eile
Otto Stoessl
Blau Memorial Collection
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Kta
totte*altex.
9la§ brucl
verboten.
i
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Vau
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»Her Eigentümer ber beiben fiaufer iRr. 28
unb 9ßr. 30 auf ber Sam$erftraf$e in fiiefcing,
beren eine« er balb oeräufeerte, war ber
3nfpe!tor ber ©taatabaljnen, ©err &eumdfj
Horner, unb $atte fie von einem D&eim gerabe
jur rtd&tlgen fttit geerbt, als feine Heine
grau ftd) an bem SBa&norte in Dberöfterreidfj, wo jte
bisher gewefen waren, fdfjon gar ju unglfidlidj)
füllte, ©o fam bie (Srbfd&aft boppett angenehm,
fieinri^ Horner liefe ftd& naä) SBien t>erfefcen,
unb ba$ (Sfjepaar jtebelte jtd& in bem einen $aufe
an, wctyrenb bad anbere an bie Saronin Wltni*
borf abgegeben mürbe. SJton tonnte bie ßiebeselje
ber Horners nid&t eine glüdflid&e nennen, trofc*
bem bie beiben Seute einanber fo entgegenge*
fefet waren, ober mettetd&t eben besf>alb. @r
war einer von biefen großen, flarfen 3Rcmnern,
bie man ftdj iljrem 2Iuöfel)en unb SBefen na<$
immer nur jung wrftetten (ann, unb benen man
nid&t einmal bie grauen fiaare glaubt, wenn jte
,fte l)aben. ©o übermütig unb bod& fefl, fo Reiter
C> 550976
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_ 8 —
unb bo<$ gelajfen war er. Sott §o$em äBudj«
mit einem frönen, btonben Satt/ einem fefien
©ang, fa$ er einem 3äger glet<$, baju fam ber
ftd&ere Sllcf feiner Morien, blauen Stoßen unb
ein gleidjmäfitger fiumor. SDiefer SRiefenmenfö
$atte fld) in ein sarte«, feine« ©efdjöpf oerliebt/
ba* er in einer gfaufl fjätte bergen fönnen, rote
einen Sögel. Sie fyttte bunf le, ein wenig oer-
fdjüdjterte 2lugen, ein fd&male«, beroeglidjes
ßörperdjen unb einen 9)hmb, in bem fdjon frttb
eine Sinte ber Älage unb be« Selbes tag, roas
feine Siebe reijte, roeit niemanb roufjte, roofjer
biefer fdjmer&lid)e 3 U Ö * am un ^ ty* e Unruhe
unb fiitte $a)t ©ie tonnte mrgenbs, an feinem
nod& fo frönen Drt, in feiner nodj fo glüdlidjen
©tunbe oerroeilen, eine traurige Ungebulb f$ten
mit bem rafdjeren 33lut in iljr &u freifen unb
ifjre gurdjt oor etwa* Unbefanntem, $)rol)enbem
immer unb immer $u roeden. Unb eigentlich
Ijatte fte feinen 3lnta& ju §ur$t ober ftdj um
gtüdti^ $u füllen, fte liebte i&ren 9Rann, rourbe
t?on ttjm fe^r geliebt mar in angenehmen, be-
fäeibenen »er^ättniffen. ©o wußte i§r Sttann
fid^ gar ntd&t %\x erflären, roarum pe feinen
Hüffen plöfclidj jitternb ftdj entroanb unb ßumm
mit fiarren SHugen ftdj roegfefete, ober roarum er
fte bei 9to<$t neben ft<$ oft leife unb jhmbenlang
meinen $örte. ©o fterf unb lebhaft er roar,
ptete er ftdj bodj oor tyrer 3 ar *& e tt unb ©e-
bredjltdtfeit, ertrug tyre Saunen unb roufjte nur
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9 —
nie, womit er tyre Slngfi oerfdjulbet, ba§ fte
neben i§m lebe/ wie oor einem fd&weren, t&ränen*
vollen Seib unb 2lbgrunb. ©o fam es, bafc er
immer aufatmete, wenn er, auf SnfpeWonsrrtfen
gefd&icft, bie frtfdje, frötyüdje Suft be« SDafein«
fpüren burfte, unb bag er bo<§ ftd) roteber freute,
nad& fcaufe &u fommen, al« müffe jefct enblid)
atteö Ungemiffe au« unb bas Schöne fertig unb
beftimmt fein.
Sit« er no<& braufjen in ber Sßroüinj Station«*
corftanb gemefen mar, fcotte er bie Slngft unb
Unruhe feiner grau auf bie Slbgelegenljeit be«
Keinen ©ebtrg«orte« gehoben, ber in nidjt« tyrer
©efcnfudjt §u antworten oermodjte, obgleich fte
bo<$ an ben beiben ftinbern genug greube unb
frö&lid&e 2Wti$e f)ätte ^aben (önnen. ©ie fcatte
jmet £ö$ter geboren, mit benen fte wenig me$r
anzufangen wujjte, al« für fte ju forgen, er aber
fte ftd> jum luftigen ©pieljeug ma<$te, inbem er
ftdf> l&nen ba$u gab. $te erfte, Wartanne, war
um zwei 3a§re älter als Seite, bie jüngere.
$iefe gab ftd) felbft al« Äinb ben fonberbaren
tarnen, inbem fte Sittp, tyren elgentlid&en, alfo
oerwanbelte. 60 nannte man fte weiterhin immer
Seile. Sefonbers bie Butter liebte biefen tarnen,
ber in tyrem SRunbe etwa« 2Beld)e«, SBoflüfttg^
fämeralidje« betam. 211« fte enbltdj na$ SBien,
ober eigentliä) nad) &ie&ing oerfefet würben, war
Marianne, bie ältere, etwa 14, Seile 12 3aljre,
beibe Ratten braufjen bie ©djule befud&t, bie eine,
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ältere, bie vom SSater baS fettere SBefen Ijatte,
mit geringem, Seile mit bebeutenbem (Stfer, fo
bafj man in SBien bie jüngere jur Severin aus*
pbilben badete. $iefe 2lbftd)t mürbe burdj baS
alte gräulein oerflärf t, bas ba« (Srbgefdbofj gemietet
$atte unb fd&on ifjren Neffen (Sbi jum Se^rer erjie^en
moUte, morin fie nun audf) Seile gern ju über*
nehmen erftärte.
60 begann in bem neuen &aus ein neues
Seben. SDie Butter ber beiben 3Räbdf)en friert
in biefer Suft roieber aufzublühen, i^re traurigen
3üge befamen menigftens in ber erflen &t\t
einiges Seben, unb es fd&ten i^r eine miüfommene
33efdjjäftigung, ben ©arten ju pflegen, baS £aus
etnjurid&ten, roäf)renb ber Sßater fidf) nun fdjon
gar Reiter unb ftolj als eigener &err füllte unb
nad& feinen Reifen ftd& an luftig praljlerifdjer 3te
quemltdfjfeit gar ni<$t genug tf)un tonnte. 2lud^
bie beiben 2ftäbd(jen fanben fidj, iebe na<f) if>rer
8rt, gut ab. ®te ältere Marianne mar megen
i^res SBefenS o^ne^in gleid& in 2Bien mie ju
Saufe, ©ie mar mittelgroß, mit i^ren 14 Sauren
fd&on üoüfommen erroadftfen; roenn (ie fo bur<$
bie ©trafeen ging, mit i^rem leidsten ©ang, in
i^ren gellen Kleibern, mit if)ren fd&marjen, luftigen
©liefen, bie ©ammetmüge auf bem bunleln §aar,
bas tyx in einer bieten SBinbung auf bem
Raupte lag, flog üjr ßäd&eln bem unb jenem
jungen Wengen mie eine heiterte SJer^eifeung
$u, ifcr 9ttunb hatte mit feinen »ollen Sippen
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— 11 -
imb feinen jtorfen, toetgen Säfjnen etwa« fieben«*
fiebere«, man wufete, er werbe ba« Steinen nie
lernen fönnen unb wollen, unb gar ihre Stimme
war hell unb rafch, ihre SRebe balb ganj wtenertfeh.
Tie geiftige ©rjiehung war freilich brausen ju
@nbe gewefen, fte btirfte wohl in ihren Siebe«*
briefen einige Schreibfehler gemalt haben, aber
im Stil war fte bavin lieber, unb ba« war ja
für fte bie §auptfad)e.
Seite war fo anber« unb bennoch i^r t>er*
wanbt, wie nur ©efd&wifier einanber nah unb
zugleich fremb fein fönnen. 2lud) fte war be*
weglich, ja noch t>W mehr als ihre Schwerer,
aber jte hatte etwa« feines, 3 aT * e *> 3 we< *fofeö
in ihrer Sebhaftigfeit unb zugleich etwa« Stille«.
Sie war gewtfc gefdjeit, aber nie hörte man ein
2Bort Don ihr, ba« Slltflugheit »erraten hätte-
st ihren jwölf fahren fonnte man fte für acht
nehmen, fo Kein war fte. 3h* ®eftcht war fchon
bamal« feltfam unb reijenb, oon unregelmäßiger
Silbung, mit jwei bunfeln, fragenben, eigentlich
traurigen, braunen Slugen, bie aber um ihre
Trauer nicht wufjten. Sie fchwarjen, fchweren
&aare hingen ihr wegen ber SBilbheit unb jleten
^Bewegung in leichten Socfen über Stirn unb
$al« unb SBangen, fo ba& fte fte immer fdjnett
Surüdfirich. 3h* äörperdjen war mager, aber
fehnig, fte Wetterte überall f)in, erfiieg alle«,
würbe nie mübe, machte alle Sptelanffrengungen
ber wilbefien SBuben mit, aber ade« ba« ohne
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■
etgentlidjje greube. (Sie fpradfc wenig babel,
friert ftdjj bei lebhaftem unb bewegtem treiben
am wollten $u füllen, man ^örtc fte nur feiten
ladjen, unb bann mar es wie ein furjer
Sogelruf, au<$ fprad^ fie wenig, aber auf*
richtig unb war wieber burdj ©ute« unb Slrges
leid&t bewegt. ßam es ju Saigereien, fo fd&lüpfte
fie mit tyrer feinen Std&erljeU wie eine Keine
©ibed&fe burd&. Syrern SSticf, ber oft, aber nur
für Slugenbltcfe, bunfel unb treu auf ben 2flenfd(jen
ru&te, fonnte ftd(j niemanb entjiel)en. SBalp
fd(jeinltd& gewann auclj er jumeift tyr biefe un*
abläfftge 3ärtlidjfeit, beren fte ftdfj bei ben Der*
fd&iebenften Altern erfreute, ©ie f)atte gfreunbinnen
unter ben ganj fCcinen ßinbern, unter Alters*
genoffen, unter ben ©ttern iljrer ©efpielen.
Unb alles btes trofc tyres feltfamen SBefens, bas
unbebaut bem Augenbltdt allein folgte, unb trog
bes Freimutes, mit bem fte tljre ©ebanfen fagte,
SBöfes unb ©ute«, als wüfjte fte, es fei ja gtetd&
wert, eben weil fte es beibes ba^te unb benfen
fonnte.
@o würfen bie beiben 3Räbd&en $eran, bie
eine in ben mäbdjenljaften Abenteuern unb SBer«
gnügungen, bie anbere trog aller 33emeglidjjfeit unb
Seb&af tlgfeit ernfi. 3fjr fiauptoerf e&r war mit ber
alten Severin unten unb mit beren Neffen <£bi, ber
in« Dberggmnaftum eingetreten war, als fte il)n
fennen lernte. ®ort war fte gern in biefer
altjüngferltd&en Stille, bie bod& wieber burd&
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bas fd)üdjterne £ret6en bes 5lnaben beroegt
war . . . Unb wenn bie Sekretin fort imb 6bi
in ber ©djule war, füllte ftc fid) fogar am
wofjlfien in ber oerlaffenen 2Bo§nung.
Sei ben Horner« $u igaufe war alles etnfadfc,
$übf$, gewitynlid). Slanfe $orf>änge, gut polierte
braune ©d>ränfe, bunte orbentltofc gemuflerte
£eppi4e, altoäterifdje Slumentiföe unb niebrtge,
etwas versoffene gauteutls, alfo eigentlich nid&ts,
ber <Sel)nfu4>t unb $f)antafie Seited $u bienen,
ni$t bie minbefie überfdjwenglk&e Stonfe, baran
jum blaffen 2Wonb emporjuflettem. $öd)ftens
ein paar ©ifenba^nfarten bes SSaters, bie an
ber Söanb fingen unb bie ©ebanfen entführen
fonnten, aber nur bur$ bie öflerreidjsungarifdje
9Ronar$ie, unb Äinbergebanfen reifen weiter.
Unten aber bei bem alten gräulein 9Jtän$retter
war es ganj f$ön unb anbers. (Srflens war
bie SBofcnung im <Srbgef<$oB, alfo ein bi&d&en
büfter. $)ie ßimmtv waren jwar nid^t ftnfter,
aber ber ©onnenfd&ein befam etwas fjeterli<$es,
wa* fidj aud) für bie feltfamen $inge fäicfte,
auf benen er, wie als SBefiättgung iljrer Söürbe, tag.
Unb bann waren gan$ wunberbare, alte
Sdjränfe, mit gefd&weiften unb würbig ©er»
fdmörfelten Sfnten, braun, aber ni#t einförmig,
fonbern jebe SBanb eingelegt mit ben x>er*
fdliebenften fiöljern, bie in feinen, oerfd&lungenen
Irabesfen ineinanber gingen, fi# in anmutigen
SBinbungen wieber löflen, in aiertidjen, aus*
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ranfenben Sinien bie ^ädjer umfd&rieben ober
bic Saben. ©ie ^atte aud> fäon gefeiten, wie
fte geöffnet ftd) ausnahmen, biefe haften, ba«
war audj wunberbar. 93or allem ber 2)uft, ber
tynen entflieg. @in föfUidjer, ein Siggen fdjarfer
SDuft, aber bodj einfdjmetd&elnb, wie ftarfe Slumen,
bie man gepreßt §at, ober wie ba« junge fieu.
Unb bann bie Säbdjen unb Abteilungen! Unb
jebefi gadj Ijatte feinen @riff aus golbenem
SWefftng, unb jeber (Sriff mar roieber mit feflen,
meffmgenen ßöroenflauen an« &olj gejwängt . . .
2>a! Unb bann maren in ben 3* mm * r n a ^ e
Silber! 3n IJJJebatttonfi lauter Seute, bie oor
oielen Sauren einmal jung geroefen maren, bie
man fid) atfo wunberbar uorftetten fonnte. Auf
^orjellan gemalt, einige au$ Silhouetten. $)ie
ältefien Ratten gar nodfj $erü<fen auf, bann
maren 3)iäbd&en mit (jod&gegürteten, weißen, wie
jarten Kleibern, ber &al§ frei, bajs man jeben
lieben S3ug faf) unb bie fanften ©djultem. Sie
Ratten alle fo gute, leere, bunfle Augen, unb fo
forgfame Sodengebäube. S)ann mar ein großer,
offener 23üdjerfd)ranf im 3tntmer, bann mar ein
große« ßlaoter ba; ba« gräulein 3Ründ)reiter
fpielte nämti<$ fef)r fd)ön. Unb auf bem gtüget
ftanb ba« SBunberbarfte. 3)a« (Srjbilb eine«
Uftanne«. @r faß ba mit einem ftnfiern unb
bodj furdjtbar frönen ©eru$t, ba« er gefenft
^ielt, mie nad&benfenb ; au<$ ber föücfen mar ein
wenig gebeugt, unb bie Arme ruhten im ©$oß
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»erförcmft. @o fa& er füll unb bodj bewegt.
@rji fpäter nmfcte fie, es war 93eet§ooen, ober
ba war er lange md&t mel>r fo gro&arttg für jte,
als bamals, wo fte nur mit bimfelm ©d&auer
auf tyn f)infaf), auf biefes wilbe föaupt, bas in
ber ©tnfamfett feiner ©ebanfen fömeigt unb
ftarrt . . .
©o fdfjlldj fte ftc^ oft in bas 3* mmer un &
legte fid) ganj breit unb be^agltd) tote eine
Äaße in bas Seberfofa unb träumte tyerum,
tyre ©ebanfen flogen f)ierf)in unb borten,
dauerten, ba& fie am ganjen Körper fröftelte,
ober bauten jtd& etwas äBunberbares aus, was
jte fo innig lädjeln madf)te, bafe fie es bur$
alle ©lieber fpürte. ©ie lag in i&rem ein
bifjd&en arg mitgenommenen ©djulftetb, bie Seine
auf bas Sofa geftüfct, bie Äniee hinaufgezogen
— bas fonnte jte nur f;ier — unb fann . . .
Über ben 2)tonn am ßlaoier, über feine t&at*
lofen Slrme . . . über fein traurig erhabenes
©eftd&t. Dber über bas alte gräulein Sttündfc
reiter. £)amt fprang fie mteber auf, na^m bie
Silbd&en dou ben SBänben, fal) ft* bie 93ü$er an,
fa&te bann aus irgenb einer (5<f e eines heraus, fprang
bann mit einem S^tefenfafc auf bas ©ofa jurüd,
8ugleid& mit üjrem furzen ßacfjen, unb roidelte
fu$ orbentltdf) in ftdj felbft ein, fo fauerte fte
jtdj jufammen, unb las. 3a, was f)atte benn
baS gräuletn 9Jtündf)reiter für 93üd[)er? 2IHe
üblidjen unb ein paar befonbere, bie ßfafftfer,
— 16 —
bie SRomantifer, bann bie (Snglänber, ben ganzen
33ulwer unb SEBalter Scott unb biefe ©ad&en
olle. 3l6cr es ifl ja fo gteidfjgiltig, was ein
Kinb lieft, es lieft aus allem bie wunberbare
©d&önf)ett einer 2Mt troll 2tynung, o&ne bie
fdfjmerjlid&en ©emtftyetten. <§fc ließ ni<$t bie
Seit unb nid&t ben ©tnn, es iß i&m nid&t, als
bewegten fidjj bie SRenfd&en, oon benen eö &ört,
bie ©inge, von benen es erfährt, im engen SRaum,
aielmeljr fdfjeint alles ju warfen, bie Statten
[feinen bur$ bunfle* 2l()nungen erhabener, bas
Sid&t bur$ golbene freubiger.
Seite las alles. Unb es mar i§r fo gleidfj,
was ftc las. 2Iber fte fpfirte bas ©tü<f eines
fe$nfüd(jtigen, tiefen 2ltems bei biefen ©iid&ern,
bie nid&t von einer Sßelt, nein, von SGBelten ju
reben fdfjtenen. ®a waren bie Tropen, fteflanb
unter ben $f<$ungeln unb faf) bas weithin
leudfjtenbe ßanb, fie fpfirte bie Ijeifje ©ttHe, unb
fte war bie Siane, bie ftd& ju ben fdjönften
Saunten fdjjmang, ftc war bie ftönlg$tod)ter in
Ägypten, bie ben gefd&tdftefien 2)ieb heiratete.
(Sie war bie i&elena in bem gried&ifd&en 2Rärd&en,
bie mit if)rem wefcenben, faltenreichen ©ewanbe
ju ben dauern £rojas trat, unter bie alten
ßeute, bie oben berieten unb, als fte fte faljen,
ju flüfhrn anfingen oor Sewunberung. ©le
war iebe 93tume, bie fd&ön war, jeber 33er«, ber
fte fd&auern mad&te, fte war SBort unb ©Inn
beffen, was fte las. Unb was waren ifjr bie
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— 17 —
Stid&er, bic SBorte, bie Silber, bie Sttenfdjen,
bie ©ebanfen ! . . . $He paar ftorren Segriffe
entnahm (ie unb fd&uf bamit eine neue 2BeIt.
Saute unb Derwarf, baute unb verwarf wieber.
Sebte, atmete in gottäf)nltd)em ©efüfjl auf einer
äöelt, bie ntdjt bie SBelt war, ging auf einer
(Srbe, bie nidjt irbifdj, lebte ©djttffale, bie
3Kär$en waren, unb »erachtete bie 2ötrfüd)fett,
wie einen bräunt. 2)te Seile brauste einen
Swetg unb $atte einen ttrwalb, ein 2Bort unb
fcatte Sieber t)on unfägtidjer ©d)önf>eit, unb
bann redte fie fi<$ plö<df) mit einem Spott
über fid) felbflt unb faty fremb bie frembe Ser*
trautfjeit be« Simmers an, ben ftnfieren fiaus*
gott aus <5rj, bie gerablinigen SJUniaturen, bie
t>erfd)nörfelten ©d&ränfe. S)ann tf)at fie etwas
üfiüfcltd&es, fie ag jum Seifpiel einen 9Ipfel.
Dber fie fprang burd) ba§ genjler in ben
©arten, ffetterte auf ben Sinbenbaum unb
atmete vergnügt ben guten $uft unb wiegte ft$
wolfennal) in iljrem raufäenben Drt unb
lad)te, wenn jid) bie Seute auf ber niebern @rbe
über bie Seile ärgerten, ©onft aber $atte fie
nur in fidj, in tyrem inneren SBefen, nidjt im
äufjeren ©eljaben bas SBunberlidje, fo bafc man
fie unbehelligt unb bem ©eltfamen in tyr äße
3eit liefe/ feine oerrüdtten Slüten ju treiben,
©ie war bewegtidj unb gefcfcttft, wie bie
Suben, Heiterte unb balgte fi<$ mit tynen, war
aber re$t Pitt babei, fo bafj i§r treiben
Dtto ©toefrt. 2 eile. 2
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«
- 18 —
niemanb auffiel. @te mar wie eines jener uer*
zauberten SJtördfjenwunber, baö nur fo lange
bauern fott, als fein trbifdje« 2Bort es au ben
2Btrflidjfeiten flögt. Unb ftef)t man redjt, fo
war fie ein ßinb, wie alle anbern, benn allen
ßinbem ift bie SBelt ein SBunber, bas SBunber
bie 2Mt, unb alle leben in einem fcerrlidjen
Sanb, wo jebes 2Bort unb &\$m blityenb wirb
unb golbene grüßte trägt unb alle fleinften
©piele erhabene 3^i$en ftnb. ®ie anbern aber,
bie bas SRärdjen oergeffen Ijaben, weil bie 2Belt
irgenb einmal fie ju ber Sötrflidjfeit üerflo&en,
glauben, es feien eben nur $tnber. Sllfo war
ja tnelleidfjt Seile nidfjts befonberes, als ein
allein gelaff enes, traumoergeff enes, f leine« 3fläbd& en,
aber fie lebte eben no<$ im SWärdjen. Unb
bann war fte bodj nidfjt mef>r jung genug, bie
ffitrflidjfeit ganj $x t>ergeffen, nid&t alt genug,
fie ganj ju t)era<$ten, nidjt gefielt genug, fte
ba Dtnjunefjmen, bort abjuwe^ren, fonbern bie
SBett ftiefe eben oft genug unfanft unb fjart in
i^re fdjönfien Traume. Unb immer mußte fie
if)re Silber unb Söorflettungen mit bem @e=
gebenen meffen, unb ba fte ja aud& bas Seben
in fiiefcing ganj lieb §atte, bas Sßflüden ber
SRofen im ©arten unb eine 3aufe in ber (Sin*
ftebetei mit bem weiten 33li<f über SBien, ober
bie glatten £eden von <5dfjönbrunn mit ben
weisen ©tatuen, ober eine fdjöne 33tme ober
coUe Traube, fo war fte immer fe^r mti^eooff
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— 19 —
befdfjäftigt, üjre $mei oerfdjjiebenen Sphären
^tibfdfj ju binben. Iber ba« gelang eben ni<$t
gut. %tQtnb etwa« fehlte immer unb ging nid&t
in Erfüllung, mas notroenbtg gemefen märe.
@ie mar ja fdjjon gefreit genug, vom ßeben
feine SBunber ju ©erlangen. (Sie mollte ja jum
33etfpiel gemiß nidf)t, ba§ alle tyre Söünfdfje in
Erfüllung gingen, ober baß fte auf einmal
fliegen fönne, ober baß fte auf einmal gan$ er*
mad&fen unb f<3)ön fei. So bumm mar fte ja
gemiß ni<$t. Slber fte mollte bodfj, baß mentgftenö
jeber 9Renfd& fo fei, mie es ftd& für tyn f$t(fe,
bas tyäte, mas man ftdfj oon tym ausbenfe unb
ermarte; baß aber nie etroas fo eintraf unb
mar, mie es am fdjjönfien unb ooflfommenfien ge=
mefen märe, bas betrübte fte fdjjmerjlidf), unb
barein fonnte fte ftdj nie ftnben. ®aß fie oft,
roenn fte in il)r 3^™** ging/ münfdjte, ber
5Ronb möd&te fd&on fjereinfd&etnen unb ade«
ftlbern madfjen, unb bann fam er eine ©tunbe
fpäter, menn fte fd&on fdjltef, ober fte merfte
einen 9itß im ßleib unb faf) nur meg unb
münfd&te tyn meg unb mollte überhaupt nichts
baoon miffen, unb bann mußte fte immer gerabe
baran benfen, ober fie münfdfjte, ba§ $ud&
möd&te ftdfc gerabe bort auffd&lagen, mo fte
geftem aufgehört $atte, unb bann fd&lug fte es
ganj mo anbers auf, ober fte roünfdf)te ftdfj
etmas, ein neues ©ommerfleib, ganj blau ge*
flreift, unb bann befam fte eines mit fdfjönen
2*
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Slumen, Ijalte feine greube unb hieß noch utu
banfbar, lauter ärgerliche Äleinigfeiten, bie man
bod) bittigerweife ^fttte oerlangen bürfen, —
Med alles trübte ihre greube unb trftnfte fte
unb war unangenehm. Ober wenn fte mit
gfreuben etwas thun wollte, anbere su erfreuen,
unb man fah es bann gar ni$t ober artete
nicht barauf. SlUeö bas mar fehr traurig unb
ferner, baß es fte mit großem, wahrhaftem
Äummer erfüllte, unb baß man mieber ihr Seib
unterfd&äfcte, ihre greube nidjt begriff, alß ob
nur bas Seib, bie greube groß fein fönnten, bie
bie ©roßen erleben, unb nicht einem ßinb ber
Untergang eines Kreifels unenblidj traurige«
bebeuten fönne. Unb um alles bas mußte nie*
manb. £unbert fdjöne ©ebanlen ^atte fte unb
reifte fte hunbertmal ben fieuten entgegen, unb
niemanb nahm fte von ihr, mie fte oft einen
großen Strauß SBalbblumen braute, bie mirr
burd&einanber labten unb blühten, unb bie
SRutter einfach fagte: „ffitrf fte weg." S)aS
war etwas fehr trauriges. So lebte alfo bie
Heine Seile tapfer für ft<h, fpann ihre träume,
aß ihre guten gfrüchte unb badete ihre füßen ©e=
banfen unb war ein Ätnb wie eben anbere.
®as gräulein 9Rün<hreiter war ihr befonberS
jugethan unb erjog fie eigentlich jufammen mit
ihrem -Neffen. £)tefe ältere Mehrerin ^atte eben
um biefes Änaben willen nicht geheiratet, bem
beibe Altern, — bie Schwefier bes gräuleins
uigitize
war feine Butter — in einem Saljre wegfiarben,
fo ba6 fie i&n ju fi# na^tn unb unter ©orge
unb Siebe aufeog, weit me&r beforgt um tyn
unb tfjn weit melp aerjärtelnb, als Sttutter unb
Sater es getrau hätten, weit fie ja bo<$ immer
ifyt als ein grembes füllte, bem fie mel me$r
geben mfiffe, als Sater unb Butter, um iljm
nur annä^ernb bas ju bebeuten, was SBater
ober ÜWutter von felbfl, blo& bur<$ bie Ser-
wanbtfd&aft bes Stutes, tyrem ßinbe finb. Unb
als altes gräulein pflegte fie U)n, iljre Un*
gefdjicfftdjfeit burdj ängfittdjfie Sorgfalt milbemb
fie fdjmütfte ifjn unb fleibete tyn, lernte mit
iljm unb war ftolj auf fein fd^önefi, blonb
geketteltes &aar, wie wenn fte baran fdjulb
gewefen wäre, bafc ber junge Surfte auf ber
SBelt unb t>on fo blaffer, jartef ©djönljett fei.
fciefer @bi war Seiles befier greunb, unb fie
fafjen 2ttenb für 2lbenb bei bem Fräulein
2Bfind)reiter unten unb plauberten, ober lernten
mit tyr ober lafen jufammen laut ober teife.
Ober bas alte fträulein fe|te fidj ans ßCaoter
unb fpielte. ®tes aber befonberö fdjön.
$)er @bi oerfianb freiließ nidjts baoon, weit er
gar lein orbentltdjes muftfalifdjes ©eljör fjatte,
aber Seite fpra<$ orbenttid) mit ben £önen, bie
Up oietes bebeuteten, wooon fte freiltd) ntdjt ©efialt
no<$ tarnen unb ©tnn wußte. Unb bas alte gräulein
felbfi fa!) fo fonberbar aus, wenn fie fpielte.
©o jwifdjen 2Beinen unb Sadjen, wenn man fie
— 22 —
anfafj. ©ie war Hein, mit einem gefreiten,
aber über unb über fommerfprofftgen ©efidjt
unb einem breiten aflunb, ber mctyrenb bes ©piets
ein fdjmerjtidjes Säbeln fjatte, als fei er ben
£önen nid&t böfe, bafi jte tfjr eine fernere
SBa^r^eit faxten, ©ie neigte unb beugte ftdfj
überaus fomifdj beim ©piel, Wien auf jeben
£on ju §ordjen, ber in ben golbenen 2lbenb
feine ©ttmme ^tnausfang. ©ie fpielte 23eetf)ooen,
bie SBerfe tyres fcausgottes, unb ©djumann
unb bas 9Mfterftnger=SBorfptel unb »raf)ms . . .
©ie fpiette munberfdjön. 3a, es mar fo, mie
ein Äinb oft Söerfc munberbar auffagt, bie es
boä) gar ntd^t üerfte^en fann. ©o fpielte ftc . . .
©onft aber lernte fie orbentlid) unb ftreng mit
Seile unb &>\.
Unb biefe gfreunbfdjaft machte Seile immer
ftiller, benn (Sbi mar redjt jart unb f^meigfam;
freilidj Ijatte er in feinem Sädjeln etwa« feljr
Offenes, gur<$tlofes, ergebenes, aber er mußte
ni$t attjutnel $u fpred&en unb mar ju ©prüngen
unb Untaten nidjt befonbers aufgelegt. @r
mar red&t furdjtfam, fdjeu, nidjt feige, aber als
ob er fidj in all bem treiben fremb unb oer*
laffen oorfäme. @r fürdjtete feine Setyrer mie
Dämonen, trofcbem er ein guter ©d)üler mar.
ÜRur mit Seile fonnte er luftig unb oergnügt
fein, tyr furjes Sadjen lodte feine fjreubc tyeroor,
mie einen gurdjtfamen aus bem 2>unfel . . . Unb
bann fonnte er ungeheuer fomifd)e $)inge er»
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— 23 —
itylen, über bie bann beibe tagelang $u lad&en
Ratten.
©o waren bie ftinber ein paar ^abtt
beifammen gewefen. Seile war ftinfje^n %a\)tt
geworben unb <5bi fedjje&n.
* *
*
„Seile, fpttrft bu ben grü&ling?"
„<£r mafy mi$ fo mfibV
>/3 a > nid^t watyr, er ifi tote ein Sßein . . .
Seile, ift es nid)t fonberbar, bag bie Söelt eine
fo furje grüf)ltngßaeit §at? Unb unter ben
»lüten möd&te man bod) glauben, bie SBelt ift
nur ba wegen bes $rityltng« unb ba« ganje
lange 3a^r ein Umweg jum 9Wai."
„iRein, (SM, au$ ba$ S$littfd&uf)laufen ift
fdjön, unb Spfel efe* i<$ aud) gern."
,/3<*/ Seile, i<$ gtaub'ä ja, bafe ber Umweg
f<$öne Stellen fjat. Slber wenn ein Sttng
trgenbwann am fünften ift, ift's bo<$ bie Slüte,
unb baju ift es auf ber SBelt." . . .
Seile fafj auf bem £ifdfj ber Saube unb
baumelte mit ben ^üften. Sie ^atte ein blaue«
Sommerfleib, ben &als frei, bafj tyr ßopf
orbentlid^ ljeroorblüf)te. Sie lädfjelte ein btfjdfjen
nad)läffig, unb ifjre fdjwarjen Soden, bie in einen
Jtnoten im 9kden pfammengebunben waren,
flfid&teten ein bifjdjen au« ben geffeln, unb biefe
Keinen Dingel fingen in bie Stirn, fräufelten
ftdf) um ba« ganje fiaupt, um ben $al« unb
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— 24 -
surften wie Keine ©dfjlangen, wenn Seite fLc
jurüiftridf).
@bf fajj fd&ön brat) auf ber ©artenbant unb
fpradfj ju tyr empor.
„®u, @bi, was bu ba von bem §rtil)ltng
rebeft, iß wie ein ©dfjulauffafc. 3)a$ fjätteft bu
mir aber gletdfj fagen fotten unb U)n mir ntd&t
unvorbereitet Dcrfefeen. 3a, baljer wirb bas
fd&on fommen. $u btft fefjr fleißig. SBeifjt bu,
es ift ja jefct wirflidfj fef)r fdfjön, bas ift ja
watyr . ♦ . Slber mödjteft bu benn ewig ber (SM
bleiben? 3d& möd&te mid& fd&ön bebanfen, wenn
idjj immer bie Seite bliebe. 3$ glaub', ber
3J?ai möchte aud& kirnen effen. Unb fo weiter . . .
Unb immer basfelbe . . . S)aS wäre langweilig.
@s ift bodf) fd&öner, baß es immer anbers wirb.
$ann wäre ja bie SZBclt nid&t bie SBelt ..."
„Seile, mir fdfjeint, an bir ift fo was wie
ein &elb verloren gegangen."
„@bi, mir fd&etnt, an bir ift fo was wie ein
fträulein verfehlt . . . SBas, bu möd&teft l)alt
immer im ©pmnafium bleiben, (SM?"
„SBeifct bu, Seile, fd&lie&lidf) ift bas ©gmnafium
gerabe bo$ nidfet untrennbar mit bem Segriff
bes grü^tings oerbunben."
„2lber es ift §eute bo<$ fdfjön ♦ . . Überhaupt,
es ift fdfjön. $)u fjaft red&t. SBenn man nur
ganj tief atmen fönnt\ 3Wir fommt's im
grfi&ling immer oor, als fönnte man ntd&t ganj
einatmen . . ."
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25 —
„Überhaupt nidjts ®ute«, nt$t$ ©<§öne*
!ann man ganj einatmen, ganj geniefjen, ganj
tjaben. Smmer mu& man weggeben com geft,
wenn'ö am allerfd&önfien ifi ..."
„Unb wenn man bas ni$t miff unb t&ut,
friegt man einen aerborbenen SHagen."
„Seile, bn bift poetlfd)."
Seile fuf)r barauf bem @bi bur<$ baß btonbe
§aar, bas fie i§m in einige Unorbmtng brad&te,
bann fprang fie in einer roilben Saune vom
2Hf$ herunter unb fiettte fid) t)or <£bl auf. SRafjm
tyn mit tyren 3trmen an beiben Sd&ultern.
©Rüttelte i^n. @r fal) fie etwas ratlos an.
2Baö fie trollte
„®u weifet überhaupt gar ni<$ts . . . ^oetifdj
rebet man ntdjt, ba* ifl man. SBerfte&fi bu.
Unb bu §aft au$ gar feine Stynung vom grfi&ling,
weil bu fo trtet baoon rebeft, armer ßerl! S)u
bifi ni$t mitb, bu bifi nid)t toll, bu fe^nfi btdj
nid&t, bu rauffi bi<$ ntd&t, fein geuer ift in bir
angejünbet! . . . £)u bift ein blaff er Sub! . . ."
5Da mar es aber fdjon nid)t me^r roaljr,
benn bem ©bi flieg es blutrot in« ©efufct.
Seite aber fianb vox tym, wie ein fleiner
Söget, ber irgenb einem grofjen Äerl etroas
aortrofct ©o fianb fie oorgebeugt unb jmitf^erte
tym ju, ta^te, mar böfe jugleidj.
Unb auf einmal näherte fte i£m ganj i&ren
bunfeln 5topf unb brüdte, me^r ärgerltdj, als
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I
— 26 —
äärtltdj, tyre Sippen auf feinen 9Runb . . .
ladjte furj unb war weg . . .
„Seile, Seile!"
üflun wußte er entfliehen mefjr oom grü<ng,
nun war er wtlb, fo gut er es bei feinem SGBefen
fein tonnte, unb au$ ein geuer war in il)m
angejünbet . . • Über ftdfj war er jornig unb
ärgerlidfr. Unb über Seile. SDte fcätte ba*
eigentlid& t&m früher fagen fönnen. (Sr fpürte
wirflt<$ fd&on gar nidjts tne^r oom ßuß . . .
@r mußte nur baran benfen . . . (Sie §atte tf)n
nid&t einmal umarmt. üßur fo einen Äufj
gegeben, tote man einem jeigt: id) ^ab 1 etwa«!
@twas ©d)öne$! Unb bann ift fte weg.
Seile aber ladjte unb wollte weinen, war in
tyrem Börner unb gitterte. 3a, was war
tyr benn eingefallen? 2Bas wollte fie benn
eigentlid)? 2BaS war benn mit tyr gewefen
unb gef^en! Übrigens, ben (Sbi fonnte fte
bo$ füffen. SDen Stoben! Unb bodj war er
jefct ein anberer, unb fie war anbers. Unb
baran war fie felber fd)ulb. (Sie war über
eine ©renje §htübergefprungen, in ein neues
Sanb. 2lIIes war anbers. üRun war es garnid&t
me§r ber (Sbi. Unb fte fonnte ja mit tym gar-
nt<Jjt metyr reben. Qfjre Sippen brennen. (Sin
3*uer ift angejünbet. 2luf einmal wußte fte
nidjt, was mit i&r fei, was fte wollte, was ttjre
jQänbe wollten, if)re klugen, t^re Sippen, woju
bas alles fei. 2BaS war £raum, Süge, was
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2Baf)rf)elt? 2BoS war gut, was -fdf)limm? @s
war fe^r trofilos unb &um SBetnen. 2lls ^ötte
fte fid& plöfclid& auf ben Äopf gefallt unb alle
SDinge feien Derart, aber audj) alle begriffe . . .
So faß fte an ifjrem genfter, bas auf bie
SMenfiraße l)inau$ging, fic faß bei tyrem 2Hfd&,
fiüfcte bie SBangen auf t&re fcänbe un b blidte
vox ftd& f)tn, of)ne ju fefjen, unb weinte teife.
Sann aber empfanb fte triebet unter tyren
jirömenben Styränen einen großen Stolj. „3dfj
liebe fdj on. 3$ bin erfi fedfoe^n 3a^re alt, unb
bo$ liebe id& fd&on. 3$ fjabe fd&on gefügt.
3d& tyabe fd&on gefügt. Unb i<3) liebe." —
2lber eigentlidf) §atte fte fidfj ba* bodf) anbers
öorgeftettt, unb fo fd&ämte fte ftc3& wieber.
®an$ war il)re Seele bafjtn gerietet, als ob
SBelt unb Seben ju ntdf)ts benimmt wären unb
ju nidjts gefdjaffen, au nichts Sinn unb Sodtong
hätten, als in ber Siebe, wie ein galter glauben
wag, ber 3 roe * bzx guten (Srbe fei es, für if)n
bie fdf)bnften SSlumen ju erzeugen mit ben füßeften
Sielten. Slber fte empfanb eine große Slngfl in
tyrem fielen, weil fte wußte, ein neues Seben
begonnen ju fjaben, fte war ftolj auf ifjre fttif)n?
l)eit unb wieber ootl gurd&t. Sie weinte unb
war oon innigem Säbeln erfüllt, fie fdfjwteg unb
war coli ©efang. ©ute S^ränen führten if)re
ßtnbfjeü langfam von tyx weg, fo glaubte fte,
unb bodf) war fte benimmt, immer btefes rafd&e
Äinb ju bleiben. Später follte fie bies erft
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- 28 —
fef)en, bafj fie ber rauföenbe SBinb iljrer ©efjnfud&t
fort unb fortgeweht wie einen galter, tote eß
ihr föien, ju immer neuen Sänbera unb Striaen,
aber in SBahrheit fie immer unb immer im
ßretß um fi<h felbfi herumgetragen Ijabe, ni$t
um bie SBedfjfel unb Schönheiten beß Sebenß
felbfi, baß fie afe ein ginfiereß, Unbewegtes
unb grembeß mit Sd&auer erfennen fodte.
So fafc fte unb meinte bis fpät gegen
2lbenb, bann aber litt es fte nicht länger in ber
(Sinfamfett ihreß Börner«/ unb fte ging in baß
ihrer Butter. SDicfc mar fdjon ju SBett gegangen,
fte liebte eß, früh ftdj nieberjulegen unb mit offenen
2lugen bajuliegen, ihren @ebanfen nadjjhängenb.
Seile liebte ihre Butter, trofcbem biefe fi$ wenig
um fte befttmmerte, ober oiefletdjt eben beßhalb
unb wohl au<$ aus -DHtteib mit btefer grünte
lofen Stauer unb Ungebulb, welche ber Butter
eigen waren.
Sie fanb fte in ©ebanlen, ja, bie Butter
bemerfte erft garnicht, ba& Seile gefommen mar.
„2Baß miflfi bu benn?"
©0 bireft befragt, wufite ftdj bie Äleine nun
fdfjon gar nicht &u Reifen. 2Baß wollte fte?
3a, maß wollte fte benn eigentlich mit allem?
SBaß mottte fte, waß wollte man mit ihr, was
bebeutete all ba* ©innlofe ? . ♦ ♦ de fing &u
meinen an.
„3a, was fjaft bu benn, was weinft bu,
ja waß ift bir benn gefchehen, waß bu
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— 29 —
nur getrau? &afi bu um* angebellt ? fiafi
bu bir me$ getrau ? 6« ifi btr bodj md&ts
gef<$e^en . . *
©te weinte immersu unb war fe$r
rot . . .
„S)u, SRama, idj $abe ben @bi ge*
fü&t . . ."
£)ie 3Rutter lad)te erfl „3a, tote ifi bir
benn ba* eingefallen ?" 3)as wufcte Seile freilidj
nidjt. ©ie roufjte nur, ba& fte weinen mu&te.
$ann fjtefj e«: „3a, aber äinb, was madjft bu
für Unfinn. Unb bu ^afi i^n juerji gefügt?
@r f)at es ni<$t einmal oerlangt? Unb
jefct wein' nidjt! 2)u biß ein £fdjapert!
2Ba* $aft bu benn für (ginfälle!" Unb bann
lügte He fd&lie<dj bie »ebenbe, ber ein
jlarfed ©<$lud)sen unabläfjig butd) ben fiörper
Surfte.
fiätte Seile ftdj audj ein wenig um bie
SButter befümmert — wenn Äinber bies nur im
®rang ber eigenen ©d)mer$en t&un fönnten —
fo $ätte fie ein feltfameß, fdjmerslid&eß, unb
wteber befriebigteß Sögeln gefe^en, unb wie baß
beweglidje, frü§ gealterte ©ejtdjt ber Butter
einen 3 U Ö *w ftnblidjer Sieugierbe unb ein
junges ©rröten befam. ©ie fal) aber bieß alles
nidjt unb fpürte nur, ttrie bie Butter langfam,
begütigenb unb tabelnb gugleid) über ben ftopf
unb bie wilben igaare ftridj.
„SDtt Äinb."
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— 30 —
3a. Unb Seile glaubte unb war floty, bic
$inbf)eit oerlaffen §aben.
$ur<$ bie feltfame Saune ber Seile unb bur<$
i^ten einigen, umnberlidjen ßufj war oöllig
unbewußt bas SBefen unb SBenefjmen be$ ganzen
fiaufes gednbert worben. ©o war btes blife*
fdjnelle ©efdjeljen beut plöfcltdjen ftudtn t)er=
gleidjbar, weites bie getrennten 2ltome $um
garten unb unabänberUd)en ßrnftall stoingt, wie
e$ bie alten 9toturforfc$er gu erflären pflegen*
3)ie Seute, bie bisher ganj ruf)lg unb oljne
jeglidjes SBemufjtfein einer 3 u f ammen 9 e ^rigfeit
ober $Berfd)iebenI)elt im felben i&aufe gelebt
Ratten, eigentlich redjt unbefümmert um ein*
anber, wä§renb fte bodj in einem ganj vertrauten
Umgange ftanben, beobachteten nun etnanber,
roaren üorjid^tig, ftttt, oon gemeffener greunb*
lidjfeit. (Sigentlidj gilt bied mefjr oom alten
gräulein 9ttün$reiter, weldjeö mit fo oielen
grauen btefeö 2ll)nung§üoUe, (Sinbringenbe be$
©eifieö teilte, namentlich in ber Söitterung eines
Unheils ober einer ©efafjr, bie U)r ober ÜRalje*
flefjenben bro^t. Seile fam, o^ne bafi iljr bie
ÜDhitter eö na$e gelegt hätte, nun nid)t mehr be«
Slbenbö in bie SBohmmg (SMS unb feiner Sante
unb oermieb e$ auch/ im ©arten ober fonfi wo
ihm ju begegnen, bem fie bodj eigentlich ein
Stecht gegeben ^atte auf ihren 3Runb, auf ihre
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— 31 —
Sßorte, auf ü)r Sßefen. ©efd&at) es aber, was
ja unoermeiblidf) unb f)äuftg fein mu&te, baß |ie
Um in i^rem flehten, fd£>malen ©arten traf, fo
l)ufd&te fte rafdfj an Upn vorbei, wid& tym ge*
fdfjicft aus unb wäre lieber in ben fd&önen Sftafen
getreten, als baß fte audfo nur bem ©aum ifjres
©ewanbes geftattet fjätte, tyn ju berühren.
(Sbenfo widmen ifjm U)re bunfeln Slicfe aus.
©leidfoerweife füllte ftdfj <$bi wunberbar gebrütft,
§errlid& entmutigt unb föftiidj gefdf)wädf)t burdfj
biefes ©eljeimnis, oon bem er wußte, baß ftdj)
bas SBunber nidjjt me^r erneuern müffe, no<$
werbe. SBielmefjr fjätte i^n ein anberes betragen
Seiles fogar gefd&tnerjt, wenn fte biefem wunber*
baren £raum, ber fo rafd) erlebt war wie ein
l)ufd)enber 2Bunfdf), burdf) tyr nadj^eriges 23e*
nehmen eine wefenfjafte SBirflid^feit gegeben
l)ätte. 2öas bem einen SBunberbaren, 3Härd&ens
haften gefolgt wäre, gewig badete er es ftdfj
jd)ön, angenehm unb ooQ greube, aber es fonnte
jener erhabenen ©ef)nfud&t nidfjt gleidftfommen,
bie einmal ^ett unb bewußt, nun nid&t einer
irbifd&en Erfüllung, fonbern ber Erinnerung
jenes 2lugenblicfs nadf^ing, ber ©ewäfjrung unb
SBerfjeißung jugleidf), in einer füßen, geringen
©abe eine ßebensa^nung fd&enfte. ©erabe biefe
Sefdfjetbenljeit unb gurdjjt ber beiben äinber er*
regte aber bie 2lufmerffamfeit unb SJeobadfjtung
ber Seute, ftatt beren SBeruljigung. Seiles
3Wutter ging jefct gern mit i&rer jtingern Softer,
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— 32 —
rofl&renb fte fi$ um bie ältere roenig befümmerte,
trofebem biefe ifjres letdjtfertigen Sinnes unb
33enef)men§ falber einer folgen Sluffid^t e$er
beburft fcätte. $ie Butter fpradj jmar menig
mit Seile, mußte au$ wenig ©emetnfames ju
berühren, §öd)fiens baö Stetten ber SBäf$e /
ober bas (Sinmadjen ber grüßte, ober bas
Drbnen ber SBofjnung, aber ftc gab tyre Siebe
unb £eilnal)me e§er als früher ju erfennen,
als wollte ftc eben baburdj, baß tyre fdjmalen,
faltigen, abgearbeiteten fiänbe Seiles fiaupt
[treidelten, ober burdf) ein jttlles Sädjeln i&rem
ßinb bebeuten, baß fte es f$on »erflehe, unb
eben baburd) es fd&ttfcen. Sugleidj seigte bieS
©orftdjttge, teilne^menbe, beforgt we^renbe 8e*
nehmen, baß fte nun aud) it)re jüngere fcodjter
ntdjt mef>r als ßtnb betradjte unb in tyrem
©eifte ftc ftd& felber gleidjftelle ; Seile fei x>on
jenem työridjten ßuß an tljr glei$ geworben
unb bebeute nun, mas fte in jener früheren
3eit bebeutet $atte: ein atmenbes, fdjönes ©tttd
trbifdjer $er§eißung, fetbft doU 2Bunf<$ na<$
Erfüllung, oott fioffnung unb Sebensfe^nfudjt.
Sugtetdj freute ftd^ bie Butter, ftd& gum erflen*
male in iljrem ßinbe ju finben, ja in beffen
flarem, unoerftelltem 2Befen ftd& ju fpiegeln, unb
äuglet<$ mar tyr um bas ©<$idffal ber kleinen
bang, bie nun aus ber gefaljrlofen ftinb&eit in
jene SBelt gebrängt mar, oor ber fie als Butter
forooljl ©d&auer als f$mer§li$e Suft empfanb.
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— 33 -
©ie fjätte über Seile* fiaupt beibe fcänbe jum
@<$ufe galten mögen unb wieber jugleidj olle
fdjönen ßeibenfd&aften unb Söogen ber ©efü§te
intern ftinbe wünfdjen, bie fte felbft fo f^metjU^
erfeljnt, geahnt, nie gefannt hatte.
2lnber* verfielt fi$ bas alte gräulein. ©te
war auf Seile etferftidjttg, bie if)r i^ren @bl
na^m. Site beffen Altern geßorben waren/ blieb
bafi Äinb bie erfien fünf 3af)re feine« Seben*
auf bem Sanb in ßofi, wo ba* g-räulein nur
hin unb wieber bie Seute auffudjte, bie e* in
Pflege Ratten. 211* ber ßnabe aber in« ©d)ut
alter gefommen war, waren 3*ü unb $fli<ht ba,
if>n ju jtd> ju nehmen, ju pflegen, $u erjie^en
unb fein £eben in bie iganb ju nehmen, ©ie
war bamal* in ber 9Ritte ber breifeiger Qa^re
unb bürbete ftdj viel 2ttühen unb ungewohnte
SBefdjwerben mit ber (Srjiehung be* änaben
auf. Unb von bem £age an, ba fte <5bt
ju (tdj nahm, l)atte fte ftdj felbft aufgegeben,
foweit bte§ jemanb vermag, nicht ohne bafj fte
gerabe burch ihre 2:^at fidj felbft wieber erhob,
ihrem Seben ©inn unb SSebeutung gab, fid) eine
Dichtung fefete unb fo wieber ft<h felbft fiärfte,
ba6 fte eine igerrfdjaft ausüben burfte unb all*
mählich fi<h an Sterte gewöhnte, bie von ber
Statur ihr vorenthalten, burch ba* Seben gefdjenft
würben. ©ie lernte mit bem Knaben, ©ie
braute ben jarten unb fdjwädjlidjen bur$
vielerlei gefährliche Äranfyeiten, bie fein Seben
Otto ©toe&t. Heile. 3
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— 34
ein paarmal in $rage fteUten. Sie pflegte
ihn unb freute fi$, wie er ihrer verdorbenen
©d&meffcr glW). Sltfi er ins ©gmnaftum
fam, l)atte ihre $errf<$aft ben erften ©tof3
bepe^en, benn ntd&ts entfrembet bie SKenföen fo
fehr, als Untertriebe bes SBtffens, bie fofort
SBerfdfjtebenheiten ber ©eftnnung hervorbringen.
2)a fegte fte ftdj benn gleid) mit ihm ^in unb
lernte lateintfdje SBofabeln neben, mit, t>or ihm,
ja fte mürbe itjm balb überlegen, beflinierte unb
fonjugterte mit ihm unb mar auch nodfj ^ier feine
Severin ; fogar mit bem ©rted)if<hen tfjat ftc es
fo, unb in biefer &errf<haft über fein Seben unb
feine Seele mürbe fte auch burdh ©bis fanftes,
hilfebebürfttgeS SBefen unterftüfct, ber uon felbft
auä 5)anfbarfeit unb innerem iErieb fein ©£=
heimuis oor ihr ^atte, ihr jebe fd&ledjte SRote
erjagte unb jebes rauhe SBort ber Sßrofefforen
mit ihr nodj einmal burd<tt. Unb als er aufs
Dberggmnafium fam, liefe fte ihn nicht allein
bie gefährlichen Srrfafjrten bes Dbgffeus mit*
machen unb bie Sewunberung ber fcelena. Sie
lad ft<h burd) bie fdjönen, rottenben ^ameter
tapfer burdj, bie fte mie eine ftetige glut über
baß grtechifdje SJteer trugen, fogar ju ber
3auberinfel ber ßatgpfo unb ben Verführungen
ber Äirfe.
Sftun aber füllte fte jum erfienmal etmas
grembes, SReueS, Unbefanntes ätoifdjen ftdj
unb ihm. 3h re fcerrföaft, alle gegenfeitige
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— 35 —
Offenheit, ja Siebe festen in ©efahr. %fyxt
©iferfudjt war wadj. SMefeS alte graulem war
bem @bi mehr als eine Butter, er tf)r mehr
als ein ©oI)n. 9ton mar er ^erangeroadtfen,
fdjön, blaß/ üon »ornehmer ©tiHe, ruhigen,
freunblidjen SBefens, babei certraulidj, unfd^utbig
wie ein ßinb. Unb fte liebte ihn mit ben
mütterlichen ©efühlen, bie ihr vom Seben ge*
fd^enft worben, unb äugleidj mit einer un*
bewußten, feufdjen gärtlidtfett. ©o ahnte fte
gteid) alles aus (SbtS ueränbertem 2Befen, au«
feiner häufigeren, glühenben fieiterfett, wieber
aus feiner nadjbenflidjen unb freunbltdjen ©tille,
wie er bie geringften Urfadjen für feine an*
mutige Saune angab unb bodj barüber errötete.
Slber fte hütete ftd) wohl, aud) nur ein SBort
ju fagen. 2tber au<h ihr ©Zweigen war fdjlimm,
benn es erwedte in @bi Befürchtungen. %foxt
©iferfudjt äußerte ft<h inbeffen in Derftedftem
©eufjen unb ungewohnter ©djwetgfamfeit.
Unter allem ebenfo fliUen, wie fd&weren ßampf
litt @bi fefjr, befonbers unter biefem Sieben*
etnanberuorbetfpred)en, unter ben 23liden, bie
mehr als SBorte flagten, unter ben SBorten, bie
fdjeinbar abftd)tslos uiel bebeuteten, unter ben
©eufeern, bie ungerechte 2lnflagen waren, benn
er war ftdj feiner Unbanfbarfeit ober geringem
Siebe gegen bie Stonte bewußt, ©o lagen alle
beteiligten in einem umfo flimmeren Kampfe,
als er ganj fiitt, aber unter tiefen ©efühlen unb
3*
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- 36 -
Sd)tner$en gefämpft würbe. Seile unb @bi
tnbeß gingen, jebefi einfam unter ber Safi i^red
©eljeimnifTes gltidttidfj gebeugt, unb alleö anbere
f$ien i^nen aeräd&tltdj, ja baß ©e$eimni$ an
ftdj wollte t^nen alles bebeuten unb fte weiter wenig
begehren (äffen, weil fte ftd) abftd&tlid) auswichen,
ft<$ anwürfen aermieben, wenn fie ftd& trafen;
nur ju Iädjeln ftdj trauten, wenn fte allein
waren. So grüßten eigentlich beibe immer nur
bas ftraumbttb bes ©eliebten mit ben fdjönften,
ungefagten SBorten unb liebten bie (Srtnnerung
unb Hoffnung, bie rofenf^immernben fernen
mit ber reinften gäxtlityhit Sie fudjten ein*
anber, wenn fie glaubten, ber anbere afjne ntdjts,
unb waren bef^ämt, wenn fte ft<$ glüdlfdj
geirrt. Sie wußten ft<§ in iljren ©ebanfen naty
unb fürchteten ftd) vox einer SBirfltdjfett, bie nie
ben 2Bünfd&en gletdjt. Stoß SBunberbare aber lag
in tynen, wie eß immer bie 3ftenfdjen ftnb, bie i^re
SBunber erfdjaffen unb löfen. öeibe waren fo
glüdlid), weil fte nur in tyren träumen ein«
anber an ben fcänben gelten unb ftd) feiig
juläc^elten, weil fte einanber bie fü&efien SBorte
gaben unb bie unerhörtere Schönheit nur in
©ebanfen anbieteten unb ntdfjt vom ßeben
entläufst würben, beffen berbereß 2Birfli$feitß*
glüd fte )u ertragen trietteidjt ju fd&mad) gewefen
wären, inbeß i^re Seelen, wie bie fdjfanfften
Säulen, einen ganzen SBunberbau von Xräumen
fu$er unb tyttU$ trugen, if>re Seelen, bie
— 37 —
unter bes Sebens geringfler Safi fcingebrodfjen
waren . . .
Salb ma$te ber Sommer biefen träumen
ein @nbe. (Sbi ging mit feiner &ante nad)
Steiermark unb Seile bereitete ftdj jur 2lufna$me*
Prüfung in bie 2ef)rerinnenbilbungsanftolt oor,
wobei fte über ben fd&mierigen Aufgaben tyre oer*
gangenen Sage vergaß aber bod) immer bur<$
ein gleite« ©lücfsgefü&l frofc gehalten mürbe,
bas fte im ßeben geljen lieg, als fdjwebe fte unter
einem Gimmel von fietterfeit unb einer Sonne,
bie baß ©eringfte mit ©lanj erfjob. 2Bas fte
t^un unb treiben mo$te, befam in tyren 3lugen
eine $öl)ere Sebeutung, unb es mar tyr, als
mürbe ityr 3immer, ober tyre Sd&ul&efte ober ber
borgen, menn fte ft$ nadj gutem Sdtfaf
erl)ob, ober ber Sttbenb, wenn fte ftdj nieberlegte,
unb alles, maß fte trieb unb tf)at, ein Alang oon
fanftem ©Itid, bas tönenb in ber Suft ju fdjroeben
unb ju atmen fdjien, unb bas U)r ins Sluge fiel,
wo^in fte fa$, bas fte einatmete, wo fte mar,
bas fte leidjt unb fetter ma$te, mo fte ging, fo
bafe fie {eine 9Wül)e, feine Sorge tannte, bie fte
nidjt frö&lid) gefttmmt Ijätte. ®aju Ijatte fte
eine rafdje Sluffaffung, orbentlidjes ©ebädjtnis,
eine angenehme Stimme unb uerfknb ftdj gut
ausjubrüden; fo fdjien iljr alles Sernen ein Spiel
unb Vergnügen.
Sie beftanb tyre Prüfung fef>r gut. (Sbi
follte im felben 3a$re bie Natura madjen. So
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— 38 —
Ratten beibe ju viel 3U arbeiten, als baß fte me|r
unb eifriger mttetnanber hätten verfemen fönnen.
Sie ließen es ftd& genügen, an einanber ju benfen,
was iljrer @e$nfudjt ©lüdfes genug mar. Se*
gegneten fte einanber in glur ober ©arten, fo
fenften ftc errötenb bie ßöpfe unb (äd&etten leife,
fprad&en mof)l aud& ein paar SBorte miteinanber,
babei erfdfjienen tfjre stimmen iljnen ganj fremb,
tonlos, unb was, fte fagten fo feltfam, weit fte
in iljrer fterne unb in ifjren fierjen anbers }u
einanber fprad&en. Sludfj ftettten fte Rd& eins bas
anbere gang anbers cor, wenn fte allein waren.
£raf er fte aber, fo trug fte irgenb ein
bunfles $teib, einen beliebigen £ut unb ging
ganj unb gar md)t feierlich vorüber, fonbern
Ijufdf)te an i§m vorbei, fo baß er faum wußte,
ob fte ifjn fo oerftedft angeblicft, ob nid&t, unb
immer wieber nur ju tf)un befam, feine SBorfteflfong
mit ber eben vorübergeeilten SBirflidfjfeit ju ver=
gleiten. $aum mar ber £ag um, ber fte if)tn
jeigte, als er i^n fdjjon mieber für feine ©eljn*
fud&t verwenbete als glüdlid&e Vergangenheit.
©0 äf)nlid& ging es wo&l au$ ber Seile, bie
ftdj aber ein wenig ärgerte, baß <5bi iljr gar fo
ängftlidfj auswidfj, als fjätte fte tljm was getljan.
■Wur, als fte if)n nadf) feiner SRürffunft jum erften*
male fa^, mar es ju einem ©efprädfj gefommen.
©ie Ratten ftd& im ©arten getroffen, auf einmal
ftanben fte ooreinanber, fonnten gar nidfjt aus*
weidfien, was ifjnen audf) nidfjt fdf)idttid& erf d&ienen wäre.
— 39 —
„®rüß bid& ©ott Seite."
„©erous, (SM."
Sie reifte tym ein btßd£>en fcögernb bie &anb,
bie ex langfam ergriff, worauf fle fd&nett, wie
von einer großen Überwinbung mtibe, bie Slrme
ftnlen ließen.
„2Bie ift's bir benn gegangen, @bi ? 3)u warft
in Siegen • . . *
„%a, Seile, e§ war fefjr fd&ön bort."
„2Birftidj, §aft bu bidfj gut unterhalten?"
„D, wunberbar." 9ton fdf) wiegen fie unb
tädjelten einanber &u, benn fte Ratten ft<$ äugleidfc
fe^r oiel Großartige« jueinanber gebaut, unb
jebes SBort bebeutete gang etwa« anberes, t>iel
mefjr, als i&m nadf) ber ©pradfje jufam. —
$)ann fragte ©bi wieber:
„Unb wie ifl benn btr's gegangen, im ©ommer,
gut?"
„D, idfj banfe fe&r . . . 3<$ §ab' riefig mel
gelernt. 3$ f)ab' meine Prüfung befianben.
3«fct muß iä) aber lernen gelten . . ."
„3a, i<§ muß aud& lernen, Satein!"
„©ertms, @bi."
„2lbteu, Seile."
©o fdjieben fte ooneinanber . . . @$ blieb
tynen aber von btefer Begegnung eine ©r*
innerung, als wäre 2ltemraubenbes oorgegangen.
@o fam ber &erbft, ber SBlnter, unb bie
Äälte madjjte es unmöglidf), ft<$ im ©arten $u
treffen. SDie Seit fdf)ien rafdf) alle« gelöfi §u
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— 40 -
haben, roas fte in einer frühen ©tunbe für einen
Slugenblid burdj einen Aug gefeifett hatte. Unb
baS gräuletn 9J2ün^retter mar fo beruhigt, baß
fie Seile fogar toieber gu fid^ einlub, wohin aber
Seile nur fehr feiten ging, weil ihr jefct bas
ganje 3immer fremb, ernft, fetnblidj fdtfen, fie
felbft fidj in ihrem erften langen Äleib fteif
benahm, nichts Drbentlidjes herausbringen fonnte,
unb auch @bi mit feiner Safföimme, bie
5U feiner jarten, blonben gigur fo gar nid&t
paßte, fehr fomifd) war, nichts in fagen
wußte, nidjt fafe, nicht ftanb, fonbern hilflos
herumging. Unb bas gräulein 3Rtin<hreiter felbft
war immer ernft, als fyabt fie ein ©dtfdfal t>or
fid), ein tragifäes Dpfer im ©inne, benn fie
hatte fi<h entfchloffen, ihrem (Sbi au<$ bie« zuliebe
ju thun. Sßun aber fäien er ihr feinen fonber*
lid)en ©ebraud) baoon ju machen, fonbern mich
jebem ©efprädj über biefen ©egenßanb forgfam
aus; fobalb fie ben tarnen Seile hören ließ,
murmelte er eine unbeutlufce Antwort unb ging
in fein Simmer, fo baß ftd> bas gräulein föon
gar nic^t mehr ausfannte unb fich mieber über
bie fiberffüffigfeit ihres Opfers ärgerte; nun
märe es ihr fogar recht gemefen, eine Setbenfehaft
gegen ihr eigenes ©iferfudjts* unb Stngftgefühl
ju befötifcen, }u förbem, um ein wenig bie @itel*
fett eigener ©eelengröfce in empfinben unb an
ber fcöhe ihres Opfers bejfen Sraurigfeit ju oer*
geffen. 2)afc fie in biefe Sage nicht tarn, fränfte
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— 41 —
fie eigentlich 6bi aber (ernte jur Natura, unb
aud& Seile fdfjien äße« aergeffen ju haben über ihrer
Schule.
$ort war fte bie Süngfie unter (auter reifen,
weiblichen SBefen, einige waren barunter von
großer ©dfjönheit, fd&on ganj erwad&fen, anbere
fdjon fo von bem @rnft ihres Berufes erffiflt,
bafc fte fd&on beffcn ©ebärben unb Spraye Ratten,
ft<h als fünfttge 'Sehrfräfte' füllten, ben Sebent
emft in ©ang unb SRebe geigten, alle aber waren
in ben weiblichen ©eftihlen fehr in i&aufe, bie
einen aus gärttidjen Erfahrungen — bie frönen
würben alle von treuen greunben vom ßurs ab-
geholt — bie anberen au« ber Seftüre, unb
gerabe biefe theoretifch ©ebilbeten {hebten bie
eifrigfte, fad&lichfte Unterhaltung über bas an-
genehme SBiffenSgebiet an. Unb es würben bie
fedften S)tnge, bie man ahnte, faum wußte, be*
fprod&en, bamit ftdfj bie gegenfeitigen Erfahrung^
fragmente ergänjen unb ein SRofaif von Ste
fenntnis btlben möchten, bas burdfj bie glühenbe
^phantape ber reifen 2Räbchen garbe unb Ein-
heit befäme. SDas Semen, bie ©d&ule war
freilich bie igauptfad&e, würbe aber burch berlei
gabeljwifd^enfpie(e reijenber. (Ss fielen bie Er*
Zählungen ber f e<f flcn Stebesabenteuer ; orbentlich
$weif<hnetbige unb heutige Situationen würben
jur ^r^olungöpaufe oerwenbet. 2)a aber alles
voll Übermut gefd&ah, unb bie SDiSjipUn fogar
biefes fonfl bem ©d^uljwang ferne Hilter in bie
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&eiterfeü unb fttnberhafitgfeit bes SemenS unb
SluSfragenS jurüdführte, befam es einen gewiffen
- 9tei$ unb würbe feine« ©efctyrüdjen ziemlich ent*
lebigt. £rofcbem aber war unb blieb Seile in
ben ganzen vier Sahren, mährenb fie mit biefen
großen, üppigen, reifen SRäbdjen beifammen war,
unter ihnen bas ßinb, fogar als fte gewadjfen
toar, weil fte in ihrem SBefen bie Äinb^eit be*
wahrte, bie ihr träumenber unb unfteter ©cift
hatte, weil alle ihre 2Borte, alle ihre ©ebanfen
wie unter einem ©dreier ber Unerfahrenhett,
Stynung, ©ehnfudjt innig leuchteten. 'Seile, ba«
Ätnb/ hieß fte alfo unb ärgerte ftdj ntdjt wenig,
wenn bie f)übfdjeften unb weiterfahrenden
Kolleginnen cinanber bie Abenteuer ber ©posier*
gänge, bes SRachfieigens, bie Äühnhetten von
füllen 3ufammentünften / bie 3ntrtguen masfenhaft
unb abenteuerlich burd&geführter ßorrefponbengen
erjagten unb fofort, wenn fte ba&ufam, errötenb
unterbrachen, ober, wenn fte, im befien Berichten,
fid) fcf)on gar nicht flören laffen mochten, einfach
fagten: „Seite, ßinb, geh' weg, baß ifl nichts
für bt<h." Vorüber Seile immer fehr erbittert
war, ft<h beletblgt, oerfannt fühlte unb immer
bei {ich ba<hte: *2Benn ihr nur wüßtet, was i<h
erlebt habe! was ich weife T
dagegen erfannte man ihre Überlegenheit im
Semen gern unb willig an, unb es fchien auch
nach ber allgemeinen Slnftdjt für Seile, bas ßinb,
nur recht unb billig &u fein, wenn es brat) unb
— 43 —
folgfam feine Aufgaben lernte unb ben ©roßen
$alf, fte abfdfjreiben Keß. £>a faßte bann freiließ
feine: „Seile, ge&' weg." Sötelmeljr ptföelte
man fie unb fd&meidfjelte i&r unb pries tyren
gleiß unb ifjre äenntniffe, fo baß fte bitter*
freunblidfj nadfjgab.
2lud& im Singen na&m bie lodere ©efeflfd&aft
iljre igtlfe in 2lnfprud(j, unb bie« mar Seiles
größtes unb föfllidfjftes Vergnügen, benn fie tyatte
ein gutes @el)ör, eine laute, Ijelle Stimme unb
liebte bie alten Sieber feljr, bie man alle lernte,
bagegen Ratten oiele ifjrer ÜJUtfdjüterinnen meber
Stimme, nodfj ©efjör, no<$ Suft gu fingen. S)er
©efangSle&rer, ein alter, guter unb gütiger
9J?ufifer, ber ja mußte, baß fein ©egenfianb
nidfjt ber aflemrid&tigfte, na^m es nid&t gar fo
genau unb gab ftdf) nur mit ben begabten
2Rül)e, inbes ü>m bie übrigen gleidfjgittiger
roaren. So lernten alfo alle bie, meld&e entmeber
feine orbenttid&e Stimme ober feine Sufl Ratten,
in fingen, gar nidfjts, ja, fie fauften fid) nidfjt
einmal U)re uorgefdfjriebenen Sieberbü^er, fonbern
ein §eft ging oon &anb ju §anb; mürbe aber
eine gum Singen aufgerufen, fo mußte fte fidj
fd&on ju Reifen. Sie fd&led&tefien Sängerinnen
Ratten nämlidf) iljre ^läfce neben, vox unb hinter
Seile gewählt. SRicf ber Sefjrer eine auf, fo
befam Seile einen järtlidfjen SRippenfioß unb ein
bro&enbes Säbeln traf fie. darauf er^ob ftdfj
bie Sd&ülerin, öffnete ben 2Runb in oorgefd&riebener
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— 44 —
SBeife unb madfjte alle ©ebärben befi ©ingens,
tnbed Seite, forgfältig hinter ifjr fieft unb bie Stedten
ber t>ome ftfcenben gebedft, mit i^rer tauten,
gelten Stimme fang, bafj e« eine Art hatte,
jebesmal unb jebes Sieb mit ber gleiten Suji
unb greubigfett, fo baf$ fte moty pan&tgmal ben
Slbenb lobte, ober bie SBanberfcfjaft, ober bie
©onne, ober ben Heben fierrgott ber ßinbertieber
ober bie Suft befi 2RülIer$, ober bes SBeildfjens
Hoffnung unb glücflid&en Siebestob. 3&r gef$af>
bamit eine greube, ben anbern ein 3)ienft, fo
blieb ed bei biefem gutmütigen ^Betrug, ben ber
alte &err trielleidfjt jlitt lädfjelnb merfte, aber immer*
$in gefd&ehen lieg, nur fi<$ hödf#en$ einmal ben
©pafj machte unb eine ber ftummen unb bodjj agier*
enben Sßerfonen mit Seiled ©efang ju (Snbe fommen
liefe, bann aber fagte : „ffiiffen ©te, id& $ab' ©te
ntdfjt orbentlidf) gehört, fommen ©ie einmal fjerau«
*u mir. " 9ton mar bie Verlegenheit frei£td& groß unb
bas ©elädfjter, wenn bie Aufgerufene gar feinen
regten Xon Ijerausbrad&te, allerlei verlegene @e*
bärben tjatte unb hilflos um fufc fa&, Seile aber
tief errötenb, oerlegen, frol) unb bef<$ämt fet)r tief
in ifjre flöten ftdfj vergraben Oatte. 3)ann gabes
eine fd&er$afte 3)rol)ung beö Sefjrers, fo etwas
btirfe ntd&t me&r oorfommen, worauf basfelbe©pie(
in ber näd&ften ©efangßftunbe roieber begann.
Seile oerbiente ftdfj alfo reblidjj i§r 'SSorjüglidj*
im ©ingen unb jetdjjnete fidfj mültfam genug oor
ber ßlaffe unb für bie klaffe aus.
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45 —
SDer SBinter war Eingegangen. (Sbi mar
nunmehr unmittelbar vov feiner Prüfung, ganj
©ergraben in feinem ßatein, ©ried&ifdj, in feinen
matyemattföen Semetfen unb p&pfttalifdjen Sei)*
fäfcen, fo baß er garntdjjt ben blü&enben Samt
be« grü^lings wa$rnal)m unb auf bie eigene
rafd&ere ©lut unb fe&nfüd&tige 3Rübigfeit be$
Äörperö md)t artete, ber audj oon ber Warfen
Slnftrengung ju fränfeln begann. Qx litt unter
Äopffd&merjen unb begann ju Ruften, fo baß
feine £ante roteber große SBefürdfjtungen für tyn
§egte. dagegen war Seile frifdfj unb non un*
&erftörbarer 3rö§ltdf)feit, als ptte fte fogar alle
bebrüdenbe ©e§nfudf)t, allen 3weifel oergeffen.
©o blühte fte mit ben Blumen, fletterte na<$
wie vox auf i&ren Sinbenbaum, trofcbem fte bod)
fdjon groß war, unb begann fogar fdjon bas
treiben unb bie Abenteuer ifjrer ©djjroefter ju
t>erftef)en, bie fefcon Salle mitmad&te, fkatylenb
Dom £anjen ^eimfam, mit ben baroden Xanfc
orbnungen unb Emblemen, bie fte über tyrem
©<3&reibtifdjd)en auffing, unb mit ben Meinen,
uerbäd&tigen Briefen, bie fte nidfjt über tyrem
©<$reibtifd) auffing, fonbem Dielme^r fetyr ftiU
Derjietfte, rofig unb Reiter mar, von gelaffener
unb mieber audgelaffener Sebenaluft.
©inen £ag cor feiner SJtotura traf Seile @bi
im ©arten, er mar fo blaß, baß fte tränen
barüber fpürte, unb fo ftitt unb errötete fetp,
benn er wollte mit if>r fpredjen. (Sr füllte, ba6
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— 46 —
nun für ifjn bas Jünglingsalter beginne, wenn
er ber 8d&ule auögefommen wäre. Unb er badjte,
Seile roieber anjureben.
„®rüß' bid& ©Ott, Seite."
Seite nicfte mit ganj teifem Säbeln . . .
©ie faß auf ber SBanf. Unter ben btti&enben
SBäumen.
„Seite, morgen fcab' i<$ Natura."
*3<*/ wirft bu burdjfommen ?"
„3$ weife nidjt, bie 27totf)ematif . .
„@bi, fannfi bu fd&roinbeln ? V
@ine SBeite mürben alle Sflögtidjfeiten ber
Prüfung erörtert. @bi mar fefjr oerjagt unb
fürchtete fid), er trauerte orbentli<§, fo fe§r
tjatte es bie ©d&ule oerfianben, einen garten
Knaben bur<# bie übelangebradjte Strenge tyrer
Se^rer unb 3Rett>obe jur größten Stngfi $u bringen,
ftatt if)n mit freubiger Siebe jum Semen &u er*
füllen. Seite füllte großes 2JMtleib mit (Sbi,
öeffen <Sd^idfal, fo gering ed ja in äBtrftid&feit
mar, fie als ein gar gufunftftfdjroeres empfanb.
<5r mar fo blaß. 2Bie fann man nur fo teife
fein. (Sr fpradfj fo ftifl unb t>atte fo große
Stufregung. Stuf einmat mar jie mie eine Königin
ober ©eilige, bie mit i^rem Sädfjeln SBunber
tt)ut, mit ttjren feinen fiänben bie SBunben
fließt ... ©o ftegreidj füllte fie jt$, baß Heine
üfläbd&en fam fid^ fe§r groß unb ergaben oor.
SBenn fte tfjn nur tiebte, fonnte tfjm bodjj nt$te
gefdjjefjen . . .
Digitizeö . > • **>gle
— 47 —
Unb je|t beugte ftc ftd) tangfam, nidjt fdjeu
unb unbetmtfjt wie bamals über i§n, ftc fianb
vor tym, legte tangfam tyre 2trme um feinen
&ats unb/ als wollte fle if)n in lädjelnben
3auber einlüden, faf) fte ityn an unb reichte itjm
tt>re Sippen,, ba& er oon i^nen ifyre rojtge
©eiterfeit unb Suf* neunte ... (Sbi fügte fie
lange . . . £)ie Spänen famen ü)m in« ©eftdjt,
aber fte läc&elte, 'jefct mtrfl bu fd&on burdj*
fommen/ badjte fte fid).
„£afi bu mi<$ nodfj lieb, Seite?"
darauf aber faßte fte nichts, fonbern Ijing
ftd) in feinen 2trm unb ging mit itjm fjinaus
ins greie, über bie gelber unb gegen Sainj, wo
baß Korn grün unb bufdjig ftanb, an ber Capelle
vorüber. @s mar lebhaft unb Reiter, man fal)
bie Serdjen, mte fte jau<$$enb in bie Süfte fliegen,
immer fjb&er, bis fte roirbelnb im SBlau bes
Rimmels uerfärnanben, unb plöfelid) wie fdjwere
©teine ins gelb nieberfanfen. Seite unb @bi
gingen fianb in fianb unb fpradjen nun t>on
ganj gleidjgiltigen fingen, von ber S^ute, oon
ber Prüfung, von ben Siften gegen bie Se&rer,
wobei Seite fo fabelfjaft f$laue 93orfd)läge t§at,
baft @bi auf einmal lädjelnb fagte:
„Siftenerftnnenbe, £od)ter bes &tvi*. u
2)abei badjte er wieber ans ©rtedjtfdje, aber
otjne Traurigkeit . . .
Sie fannen aber ba$wtfdjen SBunberfdjönes,
unb 2Bunberfööne$ raufdjte i§nen aus ben
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blonben gelbem ju r aus ber bewegten ßuft,
aus ben Serdjengefängen unb aus ben blauen
fitigeln, Die ben SBlicf begrenzten.
SRad& Sonnenuntergang famen fie $etet,
trunfen unb jiarf von ber grütylingsluft, von
tyren ungefagten ©ebanfen unb jtngenben ©e$tu
fugten.
®as fträulein 3Ründjretter aber fal) ben (SM
freunblid) lädjelnb unb guter Saune, wie er
fdjon lange nidjt gemefen. ®r beftanb bie SWatura.
*
3m folgenben SBinter erging fu$ (5bi mit
(SKfer in ben neuen Suflgärten bes SBijfens. 6r
ftubierte $I)ilofopl)ie an ber Unioerfttät. @r
füllte fidj in einer neuen SEBelt, als fei
er früher in einem bumpfen SBinfel gemefen.
•fteue Sfteidje waren x>ox tfjm, er fianb vor
föfiltdjen Pforten; bie jungen Seute, bie er
traf, fd)ienen if)tn t>otter 2Bunber, fo waren alle
ifjre ©eelen glitfjenb, trunfen von ber Suft ber
greifet, von ber %Mt iljrer 2?age, bie beglänst
unb Reiter vor tynen lagen, von bem Seben,
bas feine ©djroere tynen verbarg unb tynen
mtiljeloa*felige Ernten aerftfefc. Unb er felbfi
war franf, feine Sunge mar angegriffen, aber
bafi ftieber feines Körper« gab audj feinem ©um
bie ©lut einer rafenben ßebenslufi, einen uns
gemeffenen £)urft na<$ allen ©<$ön$eiten unb
geahnten greuben.
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— 49 —
ttm biefe 3eit lernte er ben jungen Saron
ipermamt Sflensborf fennen, ber an ber Umoerfität
Äunftgefdjidjte fiubierte unb jtdj jugleid^ jum
©änger ausbilbete. SMefer wofjnte mit feiner
Butter im -fteben^aufe, unb fte Ratten ben gleiten
SBeg in bie ©tabt, ben gleiten 2Beg wollten fte
miteinanber in bie ftreunbfdjaft, in bas SBiffen,
in bie 3u^unft gefjen. ©le fdjloffen fidj balb fo
eng aneinanber an, tt)ie nur fo t>erf<$ieben
©eartete ftd) aneinanber aufstießen fönnen.
®a§ $erf$iebene binbet jid) ja fo unlösltdj
aneinanber, bas grembe gliebert jtdj, 3<*rtes mit
i&artem, ber (Smpftnbfame mit bem Sronifdjen,
ber ©tille mit bem ßeb&aften, ber Träumer mit
bem Vernünftigen, nrie bie 3äfae eineö Stabe«
fidfj in bie Süden bes anbem fügen. @bi oerbanb
ftd) in g-reunbfdjaft mit biefem ^ermann, ber
fein oöUige« SBiberfpiel mar. (Sbi mar blaß,
fdjmädjtig, franf, fdjüdjtern, Hermann gefunb,
berb, oon grober, nrilber Sebenslufi, er fjatte bie
getoöljntidje ©eftalt ber beliebten ©djaufpteler
unb Seibenjünglinge. <§r trug biefen ßalabrefer,
Ijatte ben gemijfen ftoljen ©d)nurrbart, ben
übermäßig aufregten ©ang, bas felbftbettmßte,
eitle SBefen, o^ne otel SBilbung §atte er ein me^r
felbftgefäHiges, als tiefes 3iel. ®er 3Rul)m be§
©ängers, ntdjt bes ßünftlers fd&mebte tym oor,
bie Erfolge bei ben grauen fd)meid)elten tym.
ülftefjr bas bonnerglei^e Sollen, ber bejaubernbe
ßlang ber ©timme, als bie tiefe, unenblidje
Olto Stoefef. 2etle. 4
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— 50 —
gfüfle, als ber unermefjtidje ©inn ber £öne
beraufdjte iljn. üßid)t von ber 3Jtoftf in eine
neue SBelt ftdj tragen taffen, von ben glügetn
eines Ablers ju ben igöljen, wo in ben erljabenften
Harmonien SBelt unb Seben, £raum unb
2Balj>r§eit, Srblfdjes unb SQmtng gebunben unb
t>erfdjwi|lert wirb, war feine Segterbe, als
Dielnie^r bie ©<$meidjelei ber ©ewalt, bie er in
feine $e|le gu bringen fjoffte. SRtdjt ber ©tnn,
blo§ bie todenbe gorm beffen, was er trieb,
beljerrfd&te tyn. @r war in eine 2Botfe eine«
bieten, glei<$förmtgen <5ntf)ujtaSmuS gefüllt, bie
tyn nirgenbs verlief fo ba& er alles ebenfo
laut, wol)lflingenb unb mit fd&öner ©ebärbe füllte,
wie ein (Sänger ben ©efang. ®r fannte ntd&t
ben ©djmerj über $ütge, bie beut ©lüdttid&jten
ft$ verfügen, er wuftte nidjts von unerfüllbaren
Hoffnungen, oon ber SBoUufl, feine eigene Qual,
bie SRidjtigfett feines ©elbft ju fud&en. Mie
leu^tete er in fidj hinein. @r war wie eine
fdjöne, fonnige (Sbene, bie aber troßtos werben
fann, wenn bie ÜRebet unb bie ©tnförmigfeit ber
fdjted)ten &tit über fle ^injie^n. (Sr hatte feine
dualen, für iljn gab es fein Söerjtd&ten, er
wufjte nur um feine jaudfoenbe greube an ber
SHrflidtfeit, er war oon gefegneter Slrmut.
2lber in feinem engen SBefen aufrieben, barum
einig mit jtd), immer gleidj Reiter, frohgelaunt,
trug er feine £ürfttgfeit wie einen Sßurpurmantel,
unb feine Sirmut fleibete if>n wie einen ftönig.
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— 51 —
2Ber mar Ujm gleidj? So ging er fiatttiti)
ba^er mit feinem ftofyen $ut, gern ladjenb, weil
er fo fäöne 3^«« ^atte. ©o t&at er nid&ts,
bummelte bur$ bie ©tabt, es genügte i§m, |td&
als fünftigen gro&en ©änger ju rotffen, fo fogte
er mit überlauter ©timme — nid)ts, ober bies
nid^td Hang mte etmas Jgerrlidjes, ßr^abenes,
tu eil es Don greube unb SDafeinslufi orbentüd)
überglänzt mar unb t)on einem ®ntf)ujiasmus
erhoben, ber munberbar mar.
@bi aber litt an ft$, er füllte ftdj ferner,
er ptte glügel gewünfdjt ju eilen, ju eilen,
unb f)ätte nodj ba bas ®efü$l gehabt, ni$t
meiter 31s fommen, er §atte Mißtrauen gegen
jtdfj felbft, gegen fein 2öiffen, bas tl)m ntd&tig,
gegen feine SDljätigfeiten, bie fruchtlos fötenen.
(Ss mar tl)m, als fjettte er bisher immer $tnge
getrieben, mit gurdjt unb @tfer, bie er nun fo
gar nid&t brauchte, mas er aber fottte, baju mar
er ntdfjt vorbereitet. <$r feinte ftdj nadj bem
SReuen, in bas er getreten, unb fanb leine
Organe, es ju faffen, &u gente&en.
@r §atte fein 3*^/ &win alles ©djöne fonnte
es fein, feine Neigung, benn er liebte alles, unb
alles fdjien tym mert, ein ganjes Seben lang
erftrebt ju merben. Unb er fjatte ein paar
3a^re l)ödjjten§. ©einen greunb aber faf) er
jtorf, mutig, §u ädern feurig, t)on allem aufs
fdjitofie begeifert, burd) ntd&ts fonberlid& aus
ber gaffung gebraut. @r liebte unb fäwteg,
4*
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— 52 —
jener beraufdjjte ft<$ fd&on im bloßen ©ebanfen
an bie Siebe, in ber ©eraißljeit fünftiger ©iege.
(Sr blitfte jur ßunft auf, jener fd&ien fte in fidj
SU tragen. (Sr wußte für nidjt* ein 2Bort, fo
fetyr bebrängte tljn bie Süße ber ©ebanfen, bie
jebefi £)ing in i|nt ermecfte, ^ermann wußte
fidj überall 311 jxnben unb überall einen tönenben
2fosbru<f, er war in leifen S^eifetn, jener in
jaudj^enber ©emiß^eit. Sie waren redete greunbe.
(SM erjagte Seile nun oft unb oft oon
feinem neuen greunbe. ©pradfj man oom ©tagen,
fiermann mar ber ©änger, fpradfc man t>on ber
fdjönen SHännltdftfeit, Hermann befaß fie, unb
@bt felbfi gab für alle ©etynfudjt, bie er f)egte,
bie ©eftolt feine« greunbes als beren Sßerförperung
au«, fo baß Seite immer an biefen greunb
beuten mußte, ber ifjr wie bie ^rinjen bes
2Wärd(jenS erfdfjien, inbeö (SM ber blaffe Änabe
blieb.
(Sinmat gefdfjaf) es, baß Seile in intern
3tmmer faß unb unten in ber 2Bof)nung bes
alten gräuletas ein fjallenbes ©eläd&ter oernafjm,
bann einen fkrfen ©efang. (Sine tiefe, laute
Stimme fang bie 23aHabe oon Slrdfjibalb Douglas,
oon bem fönigstreuen Verbannten, geft brö&nte
baS Sieb, wie baS ©d&reiten eines ©epanjerten
unb in mäd&ttg jufammengeljaltenem Stygtymus,
wie wenn baS ©d&i<ffal felbft bie £öne gebunben
^ätte. 2Bar (Smpftnbung im ©efang? SDas
mußte fte nid&t. 2lber etwas äBilbes, 3Jtönnlid&es,
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ein Sd)t(ffat, bas im Äampf unb £ob nofy
täfelt unb ftd) feiner Äräfte freut, eine Stimme,
bie ©efialt unb @rf$einung x>or tfjrem Djjr
befam, tote ba$ Silb eine« Stingting«, ber oott
2Wad)t unb jugretfenber gauft iß, t>ott ÜWuöfeln
unb SBtHen, ficö ju lenfen unb bie anbern ju
fingen. ®ann fang er nod) lange. Slber
btefes: '3$ fyab' es getragen fieben 3af>r'
flang ifjr tjaOenb im Dljr, unb tagelang Ijörte
fte biefe bunfle, fefte Stimme.
2ln einem 2Bintertag halb barauf traf ftc
(SM im ©arten.
„Seile, gieb mir einen ßujg."
Sie f$roieg unb roanbte ft$ ab . . .
„So liebjl bu mid) nidjt meljr?" fragte er.
Sie entgegnete nld)ts . . .
„So Itebft bu einen anbern?"
(Sine feine SRöte ftieg ifjr ins ©eftdjt. 3$**
Slugen maren gefdjloffen. Sie ftanb fHtt, ein
Säbeln in tyrem ©eft*t.
„©ermann . . . ?" Sie antwortete nichts unb
roanbte ftdj.
@bi mar fel)r traurig unb bod) of)ne 3om,
weil er feinen greunb fe&r liebte, benn niemanbem
$ätte er Seile gegönnt, wenn er audf) fidj if)rer
ni$t wert füllte, weit er fte nidjt ju galten
t>ermo$te. Sie Ijatte feinen träumen ©cflalt
gegeben, unb itjr SRame mar baö 2Öort feiner
Seglerben, i|r SBefen ber 2Iuöbru<f feiner
2Bünfd)e. 2iber ©ermann, ber ftegreidje, ber
— 54 —
laute, frötyltdje, ber fo Reiter war, wie ber aufs
gef>enbe £ag, bem alles gelang, ber feinen 3»eifel
unb feine Dual fannte, er burfte fte gewinnen!
SDies waren fliSe kämpfe.
(SnbUd) erjagte er efi audf) bem Hermann,
ber erft Klette, bann jornig auf Seile war unb
erbittert, baß fte feinen greunb fo »erliefe unb
einem Unbefannten nad#änge, fte betrüge ja
@bt mit einem ^antom.
9lu<$ Seile tädjelte über biefe wunberlidje
Siebe, bie ju einem Unbefannten in ü)r auf*
gefltegen war, fo füllte aud) fie, baß fte ein
Sßfjantom liebe. Sie liebte ben Älang biefer
©ttmme> fte füllte ftdj von i^r geraubt wie t?on
ben Älauen eines Ablers, ber fte in bie un-
befannten Süfte trage. ©ie wußte ntdjt, wer ber
©änger war, fte träumte ifjn aber l)errifdj, ge*
waltig, wie einen Sauber, ber Up ganzes 2Befen
ergriffe unb fortzerrte aus ber Traumwelt unb
bem füllen Sereidj tfjrer ©infamfeit
2)ann fd&mäfjte fte ftd& felbft, fte bad&tc, wie
blaß unb fanft <5bi war, fie aber wünfd&te ftdj
bezwungen. @r war bemütig unb bat, fte wollte
einen, ber fte unterjodjte, fte erfüllte il>n unb
wollte erfüllt fein. <5r fäwieg, fie wollte
iaudfaen, er war jart, fte wollte tyn gewaltig,
©ie wußte nichts, als baß bas ©lüd fem von
i^r war, baß fte ewig wünfdjte unb feinte unb
nur bie träume il)r Erfüllung »erließen, fo
träumte fte t§re ©eligfeit in ber lauten ©ttmme,
— 55 —
bie jenes Sieb gefunden $atte. ©ie fd&auerte
vov ftd& felbft, aber wie man t>or buntler greube
f^auert; fte gerflörte bie eigene ßinbljett unb
ba* ßinbergtüd Ujre« Sugenbgefptelen, aber fle
empfanb babei gfreube. ©ie erwartete etroa§
Ungeahnte«, üfteuefi, bafj fle fortriffe über ftdj
fctbft ^inau« unb über bie ©renjen tyre« SBefen«.
* *
*
@ines £ages ging fte burdfj ben ©<$ön*
brunner $arf. fcejember. $ie Sogen ber
SlHee leud&teten im ©d&nee/ bie Suft bebte burd&
bie feinen 3 ro eige, unb ber flare SBintertag
fianb fiarr unb madfjte jeben 2lfi unb jjebe fletnfte
Sinie beutlidf>. 2Wan falj weithin über ben
blenbenben Sßeg. Grüben waren bie Saume
von fanftem Stau unb (joben ftdjj jart von ber
blaffen Suft. Sitte« fd&ien in ber Äälte $u
flimmern. Seile ging in tyrer fd&warjen ^el$*
tnüfce o^ne ©d&leier. Sfc* Slugen glänzen ftttt
unb ru^ig, wie ber £ag, in bem fte ging, ifjre
Soden brangen unter ber ÜWüfce §en>or. (Sin
fdjroarae* Äleib unb eine bunfle 3a<fe lagen
eng an iljrem Körper, fo mar fte roie ein ßinb,
jart unb rafdf), bie fangen gerötet/ ber üftunb
gefötoffen, ber Äopf fjodf). ©ie träumte nidfjt.
äiieHeic^t bad&te fte an tyre ©dfjule. ©ie muftte
nu^ bafj fte gang frifc^ unb frei mar, füf)l unb
Reiter füllte fte ft$, roie ber SBintertag, unb
freubig. S)a fal) fte brüben, nodf> siemlid^ weit
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-Be-
weg, <5bi mit einem jweiten ge§en, ba« mußte
fein greunb fein. Sie erfd&raf unb füllte ein
leifes 3i^ ern / i e W * am ba* SReue. 3)er anbere
trug einen großen, fd>roar$en £ut unb ging feft
unb aufregt, @bi aber gefenften i&aupteß . . •
Stun waren beibe vox tyx unb grüßten.
„®rüß bid& ©ott, Seile."
„©ertros, <5bi!"
„gräulein Seile Horner, meine greunbin,
^ermann, mein greunb." @bi fteUte läc&elnb
oor. <5r f)atte bodj eine greube, baß biefe
beiben einanber fennen lernen foflten.
Seite lächelte unb neigte ein wenig baö
§aupt.
„3$ §abe fäon oiel S$öne§ oon 3^nen
gehört."
„2ludj @bi §at mir tuet oon %fyntn erjagt."
„Wun werben mir und prüfen, nu$t waljr?
Db alles fo ift. <5r ift ju gut, i^m gefällt attefi !"
,,©o!" meinte Seile läd)elnb, „nun, wiffen
©ie, fefjr fd)meid)elf)aft ift bad gerabe ni<$t für
miä) . . ."
Seile fanb ©bis greunb fef)r fdjön. ©ein
©efid)t mar fkrf rote feine Stimme, fein ölid
juoerfid&tlidS), fein Sprechen laut, er §atte fo
bunfle Slugen. Slber nun mar er bodj ganj
anberö, alö fie ftdj tf)n uorgeftellt §atte.
£)en <5bi Ijatte fie oergeffen. @r ging ftiH
unb lädjelnb neben tfjnen. 3)ie beiben plauberten
aber balb fe^r lebhaft, roie alte Sefannte.
b^fctogle
— 57 —
Sie nahmen ben 2Beg nad& iQiefcing jurtttf
unb cerabfd&tebeten fidfj beim igaufe Hermanns.
Seile trat mit (SM in tyr ÜRebenljau* ein. 3m
glur mar es bunfet.
„9hm, tote gefällt er bir?" fragte (Sbi.
Seine (Stimme Hang ein bif$en ängfiltdf). @r
fürchtete ftdfc jugletd) vox feinem Sdfjicffal, 8ugletd&,
bafe fein greunb am @nbe ber Seite bod) roieber
mißfiele.
„©anj gut, aber id& fenne if)n ja garniert."
„Seite, giebft bu mir einen 5tuf}?" Sie
fa§ i$n nid&t, fte füllte nur, wie er fetjnfüdjtig
unb angftaoH bie Sinne nadfj ifjr audffreäte.
Sie f^miegte ftdEj einen Slugenblid an tfjn
unb füllte feine Sippen U)r ©eftd&t berühren,
tyren SJtunb fud&en, ftc reifte i&m bie Stirn.
. . . 3^n Hebte ftc ntd&t meljr.
Unb boc^ rou§te fie, bafc ftc tl)m gut mar.
SBieüeidjt mie eine Sdf)me[ter, tnelletdjt ein roenig
mütterlich . . . (Sr mar um ein 3*&* älter, unb
bod& mar fie Ujm um Qa^re voraus. Sie §atte
tt)n gefügt, als er nod) ntdjjt gebaut, bafc tyre
Sippen jum Hüffen feien, fie liebte i§n fdfjon
nidfjt mef)r, ate er langfam unb ooH 2lngft t>on
Siebe ju tf)r erfüllt morben. So maren fte an-
einanber oorbeigegangen, einer vom anbern
anberes begefjrenb, ate in jebem gelegen, eö ju
erfüllen. SBeibe aber mufeten, ba& fie viel
oerloren.
3fl bie§ bie erfte Siebe, mo man ntdfjt ben
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— 58 —
©eliebten liebt, fonbetn nur bie Siebe fetbfi, ift
es benn fo gletdj, wen bie Sippen fu$en, unb
ift es benn nur, ba& fie füffen lernen? 3fi
jeber benn wie im 2Bfnb ein ßorn, bem jebe
@rbe re$t ifl, wo es lanbet? ... SP ®&
fe^, bas bie 9Kenfd)en binbet unb löft? 3ft
unfere ©e^nfud&t nur in unß unb fjat fein 2lb*
bilb auf ber @rbe ? 2Btr wollen unbewegt ragen
wie Serge, unb wir wollen gefdjüttelt fein wie
ber bemütige &alm, wir wollen uns bewahren
unb verlieren, wir wollen und unb unfer SBieber*
fpiel in ber Siebe, wir wollen unfere (Srgänjung,
unb wieber flauem wir oor bem gremben.
SRic aber fotten wir alle« finben unb ba« ©anje.
2We S3erl)ei&ung ifi ein gabelfptel.
Station waren Seile unb <5bi bunfel erfüllt,
von namenlofer Trauer, von ©ebanfen o§ne
©runb unb 3*^*
@bi liebte mm bie Seile fef)r, aber er füllte,
wie fie tym entfdjwanb. Unb Seile wufcte nichts
von ftdj, nid&t, wol)m fie gefje. (SM aber war
weit weg oon tyr, wie bie Äfiften ber Ätnb^eit.
*
Seile erhielt folgenben ©rief:
„&odjoeref)rteß gräulein !
Söon unferem gemeinfamen greunbe (Sbt
$abe idj fo oiel ©dfcöne« über 6ie gehört unb
bin au<$ be« ©lüde« tetl&aft geworben, ©ie
fennen &u lernen, ©o barf idj mir, o&ne
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— 59 —
aügufüljn erfdjeinen, t>telleid)t erlauben,
3^nen biefe aufnötigen $eüen 8** fenben, bie
©ie gütigft t>er&etyen wollen unb begreifen
werben, weil ©ie bie Sfteunbfdjaft verfielen
mtiffen, bie midj für (Sbi erfüllt. SBenn
idj mid) in Syrern ebeln SBefen nidjt täufdje,
barf id) barauf bauen, öou 3^nen Derfknben
&u werben. (SM liebt ©ie. 2lud) ©ie waren
iljm gut, bis meine SGßenigfeit meinem beften
greunbe biefes ©lü<f jerftörte, oljne es ju
wollen. @s wirb mir fdjrcer, baoon ju fpredjen.
3dj freue mid), bafi mein ©efang ©ie fo
bewegt, idj tyabe mid) einmal als ber fiünftler
füllen bürfen, ber id) uiefleidjt einmal fein
werbe, bafe id) %fyxt ©eele fo ju bezwingen
oermodjte; unb bie größte $anf barfett erfüllt
mid) 3^nen gegenüber, bie ©ie fo fdjön unb
tief mic§ uerflanben fcaben. 216er idj befdjwöre
©ie, geGen ©ie biefen ©efüljlen ntdjt SRaum,
fo gern id) ©ie fonft bäte, tynen $u folgen.
©bi ift mein ^reunb. (§s fei fern oon mir, tf)in
Übles jut&un, bleiben wir greunbe, feien wir brei
eng oerbunben, laffen ©ie mid) wie einen Später
ben armen, franfen greunbunb feine große Siebe
fdjüfcen. ©o fei es. 2Bir wollen uns unferer
greunbfdjaft unb £reue freuen. Serben
©ie mir biefen SBrief, ber Sfyntn banft unb
jugletd) ©ie bittet, ©eien ©ie nidjt böfe
Syrern fefjr ergebenen
ftermann."
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— 60 -
Seile faltete ben 33rtef red&t nadjbentti<$,
babei begann fte ju lädjeln, erfi judte es lang;
fam um tyren 2Runb, bann leudfjteten bie 2lugen
auf, bann bebten bie jarten Slafenfltigel, bis eine
große ipeiterfeit in intern ©eftd^t ftonb. Sie
§ätte t>or greube fprtngen mögen/ lad&enb
freien : „fcerrgott, wie Rnb bie Suben bumm !
SHefe Salbung ! Unb biefe ©inbilbung ! Unb
biefer työtjerne Stil, ber teilroeife fefjr ergeben
unb fremb ttyut, bann roieber roarm wirb ! 2Ba§
ber fid& nidfjt alles etnbtlbet ! 3$ bin rein n>eg
in i^n, ganj weg, i$ benfe nur an if>n, er fjat
mid) erobert, er f)at ba§ ©lütf feines greunbes
jerftört, aber er freut fidj bo<$ mel)r, baß feine
Stimme fo f$ön tfi, als baß i$ miä) in i&n
verliebt &abe. Unb ber @bi ift roirflidf) audjj
fomifd), it)m bas fo gleich unb roarm ju erjäljlen,
eine Saune twn mir. 92un roitt idfj ifjn aber
lehren, mid) ju befjanbeln, ben fierrn 33aron.
Seien mir eroig eng oerbunben, brei greunbe !
@r bütiert mir meine ^flic^ten. Unb wie er-
gaben er ft<$ oorgefommen fein muß !" ...
So tyatte fie einige £age mit ifjrer großen
<Qeiterfeit ju tfjun. Sie überlegte nur einen
flugen Sßtan, ben &errn Sänger ju be^anbeln.
S)a, als fie einmal aus ber Schule fam,
fal) Re ü)n mit feinem aufregten, langfam=
feierli^en ©ang gelten, fie erfannte U)n an feinem
9fläuberf)ut, ging it)tn rafd) nadf), unb als fie an
feiner Seite roar, flaute fte iljn lädjjelnb an
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— 61 —
unb fdfjritt vorüber. 3 n intern Slid war aber
fo riet trofciger Spott, ba6 fiermann gan$ uer*
bufct gegrüßt ^atte unb nun erfl re$t gereift
war, mit tyr ju fpredjen. ©ie t&at fc^r er*
fiaunt, als er fie anfprac§.
„3Serjeü)en ©te, mein gräulein, baß t<$ ©ie
bitte, mit 3$nen gelten ju bürfen, ober id> glaube,
mein SBrief bebarf nod) einiger SSBorte."
,,©0?" . .. ©ie blidte unföulbig fragenb
tyn an.
£)ies oertmrrte tyn einigermaßen. Unb nun
uerftricfte er pdf) in einer fefjr weitläufigen
Slusemanberfefcung. <5r fagte unter anberm:
„©efjen ©te, gräulein, td& mar fo jklj auf
meine greunbfd&aft ju (Sbt. ©e§en ©ie, er ifl
gar fo arm, gart, fr an!, er ifi oon 3 roe if c fa be-
brängt, er fie^t ein, mit nrie leeren fiänben er
in all ber güUe bes Sebens bafte&t . . ."
„ÜRun, roiffen ©ie, fe^r oorteil&aft beljanbeln
©ie ifjn gerabe nid&t, %1)xm greunb."
„3a, aber es ift bod) roatyr! @r Ijat bod&
md&ts unb niemanb auf ber 2Belt als mid> !"
z/30/ Saron, bas fd^eint mir bodfj ntd&t
rid&tig, ba tji jum Söeifpiel feine Xante, bie i&n
fefjr lieb tyat unb für ifjn fdljon große Opfer
gebraut f)at, ba bin audf) t<$, oon ber ©ie ein
fo großes Opfer verlangen ..." ©ie lädjjelte
babei.
igermann faf) fie jroeifelnb an . . . „gräulein,
©ie bürfen nid&t fpaßen, benn er oerbient es
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— 62 —
nid&t, unb i<$ bulbe bieg audfj nld&t, über meinen
gfteunb . . , u
„Urlauben Bit, id& I)abe nid&t über @bi ge-
fpofet. er ifl ju Heb unb gut"
^ermann füllte ftdjj unjidfjer . . .
„Unb fef)en Bit, !aum Ratten wir unö ge*
funben, aneinanbergefd&loffen, foHen wir toieber
getrennt werben, nt<$t burdf) bie SBerf^ieben^ett
unferer Naturen, nid(jt burdlj bie vertriebenen
2Bege, bie mir gefjen . . . nein, burdjj meine
©dfjulb . . ."
„3)urdfj 3^re ©dfjulb, baß verfiele id(j nid&t
$)as wollten ©ie mir rooljl erflären."
„gräutem. 3a, idfj fcabe es %fontn i* 9* s
fd&rieben."
„S)a l)abe i$ biefe bunfte, fettfame ©efd&tdjjte
au$ nidj)t oerftanben, überhaupt ben ganjen
3med S^tes »riefe«."
fiermann feuf$te, er fünfte {ity bo$ nid&t
gefd&idt genug, ben Äampf mit ber steinen auf-
junetymen, bie f<$arf unb unfd&ulbig sugletdfc tfjm
in bie beften S^tentionen baarotfd&en fpradfj ; aber
er füllte ftd& ungemein ebet unb tapfer, er
wollte barauf losgehen.
,,©ie bürfen es mir gefielen, @bi f)at ed mir
erjagt, idf) mar gerührt ; id& fjabe ©ie bewunbert,
3*>ren 3ttut, mit füfjn 6ie ftob; unb bafc td&
3l)re ganje ©d&önljeit, ?fyxt ganje Seele mir
minien faf) unb fte jurüdhoeifen mufete, bies
mar mir fd&mer jlid^ ; idf) fdfjaue freiUd& tf)örid§t
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au«, wo t$ Ijeroifdf) fein will, aber tdj roill
audjj ba* auf midf) nehmen, wenn idf) meinem
greunbe biene."
„Sie fdjeinen mir mirflidfj fefjr ebel, nadj
allem/ was Sie fagen, objmar id(j bie SBeranlaffung
gu att ber gütte oon ©rofjmut, bie Sie oor mir
ausbreiten, nid&t oerfte&e. 3<$ benfe, Sie müffen
ftdf> rein irgenb etroaö eingebübet §aben. Sie
§aben fdfjon im Srief fo etwas gefagt, jefct aud)
mieber. 3$ bitte Sie, feien Sie beutltdfj!"
„Sllfo roenn Sie e« motten! Äönnen Sie fufc
nid&t an jenen Slbenb erinnern, mo idjj jum
erftenmal bei (Sbt mar unb fang, bie Sallabe
vom 2Ird&tbalb Douglas?"
„3a." . . .
„S)a jtonb ein gräulein, ba« jefct feljr
fuffifant ift, in tyrem genfer unb ^ordfjte,
ben ganzen Slbenb. Unb bann, als (Sbi Sie
mieber traf . . ."
„2Uj!" Seile mar errötet, in tyrem Säbeln
mar fafl ein bt&d&en 3° rn - »Weinen Sie mel*
leidet, bafe 3^rem ftreunb biefes ©ejiänbnifi etwas
nüfct, unb meinen Sie, bafc id& gerührt in feine
2lrme jinfen merbe, wenn Sie mir brao in-
gefprod&en unb mir ^xtn (Sbelmut ftofjmetfe
wrfefet Ijaben?"
Fräulein Seile!"
„3<*/ Unb weuu Sie jtd& fd&on eingebitbet
tyaben, i<$ liebe Sie, glauben Sie, tdE) mürbe bann
blutenben fierjens unb oott $odfjf)er$iger ©efinmmg
— 64 —
mtd) von Sfontti reißen unb, nad&bem bie fiälfte
meines fierjenß an Syrern §olben SBefen ge*
blieben, mit ber anbern föälfte reuig §u (5bi
aurütffe^ren? £aben ©ie tyn benn fo wenig
lieb, i§n fo ju erntebern, baß er fo ein Dpfer
annimmt? ©ie jinb bo<$ otelletdjjt nidj)t ganj
£erolfd) . . . ©ut, mie märe baß, i<$ gefiele
3&nen ein, id& bin bem Sauber 3^rer ©timme
unterlegen, bem ffißen 2Bof)llaut Sföreö Drganß
ober ber roilben SBallabe, id& $abe mir Sie als
SRttter im blauen ©ta^lpanjer geträumt, ber
midj entführt aus ben bumpfen 2öirtttdf)feiten in
eine unbefannte gretfjeü, ber midf) auß mir
felber fortreißt. Snbeffen bemühen ©ie ftdjj
fe^r, mid& an bie Grippe ju feffeln, inbem ©te
mtdfj oerfidjern, baß ber fiafer ber STreue beffer
ift, als ber junger ber ©e&nfud&t. 3$ f^ne
mid& nad) S^er Poljen SRitterfd&aft, ©ie fottten
miö) roegrauben, ©ie aber jinb ebel unb erbauen
jtd) felbft an ber Jgod^erjtgfeit S^^ö SSerji^teö,
aber tote fönnen ©ie es aerantroorten, midj in
ben ©dfjmerjen unb Dualen biefeß Äampfeß ju
laffen, hilflos, wehrlos, ein Opferlamm felbfl,
ol)ne Rettung vox mir. ©ie bitter!"
„©d&erjen ©ie nidjt, gräulein, ©ie fpielen
mit bem geuer."
„3a, baß fönnen ©ie freiließ ntdf)t einfefjen,
baß baß fdfjön ift, um bie flamme ju j)uf<$en,
rafdf) burdfouflattern unb ... adfj ©ott, maß
rebe id& benn mit S^nen über alleß baß, ©ic
— 65 -
fmb ja ein SJHtter t>on ©eruf unb werben aller*
h<mb fcelbenjünglinge fpielen, aber bafe ©ie auch
fo abenteuerlich ftnb, felber Seibenfd&aften $u
^aben, ^rinjefltnnen ju rauben unb fcerjen au
brechen, barf ich 3hnen geroiß nid&t jumuten.
3m «ßrioatleben begnügen ©ie fi<h mit einem
heroifdfjen ©ang, mit einem großen J&ut, mit
einem frönen ©ängerfd&nurrbart unb mit bem
Seroußtfein 3hre* ebelmute«. *
„gräuletn Seile."
©r war fe^r gereift, roie fte neben ihm tyt*
ging, mit ihrer Ornaten ©efiatt, bie §änbe im
9Ruff, unb ganj ernfthaft fpradj, roie er fleh
umfonjl bemühte, ihrem Slicf ju begegnen, roie
er, gerabe roenn er nachbenflich vor ft<h hinfah/
fühlte, baß jte ju ihm htawtffchaute mit einem
rafdfjen ©ettenbltd, ber fofort, roie er ihn treffen
wollte, ft<h fenfte. <5r fah nur ihren feinen
3^unb, beffen SBinfel ein roenig fpöttifch judten,
ber aber boch ftdj sunt <£rnft jroang, unter bem
einfachen, fd&roarjen Soleier ihre leidet rojtgen
SQßangen, unb bie gefenften Siber mit ben bieten
SBimpern, auf benen ein paar leiste ©djnees
floden gitterten.
©o gingen fte im ©d&neegeftöber an ben
Dielen ^afienben -ättenfehen vorüber, fte fd&ienen
ganj allein, unb bie grellen ^Bogenlampen ber
ßäben fchroebten an ihnen vorüber, unb bie Seute
gingen an ihnen oorbei, roie ©Ratten. Kur jie
waren roirftid). Unb oieEelcht fte felber nicht.
Otto ©toefcl. Seile. 5
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— 66 —
@§ war i$m, als fprädjen fte aneinanber Borbet,
als fprä$en ^toei ©djaufpteler, al« trügen fte
trgenb ein ^rooerbe oor, fo gegiert erföien tljm
bie Äotte, bie er oott 33egeifierung übernommen,
unb fptfe unb fdfcarf i$re SBorte, i$r ©<$er$, ber
fofi oermunbete, babet ganj leife unb fafl
fä)ü<$tern von i^ren Sippen (am. SDann glaubte
er wieber $u füllen, tote fte in atter 3ronte
felbfl eine füge Särtltd&fett oerffctfte, bie alle*
jugab, was fte leugnete, wie fte ifjm i§r ganjes
SBefen entgegenbrachte, wie ihre SBttäe ihm aus*
ratzen unb bo<$ ihn fugten, ihre Sippen im
(Sifer ft<h fpifetcn, wie bereit, tfjm im Äujj, ni<$t
im ©trett ber äBorte ju begegnen, tyxt SBorte
gugleidj eine oerfiedte ®emut Ratten, bie ftd>
nur oor ftdfj felbfl fürdjtete, wie ein SBohlttjäter,
ber ftdj hinter einer ftnflern 2Jto*fe oerbirgt.
©eine (Sitelfeit mar oermunbet unb boch ge^
fdjmeid&elt, benn er fühlte, wie fte in ihrer
9)a$e ft<h oerbarg unb bodj toieber heraus-
trat.
2Bo blieb (Sbi? . . .
©o waren fte immer weiter gegangen,
^ermann mürbe immer fttller, au<h Seile mürbe
allmählich nadjbenflidjer, — follte fte ihm weh 5
gethan haben, er mar bodj ein guter SWenfd).
©o waren fte fdjon in günfhau* angelangt.
wS^fet witt i$ midj aber in bie Xrammat>
einfefeen unb nadjhwß fahren."
„SRcin, gräulein, bitte, gehen wir bo<$, e&
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fprid&t fi$ fo gut beim ®ef)en, unb wir $aben
un* ja fo riet 311 fagen."
„3a, fotten wir benn bi* gang fjinauö nad&
&ie&tng $u gufj ge&en . . . Sie wollen mtd& au$
gang mübe mad&en, bamit id) 3tynen ge^ordjje . . .
„2llfo, nad&bem idjj Sie Ijoffentlid) baju ge*
bradjt Ijabe, einjufeljen, bafj idf> mid& in einen
imaginären gelben, wie Sie felbft fagen, in ein
Sp&antom oerliebt &abe, Witt id& Sie red&t fef)r
um (fntfäulbigung bitten, Sie gu S^rer Übrigend
begreiflichen Torheit oerantafjt ju fcaben, fid^
perfönlt$ getroffen ju füllen, maß Sie aber
etgentlid) m<$t Ratten müffen, ba Sie ja nid&t
im romantifcben ßoftüm ^erumge^en. Sßiffen Sie,
tdj bin ein Sdjutmäbel, unb Sie ftnb Stubent
unb Sänger, unb 6bi ifi mein greunb. £)a§ ifi
bie 2Batyrt)eU, alles anbere aber ifi eine ©attabe,
bie au« ifi, nic^t wa&r? . .
Hermann feufjte.
„SRetn, wäre fie ba* nid&t, warum btirfen mir
nur in unferen ©inbilbungen atte erhabenen ®e*
füf)le f)egen, warum nur in unfern träumen bie
wa&rfie greunbfd&aft §aben unb tyr felbfi unfere
Se$nfud&t opfern . ♦
„Wlix fd^eint, Sie wedjjfeln jefct bie «Rotten,
Sie opfern bo<§ §offentlidfj nodjj immer, td(j ne^me
es wenigftenS an; nur idfj fttfjle midfj md&t woljl
in biefer olpmpifd&en Sltmofp^äre, laffen Sie mtd&
in ben 9Weberungen oon Sd&önbrunn mid& in meiner
— 68 —
irbifdjeit ©e$ttfu<$t »erje&ren. 3<j& bin @urer
ßiebc ntd&t würbig."
„fiören ©ie mtd& aber jefct ernflUd& an, tdfj
bitte ©ie."
©eine ©ttmme gitterte. „SBarum f ollen wir
benn nid&t, wir brei Seute, aufnötige, fiarfe
gfteunbe fein, warum foll id& nur 3^ren ©pott,
ni^t 3*)** ßieblic&feit fpüren bürfen!"
„9tun, wiffen ©te, eigentlich bürfte idjj bodjj
mit 3&nen nid&t fo fpred&en, wie id& fpradfj, nid&t
mit %fontn tat weiten 2Beg ge^en."
„darüber ftnb wir ergaben/'
„SBie grofj ©ie fügten unb benfen unb reben!
grüner $aben ©ie wenigfien« mtd& ntd&t für fo
ergaben gehalten. Stttfo feien wir greunbe . . "
©ie wollte ein bifed&en einlenfen, (ie fürd&tete fidjj,
ifjn ju Vertexen.
<Sr bot tyr bie $anb, mit einem Haren »lief
auf i$n f<$lug fte ein. @r aber gog tyre fianb
an bie Sippen.
„deinen ©ie, baß bie$ unbebingt &ur gfteunb*
fd&aft gehört?"
„3a! Unb wir mfiffen audfj bu §u unsfagen,
wie braue ßameraben. SBoßen ©ie?"
,,©o unumgänglich notwenbig fd&etnt mir bas
gerabe nidfjt."
®r brang fe$r eifrig in fte, ba* fei eine
geigljeit oon if)r, fte fei nid&t, wie alle anbern
OTäbd&en, fte btirfe nid&t biefe läd&ertid&e gurd&t
f)aben . . .
— 69 —
„Unb GM!"
„Slber (Sbf, bet wirb ftdfj freuen!"
9hm befam Seile fdfjon felber Slngfi uor pdf),
Dor tyrem (Spiel, oor iljrer föeiterfett. ©ie
fpfirte, wie baß Spiel unb bie Suft beö ©d^er^es
über fte bie $errfdf)aft gewannen, wie fte bie
3ügel uerlor. ©te felbfl, ifjre Seibenfdjaft, if)re
Saune, fein abenteuerlicher Slbler raubte fte unb
trug fte empor, fte füllte ntd&t t&ren ©ang, fo
war fte in tyr ©piel cerfunfen unb fo fjatte fte
tyrer ßlugljeit t>ergeffen. SHe ©d&neeflodfen
fprtif)ten um fte, glifcemb, fityl unb lebenbig, unb
tyre SBorte fprüf)ten wie biefe glocfen von tyren
Sippen, unaufoaltfam, geflügelt.
6nbttd) fagte fte: „%a, wenn ©ie glauben,
ba6 ba« 2)u abfolut notwenbig ift, fo fagen ©ie
meinetwegen bu ju mir, id& will e* bulben . . .*
„ÜRetn, bu, Seile mu§t audfj bu ju mir fagen.*'
©ie fd&wteg. <£r fal) tyre unfdjjltifftge ®e*
bärbe . . .
„3m Kamen ber $reunbfd&aft."
„Kufen ©ie bie nid&t eitel an . . ."
„3d& bitte bid&, Seite." ©ie fd&mieg.
©ie waren fdfjon bis oor bie ©tabt gefommen.
$)er Vorgarten be£ ©djloffes ©dfjönbrunn begann.
2>te lefeten Säufer lagen hinter itynen, immer
weniger 2Wenfd&en begegneten iljnen, bie Sinter
waren feltener unb gitterten rot burd(j ben Slbenb*
nebel SHe Säume erf^ienen nur als bumpfe
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~ 70 -
Statten, ber Sdjnee fnirföte, ber meite Sau
bes ©Stoffes tag f$mar$ vor tynen . . .
„Seite, 1$ bitte bi<$, fag' mir etwa«,
fag mir bu . . ."
„2Ba$ foQ idj benn fagen?"
„So fprid), toas bu millß, nur faß' etwas . . ."
2ludj er l)atte atte feine eble 2lbß<$t oergeffen.
2Bo mar @bi? . . . ber . . . ber mar &u fiaufe unb
ßubterte Dielleid)t . . .
(Snblid) fagte Seile: „fiter iß ia fd&on Sd&ön*
brunn!"
„Sa, Seite, bad ßnb freilid^ fünf SBorte:
fiter . . . iß . . . ja . . . f$on Sdjönbrunn, . . . aber mo
iß ba* $)u . . . bu, Seite, bu mußt einen Safe mit
bu fagen. Stel)ß bu, td) fage tauter Säfce, mo
ba§ SDu minbeßena breimat oorfommt . . 9 *
„3)a8 3)u mar fdjon brin gemeint, mte id>
es gefagt t)abe, idj fjab 1 es ganj anber« gefagt,
mie menn idj Sie barauf aufmerffam gemalt
$ätte . . ."
„So fag* bu . . . Sag' irgenb mas."
„3$ fann ni$t ..."
„Seite!"
Sie maren burdj bas £f)or mit ben beiben
Dbeltefen gegangen, bann burdj bie fiaHe be«
Sdtfoffefi felbß, an ben 2Badjen oorbei ; nun tag
bas ©artetiparterre oor tynen, in biefem
fiatbbunfel ber frühen SBinternädjte, mo ber
Sdjnee einen blaffen Sdjetn mirft . . . S)ie -
färnarjen 2Ween begrenzten bie breite Städfje, unb
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- 71 —
eine fd&were, fd&war§e ©infamfett lag über bem
©arten . . .
Unwillfürtid) fröfielte Seile unb fd&miegte ftc§
nur einen SlugettbUdC an igermann, ber fofort
tyren 2lrm ergriff unb fo mit tf>r weiterging,
2lrm in 2lrm. ©rfi erfd&raf fie unb mollte
befreien, aber er Kefi es ntd&t. $)ann fagte fte,
wie um ftd& felbfi $u tröften:
„$a* ift fktt be« $u!"
„SReut . . . $a$ ift etwas aanj anbere* . . .*
... ©ie mu§te etmas fagen, er beftanb barauf . • .
(gnbltdf) fagte fie ganj letfe:
„$ u , §ier ift ja fd&on ©djjönbrunn."
2öie uon einer langen, fd&meren Saft befreit,
jubelte Sermann . . .
„®u, ba ifl ja fd&on ©d&önbrunn, bu, ba ift
ja fd&on ©djönbrunn," jaudfote er, umfaßte fie
unb $ob fie empor . . . ©ie mar ganj erfdfjrocfen,
bebte am ganjen Körper . . ♦ ©ie fd&lud&jte (eife.
... ©o meinen Jtinber, bie ftdfj müb geladfjt . . .
©ie gitterte fe^r, (te f)atte ftdfj oon tym gelöf*
unb flanb . . .
Unb mie ein bemütig Sittenber näherte er ftdjj
if)r . . . ©ie fdf)ten tyn nidfjt ju gewahren, fo mar
fte in tfjr ferneres Seib aerfunfen.
@r fd&lang leife ben 2lrm um fte ... $a büdfte
fte auf, bas s üuge doU Streuten, ©ie lag ganj
hilflos an feiner Srufl, Äörper mar an Körper
. . . 2Bie eine ölume, bie ftd& um einen Saum
legt, nur ba« fiaupt ifl U)m fern, nur bie ölüte
— 72 —
neigt ftdj gurüd, inbefi bie Stme ber Steige
unb ber gange Stumenleib ben Saum umfangen.
@o flanb fte, fo mar fte in feinen Strmen.
$a& öaupt aber t)atte fte gurüdgeroorfen, bie
Bugen gefdjtoffen, bie Siber bebten, bie Sippen
gudten, ferner t>on Sangigfeit, bie SBangen
maren bleich, unb bas §aar lodte in bie ©tirn.
. . . (Sinen 2lugenbltd, bann, alfi flute bie gange
junge fieiterfeit i^res SBefen* mieber gurfid,
mie bafi ©tut t>om Serben, errötete fte, blidte
iljn grofj unb Iadjenb an unb öffnete ben 2Runb
unb näherte enbtidj tyr i&aupt bem feinen . . .
©ie liefe ft<$ füffen. S)ann aber mar es,
mie menn hinter i^nen eine fernere Styfire jus
gefallen märe . . . ©ie tieften muttoft bie 2lrme
ftnfen unb gingen ftitt bie ^auptaüee ent-
lang gegen fiiefctng . . . 9hm fpürten fte bie
eifige Suft, fie fpürten, mie me&rtos fle ü)r
Spiel gefpielt, mar ber (Srnft ein ©piet, tyr
©piet ber @rnfl, wo maren i§re SBorte, ü)re
fcerrfdjaft, ber gange (gbetmut . . . 2Bie Sappen
mar äße« von i^nen gefallen, ©ie trauerten.
3)er 2Binb §atte ftdj gelegt, ber ©djneefaß Ijatte
aufgehört. <£s mar ru^ig falt, ftttt, gang aus*
geworben.
©d&metgenb nidten fte einanber gu, als fte
bei tljren Käufern angelangt maren, gum Stöfdjieb.
^ermann ergctytte am anberen £age bem (Sbt,
roafi gefdjefjen mar. greili$ t>erf<$mieg er
i&m, meldte« ©piet Seite mit if)m fetbft ge*
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73 —
trieben, wie er etgenttid) redjt fdf)mäf)ttdj beftegt
worben, unb wie fie beibe ausgesogen einanber ju
überwlnben unb jeber f elbfi tiberwunben worben. ©bi
aber in feiner fanftenSBeife täd&ette trüb unb freute
fidj> bodfj wieber, baß fein ftoljer greunb fo
tjerrlt<$ war, unb trog feiner @iferfu$t gab er
ftdj gefangen unb oerjid&tete willig, weit er wußte,
baß feine fd&wad&en Slrme Seile nid&t ju Ratten
x>ermodf)ten, baß fie feiner ©ef)nfu$t oorgaufelte
wie ein ©d&metterling, unb ba§ er fie ntd&t er*
greifen fönne. 2tud& war er ju franf unb mübe,
ber Setbenfdjjaf* be« Soxnti unb ber @tferfud&t
jidfj ju ergeben, fein 33efinben t>erfdf)tünmerte ftdf)
fo fe^r, baß er mit feiner $ante nad& bem ©üben
reifen mußte.
@&e er fortging, na^m er nod& Slbf^ieb oon
Hermann unb Seite, ©ie gingen burdf) ben
©^önbrunner $ar! mit einanber.
(Sbi war in glfidfttd&er Saune. (Er träumte
wieber SBunberfdjöne« vom ©üben. $>ort war
feine fielmat. S)er ©üben, bie itattenifdje
©pradfje, ber anbere £immel, bie anbern 9ftenfd)en,
bie ©elänbe t>oUer SBein, bie farbenretdfjen Silber,
ba* Stteer, bas SDteer, ber Staunt. $)ort war
eine neue fieimat. „SDort werbe td& gefunb
werben, id) fü^r es, meine 2trme werben fräftig
werben gum Zubern/ fagte er, inbes er t>or
ßätte unb gteber fdfjauerte unb feine SBangen
ganj rot waren, feine 2lugen glühten. „3$
werbe ©ebid&te machen unb lernen, Unenblid&es
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— 74 —
werbe td) fernen, unb überall werbe i<$ bie
©d&önljeü fe&en, überall wirb fte mi<$ grüßen . . . Ä
//3°' ®bi, ba« wirb ein großes ©lüd fein,
bu wirft xriel ©d&öneö fefjen," fagte Seile.
„aber eß ifl bir ja ju falt pm ©el)en,"
fagte Hermann. toar ein fiürmtfd&er Sag.
„ßomm, ge&en mir lieber $u bir nadj fiaufe."
(SM aber befianb barauf; Sdjönbrunn Ijatte
er fefyr gern.
„$a$ fjier ifl baö einzige, wo man vom ©üben
träumen !ann. ©as gelbe ©d&loß fönnte irgenb*
wo in ber Gampagna flehen unb alle biefe be*
wegten Sttarmorftguren unb biefe Saubengänge,
bie jefct alle oom ©djnee ferner finb. 25a ift
ja bie Orangerie. Unten aber werbe idj biefe
Säume blühen fefjen. Seile, bu Severin, wie
blü^t bie Drange ?"
„2öetß, (SM, eine weiße »tüte f>at fte."
„3a/ unb bort wäd&ft ber Sorbeer im greien,
ba$ muß wunberlidj fein, wenn man fo einen
Sorbeerjweig pffüdfen fann unter einem ftraljlenben
fcimmel, unter 9J?enfdf)en, meldte biefe große
©prad)e fpredfjen, beren jebes SBort ein ©lütf
ifl ju t)ören unb $u oerfief)en. ®ort müßten
wir geboren fein ..."
Seile ging neben ben beiben ftreunben,
fdjweigfam unb traurig. Sangfam füllte jte eine
grofce, furchtbare ©d&ulb aufwadjfen, bie fie be«
gangen, oljne fdfjulbig ju fein. Sie Ijatte iljtt
©erlaffen, wie ein ©tüdt ©efjnfud&t weidet unb
einem leeren geben $lafc madjt. 216er |ie liebte.
Unb ba* war i$r SRed&t. Sie feinte ftdjj, unb
au<$ fte burfte ft$ einen ffiblld&en ölmmel von
Seibenfd&aften unb »egierben rofinfc&en, rote @bi.
Slber ob |ie Hermann liebte ! . . . roenn nid&t ?
©ie mußte efi ja nid&t. Slber bog fte jroeifeln
fonnte . . . $ann roar lf)re Sd&ulb groß.
£>le Säume brauften im SBtnb, unb man fafc
olle tyre Sfk nadf) bem SBtflen be« Sturme*
beroegt . . . Unb fte felbft füllte t^n im &aar,
ba$ aus her üfttifce roefjte, in ben Älelberu, bie
flatterten unb ftd^ baufdfjten . . .
©bi ßrengte ftdfj mit lautem Spredfjen an,
überfal) feinen ßuflen unb lad&te olel, er fpradjj
immer von bort unb ton ber großen §etmat.
Sermann $örte ffjm ju, lädfjelte freunblidfr
unb bekräftigte alles. <£nblt$ (am ba« ®efpräc&
auf tljr $erf)ältnis ju einanber.
@bi fagte: „Seile, mad&' bir nid&ts brau«,
ba6 bu mtd& ni$t lieb fjoft, roas bu mir roarjl,
fann mir niemanb nehmen, audf) bu ni^t. Unb
roa* bu mir gegeben Ijaft ; wirft bu mir ja nidfjt
roegne^men motten, nid&t roaljr? 3)u bift ja nodfj
retdt) genug. $>u fjaft mir ben grüljling gezeigt.
3d& roar fo ein 33ub, idfj liebte nur ben ©erudfc
beö ^tieberd unb ber Sßeild&en unb ben Sdf)lag
ber SBögel unb ben ganjen ^Begriff bed Silixens.
. . . 2)u aber bift ju mir gefommen unb Ijaft
midf) gefügt, unb feitbem fcab' td) gemußt, bie
■Jtotur felbfl einmal an meiner Sruft gehabt p
Daben, einmal Sippe an Sippe. Übrigen« ifl alles
ein ©erebe . . . SieUei^t §aV idfj mdjjt einmal bidfj
fo lieb gehabt, als ben ©arten, wo wir waren, als
bie ©tunbe, alö ben 2lugenblltf, als baö ©efltyl
betner feudfjten, buftenben Sippen, bie tdj fpürte, at«
ben ©eru$ beined J&aare«, ben idj atmete . . . ÜRun feift
bu weggegangen. 216er idj brauste btdfj nid&t ju
galten, unb nid&t oon beinern SBillen Ijängt e§
ab, bidfj in geben unb §u nehmen, idjj &abe bidO
einmal einen SlugenblidC in meinen Sirmen gehabt,
unb meine ©eele &at bid^ ... 2Bo id(j bin,
bift bu . . . 2luf 2Bieberfe$en in Statten . . .
$)ort wirf! bu mir begegnen, in jebem SBilb, baö
tdfj fe§e, in jebem 2Mb<$en, baö id& fe§e . . .
Unb bu, i&ermann, wirft wof)l nid&t eiferfttd&tig
fein, bu müfetejl fo gut auf bie Suft eiferffid&tig
fein unb auf bie ölide . . ."
Storni fc&wiegen ftc alle brei. ®enn e$ war
bodj fd&wer, baoon ju fpredfjen, unb fd&wer, baoon
%w f^weigen, fte lehrten um unb waren gegen
Sttenb ju fiaufe. 3m 'fflmmtt be* graulein«
2Rttnd&reiter. $as grctulem begrüßte fte :
„Slber, @bi, bei folgern SBetter gef# bu au«,
ba fott bir beffer werben, fdfjau, wie bu ljufiejt.
2)u fieberft gewig. 3$ trau' midj ja gar ntdfjt
fortzufahren mit bir."
®bi läd&elte ru^ig. „Safe nur gut fein, idj
$ab' bodfj oon ©d&önbrunn 2Ibfd&ieb nehmen
müffen."
3)ie £ante braute ben £f)ee herein, ©te
— 77 —
fdjerjte, aber inbe* jte um i§re (Säfte beforgt
ober ins ©efpräd) vertieft fdjien, flaute fie
immer mit ängfiltdjen ©eitenbltdfen auf @bi, ber
rutyig lädjelte, rote im £raum.
<£nblid) bat er: „©ermann, fing 1 mir nodj
jum 2lbfd)ieb etwa« ... 3)ie £ante wirb bid^
begleiten, — ntd&t roaljr?"
9Ran blätterte in ben SRoten, auf einmal
fagte er: „£)a, ben 'SBanberer' mttt id)
fjaben . .
SDte Stante fefelc ft<$. @ie begleitete be=
Reiben unb fd)ön. ©ermann fang fräftig, feine
(Stimme mar ju laut, fein Vortrag ju gelaffen
für biefed fe^nfudjtsfd&roere unb bebenbe Sieb.
£)as alte gräulein 9Rün#reiter aber miegte tyr
Heine«, magere« ßörperdjen nad> biefen fd&roebenben
giguren ber Begleitung unb neigte ben ßopf
nadj ben Söellen befi ©efange* unb §atte einen
feltfamen 3«Ö " m ben SJhmb, lädjelnb unb voü
ßlenb . . .
„3$ roonbre füll, bin wenig frolj . . ."
(Sbi fdjaufelte in feinem ©effet unb liefe ftd)
Don bem bunleln ©efange wiegen . . .
5Da$ ftimmtx lag im $unfel. Sßur am
Ätamer fira^lten bie $3lenben ber fleinen Sampeu.
<§5r fal) feine (leine, $äf$lt$e Spante, mie fie fic§
wiegte unb fdjmang, wie fie ftd& unb U)n £alb
nergafj beim ©piel, er fafj ©ermann, ber an
nidjtfi badete, als an ben 2Bof)tlaut, ben er be*
$errf$te unb gab, er faf) biefes gutmütig fäöne
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— 88 —
fonberit au freuen fd&ten. — SDurdfj bie geöffnete
2$ür blidte man in baö Nebenzimmer, weldje«
bem ^ermann gehörte, bort war ein (Srfer mit
Sufcenfd&eiben unb jmei ^o^e 8ü<6etfd(jränfe, ber
gtüget unb ein paar hod)lel)nige, unbequeme,
grünbejogene gauteuils. ®ie übrige SBo^nung
war vermietet.
60 fdfjten alles eine gewiffe SBornetynfjeit §u
bewahren, hinter ber bie Slrmut bodfj ^eroorfal),
alles war peinltd^ fauber unb forgfältig unb
gerabeju gegiert elegant, aber bodfj fparfam, oor*
ftd&tig unb genau ^ergerid&tet, £anbarbeiten
fd&müdten bas S^mer unb oerbedten mandfjes
wohlfeile 2Wöbelfiüd. 2ln ben genftern fingen
gefttdte $Borf)änge, über bem £ifdf) lag eine fefjr
fdf)ön mit Purpur gefttdte altbeutfdje 2)ede, auf
ber Ärebenj ein Säufer mit anmutigen SlrabeSfen.
Nur ein paar altmobifdfje ftlberne Seud&ter unb
fonft ein paar wertvollere ©egenftänbe oerrieten
bie beffere Vergangenheit. $)er Saron Sttensborf
hatte im 73 er 3<*h* fein Vermögen oerloren unb
feine SBUroe mit ihrem fteinen ©ohn red&t arm
jurüdgelaffen. (Srbfd&aft reifte gerabe aus,
biefe SBtHa ju faufen, unb gu einer winjtgen,
jä^rlid&en Nente, worein fidfj jebodf) bie Baronin
umfo leidster fügte, weil fie aus einer armen
SBürgerfamilie ^erftammte, wegen ihrer großen
(Schönheit 00m Saron entbedt unb geheiratet
würbe. 3n ber SHufee i^res <§fyz* unb äßitwen*
bafeins fyattt fie mit einer faft fieberhaften 23e*
— 89 —
gierbe gelefen; fie fcatte franjofifd!) gelernt, —
wollte fie bie freien Städler lefen unb lernte fie be§=
tjalb bie Spradfje, ober las fie bie freien $Bfi$er,
um bte Sprache baraus ju lernen ? — genug, fie
mav überaus eifrig. Sie lad alle beutfd&en SBerfe
üon SBebeutung, bann ©efdf)id)te, bann äftyettfdje
Sadfjen, bann fogar einiges aus ber ^ilofop^ie.
Unb alles bies mit ber gleiten feurigen Energie,
mit ber Tie früher als junge grau i&rem SBer*
gnügen gelebt. So Ijatte ihre Silbung etraas
Ungeorbjtetes, aber Sautes unb Smponierenbes,
if)r SBiffen mar breit, nidfjt tief, megen feines
Umfanges bei einer grau tyrer fcerfunft um
erhört unb erftauntidj, rcesljalb fie gern barauf
bie Slufmerlfamfeit ber ßeute lenfte unb felbft
nid&t o^ne Slnmut im Sd&erj unb mit einer ge*
roiffen Ettelfeit bie Erinnerung auf ifjre einfüge
Sdfjöntyeit brachte, bie genrifc auf anberes ©lti<f
fjinbeutete, als auf bas Stubium römifdber 2llter*
tümer ober bes Voltaire. So l;atte fie tyren
Soljn erlogen, auf feine ftarfe, jugenblidje
Sd&önfjett ftolj, auf bie eigenen 3%* eitel, bie
fie in il)m roieberfanb, wollte fie einerfeits aus
iljm etmas ©länjenbes, ^rä^ttges mad&en, anber*
feits mieber tyre unbebingte ©crrfd&aft ü6er ifjn
bewahren unb if)n burdf) bie Energie Ujres
SBerftanbes lenfen. 60 friert er tyr jum
Sänger gefd&affen. 3luf bem ©gmnaftum taugte
er gerabe nid&t befonbers, er abfofoierte feine
ad^t Qa^re mit oieler Sttüfje, fo mar fein SBiffen
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— 90 -
fein orbentltches, ba er ju faul war, ftch ju
fiaufe mit etroas anberem als ben notroenbtgflen
Schulaufgaben ju befchäfttgen, unb meidend am
ßlaoier fa&, phantafterte, ober blo& auf bem Sofa
lag unb in bie ßuft flaute. SMefer Sftü&iggang
war ihr gerabe recht meil er ihr bie §errfchaft
bes 6potteö unb ironifdjer 33ehanblung unb fo*
gar ber Überlegenheit über ihren Sohn ftcherte,
ber für fte immer 'ber 33ub' blieb, roenn er audj
ein großer Sänger werben follte, worauf fte ihn
Dorbereitete. So blieb ßermann rote ein unge?
lenfer, brummiger Sär neben ihr, mar ibr mit
ber finbif^eften 3Inhänglid)feit jugethan, ertrug
alle Saunen ber alternben grau, bie ohne 93e*
rounberung in Sirmut oerfümmern unb burdj
junehmenbeß Sllter bei abnehmenber Schönheit
bie 33erounberung nicht mehr ju oerbienen mußte.
Sie führte baß &ausroefen ohne SMenftboten, fte
beforgte alles, faufte ein, föchte unb fyattt fi<h
Hermann gut abgerichtet, ber ft<h felbft bie
Kleiber unb Sdjube bürftete, fogar jur SRot ben
&erb befietlen, bie Sampen pufcen fonnte. (5r
roar felbft oft genug ebenfo launifch roie bie
SWutter, bann fd&rien fie jtd& in ber berbfien
2Beife an, um enblich über ihren groben ärger
ju lachen unb jebes bas anbere im Stillen liebenb
ju berounbern. Wit ihrer Überlegenheit brüefte
ihn bie Baronin beftänbtg nieber, unb ihr ganzes
©rjiehungsftjfiem beftanb barin, nie locfer
laffen. s iluf ber Unioerfttät gab er Stunben,
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— 91 —
roooon er tf)t einen atemlidjen betrag ablieferte,
gür ben SReft beftritt er Äleiber, ©efangsfhmben
unb Vergnügungen. £rofc trieler ©elbforgen
war bie SKutter bod& von einer Reitern ©e^
laffenf)eit. $)abei liefe Re es fidfc nid)t
nehmen, ifjre einft im größten 3Haa& geübte
©afifreunbfd&aft ju pflegen; unter ben greunben
iljres ©oljnes, lauter jungen, entfmfiaftifdjen
ßeuten, glänjte fte, foroofyl bureft bie (Erinnerungen,
bie tyre jefctge 2lrmut unb if)re alternben
£age überfc&tmmerten, als burdf) bie laute
ßebfjaftigfeit tyrer 9tebe, burdf) bie ßunft, mit
ber fte tyr SBiffen unb tl)re SBübung ins
redete Sid&t fefcte. Unb wie mandfje ©ejid&ter
oon grauen nid&t burdf) eine tabeUofe ©d&önljeit
ttrirfen, bie oft genug ßangroeile, fiatt 33erounberung
ermeeft, fonbern burdf) eine reijenbe Unregek
mäfcigfett entjtidfen, fo gab gerabe bie launen-
^afte unb improoifierte SlusbUbung tyres ©etftes
tyrem ©efpräcl) einen gemiffen föeij, tyren
SBorten einen bizarren 6dfjroung unb tf>rer
^Ijantafte eine originale Sftidfjtung.
3u ben fiänbigen ©äften tyres Kaufes ge*
fjörte 2BtlIi, ber Solm tyrer jüngern ©d&mefter,
ber mit föermann gleidjjaltrig mar, nodj) meniger
als er in ber Sdf)ute taugte, aber nid&t aus ge*
ringer Begabung, fonbern aus einem §ang jur
Träumerei, ein fHfler, blojfer Änabe, ber oor
allem bie Anlage befafj, ftd) unglücflidf) unb im
Unglüd roieber reidj) unb befeligt ju füllen.
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— 82 —
werben, baju fyaV idj fein Salent, unb bann ift
es au$ fab. SBeißt bu . . ."
„9lun, wir fcaben ja no<$ 3ett, *>a& gu
überlegen . . . ©elt? . . ."
(Sinftweilen nafjm er iljren 2lrm, nnb fte
füllte il)n fc^r groß unb ergaben neben ftdj
ge^en.
„2)u bift ein großer Äerl ..."
3n ber (Sinftebelet jaufien fte jufammen.
3m SBinter war nur ein fleinefi Simmtx für
ble feltenen ©äfte offen. (Sö war warm unb
beljaglidj. Seile föenfte ben Kaffee ein unb
forgte, baß Hermann bas meifie ©<$lagober$
befäme, was er jt<§ gerne gefallen ließ, <5ie
blätterten au<$ bie 'gliegenben Blätter' jufammen
bur<$ unb labten über bie Silber unb Söifee.
Unb wenn ityr etwas gut gefiel, reifte fie
^ermann baö &eft na^e §in, wobei er tyre
§anb füßte, was immer tyren lebhaften Sßroteft
wegen beö Redners erwedte, ber nichts ju fe&en
fdjien unb boc^ befliffen läd)elte. 3)ann mußte
fie bem Hermann guliebe fogar eine Brette
raupen, er raupte nidfjt wegen feiner (Stimme,
freute jid) aber unbänbig, wie fte gan§
fur^tfam bie Bürette entjünbete, ängfttid) bie
Sippen fpifcte, oorfid&tig ben blauen SRaudj
ausftrömen ließ. @r freute ft$, mie if>r ber
gute S)uft besagte unb fie fi<$ wohlig ftredfte
unb fd&aufelte, tt)n luftig anfa§ unb freubig
plauberte, von ntdjts unb allem unb ben blaffen,
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— 83 -
blauen Wolfen nadrfah, bie ftd) in bieten
ßtnien bur<f) ba« 3 immer sogen.
211« es bämtnerte, gingen ftc fort.
3m freien löfte bann Hermann ihren 5lrm
aus bem feinen, ©ie waren fd^neU gegangen.
2luf einmal ftanb er . . . ©te erfäraf . . .
@r breitete feine 2lrme au«. 9tun fchien ihr
feine große ©eftalt im Tuntel größer unb faft
angflerregenb. @r umfehloß fte . . .
9Rit einem lauten 3<*udföer fyob er fie gu fid)
hinauf unb fügte fte . . .
*
Sermann erjagte Seile mel von feiner
Sftutter, fte Ijabe fo oiel getefen, fei oott SBtffen
unb Energie, cor ihr fei er toie ein bummer 33ub,
unb fte fei einmal fe^r f<hön gewefen, bur<h ihren
fräftigen unb bauernben <Sntfd)luß ^abe fte ftd^
gur SBilbung emporgehoben. ($r ^abe auch
feiner SRuiter oon Seite gefprodjen, unb biefe
^abe recht tyxfliä) gelabt über beibe unb Seile
burd) i^n einleben lajfen. ©ie folle benn am
©onntag hi n überfommen. $)a werbe auch fein
greunb unb (Souftn, ber £)id)ter, SBilli, ba fein
unb beffen glamme, eine blonbe ÄonferoatortfHn.
@« werbe fehr hübfeh fein.
Seite h^tte ein wenig Slngft oor föermann«
Butter, fdjon voi ber gremben, bie attyuotel
um fte mußte, ihre ©<ham machte fte bat)or
gittern, baß man von ihren Sippen müßte, baß
6*
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— 84 -
fie gefügt roorben, unb von ihrem SBefen, bafe
es fidj angefdjmiegt, unb gerabe bie Butter
i^reö ftreunbes fd&ten ihr tote ein arger geinb,
feine greunbe motten es immerhin rotffen, aber
feine Butter ! . . . ©te füllte bunf el, fie fjatte
es audj beim graulein 3ttünd)reiter unb bei
ihrer eigenen Butter gefehen, bafi bem mütterlid&en
©efühl bie gärtUd&fett unb Siebe uon ftremben
ju ihrem ßinb etwas Ungeheueres ifi. Starum
legte feine 3Rutter t>iellet<ht bie Siebe Hermanns
ju ihr tote ein ßinberfpiet aus, fei es, um ftd)
felbfl unb ihre (Siferfudjt $u beruhigen, fei es,
um ©ermann fdjeinbar unfdjulbtg ju nerlefcen,
inbem fie ihn eines grojsen (Smftes nid)t für
fähig hielt unb feinen 3ubel föerjhaft nahm,
fein Vertrauen, feine 3 u ocrfid&t ein wenig
fpöttifd) unb geringfügig behanbelte.
©te 50g fidj fehr forgfältig an, am ©onntag,
als ob fte einer geinbin ihre ©<hönhett feigen
wollte, fie bur<$ ihr ganzes SBefen ju rühren
unb ju bedingen.
©ie legte tf)r ©aar in einer einfachen,
fiarfen 2Binbung um bas ©aupt unb ftrf<h es
aus ber Stirn. Wwc ein paar lofe £ö<f<hen
flatterten h*n>or. ©te 50g eine weifee, feibene
Sloufe an, ganj fnapp an ben Seib gefdjloffen
mit einem grofeen ©pifeenfragen unb ©pifcen*
manchetten, oben ein wenig ausgef Quitten, fo
bafe i^r fdjlanfer ©als frei mar, um ben ein
etnfad&eS golbenes äettlein lag, ber einzige
— 85 —
©d&mucf, ben fte Ijatte. Um ben &als legte fie
bann, als fte fortging, einen folgen fdljmalen
fragen aus braunem Sßetj mit einem 3lttSfopf,
beffen 3äl)ne jugleldf) in ben ©dfjman& biffen
unb bas fläzen warm unb btdfjt fd&loffen. @o
ging fte hinüber.
i&ermann öffnete ifjr gletcij. „©ertms, Seite/'
begrüßte er fie laut unb führte fte mit
geräufdfjtwller gröpdjjfeit ju feiner ÜWutter ins
3immer.
„211}, feien Sie mir ljer$ltd& mtllfommen,
graulein ... 3$ barf ja au$ Seile fagen, ntd&t
wafjr?"
(Sine gro&e, fiattlidjje, etwas forpulente grau
fam if>r entgegen unb führte fte an ber &anb
Sunt ©ofa . . .
3Me SJiutter Hermanns war t>telleid&t fd&on
föwfjig Satyt alt, breit unb ftarf, bas ©eftdjt
$atte tro( feines lebhaften Semityens $ur Reitern
greunblidtfeit einen me&r energifd&en, als gütigen
Slusbrucf, es oerriet bie ©puren jener milben,
fonberbaren, faft männlid&en ©djöntyeit ber grauen
'oon 9faffe\ ©ie Ijatte lebhafte, graublaue
Slugen, eine fdfjarfgefcijwungene 9tofe. Stur bie
SBangen unb ba§ #tnn waren ju roll, um bie
Sinien tyres ©eftd&tes fdfjön $u bewahren, unb
ber 3ßunb erfdfjten &u f^mal, feine abwärts ge*
jogenen 2Binfel gaben tf)tn etwas Söfes, was
t)ieHei$t nid^t in i^r lag, benn fte ladete t)iet
unb laut, fpradfj t>iel, felbftgefällig unb t>er*
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- 86 -
weilte bei bem SBerfd&iebenfien, befjerrfcfyte bas
ganje ©efprädj, ja fd)ien (td& eben bei biefet
igertfd&aft unb nur bei t&r ftd&er unb in i&rem
Clement ju füllen, ©o fcerrfd&te i&re 6timme
über baö ©emirr einer ganzen ©efellfd&aft unb
üjr ganjeö SBefen war auf tiefe 3Btrfung ber
Rom>erfaHon mit gremben unb ©leic&giltigen
beregnet, benen man räumlicl) fo na&e, innerlich
fo gelaffen fremb ift. ©ie fprad) von allem
SWögttdjen, was ben £ag erfüllte, über neue
33üd)er unb über bie gegenwärtigen gelben, übet
Sßolittf, über äunfi, über baö Sweater, immer mit
ber gleichen, lauten, (ärmenben §etterfeit, fie ladjte
ftarf über i^re wiegen Semerfungen, erjagte gern
oon i&rer Sugenb unb liebte eö, tyre einfüge
©$önl)eit erraten &u taffen, unb baö fie über*
aus gefeiert gewefen. 3§ren ©of)n befjanbelte
fie mit einer gewiffen berben 3ärtli$feit, red&t
von oben fjerab wie einen 3ungen, fei e«, um
ifjre geiftige Wlafyt ju jeigen, ober aus einer
gewiffen (Sttelfeit, wenn fie fd&on nidjt als jung,
fdfjön, liebenswert genommen werben fonnte, bod>
nid&t für gar ju alt ju gelten. $on bem Seben
ber jwei ßlnber fpradj fie garniert, be&anbelte
alles wie felbftoerftänbticbe Xljatfad&en, oon benen
es jtdf) wegen i^rer 93elangloftgfeit ntdfjt weiter
ju reben oerlofjne, unb benahm jtdf) Seile gegen-
über üornefjnufreunblidj), ja fogar fpöttifcfocirtlid().
Sie war lebhaft, übermütig, babei oon bem ge*
wiffen ungenierten C^ntömus alternber grauen,
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— 87 —
rote eine gleid&mäfjig f djnelle, laute 9Huftf , allegro
con brio. Seile fafc neben tfyr unb roufcte
nid)t recht, roas beginnen, fo fchroteg fxe meift
unb marfierte ihre Eetlnahme an ber Untere
Haltung, roeld&e ohnebies fajl ganj oon ber
Baronin beforgt rourbe, blo& burch ein Säbeln
ober burd) eine leife 3 u ft^ mmun 9* SDerroeilen
fonnte (ie fid) bas &immtx anfehen. (SS war
mit einer fümmerlichen ©leganj hergerichtet.
2XItc, ein roenig oerfchliffene, aber forgfältig ge*
bürftete ^eppldje bebeeften ben SBoben, einfache,
glatte ßaften, eine altmobifdje Strebenj, ein
Heiner roie es fchten, roertooüeö Bilb, oiellei^t
eine ßopie nach einem ÜWeberlänber, ^ing an
einer 2Banb, jroei (Spieler barfteflenb. Unb
über bem ©ofa ein Porträt ber Hausfrau au«
früheren %a1)xtxt, in bemfeltfatn friool bürgerlichen
©til ber SBierjigerjahre. S)a roaren ihre jungen
3üge gut herausgebracht, jie trug auf bem Silbe
eine hohe, funftreid&e grifur ; ihre Slugen fchienen
ju leuchten unb jebem freunbltche ©lut ju t>er*
hei&en ; ihr 9J?unb, halbgeöffnet, lieg bie blenbenben
3ä^ne burchfehünmern. 2)er &als unb bie
rounberoolle 33üjle roaren frei. $ie $aut ^atte
ein mattes, gelbes 3nfarnat, roie fchimmernbes
©Ifenbein. ®aS ©pitjenhemb roar über eine
©chulter gefunfen, fo baf$ noch bie Sichfei fid^t=
bar roar unb faft ber üppige ©chroung bes
SBufenS. — Seile fah mit häufigen ©eitenblicfen
auf biefes S3tlb, roas bie Saronin nicht ju ftören,
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-
— 88 —
fonbern ju freuen fdjien. — 3)urdj bte geöffnete
£§ür btidte mon in bas SRebenjimmer, weldje*
bem ^ermann gehörte, bort war ein (Srfer mit
Su&enfdjeiben unb jroei fyoty Stidjerfd&ränfe, ber
glüget unb ein paar f)oc&leI)nige, unbequeme,
grünbejogene gauteuil«. S)ie übrige SBo^nung
war uenmetet.
©o fd&ien alles eine gewiffe SBome^m^eit ju
bewahren, hinter ber bie Sirmut bo$ $en>orfa&,
aüed mar peinlid) fauber unb forgfältig unb
gerabeju gegiert elegant, aber bo<$ fparfam, oor*
jidjttg unb genau fcergeridjtet, §anbarbeiten
fämüdten bas 3immet unb t>erbedten mandje*
wohlfeile 3JiöbeIflücf. 3ln ben genflern fingen
gefHdte Vorhänge, über bem lag eine fefpr
fd&ön mit Sßurpur gefltdte altbeutfd^e SDede, auf
ber Ärebenj ein Säufer mit anmutigen Slrabeßfen.
$Rur ein paar aitmobifdje Rlbeme Seud&ter unb
fonft ein paar wertoottere ©egenftänbe verrieten
bie beffere SBergangentyeit. $>er Saron 3Henfiborf
hatte im 73 er 3a^r fein Vermögen oerloren unb
feine SBitroe mit ihrem (leinen ©ohn recht arm
jurüdgelaffen. @rbfd)aft reifte gerabe aus,
biefe SSitta ju laufen, unb gu einer nrinjigen,
jährlichen teilte, worein ftdj jebod) bie S3aronin
umfo leidster fügte, weil fte au« einer armen
SSürgerfamtlte herflammte, wegen ihrer großen
©$önf)eit Dom 23aron entbedt unb geheiratet
mürbe. 3n ber 2Kufje ihre« @he* unb Sßitroen*
bafeinö &atte fie mit einer faft fieberhaften Se=
gierbe gelefen; fie ^atte franaöftfdfj gelernt, —
wollte fte bie fredfjen Sudler (efen unb (ernte fte bes*
tyalb bie ©pracfje, ober laß fte bie freien 23üd)er,
um bie Spraye baraus ju lernen ? — genug, fte
war überaus eifrig. Sie lad alle beutfd&en Söerfe
von SBebeutung, bann ©efdjidjte, bann äftyetifdje
©adjjen, bann fogar einiget aus her $pf)ilofopf)ie.
Unb alles bies mit ber gleiten feurigen Energie,
mit ber Tie früher als junge grau tyrem 93er*
gnügen gelebt. 60 fjatte ibre Silbung etwas
UngeorbneteS, aber Sautes unb 3mponterenbe§,
tyr SBiffen war breit, nidjt tief, wegen feines
Umfanges bei einer grau tyrer fcerfunft un*
erhört unb erftaunlidjj, weshalb fie gern barauf
bie Slufmerffamfeit ber Seute lenfte unb felbfi
nid&t o§ne Slnmut im ©d&erj unb mit einer ge*
wtffen (Sitelfeit bie Erinnerung auf i&re einfüge
©djjönljett braute, bie gewt§ auf anberes ©lti<f
^inbeutete, als auf bas ©tubium römtfefcer Sllter*
tümer ober bes Voltaire. 60 Ijatte fte tyren
©otyn erjogen, auf feine fiarfe, jugenbltd&e
©df)önf)eit ftolj, auf bie eigenen 3^9 e eitel, bie
fie in i§m wieberfanb, wollte fie einerfeits aus
U)m etwas ©lanjenbeS, $räd&ttges mad&en, anber*
feits wieber i^re unbebingte fcerrfdjaft über U)n
bewahren unb tf)n burdf) bie Energie ityres
SBerfianbes lenfen. ©0 fdjjien er il)r jum
©änger gefd&affen. Sluf bem (Stymnaftum taugte
er gerabe nid&t befonbers, er abfofoierte feine
adjjt Sfafjre mit oieler 2Rüf)e, fo war fein SBiffen
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fein orbentlid&e«, ba er ju faul mar, fidj ju
£>aufe mit etroas anberem alß bcn notmenbigften
«Sdfjulaufgaben gu befd&äfttgen, unb meiftenß am
ßlaoier fafe, phantafierte, ober btog auf bem Sofa
lag unb in bie £uft flaute, tiefer s JJiüfjiggang
mar ihr gerabe recht, roetl er ihr bie &errfchaft
beß ©potteß unb ironifeber SBehanblung unb fo*
gar ber Überlegenheit über ihren Sohn fieberte,
ber für fie immer 'ber $ub' blieb, menn er auch
ein großer Sänger roerben follte, morauf fie ihn
vorbereitete, So blieb fiermann roie ein unge*
lenfer, brummiger 93är neben i^r, mar tt>r mit
ber finbifcheften 2ln^ängtid)feit jugethan, ertrug
alle Saunen ber alternben 3rau, bie ohne 93e*
rounberung in 2lrmut t>erfümmern unb burdfj
june^menbeö SUter bei abne^menber Schönheit
bie 33erounberung nicht mehr ju oerbienen mußte.
Sie führte baß föaußroefen ohne ®ienftboten, fte
beforgte alleß, faufte ein, föchte unb hatte fich
^ermann gut abgerichtet, ber ftdf) felbft bie
ftleiber unb Schübe bürftete, fogar jur Not ben
<perb beflellen, bie ßampen pu&en fonnte. <5r
mar felbft oft genug ebenfo launifdh mie bie
Sttutter, bann fchrien fie fich in ber berbften
SBeife an, um enblidj über ihren groben Ärger
ju lachen unb jebeß baß anbere im (Stillen liebenb
}u berounbern. Wxt ihrer Überlegenheit brüefte
ihn bie 23aronin befiänbig nieber, unb ihr ganzes
@rjiehungßf9ßem beftanb barin, nie lodfer au
loffen- s iluf ber Unioerfität gab er Stunben,
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tooDOtt er ityr einen jiemlldjjen betrag ablieferte,
gür ben ftefl betritt er Weiber, ©efangsftunben
unb Vergnügungen. £rofc meler ©elbforgen
war bie Butter bod) oon einer Reitern ®e*
laffen^eit. 3)abei lie§ fte es fidfr nid^t
nehmen, ibre etnft im größten 9Haa& geübte
©aflfreunbfd&aft &u pflegen; unter ben greunben
tyres Sohnes, lauter jungen, entbuftaftifd&en
Seuten, glänjte fte, foroobl burd) bie Erinnerungen,
bie tyre jefcige 2lrmut unb ifjre alternben
£age überföimmerten, als burdf) bie laute
ßebtyaftigfeit if)rer Sftebe, burdf) bie ftunfl, mit
ber fte ityr Söiffm unb if)re Silbung ins
redete Sid&t fefcte. Unb roie mand&e ©efidfjter
oon grauen nidfjt burd& eine tabedofe (Sd&önfjeit
toirfen, bie oft genug Sangroeile, patt S3emunberung
erroecft, fonbern burdf) eine reijenbe Unregek
mäfcigfelt entjüdfen, fo gab gerabe bie launen*
§afte unb tmprooifierte Slusbilbung tyres ©eiftes
tyrem ©efpräd& einen geteilten 9telj, tyren
SBorten einen bijarren 6df)tmtng unb ifyrer
^tyantafte eine originale SRtd&tung.
3u ben fiänbigen ©äften tyres fiaufes ge*
Ijörte Söitti, ber (Solrn tyrer jüngern ©d&roefter,
ber mit Hermann gleidfjaltrig mar, no<$ weniger
als er in ber <5dmle taugte, aber nidjt aus ge*
ringer Begabung, fonbern aus einem &ang jur
Träumerei, ein ftitter, blaffer Änabe, ber oor
allem bie Einlage befafj, fi<$ unglücfltdfj unb im
Unglütf roieber reid& unb befeligt ju füllen.
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•
®iefer würbe alfo erwartet mit feiner
'flamme', einer jungen, ad&tjefjnjä&rigen Äonfer*
t)atoriftin / bie er mit ber reinflen Anbetung unb
feufd&eften <5e§nfud&t liebte, ofcne bafc (ie ftdf)
aus tym viel mad&te. SDa« mürbe benn von
ber Baronin umftänblidfj mit guter Saune be=
fprodfoen, Seile f)örte bfefem allem wie grembem,
©leidjjgiltigem $u, nur munberte ftc ftdj, bafi
biefe grau bie fd&önfie Seibenfd&aft fo fcübfdfj als
©egenftonb eines wtfeigen unb ^eiteren ®e-
fpräd&es benfifcte, roo bod& bie blofee (Styrfurdfjt
vor ber reinen unb innigen Neigung eine«
Süngling«, bie, wie e« fd&ien, vergebend um @r-
§örung bat, ein fd&weigenbeö ober trauervolles
SWttgefüljl ju verbtenen fd&ten, umfome^r bei
einem 9lal)verwanbten. Unb fiermann fd&att
nur in feiner berben unb ungeklärten SBetfe
auf ben armen SBurfdfjen. „SBarum ifl er fo
bumm, wer fäafft iljm's, jtdfj in eine ©ans p
verlieben, bie if)n gar ntd&t verfielt unb weife
©Ott was für eine '^Bur^en' tjaben will."
Seile aber (adelte unb fagte blofj: „2Ber
fd&afft's einem!" unb badete an bafi l)öd&ft um
vorfidfjtige &er$ bes 2ßenf$en.
5Da trat 2Mt ein . . .
„W) SBtUi, lupus in fabula . . J* 9Jton war
ntd^t einmal verlegen.
2BiHi läd&elte fd&üd&tern unb begrüßte bie
greunbe.
(Sr war von §of>er, fd&lanfer ©eftalt, fein
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©eftd&t nidjt fdjön, aber burdj ben traurigen
unb järtli^en 33licf, ber alles t>ott Siebe unb
2Bef)mut ju umfangen fd&ien, 31t einer geroiffen
SBürbe unb Sanftmut erhoben, ©ein braunes
£aar jknb breit um bie ©Um. ©eine Se*
roegungen roaren läfftg, als fei tynen, maß jte
tf)un mufften, ^öd&ft gletdfjgilttg. 216er fein
ganzes SBefen mar unge&mungen, fogar Reiter,
unb man fa§ an ifjm bie ganje ©etynfudjt na$
©lud unb greube, bie U)n fogar bei eigenem
Kummer fid) über bie greube ber anbern freuen
ließ. 3m ©egenfafc ju Hermann Ijatte er etmaö
3arte8, geines, ^ßrinjen^afteö in feinem burä)=
au« natürlichen betragen unb mar burdj bie
oergebene Setbenfd&aft von (Srnft unb geuer
burdjgltiljt.
Seile mußte an ben fernen @bi benfen, mit
bem jte tyn fafl Dergleichen mochte.
©nbltd) fam au$ ©tepljanie, bie ftonfer=
aatoriftin. (Sin blonbeö -Jftäbdjen, mit bem f)tibf d)en,
leichtfertig läcfcelnben SBiener ©eftdjt, gan$ um»
fira^lt unb umfpielt t>on bem fdjönften ©lang
tyres üppigen $aare$, mit fofetter ©orgfalt ge*
fletbet, mit fd)lanfem SBudjs unb üppigem
SBufen unb $eH iad&enb.
„2öenn bie ©teffi fornmt, gef)t orbentlidj bie
©onne auf/' meinte bie &außfrau.
Seile faf) SBitti lächeln.
©teptyanie fümmerte ftdj jebod) gar nidjt
fonberlidj um tyn, fonbern oerftridte ftdj in ber
— 94 —
Reiter ftcn SBeife in einen boshaft; fd&erjenben
6trett mit ber Baronin, parierte &ermann$
berbe 2lnfpielungen in ber ungenierteren 2Beife
unb tiberfaf) Seite mit einigem $od&mut.
©nblidj mürbe mujtjtert.
^ermann fptelte unb fang, ©eine ©timme
brö&ute. 2Iber fie festen ^art unb tibertaut . . .
2lud& bie Sieber gefielen Seile nidjt.
(Steffi rourbe aufgeforbert, §u beflamieren.
(Sie lief* ftd& nic^t lange bitten, fonbern trat
mit 6tol$ unb roie eine gefeierte ätinftlerin auf,
verbeugte ftdf) unb trug irgenb eine abgefdjmadte
©ad&e mit ben einftubierteften Betonungen unb
ber geroiffen aUjubeutlid^en SBotalifterung ber
Gonfenrntoriftinnen t>or, fanb aber grofjen Seifall.
(So Berging ber 2Ibenb. 3 un)e ^ en benufcte
Hermann einen unbewachten Slugenblid, um
Seite ju größerer Sebfjaftigfeit aufzumuntern, ba
er fidf) tyrer Stille fd&ämte, bie er für 58er*
legen^eit anfaty, inbes fie Unbehagen mar, er
iaf) Seile ber allgemeinen £etlnaljm$loftgfeit
üerfallen unb wollte fte bodfj oor allen gefeiert
unb berounbert roiffen.
9Wan trennte fidjj bann unter grofeer §erj=
lidftfeit unb ladjjenb, inbeö alle ba§ ©efityl eine«
unbefriebigenben Seifammenfein« mit ftd) trugen.
Seile legte ftdb gebanfennoH fd&lafen. 3um
erftenmale badete fte an <£Dt feit feiner Slbreife
unb an bie unglüdttid&e Siebe btefes Söitti.
*
SDer SBinter ging unter jafjllofen Siebes^
wanberungen Ijin. Seile unb föermann gingen
burdf> bie ©tabt unb über Sanb. 3n tynen
war ein heiteres S3lü^en, eine grofee greubigfeit.
3n ber Stabt gingen fte auf bem weisen Schnee
wie auf Teppichen in einem wunberbaren ©d&loffe.
Sie fa^en sufammen bie föfUtd&en ©Uber ber
ÜRufeen, fte ertufttgten ftch in ben Bezauberten
winterlichen ©arten Sd& önbrunnö an ben tachenbften
fluffen, warfen Schneebällen mte ftinber unb
dritten miteinanber oor ben ein wenig affeftierten
Statuen, ober fte waren ernft t>or bem nach-
geahmten römifchen Triumphbogen, beffen jer*
brodelte Pforten fte erftiegen, wie ein (Säfar
mit irgenb einer Meinen erbeuteten 3<*uberin.
Oft aber fühlte Seile etwas wie Schauer
ober gurcht aufzeigen, benn ßermann war oon
Ijerrfchfüchtigem unb eigenmächtigem SBefen, fein
SBifle war burd& fetnerlei Klugheit ober mdfät
gebänbtgt, alfo Saune, babei nicht oon jarter,
fonbern robuft befehlerifcher 2Irt ber Äußerung,
Seile wie feine S3eute betrad&tenb. <5r liebte fie wie
ein foftbares unb zierliches ©pieljeug unb war
boch ooll SJerbrufj, wenn fte i^ren gleichfalls
energtfd&en, aber ftugen SBiUen gegen feinen
fefcte. $)urch i^re ruhige, ein Mfedfjen überlegene
Slrt braute fte ihn oft genug aufcer ftch, babei
fchten er fie gu beherrfchen; in SBahrhelt aber
tenfte fte ihn, jebodf) nur mit bem ruhigen 23e*
wufetfein bes fechten unb ^ßaffenben.
— 96 —
©eine ©timme mad&te weniger gortfd&rttte,
als er gehofft fjatte. @* war nidfjt fo leid&t,
ein großer Sänger ju werben, als ftd) banadfc
ju fernen ober es ft<$ einjubilben. @r fang
rauty, bie £öne waren unförmttdfj unb ge^or^ten
meber feinem ©efütjl no<$ feinem $erffonb; er
mußte fle meber meidf) nod& etnfdjmetdjefab an-
jufefcen, unb nur ein berber, breiter Vortrag
gelang itym, inbes er ftdf) einen begaubernben,
fanften, lodenben gemünfd&t fjätte. 2)aju fam
feine unbeftegbare gautyeü unb Untyätigfeit in
ben anbern fingen, bie tym tüdjt etwa im
einzelnen quätenb $um SBeroußtfein fam, fonbent
nur als üble Saune unb arge« SJtfßbe&agen ftdl)
äußerte. @r mar an ber Untoerjttät inftribiert
für ßunftgefdfjidfjte, f)örte aber meber &orlefungen,
nod& arbeitete er etwas, lad aud(j ju fiaufe nichts
Drbentlid&es, fonbern gab ^ödbftenö feine ©tunben,
fptelte 5Uat>ier, fang feine Übungen unb ärgerte
fidj, baß er nidfjt meiter fam. S)ie SJtutter, bie
if>n gu SRutjm unb befferem ©einigen gern weiter*
gepeitfd&t t)ätte, fannte in natürltdfjer ©iferfud&t
fein anbereö 3Jttttel, als inbem fte Seite als
bauerabes unb unerbittlidfjeö fiinbernis für ü)n
fjinjMte, jugteic^ feine ©itetfeit anfiad&elnb, baß
er, bem nidfjt eine, fonbern eine gange SRenge
ber fd&önften SBeiber angehören mürben, ate einem
berühmten ßünftter, nun jtdj) mit einem flehten,
eigentlich armfeligen ©efd&öpf lein bauernb oerbinbe,
bie er nur jefct, feine grauen fennenb, bie er*
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— 97 —
$abene ©<f)önf)eit bes 2Bc$feIfi unb bcr SReu&eit
nidfjt ad&tenb, für t>oD neunte, ©ie werbe immer
nur bas Keine 5ttäbdfjen bleiben, if>n aber werbe
bas 2Beib einfi lodfen unb ergreifen, bann fttinben
tym grofje flämpfe beuor, unb Seite, bie gleidfc
eitrige, werbe bann fd&on »erblüht fein, wenn
er in bas fdjönjie unb fräftigfte SftanneSalter
getreten.
3flit biefen unb ctynlid&en, anfdfjeinenb wohl-
gemeinten, in SBa^r^eit quälenben unb un*
geregten Vorwürfen, bie bie fjeudjlerifdje ©eilalt
Don SRatfd&Iägen annahmen, oerwirrte ftc ben
armen Sungen bis ju einem ungered&ten goxn.
©eine fd&led&te Saune fd&lug in unbegrünbete
2But um, fein Unbehagen fanb nun einen ©oben,
SBurjel ju fd&lagen. @r nafjm feine Siebe felbft
nid&t ernfl unb meinte faft, es fei nur feine
unbeflimmte ©ef)nfu$t nad& bem SBeibe, bie tfjn
%\x Seile geführt, als bem erften grauenmefen,
bas jterltd) feinen 2Beg getreust, ja oft meinte
er, burdf) ein lifttges, freoelfjaftes ©piel gefangen
worben ju fein.
©o fam er bann $u Seile, ©ie erriet es
gleidfj, wenn er fo mifjgeftimmt war. 2)ann
fprad) er md)ts, faute an feinem ©d&nurrbart,
unb wenn fie, um tyn aus feinem argen ©emüts*
juftanb herauszujagen, mit einem innern 23eben
leife ©d&erje oorbrad&te, brummte er meift irgenb
etwas Unoerftänblid&es, war aber fo hilflos, bafj
er tyr meift am ©df)luf$ bie Sieben ber Butter
Otto ©toe&I. «eile. 7
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— 98 —
eingeflanb, um fo feine eigenen gleiten Ste
fürdfjtungen ju beden. Unb fte läd&elte bann
immer überaus traurig unb meinte, fie gleite
if)n bod) gar ntd&t, gut, es fei alfo nur ein ©piel,
fte motte fortgeben, mann es if)m beliebe,
übrigens aud& mann es einmal itjr beliebe,
unb fte §alte tyn bod& von nid&ts unb niemanb
ab, nid&t einmal von ben fd&önften SBeibern. ®r
mödfjte nur bie SBelt erobern, tf)r mär 1 es maljrs
Ijaft lieb. 2)ann fa§ er mof)l feine äußerfie
£f)orf)eit unb feinen fläglid& unfelbflänbigen ©inn
ein, unb feine fiaune, fein 3om fölug in ebenfo
heftige £etbenf<$aft unb 3ärtli<$Eeit um, fei es,
baß er fein Unre<$t burdjj boppelte Siebe gut
mad&en ober feine 3roeifel ttberfüffen ober feine
©tetigfeitunb 93eflcmbig!eit fi<$ felbflbemetfenmoUte.
S)ann ergriff er fte mit einem faß rotlben
fiadfjeri unb Ijob fte $u ftd& empor, preßte fte an ftdj).
Unb langfam fa§ Seile etmas SReueS in ft<§
emporroad^fen, etmas, bas itjr furd&tbar unb
unerhört fd&len. ©ie fpürte feinen Körper ganj
an tyren gepreßt, fte mußte, baß er tyren
»ufen an feiner »ruft füllen mußte, fie füllte
if>r ganjes Siefen aufglühen unb fdfjauerte in
i&ren ©ebanfen oor biefer neuen Jßeibenfdfjaft,
bie fte ebenfomenig begriff als bef)errf<$te. 9ßur,
baß fie niemals fo gefüßt, ober an fold&e ßüffe
gebaut, mußte fte . . .
SBenn fte bann, oon fanfter SWtibtgfelt er=
füllt, nadf) £aufe fam, fd&licf) eine letfe, füße
DigiTize
- 99 -
£rauer über fie, unb in ©ebanfen erneute fte
oft bie Umarmungen, in benen fte geroefen.
2)ann füllte fte nodjmals biefe 3"6^nft feiner
ßüffe auf ityren Sippen, fie füllte biefe gan^e
neue ©lut bur<$ i&ren Seib emporfieigen unb
bas (Srröten tyrer feigen Sßangen. $ann mürbe
ftc ftd) roie burd) einen ©Breden ober burdj
einen tfaubti fremb unb tyres Äörpers benmf}t,
fie fpürte bie feine Iffiölbung tyrer SBruft unb
bie Stnien tyrer ©lieber. ®te ftleiber beengten
fte, unb mit feuftenber greube legte jie abenbs
bie engen, Ijodjgefdjloffenen ©eroänber ab, bis fte
frei mar. 2)ann füllte fie ftdj tyodjatmenb ru^ig
unb dauerte roieber oor bem gremben, SReuen,
bas fie fürchtete unb begehrte, meit fte es a^nte.
3u biefer 3 e ü/ e toa um & en $ebruar fjerum,
erhielt fte einmal am Sibenb folgenben furjen
»rief bes fträuteins 2Hündjreiter au« fttoa:
„Steine liebe, liebe Seile!
(Sbi §at ft$ tägli<$ vorgenommen, $fyntn
unb Hermann ju föreiben. (Srfl ging es ü)m
rounberbar, er mar fo frof). ©eit gefiern aber
ifi er ferner erlranft, §eute §at er bas Se=
mufjtfetn oerloren. S)ie $rjte färbten, ©eftern
Ijat er midj no<§ gebeten, 8« fdjreiben,
©ie vielmals ju grü&en. <5s Reifet, er $at
©efyirnläfjmung. 34 miH es no<$ nidjt
glauben. %fyxt alte greunbin
2Ründ)retter."
<5s traf Seile fur^tbar. 2Bie eine ©träfe,
7*
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— 100 —
bie an i^r aottjogen, war biefer SBrief. Sie
füllte eine bunlte <S4ulb, bie fie, intern (eisten,
unbef4merten SQBefen folgenb, auf ft4 gelaben,
als fte (Sbi gefügt unb bann ebenfo leidet uer*
laffen fcatte, als jie i&n an fidj gefc^Ioffen.
„34 eine $fft$t auf mi4 genommen,
als id> tl)n füjste. 34 mu&te es rotjfen, bafe
il)m bies me&r unb anbete« bebeute als mir;
lein ßtnberfpiel, fonbern bas 2lufgltif)en eine«
neuen fjeuerö. 9JUt ben glammen &abe t4 ge-
fptelt. Unb i4 f)abe bamals fold&e ©eljnfu4t
na4 Hüffen gehabt, üftadj ben feinen? 34 weife
es nl4t, aber mi4 anjuf4miegen, ju füffen unb
ni^t allein ju fein. $afe man bo4 nid}t lieben
fann, ofjne beliebten ! 2Baö roar er mir? (Sin
greunb? @r f)at fo I)übf4e8, blonbes, gef4eitelte$
&aar gehabt unb fo gute blaue Slugen, unb er
mar fo unerfahren. 34 i&n ba& Äüffen
lehren muffen unb nmfete es bod) felbft nid^t
red&t ©4led)t mar alles unb bo4 ni4*8
<5§h$it§, roas *4 modle. Slber ba es gef$ef)en
ift unb ba anberes gef4e&en ift, ift es mie eine
©ünbe geworben. 34 wi4 befledt. 34
bin ni4t rein . . . D, unb mann mirb bie unfelige
6efjnfu4t oerlöf4en. Söarum fann unb mitt
i4 ni4t allein fein, mar um mufe i4 lieben,
marum bin i4 geboren, um nie mir felbft ju
genügen? «Sollte es benn roaf>r fein, baß mir
ni4t leben fönnen, ofjne ju lieben. $)as fliege,
niemals ganj fein, niemals fi4 felbft Erfüllung
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- 101 —
I
imb ©lüd bebeuten, immer es in anberen fud&en.
Unb t<$ fü^r es, rote idj mtdj felbft oerberbe.
„$&ab f i<3& ben @bi geliebt? . . . 9tein, bloß bie
Siebe, bie Siebe fjabe tdfj geliebt, weil i<$ allein war,
unb weil meine 9Irme ein fiaupt begehrt haben,
es ju umfd)ließen, weil meine Sippen ftdj ju was
anberem gut bfinften, als $u fpredjen unb gu
effen. 2BaS $ab' idfj t>on U)m wollen? 3hn?
3hn? 9tein, weil er fo fanft, fo füll, fo be*
fdjeiben mar, habe id) ihn geliebt, weil idj badjte,
er fönne nie rauf) unb roh merben. 5Die SRuhe,
bie kläffe, bie ©titte, ben ^rieben . . .
„3<h bin jefet anbers als i<h mar, idj ^abe
mid) felbft verloren, aber i$ ^abe mi<h nidjt
miebergefunben, bas werbe idj wohl nie. 34
bin ja ganj fteuerlos, gang ohne 2flaß, tdfj ^abe
gar fein feto & an & ^ e 9 4 üor ™t r /
ade« ift eine Saune. %a, aber id) bin wieber
garnid)t launenhaft, benn bann wüßte idj Don
meinem SBitten. 2lber idj gehörte trieben,
von benen idj nichts unb nichts weiß . . . 2Bie
wenn einem falt ift unb man jtdj einfüllt, . .
ober wenn es glüht, bie SDede abwirft. ÜtfHr ift
es oft, als hätte ich mich entblößt. 211« fei idj
fdjamtoö unb f<hle<$t. Unb bo<$ bin ich es
wohl nicht.
„3efct aber liebe id) öermann. ©o §ab' ich
bodj gewußt, warum idj ben <5bi im ©ti<h ließ.
2lber ich fürchte, i<$ wußte es bo<h nicht. Sieb'
ich benn ben fcermann ober nur feine anbern
— 102 —
Äüffe ? <8r mad&t midf) ganj trunfen. 34 bin
mübe unb bo<$ rafenb. <£d ijl wie ein fdjjuettes
Saufen. 916er id& fdfjäme midf) . . . $enn tdj tf)ue
ntd&t, maß id& roitt. Sitte ©ebanfen gejjen oon
mir, nur ©lut ober grofl ift ba . . . 3n feinen
Umarmungen ift mir roo&t. Stile ©lieber {Ireden
ftd^ nadj ber Siebe wie nadf) ber ©onne. 9la§
Hermann. Unb bod& — tiieHeid^t liebe tdf) nidjt
tyn, fonbern bto& bie Siebe wie eine ©onne/
unter ber man wäd&ft unb blüf)t. 2Ba§ ift
Hermann? 34 füffe iljn eben blofi anberfi als
<5bi . . . 5lber idj füffe ifjn um ber Hüffe, nid&t
um feiner felbft mitten. Slber i<$ möd&te bod&
nid&t ieben ftijfen . . . 2lber fein ©eftdf)t ift fdfjön,
e$ §at einen männlidfjen Slusbrudt, aber erfdfjredft
mid& oft, roeit er fo wilb tfl @s ift mdf)ts
geineS, ©tittes in i&m. $a« war (Sbt ...
o, i<$ begehre, tdfj weifc nidjjt was, id& witt
lieben, id§ luetg nidfjt roie ... Unb in
einem finbe id& nie äße« . . . td& $abe ben <5bi
gefügt, bann famen anbere 3af)re$jelten über
midf)/ ber blaffe 3Rär& oerging, unb td& füffe ben
^ermann . . . Slber ob idf) einen anbern über-
haupt lieben tann, felbfl aufhören, weil id& er
geworben bin, weil i$ aufgegangen bin, oerfjaudfjt
wie ein £Kau<$ in ber Suft . . . £>a$ märe Siebe !
SXbcr idf) bin wof)l fdjamlos unb pflic^toergeffen,
bafe id) bamals ben <5bt gefü&t fcab', $eute ben
^ermann. ®en (Sbt f)ab' id& ja oerlaffen, be=
trogen. Unb er mar fo gut. ©o bin id& oon
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— 103 —
if)m weggegangen, wie man von einem Sahen
roegge^t, wo "tan dmaS nidfjt befommt, es roo
anbers }u fudjeri. (5s iß, als ob idj) §erum
ginge, wo befotnme id& bie fdfjönfte Siebe, bauerbar
unb fd&ön gefärbt, &übf<$ bunt möd&te tdf) fte
fjaben, unb fie fott nie aus ber ÜRobe fommen,
immer gut ju ©eftd^te flehen, im SBinter roarm,
im grüljling jart wie ein ©d&Ieter unb nid&t
Derblaffen ober jerreifeen ober fonftmle abgetragen
unb fdjäbig werben. Slber idfj befomme fie
nirgenbd. 3dfj trage nur bas unb jenes unb
bitbe mir ein, es ifi bie Siebe . . . 3)ie Siebe
aber ift rote bie 2öaf)rljeit im 3Härd&en. hinter
ben fieben SBergen. 3$ 9 e ^ m ^ Mc ^üge wunb,
idj) befd&mufce mir meine müben gü&e, tdf) oerliere
meine ©eele, td& gebe fie für baß bunte £üdf)letn
Siebe f)er, bas td) mir neunte, weil es mir
gerabe &u ©efidfjt fie^t, unb mein Äörper friert
ober erfiidft oor &ifce.
„®er arme <5bi, jefct mu& er fterben.
©erabe je&t ... wo er fo oiel gehofft, nodfj
alles erwartet. Unb gerabe na<$ metner Untreue . . .
2)aS mar bas erfte, was er fterben faf), barüber
mar er wof)t feljr traurig unb ging fetber weg . . .
SBielleid&t ift es gut. SteUeicfjt f)ätte jeber Sag
feine ©eljnfud&t gefönt, befdjmufct, otettetd&t
märe if)tn jeben £ag etroas meggeftorben. 3eßt
foll td& midj mofjl barüber tröften, ba& idf) tyn
betrogen fjabe. Unb icb bin bod^ nid)t gar fo
oerroorfen ober föled&t, aber jeber 2Bunfd&, jeber
— 104 —
2ftenfd&, iebcfi $tng $ätte i&n $eud(jlerifd& an
ftdfj gelodt, Don tym genommen, wa« efi gerabe
an i&m begehrte, i$n gefügt wie td& unb tyn
vertaten wie idjj.
„2lber wenn er feine Hoffnungen unb SBünfdfje
fjätte Serben feljen mtiffen, ba« wäre f)ä6lid&
unb arg gewefen. 2)er 2lrme, 2lrme mufj fterben,
gar fo frü& fterben . . ."
©ie meinte letfe in tyre Äiffen.
„2lber bem Hermann miH id& treu unb gut
bleiben. $)a« ift meine $ftid&t. ®r |at mldj
fo lieb." ©te füllte fi<§ eng umfd&loffen oon
feinen Ernten unb roilb gefügt, jie preßte tyre
weifee, ftraf)lenbe, nadte SBruft an t&n ... Sie
f erlief ein ... ©te träumte, fte wolle immer ben
©d)lag feine« Herjen« fd&lagen frören . . . Slber
fie Ijörte tyn nie. ©ie f)or<$te ... ©ie neigte
if)r Df)r über feine »ruft, fte fjörte e« nid&t . . .
<SnbU$! (SnbltdfM 9Gun Ijörte fte einen un=
ruhigen, wilben ©djlag . . . ©d&on freute fie
ftd&, ba& fte fein laute« Hers uemefjme . . . £)a
fpürte fie, baß es tyr eigene« war, ba« ftürmifdfj
f$lug unb bem feine« in ber SBelt antwortete . . .
Unter S^ränen erwarte fie . . .
*
2tm £age barauf fam bie ÜRadfjrid&t oon
@bi« £ob. dt würbe nadf) Htefcing jum
Begräbnis übergeführt. 3Rit feinem ©arg reifte
- 105
ba« gräulein 9ttünd&retter jurücf. Seile badete
unabläfftg an tf)tt. 3mmer mußte fte ftd^ jenen
Sag Dorfteilen, wo fie nom grüljling miteinanber
gefprodfjen Ratten, rote er o&ne $auer fei, unb
rote ber SItem iljn nid)t erfd&öpfen fönne, t&n
nid&t au«trinfen, unb ba« 2foge nid&t unb bie
©inne nid&t. Unb rote fie tf>n gelügt. 3)a«
roar poetifdjj, badjjte fie unb füllte ein bittere«
fiadfjeln ... ©ie $atte jum ßeid&enbegängm«
einen $ran§ befteHt unb ein fdjroaraes ßletb.
Sie roollte roenigftenö um ben @bi trauern,
als um ben verlorenen Watt, als um eine 3**t
beß grüfjltng«, bie fie nid)t auögetrunfen, beren
fanften Sltem fie nid&t erfd&öpft, roeil affjufrü^
bie fpätem Blumen gefommen roaren. 2Jton
braute i&r einen 5tranj, aus bunfeln Sorbeer*
blättern unb meißen Subarofen unb roetßen
9tor$iffen füllen Duftes . . . SJlan fammelte ftdf)
unten im Srauer&au« . . . £>ort ftonb fdfjon ber
(Sarg mit blauem ©ammet gebedt unb barin
roeiße ©terne eingeftfdt. Stau unb roeiß ifl
ia bie garbe für bie Äinber unb Unoermctylten.
£)te Präger flanben fdfjon fjerum, brennenbe
2Btnbü$ter in ben $änben. S)ann roar ba«
gräulein 2Ründfjretter ba unb bie paar anbern
Slnuerroaubten be« @bt, ganj f<$roar$, bie grauen
in bieten ©d&leiern unb fef)r gebeugt. 2luf ber
einen ©eite be« gimmett ftanben bie 9Mnner,
auf ber anbern bie grauen . . . @$ roar gan$
ftitt . . . 27ton f)örte nur $ier unb ba ba« leife
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1
— 106 —
Sdjluchjen einer SBeinenben, ober ben Schritt
eines Sfteuanfommenben. Slber e« war bod) tote
ein fltttea Murmeln im 3tmmer, toar, al«
ob ade bie üblichen $otengebanfen hinüber unb
herüber flatterten unb einer bem anbern jufltifiere,
ob er auch wirflich ihm ähnlich fef)e unb fein
93ruber fei. (£$ waren bie gewöhnlichen ©ebanfen
bei einem Seichenbegängnis.
SSBenn ftch fo otele 3flenf<hen bei einem Sarg
jufammenftnben, oereinigt fte ber £ote ju einer
eigentlich gebanfenlofen SWaffe. 2)er £ob einigt
Sebenbe, bie fonft fo mannigfach ftnb, wie ba*
Seben felbft. &ier werben fte ihrer Selbftfucht
eigentlich entlebigt, unb bie gleite Spfftdjt ber
Trauer läfet fie ftd) oergeffen unb blofe be§
gleichmachenben $obes benfen, ber einen oon
ihnen wegnahm. So tragen auch ih re ©ebanfen
eine fdjwarje, oertoanbte £radjt. 216er wie
hinter ben Kleibern bie ©eftalten oerfdjteben
ftnb, fo treten hinter ber 9Wobe ber Brauers
flimmung bie eigenften ©ebanfen h eroot • • •
(Ss ftnb eben ßebenbe . . . Unb oerfchieben auf
bas Seben gebaut. Sie fönnen ftch oom
Srbiföen nicht löfen. Vielleicht ift jeber fo
aufrichtig, einen Slugenbltd bes reinen Schmedes
ju empfinben, aber er fann ihn nicht fefthalten,
nicht einmal oor ber 33af)re, glei<h tönt anbere«
mit, unb bie ©ebanfen oerweben fid) unb fchtingen
gaben um gaben . . . weitab oon bem £ob, oon
bem fte ausgegangen, So leiten fte oom Sterben
DigilizQd_bdÜf)Ogle
- 107 —
hinüber &um Seben unb beffen fleinfien ©orgen.
©inet fielet bcn anbem. ©djon benft er an
ba* ©efidjt befi anbem, an beffen tafeln, an
beffen Seruf unb ©§arafter, an fein eigenes
SBefen, an fein ßleib, unb ob er gut ausfielt,
ober feine Sorgen fallen i&m ein, ifl er glüdlidj,
fo überftrömen freubige ©ebanlen bie Trauer,
ift er befümmert, fo oermedtfelt er ba* frembe
ßeib batb mit bem eigenen.
$ie grauen nahmen auf ben bereitfle^enben
©tü&len Sßlafe. Seile faß t>om gräulein SRündjreiter
entfernt, fie faf) fle ganj tiefgebeugt unb trofilo«
fx|en. 3^r mar alles weggenommen . . . Seite
füllte : <5bi ! (Sbt ! . . . Unb fo oft fie ben tarnen
füllte, fam bie ma&re unb aufrichtige Trauer marm
über fie . . . 2)er große ©$mer$, ber glücflidj
mad)t . . . Sie bebte . . . ©ie fpürte S^ränen.
3)ann mar fie glücflidj, fo innig ju meinen, fie
freute fid&, baß fie ben großen ©d&mer$ empfmbe.
©ie füllte immerfort: (SM! @bi! roie eine
^a^tigall fd)ludföenb auf einem Xon trillert . . .
2lber gleid) mar fie mieber eitel unb bewußt,
fidj üjrer 2tyränen, ja i^reö Seibes ju freuen.
(58 befreite fie md)t oon fi# felbfi, unb bieö
allein fonnte bod^ bie roabre Trauer fein, aber
bann müßte man roo^l faft felber fterben . . .
©ie falj auf ben ©arg ... ©ie batte tyren
ßranj gu anbern ßränjen gelegt. Salb bebedte
ein fdjöner &üget oon jkrf buftenöen Blumen
ben blauen ©ammet. ®er 3laud) ber äßad&slidjter,
I
— 108 —
ber fiarfe Dbem befi SBetyraud&e«, ben ein
■3Jttnifirant oon 3 e *t 3 e ^ * tt dner ©dfjale
ftfcmang unb f)reute / unb ber ©erudfj ber
SBlumen fd&welten rote ein ftarfer, bicfer, jä&er
©trom sufammen, unb bic Suft fd&ien bläultd& . . .
ob baö gräulein meinen ßranj bemerft &at, ob
fte midi) jte&t, badete Seite; unbewußt trat fte
ein wenig cor, um gefe^en ju werben, bann
ärgerte fie fidj nrieber, fotd^ed benfen ju fönnen . .
3)ann fitste fie ifjr £afd&entud) . . . 3&r war
fceifj im ftimmtx . . . Unb immer wieber jwang
fte ftdb, (5bi! ju benfen, um bem ©d&merj treu
bleiben, menigfien« in biefer ©tunbe.
$)te Minuten verrannen tangfam unb fd&mer
unb jät). gaft Ijielt f<$on bas ©djweigen nid&t
me&r an. 2Ran fcörte ein ©Marren ber $fi&e . . .
211« fei ba$ Seben felbfi ungebulbtg, fo lang bei
£ob unb £obe$gebanfen ju Derweilen. 9Jtan
wartete auf ben Sßriefter . . .
„3)af$ ber aber fo lange warten lä&t, was
er nur treibt."
£)ann betrad&tete Seile bie $rauergäfte . . .
3n ben ©eftd&tern lag orbentlidjj ber Slufibrutf
ber ©införmigfeit, etwas gezwungen ©tarre«,
wie ein ©$eintob, ju bem ftdf) alle zwangen, bie
am liebften laut gerebet Ratten . . .
„2Barum läßt man nidfot jeben taut feine
eigene Dual unb ©orge flogen, bann wäre ein
aufrichtiger ©d&merj bei 33egräbniffen," badete
Seile . . .
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- 109 —
SDrfiben fat) fte fiermann fielen. 2Ba* ber
mof>l badete. <£r tyatte geweint, ©ie fa§ bie
©pur ber 3$rftnen auf feinem ©eftd&t unb freute
ftd& barüber . . . gdft f)ätte fte geläd&elt. 216er
er $atte nidjt mel £)auer, ber ©d(jmer$, ein paar
2lugenblicfe tonnten Ujn mit fjunbert anbern ©es
bon!en umringen. 2ln roafi er jefct fann? ©ein
©efid&t mar ruljig, unbeweglich, wie von ©tein,
fo fltanb er, fdfjmarj gefleibet, ben ©ptinber in
ber fianb.
2Bie if>m biefer fiut paßt, id& fyaV tf)n nod&
nie im ßpltnber gefefjen . . . SBoran er jefet
benft . . . Db er mtdfj gelegen fyit SBiettetd&t
benft er, mann er mtdf) nad& bem Begräbnis
fte^t, mann er mich fügt ... D, efi ifl furchtbar,
furchtbar . . . $aö £eben . . . <5r hat mich
feinem greunb roeggefüfet. Sllles ifi fdfjroant . . .
2Bir finb t>eräd()ttich, wie baö ©ras, bas roir
treten . . . Unb bin ich benn ihm treu, wenn ich
mit häufigen ©ebanfen an meiner Siebe jmetfle,
wenn id) nur bereue, bafe ich ©bi um feinet*
mitten aufgegeben . . .
SDann mieber jmang fte ihre ©ebanfen jur
SRuhe unb badete: <5bi! @bi! wie man con
(Sind bis Rimbert jählt, um einjufchlafen in
machen SRäd^tcn, ober nrie man blofe auf ben
©ang ber Uhr ^ord^t, aber langfam, unerbittlich
tauten roieber bie ©ebanfen auf unb burdfc
freujen einanber unb verminen baö ©efü^t,
beffen &errfdf)aft man ftdh unterjochen mitt.
L
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— 110 —
Stenn fat) fte ftct) um. ©as 3^ mer roa *
gan& ausgeräumt. S)ie Xifdje waren fort, bas
älaoier. $ie Silber an ber 2Banb waren ge*
blieben unb ber große, altertümliche ©darauf mit
bem eingelegten $ol$, bie alten Reifen Porträts
waren mit glor behängt ... ©ie badjte, wie
fte wohl ausfähe. Db fte bla§ oon ihren
Xi)xämn, ober ob fte bas diot ihrer SBangen
oerriete, baß fie jung unb glücflid) fei unb blühe,
too ein Toter ba mar, ein oerwelfter, ein
blaffer, oor bem es jt<h nicht gieme, mit roten
SBangen unb ßebensgebanlen ju oerwetlen . . .
©nblich fam ber ^riefler. (Sin behäbiger,
gemütlicher alter $err mit wetfeem SJle&gewanb.
@S ging wie ein ©eufeen ber ©rlöfung burdj
bie Rethen ber Slnwefenben. üftun begann er
feine ©ebete lefen. 9Wit gleichförmiger,
gletchglltfger (Stimme lad er fte ab, etwa«
fingenb. ©er üJHntftrant antwortete, ©ajwifchen
hörte man bas ©djludföen ber grauen; tangfam
floffen bie latcinifd&cn gormein mit milbem,
weichlichem Ton, fo ohne ©<hmer$, fo ohne
JUage, nur fiiH-fromm unb ein wenig feierlich,
wegen ber grembheit, bloß bie anbere, unoer«
fiänbliche ©pradje machte bas Erhabene ber
Totenfeier aus, als werbe oon ben SDingen bes
bunfeln 3cnfcit« in bunfeln unbefannten 2Borten
gerebet . . .
S)ann brach man $um griebhof auf.
SDie Söhre würbe oorangetragen. 3h*
uigit
— 111 —
folgten bte SHänner, bic grauen. SRun artete
fdjon niemanb meljr auf baß große ßeib. SDte
frtfdje, falte, trodfene SBinterluft führte es weg;
bie Slugen Ratten roieber etwas ju feljen, ba
war jeber Saum am 2Beg, jeber 33egegnenbe,
jebes fiaus, an bem ber 3 u g vorüberging,
jeber Stritt felbfi bas £eben, bas ruhige,
bleibenbe fieben, baß ben £ob unb ben £oten
oergeffen mad&te.
$lm griebfjof mürbe nadj fur$em ©ebet ber
Sarg nerfenft . . . dluv als bte erjle ©<§olIe
nieberftel, judte ber ©<$mer$ in allen auf . . t
$as gräulein SHündjreiter ftanb oor bem ©rab,
unb jeber trat auf fte $u, f Rüttelte tfjr bie
&anb unb fprad) fein 33eileib aus. <3te flanb
roie eine Bettlerin cor einer $0fir, Sllmofen ju
empfangen. Unb jeber na^m mit 9Wü^e ein
ftnffcres Sfatltfc an unb bemühte ftdj um ein
paar fd^icfCtd^e frönen, um ftd) bann befreit
fortaufd&letd&en, ju feinem Seben, baö rutytg unb
gelaffen weiter trieb, oon feinem £ob aufs
gehalten in feinem ©ang.
■
* *
*
Seile f)ing feljr an ben Äüffen Hermanns,
an feinen milben Umarmungen, fte föntiegte fi$
an i&n roie an bas £eben felbft, bas fte nidjt
entbehren fonnte, roonad) fte jtd) unter großer
unb beftänbiger 2lngft bennodj feinte. Unb in
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— 112 —
aller Siebe toar fie bodj allein, unb biefes
f<hmer$lidje ©efü^t braute fte ju lelfcti, quälenben
3»cifc(n an bcr Siebe felbft, roie bie oom geben
entlauf djten Genfer an ber 2Bürbtgfett bes
SDafetnö oerjroeifeln. $ätte man ihr lädjelnb
getagt: 'Seile, eigentlich biß bu ein bummes,
fleines 9Häberl, ba$ fi* unoerftonben fühlt', fo
wäre fie befümmert getoefen, unb fie fam ftdj
unbanfbar gegen bafi Seben vor, bad ihr fooiel
$üffe unb Siebe entgegentrug unb bod> oon ihr
fdjmerjlid) unb feinbfelig empfunben nmrbe.
einige 2)idjter ^aben jenen £gpu« be* um
oerftanbenen SBeibes gefdjaffen unb ftnb faft
belächelt toorben, unb eigentlich ^aben fte eine
große, allgemeine, fcIbftocrPtänblic&c SBefenbeit
auf einen einzelnen gall angemenbet, wo er ftd*
gerabe geigte, unb oergaßen, baß alles unoer«
ftonben ift, bie 2Belt felbfl unb bie SWenfdjen,
einer bem anbern, Sttann unb SQßeib. Unoer*
ftanben bleibt eines bem anbern, unbegreiflich
roie frembe Sterne. &enn toas erfennt einer
an bem anbern, unb toas liebt er? Siebt ber
Sftann bes SBeibeö ganjeö SBefen, bie ganje
2Belt i^rer Seele, ober oielme^r nur eine
einzelne Sinie ihres Selbft, eine Erfüllung feines
^Bittens, fetner Segierbe! roas er an ihr fucht
unb ju finben hofft, feine Saune liebt er in ihr.
$ter eine 2lrt ju gehen, bort ben fanften
Schwung ber Schulter ober ber SBruft, einen
3ug ber Sippen ober ben ßlang ber SBorte unb
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— 113 —
beten ftlbernen fconfaff ober Ujr ßadfjeln, ober
einen fd&rägen, tauemben, Ujiigen ober oer=
^eigenben föliä, ober wie jxe offen unb oer-
tranenb tyn anfielt, ber ttjr geinb ifl. ®ieß
ober jenes liebt er an tyr, feine Siebe ift eine
SBiUfür unb SDeutung tyreß äBefenß, nid&t biefeß
felbß. ©o ifl jebeö in einer unenblid&en, un*
begrenzten, ununterbrod&enen (Sinfamfett. 3nbeß
aber anbere in ber &aft unb 9fa>t beß ßebenß
bie 2But nadjj ben liefen bes eigenen ©elbjt
oergeffen fönnen, ftnb bie meiften grauen burdj)
bie Neigung unb Slrt, burd& bie übliche Drbnung
immer mit ftdf) allein unb tyre ©ebanfen freifen
um baß eigene 3$. ©ie ftnb in ber SBelt
allein in einer munberooUen unb bro^enben
©infamfeit, <5ß iji, als ruhten i§re ficmbe im
©d&ojj, unb ab fdfjweifte tyr SBUd über eine
frembe @rbe weithin.
@o mar Seile ganj unb unrettbar in baß
eigene SBefen gebannt. Süuß jebem SBaum, auß
jebem Sing, auß jebem SDuft unb jeber garbe,
auß allem unb allem blicfte il)r baß bunfte
Sluge ber (Sinfamfett entgegen, grüf) muffte fte
um ftdfj, um tyren ftörper, um tyren SHicf, um
i^re irrenben (Sebanfen, um t^re Bewegungen
unb SRutje. Unb mie bie Körper oon 3üng*
lingen fidf) früt) in ber ©d&önf)ett angeftrengter
Bewegungen üben, fo mar if)re ©eete geübt in
ben rounberlid&en Bewegungen ber Betradfjtung,
beß ©innenß. <So weife fte nur felbfi um fidfj,
Otto ©toe&t. Seite. 8
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— 114 —
nur fte ffifjlt iljr ganges SBefen, unb tote fte von
allem abgetrennt unb fem ift, was um fte, bei
tyx tft. 216er fte empftnbet eine grofce gfurdjt
vox btefer ©infamleit, jie begehrt bas Seben,
tote fie ben freien 2ltem will, tyr ßörper will
ft<§ anfdjmiegen, tyr Körper will lieben, inbes
bie ©ebanfen, wie bunfle galter, weit ab in
anbere ©ärten irren. So ge^ord&te i$r ganges
Söefen bem Stafetn unb bem SMen &um Seben,
inbes t&re (Smpfinbüngen von anbern 2Btinf<$en
bewegt unb getragen waren, benen bie SBirf«
lidtfeit nie eine Erfüllung gewähren fonnte.
(Sigentlidj war fte woljl nid)ts weiter als ein
launenhaftes, flatternbes SBefen, bas 9Rärdjen=
Ijaftes com SBirllidjen begehrte, vom ©ewö&n*
lidjen bas SBunber. grity war if)r bie Se£n*
fudjt um bas SEBefen gelegt worben. S^re
erflen ftinberja^re fielen in bie ro <> tiß
SBater brausen an einem Keinen ©auernort non
Dberöfterret<$ Stationstwrftanb war. Sie lebten
bort in einem 33auernf)aufe, unter allen alten,
bäueriföen unb feltfamen Sitten. Slbenbs,
wenn bie Altern f<$on gu S3ett gegangen waren,
fdjltdj fte ft$ auf tyren fytyn, im bto&en
fiemblein hinunter in bie ©eftnbeftube, ju ben
$ne$ten unb Sflägben. Snmitten ber berb ge?
bielten Stube blatte eine trübe Öllampe. 2Ran
faß um einen t>tere<ftgen £if<$. SDie 3ttägbe
fpannen no<$. Sie nefeten nodj mit befeudjtetem
ginger ben gaben, inbes fte bie Spinbet
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— 115 —
breiten; bie Änedjte fdjnitten igotj ober banben
Seifer. S)o §ord)te fte auf bie grauen, fabet=
haften ©efdfjidjten, bie breit erhallt würben, ober
auf bie berben ober fdjauerlidjjen Sieber, bie ge*
fumtnt würben. SHetft fafe fte auf bem ©djofj
ber alten ÜDtorie, bie als Äödjin bem fleinen
Siebling immer ein fcäuflein Stopnen unb
ÜRanbeln vorbereitete, bafj es in ben grusligen
©Jauern bo<$ einen angenehmen %xo$ habe.
®a hörte fte gar SRannigfadjes. <5;S mürben
bie alten SWärdjen erjagt, fo ernjtyaft unb
gläubig, wie allbefannte 2Baf)rf)eiten. Seber war
fdjon einem Sßrinjen begegnet, ober einer fieje,
beren 2higen wie geuerräber waren, ober einer
gee, ober einem oeraauberten Sären, jeber §atte
fdf)on aus einem alten SBeibenbaum graue
gungfern (tagen gefehen, bie ftdj in ben -Webel«
felbern im Ston^ unb unter (Befangen wiegten.
2ta8wtfd)en famen bie berben Abenteuer be§
£ages, — unter ben SBunbero erfd)ienen fte
felbft grauenhaft ober wie 9Kärdjen, unter ihnen
bie gabeln wieber alltägli<$. (Sin Sftorb, in ber
■Wadjbarfd&aft begangen, würbe er^tt, ober bie
ßiebesabenteuer eines Surften, ober wie eine
arme SKagb oerftihrt worben unb fdjwanger,
bann ftdj oerlaffen fah unb in ben (Sumpf
ging, fte modjte als traurige« Srrlidjt weiter*
leben. 2)tes alles ^ötte Seile unb fah es mit
ftaunenben, jtnnenben Slugen unb bereitete allem
wunberbare garben. Unb fte fah bas ©djerjen
8*
— 116 —
ber Anette mit ben SJtögben, wie einer bie
anbete umfafjte, ü)r einen ßu§ raubte/ ober bie
SBrufi fudjte, ober unter bem Xifä ben güfjen
ber SMrne begegnete* $as alles fafj fte,
ftnblid) mufjte fte oon allem nidjts, aber fpäter
befann fte ftdj auf alleß, jeber Heinfie 3«8 trat
oor fte unb fagte i&r oieteß. So mar in tyrem
SBerftanbe ßeben unb $raum ineinanber gemirft
unb untrennbar, fo na&m fte baa eigene 3)afein
mie eine 3Rär<$enmtrfttdjfett, in ber fte nattirlidj
unb bodj in träumen manbette. So lam ba«
grofie, ftnbifdje Abenteuer tyre« Sebenfi über fte,
unb fte genofj es mie ein 2ttärdien unb bodj oott
iQual, mie einen ferneren £raum, benn fte mar
felbft fjineinoerfirtdt, unb inbes fxe fonfi tetfe
nefjmenb, bod) ni<$t beteiligt, &ugefef)en, fknb fte
nun inmitten unb alle* fjatte SSejiefjung $u tyr,
unb jeber ßuß mar ein Sttid Sdjttffat. So
^atte fte greube am Abenteuer unb Slngfl. Cfi
mar, als empftnbe fte ein lebhaftes SRärdjen,
aber als litte fte an ber SRot unb Oua(, es
felber burdfouleben . . . So mudjs affmäfjlidj ber
grttpng §eran, 3^ 3Wära mad&te fte einmal
an einem Sonntag mit Hermann einen großen
Ausflug. Sie fuhren mit ber SBefibafjn bis
Sßutfersborf, oon ba moUten fte $ur 'Saunjen*,
einem Heilten SBatbgafiljaus.
Sie gingen ben 2Balbmeg burdj ba« fdjmale
Styal, baö bei jeber Krümmung im 3lnbli4
mecfjfette. ®ie Sonne Ijatte baö mtlbe SRot bes
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— 117 —
erften grüfjlinga, fdjon ^atte jte ben Wittag
weit überfdjritten, bcr ganje SBejien Ijatte Hjren
purpurnen ©<$ein, über bem ©Reitet war ber
Gimmel ftral)lenb weife, o$ne SBolfe, gegen
Dften von letfem, jartem ©lau. SHc Serge
waren ganj f^arf unb flar, bte Stuten ber no<$
unbelaubten Stämme rateten ftd) ftorr auf unb
föienen bläultd) überf)audfjt, in ber gerne
in blauen, garten Mügeln ju Derfdjwtmmen.
©te gingen burdj bas junge £olj. $)ur<$ einen
©udjenwalb. 9tod) mar fein ©tamm belaubt.
üRur l)ier unb ba famen jie an einem Äornek
firfdjbaum vorüber, ber mit feinen garten, gelben
Slütenbüfdjeln gan$ bebedt mar. 3)ie ©tämme
aber waren ganj fteif unb nadt, jte flimmerten
alle oon ber ©onne unb leudjteten faft purpurn
von bem jungen ©aft, beffen Greifen man ju
fe|en glaubte, unb wie er in ben Stflen in bie
feinen Änötd&en ber ©lätterfnofpen feucht aus*
brad). ©ie gingen auf bem alten Saub, bad
grau unb rei<$ ben ©oben bebedte. &ier unb ba
erföien im ©idi<$t ein ©tern einer frühen
SBlfite, Äüdjenfdjellen mit ben paarigen fteldjen,
ober Seberblumen ober ein gelbes SReji von
Primeln.
©te* gingen feiertidj. %foxt ©dritte waren
lei<$t, wunberbar getragen burdj bie frifdje unb
bo<$ fdjon burdjwarmte Suft ber freien gelber
unb fiö^en. ©& war ber Sinbrucb eines frönen
3Wonats, jte lebten ben erjien geling in i&rer
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— 118 —
Siebe . . . @§ xoax litten Ijeute ein gfefi . . .
3ebet Stuft fdjien üReues, SBerDetfjenbes gu be*
beuten . . . Seile fd&mlegte ft$ in fiermannö
9lrm, unb wenn (ie $ier unb ba fielen blieben
unb er fte anfa$, meinte fte in feinem ©Iii ein
tiefere« Seudjten ju fe^en unb in ft<$ felbfi
anbere 2ll)nungen emporfteigen. Umfdjlofc er fte
bann, fo füllte fte feinen gan&en Äörper bt$t
an iljrem . . .
Utadj 5toei SBegflunben etwa waren fte
bort. 3Kan fonnte fd&on im freien ftfeen. So
befieHten fte Up Sffen unb flauten über ben
roalbtgen ßeffel, in bem bas ©aftfjaus lag, über
bie buttfein, flauen $öl)en in ber ÜRcUje unb bis ju
ben fernen, blauen Mügeln weithin, unb über
bie 2Biefe, bie aufzugrünen begann. @s
fdfjon einige Seute brausen. (Sin paar junge
äRäbdjen fd&on in listen grüt)ia§rsftett>ern unb
fiüten unb junge Männer in fdjtoarjem @onntags=
anjug, ein paar behäbige rau^enbe Bürger unb
ein paar feierltdfj ungefc^icft ange&ogene ÜJHttter
mit Meinen, oor SEBonne fretfdjenben fttnbern,
bie fidj herumbalgten unb tollten.
3m ©artenfalon fpiette ein ßlatrierfpieler
jum £anj auf, unb man faf> einige Sßaare
fid) fangen, !)ier unb ba ging eine« ber
3Wäbd)en hinein auf einen SBalser, ein anbere«
fam mit t>o$geröteten SBangen unb heftig atmenb,
gtüdflra^tenb am Sinn üjres £änjer$, ober
allein heraus.
— 119 —
„Seile, magfl bu audj tan&en?"
<5rfi verneinte jie, fte traute fidj bo<$ nid^t
te<$t . . . $ann faf) fie eifriger t)in.
So war es f$on über fedjs U$r geworben.
Sie Sonne flanb fdjon $art an ben wefitidjen
Sergen, unb ber Gimmel bunfelte fdjon mit
ftörferem Stau, ja bie freie SRonbfidjet, bie
früher gan& blafi oben geflanben trotte, wanbelte
fdfjon fetter. @nblid) führte fcermann Seite in
ba$ ©artentjauS. Sie tegte bie %<xdt ab. Sie
trug eine tiefte Somtnerbtoufe au* gelber Seibe,
am £atö offen mit einem Spifcenfragen, fie
legte audf> ben fiut ab. Sangfam fdjmtegte fie
fid) in Hermanns 2lrm. 5Der ftlaoterfpteler
begann bie 4 S)onaumeften', biefen fonberbaren,
traurigen unb wottüfiig müben SBaljer, ber
bennodj einer wehmütigen, wiegenben Sebenatufi
oott ifi, bie fid) in ben leftten abenbtidjen
SCänjen wiegt, e^e bie Sonne fiirbt, ben 23e<$er
ber greube mit traurigem Sädjetn bis auf ben
lefeten £ropfen fätürft, fo lang nodj ber SBein
glfi&t, bie greube liebt, fo lang fte nodj brennt.
Unb alles unter einem fanften, wiegenben,
gewellten, ljutfteömenben gluß ber STöne, wie
Stromwogen im Stlberfd&ein ber bleiben SHonb*
nä$te. <£ö tfi etwa« unenbtid) retjenbes in
biefem SBaljer . . .
Seite begann erft ganj langfam ftdj $u
wiegen, fie fefcte erft wie prüfenb i&re güfee,
als trete fte auf fpröbes @is, l&ermann umfaßte
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— 120 —
fte crft tofe, bann fölang er attmäl)U<$ feinen
2lrm fejier um fte, bie anbete $anb, bie ttjte
redjte f)ielt, flredte er weit aus, na<$ altoätertfd&er
3Irt, um fo redjt ftdj ju wiegen, ©o matten
fte erft eine langfame, feterli$e 9*unbe, bann
muffen fte oertrauter jufammen, üjre Sltde,
bie erfl einanber nidjt Begegnet/ taudjten nun
tief tnetnanber, unb ernft, o§ne Säbeln, fafl
fdjmerjlidj füg fingen fte einer im 2Irm bes
anbern, ein Körper an bem bes anbern, unb
©ebanfe an ©ebanfe . . . Slllmäfjttd) würbe iljnen
warm unb fröt)ltdj/ jugleidj nafjm bas Xempo
bes Älaoierfptelers ju, fo tanjten fte, Slug*
unabläfftg in 2fog', eng umfdjloffen. ©o fc&webten
fte. ©ie mürben eins . . . ©ie fpürten bie
(Blut in üjren 2Bangen emporsteigen, bas gfeuer
in iljre Slugen, wie ein ftorfer SBein mar ifjnen
ber illang, ©o fdtfenen fte ju eins jufammen-
&ufireben im &an$ unb jugleidj oon ber (Srbe
meg in fdjwebenben ©ebarben, als würfen tynen
glügel. ©o atmete ifjr Körper tjeife unb bod)
frei/ fo fdjwoll bie ©e&nfudjt mit biefen
wogenben Älängen unb wud&s, inbeö fte
aneinanber fingen unb eins waren, ber £an&
festen alles ju erfüllen unb alles ju erweefen.
3fte£rmals wollte ber ftlaoierfpieler fdjltefjen,
aber fte tanjten immer weiter, fo baß er immer
wieber von t>om begann. Seiles ßopf §tng
nun lädjelnb an Hermanns ©djulter, ein wenig
gurfidgebogen, bie Soden gitterten im %ani um
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— 121 —
itpe ©djtäfen, unb i$re SBangen waren roftg f
bie Sippen teife geöffnet bie weißen 3ä§ ne
leu<$teten l)en>or. ©o lag fte wehrlos unb
Eingegeben in ben 2trmen Hermanns.
3t)r war 'es, ate fdjwebe fte tid&t unb
^üllentoS/ von aller (Srbengeftalt befreit unb
bennodj ooH Suft bes Körpers aufwärt«,
aufwärts . . .
(Snblidj glitten fte atemlos von einanber . . .
äCIIe anbern Sßaare waren fdjon fortgegangen.
2lud) fte brauen auf ... 3^nen war fdjwül.
Seite jog il)re %ade 9<** nid^t me§r an. ©o
lamen fte ben 2Beg jurüd, ber nun im gellen
©djetn bes 9Jtonbe$ unb ber ©terne tag, mit
fdjwars&lau fd)immernben £öf)en.
9tod& fdjienen itjre güfec ju fdjweben, no<$
tag tynen ber $an$ in allen ©liebem . . .
ÜRun umfaßte fte ^ermann wie beim £anj,
er umfdjtoß fte, als wolle fein ganjer Äörper
ben tyren umfüllen . . . ©eine fiänbe umfaßten
üjren Setb, bann finden fte mit bunfter,
wittenlofer ©ebärbe ben ganzen, fdjlanfen Äörper
entlang . . . $ann ftreidjelten fte bas gfüfjenbe
©eftdjt, beffen buntte Slugen brannten. Unb
feine Sippen lüßten tyr £aar, irrten über it)re
©tirne, über tyre 2tugen, über i^re judenben
Sippen, über i^ren fiate . . . $fyxtn üRaden, ber
ein wenig frei war, fiißte er mit rafenben
Ätiffen, unb feine £änbe umfdjtoffen fte fefi,
unb tiebfofenb fugten fie ben fials .... S)a
— 122 -
färaf Seile wie unter einem SBlife. ©in wilbes
©djlud) gen bradj unb bebte bur$ tyren ganzen
ßörper, fic war ganj burd&f<$üttelt unb gepettföt
von biefem ©$mera.
Unb ^ermann felbfl weinte iaudfoenb unb
fügte fie. ©ie ging {HU unb wortlos, gefenften
Hauptes weiter neben üjm. <5rfi als fie fdjon
fafi in ^ßurfersborf angelangt waren, blieb
Hermann fielen, unb als er bittenb bie »rme
ausbreitete, lieg ft$ Seile füffem Um Upen
3Wunb fdj webte ein irres, Wmer§li^es Säbeln,
unb bie Slugen brannten unter feuc&tem
Stimmer*
Slber fie fprad) fein SBort meljr an biefem
Slbenb, unb t)on »erhaltenen Spänen bebten
i^re Slugenliber unb Sippen, wie im ©djmer&
um ein ©efiorbenes.
*
Seile füllte ftdj oon ienem £age Hermann
entfrembet unb bodj meljr an il)n gezwungen als
je üortjer. (Ss war tljr, als §abe er üjr ganzes
2Befen gefpürt, an bas ^uerfie tycer ©eele
gegriffen, fo $atte fte bisher neben tym §er ge*
lebt unb ein ganges SReidj für fidj gepflegt unb
wrfdjloffen, nun flammte feine SBegierbe hinein
unb bro^te tljr. %a, fie felbft war ftd) fremb
gewefen, nun leuchtete ein grelles, brennenbes
Sidjt in alles. 9H$tS fonnte in blaffen, leifen
träumen bleiben, ntä)t§ fonnte »erfüllen
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123
unb verbergen. @s gab nidjts, wofür m<$t bie
gemeinen SBotte in tyre Ctyren unb in Upen
Serflanb träufelten, wie ©tft. Unb wteber
tonnte fte ftdj uon ifpn nidjt täfen, au« ©djam,
weil er um fte wüfjte. SRun erlannte fte i§re
Söegierbe, bie fte an ifjn trieb, mo fte &ugteid)
voU Slngfi unb ©ntfefeen barüber mar, baß btefes
neue, furd&tbare Seben ber flörper begann unb
in tynen beiben mitb auflebte, ©ie fa& leine
Rettung oor fidj fetbft ©ie mod&te entfliegen,
aber U)re gü&e wollten fte nidjt tragen, if)re
©djam, tyre 2tngft riefen ü)r: gel), ge&! aber
i|r SBiUe folgte nidjt. 3&te Sippen lonnten bie
Hüffe ni$t entbehren, il)r ganzes SGBefen feinte
ft$ na<$ biefen bro^enben Umarmungen, bie es
für$tete unb wollte. 9hm mufjte fte, was if)r
immer feinbti^, fremb an ^ermann gewefen, ja,
bie« §atte fte oeradjtet, biefe Sippen, bie im
Äufc fi<$ fo feft an tyre faugten, biefen feinen
Sßerftonb, ber ni<j()t t&re ©ebanfen fammette unb
emporftttyrte, f onbern betäubte ; er fpradj gu tyrem
jungen, bege^renben ßörper, tyre ©eele ging i^n
freiließ ni<$ts an. ©o füllte fte ftdj oerberbt,
wie oon einem Abel befallen, bem fte ni$t ent*
rinnen fonnte, unb bie reinen, geifiigen Gräfte
waren tyr entfrembet unb alle nur ben bunfeln
trieben untergeorbnet. ©ie fa$ ftdj bis auf
ben ©runb. <5s mar wie ein gefrorener ©ee.
3ftan ftetyt bie Ware gflädje unb barunter breiten
fidj bunfte, oerwirrte ©efledjte oon Etgert unb
- 124 —
fölammigem £ang aus unb trüben bas fefie
§8lau bes @lfes ... 60 rou<$§ bas ©roljenbe
in ü)r empor. 2U>er fte fcatte feine Äraft ju
3orn unb SBiberftanb, feine ©tärfe pr 2But,
feine (Snergie, ftd) loszureißen, benn alles war
bo$ ein füger, liebltdjer, bebenber Zäumet» alles
bodj ein fcSmeic^tertfc^er $et$. ©te jürnte jebem
©lieb il>re§ Körpers, unb bodj liebte fte es, fte
fpürte bie 2BaHung i^rer garten SBruft unb beren
rofig aufblü^enbe ßnofpen in ben ©ebanfen ber
Siebe, unb wieber $ätte fie ben trauemben grauen
gleid) tyren Sufen mit wllben ©dalägen fdtfagen
mögen, als fei er fdjulb an bem Ijeraufbunfetnben
SBerberben, bas üjr bie 2Belt unb bie eigene
Älarljeit trübte.
Unb nun liebte fie Hermann garnidjt meljr.
SBentgfiens oft f<$ten es i§r fo. ®enn fte fannte
üjn ju gut. (Sr mar nidjt mel)r über tyr, nein,
fie fonnte ruljtg auf tyn $inabfel)en . . .
2lber fie fonnte twn iljm ni<$t me&r laffen. @r
war mit tljrem SQSefen oerbunben, es mar mie
eine att^u flolje ©d&am, mer um tyren Äörper
au$ nur in einem 9lugenbli<f gemufjt, burfte
nidjt oon tyr, als fönne er fie oerraten,
©eine ßüfjnfjett mar fein Sftedjjt geworben. Unb
fte fürdjtete ftdj nun oor ber Siebe ... Sie
wollte md&t me&r lieben, benn foHte fte no$
einmal bies erleben — — ©0 bebte tyre
3Häb$entjaftigfeit unb fämpfte. Dft fagte fte
ft$ : i$ liebe i&n ja nic^t me§r, warum fage
— 125 —
td) es tym nid)t, warum fdjreibe id) es üjm
ntdjt, warum oerlaffe tdj tyn ni<$t. SDaoor
graute it)r aber. 3$r graute baoor, allein ju
fein . . . 3§t Äörper o^ne Umarmungen, i&re
Sippen o^ne ^üffe, niemanb, her ju i&r fpradj,
niemand an ben fte ftd) fdjmiegen tonnte, Sie
fyätte bies oft ^ermann fagen mögen, bann fdjten
er i$r aber wieber fo unfdjulbig, wie er ladfjelnb,
freubig neben Up Berging, ttebenb unb im
feften ©tauben an iljre Siebe. 2Bas ^atte er
i§r benn gar getyan. @r §atte fie begehrt.
3a, woju war fte benn ba? SB05U befHmmt?
23lo§ um in tyren Traumen ju fabeln? @r
war i^r geinb. 3*6* faf) fte bie fonberbare
©eföidfjte biefes 3a$reS, wie alles ein ßampf
war. Sie $atte Iä<$elnb wiberfirebt, ganj un*
bewufct, langfam waren tyre Sinne aufgewacht
unb fkedten ftd) empor, um if)re Seele 31t be*
zwingen. 3)er geinb in tyr felbft war erwedt
worben unb mit ^ermann oerbünbet. @S gab
leine Rettung. Unb fort von allem. 3a, fort!
wenn fein ©ebanfe baoon weg fonnte, wenn fte
gana gefeffelt war an biefes Stafein, an btefes
©enfen, bies S3ege^ren, bies bumpfe 2Ifjnen unb
SSBoUen !
3)ann fam wieber bie ftblaffe (Snttäufdjung.
$as alfo war bas SBunberbare, bie« war bie
Siebe, bas ©lüd . ♦ . Wun falj fte, ba& alles
ein blinber Sufatt ifc SDafc ber gufatt bie
SBefen aneinanberfityrt, entflammt, if)re Seiben^
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— 126 —
föaften entfettet alle tyre guten unb Reifem
Äräfte entbinbet, eins beut anbern jutreibt, bis
ein« fidj vom anbern enttäufdjt unb traurig
wegwenbet. germann aber ging neben tyr unb
falj ntdfjts, er fpürte ifjren Hüffen nid)ts an,
otelmetyr freute er ftdj, ba& ße, willig (eine
Setbenfdjaft ertragenb, fie ju teilen föien.
@s war im 3uni. Öermann wollte mit
feinen greunben eine Vergnügungsfahrt untere
nehmen, irgenb einen luftigen Slusflug. 2tu<§
Seile freute fi$ barauf. 3Wan befdjlofj alfo,
am nädjjien (Samstag ft$ beim granj SofeptyS*
lanb ju treffen, $u einer Stafjnfaljrt. 5Denn bieg
mar ja in ber ©tabt bas liübfdjefte unb feltenfle
Vergnügen.
3ur fefigefefcten ©tunbe erföien Seile mit
iljrer ©djroefler unb ^ermann an ber SReid^s-
brüde, balb fanb ftd) au<$ ©tepfjanie ein unb
SEBitti unb mit itjm nodj 'ber ©panier/ ein
junger 3urifi, ber nebenbei Sitteratur trieb unb
©ebidjte madjte unb jt<$ auf fein fpanifdjes
©efidjt ä la van Dyck etwas etnbilbete, weil er
ein rotes ©ptfcbärtlein trug unb mit einer ge*
wiffen langweiligen 2lrt ein btf$en gewagte
2Btfce madjte. SBitti §atte oorforglidj für Siet
unb Söein geforgt. ©onft $atte jebes etwas
jum (Sffen mttgebradjt, man wollte gegen 2lbenb
lanben unb ein ptfnid oeranftolten. $er
©panier war ber einzige ftrembe in ber (Se*
feflfd&aft, barum Ijatte er jum (Sffen nt$ts
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I
— 127 —
mitbringen tnüffen, er Ijatte nur eine grofie 3)üte
SBonbons unb brei wunberfööne SRofen, eine
wetfje, eine gelbe, eine rote. Seile befam bie
purpurne, bie blonbe Stephanie bie gelbe unb
Marianne, ober wie alle fte riefen, bie
wet&e. S)er ©panier würbe SRifci jugetetlt,
inbes ft$ SBißi um (Stephanie, ©ermann um
Seile bemühte. 2lfles mar in ftrtifjtingsfteibern,
bie 3Häb$en trugen teilte, $eüe Sloufen, Seile
eine aus rofa ©eibe mit einer trtelgefältelten
Traufe um ben ©als, M%i eine ltdjte, wei&e
mit brei galten — biefe ftraf)tenbe ©eibe ftonb
gut tum nad)tbunfe(n ©aar, — unb ©tep^anie
trug eine rote. S)er ©panier mar befonbers
elegant; englifäes 9tober$emb, furje©ofen, Seber*
gamafdjen, eine blaue, geftridte 3Ratrofenmüfee.
©ermann mar in feinem gemöfjnltdjen, netten,
aber unfeinen Slnjug, SGBtltt trug feinen braunen
unb faf) fe^r traurig au«, ©tepfcanie fümmerte
ft<$ wenig um üjn.
$>as Soot fianb f$on bereit. S)ie jwei, ber
©panier unb SBilli, foüten rubem, ©ermann, ber
fid) wegen feiner ©timme nidjt anflrengen burfte,
jfcuew. ©tep^anie fa§ am ©ptfc, bie beiben
©djweflern auf ber üttittelbanf. Unter fjeiterm
Sa$en fitefe man bas SBoot ab. ©ie fuhren
burd) bas Uferbidftd&t, eine Söeile ging es mül).
fam burdjs SBeibengebüfdj, bis fte enblid) im
freien 2lrm ber 2)onau waren. $)er ©immel
Prallte. SBett&in falj man ba§ Rafjlengebirge,
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— 128 —
tum ber ©tabt nur ein paar na§e 3&8 e «
trüber bas ©rau ber bumpfen 2ltmofpl)äre,
über ben ©d&eitcln aber bie fceiterfie Suft. S)a$
SBaffer felbfl flirrte in ber ©onne, es warf unb
löfie fid) in föimmemben ßreifen, es war tum
weitem roftg anjufefjen, um bas $8oot fpielte es
grün, ganj weit glänzte es wie ©Uber, unb
trofebem alle wufjten, bafj fie in einem toten
2lrm fuhren, Ratten fte bo$ ben (Smbrui ber
(5rl)aben§ett, wie von einem ©ee, fo ruljig war
es unb weit. ©te Ufer waren btdjt umbufdjt.
9Röoen Ijoben ftdj aus ben Uferfäumen. ©ie
flogen fjodf) hinauf/ bann fireiften fie wieber
faft bie %lut . . . ©as SBoot ging gelaffen burdj
bas SBaffer, neben ben plätfdjemben SBeHen
unb bem |ellflen ©elädjter ber brei 9Äctb<$en,
bie einanber bie SBaffertropfen ins ©eftdjt
fprifcten unb jubelten, fiier oerga§ Seite all
tyren Kummer . . . %UQtrit> ! . . . SBo war Ujr
©djmerj? Unb wenn ^ermann fie, ftolj auf
i&re ©#ön$eit, freubig anblidte, liebte fie iljn
wieber, wie fonft.
ffiiOi ruberte füll. <5r füllte unenbtW&e,
fd&önc ©ebanfen auffteigen unb ftd) in feiner
©eete ju Silbern unb ©eflatten formen. @r
ba<$te an bas ©gmnaftum unb an Horner, an
bie fd&öngeborbeten ©d&iffe be§ Dbpffeus, an bie
üfttjmplje, bie t§n im ©türm errettet, an bie
■Warnen bes leeres, bas weinfarbene, bas pur-
purne, bas buftfdjimmetnbe, bas broI)enbe, bas
— 129 —
glatte ... Sin alle ^Bewegungen unb SBunber
badjte er unb an bte rubernben ©riedjen. Sin
bie 3Hön>en, bie über ben Sdjiffen fliegen. Unb
er fah bie brei 9fläbd)en, ftraljlenb, bie blühen*
ben Stofen an ber »ruft, tyr ©elädjter flog
auf, wie Äetten von Sögeln aus bem @e--
büf$.
3Hifci, Seile, Steffi.
<£r liebte Steffi. 2Bie lfjr $aar golben in
ber Sonne glän&te. Sie mod&te ihn nicht . . .
Oft Ijafcte er fie unb empfanb eine grenjentofe
SBut über fte, weil fte mit einer folgen rohen
S)reiftigfeit unb ohne alle Umfd&roeife ihm immer
nrteberfjotte : 3<h mag bt<h mdjt. $enno<h ging
fte mit tym, weil fte ft<h gern unterhielt; fte
lieg ftdj in« Sweater führen, ober in ©efellfäaft,
aber bann nahm fte ganj gelaffen Slbfdjieb, unb
er brauchte nicht einmal ju fragen, ber Stic!
f$on fagte: i<h mag bi$ immer nicht. Unb
Seile fafe ftfH, in ftdj x>erfunfen ba. 3h re Slugen
blidten in* SBeite unb fahen bodj nicht«, fte
fahen in fi<h hinein. 3hr 9Runb mar ju tiefem
Sltem ^alb geöffnet. 3h r & aar / — P e trug
ben Stro^ut auf ihrem Schoß, — flatterte ein
buchen im SBinb . . .
Unb Hermann rebete, unb ber Spanier taufd&te
SBtfce mit ihm unb Steffi unb SKifei.
Seile fah &u SBiHi hinüber . . . @r mar
blaß unb traurigen. Unb mieber (am ihr <5bt
in ben Sinn . . . „®er ift mir meggeflorben,
Otto ©toefcl. 2 eile. 9
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— 130
ber mar anbers §u mir, ben fyaV aber i$ nid)t
Heb gehabt*
Sie befann fLd&, wie Stephanie 2BiHi be*
l)anbelte, unb ein grenzenlos trauriges (Befüljl
ber 8<$ulb flieg in i$r auf um ben armen ©bi.
^ermann aber ladete gutmütig ju ttjr ^er-
über: „2Bas p$Uofopl)terfl bu benn wieber,
ftleine?" . . .
(Snblidj lanbete man in einer 23u<$t, gerabe
ber untergefjenben ©onne gegenüber unter breit*
fdjattenben <£rten.
$ie 9Wäb$en fprangen ans Sanb. ÜJlan
banb baS Soot fefi unb braute ben ganzen
3Jtonboorrat ans Sanb. $)ie brei 3ttäbd)en
richteten nun alles fjer. (Sin mitgebradjtes £ifdfc
tu<$ mürbe ausgebreitet. Stuf einem Zeller
mürbe bas falte §teifdj) ausgelegt, in einer
runben ©<$adjtel mar eine Sorte. S)ann gro&e
(Srbbeeren in einer 2)üte, bann ßäfe unb Sutter
in großen 2Beinblättern, bann golbener 2Beln,
ben man in Heine ©täfer fdjenfte.
„(Stner mu& raupen megen ber 3Wüden ..."
meinte Hermann.
„3a, metnetroegen," fagte ber ©panier,
„aber i$ $abe junger, alfo merbe idj beibes
gleidfoeitig abgalten.'' <£r jünbete feine englifd&e
fiol&pfeife an unb afe bajmtfd^en ©djinfen,
Butterbrot, Söurfi. „SDann merbe idj mt<$ er*
l)olen an einer 3fgarre meines SBaterlanbes, an
einer edjten $uerto=9tfco . . ."
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„Sie foflet ncmtlidj 3 1 /, ßreujer, . . er*
gätijte ©ermann.
•äftan afj tapfer, man wehrte ben 2Wü<fen,
man tranf, fogar SBrtiberfdjaft, man fd&erjte.
SDie brei 2Wäb<$en Iahten unb jwitfdjerten wie
luftige Sögel . ... Unb ©ermann mar wieber in
berber, guter Saune. <Sr bemühte jtdj befonbers
um Stephanie, bie U)tn fdjön tfcat, benn er fa§
fiatttt<$ aus ... SBitti mar ein wenig traurig,
aber ru&ig, bemüht, fetter ju fein mit ben
anbern. Etarum fpradj Seite mit tym . . . lUe
füllten jtd) aber unfägli$ wo§t, es lag über
tynen ein golbenfd&immernber ©immel, eine
abenbtidj milbe Suft, unb ber ©lanj brang
tynen ins tieffie SBefen, unb wunfölos freubig
fügten fie ftdj . . . ©ie gingen am Uferweg
auf unb nieber.
Einmal fam ©ermann ju Seile unb ging
ein wenig 3trm in 2lrm mit i^r. Sil« er {te
filmte, füllte ftc 2$ränen aufzeigen, unb bo$
war jie glüdlid), fie liebte if)n wieber . . .
Sann ging ber 3ftonb auf.
<ß(ö6li$ fagte Seite *u SEBitti : „%a%Ttn wir
no$ ein big^en allein Ijerum." Unb efje bie
anbern etwas merften, Ratten jte bas ©<$ifflein
losgebunben unb fuhren hinaus . . . üftun war
bas 2Baffer btaufdjimmemb. SDic ©onne war
untergegangen. -Hur ein glfifjes 9tot fianb
me&r brttben, im Dflen war fdjon ber SRonb
§eraufgefommen. $)as SBaffer lag flttt ba,
— 132 —
mie @ta$t f<$tmmernb ... @a gludfle um bie
Stüter.
So fuhren fte langfam $in . . .
SBittt fa$ Seite« $ette ©eftolt am Riet. Sie
fafj if)m jugeroanbt, oon i&rem ©efidjt na§m er
nichts als beffen fanftea 9hmb maf>r unb baft
bunlle £aar, ba* im SBinbe flatterte. Unb bie
bunfle Slofe an tyrer ©ruft . . .
@ie badete . . . 'SBarum lönnen mir beibe un«
ntdjt lieben, bie beibe in ber Siebe verloren finb
unb in i^r treiben, in eine Strömung oerloren,
bie und fortraubt, mo()in, moJjin . . . otelteid&t
märe und ein triebe, Sftulje, Xräumen . . . bas
SBunber . . . ©ann lädjelte fte bitter : ber benft
jefct gemife an Stephanie mie tdfj an Hermann . . .
Unb bo$ ftnb mir fo allein . . . Unb rooju oer*
fud&en, rooju fudjjen? 1
S)ann begann SBiHi leife $u fpredjen, es mar,
als ob er 31t (t<$ allein fpräd&e, als ob er fld^
felbft tröftete . . .
@r rebete oon bem ©d&immem befi ru£)ig
gleitenben Sßaffer«, es befdjmid&tige unb fteöme
gelaffen, mie milbe SBorte über ben <5d)mer$ ber
2)ienfdf)en, er fpradfj oon ben $tyrenf elbern auf bem
Sanb, oon ben btaubämmernben Sergen, oon ben
rauföenben SBälbern, oon ben 6$metterltngen
auf ben äBiefen, oon ber afltyeitenben ÜRatur, oon
ben ©ebi$ten, oon ber ßunfl. 2lSed fönne Xxoft
fein, unb bo<$ fei nld&ts unb ntdjts ein £rofi.
„mt felbfl, gräulein, finb unfere getnbe.
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- 133 —
2Bir wüten gegen und felbfi, unb wenn wir uns
glüdlid) finb, räd&en wir bie Untaten ber anbem
an uns felbft.
„2Bir ftnb wie Soote mit eingelegten Zubern;
woftfn treiben wir benn? 2Bas ift unfer SBerftanb
unb SBitte ? Slber, was fage idfj 3&nen benn bas
alles, Sie triften nidjts baoon, Sie flauen mid>
nur gut an unb glauben mir, weil idj es 3§nen
fage. So mufj id) fentimental werben. Unb
warum bas alles, weil bie Steffi midj ntdjt mag
unb td) bas bumme S)ing anbete wie eine Äönigin.
3<$ fann fie ergeben unb t>erm<$ten, wenn id)
will, aber nur in Herfen, fiätt' idj nur ein Stücf
von if)r in meiner gaufl. 2lber fo . . . 2Wes
ifl ein bumme« ©erebe . . . Sinb Sie mir nid)t
böfe . .
Seile $ätte tym faß gefagt, bafj fLe il)n wo$l
©erflehe. 9lun beugte er ft<$ eifrig vor unb
ruberte fiumm wieber ans Ufer, oon bem fte ftdj
f$on allzuweit entfernt Ratten. Seite töfie fHH
tum i^rer SBrufi bie Sofe unb $iett fte ins
SBaffer. @s nefcte füll tyre ginger. $ann liefe
fte bie SRofe treiben.
Sie (ehrten jurüd, wo fdjon bie ganje ©e^
feEfdjaft ungebutbig wartete. 3Jton beflieg jur
Mdkfjx bas Soot. SRun war bie Sfad&t gdn$
Ijeraufgefommen. 2We füllten tyre fdjwarje Stille
aufjie^en unb fdjwiegen, jeber mit feinen ©ebanfen
allein. Stur ab unb &u madjte ber Spanier eine
lurje SBemerfung . . .
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— 134 —
©nbltd) bat man $ermann, er fotte etwa«
fingen/ e$ fei fo fd&ön, flitt unb feierti^.
<Sr lieg ftdj erbitten unb fang bad folgenbe
Sieb; e* fjatte eine getragene/ fömermiitige 2Re*
lobie, abfidjtlid) einförmig unb gleiten Sltems,
aber tum rat(ofer Seibenföaft unb ttefftem 6$mer$/
ber jugteid) bie tieffie ßuft ift Sei e«, bafe er
ein wenig erregt mar, ober bajj bie 9fadjt ber
Stimmung bes Siebe« nad$alf, er braute beffen
wottfifüge* Seib gerauft. <S* lautete fo:
„$frß bu, bie 9ia$t ijt mit uns fjer,
Safe fKff und bur<§ bie SBiefen ge$n,
3$ fpür*, mein §erj fd)lägt jtorf unb fd)n>er,
$te ©äume rauften, bie Hebel n>e$n.
3$ fttJT ben «em biefer SGÖelt,
3) er grauen SStefen 2öe§mutlaut,
Unb nrie fie bunlle 6e$nfu<$t $ält
SDltt föwarjen Äugen, fc^toeigt unb fd&aut
2aj$ fUtt unS bur<$ bie gelber ge§n,
3d) $ör', bem $erj f$lägt ftar! unb bang,
Safc uns in bie traurigen 9tää)te fe$n,
Ctn bunfel ahnenbe« 2e5en entlang.
2öit ftnb unö fremb, wie ber Saum bem 2Beg,
Unb bennod) eins, wie bie SBurjel bem ®runb,
2Btr ftnb un§ fern, nrie bie Siefe bem Steg,
Unb benno$ fe^nt ft$ HRunb ju 2Runb.
Unb lafc mir fäjioeigenb beine §anb,
3n btefen Höhten ift bie 3lu$,
Ber bunlle Gimmel ift »ermä< bem Sanb,
SBBir a»ei ftnb ein«, unb i$ bin bu . . ."
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— 135 -
211« ba« Sieb t>er$attt war, (anbeten jte.
Unb flüfiemb gingen fte gegen bie ©tabt ju,
von bem ©lud befi grüfjltng«tage« voH, von
einem ©Ifid, ba« bunlette unb fdper würbe,
wie bie SRad&t, unb von fo tiefem Sltem, ba& es
fd&on ©d&mer$ war unb eine oerljaltene 3lngfi...
* *
Seile ging allein an einem Dftobertag burdjj
ben ©arten von ©d&önbrunn. SBie fdfjön war
boä) ber fcerbfc @« mar an einem Vormittag.
$er $arf mar ganj au«geftorben.
3)ie Säume maren nodfj belaubt aber ntd&t
mefjr reid& unb ferner, fonbem gart, fo bajj man
fd&on ba« ©emirr ber Sfle ma^rna^m. $er
fiimmel mar einförmig grau, aber bie 2Bett
farbig, mie unter ber glü^enberen ©onue. $>ie
Säume, bie Slfiten, bie SBege, alle« fd&ien ju
blähen. @« mar, ab wollte fid& bie fpröbe Statur
in tyren legten Sagen ganj ben Süden weg*
jdjenfen, unb jebes 2luge fodte nod& einmal iljre
unterge&enben SGBunber trinfen. ©te jttrbt. 3*ber
Saum mufc ben ©d&merj be« Sergefjenfi frofttg
in feinen ©liebern fpüren, bie füllen SBinbe unb
bie wärmelofen Sage unb ba« Ratten feines
Saube«, ba« ©terben fetner Slätter, ifjr weife«
fcinfmfen. SÄber er weife nid&t, ba& er nun feine
legte, oottfie ©d&önljeit erreid&t fjat, feines SBefens
^öd^flen ©tanb. (5« i% al« wüßte gelb unb
2Beg nid&t, wie ergaben fein ©terben ifi, e«
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raünfäte fonjl bas ganje ©piel her 3a&re*$ettett
nid&t, nur biefen einen £ob, bicfeö rafenb*trun*
fene SBergeljen. ÜKit SRbfen auf ben SBangen
unb mit leibenfd&aftltdjen ©luten jttrbt Saum unb
Rxavd. ®ie ©tifle ift grofi, unb bic Slätter
raffeln unb fummen auf ber <£rbe, toie flttflernbe
ßfcrfurdjt. $ie weifen Blätter fpielen auf bem
fties. (Selbe 93tdttcr, glatte, fceUfeurig gtüljenbe
©lätter, ober roftbraune, ober oerborrte, ganj
tote, graue ober luftige, bienidjt füll liegen tönnen,
fonbern beben, tanken müffen, wie in toirbelnber
gfreube bes ©terbens . . . @s ge&t gar lein 2Binb A
unb bodj fallen immer neue von ben Säumen.
@an& iangfam fladem fie $u ©oben, oon felbft
fid) abftreifenb oon tyrem 2lfi, toie ein fdjtoin*
benber Sag fid) abfdjttttelt von ber !ReU)e, wie
eine $ru$t abfällt ©ie fallen toie gtoden.
©anj leife, luftig ober toie ©dfjmetterltnge, fo
bunt, fo fiiH, aber fie finfen balb $ur($rbe, bis
fie irgenb ein 2Btnbfto& toieber auftebt unb
toirbelt. ©ie lanben bann trgenbtoo in einem
SBtnfel. SHber felbft in tyrem $Bergel>en unb
Sermobem iß £)uft. S)uft, ©djönfjeit ... (Sin
leifer, tiefer ©erudj ber reiben, oerftrömenben,
ausgegoffenen, oerfdjtoenbeten ©äfte liegt ferner
unb regungslos ba. ©o üppig tft ber laute @e«
rudj ber SRofen nid&t, toie biefer fülle, leife, ein
toenig fdjmer$ltdje S)uft bes SBelfens im ©ep*
tember, Dftober. SlUes $au$t il)n aus, toie
gltifjenbe ©rüge an bas $u oerlajfenbe fieben.
1
— 137 —
Statt überallher bebt er, wie ein föönes, ruhiges
Säbeln. 2Ber fUrbt fo fdjön? <Ss ifl, als wollte
Saum unb ©trau* bie große Seljre fagen, vom
uttbefümmerten Seben, bas ft* gehörten foll,
fein ©ewebe ruljtg auswtrfen unb enben (äffen,
wie es benimmt iß, unb bann ftttt hingegen unb
nodj einen legten 3)uf t t>erf*wenben unb t>erl)audj en.
$)te Säume jtnb f*ön, wie nur im erfien
$rül)lutg, nun Jtnb fte freigebig unb unoer*
fdjloffen. 3m geling fdjeinen fte bloß auf ftd)
bebaut, etwa« fiarr SBerföloffenes, igerbes, ßcfiges
haben fte, bei allem 9teid>tum; fte hegen jebeö
33tatt, ftnb neibifdj &uf jebe ftnofpe, jeben tropfen
©aft unb 3Warf nüfcen fte aus §u neuem Stengel«
grün unb »lattgewtrr, jefct aber ftnb fie weife
geworben unb geigen nidjt mit jtdj. %fyxt Äraft
ift unoerloren, mögen atfo bie SBlätter hingegen,
möge ftdj bie flarre, bunfle 9to<ftf)eit ihrer &fle
geigen, möge alles f)i"f4n>inben, nodj fielen fte
ffcarf. $arum fterben bie Slätter fo hW
tounberooH. (Ss ifl, als mürbe jebes eine Slüte.
®a fie^t ein ©trau*. 9Ran fennt feinen tarnen
nicht, grüner mar fein Slusfehen rote bas jebes
anbern grünen ©traudjwu*fes. 3efet ifl fein
fiaub ergaben geworben, jebes S3Iatt purpurn, er
trägt 3tofen, aber feine vollen, ferneren, trächtigen,
fonbern fdjwanfe, haud^arte, bie im SBinbe bebenb
fdjauleln unb glühen, wie au« ©*am cor ihrer
eigenen, fpäten ©djönheit, unb als fürchteten fte
i^re Kühnheit, fo $e*t>orjuf<$einen.
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— 138 -
Ober ba ifl ein £ulpenbaum, mit ben gro&en,
breitgerunbeten blättern, ber teuftet wie gelbes
geuer. <£r btityt au«. Unb bie Bu$en werben
rofibraun, toie Äafknien, bie ftafianien buntefc
gelb wie Oder. Unb aßes webt unb taufet,
bie 9totur ifl trauerlo«, ftets ifjrer erneuten
©d)önl)eit bewu&t. £rinft midj mit euren Süden,
fü< mt<& mit euren ®efü&len, tragt mid&, bie
Äöftfidje, in euren Seelen . . . Unb in ben nun
bunfleren -Wifdjen bes 2lfiwerf« flehen bie un*
wanbelbaren, bleiben ©ötterfiguren oon ©$ön*
brunn. @wtg bleiben iljre Bewegungen bie
gleiten. (Sin fd&lanfer Säugling, ber feine
©eliebte ftürmifdj emporhebt, ein ©djaufpieler,
ber feine 9Wa«fe in ber $anb &ält unb ftnnenb
betrautet. (Sine üppige grau mit fteineroen
Btumengewtnben in ben i&änben, ober eine glitten*
fpielerin mit fü&em Säbeln. 3&re ©ebärben alle
finb unwanbelbar, oon fierbfi unb ©ommer uns
oeränbert. ©tili fte^en fie ba . . .
Unb oorn im ©artenparterre ber Blumen
ber Neptun. $te weißen SRoffc, bie jtdj oorwärts
tummeln, $od) gebäumt gegen bie Branbung ju
ftürjen. Bor tynen aber iß fein wilbefi 9tteer,
nur ba« gelaffene, fanfte Stafenparterre oon
(Sd)önbrunn unb weit brtiben bie graue ©tabt . . .
Seile ging unb ging.
S)ann war ein fHHer <pia&. 2Bie ein Platanen«
blatt fünffingrig liefen bie Sldeen in iljn ein,
mtinbenb in feine S^u^e. 3n ber 2Witte lag ein
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— 139 —
Sßafferbedfen, ganj bebedft unb überroebt oon
welfem Saub, burdj) weld&e« bas SBaffer fd&war&
heroorfiarrte, in ber Witte war eine Brunnenfigur,
grau unb bo$ wie Reiter! (Sine SRajabe, ber
üppige Seib tenbenabwärts in einen gifdftfdjroanj
f<hlte&enb, bie t)oQe ©ruft, ba« lädfjelnbe fiaupi
jurütfgebogen, mit fd&erjenbem Blidf einen ©ros
ffreifenb, ber ju ihren güfjen fpielt unb ju ihr
auffd&aut.
Seife raufdjen bie Blätter. 3mmer neue
fallen wetdf), leife, fladfernb nieber unb oermehren
bie Sparen ber weiten Blätter am Boben. Unb
ber Ijolbe ©eruch i^re* Sterben« liegt jiitt unb
läd&elnb in ben Süften . . .
©ieht bie Seile ba« alles?
©ie ^atte es verlernt, um fid) ju fehen, fie
war es mfibe, um fidjj ju flauen, ©ie wufete,
bafc biefen BIWen, biefer ©ehnfud&t niemanb
antwortete, unb ba& ftc allein war. ©ie hatte
^ermann fc^r geliebt in tf)n alle ©<f)önheit
hineingetragen, unb allen SBunfch banadf). ©ie
hatte Jtüffe geerntet. Unb bann, fpät, ^atte tie
erfennen müjfen, ba& feine ©prad&e ihnen ge»
meinfam war, nid&t 2Bunf<h noch SBefen, unb
feine Brüdfe gab es jwifdfjen ihnen als bie
burftigen Hüffe. 3h r Körper war burftig geworben,
biefe Siebe ju trtnfen, welche ihr Berftanb mit
bitterem Sädfjeln verachtete. Unb bod& gab es
feine Trennung baoon, fein Aufhören, feinen 3Rut
$um @nbe. ©o blühen in ihr täglidj) neue,
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— 140 —
fdfjmerjootle 33tflten auf, SBünfdje, fdfjon mttbe,
e$e ftc geboten, ©eljnfud&ten, fd&on oer$id&tenb,
e$e ftc vom Seben ©erraten worben. fiermann
aber ift ber gleite, er liebt fte fefcr unb ftaunt
über fte. (Sin bumpfe«, frembefi ©tarnten. Dft
benft fte an anbere, oft $offt fte von anberen
anbere Siebe, aber fte ift früfj verbittert, ©oll
fte ftdfj benn wteber unb lieber weggeben, all
tf)r armes Söefen weggeben unb nidfjtß gewinnen
" als (Snttäufdjjung? ©te uerblutet ftd& in
tljren 2Bünfd(jen unb träumen, Seite, bas Äinb,
bas ni<$t fonbern gelernt Ijat bas Seben ber
©eele i>on bem rotyen SBirfltdfjfettsbafein bes
Körpers, ntdjjt fonbern fiimmel üon 6rbe, Sag
oon 9tod&t. 3§r eigenes SBefen ift fd&ulb.
©o blüfjt fte aus. Salb wirb fte füll fein,
wirb rufjtg füffen, ft<$ füffen taffen, gewähren,
alles gewähren, ftdfj nidjt freuen unb ganj gelaffen
fein unb nur jenen gleiten 3ug be« unbewußten
©djmerse* um bie Sippen Ijaben, wie iljre SÄutter.
Iber fte weife nidjt, bafe mancher Ijerrlid&er
SBefen £)afein unb ©eele wie bie Säume im
$erbft ift, bie fterbenb erft tyre retd&ften »tüten
tragen, jebes Statt wirb 9tofe, bie im SSerge|en
unb SBerlöfd&en ben füfeeften $uft burdfj bie ©title
fenbet.
$errof6 * 3ientfen, ©rfifen^aint^en.
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Im gleichen Verlage erscheint monatlich ein Band
l^urze b eschichten
Preis brosch. 60 Pf., geb. 90 Pf.
In schmalem Taschenformat.
In vornehmster Ausstattung.
-r* INHALT
der 12 Bände der 1. Serie:
Fritz Mantbuer
Die Retterin
Ludwig Fulda
Der nächste Morgen
M. Janltschek
Abendsonne
Headon-Hill
Das Geheimnis des
Messbuchs
Rudolf St ratz
Das Gespenst von
Lappland
Vict. Rltitberen
Mein Marstali
Ferd. Stieber
Zweierlei Khre
Le'ondeTliiseati
Die schwarze Perle
Gabr« Renter
Orestes
Ct. v. Amyntor
Der Herr von Ete
M. Pemberton
Der Krüppel in der
Mühle
Rudolf St ratz
Die Hexe
O. v. Leltgeb
Spielzeug
Panl Althof
Die schlafende Seele
Oiov. Ver^a
Die Wolfs falle
E. v. Wolzogen
Das Hof fräu lein
Ilse Franan
Wie stehen wir
K. Mikszath
Der rote Kasperek
A. Nieiuaitn
Backfisch Nr. Eins
K. v. Tbaler
Cousine Clara
Raonl Dom na
Nur für heute -
Ferd. v. Saar
Doktor Trojan
Annie Bock
Sine
fatale Geschichte
Frani Herezeg
Y erkannt
If. llofltnami
Ein Schreckensmahl
E- Marriot
Der Einzige
J. Lohmeyer
Wir leben noch
Gnstav Wied
Ein Neujahrsbesuch
Die Buffetiere
H. Vllllnger
Das Rätsel der Liebe
H. Drachmann
Ein Künstlerherz
Hang Oldeu
Ein Faustschlag
F. Skowronnek
Masnrenblnt
K, Welnold
Moll-Aceord
Anton Ifensei
Shinda
Ferd. v. Saar
Conte Gasparo
M»x Grad
Gute Nacht, Herr
Major!
J. Ricard
Die Unbesiegbare
Headoai Hill
Der verrät. Hammer
M. C. P.
Der Herzog v. Aranda
Schönaich Carolath
Die Wildgänse
St. Racowich
Unüberwindlich
Nemirowltsch*
Dantschenko
Die nackte Statue
Allen, die Interesse an den litterarischen Leistungen
unserer Zeit finden, die aber nicht die Müsse zur Lek-
türe umfangreicher Romane finden, sei diese Bibliothek
besonders empfohlen.
Jede Bachhandlung nimmt Bestellungen
auch auf Abonnements entgegen.
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ÜJorljcnfdjrtft.
Jkrcrasß. Jtüx Ijeinemamt-
,ic Dtomamuelt min ben reifen, im ßeben gcfdntltcn 9Hännern
unb Srauen eine UntcrbaltungSlcftürt bieten, bic niefjt bem
Iccrni ;Vit\)ettrctbc bient. Sic ucrörfentlid)t 23crfc, bic über
ber realtftifcb,cit Sdnlbcruug ber 28irflid)fcit meber bic littcrarifct)
mcrtoollc fünitleriidje ftorm. norfi unier ^cbürfniS nadj Sdjönfjcit
bergeffeu. — Sie miH in tljrcm fulturellcn ftcuiUcton originelle ober
gruublegenbe Sluffaifungcn berufener (belehrter unb «praftifer jur
(SJcltuug bringen, oon bem #n)iü bc§ 2agc§ fiefj fern Ijaltcnb,
fragen oon allgemein menfrtjlirfjctu ^ntereffe bcfumbcln, fragen,
bic niefit au eine Virtualität ber Stunbc gebunben, fonbern oon
bauernörm ^ntereffe ftnb. — 3u üjrcm littctorifeficrt Feuilleton ba*
gegen bringt bic Diomanwclt furje, meift in einer SJiummcr abge*
(rhloffcnc, noüclIiftiid)c tftjüblungen mit bejonberer Öfitcfftcfit auf #umor
unb Satirc. 2>te SRomamoclt ift fomoljl burd) bic ,$icle, bic ftc fidj
geftedt, al$ aurfj burd) bic Ätt, mic fie fic ju errcidjen gefuebt Ijat,
ba$ angcfeb,cnfte littcrarifebe Unterbaltuttgsblatt £eutid)lauö§ gc*
morben unb öffnet ifire Spalten nidjt nur ben bebeutenbnen 6d)rift*
ftelleru $cutfdjlanb§ unb bcS 2lu*laub$, ionbern aud) ben b,off*
nungSooflcn jungen laleutcn. greife, ^ublifum unb Sd)riftftcHcr
nennen fic cinftimmig ba§ im beften Sinne moberne unb für bic
beutid)e Öittcratur notmcnbigc Slatt.
Sin Urteil über Die Moiunnwelt:
Ihr. Jos. Vict. Widynann: Diese „Romanwelt" ist in
der That das vornehmste belletristische Unterhaltungsblatt
Deutschlands. ' Ihre Leitung seigte sich frei von jenen
prüden Rücksichten, welche in manchen sogenannten Fa-
milienblättern die künstlerische Produktion einengen, hielt
sich aber von den brutalen Machwerken derjenigen Qross-
stadtschriftsteüer fem, welche die ihnen fehlende echt*
Kunst durch freches Ausmalen erotischer Sxenen tu er-
setzen suchen. Die „Romanwelt" darf als in ihrer Art
absolut ersten Ranges, namentlich unserer Frauenwelt t
bestens empfohlen werden.
Pf* qSrobcnumntcrn liefert jebe 99urf)banMuug grati«. ~M
$cr l ?cu:g*prci3 beträgt für bic wod)cntlidjc, wie monatliche
Äu?gnbe ÜHf. 3.75 pro Duartal. ^ofacirungsliftc Kr. 6255.
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„Die Romanwelt"
In Prachtb&nden! Empfehlenaw. billiges Festgeschenkt
1, Semester.
Die indische Lilie.
Emil Marriot
Seine Gottheit.
P. A. Carnin (A. Bock)
Dora Peters. .
Rudolf Stroits
Arme Thea.
%T. K. (J Brome
Romanstudien.
Q. du Maurier
Trilby.
R. Bredenbrücher
Die Mutter des verlorenen Sohnes.
Kleinere Beiträge von:
K Bleibtreu, J. J. David, Ernst
Eckstein, Ludw. Fulda, Hans
Hoffmann, Hans Hopfen, R. Kip-
ling ,0. v. Leitgeb, Fritz Mauthner,
Vict. v. Reisner, P. Remer, B.
Strats u. a.
III. Jahrgang. IL Semester.
Ernst v. Wildenbrueh
Der Zauberer Oyprianus.
Luis Colotna
Lappalien.
Helene Bühlau
Das Recht der Mutter.
Ludwig Hevesi
Die Althofleute.
K. Stanjukowitsch
Der finstere Admiral.
Kleinere Beiträge von:
Johanna Ambrosius, R. Barr,
J. J. David, O. Enking, Maria
.Janitschek, K. Jerome, Wolfg.
Kirchbach, A. Lugowoi, L. Pietsch,
A. Träger, Hermine Vülingeru.a.
I. Semester: Solange der ge-
ringe Vorrat reicht
geb. M. 9., ungeb. M. 6.50.
II. Semester: Solange der Vor-
rat reicht geb. JnT. 6.50., ungeb.
M. 4 (statt Mk. 6.60).
ttttttttl IV- Jahrgang.
/. Semester.
Paul Hey so
Männertreu.
Bertha v. Suttner
nach dem Engl. d. F. A. Fawkes
Der Kaiser von Europa.
Wilhelm Jensen
Der Nachbar.
Jean Rameau
Die Rose von Oranada.
Leo Hildeck
Kleinere Beiträge von
Viktor Blüthgen, Paul Heyse,
Maria Janitschek, Qabr. Reuter,
Heinrich Seidel, Fr. Skowronnek,
Ferd. Stieber, Rudolf Strats,
Emst von Wolsogen u. a.
Vom I. sum II. Semester
hinübergehend :
Hans Land
Von swei Erlösern.
Annie Bock
//. Semester.
Georg Engel
Die Lust.
Hilter Haggard
Das Hers der Welt.
Maria Janitschek
Gelandet.
A. Lugowoi
Wenn's Küsse regnet.
J. Potapenko
Dämon Kunst.
Kleinere Beiträge von
S. v. Adelung, R. Bredenbrücker,
Holger Drachmann, D. Duncker,
Ilse Frapan, Oerh. v. Amyntor,
Julius Lohmeyer, P. v. Schön-
than, Rud. Strats u. a.
Preis pro Semester (solange der
Vorrat reicht): geb. JMT. 6, ungeb.
X. 4 (statt M. 7£0.)
Bei ihrem handl. Quartformat
u der geschmtckv. Ausstattung
werden diese Semesterbände m. d.
höchst interessanten Beiträgen ein
teillk. Festgeschenk bilden. ^
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DEUTSCHES
G. m.
b. a
NEUE BELLETRISTISCHE WERKET
Luia Coloma, Lappalien. Boman. YIL Aufl. Broich.
Daeielbe. LuxusauBgabe auf Büttenpapier in Pergament
Hans Land, Yen zwei Bri&sern. Boman .
Georg Engel, Die Last. Roman ....
— — Zauberin Circe. Roman .
— — Des Nächsten Weib. Roman
An ru ft Book, Einsamkeit. Roman . . .
— — Die Familie RiaxonL
Bider Haggard, Das Herz der Welt
Eva, Der letste Mann. Roman
Alex. Moszkowsky, Satyr. Humoresken
B. Bredenbrüoker, I bin a Lnmp. Novellen
P. O. Höcker, Was die Leute sagen. Boman
Suttner-Fawkes, Der Kaiser ?. Burepa Roman
Jean Bameau, Die Rese Ten Oranada. Roman
Bloh. Bredenbrüoker, üöreherpack. Roman
Georg Engel, Das Hnngerderf. Novelle .
— — Abschied. Schanspiel ■ •
Maria Janitschek, Gelandet. Roman . .
Wilhelm Jensen, Der Nachbar. Novelle
Wilma Iöndhe, Raguhild. Roman . . .
A. Iiugowoi, Wenn's Küste regnet Novelle
V. v. Beianer, Mein Herrenrecht. Novellen
O. Bovetta, Der Ulanenleutnant. Roman .
Carl Spitteier, Conrad der Lentenant. Roma
Iiuia Ooloma, Buch der Kinder. Geschichten
A. Hauschner, Die Unterseele. Novelle . .
J. Potapenko, Dämon Knnst. Novelle . .
Bora Dunoker, Familie. Novelle ....
Mk 3.60, geb. Mk.
geb. „
Mk. 8.—, „ a
8 -, , .
S.-.
8.— v 9 t,
4,-.
8.-,
2.50,
2.50,
2.50,
2.50.
2.—,
2.-.
2.-.
2.-,
2—
2.-.
2.—.
2.—.
2.-,
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1.-.
L-.
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I. Jahrgang. 12 Bände,
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\fy Die Romanwelt,
Durch alle Buchhandlungen zu
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pre Quartal Mk 3.76.
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