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Full text of "Leile novelle ..."

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eile 



Otto Stoessl 




Blau Memorial Collection 



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Kta 

totte*altex. 



9la§ brucl 
verboten. 



i 




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Vau 



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»Her Eigentümer ber beiben fiaufer iRr. 28 
unb 9ßr. 30 auf ber Sam$erftraf$e in fiiefcing, 
beren eine« er balb oeräufeerte, war ber 
3nfpe!tor ber ©taatabaljnen, ©err &eumdfj 
Horner, unb $atte fie von einem D&eim gerabe 
jur rtd&tlgen fttit geerbt, als feine Heine 
grau ftd) an bem SBa&norte in Dberöfterreidfj, wo jte 
bisher gewefen waren, fdfjon gar ju unglfidlidj) 
füllte, ©o fam bie (Srbfd&aft boppett angenehm, 
fieinri^ Horner liefe ftd& naä) SBien t>erfefcen, 
unb ba$ (Sfjepaar jtebelte jtd& in bem einen $aufe 
an, wctyrenb bad anbere an bie Saronin Wltni* 
borf abgegeben mürbe. SJton tonnte bie ßiebeselje 
ber Horners nid&t eine glüdflid&e nennen, trofc* 
bem bie beiben Seute einanber fo entgegenge* 
fefet waren, ober mettetd&t eben besf>alb. @r 
war einer von biefen großen, flarfen 3Rcmnern, 
bie man ftdj iljrem 2Iuöfel)en unb SBefen na<$ 
immer nur jung wrftetten (ann, unb benen man 
nid&t einmal bie grauen fiaare glaubt, wenn jte 
,fte l)aben. ©o übermütig unb bod& fefl, fo Reiter 




C> 550976 



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_ 8 — 

unb bo<$ gelajfen war er. Sott §o$em äBudj« 
mit einem frönen, btonben Satt/ einem fefien 
©ang, fa$ er einem 3äger glet<$, baju fam ber 
ftd&ere Sllcf feiner Morien, blauen Stoßen unb 
ein gleidjmäfitger fiumor. SDiefer SRiefenmenfö 
$atte fld) in ein sarte«, feine« ©efdjöpf oerliebt/ 
ba* er in einer gfaufl fjätte bergen fönnen, rote 
einen Sögel. Sie fyttte bunf le, ein wenig oer- 
fdjüdjterte 2lugen, ein fd&male«, beroeglidjes 
ßörperdjen unb einen 9)hmb, in bem fdjon frttb 
eine Sinte ber Älage unb be« Selbes tag, roas 
feine Siebe reijte, roeit niemanb roufjte, roofjer 
biefer fdjmer&lid)e 3 U Ö * am un ^ ty* e Unruhe 
unb fiitte $a)t ©ie tonnte mrgenbs, an feinem 
nod& fo frönen Drt, in feiner nodj fo glüdlidjen 
©tunbe oerroeilen, eine traurige Ungebulb f$ten 
mit bem rafdjeren 33lut in iljr &u freifen unb 
ifjre gurdjt oor etwa* Unbefanntem, $)rol)enbem 
immer unb immer $u roeden. Unb eigentlich 
Ijatte fte feinen 3lnta& ju §ur$t ober ftdj um 
gtüdti^ $u füllen, fte liebte i&ren 9Rann, rourbe 
t?on ttjm fe^r geliebt mar in angenehmen, be- 
fäeibenen »er^ättniffen. ©o wußte i§r Sttann 
fid^ gar ntd&t %\x erflären, roarum pe feinen 
Hüffen plöfclidj jitternb ftdj entroanb unb ßumm 
mit fiarren SHugen ftdj roegfefete, ober roarum er 
fte bei 9to<$t neben ft<$ oft leife unb jhmbenlang 
meinen $örte. ©o fterf unb lebhaft er roar, 
ptete er ftdj bodj oor tyrer 3 ar *& e tt unb ©e- 
bredjltdtfeit, ertrug tyre Saunen unb roufjte nur 



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9 — 



nie, womit er tyre Slngfi oerfdjulbet, ba§ fte 
neben i§m lebe/ wie oor einem fd&weren, t&ränen* 
vollen Seib unb 2lbgrunb. ©o fam es, bafc er 
immer aufatmete, wenn er, auf SnfpeWonsrrtfen 
gefd&icft, bie frtfdje, frötyüdje Suft be« SDafein« 
fpüren burfte, unb bag er bo<§ ftd) roteber freute, 
nad& fcaufe &u fommen, al« müffe jefct enblid) 
atteö Ungemiffe au« unb bas Schöne fertig unb 
beftimmt fein. 

Sit« er no<& braufjen in ber Sßroüinj Station«* 
corftanb gemefen mar, fcotte er bie Slngft unb 
Unruhe feiner grau auf bie Slbgelegenljeit be« 
Keinen ©ebtrg«orte« gehoben, ber in nidjt« tyrer 
©efcnfudjt §u antworten oermodjte, obgleich fte 
bo<$ an ben beiben ftinbern genug greube unb 
frö&lid&e 2Wti$e f)ätte ^aben (önnen. ©ie fcatte 
jmet £ö$ter geboren, mit benen fte wenig me$r 
anzufangen wujjte, al« für fte ju forgen, er aber 
fte ftd> jum luftigen ©pieljeug ma<$te, inbem er 
ftdf> l&nen ba$u gab. $te erfte, Wartanne, war 
um zwei 3a§re älter als Seite, bie jüngere. 
$iefe gab ftd) felbft al« Äinb ben fonberbaren 
tarnen, inbem fte Sittp, tyren elgentlid&en, alfo 
oerwanbelte. 60 nannte man fte weiterhin immer 
Seile. Sefonbers bie Butter liebte biefen tarnen, 
ber in tyrem SRunbe etwa« 2Beld)e«, SBoflüfttg^ 
fämeralidje« betam. 211« fte enbltdj na$ SBien, 
ober eigentliä) nad) &ie&ing oerfefet würben, war 
Marianne, bie ältere, etwa 14, Seile 12 3aljre, 
beibe Ratten braufjen bie ©djule befud&t, bie eine, 



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— 10 — 

ältere, bie vom SSater baS fettere SBefen Ijatte, 
mit geringem, Seile mit bebeutenbem (Stfer, fo 
bafj man in SBien bie jüngere jur Severin aus* 
pbilben badete. $iefe 2lbftd)t mürbe burdj baS 
alte gräulein oerflärf t, bas ba« (Srbgefdbofj gemietet 
$atte unb fd&on ifjren Neffen (Sbi jum Se^rer erjie^en 
moUte, morin fie nun audf) Seile gern ju über* 
nehmen erftärte. 

60 begann in bem neuen &aus ein neues 
Seben. SDie Butter ber beiben 3Räbdf)en friert 
in biefer Suft roieber aufzublühen, i^re traurigen 
3üge befamen menigftens in ber erflen &t\t 
einiges Seben, unb es fd&ten i^r eine miüfommene 
33efdjjäftigung, ben ©arten ju pflegen, baS £aus 
etnjurid&ten, roäf)renb ber Sßater fidf) nun fdjon 
gar Reiter unb ftolj als eigener &err füllte unb 
nad& feinen Reifen ftd& an luftig praljlerifdjer 3te 
quemltdfjfeit gar ni<$t genug tf)un tonnte. 2lud^ 
bie beiben 2ftäbd(jen fanben fidj, iebe na<f) if>rer 
8rt, gut ab. ®te ältere Marianne mar megen 
i^res SBefenS o^ne^in gleid& in 2Bien mie ju 
Saufe, ©ie mar mittelgroß, mit i^ren 14 Sauren 
fd&on üoüfommen erroadftfen; roenn (ie fo bur<$ 
bie ©trafeen ging, mit i^rem leidsten ©ang, in 
i^ren gellen Kleibern, mit if)ren fd&marjen, luftigen 
©liefen, bie ©ammetmüge auf bem bunleln §aar, 
bas tyx in einer bieten SBinbung auf bem 
Raupte lag, flog üjr ßäd&eln bem unb jenem 
jungen Wengen mie eine heiterte SJer^eifeung 
$u, ifcr 9ttunb hatte mit feinen »ollen Sippen 



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— 11 - 

imb feinen jtorfen, toetgen Säfjnen etwa« fieben«* 
fiebere«, man wufete, er werbe ba« Steinen nie 
lernen fönnen unb wollen, unb gar ihre Stimme 
war hell unb rafch, ihre SRebe balb ganj wtenertfeh. 
Tie geiftige ©rjiehung war freilich brausen ju 
@nbe gewefen, fte btirfte wohl in ihren Siebe«* 
briefen einige Schreibfehler gemalt haben, aber 
im Stil war fte bavin lieber, unb ba« war ja 
für fte bie §auptfad)e. 

Seite war fo anber« unb bennoch i^r t>er* 
wanbt, wie nur ©efd&wifier einanber nah unb 
zugleich fremb fein fönnen. 2lud) fte war be* 
weglich, ja noch t>W mehr als ihre Schwerer, 
aber jte hatte etwa« feines, 3 aT * e *> 3 we< *fofeö 
in ihrer Sebhaftigfeit unb zugleich etwa« Stille«. 
Sie war gewtfc gefdjeit, aber nie hörte man ein 
2Bort Don ihr, ba« Slltflugheit »erraten hätte- 
st ihren jwölf fahren fonnte man fte für acht 
nehmen, fo Kein war fte. 3h* ®eftcht war fchon 
bamal« feltfam unb reijenb, oon unregelmäßiger 
Silbung, mit jwei bunfeln, fragenben, eigentlich 
traurigen, braunen Slugen, bie aber um ihre 
Trauer nicht wufjten. Sie fchwarjen, fchweren 
&aare hingen ihr wegen ber SBilbheit unb jleten 
^Bewegung in leichten Socfen über Stirn unb 
$al« unb SBangen, fo ba& fte fte immer fdjnett 
Surüdfirich. 3h* äörperdjen war mager, aber 
fehnig, fte Wetterte überall f)in, erfiieg alle«, 
würbe nie mübe, machte alle Sptelanffrengungen 
ber wilbefien SBuben mit, aber ade« ba« ohne 



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— 12 — 

■ 

etgentlidjje greube. (Sie fpradfc wenig babel, 
friert ftdjj bei lebhaftem unb bewegtem treiben 
am wollten $u füllen, man ^örtc fte nur feiten 
ladjen, unb bann mar es wie ein furjer 
Sogelruf, au<$ fprad^ fie wenig, aber auf* 
richtig unb war wieber burdj ©ute« unb Slrges 
leid&t bewegt. ßam es ju Saigereien, fo fd&lüpfte 
fie mit tyrer feinen Std&erljeU wie eine Keine 
©ibed&fe burd&. Syrern SSticf, ber oft, aber nur 
für Slugenbltcfe, bunfel unb treu auf ben 2flenfd(jen 
ru&te, fonnte ftd(j niemanb entjiel)en. SBalp 
fd(jeinltd& gewann auclj er jumeift tyr biefe un* 
abläfftge 3ärtlidjfeit, beren fte ftdfj bei ben Der* 
fd&iebenften Altern erfreute, ©ie f)atte gfreunbinnen 
unter ben ganj fCcinen ßinbern, unter Alters* 
genoffen, unter ben ©ttern iljrer ©efpielen. 
Unb alles btes trofc tyres feltfamen SBefens, bas 
unbebaut bem Augenbltdt allein folgte, unb trog 
bes Freimutes, mit bem fte tljre ©ebanfen fagte, 
SBöfes unb ©ute«, als wüfjte fte, es fei ja gtetd& 
wert, eben weil fte es beibes ba^te unb benfen 
fonnte. 

@o würfen bie beiben 3Räbd&en $eran, bie 
eine in ben mäbdjenljaften Abenteuern unb SBer« 
gnügungen, bie anbere trog aller 33emeglidjjfeit unb 
Seb&af tlgfeit ernfi. 3fjr fiauptoerf e&r war mit ber 
alten Severin unten unb mit beren Neffen <£bi, ber 
in« Dberggmnaftum eingetreten war, als fte il)n 
fennen lernte. ®ort war fte gern in biefer 
altjüngferltd&en Stille, bie bod& wieber burd& 



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— 13 — 



bas fd)üdjterne £ret6en bes 5lnaben beroegt 
war . . . Unb wenn bie Sekretin fort imb 6bi 
in ber ©djule war, füllte ftc fid) fogar am 
wofjlfien in ber oerlaffenen 2Bo§nung. 

Sei ben Horner« $u igaufe war alles etnfadfc, 
$übf$, gewitynlid). Slanfe $orf>änge, gut polierte 
braune ©d>ränfe, bunte orbentltofc gemuflerte 
£eppi4e, altoäterifdje Slumentiföe unb niebrtge, 
etwas versoffene gauteutls, alfo eigentlich nid&ts, 
ber <Sel)nfu4>t unb $f)antafie Seited $u bienen, 
ni$t bie minbefie überfdjwenglk&e Stonfe, baran 
jum blaffen 2Wonb emporjuflettem. $öd)ftens 
ein paar ©ifenba^nfarten bes SSaters, bie an 
ber Söanb fingen unb bie ©ebanfen entführen 
fonnten, aber nur bur$ bie öflerreidjsungarifdje 
9Ronar$ie, unb Äinbergebanfen reifen weiter. 
Unten aber bei bem alten gräulein 9Jtän$retter 
war es ganj f$ön unb anbers. (Srflens war 
bie SBofcnung im <Srbgef<$oB, alfo ein bi&d&en 
büfter. $)ie ßimmtv waren jwar nid^t ftnfter, 
aber ber ©onnenfd&ein befam etwas fjeterli<$es, 
wa* fidj aud) für bie feltfamen $inge fäicfte, 
auf benen er, wie als SBefiättgung iljrer Söürbe, tag. 

Unb bann waren gan$ wunberbare, alte 
Sdjränfe, mit gefd&weiften unb würbig ©er» 
fdmörfelten Sfnten, braun, aber ni#t einförmig, 
fonbern jebe SBanb eingelegt mit ben x>er* 
fdliebenften fiöljern, bie in feinen, oerfd&lungenen 
Irabesfen ineinanber gingen, fi# in anmutigen 
SBinbungen wieber löflen, in aiertidjen, aus* 



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— 14 — 



ranfenben Sinien bie ^ädjer umfd&rieben ober 
bic Saben. ©ie ^atte aud> fäon gefeiten, wie 
fte geöffnet ftd) ausnahmen, biefe haften, ba« 
war audj wunberbar. 93or allem ber 2)uft, ber 
tynen entflieg. @in föfUidjer, ein Siggen fdjarfer 
SDuft, aber bodj einfdjmetd&elnb, wie ftarfe Slumen, 
bie man gepreßt §at, ober wie ba« junge fieu. 
Unb bann bie Säbdjen unb Abteilungen! Unb 
jebefi gadj Ijatte feinen @riff aus golbenem 
SWefftng, unb jeber (Sriff mar roieber mit feflen, 
meffmgenen ßöroenflauen an« &olj gejwängt . . . 
2>a! Unb bann maren in ben 3* mm * r n a ^ e 
Silber! 3n IJJJebatttonfi lauter Seute, bie oor 
oielen Sauren einmal jung geroefen maren, bie 
man fid) atfo wunberbar uorftetten fonnte. Auf 
^orjellan gemalt, einige au$ Silhouetten. $)ie 
ältefien Ratten gar nodfj $erü<fen auf, bann 
maren 3)iäbd&en mit (jod&gegürteten, weißen, wie 
jarten Kleibern, ber &al§ frei, bajs man jeben 
lieben S3ug faf) unb bie fanften ©djultem. Sie 
Ratten alle fo gute, leere, bunfle Augen, unb fo 
forgfame Sodengebäube. S)ann mar ein großer, 
offener 23üdjerfd)ranf im 3tntmer, bann mar ein 
große« ßlaoter ba; ba« gräulein 3Ründ)reiter 
fpielte nämti<$ fef)r fd)ön. Unb auf bem gtüget 
ftanb ba« SBunberbarfte. 3)a« (Srjbilb eine« 
Uftanne«. @r faß ba mit einem ftnfiern unb 
bodj furdjtbar frönen ©eru$t, ba« er gefenft 
^ielt, mie nad&benfenb ; au<$ ber föücfen mar ein 
wenig gebeugt, unb bie Arme ruhten im ©$oß 



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»erförcmft. @o fa& er füll unb bodj bewegt. 
@rji fpäter nmfcte fie, es war 93eet§ooen, ober 
ba war er lange md&t mel>r fo gro&arttg für jte, 
als bamals, wo fte nur mit bimfelm ©d&auer 
auf tyn f)infaf), auf biefes wilbe föaupt, bas in 
ber ©tnfamfett feiner ©ebanfen fömeigt unb 
ftarrt . . . 

©o fdfjlldj fte ftc^ oft in bas 3* mmer un & 
legte fid) ganj breit unb be^agltd) tote eine 
Äaße in bas Seberfofa unb träumte tyerum, 
tyre ©ebanfen flogen f)ierf)in unb borten, 
dauerten, ba& fie am ganjen Körper fröftelte, 
ober bauten jtd& etwas äBunberbares aus, was 
jte fo innig lädjeln madf)te, bafe fie es bur$ 
alle ©lieber fpürte. ©ie lag in i&rem ein 
bifjd&en arg mitgenommenen ©djulftetb, bie Seine 
auf bas Sofa geftüfct, bie Äniee hinaufgezogen 
— bas fonnte jte nur f;ier — unb fann . . . 
Über ben 2)tonn am ßlaoier, über feine t&at* 
lofen Slrme . . . über fein traurig erhabenes 
©eftd&t. Dber über bas alte gräulein Sttündfc 
reiter. £)amt fprang fie mteber auf, na^m bie 
Silbd&en dou ben SBänben, fal) ft* bie 93ü$er an, 
fa&te bann aus irgenb einer (5<f e eines heraus, fprang 
bann mit einem S^tefenfafc auf bas ©ofa jurüd, 
8ugleid& mit üjrem furzen ßacfjen, unb roidelte 
fu$ orbentltdf) in ftdj felbft ein, fo fauerte fte 
jtdj jufammen, unb las. 3a, was f)atte benn 
baS gräuletn 9Jtündf)reiter für 93üd[)er? 2IHe 
üblidjen unb ein paar befonbere, bie ßfafftfer, 



— 16 — 

bie SRomantifer, bann bie (Snglänber, ben ganzen 
33ulwer unb SEBalter Scott unb biefe ©ad&en 
olle. 3l6cr es ifl ja fo gteidfjgiltig, was ein 
Kinb lieft, es lieft aus allem bie wunberbare 
©d&önf)ett einer 2Mt troll 2tynung, o&ne bie 
fdfjmerjlid&en ©emtftyetten. <§fc ließ ni<$t bie 
Seit unb nid&t ben ©tnn, es iß i&m nid&t, als 
bewegten fidjj bie SRenfd&en, oon benen eö &ört, 
bie ©inge, von benen es erfährt, im engen SRaum, 
aielmeljr fdfjeint alles ju warfen, bie Statten 
[feinen bur$ bunfle* 2l()nungen erhabener, bas 
Sid&t bur$ golbene freubiger. 

Seite las alles. Unb es mar i§r fo gleidfj, 
was ftc las. 2Iber fte fpfirte bas ©tü<f eines 
fe$nfüd(jtigen, tiefen 2ltems bei biefen ©iid&ern, 
bie nid&t von einer Sßelt, nein, von SGBelten ju 
reben fdfjtenen. ®a waren bie Tropen, fteflanb 
unter ben $f<$ungeln unb faf) bas weithin 
leudfjtenbe ßanb, fie fpfirte bie Ijeifje ©ttHe, unb 
fte war bie Siane, bie ftd& ju ben fdjönften 
Saunten fdjjmang, ftc war bie ftönlg$tod)ter in 
Ägypten, bie ben gefd&tdftefien 2)ieb heiratete. 
(Sie war bie i&elena in bem gried&ifd&en 2Rärd&en, 
bie mit if)rem wefcenben, faltenreichen ©ewanbe 
ju ben dauern £rojas trat, unter bie alten 
ßeute, bie oben berieten unb, als fte fte faljen, 
ju flüfhrn anfingen oor Sewunberung. ©le 
war iebe 93tume, bie fd&ön war, jeber 33er«, ber 
fte fd&auern mad&te, fte war SBort unb ©Inn 
beffen, was fte las. Unb was waren ifjr bie 



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— 17 — 

Stid&er, bic SBorte, bie Silber, bie Sttenfdjen, 
bie ©ebanfen ! . . . $He paar ftorren Segriffe 
entnahm (ie unb fd&uf bamit eine neue 2BeIt. 
Saute unb Derwarf, baute unb verwarf wieber. 
Sebte, atmete in gottäf)nltd)em ©efüfjl auf einer 
äöelt, bie ntdjt bie SBelt war, ging auf einer 
(Srbe, bie nidjt irbifdj, lebte ©djttffale, bie 
3Kär$en waren, unb »erachtete bie 2ötrfüd)fett, 
wie einen bräunt. 2)te Seile brauste einen 
Swetg unb $atte einen ttrwalb, ein 2Bort unb 
fcatte Sieber t)on unfägtidjer ©d)önf>eit, unb 
bann redte fie fi<$ plö&ltdf) mit einem Spott 
über fid) felbflt unb faty fremb bie frembe Ser* 
trautfjeit be« Simmers an, ben ftnfieren fiaus* 
gott aus <5rj, bie gerablinigen SJUniaturen, bie 
t>erfd)nörfelten ©d&ränfe. S)ann tf)at fie etwas 
üfiüfcltd&es, fie ag jum Seifpiel einen 9Ipfel. 
Dber fie fprang burd) ba§ genjler in ben 
©arten, ffetterte auf ben Sinbenbaum unb 
atmete vergnügt ben guten $uft unb wiegte ft$ 
wolfennal) in iljrem raufäenben Drt unb 
lad)te, wenn jid) bie Seute auf ber niebern @rbe 
über bie Seile ärgerten, ©onft aber $atte fie 
nur in fidj, in tyrem inneren SBefen, nidjt im 
äufjeren ©eljaben bas SBunberlidje, fo bafc man 
fie unbehelligt unb bem ©eltfamen in tyr äße 
3eit liefe/ feine oerrüdtten Slüten ju treiben, 
©ie war bewegtidj unb gefcfcttft, wie bie 
Suben, Heiterte unb balgte fi<$ mit tynen, war 
aber re$t Pitt babei, fo bafj i§r treiben 

Dtto ©toefrt. 2 eile. 2 



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« 

- 18 — 

niemanb auffiel. @te mar wie eines jener uer* 
zauberten SJtördfjenwunber, baö nur fo lange 
bauern fott, als fein trbifdje« 2Bort es au ben 
2Btrflidjfeiten flögt. Unb ftef)t man redjt, fo 
war fie ein ßinb, wie alle anbern, benn allen 
ßinbem ift bie SBelt ein SBunber, bas SBunber 
bie 2Mt, unb alle leben in einem fcerrlidjen 
Sanb, wo jebes 2Bort unb &\$m blityenb wirb 
unb golbene grüßte trägt unb alle fleinften 
©piele erhabene 3^i$en ftnb. ®ie anbern aber, 
bie bas SRärdjen oergeffen Ijaben, weil bie 2Belt 
irgenb einmal fie ju ber Sötrflidjfeit üerflo&en, 
glauben, es feien eben nur $tnber. Sllfo war 
ja tnelleidfjt Seile nidfjts befonberes, als ein 
allein gelaff enes, traumoergeff enes, f leine« 3fläbd& en, 
aber fie lebte eben no<$ im SWärdjen. Unb 
bann war fte bodj nidfjt mef>r jung genug, bie 
ffitrflidjfeit ganj $x t>ergeffen, nid&t alt genug, 
fie ganj ju t)era<$ten, nidjt gefielt genug, fte 
ba Dtnjunefjmen, bort abjuwe^ren, fonbern bie 
SBett ftiefe eben oft genug unfanft unb fjart in 
i^re fdjönfien Traume. Unb immer mußte fie 
if)re Silber unb Söorflettungen mit bem @e= 
gebenen meffen, unb ba fte ja aud& bas Seben 
in fiiefcing ganj lieb §atte, bas Sßflüden ber 
SRofen im ©arten unb eine 3aufe in ber (Sin* 
ftebetei mit bem weiten 33li<f über SBien, ober 
bie glatten £eden von <5dfjönbrunn mit ben 
weisen ©tatuen, ober eine fdjöne 33tme ober 
coUe Traube, fo war fte immer fe^r mti^eooff 



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— 19 — 

befdfjäftigt, üjre $mei oerfdjjiebenen Sphären 
^tibfdfj ju binben. Iber ba« gelang eben ni<$t 
gut. %tQtnb etwa« fehlte immer unb ging nid&t 
in Erfüllung, mas notroenbtg gemefen märe. 
@ie mar ja fdjjon gefreit genug, vom ßeben 
feine SBunber ju ©erlangen. (Sie mollte ja jum 
33etfpiel gemiß nidf)t, ba§ alle tyre Söünfdfje in 
Erfüllung gingen, ober baß fte auf einmal 
fliegen fönne, ober baß fte auf einmal gan$ er* 
mad&fen unb f<3)ön fei. So bumm mar fte ja 
gemiß ni<$t. Slber fte mollte bodfj, baß mentgftenö 
jeber 9Renfd& fo fei, mie es ftd& für tyn f$t(fe, 
bas tyäte, mas man ftdfj oon tym ausbenfe unb 
ermarte; baß aber nie etroas fo eintraf unb 
mar, mie es am fdjjönfien unb ooflfommenfien ge= 
mefen märe, bas betrübte fte fdjjmerjlidf), unb 
barein fonnte fte ftdj nie ftnben. ®aß fie oft, 
roenn fte in il)r 3^™** ging/ münfdjte, ber 
5Ronb möd&te fd&on fjereinfd&etnen unb ade« 
ftlbern madfjen, unb bann fam er eine ©tunbe 
fpäter, menn fte fd&on fdjltef, ober fte merfte 
einen 9itß im ßleib unb faf) nur meg unb 
münfd&te tyn meg unb mollte überhaupt nichts 
baoon miffen, unb bann mußte fte immer gerabe 
baran benfen, ober fie münfdfjte, ba§ $ud& 
möd&te ftdfc gerabe bort auffd&lagen, mo fte 
geftem aufgehört $atte, unb bann fd&lug fte es 
ganj mo anbers auf, ober fte roünfdf)te ftdfj 
etmas, ein neues ©ommerfleib, ganj blau ge* 
flreift, unb bann befam fte eines mit fdfjönen 

2* 



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Slumen, Ijalte feine greube unb hieß noch utu 
banfbar, lauter ärgerliche Äleinigfeiten, bie man 
bod) bittigerweife ^fttte oerlangen bürfen, — 
Med alles trübte ihre greube unb trftnfte fte 
unb war unangenehm. Ober wenn fte mit 
gfreuben etwas thun wollte, anbere su erfreuen, 
unb man fah es bann gar ni$t ober artete 
nicht barauf. SlUeö bas mar fehr traurig unb 
ferner, baß es fte mit großem, wahrhaftem 
Äummer erfüllte, unb baß man mieber ihr Seib 
unterfd&äfcte, ihre greube nidjt begriff, alß ob 
nur bas Seib, bie greube groß fein fönnten, bie 
bie ©roßen erleben, unb nicht einem ßinb ber 
Untergang eines Kreifels unenblidj traurige« 
bebeuten fönne. Unb um alles bas mußte nie* 
manb. £unbert fdjöne ©ebanlen ^atte fte unb 
reifte fte hunbertmal ben fieuten entgegen, unb 
niemanb nahm fte von ihr, mie fte oft einen 
großen Strauß SBalbblumen braute, bie mirr 
burd&einanber labten unb blühten, unb bie 
SRutter einfach fagte: „ffitrf fte weg." S)aS 
war etwas fehr trauriges. So lebte alfo bie 
Heine Seile tapfer für ft<h, fpann ihre träume, 
aß ihre guten gfrüchte unb badete ihre füßen ©e= 
banfen unb war ein Ätnb wie eben anbere. 

®as gräulein 9Rün<hreiter war ihr befonberS 
jugethan unb erjog fie eigentlich jufammen mit 
ihrem -Neffen. £)tefe ältere Mehrerin ^atte eben 
um biefes Änaben willen nicht geheiratet, bem 
beibe Altern, — bie Schwefier bes gräuleins 



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war feine Butter — in einem Saljre wegfiarben, 
fo ba6 fie i&n ju fi# na^tn unb unter ©orge 
unb Siebe aufeog, weit me&r beforgt um tyn 
unb tfjn weit melp aerjärtelnb, als Sttutter unb 
Sater es getrau hätten, weit fie ja bo<$ immer 
ifyt als ein grembes füllte, bem fie mel me$r 
geben mfiffe, als Sater unb Butter, um iljm 
nur annä^ernb bas ju bebeuten, was SBater 
ober ÜWutter von felbfl, blo& bur<$ bie Ser- 
wanbtfd&aft bes Stutes, tyrem ßinbe finb. Unb 
als altes gräulein pflegte fie U)n, iljre Un* 
gefdjicfftdjfeit burdj ängfittdjfie Sorgfalt milbemb 
fie fdjmütfte ifjn unb fleibete tyn, lernte mit 
iljm unb war ftolj auf fein fd^önefi, blonb 
geketteltes &aar, wie wenn fte baran fdjulb 
gewefen wäre, bafc ber junge Surfte auf ber 
SBelt unb t>on fo blaffer, jartef ©djönljett fei. 
fciefer @bi war Seiles befier greunb, unb fie 
fafjen 2ttenb für 2lbenb bei bem Fräulein 
2Bfind)reiter unten unb plauberten, ober lernten 
mit tyr ober lafen jufammen laut ober teife. 
Ober bas alte fträulein fe|te fidj ans ßCaoter 
unb fpielte. ®tes aber befonberö fdjön. 
$)er @bi oerfianb freiließ nidjts baoon, weit er 
gar lein orbentltdjes muftfalifdjes ©eljör fjatte, 
aber Seite fpra<$ orbenttid) mit ben £önen, bie 
Up oietes bebeuteten, wooon fte freiltd) ntdjt ©efialt 
no<$ tarnen unb ©tnn wußte. Unb bas alte gräulein 
felbfi fa!) fo fonberbar aus, wenn fie fpielte. 
©o jwifdjen 2Beinen unb Sadjen, wenn man fie 



— 22 — 

anfafj. ©ie war Hein, mit einem gefreiten, 
aber über unb über fommerfprofftgen ©efidjt 
unb einem breiten aflunb, ber mctyrenb bes ©piets 
ein fdjmerjtidjes Säbeln fjatte, als fei er ben 
£önen nid&t böfe, bafi jte tfjr eine fernere 
SBa^r^eit faxten, ©ie neigte unb beugte ftdfj 
überaus fomifdj beim ©piel, Wien auf jeben 
£on ju §ordjen, ber in ben golbenen 2lbenb 
feine ©ttmme ^tnausfang. ©ie fpielte 23eetf)ooen, 
bie SBerfe tyres fcausgottes, unb ©djumann 
unb bas 9Mfterftnger=SBorfptel unb »raf)ms . . . 
©ie fpiette munberfdjön. 3a, es mar fo, mie 
ein Äinb oft Söerfc munberbar auffagt, bie es 
boä) gar ntd^t üerfte^en fann. ©o fpielte ftc . . . 
©onft aber lernte fie orbentlid) unb ftreng mit 
Seile unb &>\. 

Unb biefe gfreunbfdjaft machte Seile immer 
ftiller, benn (Sbi mar redjt jart unb f^meigfam; 
freilidj Ijatte er in feinem Sädjeln etwa« feljr 
Offenes, gur<$tlofes, ergebenes, aber er mußte 
ni$t attjutnel $u fpred&en unb mar ju ©prüngen 
unb Untaten nidjt befonbers aufgelegt. @r 
mar red&t furdjtfam, fdjeu, nidjt feige, aber als 
ob er fidj in all bem treiben fremb unb oer* 
laffen oorfäme. @r fürdjtete feine Setyrer mie 
Dämonen, trofcbem er ein guter ©d)üler mar. 
ÜRur mit Seile fonnte er luftig unb oergnügt 
fein, tyr furjes Sadjen lodte feine fjreubc tyeroor, 
mie einen gurdjtfamen aus bem 2>unfel . . . Unb 
bann fonnte er ungeheuer fomifd)e $)inge er» 



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— 23 — 



itylen, über bie bann beibe tagelang $u lad&en 
Ratten. 

©o waren bie ftinber ein paar ^abtt 
beifammen gewefen. Seile war ftinfje^n %a\)tt 
geworben unb <5bi fedjje&n. 

* * 
* 

„Seile, fpttrft bu ben grü&ling?" 

„<£r mafy mi$ fo mfibV 

>/3 a > nid^t watyr, er ifi tote ein Sßein . . . 
Seile, ift es nid)t fonberbar, bag bie Söelt eine 
fo furje grüf)ltngßaeit §at? Unb unter ben 
»lüten möd&te man bod) glauben, bie SBelt ift 
nur ba wegen bes $rityltng« unb ba« ganje 
lange 3a^r ein Umweg jum 9Wai." 

„iRein, (SM, au$ ba$ S$littfd&uf)laufen ift 
fdjön, unb Spfel efe* i<$ aud) gern." 

,/3<*/ Seile, i<$ gtaub'ä ja, bafe ber Umweg 
f<$öne Stellen fjat. Slber wenn ein Sttng 
trgenbwann am fünften ift, ift's bo<$ bie Slüte, 
unb baju ift es auf ber SBelt." . . . 

Seile fafj auf bem £ifdfj ber Saube unb 
baumelte mit ben ^üften. Sie ^atte ein blaue« 
Sommerfleib, ben &als frei, bafj tyr ßopf 
orbentlid^ ljeroorblüf)te. Sie lädfjelte ein btfjdfjen 
nad)läffig, unb ifjre fdjwarjen Soden, bie in einen 
Jtnoten im 9kden pfammengebunben waren, 
flfid&teten ein bifjdjen au« ben geffeln, unb biefe 
Keinen Dingel fingen in bie Stirn, fräufelten 
ftdf) um ba« ganje fiaupt, um ben $al« unb 



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— 24 - 

surften wie Keine ©dfjlangen, wenn Seite fLc 
jurüiftridf). 

@bf fajj fd&ön brat) auf ber ©artenbant unb 
fpradfj ju tyr empor. 

„®u, @bi, was bu ba von bem §rtil)ltng 
rebeft, iß wie ein ©dfjulauffafc. 3)a$ fjätteft bu 
mir aber gletdfj fagen fotten unb U)n mir ntd&t 
unvorbereitet Dcrfefeen. 3a, baljer wirb bas 
fd&on fommen. $u btft fefjr fleißig. SBeifjt bu, 
es ift ja jefct wirflidfj fef)r fdfjön, bas ift ja 
watyr . ♦ . Slber mödjteft bu benn ewig ber (SM 
bleiben? 3d& möd&te mid& fd&ön bebanfen, wenn 
idjj immer bie Seite bliebe. 3$ glaub', ber 
3J?ai möchte aud& kirnen effen. Unb fo weiter . . . 
Unb immer basfelbe . . . S)aS wäre langweilig. 
@s ift bodf) fd&öner, baß es immer anbers wirb. 
$ann wäre ja bie SZBclt nid&t bie SBelt ..." 

„Seile, mir fdfjeint, an bir ift fo was wie 
ein &elb verloren gegangen." 

„@bi, mir fd&etnt, an bir ift fo was wie ein 
fträulein verfehlt . . . SBas, bu möd&teft l)alt 
immer im ©pmnafium bleiben, (SM?" 

„SBeifct bu, Seile, fd&lie&lidf) ift bas ©gmnafium 
gerabe bo$ nidfet untrennbar mit bem Segriff 
bes grü^tings oerbunben." 

„2lber es ift §eute bo<$ fdfjön ♦ . . Überhaupt, 
es ift fdfjön. $)u fjaft red&t. SBenn man nur 
ganj tief atmen fönnt\ 3Wir fommt's im 
grfi&ling immer oor, als fönnte man ntd&t ganj 
einatmen . . ." 



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25 — 



„Überhaupt nidjts ®ute«, nt$t$ ©<§öne* 
!ann man ganj einatmen, ganj geniefjen, ganj 
tjaben. Smmer mu& man weggeben com geft, 
wenn'ö am allerfd&önfien ifi ..." 

„Unb wenn man bas ni$t miff unb t&ut, 
friegt man einen aerborbenen SHagen." 

„Seile, bn bift poetlfd)." 

Seile fuf)r barauf bem @bi bur<$ baß btonbe 
§aar, bas fie i§m in einige Unorbmtng brad&te, 
bann fprang fie in einer roilben Saune vom 
2Hf$ herunter unb fiettte fid) t)or <£bl auf. SRafjm 
tyn mit tyren 3trmen an beiben Sd&ultern. 
©Rüttelte i^n. @r fal) fie etwas ratlos an. 
2Baö fie trollte 

„®u weifet überhaupt gar ni<$ts . . . ^oetifdj 
rebet man ntdjt, ba* ifl man. SBerfte&fi bu. 
Unb bu §aft au$ gar feine Stynung vom grfi&ling, 
weil bu fo trtet baoon rebeft, armer ßerl! S)u 
bifi ni$t mitb, bu bifi nid)t toll, bu fe^nfi btdj 
nid&t, bu rauffi bi<$ ntd&t, fein geuer ift in bir 
angejünbet! . . . £)u bift ein blaff er Sub! . . ." 

5Da mar es aber fdjon nid)t me^r roaljr, 
benn bem ©bi flieg es blutrot in« ©efufct. 

Seite aber fianb vox tym, wie ein fleiner 
Söget, ber irgenb einem grofjen Äerl etroas 
aortrofct ©o fianb fie oorgebeugt unb jmitf^erte 
tym ju, ta^te, mar böfe jugleidj. 

Unb auf einmal näherte fte i£m ganj i&ren 
bunfeln 5topf unb brüdte, me^r ärgerltdj, als 



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I 



— 26 — 

äärtltdj, tyre Sippen auf feinen 9Runb . . . 

ladjte furj unb war weg . . . 

„Seile, Seile!" 

üflun wußte er entfliehen mefjr oom grü&ltng, 
nun war er wtlb, fo gut er es bei feinem SGBefen 
fein tonnte, unb au$ ein geuer war in il)m 
angejünbet . . • Über ftdfj war er jornig unb 
ärgerlidfr. Unb über Seile. SDte fcätte ba* 
eigentlid& t&m früher fagen fönnen. (Sr fpürte 
wirflt<$ fd&on gar nidjts tne^r oom ßuß . . . 
@r mußte nur baran benfen . . . (Sie §atte tf)n 
nid&t einmal umarmt. üßur fo einen Äufj 
gegeben, tote man einem jeigt: id) ^ab 1 etwa«! 
@twas ©d)öne$! Unb bann ift fte weg. 

Seile aber ladjte unb wollte weinen, war in 
tyrem Börner unb gitterte. 3a, was war 
tyr benn eingefallen? 2Bas wollte fie benn 
eigentlid)? 2BaS war benn mit tyr gewefen 
unb gef^en! Übrigens, ben (Sbi fonnte fte 
bo$ füffen. SDen Stoben! Unb bodj war er 
jefct ein anberer, unb fie war anbers. Unb 
baran war fie felber fd)ulb. (Sie war über 
eine ©renje §htübergefprungen, in ein neues 
Sanb. 2lIIes war anbers. üRun war es garnid&t 
me§r ber (Sbi. Unb fte fonnte ja mit tym gar- 
nt<Jjt metyr reben. Qfjre Sippen brennen. (Sin 
3*uer ift angejünbet. 2luf einmal wußte fte 
nidjt, was mit i&r fei, was fte wollte, was ttjre 
jQänbe wollten, if)re klugen, t^re Sippen, woju 
bas alles fei. 2BaS war £raum, Süge, was 



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- 27 — 



2Baf)rf)elt? 2BoS war gut, was -fdf)limm? @s 
war fe^r trofilos unb &um SBetnen. 2lls ^ötte 
fte fid& plöfclid& auf ben Äopf gefallt unb alle 
SDinge feien Derart, aber audj) alle begriffe . . . 
So faß fte an ifjrem genfter, bas auf bie 
SMenfiraße l)inau$ging, fic faß bei tyrem 2Hfd&, 
fiüfcte bie SBangen auf t&re fcänbe un b blidte 
vox ftd& f)tn, of)ne ju fefjen, unb weinte teife. 
Sann aber empfanb fte triebet unter tyren 
jirömenben Styränen einen großen Stolj. „3dfj 
liebe fdj on. 3$ bin erfi fedfoe^n 3a^re alt, unb 
bo$ liebe id& fd&on. 3$ fjabe fd&on gefügt. 
3d& tyabe fd&on gefügt. Unb i<3) liebe." — 
2lber eigentlidf) §atte fte fidfj ba* bodf) anbers 
öorgeftettt, unb fo fd&ämte fte ftc3& wieber. 

®an$ war il)re Seele bafjtn gerietet, als ob 
SBelt unb Seben ju ntdf)ts benimmt wären unb 
ju nidjts gefdjaffen, au nichts Sinn unb Sodtong 
hätten, als in ber Siebe, wie ein galter glauben 
wag, ber 3 roe * bzx guten (Srbe fei es, für if)n 
bie fdf)bnften SSlumen ju erzeugen mit ben füßeften 
Sielten. Slber fte empfanb eine große Slngfl in 
tyrem fielen, weil fte wußte, ein neues Seben 
begonnen ju fjaben, fte war ftolj auf ifjre fttif)n? 
l)eit unb wieber ootl gurd&t. Sie weinte unb 
war oon innigem Säbeln erfüllt, fie fdfjwteg unb 
war coli ©efang. ©ute S^ränen führten if)re 
ßtnbfjeü langfam von tyx weg, fo glaubte fte, 
unb bodf) war fte benimmt, immer btefes rafd&e 
Äinb ju bleiben. Später follte fie bies erft 



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- 28 — 

fef)en, bafj fie ber rauföenbe SBinb iljrer ©efjnfud&t 
fort unb fortgeweht wie einen galter, tote eß 
ihr föien, ju immer neuen Sänbera unb Striaen, 
aber in SBahrheit fie immer unb immer im 
ßretß um fi<h felbfi herumgetragen Ijabe, ni$t 
um bie SBedfjfel unb Schönheiten beß Sebenß 
felbfi, baß fie afe ein ginfiereß, Unbewegtes 
unb grembeß mit Sd&auer erfennen fodte. 

So fafc fte unb meinte bis fpät gegen 
2lbenb, bann aber litt es fte nicht länger in ber 
(Sinfamfett ihreß Börner«/ unb fte ging in baß 
ihrer Butter. SDicfc mar fdjon ju SBett gegangen, 
fte liebte eß, früh ftdj nieberjulegen unb mit offenen 
2lugen bajuliegen, ihren @ebanfen nadjjhängenb. 
Seile liebte ihre Butter, trofcbem biefe fi$ wenig 
um fte befttmmerte, ober oiefletdjt eben beßhalb 
unb wohl au<$ aus -DHtteib mit btefer grünte 
lofen Stauer unb Ungebulb, welche ber Butter 
eigen waren. 

Sie fanb fte in ©ebanlen, ja, bie Butter 
bemerfte erft garnicht, ba& Seile gefommen mar. 

„2Baß miflfi bu benn?" 

©0 bireft befragt, wufite ftdj bie Äleine nun 
fdfjon gar nicht &u Reifen. 2Baß wollte fte? 
3a, maß wollte fte benn eigentlich mit allem? 
SBaß mottte fte, waß wollte man mit ihr, was 
bebeutete all ba* ©innlofe ? . ♦ ♦ de fing &u 
meinen an. 

„3a, was fjaft bu benn, was weinft bu, 
ja waß ift bir benn gefchehen, waß bu 



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— 29 — 



nur getrau? &afi bu um* angebellt ? fiafi 
bu bir me$ getrau ? 6« ifi btr bodj md&ts 
gef<$e^en . . * 

©te weinte immersu unb war fe$r 
rot . . . 

„S)u, SRama, idj $abe ben @bi ge* 
fü&t . . ." 

£)ie 3Rutter lad)te erfl „3a, tote ifi bir 
benn ba* eingefallen ?" 3)as wufcte Seile freilidj 
nidjt. ©ie roufjte nur, ba& fte weinen mu&te. 
$ann fjtefj e«: „3a, aber äinb, was madjft bu 
für Unfinn. Unb bu ^afi i^n juerji gefügt? 
@r f)at es ni<$t einmal oerlangt? Unb 
jefct wein' nidjt! 2)u biß ein £fdjapert! 
2Ba* $aft bu benn für (ginfälle!" Unb bann 
lügte He fd&lie&ltdj bie »ebenbe, ber ein 
jlarfed ©<$lud)sen unabläfjig butd) ben fiörper 
Surfte. 

fiätte Seile ftdj audj ein wenig um bie 
SButter befümmert — wenn Äinber bies nur im 
®rang ber eigenen ©d)mer$en t&un fönnten — 
fo $ätte fie ein feltfameß, fdjmerslid&eß, unb 
wteber befriebigteß Sögeln gefe^en, unb wie baß 
beweglidje, frü§ gealterte ©ejtdjt ber Butter 
einen 3 U Ö *w ftnblidjer Sieugierbe unb ein 
junges ©rröten befam. ©ie fal) aber bieß alles 
nidjt unb fpürte nur, ttrie bie Butter langfam, 
begütigenb unb tabelnb gugleid) über ben ftopf 
unb bie wilben igaare ftridj. 

„SDtt Äinb." 



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— 30 — 



3a. Unb Seile glaubte unb war floty, bic 
$inbf)eit oerlaffen §aben. 



$ur<$ bie feltfame Saune ber Seile unb bur<$ 
i^ten einigen, umnberlidjen ßufj war oöllig 
unbewußt bas SBefen unb SBenefjmen be$ ganzen 
fiaufes gednbert worben. ©o war btes blife* 
fdjnelle ©efdjeljen beut plöfcltdjen ftudtn t)er= 
gleidjbar, weites bie getrennten 2ltome $um 
garten unb unabänberUd)en ßrnftall stoingt, wie 
e$ bie alten 9toturforfc$er gu erflären pflegen* 
3)ie Seute, bie bisher ganj ruf)lg unb oljne 
jeglidjes SBemufjtfein einer 3 u f ammen 9 e ^rigfeit 
ober $Berfd)iebenI)elt im felben i&aufe gelebt 
Ratten, eigentlich redjt unbefümmert um ein* 
anber, wä§renb fte bodj in einem ganj vertrauten 
Umgange ftanben, beobachteten nun etnanber, 
roaren üorjid^tig, ftttt, oon gemeffener greunb* 
lidjfeit. (Sigentlidj gilt bied mefjr oom alten 
gräulein 9ttün$reiter, weldjeö mit fo oielen 
grauen btefeö 2ll)nung§üoUe, (Sinbringenbe be$ 
©eifieö teilte, namentlich in ber Söitterung eines 
Unheils ober einer ©efafjr, bie U)r ober ÜRalje* 
flefjenben bro^t. Seile fam, o^ne bafi iljr bie 
ÜDhitter eö na$e gelegt hätte, nun nid)t mehr be« 
Slbenbö in bie SBohmmg (SMS unb feiner Sante 
unb oermieb e$ auch/ im ©arten ober fonfi wo 
ihm ju begegnen, bem fie bodj eigentlich ein 
Stecht gegeben ^atte auf ihren 3Runb, auf ihre 



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— 31 — 

Sßorte, auf ü)r Sßefen. ©efd&at) es aber, was 
ja unoermeiblidf) unb f)äuftg fein mu&te, baß |ie 
Um in i^rem flehten, fd£>malen ©arten traf, fo 
l)ufd&te fte rafdfj an Upn vorbei, wid& tym ge* 
fdfjicft aus unb wäre lieber in ben fd&önen Sftafen 
getreten, als baß fte audfo nur bem ©aum ifjres 
©ewanbes geftattet fjätte, tyn ju berühren. 
(Sbenfo widmen ifjm U)re bunfeln Slicfe aus. 
©leidfoerweife füllte ftdfj <$bi wunberbar gebrütft, 
§errlid& entmutigt unb föftiidj gefdf)wädf)t burdfj 
biefes ©eljeimnis, oon bem er wußte, baß ftdj) 
bas SBunber nidjjt me^r erneuern müffe, no<$ 
werbe. SBielmefjr fjätte i^n ein anberes betragen 
Seiles fogar gefd&tnerjt, wenn fte biefem wunber* 
baren £raum, ber fo rafd) erlebt war wie ein 
l)ufd)enber 2Bunfdf), burdf) tyr nadj^eriges 23e* 
nehmen eine wefenfjafte SBirflid^feit gegeben 
l)ätte. 2öas bem einen SBunberbaren, 3Härd&ens 
haften gefolgt wäre, gewig badete er es ftdfj 
jd)ön, angenehm unb ooQ greube, aber es fonnte 
jener erhabenen ©ef)nfud&t nidfjt gleidftfommen, 
bie einmal ^ett unb bewußt, nun nid&t einer 
irbifd&en Erfüllung, fonbern ber Erinnerung 
jenes 2lugenblicfs nadf^ing, ber ©ewäfjrung unb 
SBerfjeißung jugleidf), in einer füßen, geringen 
©abe eine ßebensa^nung fd&enfte. ©erabe biefe 
Sefdfjetbenljeit unb gurdjjt ber beiben äinber er* 
regte aber bie 2lufmerffamfeit unb SJeobadfjtung 
ber Seute, ftatt beren SBeruljigung. Seiles 
3Wutter ging jefct gern mit i&rer jtingern Softer, 



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— 32 — 

rofl&renb fte fi$ um bie ältere roenig befümmerte, 
trofebem biefe ifjres letdjtfertigen Sinnes unb 
33enef)men§ falber einer folgen Sluffid^t e$er 
beburft fcätte. $ie Butter fpradj jmar menig 
mit Seile, mußte au$ wenig ©emetnfames ju 
berühren, §öd)fiens baö Stetten ber SBäf$e / 
ober bas (Sinmadjen ber grüßte, ober bas 
Drbnen ber SBofjnung, aber ftc gab tyre Siebe 
unb £eilnal)me e§er als früher ju erfennen, 
als wollte ftc eben baburdj, baß tyre fdjmalen, 
faltigen, abgearbeiteten fiänbe Seiles fiaupt 
[treidelten, ober burdf) ein jttlles Sädjeln i&rem 
ßinb bebeuten, baß fte es f$on »erflehe, unb 
eben baburd) es fd&ttfcen. Sugleidj seigte bieS 
©orftdjttge, teilne^menbe, beforgt we^renbe 8e* 
nehmen, baß fte nun aud) it)re jüngere fcodjter 
ntdjt mef>r als ßtnb betradjte unb in tyrem 
©eifte ftc ftd& felber gleidjftelle ; Seile fei x>on 
jenem työridjten ßuß an tljr glei$ geworben 
unb bebeute nun, mas fte in jener früheren 
3eit bebeutet $atte: ein atmenbes, fdjönes ©tttd 
trbifdjer $er§eißung, fetbft doU 2Bunf<$ na<$ 
Erfüllung, oott fioffnung unb Sebensfe^nfudjt. 
Sugtetdj freute ftd^ bie Butter, ftd& gum erflen* 
male in iljrem ßinbe ju finben, ja in beffen 
flarem, unoerftelltem 2Befen ftd& ju fpiegeln, unb 
äuglet<$ mar tyr um bas ©<$idffal ber kleinen 
bang, bie nun aus ber gefaljrlofen ftinb&eit in 
jene SBelt gebrängt mar, oor ber fie als Butter 
forooljl ©d&auer als f$mer§li$e Suft empfanb. 



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— 33 - 



©ie fjätte über Seile* fiaupt beibe fcänbe jum 
@<$ufe galten mögen unb wieber jugleidj olle 
fdjönen ßeibenfd&aften unb Söogen ber ©efü§te 
intern ftinbe wünfdjen, bie fte felbft fo f^metjU^ 
erfeljnt, geahnt, nie gefannt hatte. 

2lnber* verfielt fi$ bas alte gräulein. ©te 
war auf Seile etferftidjttg, bie if)r i^ren @bl 
na^m. Site beffen Altern geßorben waren/ blieb 
bafi Äinb bie erfien fünf 3af)re feine« Seben* 
auf bem Sanb in ßofi, wo ba* g-räulein nur 
hin unb wieber bie Seute auffudjte, bie e* in 
Pflege Ratten. 211* ber ßnabe aber in« ©d)ut 
alter gefommen war, waren 3*ü unb $fli<ht ba, 
if>n ju jtd> ju nehmen, ju pflegen, $u erjie^en 
unb fein £eben in bie iganb ju nehmen, ©ie 
war bamal* in ber 9Ritte ber breifeiger Qa^re 
unb bürbete ftdj viel 2ttühen unb ungewohnte 
SBefdjwerben mit ber (Srjiehung be* änaben 
auf. Unb von bem £age an, ba fte <5bt 
ju (tdj nahm, l)atte fte ftdj felbft aufgegeben, 
foweit bte§ jemanb vermag, nicht ohne bafj fte 
gerabe burch ihre 2:^at fidj felbft wieber erhob, 
ihrem Seben ©inn unb SSebeutung gab, fid) eine 
Dichtung fefete unb fo wieber ft<h felbft fiärfte, 
ba6 fte eine igerrfdjaft ausüben burfte unb all* 
mählich fi<h an Sterte gewöhnte, bie von ber 
Statur ihr vorenthalten, burch ba* Seben gefdjenft 
würben. ©ie lernte mit bem Knaben, ©ie 
braute ben jarten unb fdjwädjlidjen bur$ 
vielerlei gefährliche Äranfyeiten, bie fein Seben 

Otto ©toe&t. Heile. 3 



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— 34 



ein paarmal in $rage fteUten. Sie pflegte 
ihn unb freute fi$, wie er ihrer verdorbenen 
©d&meffcr glW). Sltfi er ins ©gmnaftum 
fam, l)atte ihre $errf<$aft ben erften ©tof3 
bepe^en, benn ntd&ts entfrembet bie SKenföen fo 
fehr, als Untertriebe bes SBtffens, bie fofort 
SBerfdfjtebenheiten ber ©eftnnung hervorbringen. 
2)a fegte fte ftdj benn gleid) mit ihm ^in unb 
lernte lateintfdje SBofabeln neben, mit, t>or ihm, 
ja fte mürbe itjm balb überlegen, beflinierte unb 
fonjugterte mit ihm unb mar auch nodfj ^ier feine 
Severin ; fogar mit bem ©rted)if<hen tfjat ftc es 
fo, unb in biefer &errf<haft über fein Seben unb 
feine Seele mürbe fte auch burdh ©bis fanftes, 
hilfebebürfttgeS SBefen unterftüfct, ber uon felbft 
auä 5)anfbarfeit unb innerem iErieb fein ©£= 
heimuis oor ihr ^atte, ihr jebe fd&ledjte SRote 
erjagte unb jebes rauhe SBort ber Sßrofefforen 
mit ihr nodj einmal burd&lttt. Unb als er aufs 
Dberggmnafium fam, liefe fte ihn nicht allein 
bie gefährlichen Srrfafjrten bes Dbgffeus mit* 
machen unb bie Sewunberung ber fcelena. Sie 
lad ft<h burd) bie fdjönen, rottenben ^ameter 
tapfer burdj, bie fte mie eine ftetige glut über 
baß grtechifdje SJteer trugen, fogar ju ber 
3auberinfel ber ßatgpfo unb ben Verführungen 
ber Äirfe. 

Sftun aber füllte fte jum erfienmal etmas 
grembes, SReueS, Unbefanntes ätoifdjen ftdj 
unb ihm. 3h re fcerrföaft, alle gegenfeitige 



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— 35 — 

Offenheit, ja Siebe festen in ©efahr. %fyxt 
©iferfudjt war wadj. SMefeS alte graulem war 
bem @bi mehr als eine Butter, er tf)r mehr 
als ein ©oI)n. 9ton mar er ^erangeroadtfen, 
fdjön, blaß/ üon »ornehmer ©tiHe, ruhigen, 
freunblidjen SBefens, babei certraulidj, unfd^utbig 
wie ein ßinb. Unb fte liebte ihn mit ben 
mütterlichen ©efühlen, bie ihr vom Seben ge* 
fd^enft worben, unb äugleidj mit einer un* 
bewußten, feufdjen gärtlidtfett. ©o ahnte fte 
gteid) alles aus (SbtS ueränbertem 2Befen, au« 
feiner häufigeren, glühenben fieiterfett, wieber 
aus feiner nadjbenflidjen unb freunbltdjen ©tille, 
wie er bie geringften Urfadjen für feine an* 
mutige Saune angab unb bodj barüber errötete. 
Slber fte hütete ftd) wohl, aud) nur ein SBort 
ju fagen. 2tber au<h ihr ©Zweigen war fdjlimm, 
benn es erwedte in @bi Befürchtungen. %foxt 
©iferfudjt äußerte ft<h inbeffen in Derftedftem 
©eufjen unb ungewohnter ©djwetgfamfeit. 
Unter allem ebenfo fliUen, wie fd&weren ßampf 
litt @bi fefjr, befonbers unter biefem Sieben* 
etnanberuorbetfpred)en, unter ben 23liden, bie 
mehr als SBorte flagten, unter ben SBorten, bie 
fdjeinbar abftd)tslos uiel bebeuteten, unter ben 
©eufeern, bie ungerechte 2lnflagen waren, benn 
er war ftdj feiner Unbanfbarfeit ober geringem 
Siebe gegen bie Stonte bewußt, ©o lagen alle 
beteiligten in einem umfo flimmeren Kampfe, 
als er ganj fiitt, aber unter tiefen ©efühlen unb 

3* 



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- 36 - 

Sd)tner$en gefämpft würbe. Seile unb @bi 
tnbeß gingen, jebefi einfam unter ber Safi i^red 
©eljeimnifTes gltidttidfj gebeugt, unb alleö anbere 
f$ien i^nen aeräd&tltdj, ja baß ©e$eimni$ an 
ftdj wollte t^nen alles bebeuten unb fte weiter wenig 
begehren (äffen, weil fte ftd) abftd&tlid) auswichen, 
ft<$ anwürfen aermieben, wenn fie ftd& trafen; 
nur ju Iädjeln ftdj trauten, wenn fte allein 
waren. So grüßten eigentlich beibe immer nur 
bas ftraumbttb bes ©eliebten mit ben fdjönften, 
ungefagten SBorten unb liebten bie (Srtnnerung 
unb Hoffnung, bie rofenf^immernben fernen 
mit ber reinften gäxtlityhit Sie fudjten ein* 
anber, wenn fie glaubten, ber anbere afjne ntdjts, 
unb waren bef^ämt, wenn fte ft<$ glüdlfdj 
geirrt. Sie wußten ft<§ in iljren ©ebanfen naty 
unb fürchteten ftd) vox einer SBirfltdjfett, bie nie 
ben 2Bünfd&en gletdjt. Stoß SBunberbare aber lag 
in tynen, wie eß immer bie 3ftenfdjen ftnb, bie i^re 
SBunber erfdjaffen unb löfen. öeibe waren fo 
glüdlid), weil fte nur in tyren träumen ein« 
anber an ben fcänben gelten unb ftd) feiig 
juläc^elten, weil fte einanber bie fü&efien SBorte 
gaben unb bie unerhörtere Schönheit nur in 
©ebanfen anbieteten unb ntdfjt vom ßeben 
entläufst würben, beffen berbereß 2Birfli$feitß* 
glüd fte )u ertragen trietteidjt ju fd&mad) gewefen 
wären, inbeß i^re Seelen, wie bie fdjfanfften 
Säulen, einen ganzen SBunberbau von Xräumen 
fu$er unb tyttU$ trugen, if>re Seelen, bie 



— 37 — 

unter bes Sebens geringfler Safi fcingebrodfjen 
waren . . . 

Salb ma$te ber Sommer biefen träumen 
ein @nbe. (Sbi ging mit feiner &ante nad) 
Steiermark unb Seile bereitete ftdj jur 2lufna$me* 
Prüfung in bie 2ef)rerinnenbilbungsanftolt oor, 
wobei fte über ben fd&mierigen Aufgaben tyre oer* 
gangenen Sage vergaß aber bod) immer bur<$ 
ein gleite« ©lücfsgefü&l frofc gehalten mürbe, 
bas fte im ßeben geljen lieg, als fdjwebe fte unter 
einem Gimmel von fietterfeit unb einer Sonne, 
bie baß ©eringfte mit ©lanj erfjob. 2Bas fte 
t^un unb treiben mo$te, befam in tyren 3lugen 
eine $öl)ere Sebeutung, unb es mar tyr, als 
mürbe ityr 3immer, ober tyre Sd&ul&efte ober ber 
borgen, menn fte ft$ nadj gutem Sdtfaf 
erl)ob, ober ber Sttbenb, wenn fte ftdj nieberlegte, 
unb alles, maß fte trieb unb tf)at, ein Alang oon 
fanftem ©Itid, bas tönenb in ber Suft ju fdjroeben 
unb ju atmen fdjien, unb bas U)r ins Sluge fiel, 
wo^in fte fa$, bas fte einatmete, wo fte mar, 
bas fte leidjt unb fetter ma$te, mo fte ging, fo 
bafe fie {eine 9Wül)e, feine Sorge tannte, bie fte 
nidjt frö&lid) gefttmmt Ijätte. ®aju Ijatte fte 
eine rafdje Sluffaffung, orbentlidjes ©ebädjtnis, 
eine angenehme Stimme unb uerfknb ftdj gut 
ausjubrüden; fo fdjien iljr alles Sernen ein Spiel 
unb Vergnügen. 

Sie beftanb tyre Prüfung fef>r gut. (Sbi 
follte im felben 3a$re bie Natura madjen. So 



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— 38 — 



Ratten beibe ju viel 3U arbeiten, als baß fte me|r 
unb eifriger mttetnanber hätten verfemen fönnen. 
Sie ließen es ftd& genügen, an einanber ju benfen, 
was iljrer @e$nfudjt ©lüdfes genug mar. Se* 
gegneten fte einanber in glur ober ©arten, fo 
fenften ftc errötenb bie ßöpfe unb (äd&etten leife, 
fprad&en mof)l aud& ein paar SBorte miteinanber, 
babei erfdfjienen tfjre stimmen iljnen ganj fremb, 
tonlos, unb was, fte fagten fo feltfam, weit fte 
in iljrer fterne unb in ifjren fierjen anbers }u 
einanber fprad&en. Sludfj ftettten fte Rd& eins bas 
anbere gang anbers cor, wenn fte allein waren. 

£raf er fte aber, fo trug fte irgenb ein 
bunfles $teib, einen beliebigen £ut unb ging 
ganj unb gar md)t feierlich vorüber, fonbern 
Ijufdf)te an i§m vorbei, fo baß er faum wußte, 
ob fte ifjn fo oerftedft angeblicft, ob nid&t, unb 
immer wieber nur ju tf)un befam, feine SBorfteflfong 
mit ber eben vorübergeeilten SBirflidfjfeit ju ver= 
gleiten. $aum mar ber £ag um, ber fte if)tn 
jeigte, als er i^n fdjjon mieber für feine ©eljn* 
fud&t verwenbete als glüdlid&e Vergangenheit. 

©0 äf)nlid& ging es wo&l au$ ber Seile, bie 
ftdj aber ein wenig ärgerte, baß <5bi iljr gar fo 
ängftlidfj auswidfj, als fjätte fte tljm was getljan. 
■Wur, als fte if)n nadf) feiner SRürffunft jum erften* 
male fa^, mar es ju einem ©efprädfj gefommen. 
©ie Ratten ftd& im ©arten getroffen, auf einmal 
ftanben fte ooreinanber, fonnten gar nidfjt aus* 
weidfien, was ifjnen audf) nidfjt fdf)idttid& erf d&ienen wäre. 



— 39 — 



„®rüß bid& ©ott Seite." 
„©erous, (SM." 

Sie reifte tym ein btßd£>en fcögernb bie &anb, 
bie ex langfam ergriff, worauf fle fd&nett, wie 
von einer großen Überwinbung mtibe, bie Slrme 
ftnlen ließen. 

„2Bie ift's bir benn gegangen, @bi ? 3)u warft 
in Siegen • . . * 

„%a, Seile, e§ war fefjr fd&ön bort." 

„2Birftidj, §aft bu bidfj gut unterhalten?" 

„D, wunberbar." 9ton fdf) wiegen fie unb 
tädjelten einanber &u, benn fte Ratten ft<$ äugleidfc 
fe^r oiel Großartige« jueinanber gebaut, unb 
jebes SBort bebeutete gang etwa« anberes, t>iel 
mefjr, als i&m nadf) ber ©pradfje jufam. — 
$)ann fragte ©bi wieber: 

„Unb wie ifl benn btr's gegangen, im ©ommer, 
gut?" 

„D, idfj banfe fe&r . . . 3<$ §ab' riefig mel 
gelernt. 3$ f)ab' meine Prüfung befianben. 
3«fct muß iä) aber lernen gelten . . ." 

„3a, i<§ muß aud& lernen, Satein!" 

„©ertms, @bi." 

„2lbteu, Seile." 

©o fdjieben fte ooneinanber . . . @$ blieb 
tynen aber von btefer Begegnung eine ©r* 
innerung, als wäre 2ltemraubenbes oorgegangen. 

@o fam ber &erbft, ber SBlnter, unb bie 
Äälte madjjte es unmöglidf), ft<$ im ©arten $u 
treffen. SDie Seit fdf)ien rafdf) alle« gelöfi §u 



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— 40 - 

haben, roas fte in einer frühen ©tunbe für einen 
Slugenblid burdj einen Aug gefeifett hatte. Unb 
baS gräuletn 9J2ün^retter mar fo beruhigt, baß 
fie Seile fogar toieber gu fid^ einlub, wohin aber 
Seile nur fehr feiten ging, weil ihr jefct bas 
ganje 3immer fremb, ernft, fetnblidj fdtfen, fie 
felbft fidj in ihrem erften langen Äleib fteif 
benahm, nichts Drbentlidjes herausbringen fonnte, 
unb auch @bi mit feiner Safföimme, bie 
5U feiner jarten, blonben gigur fo gar nid&t 
paßte, fehr fomifd) war, nichts in fagen 
wußte, nidjt fafe, nicht ftanb, fonbern hilflos 
herumging. Unb bas gräulein 3Rtin<hreiter felbft 
war immer ernft, als fyabt fie ein ©dtfdfal t>or 
fid), ein tragifäes Dpfer im ©inne, benn fie 
hatte fi<h entfchloffen, ihrem (Sbi au<$ bie« zuliebe 
ju thun. Sßun aber fäien er ihr feinen fonber* 
lid)en ©ebraud) baoon ju machen, fonbern mich 
jebem ©efprädj über biefen ©egenßanb forgfam 
aus; fobalb fie ben tarnen Seile hören ließ, 
murmelte er eine unbeutlufce Antwort unb ging 
in fein Simmer, fo baß ftd> bas gräulein föon 
gar nic^t mehr ausfannte unb fich mieber über 
bie fiberffüffigfeit ihres Opfers ärgerte; nun 
märe es ihr fogar recht gemefen, eine Setbenfehaft 
gegen ihr eigenes ©iferfudjts* unb Stngftgefühl 
ju befötifcen, }u förbem, um ein wenig bie @itel* 
fett eigener ©eelengröfce in empfinben unb an 
ber fcöhe ihres Opfers bejfen Sraurigfeit ju oer* 
geffen. 2)afc fie in biefe Sage nicht tarn, fränfte 



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— 41 — 

fie eigentlich 6bi aber (ernte jur Natura, unb 
aud& Seile fdfjien äße« aergeffen ju haben über ihrer 
Schule. 

$ort war fte bie Süngfie unter (auter reifen, 
weiblichen SBefen, einige waren barunter von 
großer ©dfjönheit, fd&on ganj erwad&fen, anbere 
fdjon fo von bem @rnft ihres Berufes erffiflt, 
bafc fte fd&on beffcn ©ebärben unb Spraye Ratten, 
ft<h als fünfttge 'Sehrfräfte' füllten, ben Sebent 
emft in ©ang unb SRebe geigten, alle aber waren 
in ben weiblichen ©eftihlen fehr in i&aufe, bie 
einen aus gärttidjen Erfahrungen — bie frönen 
würben alle von treuen greunben vom ßurs ab- 
geholt — bie anberen au« ber Seftüre, unb 
gerabe biefe theoretifch ©ebilbeten {hebten bie 
eifrigfte, fad&lichfte Unterhaltung über bas an- 
genehme SBiffenSgebiet an. Unb es würben bie 
fedften S)tnge, bie man ahnte, faum wußte, be* 
fprod&en, bamit ftdfj bie gegenfeitigen Erfahrung^ 
fragmente ergänjen unb ein SRofaif von Ste 
fenntnis btlben möchten, bas burdfj bie glühenbe 
^phantape ber reifen 2Räbchen garbe unb Ein- 
heit befäme. SDas Semen, bie ©d&ule war 
freilich bie igauptfad&e, würbe aber burch berlei 
gabeljwifd^enfpie(e reijenber. (Ss fielen bie Er* 
Zählungen ber f e<f flcn Stebesabenteuer ; orbentlich 
$weif<hnetbige unb heutige Situationen würben 
jur ^r^olungöpaufe oerwenbet. 2)a aber alles 
voll Übermut gefd&ah, unb bie SDiSjipUn fogar 
biefes fonfl bem ©d^uljwang ferne Hilter in bie 



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&eiterfeü unb fttnberhafitgfeit bes SemenS unb 
SluSfragenS jurüdführte, befam es einen gewiffen 
- 9tei$ unb würbe feine« ©efctyrüdjen ziemlich ent* 
lebigt. £rofcbem aber war unb blieb Seile in 
ben ganzen vier Sahren, mährenb fie mit biefen 
großen, üppigen, reifen SRäbdjen beifammen war, 
unter ihnen bas ßinb, fogar als fte gewadjfen 
toar, weil fte in ihrem SBefen bie Äinb^eit be* 
wahrte, bie ihr träumenber unb unfteter ©cift 
hatte, weil alle ihre 2Borte, alle ihre ©ebanfen 
wie unter einem ©dreier ber Unerfahrenhett, 
Stynung, ©ehnfudjt innig leuchteten. 'Seile, ba« 
Ätnb/ hieß fte alfo unb ärgerte ftdj ntdjt wenig, 
wenn bie f)übfdjeften unb weiterfahrenden 
Kolleginnen cinanber bie Abenteuer ber ©posier* 
gänge, bes SRachfieigens, bie Äühnhetten von 
füllen 3ufammentünften / bie 3ntrtguen masfenhaft 
unb abenteuerlich burd&geführter ßorrefponbengen 
erjagten unb fofort, wenn fte ba&ufam, errötenb 
unterbrachen, ober, wenn fte, im befien Berichten, 
fid) fcf)on gar nicht flören laffen mochten, einfach 
fagten: „Seite, ßinb, geh' weg, baß ifl nichts 
für bt<h." Vorüber Seile immer fehr erbittert 
war, ft<h beletblgt, oerfannt fühlte unb immer 
bei {ich ba<hte: *2Benn ihr nur wüßtet, was i<h 
erlebt habe! was ich weife T 

dagegen erfannte man ihre Überlegenheit im 
Semen gern unb willig an, unb es fchien auch 
nach ber allgemeinen Slnftdjt für Seile, bas ßinb, 
nur recht unb billig &u fein, wenn es brat) unb 



— 43 — 



folgfam feine Aufgaben lernte unb ben ©roßen 
$alf, fte abfdfjreiben Keß. £>a faßte bann freiließ 
feine: „Seile, ge&' weg." Sötelmeljr ptföelte 
man fie unb fd&meidfjelte i&r unb pries tyren 
gleiß unb ifjre äenntniffe, fo baß fte bitter* 
freunblidfj nadfjgab. 

2lud& im Singen na&m bie lodere ©efeflfd&aft 
iljre igtlfe in 2lnfprud(j, unb bie« mar Seiles 
größtes unb föfllidfjftes Vergnügen, benn fie tyatte 
ein gutes @el)ör, eine laute, Ijelle Stimme unb 
liebte bie alten Sieber feljr, bie man alle lernte, 
bagegen Ratten oiele ifjrer ÜJUtfdjüterinnen meber 
Stimme, nodfj ©efjör, no<$ Suft gu fingen. S)er 
©efangSle&rer, ein alter, guter unb gütiger 
9J?ufifer, ber ja mußte, baß fein ©egenfianb 
nidfjt ber aflemrid&tigfte, na^m es nid&t gar fo 
genau unb gab ftdf) nur mit ben begabten 
2Rül)e, inbes ü>m bie übrigen gleidfjgittiger 
roaren. So lernten alfo alle bie, meld&e entmeber 
feine orbenttid&e Stimme ober feine Sufl Ratten, 
in fingen, gar nidfjts, ja, fie fauften fid) nidfjt 
einmal U)re uorgefdfjriebenen Sieberbü^er, fonbern 
ein §eft ging oon &anb ju §anb; mürbe aber 
eine gum Singen aufgerufen, fo mußte fte fidj 
fd&on ju Reifen. Sie fd&led&tefien Sängerinnen 
Ratten nämlidf) iljre ^läfce neben, vox unb hinter 
Seile gewählt. SRicf ber Sefjrer eine auf, fo 
befam Seile einen järtlidfjen SRippenfioß unb ein 
bro&enbes Säbeln traf fie. darauf er^ob ftdfj 
bie Sd&ülerin, öffnete ben 2Runb in oorgefd&riebener 



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— 44 — 

SBeife unb madfjte alle ©ebärben befi ©ingens, 
tnbed Seite, forgfältig hinter ifjr fieft unb bie Stedten 
ber t>ome ftfcenben gebedft, mit i^rer tauten, 
gelten Stimme fang, bafj e« eine Art hatte, 
jebesmal unb jebes Sieb mit ber gleiten Suji 
unb greubigfett, fo baf$ fte moty pan&tgmal ben 
Slbenb lobte, ober bie SBanberfcfjaft, ober bie 
©onne, ober ben Heben fierrgott ber ßinbertieber 
ober bie Suft befi 2RülIer$, ober bes SBeildfjens 
Hoffnung unb glücflid&en Siebestob. 3&r gef$af> 
bamit eine greube, ben anbern ein 3)ienft, fo 
blieb ed bei biefem gutmütigen ^Betrug, ben ber 
alte &err trielleidfjt jlitt lädfjelnb merfte, aber immer* 
$in gefd&ehen lieg, nur fi<$ hödf#en$ einmal ben 
©pafj machte unb eine ber ftummen unb bodjj agier* 
enben Sßerfonen mit Seiled ©efang ju (Snbe fommen 
liefe, bann aber fagte : „ffiiffen ©te, id& $ab' ©te 
ntdfjt orbentlidf) gehört, fommen ©ie einmal fjerau« 
*u mir. " 9ton mar bie Verlegenheit frei£td& groß unb 
bas ©elädfjter, wenn bie Aufgerufene gar feinen 
regten Xon Ijerausbrad&te, allerlei verlegene @e* 
bärben tjatte unb hilflos um fufc fa&, Seile aber 
tief errötenb, oerlegen, frol) unb bef<$ämt fet)r tief 
in ifjre flöten ftdfj vergraben Oatte. 3)ann gabes 
eine fd&er$afte 3)rol)ung beö Sefjrers, fo etwas 
btirfe ntd&t me&r oorfommen, worauf basfelbe©pie( 
in ber näd&ften ©efangßftunbe roieber begann. 
Seile oerbiente ftdfj alfo reblidjj i§r 'SSorjüglidj* 
im ©ingen unb jetdjjnete fidfj mültfam genug oor 
ber ßlaffe unb für bie klaffe aus. 



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45 — 



SDer SBinter war Eingegangen. (Sbi mar 
nunmehr unmittelbar vov feiner Prüfung, ganj 
©ergraben in feinem ßatein, ©ried&ifdj, in feinen 
matyemattföen Semetfen unb p&pfttalifdjen Sei)* 
fäfcen, fo baß er garntdjjt ben blü&enben Samt 
be« grü^lings wa$rnal)m unb auf bie eigene 
rafd&ere ©lut unb fe&nfüd&tige 3Rübigfeit be$ 
Äörperö md)t artete, ber audj oon ber Warfen 
Slnftrengung ju fränfeln begann. Qx litt unter 
Äopffd&merjen unb begann ju Ruften, fo baß 
feine £ante roteber große SBefürdfjtungen für tyn 
§egte. dagegen war Seile frifdfj unb non un* 
&erftörbarer 3rö§ltdf)feit, als ptte fte fogar alle 
bebrüdenbe ©e§nfudf)t, allen 3weifel oergeffen. 
©o blühte fte mit ben Blumen, fletterte na<$ 
wie vox auf i&ren Sinbenbaum, trofcbem fte bod) 
fdjon groß war, unb begann fogar fdjon bas 
treiben unb bie Abenteuer ifjrer ©djjroefter ju 
t>erftef)en, bie fefcon Salle mitmad&te, fkatylenb 
Dom £anjen ^eimfam, mit ben baroden Xanfc 
orbnungen unb Emblemen, bie fte über tyrem 
©<3&reibtifdjd)en auffing, unb mit ben Meinen, 
uerbäd&tigen Briefen, bie fte nidfjt über tyrem 
©<$reibtifd) auffing, fonbem Dielme^r fetyr ftiU 
Derjietfte, rofig unb Reiter mar, von gelaffener 
unb mieber audgelaffener Sebenaluft. 

©inen £ag cor feiner SJtotura traf Seile @bi 
im ©arten, er mar fo blaß, baß fte tränen 
barüber fpürte, unb fo ftitt unb errötete fetp, 
benn er wollte mit if>r fpredjen. (Sr füllte, ba6 



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— 46 — 



nun für ifjn bas Jünglingsalter beginne, wenn 
er ber 8d&ule auögefommen wäre. Unb er badjte, 
Seile roieber anjureben. 

„®rüß' bid& ©Ott, Seite." 

Seite nicfte mit ganj teifem Säbeln . . . 

©ie faß auf ber SBanf. Unter ben btti&enben 
SBäumen. 

„Seite, morgen fcab' i<$ Natura." 

*3<*/ wirft bu burdjfommen ?" 

„3$ weife nidjt, bie 27totf)ematif . . 

„@bi, fannfi bu fd&roinbeln ? V 

@ine SBeite mürben alle Sflögtidjfeiten ber 
Prüfung erörtert. @bi mar fefjr oerjagt unb 
fürchtete fid), er trauerte orbentli<§, fo fe§r 
tjatte es bie ©d&ule oerfianben, einen garten 
Knaben bur<# bie übelangebradjte Strenge tyrer 
Se^rer unb 3Rett>obe jur größten Stngfi $u bringen, 
ftatt if)n mit freubiger Siebe jum Semen &u er* 
füllen. Seite füllte großes 2JMtleib mit (Sbi, 
öeffen <Sd^idfal, fo gering ed ja in äBtrftid&feit 
mar, fie als ein gar gufunftftfdjroeres empfanb. 
<5r mar fo blaß. 2Bie fann man nur fo teife 
fein. (Sr fpradfj fo ftifl unb t>atte fo große 
Stufregung. Stuf einmat mar jie mie eine Königin 
ober ©eilige, bie mit i^rem Sädfjeln SBunber 
tt)ut, mit ttjren feinen fiänben bie SBunben 
fließt ... ©o ftegreidj füllte fie jt$, baß Heine 
üfläbd&en fam fid^ fe§r groß unb ergaben oor. 
SBenn fte tfjn nur tiebte, fonnte tfjm bodjj nt$te 
gefdjjefjen . . . 



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— 47 — 



Unb je|t beugte ftc ftd) tangfam, nidjt fdjeu 
unb unbetmtfjt wie bamals über i§n, ftc fianb 
vor tym, legte tangfam tyre 2trme um feinen 
&ats unb/ als wollte fle if)n in lädjelnben 
3auber einlüden, faf) fte ityn an unb reichte itjm 
tt>re Sippen,, ba& er oon i^nen ifyre rojtge 
©eiterfeit unb Suf* neunte ... (Sbi fügte fie 
lange . . . £)ie Spänen famen ü)m in« ©eftdjt, 
aber fte läc&elte, 'jefct mtrfl bu fd&on burdj* 
fommen/ badjte fte fid). 

„£afi bu mi<$ nodfj lieb, Seite?" 

darauf aber faßte fte nichts, fonbern Ijing 
ftd) in feinen 2trm unb ging mit itjm fjinaus 
ins greie, über bie gelber unb gegen Sainj, wo 
baß Korn grün unb bufdjig ftanb, an ber Capelle 
vorüber. @s mar lebhaft unb Reiter, man fal) 
bie Serdjen, mte fte jau<$$enb in bie Süfte fliegen, 
immer fjb&er, bis fte roirbelnb im SBlau bes 
Rimmels uerfärnanben, unb plöfelid) wie fdjwere 
©teine ins gelb nieberfanfen. Seite unb @bi 
gingen fianb in fianb unb fpradjen nun t>on 
ganj gleidjgiltigen fingen, von ber S^ute, oon 
ber Prüfung, von ben Siften gegen bie Se&rer, 
wobei Seite fo fabelfjaft f$laue 93orfd)läge t§at, 
baft @bi auf einmal lädjelnb fagte: 

„Siftenerftnnenbe, £od)ter bes &tvi*. u 

2)abei badjte er wieber ans ©rtedjtfdje, aber 
otjne Traurigkeit . . . 

Sie fannen aber ba$wtfdjen SBunberfdjönes, 
unb 2Bunberfööne$ raufdjte i§nen aus ben 



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blonben gelbem ju r aus ber bewegten ßuft, 
aus ben Serdjengefängen unb aus ben blauen 
fitigeln, Die ben SBlicf begrenzten. 

SRad& Sonnenuntergang famen fie $etet, 
trunfen unb jiarf von ber grütylingsluft, von 
tyren ungefagten ©ebanfen unb jtngenben ©e$tu 
fugten. 

®as fträulein 3Ründjretter aber fal) ben (SM 
freunblid) lädjelnb unb guter Saune, wie er 
fdjon lange nidjt gemefen. ®r beftanb bie SWatura. 

* 

3m folgenben SBinter erging fu$ (5bi mit 
(SKfer in ben neuen Suflgärten bes SBijfens. 6r 
ftubierte $I)ilofopl)ie an ber Unioerfttät. @r 
füllte fidj in einer neuen SEBelt, als fei 
er früher in einem bumpfen SBinfel gemefen. 
•fteue Sfteidje waren x>ox tfjm, er fianb vor 
föfiltdjen Pforten; bie jungen Seute, bie er 
traf, fd)ienen if)tn t>otter 2Bunber, fo waren alle 
ifjre ©eelen glitfjenb, trunfen von ber Suft ber 
greifet, von ber %Mt iljrer 2?age, bie beglänst 
unb Reiter vor tynen lagen, von bem Seben, 
bas feine ©djroere tynen verbarg unb tynen 
mtiljeloa*felige Ernten aerftfefc. Unb er felbfi 
war franf, feine Sunge mar angegriffen, aber 
bafi ftieber feines Körper« gab audj feinem ©um 
bie ©lut einer rafenben ßebenslufi, einen uns 
gemeffenen £)urft na<$ allen ©<$ön$eiten unb 
geahnten greuben. 



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— 49 — 

ttm biefe 3eit lernte er ben jungen Saron 
ipermamt Sflensborf fennen, ber an ber Umoerfität 
Äunftgefdjidjte fiubierte unb jtdj jugleid^ jum 
©änger ausbilbete. SMefer wofjnte mit feiner 
Butter im -fteben^aufe, unb fte Ratten ben gleiten 
SBeg in bie ©tabt, ben gleiten 2Beg wollten fte 
miteinanber in bie ftreunbfdjaft, in bas SBiffen, 
in bie 3u^unft gefjen. ©le fdjloffen fidj balb fo 
eng aneinanber an, tt)ie nur fo t>erf<$ieben 
©eartete ftd) aneinanber aufstießen fönnen. 
®a§ $erf$iebene binbet jid) ja fo unlösltdj 
aneinanber, bas grembe gliebert jtdj, 3<*rtes mit 
i&artem, ber (Smpftnbfame mit bem Sronifdjen, 
ber ©tille mit bem ßeb&aften, ber Träumer mit 
bem Vernünftigen, nrie bie 3äfae eineö Stabe« 
fidfj in bie Süden bes anbem fügen. @bi oerbanb 
ftd) in g-reunbfdjaft mit biefem ^ermann, ber 
fein oöUige« SBiberfpiel mar. (Sbi mar blaß, 
fdjmädjtig, franf, fdjüdjtern, Hermann gefunb, 
berb, oon grober, nrilber Sebenslufi, er fjatte bie 
getoöljntidje ©eftalt ber beliebten ©djaufpteler 
unb Seibenjünglinge. <§r trug biefen ßalabrefer, 
Ijatte ben gemijfen ftoljen ©d)nurrbart, ben 
übermäßig aufregten ©ang, bas felbftbettmßte, 
eitle SBefen, o^ne otel SBilbung §atte er ein me^r 
felbftgefäHiges, als tiefes 3iel. ®er 3Rul)m be§ 
©ängers, ntdjt bes ßünftlers fd&mebte tym oor, 
bie Erfolge bei ben grauen fd)meid)elten tym. 
ülftefjr bas bonnerglei^e Sollen, ber bejaubernbe 
ßlang ber ©timme, als bie tiefe, unenblidje 

Olto Stoefef. 2etle. 4 



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— 50 — 

gfüfle, als ber unermefjtidje ©inn ber £öne 
beraufdjte iljn. üßid)t von ber 3Jtoftf in eine 
neue SBelt ftdj tragen taffen, von ben glügetn 
eines Ablers ju ben igöljen, wo in ben erljabenften 
Harmonien SBelt unb Seben, £raum unb 
2Balj>r§eit, Srblfdjes unb SQmtng gebunben unb 
t>erfdjwi|lert wirb, war feine Segterbe, als 
Dielnie^r bie ©<$meidjelei ber ©ewalt, bie er in 
feine $e|le gu bringen fjoffte. SRtdjt ber ©tnn, 
blo§ bie todenbe gorm beffen, was er trieb, 
beljerrfd&te tyn. @r war in eine 2Botfe eine« 
bieten, glei<$förmtgen <5ntf)ujtaSmuS gefüllt, bie 
tyn nirgenbs verlief fo ba& er alles ebenfo 
laut, wol)lflingenb unb mit fd&öner ©ebärbe füllte, 
wie ein (Sänger ben ©efang. ®r fannte ntd&t 
ben ©djmerj über $ütge, bie beut ©lüdttid&jten 
ft$ verfügen, er wuftte nidjts von unerfüllbaren 
Hoffnungen, oon ber SBoUufl, feine eigene Qual, 
bie SRidjtigfett feines ©elbft ju fud&en. Mie 
leu^tete er in fidj hinein. @r war wie eine 
fdjöne, fonnige (Sbene, bie aber troßtos werben 
fann, wenn bie ÜRebet unb bie ©tnförmigfeit ber 
fdjted)ten &tit über fle ^injie^n. (Sr hatte feine 
dualen, für iljn gab es fein Söerjtd&ten, er 
wufjte nur um feine jaudfoenbe greube an ber 
SHrflidtfeit, er war oon gefegneter Slrmut. 
2lber in feinem engen SBefen aufrieben, barum 
einig mit jtd), immer gleidj Reiter, frohgelaunt, 
trug er feine £ürfttgfeit wie einen Sßurpurmantel, 
unb feine Sirmut fleibete if>n wie einen ftönig. 



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— 51 — 

2Ber mar Ujm gleidj? So ging er fiatttiti) 
ba^er mit feinem ftofyen $ut, gern ladjenb, weil 
er fo fäöne 3^«« ^atte. ©o t&at er nid&ts, 
bummelte bur$ bie ©tabt, es genügte i§m, |td& 
als fünftigen gro&en ©änger ju rotffen, fo fogte 
er mit überlauter ©timme — nid)ts, ober bies 
nid^td Hang mte etmas Jgerrlidjes, ßr^abenes, 
tu eil es Don greube unb SDafeinslufi orbentüd) 
überglänzt mar unb t)on einem ®ntf)ujiasmus 
erhoben, ber munberbar mar. 

@bi aber litt an ft$, er füllte ftdj ferner, 
er ptte glügel gewünfdjt ju eilen, ju eilen, 
unb f)ätte nodj ba bas ®efü$l gehabt, ni$t 
meiter 31s fommen, er §atte Mißtrauen gegen 
jtdfj felbft, gegen fein 2öiffen, bas tl)m ntd&tig, 
gegen feine SDljätigfeiten, bie fruchtlos fötenen. 
(Ss mar tl)m, als fjettte er bisher immer $tnge 
getrieben, mit gurdjt unb @tfer, bie er nun fo 
gar nid&t brauchte, mas er aber fottte, baju mar 
er ntdfjt vorbereitet. <$r feinte ftdj nadj bem 
SReuen, in bas er getreten, unb fanb leine 
Organe, es ju faffen, &u gente&en. 

@r §atte fein 3*^/ &win alles ©djöne fonnte 
es fein, feine Neigung, benn er liebte alles, unb 
alles fdjien tym mert, ein ganjes Seben lang 
erftrebt ju merben. Unb er fjatte ein paar 
3a^re l)ödjjten§. ©einen greunb aber faf) er 
jtorf, mutig, §u ädern feurig, t)on allem aufs 
fdjitofie begeifert, burd) ntd&ts fonberlid& aus 
ber gaffung gebraut. @r liebte unb fäwteg, 

4* 



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— 52 — 



jener beraufdjjte ft<$ fd&on im bloßen ©ebanfen 
an bie Siebe, in ber ©eraißljeit fünftiger ©iege. 
(Sr blitfte jur ßunft auf, jener fd&ien fte in fidj 
SU tragen. (Sr wußte für nidjt* ein 2Bort, fo 
fetyr bebrängte tljn bie Süße ber ©ebanfen, bie 
jebefi £)ing in i|nt ermecfte, ^ermann wußte 
fidj überall 311 jxnben unb überall einen tönenben 
2fosbru<f, er war in leifen S^eifetn, jener in 
jaudj^enber ©emiß^eit. Sie waren redete greunbe. 

(SM erjagte Seile nun oft unb oft oon 
feinem neuen greunbe. ©pradfj man oom ©tagen, 
fiermann mar ber ©änger, fpradfc man t>on ber 
fdjönen SHännltdftfeit, Hermann befaß fie, unb 
@bt felbfi gab für alle ©etynfudjt, bie er f)egte, 
bie ©eftolt feine« greunbes als beren Sßerförperung 
au«, fo baß Seite immer an biefen greunb 
beuten mußte, ber ifjr wie bie ^rinjen bes 
2Wärd(jenS erfdfjien, inbeö (SM ber blaffe Änabe 
blieb. 

(Sinmat gefdfjaf) es, baß Seile in intern 
3tmmer faß unb unten in ber 2Bof)nung bes 
alten gräuletas ein fjallenbes ©eläd&ter oernafjm, 
bann einen fkrfen ©efang. (Sine tiefe, laute 
Stimme fang bie 23aHabe oon Slrdfjibalb Douglas, 
oon bem fönigstreuen Verbannten, geft brö&nte 
baS Sieb, wie baS ©d&reiten eines ©epanjerten 
unb in mäd&ttg jufammengeljaltenem Stygtymus, 
wie wenn baS ©d&i<ffal felbft bie £öne gebunben 
^ätte. 2Bar (Smpftnbung im ©efang? SDas 
mußte fte nid&t. 2lber etwas äBilbes, 3Jtönnlid&es, 



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ein Sd)t(ffat, bas im Äampf unb £ob nofy 
täfelt unb ftd) feiner Äräfte freut, eine Stimme, 
bie ©efialt unb @rf$einung x>or tfjrem Djjr 
befam, tote ba$ Silb eine« Stingting«, ber oott 
2Wad)t unb jugretfenber gauft iß, t>ott ÜWuöfeln 
unb SBtHen, ficö ju lenfen unb bie anbern ju 
fingen. ®ann fang er nod) lange. Slber 
btefes: '3$ fyab' es getragen fieben 3af>r' 
flang ifjr tjaOenb im Dljr, unb tagelang Ijörte 
fte biefe bunfle, fefte Stimme. 

2ln einem 2Bintertag halb barauf traf ftc 
(SM im ©arten. 

„Seile, gieb mir einen ßujg." 

Sie f$roieg unb roanbte ft$ ab . . . 

„So liebjl bu mid) nidjt meljr?" fragte er. 

Sie entgegnete nld)ts . . . 

„So Itebft bu einen anbern?" 

(Sine feine SRöte ftieg ifjr ins ©eftdjt. 3$** 
Slugen maren gefdjloffen. Sie ftanb fHtt, ein 
Säbeln in tyrem ©eft*t. 

„©ermann . . . ?" Sie antwortete nichts unb 
roanbte ftdj. 

@bi mar fel)r traurig unb bod) of)ne 3om, 
weil er feinen greunb fe&r liebte, benn niemanbem 
$ätte er Seile gegönnt, wenn er audf) fidj if)rer 
ni$t wert füllte, weit er fte nidjt ju galten 
t>ermo$te. Sie Ijatte feinen träumen ©cflalt 
gegeben, unb itjr SRame mar baö 2Öort feiner 
Seglerben, i|r SBefen ber 2Iuöbru<f feiner 
2Bünfd)e. 2iber ©ermann, ber ftegreidje, ber 



— 54 — 

laute, frötyltdje, ber fo Reiter war, wie ber aufs 
gef>enbe £ag, bem alles gelang, ber feinen 3»eifel 
unb feine Dual fannte, er burfte fte gewinnen! 
SDies waren fliSe kämpfe. 

(SnbUd) erjagte er efi audf) bem Hermann, 
ber erft Klette, bann jornig auf Seile war unb 
erbittert, baß fte feinen greunb fo »erliefe unb 
einem Unbefannten nad#änge, fte betrüge ja 
@bt mit einem ^antom. 

9lu<$ Seile tädjelte über biefe wunberlidje 
Siebe, bie ju einem Unbefannten in ü)r auf* 
gefltegen war, fo füllte aud) fie, baß fte ein 
Sßfjantom liebe. Sie liebte ben Älang biefer 
©ttmme> fte füllte ftdj von i^r geraubt wie t?on 
ben Älauen eines Ablers, ber fte in bie un- 
befannten Süfte trage. ©ie wußte ntdjt, wer ber 
©änger war, fte träumte ifjn aber l)errifdj, ge* 
waltig, wie einen Sauber, ber Up ganzes 2Befen 
ergriffe unb fortzerrte aus ber Traumwelt unb 
bem füllen Sereidj tfjrer ©infamfeit 

2)ann fd&mäfjte fte ftd& felbft, fte bad&tc, wie 
blaß unb fanft <5bi war, fie aber wünfd&te ftdj 
bezwungen. @r war bemütig unb bat, fte wollte 
einen, ber fte unterjodjte, fte erfüllte il>n unb 
wollte erfüllt fein. <5r fäwieg, fie wollte 
iaudfaen, er war jart, fte wollte tyn gewaltig, 
©ie wußte nichts, als baß bas ©lüd fem von 
i^r war, baß fte ewig wünfdjte unb feinte unb 
nur bie träume il)r Erfüllung »erließen, fo 
träumte fte t§re ©eligfeit in ber lauten ©ttmme, 



— 55 — 

bie jenes Sieb gefunden $atte. ©ie fd&auerte 
vov ftd& felbft, aber wie man t>or buntler greube 
f^auert; fte gerflörte bie eigene ßinbljett unb 
ba* ßinbergtüd Ujre« Sugenbgefptelen, aber fle 
empfanb babei gfreube. ©ie erwartete etroa§ 
Ungeahnte«, üfteuefi, bafj fle fortriffe über ftdj 
fctbft ^inau« unb über bie ©renjen tyre« SBefen«. 

* * 
* 

@ines £ages ging fte burdfj ben ©<$ön* 
brunner $arf. fcejember. $ie Sogen ber 
SlHee leud&teten im ©d&nee/ bie Suft bebte burd& 
bie feinen 3 ro eige, unb ber flare SBintertag 
fianb fiarr unb madfjte jeben 2lfi unb jjebe fletnfte 
Sinie beutlidf>. 2Wan falj weithin über ben 
blenbenben Sßeg. Grüben waren bie Saume 
von fanftem Stau unb (joben ftdjj jart von ber 
blaffen Suft. Sitte« fd&ien in ber Äälte $u 
flimmern. Seile ging in tyrer fd&warjen ^el$* 
tnüfce o^ne ©d&leier. Sfc* Slugen glänzen ftttt 
unb ru^ig, wie ber £ag, in bem fte ging, ifjre 
Soden brangen unter ber ÜWüfce §en>or. (Sin 
fdjroarae* Äleib unb eine bunfle 3a<fe lagen 
eng an iljrem Körper, fo mar fte roie ein ßinb, 
jart unb rafdf), bie fangen gerötet/ ber üftunb 
gefötoffen, ber Äopf fjodf). ©ie träumte nidfjt. 
äiieHeic^t bad&te fte an tyre ©dfjule. ©ie muftte 
nu^ bafj fte gang frifc^ unb frei mar, füf)l unb 
Reiter füllte fte ft$, roie ber SBintertag, unb 
freubig. S)a fal) fte brüben, nodf> siemlid^ weit 



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-Be- 



weg, <5bi mit einem jweiten ge§en, ba« mußte 
fein greunb fein. Sie erfd&raf unb füllte ein 
leifes 3i^ ern / i e W * am ba* SReue. 3)er anbere 
trug einen großen, fd>roar$en £ut unb ging feft 
unb aufregt, @bi aber gefenften i&aupteß . . • 
Stun waren beibe vox tyx unb grüßten. 

„®rüß bid& ©ott, Seile." 

„©ertros, <5bi!" 

„gräulein Seile Horner, meine greunbin, 
^ermann, mein greunb." @bi fteUte läc&elnb 
oor. <5r f)atte bodj eine greube, baß biefe 
beiben einanber fennen lernen foflten. 

Seite lächelte unb neigte ein wenig baö 
§aupt. 

„3$ §abe fäon oiel S$öne§ oon 3^nen 
gehört." 

„2ludj @bi §at mir tuet oon %fyntn erjagt." 

„Wun werben mir und prüfen, nu$t waljr? 
Db alles fo ift. <5r ift ju gut, i^m gefällt attefi !" 

,,©o!" meinte Seile läd)elnb, „nun, wiffen 
©ie, fefjr fd)meid)elf)aft ift bad gerabe ni<$t für 
miä) . . ." 

Seile fanb ©bis greunb fef)r fdjön. ©ein 
©efid)t mar fkrf rote feine Stimme, fein ölid 
juoerfid&tlidS), fein Sprechen laut, er §atte fo 
bunfle Slugen. Slber nun mar er bodj ganj 
anberö, alö fie ftdj tf)n uorgeftellt §atte. 

£)en <5bi Ijatte fie oergeffen. @r ging ftiH 
unb lädjelnb neben tfjnen. 3)ie beiben plauberten 
aber balb fe^r lebhaft, roie alte Sefannte. 



b^fctogle 



— 57 — 



Sie nahmen ben 2Beg nad& iQiefcing jurtttf 
unb cerabfd&tebeten fidfj beim igaufe Hermanns. 
Seile trat mit (SM in tyr ÜRebenljau* ein. 3m 
glur mar es bunfet. 

„9hm, tote gefällt er bir?" fragte (Sbi. 
Seine (Stimme Hang ein bif$en ängfiltdf). @r 
fürchtete ftdfc jugletd) vox feinem Sdfjicffal, 8ugletd&, 
bafe fein greunb am @nbe ber Seite bod) roieber 
mißfiele. 

„©anj gut, aber id& fenne if)n ja garniert." 

„Seite, giebft bu mir einen 5tuf}?" Sie 
fa§ i$n nid&t, fte füllte nur, wie er fetjnfüdjtig 
unb angftaoH bie Sinne nadfj ifjr audffreäte. 

Sie f^miegte ftdEj einen Slugenblid an tfjn 
unb füllte feine Sippen U)r ©eftd&t berühren, 
tyren SJtunb fud&en, ftc reifte i&m bie Stirn. 
. . . 3^n Hebte ftc ntd&t meljr. 

Unb boc^ rou§te fie, bafc ftc tl)m gut mar. 
SBieüeidjt mie eine Sdf)me[ter, tnelletdjt ein roenig 
mütterlich . . . (Sr mar um ein 3*&* älter, unb 
bod& mar fie Ujm um Qa^re voraus. Sie §atte 
tt)n gefügt, als er nod) ntdjjt gebaut, bafc tyre 
Sippen jum Hüffen feien, fie liebte i§n fdfjon 
nidfjt mef)r, ate er langfam unb ooH 2lngft t>on 
Siebe ju tf)r erfüllt morben. So maren fte an- 
einanber oorbeigegangen, einer vom anbern 
anberes begefjrenb, ate in jebem gelegen, eö ju 
erfüllen. SBeibe aber mufeten, ba& fie viel 
oerloren. 

3fl bie§ bie erfte Siebe, mo man ntdfjt ben 



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— 58 — 

©eliebten liebt, fonbetn nur bie Siebe fetbfi, ift 
es benn fo gletdj, wen bie Sippen fu$en, unb 
ift es benn nur, ba& fie füffen lernen? 3fi 
jeber benn wie im 2Bfnb ein ßorn, bem jebe 
@rbe re$t ifl, wo es lanbet? ... SP ®& 
fe^, bas bie 9Kenfd)en binbet unb löft? 3ft 
unfere ©e^nfud&t nur in unß unb fjat fein 2lb* 
bilb auf ber @rbe ? 2Btr wollen unbewegt ragen 
wie Serge, unb wir wollen gefdjüttelt fein wie 
ber bemütige &alm, wir wollen uns bewahren 
unb verlieren, wir wollen und unb unfer SBieber* 
fpiel in ber Siebe, wir wollen unfere (Srgänjung, 
unb wieber flauem wir oor bem gremben. 
SRic aber fotten wir alle« finben unb ba« ©anje. 
2We S3erl)ei&ung ifi ein gabelfptel. 

Station waren Seile unb <5bi bunfel erfüllt, 
von namenlofer Trauer, von ©ebanfen o§ne 
©runb unb 3*^* 

@bi liebte mm bie Seile fef)r, aber er füllte, 
wie fie tym entfdjwanb. Unb Seile wufcte nichts 
von ftdj, nid&t, wol)m fie gefje. (SM aber war 
weit weg oon tyr, wie bie Äfiften ber Ätnb^eit. 

* 

Seile erhielt folgenben ©rief: 
„&odjoeref)rteß gräulein ! 

Söon unferem gemeinfamen greunbe (Sbt 

$abe idj fo oiel ©dfcöne« über 6ie gehört unb 

bin au<$ be« ©lüde« tetl&aft geworben, ©ie 
fennen &u lernen, ©o barf idj mir, o&ne 



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— 59 — 



aügufüljn erfdjeinen, t>telleid)t erlauben, 
3^nen biefe aufnötigen $eüen 8** fenben, bie 
©ie gütigft t>er&etyen wollen unb begreifen 
werben, weil ©ie bie Sfteunbfdjaft verfielen 
mtiffen, bie midj für (Sbi erfüllt. SBenn 
idj mid) in Syrern ebeln SBefen nidjt täufdje, 
barf id) barauf bauen, öou 3^nen Derfknben 
&u werben. (SM liebt ©ie. 2lud) ©ie waren 
iljm gut, bis meine SGßenigfeit meinem beften 
greunbe biefes ©lü<f jerftörte, oljne es ju 
wollen. @s wirb mir fdjrcer, baoon ju fpredjen. 
3dj freue mid), bafi mein ©efang ©ie fo 
bewegt, idj tyabe mid) einmal als ber fiünftler 
füllen bürfen, ber id) uiefleidjt einmal fein 
werbe, bafe id) %fyxt ©eele fo ju bezwingen 
oermodjte; unb bie größte $anf barfett erfüllt 
mid) 3^nen gegenüber, bie ©ie fo fdjön unb 
tief mic§ uerflanben fcaben. 216er idj befdjwöre 
©ie, geGen ©ie biefen ©efüljlen ntdjt SRaum, 
fo gern id) ©ie fonft bäte, tynen $u folgen. 

©bi ift mein ^reunb. (§s fei fern oon mir, tf)in 
Übles jut&un, bleiben wir greunbe, feien wir brei 
eng oerbunben, laffen ©ie mid) wie einen Später 
ben armen, franfen greunbunb feine große Siebe 
fdjüfcen. ©o fei es. 2Bir wollen uns unferer 
greunbfdjaft unb £reue freuen. Serben 
©ie mir biefen SBrief, ber Sfyntn banft unb 
jugletd) ©ie bittet, ©eien ©ie nidjt böfe 

Syrern fefjr ergebenen 

ftermann." 



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— 60 - 

Seile faltete ben 33rtef red&t nadjbentti<$, 
babei begann fte ju lädjeln, erfi judte es lang; 
fam um tyren 2Runb, bann leudfjteten bie 2lugen 
auf, bann bebten bie jarten Slafenfltigel, bis eine 
große ipeiterfeit in intern ©eftd^t ftonb. Sie 
§ätte t>or greube fprtngen mögen/ lad&enb 
freien : „fcerrgott, wie Rnb bie Suben bumm ! 
SHefe Salbung ! Unb biefe ©inbilbung ! Unb 
biefer työtjerne Stil, ber teilroeife fefjr ergeben 
unb fremb ttyut, bann roieber roarm wirb ! 2Ba§ 
ber fid& nidfjt alles etnbtlbet ! 3$ bin rein n>eg 
in i^n, ganj weg, i$ benfe nur an if>n, er fjat 
mid) erobert, er f)at ba§ ©lütf feines greunbes 
jerftört, aber er freut fidj bo<$ mel)r, baß feine 
Stimme fo f$ön tfi, als baß i$ miä) in i&n 
verliebt &abe. Unb ber @bi ift roirflidf) audjj 
fomifd), it)m bas fo gleich unb roarm ju erjäljlen, 
eine Saune twn mir. 92un roitt idfj ifjn aber 
lehren, mid) ju befjanbeln, ben fierrn 33aron. 
Seien mir eroig eng oerbunben, brei greunbe ! 
@r bütiert mir meine ^flic^ten. Unb wie er- 
gaben er ft<$ oorgefommen fein muß !" ... 

So tyatte fie einige £age mit ifjrer großen 
<Qeiterfeit ju tfjun. Sie überlegte nur einen 
flugen Sßtan, ben &errn Sänger ju be^anbeln. 

S)a, als fie einmal aus ber Schule fam, 
fal) Re ü)n mit feinem aufregten, langfam= 
feierli^en ©ang gelten, fie erfannte U)n an feinem 
9fläuberf)ut, ging it)tn rafd) nadf), unb als fie an 
feiner Seite roar, flaute fte iljn lädjjelnb an 



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— 61 — 

unb fdfjritt vorüber. 3 n intern Slid war aber 
fo riet trofciger Spott, ba6 fiermann gan$ uer* 
bufct gegrüßt ^atte unb nun erfl re$t gereift 
war, mit tyr ju fpredjen. ©ie t&at fc^r er* 
fiaunt, als er fie anfprac§. 

„3Serjeü)en ©te, mein gräulein, baß t<$ ©ie 
bitte, mit 3$nen gelten ju bürfen, ober id> glaube, 
mein SBrief bebarf nod) einiger SSBorte." 

,,©0?" . .. ©ie blidte unföulbig fragenb 
tyn an. 

£)ies oertmrrte tyn einigermaßen. Unb nun 
uerftricfte er pdf) in einer fefjr weitläufigen 
Slusemanberfefcung. <5r fagte unter anberm: 

„©efjen ©te, gräulein, td& mar fo jklj auf 
meine greunbfd&aft ju (Sbt. ©e§en ©ie, er ifl 
gar fo arm, gart, fr an!, er ifi oon 3 roe if c fa be- 
brängt, er fie^t ein, mit nrie leeren fiänben er 
in all ber güUe bes Sebens bafte&t . . ." 

„ÜRun, roiffen ©ie, fe^r oorteil&aft beljanbeln 
©ie ifjn gerabe nid&t, %1)xm greunb." 

„3a, aber es ift bod) roatyr! @r Ijat bod& 
md&ts unb niemanb auf ber 2Belt als mid> !" 

z/30/ Saron, bas fd^eint mir bodfj ntd&t 
rid&tig, ba tji jum Söeifpiel feine Xante, bie i&n 
fefjr lieb tyat unb für ifjn fdljon große Opfer 
gebraut f)at, ba bin audf) t<$, oon ber ©ie ein 
fo großes Opfer verlangen ..." ©ie lädjjelte 
babei. 

igermann faf) fie jroeifelnb an . . . „gräulein, 
©ie bürfen nid&t fpaßen, benn er oerbient es 



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— 62 — 

nid&t, unb i<$ bulbe bieg audfj nld&t, über meinen 
gfteunb . . , u 

„Urlauben Bit, id& I)abe nid&t über @bi ge- 
fpofet. er ifl ju Heb unb gut" 

^ermann füllte ftdjj unjidfjer . . . 

„Unb fef)en Bit, !aum Ratten wir unö ge* 
funben, aneinanbergefd&loffen, foHen wir toieber 
getrennt werben, nt<$t burdf) bie SBerf^ieben^ett 
unferer Naturen, nid(jt burdlj bie vertriebenen 
2Bege, bie mir gefjen . . . nein, burdjj meine 
©dfjulb . . ." 

„3)urdfj 3^re ©dfjulb, baß verfiele id(j nid&t 
$)as wollten ©ie mir rooljl erflären." 

„gräutem. 3a, idfj fcabe es %fontn i* 9* s 
fd&rieben." 

„S)a l)abe i$ biefe bunfte, fettfame ©efd&tdjjte 
au$ nidj)t oerftanben, überhaupt ben ganjen 
3med S^tes »riefe«." 

fiermann feuf$te, er fünfte {ity bo$ nid&t 
gefd&idt genug, ben Äampf mit ber steinen auf- 
junetymen, bie f<$arf unb unfd&ulbig sugletdfc tfjm 
in bie beften S^tentionen baarotfd&en fpradfj ; aber 
er füllte ftd& ungemein ebet unb tapfer, er 
wollte barauf losgehen. 

,,©ie bürfen es mir gefielen, @bi f)at ed mir 
erjagt, idf) mar gerührt ; id& fjabe ©ie bewunbert, 
3*>ren 3ttut, mit füfjn 6ie ftob; unb bafc td& 
3l)re ganje ©d&önljeit, ?fyxt ganje Seele mir 
minien faf) unb fte jurüdhoeifen mufete, bies 
mar mir fd&mer jlid^ ; idf) fdfjaue freiUd& tf)örid§t 



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au«, wo t$ Ijeroifdf) fein will, aber tdj roill 
audjj ba* auf midf) nehmen, wenn idf) meinem 
greunbe biene." 

„Sie fdjeinen mir mirflidfj fefjr ebel, nadj 
allem/ was Sie fagen, objmar id(j bie SBeranlaffung 
gu att ber gütte oon ©rofjmut, bie Sie oor mir 
ausbreiten, nid&t oerfte&e. 3<$ benfe, Sie müffen 
ftdf> rein irgenb etroaö eingebübet §aben. Sie 
§aben fdfjon im Srief fo etwas gefagt, jefct aud) 
mieber. 3$ bitte Sie, feien Sie beutltdfj!" 

„Sllfo roenn Sie e« motten! Äönnen Sie fufc 
nid&t an jenen Slbenb erinnern, mo idjj jum 
erftenmal bei (Sbt mar unb fang, bie Sallabe 
vom 2Ird&tbalb Douglas?" 

„3a." . . . 

„S)a jtonb ein gräulein, ba« jefct feljr 
fuffifant ift, in tyrem genfer unb ^ordfjte, 
ben ganzen Slbenb. Unb bann, als (Sbi Sie 
mieber traf . . ." 

„2Uj!" Seile mar errötet, in tyrem Säbeln 
mar fafl ein bt&d&en 3° rn - »Weinen Sie mel* 
leidet, bafe 3^rem ftreunb biefes ©ejiänbnifi etwas 
nüfct, unb meinen Sie, bafc id& gerührt in feine 
2lrme jinfen merbe, wenn Sie mir brao in- 
gefprod&en unb mir ^xtn (Sbelmut ftofjmetfe 
wrfefet Ijaben?" 

Fräulein Seile!" 

„3<*/ Unb weuu Sie jtd& fd&on eingebitbet 
tyaben, i<$ liebe Sie, glauben Sie, tdE) mürbe bann 
blutenben fierjens unb oott $odfjf)er$iger ©efinmmg 



— 64 — 

mtd) von Sfontti reißen unb, nad&bem bie fiälfte 
meines fierjenß an Syrern §olben SBefen ge* 
blieben, mit ber anbern föälfte reuig §u (5bi 
aurütffe^ren? £aben ©ie tyn benn fo wenig 
lieb, i§n fo ju erntebern, baß er fo ein Dpfer 
annimmt? ©ie jinb bo<$ otelletdjjt nidj)t ganj 
£erolfd) . . . ©ut, mie märe baß, i<$ gefiele 
3&nen ein, id& bin bem Sauber 3^rer ©timme 
unterlegen, bem ffißen 2Bof)llaut Sföreö Drganß 
ober ber roilben SBallabe, id& $abe mir Sie als 
SRttter im blauen ©ta^lpanjer geträumt, ber 
midj entführt aus ben bumpfen 2öirtttdf)feiten in 
eine unbefannte gretfjeü, ber midf) auß mir 
felber fortreißt. Snbeffen bemühen ©ie ftdjj 
fe^r, mid& an bie Grippe ju feffeln, inbem ©te 
mtdfj oerfidjern, baß ber fiafer ber STreue beffer 
ift, als ber junger ber ©e&nfud&t. 3$ f^ne 
mid& nad) S^er Poljen SRitterfd&aft, ©ie fottten 
miö) roegrauben, ©ie aber jinb ebel unb erbauen 
jtd) felbft an ber Jgod^erjtgfeit S^^ö SSerji^teö, 
aber tote fönnen ©ie es aerantroorten, midj in 
ben ©dfjmerjen unb Dualen biefeß Äampfeß ju 
laffen, hilflos, wehrlos, ein Opferlamm felbfl, 
ol)ne Rettung vox mir. ©ie bitter!" 

„©d&erjen ©ie nidjt, gräulein, ©ie fpielen 
mit bem geuer." 

„3a, baß fönnen ©ie freiließ ntdf)t einfefjen, 
baß baß fdfjön ift, um bie flamme ju j)uf<$en, 
rafdf) burdfouflattern unb ... adfj ©ott, maß 
rebe id& benn mit S^nen über alleß baß, ©ic 



— 65 - 

fmb ja ein SJHtter t>on ©eruf unb werben aller* 
h<mb fcelbenjünglinge fpielen, aber bafe ©ie auch 
fo abenteuerlich ftnb, felber Seibenfd&aften $u 
^aben, ^rinjefltnnen ju rauben unb fcerjen au 
brechen, barf ich 3hnen geroiß nid&t jumuten. 
3m «ßrioatleben begnügen ©ie fi<h mit einem 
heroifdfjen ©ang, mit einem großen J&ut, mit 
einem frönen ©ängerfd&nurrbart unb mit bem 
Seroußtfein 3hre* ebelmute«. * 
„gräuletn Seile." 

©r war fe^r gereift, roie fte neben ihm tyt* 
ging, mit ihrer Ornaten ©efiatt, bie §änbe im 
9Ruff, unb ganj ernfthaft fpradj, roie er fleh 
umfonjl bemühte, ihrem Slicf ju begegnen, roie 
er, gerabe roenn er nachbenflich vor ft<h hinfah/ 
fühlte, baß jte ju ihm htawtffchaute mit einem 
rafdfjen ©ettenbltd, ber fofort, roie er ihn treffen 
wollte, ft<h fenfte. <5r fah nur ihren feinen 
3^unb, beffen SBinfel ein roenig fpöttifch judten, 
ber aber boch ftdj sunt <£rnft jroang, unter bem 
einfachen, fd&roarjen Soleier ihre leidet rojtgen 
SQßangen, unb bie gefenften Siber mit ben bieten 
SBimpern, auf benen ein paar leiste ©djnees 
floden gitterten. 

©o gingen fte im ©d&neegeftöber an ben 
Dielen ^afienben -ättenfehen vorüber, fte fd&ienen 
ganj allein, unb bie grellen ^Bogenlampen ber 
ßäben fchroebten an ihnen vorüber, unb bie Seute 
gingen an ihnen oorbei, roie ©Ratten. Kur jie 
waren roirftid). Unb oieEelcht fte felber nicht. 

Otto ©toefcl. Seile. 5 



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— 66 — 



@§ war i$m, als fprädjen fte aneinanber Borbet, 
als fprä$en ^toei ©djaufpteler, al« trügen fte 
trgenb ein ^rooerbe oor, fo gegiert erföien tljm 
bie Äotte, bie er oott 33egeifierung übernommen, 
unb fptfe unb fdfcarf i$re SBorte, i$r ©<$er$, ber 
fofi oermunbete, babet ganj leife unb fafl 
fä)ü<$tern von i^ren Sippen (am. SDann glaubte 
er wieber $u füllen, tote fte in atter 3ronte 
felbfl eine füge Särtltd&fett oerffctfte, bie alle* 
jugab, was fte leugnete, wie fte ifjm i§r ganjes 
SBefen entgegenbrachte, wie ihre SBttäe ihm aus* 
ratzen unb bo<$ ihn fugten, ihre Sippen im 
(Sifer ft<h fpifetcn, wie bereit, tfjm im Äujj, ni<$t 
im ©trett ber äBorte ju begegnen, tyxt SBorte 
gugleidj eine oerfiedte ®emut Ratten, bie ftd> 
nur oor ftdfj felbfl fürdjtete, wie ein SBohlttjäter, 
ber ftdj hinter einer ftnflern 2Jto*fe oerbirgt. 
©eine (Sitelfeit mar oermunbet unb boch ge^ 
fdjmeid&elt, benn er fühlte, wie fte in ihrer 
9)a$e ft<h oerbarg unb bodj toieber heraus- 
trat. 

2Bo blieb (Sbi? . . . 

©o waren fte immer weiter gegangen, 
^ermann mürbe immer fttller, au<h Seile mürbe 
allmählich nadjbenflidjer, — follte fte ihm weh 5 
gethan haben, er mar bodj ein guter SWenfd). 
©o waren fte fdjon in günfhau* angelangt. 

wS^fet witt i$ midj aber in bie Xrammat> 
einfefeen unb nadjhwß fahren." 

„SRcin, gräulein, bitte, gehen wir bo<$, e& 



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fprid&t fi$ fo gut beim ®ef)en, unb wir $aben 
un* ja fo riet 311 fagen." 

„3a, fotten wir benn bi* gang fjinauö nad& 
&ie&tng $u gufj ge&en . . . Sie wollen mtd& au$ 
gang mübe mad&en, bamit id) 3tynen ge^ordjje . . . 

„2llfo, nad&bem idjj Sie Ijoffentlid) baju ge* 
bradjt Ijabe, einjufeljen, bafj idf> mid& in einen 
imaginären gelben, wie Sie felbft fagen, in ein 
Sp&antom oerliebt &abe, Witt id& Sie red&t fef)r 
um (fntfäulbigung bitten, Sie gu S^rer Übrigend 
begreiflichen Torheit oerantafjt ju fcaben, fid^ 
perfönlt$ getroffen ju füllen, maß Sie aber 
etgentlid) m<$t Ratten müffen, ba Sie ja nid&t 
im romantifcben ßoftüm ^erumge^en. Sßiffen Sie, 
tdj bin ein Sdjutmäbel, unb Sie ftnb Stubent 
unb Sänger, unb 6bi ifi mein greunb. £)a§ ifi 
bie 2Batyrt)eU, alles anbere aber ifi eine ©attabe, 
bie au« ifi, nic^t wa&r? . . 

Hermann feufjte. 

„SRetn, wäre fie ba* nid&t, warum btirfen mir 
nur in unferen ©inbilbungen atte erhabenen ®e* 
füf)le f)egen, warum nur in unfern träumen bie 
wa&rfie greunbfd&aft §aben unb tyr felbfi unfere 
Se$nfud&t opfern . ♦ 

„Wlix fd^eint, Sie wedjjfeln jefct bie «Rotten, 
Sie opfern bo<§ §offentlidfj nodjj immer, td(j ne^me 
es wenigftenS an; nur idfj fttfjle midfj md&t woljl 
in biefer olpmpifd&en Sltmofp^äre, laffen Sie mtd& 
in ben 9Weberungen oon Sd&önbrunn mid& in meiner 



— 68 — 



irbifdjeit ©e$ttfu<$t »erje&ren. 3<j& bin @urer 
ßiebc ntd&t würbig." 

„fiören ©ie mtd& aber jefct ernflUd& an, tdfj 
bitte ©ie." 

©eine ©ttmme gitterte. „SBarum f ollen wir 
benn nid&t, wir brei Seute, aufnötige, fiarfe 
gfteunbe fein, warum foll id& nur 3^ren ©pott, 
ni^t 3*)** ßieblic&feit fpüren bürfen!" 

„9tun, wiffen ©te, eigentlich bürfte idjj bodjj 
mit 3&nen nid&t fo fpred&en, wie id& fpradfj, nid&t 
mit %fontn tat weiten 2Beg ge^en." 

„darüber ftnb wir ergaben/' 

„SBie grofj ©ie fügten unb benfen unb reben! 
grüner $aben ©ie wenigfien« mtd& ntd&t für fo 
ergaben gehalten. Stttfo feien wir greunbe . . " 
©ie wollte ein bifed&en einlenfen, (ie fürd&tete fidjj, 
ifjn ju Vertexen. 

<Sr bot tyr bie $anb, mit einem Haren »lief 
auf i$n f<$lug fte ein. @r aber gog tyre fianb 
an bie Sippen. 

„deinen ©ie, baß bie$ unbebingt &ur gfteunb* 
fd&aft gehört?" 

„3a! Unb wir mfiffen audfj bu §u unsfagen, 
wie braue ßameraben. SBoßen ©ie?" 

,,©o unumgänglich notwenbig fd&etnt mir bas 
gerabe nidfjt." 

®r brang fe$r eifrig in fte, ba* fei eine 
geigljeit oon if)r, fte fei nid&t, wie alle anbern 
OTäbd&en, fte btirfe nid&t biefe läd&ertid&e gurd&t 
f)aben . . . 




— 69 — 

„Unb GM!" 

„Slber (Sbf, bet wirb ftdfj freuen!" 

9hm befam Seile fdfjon felber Slngfi uor pdf), 
Dor tyrem (Spiel, oor iljrer föeiterfett. ©ie 
fpfirte, wie baß Spiel unb bie Suft beö ©d^er^es 
über fte bie $errfdf)aft gewannen, wie fte bie 
3ügel uerlor. ©te felbfl, ifjre Seibenfdjaft, if)re 
Saune, fein abenteuerlicher Slbler raubte fte unb 
trug fte empor, fte füllte ntd&t t&ren ©ang, fo 
war fte in tyr ©piel cerfunfen unb fo fjatte fte 
tyrer ßlugljeit t>ergeffen. SHe ©d&neeflodfen 
fprtif)ten um fte, glifcemb, fityl unb lebenbig, unb 
tyre SBorte fprüf)ten wie biefe glocfen von tyren 
Sippen, unaufoaltfam, geflügelt. 

6nbttd) fagte fte: „%a, wenn ©ie glauben, 
ba6 ba« 2)u abfolut notwenbig ift, fo fagen ©ie 
meinetwegen bu ju mir, id& will e* bulben . . .* 

„ÜRetn, bu, Seile mu§t audfj bu ju mir fagen.*' 

©ie fd&wteg. <£r fal) tyre unfdjjltifftge ®e* 
bärbe . . . 

„3m Kamen ber $reunbfd&aft." 

„Kufen ©ie bie nid&t eitel an . . ." 

„3d& bitte bid&, Seite." ©ie fd&mieg. 

©ie waren fdfjon bis oor bie ©tabt gefommen. 
$)er Vorgarten be£ ©djloffes ©dfjönbrunn begann. 
2>te lefeten Säufer lagen hinter itynen, immer 
weniger 2Wenfd&en begegneten iljnen, bie Sinter 
waren feltener unb gitterten rot burd(j ben Slbenb* 
nebel SHe Säume erf^ienen nur als bumpfe 



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~ 70 - 

Statten, ber Sdjnee fnirföte, ber meite Sau 
bes ©Stoffes tag f$mar$ vor tynen . . . 

„Seite, 1$ bitte bi<$, fag' mir etwa«, 
fag mir bu . . ." 

„2Ba$ foQ idj benn fagen?" 

„So fprid), toas bu millß, nur faß' etwas . . ." 

2ludj er l)atte atte feine eble 2lbß<$t oergeffen. 
2Bo mar @bi? . . . ber . . . ber mar &u fiaufe unb 
ßubterte Dielleid)t . . . 

(Snblid) fagte Seile: „fiter iß ia fd&on Sd&ön* 
brunn!" 

„Sa, Seite, bad ßnb freilid^ fünf SBorte: 
fiter . . . iß . . . ja . . . f$on Sdjönbrunn, . . . aber mo 
iß ba* $)u . . . bu, Seite, bu mußt einen Safe mit 
bu fagen. Stel)ß bu, td) fage tauter Säfce, mo 
ba§ SDu minbeßena breimat oorfommt . . 9 * 

„3)a8 3)u mar fdjon brin gemeint, mte id> 
es gefagt t)abe, idj fjab 1 es ganj anber« gefagt, 
mie menn idj Sie barauf aufmerffam gemalt 
$ätte . . ." 

„So fag* bu . . . Sag' irgenb mas." 

„3$ fann ni$t ..." 

„Seite!" 

Sie maren burdj bas £f)or mit ben beiben 
Dbeltefen gegangen, bann burdj bie fiaHe be« 
Sdtfoffefi felbß, an ben 2Badjen oorbei ; nun tag 
bas ©artetiparterre oor tynen, in biefem 
fiatbbunfel ber frühen SBinternädjte, mo ber 
Sdjnee einen blaffen Sdjetn mirft . . . S)ie - 
färnarjen 2Ween begrenzten bie breite Städfje, unb 



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- 71 — 

eine fd&were, fd&war§e ©infamfett lag über bem 
©arten . . . 

Unwillfürtid) fröfielte Seile unb fd&miegte ftc§ 
nur einen SlugettbUdC an igermann, ber fofort 
tyren 2lrm ergriff unb fo mit tf>r weiterging, 
2lrm in 2lrm. ©rfi erfd&raf fie unb mollte 
befreien, aber er Kefi es ntd&t. $)ann fagte fte, 
wie um ftd& felbfi $u tröften: 
„$a* ift fktt be« $u!" 
„SReut . . . $a$ ift etwas aanj anbere* . . .* 
... ©ie mu§te etmas fagen, er beftanb barauf . • . 
(gnbltdf) fagte fie ganj letfe: 
„$ u , §ier ift ja fd&on ©djjönbrunn." 
2öie uon einer langen, fd&meren Saft befreit, 
jubelte Sermann . . . 

„®u, ba ifl ja fd&on ©d&önbrunn, bu, ba ift 
ja fd&on ©djönbrunn," jaudfote er, umfaßte fie 
unb $ob fie empor . . . ©ie mar ganj erfdfjrocfen, 
bebte am ganjen Körper . . ♦ ©ie fd&lud&jte (eife. 
... ©o meinen Jtinber, bie ftdfj müb geladfjt . . . 
©ie gitterte fe^r, (te f)atte ftdfj oon tym gelöf* 
unb flanb . . . 

Unb mie ein bemütig Sittenber näherte er ftdjj 
if)r . . . ©ie fdf)ten tyn nidfjt ju gewahren, fo mar 
fte in tfjr ferneres Seib aerfunfen. 

@r fd&lang leife ben 2lrm um fte ... $a büdfte 
fte auf, bas s üuge doU Streuten, ©ie lag ganj 
hilflos an feiner Srufl, Äörper mar an Körper 
. . . 2Bie eine ölume, bie ftd& um einen Saum 
legt, nur ba« fiaupt ifl U)m fern, nur bie ölüte 



— 72 — 

neigt ftdj gurüd, inbefi bie Stme ber Steige 
unb ber gange Stumenleib ben Saum umfangen. 

@o flanb fte, fo mar fte in feinen Strmen. 
$a& öaupt aber t)atte fte gurüdgeroorfen, bie 
Bugen gefdjtoffen, bie Siber bebten, bie Sippen 
gudten, ferner t>on Sangigfeit, bie SBangen 
maren bleich, unb bas §aar lodte in bie ©tirn. 
. . . (Sinen 2lugenbltd, bann, alfi flute bie gange 
junge fieiterfeit i^res SBefen* mieber gurfid, 
mie bafi ©tut t>om Serben, errötete fte, blidte 
iljn grofj unb Iadjenb an unb öffnete ben 2Runb 
unb näherte enbtidj tyr i&aupt bem feinen . . . 

©ie liefe ft<$ füffen. S)ann aber mar es, 
mie menn hinter i^nen eine fernere Styfire jus 
gefallen märe . . . ©ie tieften muttoft bie 2lrme 
ftnfen unb gingen ftitt bie ^auptaüee ent- 
lang gegen fiiefctng . . . 9hm fpürten fte bie 
eifige Suft, fie fpürten, mie me&rtos fle ü)r 
Spiel gefpielt, mar ber (Srnft ein ©piet, tyr 
©piet ber @rnfl, wo maren i§re SBorte, ü)re 
fcerrfdjaft, ber gange (gbetmut . . . 2Bie Sappen 
mar äße« von i^nen gefallen, ©ie trauerten. 
3)er 2Binb §atte ftdj gelegt, ber ©djneefaß Ijatte 
aufgehört. <£s mar ru^ig falt, ftttt, gang aus* 
geworben. 

©d&metgenb nidten fte einanber gu, als fte 
bei tljren Käufern angelangt maren, gum Stöfdjieb. 

^ermann ergctytte am anberen £age bem (Sbt, 
roafi gefdjefjen mar. greili$ t>erf<$mieg er 
i&m, meldte« ©piet Seite mit if)m fetbft ge* 



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73 — 



trieben, wie er etgenttid) redjt fdf)mäf)ttdj beftegt 
worben, unb wie fie beibe ausgesogen einanber ju 
überwlnben unb jeber f elbfi tiberwunben worben. ©bi 
aber in feiner fanftenSBeife täd&ette trüb unb freute 
fidj> bodfj wieber, baß fein ftoljer greunb fo 
tjerrlt<$ war, unb trog feiner @iferfu$t gab er 
ftdj gefangen unb oerjid&tete willig, weit er wußte, 
baß feine fd&wad&en Slrme Seile nid&t ju Ratten 
x>ermodf)ten, baß fie feiner ©ef)nfu$t oorgaufelte 
wie ein ©d&metterling, unb ba§ er fie ntd&t er* 
greifen fönne. 2tud& war er ju franf unb mübe, 
ber Setbenfdjjaf* be« Soxnti unb ber @tferfud&t 
jidfj ju ergeben, fein 33efinben t>erfdf)tünmerte ftdf) 
fo fe^r, baß er mit feiner $ante nad& bem ©üben 
reifen mußte. 

@&e er fortging, na^m er nod& Slbf^ieb oon 
Hermann unb Seite, ©ie gingen burdf) ben 
©^önbrunner $ar! mit einanber. 

(Sbi war in glfidfttd&er Saune. (Er träumte 
wieber SBunberfdjöne« vom ©üben. $>ort war 
feine fielmat. S)er ©üben, bie itattenifdje 
©pradfje, ber anbere £immel, bie anbern 9ftenfd)en, 
bie ©elänbe t>oUer SBein, bie farbenretdfjen Silber, 
ba* Stteer, bas SDteer, ber Staunt. $)ort war 
eine neue fieimat. „SDort werbe td& gefunb 
werben, id) fü^r es, meine 2trme werben fräftig 
werben gum Zubern/ fagte er, inbes er t>or 
ßätte unb gteber fdfjauerte unb feine SBangen 
ganj rot waren, feine 2lugen glühten. „3$ 
werbe ©ebid&te machen unb lernen, Unenblid&es 



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— 74 — 

werbe td) fernen, unb überall werbe i<$ bie 
©d&önljeü fe&en, überall wirb fte mi<$ grüßen . . . Ä 

//3°' ®bi, ba« wirb ein großes ©lüd fein, 
bu wirft xriel ©d&öneö fefjen," fagte Seile. 

„aber eß ifl bir ja ju falt pm ©el)en," 
fagte Hermann. toar ein fiürmtfd&er Sag. 
„ßomm, ge&en mir lieber $u bir nadj fiaufe." 

(SM aber befianb barauf; Sdjönbrunn Ijatte 
er fefyr gern. 

„$a$ fjier ifl baö einzige, wo man vom ©üben 
träumen !ann. ©as gelbe ©d&loß fönnte irgenb* 
wo in ber Gampagna flehen unb alle biefe be* 
wegten Sttarmorftguren unb biefe Saubengänge, 
bie jefct alle oom ©djnee ferner finb. 25a ift 
ja bie Orangerie. Unten aber werbe idj biefe 
Säume blühen fefjen. Seile, bu Severin, wie 
blü^t bie Drange ?" 

„2öetß, (SM, eine weiße »tüte f>at fte." 

„3a/ unb bort wäd&ft ber Sorbeer im greien, 
ba$ muß wunberlidj fein, wenn man fo einen 
Sorbeerjweig pffüdfen fann unter einem ftraljlenben 
fcimmel, unter 9J?enfdf)en, meldte biefe große 
©prad)e fpredfjen, beren jebes SBort ein ©lütf 
ifl ju t)ören unb $u oerfief)en. ®ort müßten 
wir geboren fein ..." 

Seile ging neben ben beiben ftreunben, 
fdjweigfam unb traurig. Sangfam füllte jte eine 
grofce, furchtbare ©d&ulb aufwadjfen, bie fie be« 
gangen, oljne fdfjulbig ju fein. Sie Ijatte iljtt 
©erlaffen, wie ein ©tüdt ©efjnfud&t weidet unb 



einem leeren geben $lafc madjt. 216er |ie liebte. 
Unb ba* war i$r SRed&t. Sie feinte ftdjj, unb 
au<$ fte burfte ft$ einen ffiblld&en ölmmel von 
Seibenfd&aften unb »egierben rofinfc&en, rote @bi. 
Slber ob |ie Hermann liebte ! . . . roenn nid&t ? 
©ie mußte efi ja nid&t. Slber bog fte jroeifeln 
fonnte . . . $ann roar lf)re Sd&ulb groß. 

£>le Säume brauften im SBtnb, unb man fafc 
olle tyre Sfk nadf) bem SBtflen be« Sturme* 
beroegt . . . Unb fte felbft füllte t^n im &aar, 
ba$ aus her üfttifce roefjte, in ben Älelberu, bie 
flatterten unb ftd^ baufdfjten . . . 

©bi ßrengte ftdfj mit lautem Spredfjen an, 
überfal) feinen ßuflen unb lad&te olel, er fpradjj 
immer von bort unb ton ber großen §etmat. 

Sermann $örte ffjm ju, lädfjelte freunblidfr 
unb bekräftigte alles. <£nblt$ (am ba« ®efpräc& 
auf tljr $erf)ältnis ju einanber. 

@bi fagte: „Seile, mad&' bir nid&ts brau«, 
ba6 bu mtd& ni$t lieb fjoft, roas bu mir roarjl, 
fann mir niemanb nehmen, audf) bu ni^t. Unb 
roa* bu mir gegeben Ijaft ; wirft bu mir ja nidfjt 
roegne^men motten, nid&t roaljr? 3)u bift ja nodfj 
retdt) genug. $>u fjaft mir ben grüljling gezeigt. 
3d& roar fo ein 33ub, idfj liebte nur ben ©erudfc 
beö ^tieberd unb ber Sßeild&en unb ben Sdf)lag 
ber SBögel unb ben ganjen ^Begriff bed Silixens. 
. . . 2)u aber bift ju mir gefommen unb Ijaft 
midf) gefügt, unb feitbem fcab' td) gemußt, bie 
■Jtotur felbfl einmal an meiner Sruft gehabt p 



Daben, einmal Sippe an Sippe. Übrigen« ifl alles 
ein ©erebe . . . SieUei^t §aV idfj mdjjt einmal bidfj 
fo lieb gehabt, als ben ©arten, wo wir waren, als 
bie ©tunbe, alö ben 2lugenblltf, als baö ©efltyl 
betner feudfjten, buftenben Sippen, bie tdj fpürte, at« 
ben ©eru$ beined J&aare«, ben idj atmete . . . ÜRun feift 
bu weggegangen. 216er idj brauste btdfj nid&t ju 
galten, unb nid&t oon beinern SBillen Ijängt e§ 
ab, bidfj in geben unb §u nehmen, idjj &abe bidO 
einmal einen SlugenblidC in meinen Sirmen gehabt, 
unb meine ©eele &at bid^ ... 2Bo id(j bin, 
bift bu . . . 2luf 2Bieberfe$en in Statten . . . 
$)ort wirf! bu mir begegnen, in jebem SBilb, baö 
tdfj fe§e, in jebem 2Mb<$en, baö id& fe§e . . . 
Unb bu, i&ermann, wirft wof)l nid&t eiferfttd&tig 
fein, bu müfetejl fo gut auf bie Suft eiferffid&tig 
fein unb auf bie ölide . . ." 

Storni fc&wiegen ftc alle brei. ®enn e$ war 
bodj fd&wer, baoon ju fpredfjen, unb fd&wer, baoon 
%w f^weigen, fte lehrten um unb waren gegen 
Sttenb ju fiaufe. 3m 'fflmmtt be* graulein« 
2Rttnd&reiter. $as grctulem begrüßte fte : 

„Slber, @bi, bei folgern SBetter gef# bu au«, 
ba fott bir beffer werben, fdfjau, wie bu ljufiejt. 
2)u fieberft gewig. 3$ trau' midj ja gar ntdfjt 
fortzufahren mit bir." 

®bi läd&elte ru^ig. „Safe nur gut fein, idj 
$ab' bodfj oon ©d&önbrunn 2Ibfd&ieb nehmen 
müffen." 

3)ie £ante braute ben £f)ee herein, ©te 



— 77 — 



fdjerjte, aber inbe* jte um i§re (Säfte beforgt 
ober ins ©efpräd) vertieft fdjien, flaute fie 
immer mit ängfiltdjen ©eitenbltdfen auf @bi, ber 
rutyig lädjelte, rote im £raum. 

<£nblid) bat er: „©ermann, fing 1 mir nodj 
jum 2lbfd)ieb etwa« ... 3)ie £ante wirb bid^ 
begleiten, — ntd&t roaljr?" 

9Ran blätterte in ben SRoten, auf einmal 
fagte er: „£)a, ben 'SBanberer' mttt id) 
fjaben . . 

SDte Stante fefelc ft<$. @ie begleitete be= 
Reiben unb fd)ön. ©ermann fang fräftig, feine 
(Stimme mar ju laut, fein Vortrag ju gelaffen 
für biefed fe^nfudjtsfd&roere unb bebenbe Sieb. 
£)as alte gräulein 9Rün#reiter aber miegte tyr 
Heine«, magere« ßörperdjen nad> biefen fd&roebenben 
giguren ber Begleitung unb neigte ben ßopf 
nadj ben Söellen befi ©efange* unb §atte einen 
feltfamen 3«Ö " m ben SJhmb, lädjelnb unb voü 
ßlenb . . . 

„3$ roonbre füll, bin wenig frolj . . ." 

(Sbi fdjaufelte in feinem ©effet unb liefe ftd) 
Don bem bunleln ©efange wiegen . . . 

5Da$ ftimmtx lag im $unfel. Sßur am 
Ätamer fira^lten bie $3lenben ber fleinen Sampeu. 
<§5r fal) feine (leine, $äf$lt$e Spante, mie fie fic§ 
wiegte unb fdjmang, wie fie ftd& unb U)n £alb 
nergafj beim ©piel, er fafj ©ermann, ber an 
nidjtfi badete, als an ben 2Bof)tlaut, ben er be* 
$errf$te unb gab, er faf) biefes gutmütig fäöne 



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— 88 — 



fonberit au freuen fd&ten. — SDurdfj bie geöffnete 
2$ür blidte man in baö Nebenzimmer, weldje« 
bem ^ermann gehörte, bort war ein (Srfer mit 
Sufcenfd&eiben unb jmei ^o^e 8ü<6etfd(jränfe, ber 
gtüget unb ein paar hod)lel)nige, unbequeme, 
grünbejogene gauteuils. ®ie übrige SBo^nung 
war vermietet. 

60 fdfjten alles eine gewiffe SBornetynfjeit §u 
bewahren, hinter ber bie Slrmut bodfj ^eroorfal), 
alles war peinltd^ fauber unb forgfältig unb 
gerabeju gegiert elegant, aber bodfj fparfam, oor* 
ftd&tig unb genau ^ergerid&tet, £anbarbeiten 
fd&müdten bas S^mer unb oerbedten mandfjes 
wohlfeile 2Wöbelfiüd. 2ln ben genftern fingen 
gefttdte $Borf)änge, über bem £ifdf) lag eine fefjr 
fdf)ön mit Purpur gefttdte altbeutfdje 2)ede, auf 
ber Ärebenj ein Säufer mit anmutigen SlrabeSfen. 
Nur ein paar altmobifdfje ftlberne Seud&ter unb 
fonft ein paar wertvollere ©egenftänbe oerrieten 
bie beffere Vergangenheit. $)er Saron Sttensborf 
hatte im 73 er 3<*h* fein Vermögen oerloren unb 
feine SBUroe mit ihrem fteinen ©ohn red&t arm 
jurüdgelaffen. (Srbfd&aft reifte gerabe aus, 
biefe SBtHa ju faufen, unb gu einer winjtgen, 
jä^rlid&en Nente, worein fidfj jebodf) bie Baronin 
umfo leidster fügte, weil fie aus einer armen 
SBürgerfamilie ^erftammte, wegen ihrer großen 
(Schönheit 00m Saron entbedt unb geheiratet 
würbe. 3n ber SHufee i^res <§fyz* unb äßitwen* 
bafeins fyattt fie mit einer faft fieberhaften 23e* 




— 89 — 

gierbe gelefen; fie fcatte franjofifd!) gelernt, — 
wollte fie bie freien Städler lefen unb lernte fie be§= 
tjalb bie Spradfje, ober las fie bie freien $Bfi$er, 
um bte Sprache baraus ju lernen ? — genug, fie 
mav überaus eifrig. Sie lad alle beutfd&en SBerfe 
üon SBebeutung, bann ©efdf)id)te, bann äftyettfdje 
Sadfjen, bann fogar einiges aus ber ^ilofop^ie. 
Unb alles bies mit ber gleiten feurigen Energie, 
mit ber Tie früher als junge grau i&rem SBer* 
gnügen gelebt. So Ijatte ihre Silbung etraas 
Ungeorbjtetes, aber Sautes unb Smponierenbes, 
if)r SBiffen mar breit, nidfjt tief, megen feines 
Umfanges bei einer grau tyrer fcerfunft um 
erhört unb erftauntidj, rcesljalb fie gern barauf 
bie Slufmerlfamfeit ber ßeute lenfte unb felbft 
nid&t o^ne Slnmut im Sd&erj unb mit einer ge* 
roiffen Ettelfeit bie Erinnerung auf ifjre einfüge 
Sdfjöntyeit brachte, bie genrifc auf anberes ©lti<f 
fjinbeutete, als auf bas Stubium römifdber 2llter* 
tümer ober bes Voltaire. So l;atte fie tyren 
Soljn erlogen, auf feine ftarfe, jugenblidje 
Sd&önfjett ftolj, auf bie eigenen 3%* eitel, bie 
fie in il)m roieberfanb, wollte fie einerfeits aus 
iljm etmas ©länjenbes, ^rä^ttges mad&en, anber* 
feits mieber tyre unbebingte ©crrfd&aft ü6er ifjn 
bewahren unb if)n burdf) bie Energie Ujres 
SBerftanbes lenfen. 60 friert er tyr jum 
Sänger gefd&affen. 3luf bem ©gmnaftum taugte 
er gerabe nid&t befonbers, er abfofoierte feine 
ad^t Qa^re mit oieler Sttüfje, fo mar fein SBiffen 



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— 90 - 



fein orbentltches, ba er ju faul war, ftch ju 
fiaufe mit etroas anberem als ben notroenbtgflen 
Schulaufgaben ju befchäfttgen, unb meidend am 
ßlaoier fa&, phantafterte, ober blo& auf bem Sofa 
lag unb in bie ßuft flaute. SMefer Sftü&iggang 
war ihr gerabe recht meil er ihr bie §errfchaft 
bes 6potteö unb ironifdjer 33ehanblung unb fo* 
gar ber Überlegenheit über ihren Sohn ftcherte, 
ber für fte immer 'ber 33ub' blieb, roenn er audj 
ein großer Sänger werben follte, worauf fte ihn 
Dorbereitete. So blieb ßermann rote ein unge? 
lenfer, brummiger Sär neben ihr, mar ibr mit 
ber finbif^eften 3Inhänglid)feit jugethan, ertrug 
alle Saunen ber alternben grau, bie ohne 93e* 
rounberung in Sirmut oerfümmern unb burdj 
junehmenbeß Sllter bei abnehmenber Schönheit 
bie 33erounberung nicht mehr ju oerbienen mußte. 
Sie führte baß &ausroefen ohne SMenftboten, fte 
beforgte alles, faufte ein, föchte unb fyattt fi<h 
Hermann gut abgerichtet, ber ft<h felbft bie 
Kleiber unb Sdjube bürftete, fogar jur SRot ben 
&erb befietlen, bie Sampen pufcen fonnte. (5r 
roar felbft oft genug ebenfo launifch roie bie 
SWutter, bann fd&rien fie jtd& in ber berbfien 
2Beife an, um enblich über ihren groben ärger 
ju lachen unb jebes bas anbere im Stillen liebenb 
ju berounbern. Wit ihrer Überlegenheit brüefte 
ihn bie Baronin beftänbtg nieber, unb ihr ganzes 
©rjiehungsftjfiem beftanb barin, nie locfer 
laffen. s iluf ber Unioerfttät gab er Stunben, 



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— 91 — 



roooon er tf)t einen atemlidjen betrag ablieferte, 
gür ben SReft beftritt er Äleiber, ©efangsfhmben 
unb Vergnügungen. £rofc trieler ©elbforgen 
war bie SKutter bod& von einer Reitern ©e^ 
laffenf)eit. $)abei liefe Re es fidfc nid)t 
nehmen, ifjre einft im größten 3Haa& geübte 
©afifreunbfd&aft ju pflegen; unter ben greunben 
iljres ©oljnes, lauter jungen, entfmfiaftifdjen 
ßeuten, glänjte fte, foroofyl bureft bie (Erinnerungen, 
bie tyre jefctge 2lrmut unb if)re alternben 
£age überfc&tmmerten, als burdf) bie laute 
ßebfjaftigfeit tyrer 9tebe, burdf) bie ßunft, mit 
ber fte tyr SBiffen unb tl)re SBübung ins 
redete Sid&t fefcte. Unb wie mandfje ©ejid&ter 
oon grauen nid&t burdf) eine tabeUofe ©d&önljeit 
ttrirfen, bie oft genug ßangroeile, fiatt 33erounberung 
ermeeft, fonbern burdf) eine reijenbe Unregek 
mäfcigfett entjtidfen, fo gab gerabe bie launen- 
^afte unb improoifierte SlusbUbung tyres ©etftes 
tyrem ©efpräcl) einen gemiffen föeij, tyren 
SBorten einen bizarren 6dfjroung unb tf>rer 
^Ijantafte eine originale Sftidfjtung. 

3u ben fiänbigen ©äften tyres Kaufes ge* 
fjörte 2BtlIi, ber Solm tyrer jüngern ©d&mefter, 
ber mit föermann gleidjjaltrig mar, nodj) meniger 
als er in ber Sdf)ute taugte, aber nid&t aus ge* 
ringer Begabung, fonbern aus einem §ang jur 
Träumerei, ein fHfler, blojfer Änabe, ber oor 
allem bie Anlage befafj, ftd) unglücflidf) unb im 
Unglüd roieber reidj) unb befeligt ju füllen. 



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— 82 — 



werben, baju fyaV idj fein Salent, unb bann ift 
es au$ fab. SBeißt bu . . ." 

„9lun, wir fcaben ja no<$ 3ett, *>a& gu 
überlegen . . . ©elt? . . ." 

(Sinftweilen nafjm er iljren 2lrm, nnb fte 
füllte il)n fc^r groß unb ergaben neben ftdj 
ge^en. 

„2)u bift ein großer Äerl ..." 

3n ber (Sinftebelet jaufien fte jufammen. 
3m SBinter war nur ein fleinefi Simmtx für 
ble feltenen ©äfte offen. (Sö war warm unb 
beljaglidj. Seile föenfte ben Kaffee ein unb 
forgte, baß Hermann bas meifie ©<$lagober$ 
befäme, was er jt<§ gerne gefallen ließ, <5ie 
blätterten au<$ bie 'gliegenben Blätter' jufammen 
bur<$ unb labten über bie Silber unb Söifee. 
Unb wenn ityr etwas gut gefiel, reifte fie 
^ermann baö &eft na^e §in, wobei er tyre 
§anb füßte, was immer tyren lebhaften Sßroteft 
wegen beö Redners erwedte, ber nichts ju fe&en 
fdjien unb boc^ befliffen läd)elte. 3)ann mußte 
fie bem Hermann guliebe fogar eine Brette 
raupen, er raupte nidfjt wegen feiner (Stimme, 
freute jid) aber unbänbig, wie fte gan§ 
fur^tfam bie Bürette entjünbete, ängfttid) bie 
Sippen fpifcte, oorfid&tig ben blauen SRaudj 
ausftrömen ließ. @r freute ft$, mie if>r ber 
gute S)uft besagte unb fie fi<$ wohlig ftredfte 
unb fd&aufelte, tt)n luftig anfa§ unb freubig 
plauberte, von ntdjts unb allem unb ben blaffen, 



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— 83 - 



blauen Wolfen nadrfah, bie ftd) in bieten 
ßtnien bur<f) ba« 3 immer sogen. 

211« es bämtnerte, gingen ftc fort. 

3m freien löfte bann Hermann ihren 5lrm 
aus bem feinen, ©ie waren fd^neU gegangen. 
2luf einmal ftanb er . . . ©te erfäraf . . . 

@r breitete feine 2lrme au«. 9tun fchien ihr 
feine große ©eftalt im Tuntel größer unb faft 
angflerregenb. @r umfehloß fte . . . 

9Rit einem lauten 3<*udföer fyob er fie gu fid) 
hinauf unb fügte fte . . . 

* 

Sermann erjagte Seile mel von feiner 
Sftutter, fte Ijabe fo oiel getefen, fei oott SBtffen 
unb Energie, cor ihr fei er toie ein bummer 33ub, 
unb fte fei einmal fe^r f<hön gewefen, bur<h ihren 
fräftigen unb bauernben <Sntfd)luß ^abe fte ftd^ 
gur SBilbung emporgehoben. ($r ^abe auch 
feiner SRuiter oon Seite gefprodjen, unb biefe 
^abe recht tyxfliä) gelabt über beibe unb Seile 
burd) i^n einleben lajfen. ©ie folle benn am 
©onntag hi n überfommen. $)a werbe auch fein 
greunb unb (Souftn, ber £)id)ter, SBilli, ba fein 
unb beffen glamme, eine blonbe ÄonferoatortfHn. 
@« werbe fehr hübfeh fein. 

Seite h^tte ein wenig Slngft oor föermann« 
Butter, fdjon voi ber gremben, bie attyuotel 
um fte mußte, ihre ©<ham machte fte bat)or 
gittern, baß man von ihren Sippen müßte, baß 

6* 



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— 84 - 



fie gefügt roorben, unb von ihrem SBefen, bafe 
es fidj angefdjmiegt, unb gerabe bie Butter 
i^reö ftreunbes fd&ten ihr tote ein arger geinb, 
feine greunbe motten es immerhin rotffen, aber 
feine Butter ! . . . ©te füllte bunf el, fie fjatte 
es audj beim graulein 3ttünd)reiter unb bei 
ihrer eigenen Butter gefehen, bafi bem mütterlid&en 
©efühl bie gärtUd&fett unb Siebe uon ftremben 
ju ihrem ßinb etwas Ungeheueres ifi. Starum 
legte feine 3Rutter t>iellet<ht bie Siebe Hermanns 
ju ihr tote ein ßinberfpiet aus, fei es, um ftd) 
felbfl unb ihre (Siferfudjt $u beruhigen, fei es, 
um ©ermann fdjeinbar unfdjulbtg ju nerlefcen, 
inbem fie ihn eines grojsen (Smftes nid)t für 
fähig hielt unb feinen 3ubel föerjhaft nahm, 
fein Vertrauen, feine 3 u ocrfid&t ein wenig 
fpöttifd) unb geringfügig behanbelte. 

©te 50g fidj fehr forgfältig an, am ©onntag, 
als ob fte einer geinbin ihre ©<hönhett feigen 
wollte, fie bur<$ ihr ganzes SBefen ju rühren 
unb ju bedingen. 

©ie legte tf)r ©aar in einer einfachen, 
fiarfen 2Binbung um bas ©aupt unb ftrf<h es 
aus ber Stirn. Wwc ein paar lofe £ö<f<hen 
flatterten h*n>or. ©te 50g eine weifee, feibene 
Sloufe an, ganj fnapp an ben Seib gefdjloffen 
mit einem grofeen ©pifeenfragen unb ©pifcen* 
manchetten, oben ein wenig ausgef Quitten, fo 
bafe i^r fdjlanfer ©als frei mar, um ben ein 
etnfad&eS golbenes äettlein lag, ber einzige 




— 85 — 

©d&mucf, ben fte Ijatte. Um ben &als legte fie 
bann, als fte fortging, einen folgen fdljmalen 
fragen aus braunem Sßetj mit einem 3lttSfopf, 
beffen 3äl)ne jugleldf) in ben ©dfjman& biffen 
unb bas fläzen warm unb btdfjt fd&loffen. @o 
ging fte hinüber. 

i&ermann öffnete ifjr gletcij. „©ertms, Seite/' 
begrüßte er fie laut unb führte fte mit 
geräufdfjtwller gröpdjjfeit ju feiner ÜWutter ins 
3immer. 

„211}, feien Sie mir ljer$ltd& mtllfommen, 
graulein ... 3$ barf ja au$ Seile fagen, ntd&t 
wafjr?" 

(Sine gro&e, fiattlidjje, etwas forpulente grau 
fam if>r entgegen unb führte fte an ber &anb 
Sunt ©ofa . . . 

3Me SJiutter Hermanns war t>telleid&t fd&on 
föwfjig Satyt alt, breit unb ftarf, bas ©eftdjt 
$atte tro( feines lebhaften Semityens $ur Reitern 
greunblidtfeit einen me&r energifd&en, als gütigen 
Slusbrucf, es oerriet bie ©puren jener milben, 
fonberbaren, faft männlid&en ©djöntyeit ber grauen 
'oon 9faffe\ ©ie Ijatte lebhafte, graublaue 
Slugen, eine fdfjarfgefcijwungene 9tofe. Stur bie 
SBangen unb ba§ #tnn waren ju roll, um bie 
Sinien tyres ©eftd&tes fdfjön $u bewahren, unb 
ber 3ßunb erfdfjten &u f^mal, feine abwärts ge* 
jogenen 2Binfel gaben tf)tn etwas Söfes, was 
t)ieHei$t nid^t in i^r lag, benn fte ladete t)iet 
unb laut, fpradfj t>iel, felbftgefällig unb t>er* 



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- 86 - 



weilte bei bem SBerfd&iebenfien, befjerrfcfyte bas 
ganje ©efprädj, ja fd)ien (td& eben bei biefet 
igertfd&aft unb nur bei t&r ftd&er unb in i&rem 
Clement ju füllen, ©o fcerrfd&te i&re 6timme 
über baö ©emirr einer ganzen ©efellfd&aft unb 
üjr ganjeö SBefen war auf tiefe 3Btrfung ber 
Rom>erfaHon mit gremben unb ©leic&giltigen 
beregnet, benen man räumlicl) fo na&e, innerlich 
fo gelaffen fremb ift. ©ie fprad) von allem 
SWögttdjen, was ben £ag erfüllte, über neue 
33üd)er unb über bie gegenwärtigen gelben, übet 
Sßolittf, über äunfi, über baö Sweater, immer mit 
ber gleichen, lauten, (ärmenben §etterfeit, fie ladjte 
ftarf über i^re wiegen Semerfungen, erjagte gern 
oon i&rer Sugenb unb liebte eö, tyre einfüge 
©$önl)eit erraten &u taffen, unb baö fie über* 
aus gefeiert gewefen. 3§ren ©of)n befjanbelte 
fie mit einer gewiffen berben 3ärtli$feit, red&t 
von oben fjerab wie einen 3ungen, fei e«, um 
ifjre geiftige Wlafyt ju jeigen, ober aus einer 
gewiffen (Sttelfeit, wenn fie fd&on nidjt als jung, 
fdfjön, liebenswert genommen werben fonnte, bod> 
nid&t für gar ju alt ju gelten. $on bem Seben 
ber jwei ßlnber fpradj fie garniert, be&anbelte 
alles wie felbftoerftänbticbe Xljatfad&en, oon benen 
es jtdf) wegen i^rer 93elangloftgfeit ntdfjt weiter 
ju reben oerlofjne, unb benahm jtdf) Seile gegen- 
über üornefjnufreunblidj), ja fogar fpöttifcfocirtlid(). 
Sie war lebhaft, übermütig, babei oon bem ge* 
wiffen ungenierten C^ntömus alternber grauen, 



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— 87 — 



rote eine gleid&mäfjig f djnelle, laute 9Huftf , allegro 
con brio. Seile fafc neben tfyr unb roufcte 
nid)t recht, roas beginnen, fo fchroteg fxe meift 
unb marfierte ihre Eetlnahme an ber Untere 
Haltung, roeld&e ohnebies fajl ganj oon ber 
Baronin beforgt rourbe, blo& burch ein Säbeln 
ober burd) eine leife 3 u ft^ mmun 9* SDerroeilen 
fonnte (ie fid) bas &immtx anfehen. (SS war 
mit einer fümmerlichen ©leganj hergerichtet. 
2XItc, ein roenig oerfchliffene, aber forgfältig ge* 
bürftete ^eppldje bebeeften ben SBoben, einfache, 
glatte ßaften, eine altmobifdje Strebenj, ein 
Heiner roie es fchten, roertooüeö Bilb, oiellei^t 
eine ßopie nach einem ÜWeberlänber, ^ing an 
einer 2Banb, jroei (Spieler barfteflenb. Unb 
über bem ©ofa ein Porträt ber Hausfrau au« 
früheren %a1)xtxt, in bemfeltfatn friool bürgerlichen 
©til ber SBierjigerjahre. S)a roaren ihre jungen 
3üge gut herausgebracht, jie trug auf bem Silbe 
eine hohe, funftreid&e grifur ; ihre Slugen fchienen 
ju leuchten unb jebem freunbltche ©lut ju t>er* 
hei&en ; ihr 9J?unb, halbgeöffnet, lieg bie blenbenben 
3ä^ne burchfehünmern. 2)er &als unb bie 
rounberoolle 33üjle roaren frei. $ie $aut ^atte 
ein mattes, gelbes 3nfarnat, roie fchimmernbes 
©Ifenbein. ®aS ©pitjenhemb roar über eine 
©chulter gefunfen, fo baf$ noch bie Sichfei fid^t= 
bar roar unb faft ber üppige ©chroung bes 
SBufenS. — Seile fah mit häufigen ©eitenblicfen 
auf biefes S3tlb, roas bie Saronin nicht ju ftören, 



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- 



— 88 — 

fonbern ju freuen fdjien. — 3)urdj bte geöffnete 
£§ür btidte mon in bas SRebenjimmer, weldje* 
bem ^ermann gehörte, bort war ein (Srfer mit 
Su&enfdjeiben unb jroei fyoty Stidjerfd&ränfe, ber 
glüget unb ein paar f)oc&leI)nige, unbequeme, 
grünbejogene gauteuil«. S)ie übrige SBo^nung 
war uenmetet. 

©o fd&ien alles eine gewiffe SBome^m^eit ju 
bewahren, hinter ber bie Sirmut bo$ $en>orfa&, 
aüed mar peinlid) fauber unb forgfältig unb 
gerabeju gegiert elegant, aber bo<$ fparfam, oor* 
jidjttg unb genau fcergeridjtet, §anbarbeiten 
fämüdten bas 3immet unb t>erbedten mandje* 
wohlfeile 3JiöbeIflücf. 3ln ben genflern fingen 
gefHdte Vorhänge, über bem lag eine fefpr 
fd&ön mit Sßurpur gefltdte altbeutfd^e SDede, auf 
ber Ärebenj ein Säufer mit anmutigen Slrabeßfen. 
$Rur ein paar aitmobifdje Rlbeme Seud&ter unb 
fonft ein paar wertoottere ©egenftänbe verrieten 
bie beffere SBergangentyeit. $>er Saron 3Henfiborf 
hatte im 73 er 3a^r fein Vermögen oerloren unb 
feine SBitroe mit ihrem (leinen ©ohn recht arm 
jurüdgelaffen. @rbfd)aft reifte gerabe aus, 
biefe SSitta ju laufen, unb gu einer nrinjigen, 
jährlichen teilte, worein ftdj jebod) bie S3aronin 
umfo leidster fügte, weil fte au« einer armen 
SSürgerfamtlte herflammte, wegen ihrer großen 
©$önf)eit Dom 23aron entbedt unb geheiratet 
mürbe. 3n ber 2Kufje ihre« @he* unb Sßitroen* 
bafeinö &atte fie mit einer faft fieberhaften Se= 



gierbe gelefen; fie ^atte franaöftfdfj gelernt, — 
wollte fte bie fredfjen Sudler (efen unb (ernte fte bes* 
tyalb bie ©pracfje, ober laß fte bie freien 23üd)er, 
um bie Spraye baraus ju lernen ? — genug, fte 
war überaus eifrig. Sie lad alle beutfd&en Söerfe 
von SBebeutung, bann ©efdjidjte, bann äftyetifdje 
©adjjen, bann fogar einiget aus her $pf)ilofopf)ie. 
Unb alles bies mit ber gleiten feurigen Energie, 
mit ber Tie früher als junge grau tyrem 93er* 
gnügen gelebt. 60 fjatte ibre Silbung etwas 
UngeorbneteS, aber Sautes unb 3mponterenbe§, 
tyr SBiffen war breit, nidjt tief, wegen feines 
Umfanges bei einer grau tyrer fcerfunft un* 
erhört unb erftaunlidjj, weshalb fie gern barauf 
bie Slufmerffamfeit ber Seute lenfte unb felbfi 
nid&t o§ne Slnmut im ©d&erj unb mit einer ge* 
wtffen (Sitelfeit bie Erinnerung auf i&re einfüge 
©djjönljett braute, bie gewt§ auf anberes ©lti<f 
^inbeutete, als auf bas ©tubium römtfefcer Sllter* 
tümer ober bes Voltaire. 60 Ijatte fte tyren 
©otyn erjogen, auf feine fiarfe, jugenbltd&e 
©df)önf)eit ftolj, auf bie eigenen 3^9 e eitel, bie 
fie in i§m wieberfanb, wollte fie einerfeits aus 
U)m etwas ©lanjenbeS, $räd&ttges mad&en, anber* 
feits wieber i^re unbebingte fcerrfdjaft über U)n 
bewahren unb tf)n burdf) bie Energie ityres 
SBerfianbes lenfen. ©0 fdjjien er il)r jum 
©änger gefd&affen. Sluf bem (Stymnaftum taugte 
er gerabe nid&t befonbers, er abfofoierte feine 
adjjt Sfafjre mit oieler 2Rüf)e, fo war fein SBiffen 



— 90 - 



fein orbentlid&e«, ba er ju faul mar, fidj ju 
£>aufe mit etroas anberem alß bcn notmenbigften 
«Sdfjulaufgaben gu befd&äfttgen, unb meiftenß am 
ßlaoier fafe, phantafierte, ober btog auf bem Sofa 
lag unb in bie £uft flaute, tiefer s JJiüfjiggang 
mar ihr gerabe recht, roetl er ihr bie &errfchaft 
beß ©potteß unb ironifeber SBehanblung unb fo* 
gar ber Überlegenheit über ihren Sohn fieberte, 
ber für fie immer 'ber $ub' blieb, menn er auch 
ein großer Sänger roerben follte, morauf fie ihn 
vorbereitete, So blieb fiermann roie ein unge* 
lenfer, brummiger 93är neben i^r, mar tt>r mit 
ber finbifcheften 2ln^ängtid)feit jugethan, ertrug 
alle Saunen ber alternben 3rau, bie ohne 93e* 
rounberung in 2lrmut t>erfümmern unb burdfj 
june^menbeö SUter bei abne^menber Schönheit 
bie 33erounberung nicht mehr ju oerbienen mußte. 
Sie führte baß föaußroefen ohne ®ienftboten, fte 
beforgte alleß, faufte ein, föchte unb hatte fich 
^ermann gut abgerichtet, ber ftdf) felbft bie 
ftleiber unb Schübe bürftete, fogar jur Not ben 
<perb beflellen, bie ßampen pu&en fonnte. <5r 
mar felbft oft genug ebenfo launifdh mie bie 
Sttutter, bann fchrien fie fich in ber berbften 
SBeife an, um enblidj über ihren groben Ärger 
ju lachen unb jebeß baß anbere im (Stillen liebenb 
}u berounbern. Wxt ihrer Überlegenheit brüefte 
ihn bie 23aronin befiänbig nieber, unb ihr ganzes 
@rjiehungßf9ßem beftanb barin, nie lodfer au 
loffen- s iluf ber Unioerfität gab er Stunben, 



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— 91 — 

tooDOtt er ityr einen jiemlldjjen betrag ablieferte, 
gür ben ftefl betritt er Weiber, ©efangsftunben 
unb Vergnügungen. £rofc meler ©elbforgen 
war bie Butter bod) oon einer Reitern ®e* 
laffen^eit. 3)abei lie§ fte es fidfr nid^t 
nehmen, ibre etnft im größten 9Haa& geübte 
©aflfreunbfd&aft &u pflegen; unter ben greunben 
tyres Sohnes, lauter jungen, entbuftaftifd&en 
Seuten, glänjte fte, foroobl burd) bie Erinnerungen, 
bie tyre jefcige 2lrmut unb ifjre alternben 
£age überföimmerten, als burdf) bie laute 
ßebtyaftigfeit if)rer Sftebe, burdf) bie ftunfl, mit 
ber fte ityr Söiffm unb if)re Silbung ins 
redete Sid&t fefcte. Unb roie mand&e ©efidfjter 
oon grauen nidfjt burd& eine tabedofe (Sd&önfjeit 
toirfen, bie oft genug Sangroeile, patt S3emunberung 
erroecft, fonbern burdf) eine reijenbe Unregek 
mäfcigfelt entjüdfen, fo gab gerabe bie launen* 
§afte unb tmprooifierte Slusbilbung tyres ©eiftes 
tyrem ©efpräd& einen geteilten 9telj, tyren 
SBorten einen bijarren 6df)tmtng unb ifyrer 
^tyantafte eine originale SRtd&tung. 

3u ben fiänbigen ©äften tyres fiaufes ge* 
Ijörte Söitti, ber (Solrn tyrer jüngern ©d&roefter, 
ber mit Hermann gleidfjaltrig mar, no<$ weniger 
als er in ber <5dmle taugte, aber nidjt aus ge* 
ringer Begabung, fonbern aus einem &ang jur 
Träumerei, ein ftitter, blaffer Änabe, ber oor 
allem bie Einlage befafj, fi<$ unglücfltdfj unb im 
Unglütf roieber reid& unb befeligt ju füllen. 



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— 92 - 

• 

®iefer würbe alfo erwartet mit feiner 
'flamme', einer jungen, ad&tjefjnjä&rigen Äonfer* 
t)atoriftin / bie er mit ber reinflen Anbetung unb 
feufd&eften <5e§nfud&t liebte, ofcne bafc (ie ftdf) 
aus tym viel mad&te. SDa« mürbe benn von 
ber Baronin umftänblidfj mit guter Saune be= 
fprodfoen, Seile f)örte bfefem allem wie grembem, 
©leidjjgiltigem $u, nur munberte ftc ftdj, bafi 
biefe grau bie fd&önfie Seibenfd&aft fo fcübfdfj als 
©egenftonb eines wtfeigen unb ^eiteren ®e- 
fpräd&es benfifcte, roo bod& bie blofee (Styrfurdfjt 
vor ber reinen unb innigen Neigung eine« 
Süngling«, bie, wie e« fd&ien, vergebend um @r- 
§örung bat, ein fd&weigenbeö ober trauervolles 
SWttgefüljl ju verbtenen fd&ten, umfome^r bei 
einem 9lal)verwanbten. Unb fiermann fd&att 
nur in feiner berben unb ungeklärten SBetfe 
auf ben armen SBurfdfjen. „SBarum ifl er fo 
bumm, wer fäafft iljm's, jtdfj in eine ©ans p 
verlieben, bie if)n gar ntd&t verfielt unb weife 
©Ott was für eine '^Bur^en' tjaben will." 

Seile aber (adelte unb fagte blofj: „2Ber 
fd&afft's einem!" unb badete an bafi l)öd&ft um 
vorfidfjtige &er$ bes 2ßenf$en. 

5Da trat 2Mt ein . . . 

„W) SBtUi, lupus in fabula . . J* 9Jton war 
ntd^t einmal verlegen. 

2BiHi läd&elte fd&üd&tern unb begrüßte bie 
greunbe. 

(Sr war von §of>er, fd&lanfer ©eftalt, fein 



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©eftd&t nidjt fdjön, aber burdj ben traurigen 
unb järtli^en 33licf, ber alles t>ott Siebe unb 
2Bef)mut ju umfangen fd&ien, 31t einer geroiffen 
SBürbe unb Sanftmut erhoben, ©ein braunes 
£aar jknb breit um bie ©Um. ©eine Se* 
roegungen roaren läfftg, als fei tynen, maß jte 
tf)un mufften, ^öd&ft gletdfjgilttg. 216er fein 
ganzes SBefen mar unge&mungen, fogar Reiter, 
unb man fa§ an ifjm bie ganje ©etynfudjt na$ 
©lud unb greube, bie U)n fogar bei eigenem 
Kummer fid) über bie greube ber anbern freuen 
ließ. 3m ©egenfafc ju Hermann Ijatte er etmaö 
3arte8, geines, ^ßrinjen^afteö in feinem burä)= 
au« natürlichen betragen unb mar burdj bie 
oergebene Setbenfd&aft von (Srnft unb geuer 
burdjgltiljt. 

Seile mußte an ben fernen @bi benfen, mit 
bem jte tyn fafl Dergleichen mochte. 

©nbltd) fam au$ ©tepljanie, bie ftonfer= 
aatoriftin. (Sin blonbeö -Jftäbdjen, mit bem f)tibf d)en, 
leichtfertig läcfcelnben SBiener ©eftdjt, gan$ um» 
fira^lt unb umfpielt t>on bem fdjönften ©lang 
tyres üppigen $aare$, mit fofetter ©orgfalt ge* 
fletbet, mit fd)lanfem SBudjs unb üppigem 
SBufen unb $eH iad&enb. 

„2öenn bie ©teffi fornmt, gef)t orbentlidj bie 
©onne auf/' meinte bie &außfrau. 

Seile faf) SBitti lächeln. 

©teptyanie fümmerte ftdj jebod) gar nidjt 
fonberlidj um tyn, fonbern oerftridte ftdj in ber 



— 94 — 

Reiter ftcn SBeife in einen boshaft; fd&erjenben 
6trett mit ber Baronin, parierte &ermann$ 
berbe 2lnfpielungen in ber ungenierteren 2Beife 
unb tiberfaf) Seite mit einigem $od&mut. 

©nblidj mürbe mujtjtert. 

^ermann fptelte unb fang, ©eine ©timme 
brö&ute. 2Iber fie festen ^art unb tibertaut . . . 
2lud& bie Sieber gefielen Seile nidjt. 

(Steffi rourbe aufgeforbert, §u beflamieren. 
(Sie lief* ftd& nic^t lange bitten, fonbern trat 
mit 6tol$ unb roie eine gefeierte ätinftlerin auf, 
verbeugte ftdf) unb trug irgenb eine abgefdjmadte 
©ad&e mit ben einftubierteften Betonungen unb 
ber geroiffen aUjubeutlid^en SBotalifterung ber 
Gonfenrntoriftinnen t>or, fanb aber grofjen Seifall. 

(So Berging ber 2Ibenb. 3 un)e ^ en benufcte 
Hermann einen unbewachten Slugenblid, um 
Seite ju größerer Sebfjaftigfeit aufzumuntern, ba 
er fidf) tyrer Stille fd&ämte, bie er für 58er* 
legen^eit anfaty, inbes fie Unbehagen mar, er 
iaf) Seile ber allgemeinen £etlnaljm$loftgfeit 
üerfallen unb wollte fte bodfj oor allen gefeiert 
unb berounbert roiffen. 

9Wan trennte fidjj bann unter grofeer §erj= 
lidftfeit unb ladjjenb, inbeö alle ba§ ©efityl eine« 
unbefriebigenben Seifammenfein« mit ftd) trugen. 

Seile legte ftdb gebanfennoH fd&lafen. 3um 
erftenmale badete fte an <£Dt feit feiner Slbreife 
unb an bie unglüdttid&e Siebe btefes Söitti. 

* 



SDer SBinter ging unter jafjllofen Siebes^ 
wanberungen Ijin. Seile unb föermann gingen 
burdf> bie ©tabt unb über Sanb. 3n tynen 
war ein heiteres S3lü^en, eine grofee greubigfeit. 
3n ber Stabt gingen fte auf bem weisen Schnee 
wie auf Teppichen in einem wunberbaren ©d&loffe. 
Sie fa^en sufammen bie föfUtd&en ©Uber ber 
ÜRufeen, fte ertufttgten ftch in ben Bezauberten 
winterlichen ©arten Sd& önbrunnö an ben tachenbften 
fluffen, warfen Schneebällen mte ftinber unb 
dritten miteinanber oor ben ein wenig affeftierten 
Statuen, ober fte waren ernft t>or bem nach- 
geahmten römifchen Triumphbogen, beffen jer* 
brodelte Pforten fte erftiegen, wie ein (Säfar 
mit irgenb einer Meinen erbeuteten 3<*uberin. 

Oft aber fühlte Seile etwas wie Schauer 
ober gurcht aufzeigen, benn ßermann war oon 
Ijerrfchfüchtigem unb eigenmächtigem SBefen, fein 
SBifle war burd& fetnerlei Klugheit ober mdfät 
gebänbtgt, alfo Saune, babei nicht oon jarter, 
fonbern robuft befehlerifcher 2Irt ber Äußerung, 
Seile wie feine S3eute betrad&tenb. <5r liebte fie wie 
ein foftbares unb zierliches ©pieljeug unb war 
boch ooll SJerbrufj, wenn fte i^ren gleichfalls 
energtfd&en, aber ftugen SBiUen gegen feinen 
fefcte. $)urch i^re ruhige, ein Mfedfjen überlegene 
Slrt braute fte ihn oft genug aufcer ftch, babei 
fchten er fie gu beherrfchen; in SBahrhelt aber 
tenfte fte ihn, jebodf) nur mit bem ruhigen 23e* 
wufetfein bes fechten unb ^ßaffenben. 



— 96 — 

©eine ©timme mad&te weniger gortfd&rttte, 
als er gehofft fjatte. @* war nidfjt fo leid&t, 
ein großer Sänger ju werben, als ftd) banadfc 
ju fernen ober es ft<$ einjubilben. @r fang 
rauty, bie £öne waren unförmttdfj unb ge^or^ten 
meber feinem ©efütjl no<$ feinem $erffonb; er 
mußte fle meber meidf) nod& etnfdjmetdjefab an- 
jufefcen, unb nur ein berber, breiter Vortrag 
gelang itym, inbes er ftdf) einen begaubernben, 
fanften, lodenben gemünfd&t fjätte. 2)aju fam 
feine unbeftegbare gautyeü unb Untyätigfeit in 
ben anbern fingen, bie tym tüdjt etwa im 
einzelnen quätenb $um SBeroußtfein fam, fonbent 
nur als üble Saune unb arge« SJtfßbe&agen ftdl) 
äußerte. @r mar an ber Untoerjttät inftribiert 
für ßunftgefdfjidfjte, f)örte aber meber &orlefungen, 
nod& arbeitete er etwas, lad aud(j ju fiaufe nichts 
Drbentlid&es, fonbern gab ^ödbftenö feine ©tunben, 
fptelte 5Uat>ier, fang feine Übungen unb ärgerte 
fidj, baß er nidfjt meiter fam. S)ie SJtutter, bie 
if>n gu SRutjm unb befferem ©einigen gern weiter* 
gepeitfd&t t)ätte, fannte in natürltdfjer ©iferfud&t 
fein anbereö 3Jttttel, als inbem fte Seite als 
bauerabes unb unerbittlidfjeö fiinbernis für ü)n 
fjinjMte, jugteic^ feine ©itetfeit anfiad&elnb, baß 
er, bem nidfjt eine, fonbern eine gange SRenge 
ber fd&önften SBeiber angehören mürben, ate einem 
berühmten ßünftter, nun jtdj) mit einem flehten, 
eigentlich armfeligen ©efd&öpf lein bauernb oerbinbe, 
bie er nur jefct, feine grauen fennenb, bie er* 



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— 97 — 



$abene ©<f)önf)eit bes 2Bc$feIfi unb bcr SReu&eit 
nidfjt ad&tenb, für t>oD neunte, ©ie werbe immer 
nur bas Keine 5ttäbdfjen bleiben, if>n aber werbe 
bas 2Beib einfi lodfen unb ergreifen, bann fttinben 
tym grofje flämpfe beuor, unb Seite, bie gleidfc 
eitrige, werbe bann fd&on »erblüht fein, wenn 
er in bas fdjönjie unb fräftigfte SftanneSalter 
getreten. 

3flit biefen unb ctynlid&en, anfdfjeinenb wohl- 
gemeinten, in SBa^r^eit quälenben unb un* 
geregten Vorwürfen, bie bie fjeudjlerifdje ©eilalt 
Don SRatfd&Iägen annahmen, oerwirrte ftc ben 
armen Sungen bis ju einem ungered&ten goxn. 
©eine fd&led&te Saune fd&lug in unbegrünbete 
2But um, fein Unbehagen fanb nun einen ©oben, 
SBurjel ju fd&lagen. @r nafjm feine Siebe felbft 
nid&t ernfl unb meinte faft, es fei nur feine 
unbeflimmte ©ef)nfu$t nad& bem SBeibe, bie tfjn 
%\x Seile geführt, als bem erften grauenmefen, 
bas jterltd) feinen 2Beg getreust, ja oft meinte 
er, burdf) ein lifttges, freoelfjaftes ©piel gefangen 
worben ju fein. 

©o fam er bann $u Seile, ©ie erriet es 
gleidfj, wenn er fo mifjgeftimmt war. 2)ann 
fprad) er md)ts, faute an feinem ©d&nurrbart, 
unb wenn fie, um tyn aus feinem argen ©emüts* 
juftanb herauszujagen, mit einem innern 23eben 
leife ©d&erje oorbrad&te, brummte er meift irgenb 
etwas Unoerftänblid&es, war aber fo hilflos, bafj 
er tyr meift am ©df)luf$ bie Sieben ber Butter 

Otto ©toe&I. «eile. 7 



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— 98 — 



eingeflanb, um fo feine eigenen gleiten Ste 
fürdfjtungen ju beden. Unb fte läd&elte bann 
immer überaus traurig unb meinte, fie gleite 
if)n bod) gar ntd&t, gut, es fei alfo nur ein ©piel, 
fte motte fortgeben, mann es if)m beliebe, 
übrigens aud& mann es einmal itjr beliebe, 
unb fte §alte tyn bod& von nid&ts unb niemanb 
ab, nid&t einmal von ben fd&önften SBeibern. ®r 
mödfjte nur bie SBelt erobern, tf)r mär 1 es maljrs 
Ijaft lieb. 2)ann fa§ er mof)l feine äußerfie 
£f)orf)eit unb feinen fläglid& unfelbflänbigen ©inn 
ein, unb feine fiaune, fein 3om fölug in ebenfo 
heftige £etbenf<$aft unb 3ärtli<$Eeit um, fei es, 
baß er fein Unre<$t burdjj boppelte Siebe gut 
mad&en ober feine 3roeifel ttberfüffen ober feine 
©tetigfeitunb 93eflcmbig!eit fi<$ felbflbemetfenmoUte. 

S)ann ergriff er fte mit einem faß rotlben 
fiadfjeri unb Ijob fte $u ftd& empor, preßte fte an ftdj). 

Unb langfam fa§ Seile etmas SReueS in ft<§ 
emporroad^fen, etmas, bas itjr furd&tbar unb 
unerhört fd&len. ©ie fpürte feinen Körper ganj 
an tyren gepreßt, fte mußte, baß er tyren 
»ufen an feiner »ruft füllen mußte, fie füllte 
if>r ganjes Siefen aufglühen unb fdfjauerte in 
i&ren ©ebanfen oor biefer neuen Jßeibenfdfjaft, 
bie fte ebenfomenig begriff als bef)errf<$te. 9ßur, 
baß fie niemals fo gefüßt, ober an fold&e ßüffe 
gebaut, mußte fte . . . 

SBenn fte bann, oon fanfter SWtibtgfelt er= 
füllt, nadf) £aufe fam, fd&licf) eine letfe, füße 



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- 99 - 

£rauer über fie, unb in ©ebanfen erneute fte 
oft bie Umarmungen, in benen fte geroefen. 
2)ann füllte fte nodjmals biefe 3"6^nft feiner 
ßüffe auf ityren Sippen, fie füllte biefe gan^e 
neue ©lut bur<$ i&ren Seib emporfieigen unb 
bas (Srröten tyrer feigen Sßangen. $ann mürbe 
ftc ftd) roie burd) einen ©Breden ober burdj 
einen tfaubti fremb unb tyres Äörpers benmf}t, 
fie fpürte bie feine Iffiölbung tyrer SBruft unb 
bie Stnien tyrer ©lieber. ®te ftleiber beengten 
fte, unb mit feuftenber greube legte jie abenbs 
bie engen, Ijodjgefdjloffenen ©eroänber ab, bis fte 
frei mar. 2)ann füllte fie ftdj tyodjatmenb ru^ig 
unb dauerte roieber oor bem gremben, SReuen, 
bas fie fürchtete unb begehrte, meit fte es a^nte. 

3u biefer 3 e ü/ e toa um & en $ebruar fjerum, 
erhielt fte einmal am Sibenb folgenben furjen 
»rief bes fträuteins 2Hündjreiter au« fttoa: 
„Steine liebe, liebe Seile! 
(Sbi §at ft$ tägli<$ vorgenommen, $fyntn 
unb Hermann ju föreiben. (Srfl ging es ü)m 
rounberbar, er mar fo frof). ©eit gefiern aber 
ifi er ferner erlranft, §eute §at er bas Se= 
mufjtfetn oerloren. S)ie $rjte färbten, ©eftern 
Ijat er midj no<§ gebeten, 8« fdjreiben, 

©ie vielmals ju grü&en. <5s Reifet, er $at 
©efyirnläfjmung. 34 miH es no<$ nidjt 
glauben. %fyxt alte greunbin 

2Ründ)retter." 
<5s traf Seile fur^tbar. 2Bie eine ©träfe, 

7* 



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— 100 — 

bie an i^r aottjogen, war biefer SBrief. Sie 
füllte eine bunlte <S4ulb, bie fie, intern (eisten, 
unbef4merten SQBefen folgenb, auf ft4 gelaben, 
als fte (Sbi gefügt unb bann ebenfo leidet uer* 
laffen fcatte, als jie i&n an fidj gefc^Ioffen. 

„34 eine $fft$t auf mi4 genommen, 
als id> tl)n füjste. 34 mu&te es rotjfen, bafe 
il)m bies me&r unb anbete« bebeute als mir; 
lein ßtnberfpiel, fonbern bas 2lufgltif)en eine« 
neuen fjeuerö. 9JUt ben glammen &abe t4 ge- 
fptelt. Unb i4 f)abe bamals fold&e ©eljnfu4t 
na4 Hüffen gehabt, üftadj ben feinen? 34 weife 
es nl4t, aber mi4 anjuf4miegen, ju füffen unb 
ni^t allein ju fein. $afe man bo4 nid}t lieben 
fann, ofjne beliebten ! 2Baö roar er mir? (Sin 
greunb? @r f)at fo I)übf4e8, blonbes, gef4eitelte$ 
&aar gehabt unb fo gute blaue Slugen, unb er 
mar fo unerfahren. 34 i&n ba& Äüffen 
lehren muffen unb nmfete es bod) felbft nid^t 
red&t ©4led)t mar alles unb bo4 ni4*8 
<5§h$it§, roas *4 modle. Slber ba es gef$ef)en 
ift unb ba anberes gef4e&en ift, ift es mie eine 
©ünbe geworben. 34 wi4 befledt. 34 
bin ni4t rein . . . D, unb mann mirb bie unfelige 
6efjnfu4t oerlöf4en. Söarum fann unb mitt 
i4 ni4t allein fein, mar um mufe i4 lieben, 
marum bin i4 geboren, um nie mir felbft ju 
genügen? «Sollte es benn roaf>r fein, baß mir 
ni4t leben fönnen, ofjne ju lieben. $)as fliege, 
niemals ganj fein, niemals fi4 felbft Erfüllung 



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- 101 — 

I 

imb ©lüd bebeuten, immer es in anberen fud&en. 
Unb t<$ fü^r es, rote idj mtdj felbft oerberbe. 

„$&ab f i<3& ben @bi geliebt? . . . 9tein, bloß bie 
Siebe, bie Siebe fjabe tdfj geliebt, weil i<$ allein war, 
unb weil meine 9Irme ein fiaupt begehrt haben, 
es ju umfd)ließen, weil meine Sippen ftdj ju was 
anberem gut bfinften, als $u fpredjen unb gu 
effen. 2BaS $ab' idfj t>on U)m wollen? 3hn? 
3hn? 9tein, weil er fo fanft, fo füll, fo be* 
fdjeiben mar, habe id) ihn geliebt, weil idj badjte, 
er fönne nie rauf) unb roh merben. 5Die SRuhe, 
bie kläffe, bie ©titte, ben ^rieben . . . 

„3<h bin jefet anbers als i<h mar, idj ^abe 
mid) felbft verloren, aber i$ ^abe mi<h nidjt 
miebergefunben, bas werbe idj wohl nie. 34 
bin ja ganj fteuerlos, gang ohne 2flaß, tdfj ^abe 

gar fein feto & an & ^ e 9 4 üor ™t r / 

ade« ift eine Saune. %a, aber id) bin wieber 
garnid)t launenhaft, benn bann wüßte idj Don 
meinem SBitten. 2lber idj gehörte trieben, 
von benen idj nichts unb nichts weiß . . . 2Bie 
wenn einem falt ift unb man jtdj einfüllt, . . 
ober wenn es glüht, bie SDede abwirft. ÜtfHr ift 
es oft, als hätte ich mich entblößt. 211« fei idj 
fdjamtoö unb f<hle<$t. Unb bo<$ bin ich es 
wohl nicht. 

„3efct aber liebe id) öermann. ©o §ab' ich 
bodj gewußt, warum idj ben <5bi im ©ti<h ließ. 
2lber ich fürchte, i<$ wußte es bo<h nicht. Sieb' 
ich benn ben fcermann ober nur feine anbern 



— 102 — 

Äüffe ? <8r mad&t midf) ganj trunfen. 34 bin 
mübe unb bo<$ rafenb. <£d ijl wie ein fdjjuettes 
Saufen. 916er id& fdfjäme midf) . . . $enn tdj tf)ue 
ntd&t, maß id& roitt. Sitte ©ebanfen gejjen oon 
mir, nur ©lut ober grofl ift ba . . . 3n feinen 
Umarmungen ift mir roo&t. Stile ©lieber {Ireden 
ftd^ nadj ber Siebe wie nadf) ber ©onne. 9la§ 
Hermann. Unb bod& — tiieHeid^t liebe tdf) nidjt 
tyn, fonbern bto& bie Siebe wie eine ©onne/ 
unter ber man wäd&ft unb blüf)t. 2Ba§ ift 
Hermann? 34 füffe iljn eben blofi anberfi als 
<5bi . . . 5lber idj füffe ifjn um ber Hüffe, nid&t 
um feiner felbft mitten. Slber i<$ möd&te bod& 
nid&t ieben ftijfen . . . 2lber fein ©eftdf)t ift fdfjön, 
e$ §at einen männlidfjen Slusbrudt, aber erfdfjredft 
mid& oft, roeit er fo wilb tfl @s ift mdf)ts 
geineS, ©tittes in i&m. $a« war (Sbt ... 
o, i<$ begehre, tdfj weifc nidjjt was, id& witt 
lieben, id§ luetg nidfjt roie ... Unb in 
einem finbe id& nie äße« . . . td& $abe ben <5bi 
gefügt, bann famen anbere 3af)re$jelten über 
midf)/ ber blaffe 3Rär& oerging, unb td& füffe ben 
^ermann . . . Slber ob idf) einen anbern über- 
haupt lieben tann, felbfl aufhören, weil id& er 
geworben bin, weil i$ aufgegangen bin, oerfjaudfjt 
wie ein £Kau<$ in ber Suft . . . £>a$ märe Siebe ! 
SXbcr idf) bin wof)l fdjamlos unb pflic^toergeffen, 
bafe id) bamals ben <5bt gefü&t fcab', $eute ben 
^ermann. ®en (Sbt f)ab' id& ja oerlaffen, be= 
trogen. Unb er mar fo gut. ©o bin id& oon 



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— 103 — 

if)m weggegangen, wie man von einem Sahen 
roegge^t, wo "tan dmaS nidfjt befommt, es roo 
anbers }u fudjeri. (5s iß, als ob idj) §erum 
ginge, wo befotnme id& bie fdfjönfte Siebe, bauerbar 
unb fd&ön gefärbt, &übf<$ bunt möd&te tdf) fte 
fjaben, unb fie fott nie aus ber ÜRobe fommen, 
immer gut ju ©eftd^te flehen, im SBinter roarm, 
im grüljling jart wie ein ©d&Ieter unb nid&t 
Derblaffen ober jerreifeen ober fonftmle abgetragen 
unb fdjäbig werben. Slber idfj befomme fie 
nirgenbd. 3dfj trage nur bas unb jenes unb 
bitbe mir ein, es ifi bie Siebe . . . 3)ie Siebe 
aber ift rote bie 2öaf)rljeit im 3Härd&en. hinter 
ben fieben SBergen. 3$ 9 e ^ m ^ Mc ^üge wunb, 
idj) befd&mufce mir meine müben gü&e, tdf) oerliere 
meine ©eele, td& gebe fie für baß bunte £üdf)letn 
Siebe f)er, bas td) mir neunte, weil es mir 
gerabe &u ©efidfjt fie^t, unb mein Äörper friert 
ober erfiidft oor &ifce. 

„®er arme <5bi, jefct mu& er fterben. 
©erabe je&t ... wo er fo oiel gehofft, nodfj 
alles erwartet. Unb gerabe na<$ metner Untreue . . . 
2)aS mar bas erfte, was er fterben faf), barüber 
mar er wof)t feljr traurig unb ging fetber weg . . . 
SBielleid&t ift es gut. SteUeicfjt f)ätte jeber Sag 
feine ©eljnfud&t gefönt, befdjmufct, otettetd&t 
märe if)tn jeben £ag etroas meggeftorben. 3eßt 
foll td& midj mofjl barüber tröften, ba& idf) tyn 
betrogen fjabe. Unb icb bin bod^ nid)t gar fo 
oerroorfen ober föled&t, aber jeber 2Bunfd&, jeber 



— 104 — 



2ftenfd&, iebcfi $tng $ätte i&n $eud(jlerifd& an 
ftdfj gelodt, Don tym genommen, wa« efi gerabe 
an i&m begehrte, i$n gefügt wie td& unb tyn 
vertaten wie idjj. 

„2lber wenn er feine Hoffnungen unb SBünfdfje 
fjätte Serben feljen mtiffen, ba« wäre f)ä6lid& 
unb arg gewefen. 2)er 2lrme, 2lrme mufj fterben, 
gar fo frü& fterben . . ." 

©ie meinte letfe in tyre Äiffen. 

„2lber bem Hermann miH id& treu unb gut 
bleiben. $)a« ift meine $ftid&t. ®r |at mldj 
fo lieb." ©te füllte fi<§ eng umfd&loffen oon 
feinen Ernten unb roilb gefügt, jie preßte tyre 
weifee, ftraf)lenbe, nadte SBruft an t&n ... Sie 
f erlief ein ... ©te träumte, fte wolle immer ben 
©d)lag feine« Herjen« fd&lagen frören . . . Slber 
fie Ijörte tyn nie. ©ie f)or<$te ... ©ie neigte 
if)r Df)r über feine »ruft, fte fjörte e« nid&t . . . 
<SnbU$! (SnbltdfM 9Gun Ijörte fte einen un= 
ruhigen, wilben ©djlag . . . ©d&on freute fie 
ftd&, ba& fte fein laute« Hers uemefjme . . . £)a 
fpürte fie, baß es tyr eigene« war, ba« ftürmifdfj 
f$lug unb bem feine« in ber SBelt antwortete . . . 

Unter S^ränen erwarte fie . . . 

* 

2tm £age barauf fam bie ÜRadfjrid&t oon 
@bi« £ob. dt würbe nadf) Htefcing jum 
Begräbnis übergeführt. 3Rit feinem ©arg reifte 



- 105 



ba« gräulein 9ttünd&retter jurücf. Seile badete 
unabläfftg an tf)tt. 3mmer mußte fte ftd^ jenen 
Sag Dorfteilen, wo fie nom grüljling miteinanber 
gefprodfjen Ratten, rote er o&ne $auer fei, unb 
rote ber SItem iljn nid)t erfd&öpfen fönne, t&n 
nid&t au«trinfen, unb ba« 2foge nid&t unb bie 
©inne nid&t. Unb rote fie tf>n gelügt. 3)a« 
roar poetifdjj, badjjte fie unb füllte ein bittere« 
fiadfjeln ... ©ie $atte jum ßeid&enbegängm« 
einen $ran§ befteHt unb ein fdjroaraes ßletb. 
Sie roollte roenigftenö um ben @bi trauern, 
als um ben verlorenen Watt, als um eine 3**t 
beß grüfjltng«, bie fie nid)t auögetrunfen, beren 
fanften Sltem fie nid&t erfd&öpft, roeil affjufrü^ 
bie fpätem Blumen gefommen roaren. 2Jton 
braute i&r einen 5tranj, aus bunfeln Sorbeer* 
blättern unb meißen Subarofen unb roetßen 
9tor$iffen füllen Duftes . . . SJlan fammelte ftdf) 
unten im Srauer&au« . . . £>ort ftonb fdfjon ber 
(Sarg mit blauem ©ammet gebedt unb barin 
roeiße ©terne eingeftfdt. Stau unb roeiß ifl 
ia bie garbe für bie Äinber unb Unoermctylten. 
£)te Präger flanben fdfjon fjerum, brennenbe 
2Btnbü$ter in ben $änben. S)ann roar ba« 
gräulein 2Ründfjretter ba unb bie paar anbern 
Slnuerroaubten be« @bt, ganj f<$roar$, bie grauen 
in bieten ©d&leiern unb fef)r gebeugt. 2luf ber 
einen ©eite be« gimmett ftanben bie 9Mnner, 
auf ber anbern bie grauen . . . @$ roar gan$ 
ftitt . . . 27ton f)örte nur $ier unb ba ba« leife 



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1 



— 106 — 

Sdjluchjen einer SBeinenben, ober ben Schritt 
eines Sfteuanfommenben. Slber e« war bod) tote 
ein fltttea Murmeln im 3tmmer, toar, al« 
ob ade bie üblichen $otengebanfen hinüber unb 
herüber flatterten unb einer bem anbern jufltifiere, 
ob er auch wirflich ihm ähnlich fef)e unb fein 
93ruber fei. (£$ waren bie gewöhnlichen ©ebanfen 
bei einem Seichenbegängnis. 

SSBenn ftch fo otele 3flenf<hen bei einem Sarg 
jufammenftnben, oereinigt fte ber £ote ju einer 
eigentlich gebanfenlofen SWaffe. 2)er £ob einigt 
Sebenbe, bie fonft fo mannigfach ftnb, wie ba* 
Seben felbft. &ier werben fte ihrer Selbftfucht 
eigentlich entlebigt, unb bie gleite Spfftdjt ber 
Trauer läfet fie ftd) oergeffen unb blofe be§ 
gleichmachenben $obes benfen, ber einen oon 
ihnen wegnahm. So tragen auch ih re ©ebanfen 
eine fdjwarje, oertoanbte £radjt. 216er wie 
hinter ben Kleibern bie ©eftalten oerfdjteben 
ftnb, fo treten hinter ber 9Wobe ber Brauers 
flimmung bie eigenften ©ebanfen h eroot • • • 
(Ss ftnb eben ßebenbe . . . Unb oerfchieben auf 
bas Seben gebaut. Sie fönnen ftch oom 
Srbiföen nicht löfen. Vielleicht ift jeber fo 
aufrichtig, einen Slugenbltd bes reinen Schmedes 
ju empfinben, aber er fann ihn nicht fefthalten, 
nicht einmal oor ber 33af)re, glei<h tönt anbere« 
mit, unb bie ©ebanfen oerweben fid) unb fchtingen 
gaben um gaben . . . weitab oon bem £ob, oon 
bem fte ausgegangen, So leiten fte oom Sterben 



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- 107 — 

hinüber &um Seben unb beffen fleinfien ©orgen. 
©inet fielet bcn anbem. ©djon benft er an 
ba* ©efidjt befi anbem, an beffen tafeln, an 
beffen Seruf unb ©§arafter, an fein eigenes 
SBefen, an fein ßleib, unb ob er gut ausfielt, 
ober feine Sorgen fallen i&m ein, ifl er glüdlidj, 
fo überftrömen freubige ©ebanlen bie Trauer, 
ift er befümmert, fo oermedtfelt er ba* frembe 
ßeib batb mit bem eigenen. 

$ie grauen nahmen auf ben bereitfle^enben 
©tü&len Sßlafe. Seile faß t>om gräulein SRündjreiter 
entfernt, fie faf) fle ganj tiefgebeugt unb trofilo« 
fx|en. 3^r mar alles weggenommen . . . Seite 
füllte : <5bi ! (Sbt ! . . . Unb fo oft fie ben tarnen 
füllte, fam bie ma&re unb aufrichtige Trauer marm 
über fie . . . 2)er große ©$mer$, ber glücflidj 
mad)t . . . Sie bebte . . . ©ie fpürte S^ränen. 
3)ann mar fie glücflidj, fo innig ju meinen, fie 
freute fid&, baß fie ben großen ©d&mer$ empfmbe. 
©ie füllte immerfort: (SM! @bi! roie eine 
^a^tigall fd)ludföenb auf einem Xon trillert . . . 
2lber gleid) mar fie mieber eitel unb bewußt, 
fidj üjrer 2tyränen, ja i^reö Seibes ju freuen. 
(58 befreite fie md)t oon fi# felbfi, unb bieö 
allein fonnte bod^ bie roabre Trauer fein, aber 
bann müßte man roo^l faft felber fterben . . . 
©ie falj auf ben ©arg ... ©ie batte tyren 
ßranj gu anbern ßränjen gelegt. Salb bebedte 
ein fdjöner &üget oon jkrf buftenöen Blumen 
ben blauen ©ammet. ®er 3laud) ber äßad&slidjter, 



I 



— 108 — 

ber fiarfe Dbem befi SBetyraud&e«, ben ein 
■3Jttnifirant oon 3 e *t 3 e ^ * tt dner ©dfjale 
ftfcmang unb f)reute / unb ber ©erudfj ber 
SBlumen fd&welten rote ein ftarfer, bicfer, jä&er 
©trom sufammen, unb bic Suft fd&ien bläultd& . . . 
ob baö gräulein meinen ßranj bemerft &at, ob 
fte midi) jte&t, badete Seite; unbewußt trat fte 
ein wenig cor, um gefe^en ju werben, bann 
ärgerte fie fidj nrieber, fotd^ed benfen ju fönnen . . 
3)ann fitste fie ifjr £afd&entud) . . . 3&r war 
fceifj im ftimmtx . . . Unb immer wieber jwang 
fte ftdb, (5bi! ju benfen, um bem ©d&merj treu 

bleiben, menigfien« in biefer ©tunbe. 

$)te Minuten verrannen tangfam unb fd&mer 
unb jät). gaft Ijielt f<$on bas ©djweigen nid&t 
me&r an. 2Ran fcörte ein ©Marren ber $fi&e . . . 
211« fei ba$ Seben felbfi ungebulbtg, fo lang bei 
£ob unb £obe$gebanfen ju Derweilen. 9Jtan 
wartete auf ben Sßriefter . . . 

„3)af$ ber aber fo lange warten lä&t, was 
er nur treibt." 

£)ann betrad&tete Seile bie $rauergäfte . . . 
3n ben ©eftd&tern lag orbentlidjj ber Slufibrutf 
ber ©införmigfeit, etwas gezwungen ©tarre«, 
wie ein ©$eintob, ju bem ftdf) alle zwangen, bie 
am liebften laut gerebet Ratten . . . 

„2Barum läßt man nidfot jeben taut feine 
eigene Dual unb ©orge flogen, bann wäre ein 
aufrichtiger ©d&merj bei 33egräbniffen," badete 
Seile . . . 



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- 109 — 

SDrfiben fat) fte fiermann fielen. 2Ba* ber 
mof>l badete. <£r tyatte geweint, ©ie fa§ bie 
©pur ber 3$rftnen auf feinem ©eftd&t unb freute 
ftd& barüber . . . gdft f)ätte fte geläd&elt. 216er 
er $atte nidjt mel £)auer, ber ©d(jmer$, ein paar 
2lugenblicfe tonnten Ujn mit fjunbert anbern ©es 
bon!en umringen. 2ln roafi er jefct fann? ©ein 
©efid&t mar ruljig, unbeweglich, wie von ©tein, 
fo fltanb er, fdfjmarj gefleibet, ben ©ptinber in 
ber fianb. 

2Bie if>m biefer fiut paßt, id& fyaV tf)n nod& 
nie im ßpltnber gefefjen . . . SBoran er jefet 
benft . . . Db er mtdfj gelegen fyit SBiettetd&t 
benft er, mann er mtdf) nad& bem Begräbnis 
fte^t, mann er mich fügt ... D, efi ifl furchtbar, 
furchtbar . . . $aö £eben . . . <5r hat mich 
feinem greunb roeggefüfet. Sllles ifi fdfjroant . . . 
2Bir finb t>eräd()ttich, wie baö ©ras, bas roir 
treten . . . Unb bin ich benn ihm treu, wenn ich 
mit häufigen ©ebanfen an meiner Siebe jmetfle, 
wenn id) nur bereue, bafe ich ©bi um feinet* 
mitten aufgegeben . . . 

SDann mieber jmang fte ihre ©ebanfen jur 
SRuhe unb badete: <5bi! @bi! wie man con 
(Sind bis Rimbert jählt, um einjufchlafen in 
machen SRäd^tcn, ober nrie man blofe auf ben 
©ang ber Uhr ^ord^t, aber langfam, unerbittlich 
tauten roieber bie ©ebanfen auf unb burdfc 
freujen einanber unb verminen baö ©efü^t, 
beffen &errfdf)aft man ftdh unterjochen mitt. 



L 



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— 110 — 

Stenn fat) fte ftct) um. ©as 3^ mer roa * 
gan& ausgeräumt. S)ie Xifdje waren fort, bas 
älaoier. $ie Silber an ber 2Banb waren ge* 
blieben unb ber große, altertümliche ©darauf mit 
bem eingelegten $ol$, bie alten Reifen Porträts 
waren mit glor behängt ... ©ie badjte, wie 
fte wohl ausfähe. Db fte bla§ oon ihren 
Xi)xämn, ober ob fte bas diot ihrer SBangen 
oerriete, baß fie jung unb glücflid) fei unb blühe, 
too ein Toter ba mar, ein oerwelfter, ein 
blaffer, oor bem es jt<h nicht gieme, mit roten 
SBangen unb ßebensgebanlen ju oerwetlen . . . 

©nblich fam ber ^riefler. (Sin behäbiger, 
gemütlicher alter $err mit wetfeem SJle&gewanb. 

@S ging wie ein ©eufeen ber ©rlöfung burdj 
bie Rethen ber Slnwefenben. üftun begann er 
feine ©ebete lefen. 9Wit gleichförmiger, 
gletchglltfger (Stimme lad er fte ab, etwa« 
fingenb. ©er üJHntftrant antwortete, ©ajwifchen 
hörte man bas ©djludföen ber grauen; tangfam 
floffen bie latcinifd&cn gormein mit milbem, 
weichlichem Ton, fo ohne ©<hmer$, fo ohne 
JUage, nur fiiH-fromm unb ein wenig feierlich, 
wegen ber grembheit, bloß bie anbere, unoer« 
fiänbliche ©pradje machte bas Erhabene ber 
Totenfeier aus, als werbe oon ben SDingen bes 
bunfeln 3cnfcit« in bunfeln unbefannten 2Borten 
gerebet . . . 

S)ann brach man $um griebhof auf. 

SDie Söhre würbe oorangetragen. 3h* 



uigit 



— 111 — 

folgten bte SHänner, bic grauen. SRun artete 
fdjon niemanb meljr auf baß große ßeib. SDte 
frtfdje, falte, trodfene SBinterluft führte es weg; 
bie Slugen Ratten roieber etwas ju feljen, ba 
war jeber Saum am 2Beg, jeber 33egegnenbe, 
jebes fiaus, an bem ber 3 u g vorüberging, 
jeber Stritt felbfi bas £eben, bas ruhige, 
bleibenbe fieben, baß ben £ob unb ben £oten 
oergeffen mad&te. 

$lm griebfjof mürbe nadj fur$em ©ebet ber 
Sarg nerfenft . . . dluv als bte erjle ©<§olIe 
nieberftel, judte ber ©<$mer$ in allen auf . . t 
$as gräulein SHündjreiter ftanb oor bem ©rab, 
unb jeber trat auf fte $u, f Rüttelte tfjr bie 
&anb unb fprad) fein 33eileib aus. <3te flanb 
roie eine Bettlerin cor einer $0fir, Sllmofen ju 
empfangen. Unb jeber na^m mit 9Wü^e ein 
ftnffcres Sfatltfc an unb bemühte ftdj um ein 
paar fd^icfCtd^e frönen, um ftd) bann befreit 
fortaufd&letd&en, ju feinem Seben, baö rutytg unb 
gelaffen weiter trieb, oon feinem £ob aufs 
gehalten in feinem ©ang. 

■ 

* * 
* 

Seile f)ing feljr an ben Äüffen Hermanns, 
an feinen milben Umarmungen, fte föntiegte fi$ 
an i&n roie an bas £eben felbft, bas fte nidjt 
entbehren fonnte, roonad) fte jtd) unter großer 
unb beftänbiger 2lngft bennodj feinte. Unb in 



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— 112 — 



aller Siebe toar fie bodj allein, unb biefes 
f<hmer$lidje ©efü^t braute fte ju lelfcti, quälenben 
3»cifc(n an bcr Siebe felbft, roie bie oom geben 
entlauf djten Genfer an ber 2Bürbtgfett bes 
SDafetnö oerjroeifeln. $ätte man ihr lädjelnb 
getagt: 'Seile, eigentlich biß bu ein bummes, 
fleines 9Häberl, ba$ fi* unoerftonben fühlt', fo 
wäre fie befümmert getoefen, unb fie fam ftdj 
unbanfbar gegen bafi Seben vor, bad ihr fooiel 
$üffe unb Siebe entgegentrug unb bod> oon ihr 
fdjmerjlid) unb feinbfelig empfunben nmrbe. 
einige 2)idjter ^aben jenen £gpu« be* um 
oerftanbenen SBeibes gefdjaffen unb ftnb faft 
belächelt toorben, unb eigentlich ^aben fte eine 
große, allgemeine, fcIbftocrPtänblic&c SBefenbeit 
auf einen einzelnen gall angemenbet, wo er ftd* 
gerabe geigte, unb oergaßen, baß alles unoer« 
ftonben ift, bie 2Belt felbfl unb bie SWenfdjen, 
einer bem anbern, Sttann unb SQßeib. Unoer* 
ftanben bleibt eines bem anbern, unbegreiflich 
roie frembe Sterne. &enn toas erfennt einer 
an bem anbern, unb toas liebt er? Siebt ber 
Sftann bes SBeibeö ganjeö SBefen, bie ganje 
2Belt i^rer Seele, ober oielme^r nur eine 
einzelne Sinie ihres Selbft, eine Erfüllung feines 
^Bittens, fetner Segierbe! roas er an ihr fucht 
unb ju finben hofft, feine Saune liebt er in ihr. 
$ter eine 2lrt ju gehen, bort ben fanften 
Schwung ber Schulter ober ber SBruft, einen 
3ug ber Sippen ober ben ßlang ber SBorte unb 



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— 113 — 

beten ftlbernen fconfaff ober Ujr ßadfjeln, ober 
einen fd&rägen, tauemben, Ujiigen ober oer= 
^eigenben föliä, ober wie jxe offen unb oer- 
tranenb tyn anfielt, ber ttjr geinb ifl. ®ieß 
ober jenes liebt er an tyr, feine Siebe ift eine 
SBiUfür unb SDeutung tyreß äBefenß, nid&t biefeß 
felbß. ©o ifl jebeö in einer unenblid&en, un* 
begrenzten, ununterbrod&enen (Sinfamfett. 3nbeß 
aber anbere in ber &aft unb 9fa>t beß ßebenß 
bie 2But nadjj ben liefen bes eigenen ©elbjt 
oergeffen fönnen, ftnb bie meiften grauen burdj) 
bie Neigung unb Slrt, burd& bie übliche Drbnung 
immer mit ftdf) allein unb tyre ©ebanfen freifen 
um baß eigene 3$. ©ie ftnb in ber SBelt 
allein in einer munberooUen unb bro^enben 
©infamfeit, <5ß iji, als ruhten i§re ficmbe im 
©d&ojj, unb ab fdfjweifte tyr SBUd über eine 
frembe @rbe weithin. 

@o mar Seile ganj unb unrettbar in baß 
eigene SBefen gebannt. Süuß jebem SBaum, auß 
jebem Sing, auß jebem SDuft unb jeber garbe, 
auß allem unb allem blicfte il)r baß bunfte 
Sluge ber (Sinfamfett entgegen, grüf) muffte fte 
um ftdfj, um tyren ftörper, um tyren SHicf, um 
i^re irrenben (Sebanfen, um t^re Bewegungen 
unb SRutje. Unb mie bie Körper oon 3üng* 
lingen fidf) früt) in ber ©d&önf)ett angeftrengter 
Bewegungen üben, fo mar if)re ©eete geübt in 
ben rounberlid&en Bewegungen ber Betradfjtung, 
beß ©innenß. <So weife fte nur felbfi um fidfj, 

Otto ©toe&t. Seite. 8 



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— 114 — 



nur fte ffifjlt iljr ganges SBefen, unb tote fte von 
allem abgetrennt unb fem ift, was um fte, bei 
tyx tft. 216er fte empftnbet eine grofce gfurdjt 
vox btefer ©infamleit, jie begehrt bas Seben, 
tote fie ben freien 2ltem will, tyr ßörper will 
ft<§ anfdjmiegen, tyr Körper will lieben, inbes 
bie ©ebanfen, wie bunfle galter, weit ab in 
anbere ©ärten irren. So ge^ord&te i$r ganges 
Söefen bem Stafetn unb bem SMen &um Seben, 
inbes t&re (Smpfinbüngen von anbern 2Btinf<$en 
bewegt unb getragen waren, benen bie SBirf« 
lidtfeit nie eine Erfüllung gewähren fonnte. 
(Sigentlidj war fte woljl nid)ts weiter als ein 
launenhaftes, flatternbes SBefen, bas 9Rärdjen= 
Ijaftes com SBirllidjen begehrte, vom ©ewö&n* 
lidjen bas SBunber. grity war if)r bie Se£n* 
fudjt um bas SEBefen gelegt worben. S^re 
erflen ftinberja^re fielen in bie ro <> tiß 
SBater brausen an einem Keinen ©auernort non 
Dberöfterret<$ Stationstwrftanb war. Sie lebten 
bort in einem 33auernf)aufe, unter allen alten, 
bäueriföen unb feltfamen Sitten. Slbenbs, 
wenn bie Altern f<$on gu S3ett gegangen waren, 
fdjltdj fte ft$ auf tyren fytyn, im bto&en 
fiemblein hinunter in bie ©eftnbeftube, ju ben 
$ne$ten unb Sflägben. Snmitten ber berb ge? 
bielten Stube blatte eine trübe Öllampe. 2Ran 
faß um einen t>tere<ftgen £if<$. SDie 3ttägbe 
fpannen no<$. Sie nefeten nodj mit befeudjtetem 
ginger ben gaben, inbes fte bie Spinbet 



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— 115 — 

breiten; bie Änedjte fdjnitten igotj ober banben 
Seifer. S)o §ord)te fte auf bie grauen, fabet= 
haften ©efdfjidjten, bie breit erhallt würben, ober 
auf bie berben ober fdjauerlidjjen Sieber, bie ge* 
fumtnt würben. SHetft fafe fte auf bem ©djofj 
ber alten ÜDtorie, bie als Äödjin bem fleinen 
Siebling immer ein fcäuflein Stopnen unb 
ÜRanbeln vorbereitete, bafj es in ben grusligen 
©Jauern bo<$ einen angenehmen %xo$ habe. 
®a hörte fte gar SRannigfadjes. <5;S mürben 
bie alten SWärdjen erjagt, fo ernjtyaft unb 
gläubig, wie allbefannte 2Baf)rf)eiten. Seber war 
fdjon einem Sßrinjen begegnet, ober einer fieje, 
beren 2higen wie geuerräber waren, ober einer 
gee, ober einem oeraauberten Sären, jeber §atte 
fdf)on aus einem alten SBeibenbaum graue 
gungfern (tagen gefehen, bie ftdj in ben -Webel« 
felbern im Ston^ unb unter (Befangen wiegten. 
2ta8wtfd)en famen bie berben Abenteuer be§ 
£ages, — unter ben SBunbero erfd)ienen fte 
felbft grauenhaft ober wie 9Kärdjen, unter ihnen 
bie gabeln wieber alltägli<$. (Sin Sftorb, in ber 
■Wadjbarfd&aft begangen, würbe er^tt, ober bie 
ßiebesabenteuer eines Surften, ober wie eine 
arme SKagb oerftihrt worben unb fdjwanger, 
bann ftdj oerlaffen fah unb in ben (Sumpf 
ging, fte modjte als traurige« Srrlidjt weiter* 
leben. 2)tes alles ^ötte Seile unb fah es mit 
ftaunenben, jtnnenben Slugen unb bereitete allem 
wunberbare garben. Unb fte fah bas ©djerjen 

8* 



— 116 — 



ber Anette mit ben SJtögben, wie einer bie 
anbete umfafjte, ü)r einen ßu§ raubte/ ober bie 
SBrufi fudjte, ober unter bem Xifä ben güfjen 
ber SMrne begegnete* $as alles fafj fte, 
ftnblid) mufjte fte oon allem nidjts, aber fpäter 
befann fte ftdj auf alleß, jeber Heinfie 3«8 trat 
oor fte unb fagte i&r oieteß. So mar in tyrem 
SBerftanbe ßeben unb $raum ineinanber gemirft 
unb untrennbar, fo na&m fte baa eigene 3)afein 
mie eine 3Rär<$enmtrfttdjfett, in ber fte nattirlidj 
unb bodj in träumen manbette. So lam ba« 
grofie, ftnbifdje Abenteuer tyre« Sebenfi über fte, 
unb fte genofj es mie ein 2ttärdien unb bodj oott 
iQual, mie einen ferneren £raum, benn fte mar 
felbft fjineinoerfirtdt, unb inbes fxe fonfi tetfe 
nefjmenb, bod) ni<$t beteiligt, &ugefef)en, fknb fte 
nun inmitten unb alle* fjatte SSejiefjung $u tyr, 
unb jeber ßuß mar ein Sttid Sdjttffat. So 
^atte fte greube am Abenteuer unb Slngfl. Cfi 
mar, als empftnbe fte ein lebhaftes SRärdjen, 
aber als litte fte an ber SRot unb Oua(, es 
felber burdfouleben . . . So mudjs affmäfjlidj ber 
grttpng §eran, 3^ 3Wära mad&te fte einmal 
an einem Sonntag mit Hermann einen großen 
Ausflug. Sie fuhren mit ber SBefibafjn bis 
Sßutfersborf, oon ba moUten fte $ur 'Saunjen*, 
einem Heilten SBatbgafiljaus. 

Sie gingen ben 2Balbmeg burdj ba« fdjmale 
Styal, baö bei jeber Krümmung im 3lnbli4 
mecfjfette. ®ie Sonne Ijatte baö mtlbe SRot bes 



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— 117 — 



erften grüfjlinga, fdjon ^atte jte ben Wittag 
weit überfdjritten, bcr ganje SBejien Ijatte Hjren 
purpurnen ©<$ein, über bem ©Reitet war ber 
Gimmel ftral)lenb weife, o$ne SBolfe, gegen 
Dften von letfem, jartem ©lau. SHc Serge 
waren ganj f^arf unb flar, bte Stuten ber no<$ 
unbelaubten Stämme rateten ftd) ftorr auf unb 
föienen bläultd) überf)audfjt, in ber gerne 
in blauen, garten Mügeln ju Derfdjwtmmen. 
©te gingen burdj bas junge £olj. $)ur<$ einen 
©udjenwalb. 9tod) mar fein ©tamm belaubt. 
üRur l)ier unb ba famen jie an einem Äornek 
firfdjbaum vorüber, ber mit feinen garten, gelben 
Slütenbüfdjeln gan$ bebedt mar. 3)ie ©tämme 
aber waren ganj fteif unb nadt, jte flimmerten 
alle oon ber ©onne unb leudjteten faft purpurn 
von bem jungen ©aft, beffen Greifen man ju 
fe|en glaubte, unb wie er in ben Stflen in bie 
feinen Änötd&en ber ©lätterfnofpen feucht aus* 
brad). ©ie gingen auf bem alten Saub, bad 
grau unb rei<$ ben ©oben bebedte. &ier unb ba 
erföien im ©idi<$t ein ©tern einer frühen 
SBlfite, Äüdjenfdjellen mit ben paarigen fteldjen, 
ober Seberblumen ober ein gelbes SReji von 
Primeln. 

©te* gingen feiertidj. %foxt ©dritte waren 
lei<$t, wunberbar getragen burdj bie frifdje unb 
bo<$ fdjon burdjwarmte Suft ber freien gelber 
unb fiö^en. ©& war ber Sinbrucb eines frönen 
3Wonats, jte lebten ben erjien geling in i&rer 



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— 118 — 

Siebe . . . @§ xoax litten Ijeute ein gfefi . . . 
3ebet Stuft fdjien üReues, SBerDetfjenbes gu be* 
beuten . . . Seile fd&mlegte ft$ in fiermannö 
9lrm, unb wenn (ie $ier unb ba fielen blieben 
unb er fte anfa$, meinte fte in feinem ©Iii ein 
tiefere« Seudjten ju fe^en unb in ft<$ felbfi 
anbere 2ll)nungen emporfteigen. Umfdjlofc er fte 
bann, fo füllte fte feinen gan&en Äörper bt$t 
an iljrem . . . 

Utadj 5toei SBegflunben etwa waren fte 
bort. 3Kan fonnte fd&on im freien ftfeen. So 
befieHten fte Up Sffen unb flauten über ben 
roalbtgen ßeffel, in bem bas ©aftfjaus lag, über 
bie buttfein, flauen $öl)en in ber ÜRcUje unb bis ju 
ben fernen, blauen Mügeln weithin, unb über 
bie 2Biefe, bie aufzugrünen begann. @s 
fdfjon einige Seute brausen. (Sin paar junge 
äRäbdjen fd&on in listen grüt)ia§rsftett>ern unb 
fiüten unb junge Männer in fdjtoarjem @onntags= 
anjug, ein paar behäbige rau^enbe Bürger unb 
ein paar feierltdfj ungefc^icft ange&ogene ÜJHttter 
mit Meinen, oor SEBonne fretfdjenben fttnbern, 
bie fidj herumbalgten unb tollten. 

3m ©artenfalon fpiette ein ßlatrierfpieler 
jum £anj auf, unb man faf> einige Sßaare 
fid) fangen, !)ier unb ba ging eine« ber 
3Wäbd)en hinein auf einen SBalser, ein anbere« 
fam mit t>o$geröteten SBangen unb heftig atmenb, 
gtüdflra^tenb am Sinn üjres £änjer$, ober 
allein heraus. 



— 119 — 



„Seile, magfl bu audj tan&en?" 

<5rfi verneinte jie, fte traute fidj bo<$ nid^t 
te<$t . . . $ann faf) fie eifriger t)in. 

So war es f$on über fedjs U$r geworben. 
Sie Sonne flanb fdjon $art an ben wefitidjen 
Sergen, unb ber Gimmel bunfelte fdjon mit 
ftörferem Stau, ja bie freie SRonbfidjet, bie 
früher gan& blafi oben geflanben trotte, wanbelte 
fdfjon fetter. @nblid) führte fcermann Seite in 
ba$ ©artentjauS. Sie tegte bie %<xdt ab. Sie 
trug eine tiefte Somtnerbtoufe au* gelber Seibe, 
am £atö offen mit einem Spifcenfragen, fie 
legte audf> ben fiut ab. Sangfam fdjmtegte fie 
fid) in Hermanns 2lrm. 5Der ftlaoterfpteler 
begann bie 4 S)onaumeften', biefen fonberbaren, 
traurigen unb wottüfiig müben SBaljer, ber 
bennodj einer wehmütigen, wiegenben Sebenatufi 
oott ifi, bie fid) in ben leftten abenbtidjen 
SCänjen wiegt, e^e bie Sonne fiirbt, ben 23e<$er 
ber greube mit traurigem Sädjetn bis auf ben 
lefeten £ropfen fätürft, fo lang nodj ber SBein 
glfi&t, bie greube liebt, fo lang fte nodj brennt. 
Unb alles unter einem fanften, wiegenben, 
gewellten, ljutfteömenben gluß ber STöne, wie 
Stromwogen im Stlberfd&ein ber bleiben SHonb* 
nä$te. <£ö tfi etwa« unenbtid) retjenbes in 
biefem SBaljer . . . 

Seite begann erft ganj langfam ftdj $u 
wiegen, fie fefcte erft wie prüfenb i&re güfee, 
als trete fte auf fpröbes @is, l&ermann umfaßte 



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— 120 — 

fte crft tofe, bann fölang er attmäl)U<$ feinen 
2lrm fejier um fte, bie anbete $anb, bie ttjte 
redjte f)ielt, flredte er weit aus, na<$ altoätertfd&er 
3Irt, um fo redjt ftdj ju wiegen, ©o matten 
fte erft eine langfame, feterli$e 9*unbe, bann 
muffen fte oertrauter jufammen, üjre Sltde, 
bie erfl einanber nidjt Begegnet/ taudjten nun 
tief tnetnanber, unb ernft, o§ne Säbeln, fafl 
fdjmerjlidj füg fingen fte einer im 2Irm bes 
anbern, ein Körper an bem bes anbern, unb 
©ebanfe an ©ebanfe . . . Slllmäfjttd) würbe iljnen 
warm unb fröt)ltdj/ jugleidj nafjm bas Xempo 
bes Älaoierfptelers ju, fo tanjten fte, Slug* 
unabläfftg in 2fog', eng umfdjloffen. ©o fc&webten 
fte. ©ie mürben eins . . . ©ie fpürten bie 
(Blut in üjren 2Bangen emporsteigen, bas gfeuer 
in iljre Slugen, wie ein ftorfer SBein mar ifjnen 
ber illang, ©o fdtfenen fte ju eins jufammen- 
&ufireben im &an$ unb jugleidj oon ber (Srbe 
meg in fdjwebenben ©ebarben, als würfen tynen 
glügel. ©o atmete ifjr Körper tjeife unb bod) 
frei/ fo fdjwoll bie ©e&nfudjt mit biefen 
wogenben Älängen unb wud&s, inbeö fte 
aneinanber fingen unb eins waren, ber £an& 
festen alles ju erfüllen unb alles ju erweefen. 
3fte£rmals wollte ber ftlaoierfpieler fdjltefjen, 
aber fte tanjten immer weiter, fo baß er immer 
wieber von t>om begann. Seiles ßopf §tng 
nun lädjelnb an Hermanns ©djulter, ein wenig 
gurfidgebogen, bie Soden gitterten im %ani um 



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— 121 — 

itpe ©djtäfen, unb i$re SBangen waren roftg f 
bie Sippen teife geöffnet bie weißen 3ä§ ne 
leu<$teten l)en>or. ©o lag fte wehrlos unb 
Eingegeben in ben 2trmen Hermanns. 

3t)r war 'es, ate fdjwebe fte tid&t unb 
^üllentoS/ von aller (Srbengeftalt befreit unb 
bennodj ooH Suft bes Körpers aufwärt«, 
aufwärts . . . 

(Snblidj glitten fte atemlos von einanber . . . 
äCIIe anbern Sßaare waren fdjon fortgegangen. 
2lud) fte brauen auf ... 3^nen war fdjwül. 
Seite jog il)re %ade 9<** nid^t me§r an. ©o 
lamen fte ben 2Beg jurüd, ber nun im gellen 
©djetn bes 9Jtonbe$ unb ber ©terne tag, mit 
fdjwars&lau fd)immernben £öf)en. 

9tod& fdjienen itjre güfec ju fdjweben, no<$ 
tag tynen ber $an$ in allen ©liebem . . . 

ÜRun umfaßte fte ^ermann wie beim £anj, 
er umfdjtoß fte, als wolle fein ganjer Äörper 
ben tyren umfüllen . . . ©eine fiänbe umfaßten 
üjren Setb, bann finden fte mit bunfter, 
wittenlofer ©ebärbe ben ganzen, fdjlanfen Äörper 
entlang . . . $ann ftreidjelten fte bas gfüfjenbe 
©eftdjt, beffen buntte Slugen brannten. Unb 
feine Sippen lüßten tyr £aar, irrten über it)re 
©tirne, über tyre 2tugen, über i^re judenben 
Sippen, über i^ren fiate . . . $fyxtn üRaden, ber 
ein wenig frei war, fiißte er mit rafenben 
Ätiffen, unb feine £änbe umfdjtoffen fte fefi, 
unb tiebfofenb fugten fie ben fials .... S)a 



— 122 - 

färaf Seile wie unter einem SBlife. ©in wilbes 
©djlud) gen bradj unb bebte bur$ tyren ganzen 
ßörper, fic war ganj burd&f<$üttelt unb gepettföt 
von biefem ©$mera. 

Unb ^ermann felbfl weinte iaudfoenb unb 
fügte fie. ©ie ging {HU unb wortlos, gefenften 
Hauptes weiter neben üjm. <5rfi als fie fdjon 
fafi in ^ßurfersborf angelangt waren, blieb 
Hermann fielen, unb als er bittenb bie »rme 
ausbreitete, lieg ft$ Seile füffem Um Upen 
3Wunb fdj webte ein irres, Wmer§li^es Säbeln, 
unb bie Slugen brannten unter feuc&tem 
Stimmer* 

Slber fie fprad) fein SBort meljr an biefem 
Slbenb, unb t)on »erhaltenen Spänen bebten 
i^re Slugenliber unb Sippen, wie im ©djmer& 
um ein ©efiorbenes. 

* 

Seile füllte ftdj oon ienem £age Hermann 
entfrembet unb bodj meljr an il)n gezwungen als 
je üortjer. (Ss war tljr, als §abe er üjr ganzes 
2Befen gefpürt, an bas ^uerfie tycer ©eele 
gegriffen, fo $atte fte bisher neben tym §er ge* 
lebt unb ein ganges SReidj für fidj gepflegt unb 
wrfdjloffen, nun flammte feine SBegierbe hinein 
unb bro^te tljr. %a, fie felbft war ftd) fremb 
gewefen, nun leuchtete ein grelles, brennenbes 
Sidjt in alles. 9H$tS fonnte in blaffen, leifen 
träumen bleiben, ntä)t§ fonnte »erfüllen 



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123 



unb verbergen. @s gab nidjts, wofür m<$t bie 
gemeinen SBotte in tyre Ctyren unb in Upen 
Serflanb träufelten, wie ©tft. Unb wteber 
tonnte fte ftdj uon ifpn nidjt täfen, au« ©djam, 
weil er um fte wüfjte. SRun erlannte fte i§re 
Söegierbe, bie fte an ifjn trieb, mo fte &ugteid) 
voU Slngfi unb ©ntfefeen barüber mar, baß btefes 
neue, furd&tbare Seben ber flörper begann unb 
in tynen beiben mitb auflebte, ©ie fa& leine 
Rettung oor fidj fetbft ©ie mod&te entfliegen, 
aber U)re gü&e wollten fte nidjt tragen, if)re 
©djam, tyre 2tngft riefen ü)r: gel), ge&! aber 
i|r SBiUe folgte nidjt. 3&te Sippen lonnten bie 
Hüffe ni$t entbehren, il)r ganzes SGBefen feinte 
ft$ na<$ biefen bro^enben Umarmungen, bie es 
für$tete unb wollte. 9hm mufjte fte, was if)r 
immer feinbti^, fremb an ^ermann gewefen, ja, 
bie« §atte fte oeradjtet, biefe Sippen, bie im 
Äufc fi<$ fo feft an tyre faugten, biefen feinen 
Sßerftonb, ber ni<j()t t&re ©ebanfen fammette unb 
emporftttyrte, f onbern betäubte ; er fpradj gu tyrem 
jungen, bege^renben ßörper, tyre ©eele ging i^n 
freiließ ni<$ts an. ©o füllte fte ftdj oerberbt, 
wie oon einem Abel befallen, bem fte ni$t ent* 
rinnen fonnte, unb bie reinen, geifiigen Gräfte 
waren tyr entfrembet unb alle nur ben bunfeln 
trieben untergeorbnet. ©ie fa$ ftdj bis auf 
ben ©runb. <5s mar wie ein gefrorener ©ee. 
3ftan ftetyt bie Ware gflädje unb barunter breiten 
fidj bunfte, oerwirrte ©efledjte oon Etgert unb 



- 124 — 

fölammigem £ang aus unb trüben bas fefie 
§8lau bes @lfes ... 60 rou<$§ bas ©roljenbe 
in ü)r empor. 2U>er fte fcatte feine Äraft ju 
3orn unb SBiberftanb, feine ©tärfe pr 2But, 
feine (Snergie, ftd) loszureißen, benn alles war 
bo$ ein füger, liebltdjer, bebenber Zäumet» alles 
bodj ein fcSmeic^tertfc^er $et$. ©te jürnte jebem 
©lieb il>re§ Körpers, unb bodj liebte fte es, fte 
fpürte bie 2BaHung i^rer garten SBruft unb beren 
rofig aufblü^enbe ßnofpen in ben ©ebanfen ber 
Siebe, unb wieber $ätte fie ben trauemben grauen 
gleid) tyren Sufen mit wllben ©dalägen fdtfagen 
mögen, als fei er fdjulb an bem Ijeraufbunfetnben 
SBerberben, bas üjr bie 2Belt unb bie eigene 
Älarljeit trübte. 

Unb nun liebte fie Hermann garnidjt meljr. 
SBentgfiens oft f<$ten es i§r fo. ®enn fte fannte 
üjn ju gut. (Sr mar nidjt mel)r über tyr, nein, 
fie fonnte ruljtg auf tyn $inabfel)en . . . 
2lber fie fonnte twn iljm ni<$t me&r laffen. @r 
war mit tljrem SQSefen oerbunben, es mar mie 
eine att^u flolje ©d&am, mer um tyren Äörper 
au$ nur in einem 9lugenbli<f gemufjt, burfte 
nidjt oon tyr, als fönne er fie oerraten, 
©eine ßüfjnfjett mar fein Sftedjjt geworben. Unb 
fte fürdjtete ftdj nun oor ber Siebe ... Sie 
wollte md&t me&r lieben, benn foHte fte no$ 
einmal bies erleben — — ©0 bebte tyre 
3Häb$entjaftigfeit unb fämpfte. Dft fagte fte 
ft$ : i$ liebe i&n ja nic^t me§r, warum fage 



— 125 — 



td) es tym nid)t, warum fdjreibe id) es üjm 
ntdjt, warum oerlaffe tdj tyn ni<$t. SDaoor 
graute it)r aber. 3$r graute baoor, allein ju 
fein . . . 3§t Äörper o^ne Umarmungen, i&re 
Sippen o^ne ^üffe, niemanb, her ju i&r fpradj, 
niemand an ben fte ftd) fdjmiegen tonnte, Sie 
fyätte bies oft ^ermann fagen mögen, bann fdjten 
er i$r aber wieber fo unfdjulbig, wie er ladfjelnb, 
freubig neben Up Berging, ttebenb unb im 
feften ©tauben an iljre Siebe. 2Bas ^atte er 
i§r benn gar getyan. @r §atte fie begehrt. 
3a, woju war fte benn ba? SB05U befHmmt? 
23lo§ um in tyren Traumen ju fabeln? @r 
war i^r geinb. 3*6* faf) fte bie fonberbare 
©eföidfjte biefes 3a$reS, wie alles ein ßampf 
war. Sie $atte Iä<$elnb wiberfirebt, ganj un* 
bewufct, langfam waren tyre Sinne aufgewacht 
unb fkedten ftd) empor, um if)re Seele 31t be* 
zwingen. 3)er geinb in tyr felbft war erwedt 
worben unb mit ^ermann oerbünbet. @S gab 
leine Rettung. Unb fort von allem. 3a, fort! 
wenn fein ©ebanfe baoon weg fonnte, wenn fte 
gana gefeffelt war an biefes Stafein, an btefes 
©enfen, bies S3ege^ren, bies bumpfe 2Ifjnen unb 
SSBoUen ! 

3)ann fam wieber bie ftblaffe (Snttäufdjung. 
$as alfo war bas SBunberbare, bie« war bie 
Siebe, bas ©lüd . ♦ . Wun falj fte, ba& alles 
ein blinber Sufatt ifc SDafc ber gufatt bie 
SBefen aneinanberfityrt, entflammt, if)re Seiben^ 



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— 126 — 

föaften entfettet alle tyre guten unb Reifem 
Äräfte entbinbet, eins beut anbern jutreibt, bis 
ein« fidj vom anbern enttäufdjt unb traurig 
wegwenbet. germann aber ging neben tyr unb 
falj ntdfjts, er fpürte ifjren Hüffen nid)ts an, 
otelmetyr freute er ftdj, ba& ße, willig (eine 
Setbenfdjaft ertragenb, fie ju teilen föien. 

@s war im 3uni. Öermann wollte mit 
feinen greunben eine Vergnügungsfahrt untere 
nehmen, irgenb einen luftigen Slusflug. 2tu<§ 
Seile freute fi$ barauf. 3Wan befdjlofj alfo, 
am nädjjien (Samstag ft$ beim granj SofeptyS* 
lanb ju treffen, $u einer Stafjnfaljrt. 5Denn bieg 
mar ja in ber ©tabt bas liübfdjefte unb feltenfle 
Vergnügen. 

3ur fefigefefcten ©tunbe erföien Seile mit 
iljrer ©djroefler unb ^ermann an ber SReid^s- 
brüde, balb fanb ftd) au<$ ©tepfjanie ein unb 
SEBitti unb mit itjm nodj 'ber ©panier/ ein 
junger 3urifi, ber nebenbei Sitteratur trieb unb 
©ebidjte madjte unb jt<$ auf fein fpanifdjes 
©efidjt ä la van Dyck etwas etnbilbete, weil er 
ein rotes ©ptfcbärtlein trug unb mit einer ge* 
wiffen langweiligen 2lrt ein btf$en gewagte 
2Btfce madjte. SBitti §atte oorforglidj für Siet 
unb Söein geforgt. ©onft $atte jebes etwas 
jum (Sffen mttgebradjt, man wollte gegen 2lbenb 
lanben unb ein ptfnid oeranftolten. $er 
©panier war ber einzige ftrembe in ber (Se* 
feflfd&aft, barum Ijatte er jum (Sffen nt$ts 



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I 



— 127 — 

mitbringen tnüffen, er Ijatte nur eine grofie 3)üte 
SBonbons unb brei wunberfööne SRofen, eine 
wetfje, eine gelbe, eine rote. Seile befam bie 
purpurne, bie blonbe Stephanie bie gelbe unb 
Marianne, ober wie alle fte riefen, bie 
wet&e. S)er ©panier würbe SRifci jugetetlt, 
inbes ft$ SBißi um (Stephanie, ©ermann um 
Seile bemühte. 2lfles mar in ftrtifjtingsfteibern, 
bie 3Häb$en trugen teilte, $eüe Sloufen, Seile 
eine aus rofa ©eibe mit einer trtelgefältelten 
Traufe um ben ©als, M%i eine ltdjte, wei&e 
mit brei galten — biefe ftraf)tenbe ©eibe ftonb 
gut tum nad)tbunfe(n ©aar, — unb ©tep^anie 
trug eine rote. S)er ©panier mar befonbers 
elegant; englifäes 9tober$emb, furje©ofen, Seber* 
gamafdjen, eine blaue, geftridte 3Ratrofenmüfee. 
©ermann mar in feinem gemöfjnltdjen, netten, 
aber unfeinen Slnjug, SGBtltt trug feinen braunen 
unb faf) fe^r traurig au«, ©tepfcanie fümmerte 
ft<$ wenig um üjn. 

$>as Soot fianb f$on bereit. S)ie jwei, ber 
©panier unb SBilli, foüten rubem, ©ermann, ber 
fid) wegen feiner ©timme nidjt anflrengen burfte, 
jfcuew. ©tep^anie fa§ am ©ptfc, bie beiben 
©djweflern auf ber üttittelbanf. Unter fjeiterm 
Sa$en fitefe man bas SBoot ab. ©ie fuhren 
burd) bas Uferbidftd&t, eine Söeile ging es mül). 
fam burdjs SBeibengebüfdj, bis fte enblid) im 
freien 2lrm ber 2)onau waren. $)er ©immel 
Prallte. SBett&in falj man ba§ Rafjlengebirge, 



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— 128 — 

tum ber ©tabt nur ein paar na§e 3&8 e « 
trüber bas ©rau ber bumpfen 2ltmofpl)äre, 
über ben ©d&eitcln aber bie fceiterfie Suft. S)a$ 
SBaffer felbfl flirrte in ber ©onne, es warf unb 
löfie fid) in föimmemben ßreifen, es war tum 
weitem roftg anjufefjen, um bas $8oot fpielte es 
grün, ganj weit glänzte es wie ©Uber, unb 
trofebem alle wufjten, bafj fie in einem toten 
2lrm fuhren, Ratten fte bo$ ben (Smbrui ber 
(5rl)aben§ett, wie von einem ©ee, fo ruljig war 
es unb weit. ©te Ufer waren btdjt umbufdjt. 
9Röoen Ijoben ftdj aus ben Uferfäumen. ©ie 
flogen fjodf) hinauf/ bann fireiften fie wieber 
faft bie %lut . . . ©as SBoot ging gelaffen burdj 
bas SBaffer, neben ben plätfdjemben SBeHen 
unb bem |ellflen ©elädjter ber brei 9Äctb<$en, 
bie einanber bie SBaffertropfen ins ©eftdjt 
fprifcten unb jubelten, fiier oerga§ Seite all 
tyren Kummer . . . %UQtrit> ! . . . SBo war Ujr 
©djmerj? Unb wenn ^ermann fie, ftolj auf 
i&re ©#ön$eit, freubig anblidte, liebte fie iljn 
wieber, wie fonft. 

ffiiOi ruberte füll. <5r füllte unenbtW&e, 
fd&önc ©ebanfen auffteigen unb ftd) in feiner 
©eete ju Silbern unb ©eflatten formen. @r 
ba<$te an bas ©gmnaftum unb an Horner, an 
bie fd&öngeborbeten ©d&iffe be§ Dbpffeus, an bie 
üfttjmplje, bie t§n im ©türm errettet, an bie 
■Warnen bes leeres, bas weinfarbene, bas pur- 
purne, bas buftfdjimmetnbe, bas broI)enbe, bas 



— 129 — 

glatte ... Sin alle ^Bewegungen unb SBunber 
badjte er unb an bte rubernben ©riedjen. Sin 
bie 3Hön>en, bie über ben Sdjiffen fliegen. Unb 
er fah bie brei 9fläbd)en, ftraljlenb, bie blühen* 
ben Stofen an ber »ruft, tyr ©elädjter flog 
auf, wie Äetten von Sögeln aus bem @e-- 
büf$. 

3Hifci, Seile, Steffi. 

<£r liebte Steffi. 2Bie lfjr $aar golben in 
ber Sonne glän&te. Sie mod&te ihn nicht . . . 
Oft Ijafcte er fie unb empfanb eine grenjentofe 
SBut über fte, weil fte mit einer folgen rohen 
S)reiftigfeit unb ohne alle Umfd&roeife ihm immer 
nrteberfjotte : 3<h mag bt<h mdjt. $enno<h ging 
fte mit tym, weil fte ft<h gern unterhielt; fte 
lieg ftdj in« Sweater führen, ober in ©efellfäaft, 
aber bann nahm fte ganj gelaffen Slbfdjieb, unb 
er brauchte nicht einmal ju fragen, ber Stic! 
f$on fagte: i<h mag bi$ immer nicht. Unb 
Seile fafe ftfH, in ftdj x>erfunfen ba. 3h re Slugen 
blidten in* SBeite unb fahen bodj nicht«, fte 
fahen in fi<h hinein. 3hr 9Runb mar ju tiefem 
Sltem ^alb geöffnet. 3h r & aar / — P e trug 
ben Stro^ut auf ihrem Schoß, — flatterte ein 
buchen im SBinb . . . 

Unb Hermann rebete, unb ber Spanier taufd&te 
SBtfce mit ihm unb Steffi unb SKifei. 

Seile fah &u SBiHi hinüber . . . @r mar 
blaß unb traurigen. Unb mieber (am ihr <5bt 
in ben Sinn . . . „®er ift mir meggeflorben, 

Otto ©toefcl. 2 eile. 9 



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— 130 



ber mar anbers §u mir, ben fyaV aber i$ nid)t 
Heb gehabt* 

Sie befann fLd&, wie Stephanie 2BiHi be* 
l)anbelte, unb ein grenzenlos trauriges (Befüljl 
ber 8<$ulb flieg in i$r auf um ben armen ©bi. 

^ermann aber ladete gutmütig ju ttjr ^er- 
über: „2Bas p$Uofopl)terfl bu benn wieber, 
ftleine?" . . . 

(Snblidj lanbete man in einer 23u<$t, gerabe 
ber untergefjenben ©onne gegenüber unter breit* 
fdjattenben <£rten. 

$ie 9Wäb$en fprangen ans Sanb. ÜJlan 
banb baS Soot fefi unb braute ben ganzen 
3Jtonboorrat ans Sanb. $)ie brei 3ttäbd)en 
richteten nun alles fjer. (Sin mitgebradjtes £ifdfc 
tu<$ mürbe ausgebreitet. Stuf einem Zeller 
mürbe bas falte §teifdj) ausgelegt, in einer 
runben ©<$adjtel mar eine Sorte. S)ann gro&e 
(Srbbeeren in einer 2)üte, bann ßäfe unb Sutter 
in großen 2Beinblättern, bann golbener 2Beln, 
ben man in Heine ©täfer fdjenfte. 

„(Stner mu& raupen megen ber 3Wüden ..." 
meinte Hermann. 

„3a, metnetroegen," fagte ber ©panier, 
„aber i$ $abe junger, alfo merbe idj beibes 
gleidfoeitig abgalten.'' <£r jünbete feine englifd&e 
fiol&pfeife an unb afe bajmtfd^en ©djinfen, 
Butterbrot, Söurfi. „SDann merbe idj mt<$ er* 
l)olen an einer 3fgarre meines SBaterlanbes, an 
einer edjten $uerto=9tfco . . ." 



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„Sie foflet ncmtlidj 3 1 /, ßreujer, . . er* 
gätijte ©ermann. 

•äftan afj tapfer, man wehrte ben 2Wü<fen, 
man tranf, fogar SBrtiberfdjaft, man fd&erjte. 
SDie brei 2Wäb<$en Iahten unb jwitfdjerten wie 
luftige Sögel . ... Unb ©ermann mar wieber in 
berber, guter Saune. <Sr bemühte jtdj befonbers 
um Stephanie, bie U)tn fdjön tfcat, benn er fa§ 
fiatttt<$ aus ... SBitti mar ein wenig traurig, 
aber ru&ig, bemüht, fetter ju fein mit ben 
anbern. Etarum fpradj Seite mit tym . . . lUe 
füllten jtd) aber unfägli$ wo§t, es lag über 
tynen ein golbenfd&immernber ©immel, eine 
abenbtidj milbe Suft, unb ber ©lanj brang 
tynen ins tieffie SBefen, unb wunfölos freubig 
fügten fie ftdj . . . ©ie gingen am Uferweg 
auf unb nieber. 

Einmal fam ©ermann ju Seile unb ging 
ein wenig 3trm in 2lrm mit i^r. Sil« er {te 
filmte, füllte ftc 2$ränen aufzeigen, unb bo$ 
war jie glüdlid), fie liebte if)n wieber . . . 

Sann ging ber 3ftonb auf. 

<ß(ö6li$ fagte Seite *u SEBitti : „%a%Ttn wir 
no$ ein big^en allein Ijerum." Unb efje bie 
anbern etwas merften, Ratten jte bas ©<$ifflein 
losgebunben unb fuhren hinaus . . . üftun war 
bas 2Baffer btaufdjimmemb. SDic ©onne war 
untergegangen. -Hur ein glfifjes 9tot fianb 
me&r brttben, im Dflen war fdjon ber SRonb 
§eraufgefommen. $)as SBaffer lag flttt ba, 



— 132 — 

mie @ta$t f<$tmmernb ... @a gludfle um bie 
Stüter. 

So fuhren fte langfam $in . . . 

SBittt fa$ Seite« $ette ©eftolt am Riet. Sie 
fafj if)m jugeroanbt, oon i&rem ©efidjt na§m er 
nichts als beffen fanftea 9hmb maf>r unb baft 
bunlle £aar, ba* im SBinbe flatterte. Unb bie 
bunfle Slofe an tyrer ©ruft . . . 

@ie badete . . . 'SBarum lönnen mir beibe un« 
ntdjt lieben, bie beibe in ber Siebe verloren finb 
unb in i^r treiben, in eine Strömung oerloren, 
bie und fortraubt, mo()in, moJjin . . . otelteid&t 
märe und ein triebe, Sftulje, Xräumen . . . bas 
SBunber . . . ©ann lädjelte fte bitter : ber benft 
jefct gemife an Stephanie mie tdfj an Hermann . . . 
Unb bo$ ftnb mir fo allein . . . Unb rooju oer* 
fud&en, rooju fudjjen? 1 

S)ann begann SBiHi leife $u fpredjen, es mar, 
als ob er 31t (t<$ allein fpräd&e, als ob er fld^ 
felbft tröftete . . . 

@r rebete oon bem ©d&immem befi ru£)ig 
gleitenben Sßaffer«, es befdjmid&tige unb fteöme 
gelaffen, mie milbe SBorte über ben <5d)mer$ ber 
2)ienfdf)en, er fpradfj oon ben $tyrenf elbern auf bem 
Sanb, oon ben btaubämmernben Sergen, oon ben 
rauföenben SBälbern, oon ben 6$metterltngen 
auf ben äBiefen, oon ber afltyeitenben ÜRatur, oon 
ben ©ebi$ten, oon ber ßunfl. 2lSed fönne Xxoft 
fein, unb bo<$ fei nld&ts unb ntdjts ein £rofi. 

„mt felbfl, gräulein, finb unfere getnbe. 



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- 133 — 

2Bir wüten gegen und felbfi, unb wenn wir uns 
glüdlid) finb, räd&en wir bie Untaten ber anbem 
an uns felbft. 

„2Bir ftnb wie Soote mit eingelegten Zubern; 
woftfn treiben wir benn? 2Bas ift unfer SBerftanb 
unb SBitte ? Slber, was fage idfj 3&nen benn bas 
alles, Sie triften nidjts baoon, Sie flauen mid> 
nur gut an unb glauben mir, weil idj es 3§nen 
fage. So mufj id) fentimental werben. Unb 
warum bas alles, weil bie Steffi midj ntdjt mag 
unb td) bas bumme S)ing anbete wie eine Äönigin. 
3<$ fann fie ergeben unb t>erm<$ten, wenn id) 
will, aber nur in Herfen, fiätt' idj nur ein Stücf 
von if)r in meiner gaufl. 2lber fo . . . 2Wes 
ifl ein bumme« ©erebe . . . Sinb Sie mir nid)t 
böfe . . 

Seile $ätte tym faß gefagt, bafj fLe il)n wo$l 
©erflehe. 9lun beugte er ft<$ eifrig vor unb 
ruberte fiumm wieber ans Ufer, oon bem fte ftdj 
f$on allzuweit entfernt Ratten. Seite töfie fHH 
tum i^rer SBrufi bie Sofe unb $iett fte ins 
SBaffer. @s nefcte füll tyre ginger. $ann liefe 
fte bie SRofe treiben. 

Sie (ehrten jurüd, wo fdjon bie ganje ©e^ 
feEfdjaft ungebutbig wartete. 3Jton beflieg jur 
Mdkfjx bas Soot. SRun war bie Sfad&t gdn$ 
Ijeraufgefommen. 2We füllten tyre fdjwarje Stille 
aufjie^en unb fdjwiegen, jeber mit feinen ©ebanfen 
allein. Stur ab unb &u madjte ber Spanier eine 
lurje SBemerfung . . . 



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— 134 — 

©nbltd) bat man $ermann, er fotte etwa« 
fingen/ e$ fei fo fd&ön, flitt unb feierti^. 

<Sr lieg ftdj erbitten unb fang bad folgenbe 
Sieb; e* fjatte eine getragene/ fömermiitige 2Re* 
lobie, abfidjtlid) einförmig unb gleiten Sltems, 
aber tum rat(ofer Seibenföaft unb ttefftem 6$mer$/ 
ber jugteid) bie tieffie ßuft ift Sei e«, bafe er 
ein wenig erregt mar, ober bajj bie 9fadjt ber 
Stimmung bes Siebe« nad$alf, er braute beffen 
wottfifüge* Seib gerauft. <S* lautete fo: 

„$frß bu, bie 9ia$t ijt mit uns fjer, 
Safe fKff und bur<§ bie SBiefen ge$n, 
3$ fpür*, mein §erj fd)lägt jtorf unb fd)n>er, 
$te ©äume rauften, bie Hebel n>e$n. 

3$ fttJT ben «em biefer SGÖelt, 

3) er grauen SStefen 2öe§mutlaut, 

Unb nrie fie bunlle 6e$nfu<$t $ält 

SDltt föwarjen Äugen, fc^toeigt unb fd&aut 

2aj$ fUtt unS bur<$ bie gelber ge§n, 
3d) $ör', bem $erj f$lägt ftar! unb bang, 
Safc uns in bie traurigen 9tää)te fe$n, 
Ctn bunfel ahnenbe« 2e5en entlang. 

2öit ftnb unö fremb, wie ber Saum bem 2Beg, 
Unb bennod) eins, wie bie SBurjel bem ®runb, 
2Btr ftnb un§ fern, nrie bie Siefe bem Steg, 
Unb benno$ fe^nt ft$ HRunb ju 2Runb. 

Unb lafc mir fäjioeigenb beine §anb, 
3n btefen Höhten ift bie 3lu$, 
Ber bunlle Gimmel ift »ermä&lt bem Sanb, 
SBBir a»ei ftnb ein«, unb i$ bin bu . . ." 



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— 135 - 

211« ba« Sieb t>er$attt war, (anbeten jte. 
Unb flüfiemb gingen fte gegen bie ©tabt ju, 
von bem ©lud befi grüfjltng«tage« voH, von 
einem ©Ifid, ba« bunlette unb fdper würbe, 
wie bie SRad&t, unb von fo tiefem Sltem, ba& es 
fd&on ©d&mer$ war unb eine oerljaltene 3lngfi... 

* * 

Seile ging allein an einem Dftobertag burdjj 
ben ©arten von ©d&önbrunn. SBie fdfjön war 
boä) ber fcerbfc @« mar an einem Vormittag. 
$er $arf mar ganj au«geftorben. 

3)ie Säume maren nodfj belaubt aber ntd&t 
mefjr reid& unb ferner, fonbem gart, fo bajj man 
fd&on ba« ©emirr ber Sfle ma^rna^m. $er 
fiimmel mar einförmig grau, aber bie 2Bett 
farbig, mie unter ber glü^enberen ©onue. $>ie 
Säume, bie Slfiten, bie SBege, alle« fd&ien ju 
blähen. @« mar, ab wollte fid& bie fpröbe Statur 
in tyren legten Sagen ganj ben Süden weg* 
jdjenfen, unb jebes 2luge fodte nod& einmal iljre 
unterge&enben SGBunber trinfen. ©te jttrbt. 3*ber 
Saum mufc ben ©d&merj be« Sergefjenfi frofttg 
in feinen ©liebern fpüren, bie füllen SBinbe unb 
bie wärmelofen Sage unb ba« Ratten feines 
Saube«, ba« ©terben fetner Slätter, ifjr weife« 
fcinfmfen. SÄber er weife nid&t, ba& er nun feine 
legte, oottfie ©d&önljeit erreid&t fjat, feines SBefens 
^öd^flen ©tanb. (5« i% al« wüßte gelb unb 
2Beg nid&t, wie ergaben fein ©terben ifi, e« 



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raünfäte fonjl bas ganje ©piel her 3a&re*$ettett 
nid&t, nur biefen einen £ob, bicfeö rafenb*trun* 
fene SBergeljen. ÜKit SRbfen auf ben SBangen 
unb mit leibenfd&aftltdjen ©luten jttrbt Saum unb 
Rxavd. ®ie ©tifle ift grofi, unb bic Slätter 
raffeln unb fummen auf ber <£rbe, toie flttflernbe 
ßfcrfurdjt. $ie weifen Blätter fpielen auf bem 
fties. (Selbe 93tdttcr, glatte, fceUfeurig gtüljenbe 
©lätter, ober roftbraune, ober oerborrte, ganj 
tote, graue ober luftige, bienidjt füll liegen tönnen, 
fonbern beben, tanken müffen, wie in toirbelnber 
gfreube bes ©terbens . . . @s ge&t gar lein 2Binb A 
unb bodj fallen immer neue von ben Säumen. 
@an& iangfam fladem fie $u ©oben, oon felbft 
fid) abftreifenb oon tyrem 2lfi, toie ein fdjtoin* 
benber Sag fid) abfdjttttelt von ber !ReU)e, wie 
eine $ru$t abfällt ©ie fallen toie gtoden. 
©anj leife, luftig ober toie ©dfjmetterltnge, fo 
bunt, fo fiiH, aber fie finfen balb $ur($rbe, bis 
fie irgenb ein 2Btnbfto& toieber auftebt unb 
toirbelt. ©ie lanben bann trgenbtoo in einem 
SBtnfel. SHber felbft in tyrem $Bergel>en unb 
Sermobem iß £)uft. S)uft, ©djönfjeit ... (Sin 
leifer, tiefer ©erudj ber reiben, oerftrömenben, 
ausgegoffenen, oerfdjtoenbeten ©äfte liegt ferner 
unb regungslos ba. ©o üppig tft ber laute @e« 
rudj ber SRofen nid&t, toie biefer fülle, leife, ein 
toenig fdjmer$ltdje S)uft bes SBelfens im ©ep* 
tember, Dftober. SlUes $au$t il)n aus, toie 
gltifjenbe ©rüge an bas $u oerlajfenbe fieben. 



1 

— 137 — 

Statt überallher bebt er, wie ein föönes, ruhiges 
Säbeln. 2Ber fUrbt fo fdjön? <Ss ifl, als wollte 
Saum unb ©trau* bie große Seljre fagen, vom 
uttbefümmerten Seben, bas ft* gehörten foll, 
fein ©ewebe ruljtg auswtrfen unb enben (äffen, 
wie es benimmt iß, unb bann ftttt hingegen unb 
nodj einen legten 3)uf t t>erf*wenben unb t>erl)audj en. 

$)te Säume jtnb f*ön, wie nur im erfien 
$rül)lutg, nun Jtnb fte freigebig unb unoer* 
fdjloffen. 3m geling fdjeinen fte bloß auf ftd) 
bebaut, etwa« fiarr SBerföloffenes, igerbes, ßcfiges 
haben fte, bei allem 9teid>tum; fte hegen jebeö 
33tatt, ftnb neibifdj &uf jebe ftnofpe, jeben tropfen 
©aft unb 3Warf nüfcen fte aus §u neuem Stengel« 
grün unb »lattgewtrr, jefct aber ftnb fie weife 
geworben unb geigen nidjt mit jtdj. %fyxt Äraft 
ift unoerloren, mögen atfo bie SBlätter hingegen, 
möge ftdj bie flarre, bunfle 9to<ftf)eit ihrer &fle 
geigen, möge alles f)i"f4n>inben, nodj fielen fte 
ffcarf. $arum fterben bie Slätter fo hW 
tounberooH. (Ss ifl, als mürbe jebes eine Slüte. 
®a fie^t ein ©trau*. 9Ran fennt feinen tarnen 
nicht, grüner mar fein Slusfehen rote bas jebes 
anbern grünen ©traudjwu*fes. 3efet ifl fein 
fiaub ergaben geworben, jebes S3Iatt purpurn, er 
trägt 3tofen, aber feine vollen, ferneren, trächtigen, 
fonbern fdjwanfe, haud^arte, bie im SBinbe bebenb 
fdjauleln unb glühen, wie au« ©*am cor ihrer 
eigenen, fpäten ©djönheit, unb als fürchteten fte 
i^re Kühnheit, fo $e*t>orjuf<$einen. 



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— 138 - 

Ober ba ifl ein £ulpenbaum, mit ben gro&en, 
breitgerunbeten blättern, ber teuftet wie gelbes 
geuer. <£r btityt au«. Unb bie Bu$en werben 
rofibraun, toie Äafknien, bie ftafianien buntefc 
gelb wie Oder. Unb aßes webt unb taufet, 
bie 9totur ifl trauerlo«, ftets ifjrer erneuten 
©d)önl)eit bewu&t. £rinft midj mit euren Süden, 
fü&lt mt<& mit euren ®efü&len, tragt mid&, bie 
Äöftfidje, in euren Seelen . . . Unb in ben nun 
bunfleren -Wifdjen bes 2lfiwerf« flehen bie un* 
wanbelbaren, bleiben ©ötterfiguren oon ©$ön* 
brunn. @wtg bleiben iljre Bewegungen bie 
gleiten. (Sin fd&lanfer Säugling, ber feine 
©eliebte ftürmifdj emporhebt, ein ©djaufpieler, 
ber feine 9Wa«fe in ber $anb &ält unb ftnnenb 
betrautet. (Sine üppige grau mit fteineroen 
Btumengewtnben in ben i&änben, ober eine glitten* 
fpielerin mit fü&em Säbeln. 3&re ©ebärben alle 
finb unwanbelbar, oon fierbfi unb ©ommer uns 
oeränbert. ©tili fte^en fie ba . . . 

Unb oorn im ©artenparterre ber Blumen 
ber Neptun. $te weißen SRoffc, bie jtdj oorwärts 
tummeln, $od) gebäumt gegen bie Branbung ju 
ftürjen. Bor tynen aber iß fein wilbefi 9tteer, 
nur ba« gelaffene, fanfte Stafenparterre oon 
(Sd)önbrunn unb weit brtiben bie graue ©tabt . . . 

Seile ging unb ging. 

S)ann war ein fHHer <pia&. 2Bie ein Platanen« 
blatt fünffingrig liefen bie Sldeen in iljn ein, 
mtinbenb in feine S^u^e. 3n ber 2Witte lag ein 



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— 139 — 

Sßafferbedfen, ganj bebedft unb überroebt oon 
welfem Saub, burdj) weld&e« bas SBaffer fd&war& 
heroorfiarrte, in ber Witte war eine Brunnenfigur, 
grau unb bo$ wie Reiter! (Sine SRajabe, ber 
üppige Seib tenbenabwärts in einen gifdftfdjroanj 
f<hlte&enb, bie t)oQe ©ruft, ba« lädfjelnbe fiaupi 
jurütfgebogen, mit fd&erjenbem Blidf einen ©ros 
ffreifenb, ber ju ihren güfjen fpielt unb ju ihr 
auffd&aut. 

Seife raufdjen bie Blätter. 3mmer neue 
fallen wetdf), leife, fladfernb nieber unb oermehren 
bie Sparen ber weiten Blätter am Boben. Unb 
ber Ijolbe ©eruch i^re* Sterben« liegt jiitt unb 
läd&elnb in ben Süften . . . 

©ieht bie Seile ba« alles? 

©ie ^atte es verlernt, um fid) ju fehen, fie 
war es mfibe, um fidjj ju flauen, ©ie wufete, 
bafc biefen BIWen, biefer ©ehnfud&t niemanb 
antwortete, unb ba& ftc allein war. ©ie hatte 
^ermann fc^r geliebt in tf)n alle ©<f)önheit 
hineingetragen, unb allen SBunfch banadf). ©ie 
hatte Jtüffe geerntet. Unb bann, fpät, ^atte tie 
erfennen müjfen, ba& feine ©prad&e ihnen ge» 
meinfam war, nid&t 2Bunf<h noch SBefen, unb 
feine Brüdfe gab es jwifdfjen ihnen als bie 
burftigen Hüffe. 3h r Körper war burftig geworben, 
biefe Siebe ju trtnfen, welche ihr Berftanb mit 
bitterem Sädfjeln verachtete. Unb bod& gab es 
feine Trennung baoon, fein Aufhören, feinen 3Rut 
$um @nbe. ©o blühen in ihr täglidj) neue, 



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— 140 — 

fdfjmerjootle 33tflten auf, SBünfdje, fdfjon mttbe, 
e$e ftc geboten, ©eljnfud&ten, fd&on oer$id&tenb, 
e$e ftc vom Seben ©erraten worben. fiermann 
aber ift ber gleite, er liebt fte fefcr unb ftaunt 
über fte. (Sin bumpfe«, frembefi ©tarnten. Dft 
benft fte an anbere, oft $offt fte von anberen 
anbere Siebe, aber fte ift früfj verbittert, ©oll 
fte ftdfj benn wteber unb lieber weggeben, all 
tf)r armes Söefen weggeben unb nidfjtß gewinnen 
" als (Snttäufdjjung? ©te uerblutet ftd& in 
tljren 2Bünfd(jen unb träumen, Seite, bas Äinb, 
bas ni<$t fonbern gelernt Ijat bas Seben ber 
©eele i>on bem rotyen SBirfltdfjfettsbafein bes 
Körpers, ntdjjt fonbern fiimmel üon 6rbe, Sag 
oon 9tod&t. 3§r eigenes SBefen ift fd&ulb. 

©o blüfjt fte aus. Salb wirb fte füll fein, 
wirb rufjtg füffen, ft<$ füffen taffen, gewähren, 
alles gewähren, ftdfj nidjt freuen unb ganj gelaffen 
fein unb nur jenen gleiten 3ug be« unbewußten 
©djmerse* um bie Sippen Ijaben, wie iljre SÄutter. 

Iber fte weife nidjt, bafe mancher Ijerrlid&er 
SBefen £)afein unb ©eele wie bie Säume im 
$erbft ift, bie fterbenb erft tyre retd&ften »tüten 
tragen, jebes Statt wirb 9tofe, bie im SSerge|en 
unb SBerlöfd&en ben füfeeften $uft burdfj bie ©title 
fenbet. 



$errof6 * 3ientfen, ©rfifen^aint^en. 



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i 



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l^urze b eschichten 



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-r* INHALT 

der 12 Bände der 1. Serie: 



Fritz Mantbuer 

Die Retterin 
Ludwig Fulda 
Der nächste Morgen 
M. Janltschek 

Abendsonne 
Headon-Hill 
Das Geheimnis des 
Messbuchs 



Rudolf St ratz 

Das Gespenst von 

Lappland 
Vict. Rltitberen 

Mein Marstali 
Ferd. Stieber 
Zweierlei Khre 
Le'ondeTliiseati 
Die schwarze Perle 



Gabr« Renter 

Orestes 
Ct. v. Amyntor 

Der Herr von Ete 

M. Pemberton 

Der Krüppel in der 
Mühle 



Rudolf St ratz 

Die Hexe 

O. v. Leltgeb 

Spielzeug 

Panl Althof 

Die schlafende Seele 

Oiov. Ver^a 
Die Wolfs falle 



E. v. Wolzogen 

Das Hof fräu lein 

Ilse Franan 

Wie stehen wir 

K. Mikszath 
Der rote Kasperek 



A. Nieiuaitn 

Backfisch Nr. Eins 

K. v. Tbaler 
Cousine Clara 

Raonl Dom na 

Nur für heute - 



Ferd. v. Saar 

Doktor Trojan 

Annie Bock 

Sine 
fatale Geschichte 

Frani Herezeg 

Y erkannt 



If. llofltnami 

Ein Schreckensmahl 

E- Marriot 

Der Einzige 

J. Lohmeyer 
Wir leben noch 

Gnstav Wied 

Ein Neujahrsbesuch 



Die Buffetiere 

H. Vllllnger 

Das Rätsel der Liebe 

H. Drachmann 

Ein Künstlerherz 



Hang Oldeu 

Ein Faustschlag 

F. Skowronnek 

Masnrenblnt 

K, Welnold 

Moll-Aceord 

Anton Ifensei 

Shinda 



Ferd. v. Saar 
Conte Gasparo 
M»x Grad 
Gute Nacht, Herr 
Major! 
J. Ricard 
Die Unbesiegbare 
Headoai Hill 
Der verrät. Hammer 



M. C. P. 
Der Herzog v. Aranda 
Schönaich Carolath 

Die Wildgänse 
St. Racowich 
Unüberwindlich 
Nemirowltsch* 
Dantschenko 
Die nackte Statue 



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ÜJorljcnfdjrtft. 

Jkrcrasß. Jtüx Ijeinemamt- 




,ic Dtomamuelt min ben reifen, im ßeben gcfdntltcn 9Hännern 
unb Srauen eine UntcrbaltungSlcftürt bieten, bic niefjt bem 
Iccrni ;Vit\)ettrctbc bient. Sic ucrörfentlid)t 23crfc, bic über 
ber realtftifcb,cit Sdnlbcruug ber 28irflid)fcit meber bic littcrarifct) 
mcrtoollc fünitleriidje ftorm. norfi unier ^cbürfniS nadj Sdjönfjcit 
bergeffeu. — Sie miH in tljrcm fulturellcn ftcuiUcton originelle ober 
gruublegenbe Sluffaifungcn berufener (belehrter unb «praftifer jur 
(SJcltuug bringen, oon bem #n)iü bc§ 2agc§ fiefj fern Ijaltcnb, 
fragen oon allgemein menfrtjlirfjctu ^ntereffe bcfumbcln, fragen, 
bic niefit au eine Virtualität ber Stunbc gebunben, fonbern oon 
bauernörm ^ntereffe ftnb. — 3u üjrcm littctorifeficrt Feuilleton ba* 
gegen bringt bic Diomanwclt furje, meift in einer SJiummcr abge* 
(rhloffcnc, noüclIiftiid)c tftjüblungen mit bejonberer Öfitcfftcfit auf #umor 
unb Satirc. 2>te SRomamoclt ift fomoljl burd) bic ,$icle, bic ftc fidj 
geftedt, al$ aurfj burd) bic Ätt, mic fie fic ju errcidjen gefuebt Ijat, 
ba$ angcfeb,cnfte littcrarifebe Unterbaltuttgsblatt £eutid)lauö§ gc* 
morben unb öffnet ifire Spalten nidjt nur ben bebeutenbnen 6d)rift* 
ftelleru $cutfdjlanb§ unb bcS 2lu*laub$, ionbern aud) ben b,off* 
nungSooflcn jungen laleutcn. greife, ^ublifum unb Sd)riftftcHcr 
nennen fic cinftimmig ba§ im beften Sinne moberne unb für bic 
beutid)e Öittcratur notmcnbigc Slatt. 

Sin Urteil über Die Moiunnwelt: 
Ihr. Jos. Vict. Widynann: Diese „Romanwelt" ist in 
der That das vornehmste belletristische Unterhaltungsblatt 
Deutschlands. ' Ihre Leitung seigte sich frei von jenen 
prüden Rücksichten, welche in manchen sogenannten Fa- 
milienblättern die künstlerische Produktion einengen, hielt 
sich aber von den brutalen Machwerken derjenigen Qross- 
stadtschriftsteüer fem, welche die ihnen fehlende echt* 
Kunst durch freches Ausmalen erotischer Sxenen tu er- 
setzen suchen. Die „Romanwelt" darf als in ihrer Art 
absolut ersten Ranges, namentlich unserer Frauenwelt t 
bestens empfohlen werden. 

Pf* qSrobcnumntcrn liefert jebe 99urf)banMuug grati«. ~M 
$cr l ?cu:g*prci3 beträgt für bic wod)cntlidjc, wie monatliche 
Äu?gnbe ÜHf. 3.75 pro Duartal. ^ofacirungsliftc Kr. 6255. 



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„Die Romanwelt" 

In Prachtb&nden! Empfehlenaw. billiges Festgeschenkt 



1, Semester. 



Die indische Lilie. 
Emil Marriot 
Seine Gottheit. 
P. A. Carnin (A. Bock) 
Dora Peters. . 
Rudolf Stroits 

Arme Thea. 
%T. K. (J Brome 
Romanstudien. 
Q. du Maurier 
Trilby. 
R. Bredenbrücher 
Die Mutter des verlorenen Sohnes. 

Kleinere Beiträge von: 
K Bleibtreu, J. J. David, Ernst 
Eckstein, Ludw. Fulda, Hans 
Hoffmann, Hans Hopfen, R. Kip- 
ling ,0. v. Leitgeb, Fritz Mauthner, 
Vict. v. Reisner, P. Remer, B. 
Strats u. a. 



III. Jahrgang. IL Semester. 

Ernst v. Wildenbrueh 
Der Zauberer Oyprianus. 
Luis Colotna 

Lappalien. 
Helene Bühlau 
Das Recht der Mutter. 
Ludwig Hevesi 
Die Althofleute. 
K. Stanjukowitsch 
Der finstere Admiral. 
Kleinere Beiträge von: 
Johanna Ambrosius, R. Barr, 
J. J. David, O. Enking, Maria 
.Janitschek, K. Jerome, Wolfg. 
Kirchbach, A. Lugowoi, L. Pietsch, 
A. Träger, Hermine Vülingeru.a. 



I. Semester: Solange der ge- 

ringe Vorrat reicht 
geb. M. 9., ungeb. M. 6.50. 

II. Semester: Solange der Vor- 
rat reicht geb. JnT. 6.50., ungeb. 

M. 4 (statt Mk. 6.60). 



ttttttttl IV- Jahrgang. 



/. Semester. 

Paul Hey so 

Männertreu. 
Bertha v. Suttner 
nach dem Engl. d. F. A. Fawkes 
Der Kaiser von Europa. 
Wilhelm Jensen 

Der Nachbar. 
Jean Rameau 
Die Rose von Oranada. 
Leo Hildeck 

Kleinere Beiträge von 
Viktor Blüthgen, Paul Heyse, 
Maria Janitschek, Qabr. Reuter, 
Heinrich Seidel, Fr. Skowronnek, 
Ferd. Stieber, Rudolf Strats, 
Emst von Wolsogen u. a. 

Vom I. sum II. Semester 
hinübergehend : 

Hans Land 
Von swei Erlösern. 
Annie Bock 



//. Semester. 

Georg Engel 
Die Lust. 
Hilter Haggard 
Das Hers der Welt. 
Maria Janitschek 
Gelandet. 
A. Lugowoi 
Wenn's Küsse regnet. 
J. Potapenko 
Dämon Kunst. 
Kleinere Beiträge von 
S. v. Adelung, R. Bredenbrücker, 
Holger Drachmann, D. Duncker, 
Ilse Frapan, Oerh. v. Amyntor, 
Julius Lohmeyer, P. v. Schön- 
than, Rud. Strats u. a. 

Preis pro Semester (solange der 
Vorrat reicht): geb. JMT. 6, ungeb. 
X. 4 (statt M. 7£0.) 

Bei ihrem handl. Quartformat 
u der geschmtckv. Ausstattung 
werden diese Semesterbände m. d. 
höchst interessanten Beiträgen ein 
teillk. Festgeschenk bilden. ^ 



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DEUTSCHES 

G. m. 




b. a 



NEUE BELLETRISTISCHE WERKET 



Luia Coloma, Lappalien. Boman. YIL Aufl. Broich. 

Daeielbe. LuxusauBgabe auf Büttenpapier in Pergament 
Hans Land, Yen zwei Bri&sern. Boman . 
Georg Engel, Die Last. Roman .... 

— — Zauberin Circe. Roman . 

— — Des Nächsten Weib. Roman 
An ru ft Book, Einsamkeit. Roman . . . 

— — Die Familie RiaxonL 
Bider Haggard, Das Herz der Welt 

Eva, Der letste Mann. Roman 

Alex. Moszkowsky, Satyr. Humoresken 
B. Bredenbrüoker, I bin a Lnmp. Novellen 
P. O. Höcker, Was die Leute sagen. Boman 
Suttner-Fawkes, Der Kaiser ?. Burepa Roman 
Jean Bameau, Die Rese Ten Oranada. Roman 
Bloh. Bredenbrüoker, üöreherpack. Roman 
Georg Engel, Das Hnngerderf. Novelle . 

— — Abschied. Schanspiel ■ • 
Maria Janitschek, Gelandet. Roman . . 
Wilhelm Jensen, Der Nachbar. Novelle 
Wilma Iöndhe, Raguhild. Roman . . . 
A. Iiugowoi, Wenn's Küste regnet Novelle 
V. v. Beianer, Mein Herrenrecht. Novellen 
O. Bovetta, Der Ulanenleutnant. Roman . 
Carl Spitteier, Conrad der Lentenant. Roma 
Iiuia Ooloma, Buch der Kinder. Geschichten 
A. Hauschner, Die Unterseele. Novelle . . 
J. Potapenko, Dämon Knnst. Novelle . . 
Bora Dunoker, Familie. Novelle .... 




Mk 3.60, geb. Mk. 

geb. „ 

Mk. 8.—, „ a 

8 -, , . 

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8.— v 9 t, 
4,-. 



8.-, 
2.50, 
2.50, 
2.50, 
2.50. 
2.—, 
2.-. 
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2.-, 

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I. Jahrgang. 12 Bände, 
brosch. ä 60 Pf. geb. 20 Pf. 



Kurze Geschichten. 

\fy Die Romanwelt, 

Durch alle Buchhandlungen zu 



Wochenschrift 
pre Quartal Mk 3.76. 




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