  <lafs  er  mit 
der  rnterseite  niu  1\ Is-i  st^  in  ;iiigefrori  n  war.  koujite  er  sich  halten. 
Kr  bewegte  sieh  unter  normalen  \  erhältnissen  nicht,  und  t>s  hat  auch 
sein  l'dsbett  keine  Spuren  von  (»Ictschcrachliff.  TMe  Sommennonate 
der  Jahre  iSc);  und  95  waren  nun  Sehr  warm.  Die  Hotlentempi-ratur 
stieg  bedeutend:  die  Linie,  unter  welcher  sie  o"  beträgt,  rückti  an 
den  (iebirgen  weiter  hinauf,  und  auch  die  l'elsen  der  Alttls  wuuU  u 
soweit  erwärmt,  dafs  der  Oletschei  auf  seiner  Unterlage  zu  tauen  be- 
gann, den  Zusannni:  tihang  mit  dem  b'elsen  \erlor,  sich  losvif'-  und 
auf  der  schiefen  Ivbenc  in  die  Tiele  fahren  mufste.  —  Der  lilelseher 
wird  nun  wieder  nachwachsen,  und  kommen  wieder  gleiche  Verhall- 
nisse, so  wird  sich  eben  das  rngh"ick  wiederholen.  \'orbeugungsmittel 
dürtte  CS  kaum  gebe  n.  Man  winl  sich  d.irauf  beschränken  müssen, 
den  C.letscher  zu  bea?)^.^iU  n,  um  die  Alpe  zu  verla.ssen,  wenn  (.»e- 
fahr  im  Anzug  ist. 


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Wissenschaftliche  Beilage 


Xl'.  2,       HesoiKt  von  Und.  I>irfrlrh  in  Kandcrn.    Au^HSt  1896. 


[Seite  9. 

I.  Abliaudluugeu. 

I. 

In  einer  Bcsprcclninp^.  die  Adolf  Bartels  den  Ästhetischen 
Zcitfrai^en  des  Leipzii^er  Professors  Johs.  \'()lkc!t  gewidmet 
(Knnstwart  i  Sijs  6,  XI\'  X\'I).  finden  wir  bLarlilciiswerte Änfse- 
tungcn  über  Kunst,  künstlerische  Thätigkeit,  Kunst- 
sinn,  Ästhetik  der  Kunst  Die  Kunst  —  bemerkt  Bartels 
•  ist  genau  so  ernst  zu  nehmen  wie  ihre  Schwester,  die  Wissen- 
schaft, oder,  weim  man  will,  die  Philosophie,  genau  so  ernst, 
wie  das  wirkliche  Treben,  in  dem  man  sich  bethätigt  Mag  sie 
immerhin  in  lichtere  Regionen  führen  —  sie  mufs  ans  dem 
Lfh^'ii  liermiswachsen  wie  der  Baum  aus  der  Krde;  nichts 
Menschliches  darf  ihr  fremd  sein  .  .  .  Die  künstlerische  Thätig- 
keit entspringt  aus  der  Region  der  Triebe,  ist  mit  dem  wissen- 
schaftlichen, dem  analytischen,  dem  sie  sich  als  der  synthetische 
gegenfiherstellt,  der  höchste  Trieb  der  Menschheit,  bleibt  daher 
zu  einem  grofsen  Teile  unbewuCst  und  kann  schon  aus  diesem 
Grunde  nicht  mit  dem  Mafsstaltc  (kr  Moral  .i^cnicsscn  werden. 
Der  wahre  Künstler  schafft  Werte,  nicht  nach  Werten,  und  wir, 
die  wir  sein  Werk  bcTirteilen.  können  ja  iinnierhin  unsere  Zwivk- 
nn<l  W«.r'J)Ci;riite  anlegen,  dürfen  uns  aber  doch  nicht  einbiUU  ii. 
dals  sIl  dem  iniurn  Mnfs  des  Künstlers  gegenüber  irgend  etwas 
bedeiilcn.  .  .  Der  Sinn  für  das  Spezifische  in  der  Kunst  ist  sehr 
selten;  man  kann  ruhig  l)ehaupten,  ebenso  selten  wie  die  echte 
künstlerische  Begabung  selbst  Ich  habe  Ursache  zu  glauben, 
dafs  es  den  Künstler  voll  befriedigt,  weini  er  auf  seinem  Lebens- 
wege nur  einen  ein/igen  Menschen  trifft,  der  sein  Werk  voll 
nnd  rein  in  sich  anf/unehmen  im  Stande  ist.  Ivinen  solchen 
Mc-n.^chcn  fand  /..  B.  Schiller  in  Körner.  Die  grofse  Masse  pfl(*i4 
das  in  (kr  Kunst  allerdings  auch  \  nrliaTidene,  aber  hier  nii  ht  iiir^ 
Gewicht  fallende  \'erstandesmomcnl  herauszuklanbeii  und  ilas 
Cbrige  höchstens  mit  in  den  Kauf  zu  nehmen;  sie  kommt  über 
das  Allgemeine,  darum  aber  auch  Unwesentliche  selten  hinaus 
und  dringt  nie  zum  Besondem  und  Wesentlichen  vor.  Ks  ge- 
hören leider  auch  die  meisten  Ästhetiker  und  Kunstrichter  zu 
dieser  grofsen  Masse.  Nur  der  mit  dem  Sinn  für  das  Spezifische 
in  (\vv  Kunst  .Xnsgtrüstcle  hat  im  (irunde  in  Sachen  der  Kunst 
mitzureden;   er  aUcin  wird  nicht  in  Gefahr  Jcouimeu,  das  Bild 


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lO 


.K.  Dietrich. 


mit  dem  Ralinien.  die  Zeichiniiii,'  mit  «kiu  Kolorit  7u  venvechscln. 
die  (iicnzcii  der  Foriüeti  für  Scliwitchcii  tlv^  Kün^llers  y\\  hrdteti, 
stall  der  ästlielischcii  iiiurrilischt*  und  aiKU.  re  ( ".e->H  liN]unikK- 
untt-r/u. sein  eben,  und  was  dergleichen  laglicli  geiuachle  i'chlcr 
mehr  sind.  Auch  die  grofste  Bildung,  das  reinste  Wollen  bieten 
für  den  Mangel  des  ästhetischen  Sinnes  keinen  Krsatz:  ja  sie 
sind,  wo  dieser  Sinn  nicht  vorhanden  ist,  oft  nur  um  so  gefähr- 
licher, weil  sie  zur  Aufstellung  jener  angeblich  ästhetischen 
Doj^nicTi  und  Normen  fuhren,  denen  das  einzelne  Kunstwerk 
dann  auf  Gnade  und  Unj>nade  aus)<eliefert  i^t  und  denen  es 
selten,  ohne  ver>^ewaltij;»:t  zu  werden,  entkonnnt.  .  .  Für  mich 
ist  die  Ästhetik  der  Kunst  uetlei  eine  l)loir>  besclnvilKiule 
Wissenschaft,  noch  eine  Wissenschaft  der  Werte  und  Ideale:  sie 
ist  mir  eher  Entwicklungsgeschichte,  Geschichte  der  Kntwick- 
lung  der  künstlerischen  Können  auf  Grund  sorgfältiger  Ver- 
gleichung  der  vorhandenen  Werke;  Geschichte  der  Entstehung 
des  einzelnen  Kunstwerkes  auf  Grund  gleichfalls  \(  rl;  indener 
Dokumente  und  sorgfälticrcr  l'ntersnchnng  der  itnieren  Struktur. 
Auch  auf  dem  Wege  einer  ^rslclien  AsUietik  i.lie  sicli  zur 
I.illeraturgeschiclite  verhielle  wie  etwa  die  \\"i>.>enM  hatl  der 
Politik  zur  Geschiehte)  gelangte  man  zu  bestinnnten  Xornien 
inid  Werten,  aber  zu  gleichsam  historischen  und  empirischen, 
die  auf  die  I^stungen  der  Gegenwart  nur  mit  einer  bestiinntten 
Vorsicht  anzuwenden  wären,  doch  aber  stets  als  Analogien 
dienen  könnten,  da  doch  auch  auf  künstlerischem  Gebiete  die 
zusammenhängende  Entwicklung  vorhanden  ist. 

2. 

Ist  es  nun  auch  lun  den  Kunstsinn  m  un.serm  \"olke  nocli 
Obel  bestellt,  so  kann  doch  kein  Zweifel  darüber  sein,  dafs  die 
Antwort  auf  die  Frage,  welche  Bildungsaufgabe  beute  in  Deutsch- 
land am  dringlichsten  zur  Losung  auffordert,  lauten  müsse:  die 

la/iehung  zur  Sittlichkeit,  oder  schärfer  zur  Rechtschaffenheit, 
Gewissenhaftigkeit.  Lassen  wir  hier  dem  tapferen  Herausgeber 
der  Kthischen  Kultur  (is.)fi,  fS),  l'r.  \V.  Förster  (Sohn  des  in 
unserm  Jnni-Hericlil  (ienannten)  dn^  Wort-  Seit  einiger  Zeit 
ertönt  in  einer  Rohe  natif)nal  gesinuLer  Ta).;e.>/eitungen  und 
Zeitschriften  der  Ruf  nach  einer  deutschen  W  e  1  tpo  1  i  ti  k.  Die- 
selbe soll  keineswegs  eine  völkerverbindende  Kulturpolitik  mit 
grofsen  weltwirtschaftlichen  Gesichtspunkten,  sondern  eine  rück- 
sichl.slose  Gewaltpolitik  zur  Gewinnung  •  iner  weltgebictendcn 
Machtstellung  im  grofsen  Nahrungskampfe  der  \'ölker  werden. 
Die  Kunil-elnnigen  der  neuen  deutschen  Weltpoliltker  sind 
trfüllt  von  einer  so  überlegenen  X'erachtung  der  humanen  Ideale, 
ihre  machtlüsternen  lu'obernngsgedanken  zeigen  eine  \  er 
blendete  Unterschützung  der  realen  Bedeutung  elhiseher  Kultur 


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II 


im  n:istin-.k;Mnj»rv  unv'.rrr  r^.nUuiiu:.  dafs  es  Zeit  wird,  ihnen 
ciiini;il  -rütidlich  lieiin/ulnKhtt  n.  l'örslcr  tlmt  das  und  schliefst: 
Alki  l-drlschritt  des  ZusanniR iiw  irkeiis  der  Meii'^cheiikräfte  in 
iler  modernen  KuUuraii>eil  hän^l  ab  von  dem  Sie^e  der  sozialen 
MeiiHclieunatur  üIkt  die  Kaubtierinstinkte;  die  Huiuauität  ist 
die  Lebensluft  der  Weltwirtschaft,  und  die  einzig  wahre 
Wcltpolitik  ist  ethische  Kultur. 

nie  iietieu  deutschen  Weltpolitiker  sind  aber  anch  schneidige 
Sozialpulitiker.  von  jener  Art,  die  n.  a.  anf  eine  P«.  schränkuni^ 
des  \' e  re  i  n  s  r  ec  Ii  ts  ansi^elil.  In  den  Wrliandlinii^en  über 
diese  Orlüste  ist  tlas  \\  nrllend)er]ni seile  Rei  lit  der  W  rsanunlun^en 
nnil  \  ereine  als  das  liberalste  in  Deutschland  lie/eichnel  worden. 
Dafs  es  den  Ruf  nicht  verdient,  dafs  es  vielmehr  den  vor- 
sichtigsten Gesetzgebungen  an  die  Seite  gestellt  werden  kann, 
weist  I/udw.  Jolly  in  Schniollers  Jahrbuch  ( 1 896,  II)  nach.  Das 
heifst:  das  j;eschri  ebene  Keolit  verdient  jenen  Ruf  nicht; 
die  Praxis  aber  ist  thatsächlich  so  liberal  als  möglich.  Woher 
nun  dieser  Gegensatz  zwischen  der  Gröfse  der  Vollmachten 
der  Behörden  und  der  Zurücklialtung  in  ihrem  Gebrauch  ?  Die 
Aniu(»rl  venlient  alle  Ueaeldung.  Der  tiefste  Gnind  der 
besteheuilen  Praxis  liegt  (nach  Jolly)  dtu-iu,  dafs  mit  den  sozialen 
und  politischen  Verhältnissen  des  Landes  Beschränkungen  der 
Vereins-  und  Versammlungsfreiheit  unvereinbar  sind.  Die  poli- 
tische Macht  ist  nämlich  in  Württera1)erg  mehr  als  im  übrigen 
IVnlschland  auf  die  Massen  übergegangen,  und  die  bestehenden 
Zustände  sind  namentlich  von  den  preufsischen  sehr  verschieden. 
Das  Laiiil  liesitzt  <cit  Jahrhunderten  einen  m.ächligen  Landlag; 
seine  \  eriussung  winde  schon  von  dem  englischen  Staatsmann 
I''ox  11749  iSü6)  der  englischen  an  die  vSeite  gestellt  Hs  wird 
die  Volksvertretung  durch  allgemeine  direkte  Wahlen  gebildet, 
wenn  auch  mit  einem  Zusatz  von  privilegierten  Mitgliedern,  und 
die  Autorität  der  Krone  ist  erheblich  geringer  als  in  Preufsen. 
Sodann  hat  der  Adel  in  Württemberg  jede  Bedeutting  verloren» 
indem  er  weder  Reichtum  noch  andere  Hebel  politischer  Macht 
besitzt.  Wrdirend  im  preufsisclien  Heer  fast  alle  höheren  Stellen 
\m  l'rsit/  des  Adels  sind  und  in  der  Wrwaltnng  die  Minister, 
über-  und  Regierungspräsi(ienlen.  im  Gslen  auch  die  Landräte 
und  Amtsvorsleher  überwiegend  .Vdelige  sind,  spielt  der  Adel 
im  württembergischen  Heer  eine  bescheidene  und  in  der  Ver- 
waltung gar  keine  Rolle.*)  Die  Mehrzahl  der  Verwaltungs- 
beamten  entstammt  nicht  einmal  dem  höheren  Bürgerstand, 

'1  Im  Heere  wir<l  er  infolge  der  preufsischen   lunwirknn'^^  \  ie1 
leicht  wiLiU-r  etwas  stärker  berücksichtigt,    bezüglich  der  Adeligen 
in  di  r  W  rwaltnng  bemerkt  jolly :  Die  im  Staatshandbuch  auffallende 
Ilätifiukeit  der  Adelspradtkate  beniht  auf  einem  den  persönlichen 
Allel  Verleihenden  Orden. 


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12 


R.  Pietricb. 


sondern  ist  in  rcclu  1  ic^cheideiicn  Verliältni-vi^  n  aiifi^cwacliSL  ii. 
Die  ( )!  K  rauilnKumcr  ^iil(l  infolgedessen  nichl  selten  weniger 
\  et  lictci  des  Königs  den  Hürgern  gegenüber,  als  Anwälte  ihrer 
Bezirksangehörigen  bei  der  Regierung.  Endlich  sorgt  für  die 
Demokratisierung  auch  noch  die  Zersplitterung  des  Gnuidhesitzes, 
die  es  dahin  gebracht  hat,  dafs  die  lianern  vielfach  /.ngkicli 
landwirtschaftliche  oder  indnstrielle  Taglöhner  sind.  Datlurch 
gewinnen  die  Interessen  und  Ideen  der  Arbeiter  in  die  Land 
gemeinden  Kin^an^^,  während  andererseits  die  Beteiligung  <ler 
Arbeiter  rxm  Besitz  ein  Schutz  liegen  ihren  W'rfall  an  die  Sozial 
deniokralie  ist,  die  in  Württendierg  noch  keinen  vSii/.  im  Keiclis- 
lag  zu  erlangen  vermochte.  -  -  Die  herrschende  liberale  Praxis 
beruht  also  auf  Thatsachen,  welche  ihre  Dauer  sichem.  Während 
das  Recht  den  Behörden  fast  jede  Beschränkung  der  Vereine 
und  Versannnlnngen  gestattet,  bestehen  zugleich  \'erhaltnissc, 
welche  dem  debrar.ch  diesc>^  Rechtes  ztnn  Resten  der  olKrni  und 
zum  Naditeil  der  untern  Klassen  entgeijen<tehen,  und  diese  Ver- 
hältnisse sind  s(v  mächtig  wie  Reehtssät/e. 

Was  nun  in  Württemberg  die  Macht  dci  X'erhältnisse 
durchgesetzt,  fordern  heute  die  Gegenfüfsler  der  früher  erwähnten 
Politiker  als  eigentliches  «Recht« .  Unter  verschiedenen  Gesichts- 
punkten. J.  Jastrow  bezeichnete  kürzlich  das  freie  Vereinsrecht 
als  notwendige  Hedingnng  des  deutschen  A rbe  i  1  e  r  ^  c  b  u  t  /  es. 
Die  deutsche  Arbeiterschutzgesetzgebung  —  schrieb  er  (Soziale 
Praxis  iSo-'f^.  r  j  ist  im  Hegriff,  sieh  in  Kleini'-;kciten  zu 
ver/ellehi.  ]•.>  steht  zu  lietürchten.  dals  darüber  die  bedeutendsten 
Forderungen  des  Arbeiterschutzes  vergessen  werden,  und  zwar 
diejenigen,  welche  allein  im  Stande  sind,  ihn  dauernd  lebens- 
fähig zu  erhalten :  kräftige  Gewerbeinspektion  und  freies  Vereins- 
reclit  Was  die  Umwandlung  der  bestehenden  Gewerbeinspektion 
betrifft,  so  wäre  (nach  Jastrow^  zu  verlangen:  Schaffung  einer 
Zentralinstanz  für  das  l)ein<r!ie  Reich:  Ausstattung  der  In- 
spektoren mit  einer  T'iiabhängigkeit  wekhe  Bürgschaft  dafür 
bietet,  dafs  sie  die  Wahrheit  nichl  üur  --ehen.  sondern  auch  aus- 
zusprechen wagen:  gäii/lielie  Befreiung  voji  der  Kesselrevision 
und  dementsprechend  Rekrutierung  aus  anderen  Kreisen  als  blofs 
aus  denen  kesselrevisiousberechtigter  Ingenieure;  Hinzuziehung 
von  Ärzten,  von  Arbeitervertretem ;  Emennillig  weiblicher  In- 
spektoren neben  den  männlichen:  Ausdehnung  der  Inspektion 
nichl  blofs  auf  Handwerk  und  Hausindu-^li  ie,  >tMuKrn  auch  auf 
den  Handel  und  da^  X'ifi-Htc-fanffere  jedes  Arbeiu  rschutzes,  auf 
die  I,nnd\virt^rhnft.  lirMt/en  wir  ein  <  »ewerbeinspektoral,  d:!s 
aus  sozial] lolitisch  gei>iidelen  Persönlichkeiten  besteht,  das  belügt 
ist,  seine  P.crichte  ohne  ministerielle  Zensur  durch  den  Druck 
ZU  veröffcnilichen,  das  pekuniär  so  gestellt  ist,  um  üble  Polgen 
der  Wahrheitsliebe  nicht  fürchten  zu  mfissen,  das  infolgedessen 


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Ifimteatchsftliche  Beilage. 


auch  t>ei  allen  Kreisen  der  Bevalkentng  Ansehen  j^enicfst:  dann 
wird  die  wahrheitsgeniälse  Schilderun);  gesiindheitä.schädHcher 
Fabriken  oder  unsauberer  Werkstätten  den  ^sitzer  viel  mehr 
an  den  Pranger  stellen,  alsen  heute  der  Slrafrichter  zu  thim  - 
iiiaj;.  Xchcii  der  Gewerbeitispektioii  soll,  wie  erwähnt,  als 
/weitts  f>r(;n:i  (\v<  Arl)eiterschut/t<  (Kr  Scl1>^t'^cluitz  der  Arbeiter 
stehen.  J.i--tr«i\v  denkt  sich  Arheilerkoniniissionen.  Diese  kf'nniten 
hei  hesoiuicuer  Leitung  und  regeliuäfsi);eni  Austau.seh  \  on  Ivr- 
fahrungeu  sehr  viel  zur  Verbesserung  der  \'erhrdtuissc  beitragen. 
Aber  jedes  derartige  Vorgehen  wird  durch  die  heutige  Vereius- 
gesetzgehung  erschwert  und  durch  die  Juristerei,  welche  dem 
Begriff  des  politischen  Vereins,  dem  Verlx)tdcr  Wrrufserklarung, 
dtMu  Oroben-Unfugs-Paragraphen  usw.  eine  weitere  Ausdehnung 
giebt.  teilweise  uninni!,Hch  macht.  Ja  den  landwirtschaftlichen 
Arbeitern  ist  in  weilen  He/.irkeii  das  Koalitionsrecht  im  wesent- 
lichen genotinnen.  Dem  gegenüber  bestehen  die  T'nk  i  urhiiu  r- 
verbände  ohne  alle  diese  Hindernisse.'  Wenn  ilie  Arlieilervereiue 
zur  Verbesserung  der  Arbeitsl)ediuguugen  der  polizeilichen  Kon- 
trolle unterliegen,  während  ein  Uiiteniehmerverein  zur  Erhöhung 
der  Kohlenpreise  sich  als  Aktiengesellschaft  einrichtet  und  vor 
jedem  j>oli/.ei liehen  Kingriff  gesichert  ist,  so  ist  dies  eine  Un- 
gleichheit, die  auf  die  Dauer  nicht  geduldet  werden  kann. 

II.  Btteher-Anseficeii. 

Zur  IffHchf  UHy :  Ini  t/n  Jua/^r  lAs  ,  <  itii^^liait n  Rtinuhs  uiikI  Jcr 
Menj*f  7t*ir/ittf;er  MVr^<:  mfisiteu  die  Anweisen  xrfhst  so  knaf^f*  ivic  möf^lii'h 
SfhaUfii  sn'tt.    Eri;änzutt};en  kiinnen  dann  und  u*ann  in  den  ">Ahknttdluii^fu 
odfr  ^Ktfineu  Mitteiinnf^m«  IHatz  finden. 

Adolf  Kxner:  Über  politische  Bitdung.  3.  Ausg.  Lcipxig,  Duncker  u. 

Humblot  iS()2.  —  S".  VII  u.  35  S.  -     Treis  .«rch.  i  M. 

Knnnnerlich  und  /.urückgebliebon  i.st  der  (Vei-'^t  unseres  Jahr- 
hunih  rts  iu  Rezug  auf  ]io!ilisrhe  HildnnL'  Das  XX.  JahrluiTnlrrt 
wird  ^^111  ]i.  iliticlies  j.dn  hundeil  wer  ilnn  gewachsen  sein  will, 

l>e(iarf  [»olilischer  Bildung.    Dicst  gründet  sich  auf  die  mittelst 
.Hchärflen  pulitischen  Sinnes  gewonnenen  ICrkenntnis.se,  bestellt  .dier 
keineswegs  in  der  Summe  des  Wissen  sozialer  Thatsachen  (sei  diese 
Sunune  noch  so  grols),  sondern  in  dem  Hrgebnis  ihrer  geistigen 
Verarlteituiig.    Historische  Bildung  ist  Voraussetzung  und  bestes 
Stück  der  politischen.   Doch  erst  aus  freier  und  scharfer  Beohach 
tnng  der  ('icgenwart  jjewinnt  man  ein  gewisses,  vom  polili>rh  (".e- 
bihk'leu  /u  forderndes  l'"eingefn!il.  rlas  vor  fnlscljrii    irt  scliii  iit'ichen 
.\nal<>.ijien  bewahrt,  deutlich  unUi.st  lu  uU  n  U  lu  i  /wischen  abstcrlien- 
den  Kesten  der  XOr/eit  und  fruchtbaren  Kciuieii  der  Zukunft.  Solches 
Feingefühl  wird  ergänzt  durch  Einsicht  und  IJegriff  für  politische 
Notwendigkeiten  und  deren  (Gegenteil,  politische  Unmöglichkeiten. 
Dies  die  id.  K.  bedeutsamsten  Sätze  des  Schtiftchens,  das  ursprting* 


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14 


Hch  eitle  Wiener  rnivcrsiläts- Ki  kloratsroU'  war  luid  dcshall)  wohl 
ts  iititcrläist,  Vorschlägü  für  die  Praxis  einer  Hllgeuieinen  politischen 

\  u!ksl)il<lniip^  /.'.i  inarluii. 

Karl  •lenlsrh  :  ( '.TuiidlH  -titu  ■.iinl  ( nin<N;il/A-  der  \'f)lkswirt.scljaft. 
I.ti|)/.i};.  I  i.  W.  (irunow  i.Sy5.  —  kl.  -S".  \  u.  466  S.  —  Tit-is 
jicb.  2.50  M. 

Kiti  neues  Duch  von  K.  Jentsch  wird  jeder,  der  seihst  weder 
im  Dienste  einer  Partei  noch  im  Banne  einer  Schnle  steht-,  j^ern 
zur  fland  nehmen.    Ist  doch  der  Verfasser  eine  A'on  den  ebenso  er- 

fretiliclieii  wie  selttiu  n  I'!rscheinuny:eti  »lerSelhstän<liiikeil  inul  <\.iua- 
heit.  als  welche  er  sich<leiin  auch  wieder  in  seiner  \  <ilkswirlschafls 
lehre  offenhart.  -  Pas  Ihich  ist  in  /wixn/Ä^  Kajjilel  jjej^liedert.  tkren 
letztes  einige  lAil>>U/,e  briti^l.  In  diesen  he/eichnet  Jentsch  als 
«lie  /.unüch.st  von  unserni  deulselien  \  oike  zu  erstrebciulen  Ideale 
j^esündere  Verteilung  der  Devölkerun«,'  über  den  Boden.  Verniehnin^ 
der  in  der  Urprcxluktion  beschäftigten  Bevölkerung  im  Verhältnis  xu 
der  industriellen,  der  produktiven  im  Verhältnis  zur  unproduktiven, 
und  wofern  m  beidem  der  heimathliche  Hoden  nicht  hinreichen 
sollte,  r.cbietsen^'eiterrng;  gesöndt  rc  \'(  rnir)};ens  un<I  l'inkMinniens- 
verteilunj;^ ;  ^jröfsere  Hcwcjjnnjjsfreiheit  der  produktiv  .Xrheitt  i^K  ti. 
als  sie  der  nroderne  Milit<är-  und  l*oli/eistarit  gestattet  —  und  soJern 
diesen  \  eihesserunjien  der  bestehende  Keclils/.ii.sLaiul  uu  \Ve}^c  steht, 
Reform  des  Kcchls,  namentlich  des  Eigentumsrechtes.  ICin  abc- 
niäfsi^'  jjeordnetes  Namens-  und  Sachregister,  das  jede  Kinzelheit 
leicht  auffinden  läfst,  macht  das  ohnehin  handliche  Buch  zum  be- 
quemen Nachschlagewerke.  Für  die  zweite  Auflage,  die  l>ci  der  er- 
staunlichen fhlligkeit  des  Buches  noch  in  diesem  Jahre  nöti.u  werden 
di'jrfle,  empfehlen  wir  Streichung  oder  rjuänderung  des  Sat/.cs  an 
der  S])it/e  des  II.  Ka])itels  iftt/t  hat  er  die  b'orni  einer  T>fi;riffs- 
iiklaniiiL:,  er  aber  nicht  i^ii  und  \'erl»e.s.Net ung  des  slotetulen 
Druckfehlers  auf  S.  4;>y  (lo.  Zeile,  i.  Wort).  -  Die  Ausstattung  ist 
ebenso  vorzüglich  wie  bei  den  in  der  Juli-Nr.  angezeigten  'Geschichts- 
philosophtschen  Gedanken  . 

Statistischefi  Jahrbneh  der  Schweiz;  herausgeg.  v.  Stat.  Bureau  d. 

lüdg.  Depart.  d,  Innern.  V.  J.ilirg.  1S95.  Zürich,  Grell  Füfsli  1896. 
Cr.  S".  XVIII  u.  .jO'S  S.  —  Preis  geh.  S  Fr. 

rnentbehrlicli  fftr  denjenigen,  welcher  \  olkskun<le,  Volkswiit- 
schaft,  Wrwalliuigs-  und  l'ntenichtswesen  der  vSchweiz  stu«lieren, 
überhaupt  ein  richtiges  Hihi  von  den  mannigfaltigen  N'erhällni.ssen 
des  Landes  sich  verschaffen  will.  .Man  sieht  sich  um.soniehr  auf  die 
Benutzung  dieser  statistischen  Jahrbücher  angewiesen,  als  ein  um- 
fassendes« wissenschaftlich  zuverlässiges  Werk  über  die  Schweiz  in 
ihrem  gegenwärtigen  Zustande  nicht  vorhanden  ist.  Inhalt;  Boden- 
fläche —  Hex  ölkerun  j  iii:d  Bevölkerungsliewegung  I.and  A'irtschaft; 
Viehstand:  lM)rstwirtschaft ;  l'"isoli/iicht  und  Jagd  Salinen  -  In- 
dustrie ~  \  erkehr  und  Verkehrsmittel   —   Handel;  Versicherung; 


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«5 


Ranken;  Preise  -  (Tcsunrllitits-  und  Annenwesen  -  l'nterriclit.  Er- 
/itlmniv  —  !'*in.'in/\vesen  —  ( iefänf?^5iis\\ts«'n  —  Militärwescn  — 
l'ulili.scht"  Stilistik  l)i\(.r^a  (X'j^l.  Kleirie  .Milleihin^en  in  nädistcr 
Nr.)  Das  l'upKr  ist  slark,  ilcr  Druck  scharf,  der  Unisclilaj{  da- 
^c%'en  dünn  und  unhaltbar.  Kin  so  schweres  Buch  sollte  überhaupt 
nur  gebunden  geliefert  werden ;  sonst  fährt  es,  sobald  man  es  auf|;e- 
schnitten  und  das  erste  Mal  benutzt,  auseinander. 
Moriz  Heyne:   Deutsches  Wörterbuch.   Kleine  Ausgabe.  Leipzig, 

S.  Ilir/el  iK</).  4".  —  Vollständig  in  20  Lieferungen  zu  50  Pfg. 

Iiis  i<t/.t  ersi-hienen  I.ief   1     \2-    A  -  Afensoh. 

!  Merr  \'ri It  ^f-er  saj^t,  dai>  dci' N  orlit  ^x-ndr  Ans/u^  aus  lU  yiirs 
\\  r>rU  !l)uch  ver.iuslallet  worden  sei  \ ornehniiicli  auf  U\insc]i  \«>n 
Lelirern  und  JleanUen,  denen  das  gro/seWerk  m  teuer  und  unifan  jj:- 
reich  war,  und  die  nur  haben  wollten,  was  sich  auf  den  jet/.i^eii 
Sprachgebrauch  bezieht,  ohne  gelehrte  etymologische  und  sprach  ver- 
gleichende Deigaben,  und  in  kürzerer  Fassung  auch  hinsichtlich  der 
Belege.  Als"  linnjitsächlich  ein  Nachschlagebuch,  welches  iiber  den 
( ifl^rauchswert  der  Wörter,  über  >l;is,  was  üblich,  erlaubt  ist,  Ans- 
kiiull  lieben  soll  ;  ein  Nothelfer  in  allen  l'älleji  des  Zweifels,  der 
T'nsicherheit,  der  Wrlef^enheit.  Wer  tiefer  cindiintren  will  in  (ieist 
luul  (ieschichte  unserer  Muttersjjrache.  bedari  j;ewiclilij4erer  llülfs- 
niittel.  Darum  sollte  wenigstens  in  der  Lehrerhibliothek  einer 
gröfseren  Schule,  des  Kreises,  in  I,ehrer\'ereins-,  auch  in  Lesegesell- 
schaftsbibliotheken wenn  nicht  (Trimms  Wörterbuch,  an  dem  Heyne 
ja  auch  mitarbeitet,  so  doch  dessen  grofseres  dreibändiges  \\\rk 
Stehen.  Der  Preis  des  Au.s/.ujjes  ist  so  niedrig;,  dafs  er  viele  Käufer 
finden  dürfte.  Denn  jedes  lieft  /u  50  Tfjr  zählt  ^1  Si)alten,  und  (  tue 
Spalte  enthält  niinde.»iteTi<  s(.\  irl  w  ie  eine  Üiieli^cite  mittlerer  (iiöihe. 
Freilich  i.sl  das  j^röiseie  Weik  lleyjies  \  erhältnismäi.sig  j;erade  .so 
billig,  und  wer  ir<,aud  die  Mittel  dazu  hat,  sollte  es  der  > Kleinen 
Ausgabe  vorziehen. 

O.  Weise:  Unsere  Muttersprache,  ihr  Werden  und  ihr  Wesen.  2. 
Aull,  Leipzig.  B.  (i.  Teubner  1896.  -  8»  VHI  u.  270  S.  —  Preis  geb. 
2.60  M. 

Im  Sommer  iS<>i  .stellte  der  Allgemeine  deutsche  Si)rach verein 
e  ine  der  sehönsten  rreisaufi;aben  :  er  \  erlani.te  eine  Schrift  über 
unsere  M Utters] »räche,  und  /.war  ein  X'olksl.iicli  int  lu  stcii  Siuiir  Aus 
\  «  vschiedenen  }j^ewiehti;;en  ( iriinden  hatte  da.'-  \us>clireiln.n  nicht  deti 
wünschten  Ivrfi>lg  ttrotz  sehr  gün.sti<;er  Ikdini-ungen).  l's  liefen  über- 
hauj>t  nur  zwei  Arbeiten  ein;  die  eine  —  eben  die  vorheizende  —  er- 
hielt eine  Khrengabe.  --  Ist  nun  auch  Weises  Schrift  nicht,  was  sie 
nach  der  AlKsicht  des  Sprachvereins  sein  soHte,  so  ist  sie  doch  ganz, 
was  sie  sein  will:  ein  Buch,  wie  es  der  deutsche  Patriot  von  heilte 
verlangt,  und  zui;Uich  eine  Keich.sjultelfestschrift.  Dals  Weise  den 
N'ei.minueu  und  Mediirfni.^sen  sehr  vieler  entsprochen,  beweist  die 
rasche  l*olge  der  beiden  Auflagen.    Das  ikich  erscheint  aber  auch, 


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]6  tt-  l>ielrirh. 

abcfcselien  vo!i  fli  n  sjij  .v>— 7J.  als  liraudibares  Haiulhuch :  es  regt  den 
Leser  an,  nicht  blofs  /um  Streben  naoli  tiefen  r  Tk  U  lirtinj?,  sotuleni 
auch '/n  eitretier  Anfscrnti'^f^  mnl  besonders  uiUkontnien  wird  numrbcnt 
das  reichlialtige  Literalur\ ei/.dehnis  sein.  AiUserdeni  Ijcdculcn  die 
cin^liende  Inhaltsübersicht  und  die  Wörter-,  Redensarten',  und 
Sachverzeichnisse  asn  Schlüsse  unverkennbare  Vomüge,  —  Übri^jens 
mag  ein  guter  Teil  des  srrofsen  Erfolges  auf  Rechnung  des  Verlegers 
kommen.  Denn  (bis  Ibich  ist  sehr  hiibsch  ausgestattet;  Papier  und 
Dnick  sind  tadelb>s.  nn<l  wer  fände  den  feinen,  neuen  —  ich  meine 
eitjenartijjeti       I'itibaiid  nicht  an/iehen<l  ? 

Otto  Lyon  :  bisniarcks  Reden  tmd  IJriefe,  nebst  einer  Darstelbinji  <U's 
Lebens  und  der  S])rache  Bismarcks.  Leipzig,  15,  (i,  Tcubuer 
1S95.  —  8».  VI  u.  243  S.  —  Preis  geb.  2  M. 
Zu  den  her\'orragendsten  und  rührigsten  Meistern  und  Verbrei- 
tern wissenschaftlicher  Bismarck- Kunde  gehört  Otto  T„3>on.  Man  darf 
also  von  vornherein  uber/cugt  sein,  dafs  das  vorliegende  Du ch  stich- 
lieh  zuverlässig  und  von  Begeisterung  für  st  inc  ti  Helden  erfüllt  i.st. 
Allerdings  giebt  Lyon  —  wie  man  ja  wohl  schi»n  aus  der  Seiten- 
zahl ;.^^eschlossen  haben  wird  —  nur  eine  Ans\\  nhl  der  R«  (b  n 
und  liriele:  \  <in  jenen  11,  von  diesen  iS.  I'l)er  denl  it  ist,  in  web  lu  uj 
da.s  für  Scluile  und  Haus  bestimmte  Huch  geschrieben  ist,  unier- 
richten  am  besten  zwei  Mitteilungen.  In  einem  Iluldigungsgedicht 
an  Bismarck  (veröffentl.  i.  d.  Zettschr.  f.  d.  deutschen  Unt  1H95,  IV) 
sagt  Lyon:  -Bismarck  nennen  wir  alles,  was  deutsch  und  ehr- 
lich, netinen  w  'w  alles,  was  rein  und  e<kl,  nennen  wir  alles,  was  echt 
und  i^rofs  .  Und  den  Bericht  über  Bismarcks  Leben  (  Reden  und 
Briefe  S.  551  schliefst  L.  fol «j^en denn .ifsen  al):  Wenn  unserm  \  olke 
von  (lott  tlas  grolse  < *,nn(U  ngeschenk  zu  Teil  winl,  den  arlit/jL  sh  11 
ClcburtsUig  unseres  nationalen  Heros  feiern  zai  dünen,  dann  woliuu 
wir  .  .  .  ausrufen:  (*oldne  Sonne,  leihe  mir  die  schönsten  Slr.tlden, 
lege  sie  zum  Dank  vor  Jovis  Thron!  Denn  ich  bin  arm  und  stumm  . 
—  Das  Buch  ist  mit  einem  guten  Bilde  und  {auf  der  I'jnbanddecko) 
dem  Wappen  Bismarcks  geziert.  Ausstattung  im  fdtrigen  iihnlicli  wii' 
beim  vorigen. 

III.  Kleine  Mitteilnn/^eii. 

Lange  Zeit  waren  London  nnd  Liverpool  die  Ilauptstapelplätice 

dis  I",  1  f  eil  be  i  n  h  a  n  d  e  1  s ;  ^^^t^reiiw  "irlig  jedoch  hat  Antweijien  (in- 
itilge  seiner  \erbindungcn  mit  der  ulrikani.schea  Kü.stcj  Livcrjnuil 
überflügelt  und  London  beinahe  erreicht.  Der  Kongostaat  lieferte  nach 
Antwerpen  insS  :  6400  kg.  iSSt»  :  46  ^xx).  i,S<)2  :  nS(xx).  iS.)4  :  .:;r»4  5ix>» 
Januar  l)is  Sept.  iSi;5  :  51 4  51^1  kg  (=  ^«t^ 'rutim-n.  vegeii  241» 'r<)nneii. 
tlie  auf  den  I*i>ndoner  Markt  gelangten».  Aniuer{)eiis  lüfeiibein- 
handel  begann  im  Jahiv  151^);  er  lag  dam-ds  in  eleu  llandeii  der 
Spanier  nnd  war  während  des  X\  I  I.ilnh.  bedeuteiul.  Darnach  nahm 
er  immer  mehr  ab,  bis  er  ganz,  auBioile.  Li.st  ilie  Lischlielsung  des 
Kongostaates  setzte  ihn  aufs  neue  in  lebhaften  Betrieb. 


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Wissenschaftliche  Beilage. 

Nr.  3.        Besorgft  von  JituL  Dielnch  in  Kaiulcrn.     Sopt.  1800. 


1.  Abliandlnngen. 

R.  M.  Mcycr  giebt  in  der  Deutschen  Rundschau  (1895/6, 
IX)  citic  Geschichte  des  »Kampfes  um  den  11 /.einen  . 
Diese  Bezeichnung:  kmin  niifsx erslnnden  werden:  der  Cfe<;enstand 
lies  p^eseliichlliclicn  l'cnclits  ist  eij»enllich  der  Kampf  des  ICin- 
/.elnen  selbst,  nin  ^ii  h  srllist,  um  sein  Recht  die  \'ertcitli>;nng 
dieses  Rechtes  K^-'K*-'"  Gesellschaft,  den  Slaal  .  Der  Gej^en- 
satz  zwischen  dem  Einzelnen  und  den  ihn  umfassenden  Gesamt- 
heiten —  beginnt  Meyer  —  ist  naturgemäfs  so  alt  wie  die  Mensch- 
heit selbst  Jedes  her\'orragende  Individuum,  ja  in  bestimmten 
Momenten  jegliche  Persönlichkeit  mufste  ihn  am  ( iucnen  Leibe 
empfinden.  Die  Gestalt  aber,  in  der  uns  Modemen  dieser  Gegen- 
satz' i^eläiifii^  ist  diese  spezielle  Form,  die  uns  fast  selhstver- 
ständHch  düukl,  ist  kainn  über  hundert  Jahre  alt.  Sie  i-^t  ein 
l\rzeuj(nis  de.s  modernen  Staatsl)e>jriffs  und  seiner  eiu-sciincidcn- 
den  Wirkunj^en.  Man  kann  es  geradezu  aussprechen,  dafs  erst 
der  Staat  Friedrichs  II.  dem  Kampfe  des  Einzelnen  gegen  die 
Gesamtheit  seine  jetzige  Form  und  seine  heutige  Schärfe  gab. 
Als  ein  Wesen  gleichsam  von  furchtbarer  Strenge,  von  inient- 
rinnbarer  Macht  stand  der  vStaat  da.  Alle  Prädikate  Gottes  gingen 
auf  flns  neue  Abstraktum  libir;  . iiimächtig  war  er  diirili  seine 
Zwangsmittel,  allgegenwärtig;  durch  die  I^eaT^itentülie,  aliwissend 
durch  Akten  und  Reir'^tcr.  l  ud  wa>  (his.  »Schlimm  te  war:  um 
allen  Widerstand  im  Keime  zu  ersticken,  beansprneiite  er  ancii 
noch,  allgiuig  zu  sein.  Er  nahm,  ganz  im  Sinne  des  damals 
herrschenden  Rationalismus,  für  sich  in  Anspruch,  dafs  er  das 
Interesse  nicht  nur  der  Gesamtheit,  sondern  auch  jedes  einzelnen 
Gliedes  am  Ijestcn,  ja  allein  richtig  beurteilen  könne.  In  ckni 
durchaus  ideell  gemeinten  und  von  praktischen  Rücksichten 
freien  Widerspruch  sieht  M(-  \er  den  ersten  Keim  des  Anar- 
chismus von  heute.  Der  \\  idcrspruch  ging  von  Herder  aus;  er 
wendete  sich  gegen  die  l'er.son  des  Regenten  (  Reisetagebncli  ). 
Wilh.  V.  Humboldt  sodann  trat  schon  gegen  den  .»abstrakten 
Staat?  auf,  den  er  nur  als  ein  notwendiges  Übel  ansah.  {-^Idcen 
zu  einem  Versuch»  die  Grenzen  der  Wirksamkeit  des  Staates  zu 
bestimmen',  '7v»2).  Später,  zu  Aufang  unseres  Jahrhunderts, 
wurde  man  wieder  persönlich,  und  zwar  wehrte  man  sich  nun 


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gcg  ü  die  ■■■  Zurüster,  Helfershelfer  und  Dieiier  der  Gewalt < 
(Arndt:  Geist  der  Zeit,  1807),  gegen  die  Beamten,  ^ Schreiber«, 
Burcaukraten.  Auf  diese  »schleuderten  die  Romantiker ')  die  volle 

Wmlit  moralischer  Entrüstung''.  Die  Schreiber-  und  alle  an- 
dern IvCUte:  dir  Alltaj^snienschcn,  die  sich  vom  Staate  willij^ 
modeln  las;^c  n.  sind  IMiili'^ttT  und  als  solche  mit  ciiu  ni  nioralisrhen 
Makel  Vieluiüet.  Xnr  das  (Unie  (d.  h.  Wer  ■^icli  du  edU-  l'r- 
wüchsigkeit  Rousseaus  et  halten  hat  inid  erhält)  ist  ein  wahrer 
Mensch  —  und  die  Männer  der  Romantik  sind  alle  Künstler, 
Helden»  Originale,  Genies,  und  sie  allein  sind  es  und  bean- 
spruchen nun  auch  eine  besondere  Moral  für  sich.  So  vollzog 
sich  eine  Wendung  vom  Politisilicn  ins  Ethische. 

Alxrr  Schleiernlacher  hatte  ^rlu.ii  1799  erklärt:  Jeder  hat 
etwas  Kigenti'unliclics ;  auch  der  (.ieringe  Vu-^itzt  Originalität 
(  Reden  über  die  Religion  an  die  (iebildeten  unter  ilirLti  \\  r 
achtern  ).  Die-^e  Lehre  wurde  nun  auch  in  die  lUhik  i  in^^rtiiln  1. 
Doch  nicht  sogleich.  Und  als  es  geschah,  wurde  sie  aul>  ärgste 
Übertrieben:  durch  Fcuerbacli  (182K),  und  noch  mehr  durch  Max 
Stinicr  (»Der  Einzige  und  sein  Eigentum  ,  1H45).  Da  .sollte  denn 
jeder  beliebige  Einzelmensch  »Träger  der  Religion.  Schöpfer  der 
Götter  sein;  je<ler  wurde  für  souverän  erklärt,  und  nicht  ein- 
mal blofs  seine  Gesamtanlage,  sondern  jede  momentane  Regung, 
jede  Laune  und  Stinnnung  als  heilig  und  nnverlet/lich  aus- 
posaunt .  Da.*^  war  natürlich  nicht  durch/uscl/cii,  uiul  so  tiilirte 
liugeu  Dühring  wieder  die  Rangunterschiede  und  die  \  orrechtc 
Auserlesener  Individualltaten V  ein,  —  Meyer  schliefst:  'Rechneu 
wir  ernstlich  mit  der  Wirklichkeit,  tragen  wir  ihr  Rechnung 
auch  auf  ethischem  Gebiete,  so  müs.seu  wir  eingestehen,  dafs 
von  allen  Menschen  so  wenig  e  i  |i  e  Moral  verlangt  werden  kanu 
als  etwa  ein  und  ilasselbe  Kraftmafs.  Irre  ich  nicht,  so  strebt 
gerade  dit  i  thisrlie  Ht  wegung  unserer  Tage  daliin.  eine  gesunde, 
aus  <lcn  Anschaiiini^rn  der  Gegenwart  erwachsem  Moral  mit 
derartigen  Rücksicliten  auf  die  Individualität  zu  vereinigen  . 

3. 

Treffliche  zeitgcniäfse  Worte  hat  vor  kurzem  wieder  der 
Herausgeber  der  lUhischen  Kultur  (1896,  22)  gesprochen.  Dies- 
mal knüpft  er  an  die  Sage  vom  verzauberten  Kaiser  an:  Hin 
mächtiger  Zauber  liegt  seit  fernen  Zeiten  über  der  (Ustalt  des 
diiitsi  licii  Kaisers  ein  Zaube  r,  der  weniger  von  der  glanz- 
vollen \'erkör])erung  mcii^ciilu  hei  Macht  und  Gröfse  ausging 
als  von  der  uralten  Sehnsucht  nach  dem  liilde  einer  geem igten 
Menschenwelt,  die  mitten  in  dem  Elend  des  Parteihaders  und 

•)  Nieiiiaiul  -  be-nierkl  Meyer  -  hat  die  Anfcnuhnig  des  neueren 
Stantsbogriffs  geistreicher  und  liefsiiiniger  durch j^cfnhrt  als  Iv.  Th.  A, 
Hoff  mann,  in  .seinem  Märchen    Ntifsknackcr  und  Mausekunig>. 


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der  Stniiinus/crn's^eilhcit  allLti   ernsten    Seelen    als  Tx-heiislioff- 
muig  Iciiclitelc.  i\l;tT  alle  I lotlnun-cn  i>lie!)eii  inieitüHt.  »Solanj^e 
die  friedeiibruij;euden  Müclite  iliren  Troii  nicht  im   Iler/cii  der 
Kin;selnen  errichtet  hatten,  soläfigewar  der  Fricdtiisfürst  olin- 
Ki^fili^i  denn  atl  seine  Kraft  stammte  von  Volkes  Gnaden, 
tiiui  \Vd  difc  V'oJkskraft  in  zügellosem  Intereaseiikampfe  wogte» 
da  konnte  der  Inifst  niclit  der  Führer  des  Ganzen,  sondern  nur 
der  Kiucht  der  Stärksten  selil.    So  zog  sich   die  Friedenshoff. 
litlfiL^r  ifi-  Rtich  des  Traunies  znrnck.  .  .    Der  Kaiser  der  alten 
V«»lkssehnsUcht  tmifs  'Schlafen  und  harreit,  weil  das  Bewufstsein 
<ler  r^o/irilei»  Lelienseinlicit  noch  im  Schlafe  liei^t.  dessen  Traum- 
j^estalt  er  ist;  ehe  der  einzelne  Volksgenosse  niciit  innerlich  über 
dem  Parteiwesen  steht,  kaHfi  mich  der  höchste  Vertrauensnianu 
der  Nation  kein  Träger  gemeinsame»!  Xiebens  sein.    Der  neue 
Cieist  der  Wrsöhnnng  wird  uns  nicht  geschaikt  in  Gestalt  eines 
htjichtvftlj  ^et^^t^lel^den  Menschen  —  nein,  dieser  neue  Geist  mufs 
von  Ulis  üUeii  ii»  (k-n  kleill.*»tcn   und  g^röfsten  Zusammenhängen 
des  Lebens  bethatlgt  inid  gestärkt  werden,  bis  er  endlich  Ver- 
trauen schaffend  zn   den   Ilöheii  der  Fi'trsten  eniportlringl  und 
sie  von  dem  drückentlen  Zwan^^e  löst,  eine  liohe  und  l>egeistertc 
Atiffassun)^  ihrer  Stellung   der  Rücksicht  auf  die  wechselnde 
Machtvertcilung  der  Interessengruppen  unterzuordnen.  Zur  Zeit 
steht  die  Macht  bei  den  Junkern  und  fendalen  Grofsindustriellen. 
%yO  lauge  diese  ka1>en  noch  um  den  Berg  fliegen  dürfen,  wird 
der  geträujtite  Kaiser,  der  freie  Wrtrauensmann  eines  freien  und 
einigen  Volkes,  wohl  noch  im  Zauber)>anne  schlafen  müssen.  .  . 
I)as  Kennzeichen   der  \'erirnn)^c!i]ieit.   \<{   der  (Haultc,   dafs  der 
verzrmberte  K;\is(.r  ein>l  cislelieJi  wcnU',  um  das  \'<>lk  /u  neuem 
Leben  zu  tühren  :  die  (  »cgenwart  erfüllt  sich  uut  dem  kiatlvollen 
Bewufstsein,   dafs  die  soziale  Wieclergeburt  das  Werk  eines 
mündigen  Volkes  sein  wird. 

3- 

Adolf  L'Arronge  veröffentlicht  in  der  Deutschen  ni(  hlnng 
(XX  2—4)  eine  Reihe  Aufsätze  über  deutschi-  Theater  und 
deutsche  Schauspielkunst  :  im  fünften  bringt  der  erfahrene 
Praktiker  Vorschläge  z  n  r  ]U'<  er  u  n  g  unserer  Theater- 
zustände  Als  I'rsadn-  dir  vm handeneu  Tbel  bezeichnet  er 
die  \n-lehtiung  der  wu l>etieiheit  auch  aufs  Theater.  Seine 
\or^chläge  zur  Besserung  sind:  Das  Aufsichtsrecht  soll  der 
Polizei  entzogen  und  dem  Kultusministerium  übertragen  werden. 
Eine  Kommission  von  literarisch  feinfühligen  Männern,  denen 
Verständnis  und  Interesse  für  die  Zwecke  vnid  Iknlutfius.e  (  er 
Bühne  zuzutrauen  wäre,  eine  solche  Kommission  unter  der 
leitung  des  Ministers  mülste  in  erster  Reihe  m  Iheaterange- 
legeuhcilen  zu  cntsclieiden  haben;   die  Ausübung  der  Zen.sur 


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20 


und  die  Ertciluiii;  (kr  Kon/cssioiien  niiifsteii  durch  diese  Kom- 
mission gcrcf^elt  werdi  Tv  Hei  dem  /.weiten  (ksoli.ilt  w'ire  immer 
/.Weierlei  y.w  fraj^en :  >ind  die  per^rMiüchen  ivi^enscliail' m  des 
Heweil »LI solche,  dafs  sie  für  eine  si>lide  und  /.Ui;leich  küa>l- 
lerisclic  Inihrun^  des  Theaters  Bürgschaft  bieten  ist  die  nach- 
>;esnchte  Begründung  des  Theaters  ein  Bedürfnis,  oder  darf  man 
dem  Unternehmen  wenigstens  Aussicht  auf  Bestand  zugestehen  ? 
Und  zwar  soll  man  von  unten  herauf,  in  den  kleinen  vStädi-  n 
anfangen.  Man  fasse  verschiedene  solcher  kleinen  Städte  in 
eine  Konzession  /(isammen,  drei,  vier  oder  mehr  Orte,  in  Be- 
I  iitksiclitij^uni;  ihrer  I'jnwnhncr/nhl,  nheri;ehe  diese  K(>n/essi«>n 
einem  IJnteiiuhmer  und  \eipilichle  ii)n.  in  jeder  Stadl  einii^e 
Monate  des  Jahres  Vorstellungen  zu  gel>en.  In  der  Zwi^elien- 
zeit  dürfte  kein  anderes  Theater  dort  konzessioniert  werden.  Man 
wird  unter  den  Bewerbern  sorgliche  und  gute  Auswahl  treffen 
können:  denn  es  werden  sich  für  eine  solche  Theaterdirektion 
genug  tüchtige  Männer  finden,  weil  diesellie  ihnen  nicht  nur 
die  Möglichkeit  der  Ivxisten/.  sichert,  sondern  auch  eine  /iem- 
licli  sichere  Aussicht  auf  Gewinn  gibt.  Die  kleinen  Städte 
wovtkn  dann  nicht  mehr  während  des  ganzen  Jahres  in  ver- 
schiedenen Theatern  mit  schleciileii  Aufführungen  geplagt  werden: 
aber  sie  werden  dafür  während  einiger  Monate  des  Jahres  ein 
verhaltnismäfsig  gutes  Theater  haben,  an  dem  sie  sich  erfreuen 
können.  In  solchen  Theatern  werden  junge  Schauspieler  ein 
sicheres  und  bildendes  Enga:-;i  nient,  Regisseure  eine  günstige 
Stätte  für  ihre  besonderen  Studien  finden.  -  (iröfsere  Städte, 
die  beanspruchen,  während  des  «ganzen  Jahres  ein  Theater  /n 
haben,  mögen  iiire  Theater  derart  suln  entionieren,  dafs  diese  den 
an  sie  zu  stellenden  Ansprüchen  gerecht  we!"den  und  auf  Be- 
stand recluien  können.  xSie  mögen  sich  dagegen  die  Aufsicht 
Ül>er  ihr  Stadttheatcr  wahren.  ()1>  und  wieviele  andere  Theater 
daneben  zu  konzessionieren  seien,  wird  nach  den  Krfahningen 
der  vergangenen  fünfundzwanzig  Jahre  leicht  zu  crmessen  sein. 
Würde  das  Deutsche  Reich  aufscrdem  dem  Beispiele  Wiens 
folg<Mi  und  in  unsern  grof^  n  Städten  Theaterschnlen  errirht»Mi 
und  nnt  ausgesuchten  T.ein  kr.iilen  be>etzen,  daini  würde  dadurch 
gewifs  manchem  rnhiL;  gesteuert,  und  es  würden  Institutionen 
geschaffen  werden,  liie  für  das  Gedeihen  der  Schauspiel ktuust 
von  den  segensreichsten  Folgen  sein  könnten. 

II«  Büchel*. 

Georg  V.  Gizycki:  Vorlesungen  über  soziale  Ethik.  Aus  seinem  Nach - 
lafs  lurnisu.  von  Lily  v.  (lizycki.  2.  Aufl.  Berlin,  Ferd.  Dümmlcr 

-  S".  II  u.  SS  S.  -•  !..?(>  M. 
Iviner  kurzen  J.itdeitmig  loi^^^^-n  sieben  Abschnitte.  Der  erste  ist 
wesenllich  Kritik,  ilie  sich  erstreckt  auf  tiie  Maehl  der  Maschine. 


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21 


anifebliche  Cbcr|iro<lMkti()n,  I.aj^e  «kr  frcion  Arbeiter  (im  V'crjfldcll 
zur  r;iy:t:  (kr  Sklaven).  Rciuihhini;  <ler  '  'crlicheii  uiul  .i^ci.sti.!,'i.n i 
Arlx  it  jroi'sL-ti  rtitcrnt  liiMereinkoimneii.  I  i. nun-  utul  Kin(U  rarl)cit. 
nie  iilML'i.Ti  Ahsohtiilk-  erörtern  die  Mittel  zur  I.<»suni^  (kr  so/.iakii 
I  ra^e,  \v»il>ei  noch  /ii  bemerken  ist.  dafs  die  bei<kn  letzten  der  sosr. 
l'Yanenbewej^un^  j;e\vidmet  sind.  —  I )ie  \Vohlfahrtseinrielilnni;en  uml 
die  Beteiligung;  der  Arbeiter  am  (tewinn  vermögen  nach  de»  Verf. 
Ani»icht  di«  Lage  der  Arbeiter  den  Kapitalisten  gegenüber  nicht  er- 
heblich %u  vcrbesisem;  daxu  bedürfe  es  viehtiehr  der  Lohnkätn|>fe 
(Slrike.s)  und  der  Hcschränkung  der  Arbeitszeit  tauf  aclit  Stunden). 
Als  «lie  all^etueitien  nedin.iiunj;en  des  w irtscliaftliclien  un<l  j^esell 
sehafllichen  l-'ortschrills  aber,  als  die  irrfifsen  Mittel  /.ur  I.n'^nnir  der 
so/.iak-n  l*'rai;e  erachtet  Cii/.ycki :  Iiuiil-,  (K*sf*rnn<1  und  llo.lrn.s 

und  säuitliclier  Industrien,  richtij^e  W  ertung  dei  Arl>eit  (allgemeiiK- 
Verpflichtung  zur  Arbeit),  gleiche  Rechte  für  Mann  und  Frau.  — 
Selten  ist  so  vielerlei  auf  so  beschränktem  Raunte  so  gründlich,  klar  und 
leicht  verständlich  behandelt  worden.  Leider  nmfs  ich  darauf  ver- 
zichten, dies  nnt  Ueispiek-n  zu  belegen,  jene  grofsen  Mittel  oder  das 
llild  der  Zukunft  mit  des  W  rfassers  eigenen  Worten  zu  umschreil>en. 
Doch  die  ersten,  grundlegenden  Zetli  ii  dti  1  ink-itung  sind  anzufidueu  ; 
sie  lnnl(.ii'  Her  ' '.esichts'|>unkt.  vou  uclclum  aus  die  gröf.slc  l*"iage 
der  (kjituw.ul,  die  soziale  b'rage.  d.  h.  die  I'rage  nach  dem  W-rhält- 
nis  /.wischen  Ka[iital  und  Arbeit,  betraciitct  \ver<kii  mufs,  ist  das 
Wohl  der  Gesamtheit  genauer  ausgedrückt:  das  gröfstmogliche  (tlück 
»Her.  Und  hierbei  ist  jeder  für  einen,  keiner  für  mehr  als  einen  zu 
rechnen. 

tiustav  Maier:  Der  Kampf  um  Arbeit   Hine  Reformstudic.   2.  Aufl. 

Ikrlin.  I'erd,  Dünunler  r^^  i  v      S'.      S.  -    60  I'f. 

\'erf,  schlägt  zum  au.sschliefslichen  Zwecke  der  sozialen  Aus- 
gleichung eine  Reichserbschafls^ti.  lu  r  vrTr.  Deren  l'rlrag  berechnet 
er  nuf  f^m-i;;«)  M illioneii  Ma! k  I  >i\ i-^umme  soll  aber  nicht  veraus- 
gal>l.  .sondern  lediglich  zu  proilukliven  Zwecken  angewendet  werden. 
Zunächst  wäre  ein  Keichsarbcitsamt  zu  schafkn.  (M.  weist  diesem 
ungefähr  dieselbe  Aufgabe  zu  wie  Schmöklcr  der  nach  seiner  Anregung 
mit  der  I'ost  zu  verbindenden  Zentralstelte  für  den  Arbeitsmarkt  — 
vgl.  unsern  Umschau -Bericht  im  Maiheft.)  Sodann  würde  ein  Teil 
des  sozialen  Fonds  fiir  Staatsarbeit« n  A'erkehrsbauten, -Meliorationen 
des  Hodens)  verwendet  werden.  Der  Ilauptteil  aber '^oll  Iniidwirtschaft- 
lichen.  genossenschaftli<"h  betriebeiKMi  Kol<nnvn  uiil  mannigfaltigster 
Ausgestaltung  zugute  kttmmeu.  Diese  Koloiu'en  wären  in  der  Nähe 
von  Industriezentren,  und  zwar  durch  die  betreuenden  grufsstädtischen 
(;emeinwesen  selbst  anzulegen,  die  (irundstücke  (und  Wohnungen) 
den  Ansiedlern  in  Dauerpacht  zu  geben.  Den  gründenden  Städten 
wie  den  Koloniegenossenschaften  wären  die  nötigen  Gelder  gegen 
mäfsige  Verzinsung  ins  dem  sozialen  Fonds  vorzuschiefsen.  Xatiir- 
lieh  müfsten  die  landwirtschaftlichen  Kolonien  zugleich  Wohnungs<- 


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22 


koioiiicn  für  die  in  der  Stadt  bt'schäftijrtcn  liidiistricaiJ>titcr  sein.  — 
i)er  aau/M  \'otfxH\äs  i^i  ättsführlieh»  auüchaulich  und  übcn&eiigend 

entwickelt. 

Leo  V.  iiiifht  Über  die  Ivk-niente  der  politischen  Ökonomie.  I.  Teil: 
Intrimit^nt  dt  r  AHuit^  Werl  i*iid  Preis  der  Waren  —  Lcip/.ig, 
Duiukei  II.  IJunihlut  iS(/>.       S".   II  u.  -  4 

bie  vier  ersten  Kapitel  und  das  .sechste,  das  eilten llieh  an  fuiitlef 
HUiilf  l>Uil<H  tiXtWU,  himik   -    feamt  de*«  iiii  Änbatig  niedergelegte^ 
Aiisfuhningen  -  ■  wertvolle  lirgan/.ungen  zu  manctien  äiU'fcn  lirtir" 
büchem  der  Volkswirtschaft.   Ihre  Gegenstand«  sind:  Die  Arbeiter- 
frage im  allgemeinen  (nicht  frei  von  Übertreibungen :  die  I«age  der 
russischen  Arheitcr  wird  mitunter  als  I.age  ikr  Arbeit,  r  Überhaupt 
fef'Hrliildrit)       rMIgeUtcines  filier  die  Arh»-it  tleM  .Manschen  —  Tnten« 
'^däl  (k  r  Arlu  it  i       N  erliallnis  der  Menge  der  hehnfs  Afb*  its\  rrnch' 
\  I ap.si^.i] iicn  l'lnergie /IM  /eiUb-uu-r  der  X'eransL^al'un^  tk-rseU)en  j 
im  ilinhliek  auf  die  Verhällni.s.se.  uekhe  die  Arbeit  und  die  l-ixislenz 
des  Arbeiters  beeinflufsen        Der  normale  Arbeitstag  —  Faktisches 
Relcgtnaterial  bezüglich  des  achtstündigen  Arbeitstages.  —  Das  VII. 
Kapitel  bearbeitet  «die  lI>'lK>the»e  der  i^iniltaHhtensität  der  Arbeit 
(oplimunt)   und  ist  mit  einer  graph.  Darstellung  au.sgestattet.  Unter 
dieser  kimitariiitensilät  versteht  Buch    die  Arbeitsleistung  eines  Ar- 
beiters, (kl  das  Produkt  scTfKT  Arbeit  Vgü  Uttd  grttlÄ  gehicf.^il  itiid 
nicht  ilbvr  Öm<1.  taglicii  u heilet  i Ht .lin^rungeii,  itefen  erste  U  se!l>st 
üls  unerreichl)ares  Ideal  erkenntl.    ivr  lienut/t  nun  fins  anirt-nomnu ne 
t>Iilimumi  um  einerseits    die  relative  (irfifse  der  Arbeitsintensil.U  In  i 
verschiedener  Dnuv-l-  dv^  Arbeil.sLage.^  und  bei  inannigfaltigcn  (Iroiscu 
dei  dth  Avlieitern  zufaüendeu  Wertanteile  ^I,öhne)  theoretisch  zu  be- 
^e^lUien..  (und  seine  Berechnung  erweist  sich  als  thatsfichlich  richtig», 
andererseits  zu  beweisen,  dafs  je  kürzer  die  Arbeitszeit  und  je  grolser 
der  Anteil  (des  Arbeiters)  an  den  erzeugten  Werten,  desto  höher  dt« 
Arbeitsintensität  ist  —  Die  drei  übrigen   Kai)itel  (V,  VI  II,  IX)  er- 
öitern  :  Irrige  Ansichten  über  die  den  KftPito^^^^^n^eM^'inn  bestimmen- 
den Momente  -  Wert  der  _  Schätzungswert  der  Waren : 
c;eld  und  Warenpr^y^           enthalten  manch  treffende  Urteile  und 
.scharLsiinuy'^  Ausführungen:  aber  alle  <li\i  K  ipitel.  wenigstens  die 
beiden  i^.t^^^.,,  hediirfcn  einer  gründlichen  —  freilich  mühsamen      l  in- 
tirbeitung.    In  ihrer  gegen wärtiircn  }%issung  genuinen  siv  nicht:  die- 
selben W  orte  werden  in  verschiedenem  f^inne  gehrauclit.  Hn  dieseliien 
Sachen  nicht  immer  die  gleichen  begrifHichen  I-rklärun-.  :i  ;^abrai'ht, 
wodurch  Widersprüche  späterer  gegen  frühere  Sät/e  entstellen,  o<lcr 
der  teser  doch  einen  Kindnick  dieser  Art  empföngt.  Auch  ist  die 
Darstellung  mit  anderen  Mängeln,  2.  B.  störenden  Wie<lerho1ungew 
t)elasia       Zv  ar  «eine  Hauptbegriffe  %vürde  B.  in  einer  Umarbeitung: 
Wold  nu  ht  andern.    Mindesten.s  einer  von  diesen  —  .Wert<  —  durfte: 
sich  ..bcr  als  unhaltbar  erweisen  :  er  verstofst  allzusehr  gegen  den 
berechtigten    Sprachgel>rauch  und    die   eingewur/clte  Vorstellung. 


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WiMenscbaflUehe  Ddlafe.  2^ 

Wer  wird  die  ÜLli  iuptun^'.  die  menschliche  ArV>eit.skraft  liLsil/e  keinen 
Wert  fS.  73),  nirlii  ungeheuerlich  finden'  Werte  sollen  nrmil  ich  luniiinch 
I..  V,  Hnoli.  wir  nach  K.  Marx)  Pr(.diikU-  nitiisi  liliclu.!'  Ail)c-it  sein: 
oder:  eine  Sache  (Warcj  soll  nur  Werl  haben,  soweit  nienscliliche 
Arbeit  in  ihr  vergegenständlicht"  ist.  Übrigens,  da  ich  einmal  auf 
Buchs  Begriff  des  Wertes  schlechthin  eingegangen,  niufs  ich  noch 
hinzufügen:  unter  Schätzungswerte  (besser  wohl:  Hrw'erbs-  oder 
Kaufwert)  versteht  B.  -'den  Inbegriff  eines  Quantums  Arbeit,  weldies 
erforderlidi  ist,  um  eine  Ware  von  bestimmtem  Werte  sich  ei;^en- 
tundich /.u  erwerben  .  T^nd  der  in  (ield((iold)aasgedrückteächätzungs> 
wert  einer  Ware    ist  ihr  l'rcis. 

Theodor  .MatthiR^s:  Sprachkben  und  Sprachschäden.  l'in  iMilirer 
(hjreh  thc  Sehw,iijkuii:^(.ii  \nid  Schwierigkeiten  des  tlcutsiluii 
Sprachgebrauchs.  I.eip/.ig,  K.  Richter  1S92.  —  8".  u. 
4(^5  i3-  -  5-5"  M. 

Der  Untertitel  verrät  Zweck  und  Inhalt  des  Buches,  das  sich 
damit  anderen  verdienstlichen  Unternehmungen  ähnlicher  Art  an  die 

Seite  stellt,  b'ine  eingehende  Inhaltsübersicht  oder  ein  abc-mäfsig 
geordnetes,  möglich  reichhaltiges  Wörter-  und  Redensartenverzeichnis 
sind  bei  eitlem  solchen  Huche  utientbehr!i(  h.  Das  vorliegende  besitzt 
beitUs.  —  Nati'irlich  kann  man  niil  M.  «.lunsu  wie  mit  Vndresen, 
Wustmann  —  im  einzelnen  rechten.  Manches  in  der  überreichen 
Ffille  dürfte  auch  fehlen.  Z.  B.  wäre  es  nicht  nötig,  in  den  \-er- 
bot^gensten  Winkehi  zu  kehren,  einzugehen  auf  entbehrliche,  von  der 
Mehrzahl  thatsächltch  niemals  gebrauchte  Ausdrucke  oder  Rede- 
wendungen und  auf  lächerliche  Titulaturen,  die  ja  doch  nach  und 
nach  (Aielleicht  auch  si  lnull  auf  einmal)  verschwinden  mi'i.ssen.  Da- 
gegen wünsclu-  ich  dem  wichtigen  Schlufsabschnilt  gröfsere  Aus- 
dehnung. iKiTidell  er  doch  von  der  Sauberkeil,  l'.infarhluil  und 
Wahrheit  <ler  i>arstellung  .  Den  Inhalt  dieses  Abschnitts  bezeichnet 
M.  folgendennafsen :  Fremde,  besonders  französische  Wendungen. 
Flüchtigkeitsfehler  und  Hauptgebiete  ihrer  Verbreitung.  Wieder- 
holungen und  Überfülle  im  Ausdnick.  Unlogische  (»leichsetzung 
ungleichartiger  Dinge.  Beziehung  eines  Fürworts  auf  andere  als 
selbständige  Hauptwörter.  Breite.  Rückhältigkeit  und  Übertreibung 
in  <U  1  luntigen  Ausdrucksweise.  Drei  llauptschä<len  des  heutigen 
Sprach-  und  Hibb  rschatzes.  Modewörter.  Atis  (  inander  wiflerstrebeii- 
deii  Teilen  /r.s.ini niengeset/te  kt  <lewendun>icn.  L'nnalur  im  Ivinzel- 
bilde,  im  ausgttüluten  \  erglcieh  und  in  der  \  ermengung  der  Stil- 
arten. Hoffnung  auf  Besserung.  ^  In  den  beiden  Hauptstücken 
(  Das  -Wort  aU$  verein/.clter  Satzteil  ^  im  Oefüge  des  Sat^cs< )  ist, 
scheint  mir,  auf  Kosten  der  Übersichtlichkeit  etwas  zuviel  Papier 
gespart  worden. 

111.  Kleine  Mitteiinngen. 

\\m  den  3if^5   s  i"  h  w  e  i  z  e  r  i  s  e  h  e  n  (i  e  ni «  i  n  «1 1  n   liegen  ir"if 
wtuijfer  hoch  als  500  m,  1575  500  -999111.  2Uj  looo    i^yym.  50  i5ütjm 


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24 


K.  Dictriuh. 


und  noch  höher.  Von  den  let/.tijcnannteti  50  (ienieindcn  gehören  zu 
Orattbfindeti  .^5.  Wallis  13,  Uri  und  Tessin  je  i.  l>ie  höchste  aller 
schweizerischen  ('.cincinden  ist  Avers  lini  lliiiterr}ieiii;^ebiet.  sfull.  von 
Andeer,  1949  ni).  die  höch.stj^ele^enc  unter  den  Stldten  mit  mehr  als 
lotxx)  Kinw.  Chaux-de-Fonds  (im  Neuenbtirgcr  Jura.  (>92  m).  Die 
fünf  tief  st  (^elejBrenen  (iemeiridtii  finden  sich  am  Lan^ensce  (Tessin, 
202-200  tivi ;  du-ssi  ils  der  Alpen  hat  loi  iiihiininjien  l>ei  Hasc-1  die 
ringste  JJoiUidujhc ;  252  ni.  Sclieidet  man  die  Hevölkcning  nacii  der 
Höhenlage  ihres  W'olinsitxes.  soergfeben  sich  folgende  Zahlen :  weniger 
als  500  m  hoch  wolincn  I42S^(.  \  50/^» — y()9  ni  i  -^r-fmo.  ukx'>  m  uml 
höher  155500.  \'ün  den  iiraubündnern  hausen  mehr  als  die  Hälfte, 
von  den  Wallisem  mehr  als  ein  Drittel  höher  als  icxx>  m  über  Meer. 
(Stat.  Jahrb.  d.  Schweiz  1895.) 

Weii.N  und  wieder  weils,  eine  zugefrorene  l^bene,  unbelebt,  nn- 
malerisch,  dariiber  ewij;  grauer  Himmel.  So  Stellt  man  sich  den 
hohen  Norden  j  ^  n  sei  t  s  d  es  1^  ^1  a  rk  rei  ses  vor.  1  )iese \orstelhinj»' 
i.st  irrig  .  .  .  Das  Land  sei  nie  schneefrei,  .sagt  nmn.  Aber  wenn  der 
Sommer  nur  etwas  über  Null  sich  erhebt  so  gfibt  es  Iceine  Schnee- 
<lecke,  auch  nicht  auf  i  v>t>  m  lu»hen  Hergen  (bh>fs  in  der  iMrnregion 
der  Gletscher).  Im  Juni  findet  nmn  au.sgedehnte  Weiden,  mit  Hertlen 
von  Rentieren  imd  Moschu.soch.sen.  Dürftige  Kinoden  wccliseln 
mit  anmutigen,  farbenprächtigen  bluren  ;  besitzt  doch  i  .i.  nlanil  nicht 
weniger  als  .V  ' ühit«^  tii>flan7.en.  Sobald  die  Sonne  nirlit  mehr  unter- 
geht, tritt  die  Schneeschmelze  ein,  und  zwar  plol/lieli.  Die  Jvbeuen 
veru'andeln  sich  in  Moore,  welche  dnrch  den  schon  in  geringer  Tiefe 
gefrorentu  ImkUu  nicht  a]»zusickern  vennogen.  l)arül!er  lagert  eine 
heifse,  scliwingende  IaiÜ,  in  welcher  abends  Moskitos  schwärmen. 
Däche  nnd  Flüfse  überschwemmen  das  tiefere  Land  und  befreien  die 
Ikrge  von  den  winterlichen  Niederschlägen.  Die  .Abhänge  im  Innern 
der  bjorde  sijul  mit  Ali>enpflanzen  bewachsen,  die.  .^o  klein  sie  auch 
sind,  jene  bis  tief  in  den  Herb.st  hinein  mit  einem  grünlichen  l'ber- 
ÄUg  versehen.  Insbesondere  i.st  in  Cstgrönland  das  König-Wilhelms- 
T.riTid  \on  j^Tf^fser  Srlu'inheit:  sein  n  11  eurer  Knisc  r-l*"r.-uiz-Jos«,-fs- 
I  jord  übeririitt  Noi wegen  an  liroise:  unzählige  Ivisljerge  in  ultra- 
marinblauem Meere;  grünliches  lyand  zur  Seite;  darüber  Felswände 
Vdii  :cny^  und  dahinter  Herge  \«>n  1  "«)  in  w(»hl  eines  der  grol's- 
artig.stcn  Hilder  der  Ivnle.  f.\ns  einem  Vortrage  J.  v.  l'ayers  i.  »1. 
Berliner  gef)gr.  (te«el1sch.  —  \  gl.  Ztschr.  f.  Schulgeogr.  iSo';/^».  VII.) 

l'ine  willkonnm  ur  Hilfe  zur  Dentinig  der  Srhilh  i  i  ln  ti  \'crse: 
Weh  denen,  die  den»  l.vvigblinden  .  .  .  bietet  eiuc  Stelle  in 
Wielands  ("icsprächen  initer  vier  .\ugcn  .  Sie  i.«3t  zuerst  ijoogednickt 
\vor<len  und  1  inlet:  Heilenke.  dafs  gegen  einen,  der  zur  Meför<lerun 
wahrer  Aufklärung  thätig  i.st.  Hundert  .sind,  die  ihr  aus  allen  Krallen 
entgegenarbeiten,  und  Zehntausend,  die  .seine  Dienste  weder  begehre« 
luich  vermissen.  .Vuch  bitte  ich  nicht  zu  \ergessen.  daf  man  unter 
zehn  Aufklärern  wenigstens  die  Hälfte  rechnen  muis,  die  ihre  Tecli- 
fackel  so  ungeschickt  und  unvorsichtige  handhaben,  als  ob  es  ihnen 
weniger  danmi  zu  thnu  sei,  uns  zu  leuchten,  als  uns  die  Häuser  über 
dem  Kupfe  anzuzünden  .  1>'  ist  möglich,  dafs  St  liiller  diese  Stt  lle 
gelesen  und  jene  Wrse  danaci»  gedichtet,  obwohl  er  am  ijed  \ini 
der  Cilockc  schon  .seit  1797  gearbeitet  \m  Druck  gab  er  es  am  30. 
Sept.  i/tx.)).   (Züitschr.  f.  d.  deutschen  Unt.  1896,  III.) 


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Wissenschaftliche  Beilage 


Nr.  4,        Besorgt  von  Ji»d.  DiHrkh  in  Katidern.      Okt  1896. 


(Heile  26. 

I.  Abhandln  Ilgen. 

TTnter  den  hcdciUsaiiicii  und  ci  lienliclicn  Rrscheinunj^cn  der 
Gcj^ciuvart  j;ebührt  der  ethischen  Bewegung  der  Preis.  Aller- 
dings nur  in  der  Voraussetzung,  dafs  sie  sich  aufs  eifrigste 
bemüht  zu  werden,  was  sie  noch  nicht  ist:  eine  grofse  Volks« 
beweginiij;.  Smist  hat  sie  ihren  Ikrnf  verfehlt.  Welches  aber 
wären  die  Mittel  zur  Volkstümlichkeit?  Gewifs  nicht  Akade- 
mien, internntioüak  Kono-resse.  Sekretariate  u.  d.ü^l.,  sondern  ganz 
schlichte  Vcranstaltuiii-cn  in  dt  r  Tiefe,  im  engen  Kn  i\e:  vor 
allem  lebendii^e  Lehre  ein  w m (lii;er  Mäinier.  Man  ileiike  sieh 
einen  berulcneii  Lelirer,  Leiter,  Wächter,  Mahner,  Warner  in  jeder 
Gemeinde  —  welche  Aussicht!  Wo  wirkt  ein  Mann  dieser  Art 
schon?  Wohl  an  verschwindend  >venig  Orten.  Und  gänzlich 
missen  wir  seinen  Stellvertreter,  Ersatz:  ein  Volks- oder  Hausbuch. 

Doch  Vorarbeiten,  sozusagen  Handhaben  zu  einem  ethischen 
Volksbuch  besitzen  wir  bereit.s.  Ich  meine  gewisse  Bücher  oder 
Büchlein,  die  nicht  nur  überhntipt  sehr  billig,  sondern  auch  gleich 
gel)i!nden.  und  zwar  hübsch  ^elniiiden  /u  l>eziehen  sind.  Allein 
mit  solchen  ist  der  wenig  Bücher  kaulenden  grof.seu  Melirzalil 
des  V^olkes  recht  gedient.  Schriften  dieser  Art  nun  liefert  lie- 
kanntlich  Philipp  Reclam  in  Leipzig,  und  es  wäre  —  nebenl)ei 
bemerkt  —  ein  nützliches  Unternehmen,  alle  diejenigen  Bättdchen 
seiner  >Universalbibliothek< ,  welche  zu  Itfehrbflchern  (im  guten 
Sinne)  vorzüglich  sich  eignen,  zusannnen zustellen  und  übersicht- 
lich zu  bes]irechen,  um  dadurch  ihre  Verbreitinic,^  /u  fördern. 
An  dieser  Steile  jedoch  beschränke  ich  mich  aui  etliche  ilülfs- 
miUel  der  R  ec  h  t  s  c  Ii  1  f  e n  h  e  i  t  s  1  eh  r  e.  Die  ausgewälilLen 
Bändchen  sind:  l^piktets  Handbüclilein  der  Moral,  Marc 
Aurels  Selbstbctrachtungen  und  zwei  Schriften  von  Samuel 
Smtlcs:  Der  Charakter  und  Selbsthilfe.*) 

Nicht  dafs  ich  meinte,  diese  Schriften  den  l,esem  der  Neuen 
Bahnen«  erst  vorstellen  zu  müssen.  Ich  möchte  sie  nur  für  den 
angegelx^iien  Zweck  empfehlen,  zu  ihrer  Verwertung  anregen ;  sie 

'l  Alle  vier  liegen  in  (K  n  neuen  Iuiil)än<Ieu  vor,  welche,  ohw  olil 
cxlerweil  sie  einf.iclier  sind  als  die  früheren.  <li  *se  an  (ief  niit'  keil  mn 
vieles  übertreflen.  -  Dius  er.ste  (So  Seiten)  kostet  geb.  Cx>.  this  zweite 
(183  S.)  80,  daji  dritte  (384  8.)  und  vierte  (328  S.)  je  100  Pfg. 


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».  t»i<  (ril'Ji. 


werden  bei  weitem  noch  nicht  so  fleifsij^;  l)enutzt,  als  sie  es  ver- 
dienen. Das  ist  aber  auch  erklärlich:  die  ICr/.iebung  zur  Recht- 
schaffenheit (man  erffille  den  Begriff  mit  seinein  ganzen  Inhalt) 
gilt  weder  im  Hause  noch  in  der  Schule  als  Hauptgeschäft  Dafs 

jene  dieses  werde,  erstrebt  eben  die  ethische  Beweguni;.  I  nd  wer 
möchte  solche  Bestrebnnj;en  nicht  nnterstül/en,  die  vorhandenen, 
ebenso  guten  wie  wohlfeilen  Hnlfsniittel  unbeachtet  lassen  I 

Der  \'oik>trunid  wird  also.  /..  H.,  den  iuwerl)  der  beiden 
Bucher  von  Sniik>  jedermann  anraten  es  da!)ei  aber  nicht 
bewenden  lassen.  lü  wird  die  Bücher  mit  jungen  Leuten  durch- 
arbeiten, sie  sozusagen  neu  entstehen  lassen,  ganz,  so,  wie  sie 
wirklich  entstanden  sind,  nach  dem  Berichte,  den  Sniilcs  seihst 
im  \'orwort  zur  ersten  Ausgabe  der  Selbsthilfe  gibt.  Dabei  findet 
sich  Gelegenheit,  den  englischen  Mustern  deutsche  an  die  Seite 
zu  stellen,  oder  jene  durch  dit  <e  zu  ersetzen,  was  besonders  bei 
Durcharbeitung  des  eben  ^xiianiilen  l^iK^hes  zu  wünschen  wäre, 
Ivine  dLiit^che  Nnclibikhui^  dieser  Selirift  wäre  überhaupt  ein 
\  erdieiihtliches,  und  ^ewifs  nicht  schwieriges  W  erk. 

Das  K  igen  artige,  zugleich  das  Packende  bei  Sniiles  ist  seine 
Vcranschaulichtmgskunst ;  er  will  belehren,  aber  vorzugsweise 
durch  zahlreiche,  glücklich  gewählte  Beispiele.  Dagegen  fehlt 
es  an  solchm  fast  ganz  in  Ivpiktets  Handbüchlein  und  Marc 
Aurels  Selbstbetrachtungen.  Doch  Lehrbücher  oder  Leitfäden 
im  gewöhnlichen  Sinne  sind  dit  --e  Schriften  auch  nicht,  sondern 
—  der  Hauptsache  nach  —  Säimnlungcn  kurzer  Regeln  und 
mehr  oder  weniger  ausgeführter  Betrachtungen,  allerilinj^s  mit 
durchaus  lehrhaftem  Zweck.  L  nd  sie  haben  zunächst  geschicht- 
lichen Wert:  sie  fähren  in  die  Philosophie  der  jüngeren  Stoiker 
ein  und  zeigen  zugleich,  dafs  dieser  Philosophie  die  Besten 
eines  einst  grofsen,  aber  -  z.  Z,  Hpiktets  und  M.  Aurels  -- 
weit  herahgekonnnenen,  dem  Untergänge  verfallenen  \'olkes  er- 
geben waren.  Das  allein  schon  lockt  zur  Vertiefung  in  die 
beiden  lirmdchen.  J*vS  ist  ja  al)ir  \on  vornherein  zu  erwarten, 
dafs  serielle  Vertiefung  einen  zweiun.  Iiedeutenderen  (gewinn  er- 
zielt: eiue  Au.^iieule  für  den  eigenen  Hedaif.  Lud  in  der  That 
eine  reiche  Ausbeute!  Nur  können  oder  dürfen  wir  nicht  die 
ganze  stoische  Lebensweisheit  aufnehmen  und  befolgen:  nicht 
die  Lbertreibung  im  ICntsagen.  Dulden  ;  die  allzu  grofse  Milde 
in  der  Beurteilung  des  Wrbrechers :  das  Zurückziehen  auf  sich 
selbst  bis  zu  bedenklicher  Selbstgenügsamkeit,  ja  Sel1)stsuclit : 
die  (jcringschät /iniL':  des  Lel)ens.  der  Lelnnsdauer:  die  An^i<.*ht 
vom  Leben  una  i  od  überhaupt,  von  (ieni  \'erhältni^^  zwischen 
Körper  und  Geist,  zwischen  vSache,  Thatsache  und  Vorstellung 
oder  Hinbildung.  Was  dagegen  für  uns  noch  gilt  —  und  nicht 
nur  für  uns,  für  alle  Zeiten  —  das  sind  die  eindringlichen  Kr- 
niahntmgen  zur  Enthaltsamkeit,  Selbsüberwiudung,  Unterdrückung  • 


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der  Lcidctiscliafu  1!  /u  ii  iiiu  -emäfsem  Leben ;  die  strenge  Such- 
liclikoit.  (tciiaui.ukcit  im  Urteilen:  die  wachsamste  S<)rj^e  für 
Wahrunii'  der  Meiischeiuvürdc,  der  Kechtschaffenheit  unter  allen 
Umständen :    der  Wr/ielit   auf  Ornlu-In   n:u*1i  Anfang  und 

ICnde  der  Welt:  die  stete  Herritst-liall  /um  J^UrlKii.  Daneben 
viele  andere  Sillengebote  in  k.na])pen  Sätzen.  Mtigeii  die  \'olks- 
erzieher  der  VerbreiUtnj^  dieser  lehren  sich  annehmen.  Be- 
sonders die  I«ehrer  an  Fortbildungsschulen  sind  dazu  berufen: 
haben  sie  doch  die  Pflicht,  die  Jünglinge  zum  Erwerbe  billiger 
und  -  uter  Sclirifteu  aufznmnntern.  Und  dafs  die  hier  besprochenen 
vier  liändchen  ')  in  erster  Uinie  zu  empfehlen  wären»  braucht 
kaum  noch  betont  zu  wcrdeu. 

2. 

Der  Ikliauptung  der  su/.ialdemukratisclien  Partei,  tlafs  nur 
der  Arbeiter,  an  der  sozialen  Reform  interessirt  sei,  stellt 
Franz  Oppenheimer  (Neue  deut  chc  Rundschau  1896,  VIII*) 
die  andere  enti^ej>:en:  dafs  auch  die  ^oberen  Klassen  der 
Bcvölkcnnii,^  kein  wichtigeres  Interesse  haben  können,  als  die- 
selbe Retonn.  Unter  sozialer  Reform  versteht  er  die  Durch- 
fnhi  uni^^  (K  s  Sozialismus,  und  unter  Sozialisnuis  das  Ideal  einer 
\\'it  Nrliatisordiuinj^,  in  wt  l*  lu  r  die  heute  bestehende,  sog.  Aus- 
beulung der  Arbeit  verschwujiden  .sein  wird.  Dieser  Sozialis- 
mus hat  —  lietont  O.  —  mit  dem  Kommunismas  nichts  zu 
schaffen:  der  erste  ist  ein  Ziel,  der  zweite  wohl  vermeintlich, 
nicht  aber  wirklich  ein  Mittel  zu  diesem  Ziele.  Oppenheimer 
verfolgt  nun  in  dem  vorliegenden  Aufsatze  nicht  die  Absicht, 
den  Weg  zu  dem  von  ihm  gewünschten  Sozialisnuis  zu  weisen. 
Dngegen  will  er  darlegen,  dafs  die  Schädigungen,  welche  unsere 
oberen  Klassen  durch  die  geltende,  sog.  kapitalistische  Ordnung 

'1  Kur  einen  Ni  r.dnick  von  M.  Aurels  Selbstbetrachtuug^en 
winisrhen  wir  ein  I  n  Ii  a  1 1  s  v  e  r  /  e  i  c  h  n  i  s.  Dnrcli  igahe  eines 
.soklieii  würde  der  Wert,  die  Benutzbarkeil  des  Bücbleuis  ganz  be- 
deutend erhöht.  l*nd  Jtwar  könnte  man  sich  nicht  damit  begnügen, 
cinfarli  vor,  irdt  ni  fler  \2  Büelier  aiiziitjebeii,  was  sie  enthalten. 
Denn  these  Scheidung  ist  euie  fast  rein  äulüerliche ;  was  der  \'erf.  zu 
eitler  bestimmten  Zeit  niedergeschrieben,  bildet  ein  -Buch»:  12  be- 
grifflich '^'esohlossene  Minl1eitt.11  abzuhandeln,  war  nicht  der  Zweck 
der  Selbstbetrachtnngen.  Dalier  deiin  in  jedem  lUicIi  ein  \  ielerlei, 
luid  in»  ganzen  viele  Wiederliolungeii.  In  .\iihcUacht  dessen  wäre 
entweder  ein  von  der  Zahl  und  Reihenfolge  der  lUieherv  gan^  un- 
abhän.t,Mj^es  sacliliches.  oder  ein  nach  der  T-m  hstabenf<)l;;e  geordnetes 
Stieliwortverzeichnis  aufzustellen;  als  \  erweis  -  Mittel  winden  die 
Buch-  und  Panigrapheny.iffern  dienen. 

-)  Herausi:el)er :  <  )skar  Hie.  Wrleger:  S.  bischer- Berlin.  Preis 
viertelj.  »3  Hefte)  4,50  M.  —  Da.s  lieft  enthält  u.a.  noch:  Rieh. 

\Va;;ner  und  Friedr.  Xietz.««che.  v.  Karl  Heckel  —  Detlev  v.  I«iIiencron, 
V.  Hans  l'auli  Chri.stentum  und  1  rauenbcfreiung,  V.  Inna  V.Troll 
—  Internationale  Zeitschriftenrundschau. 


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28 


erleiden,  nicht  allein  ilireti  Körper  nnd  ihre  Seele,  *^nn(1<.-rn  ;Hich 
ihren  Ccldhentel  hetreiten.  Die  let/U*  nih:u3])lnuj4  sucht  er 
dnrcli  einen  Hinweis  auf  die  Proiluktioii'-x  ( t  h;iltuisse  /n  rei'ht- 
fertijjcn.  l\s  j^iht  so  führt  er  aus  zwei  ilren/.en,  welche 
der  Ausdehnung  der  Produktion  gesteckt  sind:  eine  naturliche 
und  eine  künstliche.  Die  natürliche  Grenzte  ist  erreicht,  wetni 
ein  Volk  alle  Kräfte,  welche  der  Produktion  diotieu  können, 
voll  angespannt  hat.  Das  ist  aber  im  Zeitalter  der  Maschinen 
unmöglich  geworden.  Dagegen  hat  unsere  Produktion  die  künst- 
liche (Vcn/e  erreicht,  d.  h.  sie  liefert  mehr  als  verl »raucht  (ge- 
kauft) werden  kann.  Man  nennt  das  gewöhnlich  ('hrrprofinklitm, 
Aher  was  als  solche  c-rscheint,  ist  thatsächlich  (ci/wuugene) 
Unterkonsuniption  auf  Seite  der  Arbeiter,  wegen  ungenügender 
Bezahlung.  Die  Folgen  sind  Bankerotte  der  Unternehmer, 
Krisen.  Da  nun  solche  wie  eben  auch  die  vermeintliche  Über* 
Produktion  in  der  an sbeutungs freien  Wirtschaftsordnung  un- 
möglich sind,  wäre  für  die  grofsc  Masse  der  Unternehmer  die 
Kinführung  des  So/ialisnius  ein  Segen. 

Nachdem  sodann  ().  d\v  unsern  obern  Klns-^tn  cigtnlinn- 
lichen  körperlichen,  seeli>chi.n,  sittlichen  KranklKiUn  als  l'ulgcn 
der  kapitali.stisehen  Wirtsehaflsonluung  hingestellt,  schliefst  er; 
Wir  glauben  nicht,  dafs  mit  der  Durchfuhrung  der  sozialeti 
Reform  etwa  alles  ITnglück  aus  der  Welt  verschwinden  würde. 
Ivs  l>leibt  immer  noch  dem  I^ibe  des  Menschen  Krankheit  und 
Tod  und  .seiner  Seele  Neid,  Hafs.  TA  i'kii>r]i  ift  und  lyiebe  genug, 
nm  die  nötige  Bitternis  in  den  Ikchcr  des  lA'bens  /.u  ^cil^itten. 
Aber  wir  glauben,  dafs  die  Meiisrliluit  an  dicken  iin^cliL;(  n 
Gaben  l*andoras  gerade  genug  zu  -^r]ikj>pen  hat.  iiinl  dal^  c.-. 
unnötig  ist,  ihre  gasten  durch  rein  menschliche  Thorheit  noch 
zu  verhundertfachen.  Was  heute  nicht  ntfr  der  Arl)eiterstand, 
sondern  auch  die  scheinbar  1  begünstigten  Stände  an  Leid  und 
Sorge  zu  tragen  haben,  das  geht  über  Metischenkrafte  hinaus; 
das  beweist  die  frühe  Sterblichkeit,  die  CberfüUung  »Kr  Irren- 
häuser und  die  dauernde  Zunahme  der  Selbstmorde.  Xur  ein 
Trost  lilcibt  un<  in  solchem  Jammer.  Wirwis»;eTi,  dafs  alle  dit^se 
Scluncr/.en  nichts  sind  als  die  Geburtswehen  einer  neuen,  besseren 
Zeit.  Sie  wird  geboren  werden,  mit  und  gevren  <]en  Willen  der 
Besitzenden.  Die  Neapolitaner  schhigen  zur  Zeil  der  Chokia  die 
Ärzte  tot,  welche  ihnen  helfen  wollten.  Nichts  anderes  ist  der 
Hafs  der  Bourgeoisie  gegen  den  Sozialismus.  Kr  beruht  auf  der- 
selben tiefen  Unwissenheit  und  demselben  verrückten  Aljerglauben, 
Man  mufs  das  ertragen.  Wenn  dieselbe  Reform,  der  sie  heute 
so  verzweifelt  widerstehen,  durchgeführt  sein  wird,  wie  werden 
da  dü"  Philister  vom  Jahre  2000  ül>er  die  Philister  vom  Jahre 
f  .  die  Achseln  zucken!  Ks  geht  nichts  über  den  gesunden 
.Menschenx  erstand. 


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Wltbfnarliaftllcb«  Beilage. 


Tl.  Bücher. 

Willi.  Kosfher:  ruHlik.  (itsdiichü.  Xatmklirt  iUt  Monarchie.  .Vristo- 
kratie  un<l  Demokratie.  2.  Aufl.  •  Stuttgart,  J.  (f.  Cotta  1893. 
8*  VIJI  II.  722  S.  -~  10  M. 

Ztmäclist  mögen  mit  zAvei  Worten  die  Clesichtspunkte  angedeutet 
.sein,  von  weU  lu  ii  aus  der  iSoj  \  crslorhciK-  Wn  fasst  r  lU  r  Ptditik* 
.stlirid»:  er  «ah  in  der  nitiisrlilidun  KnUiMvntwickcliniic  lin  j^tolscs 
luilrt- tmlnirrs  ( 'lan/.c  :  dir  \MrtschaftliclK'.  rechtlich«.-,  inl«. Ik* ktut- 11c.  .sitl 
lirhf,  rf!i.iri<).sc  linlwicklunj^  waren  für  ihn  nur  t  in/clnc  Wellen  in  dem 
,t:r(>fsen  Strome  tkr  \'ölker;;e.sclnehte.  l'nd  wenn  es  galt,  Menschen 
zu  beurleilen  -  Männer  der  (feschichle  oder  der  Oegeinvart  —  so 
verfuhr  etJiach  dem  Grundsätze :  Nur  sittliche  («rofse  \Ht  wahre  («röLse. 
Hinsichtlich  der  praktischen  Politik  ging  (wie  er  sich  in  der  Vorrede 
7-u  seinem  ßuchc  ausdruckt)  sein  h«"»chster  wissenschaftlicher  Wunsch 
für  unsere  partei  /.errisseiie  Zeit  dahin,  es  möchten  die  wahrheits  und 
vaterlandsliebenden  M.inner  aller  Parteien  die  Irrtiimer  und  Siuiden 
ihrer  eigeiicJi  Partei  und  <las  Waltrc  un<l  (inte.  <las  .sich  bei  dtn  an- 
(krn  Paiteien  fimkl.  klarer  einselieu,  und  nach  dieser  lünsicht  ver 
söhnlichcr  handeln  lernen  .  L  nter  der  Politik  als  Wissenschaft  vcr- 
jtteht  R.  die  geschichtliche  Xaturlehre  des  Staates  im  aristotelischen 
Sinne  .  Denigemäfs  .sucht  er  für  alles  Thatsachliche»  Gewordene  in 
der  Geschichte,  der  Entwicklung  die  I<Irk1äntng  (auch  Rechtfertigung) 

—  sucht  er  nachzuweisen,  dafs  es  .so  werden  mufste.  oder  doch  nicht 
auf  unnatürlichem  Wej^e  so  .ije\v«)rden.  wie  es  ist.  Da  er  selbst  Monarchist 
ist       t  r  bekennt,  d  ifs  i  r  die  .Monarchie  für  di(  beste  Staatsform  hält 

-  whliiiet  er  den  muuarchischrTi  W  rhäUnis.seJi  mehr  S<»r^falt  als  den 
d<.iiiokratischen.  Tbrii^ins  sciieint  es  fast,  als  ob  er  mit  Vorliebe  aus- 
geartete Deniokralicn  vorführe ;  ja  er  nennt  sogar  anarchistisch«  Zu- 
stände demokratisch  (S.  379).  —  Die  Äusdruck.swei.se  ist  nicht  immer 
ganz  klar  und  fliefsend.  R.  liebt  abgerissene  Sätze  und  verwendet  sie 
auch  flort.  wo  sie  der  Darstellung  nicht  zuträglich  sind.  —  Doch 
Solche  Mäujiel  im  einzelnen  können  ilen  hohen  Wert  des  Cian/en 
nicht  erheblich  mindern.  Die  P<ilitik  bleibt  ein  Lehrbuch  ohne- 
gleichen. Was  R.  selbst  von  einem  seiner  andern  IHiclu  r  s.i^t,  j^ilt 
a'  ch  für  die  INtlitik  sie  will  nicht  nach  der  Art  eines  \Ve.uweisers. 
sondern  nach  dei  All  einer  l^andk.irte  die  l'ragcn  des  Lesers  beant 
Worten.  Dieser  Vergleich  pafst  sehr  gut:  das  Buch  birgt  die  sauber 
geordnete  Fülle  einer  unerschöpflichen  (iclehrsamkeit.  Die  folgende 
Übersicht  ermöglicht  wenigstens  eine  nngefälire  Vorstellung  des 
reichen  Inli.ilts.  I.  Monarchie:  Kntstehunj^  —  I'rin/.ip  (lanheil)  — 
Schlufsbetrachtuuijen  —  Urkönijj^tum.  —  II.  Aristokratie:  Ritter 
Priester  \*t  rbitulung  zwischen  Rittern  utul  Priestern  --  Städte 
Pini/.ip  ( Ausschlielsung:)  -  nächste  ]»rnktische  l*o1trerHnj;en  aus  dem 
rrinzip  der  Au.sschliefsung  —  sekundäre  l"igentüuilu  hkeiten  der  Aristo- 
kratie. —  III.  Absolute  Momirchie:  Entstehung  —  Ilauptanstalten  (Un- 
teilbarkeit, IlerrscheifHati»»^  Hofstaat»  Heer,  Volkswirtschaft  und  Finanz, 


V'  '  ■ 

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3" 


Beamte,  Prcniieriiiini.ster)  —  Hauptarten  (konfessionell,  höfi»ch»  auf- 

frckläil  -  Ivn^land  -  AnaliiLrioii  aus  dein  AlkTlmiii.  -  Demo- 
kratie: Kinleitiui}^  -  riin/.ij)  ((Ikichhcili  -  Ausdclinuii^  «ks  \ Oll- 
burnfcrrcclits  —  I  jnlciluii}^  dts  N'olkes  --  riunittclbarkcit  (Kr  \ Olks- 
htrrschafl  —  (kuiokratisdic  IkainU'  -  Wrfall  il<  r  I )eim)kraliL'  und 
Mittel  da^c^^cn  —  Atlun  -  Korn  -  ZuuftcUniokralK'  -  Schwei^:  — 
Nordamerika  -  französische  Revolution.  —  V.  Plulokratte  und  Prole- 
tariat: Verfall  des  Mittelstandes  -  phitokratisch-proletarische  Spal- 
tung; in  Rom;  bei  anderen  Volkern  So/ialisnins  und  Koniniunis- 
nuis  —  Vortxrnji^ung  und  Heilmittel  ffcj^en  die  plut.-prol.  Volksknink- 
lu  it.  —  Cäsarismus:  Hipentümlichkeitcn  iniallijcniciti«. n  rntnische 
Vorl.iiifi  I  Cäsar  spätere  Cäsaren  —  Militärtyrannis  der  Hellenen 
—  Allläute  zur  M ililärlyrannis  in  Cartha;^«'  —  Cäsarisnnis  im  Ueuern 
U  ilii  II  -  Crofuwell  NapoU  oti.  —  Papier  und  Druck  sind,  wie 
l»ei  einem  Werke  aus  dem  Coltatichcn  Verlage  nuhl  .nvders  /.u 
erwarten,  vorzüglich. 

Albert  SchRIBe:  Cotta.  (18.  Bd.  der  Biographien- Hamnilunfc  >Cteistes- 
helden«,  hgg.  v.  Anton  Bettelheini.)  ^  Berlin,  Ii,  Hof  mann  u. 
Co.  iS.i-  —  8».  I\  u.  199  S.  —  Preis  in  Subskr.  auf  6  Bde.  2  M., 

im  einzelnen  ^.40  M. 

Die  grofse  Mehr/alil  k(  ntU  Jols.  l'riedr.  Cotta  tiur  als  Verleger 
Schillers  und  <loclhes,  als  den  grolsen  HtK-hhändler.  V.x  war  al)er 
weit  niehr  als  das,  vermöge  seiner  nugeu t<hulicli  hohen  und  viel- 
seitigen Bildung  und  Thatkraft  und  seines  ICdelsinns.  Im  besondem, 
meint  Schaffte,  ist  es  zweifelhaft,  ob  er  als  Staatsmann  nicht  vielleicht 
noch  grofser  war  denn  als  Geschäftsmann.  Diesen  Mann  zuerst  nach 
dcnj  ganzen  Umfang  seiner  bedeutenden  Persönlichkeit  gewürdigt 
zu  haben,  ist  nun  Schäffles  \*erdienst.  Die  gemeinverständlich  ge- 
schriebene Darstellung  (der  Hauptsache  nach  schon  im  Jahrgang  1SS7 
(Kr  WVj:.  Zeitung  veröffentlicht)  zerfällt  in  S  Abschnitte.  Im  I.  wird 
eine  riitisicht  über  iK n  T.ebensgarig  CtAl.is  ;m'gebfn  ;  im  II.,  III.  und 
VII.  werden  der  Buchhändler,  im  besonderen  <ier  Verleger  und 
Frvund  der  grofi%n  Dichter«^  und  der  »Schöpfer  der  Allg.  Zeitung  , 
im  IV.,  V.,  VI.,  Vlir.  der  Politiker  und  Volkswirtschafter  (im  VHI. 
Cottas  Beisiehungen  zu  Adolphe  Thiers)  geschildert  —  Im  Übrigen 
darf  ich  mich  darauf  beschränken,  etliche  i:inzelheiten,  die  den  Mann 
besonders  scharf  kennzeichnen,  hervorzuheben.  Der  \  erleger  Cotta 
war  betont  vSchäffle  —  nach  (K  r  CniKe  (b  s  T?lickes,  nach  (iemüt 
und  Charakter  seinen  .\utoren  entweder  etjenhii' tiir.  od.  r  stand  doch 
nicht  so  weit  Selbst  hinter  den  Irrsten  und  Iksteii  und  (  .ttiisleu  seiner 
Zeit  xurück ;  er  hatte  ihnen  gegenüber  gar  nichts  von  einem  Famulus. 
So  wies  er  z.  B.  (1828;  eine  verletzende  Zumutung  Goethes  in  einer 
Form  zurück,  die  Sch.  ein  wahres  Monument  für  Cottas  Charakter- 
gröf.se  nennt,  l'nd  mit  demselben  Mannesstolze  begegnete  er  Konigen  : 
in  der  Verteidigung  seiner  Allg.  Zeitung  und  im  Kampfe  tun  die  Ver- 
fassung Würtembergs.  Das  Zustandekommen  dieser  noch  heute  gül- 


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tiirctt  libf  rnlcn  Vorfassuns  iVon  rSig)  ist  wesentlich  ihm  iiiil,  vielleicht 
ihm  ziiüK-ist  zu  (hinkcti.  Schon  vorher  hatte  Cotta  seine  politische 
oder  so/.ialjiolitisohe  r,»  simiini{r  t1a«hnvh  bekannt,  «lafs  t  r  als  der 
erste  IIerrschaflst)esU/.er  tks  k«jtii.i!;reielis  Wiu  lenibcr.^  auf  stinLU  He- 
Kit/titigeii  die  Leibeigenschaft  aufhob  c  Aber  Cottas  politische  Thätii;- 
kcit  bcscliräiikte  sich  nicht  auf  sein  engeres  Vaterland ;  er  ward  auch 
zur  Mitwirkung  in  der  grofsen  Politik  berufen:  an  der  Gründung  des 
Zollvereins,  einem  der  glücklichsten  und  folgenreichsten  Ereignisse 
der  detitsclien  Cieschichte,  hatte  er  den  liervorra«(enilsten  Anteil.  ICr 
lialte  eben,  benu  rkt  Schäffle.  das  'Avw.x  ^ür  Tolitik.  für  Politik  j^roisen 
Stiles,  fiir  Politik  nn<l  Knltnr  jed»  n  Inlialts.  für  b'ortscliritt  und  krei- 
heit  im  i^nlcn  älteren  Sinne.  Diese  iiohe  polilische  l!«  iifabuji^ drängte 
ihn  denn  aucli  /.ur  tiriindunjc  einer  grofsen  poiitisclun  -  der  All- 
gemeinen c  —  Zeitung:  eines  europäisch-dentscheii  Blattes,  welches 
in  der  Weise  der  grofsen  engtischen  und  franxüsischen  Zeitungen 
über  die  Zeitgeschichte  mit  Vollständigkeit,  Unparteilichkeit  und 
Wahrheit  in  reiner  Sprache  und  mit  etwas  britischer  k'reimütij^keit 
tiui^irt  bericht  erstatten  sollte  .  Tnd  nun  nur  noch  Schäffles  Schlnfs- 
urteil  tlln  r  j  kr  C'olta  •  kr  ist  überall  derselbe  —  w  eitbliekend,  .ireistii4. 
bvi  ,iku  1  \  <  1!,  ui,  III  iisi  ^t  ;  v'n\  Mann,  (b'f  auf  allen  (rebieten.  die 

er  anlaisi,  den  besten  seinci  Zeit  geling  lliut.  W  enn  sein  Verdienst 
weit  weniger  t^ekannt  ist»  als  es  zu  sein  verdient,  .so  ist  dies  die 
I'^olge  davon,  dafs  er,  der  Eitelkeit  und  aller  Ruhmsucht  fremd,  nur 
auf  die  Sache  sah.  —  Das  Äufsere  des  mit  einem  Uildnis  Cottas  ver- 
sehenen iUiches  macht  einen  sehr  vorteilhaften  Kiitdruck. 


III.  Kleine  Mitteilungen. 

j;in  Aus/.ujj  aus  dem  in  der  August-Nr.  empfohlenen  grofsen 
Worterbuch  von  Heyne.  Ich  wähle  die  (Icschichte  des  be;.^riffcs 
(rlück.  ntul  /war  den  ersten  Abschnitt,  der  in  der  kleinen  .Ausgabe 
(ilireni  Zuecke  entsprechend)  fehlt.  k)as  Wort  erseheint  er.st  im  Mhd. 
(als  i;elücke,  glücke,  auch  blofs  lücke),  ist  aber  }>:e\vils  viel  älter. 
I>cr  Form  nach  kollektiv  zu  einem  Neutr.  Inc.  (ieii.  luckes  (welches 
711  dem  X'erbüTn  :  ^<tlh.  lükan  ulli  nirl.  lücan,  ahd.  liohhan  und  lühltan 
mit  der  liedeutung  Hechten,  knüpfen,  verknüpfen  gehört,  und  als  luck  = 
Verschlnf.s.  Deckel  noch  im  Bairischen  lebt),  hat  sich  glück  jedenfalls 
XU  einem  relij.^.  bej^r.  entfaltet,  inden»  es  Schicksalsknn])fun.ü:  nml 
(lewebe  des  (iesrliicks  seitens  der  .tj'Htl.  Mächte  be/eichnete.  l\s  ist 
darum  von  den  thiisll.  Mi.ssionären  zurückgedränj^t  worden  und  im 
(^'brauche  erst  wieder  hervor<ietrete«,  als  der  heidnische  Siwii  des 
Wortes  ^^änzlich  |?|  vers*  Ii >a  m,i](  n  war.  Xun  erhit  U  aucli  den 
Weilen  Sinn  der  von»  (beschick  zugewiesenen  L,eben.ssteiiung  (z.  B. 
werden  Ankömmlinge  gefragt,  was  ir  glucke  wSre« ;  sie  antworten : 
Wir  sind  er/.te  mi'l  >-:nt  kristen  )  und  des  (leschioki  s  iiljerhaupt. 
Mit  diesem  Sinne  ging  das  Wort  ins  Nhd,  über.  In  einer  Vorrede 
auf  die  Kücher  SaTomonis«  wird  betont,  dafs  die  planenden  ttnd 
hiiffenden  Menschen  doch  /.uletzt  immer  merken  müssen  il as  ein 
ander  s(  i  der  das  redlin  treibt:  das  haben  denn  cttliche  gott,  cttliche 
glück  jjciiennet  .ji 


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ß2  ft>  t>i«trirk 

In  dem  S,  27  crwäluiten  Aufsat/,  (der  Xciicn  dmls  licn  Rund- 
schau) von  llatis  I'atili   fiiulet  sich  die  heaehtenswt  1 U  Hcnierknn}; 

Schiller:  Scliilkr  ;>eniefst  heul/.ulai^e,  wie  kauui  ein  /weiter 
^rofser  'l'oter,  starkes  Miistraiien  der  neumodisch  freien  lAute.  Kein 
Wunder,  da  sich  die  Knahen  und  dir  Tim  jI-hlh  an  ihm  dtn  Ma^ji-n 
verderben,  an  einem  Dichter,  der  .so  durchaus  nur  ein  Dichter  für 
Männer  ist.  Schiller  ist  einer  der  edelcn,  herrlichen  Männer,  die  sich 
selber  ^icbaut.  sich  selber  *rcschaffen.  >I(»raIln)nij>cter ?  —  ach  nein, 
das  Wort  hat  n\ir  bei  dogmatischer  Uetrachtun^  von  Schillers  Resul- 
taten einen  gewissen  Sinn,  nicht  vor  seiner  rersönlichkeit.  Schiller, 
der  Dramatiker,  war  auch  ein  dramatischer  Mensch. 

Bei  S.  Hirzel  in  Leipzig  erscheint  /..  Z.  eine  /weite  Aus^jabe  der 
(i esani nielten  Werke  von  (»nst.  Frevtaff.   Sie  enthält  alles, 

was  dir  Trichter  selbst  für  <len  lUiuk  bi^tininit  hat  ■  ruferHi.'^t  s 
und  Milslungenes,  sagt  er  in  seinem  Testament.  gehOrt  nicht  auf  den 
Markt  —  und  nmfafst  22  Bände,  nämlich :  I.  Krinnerungen  ans  meinem 
Leben  mil  rineni  jaulen  Hildnis  des  Dichters  aus  seinen  kt/leu 
Jahren),  tiedichte.  II  III  Dramen.  —  I\'  \'  Soll  und  Haben.  — 
VI.  \TI.  Die  verlorene  I land.schrift.  —  \  III.  ~  XIII.  Di.  Alnu  n.  - 
XIV,  Die  Technik  des  Dramas.  —  XV.  XVI.  Pobtische  Aui- .H/e  Auf- 
sätze  zur  ('cscbichte,  I.itteratur  und  Kunst.  —  X\1I  — XXI.  bildet 
aus  der  deutschen  Verj»angcnheit.  —  XXII.  Karl  Mathy.  —  Ivs  er- 
scheinen monatlich  5,  tm  ganzen  75  Lieferungen  /u  r  Mark. 

Die  ICnde  Aujjust  und  Anfangs  September  d.  j.  in  Zürich  ge- 
haltenen e  t  h  i  s c h  - s o /  i  a  1  wi  s se n  s  ch  n f  1 1  i  ch  c  n  Vorträge  werden 
unter  dem  Titel  Züricher  Reden  \  on  A.  Siebcrt  in  Berit  verleg 
Xoeh  \<>r  Schlufs  dii  X'orträj^e  ist  <lir  1.  I,ii  feniiTj  erschienen:  ein 
8aui>eres  Heft,  dessen  Treis,  15  Cts.,  erstaunlich  billig  er.scheint.  W  ir 
wenlcn,  wenn  möglich,  auf  die  Sammlung  zurückkommen. 

Bisher  suchte  man  die  liiklärun^  für  das  \  orhandcnsein  vou 
rfahlhauten  auf  dem  Wasser  lediglich  in  der  groiseren  Sicherheit 
vor  I'einden  und  'i'iereii.  l  aue  ganz  andere  b'rklärung  hat  jün.yst  ein 
liaseler  Xaturforscher.  l'ril/  S  irasin,  \<»ti  »  infT  Reise  ipi.  !  (fnro!i  die 
süilöstliclie  Lamlzunge  von  Cciebes  mit  liciiUi^-ebrachL  Va  iiuL  näm- 
lich d(»rt  den  Makanna  See  u<k>  m  über  Meer,  etwa  so  grofs  wie  der 
Tluiner-vSee)  und  auf  diest  in  ei»»  durch  brücken  mit  dem  I.ande  \  er- 
bundencs  Tfahlbaudorf  entdeckt.  Der  Rei.sende  .suchte  nun  zu  erfahren, 
was  die  T^eute  xur  Errichtung  von  Pfahlbauten  bewogen.  Tnd  überall 
erhielt  er  die  Antwort:  weil  Schmnt/  und  Abfälle  leichter  zu  besei- 
tige« sind,  ziehen  .sie  das  Wohnen  über  dem  See  vt)r. 

Der  englische  ( ieneralkonsul  in  ( )dessa  erw  ähnt  in  seinem  kl/.tcn 
nerichte  über  Südnif^'.md.  dafs  Riii'sl.iiid  schon  dvn  sechsten  Rang 
unter  den  Weinbau  Ireibeutlen  Landern  <ler  LnU  einnehme  und  in 
die,ser  Hinsicht  wahrscheinlich  bald  Dcutschlainl  überflügeln  werde. 
Den  besten  Wein  erzenivi  ii  bessarabieii  und  die  Krim.  D;is  erstere 
.steht  nach  Quantität  und  (.)*i^l>ti^t  der  I^e.se  ubenan  ;  .sein  Klima  und 
Boden  eignen  sich  vorzüglich  zum  Weinbau.  Ks  wird  fjust  jede  Sorte 
erzeugt,  vom  starken  Rotwein,  der  dem  burgunder  ähnlich  ist,  bis  zu 
einem  Weilswein,  der  in  manchen  I'älleii  den  Rheinweinen  gleich- 
kommt. -  Ru.ssiseher  Wein  dürfte  übrigens  kaum  ausgeführt  werden; 
das  gesamte  ba  /eugnis  wird  im  Lande  Verbraucht,  weil  die  hohen  Schutz- 
zölle jede  Konkurren/  «seitens  des  Auslandes  unmöglich  machen. 


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Wissenschaftliche  Beilage. 


Nr.  5.       Besorgt  von  Buä,  JHetrich  in  Nürnberg.     Nov.  1896. 


CSalle  8S. 

[.  Abhaudlimgeii. 
I. 

J.  Platter  sieht  in  einer  gewissen  Strömung  der  sog.  Frauen* 
bewegung       die,  wie  es  scheint,  noch  immer  Oberströmung  ist 

—  einen  K  r  i  e ^  g e  e  n  d  i  ^^  ü  1 1  e r«  (Neue  deiit>che  Rund- 
schau 1896,  IX)').  riatter  ist  nicht  etwa  ein  Feind  der  ganzen 
Hewej^ung.  l^r  bekennt  sich  >a!s  aufrichtiger  Freund  der  Freiheit, 
als  wahrhaft  koiv-LtjiRiiten  Demokraten,  der  dem  weihlichen  (>l- 
schlechte  durchaus  gleiche  Rechte  gönnen  will  wie  dem  männ- 
lichen und  nicht  in  einem  einzigen  Falle  verlangt,  dafs  das  Ge- 
setz dem  Manne  als  .solchem  irgend  eine  Art  von  Vorrecht  ein- 
räumt .  W^er  das  aristokratische  Prinzip  irgendwo  zuläfst,  der 
ist  auch  in  der  Frage  der  P'ra  neuem  an  zipation  nur  ein  seichter, 
konsequen/.loser  Scliwät/er.  Icli  bin  also  vor  allem  für  volle 
})olitische  Gleichberechtigung  der  Gtschlerhtt  r;  die  Frauen  ningeti. 
wenn  sie  wollen,  im  Staate  ganz  KolK-  s])iflfii  w'w  die 
Männer.  I'nd  man  soll  ihnen  aucli  keinen  Herui  rechtlich  \er- 
schltefsen;  wenn  ihnen  jeder  frei  zugänglich  ist,  so  werden  sie 
schon  finden  und  zeigen,  was  für  sie  pafst  und  wofür  sie  passen«. 

'Aber  der  typi.sche  Frauenemanzipator,  der  leibhaftig  vor 
unsem  Augen  dasteht  und  predigt  und  mit  dem  wir  ein  W'örtchen 
sprechen  nu'ichten,  ist  gar  kein  Frauenemanzipator;  das  (»ebiet, 
auf  dem  er  sich  ausschlic f^lich  mit  seinen  scheinbar  fundamen- 
talen und  radikalen  Ideen  bewegt  -  er  ist  nämlich  in  Wahr- 
lieit  regelmäfsig  ein  echter  Aristokrat  und  Autoritätsmensch  — 
ist  nieht  die  Frauen  ,  sondern  die  Daniculrage.  Die  Freunde 
der  Damen  und  der  Damenfrage  denken  wesentlich  an  die  Töchter 
gewisser  in  Deutschland  besonders  typischen  Schichten  der  oberen 
gebildeten  Klasse,  welche  viel  Prätensionen  und  Dünkel,  aber 
wenig  r.thl  haben  und  gewohnt  .sind,  ilm  Söhne  hauptsächlich 
in  Staatsstellungen  nntc  r/nbringen.  Die  Damenfrage  spitzt  sich 
daher  praktisch  darauf  zu,  Töchtern  dieser  sozialen  Region  er- 
träglich besoldete  sichere  Stellen  zu  verscliatfcu,  da  sie  wegeu 

')  Aus  dem  übrigen  Inhalt  des  gleichen  Heftes:  Am  Kihma 
Xds(  haro.  Tagcbuchhlätter  eines  Afrikart'isctTdi.  ti,  hirir  v  Vr/  r.ifse- 
brecht. —  Zur  Xaturgesehichtc  des  modernen  Rtnnan.s.  v.  W  ilh.  Kölsche. 

—  Das  litterarische  Interesse,  v,  Max  Osbom.  —  Zeitschriftenrund* 
schau.  -  Ich  komme  auf  das  eine  und  andere  Stück  zurück. 


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R.  Oi^trivh. 


Abwcsi-nhcit  eines  \'ermnircns  keine  l>eniliiijendr  Aussicht 

auf  V'erlieiraUnis^^  haben.  Dabei  denkt  man  \ve^t.nllich  an  irgend 
welche  llennUcu  und  alle  möglichen  LehrerslcUen  und  imnur 
auch  an  den  ärztlichen  Beruf  .  Sobald  nun  diese  intclleklucile 
Kmatizipation  der  Frauenwelt'  allgemein  werde,  mds.se  die 
Leistungsfähigkeit  des  Weibes  als  Mutter  gefährdet  erscheinen, 
was  sich  mit  amerikanischen  Erfahrungen  beweisen  lasse. 


In  der  l'mschau  des  Juniheftes  haben  wir  über  verschie- 
dene Gaben  der  Deut  seilen  Dichtuni^  berichtet.  Heute 
Fortsetzung.  Uns  liegt  die  erste  Hälfte  des  XX.  Handes  vor. 
Unter  den  51  Dichtungen  in  Versen,  welche  die  sechs  Hefte 
bringen,  finden  .sich  vier  -  kaum  mehr  wirklich  gute.  \'ou 
Frz.  Nagel  (  April'  H.  II,  S.  55)  ein  hübsches  Stimmungsbild: 
junger  Frühling,  und  ein  Greis,  der  ihn,  halb  verstuhlen,  geniefst 
H.  Klinke  (>Ira  Frühling  l\\  1)5)  schildert  die  schimmernde, 
flüsUrnile,  rauschende,  klingende  IViesie  <  iner  lAir/tiacht.  \V. 
Hloem  (  Hochzeitsreise  die  ri)ersch;  ir.  ]K\\-^i  im  ht  ganz 

V.  I  u))  erzählt  in  einiaehen,  annuitigen  Velsen  \uu  einem  jungen 
Paar,  das  sich  nach  der  Hoclizeit  in  einem  Inselbadeorte  nieiler- 
gela.Hsen  und  nun  dort  das  innigste  Stittteben  fährt.  Undlich 
ein  gemfitvoUer  Bericht  von  den  guten  Werken  und  dem  Lohne 
der  lieben  alten  Tante    Pockenlie.se    (v.  K.  Rittershaus  III,  67.) 

\'on  den  übrigen  (»edichteu*  sind  zwar  einige  noch  erträg- 
lich; aber  damit  ist  nicht  gesagt,  dafs  sie  gedruckt  werden 
mufstcn.  Ivtliche  andere  /eiehjien  sich  durch  originelle  Kinzel- 
heiten,  Kühnheiten.  Sunderbai  kriu  n  n.  dul  aus,  an  denen  der 
geneigte  Leser  sich  ohne  Zweifel  ergoi/en  wird,  .st>dafs  wir  sie 
ihm  nicht  vorenthalten  dürfen. 

Da  ist  2.  B.  Herr  Hugo  Salus  («Der  Poctenstcig  = ,  IV,  88). 
der  meint,  die  Deutschen  seien  kein  'Volk  von  Dichtem*  mehr. 
Aber,  Herr  Salus,  Sie  seilest  und  Ihre  vielen  Genqs.sett  in  der 
Deutschen  Dichtung'  -  keine  Dichter?'  In  einer  einzigen 
Zeitschrift  so  viele  was  wdHeii  Sie  denn  noch  nuln  I'twa 
Proben  v<»n  b'clillieil,  l'rsprünglichkeit  ?  Hier  sind  .>^ie.  Kollege 
J.  Scliuljerl  uenal  in  seinem  Sonett  von  der  Finsamkeit  {I.  11) 
diese  eine  stolze  Spröde  ;  wer  hat  sie  sich  jemals  so  vorge- 
stellt? wer  auch  schon  von  ^^des  Verge.s.sens  Götterstunde*  ge- 
hört (mit  der  uns  der  gleiche  Herr  bekannt  macht)  ?  Und  warum 
der  «leidgebengte  Waller  gerade  noch  blöde  sein  mufs,  ist  ge- 
wifs  nur  dem  tiefen  vSiinic  des  Dichters  offenbar  —  etwa  des 
Keims  wegen  '  (Hier  hat  ihm  übrigens  der  Drucker  einen  Streich 
gespielt,  nändich  in  der  entsprechenden  Zeile  das  letzte  Wort 
wegi;».  la->-en.  sodals  nun  tU  i  Rc  ii^i  \  «  rinntlieli  s<  Imöde  fehltl. 
Da  wir  gerade  beim  Reim  stehen  .  Clnislian  Morgeusteru  (Guter 


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VTIcscnnckaftltelM  Bsilifa. 


35 


Rat  }\\  95)  braucht  einen  auf  Strnfse;  drum  spricht  er.  statt 
von    edlen  l'Vauen  .  von    edler   -  Kranenrace  !   Iii nes  Hügels 

dürrer  Seliädel     |J.  A.  Bondy.     Oolj>atha  135)  ist  auch 

nicht  \\\><A        und    wirklich  originell  ,  wenn  v'wier  (W.  Bloeni, 

Die  Mtiwe  ^^y)  seinem  lyiede    Müwtninul    wünscht,  mit 

dem  es  über  (ieni  lüdcnleben  helläugig  schwebten  ,  gele.^entlich 
auch  r'tn  die  Klüt  tauchen ^  soll.  Von  ähnlicher  «Originalität« 
ist  die  Vergleichung  den  Mondlichts  mit  dem  Miitterauge 
eine  Krfindnng  der  Dichterin  H.  Robertin  (III,  62).  Aber 
der  Mond  ist  doch  nicht  etwa  als  Mutter  der  Erde  gedacht! 
Warum  denn  nicht?  Wer  will  einer  Dichterin  das  Recht  dazu 
.ilisprcchcn !  I>:if^  man  sich  des  Khstands  goldnes  \'licfs 
et u erben  knn!i,  wulste  <ler  '^eneii^te  Fieser  wohl  auch  nicht. 
So  weifs  ers  jel/l.  lirkläreiv  kann  lehs  ilun  aber  nicht.  \  icUeicht 
bittet  er  Herrn  lunil  Kitter.shaus  darum.  Und  Herrn  Hugo 
Salus  könnte  man  fragen,  wie  berauschend  süfse  Dflfte  den 
Pulverdampf  jsu  schrecken^  vermögen ')  -  desgleichen  Herrn 
Herrn,  Abnoba.  ob  es  wirklich  w  ahr  ist,  dafs  einer  im  zoologischen 
Museum  (II.  55)  einmal  vor  seiner  Maid  auf  die  Knie  gesunken, 
und  ob  es  ihm  in  dieser  Stellung  niö^^lich  war,  von  ihren  Tyippen 
Seligkeit  zu  trinken.  Oder  hat  sie  uu  h  mit  gekniet?  Zwerghaft 
klein  wird  sie  doch  nicht  gewesen  ^.in! 

Das  alles  ist  mehr  oder  weniger  /um  Lachen  und  <lement 
Sprechend  berichtet  worden.  Jetzt  al^r  gehts  aus  einem  andern 
Ton.  Ks  sind  nämlich  unter  den  5 1  Reimwerken  wieder  etliche 
von  der  Sorte,  die  ich  früher  kurz,  als  ungesund,  unwahr  be- 
zeichnet. III,  62  gleich  zwei,  x(m  der  schon  einmal  angeführten 
sog.  Dichterin:  Merbsl  und  Winlernacht  .  Beide  sind  weit 
schnicr/liche  Wüli lereien  :  itn  ersten  verrät  H  Rf>bertin  überdies, 
<lals  Me  keine  Ahnung  \  on  der  ICntwickluiiL;  det  I.ilirt.'^/A  ili,  n 
hat,  dais  sie  sich  noch  nie  mit  Xaturbeliacliluug  abgegeben. 
Und  da  sind  ihr  denn  so  alberne  Behauptinigen  möglich  wie: 
'  dafs  die  Blumen  in  Sommers  Gliituniarmung  Wonne  getrunkener, 
dafs  aber  »trüglich  Sommers  Treue,  Lüge  all  sein  süfses  Werben«. 
Diese  Lüge  nuifs  im  nächsten  (ledicht  wieder  herhalten:  Krau 
oder  Fräulein  K.  lässt  den  Mond  zu  einer  von  ihr  geschaffenen 
(lunnnen  I{rde  sa.iien :  Bnld  nahet  die  Zeit  sich,  da  alles  ver- 
gehet. Was.  Ivrde.  <hi  Tlunin  <^'e!i:iiiii  bn^t  tnit  Herzblut-  das 
Schi/ne  nur  schillern<ie  I^ii^^el  \\  iM  st.  ,]insl  du  im  Herbslsturm, 
beschwörend,  anklagend,  verzweifelnd  .   Die  Ivrde,  bemerkt  weiter 


M  In  demselben  Poem  (Die  Festung  II.  54)  findet  sich  die  komische 
Strophe : 

l  ud  der  l'ricden  auf  den  Saaten 
Ist  .so  stark,  dafs  selbst  die  Massen 
Der  niarschirenden  Soldaten - 
X-n  dem  bunten  Bilde  passen. 


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36 


der  gescheite  Rohcrtiusche  Mond,  werfe  die  Flitter,  die  i;leiiseii- 
den  Gaben  des  Souiniers  verächtlich  ab.  nur  eins  noch  bej^chrend : 
\  ergtrssen  in  traumloser  Ruhe.  Desselben  Geistes  Kind  ist 
F.  Ottmer.  Er  (oder  sie?)  behauptet:  Nur  eins  ist  dein  (VI,  144). 
Was  aber?  Der  Schmerz.  Der  Besitzer  soll  ihn  «zärtlich  in 
seines  Herzens  Tiefe  drücken  .  Geschieht  das:  wie  kann  dann 
dieser  selbe  Schmerz  dem  Sterbenden  die  Lider  schliefsen.  ju 
soj^ar  au f>.  Grab  den  Stein  setzen?  Docli  lialt  der  vStcin  wird, 
nach  F.  ()..  gei)f]an7t.    Nebenbei  erfahren  wir,  das  Glück 

dir  Stirn  des  von  ihm  iükorenen  rait  einem    vollen  Kranz  von 
liuiiKciroten  Rosen  umlaubt--. 

Doch  erklären  wir  zum  Schlüsse  k^^^^  ^^^^  zuletzt  ge- 
würdigte Sorte  in  den  vorliegenden  sechs  Heften  nicht  so  zahl- 
reich vertreten  ist  als  in  den  früher  besprochenen  fünfen.  Und 
ganz  verschont  geblieben  sind  wir  diesmal  von  der  greulichsten 
der  Dichterinnen  (Hermine  v.  Preuschen), 

Der  folgende  xXbhchnitt  möchte  auf  drei  \V<  1  ke  hinweisen, 
die  sich  zu  Weihnachtsgeschenken  vorzüglich  eignen.  Siv 
sind  sämtlich  bei  Fr,  W.  Grunow  in  Leipzig  erschienen,  und 
es  stechen  an  ihnen  —  abgesehen  vom  innem  Werte,  der  sofort 
nachgewiesen  werden  soll  -  dieselben  gutui  I*)igenschaften 
hervor,  welche  wir  früher  schon  bei  zwei  Werken  des  gleichen 
Verlags  kennen  gelernt:  feines  Papier  <anberer  Druck,  hübsche 
Randleisten  und  anderer  kleiner  Zierrat.  ansprechende  Einbände, 
und  bei  alledem  ein  ungewuhnhch  niedriger  l'rci>- 

Zunächst:  Aus  unsern  vier  Wänden,  von  RudoU 
Reichenau  (2.  Aufl.  1890.  —  kl.  «•  VIII  u.  696  S.  -  -  geb. 
5,50  M.)  Julian  Schmidt  urteilte  Ober  das  Buch:  Nach  meiner 
Überzeugung  gehört  es  zu  den  besten  Familienbüchern,  die  wir 
besitzen,  so  recht  dazu  geeignet,  abends  in  unsern  vier  Wänden 
vorgelesen  zu  werden.  Der  Ton  im  Titel  liegt  auf  unsern-  :  * 
damit  will  gesagt  sein  der  Dichter  denn  das  ist  er  -  ent- 
nimmt seinen  Stolt  seinen  vier  Wämten.  seiner  I.eben.s-emein- 
•schaft,  seinem  Gesellschaftskreise.  Das  lieil'st  zunächst;  er  .schildert 
das  Familienleben  in  der  oberen  Schicht  des  wohlhal>enden 
deutschen  Mittelstandes.  Die  Leute  —  im  Städtchen  spielen  sie 
die  KoUe  der  »Honoratioren*  —  befinden  sich  in  sehr  behag- 
lichen Verhältnissen.  Alles  geht  gut,  wie  wenn  sichs  so  von 
selbst  verstünde.  Von  Not,  Kampf  keine  Spur.  So  können  sich 
aiich  die  Kinder,  <lie  sämtlich  gesund  sind,  frei  wnc]  fröhlich  ent- 
wickeln. Weiter  l)e(leuUl  jenes  \niser  ,  dafs  der  Diehter  von 
seinen  Landsleulen  cr/.äliU,  und  zwar  von  denjenigen  seiner  Lands- 
leute, die  zugleich  seine  Altersgenossen  sind.  Rud.  Reichenau 
(+  ist  am  12.  Mai  1H17  in  Marien werder  geboren,  und  eben 


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Wi«Mmi«h«fUle)i«  Btlloge. 


diese  Stadt  mögen  die  vier  Wände  bedeuten,  von  denen  der 

Titel  flcs  Buches  spricht.  Die  am  Anfang  als  Kinder  auftreten, 
^iiid  am  ICnde  des  I.  Teils  (der  bis  S.  508  reicht),  d.  h.  ums 
Jahr  1.S4S,  iClteni.  Der  bei  weitem  kürzere  II.  Teil  berichtet 
dann  noch  etliches  über  die  Orofseltern  tmd  deren  Herkunft.  — 
Ks  wird  also,  im  wesentlichen,  die  Ck-^cliichte  einer  Familie 
erzählt,  doch  nicht  eigentlich  als  Geschiclilc,  als  Ruman  etwa. 
Der  Dichter  bietet  vielmehr  eine  lange  Reihe  fein  ausgeführter 
Einzelbilder,  z.  B.  26  ^Bilder  aus  dem  Ktnderleben%  zu  denen 
aber  noch  weitere  15  aus  dem  nächsten  Kapitel  (>  Knaben  und 
Mädchen«)  gehören.  Das  III.  Kapitel  .\usvvärts  und  daheim 
ist  der  Berufslehre  gewidmd:  zwei  Jünglinge,  ein  Landwirt  und 
ein  Student,  stehen  im  Mittelpunkt.  Dann  folgen  Liebesge- 
schichten (:ds  deren  schönste  mich  Spaziergani;  dünkt)  urifl 
zuletzt  sehen  wir  natiiilich  die  jungen  Leute  an  ihrem  eigenen 
Herd  (ungemein  anmutig  in  Abendbeleuchtung  ).  Nun  folgt 
der  schon  erwähnte  zweite  Teil,  in  welchem  die  jungen  Leute«^ 
als  beinahe  schon  alte  Leute  auftreten ;  nur  das  jüngste  der  Ge- 
schwister ist  noch  ein  junger  Ehemann,  sein  zweites  Kind  gerade 
so  alt  wie  er  selbst  im  nstm  Hilde:  ein  Vierteljahr.  Damit 
schliefst  das  gemütvolle  Buch,  aus  dem  icli  nur  noch  zwei  gute 
Vv'ortr  mitteilen  möchte:  T>ns  Höchste  ist,  gaü/  schlicht  und 
still  zu  thun.  was  die  Menschheit  eben  am  nüligsten  braucht, 
auch  ohne  vorlier  ausgeschriebene  Preiskonkurrenz,  und  weiui 
das  Grofse,  nachdenj  es  vollbracht  ist,  auch  oft  so  einfach  und 
natürlich  erscheint,  dafs  wir  schwer  begreifen,  wie  man  nicht 
schon  längst  darauf  gekommen  ist  (S.  126).  -  -  Wenn  du  glaubst, 
einen  besonders  guten  Einfall  zu  haben,  so  recht  was  Auserlesenes, 
dann  besieh  dir  die  Weisheit  doch  ja  noch  nuil  von  der  andern 
Seite,  ob  -k-  da  nicht  sehr  dunitn  nnssielit  (S.  2G2). 

D:\s  /writr  Huch  Grunowschen  \\rl;ii;s,  das  ich  für  den 
W'eiluiaclitslisch  empfehle,  nennt  ^ich  •  Ski/.zen  aus  unserm 
heutigen  \'olksleben,  gczeicluiel  von  Fritz  Anders  (1892. 
—  kl.  8'  IV  und  330  S.  —  geb.  3,60  M.).  Es  wird  am  besten 
sein,  wenn  ich  den  Verfasser  selbst  von  seinem  Buche  reden 
lasse  Die  .Vbsicht  war  ursprünglich,  die  .staatlichen  und  sozialen 
Verhältnisse,  sowie  die  Wirkung  der  gegenwärtigen  Gesetz- 
gebung an  konkreten  Dingen  und  Personen  zu  zeigen.  Später 
wurde  der  (ksichtskreis  insofern  erweitert,  nl-;  sich  die  Ski/^'cti 
zu  CharakterbiMem  aus  der  Gegenwart  Lctalteten.  I{s  sind 
persönliche  Krlaluungen  u  .d  Beobachtungen  des  Verfassers, 
nach  der  Natur  gezeichnet.  Die  Sammlung  bietet  im  ganzen 
22  Skizzen.  Die  erste  befafst  sich  mit  einer  von  den  jämmer- 
lichsten Schwächen  unserer  Zeit,  mit  der  Vereinsmeierei  und 
deren  faulstem  Au-wuchs:  der  Kommissionen« -Bildungs- 
sucht.   Die  später  erzählte  Geschichte  einer  Pfarrerwahl  veran- 


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schaulicht  unserti  gröfslen  nationalen  Mangel:  den  Mangel  an 
politischer  Bildung.    Wie  kann  ein  Volk  seine  Rechte  -  Rechte. 

die  ihm  allerdings  gebühren  ausüben,  wenn  es  nicht  reif 
da/ii  ist?  Von  selber  aber  wird  j;ar  nichts  reif.  Mrriclitel 
freie  Bürgerschulen:  das  i^^l  das  Mittel  /ntn  drinq;]ichon 
Zweck,  und  ein  billiges  Mitte!.  I>it  ke>;ierungen  werden  keine 
gründen,  obgleich  es  eigentlich  jIul  Pflicht  ist.  Sie  .schaffeti 
lieber  u.  a.  möglich  \  icle  Ikhörden.  soviele,  dafs  sie  auch  als 
Hemmschuh  wirken  können.  Lieber  Freund  •  Nagt  Fritz 
Anders  sehr  hübsch  in  seiner  Skizze  vivine  Seeschlange  ,  die 
von  der  Versorgung  ciiu  -  x  crwahrlosten  Kindes  liandcU  lieber 
Freund,  mit  den  Behörden  ist  es  -cnn  i  wie  mit  den  Dienst- 
boten; je  mehr  man  hat,  desto  schlechter  wird  man  bedient 

Auch  (Ins  dritte  Buch,  auf  das  ich  hier  angelegentlich  aut- 
merksam  mache,  ist  eine  Sammlung,  aber  andirer  Art:  ein 
Zitaten  schal/-,  getlügelle  Worte  und  andere  denkwürdige 
Aussprüche  aus  Geschichte  und  Li ttoratur.  gesammelt  \'on  Hans 
Nehry  (2.  Aufl.  1895.  -  kl.  8".  VII  und  623  S.  -  -  geb.  6  M.) 
Rüther  mit  ähnlichem  Titel  gibt  es  mancherlei;  sie  sind  aber 
teilwci.se  von  zweifelhaftem  Wert:  geben  die  W'orte  oder  ihre 
Urheber  nicht  genau.  Wissenschaftliche  Zuverlässigkeit  ist  nun 
gerade  die  Hii^ctitümlichkeit  des  \ehr\ sehen  Buches.  T'nd  nicht 
nur  sind  du  Zitate  richtig  und  ihre  Fundorte  «lerm.il^en  be- 
zeichnet, dals  sie  leicht  nachgeschlagen  werden  können ;  .sondern 
es  ist  auch,  soweit  nuiglich,  nach  dem  ersten  Auftreten  eines 
Gedankens  geforscht  und  damit  eine  grofsc  Zahl  hoch  will- 
kommener geschichtlicher  Anmerkungen  oder  Krtäuterungen  er* 
möglicht  worden.  Im  ganzen  enthält  das  Buch  nahezu  6000 
einzelne  Stücke,  welche  im  allgemeinen  und  im  besondern  nach 
der  Buchstabenfolge  geordnet  und  innerhalb  jeder  (iruppe  1h*- 
ziffert  sind.  Aulserdem  ist.  um  das  Buch  .so  handlich  al<:  niog 
lieh  zu  machen,  ein  nach  Stichwörtern  zusammenge>telltes  \  er- 
zeichnis  beigegeben.  I{s  dürfte  kaum  eine  zweite  Saiumluug 
geben,  welche  der  Nehryschen  in  allen  Punkten  gleichkäme:  in 
der  Reichhaltigkeit  und  Genauigkeit  der  Zitate  selbst  und  der 
(juellenmäfsigen  Nachwei.se.  der  bequemen  Anordnung,  vorzüg- 
lichen Ausstattung  und  Billigkeit 

IL  Bücher. 

Ilie  Sittlicbkeitalehre  als  Naturlelirc.  -    Lcip/ig.  Dunckcr  11.  Ilumblut 
1894.  —  H»  IX  und  it6  S.  —  2  M. 

Die  durchaus  eigenartige  Schrift  —  veranlaf^t  durch  das  be- 

kaittile  rreisausschreibeii  der  Deutschen  ( iesellschaft  lür  ithische 
Kultur  -  he/.\veckt  naolizuueisen  i.  die  Möglichkeit,  2.  die  dringende 
Notwendigkeit  einer  relij^^ionslosen  verhindlicheTi  I'*thik.  dafs  eine 
natürliche  l-!thik  iiihalllirb  \im  <Kt  reli^i« »seil  i  Aink  wc  nilich  nicht 
verschieden,  4.  dafs  Uicüe  natiüHche  Lithik  für  alle,  welche  das  Natur- 


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36 


gesct'/  als  ein  jjöttliches  Gesetz  mi  rl  tmi  ebenso  verbindlich  ist 
wie  <lif  iLlij^iöse  l^tliik.  T)er  t-rstc  und  /wliU  l'cweis  sind  dem  V'er- 
fasser  pelun.uen.  der  driUr  und  vierte  jedoch  nicht  —  deshalb  nicht, 
vveil  sie  nicht  <;elinj;cu  kr»nncn.  b's  handelt  sich  nicht  ]»K>is  um  ver- 
schiedene Namen,  l'\>rnien ;  (iie  kircliliche.  leltgujjse  —  oder  wie 
man  sie  nennen  will  —  und  die  rein  menschliche  Sittlichkeits- 
(Rechtsichaffenheits-)I/chre  beruhen  auf  g^egensäUUchen  Weltan- 
schauungen, die  in  einer  Seele  nebeneinander  nicht  bestehen 
kuimen.  Übrigens  scheint  der  nnj^cnnnntc  Antor  doch  anch  derselben 
Ansicht  /n  ^ein  :  wenij^stens  wünscht  er  dentlich  die  Kclij^ioTi  dnrch 
die  nati'irliche  Sitlb'cli'ccit  überholt,  nberwnndett  /u  sehen  f\  trl  S.  ;mS. 

1'  »  —  Was  nun  den  t  reliall  der  ant  i^nte^  I'  nn  r  s.uibcr  *(edrnckten 
Schrill  im  allgemeinen  und  ganzen  anlangt,  s»*  k.mü  uum  nur  sagen, 
dafs  er  ein  ungewöhnlich  reicher  ist,  der  eine  Menge  trefflicher  Be- 
lehrungen und  Anregungen  bietet.  Ich  verweise  auf  die  Äulserungen 
über  sittlichen  Trieb,  Stttengesetx.  Sittlichkeit,  Aufgabe  der  £thik. 
So/ialethik.  s(v.ialcs  (iewissen.  Mafsstab  zur  Bewertung  der  Hand- 
Inngen.  sittliche  Weltordnnng,  irdische  Erl<"snnij:^.  J-jn  Anhang  be- 
richtet üb(  r  die  \V\  dd;is  ani  Ceylon  eint  f.i>l  nuitx  lu  nhafte,  noch 
affenähnln  hiMcnschenart,  die  bei  anisv  i  .1^  ntlich  geringer  nitcllek- 
tueller  ICnlwicklung  dnrch  ihr  sittliches  \  tihalten,  dnrch  ilie  Rein- 
heit eines  strengen  IChelcbens  nnd  durch  alle  Tugenden  edler  Männ- 
lichkeit ihre  zivilisierten  Nachbarn  ganx  auffallend  liberragen 
Laasar-Oohii:  Die  Chemie  im  täglichen  Leben.  Gemeinverständlicho 

X'orträge.  Mit  19  Holzschnitten.  —  Hamburg  und  Leipzig,  Leop. 

Vo(s  iSy6.  -  .S«.  VII  und  25S  S.  -  }  M. 

Die  zwölf  Vorträge  —  ein  saclilieli  dankenswertes  rnternehmen 
—  behantlcfti  kurz  gesagt,  den  Anted  der  Chemie  an  der  Haus- 
wirtschaft, viobci  »b<  r  di«>  lletrachtnn</  notwendigerweise  oft  auf  die 
Xolkswirtschail  .lu.sgctleliut  werden  mufs.  In  welcher  Weise  \'erf. 
verfährt,  mögen  drei  Inhalts-Skizxen  dartun:  L  Das  Atmen.  Die 
Physik  und  die  Chemie.  Ciewicht  der  Luft.  Barometer.  Analyse  der 
Luft.  Argon.  ()7.on.  Veischicdenheit  der  ein-  und  ausgeatmeten 
Luft.  Ivrhaltung  A<.r  Körperwärme.  \"erbrennnng.  Zündhölzer.  C.elber 
und  roter  Phosphor.  C.emischte  Kost.  UnUer.  Margarine.  Stärke- 

mehl. Die  /uckerarteti  Snfswerden  der  l-'rnchte.  I>nähnnig  der 
ZnckerkrankcTi  ■iVatd)etizncker.  Iloidxms.  Zncker-CoidtMir.  Rohr 
'.ueker.  Ivxportpiamien.  Saccharin.  Die  Nahrungsauinalime.  Koch- 
Lal/..  ICisen.  Wert  des  Kochens.  Suppe.  Brotbacken.  Kochen  der  Kar- 
toffeln. VlU.  Ölmalerei.  Trocknende  und  nicht  trocknende  Öle. 
Leinöl-Firnis.  I^ack.  Tinte.  CelUilose.  Papier.  Leimen  des  Papiers. 
Strohstoff.  Alfastoff.  Natron  cell  ulose.  Sulfitcellnlose.  Patentwesen  — 
Ob  nun  die  N  orträge  wirklich  genau  so  gehalten  worden,  wie  sie 
jetzt  gedruckt  vorli«  11  '  Der  Stil  in  dem  liuche  ist  nämbch  derart 
fehlerhaft,  »lais  es  eigenth'ch  erst  durch  \'<  rbrsscnmgcn  eines  j  i  ach- 
kundigen und  schriftgewantlten   Mauues   hatte   druckfähig  werdeti 


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R.  Dietrich. 


k«>tinen.  So  aber,  wie  es  leitler  thatsächlich  auf  deti  Mrtrkt  gekommen, 
(Uirftc  rs  dem  «futen  Rufe  des  Herni  Verkj^ers  schaden.  Ich  ver- 
weise, t)eis|)ieisueise  nur,  auf  die  Seiten  i.Va  4' -43.  47  —  und  be- 
merke schlieislicli,  dafs  der  \'erf.  rniversitätsprofcssor  in  Königsberg 
ist.  —  Das  Äufsere  des  Buches,  besonders  der  klare  Antiquadnick, 
spricht  an. 

HI.  Kleine  Mitteilungen. 

Ergänzung  zu  I,  3:  Die  Ende  vor.  J.  begonnene  neue,  durch 
Frz.  Hein  und  Fr.  Kallmoi^en  illustr.  Ausgabe  von  Ad.  Stifters 
Studien  lici^t  nun  in  drei  ("lauzkineubänden  volleudct  vor.  Preis 
15  M.  —  l'jue  friiluro,  7weibändig;e  Aus^.ilx  der  Studien  ist  geb. 
für  12  -M.  VAX  haben.  Aiii'serdem  empfehlen  wir  die  Sehr  gut  aus- 
gestatteten »Ausgewahl  U  u  Werke  Stifters.  Bde.  (I.  II.  Studien. 
III.  Ihnite  Steine.  W.  I-r/.ählungeii  1  Treis  in  (ian/kineu  geb.  tS  M.. 
in  Halbfranz  24  M.  Sämtlich  in  C  1".  Amelungs  Verlag,  Leipzig. 
—  Stifters  »Schriften  bringen  nientandem  höheren  Gewinn  als  dem 
]{rzieher.  Ihre  Ivigeuart,  kurz  bezeichnet:  edle  Sprache,  tiefsinnige 
Isaturbetrachtung,  reine  Men.schiichkeit  —  Vorzüge,  die  vereint  bei 
keinen  andern  Dichter  sich  finden. 

lleNiies  lUiitsches  \V  ö  r  t  c  r  lui  c  h  ,  kleine  Aiis:4.d)e.  (vgl. 
Aug.-Nr.)  ist  l»is  zur  10.  Lieferung  gediehen.  In  den  iieitleti  letzten 
Lieferungen  .sind  u.  a.  einge-;end  behandeU:  Rat  und  raten  —  Recht 
(recht)  —  Rede  und  reden  —  rein  —  riehten  und  richtig  Ruf  und 
rufen  —  Knhe  und  ruhen  —  i>agen  —  sanft  —  satt  -  -  schaffen  — 
scharf  —  schicken  —  Schlag  und  schlagen  —  schliefsen  und  Schlufs. 

wurden  4240000  Tonnen  R  ü  Vu  i:  ti  cke  r  erzeugt  idie 
Tonne  zu  1000  kg».  Davon  lieferten:  Deal,  cliland  weit  über  '/,. 
Österreich- L'iigarn.  Rufsland  uncl  Krankreich  je  ungefähr  :  das 
letzte  Scchstt  l  fit  l  .uTf  Belgien.  Holland  und  J-kanc^iii  iN  ien.  -  Die 
Rohr  Zuckerproduktion  brachte  es  nur  zu  2  830000  Tonnen  ^1894/^5: 
3520000;  der  grofse  Unterschied  rührt  von  dem  durch  die  Revolution 
bewirkten  Ausfall  auf  Cuba  her).  Sie  verteilt  sicli  auf  die  \  ier  läd 
teile  Amerika  (das  in  ^normalen  Jahren^  allein  -'/j  liefert).  .Asien, 
Australien  und  Afrika,  deren  wichtigste  Zuckcrgebietc  Cuba.  Java, 
Hawai  und  die  britische  Insel  .Mauritius  sind.  Doch  gehören  die 
beifb  n  Ul/K  n  nicht  zu  den  1k  (K  utendsteti  RohrzuckergLi)ieten  über- 
haui>t;  aui  Luba  und  Ja\a  lolgen  xiclmehr  die  X'ereinigteu  Staaten, 
Brasilien.  Britisch  We.stindien  un<l  (luyana.  die  l'hilippinen.  Cul)a 
spielt  in  normalen  J. ihren  iinter  <k-n  Rohr/.uckerländern  \nigefälir 
dieselbe  Rolle  wie  Deutschland  unter  den  Rübenzuckerländern:  es 
erzeugt  (nicht  gan/i Besonders  bemerkenswert  ist  die  Entwickelung 
in  Argentinien  :  1S93/94  erst  50  1  ,  h  ..  :S()5  96  schon  103  (xk)  Tonnt  n 
Der.inteil  des  Rohrzuckers  an  der  Z  n  c  k  er  v  e  r s  o  r  g u  n  g  d  e  r  \S  e  1 1 
scheint  immer  kleiner  werden  zu  wollen:  vor  ungefähr  it)  Jahren 
heute  —  Der  Zuckerbedarf  ist  in  der  letzten  Zeit  jährlich  um 
etwa  .V"^» Tonnen  gi-stiegen.  hur  iS(/)/(>7  wird  er  auf  7(><k)0<>o.  die 
Erzeugung  dagegen  auf  nur  7  ,soo  oou  Tonnen  geschätzt.  Wir  werden 
abei  nicht  an  Zuckennangel  leiden;  es  ist  Vorrat  genug  da. 


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Wissenschaftliche  Beilage. 


Np.  (>.        liesorgt  von  iitul.  J/iHnch  in  XürnbcTj;.      Dcz.  1896. 

(itoitr  41. 

l.  AbliaiulUiugeii. 

r. 

Die  hoclisiiini^  und  ta]>tfr  geleitete  W'oclienschritt  Kthische 
Kultur  l)rachU'  im  Scptcmlier  (in    Xr.  .^6)  einen  Aufsatz  über 

die  Demokratie  und  die  ethische  Be\vcj;ung.  Dieser 
Aufsatz  beginnt  folgendermafseii :  »Durch  die  ^auze  Kulturwelt 
geht  seit  einiger  Zeit  ein  tiefer  Zweifel  au  der  sozialen  Leistungs- 
fähigkeit der  demokratischen  lunrichtunj?en.  Die  Stimmen,  welche 
nach  einer  erneuten  Prüfung  des  Prinzips  der  \'<>lkssouverllnität 
rufen  und  den  Schwerpunkt  poh'tischcr  IuUschei(hin^en  wieder 
in  ii>;cnd  liiu-  Ivinu  der  Aristokratie  zurückverlej^en  möchten,' 
sie  ertr»iu  n  krim--\\  (  i^-.  um  <i«  ii  Kreisen  der  sozialen  Reaktion, 
sunderu  luuuei  häulij^er  aucii  au»  den  vordersten  Reihen  des 
geistigen,  sittlichen  und  sozialen  Fortschritts.-  Etliche  Zeilen 
später  wird  betont,  dafs  die  reine  Volkshcrrschaft  nicht  die 
besten  geistigen  Kräfte  der  Nation  für  die  Leitung  der  Gesanit- 
iuteressen  verwertet,  sondern  die  folgenreichsten  I  jitscheidungeu 
luid  Anregungen  in  die  Hand  einer  zusammengewürfelten  Mehr 
heit  lcg;t  --  und  weiterhin  treffen  wir  den  Snt/:  Wo  das  X'olk 
zur  Herrschaft  kouunl.  da  niii^braucht   es  seiueji  l.iiitluls  zur 

i  )urcijscl/ung  von  Son<lerintcresseu  genau  so  pluni]»  wie  die  ver- 
tlrängten  Mächte.  Auf  das  Privilegium  folgt  die  Rache  der 
(jkichmacherei.'  In  alledem  sieht  Verfasser  notwendige  >  Be- 
gleiterscheinungen der  wachsenden  Demokratie.  «   Was  ist  dazu 

zu  sagen  ? 

Iis   mufs   sofort   auffallen,   dafs   von   der   1 )  e  m  o  k  r  a  t  i  e 

sehlrehthin  gesprochen  wird,  ai)er  doch  nur  die  thalsächlich 
vorlt  iiKlenen  Demokratien  gemeint  '^ein  können.  Was  nun  diese 
anbi.1  lu-t  SU  dünkt  mich  kann  diu  nordamerikanische 
l'nion  Im  uu-cic  mitieleuropäischeu  Vei  liällnisse  vergleicliswei.se 
kaum  in  Krage  kommen,  und  die  »Republik  Frankreich  vermag 
ich  immer  noch  nicht  ernst  zu  nehmen.  Blictie  also  die  Schweiz, 
oder  genauer:  die  schweizerischen  Kautone.  Wer  deren  gegen- 
wärtige X'erhältnisse  wirklich  kennt,  wird  in  den  an  zweit  r  und 
dritter  Sttlle  niis  der  angeführten  Abhandlung  herausgehobeneu 
Säl/en  rbertreibungc:!  sehen.  Und  wer  die  l'ieschichte  der 
Si  Iiwt  i/  kennt  wini  das.  uas  ist.  uuil  wie  es  ist,  .so  ziemlich 
naiiirlieh  liiuleii.    Doch  das  fast  nur  nebenbei. 


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42 


lt.  I«i»lrieli. 


Der  Kern  der  »Sache  llc[;t  darin,  dafs  auch  die  Schwei/ 
sozusagen  nur  einseitig:  nur  im  l)eschränklen  slaatspolitischen 
Sinne  dcinukratiseh  (daher  auch  die  freit  Sc1n^  ei/  eine  LeL;vntK-i 
ist,  dafs  es  in  vollem  Sinne  deniukralir^chc  Staaten  -  Staaten, 
in  denen  die  Demokratie  als  einzige  menscheniiaturgeniäfse  und 
menschenwürdige  Weltanschauung  auf  allen  Gebieten  folge- 
recht verwirklicht  ist  —  nicht  gibt  Ein  solcher  allein 
kann  die  I^eistunj^sfühigkeit  der  Demokratie  erweisen  und 
man  wird  an  seiner  Leislnngstähiijkeit  nichts  auszusetzen  haben. 
Also  klar  und  billi«^  sein  !  J^i^rechen  wir,  wenn  von  der  Leistun^s- 
lähi^kcil  ihatsächlich  /n  licul)aclil(.  r  demokratischer  1*  r  a  x  i  s 
die  Rede  sein  soll,  von  cni.seiti^f  n  I  )c  nu<kratien  sprechen  wir 
von  der  Leistunj^sfähigkeit  der  Schweiz,  der  nordamerikanischen 
Union,  meinetv\  egen  auch  Frankreichs. 

Aber  erfreulicherweise  gehört  der  \'erfas.*ier  der  angezogenen 
Abhandlung  zu  den  Männern,  die  nicht  nur  reden,  sondern  auch 
handeln  wollen.  Er  bietet  zwei  \'orschläge.  Der  erste  geht, 
wenn  ich  ihn  recht  verstehe,  auf  dii  Itrrichtnng  einer  ethischen 
'Akademie.  Dnq^ei^en  habe  ich  nichts  einzuwenden,  wenn  sie 
nichts  ko--tet.  Denn  alle  xorhandeuen  (xkr  erlangbnren  (lelder 
waren  auf  eine  Arbeit  zu  verwenden,  die  dringliclicr  ist  und 
tiefer  und  weiter  wirkt  Zweitens  wird  für  die  Demokratie  ein 
Rat  der  Weisen  gewünscht,  welcher  ü1)erall  das  höchste  Ansehen 
geniefst  und  auf  die  Regierung  und  Verwaltung  des  Staates 
einen  seinem  Namen  entsprc  i  1u  ndm  I'inflnfs  ausübt.  Der  Ge- 
danke ist  nicht  neu  (z.  H..  nelKiihei  bemerkt,  vom  Schreiber 
dieser  Zeilen  oft  und  irern  gedacht  worden).  Der  ihn  in  Nr. 
der  Kth.  K.  vorträgt,  hat  ihn  wohl  auch  niclU  erst  aus  Plato 
geschöpft.  Nach  hcincni  X'orschlage  nun  wiinkn  die  Mitglieder 
der  gewünschten  Akademie  den  Rat  der  Weisen  bilden.  Selbst- 
verständlich könnte  dieser  auch  ohne  jene  nicht  weniger  gut 
bestehen  und  wirken.  Möglich  allerdings  wäre  er  eben  nur  in 
der  Demokratie.  Also  das  \'olk  hätte  ihn  einzusetzen.  Dazu 
aber  wird  sich  das  \'olk  von  heute  nicht  \  erstelien.  selbst  wenn 
es  die  politische  Macht  da/u  hätte:  es  fehlt  ihm  die  Üinsicht. 
Woraus  folgt,  wa^  zu  thuu  ist. 

Unten  ist  anzufangen,  ist  endlich  einmal  .ni/niangen. 
Freilich  brauciien  wir  Leute,  liie  anlangen.  Aber  die  iiaben  wir 
ja  schon !  Die  deutsche  Oesellschaft  für  ethische  Kultur  -  ich 
denke  zunächst  an  Deut«H:hland  —  ist  dazu  berufen.  Weitere 
Ausführungen  gehören  nicht  hierher. 

Tn  einem  HeitraL:  •/ n  r  N  a  t  n  r  4  e s c h  i  c h  t  e  des  modernen 
RoniaU''  (Neue  tleut^che  RinxKehnn  iSc^d.  IX|  erürtCMt 
Wilh.  Jiuischc  das   wirkliclie  Verdienst  Zoias    um    die  liul- 


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Wi«>.f>MekaflUehe  Betlac». 


wickluti);  des  Romans.  Zola  habe  —  sagt  B.  —  ^»das  Niveau 
des  modenicu  Romans  heran fj^eruckt den  Roman  zn  dem  gtinaclit, 
was  er  sein  soll  (nnrl  hei  C\r\-anles.  Griinmolsliauscn.  Gnetlu« 
rvnrf  rin  dichltriscli  ^i'^rhaiu«^  Weltbild  ein  auf  tiefer  Welt- 
ntisei»auuu>;  nnd  starkeui  \\  i^^eit  lie^nindetes  Bild  der  eii^enen 
Zeil.  r»al)ei  habe  Zolas  Tiin/ip  .  der  so^;.  Natnraiisnuis.  nur 
eine  uiileri^eordnele  Rolle  gespielt,  l'her  diesen  Punkt  bemerkt 
Hölsche  weiter:  In  allem,  was  sich  um  das  vielkammerige  Wort 
Naturalismus  nach  und  nach  vTitppirt  hat.  steckt  ein  einziger 
gesunder  Kern,  für  den  es  aber  eines  neuen  Schla.i^wortes  eigent- 
lich am  allerwenigsten  bedurft  hätte.  Ks  lie^l  in  dem  Zurück - 
bexiiiTien  auf  die  einfachsten  rn'nzipien  der  Kunst  ül>erhaupl, 
Vriii/.ipien.  über  die  bei  einem  Meister  wie  C7<^ethe  nie  ein  Zweifel 
bc-^taTiden  hat.  die  n!>er  eine  Zeil  laut;  iiin  i  s*  hweunnt  und  ver- 
ileekt  tla34ele);eu  iiallen.  Die  ganze  W  ahrlicilslorderung  des 
theoretisciieii  Naturalismus,  soweit  sie  recht  hatte  und  genutzt 
hat.  ist  nichts  anderes  als  ein  solches  Zurückbesinnen  unmittelbar 
auf  einen  der  Grundpfeiler  aller  hohen  und  grofsen  Kunst  ge- 
wesen: was  darüber  hinaus>chofs,  das  war  Theorie  im  grauen 
Sinne  und  wird  es  ewij;  bleiben. 

Im  Weileren  beliatiptet  Bölsche.  dnK  dnrrh  Zola  (las  eii^enl 
lieh  hisiuii>>rhe  hjcnietit  ii':  eclUeü  Sinne  wie<ler  enlscheidenil 
im  Roman  xur  Cieltun};  j^ekunuucn  sei.  Der  Roman,  der  sich 
wieder  darauf  boinnt.  ein  dichterisches  Weltbild  zu  geben,  ein 
Zeitbild,  das  in  das  Milieu  der  Wirklichkeit  hinein  zeichnet: 
•  er  wird  ganz  von  selbst  in  die  grofse  geschichtliche  Betrachtung 
der  Din^e  hinein  gerissen,  die  Betrachtung,  die  vom  augenblick- 
lichen Hilde  übergeht  ZU  den  Wurzeln  der  \'orgänge.  und  die 
im  Heute  das  (lestern  gleichzeitig  auferstehen  lüfst.  Keiner 
unt<r  allen  '  ichtern  unserer  Tage  hat  schärfer  und  bewiifster 
als  Z*)la  darnach  gerungen,  seine  (Te-.talten  wirklich  einzutiii^en 
in  das  Werden,  in  den  geschiciiliichen  Flufs  der  Dinge.  Die 
Kämpfe  auf  dem  Kunsigebiet,  die  L'Oeuvre  schildert,  die  sozialen 
Gährungen,  in  die  uns  Germinal  führt,  der  Kriegsrummel  von 
1H70,  den  Debacle.  die  Tragödie  des  Hauemstandes,  die  La  Tetre 
erzählt:  sie  alle  sind  durch  und  dinch  historisch  entwickelt, 
als  Resultat  umständlicher  gochichtlicher  \'orgänge,  auf  die  un- 
ausgesetzt die  breite^tm  ( ie<lankenpan«>rntuen  (?)  hinweisen.  Ich 
rechte,  it.  km  ich  das  betone,  nicht  ül)er  die  objektixe  Richtigkeit 
des  hisloi  i>t  iieu  Sachverhalts  in  jedem  Ivinzelfalle.  wie  ihn  Zola 
gibt.  Worauf  e>  mir  ankommt,  ist  die  Art,  wie  er  überhaupt 
das  Historische  wieder  hineingel>racht  hat  in  den  Roman,  ohne 
doch  den  Boden  der  eigenen  Zeit  zu  verlassen  und  zu  den 
Maskeradendes  sclilechten  Geschichtsroman^  zu  greifen.  Mit  der 
objekti\  en  W  ahrheit  an  sich  niufs  man  hier,  glaube  ich,  mög- 
lichst aus  dem  Spiele  bleiben  . 


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44 


3- 

Der  schwei/erischf  Trotrssor  Karl  nilt\  tkn  Lcscni  cKt 
N'eiien  Raluicti  nidit  inilKkaiitil  luil  }hA  [  IThIkt  in  I'rauoiv 
fel<l  iinttT  (kni  Titel  liick  zwei  Aiilsal/ -;inii!iluni^«  ti  \i  r- 
öfffiitliclit,  die  w  ir  recht  \  icleti  ;iut  (U  n  Weihniu  hlstisch  \viin>chen. 
Vom  I.  Teil  (244  S.  S")  ist  bereits  <las  21.,  vom  II.  (.^2(>  S.) 
(las  14.  Tausend  gedruckt.  Beide  sind  vorzilglich  ausgestaltet: 
jeder  kostet  fein  gebunden  4  Mark.  Was  sie  ttili ältlich  bieten, 
zeigt  die  folgende  ri»erscltriftenreihe :  I.  Die  Kunst  des  Arbeitens 
ICpiktct  —  Wie  es  möglicli  ist.  ohne  Intrij^ue  diuvli  «He 
Well  /-II  komnun  Oute  r,c\v<»lin1u iten  Die  Kiiukr  der 
\\\]\  sind  klüjjjer  als  <lie  Kinder  de>  Ijolit>  r>!e  Kuhn:  Zril  zn 
haUen  -  -  Glück  Wa-^  ''cdenlet  iler  Menscli,  \\  i>lu  r  k.unml 
er  usw.?  -  -  II.  Schuld  und  Sor.ne  Tr()>tet  mein  \  ulk 
Über  Menschenkenntnis  -  Was  ist  Bildung?  X'ornehme 
Seelen  Transcendentale  H<jffnung  Die  Prolegoniena  des 
Christentunis  Die  Stufen  des  Lelwis.  —  Hilty  ist  in  allein, 
was  er  schreihl.  persönlich.  Daraus  f«»l.ut  einerseits,  dafs  ihm 
andere  Tersönl  clikei teil  nicht  überall  beipflichten  können,  anderer- 
seits, dafs  er  sachlich  nicht  immer  das  Richtige  trifft.  Aber 
Hilt\  i<t  i-iii  MaiiTi  v^v  imtfn^srnfK-r  nud  tiefer  i:eschichtlicher. 
phil(>.'-n] >h i ^rhei ,  politi.'nciici  liikiuii^,  nii'l  eiii'-l  und  inKhiicsinut 
wie  wenif^c.  Man  darf  also  jedcnlalis  daraul  iccluien.  hei  oder 
von  ihm  viel  /u  gewinnen. 

Zum  Heispiel!  -  -Die  erste  und  unumgängliche  Iknlingung 
des  (iinckes  —  sagt  Hilt\  in  der  Abhandlung,  welche  er  <leni 
Cdücke  besonders  gewidmet  ist  der  feste  Glaube  an  eine 
sittliche  Weltordiinuj;.  V«>n  d:-  ib  ist  der  We>i  zum  (iliick  offen. 
Fortan  mufs  sich  der  Mensch  nur  noch  hüten  auf  die  verschiedenen 
(»efühle  und  lireij^nisse  des  Ta^es  ein  crliebliclies  (lewicht  zu 
legen,  vielmehr  versuchen,  in  einer  festen  Gesinnung  mit  Kiit- 
schiedenheit  zu  leben  und  überhaupt  nicht  in  Gefühlen,  sondern 
in  Thät  gkeit  sein  tägliches  Deputat  von  CTlücksbewufst.sein  zu 
suchen,  und  aufserdein  einsehen,  dafs  Unglück  notwendig  zum 
menschlichen  I.eben.  ja  wenn  wir  etwas  jniradox  reden  wollen, 
zum  Gluck  gehört.  Das  gröiste  Unglück,  da>  e«^  «:^ibt  (heif.st 
es  in  dem  Aufsat/s  von  der  Kunst  de-  Arbeiteiis),  ist  ein  Leben 
ohne  Arbeit  und  ohne  Frucht  dersellKii  an  seinem  I{nde.  Dalier 
gibt  es  auch  und  mufs  es  geben  ein  Recht  auf  Arbeit:  es  is 
dies  sogar  das  ursprünglichste  aller  Menscheiireclite.  Die 
.> Arbeitslosen'  sind  in  der  That  die  wahren  Unglücklichen  in 
dieser  Welt.  (Ks  gibt  ihrer  aber  sehr  viele  und  noch  mehr  sogar 
in  den  sog.  (»bereu  Ständen  als  in  den  untern).  Das  Leben  soll 
man  überhaupt  nicht  geiiielsen.  sondern  fruchtbringend  gestalten 
wollen.  Wer  das  nicht  einsieht,  der  hat  bereits  seiue  geistige 
V  iesundheit  verloren,  und  es  i.sl  nicht  denkbar,  dais  er  auch  die 


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45 


körperliche  insoweit  behält,  als  es  nach  seiner  natürlichen  He* 
schaffeuhcit  und  bei  richtiger  Lebensart  möglich  wäre.  Unser 
Lehen  währt  sid>ziK.  »ni<l  wenn  es  hoch  kommt,  achtzig  Jahre, 
und  wenn  es  MiUie  und  Arbeil  gewesen,  so  ]<.{  vs  köstbeh  ge- 
wesen. Sn  sollte  der  Spnicli  lauten.  \*iel leicht,  hig  das  :mcli 
in  seinem  ursprünglichen  Sinne.  Die  wirkliche  Ruhe  entstelU 
nur  innulleii  der  Th.itigkeit,  geistig  durch  den  Anblick  eines 
gedeihlichen  Forlgangs  einer  Arbeit,  der  Bewältigung  einer  Auf- 
gabe, köri>er]ich  in  den  natürlich  geget}eneu  Ruhepausen, 
während  des  täglichen  Schlafes,  des  täglichen  Essens  und  in 
der  unersetzlichen  Ruhe-Oa^L  des  Sonntags.  liin  solcher  Zustand 
einer  beständigen,  erspriefslichen,  nur  durch  die  natürlichen 
Pausen  unterbrochenen  Tliätiukelt  ist  der  gliicklii  liste,  den  es 
auf  ivrden  gibt:  der  Mensch  si>ll  sich  gar  kein  nuleres  äulseres 
Glück  wünschen.  (Folgt  eine  Reihe  guter  Arbcit^regelnl. 
Auf  den  egoislisciien  Cienuis  des  Lebens  prinzipiell  zu  ver- 
xichteuv:  bezeichnet  Hilty  als  die  erste  Pflicht  »vornehmer  Seeleti«:. 
Was  er  ül^erhanpt  unter  solchen  versteht,  welche  Stellung  er 
ihnen  im  Staate  anweist,  erhellt  aus  dem  Folgenden.  Kr  ver- 
gleicht sie,  einleitutlgsweise,  dtai  Leviten  und  erinnert  an  die 
bezüglichen  Hestinnnungen  der  tnosnischeii  Cieselzgebung.  Ob 
sich  frihrt  er  dann  lorl  in  irgend  einem  unserer  modernen 
Staaten  solche  Kinncliluii;.^en  verwirklichen  und.  was  die  Haujit 
.•^ache  daljei  ist,  auf  die  Dauer  der  Slitlung  geniäfs  erhallen 
liefseu,  mochte  sehr  fraglich  sein.  Sicher  aber  bleibt  es,  dafs 
jede  menschliche  Gemeinschaft  zu  ihrer  Erhaltung  irgend  eines 
solchen  Salzes  l)edarf,  ohne  das  es  leichter  der  Korruption  an- 
bei ni  fällt  Dieses  Salz  also  sollen  die  n'oniehnieii  Seelen«  sein. 
Der  Gegensat/,  zu  vornehm  führt  H.  weiter  aus  ist  nicht 
schlecht,  «»der  bösartig,  obwohl  das  nie  vornehm  ist,  sondern 
kleinlich  eiigiierzig,  kleinbürgerlich,  nur  an  kleine  Lebensziele, 
und  dabei  nur  an  sich  selbst  oder  an  seine  miclisle  Umgebung 
denkend.  \'ornehm  ist  ein  weiter  Blick,  ein  weites  Herz  für 
alle,  Gleichgiltigkeit  für  die  eigene  Person  und  Sorge  für  andere. 
Wesentlich  gehört  dazu  Furchtlosigkeit  und  dne  gewisse  höhere 
Sauberkeit :  kein  Tier  in  irgend  einer  Richtung  mehr  zu  sein, 
dem  blofs  körperlichen  Sein  in  keiner  Wei.se  mehr  zu  huldigen. 
Durchaus  un vornehm  ist  es.  viel  von  sich  selbst  zu  sprechen, 
namentlich  ahi  r  sich  meiner  Werke  zu  b^rühmen.  I'nvoi  nelim 
ist  ferner  die  MiiVacliluiii^  alles  Kleinen,  arme-r  Leute,  der  Knuier. 
der  Vieiitücklen  aller  Art,  sell>sl  dei  Tiere.  Eine  vornehme 
Seele  ist  endlich  nie  prinzipiell  pessimistisch  gestimmt.  Die 
Pessimisten  sind  vielmehr  durchweg  etwas  zu  klein  geratene 
Seelen. 

Xicht  nur  auf  die  Krage  nach  dem  Glück«  und  auf 
einige  andere,  sondern   auf  alle  grofsen,  ewigen  Fragen  der 


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46 


McnsclKU'-cck'  antworkl  reichlich  und  vielfältig  ein  KtattHchor 
S.'inniu  üsiiul.  wclclu  r  be  i  I  Vnl.  nüiiiniltr  in  IWrlin  crschiciicii 
ist.')  Wohl  ein  Werk  einzig;  in  seiner  Art  und  eben  um 
(lieser  seiner  ICitjenart  willen  ein  ( tesehenkwerk  erstell  k,iiiL;es 
für  das  \  t)lk  der  Denker.  Woülen  wir  die  I*'üUe  de>  Iniialts 
fiber<lcn  ein  ansfülirliches  Sachverzeichnis  und  eine»  aln:  inäfsig 
jreorclncte  Friste  der  nnjifeführteti  Werke  und  Scliriftsteller  bequem 
unterrichten  nur  einig^erinafsen  veranschaulichen,  wir  würden 
mehr  Raum  hrnnchen.  als  unserer  )^an/.en  lieilaj^a-  zur  Verfügiuijf 
strlit  Kh  einijfiehlt  sich  daher,  auf  je.i^:liche  .\usle>e  /.n  ver- 
/iiliUn  nicht  aber  auch  auf  eine  l'nischreibnnir  »ks  Inhalts, 
und  dies  mn  so  wenij4«.r.  als  der  Sannnler  selbst  eine  solche 
rinsc  hreibunir  bietet.  Her  Leser  wir<l  satjt  er  treffend 
aus  diesen  IJlaltern  einen  Wideth.ill  jenes  tausendstinnni>;en 
Chfirs  von  Frohlocken  und  Seufxeni.  von  Jubel  und  Wehklagen 
vernehmen,  welchen  die  grofsen,  nie  gelotsten  Rätsel  des  Lebens 
den  edelsten  und  lautersten  Menschenherzeii  seit  Jahrtausenden 
erprefst  haben.  Ivr  wird  Menschen  aller  Zeiten  und  Kultur* 
stufen  und  Repräsentanten  der  wichlij;slen  Länder  und  Nationen 
in  den  ihren  I.ebensverhäitni<scn  nnd  T  TkentUnissen  entsprechenden 
Hihle^n.  Formeln  und  Symbolen  iliie  \'  ■r^leilun^en  von  (ilück 
und  i'uj^end,  von  Wert  und  Ziel  des  Lei)ens  aussprechen,  er 
wird  sie  teils  im  triuniphirendeu  Tone  jjläubiger  Gewifsheit, 
teils  mit  von  Zweifel  und  Resignation  gedämpfter  Stimme  die 
grofseii  Fragen  des  Menschenlebens  beantworten  hören:  Woher 
sind  wir?  Was  sollen  wir  liier  auf  I*>deu  ?  Wie  k«'»nnen  wir 
selij;  werden  ?  I*>  wird  durch  die  im  üppigsten  Schmuck  einer 
ansschweifendi  11  IMiaiit.isi.  strahlenden  Tran m ländcr  tler  hienie<len 
unbelriedi.ulen  W  ini'-'  iie  und  unj^estTÜten  IlnUnunj^en  waiideln. 
durch  Reii^ionen.  für  welche  der  unei  hk  isliohe  Weltraum  keinen 
>;eograpinsch  oder  astronomisch  bestimmbaren  Ort  darbietet,  und 
die  dennoch  in  dem  Mikrokosmos  des  vergänglichen  Meiischen- 
herzens  ihre  ewigen  lichtprangenden  Wohnungen  aufgeschlagen 
haben.  Er  wird  auch  an  die  Thore  jenes  von  Stöhnen.  Vnf/ern 
und  Fluchen  widerhallenden  Landes  pochen,  das  die  hiircht  in 
schuldhewufsten.  ratternden  MenschenherPTn  «j^eschaffen  bat. 
jnbebuU-r,  sie.Kes^jewisser  (ilaube  wird  unmittt  Ihar  kniilein. 
spotli.-clK  ni  Zw  eifel  j^e>^en übertreten  ;  frohe  Lebenslusl  unlieü- 
barem.  nach  endgültigem  X'erlöschen  der  Ivxistenz  verlannendeni 
Weltschmerz;  der  bilderreiche,  an  praktische  Verhältnisse  sich 
anlehnende  Sinnspruch  der  Volksmorat  der  abstrakten,  für  den 
Kampf  der  Geister  wohl  gefeilten  Sentenz  des  Schulphilosopben. 

\  o  lu  i>  a  u  luc  der  K  r  k  e  n  u  l  n  i  .s.  i  ragniente  zur  Kthik 
und  Psychologie  ans  der  Weltlittcratur.  gesammelt  von  Paul  v«Gizycki. 
:s.j'<  -        s   X  u.  S29  S.  —  geh.  7,50  M.,    in  feinstem  Liehhäber- 

iranzband    i<>  M. 


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Vri*»('nM>iiiiftlirbr  Ilrilanr. 


47 


Tl.  Bücher. 

.1.  l..  A.  K«mIi.:  Das  Ncr\cnkl)cn  tlcs  Menschen  in  ^utcii  imil  höi>cn 
Tajjen.  6,  Aufl.  Raveiiüburif.  <Hto  Mnier  1S96.  —  II  luid  236  S, 
-  -  <;eli.  3  M. 

Verfasser  (Direktor  der  staatlichen  Irrenanstalt  in  Zwiefalten- 
WürteinberK)  behandelt  im  I.  und  II.  Kapitel  das  Xerx'ensystcni  und 
die  Seele,  im  III.  die  Krankheiten  des  Nervensystems,  im  IV.— VI.  Tr- 

saclu-n,  \'ethüluni:  und  Ikhandlunjf  der  Xervenkideii.  —  Im  III. 
dänysteni  Kajutel  will  Kooh  <kn  Laien  ül)er  die  verschiedenen  Khissen 
<ler  Nervei' lei(kn  Soweit  orientii  en.  wie  jedet  ( iehihk-te  <hiri\ber  j^eni 
wir<l  nnterrichlet  sein  wolkn  und  mit  Nutzen  unterrichtet  sein  kann 
—  ihn  l)elähi^en,  dal.s  er  das  \"<jrhandenscin  eines  Ncrvenkitkns 
erkennt  oder  doch  vermutet,  wo  er  sonst  an  ein  solches  nicht  i^edacht 
hätte:  dals  er  als  ein  körperlich  bedingtes  Leiden  auffassen  lernt, 
was  er  vordem  für  etwas  anderes  nahm :  dafs  er  eine  Sache,  die  ihn 
j^eängsti^,  nun  nicht  mehr  für  so  schh'mm  ansielil  —  ihm  die  Stelk- 
zci,irrii,  wo  auf  »kin  (khiel  der  Nervenkrankheiten,  und  schon  hei 
deren  llrkennun^.  auch  für  majiche  nicht  är/.th'che  lUrnfskreise  be- 
stimmte Aufsahen  li<  <j«  n  iiu»!  die  \\'e;4e  he/eichnen,  .ml  dt  neu  <hrse 
.\ui^^al)cn  bewaUigt  werden  k^hineu.  Der  meiste  Kam  »  ist  <ien 
psychopathischen  Mindcrwertij^keiten  (eine  unklare,  wenn  nicht 
unsinnige  Bey.eichnung!)  gewidmet,  mit  welchen  sich"  bekanntlich 
%.  Z.  mehrere  Schulmanner  fast  sportsniafsig  beschuftigen.  iHesc 
krankhaften  Seclen/.ustände.  nicht  eigentlichen  Krankheiten  der  Seele, 
des  f  'i  tts  (das  klinj^t  /w.ir  ziemlich  unbestimmt:  aber  man  kann 
sich  doih  itwas  (hd)ei  «knkeu)  sind  nach  Koch  —  weitaus  die 
häuti]L;steu  Ner\  enki(k'n  unserer  Tai^e  :  sie  bih!en  ein /wi^cli«  nri  u  li 
/.wisclieu  <kr  ueistiireii  Normalität  \ind  den  l'svchoseu.  I  n«!  /u.ti  hiUicn 
sie  es  in  <kr  Art.  dais  sie  stell  auf  der  einen  Seite  ^an/.  nmnetklich 
in  die  Breiten  der  i;cistigen  (iesundheit  verlieren,  wie  sie  sich  auf 
der  andern  Seite  durch  gaux  unmerkliche  rbergänge  an  die  (leistcs- 
krankhetten  anschliefsen.  f'berhaMpt  scheidet  K.  die  VDrwiegend 
seelischen  Ner\  euleideu  in:  i.  seelische  Rcgelwidni^keilen  la.  einzelne 
krankhafte  \  orfälk-,  ( kschehnisse  —  selbstän(b.ue  elementare 
ps\  chi<i  l;r  \nomalieu  -  b.  kiankhaftt  Seelen/ustände  —  psyehopalh. 
M  )n<k'i  weitii^kciten  1.  2.  ( ieisli  skran  k  lu  iten.  -  I)i<'  I  )arstellun}i  ist 
aii/iehend  uml  \  erständlich  :  hie  und  da,  doch  nicht  sehr  häufiji. 
stören  nr/tliche  l  achausdrücke.    I'apjcr  und  Druck  sind  sehr  gut. 

F.  \.  lifhcr  und  A.  Bm\  i'imloi  lVf :  Klassischer  Skuliitureuschal/.  — 
München,  VerlagsausLiU  F.  Bruckmann  .\.-<i.  iSg6.  —  Monatl. 
I  Heft  7.U  50  Pfg. 

Der  klassische  Skutpturen.schatz  soll  —  in  bunter  Folge  —  eine 
flachenl>ildliche  Zus.»mmen.«itcllung  des  Besten  ^ebeii.  was  die  l*la.Stik 

aller  Zeiten  und  Länder  lu  rxorj^et^racht :  et  w  ird  sich  aber  ni*  ht  nur  auf 
dieböcbslen  i.ei.stungeuUcrcin/cUicn  \  ülker  bcscbränkeu.  .sondern  auch 


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der  auf  iitid  ahslc-iKtiulen  Hnt\vicklun.£r  eine  vcrhältnisniHlsi^e  Be- 
rücksichtijfUUii  widmen.  I-in  kiiapi)  uchalteTier  Text  u  jeder  Tafel 
(auf  dt-r  vierten  Sfili-  dis  l  nischlaj^si  brinijl  <lie  n'">ti;ien  knnst- 
hi.slorisclicn  1  j  läiitvi  un^en.  —  I  ns  liegt  die  erste  Ijcieruni;  vor.  Sie 
enthalt  6  aufe  sorjifältigste  ausj^eführte  »Autotypie- Drucke  •  (Bild- 
fläche  17/32 */t CHI):  i.  Statue  eities Komödiensdichter»,  2.  Broncestatue 
eines  Jün^rlings,  3.  Grabrelief  aus  Salamis,  .sämtlich  nach  Werken 
j^riechischer  Meister  des  III.  und  V.  Jahrh.  v.  Chr.;  4.  Broncestatue 
des  David,  von  Donatello  (i;,S''i  5.  Idealhüste  des  T'rutus.  von 

Michelnni^i'lo  Huonarolti  (1475  1  :  ,  Madonna  mit  dcni  Jesuskinde, 
von  Claus  .SliiUr  (•«•  1404/51.  Srhoii  der  anisen)nlenllich  niedrij^e 
Preis  —  6  voi/.iigliehe  AbV)il<lungen  aui  starkem  l'apier  mit  zwar 
kurzen,  aber  durchaus  geniig  enden  Begleitworten  fftr  50  Pfg,!  -  winl 
deni  verdienstlichen  Unternehmen  ^ofsen  Krfoljf  sichern. 

'    III.  Kleine  .Ylttteiliiiigeii. 

Den  modernen   Menschen   schildert   Max  Osbt)rn   in  der 
Neuen  deutschen  Rundschau  11896.  FX)  folgendermafsen  :  ICr  ist  jeden- 
falls nicht  ein  Mensch,  der  sicli  nach   (1er  neuesten  Mode  kleidet. 
.  ine  moderne  \V(»]inungseinrii  lilung  he.sit/t  ntul  die  Morlebäder  besucht, 
nicht  ein  Mensch,  der,  wie  man  e.s  kurz  zusammen faf.st,    die  Mode 
mitmacht'  —  sondern  der  in  seinem  Krapfindungfs    und  (ledanken- 
leben  der  ( iei^enw.irt   an^^chrirt.   dessen    Innonwelt   ein  Spir-il  der 
Wünsche  und  Bestrebungen  un.serer  (leneration  i.sl.  in  dessen  Seele, 
wie  Hillebrand  einmal  sagte,  ^ein  Kcho  der  Zeitseele  vibrirt.  Kr 
nnifs  fühlen  können  wie  das  junge  lebendige  ( '»cschlecht.  dem  immer 
die  Znkiinft  gehört,  das  immer  (lie  lüitwicklung  fortführt,  und  wenn 
er  nicht  all  seinen  (des  jungen  (»eschlechtsj  Hals  und  all  m  nie  Liebe 
teilt,  so  mufs  er  tloch  fiililen,  wolier  dieser  Ilafs  mnl  (li»--e  I.iebe  ent 
standen  sind  .  .  .    l-iin  soleluv  Mensch   kann    liinnkTlinal   eher  in 
Berlin  als  anderswo  (in  Deutschland)  gedeihen.    Die  Redensart  von» 
Pulsschlajr  der  Zeit,  den  man  hier  hött.  xfit  mehr  als  eine  blecherne 
I'hrase.  —  In  demselben  Aufsatze  sagt  ( Esborn  :  \\ er  l)ehan))le.  wahres, 
reines  literarisches  Interesse   zu  be.silzen.  müsse  dies  dadurch 
beweisen,  dafs  er  sich  dem  schaffenden  Kfin.stler  ohne  alle  Neben- 
zwecke und  ohne  Kficksii  ht  auf  .sich  .sei b.st  nahe,  dais  er  seine -Heek* 
studire  .    Respekt  vor  dir  Diilitnng  tind  <!i  11  Diililr  rn'    St>  nn"is<e!i 
wir  unseren  I.iteraturgeiehrten  und  ihreti  Hiuein   luul  l.e.seni.  den 
Priestern  Wieden  Laien  zurufen.  Aber  ihr  dürft  nielit  als  degengabe 
von  ihnen  RosjH-kt  vrtr  etuh   verlangen.    Ihr   nuiiVt      lli>tl  sein. 
Der  junge  (ioetheschiieb  einst  alsstnrnieri.sch-drängerisclier  Rezen.scnl 
in  den  •>Frankfurtcr  IJelehrten  Anzeijre«  :    >rm  den  Kunstler  allein 
i.sts  zu  thnn  :  dafs  er  keine  Se  ligkeit  (kv.  I.rbens  fühlt  als  in  seiner 
Kun.st,   dafs,   in   sein   Inslrumenl   versunken,   er   mit   allen  seinen 
Junpfindungen  und  Kräften  da  lebt.  Am  gaffenden  rid)!ikum.  ob  das. 
wenn»  ausgegafft  hat  sich  Rechenschaft  geben  kann,  wamnis  gaffte 
oder  nit  lit.   was  Hegt   an  <lem  ?  Das   .schrieb,    wie   gesagt,  <Kr 

.slürmen.sch-drängerische  .  also  der  noch  unreife  (ioelhe.  .Vuiser  dem 
Kün,stler  und  dem  gfaffendeti*  Publikum  gibts  noch  andere  Leutv. 
an  denen  auch  wa.»tliesrt.   Tni  den  Künstler  allein  ists  nicht  zu  thun. 

(R.  i>.) 


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Deutsche  Voiksschuiwarte. 


No.  U  Abgeschlossen  am  20.  April.  1896. 


Zar  HchntoUtistik. 

—  Die  X'orsolnilcii  <U'n  preii  fsisch  en  liolierei)  Ivchr- 
anslaltcn  weisen  nach  der  soeben  veröffentlichten  statistischen  Über- 
sicht für  das  Schuljahr  wtedenini  einen  merklichen  Rückgang 
auf.  Die  Zahl  der  Vorschub  1  1  t  nicht  nur  um  mehr  als  500  gennger 
^cwonb'Ti  sotulerri  es  ist  auch  (hv  Zahl  (Kr  \  l uauf^jcnonimenen  bei 
allen  Schulkalcj;<>rien  kleiner  als  im  \  «Mjahie.  Sämtliche  XDischukn 
wählten  189.^—04  «9 757,  iSc>4-~<)5  '9  4.'^f  ScliiUer.  Die  Aufnahme  be- 
Iruj^  1S9;  -174.  in;''!  lUr  Rück^^ani;  vertcill  sich  auf 
alle  l'rtivin/eii,  einsclilit. isiich  llerlins,  nahezu  gleichmalsig.  Nur 
Brandenburii  und  Schleswig- Holstein  inachen  nnt  einem  allerdings 
nicht  bedeutenden  Waclistuni  eine  Ausnahme.  Der  Rückgang  der 
XOrscbulen  ist  um  si>  bemerkenswt  rter.  als  die  Hauptanstalten 
(iSg;  (>  j  i  ;S2  V),  iS(>4  -05  140 (14 ;  Sohülen  in  derselben  Zeil  an  Schüler- 
zahl  zmi.il.inen.  Anfgelioben  wurden  6  \*f)rsohidklassen.  Die  Provinz 
Weslf.ilMi  liat  nur  noeh  eine  XOrsehidklassi  mit  17  Schnlern  gegen 
22y  N  orschüler  im  Jahre  i<s,S3-,S4.  Am  stärksten  .sind  die  Vorschulen 
in  Berlin  (.'^959  Vorschüler)  und  in  Brandenburg  (2841 1  entwickelt. 

—  Die  preufsischen  Lehrerseminare  zählten  im  Schuljahre 
18959^'  II  -^So  Schüler  gegen  ir  im  VOrjahre  Die  Mehrzahl  der 
Seminaristen  (6360/  ist  in  Internaten  uutergebraciit.  die  l>es()nders  in 
Ostpreufsen.  Westpreufsen  und  Pommern  vertreten  sind.  In  den  kgl. 
rräparandenanstalten  waren  zur  selben  Zeit  nur  2,66  8  liüli  t  \oili  ni 
den,  das  ist  etwa  der  vierte  Teil  der  zur  Füllung  der  Seminare  nötigen 
I^räparanden.  Die  Fräparanden Bildung  wird  also  im  wesentlichen  auf 
privatem  Wege,  insbesondere  durch  Seminarlehrer,  besorgt. 

Das  soeben  veröff  ^liirlitt  \  erzeichnis  dei  i  i  n  fsi  ;clien 
Kreisschulinsjiekloreii  weist  insgesamt  1232  .Aufsichlsbeamte  auf. 
Von  diesen  fungieren  2^)5  im  Hauptanite  und  967  im  Xebenamte.  Von 
den  letzteren  sind  u2\  (ieistlicbe  und  4.S  städtische  Schulräte  un<i 
S  Jiuliiispektoren  Seminanlirekt«)ren.  Schuldeputierte  etc.  Die  In 
.spekloreii  im  Hauptanite  sind  in  den  bezirken  (lumbinnen.  Stettin, 
Krhtrt»  Osnabrück  und  Münster  um  je  einen,  im  Arnsberger  Ikvirke 
um  zwei  vermehrt  w  orden.  ICiiu  \ Vi  ;iu 'u  tni  l'  K  i  l:>  istliclieii  Kreis 
schultnspektoren  hat  in  neun  bezirken  (l)anzig,  rotsdam,  Stettin, 
KösHn.  !,iegnit/.  Magdeburg.  .Merse!)urg,  Hannover  und  Kas^tel)  statt- 
gefuiub  n  i  ine  \  ermindcrung  durch  Anstellung  von  .\utsiclitsbeainlen 
im  Hauptanite  in  vier  Bezirken  ((iumbinnen,  Kriurt,  Minden  und 
Arnsberg). 

—  Was  die  Stadt  Berlin  das  Volkschulwesen  kostet. 

Der  r.tal  der  städtischen  ( reiueindeschuleu  sehlielst  in  b'itni  ilnue  a': 
mit  IU2  M..  in  .\usgabe  mit  11  146035  M.,  .so  dals  ein  Zuschuls 
erfordert  wird  von  n  i>t:>  M.  Die  Oehälter  der  216  Rektoren  be- 
tragen i<X>  M.,  die  «".ehälli  r  und  Dienstalterszulageii  <ler  ordent- 
liehen  I.'  Iner  ;  09-2  275  M  .  die  deliäUer  für  120:;  ordentliche  lA-hrerinncii 
und  die  Dicnstaltcrszuiagen  zusammen  2  ih)2  150  M.,  das  Honorar  für 
technische  Unterrichtsstunden  beträgt  446  688  M. 


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.Iiihiiiiiio  McviT. 


—  nie  Krfol^c  des  deulsclic  ii  1' ii  tc  rri  cl» Is  sind  in  keinem 
der  polnischen  Bezirke  so  l)edcnten<l  wie  in  ( )herseli  I  esi  e  n.  Hei 
der  Rekruten.iiisliehun.ij  im  Jalue  iS<m  erj^^ihen  sich  unter  S;54  i;in- 
jjestellten  allerdin^^s  noch  S^,  «j;^leich  i.oi  \ .  1 1.  Analphaheten  un<l 
ijleicli  1.26  V.  II.,  die  nur  iK)lniscli  lesen  nn<l  schreiben  konnten.  Im 
Regieninjjshe/.irk  Posen  daj^;ejjen  er^^^ahen  sich  in  deniselhen  Jahre 
unter  7461  Kin^restellten  üfi  Anal])hal)eten.  gleich  1 . 1  ^  v.  II.  und  5c>S 
Rekruten,  g-leich  S.oi  v.  LL.  die  nur  polnisch  lasen  und  schrieben.  In 
friiheren  Jahren  war  das  X'erluiltnis  ein  uan/.  anderes.  Im  Jahre  1SS2 
erjjaben  sich  für  Oberschlesien  noch  .v7<')  un<l  iS-^  Analphabeten, 
und  zur  seligen  Zeit  hatte  fast  die  Hälfte  der  ICin.uestellten  11SS2: 
43.43  V.  LL  und  1S-2:  44.53  V  II. j  nur  polnische  Schulbildun.y:.  während 
(Tainais  im  Rej^ierunjj:sl>e/irk  l'osen  die  nur  polnisch  <  ".^schulten  in 
kleinerer  Zahl  auftraten  nSS^:  35.Si  v.  II.,  j2.S<)  v.  H.i.  Noch 
im  Jahre  1-S71  iiber.stiej.;  in  <  )berschlesien  die  Zahl  der  Rekruten  mit 
polnischer  Schidbilduni;  i25')S)  die  Zahl  derieni;.ren  mit  deutscher 
Bildung  (2419). 

nekanntlich  steht  die  Sch  ulhildun  jx  in  keinem  eurojiäischen 
Staate  auf  so  niedrigem  l-ufse  wii  in  kiifslajid.  Dennoch  hat  selb.si 
in  St.  Petersburg  eine  amtliche  Stati.stik  a\is  dem  <  ■.ouveniement 
Kowno  Aufsehen  erregt,  wonach  nur  üi  Pro/.,  der  nach  dem  beschei- 
densten Mafse  als  schulpflichtig  geltenden  Knaben  die  Schule  be- 
suchen. 

Der  KHin]>f  um  die  Schoh». 

—  ICin  scharfes  I'rteil  ü  her  d  i  e  Sit  1 1  u  n  g  d  e  r  ( 1  ebi  1  d  e  t  en 
zur  \"olksschule  enthält  I )ie  ( iegen wart  in  einem  Artikel  Pesta- 
lozzi und  Preulsen  .  Darin  heifst  es:  Im  Hewuistsein  der  « lebildeten. 
vor  allen  «lerjenigen.  welche  die  Macht  in  Händen  haben,  die  X'olks- 
bildung  zu  heben  oder  verkünimern  zu  lassen,  der  Staatsmänner, 
Politiker.  Fürsten,  i.st  die  \"olk.sschule  heute  nicht  mehr,  was  sie  einst 
war.  das  Kleinod  der  Nation.  Daher  ist  denn  auch  das  preulsische 
Schulwesen  hinter  demjenigen  anderer  Staaten  betr/ichtlich  zurück- 
geblieben, und  Preufsen  marschiert,  was  diesen  Punkt  anbelangt, 
sdion  lange  nicht  mehr  an  der  Spitze  der  Zivilisation.  Ks  i.st  fauler 
Zauber,  heute  noch  von  Preulsen  als  vom  I.ande  der  Schulen  und 
Kasernen  zu  reden.  In  Preulsen  hat  lange  .schon  die  Kaserne  die 
Sehlde  erdrückt:  wer  <las  nicht  glaubt,  mögt-  sich  die  denkwürdigen 
Januartage  i.S<;3  vergegenwärtigen,  wo  der  Kultusminister  im  jireuls- 
ischen  Abgeordnetenhause  mit  tlehenden  Worten  um  das  tägliche 
Brot  für  die  Schule  bat.  indem  er  vor  einer  ( iefahr  des  Stillstandes 
und  des  Zerfalls  eitler  einheitlichen  Ivntwickelung  unseres  gesamten 
Volk.schulwesens  .sprach  ;  <ler  möge  sich  erinnern,  dals  nach  der  amt- 
lichen Stati.stik  vom  Jahre  iherausgegeben  iSc);»  noch  21  472 
jireufsische  Volk.sschullehrer  den  Wagenschieberlohn  von  tjoo  Mk. 
und  weit  darunter,  dafs  noch  270t  Lehrer  den  Knechtslohn  von  6«x) 
Mk.  und  darunter  als(iehalt  beziehen.  In  den  \  ergangenen  Monaten 
hat  sich  -  in  einer  Zeit,  wo  für  Militär  und  Marinezwecke  seit  Jahren 
Hunderte  von  Millionen  geopfert  wurden  —  ein  geradezu  erbitterter 
Kampf  zwischen  dem  Kultus  un<l  Finanzminister  abgespielt  um 
2 — 3  lumpige  Millionen,  <lie  ersterer  flüssig  zu  machen  sucht,  um  nvir 
die  notwen<ligsten  X'erbcsserungeii  zu  treffen.  Ob  schlielslich  das 
Almosen  von  der  \'olksvertretuiig  bewilligt  werden  wird,  ist  auch 
heute  noch  zweifelhaft,  entscheiden  doch  in  dieser  l'rage  nicht  sach- 
liche I\r\vägungen,  Liebe  zur  Schule.  Sorge  für  das  Oedeihen  der 
\'olksbildung,  sundern  einzig  parteipolitische  Rück.sichten  . 


P(riuk<>be  Tol]tii»chQlw«rtc. 


—  Dti  (.n^^li.schc  rnlcrriolitsniiuTslrr  Sir  ff)lin  Oorst  lial  kiiai)]) 
v»>r  Antritt  der  i)stcrkrien  im  Untcrhause  eine  neue  Schul vor- 
lajre  (ICdukations-Rill)  ffir  Knjfland  und  Wales  einj^ebTacht.  Sie 
zerfällt  in  zw  ei  'rtile.  einen  den  }\leMU*ntnrscli ulcii  w  idTtieten  und 
einen,  weKher  sieh  mit  dein  ForlViildnni^s- Cnterricht  Ijescliäfti^it.  Der 
zwe  ite  Teil  w  ird  nicht  anj^efochtcu  .  man  anerkennt,  dafs  die  Re^jit- 
nmir  hiermit  ilnvr  Xen-<  )r{;anisati()n  und  den  reich  hohen  Zuschüssen 
dem  l'nrtscliritt  eine  (iasse  öffnet.  nklii'h  ist  hinj^eijen  die  Aor 
(ioisl  v<»rgescldai(ene  Neujiesltdtung  des  lUenit^ntar- Unterrichtes.  Die- 
selbe enthält  «war  umnches  Uute,  das  scliulpflichtipfe  Alter  wird  auf 
zwölf  Jahre  erhöhl,  und  den  l*'lementarscluden  sollen  fi>rtan  j^:röf.sere 
Mittel  zu^iewiescn  w  t-nUn  :  tlicses  (»ute  jedoch  winl  durch  «lie  Ten<len/ 
verdunkelt,  den  >janzen  Hlenicntarunteiricht  in  die  Hände  der  (jeist- 
lichkeit  %u  spielen. 

Hnmauitäre  tieHti'eluini|$eii. 

—  In  der  Silzuu),^  dt  sWreins  für  .<^asundheitjfgemäfse  Kr/iehttnpf 
der  Ju;.;enfl  hielt  I->au  Sanitätsrat  Dr.  Schwerin  einen  V  ortrag:  über 
d  i  e  g  e  w  e  r  b  1  i  c  h  e  Neb  e  n  1»  e  s  c  h  ä  f  t  i  ^  u  n  ji  d  e  i  S  c  h  u  1  k  i  n  li  e  r  ,  ins- 
besondere da«  Semmel  und  Zeitun^saustra^cii  durch  Schulkinder  in 
früher  .M()rj.;e?]^titnde.  Rektor  Handt  behandehi  «l  is-tlbc  Thema  mit 
besonderem  ilinueis  auf  seine  eigene  Beobachtuni^üerfahrungen.  K» 
sind  besonders  viertirujjjien  zu  nnterscheiden :  Handelsgfewerbe.  Aus- 
traviediensle.  l.atifbursche  und  stm.stii^e  Nebenbeschäftigung,  Z.B.  Be- 
gleitunj^  der  Rollwajien.  Ke<,rc-laufset/en.  Hausindustrie.  I>ie  sittlichen 
(lefahren  bei  dem  Hausieren  der  Kinder  !iei;en  auf  der  H, m  l  cl)enso 
tlie  vSchädijjunj;  der  C.e.sundheit  Die  Zahl  der  neben  Kl  s.häftipften 
Kinder  beträgt  in  der  Regel  zehn  vom  IfnncUrt  Auf  dem  \\  ege  der 
(Gesetzgebung  allein  und  durch  polizeiliche  -Malsregeln  kann  hier 
keine  Abhilfe  geschaffen  werden.  Vereinte,  auch  private  Bemfihung 
ist  nötig.  Tksoji'li  rs  mufs  die  Lehrerschaft  iiiitw  irken.  sie  muls  sich 
mehr  um  die  hauslichen  \  erhältnisse  der  Schulkinder  bekümmern. 

Im  Reichsl.'ig  ist  liei  tUr  zweiten  Beratung  <ler  '  ".«werbeord- 
nungt»nuvelle  ein  Antrag  Lenzmann  {l'ia.  \'j>.>  einstimmig  zur 
Annahme  gelangt  und  von  dem  Staatssekretär  v.  Boetticher  als  ihm 
s\nipathisch  begrülsl  worden,  wiJtiach  Kinder  unter  14  J.diren  nicht 
auf  öffentlichen  \\'(  i;en.  Straisen,  Plätzen  oder  an  öffentlichen  Orten 
oder  ohne  voi  - 1  -  <•  lkslellung  von  Haus  zu  Haus  feilbieten  dürfen. 
Ks  steht  also  in  .\us-i.  Iii.  dafs  ein  sehr  bedenklicher  Teil  der  sogen, 
gewerblichen  Nebenl)eschäftigung  schulpflichtiger  Kinder,  vielleicht 
gerade  der  Teil,  der  uns  Lehrern  den  gröi.sten  Kummer  bereitet,  in 
absehbarer  Zeit  gesetzlich  verboten  sein  wird. 

—  Vom  '/».  j.uiuai  bis  zum  14.  März  i.iliKlUn  m  Uiieiiiuiburg 
täglich  etwa  \  «>lksscliulkinder  vomWreine  X'olkswohl  w  armes 
h  rühslück.  ■iL.^lt  Lrnd  aus  1  Milch  und  einem  HnHi  hm  Die 
Kosten  für  dieses  wohlthätige  Werk  betrugen  in  runder  Summe  700 
Mk.  Davon  fallen  auf  Anschaftung  von  (leräten  etwa  41  Mk.,  auf  Be- 
<lienung  etwa  ;,«>  Mk.  Räumlichkeiten,  die  beiiernng  und  den  Kessel 
zum  Kochen  tler  .Milch  hat  die  Stadt  unentgeltlich  hergegeben. 

In  dciselneii  .Sta<U  wird  seit  (Astern  d.  j  int  Schulgebäude  ein 
Hrnu.sebaci  in  lienuLzung  genummen.  Iis  können  etwa  20  Kinder 
zu  gleicher  Zeit  baden.  Das  Bad  soll  an  bestimmten  Tagen  von 
Knaben,  an  bestimmten  von  Mädchen  der  Volksschulen  benutzt 
werden. 


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Johwine«  Mtjtr, 


SchiilverwMltuii^,  -(»riü;Hiii!salion  und  -Au-istutuiii^!:. 

—  Der  Kultiusmini.sier  hat  die  Auslülirung  tleü  Dejsehliishcs  der 
Stadtverordneten -Versammlung  in  Bamien  auf  Aufhebung  der 
Vorschulen  an  den  höheren  Knabenlehranstaltcn  .q;cn chmt;;t. 

Der  von  cltr  Conunius-l itsellscliaft  \or  drei  Jalnvii  anj;c- 
regte  tiedankc,  wie  in  Skandiimvieu.  Dänemark,  der  Schwei/  etc., 
so  auch  in  Deutschland  Volkshochschulen  zur  Fortbilduiiix  1>- 
waclisenci  /u  errichten,  ist  /.uerst  in  StralM)iir^  verwirklicht  worden, 
und  /war  mit  bestem  lüfoljie.  Die  im  Jahre  is;^  v»>m  \'()lk.sl)ikhin}is 
vereine  errichtete  Abend- Fortbildunjrsschnle  wurde  im  Herbste  iS«);, 
zu  einer  'Volkshochschule  umjfestalt.  i  l>e/.w.  ergänzt  und  besteht 
Seitdem  aus  einer  Abendscliule  (wöchentlich  /u  Lektionen  /u  '  , 
26eitHtuudeu  von  7*/^  bis  10  l  lin  und  einer  Tagschule  lauiscr  dem 
Abendunterrichte  6  Lektionen  vt>n  7  bis  12  Uhr  vorniittaRs  im  Sommer, 
8  bis  I  Uhr  im  W'iiitrr).  Der  NachmitUi}X  bleibt  U\  ]  /n  StiKÜLii  oder 
sonstigen  Geschalten  1  Lehrling».  Im  verflossenen  Winterhalbjahre 
besuchten  die  Anstalt  154  Ivrwachsene.  bis  «u  45  Jahren  alt  (ITnter- 
offi/iere.  Serj^eanten.  I'eldwebel.  La/arett};ehilfen.  (Gewerbetreibende. 
Kanflente.  Studenten  etc.),  von  denen  2t>  auch  am  Tagesuntenichte 
teilnahmen. 

—  An  den  Volksschulen  Münchens  hat  sich  das  nenerdinjjs 

eingeführte  fakultative  achte  Schuljahr  für  Knaben  sehr  ^^fut  be- 
währt. Nun  führt  <lic  StadtverwaUtinir  auch  für  dif  Mädchen  t-in 
achtes  Schuljahr  ein,  w«>bei  ein  ii.tupl^cwicht  am  llaushaUmi^, 
Kochen,  Handarbeit  un<l  ( iesundheitslehre  geley^t  werden  soll;  aufser- 
dem  wird  Französisch  uml  praklisches  ^gewerbliches  Zeichnen  j;elehrt. 

hl  IClbin.ü  beträj^t  <lie  Schülerzahl  dnrclischnitllidi  70 
aui  ciiic  Klasse  der  Knaben,  74  auf  eine  Klasse  der  Mädchen.  Mau  ..  ill 
den  Durchschnitt  auf  69  bezw,  67  herunterschrauben.  Hierzu  beilarf 
e.'^  der  ('.Hindun^  vcm  lo  neuen  Kla.ssen.  69  und  67  sind  aber  offenbar 
immer  tu)ch  \  iel  zu  hohe  Zahlen. 

—  Die  Königliche  Key:ierun)j  zu  Meiseburg  brachte  jüngst  von 
neuem  zur  genauesten  allseitigen  Keachtung  in  Erinnerung,  dafs  die 
Lehrzimmer  jälirlich  m  i  n  d  es !  ctt--  cinjual  geweifst.  in  jeder 
Ferienzeit  gründlich  gescheuert  und  nnndestens  viermal  wöchentlich 
sorgfältig,  nicht  blofs  trocken  gereinigt  werden.  ^Bei  dieser  Reinigung 
.sind  auch  dii  Wände.  Treuster  uml  Thüren,  Ofen  vom  Staube  zu 
befreien.  Subsellieu,  Wandtafeln,  Schränke  und  i  ensterbretter  sind 
täglich  feucht  abzuwaschen,  ebenso  ist  der  Eingang  /um  Schulgebäude 
und  zum  Hausflur,  wie  auch  die  Schultreppe  tä^ich  zu  kehren. 

—  Dil  K^  uicriniij,  zu  Hildesheim  maclil  bekannt,  d.if^  «las  wöchent- 
lich zweimalige  Reinigen  der  Schul/immer  künftig  nicht  mehr 
durch  Auskehren  mit  Hand,  sondern  nur  noch  auf  nassem  Wege,  und 
zwar  am  besten  durch  Aufwischen  mittekst  nasser  Tficher.  geschehen 
solle, 

Ersieh  uugsf ragen . 

Die  Kgl.  Kegiernng  /u  Stade  hat  eine  \'erfügung  erla.ssen. 
zufolge  deren  /.ur  U  inter.s/.eit  auf  den  Spielplätzen,  den  Schulhöfen 
oder  sonst  in  der  Nähe  der  Schulhänser  FutterplätJie  für  Vögel 

herzustellen.  l-!s  soll  dies  geschehen  zur  Pflege  der  Liebe  ZU  den 
Tieren  und  zuglcicli  /um  Nutzen  dct  <  )lt.st-  un<l  ( ■.emüsegärteu. 

—  In  Kömhild  in  Thür,  hat  .sich  ein  .Schulreiseverein  ge- 
bildet, der  beabsichtigt,  die  (iründung  weiterer  Schulrei.scvereine  zu 
veranlassen,  welche  auf  dem  Triucij»  gegen.seitigcr  (Ta.stfreund.*«chaft 
beruhen  würden. 


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Deulivhe  TolltMrhaN«rl#. 


5 


Durch  Lesen  \  I  n  d  i  ;i  n  e  rso  h  r  i  f  1 1  ti  aii;;ercj;t,  ist  hiinu  ii 
kur/.cr  Zeit  wieder  ein  (iyninasiast  in  Cntha  fÜichtiji:  jreworden  ;  in 
der  Nahe  von  Hamburj;^  konnte  der  jimue  Mensch  noch  anschalten 
werden. 

In  1. allen  l>n  rt^  in  l'onitnern  Ini;;  eine  ans  Schülern  der 
Sladtschule  bestehende  vielversprechende  ( KSellschaft  sich  schon  seit 
länj;erer  Zeit  mit  dem  schwar/.en  (".edanken.  den  Rektor  (•  erlach 
lotKUSchiefsen.  Hiner  der  Hnrschen  stahl  (leid  y.u  einem  Revolver, 
itnd  ein  solcher  windt-  auch  hescliafft.  worauf  man  Schielsiibnnj^en 
im  Jägerhof  vuinaliiu.  Die  Sache  kam  heraus,  und  die  Burschen  er- 
hielten durch  den  Schuldiener  -vor  versammeltem  Volk«  eine  solche 
Tracht  Prügel,  dafs  ihnen  das  Totschiefsen  wohl  für  immer  vergehen 
dürfte. 

—  X'or  einij;(.r  Ziil  h.ilU-  ein  .Schul/mann  einen  Schulknaben, 
der  bis  niurj^eiis  I  hr  olnu.-  Hej^leitunpr  seiner  Kitern  in 
titiem  öf  f  entl  i  i-lu  1!  Tok.il  Saalfelds  verwrilti  und  il.iselbst 
Lieder  üchlüpfrigen  Inhaltü  sang,  aus  dem  Lokal  gewiesen.  Darauf 
beschwerte  sich  der  Vater  des  Knaben  Über  den  Schntsemann  beim 
hvr/(  -1.  Staatsministerium.  Dieses  jedoch  wies  die  Beschwerde  als 
unbegründet  zurück. 


--  hn  I'sycholo^i.schen  \  erein  zu  Herlin  hielt  der  (iyninasial- 
lehrer  Dr.  Kemsies  einen  h<)chst  lehrreichen  V  ortrag  über  l%rmüd- 
ungsmess linken  an  Schülern,  «lie  er  mit  Mossos  l\rs:joj»raph  (Ar- 
beitsschreiben vorm m nnmen  hat.  Dieser  erlaubt  es,  die  Leistnn«^ 
einer  bestimttiten  Muski  lirmppe  ifk'U<jeinuskcln  des  ^fittclfinm.  rsi  bis 


Messungen  wurden  nach  jeder  Untemchtsstunde  an  Schülern  unterer 

Klasst  i!  d(  r  j*^.  (iemeinde-  und  der  5.  ReabscliuK  i^emaclit  und  (  rL'.d)en 
das  interessante  Resultat,  dais  zu  einer  Zeitlage,  wo  aus  Qualität 
und  Quantität  einer  r^istung,  sowie  aus  der  verbrauchten  Zeit  nichts 
ersichtlich  i.st.  schon  eine  \  erminderun>i  der  ^fuskelkraft  stattfindet. 
Dafs  dif^c  -in  praktischer  Ausdruck  für  die  ('•ehirTK-rniüdnii'/  ist. 
soll  dai-nl  iiichl  gesagt  sein.  Doch  stehen  die  Schwankungen  der 
Muski  Ik  raft  in  offenbarem  Zusammenhange  mit  der  vorausgegangenen 
(lehinileistung. 

—  Auf  Anregung  des  l  nU i '4a.iN^(  ki dai s  Zoni  von  Bulach 
soll  in  den  Kcich.slanden  der  \  ersuch  ;4eniaclil  werden,  in  <len  ICle- 
nientarschulen  bereits  einen  grundlegenden  landwirtschaft- 
lichen CnUrichl  zu  erteilen.  Die  ge\\ (•hnliclien  rnterrichtsgegen ■ 
.stände  werden  teilweise  ihre  Sit>U"c  aus  der  landwirtschaftlichen  i'raxis 
entlehnen,  namentlich  .sollen  den  Schullesebiichem  auch  landwirt- 
schnflüihe  Abschnitte  eingefügt  werden,  l''s  wird  landwirtschaftliche 
Huchlührung  wenigstens  in  den  Anfangsgnnulen  gelehrt  und  beim 
Rechnen  und  der  Naturkunde  der  Stoff  hauptsächlich  aus  landwirt- 
schaftlichen Gebieten  entnommen  werden. 

—  hl  llitiiliurg  ist  die  Minlührung  einer  vSchulbi  !<  : 
zum  Ostertermin  erfolgt.  Die  ( »berschulbelu'irde  hat  sich  für  die 
sogenanntc  brcmisclie  Schulbibel  entschieden.  Zunäch.st  ist  ein 
Versuch  in  den  höheren  StaaLsschulen  gemacht. 


Die  St  eil  Schrift   wurde  im  verflossenen  Schuljahre  in  der 


.\le.\andrinenschule  z,u  Ktibuig  angeuajidt.  Der  Jahresbericht  der 
betreffenden  Schule  wei.st  nun  darauf  hin.  dafs  seit  ICinführung  der 
Steilschnft  die  Korperhaltung  der  unteren  Jahrgänge  beim  Schreiben 
eine  wesentlich  bessere  geworden  ist. 


ITnterricht^frAgen. 


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6 


—  \'t)r  cini^vn  J;ihrcii  wunk-  in  .Ma^jdclmr^'  in  (.iDi^^xii  Klasv».n 
iliw  Stcilschrift  \ crsuchswcihc  cinj^cfülirL  JtUt  ibl  ilicscllfc  \uu 
der  Rej^ientti}^  verboten  wurden. 

-  In  Breslau  wurden  643  Hxeniplare  des  sc>/Ja1fleinr)kratischen 
Marchenbnclies  für  die  Kinder  des  Proletariats  heschlaxr- 
nahint. 

Lehr-  und  ljt»rDnijt|el. 

1  )t  n  K<  »niirlichcn  Rc;:ici  un;^»,  11  ist  1>C'/ü}rlich  <K  i  1 '  111  f  u  Ii  r  u  11  jj 
Voll  I.L'h  rliiicli  «  rn  siiltiis  ik-s  Knltnsniinislcrs  inilj^^tlcill  \v«it(kn. 
<la[.s  nur  /.ur  iüiilulinni;^^  <k"uLsclicr  lAscliüchtr.  .sowie  iki  tk-m  Kvli 
^ionKtinterriclit  wi  ('innnk'  liegenden  I«elir-  und  l^rnhucher  in  dtn 
f  *nt' rrik  lUs^cbrauc  Ii  «Ivr  ihrer  Aiifsiclil  unUrslt llttii  Solnilcu  «Iii- 
uiinistctictlt  ( it^nchnitj^iuij^  einzuholen  ist.  iiicrvon  abgesehen,  haben 
die  Kotii «glichen  Rcf^ierunj^en  be/.fi;2:Ucb  der  in  diesen  Schulen  in 
(k-brauch  xu  nehnien<leu  Lehrbücher  und  Lenimittel  selbständij;  7.11 
befinden. 

!ti  versrhu  lU  r.rti  StädUn  dt  s  Cr«  fshciv.oj^liniis  Hessen  wnrdc 
jim^>l  liu-  l-'ra^«.  lU  r  kosten  frei  i  ti  \  eral)!v)l^unjj  der  Lehr- 
mittel für  N'olksschüler  lebhaft  ventiliert  In  Offenbach  wiir«k-  ein 
diesbezii;4;licher  Antrag  von  so/iahkniokralischer  Seite  irislelU.  aber 
nach  längeren  Debatten  im  Stadtrat  und  im  städtischen  Schulvorstand 
abgelehnt.  In  Main/,  wurde  ein  Antra»;  ^jestellt  die  Kemniittel  den- 
jeniueii  ScbnlkHKkrn  uneiit^^cUHch  ZW  {gewähren,  deren  Kltem  weniirer 
als  700  M.  Ivinkoninieii  Jiaben. 

—  b'inen  sehr  praktischen  und  hilHijen  ( i  r i  f fei  h  a  1 1 e  r  liat  <kr 
Lehrer  Otto  in  Klnishurn  erfun<kn  t^asel/.l.  gesell. 1  Der  Halter 
besteht  aus  einem  unpolierten  Holzrohr.  In  <liese.s  wird  der  r.nfiel. 
auch  wenn  er  j;an/.  latij^  ist,  ein^eset/l.  Die  nef^^tiir-n;.^'^  -.^i  sc  hiebt 
durch  einen  sinnreich  einKcrichteteu  Schraubenkonus.  Derselbe  winl 
über  die  Spitze  des  (iriffels  gestreift  nnd  in  das  Rohr  gedreht.  Kr 
ist  leicht  /n  handhaben,  und  dabei  sit/1  «It  i  f  .Tiffel  doch  diii^i 
sicher.  Zu  haben  bei  S.  Röder  in  Berlin  S..  Ritterstr.  J2^v  Treis  iui 
Kin/.elkaufe  5  Vi. 

Amtliche  Stelloug  «b  r  Lein  t  r. 

—  Der  «  u  nu  inder.il  \  on  (kra  hat  den  Hescliluls  ^jt  f.if^t  <lals 
künftig  ein  Rektor  und  ein  I. ehrer  dem  Schulvorstand  ange- 
hören sollen.  Die  (resamtheit  der  Lehrerschaft  wählt  ihren  Ver- 
treter in  freier  und  i^eheinier  Wahl,  desj^^ieichen  wird  (kr  Rektor  \  (»ti 
den  sämtlichen  Schulleitern  in  >;kicher  W  eise  {gewählt.  Die  He^tätigung 
dieses  Bcschlnsses  seitens  des  Ministeriums  steht  nocli  aus 

In  sänilh(.heu  Otien  der  l'!i)lunie  Schkeuditz,  sind  die  ersten 
bezw.  alleinstehenden  Lehrer  in  die  betr.  Schulvorstände 
gewählt  und  von  der  Regierung  bestätigt  worden. 

Sowohl  LatidessN  iiode,   w  ie  aucb       r  T.;unl..      hT-cr\  ereiii 

in  braunschweig  hatten  .sich  mit  der  Bitte  an  die  herzogliche  Regierung 
gewandt,  dafs  den  Lehrern  die  niederen  Küsterdienste  abge- 
noinnicn  und  anderen  Personen  üb^rtra^eii  wenkn  nu'ichlen.  Das 
Minisleriuni  legte  daher  dem  Landtage  eine  darauf  liezügliche  \'orlage 
vor.  <lie  jedoch  \  (»11  diesem  ahgekhnt  ist  Bislicr  erhielten  die  Lehrer 
für  den  Kircliemlien.st  jälirlich  Je  j»m>  Mark,  l'ür  die  Hefreiung  vom 
niederen  Küsterdienste  sollte  in  /  il;untl  ein  .\b/ug  von  dieser  Summe 
bis  /.um  Höchstbetrage  51)  Mark  eintreten. 


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|t4*iii4rli«>  Tolkit'^fbiilwan««. 


Sorialp  Stellung  der  f^tshrer. 

Ii'  Ii  i  Provinz  Sadiscti  irhitU<  n  von  vier  ans  »  iiKtn  und 
tkinsclbcn  Uuric  /.w  cinci  (.'»crichtsvcrhunillung  \  tjrgiladfncii  Zcu^^cu 
eilt  WetclienslelkT  als  offentHoVer  IWaiiiter  9  M.  Xeu.ijt  n  jifebtthren, 
llaneni  je  f)  M.  niehst  X'trsiiiiinnisLnlsrh.'idijfuni' 1.  ein  (crsltri 
Lehrer  m.  Auf  .seiue  liescli werde  wurde  deTii  Lehrer  die  Ant- 
wort, so  \  iel  wie  der  Weiclieiisteller  könne  er  in  keinem  l'alle  be- 
koiinnen  .  N'ersäiinmisentsehätlijfiitijf  werde  er  aber  nur  erlialteii,  wenn 
er  jrhiubhafl  mache,  dais,  wann  und  wieviel  Privatstunden  er  an 
jenem  Ta^ie  ^«ej^eben  liabeii  würde. 

—  Die  in  N'ömbcrj;  erscheinende  national  liberale  -  Frän- 
kische M or}4:en /eitung  schreibt  u.  a.:  W  enden  sich  andere  Wahl- 
kreise nach  Nürid>erij:.  um  freisinnijre  Keichstaj^skrindid  iteu  /.u  er- 
fragen. s<»  bietet  ihnen  dicsi  inrolse  Handels  und  1  nd ustne.stadt  — 
Kan<lidaten  aus  dein  durch  den  Hildungsgfan}^  und  die  eijifenarti^e 
r.k>-iTi,lftiL'nii-  '/UV  l'f'litik-  tind  Hehandlunj^'  offi-ntliclu  r  Intc-rt  ^sen  so 
ausnehmend  berufenen  \  olksschuHehrerstanU.  Herren  Rudolph 
«nd  Weifs  retten  zur  Zeit  nach  auswärts  Xümberg's  freisinnijie  I'*hre. 
Wir  erkennen  in  diesem  sichtlichen  liestreben.  die  Vertreter  mit 
t'nij/elMinti  .dler  durch  Hesitz.  Stel'nnji»,  hervi»rrasenden  l'intltifs, 
öffetithehe  Wirksamkeit  u.  a.  sich  auszeichnenden  Personen  au.-,  der 
rxlesten  ( ileichmälsi^keil  der  breiten  Schiclit  zu  entnehmen,  das 
demokr riti'M  he  IMin/.ip.  welches  sich  über  jede  laiche  ärgert»  weil  sie 
das  Heidekraut  trotz  seiner  Mehrzahl  überraj^t  . 

—  Die  von  Paul  Schettler  in  Ix' allen  redif^ierteii  Landwirt- 
schaftlichen Mitteilungen  brin<ieti  in  Nr.  if>  fol^jjeiules :  Zoo- 
lo«jischer  I *TiUr*-irht  .  So  jinkttst  h  erteilt  keinci  <U  n  /m >1« »'fischen 
Unterricht  wie  der  Schulmeister  Hungerle  in  Hraungoldingen.  Wenn 
der  den  Kindern  z.  B.  zeigen  will,  was  für  ein  bnininii^es.  naschi^es 
Tier  der  Bär  ist.  .so  wackilt  er  wie  ein  D'Ar  in  der  Schule  herum, 
brummt  die  Kinder  an.  niniuit  ihnen  daj*.  was  sie  Kisbares  bei  sidi 
haben,  ab  und  verzehrt  dann  seine  Beute  auf  dem  Katheder  mit 
Wohlbehagen,  iiklem  er  sa^^l :  Si  Iii  Kinder,  ein  solches  merkwürdi;.;e.s. 
bnnnniivr"^  und  näschij^es  (te^chöpf  ist  der  JJärl  Das  sind  land- 
w  irisch.« II) k  Iu-  Mitteilungen. 

Materielle  S^tellnng  der  Lehrer. 

—  Die  (iehälter  der  Volkssch  ullelirer  in  II  essen -Darm» 

Stadt  \ver<len  v.irh  rkni  von  «len  Landstanden  an.ljenomiiuntn  Cie- 
.sclzentwurf  vom  i.  April  1897  an  wie  folgt  geregelt;  Mit  9<x>  .M.  be- 
jnnnend  beträgst  das  (iehalt  nach  jähriger  Dienstzeit  1100  M..  nach 
6j;diri;^er  i2(h>  M.  und  so  fort  bis  nach  .:7j;ihniier  2»m)o  M.  Dii.  fn  iv 
Dien.stwohnung  oder  der  Wohnung.sbetia.n  kunimen  in  Zukunft  mit 
2fX)  M.  in  Anrechnung.  Die  Dienstzeit  wird  vom  Tage  der  ersten 
X'erordnun;;  nach  bestandener  Schlufspriifunj;  gerechnet 

I  )er  r.csetzentwurf  zu  einem  \(»rmaletat  für  die  Seminar- 
direkloren  und  Seminarhhrer  de.s  Her/.ogtums  iiraun- 
schwci.tr  ist  vom  J.,andta.ue  anf;enoninien.  Nach  demselben  ist  für  die 
S«. iiiiuardirektorcn  ein  (lehallssatz  von  4500  bis  (xkx^  M.  nebst  freier 
I>ienstwolinung  nnd  fin  die  Seminarlehrcr  ein  ( '.ehalt.s.satz  von  rSo«^ 
bis  42(.<o  ^L  nebst  \\  ohnung.sgeldzu.schufs  vorgesehen  worden.  Nach 
Ablauf  von  je  3  Dienstjaliren  erfolgt  eine  Gehaltszulage  von  500  M. 

—  Augsburg  zahlt  neuerclin.us  seinen  Lehrem  folgende  ( 'ie- 
hälter: .\nf.ui<.:si; ehalt  eines  wirklichen  Lehrers  i  vx>  M.  -f-  M. 
Funklion.sz.ulage,  liehait  nach  5  Jahren  M.  -4-  550  >L  tunkt.- 


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fi  .l«ih«nac«  Hr>y*>r, 


Zul.,  nach  lo  Jahren  1550  M.  -4-  640  M.  F.,  nach  15  J.  1675  M.  -f- 
730  F.,  nach  20  J.  r8oo  -f-  8ao  F.,  nach  25  J.  1900  910  F.,  nach 
30  J.  2000  -|-  i«xx)  F. 

—  Das  TI -".clist.tjehall  der  Lehrer  in  der  Industriestadt  Mül- 
hausen betrug  bisher  2700  M.  Neuerdings  ist  dasselbe  auf  ;^(xx)  M. 
erhöht  worden,  die  in  dreijährigen  Stufen  nach  27  Dienstjahren  er- 
reicht werden.  Die  auKwfirtig:en  Dienstjahre  werden  nur  zur  Hälfte 
angereclnu  t 

—  Auf  Kreta  hat  die  gesamte  i,chrcrschaf l  ihre  Thätig 
keit  eingestellt,  weil  ihr  seit  längerer  Zeit  keine  (Behälter  mehr 
ge/aliH  worden  sind. 

Bildon^  der  I^ehrer. 

—  Unter  den  Studierenden  der  Universität  Leipzig  be- 
finden sich  jetzt  60  Lehrer,  meistens  Sachsen,  die  nach  4  Semestern 
y.WY  Staatsiiififuug  zugelassen  werden.  I);is  Hr^tehen  derselben  be- 
fähigt in  Saeiiscn  /.ur  Anstellung  als  vSehuUliicklor. 

—  Die  A/iianrc  Fnfn(aisc  pf*tir  In  fnof)ai:ti//,in  »U  i<t  /ani^iu  /ntmaist 
f/ftus  Ifs  roionics  tl  a  /'clraniiir  w  inl  auch  in  diesem  Jahre  zwei  sogen. 
I"  ,■  r-i' ,•  n  l- 11  r  <  <  in  Paris  für  Ausländer  itinl  IksoiuKts  für  I.fhn-"r 
(Uiid  Lciiicnnuen)  veranstalten.  Der  ersiu  Kui.s  liuUcl  stall  vom 
2.  Juli  bis  zum  i..\ugust  und  der  zweite  vom  2.  Augu.st  bis  ;i.  August. 
Wer  uTdiere  .\nskunfl  über  die  Kurse,  sowie  über  Wohnung.  Kosten 
des  .Vufculhalts  etc.  wünscht,  wende  sieli  an;  Altiaim  jntiiaüsr,  mc 
ilv  GrmcUc  4^.  it  Pttris. 

Lehrer  und  Ldii  rrinuen. 

—  Die  Stadt  iVIüuchen  liatle  am  1.  J.uuiar  d.  Js.  410  aktive  uud 
\  \  pensionierte,  /.nsammen  460  Lehrer.  ;>-.)  aktive  und  37  pensionierte, 

zu.sammen  411  Lehrerinnen.  Dit  [u-im  liierten  Lehrer  waren  zu- 
sammen 2.^(K)  Jahre  alt  und  zählten  1470  Dienstjahre.  Das  Alter  aller 
pensionierten  Lehrerinnen  war  1615  Jahre  und  sie  hatten  .S99  Dieu.sl- 
jahre.  Das  ergiebt  im  Durehschnitte  für  1  Lehrer  52,5  Leben.sjahre 
^""^  .V^r5  Dienstjahre,  i  Lehrerin  43,65  Lebensjahre  und  24..^  Dienst- 
jahre. 

PrisouHl-Niuhriehteii. 

—  Wirkl.  (jeli.  Ober-Regierungsrat  Dr.  Schneider,  seit  187^ 
vortragender  Rat  im  Kultusministerinni.  <ler  Vater  der  »Allgemeinen 
Bestimmungen  vom  15.  Oktober  1872  ,  feiert  am  25.  April  seinen  70. 

Geburtstag 

—  Der  \  orschullehrer  iiduard  Clausnit;£er  von  der  mit  dem 
Königlichen  Friedrich  Wilhelms-Gynmasium  und  dem  KonigHchen 

HealgN  mnasium  hierselbst  A  erbuiulen  \  i>rscludei,st  wmi  Direktorial- 
gehilfen unter  Beilegung  des  Prädikat.^  Ui)crlc  hrcr  ernannt  worden. 

—  In  Harpstedt  im  Hannoverschen  feierte  am  11.  Februar  der 
Kantor  emer,  Brandis  seineu  98.  Geburtstag. 

—  Lehrer  eni.  Ileidemann  in  Arnswalde,  der  über  50  Jahre 
im  Amte  gestanden  hntte,  ist  im  90.  Ivebensjahre  gestorben. ' 


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Deutsche  Volksschulwarte 


\o.  2.  Ahfreschlossen  am  20.  Mai.  1896. 


Allgemeine  Hehnlstattetik. 

Dil  I rs, Ulli /all]  <Kt  \  <)!  k  ssch  üKt  in  i^an/.  Dcnlscli- 
laiifl  bcreclim  i  man  auf  fast  S  Millionen,  so  dai's  im  Durchschnitl 
auf  j«.-  iu>  Kinwolint-r  \  olksscliiikr  kommen.  Dieser  Durehsclinitt 
wird  ftberechritten  in  den  Staaten  I.ijipe  \  s.22,  W  aldeck  18,2,-^,  Saehseii- 
Miin'nvrn  t;.*«).  Keuls  ä.  I,.  17,;!.  Sachsen  AUenhur;,'-  Sehantn- 
liuri;  i,ii;iie  i7,2<>,  Scluvar/.lmrj- -Suiidenshausen  17.17.  IJraunschvveiji: 
17.CM).  Olclenbnrß:  17,02.  Scliwarzburjj- Rudolstadt  16.96.  Anhalt  16.6^, 
.Sachsen  \(i,'J'<.  I!a<ien  i'',4-}.  ilesstn  \(y.^2.  »Sachsen  Weimar  16,42. 
l'reiiLsen  16,41,  Keui.s  j.  1„  16,28  und  Sachöen-Cuburg-t'.oÜia  16,22. 
l'nter  dem  Dnrch.schnitt  bleiben  Mecklenburjf-Strelitz  15.62,  \Vürtteui> 
htrir  15.  };.  J)aytrn  ;  i.;<>  Mecklenburjj-Schwerin  i4.'>7.  Hrcmen  M.25. 
Klsals- I,othrini:en  i         Ihunhnr^  (r.i'»  vv<\  Li'd>eck  11.21. 

=  I  ber  die  Beleili jinn^t  iler  Kon f cs.sioncn  an  den 
huheren  t^nterricht.sanstaltcn  I>eut.schland,s  wird  berichtet, 

dafs,  während  im  ganzen  von  der  deutschen  Bevolkerunjr  50  anf 
10 (KH)  o«ler  5  per  Mille  liohern  Unterricht  j^eniefsen.  sieli  dieser  Ue- 
Ira^  bei  (Kn  K  iUuiliken  n\ir  anf  ini^^eiahr  stellt,  bei  den  rrt)le- 
stanten  daye^en  nif  5;  nnd  l>ei  den  Israeliten  sojLtar  anf  .^.v'?  für  je 
io(x>f.  der  betreffenden  Kontessii -nslieviilkernn^.  ("lan/.  beson<lers  fallt 
*lie  gerinj^c  lieteiligunj4  der  Katholiken  an  den  Realan.slallen  auf. 
Denn  es  beteiligten  sich  auf  10 (xk)  Katholiken  nur  10  bi.s  11  am  Kea!- 
unterricht.  anf  mxmm.  Protestanten  dageg^cn  fast  26  und  auf  iooih> 
Lsraeliten  mehr  als  1 5S. 

Au.s  dem  von  tler  portugiesischen  Regierung  erst  im 
voris^en  Jahre  veröffentHehten  \'olks7,ählunjf.scrjfebni.sse  vom  t.  l>e- 

/eniber  iS<k>  ersieht  sich  in  Hinsicht  auf  die  Analphabeten,  dai's 
die  Zahl  derer,  die  lesen  und  .schreiben  können,  mir  y^.S  m»5  beträgt, 
die  Zahl  derer,  die  nur  lesen  können,  überschreitet  kaum  loofyjo. 
während  die  Analphabeten,  unter  denen  sich  2  22«  1 15  1-rauen  befinden, 
mehr  als  Mill.  belra^-eii.  Srlbsl  in  Lissabon  tnffen  auf  fine  He- 
\»4kerun^  \on  ;,oi  ,;tK>  Ijnwohuer  140037  .Vnalphabelen. 

Der  Kanipf  nm  die  Sctanle. 

—  In  R  11  fsl  a n  d  k  .nnpfcn  ge,L;  e n  w  ä r  t  i  1,^  d  i  e  ^-eistl  i  c h  e  und 
d  i  I.  wellliche  Macht  um  den  lUsil/.  d  c  i'  \' o  I  k  s  s  c  h  u  1  e  in 
.Sii)irien.  l>er  Mini.ster  tler  \  olksaufklärun^  verlangt  die  Leitung 
dieser  Schulen  für  sein  Res,«4<>rt.  der  Oberfirokurewr  des  heilifiren 
S\  tioils  aber  will  diese  Schulen  N  iillii:  in  diell.indi  der  <  ie  istlic  hkeil 
gegeben  wissen  un<l  stiil/l  sich  lür  .sein  \  erlungen  darauf,  »lals  der 
(>rund  Äur  Volksbilduntr  m  Si>»irien  von  der  ( leistHchkeit  [^ele^t  sei 
und  dafs  die  von  der<kistlichkeit  ^ebileU-n  Kirchen  ■schulen  uirm/Liide 
Resnllale  /ci.i;l<  11  w'<  dir  Kvclu-nschaft^bc  rik.  lUe  di-. '-er  Schulen  lie- 
weiscu.  Die  ^»ibu  leI  seilest  wollen  \«»n  deu  rtründi  n  iles  ( »ber- 
]>n)kurenrs  des  hcilig'en  Synods  verzweifelt  wenig  wissen  und  be- 


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baupten  hartnackig::,  dafs  die  Volk«»Rchtilc  .sich  nur  tmter  weltlicher 
I^ettung'  entwickeln  könne. 

X  Konfessionelle  Lcs  cb  ü  cli  er  xirliUi^iU-  die  Centrunisp.irlei 
im  bayr.  i^ndtag.  Die  Aktion  wurde  von  dem  klenkalt:n  Abgeord- 
neten Lehrer  Wörle  ein};eleitct.    I'nsere  jetzigen  I.esebficher  seien 

unbrauchbar  und  dem  Clauben  ^efillirlich ;  darum  sollen  in  dem 
neuen  Abschnitte  über  kirtbüche  iMurichtunneu  und  /evemonieu 
enthalten  sein,  der  x^^"''*-*  iuhalt  soll  konfessionelle  Tendenz  haben, 
der  realistische  Stoff  verdrängt  werden. 

-■  Den  Aufwand  für  das  \"  ol  k  s  s  c  h  u  I  w  es  e  ii  fand  (iraf  Karl 
/edtwitz  im  böhmischen  I,andla<^e  zn  hoch;  derselbe  forderte 
IIulbtuj;sunterricht,  wodurch  ii>t)o  l.chrcr  und  <MH)ooof!.  erspart  wer<len 
konnten. 

Hnmanitftre  Befitreliimjenn. 

-  Ivin  beträchtliches  X  ermäclitnis  ist  der  ('•  esellschaft 
für  \' i  rl>reitu  u  jj:  von  \  ol  k  shi !  d  n  n  zujtrofallen.  Der  am  7  «»k- 
loher  J^ig4  verstorbene  Berliner  Rentier  lieh.  Taul  de  Cuvry  iiai  lier 
(iesellscnaft  mehrere  ilrnndstiicke  im  Werte  von  etwa  440000  Mark 
vermacht. 

—  \'on  dem  in  Quedlinburg;  am  27,  März  verstorbenen  Rentner 
II.  bau  mijarten  sind  dem  stä(itischen  St.  J  oh a n  n i s -  W aise n - 
hause  testamentarishh  vkx)  Mark  mit  der  Ref^timniung:  vermacht 
worden,  dafs  die  Zi?iM  r,  «liesLr  Summe  zur  lkkr»sti|nuu,u  der  Waisen 
kiudcr  auf  den  im  Sommer  zu  veian.slaltenden  l'artieen  verwendet 
werden  sollen. 

—  Fahrikant  I.anjjf  in  Mi'uichen  hat  der  Stadt  sein  Vcr- 
mÖLj^en  vnii  '}oi«vi  M  zu  dem  Zwecke  vennachl.  kränklicheti  amien 
Kindern  i-,rholuns>saufenthalt  auf  dem  I,an(K-  zu  ernui glichen. 

-|-  Der  am   2^.    .März   d.    ]    zu    Leipzig    verstort)ene    I. einer 
(lustav  Richard  Heini  cke  hat  5*«>.M.  dem  Kate  der  Stadt  Leip/itf 
zur  l'nt<. rstüt/nn l;  lnny:enleidender  1. ehrer.        M.  dem  Krankennntei 
stiitzuiigsverein  Sachsischer  Lehrer  und  je  hkm»  .M.  zwei  W'aiseukiu- 
dern  testamentarisch  znjfewicscn. 

Scliiilvei'waltunic.  -OrjLfanisntioii  und  -AiisMlattiiii^. 

Dem  obersten  L'nterrichtsrate  l- raukreichs  lie^t  ein  im 
l'nterrichtsministeriuni  au.sjjfearbciteter  Kntwnrf  vor,  der  nach  der 

Meinunj;  der  malsjiebenden  französischen  Kn  i^L  iK  r  Annahme  sicher 
ist.  Ivs  handelt  sich  um  die  allsjemeine  Jvi  n  f  ü  h  r  u  n  ir  einer  ein 
heitlichen  Orj^anisation  des  gesamten  Schulwesens.  Alk- 
Kinder  sollen  bis  zum  dreizehnten  t)der  \  ierxehnten  Jahre  einen  ;;e- 
meinsauKii  I  iiterriiht  ohne  I-'renKlsprache  ufcnirf.sen.  Daun  •..r<d>elt 
sich  die  Anstalt:  die  einen  lernen  i^atein  und  (iriechi.sch.  tlie  anclereii 
xwei  neuere  Sprachen;  der  rnterricht  in  < '.e.schichte.  ( Jeojf raphte  und  * 
r.itteratur  etc  i-^t  i^enieinsam.  Das  am  Schlufs  des  Kursus  \  >  r  einem 
Regierun^skommi.süär  abzulegende  Kxamen  tritt  au  die  Stelle  der 
bisherif^en  Haccalaureats- I*rüftln^f.  Das  ZeuR-nis  der  beiden  Abtei* 
hingen  ist  j^anz  eich  wertig"  für  die  höheren  Studien  :  Rechtswissen- 
schaft fTcilktmde.  ln<reuieurfach  etc.  Nur  diejenigen,  die  sich  dem 
höheren  i, einlach  widmen  wollen,  mü.ssen  ilas  li.\amen  in  ilen  alten 
Sprachen  ablegen. 

In  Preufseii  ist  die  Mitwirkung  der  (ieistlichen  bei  <len 
r,  i;  Ii  .i  s-^ü  n  i;  sf>  rii  f  n  n  L' en  der  Seminare  sn  •^^eonlnrl  \^•orden  dnfs 
»rveiiü  ein  .Superinteiideiit  voni  Kousistonum  unlei  ( Tenehiniguiig  des 
Oberkirchenrats  mit  der  Abnahme  der  Prüfungen  betraut  wird. 


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Duultrhe  Vol1r»Bchiilwarte.  I  { 

—  Die   .slädli.sclicii    Ik-Iiördeii    K'">n  i  ;4:.sl)er.:4:.s   l>i.sclil«>ssfn  im 
Januar  i^<-),>,  ciiKii   hcsf^mkrcti  S  t atUsc Ii  ti  1  i  ti  s pek  to r  :?ii/u>u-licii, 
und  bewtllij^teti  ein  (  .Lliail  für  denselben  .in  Höht  v  on  ;  >    \\.  Di^ 
K\i\.  Ri  trimitig  hal  die  (icuclimijyting  xur  Anstelhiiig  <iic&c.s  iicamten 
ahgclchnt. 

In  dtr  kt/len  Sit/un.L-^  dt  r  Konnnii^sion  der  \vuilLv.Hihet,ui.sciicn 
.\lt.i;eot<ltictfnkanuncT  /.ur  Ikratnng  von  I\titi«)ncn  <kr  Wilksscluil- 
klircr  hal  dtr  Antrajr  anf  I"  i  n  f  ii  h  r  u  n  ^  d  c  r  f  a  c  h  tu  ä  nn  i.sch  en 
Schuhiu  f.sicli  t  in  XViirllt  inftcr^  die  Mchrlicit  ^cfnndcn. 

—  Die  X'olksschnlkoniniission  der  \vürttcinl)er^ischcn  Abj^eord- 
netenkaniiiier  beschlois  cht  nfalls  mit  .irrofser  Mehrheit  die  ICrric  hlntig 
iKsojickior  t  )Vif  V"^- 1  Ii  11  ]  hcliördt-n  .    die   iininiUelbar    dem  KtUtiis 
miiu.sterium  unlersleiil  wertkii  solkn.    In  ihnen  soll  cm  \'olk.sschiil- 
lehrtr  Sitz  und  Stimme  haben. 

(:)  In  Oldeuhnr.u  hal  (kr  Landtag  dem  Kullnsm  i  n  isler 
I  lor  niil  ^Mofser  Meinheil  in  (kr  nn/\\ei(ktiti;islen  Weise  erklart, 
dal.s  er  das  \  crlrauen  des  I.andtai^s  V(>llstän<lig  verloren 
habe,  weil  .statt  eines  schuUechnischen  .Afitffliedes.  wie  es  der  Land- 
tag: ansdriu'klieli  j^ew  i;nst  l:t  i  in  im  Schuld' csi  n  ii:u  rf.ilirener  (  kist- 
lichcr  von  der  ReKieruu^  in.s  Obcrschulkolleifiuni  berufen  worden  sei. 
Bekanntlich  hatte  man  gehofft,  dafs  der  sehr  verdienstvolle  Lciler 
(ks  ohk  ti  burger  Seminars,  Schulrat  Dr.  Ostennanu.  diese  Stelle  er- 
halten würde. 

—  Der  vierte  kchrcr  der  Sludtschule  in  Köseu  hat  augenblick- 
lich 165  Kinder  in  zwei  Klassen  zn  unterrichten, 

—  In  Klein- Wittenberg  bei  Wittenberg,  einem  Dorit,  nas 
gegen  2000  Einwohner  zählt,  werden  etwa  435  Schider  von  4  Lehrern 
nnterriclitet :  die  njilerslt  KI.issc  /ählt  allein*  luS  Schüler.  Die  Kl  ! 
kfgierun^  /.u  Merseburu  wollte  diesem  Tbelstand  ein  Hndc  bereiten 
und  sandte  derCemeinne  am  1.  Oktober  1K94  einen  5.  Lehrer.  Jerloch 
\v\irde  dieser  kehrer.  wie  ein  im  Mär/,  v.  J.  anviesteliter.  nach  einem 
andern  Orte  verset/t,  ohne  je  in  Thätigkeit  getreten  zu  sein.  Dici»e- 
meinde  hatte  sich  ^a  ^x  t  i  s^a  rt,  den  Lehrer  zn  besolden.  Die  Regierung 
halte  keine  Mittel  /.\\r  \  erfüj^nnu  und  konnte  andernteils  die  <fe- 
meinde  nicht  zur  Ivinrichtun;,^  der  neuen  Lehrerstelle  zwingen,  weil 
ihre  Leistuugsunfähiiikeit  kstge.stelll  war, 

—  Die  sozialdemokratische  Fraktion  in  der  2.  jfächsi sehen 

Kammer  hat  den  .Viitiat:  liestelll.  das  Schulgeld  auf/.nheben 
und  den  entsteht iiden  .\usfall  den  (k-meinden  ans  Staatsmitteln  /.u 
LTset/eti.  elieiiso  die  Lehrmittel  unentgeltlich  zu  liefern.  Die 
Regierung  und  die  Kommission  verhielten  sich  zn  diesem  Antrage 
ablehnend 

\  <>ni  <  .eiMeindc: .Ii  111  St  1  .» is1>u  ri;  ist  b(  '«chl«»ssen  worden, 
kunttig  \ou  einer  ICihcbang  tks  vSchuIgeldes  in  den  Volks-  .stjwie 
in  den  Kleinkinderschulen  abzusehen. 

l).us  dir  I  iitcvi  i«.  lilsiinnislcv  Dr.  P.ossi  die  \"orschulen 
im  l  iuf  11  i.iiMis  hält,  m  hl  \vit  (U  tiini  daraus  hervor,  dal's  er  neuer 
dings  \erfri-t  h.il.  d.iis  d.is  SihulL^eM  in  der  Vorschule  des  K(>nigl. 
(lynmasinms  zu  yuedlinburg  m  *kr  1  Kl  issi  auf  hk»  M  .  in  der 
2.  und  Klasse  auf  o<>  M.  t  rlndil  wi  rde  ii  soll.  Hi.sher  wurden  in  der 
1.  Klassi  N.  M  .  ii;  dei   _•    Ih>  M.  uuil  in  ikr       >4  M.  gezahlt. 

*  Die  HerliiUT  S  c  Ini  1  d  c  p  u  l  a  l  i  o  u  liai  d.is  .Viisuchen  ticr  Her 
liut-r  Lehrerschaft  auf  < '1 1  <  i  ch  Kg  u  n  g  der   Ik-tiL-u   der  <k:nieinde- 
<cludvn  mit  dencti  di  r   h<>b<.ren  l.ehr.nisl.dt  n    .1    .  Irliut.    Da.s  Pro 
\  inzial  Sciudkolkgium  ist  dem  ablehuen<len   iJeschlnsse  i>eigetrelcn. 


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\2  Johanne*  Me>«T. 

—  Dil  Ui  ulsclu  ( r  ^  sei  Iscli ii  f i  für  öffcntlielic  <'icsutul- 
heit.SJiflt -^c  in  Berlin  liat  finstiniiiiiij:  fol^^cnili.-  KlsoIiiUoii  anj^e- 
tionirnc-n :  Die  Deutsche  ( icsellschalt  fiir  "iffcntlu  li'  (iestindlieits- 
jjflcjrc  hjilt  CS  für  crfurdtrlich,  dals  eine  lä^iiclie  Kcinigunj^  der 
Schulziininer  durch  nasses  Aufwischen  erfolge  .  Die  Resolution  soll 
tlom  Berliner  Mapstnit  unterhreitet  werden, 

KrsiehniiKH«  uml  l^nterrichtsfra^en. 

—  Das  lanyfs.mie.  steife  Marschieren  der  Sohtilkinder 
in  den  l'reiviertelslnndcn  besprach  Schnlrat  Professor  l-.uler  itu 
\  erein  für  die  gesund  Ii  ei  Ismäfsi^^'e  ICrzieluni.u  <ler  Juueiid  in 

l'.a  mache  einen  gau^  uiderwärlijjen  IvindrncU,  s.ij^le  er,  wenn  iitan 
die  Kinder,  nachdem  sie  einige  Stunden  still.uesessen  lial^eji.  in  den 
freien  ]»a.ir  Mimitrn  zn  Zweien  hühsch  ordentlich  und  Irotnin  im 
Schiühotc  uiaischicrcn  sieht.  Nur  leise  dürfen  sie  niileinander  retlen. 
denn  das  Antre  des  Herrn  I.ehrv*rs  wacht!  Kein  frendijres  Aufschreien, 
kein  histi^es  S])rin^en  nn<l  Jaj;en  nur  eine  laiiirsani  I  i  \*  c;:h"che 
stilli  Massel  Dil "Mafsnahnien  kinineii  im  Interesse  der  ( iesnndheit 
dei  Kinder  i^ai  niehi  scliarf  j^euuj^  \  ernrleilt  werden,  lune  sogenannte 
-Störung  dnrch  den  Lumu  könne  ^ai  nicht  in  Betracht  kommen: 
es  handle  sich  Ja  ntir  \im  eine  Viertelstunde. 

._:.Jt-an  M  ntin  Charcot.  der  welthernhmte  Pariser  Nerven 
kliniker,  läl.st  sich  über  die  Sch  ulüberbürdungsfrage  in  seinen 
soeben  erschienenen  poliklinischeti  X'ortriig-en  unter  anderem  wie 
foj^t  \  eriielimen :  Ich  trhuihe  nicht  reclit  an  eine  l'herbürdnnj^  in 
der  Schnle.  l'ür  die  Technik  alU■r(lin;,^s  mnis  icii  sie  /n.ueben.  aber 
in  der  P.lenientarschiile  nuil  in  tK  r  M ittt  Ischule  bis  /.n  einer  gewissen 
Stufe  ist  >ir  mir  selir  nnwuhrscheinlii  h.  Ich  |)flauhe  nicht,  dafs  man 
ein  k'ir.<l  lil n  ;  1  n'i rdeii  kann  :  es  ;;ehl  ihm  /.u  weniiur  nahe.  Wenn  Sie 
ein  Kind  hernehmen,  das  Ihnen  nicht  /u  antworten  weif.s.  nun  so 
antwortet  e»  eben  nicht.  Ich  erinnere  mich  n«>ch  sehr  wohl,  wie  ich 
micli  als  Kind  benahm,  wenn  man  niicli  /.wintcen  wollte,  etwas  w  iik-i 
meine  Neigung  /,u  thim.  Idi  that  es  nicht,  ich  that  etwas  anderes. 
Man  ist  in  einem  larewissen  Alter  im  Stande,  sich  ^eisti«;  zw  über- 
bürden, aber  das  Kind  ülierbürdet  sich  nicht,  und  ich  muls  sauen, 
ich  habe  auch  nur  äulsersl  selten  im  Kit!(l'  saltc  r  Neurasthenie  *ie- 
seheii.  Wenn  die  Kinder  erst  15  bis  i/Jalue  .ilt  geworden  sind, 
wenn  sie  Prüfungen  XU  bestehen  haben  usw.,  dann  kann  man  von 
einer  Üherbürdung  sprechen  . 

—  Die  ersten  sechs  weiblichen  \  Vi  i  t  n  r  i  t  n  t  ^  11  /u  lU  tiin. 
welche  durch  besondere  üriaubnis  des  Kultusministers  /.lu  .Vl>gaugs- 
prüfungani  Königlichen  Luisen -C;ymna.si um /.ngfelassen  wurden,  haben 
sämtlich  die  Prütting  bestanden. ' 

—  Minister  Dr.  Hnsse  hat  sicli   hin.sichtlich  de»  Keligiuns- 
Unterrichts  der  Di  ss i  d  c  n  t e n  k  i  n <i  e  r  in  iK  -  t:  Sinne  •!n^!4:esi)roc1ieii. 
tlafs.  wenn  in  der  \  erfassun;^   <Ki  Keligion.snnierru  ht  .ds  ein  inte 
frierender  Teil  des  (iesaintunterrichts  bezeichnet  .sei.  so  müsse  der 
Relii,Monsunterricht  .uich  wirklich  solcher  sein,  nicht  aber  ein  l'nter- 

richt,  der  das  Dasein  (.oltes  leui.;ne. 

—  ticgcii-die  1  ortbildungsschule  hallen  .sich  in  Frcistadl 
der  Ma^^strat  und  die  Stadt veronlneten  erklärt  und  den  Hcschhifs 
j^efafst.  die  gewerbliche  Fortbildungs.schule  aul/uhebeti.  weil  durch 
sie  die  II  a  n  <1  w  e  r  k  s  m  <.  i  s  t  e  r  selir  jr  e  s  i  Ii  ä  <l  i  i;  l  würden  Der 
Kegiei ungsprüsideut  hat  auch  in  diesem  l  ade,  wie  Ijereits  in  melirereii 
andern  Fällen,  dem  Heschlnfs  der  Stadtväter  .seine  Einstimmung  versag. 


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iMulbvbv  Voliit|irJiu1««rt«'. 

-  »       •  —  —  -  ■  - 

Alle  1T>  Jährt-  alten  Mädchen  <lrr  Vulks^schule  in  ICbe:  s  vaklc 
siiul  vt  rjjfliclitct.  an  deni  Ii  a  u  sw  i  rtsc  Ii  ;i  f  1 1  i  r  !u  n  rntcnirlitc 
für  h ,ran\vach.sende  Mädchen  teilzunehmen.  Ähnliche  Schulen  be- 
stehen in  Charlottenbui^;.  Chenmit/,  Kassel  Plauen,  Hanau,  Pader- 
b.>rn.  Herford.  Merseburff.  Marienburjf.  Halle,  Königsberjr,  Dortmund. 
(*uben,  i'(>.sen. 

Lehr-  und  Lernmittel. 

—  in  S'i  liatUn  .sich  dit  Lehrer  \or  eini.uer  Zeit  an  die 
Schul vor.släude  niil  iier  Jiilte  j^ewanUt,  tlie  nul  Draht  geJiefteten 
Schulbucher  und  Schreibhefte  ni  verbieten.  Dieses  (besuch 
war  mit  dtni  Hinweis  auf  die  jLierin^e  Haltbarkeit  dies(  i  l^ficher  und 
(leren  tiefährhchkeit  begründet  worden.  Die  Schulbehürde  hat  in- 
foljredessen  die  feniernc  Anwvnduttfr  der  mit  Draht  gt^'hcftetcn  Bücher 
in  den  Siej^ener  Schulen  untersa»^. 

\ On  <kni  Lehrer  Halbe  ist  ein  Näbrabnien  koji-4r\iierl. 
«1er  .Iis  I>erliuer  Nährabujen  in  der  Berliner  i.ehmiittelan.stalt  v»m 
(iebhanlt,  rrin/.enstr.  S5,  /.n  haben  ist.  An  demselben  können  .ille  fitr 
die  Volksschule  in  Betracht  kt»nniH  tuU  n  Xabtt  \  Lranscliaulubl  wt  1 
fleti.  CiaJiz  besdiidcrs  nmi's  auf  f'ii  d'i'\h.iiis  klare  Darstellnni:  des 
Su'unes.  der  überwenillieiu  11  un»i  Kaj>iiu.ihl  hingewiesen  wenlen. 

•|,  Im  X'erlajre  von  Maiiz  und  Lan.u<-  iu  Hannover  ist  ein 

neues.  i>raktisebes  Tellnriiim  erschienen,  konslruierl  von  berd. 
Kiiik  Ilanpllebrer  in  Hannoxer,  das  sicli  'bireb  Linfacbheit  und 
l'.illrtki  it  il'ieis  1'^  M  I  ans/eicbnel.  !  >er  .'V]>j)aial  ist  ohne  jedes  Trieb- 
werk mstl  lenkl  daher  die  .Vufmerksamkeit  de«s  Schülers  niebt  durch 
;j:elK-ininisvollen  Mecbanisimis  ab.  Lin  die  *)ft  unnui^liebe  \'er- 
dunkelun^  des  /iuuners  zu  umgehen,  i.st  «lie  Darstellung  der  vSonue 
durch  ein  Licht  vermieden.  Die  S<mne  ist  durch  eine  helljjelbe  k"np:el 
die  Strahlenlsendiine  zur  bjde  dureb  bellt  DriUite  un<l  die  Mond 
beleuclitun^^  durch  eine  hall>e  heili^eil»e  Kapsel  wirkungsvoll  veran- 
.schaulicht. 

.\ntt liehe  Siclluu^  der  Lehrer. 

j  Der  Heu  Minister  IJosse  erkbirte  einer  Dei)Utation  iles  Rek- 
toretn  ereins,  dafs  er  eine  .\uiseruti};  über  den  Pre«  fsi.schen 
Rektoren  V  erein  in  d«  1  ilim  /uj^escbri ebenen  l'orni  nicht  j^cetban 
IS.  Ilauptblatt  unseres  Mai-Hifles.  S.  2S:;i.  \or  allem  nicht  in  der 
.^cb rotten  b'orui.  dals  er  sich  \  iehuehr  nur  bedinguuifsweise  ausge- 
sproclien  habe.  Kr  jfab  der  Deputation  wiederholt  die  Versicherung, 
dals  er  ilie  Rektoren  als  sehr  wichtige  und  wertvolle  Mitarbeiter  .m 
»ler  preuisischeu  \  olksschule  betrachte  und  ihre  Autoritär  bei  etwaigem 
An|;riff  schützen  werde.  Kr  wolle  auch  die  materielle  Stellung;  der 
Rektoren  keineswef^s  herabdriicken,  sondern  befestigen  und  lieben 

—  Lehrer  A'oigl  in  AltciiKnrg.  der  aus  der  e\  .  1,  .1  n  d  i  k  i  rcb  e 
ausgetreten  war  und  sich  der  .streng  lulhcri.sch-orthodo.xen  .sog. 
separierten  Landeskirche  angeschlossen  hatte,  wurde  mit  Dienstent- 
lassung unter  Zubilligunf^  einer  einnialifren  Jahre.spension  diszipli- 

nariseb  be.Ktralt. 

—  In  Cottbus  wurden  in  die  Schuldeputation  gewählt 
Rektor  VV.  Schmidt  und  Hauptlehrer  (L  II  ossenfelder.  Da  der  Vorschul - 

lebrer  Zeese  als  Stadtverordneter  schon  seit  Jabren  Mitglied  der 
Dejnitation  ist.  so  sind  jetzt  in  der  aus  y  Milgiiedem  bestehenden 
Deputation  J.ebrer. 

—  In  dem  katholischen  Lehrerseminare  /41  Paradies  hatten 
drei  Seminaristen  bei  der  letzten  Volkszählung^  in  der  Rubrik 


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I  j  .loh<inn<-i>  .M»  ver. 

Staats/u,u(.!iöriuk(.'it  das  Wort  I'ol*;  statt  dt*s  vtjr^^cst'liricboiK'n 
D.  ciniictnijrtn.  Sie  'viirilcti  ijifnljredesseil  von  der  Anslall  \  t-r- 
wiisit»  iMul  erhiclUn  aut  ilirc  spaU  rt-n  ('.»  sucl'e  ini>  W'ndLr.'iiitiiahiiii.- 
in  die  Anstalt  .'djlelnunrle  Anlvvorleu.  hl  ileni  /( iiiiJiis  (K•^.  Si  tnina 
risteii  Ii.  heilst  es.  dais  sich  derselbe  sonst  j^ut  i^efiihrt  )ial»e  und 
auch  sein  I'kifs  hiim  ^  iiii.  Leislnn;^en  j^cnü^t  hätten,  dai's  er  jedorli 
halle  entfcrnl  werden  müssen,  weil  er  lici  Ausfüllung  der  Zählkarten 
am  3.  De/ettiber  v.  j.  eine  denlsclifeindliclie  (le.sinn\in;i:  nnd  rnbot- 
niafMjrkcit  jj^exeiprt  habe-. 

Sosiah^  8te1]iiii|c  «Irr  L^ll1'^r, 

—  l'ber  die  I'niK*-*'  ans  welchen  I\rei>en  si*  Ii  die  f,elircr 
nnd  die  Lehrerinnen  rek  r  n  t !  t  r  »•  n  .  ;;,deM  <lie  folgende /nsaninicn - 
slellun);  interessante  Auskunit;  i-.s  stammen  ,uS;  F.elirer.  also  5,11 
!*roz.  und  417  Lelirerinnen,  also  4,94  l'rox.  aus  l-aniilicn  von  Hitfs- 
arlieileni :  Lehrer,  alst»  ^.  jj  I'n»/.  nnd  --i  i  Lehrerinnen,  .dso  S.S^ 
l'ro/,.  aus  I'uniilicii  von  AulJsichls-  und  Rechnun>i.sl»camLen  in  j;ewerl> 
liehen,  landwirtschaftlichen  und  kaufmännischen  Hetrieben :  .^7  <>  1 
I.ehrer.  also  »m'.s  I'ro/.  nnd  4.^74  Lehrerinnen,  als«»  .^(.S  Pro/,  ans 
J'amih'en  von  selbsiändiiien  f.andwiiteii.  Handwerkern  und  Kant- 
leuten; iOt>;>i  Lehrer,  also  .^^.s  Tio/..  und  271«»  Lehrerinnen,  al.su. ^^.l 
l*ri)z.  aus  Familien  von  feslan;^eslellten  Heamten.  Also  5. 11  Proz.  und 

Pro/.  —  10.53  Pro/    L(  hrer.  Prn/    ntid  S.S^    Pro/..         ;  :  7S 

Pro/,.  Leiirerinncn  j^elidrlen  den  beiden  ersten»,  den  niedern  Kate» 
Uorien  an ;  dajjejfen  jjehörten  60,5  Pro/,  und  25,8  Pro/.  ^  S6.3  yro/.. 
Lthrer.  51.S  Pro/,  und  Pro/.  S;>,c)  Pro/..  Lehrerinnen  den  beulen 
lel/.tervn,  den  Ixihereii  Kate{.;orien  an. 

~  Hinsichtlich  der  einjährigen  Dieuütpf liclit  der  V  olks- 
schullehrer haben  sich  das  wnrttenibcrgische  und  das 
hadische  Ministerinra  des  1' nterrichts  dem  in  I'reufsen  ange- 
ordneten \  eriahren  anj^esohlosseii. 

A  lier  Lehrergesaugvcreiu  /.u  l>üsseUlorf  veranstaltete 
kftr/lich  einen  Volksunterhaltunjfsabend.  V,s  wurde   der  Rhein 

in  Sas^e  und  Lied  dar«iehoten.  .\ls  (last  war  der  i  ^beriiräsideul  der 
Rheinproviuü  /.uifegen,  der  sich  sehr  betriedixcnd  aus.sprach  und  ver- 
sicherte, die  Sache  nach  besten  Kräften  zu  unterstützen. 

—  Dem  6000  Kinwohner  zählenden  Indnstrteort  Lustenatt  ( Vorarl- 

beri^)  stand  t)berlelirer  Bosch  wahrend  der  lel/ten  6  Jalue  als 
iJurj^ermeisler  vor.  derselbe  hal  eine  Wiederwahl  abgelehnt,  und 
es  wurde  mit      ^Lyoritäl  Lehrer  Alpe  zum  Bürgermeister  j^cwählt. 

—  Der  Rittergutsbesitzer  und  Rittmeister  der  Landwehr  I).  in 

Lembach  bei  I^ork,  Patron  tler  Schule,  der  ('en  Lehrer  D.  daselbst 
körperlich  mii'shandelt  hatte,  wurde  \ou  der  Strafkammer  /ai 
Marburg  wegen  Kvirperverletzung  und  Beleidigung  zu  (loo  M.  Geld- 
strafe oder  40  Tage  < Gefängnis  und  zur  Tragimg  der  Kosten  verurteilt. 

3faterielle  Ht«llnn)?  der  I^hrer. 

Der  r«len-ichtsministcT  hat  nach  Henehinen  mildem  Finanz- 
miiii'4er  entschieden,  dafsdte  Mitglic<ier  <K  r  i;iemenl;i  i  1  h  rer- 
Witwen  und  W  a  i  se  n  k  .!  ss^n  der  ein/ehuii  I\ei:iernn.usbe/irke  /n 
den  linier  »La  \  or.schrill  de.s  j;  Abs.  1  des  Relikten -c.set/es  \  oiu 
20.  Mai  1.SS2  fallenden  Beamten  und  J,ehrern  gehören  nnd  demnach 
bertchti-t  sind,  atls  der  Allgemeinen  Witwen- Verpflegungsanstalt 
aus/.nscheulen. 

\\  aiiietid  tla>  bislierjge  (  •ehalt  der  \"«»lk.sscludk hrer  in  \\  il 
helm.shaven  mit  i4<h»  AL  begann  un<l  in      Dienstjahren  bis  iSno 


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(M-ut'ti-h^  Vnlk»itt;bulwnr|<'.  ) ; 


M.  .stit'tr,  beträgt  dius  Anf.in^^sxchalt  jetzt  lür  provisoriscli  aiijfvs teilte 
r^ehrer  120a  M.;  es  stei^  in  24  Janren  hin  zum  Hochstfrehalt  von 
2800  M. 

—  Im  den  M  ittel.schu  lieh  lern  in  i  ii.slei  bürg,  die  nicht 
schon  dns  Höchstprehalt  von  2100  lic/.w*.  fStio  M.  erreicht  haben,  eine 

/iiKiiC«.'  von  150  M.  LTt'ben  /ii  k'"iniv,  ii  w  ui  li  das  Schiiliit  ld  um  '*  M . 
erhöiil.  Die  /.u  trwailctule  MehrcinuaiiiiK-  laträ}.:!  ^850  M.,  die  At;s- 
jjabe  für  t'^e]^alts/lda^^en  aber  nur  26.^7, 51»  M.  liisterlmr^  bc/.ahlt  seine 
Lehrer  schlechter  als  Tilsit,  Memel  und  Ciumbinnen. 

X  "'-■T'  ba\  risclic  l.amlta;^'^  nahm  eine  Rcj^iernnj^sN orla.ue  an. 
WL-khc  die  lirhöhung  der  l'ensionen  um  '1.  der  AltLiszula^^xn 
«Ouiiujuennal/.ulajfen  ii  90  M.»  bezweckt.  rr.sprüni.,dich  wollte  ilas 
Zentrum  die  noti^fen  Mittel  nur  als  I)is]io.sitionsfan(l  bewilligen.  Der 
Minister  stellte  eine  Revision  des  Sehuldtitalions.ueset/es  in  Aussieht. 
\ On  einer  \  erslaatliehuuj.;  der  X'olks.schule  will  er  prinzipiell  uiehUs 
wissen. 

—  X;ieh  anirliehen  Milteilnn;;in  niaeht  sich  au«  h  in  Württem- 
berg ein  peinlieh  berührender  Mangel  an  jüngeren  Lehr- 
kräften geltend. 

—  \dn  den  I, ehrern,  weUhe  die  Abgangsprüfung  in  Kckeru 

fordc'  1k  standen,  haln-n  vuv  etwa  10  .\  n  stel  1  u  n  jl,^  erhalteir  Dem- 
u;;clj  ist  der  1, e h r er m a n    e  1  in  der  dortigen  l'rovin/.  gehoben. 

—  Kur  drei  vakante  Lehrerstellen  in  HrfiKsel  liefen  nicht 
weniger  als  500  Dewerbttngen  geprüfter  Kandidaten  ein. 

Verriiisthttti|(keit  der  Lehrer. 

—  Die  inhaltlich  bedeutend  vennehrten  nnd  auf  fa.st  8  Hogen 

I  nuan.!^  erweiterten  k  e  i  se  -  l{  r I  ei  c  Ii  te r u  n  gen  tiir  die  Mitglieder 
des  deutsclien  I .ehrervereins  für  das  Jahr  iS(/)  «gelangten  binde  Mär/. 
y.urAusg  »l>e  Das  lieft  kt>sret  jet/l  o.  ;o  .M .  I)ei  j»oslfreier  Xuseiidung  ; 
es  wird  nur  an  Mitglieds  v  di  .s  deiitsehtu  1  Ahrer\ ereins  abgegeben, 
welche  sicll  dureh  .Mitgliedskarle,  <lie  /urüekgesandl  wird,  als  solche 
auszuweisen  haben.  Der  lünfachheit  halber  empfiehlt  sich  Ma.s.sen- 
bestellung  durch  den  Vereinsvonsitzenden,  der  dann  nur  seine  Karte 
ein/nseiideii  hat.  Hestelluiiyen  mit  deiilliclier  Ortsangabe  d'ostan- 
staiti  und  leserlicher  l  nterschrift  des  llc.stellers  smd  nur  zu  richten 
an  die  Verlagsbuchhandlung  \  <>n  J.  Klink hardt  in  Berlin  \V.,  Kothener 
Stras.«ie  24. 

—  Der  kecliiiungsabschhiis  der  Sl  <  vi  tk  asse  deutscht  r 
I.chrer  lur  tias  Jahr  1.S05  war  in  jeder  He/iehung  gün.stig  Die  .Mit- 
gliederzalil  stieg  von  ,vi7<)  auf  i,4(\  das  Vermögen  von  i7.j<h'1  M. 
auf  j_i4  NoS  M..  die  Di\idende  der  Mitgbeder  von  20",,,  auf  22'',,,.  Iis 
starbell  '. ;  rer.->.ouen.  das  ist  0,4",.  Im  Jahre  i?^<i''<  sind  liereil.s  wieder 
4i)j  .MitgliediT  .n;i;L;eiionimen  worden,  so  dals  die  .MitgUe<kr/ahl  jet/.l 
nahexu  i><>f>"  belrä-t  /ur.Vufnahme  sind  I^ehrcr,  Lehrerinnen,  I.ebrer- 
frau«.n  und  di«.-  /«'»glmge  (kr  l.eliiei  si  niin.ir«.  iHTechtigl.  Dii-  W  r 
.sicheruug.ssunuue  beträgt  um/  bis  hhk»  M.  Dmek.saehen  werilcu  mhi 
der  c  leschäfts.steUe.  Berlin  N.,  l.ottnni.str.  9  kostenfrei  versandt. 

—  I  »ei  Witwen  und  W  a  i  s  e  n  untcrstü  t  /  u  n  gs  \  e  r  <.  i  n  iler 
I. ihrer  in  .M  ii  nc  Ii  eii  /ahlle  im  Jahre  :>^v)^  •''■>■  \'c  reinsji'.lirt  Mit 
glie<lc*r  und  besitzt  ein  \  erniögen  von  475  v-'>  M-  l*it  Bihinz  weist 
in  Kimiahnien  254.^7'')  M.  nnd  in  Ausgaben  252023  M.  aus.  Die  Zahl 
der  im  Jahre  i'^u^  unteistül/teu  l.elirerswilw eii  war  4.'.  jene  tler  ein- 
fachen       dir  D<ippeK\aisiri  j  nnd  der  gn tjsjälirigen  W  aistn  7. 

Ivin  Teil  tler  W  iener  1. ehrer  ist  schon  hinge  .ui  <ler  Arbeil. 
einen  Zentrnllelirerverein  /u  gründen:  die  Sache  cheint  endlich 


i  T3      I V  7  ■  '    -  *  Digitized  by  Google 


Johiitiue»  .Mi-jrr, 

in  i'luis  /.u  kommen.  Mcrkwürdij^erweise  hat  der  )früfsere  Teil  der 
Lehrer  gepen  die  Heteiligfiinj?  von  Lehrerinnen  g-estimtnt;  die  Ani- 
mosität ist  aber  im  [nicrcsst-  ilci  jiuttii  S.iclic  ;^anz  sicherlich  nicht 
am  IMat/.(j  und  verrät  keinen  l»esoiuleren  W  eitblick. 

—  Der  Wiener  I^elucrliaus-Vercin  /.eigl  nach  <leni  neue!»len 
Jahresbericht  ein  weiteres  niächti|[ces  Aufblühen.  Im  X'orj.ihre  hat  er 
an  5<>o  nene  .Mit<,dieder  gewonnen,  so  dals  er  jet/l  im  yan/.en  j;e_i;en 
5CKX>  Mitjflieder  /.ählt.  Der  X  ermo^^ensstand  weist  tlie  Snmme  xon 
86cxx)  fl.  auf.  Die  \Virtscliaftsabteilun<;  hat  einen  ( ie.samtunisat/  \  «>ii 
;,S6  6<)o  n.  mit  einem  Rabatt  von  20916  fl.  erzielt.  I>ic  Spar-  und 
Darlehnskasse  nmfnfst  7-' >  ^^.t  iti^lieder.  hatte  im  \  erfU)Ssenen  (".esdiäfts 
jähre  1074151  fl.  l'msatz  und  einen  Reingewinn  von  1002,^  fl..  der 
Reservefonds  beträgt  6176  fl,  Nen  ins  Leben  tritt  eine  Versiöherunp;- 
anstalt  (Krankenversiehemn;;  rti  m 

—  Im  bei  der  (iruud.sleinlej^nni'steier  des  deutschen 
Lehrerheims  eine  möglichst  vielseilij^e  lieteili^ung  der  Lehrerschaft 
zu  erniojflichen,  ist  die  Feier  in  die  Sonimerferien  verlefift  worden. 

X  \'(^u\  4  —7  Auj^ust  d.J.  ta;.;t  in  Münolien  der  ;,,  i n t er n .1 1 i on a  1  e 
Kongrels  lür  Psychologie.  i>ie  bedeutendsten  Namen  des  In- 
und  Auslandes  sind  bereits  in  dem  vorläufig  festgestellten  Pioj^rauuii 
vertreten,  l'ür  Lehrer  werden  die  X  erhandlnnji^en  insliesondere  da- 
«Inreli  intere.ssant,  dafs  eine  besondere  Sektidn  für  Psychologie  y:e- 
bildct  wird.  In  dersell)'-n  sprechen  die  IKinn  Dr.  .\ndreae  Über 
die  Psychologen  sehe  liildunt;  des  Pädaijoi^en  ;  Prof.  Kbbin.ufhaus  Cber 
eine  neue  MethocU  /tir  Prüfnn«;  «j^eisti.Ljer  bälii.i^^keiten  und  ihre  An 
Wendung  bei  Sehulkindern  ;  Dr.  Jung  tllaag)  HypnoUsmus  und 
Suggestion  als  pädagogische  Hilfsmittel  :  Dr.  Offner  '  Die  Kntstehnng 
der  Schreibfehler  ;  Prof.  Pre\  er  Die  Psychologie  des  k'n.des  ;  i)r. 
Sperling  Ps\chologie  in  der  Schule  ;  I^ehrer  Friedrich -Würzburj; 
I)ic  j-eistige  Ermfidunj^  der  Schulkinder  u.  a.  ni.  l>ie  pädag^ojrische 
Psychologie  darf  an  diesen  Kongrefs  die  schönsten  Hoffnungen  knüpfen. 

Personal-Nacliriehten. 

—  Geheinirat  Dr.  Karl  Schneider  vom  Kultusministcrinni 
ist  zu  seinem  70.  Geburtsta.tr  von  der  iierliner  theologischen  l'akidtäl 
in  Auerkcnnun.nf  seiner  W  rdienste  um  <!'  ti  Reliiiion-^uTiterricht  und 
tlie  Püdagoj;ik  im  allijemeinen  /.um  Jihtendoklor  ernannt  w<^rden. 

—  Den  70.  <>cb«rtstag  feierte  am  1.  Mai  Herr  (leheinnal 
Prof.  Dr.  Hertram.  Derselbe  steht  seit  1874  an  der  Spitze  des  Ber- 
Huer  \' ol k ssch u  1  wesen s. 

—  Seminar-Oberlehrer  Musikdirektor  Bernhard  Kothe, 
ein  weit  über  die  (Frenzen  der  Provinz  bekannter  Schulmann,  ist  mit  dem 
J'jide  des  Scliuljahrs  nacli  :i7jähriucr  \\  irksamkeit  am  Semin.ir  und 
5«yähriger  Lehrthäti.ni^keit  id)erliau]>t  in  den  Ruhestand  j;etrelen. 

—  Die  philosophi.sche  Fakultät  der  l  uivcrsitäl  /Zürich  hat  Herrn 
Prof.  J.  Ilunztker  in  Aarau  zum  Ehrendoktor  ernannt. 

—  Die  Schüler  des  verstorbenen  Seminardirektors  Lange 

in  Se.ueber«^  haben  i.sck)  M  /usammengebracht,  wm  ihrem  verehrten 

Lehrer  ein  DeJikmal  zu  setzen. 

Oberschulrat  Friedrich  August  JJerthelt,  ein  um  das 
dentsche.  ganz  besonders  aber  um  das  sächsische  Volksschulwesen 
hochverdienter  Majin,  Verfasset  zahlreicher  Kücher.  ist  am  26.  .April. 
tS_'  Jahre  alt,  gestorben. 


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