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Full text of "Die allgemeinen philosophischen grundlagen der von François Quesnay und Adam Smith begründeten politischen ökonomie"

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Staats-  und 


sozialwissen. 
Forschungen 


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Staats- 


und 


socialwissenschaftliche  Forschimgen. 


Herausgegeben 


yon 


Gasta?  Sehmolle  r. 


Zehnter  Band.  |        tat  ^ 


Leipzig, 

Verlag  von  Danc^ker  &  Uumbiot. 

1891. 


Goo^ 


iDbaltsyerzeiolmis. 


1.  t'l>er  sociale  Differenzierung.   Sociologische  und  psychologische  Unter- 
bu»  uungen.   Von  G.  Simmel. 

2.  Die  aligemeiüc-u  philosophischen  Grundlagen  der  von  F.  Quesnay  und 
A.  Smith  begründeten  politischen  Ökonomie.  Von  W.  Hasbach. 

3.  Beitrage  nur  wirtschafUicben  EntwicketnngsgeBchidite  der  vereinigten 
Kiederlande  im  17.  und  18.  Jahrhundert  Von  0.  Frings  he  im. 

4.  Japans  Volkswirtschaft  und  Staatshaushalt  Von  K.  Bathgen. 


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' '  Staats- 1111(1 

1 

Band.  X. 

söcialwissciiscliaftl 

Heraus^egobci)  von 

Gustav  Scliinoll 

ic  le  F 

IM-. 

orscliiiiijen. 

Heft  1. 

1 

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)cial( 

3  Differenzierung. 

Soeiologiscbo  und  psychologische 
Untersuchungen 

'  von 

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G.  Siiiiiiirl. 

I         Zwoltor  aiin.HtatiM'lior  Noiidriirk  ilor  AiiH^rabo  von  IHJX). 


i 

I 

!  Verlap  von  Duncker  &  Humblot. 

1906. 

1  


Staats-  und  socialwissensohaftliche 

Eorschuugeü 


heimusgegebeu 

TOO 

GusttT  Sehmoller. 


Zehnter  Band.   Erstes  lielt. 

(Dar  pMW  WM»  «wihwWiwIgitei  Hdl.) 
Qm  Bimmel,  Über  sociale  Oiffierenaierung. 


Verlag  von 


Leipsig, 

Du ncker  &  Ilumblot 
1890. 


sociale  Differenzierung. 


Sociologische  und  psychologische 
Untersuchungen 

von 

6.  SimmeL 


Verlag  toq  Duacker  &  UumbioU 

1890. 


-  Ici   ^»-.'^'^IC 


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Inhalt. 


1.  Ki^iteJ.  £ialeituug.  Zur  KrkenntDistheorie  der 

8oeiftlwiss«asebtft   I— SD 

Du  Msterial  der  SoctalwiesenBcluift:  komplmerter  Cha- 
rakter desselben  Die  UnnOgfiehkeh  aoeiologiealier  Ge» 
aetxe  a  1—9. 

B^ri£F  der  Geeellaehatt;  die  Kritik  deaaeiben  rom 
Slandpimkte  dei  IndividaeliftMeheB  fieeltamiB.  Begriff 

des  Individuums  S.  10—12. 

Die  Einheit  dar  GesellschRft  ala  Weclisci wirkling 
ihrer  Teile.  Die  Verdichtung  dieser  Wechselwirkung 
M  old«kthree  Gebildea  & 

2.  Kapitel.    Über  KollektivverantwortHchkeit  .    .    .  21—44 

1  Die  HeioDsaekuDg  der  persönlichen  ächuid  an  der  ganzen  A 
ioaalen  OruDpe  in  priiuMfeieii  Epochen.  ObjektiYe  und 
subjektive    VcranlasBungcn.     Die    Einheitlichkeit  der 
Gruppe  als  Folge  des  solidarischeu  Verhaltens  dem 
Dritten  sregenfiber  8.  21—^. 

Dm  Mlmihliehe  LOasikg  dieser  Verbindung,  Herme* 
differoimerunr  der  verantwortlichem  Einzelpersönlichkcit, 
Fortsetzung  aieser  IHfferensianing  auf  die  VorBtellongs- 
gmppea  dee  MiviAmM  S.  89— W. 
1  Scheinbare  Rückkehr  zu  dem  frilheren  Standpunkt; 
Erkenntnis  der  8<^huld  der  Gesellschaft  an  der  Schuld 
d«sB  EioaelneD.  Änderung  des  mor&lifichen  Charakters 
einer  Handlung  durch  bloiBe  VergrOfterang  des  Kreieee» 
in  dem  sie  geaehieht  Kollektivistiscbe  Mafsrepcln,  wm 
auch  der  UnättHchkeit  socialen  Mutaen  al»u£ewinnen 


45-6» 


Die  EnnrieUinig  in  sieh  bomomer,  aber  eisender  eebr 

ent^^egengeeetzter  Gnif^pen:  DitTerPu zierung  in  jeder  Är 
lieh  l^wirkt  Anähnlichung  und  Annüherang  unter  den 


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VI  XI. 

etilen  Kreise:  1)  durch  In'jividuaUgieruiJii;  der  TeilnetMuer, 


Mityliedern  der  yergchiedenen  Gruppen.    Auflö^ng  der 

i^n  Kreise:  1)  durch  IndividuaUgieruiJii;  der  Teilrieht 
2)  durch  Auabreituiig  und  Anknüpfung  an  enüemtere 


Je  iodividueller  die  Gruppe  als  solche,  desto  weniger 
ihre  Mitjiflieder.  dem  Plu^  der  UiilenMizierutig  auf  8<xMalem 
Gebiet  entspricht  ein  Minu»  auf  per»<>nJichem  t>.  49— 6.'">. 

l>ie  allKememe  (iieichbeit  und  der  Individuaiiamm 
8.  55-57.  ] 

Ethische  Anwenduoffen :  die  unpersönlichen  Interessen^ 
die  Pflichten  gegen  sich  gelb»t  die  sittliche  Autonomie, 
daa  (ipfühl  der  Persönlichkeit  S.  57  —  64. 

Pa)chologi3che  [)ar«tcliuDg  der  Korrelation  »wischen 
Erweiterung  und  Difteren zierung  der  Voratellungaobjekte 
K.  fi4-69.  ■ 

4,  tUpitcl.   Das  »ocUU  Niveaa  70-  99 

Dit  Scb&tgnng'  des  Seltenen  als  solchem ,  ihre  theore- 
tischen und  prsiitiBcben  VeranlasBuiigen.  Daa  Verbreitete 
ist  das  Niecnrigere.  weil  es  daa  ältere  ist,  auf  die  Ver» 
mrbung  aua  priaiitiveren  Epochen  zunickgeht.  Lhiraus 
sich  ergebend^  Niveau  der  grofaen  iMaaae  70—74. 

Das  Verhältnis  zwiachen  dem  geistigen  Inhalt  der 
Griipj>e  und  dem  doa  Einy.clnen.  Die  mannigfaltigen  Be- 
ziehuiigen  dieses  Vcrhiütniasea  zu.  der  absoiutea  Höhe 
der  Inhalte      74  -79.  ^ 

Die  Vereinheitlichung  der  Gruppe  und  das  Niveau 
denselben.  Überwiegen  der  gcfuhlsm&faiigen  Bewufat- 
seinsYorgtoge.    Die  tagenait  des  koiieklivutischen  Han- 

dflins  s  79-.gr  \  \ 

Die  beiden  Bedeutungen  des  socialen  Niv«^us:  für 
des  individuellen,  aber  gieichartigeD  Besit/>  uud  fiir  den 
KoUektirbeeitx;  die  Y^eniÜltuitise  zwischen  beiden.  Die 
Ausgleichung  der  individnelleo  Niveaus:  psychologischer 
Ursprung  der  socialistischen  Forderung  ».  d2— 9^. 

5.  Kapitel.   Über  die  Kreasung  socialer  Kreise  .  ,  .  100—116 

Der  sociale  Kreis  als  »ufälHge  Vereinigmifjr  ver« 
schiedeiiartiger  Kiemente;  Fortschritt  zu  nsHiciativen 
Verhältnissen  homogener  Elemente  äüä  heterogenen 
Kr€>\t».n  S.  100-102.  '  " 

Möglichkeit  fiir  den  Einzelnen.  Mitglied  verschiedener 
Gnippeu  zu  »ein;  daraua  folgende  tSeatimmtheit  der  Per- 
aflnlichkoit  S.  1U3-107.  7^  \  7^ 

Neue  Differeruierung  innerhalb  neugebildeter  Kreise, 
die  Konkurrenz,  die  Zugehörigkeit  zu  entgegen  gesetzten 
Gruppen.  Die  individuolie  h>eibeit  in  der  Wahl  koliek- 
tiwstiscber  Anlehnung  IQK. 

Association  nach  Rachticher.  statt  nach  äufserücher. 
lokaler  und    mechanischer  Zuaamnipngehörigkeit;  ab- 


fctmkfpir  Charakter  der  zusammenschlieLsenden  Gesichts- 


punkte.  Herstellung  superordinierter  Kreise  aus  in- 
dividuellen: Losung  koDrainierter  Kreise  von  einander 
S.  109-113.  ] 

Grelegentiiche  Zweckmäfsigkeit  der  ZusammenschUe- 
fsung  nach  schematiscben  Nonnen  S.  ilo  — IIBI 


r  1,  ■    I  H  Coosle 


X 1.  Yll 


6L  Kxpftct    DIp  DKferenzieran^  uBd  dai  PHaiip  der 

&rtfter»parni«  »  v^j,  r  ,   -   •  117— U7 

V'-yrbi»i'lie  Kraftrrs|tanii!5  diircC  njff'ercti/.jcrang'  der 
Deakinhalte.  AbsoUite  V^ermehroae  und  relative  Ver- 
iibd«nuig  des  KniftvcrbmociM  bei  böhercn  Oebildeo 
a.  117-120. 

Die  Part^eihlldtiD^  und  die  von  ihr  auggehgade  Krafl- 
«atiricklaog.    Teilung  der  höheren  und  der  aiedtreo 

Awcinanderlegin^^;  älterer  Komntexe,^u»aroinei*»ehhir.' 
ihrer  Eiemeiite  /u  nf-nen  CJebiUicn;  BeherrsKihtwerdeo 
dieses  Prozesses  darck  die  leudeoz  der  KrafienpaiDis 
&  m-12i. 

Kraftverschwendun^'  bo:  m  weit  gehender  Diff^rcn- 
sienutt,  Rtkikfaiidmtg  derselben.  CK«  leltgiöse  und  die 
■BDomKao  unrarauuei  uug  ▼om  uMicnvpQBKvB  «mt 
Rraftcrspsmis  S.  128-137. 

Ge^pTisntz  dor  Differenziemn^  der  Orappe,  die  die 
Einseitigkeit  des  In^viduoois  fordert,  zu  der  des  Indl- 
▼iduoms,  die  seine  Vieieeitigkeit  fordert.  Uimhew  md 
Feicen  diepp^  Widprppruchs  S. 

UM  Nebeneinauder  und  das  >iax:hetnander  der  Diflfe- 
renaerancen;  Uteote  und  aktuelle  IXfierensienmgeiij 
CH^hgewich t  bf^ Ider     Aoflnbe  der  tociekn  Itrift- 
£l4i-147. 


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£iüleitaag« 
Zur  Erkenntiiuflieorie  der  SodalwisBeiiaohaft. 


Die  häufig  beobachtete  £igentOmliclik«il  konqpluiarter  | 
Gebilde:  dafii  das  VerhAltnis  eines  Ghmzen  zu  einem  andern; 
sich  innerhalb  der  Teile  eines  dieser  Gkuiaen  wiederholt  — 
liegt  auch  in  dem  Verhältnis  zwischen  Theorie  und  PnuLis 
▼or.  Wenn  man  innerhalb  der  theoretischen  Erkenntnis  nicht 
auf  den  rein  ideellen  Inhalt,  sondern  auf  das  Zustandekommen 
deutteiben  achtet,  auf  die  psychologischen  Motive,  die  metho- 
diidMii  Wcffe,  die  systiffmititelwn  Ziel6|  so  mlüiiit  doch 
aneh  di»  Ermmjatam  ab  mn  Chslnek  meoMUiehAr  Fmm,  dM 
nan  gameiieita  wieder  zum  Gkgenatand  des  tlieofStiBierenden 
Btkmnmm  wird.  Damit  ist  Ba([^eich  ein  Wertmais  fUr  dia 
aikeiiiitniatheoretiache  and  methodologische  Betrachtung  der 
Wissenschaften  gegeben;  sie  verhält  sich  als  Theorie  der 
Theorie  zu  der  auf  die  Objekte  gerichteten  Forsch uag,  wie 
sich  eben  die  Theorie  aar  Praxis  verhält,  d.  h  von  geringerer 
Bedeutung,  unselbatAndiger,  mehr  im  Charakter  des  Regiatrie- 
reuä  sdh  Erwerbens,  nur  die  fonn&len  Seiten  eines  ächon 
gegebenen  Inhaltes  auf  höherer  Bewotoeinsstafe  wiederholend. 
im  allfBMiiMtt  liegt  d«a  Ifenadiaii  mslir  dMaa^  6tivis  iil 
ayMshoB,  als  n  wiaseo,  wie  er  es  macht,  und  die  IWeaelie 
daa  mtarea  ist  auch  stets  der  Klarheit  über  daa  letstere  • 
vorausgingen.  Ja«  nicht  nur  das  Wie,  SMideni  aneh  das 
Wozu  des  Erkennens  pflegt  im  Unbewulsten  zu  bleiben,  so- 
bald es  über  die  nächste  Stufe  der  Zweckreihe  hinaus  nach 
den  entfernteren  oder  letzten  Zielen  desselben  fragt;  die  Ein- 
ordnung der  einzelnen  Erkenntnis  in  ein  geschlossenes  System 
▼on  Wahrheiten,  ihre  Dienstbarkeit  als  idittel  zu  einem  hOch* 

yorMbiutfcn  {bt)  XI.  —  SimmcL  1 


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2 


XI. 


tian  Ericennan,  Empfinden  oder  Handeln^  ihre  Zurtlcklklbru]ig 
anf  «rste  Pnnzipien  —  dies  alles  Bind  Angelegenheiten,  die  in 
einem  idedlen  Weltbild  obenan  stehen  mögen,  bei  der  tibat- 
ftftcYilichen  Bildung  desselben  »her  sowohl  der  Zeit  als  der 
Wichtigkeit  nach  nur  Epilog  sind. 

Di^em  geschichtlichen  Gang  sich  entwickeln  der  Er- 
kenntnis entspräche  es,  wenn  man  insbesondere  bei  einer  erst 
beginnenden  Wissenschaft,  wie  die  Socioiogie  ist,  alle  Kraft 
an  die  Einaelfonehang  setate,  nm  ihr  snnMist  einen  Inhal^ 
eine  geetcherte  Bedeutmur  lu  geben,  und  die  IVaM  der 
Methode  und  der  letstoi  Zide  so  lange  bei  Seite  lieTse,  Ins 
man  hinrsiohendes  thaMehliehes  Material  ihr  ihre  Beantwor- 
tung hat,  auch  weil  man  andemfUls  in  die  Glefahr  gerftth, 
eine  Form  zu  schaffen,  ohne  die  Sicherheit  eines  möglichen 
Inhaltes,  ein  Gesetzbuch  ohne  äubjckte,  die  ihm  gehorchen, 
eine  Regel  ohne  Fälle,  aus  denen  sie  gesogen  wini  und  die 
ihre  Richtigkeit  gewährleiäteten. 

Dies  im  allgemeinen  zugegeben,  begründet  doch  der  jetzige 
Zustand  der  Wiasensoiiallen  einen  Unterschied  gegen  die  oben 
ehaxakterisierten  früheren  Arten,  eine  solche  sustande  in 
bringen.  Wie  sich  moderne  politische  Revolutionen  dadurch 
Iran  denen  primitiverer  Zeiten  untmcheiden^  dafs  man  heute 
schon  bekannte,  anderwärts  vermrklichte  und  erprobte  Zu» 
stände  zu  verwirklichen  sucht,  dafs  eine  bewufste  Theorie 
vorangeht,  der  man  die  Praxis  nachbildet:  so  wird  es  auch 
durch  die  höhere  Bewufsthett  des  modernen  Geistes  gerecht- 
fertigt, dafs  man  aus  der  Fülle  vorhandener  Wissenschaften 
und  bewfthrter  Theorieen  herans  die  Umrissa^  Formen  und 
Ziele  «iner  Wissensehaft  fixiere^  bevor  man  an  den  tiuMeh- 
Kohen  Aufbau  derselben  geht. 

'Ein  besonderes  Moment  kommt  noch  für  die  Socioloffie 
hinzu.  Sie  ist  eine  eklektische  Wissenschaft^  insofern  die 
,  Produkte  an^^er^r  Wissenschaften  ihr  Material  bilden.  Sie  ver- 
fahrt mit  den  Ergebnissen  der  Geschichtsforschung,  der  An- 
thropologie, der  StatisUk,  der  Fsycholo^'-io  wie  mit  Halb- 
produkten; sie  wendet  sieh  nicht  unmittel})ar  an  das  primitive 
Material,  das  andere  Wissenschaften  bearbeiten,  sondern,  als 
Wissenaehaft  foinsagen  aweiter  Potens,  schaA  sie  neue  Syn- 
thesen ans  dem,  was  fllr  Jene  schon  Synthese  ist  In  ihrem 
jetzigen  Zustande  gicbt  sie  ntir  einen  neuen  Standpunkt  ftlr 
die  Betrachtung  liekannter  Thatsachen.  Deshalb  aber  ist  es 
für  sie  besonders  erforderlich,  diesen  Standpunkt  zu  fixieren, 
weil  die  Wissenschaft  nilein  von  ihm  ihren  specifischen  Cha- 
rakter entlelnit,  nicht  aber  von  ihrem,  den  Tlmtsfichon  nach 
sonst  schon  bekannten  Material.  In  di^em  Faii  sind  die  all- 
gemeinen Gesichtspunkte,  die  Einheit  des  letzten  Zwecks,  die 
Art  der  Forschung  mit  Recht  das  Erste,  was  in  das  Bewufst- 
sein  SU  heben  ist;  denn  dies  mnls  thatsMeUieh  in  ilim  tot- 


XL  S 

baBdsa  tem.  dimit  es  m  d<v  nmiaii  Wliwtwelnft  komiiM^ 
wllurend  «adm  nehr  twi  dem-  Material  ab  voii  latner  For^ 
muig  m^A/BOf  wdohe  letetere  bei  ihnm  unntitleilMurer  diueh 
das  entere  gegeben  wird.    Es  braoclit  kaam  erwähnt  zu 

wenlrn,  dafs  es  sich  dabei  nur  um  graduelle  Unterschiede 
handelt ,  dafs  im  letzten  Grunde  der  Inlialt  keiner  Wissen- 
schaft aua  biofyen  objektiven  Thatsachen  bosteht,  eondeni 
immer  eine  Deutung  und  Formunff  derselbeu  nach  Kategt»rieon 
und  Normen  enthält,  die  fUr  die  betreifende  Wisseuächa^ 
a  miori  sind.  d.  h.  von  dem  au£b«aenden  Geiste  an  die  an 
«nd  fllr  sieli  isolierten  Thatsaehen  herangalmielit  wenien. 
Bei  der  Sociahnssensoluit  findet  mir  ein  qiiantMiTes  üeber> 
wiegen  des  konünnatorisefiAi  Hementes  gegenüber  anderen 
Wissenschaften  statt,  woher  es  denn  bei  ikr  besonders  geveoht- 
fertigt  erscheint,  sich  die  Gesichtspunkte,  nach  denen  ihre 
Kombinationen  erfolgen,  sa  theoretischeci  Bewnlstsein  an 
bringen. 

Damit  ist  indes  natürlich  nicht  gemeint,  dafs  es  imbe- 
strittener  und  fcätunigrenzter  Definitionen  die  Grund« 
begriffe  der  Seeiok>fi;ie  bedilrfe,  dah  man  s.  B.  von  vom- 
heran  die  fVsgen  oeantworlen  kdnne:  was  ist  eine  Gesell- 
aohaft?  was  »t  ein  Indiyiduom?  wie  aiad  gegenseitign 
psfelnselie  Wirkungen  der  Individuen  anf  einander  mflglicli? 
tu  8.  w. ;  viebn^r  wird  man  sich  auch  hier  mit  einer  nur  un» 
gcftlhren  Umgrenzung  des  Gebietes  begnügen  und  die  vfSlli^ 
Einsicht  In  dm  Wesen  der  Objekte  von  ,  aber  nicht  vor  der 
Vollendung  der  Wissenschaft  erwarten  mlisDeu,  wenn  man 
nicht  in  den  Irrtum  der  älteren  Psychologie  verfallen  will: 
man  müsse  zuerst  das  Wesen  der  iSoele  definiert  haben,  ehe 
man  die  seeÜsehen  Ersdieimingen  wissenseltslllieh  erikemen 
kOnne.  Nach  immer  eilt  die  aristotelische  Wahrheit,  dais^ 
was  der  Sache  nach  das  Erste  ist,  ftr  unsere  Emnntnia 
das  Spiteste  ist  Ln  logisch  systematisehen  Aufbau  der 
Wissenschaft  bilden  freilich  die  Definitionen  der  Grundbegrifle 
dm  Erste;  allein  erst  eine  fertige  Wissenschaft  kann  «ich  so 
vom  Einfachnten  und  Klarsten  aufbfiuefi.  Wenn  eine  Wiösen- 
fchaft  erst  zustande  gebracht  werden  soll,  muss  man  von  den 
unmittelbar  gegebenen  Problemen  ausgehen,  die  immer  höchst 
kompliziert  sind  und  sich  erst  allmlUilich  in  ihre  Elemente 
anllAssn  huMen.  Das  einfiMdiate  Besnltat  des  Denkens  Ist  ehen 
nicht  das  Besnltat  des  etufrchsten  Denkens» 

Vielleicht  ist  das  onmHtelbar  gegebene  Problem  anch 

Serade  bei  der  Socialwissenschaft  eines  der  kompliziertesten, 
ie  Oberhaupt  denkbar  sind.  Ist  der  Mensch  das  höchste 
Gebilde,  zu  dem  die  natürliche  Ent^^tckehmg  sieh  nufgipfeit, 
so  ist  er  dies  doch  nur  dadurch,  dals  ein  MaKimum  ver- 
schiedenartiger Kriitte  sich  in  ihm  gehäuft  hat,  die  durch 
gegenseitige  Modifizierung ,  Ausgleichung  und  Auslese  eben 


4 


diawQ  MikiokosiiiM  lostanda  bnchten;  offenbar  iift  jad» 
Oiffanuation  eine  um  m  liOhere,  je  maoniehftltigm  IMIW 
sieh  in  ihr  im  Gleiohgeiriohi  befinden.    Ist  nun  aehon  das 

menschliche  Einzelwesen  mit  einer  fast  iiTi1}bersf*hhftren  Fülle 
Utentcr  und  wirkender  Kräfte  ausgestattet,  so  muTs  die  Kom- 
plikation da  iinoh  eine  viel  gröfsere  werden,  wo  gegenseitigpe 
Wirkungen  hoK  her  Wesen  auf  einander  vorliegen  und  die 
Kompliziertheit  des  einen,  gewis^ermafsen  mit  der  des  andern 
sich  moltiplisiereiid,  eine  Unermefsliohkeit  Ton  Kombinationen 
ermOglieht  Wenn  aa  also  dia  Aufgabe  der  Sociologie  ist,  die 
Formell  daa  Zknammeneiiia  TOn  Menaebeii  an  baa^3reibaii  ud 
die  Kegeln  su  finden,  nach  denen  das  Individaimi ,  in»ofam 
ea  Mitglied  einer  Gruppe  ist,  und  die  Gruppen  untereinander 
sich  verhalten,  so  hat  aio  Kompliziertheit  dieser  Objekte  eine 
Folge  f^ir  imsere  Wi8sen9<*haft ,  die  sie  in  einer  erkenntnis- 
tlimnitischen  Beziehung,  der  ich  Rine  ausführliche  Begründung 
widiiicn  mufs,  neben  <lie  Metajiiiyaik  und  d'w  Psychologie 
stellt.  Die«e  beiden  haben  nämlich  da«  Eigentümliche,  dnfs 
durchaus  entgegengesetzte  Sätze  in  ihnen  das  gleiche  MaTs 
von  WahfachdmielilEeit  imd  Bewaiab«ikeit  aoMmu  Dftb  die 
Welt  im  letalen  Grande  abioliit  einheitlieh  und  aUe  findtvi- 
duaiisieniiig  und  aller  Unterschied  nur  ein  tlnachender  ScheiB 
sei,  kann  man  ebenso  plausibel  machen,  wie  den  Glauben  an 
die  absolute  Individualität  jedes  Teilen  der  Welt,  in  der  nicht 
einmal  ein  Bfnimblatt  dem  andern  vöütq-  gifirh  ist,  und  dafs  alle 
Vereinheitlichung  nur  eine  auijjektivc  Zuthat  unsres  Geistes, 
nur  die  Folge  eines  psychologischen  Einheitstriebea  »ei,  ftir 
den  keine  objektive  Berechtigung  nachweisbar  wäre;  der  durch- 

fehende  Mechanismus  und  Materialismus  im  Weltgeschehen 
üdet  ehenio  einen  lelaten  metaphyriachen  Zielpunkl^  wie  im 
Gegentheil  die  Hinweitung  auf  em  "Oeiatigefl,  daa  ttbenül  dnreh 
die  Erscheinungen  hindurehbliekt  und  den  eigentlichen  letzten 
Sinn  der  Welt  ausmacht;  wenn  ein  Philosoph  das  Gehirn 
als  das  Ding- an -sich  des  Geistes  bezeichnet  hat,  und  ein 
anderer  den  Geist  als  das  Ding -an -sich  des  Gehirns,  so 
hat  der  eine  ebenso  tiefe  und  gewichtige  Gründe  flir  seine 
Meinung  angeführt,  wie  der  andere.  Und  Ahnliches  be- 
obachten wir  iu  der  Psychologie,  wo  ihr  noch  nicht  der  Zu- 
sammenhang mit  der  Physiologie  die  Isolierung  and  damit  die 
enktere  Beobaehtung  der  primitiven  ainidicheii  Grundlagen 
dea  Seelenlebens  eimöglicht,  sondern  wo  ea  sich  um  Kanaal- 
Terhältnisse  der  an  der  Oberfläche  des  Bewufstseins  auf- 
tauchenden Gedanken,  Geftihle,  Willensakte  handelt.  Da 
sehen  wir  denn,  dafs  uersönliche  Glückssteigerung  die  Uraaehe 
von  fflbatloHcr  Freunalichkeit  ist,  die  den  Andorn  gern  ebenso 
gltlckiicli  s»  Iu  II  ino(  htf«,  wie  man  selbst  int,  —  ebenso  oft  aber 
von  harthcrxigoni  Stulz,  (iom  das  Verst^uMlnis  für  daa  Leiden 
anderer  abhanden  gekommen  ist;  boidcsö  iälst  sich  ps^cho- 


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hf/mk  fßMaa^  iribrnnM  WMthm.  Und  m  Mummna 
wir  mit  gleicher  Walinelieiiiliclikei^  dafs  die  Entfemuii^  g»> 
wiaae  Empfindungen  zweier  Menschen  fUr  einandflr  altmgeetf 
wie  dafo  sie  sie  fchwieht;  dafs  der  Optimiimiit,  aber  auch 
gerade  der  Peesimismus  die  Vorbedingung  eines  kräftigen 
ethischen  Handelns  ist;  dafs  die  Liebe  zu  einem  engeren 
Kreise  von  Menschen  das  Herz  nun  auch  für  die  Interessen 
weiterer  Kreise  empOlnglich  macht,  wie  dafi  sie  dasselbe  gegen 
die  letzteren  abschliefst  und  verbaut  Und  ebenso  wie  der 
Inlialt  iKfirt  nch  andi  die  Biehtiuiff  der  pejchologiachen  Vor- 
kiiflpfun^  imikahreny  obne  an  BmüglDeit  aimiiblifiNB.  Dils 
ünstttKebkeit  die  Ursache  ImMm  Un^floks  ist,  wird  mit  mit 
abeoao  aterim  Ghrttnden  Tim  dem  einen  Psjehologen  be> 
wieeon,  wie  von. dem  andern,  dafs  das  Unglück  die  Ursache 
der  Demoralisierung  ist;  f^afs  der  Qlaube  an  gewisse  religiöse 
Dogmen  die  Ursache  geistiger  Unselbständigkeit  und  Ver- 
dommung  wird,  ist  mit  nicht  schlechteren  Gründen  und  Bei- 
spielen bewiesen,  wie  das  umgekehrte,  dafs  die  geistige  Un- 
zulänglichkeit der  Menschen  eigentlich  die  Ursache  sei,  die 
rie  snm  Glauben  an  ttberirdiache!  Dinge  greifen  lieb.  Korsy 
weder  ib  -aÜapbjrieeiieD  nodi  in  psjchologiidien  Dingen 
findet  lieh  die  Eindeutigkeit  eincfr  wissensduifiliolien  lUgeli 
fondem  stets  die  Mfl^^i^ke^  jeder  Beobeditang  oder  Wiuuv 
■oheinlichkeit  die  entgegengesetzte  entgegenzustellen. 

Die  Ursaolie  rÜoser  au^*ll'^nden  Zwf»id<^iit— ^      '  *  ^<;nbar 

die,  dafs  die  Objekte,  über  deren  Beziehungen  ausgesagt  wird, 
schon  an  und  für  sich  nicht  eindeutig  sind.  Das  Ganze  der 
Welt,  von  dem  metaphysische  Behauptungen  sprechen,  enthält 
eine  solche  FtlUe  und  Afannigfaltigkeit  von  Einzelheiten,  dafs 
iait  Jede  beliebige  Behaaptong  Aber  dasselbe  eine  Aniahl 
▼on  otittaen  findet,  die  oft  genug  soViel  psycbologisohee  Qe- 
wielit  beeitMOi  um  entg^genslebende  Erfidunnimi  nnd  Den- 
tnngen  aus  dem  Bewufstsein  zu  verdrängen,  die  nun  ihrer- 
seits in  andern,  gerade  fflr  sie  disponierten  Geistern  den  Ge- 
samtcharakter des  Weltbildes  bestimmen.  Das  Falsche  liegt 
nur  darin,  dafs  entweder  eine  partielle  Wahrheit  zu  einer 
absolut  gültigen  verallgemeinert,  oder  aus  der  Beobachtung 
gewisser  Thatsachen  ein  Schlufs  auf  das  Ganze  gezogen  wir^ 
der  unmöglich  wäre,  wenn  die  Beobachtung  noch  weiter  aus- 
cedebnt  wire;  also  eomsagen  weniger  Inrtitaier  im  Inhalt 
des  Urteils  als  in  dessen  Betonung,  mehr  in  der  Quantität 
als  in  der  Qualität.  Habe  dabei  fliefst  die  Quelle  für  die 
Unanlänglichkeit  der  psychologisehen  Urteile.  Die  Alleemein- 
bogriffe  pe^chischer  Funktionen,  zwischen  denen  sie  Yerbin- 
dnnfen  stiften,  sind  so  sehr  allgemein  und  schliefsen  eine 
solche  Fülle  von  Nüancen  ein,  dafs  je  nach  der  Betonung 
der  einen  oder  der  andern  ganz  verschiedene  Folgen  aus  dem 
der  Beseicbnung  nach  identischen  Affect  hervorgehen  können; 


üiyitizcü  by  GoOglc 


6 


X  L 


6ia  10  ireite»  Gebiet  umfafet  z.  B.  dar  Begriff  des  Glücks 
oder  der  Religiosität,  diifs  die  von  einander  abstehendsten 

Funkte  desselben  trotz  des  Enthaltenseins  unter  dem  gloicben 
Begriff  durchaus  als  Ursachen  heterog'ener  Fnlp^rn  vcratMndlich 
Bina.  Gans  Unrecht  hat  mithin  keine  jener  allgemeinen  peycho- 
lögischen  Sentenzen;  sie  irren  meistens  nur  darin,  aaü  sie 
die  specifische  Differenz  vernachlässigen,  die,  die  in  Rede 
stehenden  AUgemeinbegriffe  näher  bestimmend,  sie  bald 
in  difite,  bd»  in  jene  gans  entgegengesetala  verlilndang 
briogt  fes  ist  gms  riehtig,  dais  Trennnng  die  liebe  eteigerl; 
«her  nicht  Trennung  (Iberaaupt  und  Liebe  überhaupt,  sondern 
nur  eine  bestimmte  Art  beider  steht  in  diesem  Verhältnis; 
und  ebenso  ist  richtig,  dafs  Trennung  die  Liebe  schwächt; 
aber  nicht  jede  Trennung  jede  Liebe,  sondern  eine  gewisse 
NtJance  der  ersteren  schwächt  eine  gewisse  Nüance  der  letz- 
teren Hier  ist  auch  inr.besondere  der  Einflufs  der  Quantität 
des  seelischen  Aifekta  im  Auge  zu  behalten.  Wir  können 
freilich  gewisse  Abänderungen  einer  Elmpfindune;  nur  unter 
die  Denk-  wid  Smchkttegorie  der  Qnantitit  bringen  nnd 
beneiehneo  sie  deshalb  noch  immer  mit  dem  gleidiett  Begriff; 
thatalclilleh  aber  sind  es  auch  innerliche,  qnalitalive  Verän- 
derungen, die  auf  diese  Weise  mit  ihr  yorgehen.  Wie  ein 
ffrofses  Kapital  zwar  nur  quantitativ  anders  ist,  als  ein  kleines, 
dennoch  aoer  fjnalitativ  ganz  anders  geartete  wirtechaftliche 
Wirkungen  ausübt,  so  und  noch  viel  melir  ist  der  Unterschied 
«wischen  einer  grofsen  und  einer  geringen  Empfindung  in 
Liebe  und  Hafä,  Stolz  nnd  Demut,  Lu^t  und  Leid  ein  nur 
scheinbar  quantitativer,  thatsächlich  aber  ein  so  genereller, 
dafii|  wo  Uber  die  psvchologiBchen  Besiehnngen  einer  Empfin* 
dang  als  Mdoher  nna  im  allgemeinen  ausgesagt  werden  soll^ 
je  luidi  dem  Quantum  derselben,  ttber  das  man  gerade  Gr- 
Nahrungen  gesammelt  hat,  die  neterottenaten  Verbindungen 
derselben  Mweisbar  sind.  Und  nun  &b  ,  was  fUr  die  Ansr 
logie,  die  ich  im  Auge  habe,  das  Wichtigste  ißt.  Wo  wir 
von  der  Verursachung  irgend  eines  psychischen  Ereignisses 
durch  ein  anderes  ^^prechen,  da  ist  da»  letztere  in  der  Isolie- 
rung und  Selbutäudigkeit,  die  sein  sprachlicher  Andruck  un* 
zeigt)  doch  nie  die  an  sich  zureichende  Veranlassung  des 
enteren;  vielmehr  gehOit  der  ganae  Obrige  bewufate  uim  un- 
bewoCbte  Heelcminhait  dann,  um ,  im  Verein  mit  der  neu  ein^ 
soferetenen  Bewegung,  den  weiteren  Vei|;aitf  zuwege  zu  bringen. 
Insefem  man  psychische  Ereignisse  wie  Liebe,  UaD»,  Glttck^ 
oder  Qualitäten  wie  Klugheit ^  Reizbarkeit,  Demut  und  ähn- 
liche als  üreachen  bezeichnet,  fafst  nijin  in  ihnen  einen  ganzen 
Komplex  maunichfa]tifj:er  Kräfte  EUBnnnncn,  die  nur  von  jener 
besondere  hervorgeiiobenen  die  Färbun^^  oder  die  Richtung 
empfangen.  Das  B^timmende  hierbei  ist  nicht  nur  der  all- 
gemeine erkenntnistheoretische  Grund,  dafs  die  Wirkung  jeder 


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XL  f 

Kr&ft  Ton  dem  sonstrgen  Q^eamtKostand  des  Weaens  abhängt, 
an  dem  sie  sich  ftufiBert,  und  so  gewissermaTsen  als  die  Ke- 
auitante  swischen  der  henrorgehobenen  Elraft  und  einer  An- 
lahl  anderer,  im  gleichen  Augenblick  auf  den  gleichen  Punkt 
wirkender  anzusehen  ist;  sondern  specieU  die  menschliche 
iat  ein  so  auiserordentüch  kompliziertes  Qebildei  dafs, 
wmi  mm  dnen  Vorgang  od«r  Zoitasd  ia  ihr  antir  «nen 
cblwidieliioa  Bcigriff  bringt»  diet  immer  nur  eine  Benennung 
n  fO/Hori  ist;  es  fielen  stets  so  viele  Prosesse  zugleich  in 
unserer  B^le,  so  viele  Kfifie  sind  su^eich  in  ilir  wiriuHUa, 
dafs  die  Feetst^ung  einer  Kausalverbindung  zwischen  ein- 
fachen psychologischen  Begriffen,  wie  in  den  bitslierigen  Bei- 
spielen, immer  ganz  einseitig  ist;  nicht  der  eine  ciulieitliche 
Affekt  geht  in  den  andern  einheitlichen  über,  sondern  (»esarot- 
sufitÄüdü  thiin  die»,  in  denen  jene  etwa  die  Hauptsachen  oder 
besonders  hdl  beleuchtete  Punkte  sind,  deren  entscheidende 
NüMMMrung  aber  von  mudlbligen  gleiehaeitigen  Seeloninhaitep 
hetrOhrt  Wie  ein  Ton  seine  Klangfiffbe  y<m  den  sugleioli 
aUiQsenden  ObertOn^  arbilt,  wir  Jso  nieht  dn  reinen  Te% 
sondern  eine  grofse  Anzahl  von  Tönen  hören,  von  denen  einer 
nur  der  hervortretendste ,  keineswi^  aber  über  den  ästheti- 
schen Eindruck  allein  entscheidende  ist:  so  hat  jede  Vor- 
stellung und  jedes  Qeftlhl  eine  grofse  Zahl  psychischer  Be- 

fleiter,  die  es  individualisieren  und  über  seine  weiteren 
l^irkungen  entscheiden.  V^on  der  Fttlle  des  gleichzeitigen 
nsydrisoien  Inhaltes  treten  immer  nur  wenige  führende 
Vorsteilnngen  in  das  klare  BewnfiMsein,  und  die  Knnsnlverbinr 
dnng,  die  man  einmal  iwisdiea  iluMn  beobachtel  bat  iit  das 
nldme  Mal  sehen  niebt  mehr  gültig,  weil  iniwiedm  der 
Oesamtasastand  der  Seele  sich  geändert  hat  und  anderweitige 
Vorgänge  etwa  das  erste  Mal  in  der  Richtung  jener  Verbin- 
dung, das  zweite  Mal  aber  ihr  entgegenwirkten.  Dies  ist  der 
Grund,  weshalb  die  Psychologie  keine  Gesetze  im  naturwissen- 
»chattlichen  Sinne  erreichen  kann :  weil  wegen  der  Kom- 
pliziertheit ilixer  £rscheinimgen  keine  isolierte  ein£sche  KraÜ- 
wirfcnng  in  der  Seele  zu  beobachten  ist,  sondern  jede  von  so 
vielen  Sebenersehetnnngen  b^fldeitet  wird»  dafii  nie  mit  volt 
kommener  Sicherheit  nstsosteUen  iil»  was  denn  non  wirklich 
die  üisache  einer  gegebenen  Fo^  oder  die  Folge  einer  ge- 
gebenen Ursache  ist 

Trotzdem  wäre  es  falsch,  den  metaphysischen  und  psycho- 
logischen Aufstellungen  deshalb  nun  den  wissenschat'tUchen 
Wert  ahnprechen  zu  wollen.  Wenn  »ie  auch  nicht  exakte 
Erftenntnis  riind,  bo  bind  »ie  doch  Vorläufer  derselben.  Sie 
orientiereu  doch  eiuigenuafsen  Uber  die  Erscheinungen  und 
ichsfci  die  Begrifie,  durch  deren  allmfthliche  Verfeineruiigy 
Wiedemnllasang  nnd  Zossmmenfllgiuig  nac&  anderen  Gesiehts- 
pnnklen  eine  immer  gitfisere  Annihening  an  die  Wahrheit 


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8 


erreicht  wird;  sie  stiften  nnter  diesen  iwar  einseitige  Verbio- 
dangen,  deren  Einseitigkeit  aber  durch  die  entgegengesetzte 
panüysirt  wird ;  sie  ßtellen  wenigstens  eine  erste  Organisierung 
aer  Massen  dar,  wenn  sie  diese  auch  noch  nicht  soweit  be- 
herrschen, um  zu  den  Beziehungen  der  letzten  einfachen  Teile 
vorzudringen,  in  die  die  komplexen  ErscheiDungen  aufzulösen 
das  l0lito  Ziel  der  Winensduill  ist 

In  einer  Ihnliefaeo  VerfiMniDg  nmi  befindet  lieli  die  Soeio- 
logie.  Weil  ihr  Gegenstand  eine  solche  Fülle  toq  Bewegungen 
in  lieh  schliefst,  wird  je  nach  den  Beobachtungen  una  Ten* 
dfluen  des  Forschers  bald  die  eine,  bald  die  andere  als  tjrpisch 
und  innerlich  notwendig  erscheinen;  das  Verhältnis  des  In- 
dividuums zur  Allgemeinheit  f  die  Ursachen  und  die  Formen 
der  Qruppenbildung ,  die  G^egensätze  und  Übergänge  der 
Klassen,  die  Entwickelung  des  Verhältnisses  zwischen  Füh- 
renden und  Beherrschten  and  unzfthlige  andere  Angelegen- 
Mten  vamnr  Winenicliaft  leigen  einen  aolclien  BeieMnin 
TOQ  Teneliiedeiiartigen  geediiebtuchenVerwirklielimigen.  dab 
jede  einheitliche  Konniening,  jede  Feststellung  einer  darcli* 
gehenden  Fem  dieser  Verhältnisse  einieitig  sein  mufis  und 
die  entgegengeeetstesten  Behauptungen  darüber  sich  durch 
vielfache  Beispiele  belegen  lassen.  Der  tiefere  Grund  liegt 
auch  hier  in  der  Kompliziertheit  der  Objekte,  die  der  Auf- 
lösung in  einfache  Teile  und  deren  primitive  Kräfte  und  Ver- 
hältnisse völlig  widerstehen.  Jeder  gesellschaftliche  Vorgang 
oder  Zustand,  den  wir  uns  zum  Objekt  machen,  ist  die  £r- 
•fliiHnung,  liinr«  Wirkung  uuridilig  vieler  tiefer  goldenen 
TeOvorgänge.  Da  nun  fie  fliehe  Wiilrang  yon  aehr  ref 
aduedenen  Ursachen  ausj;elien  kann ,  ao  kl  ea  möglich ,  dafa 
die  genan  gleiche  Erscheinong  durch  ganz  versdiiecmie  Kom- 
pleze  von  Kräften  hervorgebracht  werde,  die,  nachdem  sie 
an  einem  Punkte  zu  der  gleichen  Wirkung  zusammengegangen 
sind,  in  ihrer  weiteren,  darüber  hinausgehenden  Entwickelung 
wieder  völlig  verschiedene  Formen  annehmen.  Aus  der 
Gleichheit  zweier  Zustände  oder  Perioden  in  grofsen  Ent- 
wickelungsreihen  läfst  sich  deshalb  noch  nicht  scbliefsen,  dafs 
die  Fdge  dieaea  Abadnütto  In  der  einen  der  des  gleiob  er- 
aeheinenden  in  der  andern  aiooli  aein  werde;  im  weiteren 
Verlaufe  kommt  dann  die  VMtehiedenheit  der  Auagange- 
ponkte  wieder  zur  Geltung,  die  nur  einer  zufiüligen  und 
vorübergehenden  Gleichheit  Platz  gemacht  hatte.  Eine  Häufig- 
keit dieses  Verhaltens  wird  natürlich  da  am  wahrscheinlicn- 
sten  sein,  wo  die  BMlle,  die  Komplikation  und  die  Erkenntnis- 
schwierigkeit der  einzelnen  Faktoren  und  Teilursachen  die 
gröfste  ist.  Dies  aber  trifft,  wie  gesagt,  bei  den  geselUchaft- 
lichcn  Er»cheinungeQ  im  höchsten  Mafne  zu;  die  primären 
Teile  und  Krftfite,  die  dieee  anstände  bringen,  sind  eo  nnflber- 
eelibar  mannichlaltig,  da(a  hnndertiach  gleiche  Ereeheinnngen 


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XI. 


9 


eiatreleiiy  die  im  sieiurtflD  AagenUicke  in  ganx  Yenduedene 
W^tttnakmcMuDgoi  auslaufen  —  gerade  wie  die  Kompli* 
sierdieit  der  seelisäteo  Krlfte  die  gans  gleiche  BewnlstMiiia- 
ersolietimiig  Ud  mit  ei&er,  bald  mit  einer  andern,  genau  ent- 
gegengesetzten Folge  ▼erbindet  Anch  in  sonstigen  Wissen- 
scfiaften  Tat  ähnliches  rji  bfobaohten;  In  äef  Geschichte  der 
Oeeundheitslphrc.  insbesondere  in  den  Theorieen  der  Ernährung, 
sehen  wir  oft  die  entgegengesctzteeten  Behauptungen  über  den 
Wert  Nahrungsmittels   einander   ablösen.  Innerhalb 

dm  meüiicklicben  Rörpers  äiud  aber  that«ftcblich  &o  viele 
Krifte  thitig,  dafr  eine  nen  eintretende  Einwirknnf  die  Ter* 
seyedenartigsten  Felgen  haben,  die  eine  fifrdenny  die  andere 
hoBBien  kann*  Deshalb  irrt  vieneicht  keine  jener  Theorieen 
gans  in  dem  KaoialTerhiltnis,  das  sie  swiseiien  dem  Nahrungs* 
nittel  and  dem  menschliehen  Organismus  aufstellt,  sondern 
nur  darin,  dafs  sie  dieses  fWr  dai?  einzige  und  dofinitiro  hftlt. 
Sie  vergifet,  dals  dasjenige,  was  in  einem  sehr  komplizierten 
System  nach  einer  Seite  hin  entschieden  wirkt,  nach  einer 
andern  eine  entschieden  ent^e^ngesetrte  Nebenwirkung  haben 
kann,  und  übersüringt  die  zeitlichen  und  sachlichen  Zwischen- 
dieder,  die  siea  swisehen  die  anmittelbare  Wijkong  einer 
Krall  waA  den  seUiefidichen  Gesamtsnstand  des  Gänsen,  aof 
das  sie  einseitig  wirkt,  einschieben.  Eben-  diese  ünbestnnmt- 
hett  in  den  sehfielsliclien  Erfolgen  eines  Vorgangs  am  socialen 
KArper,  die  sa  so  vielen  Entgegengesetztheiten  im  sociologi* 
sehen  Erkennen  fÖhrt,  veranlafst  die  gleichen  auch  in  den 
praktisch  socialen  Angelegenheiten;  die  Mannichfaltigkeit  und 
Feindseligkeit  der  Parteien  in  diesen,  von  denen  doch  jede 
mit  ihren  Mitteln  das  gleiche  Ziel  eines  GlOckseligkeitsmaxi- 
mums  für  die  Gesamtheit  zu  erreichen  glaubt,  beweist  jenen 
eigentümlichen,  darek  seine  Komplliiertheit  Jeder  «laelen 
Berodurang  widerBtrebenden  Charakter  des  socialen  Materials. 
Von  OesetMn  der  socialen  Entwiekelung  kann  man  deshalb 
nkkt  sjnrechen.  Zweifellos  bewegt  sich  jedes  Element  einer 
Gesellschaft  nach  Natorgesetzen ;  allein  nlr  das  Ganse  giebt 
es  kein  Gesetz;  so  wenig  hier  wie  sonst  in  der  Natur  erhebt 
sich  tlber  die  Gesetze,  die  die  Bewegungen  der  kleinsten  Teile 
r^eln,  ein  höheres  Gesetz,  das  die«e  Bewegungen  nun  in 
immer  gleicher  Weise  und  zn  dem  gieiehcn  Gesamteffect  zn- 
sammenschlööse.  Deshalb  können  wir  nicht  wissen,  ob  nicht 
in  jedem  toh  awei  i^eidi  ersoheineDden  gesellsehalllldien 
Zoellnden  Krifts  ktent  sind,  die  im  niehstsn  Aogenbück 
TöUig  Terschiedene  Erscheinangen  ans  jenen  herrorlreiben. 
So  ist  aach  die  Diffierenziening ,  tkber  me  im  folgenden  ge- 
handelt wird,  keine  besondere  Kraft,  kein  io  das  Spiel  der 
primÄren  Mächte  der  socialen  Gestaltiinir  eingreifend e«  Geset?;, 
s<>ndern  nur  der  Ausdruck  fiJr  ein  Phänomen  ,  das  aus  der 
Wirkung  der  realen  elementaren  Kräfte  hervorgeht.  Und 


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10 


ftniAr:  wo  wir  die  Folffe  eines  KonqplttKeB  einfacher  Erschei- 
mingon  festzustellen  suchen,  ist  es  nur  doreh  die  schwierig' 
sten  und  auf  höheren  Gehieten  oft  gnn?.  nnanwendbiiren  Me- 
tfioden  möglich,  diejenige  Erscheinung  febteuRtellen ,  die  die 
allein  oder  wcsentlicn  wirksame  ist;  wo  Uberhaupt  Mannich- 
faltiges  mit  Manniehfaltigem  in  eine  einheitlich  erscheinende 
Beziehung  tritt,  da  ist  überall  dem  Irrtum  über  die  eigent- 
Udi0n  Trä^r  dar  Ursache  wie  der  Wirkung  ThOr  und  Thor 
geOftiet 

Dieser  G^iclitipunkt  filhrt  auf  einen  Einwand,  den  man 
▼om  erkenntnistheoretischen  Standpunkt  gegen  die  Oesett- 
•chaftswissensdiaft  ttberhaapt  erheben  kann.   Der  Begriff  der 

Gesellschaft  hat  offnnljar  nur  dann  einen  Sinn ,  wenn  er  in 
irgend  einem  Gegensatz  gegen  die  blofBc  Summe  der  Einzölnen 
steht  Denn  fiele  er  mit  letzterrr  zfisammen,  so  scheint  er 
nicht  anders  da«  Objekt  einer  Witi^euschaft  sein  7.11  können, 
als  etwa  ,der  Sternhimmel**  als  Gegenstand  der  Astronomie 
m  beaeklmeii  iat;  ihaMi^ieli  iit  dies  doch  nur  ein  KollektiT* 
amdmelcy  and  was  die  Aetronomie  festeteUt  lind  nnr  die  Be- 
wegongen  der  einzelnen  Sterne  und  die  wsetze,  die  dieae 
re(^]ii.  lat  die  Qeaellschaft  nur  eine  in  nnaerer  Betrachtungs- 
weise vor  sich  gehende  Zusammenfassung  von  Einzelnen,  oie 
die  eigentlichen  Realitäten  sind,  so  bilden  diese  und  ihr  Ver- 
halten auch  dsLH  eigentliche  Oltji  kt  der  Wissenschaft,  und  der 
Begnif  der  Gesellscluift  veiiiachtigl  sich.  Und  wirklich 
scheint  es  sich  so  zu  verhalten.  Was  greifbar  cxiaiicrt,  sind 
doch  nur  die  einzelneu  Menschen  und  ihre  Zustände  und  Be- 
wegungen: dealialb  könne  es  aicli  nur  darum  liandeln  dies» 
jw  verstehen,  wtthrend  das  rein  dureh  ideelle  Sjnthese  ent> 
standene,  nirgend  zu  greifende  Gei>ellachafl$we8en  keinen  Oet- 
gcnstand  eines  auf  £>forschung  der  Wirklichkeit  geriebtelen 
i>enken8  bilden  dUrfe. 

Der  GrnT)do^*'d?ink(»  dieses  Zweifels  an  dfm  Sinn  der  So- 
ciolügie  ist  durcliaus  richtig:  wir  mtiüseu  in  der  'l'h;U  so  scharf 
wie  moj;lich  zNN-ischen  den  realen  Wesen,  die  wir  ais  objek- 
tive Einheiten  ansahen  dürien  und  den  Zusammenfassungen 
derselben  zu  Komplexen,  die  als  solche  nur  in  unserem  syn- 
tbedsdien  Geiste  existieren»  untwiclieidaD.  Und  anf  dein 
Rttckgang  auf  jene  beruht  frettieh  alles  realistisclie  Wissen; 
ja,  die  Erkenntnis  der  AUgemeinbcgriiSB,  die  ein  noch  inuner 
spukender  Piatonismus  als  HeaU täten  in  unsere  Weltanschauung 
emschwÄrzt,  als  blols  subjectivcr  Gebilde  und  ihre  Auflösung 
in  die  Summe  der  allein  realen  EinzelerschoiTmugen  ist  eines 
der  Hauptziele  der  modernen  Gei8teHl)ildung.  AlU;in  woim 
der  Individualismus  diese  Kritik  ^■•'e'en  den  Gef^ellschati-^- 
bt^riff  richtet,  so  braucht  man  die  Reflexion  11  ui  noch  eino 
Stufe  zu  vertiefen,  um  zu  sehen,  dafs  er  damit  zugleich  sein 
eigenes  Urteil  spricht  Denn  ancb  der  einaelne  Meoscb  ist 


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11 


iMit  die  abBolute  Einheit,  die  ein  nor  mit  den  letit»  ReaK* 

tMm  rechnendes  Erkennen  fordert  Die  VieUiei^  die  schon 
dw  individaeUe  Maisch  in  und  an  sich  aufweist^  als  solche 

tu  diirchRcHanen,  ist  wie  Ich  glaube  f^hie  der  wichtigstoii  Vor- 
bedingungen für  eine  rationelle  Grundlegung  der  Gesellschafts- 
wissenschaft, der  ich  deshalb  hier  näher  treten  möchte. 

Solange  der  Mensch,  ebenno  wie  alk  organischen  Arten, 
als  ein  iSchi^piungögedaiike  Gottea  galt,  ald  ein  W^eii,  daa 
nit  all  seinen  ^^schafleii  fertig  Aasgestattot  in  die  Welt 
trat,  dft  1^  ea  nahe  und  war  fest  erferdert,  dm  einaelnen 
MeiHdiai  als  eine  geschlossene  Einheit  anzusehen,  als  anteil- 
bare PeraDnliehkcit,  deren  „einfache"  Seele  in  der  cinheit- 
lidben  2«usammengehörigkeit  ihrer  körperlichen  Organe  Aus- 
druck und  Analogie  fand.  Die  entwicklnngs^eächichtliche 
Weltanschauung  macht  die«  unmöglich.  Wenn  wir  die  un- 
ennefslicben  Wandlungen  bedenken,  die  die  Org^anismen  durch- 
machen mufstea,  ehe  aie  von  ihren  pnmitivsteu  Formen  pich 
Eiun  Menschengeschlecht  au%ipfeln  konnten,  die  entsprechende 
ÜBsnneMiciikeit  der  RinflHase  nnd  Lebensbed  ingnngen,  deren 
2nilllU|^eiian  und  En^egengesetstheiten  jede  Generation  aus- 
gsiaetit  ist,  endlich  die  organische  Bildsamkeit  und  die  Ver- 
«ffanng,  vermöge  deren  jeder  dieser  wechselnden  Zuslllnde 
irgend  ein  Merkma1|  eine  Modifikation  auf  jeden  Nachkommen 
abgelagert  iiat:  so  erscheint  jene  absolute,  metaphysische  Kinheit 
des  Menschen  in  einem  sehr  bedenkhcl^en  Lichte.  Er  ist  viel- 
mehr die  Summe  und  das  Produkt  der  allermannichfalttgsten 
Faktoren,  von  denen  man  sowohl  der  Qualität  wie  der  Funktion 
nach  nur  in  sehr  ungeüthrein  und  relativem  Sinne  sagen  kann, 
dafe  rie  m  einer  Ebheit  snaammengehen.  Aneh  ist  es  phyaio* 
kgiaeli  lianl  aneifauint  dafs  Jeder  Organiamna  sosusagen  ein 
'  BttmX  ans  Stuten  ist,  dafs  seme  Teile  immer  noch  eine  ge* 
wisse  gegenseitige  Unabhängigkeit  besitsen  und  als  eigentUdie 
organische  Einheit  nur  die  Zelle  anzusehen  ist;  und  auch 
diese  letatere  ist  nur  für  den  Physiologen  und  nur  insofern 
eine  Einheit,  al«  sie,  abgesehen  von  den  aus  biuisem  Proto- 
plasma bestehenden  W^cn,  da^  einfachste  Gebilde  ist,  an  das 
sich  noch  Lebenserscbeinun^eu  knüpfen,  während  sie  an  und 
Ulr  «ieli  «iaa  hOdiat  komfitiiienft  Znsammenselaung  chemischer 
Urbaaiandteile  ist.  Wenn  man  den  bidiTidualiemna  wirklieh 
kMEMequent-  verfolgt,  so  bleiben  ab  reale  Weaen  nur  die 
ponktueilen  Atome  übrig  und  alles  Zusammengesetzte  feilt 
als  solches  unter  den  Gesichtspunkt  der  Realität  geringeren 
Grade«.  Und  was  man  sich  unter  der  Einheit  der  Seele  kon- 
kret zu  denken  habe,  weife  kein  Mensch.  Dafs  irgendwo  in 
uns  ein  bestimmtes  Wesen  säfse,  das  der  alleinige  und  ein- 
fecbe  Trägej-  der  psychischen  Erscheinuugeu  wäre,  ist  ein 
▼OlÜg  unbewieaener  und  erkenntnistiheoretisch  unhaltbarer 
QUidienanrtikcL  Und  nidit  nur  anf  die  einheitliche  Sabstann 


12 


X  1. 


der  Seele  mfissen  wir  Yensichten,  aondem  auch  imtar  ilum 
Inhalten  ist  keine  wirkliche  Einheit  lu  entdecken;  swiachen 
den  Gedanken  des  Kindes  und  denen  des  Mannes ,  zwischen 

unfern  theoretieclieTi  Überzeugungen  und  uns(*rm  praktischen 
Handeln,  zwischen  den  Leistungen  unserer  besten  und  denen 
unserer  schwächsten  Stunden  bestehen  so  viele  Gegensätze,  dafs 
es  absolut  unmöglich  i«t  einen  Punkt  zu  entdecken,  von  dem 
aus  dies  alles  als  harmonische  Entwickelung  einer  ursprüng- 
lichen Seeleneinheit  erschiene.  Nichts  ab  der  gans  leers^  for* 
male  Ckdaake  eines  Ich  bleibe  an  dem  alle  diese  Wandhingea 
und  Gegenstttse  vor  sieh  gingen,  der  aber  eben  andk  nur  ein 
Gedanke  ist  und  deshalb  nicht  das  sein  kann,  was,  voigeblich 
Uber  allen  einaelnen  Vorstellongen  stehend,  sie  cinbeitiieh 
nmschlfefHit. 

Dafs  wir  also  eine  Summo  von  Atombewagungen  und 
einzelnen  Vorstellungen  zu  der  Geschichte  eines  „  Individuums* 
zuflammenfusspn ,  ist  schon  nnexakt  und  nubjektiv.  Dtlrfen 
wir,  wie  jener  Individualismus  will,  nur  das  als  wahrhaft  ob> 
iectiYe  intens  ansehen,  was  an  und  für  sieh  im  objectiTen 
Sinne  eme  länheit  bildet,  und  ist  aDe  Znsammensetsmig 
soleher  Einheiten  lu  einem  höheren  Gebilde  nur  menschliche 
Sjnthese,  der  cegenUber  die  Wissenschaft  die  Aufjsabe  der 
analysiersDdsii  ZorfickAihrung  auf  jene  Einheiten  nahe:  so 
können  wir  auch  nicht  bei  dem  menschlichen  Individmim  i 
stehen  bleiben,  sondern  müssen  auch  dieö  als  eine  subjektive 
Zusammenfassung  betrachten,  während  den  Gegenstand  der 
Wissenschaft  nur  die  einheidichen,  atomistischen  Bestandteile 
derselben  bildeteu. 

Ebenso  richtig  wie  diese  Fordeninf  In  der  Theorie  des 
Erkennens  ist,  ebenso  nnerftlllbar  ist  sie  in  der  PriKts  des^  l 
selben.    Statt  des  Ideales  des  Wissens,  das  die  Gescbiehte 
jedes  kleinsten  Teiles  der  Welt  schreiben  kann,  müssen  uns  \ 
die  Geschichte  und  die  Begelmäfsigkeiten  der  Konglomerate  ; 
genllgen,  die  nach  Hnnem  subjektiven  DenkkatcgonVen  nns  der  ■ 
objektiven  Gesamtheit  des  Beins  herausgescbrutlcn  werden;  ; 
der  Vorwurf,  der  diese  PraxiF  trifft,  gilt  jedem  (Jj«enereM  mit  | 
dem  menschlichen  Individuum  so  gut,  wie  dem  mit  der  mensch- 
lichen Gesellschaft    Die  Frage,  wie  viele  und  welche  realen 
Einheiten  wir  au  einer  höheren,  aber  nur  saljektiTen  Ein- 
heit susanunensttlassen  haben,  deren  Schicksale  den  Gegen- 
staad einer  besonderen  Wissenschall  bilden  sollen  —  ist  nur 
eine  Frage  der  Praxis.   Wir  haben  also,  die  blofiie  Vorläufig* 
keit  und  den  blos  morphologischen  Charakter  solcher  Erkennt- 
nisse ein  für  allemal  zuc^ef^ebf  n ,   nach  dem  Kriterium  der- 
artiger Zusammen iHsBungen,  und  wie  weit  diejenige  zu  einer 
Gesellschaft  ihm  i,^';iuL:t,  zu  fraicen  ! 

Es  \ät  mir  nun  unzweitelhatt ,  dafs  es  nur  einen  Grund 
giebt,  der  eine  wenigstens  relative  Objektivität  der  Verein- 


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18 


Mtiiehiuipr  abgiebt:  die  Wedudwirkmigr  derTeUa.  Wir  be-  / 
seiduMn  jeden  GegemlHnd  in  demtelben  Mafse  als  einheitUeh, 
in  dem  seine  Teile  in  gogmiseitiRen  djnaniieehen  Besiehungen 
ftehen.    Darum  gewfthrt  ein  Leb  eweeen  so  besonders  die  Er*  i 

»cheinang  von  Einheit,  weil  wir  in  ihm  die  energ^ischste  Wir- ' 
kling  jeoes  Teila  auf  jeden  beobachten,   während  der  Zu- 
sammenhang eines  unorganischen  Naturgebildet»  schwach  genug 
ist,  um  nach  Abtrennuiig  eines  Teiles  die  andern  in  ihren 
Eigenschaften  und  Funktionen  im  wesentlichen  unverletzt  zu 
Imwcp.,  iDneriialb  des  pexeOnlidMD  SeoleiikbeBa  iet  trete  der 
Torliiii  flnviluiteii  Didoepein  eeiner  Inhalte  deeh  die  loiik- 
tieneUe  Beiiebaiig  biOehet  eng;  jede  entlegenste  oder  noch  to 
Incn  TeigaQMie  VortteHung  kann  so  sehr  auf  jede  andere 
wirken,  dafs  nierfUr  fireilich  die  Vorstellung  einer  Einheit  von 
dieser  Seite  her  die  gröfste  Berechtigung  besitzt.  Natürlich 
sind  die  Untert^chiede  solcher  Berechtigungen  nur  gradweise  ; 
&)»  regulative«  Weitprinzip  nitlssen  wir  annehmen,  dafs  Ailesj 
mit  Allem  in  irgend  einer  Wechselwirkung  steht,  dafs  zwischen 
jedem  I^uukte  der  Welt  und  ledeui  andei'n  Kräfte  und  hin-  \ 
nnd  bttS^liende  Boniehnngen  besteben;  es  kann  ans  deshalb  i 
logisch  nieht  verwehrt  wefden,  beliebige  Etnheiteii  beraosso-  ' 
greifen  und  sie  su  dem  Begriff  eines  Wesens  ansaipmenea-  ^ 
sehlie&en,  dessen  Natur  und  Bewegungen  wir  nach  bistori- 
echen  wie  gesetzlichen  Gesichtspankten  festsustellen  bitten. 
Das  Entscheidende  hierbei  int  nur,  welche  ZusiaTnmeTifa«8ungf 
wissenschaftlich   zweckniftC^^ig    ist,    wo  die  Wechselwirkung' 
zwihchen  Weseu  kräftig  genug  ist,  um  durch  ihre  isolierte 
Beliaiidlung  gegcnttber  den  Wechselwirkungen  jedes  derselben 
mit  aUeu  andern  Wesen  eine  hervorragende  AufkUruug  zu 
versprechen,  wobei  es  baapMohliob  danuif  ankommt,  ob  die  • 
behandelte  Kembination  eine  bltofige  ist^  so  dals  die  Eikenntnii 
derselben  typisch  sein  kann  and,  wenn  auch  nicht  Oeseti*i 
nOUaigkeit,  die  fbr  die  Erkenntnis  den  Wirkungen  der  ein- 
gehen Teile  vorbehalten  ist,  so  doch  BegelnUÜsigkeiten  nach* 
weist.    Die  Auflösung  der  Gesellschaftsseele  in  die  Summe 
der  Wechselwirkungen  ihrer  Teilhaber  liegt  in  der  Kichtung 
des  modernen  Geisteslebens  überhaupt:  das  Feste,  «ich  öelbst 
Gleiche,  Substantielle  in  Funktion,  Kraft,  Bewegung  auizu- 
losen  und  in  allem  Sein  den  historischen  Prozeis  seines  VVer- 
d^is  an  eriLcnnen.   Dafe  nun  eine  Wechselwirkung  der  Teile 
nnter  dem  statt  bal»  was  wir  eine  €tasellscb«ft  nennen«  wird 
niemand  leugnen.  Em  in  sidi  völlig  geschlossenes  Wesen^ 
eine  absolute  Einheit  ist  die  Gesellschaft  nichl|  so  wenig  wie 
das  menschliche  Individuum  es  ist   Sie  ist  gegentlber  den 
realen  Wechselwirkungen  der  Teile  nur  sekundär,  nur  Re- 
sultat,  und  zwar  sowohl  sachlich  wie  für  die  Betrachtung-, 
Wenn  wir  hier  von  der  morphologischen  Jb^rscheinung  absehen, 
in  der  freilich  der  Einaelne  gana  und  gar  das  Produkt  seiner 


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u 


X  1. 


McialoB  Gruppe  ist,  toodm  Tidnifllir  «iif  den  ieliln  er- 
keiminiidieoreaecheii  Grund  zurückgreifen,  lo  mflaeen  wir 
Hagen :  es  ist  nicht  eine  GeeeUich»lbeiiiheit  da,  aus  deren  «Ul- 
li ei  tlichem  Charakter  sich  nun  BeBchaffenheiten,  Beziehungen, 
Wandlungen  der  Teile  ergäben,  sondern  e«  finden  sieh  Be- 
zi<  liungPTi  und  Thätigkeiten  von  Elementen,  auf  Örund  deren 
dann  erst  die  Eid  hei  t  ausgesprochen  werden  darf.  Diese  Ele- 
mente sind  nicht  etwa  an  sich  wirkliche  Einheiten;  aber  sie 
bind  hier  fUr  die  höheren  Zusammeufasäun^en  so  zu  behan- 

weü  jedet  im  Yerhiltnls  som  «ndem  ettheHlieli  wirkt; 
dannn  brandien  et  nnefa  nielift  nur  meniiebliehe  Penonen  in 
sein,  deren  Wecbeehrirkong  die  GeMlIeehaft  konetttnier^ 
aondiBni  et  kOnnen  auch  gamee  Gruppen  teiny  die  mit  andern 
zusammen  wieder  eine  Gesellschaft  ergeben.  Ist  doch  andi 
dfis  phyMikalische  und  chomigche  Atom  kein  einfaches  We«en 
im  Sinne  der  Metaphysik,  öondem  absolut  genommen  immer 
weiter  zerlf^^bar;  aber  für  die  Betrachtung  der  betreffenden 
Wissenschaften  iat  dien  gleichgültig,  weil  es  thafejächlicli  als 
Einheit  wirkt;  so  kommt  es  auch  für  die  äocioiogifiche  Be- 
trachtung nor  eomaaffen  nof  die  empinacbea  Atome  m,  enl 
Vomtdlungen,  fiidlTidaen,  Gruppen,  die  «le  Einheiten  wnen, 
gleichviel  ob  sie  aa  und  fUr  sich  noch  weiter  teilbar  sind* 
In  dieiem  Sinme^  der  von  beiden  Seiten  her  ein  relativer  iet| 
kann  man  sagen,  dafs  die  (Jeseliscliall  eine  Einheit  aus  Ein* 
heiten  ist.  Es  ist  aber  nicht  etwa  eine  innerliche,  gescldo*?9ene 
Volkseinheit  da,  welche  das  Kccht,  die  Sitte,  die  Religion, 
die  Sprache  aus  sich  hervorgehen  licfse,  sondern  äufserlich 
in  Berührung  stehende  sociale  Einheiten  bilden  dureh  Zweck- 
mäibigkeit,  ISot  und  Gewalt  bewogen  diese  Inlialtc  und  Formen 
unter  sich  aus,  und  dieses  bewirkt  oder  vielmehr  bedeutet 
erst  iiure  Veretnheidioknng.  Und  so  darf  nan  anch  für  die 
Erkenntnis  nicht  etwa  mit  dem  G^sellschaftsbegrilF  beginnen, 
aus  dessen  Bestinuntheit  sich  nun  die  Besiehnngen  nnd  gegen- 
seitigen Wirkungen  der  Bestandteile  ergäben,  sondern  diese 
mUssc)'.  festgestellt  werden,  und  Gesellschaft  ist  nur  der  Name  ftr 
die  SuTViitie  dieser  Wechselwirkungen,  der  nur  in  fi-  m  Mafse  der 
Festgestelltheit  dieser  anwendbar  ist.  Eh  let  desiiaib  kein  ein- 
heitlich festdtehender,  .sondern  ein  gradu toller  Begriff,  von  dem 
auch  ein  Mehr  oder  Weniger  anwendbar  ist,  je  nach  der 
gröfseren  Zahl  und  Innigkeit  der  zwischen  den  gegebenen 
Penonen  bestehenden  Wechselwirkangnn.)  Auf  diese  Weise 
^  Terliert  der  Begriff  der  Gesellschaft  ganz  das  Mystische,  das 
der  individualistische  Realismu»  in  ihm  sehen  wollte. 

Man  scheint  freilich  nach  dieser  Definition  der  Gesell- 
^  Schaft  auch  xwei  kämpfende  Staaten  etwa  für  eine  Gesell- 
scKrtft  erklären  zu  müssen,  da  unter  ümen  doeh  zweifellose 
AWrli>>(  Uvirkuiig  Ktattfindet,    Trotz  dies^es  Kontiiktes  mit  dem 
Spraciigebraucii  wuräo  icii  glauben,  es  methoUologiscb  ver- 


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X  1. 


15 


«ntironeii  in  kdimen,  wenn  ich  hier  einibch  eine  Ansnalime 
lOjgflbe,  einen  FiU,  auf  den  die  Definition  nicht  paGrt.  Die 
DinjKe  und  Ereignine  sind  viel  m  kompliziert  undluiben  viel 
SU  nüssige  Grenzen,  «la  daCi  man        eine  ErklSning»  die 

fiir  eine  Thaü^achf»  «^eeig^et  ist,  verzichten  sollte,  weil  sie 
auch  auf  andere  und  sehr  abweichende  That^achen  pafst. 
Man  hat  danu  eben  nur  die  specifische  DitTereiiz  zu  suchen, 
die  zu  dem  Begriff  der  wechselwirkenden  Personen  oder  \ 
Gruppen  uoch  hinzugesetzt  werden  muis,  um  den  üb- 
liehen  Begriff  der  Gesellschaft  im  Gegensatz  zu  dem  der 
kimpfenden  Parteien  sn  eingeben.  ( Man  konnte  etwa  sagen, 
er  aei  eine  Weekeelwirkong,  bei  der  daa  Handeln  ftr  die 
e^nen  Zwecke  zugleich  die  der  andern  fördert.  Allein  gana 
rewlit  auch  dies  nicht  an;  denn  man  wird  auch  dasjenige  Zu- 
sammen  noch  immer  Gesellschaft  nennen,  da.s  nur  durch  den 
Zwang  von  einer  Seite  und  zum  ausschliefslichen  Nutzen  dieser 
gestiftet  und  gehalten  wird.  Ich  glaube  tlberhaupt:  welche 
einlache  und  einheitliche  Definition  der  Gesellschaft  man  auch 
aufätellen  mag,  es  wird  immer  ein  Grenzgebiet  uutzuünden 
sein,  auf  dem  sie  sich  nicht  mit  dem  von  unserer  Vorstellimg 
der  Geeelhdiaft  umechriebenen  Gebiete  deckt  Aach  ist  dies 
dai  Looe  aller  Definitionen,  die  noch  etwas  mehr  wollen,  ab 
einen  selbetgemacfalen  Begriff  beschreiben,  und  die  infolge- 
dessen ihren  G^enstand  völlig  decken,  weil  ihr  Gegenstiud 
eben  nichts  anderes  ist,  als  was  sie  beschreiben;  will  man 
aber  eine  Definition  so  geben,  dafs  zie  zugleich  in  der  Ein- 
heit ihres  Inhalts  einen  gewissen  sachlichen,  in  der  Natur  der 
darunter  fallenden  Dinare  selbst  liegenden  Zusaminenhan^ 
kenntlich  macht,  so  macht  sich  in  denibelbun  Mafse  auch  gleich 
die  Inkongrueuz  zwidcheu  der  Abrundung  unserer  B^riffe  und 
der  FlnkfiuitioA  dm  Dinge  geltend.  &  ist  aber  anch  Tiel 
wichtiger,  statt  unsere  Begri£fo  als  ahgeeefalossene  Gebilde  an- 
ansehen,  deren  implizierten  Inhalt  man  sich  nur  zu  explizieren 
hätte,  sie  als  bloise  Hinweisungen  auf  Wirklichkeiten  zu  be- 
handeln, deren  eigentlicher  Inhät  erst  zu  ergründen  ist,  nicht 
als  Bilder,  die  nur  die  helle  Beleuchtung  brauchen,  um  einen 
in  sich  vollendeten  Inhalt  zu  zeigen,  sondern  als  ümriis- 
skizzen,  die  erst  der  Erfliliun^  haiTen.  So  scheint  mir  die 
Vorstellung  der  wecheelwirkenden  Wesen  jedenfalls  die  im 
Gesellschattsbegrifi'  liegende  Hiuweisung  aui  die  üeziehungeu 
iwiaehen  Personen  einigennalsen  an  enUllen.1 

Aliein  diese  Bestimmnng  mnfs  wenigstens-'quantitatiT  ver- 
engert werden,  nnd  Tielleicbt  erzielt  sich  hiennit  wenkfstens 
eine  nfthere  Hinweisong  anf  den  Inhalt  dessen,  was  wir  Gcseil- 
schafl  nennen.  Denn  auch  zwei  Mensehen,  zwischen  denen  nur 
eine  ephemere  Beziehung  exisdrt,  würden  d(;ni  Ohip^en  geniäfs 
eine  Gesellschaft  bilden.  Prinzipiell  muis  das  auch  zugegeben 
werden;  es  ist  nur  ein  UntenMUiied  des  Grades  zwischen  der 


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16 


losesten  Vereinigung  von  Menschen  bu  eiaem  graieinsanm 

Werk  oder  Gespräch,  dem  flüchtigsten  Auftauchen  einer  Ver- 
änderuug  iu  jeaem  von  ihnen ,  die  durch  eine  vom  ündorn 
au&geheude  Kraft  bewirkt  wird  —  und  der  umfaHsendtston 
Einheit  einer  Kl}iHS(^  oder  tuiicH  Volke^^  in  Sitte^,  Sprache,  po- 
litischer Aktion.  M&u  kauu  aU^r  die  Grtiu^e  däü  eigentlich 
socialen  Wesens  Tielleicht  da  erUioken,  wo  dia  Weobael- 
I  wiikang  der  Pearaonen  antereimuider  nicht  nur  in  «uicni  tn^t- 
I  i  j«kftly«ii  Zustand  oder  fitandeln  dflnelbeo  bettelili  «mdens  «in 
,  iolneküves  Gebilde  zustande  hriogt^  das  eine  gewisse  Un- 
.  abhAngigkeit  von  den  einzelnen  darim  teilhabenden  PersOn- 
Hchkeiten  besitzt  Wo  eine  Vereinigung  statteefimden  hat^ 
deren  Formen  beharren,  wenngleich  einzelne  Mitglieder  aus- 
scheiden und  neue  eintreten;  wo  ein  gemeiuBamer  äuü»erer 
Besitz  existiert,  dee^en  Erwerb  und  über  den  die  Verfügung 
nicht  Sache  eine»  Eiuzelueii  ibt^  wo  eine  bumme  von  £r> 
kenntnisseu  und  sittlichen  Lebensinhalten  ▼orhaaden  ist,  die 
dnveh  die  Teilnabme  der  Kinwilnun  weder  TeraMiirt  noch  ver- 
mindert  werden,  die,  gewissennelsen  snbetentiell  gewesen, 
für  jeden  bereit  Hegen,  der  daran  teilfanben  will;  wo  Beeli^ 
Sitte ;  Verkehr  Formen  «»^gebildet  haben,  denen  jeder  sich 
(Ü^  und  fligen  muJOs,  der  in  ein  gewissM  räumliches  Zusammen- 
8ein  mit  and«m  eintritt  —  da  ttberall  ist  GesellHchaft,  da  hat 
die  Wechselwirkung  sich  zu  einem  Körper  verdichtet,  der  sie 
eben  als  geHcllachaftHche  von  derjenigen  uuterbcbeidet,  die 
mit  den  unmittelbar  ins  Spiel  kommenden  Subjekten  und  ihrem 
augenblicklichen  Verhalten  verschwindet 

Man  kann  das  Allgemdne  In  doppdteni  Sinne  ▼mlehen: 
.  als4>daBjenige,  was,  gewisseimafsen  awisohen  den  Einaelnen 
stehend,  sie  dadnmi  ansammenhilt,  dafs  zwar  jeder  dann 
Teil  hat,  aber  keiner  es  doch  ganz  und  allein  besitit;  oder 
alsldaaienige,  was  jeder  besitzt  und  was  nur  durch  den  be- 
ziehennen  oder  verj^leiehenden  Geist  als  Allgemeinem  kon- 
statiert wird.  Zwischen  beidt  n  Bedeutungen  aber,  die  man 
die  reale  und  die  ideeile  Allgemeinheit  nennen  könnte,  be- 
öttihen  sehr  tief  gelegene  Beziehungen.  Obgleich  es  nämlich 
sehr  Wühl  möglich  iat,  daiö  die  letztere  ohne  die  erstere  vor-  /'  •  •*' 
kinnmt,  so  wini  man  (tO(ii  wenigsten!  ak  heniMichMi  Qmd- 
salB  annehmen  k0nnen:  wo  steh  gleiche  Enchflimmmi  an 
Inlserlich  in  Bertthrang  stehenden  Individuen-  aelgen,  ist  Ton 
vornherein  eine  gemeinsame  Ursache  anzunehmen;  ent> 
sprechend  dedoziert  Laplace  ans  der  Thatsache,  dsXs  die 
Umläufe  der  Planeten  säratlich  in  einer  Richtung  nnd 
fast  in  einer  Ebene  vor  «ich  gehen ,  es  müsse  dem  eine  ge- 
meinsame Ursache  zu  Grunde  liegen,  weil  di^e  Überein- 
stimmung bei  gegenseitiger  Unabhängigkeit  ein  nicht  anzu- 
nehmender Zufall  wäre;  so  beruht  die  Entwicklungblehie 
auf  dem  Gedanken,  dafs  die  Ähnlichkeiten  aller  Lebewesen 


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17 


untmiu&oder  es  gar  2u  nawaiirächeinlicli  iu»oheü,  d&Tb  dit» 
ArtAü  unfcbhtiTigig  von  ainander  entolanden  nnd.  So  giebt 
jede  GAnohfaeit  «aer  grOllMten  Aunld  toh  QasaDtelttfti^' 

« ledern  Anweimuig  auf  eine  gemeinsame,  beeinflussende 
mche,  auf  eine  Einheit,  in  der  die  Wlrkoiigen  und  Wechsel- 
tnrkini^Ba  der  Gesamtheit  Körper  gewonnen  haben  und  die 
nun,  ihrerseits  auf  die  Geeemtheit  weitenrirkeiidy  dies  in  ftr 
aUe  «leichem  Sinne  thut 

D&is  hierin  sehr  irieie  erkenntnistheoretische  Schwierig- 1 
keiten  tiegen,  darf  nicht  verkannt  werden.  Jene  mystische 
Einheit  des  GeBellschaftswesens,  die  wir  Oben  Terwarfen, 
scheint  sich  hier  auf  dem  Wege  wieder  einschleichen  zu 
lu  wollen,  dafii  «ein  Inball  mm  deeh  von  der  Vielheit  und 
Znfiüligkett  der  IndiTidiieii  sieh  eblOeea  «nd  üumii  gageniber- 
fftehen  soll.   Es  stellt  sich  wieder  das  ein,  dafs  ge- 

wisse Bealitäten  jemwits  der  Einzelnen  eaWenn  und  doch 
offenber,  abgesehen  Ton  diesen,  nichts  haben,  woran  sie  exi- 
stieren k5nTiten  "Es  ist  ungefähr  die  gleicbe  Schwierigkeit, 
wie  sie  »ich  in  dem  Verhältnis  zwischen  den  Natui'g'esetzen 
und  den  Einzeldingen,  die  ihnen  unterworfen  sind,  aafthat. 
Denn  ich  wüfstf»  keine  Art  von  Wirklichkeit,  die,  jenen  Ga- 
^izen  zuau^hreiben  wäre,  wenn  es  keine  Dinge  gäbe,  auf 
die  «e  Anwendung  finden;  «ndereieeils  eoheint  dmsh  die  Kraft 
dee  Qeeethoe  Uber  den  Sinaelfidl  Miner  VerwirMielwng  hineiie» 
raragen.  Wir  Italien  nns  yor,  dalb^  wenn  ein  aolelier  «oeh 
bis  jetzt  nie  eingetreten  wäre,  deimoch  das  G^eeeta  ab  ein 
allgemeinee»  sobald  er  nvr  eintrftte,  seine  Wirkung  unweiger* 
lieh  üben  würde;  ja,  wenn  tiberhaupt  die  Kombinationen  der 
Wirklichkeit  nie  zu  den  Bedingungen  dieser  Wirkung  ftihrten, 
so  haben  wir  dennoch  die  Vorstellung,  dafs  dieses  unrealiniertc, 
biofs  ideelle  Natui^esetz  noch  eine  Art  von  Giltigkeit  hätje, 
die  es  von  einem  bloföön  Traume  oder  einer  logiöch  und 
physisch  unmöglichen  Phantaeie  unterechiede.  In  diesem 
imdm  Bat^m  nnd  Ideelitit  ichwebenden  Znetsnde  sieht 
aneb  dee  AOgeiMaie,  dM  die  Individnen  n  einer  Gewtliiehaft 
sHMaunenbindet,  jedüm  von  dieien  gegenüber* mi  ihm  ge> 
tBi^;en  and  doch  ron  ihm  unabhängig.  So  wen%  man  zu 
ügen  wOOste,  wo  denn  der  Ort  der  Satoigesetze  sei,  die  wir 
•b  wahr  anerkennen,  wenn  sie  auch  vielleicht  nie  eine  abeolut 
reine  Verwirklichung  erfahren  haben  (wie  z.  B.  die  geometri- 
schen Sätze),  so  wenig  iät  der  Ort  dieser  ungreifbaren  inter- 
Bubjektiven  Substanz  ssu  nennen,  die  man  als  Volksseele  oder 
aU  deren  Inhalt  beseichneu  könnte.  6ie  umhiebt  jeden  in 
jedem  Augenblick,  sie  bietet  uns  den  Lebensinhalt  dar,  in 
MMn  weeheelndm  Xnmbiiinlionen  die  Individoeliiit  m  be- 
rtihwi  pflegt  ^  aber  wir  wiaeen  niemand«!  namhaft  sn 
mMihm,  Ton  dmi  ue  entepraiigen  wire^  keinen  dnaelnen^ 


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18 


tiber  den  d&  niebt  Unmungto ,  und  MÜtmi  wo  wir  don  M- 

tns  einzelner  Menschen  meinen  festetaUen  ma  kOnnen,  d» 
bleiDt  noeh  immer  die  Frs^t,  ob  diese  nicht  anch  ihr  We- 
BentÜches  yon  jenem  öffentlichen  Berits  empfiuigen  haben,  der 
sich  in  ihnen  nur  konzentrierte  oder  originell  formte.  Die 
Schwierigkeiten,  die  sich  in  dem  Verhältniaae  zwischen  dem 
Allgemeinen  und  dem  Individuellen  in  sociologischer  Be- 
siehttD^  finden,  entsprechen  gans  denen,  die  es  in  rein  er^ 
kenntniBtheoretiBcher  Hinsicht  aufweist,  wie  ue  sich  denn 
andi  In  den  praktiieben  Sdiwieri^keiton  nnd  KontroTerson 
Uber  die  reale  Geelaltnnff  dieses  Verbiltniwei  ^^^In. 

Ich  glaube  nun,  dals  die  eigentümlichen  Wioersprttche^ 
die  jenes  VerhMltnis  im  Theoretiecben  seigl  und  die  in  dem 
mittelalterlichen,  aber  noch  immer  in  andern  Formen  fort- 
lebenden G^egensatz  van  NominaliÄmus  und  Roaliaraus  auf- 
fälligste Oci^taltung  gewonnen  haben,  eigenüich  nur  aus  mangel- 
I  hafter  Denk^owohaheit  stammen  können.  Die  Formen  und 
Kategor ieen  unseres  Denkens  und  unserer  Ausdrucke  {Ur  das 
Gedachte  haben  sich  zu  Zeiten  gebildet,  in  denen  die  primi- 
tiven CMster  von  einenelts  hükSbat  einfiMhen,  anderaneiti 
verworren  komplizierten  Vbreteilnngen  erftlQt  waren,  wm 
durch  die  Einmchheit  unkultivierter  Lebensinteressen  nnd 
dnreh  daa  Verherrschen  der  psychologischen  Association  vor 
der  logischen  Abstraktion  begreiflich  wird.  Die  Probleme 
späterer  Zeiten  dn?hen  sich  tim  Bo^riffe  und  VerhältnisHC, 
von  denen  die  früheren  keine  Ahnung  hatten,  zu  deren  Be- 
wftltigung  aber  nur  diejenigen  Denk-  und  8pret  hformen  da 
sind,  die  von  den  leUtcreu  zu  ganz  auderen  Zwecken  ge- 
prägt sind;  diese  Formen  sind  llngst  entarrt^  wenn  es  rieh 
darum  bandet^  einen  gans  neuen  Inbalt  in  sie  anfimnefamen, 
der  sich  nie  vollkommen  mit  ihnen  decken  wird  und  der 
eigentlieb  ganz  andere,  jetzt  aber  nicht  mebr  herstellbare  Denk- 
bewegungen fordert.  Schon  für  die  psychischen  Voigftnge 
haben  wir  keine  befionderen  Ausdrücke  rarhr  sondern  müssen 
uns  an  die  Vorst^^llungon  äufserer  Sinne  iuiiteu,  wenn  wir 
uns  ifire  Bewegun^^en,  Beibungen,  ouantitutiven  Verhültnisse 
etc.  zum  Bewuistaein  bringen  wollen,  weil  viel  eher  die 
Auiseuwelt  ald  die  psychischen  Ereignisse  aU  solche  Gegen- 
stünde  der  menscbliehen  Anfinerksanikeit  waren  nnd,  als  die 
letateren  diese  errangen,  die  Spraebe  nicht  mebr  sehSpferisdi 
genug  war,  um  eigenartige  Ausdrücke  ftlr  sie  an  formen, 
sondern  au  Analogieen  mit  den  gana  inadignaten  Vorstellun- 
gen des  räumlichen  Geschehens  greifen  mufste.  Je  allg^ 
meiner  und  umfftSHender  die  Gegenstände  umvror  Fragen 
Rteüung  sind,  desto  weiter  liegen  8ie  hinter  dem  IlonTsonte, 
dar  (Iii-  Epoche  der  Sprach-  und  Denkbildung  umgrenzte, 
desto  unhaltbarere,  oder  nur  durch  eine  Umbildung  der  Denk-  • 


XL  *  19 

fonuen  »ich  lösende  Wider@prUc;hü  uilisAeu  »ich  ergeben,  wenn 
wir  denrtigc  Fkobkiiie.  aUo  etwm  die  Frage  nach  dem  Yer- 
Utaua  Bwiaehen  EioMloiiig  und  AUgemeinbegniF,  mit  mueren 
jetzigen  Kategorieen  behandeln.  Es  scheint  mir,  ab  ob  die  f 
Erkenntmaaehwierigkeiten,  die  das  Verblltnia  awiaehen  dem  • 
IndiTidnitm  und  sdner  socialen  Grufqie  umgeben,  aus  einer  | 
entsprechenden  Ursache  stammten.     Die  Abhängigkeit  von  l 
der  Gattung  und  der  GeseiUchaft  n&miich,  in  der  der  Ein- 
zelne in  den  grundlegenden  und  wesentlichen  Inhalten  und 
Beziehungen  seine«  Lebens  steht,   ist  eine  so  dnrchgängige 
und  undurchbrechlich  gütige,  dai'ä  &ie  nur  »chwer  ein  beson- 
derea  und  klares  Bewufstsein  fttr  sich  erwirbt   Der  Menacb 
iat  ein  üntertehiedaweaeii;  wie  wir  nie  die  abaolale  GiOiae  r 
einea  Beiaeai  sondern  nur  aeinen  ünteraelued  gegen  den  bis- 
herigen Empfindnngssostand  wahrnehmen,  so  haflet  auch  ^ 
nnaer  Interease  nicht  an  denjenigen  Lebensinhalten,  die  von 
jeher  und  überall  die  verbreiteten  und   allgemeinen  sind, 
sondern  an  denen,  durch  die  sich  jeder  von  jedem  unter- 
scheidet   Die  gemeinsame  Gnmdlage,  auf  der  sich  alles  In- 
dividuelle erst  erliebt,  ist  etwaä  Selbst  verständliches  und  kann 
deshalb  keine  besondere  Aufin erksamkeit  beanspruchen,  die 
vielmehr  ganz  von  den  individuellen  Unterschieden  verbraucht 
wird;  denn  alle  j^nktischen  Intereaien,  alle Beatioimung  nnaerer 
Stellung  in  der  Well,  alle  Benatiang  anderer  Menschen  ruht 
auf  dieaen  Üntefeeiueden  zwiicHen  Mensch  und  Menseb»  wäh- 
rend der  gemeinsame  Boden,  auf  dem  alles  dtea  TOiveht,  ein 
konstanter  Faktor  ist.  den  unser  Bewufstsein  vernachlässigen 
darf,  weil  er  jeden  aer  allein  wichtigen  Unterschiede  in  der 
gleiehon  Weise  bertthrt.    Wie  Licht  und  Luft  keinen  ökono- 
mischen Wert  haben,  weil  sie  allen  in  gleicher  Weise  zu- 
gute kommen,  so  hat  der  Inhalt  der  Volksseele  als  solcher 
oft  insoweit  keinen  Bewufstseinswert,  als  keiner  ihn  in  au- 
deram  Mafae  beiitit,  ab  der  andere.  Audi  hier  kommt  ee 
aar  €kltnng,  dala,  waa  der  Sache  nadi  daa  Erato  tat,  für  \ 
unsere  Erkcnntnia  daa  Letite  iat;  nnd  da  findet  denn  die  neu  1 
flaforderte  Erkenntnis  nur  schwer  Kategorieen,  in  denen  die  > 
Verhältnisse  ihres  Inhalts  sich  widerspruchslos  formulieren 
Kefsen,  insbesondere  da,  wo  es  sich  um  weiteste  Gebiete  han- 
delt, flir  die  e«  keine  Analogieen  giebt 

Das  einzige  Gebiet,  auf  dem  das  Socialgebilde  nh  solches 
früh  in  das  BewuCatsein  getreten  ist,  ist  diis  der  praktischen 
Politik,  viel  suäter  duä  der  kirchlichen  Grcmeinde.  Hier  war 
der  m  allem  oewollitwerden  erforderte  Unteroohied  dorch  den 
Oegensati  g^en  andere  Grappen  gegeben,  nnd  anlserdem 
feraert  daa  Verblltnia  iwischen  dem  Einzelnen  und  der  All- 
gemeinheit nach  aeiner  polltiaohen  Seite  hin  sehr  fdlilbare 
Beitrage  dea  enteren,  waa  denn  immer  ein  stftrkeres  Bewu£bl- 

8* 


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so 


Min  erweckt  als  dM  £iDp&ii^n,  wie  ee  in  anderen  Be- 
nehungen  swiadien  dem  IndiTidnom  nnd  aeiner  Qrnppe  filr 
'  {enea  ▼orikemohl  La  G^nsati  in  den  Bewcfnincen  der 

^  ganzen  Grujioe ,  die  aieh  dem  aoeiologischen  Denken  ab 
nächstes  ObjeKt  darboten,  sollen  die  folgenden  Überlegnngm 

im  weflentlichen  die  Stollung  und  die  Schickgale  rlea  Ern- 
zelneu  zeiohneo,  wie  sie  ihm  durch  diejenige  Weehselwirkaog 

!  mit  den  andern  bereitet  werden,  die  ihn  nüt  diesen  au  einem 

'socialen  Ganzen  zusanunenachiiefst 


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Über  KoUeUvreraiitwortliehkeit. 


Bo^re  Epochen  Eoigen  durdbffftngig  dio  Tantals,  dittX- ' 
wdMigmde  Thai  des  ^naabai  lui  strafbares  VersoliiildMi 
mSrnm  aoeiakn  Kroises,  der  gaiiM  Famüie,  des  Stammes^  ' 

u.  8,  wr.  anmiJiehen.    Innerhai  d  einer  politisch  einheitlichen 
Ghrappe  geachieht,  wo  eine  Centraigewalt  die  Missethat  heim- 
sucht,  dies  oft  bis  ins  dritte  und  vierte  Qlied^  nnd  Strafen 
jeder  Art  treffen  Familienglieder,  die  an  dem  Vergehen  völlig 
nnsclLiüdig  aind^  in  noch  stärkerem  Mafse  findet  dasselbe  bei 
Pnva:traoEe  statt,  die  häufig  auf  eine  Schftdfgong  des  Ein- 
safanen  dnroli  eiiMn  Bmiabieii  Inn  Ir  aiiun  Krieg  der  ganien 
Fümlioi  nntaNliittider  aasartet,  und  «rar  tovroU  ilner  gansen 
Breite  nadi,  wie  auf  di«  Foige  ganser  Generationen  hin.  Bei 
poÜtifleh  gvtnnnten  Qrappen  foraert  die  Qesamtheit  der  einen 
▼OB  der  Oesamtheit  der  andern  G^ngthnung  für  die  Be- 
•c^ildigung,  die  ihr  oder  einem  ihrer  Mitglieder  von  einem 
Mitgliede  der  andern  widerfahren  ist    Ein  Differenzierongs- 
mangel  kann  hierin  nach  swei  Seiten  liegen :  zunächst  OD- 
jectiv,  inaofem  die  Verschmekung  zwischen  Individaom  nnd 
Qeaamdieit  thatslchlioh  eine  so  enge  sein  kann,  dsls  die  Thaten 
dfls  Entam  nffBeekt  mlit  ab  iadmdaeUa  im  tlrengen  8nm», 
•ODdm  mm  einer  gtmimm  Midarittit  jedes  mit  jedem  Imrot^ 
mpsngen  gelten  können ;i^eÜ8Ds  subjektiv  vermUge  derün- 
fidijgisej^dw  BeMTtaii^     das  teknldige  Individnnm  Yon 
Gruppe  zu  sondern ,  mit  der  es  sich  in  allen  übrigen  Be- 
aiohungen,  aber  doch  gerade  nicht  in  der  der  vorliegenden 
Schuld  in  Verbindung  befindet.  —  Da  Öfters  indes  eine  und 
dieselbe  Ursache  nach  beiden  Seiten  hin  wirkt,  so  scheint  es 
sweckm&fsig,  dafs  die  folgende  Begründung  dieser  MOglich- 
keiten  sie  nicfat  in  scharfer  Sonderung  behandelt 


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22 


^   '.  In  Boziig  auf  die  reale  Zusaimnengehörigkeit  scKeint  et 

^  allerdings,  als  ob  in  der  primitiven  Qrappe  das  Vererbungs- 

prinzip, das  auf  Znsaniinemiang  und  Gleichneit  der  Individuen 
^oht,  gegenüber  dem  Anpasaungspvinzip,  das  auf  Verselbetin- 
I  «Gigling  und  Vaiiabilität  geht  im  Oborgewichi  wäre.  Man  bat 
mit  Recht  henrm|pehoben,  dkb  d«r  toeiale  ZoMuiime&aeUiib 
eines  der  wesentlichsten  Mittel  der  Menschen  im  Kampfe  umt 
Dasein  ist  und  sich  deshalb  wahrschetiilich  durch  lUttttrUcha 
Zuchtwahl  zu  seiner  thatsächlichea  Enge  und  Strenge  erhoben 
4  :  hat    Je  kleiner  aber  die  Gruppe  ist,  die  dem  Einzelnen  die 

iuiW,  Gtjsamtheit  der  ihm  nötigen  Anlehnungen  bietet,  und  je  weniger 
er  aufserhalb  gerade  dieser  die  Möglichkeit  einer  Existenz 
findet,  desto  mehr  mufs  er  mit  ihr  verschmelzen.    Die  Ver- 
selbständigung  und  Loslösung  des  Individuums  von  dem  Boden 
,der  AUpemcinlieit  «echiabt  durch  die  Fülle  und  VerBcliiedeii- 
nrtigkeit  der  Veremogen  und  Lebencbenebnnfpen ;  je  mehre 
davon  jeder  m  Leben  trigt,  desto  nnwahrschenüicher  iit  die 
Wiederholung  der  gleichen  KombukeHon^  desto  grOfser  die 
Möglichkeit,  sich  von  einer  Anzahl  von  Besiehungen  zu  Gun- 
sten anderer  zu  linken.    Wir  fühlen  uns  enger  verknüpft  und 
sind  es  auch  thatsAchlich,  wenn  nur  wenige  Fäden  uns  binden, 
die  aber  doch  alle  Richtungen  unseres  Thuns  und  Empfindens 
leiten  und  eben  wegen  dieser  geringen  Anzahl  stets  ganz  im 
Bewulstsein  bleiben ;  wo  viele  nach  den  verschiedensten  Rich- 
jtungen  vwknlMe  BiiMlun^n  etfctfliebeny  ereeheint  die  Ab- 
Thliigigkett  von  dieser  Totidtttt  kkmer,  weil  ae  in  Hineieht 
Jeder  eimeliien  kleiner  iat,  und  sie  ist  es  auch  insofern ,  all 
/die  hervorragende  Bedratnng  deai^en  oder  des  Andern  uns 
iedonfalls  dem  Ganzen  als  (Kanzem  gegenüber  gröfsere  Frei- 
heit giebt.    Je  einfacher  die  realen  und  idealen  Kräfte  sind« 
die  eine  Gemeinschaft  zusammenbinden,  welche  die  wesent- 
lichen Lebenebeziehungen   des  Einzelnen   einschliefst,  desto 
enger  und  solidarischer  ii»t  der  Zusammenhang  zwischen  diesen 
iuid  dem  Osnien;  Aber  deeto  kkaner  kenn  neSiilich  das  letitere 
«nur  leiiL  Die  Qesdilchte  der  Religionen  giebt  delbr  trefcide 
Analogieen.    Die  kleinen  Gemeinden  des  Ürobristentuns 
batten  einen  verblltnismäfsig  gerii^pen  Besits  aa  Dogmen; 
aber  sie  wurden  durch  diese  in  Zusammenhänge  gebracht, 
die,  von  unzerreifsbarcr  StÄrke,  jeden  an  jeden  unbedingt 
banden.    In  demselben  MaCse,  in  dem  der  Kreis  des  christ- 
lichen Glaubens  sich  &uIiBerlich  erweiterte,  wuchs  auch  der 
Dogmenbesitz  und  verminderte  sich  zugleich  die  solidarische 
Zugehörigkeit  des  Einzelnen  zur  Gemeinde.   Der  Entwicke- 
lungsproMfl  imt  aller  Parteien  seiet  den  debben  Typua: 
in  der  eraten  Periode  dea  Grundgeoankena  der  Partei,  alao 

f leichsam  in  der  primitiven  Form  der  Ghruppenbtldnng,  iat 
ie  Partei  einerseits  klein,  andereraetta  aber  nm  einer  Ent- 
acUoaaenbeit  und  Featigkeit  dea  Zuaatnmenbangeai  der  ge» 


28 


wölmÜch  yerioren  geht,  sowie  die  Partei  sich  vergröfsert,  was 
Hand  in  Hand  mit  der  Erweiterung  des  Parteiprogramms  zu 
geschehen  pÜe^t. 

Dm  KMuIe  QaiiM  ab  MlchM  fordert,  um  bestehen  sai  ^ 
kSüBeii)  ein  gewlim  Quaatom  von  Enlbrung,  wekshea  gum^^^^   V  ' 
wie  beim  einxeliien  Oi^;aiusmus  nicht  im  gleichen  VerbdlDia  ^-^."^ 
der  Gröfse  jenee  wlchat;  infolge  deaeen  wird,  wo  nur  yei^ 
hihniamKaig  wenige  Mitglieder  die  Gruppe  bilden,  jedea  der- 
selben mehr  snr  JErhaltuDg  der  Onippe  beitragen  mttaaen, 
als  wo  die«  einer  gröfseren  Anzahl  obUegt;  so  bemerken  wir. 
dafa  oft  die  Kommunallaaten  in  kleinen  Stidten  relativ  yiel 
grOfsere  aind,  als  in  gröfseren;  gewiaae  Ansprüche  der  Geaell- 
achaft  bleiben  die  bleichen,  ob  diese  nun  klein  oder  grofa  iat, 
und  ftvdeni  deiliatb  von  dem  Einielnai  nm  to  ttMi^m  Opfer, 
msd  je  wenigere  lie  tkh  Torteilen.  Der  Umweg  der  folgenden 
Oberlegnng  fUhrt  bq  dem  f^eichen  Endpunkt 

Der  aociale  Organiamua  seigt  deq}enigeii  «nalege  £iidiei->^. 
nungen,  die  ftlr  das  einzelne  Leb<*we8en  «ur  Ami»bnie  einer 
besonderen   Lebenskraft  geführt   haben.     Die  wunderbare 
Zfthigkeit,  mit  der  der  Körper  die  Entziehung  von  Bedingungen 
erträgt,  an  die  normalerweise  seine  Emähning  und  der  Be- 
stand seiner  Form  geknüpft  ist^  der  Widerstand,  den  er  po- 
iltiTen  Störungen  entgegensetzt,  indem  er  von  innen  heraoa 
KflAe  entfdtet^  die  gmdo  in  dem  Habe  dieponibel  tcheinen, 
deeeen  ea  zur  Überwindung  des  «ngenblicklichen  Angrifls  be- 
darf; endlich  darüber  noch  hinausgehend  daa  Wiedorwaehaen 
Terietater  oder  verlorner  Teile,  das  gewissermaTsen  von  selbst 
und  durch  eine  innerliche  Trieokraft  das  wie  fiueh  immer  be- 
schttdigte  QtBnae  herzustellen  vermag  oder  wenigstens  strebt — 
das  alles  achien  auf  eine  besondere  Kraft  hinxuweiaen,  die,  > 
Uber  allen  einzelnen  Teilen  stehend  und  von  ihnen  unab- 
hängig, das  Ganse  als  solches  in  seinem  Bestände  erhält  ^ 
OkoB  nm  eine  myatiflehe  Haimonie  binanauaiehen^  bemevkmi ' 
wir  dodi  an  dem  geeeUaehafttichen  Ganaen  eine  ähnBehe  [ 
Widenrtandakraft,  wdche  aicb  proportional  den  An»nrUcKen  i 
enlfiütott  ^o  aufsere  Angriffe  an  na  itetten,  eine  Heilkraft  \ 
g^enfiber  angeftlgten  Beschädigungen ,  eine  Selbsterhaltiing, 
deren  ftofsere  Quellen  scheinbar  nicht  aufieufinden  aind,  und 
die  oft  das  Ganze  noch  zusammenhüll.  wenn  ihm  läng^st  die 
gesunden  Säfte  vertrocknet  und  der  Zuflufs  neuer  Naliiung 
abgeschnitten  ist    Nun  hat  man  sich  aber  Überzeugt,  dafs 
jene  Lebenikraft  doch  kein  beeonderea,  ttber  den  Teilen  dea 
Orgeniemni  eeliwebettdea  Agens  itl^  eondem  hOchetena  aia  an^ 
MBMiifiniender  Anedmek  ftlr  die  Wechselwiikung  der  Teile 
gillm  kann;  kein  einziger  Teil  eines  Körpers  bewegt,  erhält 
oder  eigftnat  sich  in  einer  Weise,  die  nicht  auch  auifserhalb 
des  Organismus  herstellbar  wJire,  wenn  man  ihm  die  gleichen 
aechsnischea  und  chemiaehen  Eeize  darböte;  und  nicht  werden 


84 


X  1. 


die  einzelnen  Oi^ne  und  Zellen  ziim  Zusammenhalt  und 
Waciustum  bewogen  durch  eine  jenseit»  ihrer,  sondern  nur 
durch  die  in  ihnen  selbst  befindlichen  Kräfte,  nnd  die  Form 
imd  Daaer  ihres  BdiAAmmdnaeiiiä  hängt  nur  ¥on  den  Spann- 
kräften ab,  die  jeto  nutbringt  imd  d«m  Entwieklang  ne 
Menatt%  ImrofwifeiL  Kur  -me  QBeraiafiiifihe  FdiÜMrift  und 
Ycdastlaii^  di«Mr  Wccfatelwirkuiigen,  die  die  Einnolit  in  ihre 
S^aellMiten  und  in  den  Beitrag  jedes  Teiles  YenrehrtBii, 
schienen  auf  eine  beeondere  Knft  ieiiieitB  der  in  d^  Memeiiten 
selbst  liegenden  Anweisung  «u  geoen.  Je  höher,  ansg-ebilfleter 
und  feiner  ein  Gebilde,  desto  mehr  scheint  es  von  einer  ihm 
eigentttmlioben,  nur  dem  Ganzen  als  (lanztmi  geltenden  Kraft 
dirigiert  bu  werden,  desto  unm*  rkl)?irer  wird  der  Anteil  der 
Elemente  an  dem  Bestehen  und  der  Entwicklung  des  G&nzen. 
Während  in  einem  rohen  und  unorganischen  oder  nur  aus 
wenigen  TeÜAB  wiMiinmengesetrtMt  Aggregate  die  Binwirkaiig 
jodee  Teil«  sn  dem  Sdiicksal  d«i  Qnmm  eich  eoinsagen 
makroskoplMli  IbetetoUen  lälst,  ist  sie  in  einem  feinen  und 
▼ielgliedngen  nur  dem  geschärften  BUck  sichtbar;  dieses  ge- 
stattet dem  Teile  eine  solche  Fülle  von  Beziehungen,  dafs  er, 
^wissermafsen  zwischen  diese  gestellt,  sich  keiner  röllip-  hin- 
giebt  und  so  eine  Selbständigkeit  gewinnt,  die  seine  Mit- 
wirkung am  Ganzen  objektiv  und  Subjektiv  verdeckt  So 
wichtig  für  primitive  Verhaltnisse  da^  AugewieHeusein  des 
jEiinselnen  auf  seine  Gruppe  ist,  99  werden  sie  doch  noch  cha- 
taktarietiaelier  dmxsh  diM  hohe  Mafr  beBdehneti  in  dem  die 
Gruppe  «of  den  Efimeliieii  angewiesen  ist  und  das  einfiush 
die  Folge  dieeer  cering^  Mi1gued«mhl  ist.  Trotzdem  nun 
die  einfacheren  Lebensbedingungen  und  das  Übergewicht 
körperlicher  Thätigkeit  tlber  die  geistige  dem  Naturmenschen 
vielleicht  zu  einer  gesunderen  und  normaleren  Oonstitutton 
verhelfen,  als  der  CuUurmensch  sie  besitzt,  so  ist  doch  infolge 
des  eben  genannten  Verhältnissei?  seine  Gruppe  aufserordentlich 
viel  empfindlicher  und  angreifbarer  und  zersplittert  auf  un- 
yergleichlich  leichtere  Anstöfse  hin  als  etwa  ein  grofeer  Kultur- 
•teat,  demen  LidiTidaen  yielleieht.  ftr  rieh  betrachtet,  viel 
achwiohlicher  sind.  Gerade  aus  aieeem  Verhältnis  mrd  die 
wachsende  Unabhängigkeit  dee  Ganzen  und  seiner  Kraft  von 
jedem  seiner  Individualelemente  klar;  Je  mehr  das  Ganze  auf 
diese  angewiesen  ist,  d.  h.  je  gröfsere  Beiträge  sie  ihm  leisten 
mii??sen ,  desto  znp:;lTi^!icher  mufs  es  fUr  die  von  Finzebxm 
ausi^'elieuden  oHer  irgendwie  durch  sie  hindurehgehenden  Kr- 
schütierunjiren  sein;  dies  ändert  sich  mit  der  Zuriahme  und 
Kultivierung  des  ötlentlicheii  Wesens  derart,  dafs  dieses  sogar 
nach  gewissen  Seiten  hin  eine  Depravierung  seiner  Mitglieder 
gegen  den  früheren  Zuatand  verträgt,  ohne  dafs  die  Über* 
legenheit  seiner  Selbeterhaltung  diesem  gegenttber  vermindert 
wttrde.  Weon  aber  die  sociale  Gruppe  deshalb  den  Antchetn 


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85 


erweckt,  als  ob  eine  eigene ,  Ton  ihren  Elementen  relativ 
!mab)»an^ge  LebenRkraft  ihre  Selbste rhal hing;  bewirkte  und 
ihre  Störungen  ausgliche,  m  beweist  dies  nur  dm  hohe  Aus- 
bildung und  innerliche  Verknüpftheit  ihrer  Vereinigungsform; 
und  mit  dem  Steigen  dieser  Eigenschaften  wird  auch  jene 
Folge  wachsen,  das  Ganse  wird  selbständiger  den  Teilen 
MeBlIlwr  BnmSnm  und  aein.  der  Teil  imiiMr  wmifger  tich 
dem  Gknsen  hinsogeben  brmaclieii*  '  So  ist  die  TlifttMclie  der- 
•luipracliaTolleren  Verpflichtung  des  Einsdnen  durch  die  klei-- 
nere  (trappe,  seine  engere  Verschmebsung  mit  ilur  als  mit  der 
fseren  nur  als  ein  specieller  Fall  einer  ganz  allgemeinen^i 
den  Zusammenban«!:  der  Diiig^^'  jr^^ltenden  Nonn  nnziis^^hen. 
Eine  etwas  einfacher»-  Uberlef^ung  stellt  da-s  gleiche  Ver-  '^i 
hftltnis  noch  von  einer  andern  Seite  dar.    Da  die  Differen-|  ' 
sierung  auch  der  individuellen  Eräfle  und  ThMtigkeiten  bei 
primitiven  socialen  Zuständen  noch  eine  unvoUkommne  ist,  so 
juain  anoli  eine  achuh  Sonderung  swisehen  dem,  was  des\ 
Kaisers  ist,  and  dem,  was  die  privaten  oder  anderweitigen  \ 
soofaden  LitsresseB  des  Einzelnen  beanspmchtni  und  bean- 
spraoben  dürfen,  noch  nicht  eintreten,  und  das  dem  Gemein-  { 
Wesen  gebrachte  Opfer  ist  deshalb  leicht  umfiCnglicber.  aU  die  ^ 
Sache  es  fordert ;  wegcm  der  noch  zu  engen  Verbindung  zwi- 
schen den  einzelnen  Willeiisakten  und  Interessenkreiieu  setzt 
die   einzelne  Zweckthätigkeit  noch  viele  andere,  eigentlich 
nicht  dazu  gehörige  iu  Bewegung  und  verbraucht  sie  —  un-  . 
gef)lhr  wie  Kinder  und  ungeschickte  Menschen  sa  einer  vor-  > 
gesetaten  Tätigkeit  viel  mehr  Uoskel^uppen  innervieren, 
als  ftfar  sie  erforaerlich  ist,  wie  sie  oft  den  gansen  Arm  be- 
vregeUj  wo  sie  nur  einen  Finger,  den  gansen  Körper,  wo  sie 
nur  einen  Arm  zu  bewegen  muchten.   Wo  die  Ansprüche 
der  socialeTi  Gruppe  fin  den  Einzelnen,  wo  das  Maffl,  in  dfxn 
CT  sich  ihnen  hingeben  kann,  in  »charter  Umgrenzung  heraus- 
differenziert  ist,  da  kennen  sie  eeteris  paribus  geringere  »ein, 
als  wo   ein   ungefüges  Ineinander  und  Durcheinander  der 
Lebt^namomente  die  einzelne  Forderung  noch  so  und  so  viel 
BenadibartaB  gewissennafoen  mit  mch  Itoretfeen  Iftfst  Idi 
eriDBere  daran,  wie  die  Mitgliedschaft  in  einer  Zunft  sehr  oft 
eine  politfsdia  Parleistellung  erforderte,  die  eine  httbere  Ent- 
wicklung gans  von  dem  Zwecke  der  Zunft  ablOste,  an  die 
ziemlich  unbedingte  Notwendigkeit  in  engeren  und  primitiven 
Staatsgruppen  aueh  dem  religittsen  Rek^^nntnis  derselben  an- 
»ligehören.  an  den  Znang  früherer  Zeiten  bei  Zugehörigkeit 
tu  einer  gewissen  FainiHe  auch  den  in  ihr  erblichen  Beruf 
zu  ergreifen,  z.  ß.  in  AKypteu,  Mexico  u.  s.  w.    Wie  die5or 
Znstand  noch  in  die  höchsten  Kulturen  hineinragt,  lehrt  jeder 
unbefiuigene  Blick;  ich  nsnne  nnr  ein  etwas  abgelegeneres 
Betsptel:  in  England  war  Ihs  1865  jeder  Arbeiter  oder  An- 
gsswitef  der  doi^  Gewinnanteil  besoldet  waide,  eo  ipso 


»  XL 

als  Teilnehmer  (partner)  des  Geschällniiihaber«  angesehen, 
ako  it^olidariiäch  liaflbar  für  ihn.  Kin  GecieU  die^eä  Jähre« 
ent  lOtte  di«M  Verbindang,  indem  es  durch  feinere  Dxffereii- 
mnmg  gcrtde  rnv  diejenigeii  beelolMD  ]iel%  mf  die  m  ankam. 
Dar  Arbeitar  konnte  non  Teil  am  Oewinne  haben^  ohne  in  daa 
nachlich  nngerechifertigla  Biaiko  der  ToDkommenen  Teilhabar* 
■chaft  hinoungeriBsen  an  werden.  [  Em  ist  fHr  alle  diasa  Var- 
hältnisse  vn  beachten,  dafs  die  mangeihafte  Differenzierung 
nic})t  nur,  im  ObjektiTen  stattfind^d,  die  Funktion  eines 
TeÜB  mit  der  eines  andern,  die  teleologisch  nicht  dazu  er- 
forderlich wäre,  verschmelzen  läfst,  solidem  dafg  auch  das 
subiektive  Urteil  oft  die  Möglichkeit  der  Sonderung  nicht 
entdeckt  und  nun,  wenn  das  Geschehen  von  bewoibter  Er- 
kciuitiuai  Pbm  oder  BdM  abklngiff  ist,  die  HenttMondeniqg 
4m  allein  Erford^icbeii  dedialb  aeltet  dann  niciii  atattfinde^ 
wo  diea  aacblidi  a^on  geschehen  kttniile.  lUe  Difiesenaiemiig 
in  unserm  Vorstellen  der  Dinge  steht  keineswega  in  gleichem 
Verhältnis  zu  dieser  thataächlichen  Differenzierung  oder  Dif- 
ferenziertingsmöglichkeit,  wenngleich  im  grofsen  und  ganzen 
die  erstere  von  der  letzteren  bestimmt  wenlen  wird;  da  nun 
aber  auch  viel&ch  die  erstere  die  letztere  bestimmt,  eo  wird 
bei  Mangelhaftigkeil  derselben  sich  der  Zirkel  ergeben,  dais 
der  Glaube  y  die  Personen  oder  Funktionen  gehörten  zu* 
lanuDen,  atich  thatrtiyiMioh  ihre  LudiTidnalisiening  yevhindert 
nnd  dieaer  reale  ]f«igd  wieder  Jene  mangelhafte  Eikenntnia 
sttttst  So  hat  gerade  der  Glaube  an  die  unlösliche  Solidarititt 
der  Familie,  der  einem  undifferenzierten  Voiatellen  entsprang, 
zu  dem  Heimsuchen  der  gegen  dritte  Personen  gerichteten  in- 
dividuellen That  an  der  Familie  als  Ganzem  gefUhrt  und 
dieser  Uiii-iUiiid  wiederum  die  Familie  genötigt  aich  zur  Ab- 
wehr des  AngriÜö  wirklich  aufs  engste  zu»ammLrizuschlief»en, 
vfm  dann  jenem  Glauben  wieder  eine  verstärkte  Grundlage 
gab. 

Man  mala  nan  aaob  im  Auge  behalteni  dafii  in  denielben 
MaCse,  in  dem  sich  der  Elnacine  an  den  IKenat  aeiner  Grappe 
hingiebty  er  von  ihr  auch  Form  und  Inhalt  seines  eigenen 
Wesens  empütngt    Freiwillig  oder  unfreiwillig  amalgamiert 

der  Angehörige  einer  kleinen  Gruppe  seine  Interessen  mit 
den  CD  der  Gesamtheit,  und  so  werden  nicht  nur  ihre  In- 
teressen die  seinen,  sondern  auch  seine  Int^eressen  die  Ihren. 
Und  echon  dadurch  wird  6eine  Natur  gewi&sermal'ben  der  dm 
Ganzen  eingeschmolzen,  dafs  namentlich  im  Verlauf  vieler 
Generationen  die  Eigenschaften  sich  immer  den  Interessen 
anpassen  und  so  die  £inheii  der  Zweeke  mr  Einheit  dea 
getatigen  nnd  leiUich^  Wesena  fUirt 

Wir  sehen,  wie  die  Beziehungen ,  die  den  Einzelnen  in 
völliger  I^heitlichkeit  mit  seiner  Gruj^pe  erscheinen  lassen, 
wwm  Typen  anfweisen,  welche  mit  deigenigen  Hanp^rOnden 


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87 


suiuimmenfallen,  die  im  indivi(^uellen  Oeiste  rlie  AsHociation  \ 
der  Vorstellungen  bewirken:  einenseits  die  Gleichheit,  anderer- 
seits der  reale  Zosammenhang.v^  Trotzdem  die  Anpassung  | 
scUiefalich,  wie  eben  erwälint,  die  erstere  aus  dem_  letzteren 
k&nn  hervoi^ehen  I&^cd,  obgleich  femer  die  Entwickelung  der 
gotellielialttMlwn  0rappe  aus  der  Funilie  eim  gwiMwnmme 
UfMohe  Air  baidarin  Baneliangeii  tt^kaät,  90  mä  lie  dodi  in 
Imhon  Gilde  von  einaiider  unabhängig;  awii  VorBtellangen 
ebenso  ¥ne  swei  Individuen  können  einander  im  höchsten 
Ma(se  ähnlich  sein,  ohne  dafs  iigend  eine  funktionelle  Be- 
rührung zwischen  ihnen  existiert;  nur  in  dem  auffassenden 
Q^te  entsteht  der  Zusammenhang  und  die  vielfache  Ver- 
Schmelzung  von  Oy)jikten,  die  nichts  Anderes  al»  gewisse 
Qiiaiiiilien  gemeinäaüi  haben.''  Durch  diese  Eigenschaft  des 
Qeistes,  dais  das  gleich  Erscheinende  sich  in  ihm  associiert 
vnd  wprodmlert,  wmeik  oftlQilich  «ich  die  €Ml]ile^  die  «kdi 
ea  einen  der  gleich  quaHfinertea  Gc>gen8titaide  oder  j  renonen 
knappen,  auf  den  andem  flberlragen,  der  sachlich  durchaus 
keine  Veranlassung  dasn  gegeben  hat  Kein  Mensch  wird 
•ich  ganz  frei  davon  ftlhlen,  dafs  er  einem  andern  eine  wenig 
freundliche  und  nicht  ganz  vorurteilslose  Stimmung  entgegen- 
br.ngt,  der  etwa  mit  seinem  Todfeinde  eine  tfiuschcnde 
Ähnlichkeit  hat.  Umgekehrt  fesseln  uns  einzelne  Züge  an 
Menschen  oft  mit  einer  Stürke ,  die  aus  ihren  eigentlichen 
Werten  und  Heizen  nicht  versUindiich  isL  und  die  sich  einem 
nibefen  NaeblbrBehen  eft  so  enihflUt,  ade  ein  anderer  um 
teurer  Menech  eb«i  diese  Eigenschaft  beaceeen  h«t  und  nnn 
die  Gleichheit  derselben  die  Obertragnng  des  GelUU»  yer- 
mitteli.  das  ehemals  mit  ihr  veiltnttpn  WKt,  auch  wenn  die 
sachlicnen  Qrtlnde,  die  es  in  jenem  Falle  erzeugten,  in  diesem 
völlig  fehlen ;  die  formale  Gleichheit  in  einem  Punkte  gentigt, 
um  ftir  unöer  Empünden  ein  annilherndes  Verh.lltnis  zu  dieser 
wie  einst  eu  jener  Person  herzustellen.  Wie  sehr  dies  unser 
praktisches  Verhalten  beeinflufst,  liegt  auf  der  Hand.  Freund- 
achaftliche  wie  feindselige  Gesinnungen  gegen  eine  Gruppe 
werim  mwibUge  Male  udoreb  benroigernfen  oder  TerBtibiLt,  j 
dnb  ein  einidnes  Ifitglted  derselben  aachlicbe  Venudairang  | 
daau  gegeben  hat.  und  nun  die  psvchologische  Association  i 
zwischen  den  gleicn  charakterisierten  Vorstellungen  das  gleiche 
Gel^hl  auch  auf  alle  dieienigen  ttbertrfigt,  die,  wie  es  in  einer 
Familie  oder  einem  Volksstamme  der  Fall  zu  sein  pflegt, 
durch  AhnUchkeit  oder  äufsere  Kennzeichen  —  »ei  es  auch 
nur  die  Führung  des  gleichen  Namens  —  diese  Zusamnu  ri- 
äclilieföUDg  im  Geiste  des  Dritten  begünstigen.  Und ,  worauf 
es  Hir  unsere  Beweisführung  aukuumit,  dies  wird  m  2Seiten 
einet  nnantfebildetaren  und  roheren  BewnCstseins  in  etbOhtem 
Mate  ttefttnndeni  weil  ein  solches  gans  besonders  von  der 
AMoeiatien  durch  Inlseriicbe  Oleiehbeit  beherrscht  wird;  so 


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28 


XL 


wird  ans  von  NatiirvOlkem  borichtet,  dafe  sie  die  VorBteUnng 
eine«  Menschen,  die  »ein  Bild  hervorrnft,  nicht  von  der  neiüf^r 
wirklieben  G^enwart  zu  untersoheiden  wissen.  Je  nnklarer 
und  verworrener  da«  Denken  is^  de«to  anmittelbarer  zieht  die 
Aösociation  auf  Grund  irgend  einer  Aulserlichkeit  die  Identi- 
fizierung der  Objekte  auch  in  jeder  anderen  Beziehung  nach 
•ich.  und  in  dwneelben  M$tnf  in  dem  draees  psycholonacke 
Veriialten  ftbeiliMpt  eliitt  raUger  Saebüdikeit  eme  vmmnelle 
SttbjektivitSt  kemchen  l^st,  wird  oe  ohne  weiteres  dunenigen 
Empfindungen  und  Handlungsweisen,  die  einer  beetiinmten 
Person  ans  sachlichen  Gründen  gelten,  auf  den  ganzen  Kreis 
derjenigen  übertragen ,  die  durch  irgend  weiche  Gleickiieiten 
die  AsBOciatrön  hcrt  orruien. 

^     1  Andererseits  aber  bedarf  es  einer  Gleichiieit  erscheiDender 
Eigenschaften  nicht,  um  die  Gesamtheit  einer  Gruppe  ftlr  die 
That  eines  üirer  Mitglieder  verantwortbar  zu  machon,  sobald 
toktiondle  Tedbindnngen,  Einkeit  der  Zwecke,  gegenseitige 
Iiiglniungi  gemeininmee  Verkahen  m  einem  Oberhaupt  o.  s.  w. 
•tettfnden.  Hier  lieg^  C^be  icb>  der  Haupterklämngsgrund 
Ulr  das  Fkokleni;  von  dem  wir  nusginren.   Die  fein&Ugie 
Aktion  gegen  den  fremden  Stamm,  handle  es  sich  nun  um 
Erbeutung  von  Frauen,  Sklaven  oder  sonstigem  Besitz,  um 
Befriedigung  eines  Racnegefühk  oder  um  was  immer,  wird 
kaum  je  von  einem  Einzelnen  unternommen,  sondern  immer 
in  Gemeinschaft  wenigstens  mit  einem  wesentlichen  Teile  der 
Stammesgenossen;  schon  deshalb  ist  das  nötig,  weil,  wenn  sich 
dir  Angriff  anek  nor  gegen  ein  einselnee  Ifilpied  ainee 
fremden  Stmnmee  ricbtot,  dennodi  dieeer  als  ganner  an  deeaen 
Verteidigung  karbeieilt;  nnd  dies  wiederum  geschieht  nickt 
anr,  weil  die  an^fe^irano  Panönlichkeit  vielleicht  dem  Gan- 
zen von  Kntzen  ist,  sondern  weil  jeder  weifs,  dafs  das  Ge- 
lingen des   ersten  Angriflfes  dem  zweiten  Thür  und  Thor 
öffnet^  und  dais  der  Feind,  der  heut  den  Nachbar  beraubt 
hat,  sich  morgen  mit  gewachsener'  Kraft  gegen  ihn  selber 
wenden  wird.    Die^e  Ainalogisierung  des  eigenen  Schi<  k^alö 
mit  dem  des  Nachbars  ist  einer  der  mächtigsten  Uebel  der 
yeigesellaekaftang  ttberhauj^t,  indem  eie  die' BdsokrttiÜLung 
des  Handeba  au  das  nnmitialbare  dgene  Intereaae  anfkebt 
'nnd  das  letatere  dnioh  den  ZnaammenscUnfil  gewahrt  ti^t 
der  zunächst  nur  dem  anderem  angute  kommt.  In  jedem  Fall 
ist  klar,  wie  die  Vereinigung  zur  Offensive  und  die  aar  De- 
fensive in  We<'h8elwirkung  stehen,  wie  der  Angriff  nur  in  der 
Zusammen  Wirkung  der  Vielen  erfolgreich  ist,   weil   di*"  Ver- 
teidigung die  Vielen  aufruft,  und  umgekehrt  dies  nötig  ist, 
weil  der  Angriff  ein  kombinierter  zu  sein  pflegt.    Die  Folp-e 
mu(s  die  sein,  dafs  in  allen  feindlichen  Begegnungen^  in  denen 
mbo  jeder  einer  Geaamtbeit  ge^eanbenlebt,  er  anek  in  iedem 
Gegner  nickt  aowoU  diese  beatmunte  Penon,  ala  Tiebnwr  m 


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29 


Itlofö^  Mitglied  d^r  feiudÜcheu  Gruppe  erbückk  Femdliclie 
Bertüiniiigen  lind  in  viel  hfllimni  lufts  koDektiviitiidi  «It 
fimmdlidie.  und  umgekehii  pHegen  koIlektiHitiMli«  Be- 
sielniiigMi  der  Grappen  m  einander  überwiegend  feindseliger 
Kalor  EU  sein  und  swar  bis  in  die  höchsten  Kulturen  hinein, 
weil  auch  in  diesen  noch  jeder  Staat  abeolnt  egoistisch  iat; 
wo  seibat  solche  freundlicherer  Art  von  Stamm  zu  Stamm 
stattfinden ,  sind  sie  doch  im  ganzen  nur  die  Grundlage  für 
individuelle  jBeziehnngen  —  Handel,  Connubium,  Gastfreund- 
schaft II.  a.  w.  — ,  räumen  nar  die  Hindemisse  weg,  die  diesen 
sonst  von  Stammes  wegen  entgegenstehen^  und  wo  sie  positi- 
veren Inhalt  annehmen,  wo  cUe  Vereinigung  ganzer  St&nune 
mit  ehumder  uden  als  doioh  gewaltMune  Untenir^ilHiiff  ood 
Vendimelsiing  geschieht,  da  äegt  dooh  der  Zwieek  OMVoa 
kein  anderer  als  ein  kri^g^scner,  eine  gemeinsame  Offensive 
oder  DefenaiTe  an  sein,  so  dafs  auch  hier  nicht  nur  dem 
Dritten  gegenüber  der  Einzelne  seine  Bedeutung  nur  als  Mit- 
glied des  Stamme«  und  durch  die  SolidaritÄt  mit  diesem  hat, 
i^ondem  auch  die  Verbünd '^t<*n  untereinander  nur  vom  Stand- 
punkt dee  Stamm^intere^hes  aus  miteinander  zu  thun  haben; 
was  sie  aber  zusammenfaiirt  und  verknüpft,  ist  nur  das  ge- 
meinsame Verhältnis  zum  Feinde,  und  der  Einzelne  hat  einen 
Wert  nur  inaofenni  ala  die  Gruppe  hinter  flim  steht.  Dieao 
«na  pnktiachflii  Gründen  aiforderte  Solidaritftt  hat  mm  man- 
cherlei  Fölsen,  die  sich  weit  über  Daner  und  Umfimg  ihrer 
wrsprünglicheo  Veranlaiiiiiig  htnans  erstrecken.  Es  ist  mit 
Recht  hervorgehoben  worden,  dafs  gerade  bei  den  Völkern^ 
die  sich  durch  Freiheitssinn  auszeichneten,  Griechen,  Röra«m, 
Germanen,  die  vornehme  Geburt  einen  Wert  bej^afs,  der  weit 
über  die  reale  Macht  und  Bedeutung  der  Persönlichkeit 
hinausreichte.  Die  edle  Abstammung,  die  Ahnen  reihe,  die  von 
den  Götteru  ausgeht,  erscheint  fast  als  das  höchste  dessen, 
mm  der  ^^riechiiMshe  Dichter  preiat;  Bir  den  Römer  drückte 
die  «afireie  AhetMPmmig  einen  dareh  nichts  m  tikenden 
Ifakel  auf,  nnd  hei  den  Germanen  begründete  dar  Unter-' 
schied  der  Geburt  zugleich  einen  rechtlichen  Gegensatz.  Dies 
ist  wohi  die  Naehwiniiiiig  der  Zeit  der  unbedingten  Familien- 
solidaritst,  in  der  die  ganze  Familie  zu  Schutz  und  Trutz 
hinter  dem  Einzelnen  stand,  welcher  da<lureh  in  demselben 
Kafse  ans^eheuer  und  bedeutender  war,  als  seine  Familie 
grofs  und  rajiehti^^  wui .  Wenn  etwa  bei  den  Sat'hsen  das 
Webrgeld  eines  Adligen  das  Sechsfache  dessen  für  einen  (tQ- 
meinä^eien  betrug,  so  erscheint  dies  nur  als  roihiliche 
Wbommg  dir  ThiilBache.  dab  eine  grofte  und  mMchtige  IV 
BÜie  den  Meid  eines  ihrer  Mitglieds  vul  kräftiger  und 
•ekiiftr  ridien  konnte  und  richte  als  eine  unbedeutendere 
Die  Zugehörigkeit  zu  dner  solchen  Familie  behielt  diese  so* 
iiile^.  WaA/ag  noch  dann,  ak  das  eigentlich  wirkende  luul 


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80 


verbindende  Glied :  die  Unterstützung  durch  diese  Familie, 
•chon  längst  wegRefallen  war.  Mit  einer  starken  freiheit- 
lichen Tmeos  aer  VQlker  konnte  dies  maoimenlfeffiBQf 
weil  unter  Yttlkeni ,  die  tyrannisch  regiert  wurden  nnd  ihre 
socialen  Verhlltnisse  diesem  R'^me  angepafst  hatten,  mflch- 
tige  Familieneruppen  nicht  bestanden  haben  können.  Eine 
starke  Centraigewalt  mufs  derartige  Staaten  im  Staate  zu  be- 
seitigen nnd  ihrorseita  dem  Einzelnen  die  sociale,  politische, 
reliei?5se  AiiUihnung  und  vor  allem  den  persönlichen  und 
Rechtsschutz  zu  gewähren  siu  hen,  den  er  in  politisch  freieren 
Gruppen  nur  durch  den  Anbchlufs  der  Familie  findet.  De«- 
halb  ist  fUr  das  römische  Kaisertum  gerade  dies  so  bexeich- 
nendf  daft  es  Freigelassene  an  die  höchsten  Stellen  seilte 
und  so  im  G^^ensati  an  allen  Ansehannngen  der  Meven 
Zeit  aus  demienigen.  der  seitens  seiner  Familie  nichts  war, 
willkürlich  alles  machte.  So  löst  sich  der  scheinbar  nrnho» 
logische  Widerspruch  zwischen  dem  Freiheitssinn  der  Volker 
und  ihrer  Bindung  der  individuellen  Bedeutung  an  den  Zu- 
fall der  Geburt,  sobald  unsere  Hypothese  pfilt,  dafs  die  letztere 
dem  realeu  Schutze  durch  die  Familie  entötunimt,  der  seiner- 
seits nur  in  freiereu  Staaten  möglich  ist,  in  donen  die  Fa- 
milie selbständige  Macht  besitzen  dar£  Wie  sehr  übrigens 
die  Solidarität  auch  der  weiteren  Familie  sich  noch  in  nnsre 
Kultur  hinmnerstreekt^  sieht  man  recht  aus  der  Ängstlichkeit^ 
mit  der  die  meisten  Personen  selbst  ontlemte  Verwandte  von 
social  niedrigerer  Stellung  von  sich  entfernen  und  manchmal 
gendeiu  Terieugnen;  gerade  die  Besorgnis^  durch  sie  kom- 
promittiert zu  wei*den .  und  die  Bemühung ,  die  Zusammen- 
^'cb^irigkeit  m\t  ihnen  fil>zuweisen ,  zeigt,  welche  Bedeutung 
man  diesn  Zusaiumengelirui^^keit  doch  noch  zutraut. 

I  Der  praktische  Zusaninienschlufs,  in  «lern  der  Dritte  die 
Faniilio  erblickt,  i«t  von  vornherein  kein  völlig  gt^enseitiger. 
sondern  nur  der  Schutz,  den  die  Eltern  den  Kindern  zu  teil 

,  werden  lassen.  Ifan  kann  dies  wohl  als  eine  Fortwtiung  der 
Sdbsterhaltung  ansehen  und  iwar  schon  von  einer  sianUch 
tiefen  Stufe  der  Organismen  an :  das  Weihchen  mnÜs  die  Eier 
oder  den  Fötus  zu  sehr  als  oars  viscerom  fühlen,  vor  allem 
mufs  die  Ausstofsung  derselben,  ebenso  wie  für  das  Mftnn- 
ehen  die  Eiaculation  des  Satnens,  mit  einer  zu  grofsen  Er- 
regung verbunden  sein,  um  nicht  dem  Wesen,  mit  dessen  Er 
scheinuag  diese  Erregungen  associiert  sind,  eine  hochgradige 
Aufmerksamkeit  zuzuwenden  und  e«  noch  als  zur  Sphäre  des 
eigenen  Ich  gehörig  zu  behandeln;  das  gleiche  Interesse,  so 
hat  ein  Zoologe  dies  ausgedrtlekt|  das  der  Eneuger  die 
associiert  gebfiebenen  Teile  seines  KOrpeis  filhlt,  bewahrt  er 
eine  Zeit  lang  fast  in  demselben  Mafse  IHr  jene  Elemente, 
welche  sich  von  ihm  losgelöst  haben ^  ohne  ihm  schon  fremd 
SU  sein.   Daher  ist  bei  den  Insekten  das  Minnchen  gegon 


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31 


«eine  Kachkommenschatt  so  gleichgiltig,  weil  die  Befruchtung 
dort  eine  innere  ist  und  die  im  Innern  des  weiblichen  Kör- 
pers vorgehende  Entwickelung  ihm  verborgen  bleibt,  wahrend 
umgekehrt  der  minnlicfae  Fisch  häufig  die  MatterroUe  Uber^ 
wmmtf  weil  «r  mum  GeMUeefatiproaiikte  suMit  über  die 
Eior  ergteCrt^  tn^Men  das  W^ibdieo,  das  von  flinen  gctrenai 

«ie  Id  dttn  unbeständigen  fSemente,  in  d«B  sie  gewoffon 
worden»  nkht  melir  erkenneii  kann.  Indem  so  zwischen  Er- 
senger  and  Enengtem  die  organische  Oemeinschaft  fort* 
besteht,  auch  wo  ihre  phyBisehc  Erscheinung  abgeschlossen 
ist,  wird  grewisBermafsen  eine  farailienhafte  Einheit  a  priori 
hergestellt  Der  ZueanunenschhiTa  geht  hier  nicht  aus  dem 
Bestreben  do^  Individuums  hervor,  sich  oder  andere  zu  er- 
halten, sondern  umgekehrt  folgt  dieser  Trieb,  die  Geaamtiteit 
dflr  Familie  m  aobtttBeoi  an  dem  Qeflilil  der  Biüieit,  das 
den  Emoger  ah  dieser  «teannnenwehliefet  Dafii  die  wadi- 
sende  Intendtlt  dieeer  Beziehuniren,  wie  wir  eie  bei  den 
höheren  Tieren  and  schlieüsiich  beiitt  Menaehen  beobachten, 
eine  Ober  die  anmittelbare  Abstammung  hinausreichende  So* 
lidaritÄt  der  Familie  bewirkt,  ist  psycholopsch  leicht  ver- 
ständlich; ebenso,  dafs  auch  die  Jungen  Mchliefslich  aus  der 
Passivität  bei-aus treten ,  die  EunÄchst  ihr  Verhalten  in  der 
Famitieneinheit  charakterisiert,  und  wenigstens  dadurch,  dafs 
sie  den  elteriichen  Schutz  äuchen,  sich  ihm  unterordnen  und 
die  Ifaase  der  sneammenbaltenden  Gruppe  vermehren,  zum 
Beilande  und  Ftortsdiritl  dieser  beilragen.  / 

Überblicken  wir  dieie  E>wttgungen,  so  tritt  uns  neben  i 
dem  Seite  96  L  genannten  ein  weiteres  Einteilungsprinzip  der 
Ureachen  entgegen,  die  dem  Dritten  geffenttber  das  Mitglied 
einer  Gruppe  nur  als  ein  solche.s,  nicht  aner  alf?  In di%n Qualität 
erscheinen  lassen, jl^unächst  machen  sich  uns  dahin  wirkende 
Beziehungen  bemerkbar,  die  von  den  Verhältnissen  zu  dritten 
Personen  relativ  unabhängig  sind:  die  organische  Zusammen-, 
gebOrigkeit  von  Eitern  und  Kindern,  die  Ähnlichkeit  der-' 
•elben  untereinander,  die  Anpassung  der  Interessen  an  gleiche 
Lebenebedingungen ,  ibre  venchmelsung  anch  an  solefaen 
Ptankten,  die  abseits  von  der  Benebung  zu  anderen  Stimmen 
•leben  —  alles  dies  verunMidit  eine  Einheitlichkeit,  die  es 
einerseits  dem  Dritten  erschwert,  den  Einzelnen  als  Individu- 
alität zu  erkennen  und  zu  behandein,  andererseits  die  Aktion 
der  Gruppe  gegen  alle  AufBenstehenden  hinreichend  zu- 
sammenscmiefst,  um  das  Verhsltnis  zu  Emern  auch  mit  sach- 
licher Richtigkeit  aU  ein  solches  zur  Gesamtheit  gelten  zu 
las&en .  auch  gegen  diese  diejenigen  Gefühle  und  Reaktionen 
solidarisch  zu  richten,  die  ein  Einzelner  hervoi^erufen  liat 
Wibreod  bier  abo-eine  nreprfllngliebe  j&beit  den  Qnmd 
bildet»  dafo  dem  Dritten  raenttber  elnbeitUch  gehandelt  wird, 
mben  wirisweitettSt  da»  die  Kot  dea  Lebens  vielfadi  eine ' 


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*  32 


QemeiiiMnikflit  dm  Voigebens  TerankTst,  und  ätJk  di«M^  MOk 
'  ohne  (UIb  eine  reale  Einheit  vorheigehl^  nun  omgekehrt  eine 
floldke  bewirkt.  Ich  halte  dies  iär  den  tiefimn  und  wich* 
tii^eren,  wenngleich  verborgenecen  ProzeTs.  Aach  auf  ent- 
wickeltsten Gebieten  glauben  wir  oft ,  dafs  die  solidarische 
Aktion  zweier  Persönlichkeiten  am  einer  inneren  Zusammon- 
gehörigkeit  derselben  hervorginge,  während  tbAtsächHch  die»e 
erst  durch  die  ^Notwendigkeit  jener  voruborgehend ,  aber  oft 
•  auch  dauernd  bewirkt  wurdej  hier  wie  sonst  bilden  sich  die 
Organe  nach  den  Funktionen,  die  die  Umatinde  von  ihnen 
▼erlangen,  nksht  aber  aind  jene,  reap«  die  Subjekte ,  inuner 
Ton  vomheroin  so  eingerichtet^  aale  aiok  die  geforderke  Leiat- 
uiig  von  selbst^  wie  von  innen  herana  etgiebt  Auch  inner- 
halb det)  Individuums  ist  dasjenige,  was  man  Einheit  der 
.Persönlichkeit  nennt,  keineswegs  die  Grundlage  des  Wesens, 
aus  der  mm  die  Einheit  des  Verhalten»  gegenüber  Menschen 
und  Aufgabeu  folgte,  sondern  umgekehrt  hat  oft  erst  die 
praktische  NotwendigKcit  für  die  v<^rschiedeuen  Seelenkräfte, 
sich  einem  Ihitten  gegenüber  gleich  d.a  verhalten,  innere  Be- 
zieh uageu  und  Vereinheitlichungen  unter  ihnen  zur  Folge. 
So  gewinnt  s.  ein  'Menaoh,  der  von  widenpreobenden 
Neigungen  tmd  LridensobaftBii  erfüllt  is^  den  etwa  atnnlicbe^ 
inteUekluelle,  ediische  Triebe  iiaoh  gana  venchiedenen  Seiten 
reifsen,  die  ^Einheitlichkeit  seines  Wesens  daduroh,  dsSa  die 
religiöse  Idee  über  ihn  kommt;  indem  die  versohiedenen 
Seiten  seiner  Natur  sich  plcichmäfsig  dem  ftlgen ,  was  als 
göttlicher  Wille  für  jede  derselben  offenbart  i«t,  und  so  in 
das  gleiche  Verhftltnis  zu  der  Goltesidee  treten,  entsteht  eben 
hierdurch  eine  Einheitlichkeit  unter  ihnen ,  die  ihnen  ur- 
sprünglich voUkonunen  fremd  war.  Oder  wo  etwa  dick- 
teriache  Phantasie  sich  mit  starkem  Verstände  zusammenfindet 
and  dadnrcb  dm  Bewdalsein  in  einen  ataten  Zwieapalt 
Bwiscbea  idea]iatiacber  und  realistischer  Anscbawing  der 
Dinge  venetat,  da  wird  die  Notwendi^Efli^  eia  baatiwmtaa 
Lebensziel  zu  erreieben,  oder  einer  Pttson  gegenüber  eine 
bestimmte  Stellung  einzunehmen,  die  zersplitterten  Krftfte  oft 
zur  lüinheit  zusammenftshren  und  wird  der  Phantasie  die 
gleiche  Riclitun^  mit  dem  Denken  geben  u.  w.  Zu  zusammen- 
gesetzteren Gebilden  fortschreitend,  erwähne  ich  als  Beispiel, 
wie  das  gemeinsame  Verhalten  zu  einem  Dritten  den  kolWk- 
tivistischeu  Zusammenlialt  bewirkt  und  stärkt»  die  öokte  der 
Hertnbtiter.  Zu  GbriatnSf  den  ai*  ala  den  vmtüMkmtm 
Herrn  ihrer  Ckmeinde  anseheB,  bat  jedes  Miti^ied  ein  gami 
individueilea,  man  konnte  sagen,  ein  iBteMiaverbiltnis;  und 
dies  fuhrt  zu  einem  so  unbedingten  "»m— **fhHff  der 
Mitglieder  der  Gemeinde,  wie  er  in  keiner  anderaii  an  finden 
ist.  Dieser  Ffill  ist  deshalb  ho  belehrend,  weil  jenes  Verhält- 
nis des  J2«inaelnen  an  dem  m\ sammenhai ten4en  Phnaip  eiA 


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83 


rein  persönliches  ist,  eine  Verbindung  zwischen  ihm  und 
Christus  herstellt,  die  von  keiner  anderen  gekreuzt  wird,  und 
dennoch  die  bloise  Thatsache^  dafs  die^e  Fäden  alle  in 
Christas  zusammenlaufen,  sie  gewissermalsen  nachtrttglich  ver» 
webt  Und  im  Gnmde  benut  die  imeniielUiclie  soeiftlisie* 
rende  Wirkung  der  Religion  ttberhaupt  weeendich  auf  der 
Gkmetnsaiiikeit  des  Verliältnieaet  «m  höchsten  Prinmp;  ge- 
rade das  specifische  Gefühl ,  ans  dem  man  geni  die  Religion 
herleitet,  aas  der  Abhängigkeit^  ist  ganz  besonders  g^eignotj 
unter  den  in  gleiclier  Weise  von  ihm  Erfüllten  Religion,  d.  h., 
nach  der  alt^  ri,  wenn  auch  sprachlich  falschen  Deutung,  Ver- 
bindung zu  «titten.  Ich  hebe  femer  in  die«er  Hinsicht  her- 
vor, dafs  der  ercite  Zubammenhalt  der  patriarchalischen  Far 

milienfenn  «ieh  nicht  auf  der  Emeugang  dnfdi  den  Vater^ 
Bondem  auf  seiner  Hemehaft  aufbante,  flire  Einheit  im 

Rmofinden  und  Handeln  sich  also  gleichfalls  nicht  a  priori^ 
•onaem  nachträglich  doreh  das  gleiche  Verhlütnts  zu  einem 

Dritten  herstellte;  und  was  die  zusammenschliefsende  Wir- 
kung eines  gemeinsamen  feindseligen  Verhaltens  betrifft,  so 
hat  schon  der  Verfasser  des  Gesetzbuches  des  Manu  betont, 
der  Fürst  möge  seinen  Naclibar  stets  für  seinen  Feind,  den 
liachbar  seines  ISachbars  aber  für  seinen  Freund  halten,  und 
es  braucht  imlar  irielfrehen  Beispielen  nnr  daran  erinnert  zu 
werden,  dals  Frankreich  das  Mwafstsein  seiner  nationalen 
Zusammengehörigkeit  wesenÜich  erst  dem  Elampfe  gegen  die 
Engländer  verdankt,  wozu  dann  die  G^chichte  der  letatsn 
deutschen  Reichsbildung  das  Seitensttlck 'geliefert  hat  Kurz, 
dafs  das  Nebeneinander  zum  Miteinander,  dafs  die  lokale, 
gleichsam  anatomische  Einheit  zur  physiologischen  werde,  ist 
unzählige  mal  dem  gemeinsamen,  freiwilligen  oder  erzwungenen 
Verhalten  einem  Dritten  gegenüber  zuzuschreiben.  Was  die 
Sprache  sehr  bezeichnend  vom  Einzelnen  sagt,  dafs  er  bei 
Betiiltigung  gegen  andere  «sieh  snaammennebnen*  miiA| 
wenn  er  auch  sonst  „aerstrent*  eder-^  „aerfthren"  ist,  das  gilt 
genan  ebenso  von  ganzen  Gruppen.^ 

Aus  alledem  ist  es  hinreicnend  klar,  d&Ds  das  ethische 
Verschulden  des  Einzelnen  einem  Dritten  gegenüber  diesen 
zu  lieaktior^en  grgcn  tlie  gunze  Gruppe  anregen  inurs,  der 
iitncT  aiigrhort,  und  dafs  eine  äufserst  feine  Differenzierung 
äuvvuld  ubjckliv  iun urhalb  der  Chruppe,  wie  subjektiv  im  Er- 
kenntnisvermögen des  Verletzten  vorgehen  muis,  um  das  re- 
agierende Empfinden  und  Handeln  genaa  lu  lokalisieren.. 
IHa  ihatrilohliAe  DiffBranaiemng  hinkt  indes«  namendich  wo 
es  sich  um  strafende  Reaktionen  handelt,  der  dieoretiaelien 
oft  bedeutend  nach.  So  sehr  jeder  knlÜTiertere  Mensch  und 
jf  de  höhere  Gesetzgebung  es  verwerfen  mag,  die  Angehf5ngen 
feiiie.5  Verbrechers  für  dessen  That  mit  büfsen  zu  lausen,  f^o 
gti^clu^i  t  <1h    ih;<ts;ieh1ich  doch  noch  in  hohem  Maise  und 

fancte^  (42J  X  1.  -  ataiaaL  3 


a4 


X  1. 


«war  unmittelbar  dadurch,  dafs  Frau  und  Kinder  eine??  Straf- 


mittelbar,  mdem  die  OeselUchaft  die-Bo  und  selbst  erittenitere 
Verwandte  zwar  nicht  zugestand enermafseu,  aber  doch  that- 
,  sächlich  lichtet  —  Das  Streben  zu  höherer  Differenzierung 
/  in  dieser  Btehtung  macht  mm  ttbrigens  bei  dem  Individamn 
/  nicht  Halt,  sondern  setzt  sich  noch  in  dem  Verhalten  gegen 
/  dieses  fort  Mit  yerfeinerter  Erkenntnis  machen  wir  immer 
weniger  den  ganzen  Menschen  für  ein  ethisches  Verschulden 
verantwortbar  nnd  begreifen  vielTnehr,  dafs  Erziehung,  Bei- 
spiel, Naturaniage  einen  einzelnen  Trieb  oder  Vorstellungs- 
kreis  verdorben  haben  können,  während  der  Übrige  Teil  der 
Persönlichkeit  sich  durchaus  sitÜich  verhalten  mag.  Die  fort- 
schreitende Differenzierung  unter  den  praktischen  Elementen 
unserer  Kntur  trägt  objektiT  dam  ebensoviel  bei  wie  snbjek- 
tiT  die  unter  ihren  theoretischen  Kräften;  je  feiner  die  rer- 
•Onlichkeit  ausgebildet  int,  je  gesonderter  und  selbständiger 
ihre  Terachiedenen  Triebe^  Fähigkeiten  und  Interessen  neben- 
einander stehen,  desto  eher  kann  die  Schuld  thatsftchlicli  auf 
einem  Teil  ihrer  haften ,  ohne  ihrer  Gesamtheit  '/ureclienbar 
zu  sein;  dies  ist  z.  B.  auf  dem  sexiu  !leii  fM  ljiet  recht  klar, 
dan  oft  eine  zienüich  lujcligradige  üii.sittliclikeit  bei  völliger 


Und  nun  snbjektiT:  in  dem  Mafse,  in  dem  der  Beurtei- 
lende nicht  mehr  seine,  ganae  Persönlichkeit  in  die  Emi^n- 
dang  hineinlegt,  die  der  andere  ihm  bereitet,  und  der  Tiiat 
desselben  keine  andere  Folge  gestattet  als  die  ihr  genau  ent- 
sprechende, in  diesem  Mafse  wird  er  auch  jenem  gegenüber 
t  oDjektiv,  beschränkt  seine  Reaktion  auf  äon  Umfang,  in  dem 
die  That  selbst  nur  ein  Teil  der  Peraoniichkeit  jenes  ist, 
lernt  er  die  Sache  von  der  Person,  das  Einzelne  vom  Ganzen 
zu  trennen^  so  erkennt  die  Gesellscliatt  den  eben  angeführten 
Fall  der  sexuellen  Unsitdichkeit  bekanntlich  sofl»r  im  ex- 
tremsten Mafse  an,  indem  sie  dem  männlichen  Sünder  auf 
diesem  Qebiete  kaum  ein  Minimum  derjenigen  sodalen  Strate 
audiktierti  die:  sie  sonst  schon  auf  eine  geringere  Immoralität 
setst  —  wovon  die  Ursachen  freilich  aufser  in  jener  Dif- 
ferenzierung gerade  in  einem  Rudiment  des  Barbarismus 
gep^enüber  den  Frauen  liegen.  Die  Verbindung  der  subjek- 
tiven Differenzierung  mit  der  höheren  Entwicklung  zeigt 
sich  auch  an  den  gegenteiligen  Erscheinun^^en ,  an  dem  die 
ganj^  Person  packenden  Jähzorn  roher  Naturen,  an  der  voll- 
kommenen Errallthait  des  unkultivierten  Menschen  durch  den 
angenUidklichen  Affokt,  an  den  Urteilen  in  Bausch  und 
Bo^^  SU  denen  ungebildetere  Geister  neigen  \  sie  zeifft  sich 
an  f^o»  eigentllmli<men  Emniindung  von  Solidarität,  der  ge- 
mäfs  man  „Bache  an  der  Menschheit"  oder  „Rache  an  den 
MänneiUt  F^en  etc.*'  fordern  hört,  und  awar  insbesondere 


gefa 


X  1. 


35 


von  unreifen  Meucliea  od6r  •oldie&  yon  entweder  niedrige- 
rer OeiBteeaiubUdong  oder  imbdierrschteren  Empfindungeo* 
Übrigeos  ist  noch  aitt  unserer  angenbliokliehen  Eotwicklnngih 

stufe  kaum  jemand  ganz  frei  davon,  nach  grofsem  Leid,  das  ans 
namentlicb  Bosheit  und  Betrug  zugefügt  haben,  gegen  dritte, 
unschuldige  Personen  unbarmherziger  als  sonst  zu  sein  — 
freilich  nicljt  ohne  das  Nachgeftlhl,  durch  diesen  Mangel  an 
Differenzierung  im  Kmptinden  uns  selbst  zu  degradieren. 
Ans  jener  doppelten  Differenzierung  ergeben  «ich  z,  B.  für  / 
die  ndagogik  wichtige  Folgen.  Niederen  Kultnrepoehen  itt 
es  eigen  y  mit  dem  Begriff  der  lärziehung  vor  allem  den  der 
Züchtigung  zu  verbinden,  deren  Ziel  die  Unterdrückung  und 
Ausrottung  der  Triebe  ist;  ie  mehr  die  Kultur  steigt,  desto 
mehr  wird  dahin  gestrebt,  die  Kraft  die  auch  in  den  unsitt- 
lichen Trieben  liegt,  nicht  «chlechthin  durch  ZtUhtigung  zu 
brechen,  sondern  solche  Zustände  zu  schaffen,  in  denen  sie 
«ich  nützlich  bethfttigen  kann  ,  ja  in  denen  die  thatsächliche 
Uusittlichkeit  als  solche  selbst  anderweitig  nützliches  schafft, 
ungefiUir  wie  die  technische  Kultur  das  fraher  Weggeworfene 
oder  sogar  Hinderliche  immer  mehr  awaunutsen  TerBteht, 
Dies  ist  nur  durch  Differenzierung  möglich,  indem  die  Arten 
und  Beziehungen  dee  Handelns  und  Empfindens  immer  mehr 
aus  der  Form  umfassender  Komplexe  gelöst  werden,  in  der 
sie  zunächst  auftreten,  und  in  der  das  Loos  des  einen  Gliedes 
das  des  anderen  solidarisch  mitbestimmt  Erst  wenn  jede 
Bezieliung,  jeder  Bestandteil  des  öffentlichen  und  persönlichen 
Lebens  sich  zu  derartiger  Öelbständigkeit  diÖereuiiiert  hat, 
d&Ts  ihm  ein  individuelles  Leiden  und  Handeln  möglich  ist, 
ohne  dais  meohaaiidie  Verflechtungen  mit  aachfich  heteroge* 
nen  Elementen  diese  in  das  ^^aohe  Schicksal  hineinzögen,  — 
erat  dann  wird  ee  möglich,  die  schädlichen  Elemente  in  rein« 
licher  Ahgrensung  au  entfernen,  ohne  die  angrennenden  nlltir 
liehen  anzugreifen.  So  erlauben  differenziertere  medizinische 
Kenntnisse,  erkrankte  Körperteile  in  genau  eireumscripter 
Weise  zu  entfernen,  wo  früluT  ^^leich  ein  ganzes  Glied  abgch 
schnitten  wunie;  z.  B.  bei  sdiweren  Knie^^elenkentzündungen 
wird  jetzt  nur  G«lenkreaektion  vorgenommen,  während  früher 
der  ganze  Oberschenkel  amputiert  wurde,  und  ähnliches.  Nun 
hat  indes  die  Difierensierung  in  da  Strafe,  insbesondere  der 
kriminaliatischeD,  sehr  bald  «ine  Grense.  Man  nimmt  eine 
•0  weit  einheitliche  Seele  an,  dafs  eben  da,  von  wo  die  That 
anaging,  auch  der  Schmers  der  Strafe  empfunden  werde,  und 
kann  deshalb  flir  eine  Ehrenkränkung,  einen  Betrug,  ein  Sitt- 
liehkeitsvergehen  auf  dieselbe  Strafe  erkennen.  Die  Anfänge 
einer  Differenzierung  in  diesen  Punkten  sind  sehr  dürftig: 
daf»  etwa  Festungshaft  auf  solche  Vergehen  gesetzt  ist,  die 
die  gesellschattiiche  Ehre  des  Thäters  unberührt  lassen, 
und   einiges   ähnliche.    Indessen    ist  jedenfalls  schon  die 

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sa  X 1. 

gröfsere  Milde,  die  forteeschnttenere  Zeiten  dem  Verbrecher 
gegenüber  zeigen,  ein  Zeichen  düvou,  daTä  man  die  einzelne 
Tbai  Ton  dem  Oaiuen  der  PmOnliehkeil  dHBHrensierty  und 
defo  die  einzelne  ünnttliehkeit  nicht  melir,  wie  et  einem  rer- 

gchwonuneneren  Vorstellen  natürlich  ist,  als  durdigehende 
Verderbtheit  der  Seele  erscheint  ganz  analog  der  Di^ 
ferenzierung ,  die  daf  sociale  Gunze  von  der  Verantwortung 
für  die  Thal  eines  Mitgliedes  entlastet.  Auch  die  Besserung 
bestrafter  Personen,  die  eines  der  Hauptziele  höherer  Kultur 
ist,  wird  eine  Ausaicht  auf  Erfolg  wesentlich  auf  die  gleiche 
usychologische  Voraussetzung  gründen  können,  dafs  auch  die 
Verbrecherseele  differenziert  genug  ist  um  neben  den  Tcrdor* 
benen  Trieben  noch  gesunde  einznsehlieben;  denn  eine  tielSnr 
hÜckende  Psychologie  darf  nicht  von  mer  direkten  ßeseiti* 
gnng  jener,  sondern  nnr  von  Stärkung  und  Hebung  dieser 
eine  dauernde  Besserune  des  Sünders  hoffen.  Man  kann 
Hbrigens  die  Milderung  der  Strafen,  die  Verjährung,  wie  die 
Versuche,  den  gesellschaftlichen  Kuin  dessen,  der  sich  einmal 
ein  Vergehen  zu  Schulden  kommen  lief«,  zu  hindern,  «iifser 
auf  die  Differenzierung  des  Nebeneinander  seiner  Seelenteile 
auf  eine  solche  des  Nacheinander  seiner  sedischen  Entwick- 
lung bauen^  indem  man  spfttere  Epochen  nicht  mehr  filr  das 
bfkfeen  lassen  wiU,  was  früheren  zur  Last  ftUt  J 

Auf  dem  Standpunkfee  der  höchsten  Kultur  zeigt  sich  in- 
des eine  eigentttmliehe  Form  der  Rückkehr  zu  der  früheren 
An^<ch?iuungr.  Gerade  in  der  letztf*n  Zeit  ist  wieder  die  Nei- 
gung hcrvorijrtretf'n ,  die  Gesellschaft  für  die  Schuld  dos  Tu- 
aiviauums  verantwortlich  zu  machen.  Der  äul^f  reu  Stellung, 
in  die  sie  den  Einzelnen  hineinsetzt,  den  entweder  atrophi- 
schen oder  hypertrobhiäciieu  Lebeusbediugungen.  die  sie  ihiu 
hiete^  den  flnermllciktigen  Elndrttcken  nnd  lanfltlssen.  denen 
er  settsos  ihrer  aasgesetzt  ist,  —  all  diesem,  aber  nicht  einer 
J^Vsilieit*  der  Individualität,  schrei lit  man  jetfet  gern  die 
Verantwortung  fUr  die  Missetbat  des  Individuums  zu.  Die 
transcendontale  Erkenntnis  von  der  ausnahmsloBeu  Herrschaft 
natürlicher  Kausalität,  die  die  Schuld  im  Sinne  des  liberum 
arbitrium  ausschliefst,  verengt  sieh  zum  Glauben  an  die 
durchgängige  Bestimmtheit  durch  öociale  Einflüsse.  In  dem 
MaTse,  in  dem  die  alte  individualistische  Weltanschauung 
durch  die  historisch  sociologische  ersetzt  wird,  die  in  dem 
LidiYidnum  nnr  einen  8cbnit^tinkt  socialer  Fiden  siehl, 
muüi  an  die  Stelle  der  Individualschald  wieder  die  KollektlT- 
schuld  treten.  Ist  der  üinzebne  seinen  angeborenen  Anlagen 
nach  das  Produkt  der  vorangegangenen  Generationen,  der 
Ausbildung  derselben  nach  das  Produkt  der  gegenwärtigen, 
trägt  er  den  liilialt  seiner  Persttnlichkeit  von  der  Gosellsüliaft 
zu  Lehen,  so  können  wir  ihn  nicht  mehr  für  Thaten  verant- 
wortlich machen,  für  die  er,  nicht  anders  als  das  Werk> 


XL 


87 


leoff,  mit  dem  er  sie  anac^efUirt  hat,  nur  der  Dorchgangs- 
vmiKt  ist  Em  liegt  non  freilieli  nahe  einmwendeo,  dük  die 
den  Einzelnen  determinierende  VerfiwBung  der  Qeiellaehaft 
doch  irgendwo  von  einzelnen  ausgegangen  sein  müsse,  an 
denen  dann  die  Schuld  dieser  schliefslichen  Wirkung  haften 
bleibt;  folglfoh  könne  do(  h  das  Individuum  als  solches  ^rhul- 
<üg  werden,  und  einen  wie  grofspii  Teil  seiner  Verantwortung 
€ß  auch  auf  die  Gesellschaft  a})\valze,  so  gelänge  dies  nicht 
vollständig)  weil  die  Gesellschaft  doch  aus  Individuen  besteht 
und  deshalb  nicht  schuldig  sein  könnte,  wenn  diese  es  nicht 
wlren;  sn  jeder  unvollkommenen  uaa  nngerechten  locielen 
Hinrichtung;  die  den  in  sie  Hineingeborenen  eaf  die  Bahn 
dee  Verbrechens  drängen  mag,  muis  doch  der  Anstofs  von 
einem  einzelnen  ausgegangen  sein;  jede  Vererbung,  die  den 
K^im  oinf's  Lasters  in  uns  legt,  ist  doch  nicht  von  Ewig^keit 
her  vui  handen,  sondern  mufs  ihren  Ursprung  in  irgend  einem 
primären  Verhalten  eines  Vorfahren  haben.  Und  wenn  nun 
auch  die  Mehrzahl  der  Fäden,  von  denen  da«  Handeln  des 
IndivitiuuiüJä  geleitet  wird,  von  früheren  Generationen  her 
angesponnen  sei,  so  gehen  doch  auch  yon  ihm  wiederam  nena 
m»f  die  die  kflnftigen  Qesddeohter  mltbertinmien;  und  die 
YerantworCang  ftr  diese  müsse  gerade  nm  so  schärfer  betont 
werden,  je  tiefer  man  davon  durchdrungen  sei,  dafs  keine 
That  innerhalb  des  socialen  Kosmos  folg^os  bleibe,  dais  die 
Wirkun«?  einer  individuellen  Ünaittlichkeit  sich  bis  ins  tau- 
sendste (iiied  geltend  mache.  Wenn  also  auch  die  sociale 
Bestimmtheit,  nach  der  Vergangenheit  hin  betrachtet,  den 
Einzelnen  entlastet,  so  belastet  sie  ihn  in  demselben  Mafse 
schwerer,  wenn  man  nach  der  Zukauft  ^u  blickt,  deren 
Kananlgewebe  eben  deshalb  ein  immer  komplinertares.  das 
IndirkktiQm  immer  Tielaeitiffer  bestSrnmendes  werden  kann, 
weil  jeder  Einselne  wa  der  Qattangserbschaft  ein  Teil  hinm- 
gefiigt  hat,  d*  es  sonst  m  einer  solchen  ttberkaapt  niefat  ge- 
koBimen  wäre. 

Ohne  hier  in  den  Streit  über  die  Prinzipien  einzutreten, 
der  das  Schicksal  der  Unfruchtbarkeit  mit  allen  Diskussionen 
über  die  Freiheit  teilen  müföte,  will  ich  hier  nur  auf  den  fol- 
geiidun  Gesichtspunkt  hinweisen.  Die  Folgen  einer  That 
wechseln  leicht  ihren  Charakter  auf  das  vollkommenste^  wenn ' 
sie  sich  von  den  persönlichen  Verhältnissen  oder  dem  kleinen 
Kreise,  auf  den  sie  sich  aaerst  und  in  der  Absicht  des  Han- 
delnden beziehen,  auf  einen  grOCseren  Kreis  verbreiten. 
Wenn  z.  B.  die  Bestrebungen  der  Kirche,  die  Geeamtheit 
auch  der  irdischen  Lebensinteressen  sich  unterthäni^  zu 
machen,  als  unrecht  verurteilt  werden,  so  kann  zunächst,  so- 
bald sieh  die  Anschuldigung  gegen  bestimmte  Personen  etwa 
des  Mittelalters  richtet,  erwidert  werden,  dafs  hier  eine  Tra- 
dition von  den  aitedieu  Zeiten  des  Christentums  her  vorlag, 


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86  XL 

die  der  £inselne  als  nndurolibrechliche  Tendenz ,  seibeCver^' « 

stündliches  Dogma,  vorfand,*  so  dafs  auf  jenen  frühsten  Per- 
sönlichkmten,  die  sie  ausbildeten,  aber  nicht  auf  dem  einzel- 
nen Epigonen,  den  sie  ohne  weiteres  in  ihren  Bann  zwang, 
die  Schuld  haften  bleibt  Allein  lür  jene  war  e«  eben  keine 
Schuld,  weil  in  den  kleinen  urchristlichen  Gemeinden  die  voll- 
koBnme  Durohdringung  des  Lebens  mit  der  religiösen  Idee,  die 
Hingibe  alles  Seins  und  Habens  an  das  christliehe  Interesse 
eine  durchaus  sittliche^  ftr  den  Bestand  jt  ner  Gemeinden  an- 
entibehzliehe  Anforderung  war,  die  auch  den  Kulturinteressea 
solange  unschädlich  blieb,  als  es  noch  anderweitige,  hinreichend 

frofse  Kreise  gab,  die  »ich  der  Besorgiing  der  irdischen 
)inge  widmeten.  Das  änderte  sitdi  rrst  mit  der  Verbreitung 
der  ciiriötliehen  Religion;  würdf  diejenige  Lebensform,  die  in 
der  kleinen  Gemeinde  zu  rechte  bestand,  sich  über  die  Ge- 
samtheit des  Staates  erstrecken,  so  würde  damit  eine  Reihe 
▼on  Interessen  Terletzt,  die  fitr  dnrohans  nnenÜMbriich,  deren 
Verdrängung  durch  die  kircUiefae  Hemobaft  ftlr  nnsitdicb 
gehalten  wird.  Eben  diesdbe  Tendenz  also,  die  bei  einer  ge- 
ringen Ausdehnung  des  socialen  Kreises  verdienstvoll  ist, 
wird  durch  dessen  Erweiterung  schuldvoll;  und  wird  nun  im 
letzteren  Falle  die  Schuld  vom  Einzelnen  fortgeschohen,  indem 
sie  durch  die  Tradition  erklärt  wird,  so  liegt  auf  der  Hand, 
dafö  öie  nicht  auf  jenen  Ersten,  von  denen  die  Tradition  ans- 
ang, hatten  bleibt,  Bondem  ihre  Veranla^äung  ausi^chliersiich 
m  der  Quantitfttrilnderang  des  geseilschafUiehen  Kreises  bat. 
Es  ist  eine  der  Üntersndiang  noch  sehr  bedürftige  Frage,  in 
wiefern  die  blos  nnmeriscbe  Vermehrung  einee  Kreises  die 
sittUehe  Qnnlitit  der  auf  ihn  bezüglichen  Handlungen  ab- 
ändert Da  es  aber  zweifellos  der  Fall  ist,  können  Schuld 
und  Verdienst,  die  der  Handlung  in  einem  kleineren  Kreise 
zukommen,  oft  bei  Erweiterung  desselben  in  ihr  direkte« 
Gegenteil  verwandelt  werden,  ohne  dafa  die  nun  geltende 
sittliche  Qualifikation  der  Handlung  einer  persönlichen  yer- 
antwortung  unterläge,  weil  sie  dem  Inhalt  nach  blos  Uber- 
Uefert  ist,  die  Abinderung  ihres  Wertes  aber  von  keinem 
einseineii  Mensehen,  sondern  nur  von  dem  Znsammen  der- 
selben ausgeht  Wir  finden  s.  B.  in  dem  Berglande  von 
Tibet  noch  jetzt  Polyandrie  herrschend,  und  zwar  offenbar, 
wie  selbst  Missionäre  anerkennen,  zum  gesellschaftlichen 
Wohle;  denn  der  Boden  ist  dort  so  unfruchtbar,  dafn  ein 
rasches  Anwachsen  der  Bevölkerung^  niir  das  gröfste  allge- 
meine Elend  hervorbringen  würtie.  Um  dieses  aber  zurück- 
zuhalten, ist  die  Polyandrie  ein  vortreiFliches  I^ittel;  auch 
sind  die  Männer  dort  oft  genötigt,  um  entfernte  Herden  zu 
weiden  oder  Handel  au  treibet,  sich  lange  Ton  der  Heimat 
SQ  entfernen,  und  d»  wird  denn  der  Umstand,  daCs  von  meh- 
reren Männern  einer  Frau  wenigstens  einer  immer  su  Hause 


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XI.  80 


Ueibea  wud|  mm  Schate  der  Frau  und  sum  Zmammailuilt 
d«r  Ftmilie  dimn.  Diese  aehi^Msh  bestätigten,  günstigen 
T^inflflssr  auf  die  Sitten  des  Landen  würden  aber  sofort  nm- 
schlagen,  sobald  etwa  durch  Aufschliefsung  neaer  Erofthrungs- 

qucUen  eine  Vermehrung  der  Volkszahl  möglich  nr\ä  erfordert 
würde-,  gerade  die  Geschichte  der  Famiiienformen  zeigt  oft 
genu^ ,  wie  das  einst  Sittliche  durch  die  blof&e  und  oit  blos 
quantitative  Änderung  äufserer  Verhältnisse  zu  einem  sittlich 
Verwerflichen  wurde.  Wenn  nun  ein  Einzelner  die  jetzt 
sdinldvolle  Tiiat  befi'inge,  also  etwa  in  dem  obigen  Belspiei 
ein  Weib  anch  naen  gebiderleii  Yerbiltnlssen  noch  poljan- 
driscben  Neigungen  folgte  oiod  die  Verentwortung  danir  Yon 
sich  weg  auf  die  Generationen  schöbe^  die  durch  Vererbung, 
Rudimente  ihrer  Zustände  und  Ähnliches  sie  auf  diesen  Wecr 
getrieben,  m  würde,  dies  als  richtig  zugegeben,  die  Schulä 
auf  keinem  Einzelnen  haften  bleiben,  weil  sie  für  ihre  Ur- 
heber eben  noch  nicht  Schuld  war.  Freilich  wird  auch  die 
Gejaellschaft ,  deren  Modiiikationen  die  Schuld  schufen,  nicht 
im  vSiime  einer  moralischen  Verantwortimg  schuldig  sein,  weil 
jene  Modifikationen  sich  aus  Ghünden  Tofisogen,^  die  mit  dem 
fraglichen  moralischen  Vorgang  an  sich  gar  nichts  an  thun 
haben  und  ihn  nur  zuMÜg  aar  Folge  hatten.  Wie  gewisse 
Bchädlidie  Maisregeln,  die  ftlr  einen  Teil  der  socialen  Gesamt- 
heit  gelten,  diesen  Cluurakter  manchmal  dann  verlieren,  wenn 
sie  über  das  Ganze  derselben  verbreitet  werden  [so  hat  der 
Socialisrous  betont^  dais  die  erfahrungsmäfsigen  Nachteile  der 
Regie  Wirtschaft,  die  man  ihm  entgegenhält  nur  dadurch  ent- 
standen sind,  dafs  die  Regie  bisher  überall  in  eine  in  allem 
übrigen  individualiöHäche  Wirtäciiai'tspolitik  liineingesetzt 
wnioe^  dagegen  Terschwinden  würden,  wenn  sie  einheiibehea 
Ökonomisches  Prinzip  wäre]  —  gans  ebenso  wird  vngekebi 
die  ^Weiterung  des  Wirkungskreises  einer  lUndlnngsweise 
Vemnnft  in  Unsinn,  Wohlthat  in  Plage  umwandeln  können 
und  so  ermöglichen,  dafs  die  Schuld,  die  der  Einzelne  von 
sich  abwihsen  kann,  dennoch  anf  keinen  anderen  £inaelnen 
Mle. 

Indessen  iöt  die  rein  quantitutive  Erweiterung  der  Gruppe 
nur  der  deutiichc^te  Fall  aer  moralischen  Entlastung  der  In- 
dividuen; andere  Modifikationen  der  Gruppe  können  zu  dem 
ideicben  Besnitat  ftr  den  Einaehien  filhren,  indem  sie  die 
Sebald,  die  der  nnmittelbare  Thiter  yon  sich  w^gsobiebli 
auf  keinem  anderen  Einadnen  brauchen  haften  ku  lassen.  V^e 
die  chemische  Mischung  zweier  Stoffe  einen  dritten  zustande- 
bringen kann,  dessen  Eigenschaften  völlig  andere  sind  als  die 
seiner  Kiemente,  so  kann  eine  vSclmld  dadurch  entstehen,  dais 
eine  bestirnnite  Naturanlri{:;e  mit  bestimmten  socialen  Verhält- 
nissen zu.surnmentriilt,  wäl^rend  keiner  dieser  Faktoren  an  bjch 
UuÄittiiciieb  enthält.    Von  dieser  Möglichkeit  aus  läfst  sich 


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40 


die  von  neuMten  antiiroDologiiciieii  Fonehungen  bestitigte 
Behraptung  aufeteUen,  dau  Lutdr  sehr  häufig  gar  nichts  an- 
dflrai  sind  als  Atavismen. 

Wir  wissen,  d.ifs  Raub  und  Mord,  Lüge  und  Gewaltthat 
jeder  Art  in  früheren  Zuständen  unseres  G*^schlechte8  eine 

Sanz  andere  Beurteilung  erfuhren  aU  jetzt;  sie  waren,  gegen 
en  fremden  Stamm  gerichtet,  teils  g'leichpltige  Privatsache, 
teils  gepriesene  Heldenthaten,  inucrhalij  dea  eigenen  Stammes 
abar  nneoliMlixlidie  Ifittel  der  KoltuTsteigemn«;,  indem  sie 
einerseits  eine  Znditwahl  an  gansten  der  £migen  nnd 
Kittgen  einleiteten,  andererseits  die  Mittel  der  Tyrannis  and 
der  Versklavung  worden^  von  denen  die  erste  Dissiplinierung 
und  Arbeitsteilung  unter  den  Massen  ausging.  'Ehen  dieselben 
Handlungsweisen  aber  sind  unter  späteren  Verhältnissen  laster- 
haft, und  so  int  gewifs  das  Laster  oft  ein  Vererbungsrück- 
schlag in  jene  frühere  Entwicklungsstufe  unseres  Geschlechts, 
in  der  es  eben  noch  nicht  Laster  war.  Ein  iiervorragender 
Aniatom  iiat  die  Bemerkung  gemacht,  die  ich  für  hOchst  fol- 
genreich halte:  es  lasse  sieb  naehweiseo,  dab  alles  das,  wie 
wir  ab  kOrpeilidie  Häfslichkeit  beurteilen ,  eine  Ähnlichkeit 
mit  dem  Typus  der  niederen  Tiere,  einen  Rückfall  in  ihn 
aufweise.  So  ist  vielleicht  seelische  Hftfslichkeit  ein  RUckikll 
in  die  Nnturstufe,  der  durch  das  disharmonische  nnd  destruk- 
tive Verhältnis,  das  aus  s(tincm  Ilineingesetztsein  in  ganz  ver- 
änderte Umstände  hervorgeht,  als  Laster  erscheint.  Damit 
stimmt  zusammen,  dai's  mit  specitischen  Lastern  sehr  häutig 
Bohheit  nnd  Wildheit  des  ganaen  Wesens,  also  offisnhar  ein 
allgemeiner  AtaWsmna  verbunden  ist;  und  femer:  sehr  viele 
Laster  finden  in  den  kindlichen  Ungezogenheiten  ihre  Par- 
allele^ wie  die  Neignng  zur  Lüge,  die  Grausamkeit,  die  Zer- 
störnngslust,  die  rücksichtslose  Selbstsucht,  ungefähr  wie  man 
nachgewiesen  hat,  dals  alle  Sprachstörungen  Erwachsener  ihr 
genaues  Gegenbild  in  den  Unvol[kommenh(  iien  des  kindlichen 
Sprechens  haben.  Und  da  nun  aller  Waln  scheinlichkeit  nach 
überhaupt  die  Kindheit  des  Individuums  die  Kindheu  seiner 
Gattung  wenigstens  in  den  Hauptattgen  wiederhol!»  so  bt  aa- 
«mehmen,  dais  die  moralischen  ünsnllnglichkeiten  jener  die 
darchgehenden  Eigenschaften  dieser  absnicgeln;  und  wenn 
wir  nun  das  Kind  von  eigentlicher  Schuld  ftlr  solche  Fehler 
entlasten,  weil  wir  wissen,  dafs  es  eben  in  stärkstem  Mafae 
das  Produkt  der  Gattungsvererbungen  ist,  so  wird  das 
Gleiche  für  denjenigen  gelten,  der  durch  atavistischen  Rück- 
schlag auf  jener  moralischen  Stufe  der  Gattungsentwickhing 
stehen  geblieben  ist,  die  der  normale  Mensch  als  Kuid  in  ab^ 

fekarater  Form  durchlluft  und  ttberwindet,  die  aher  nur  dar 
urch  einstmals  in  der  Gattung  fixiert  werden  konnte,  daib 
sie  zulässig  und  nützlich  war.  In  diesem  Fall  aber  lastet  die 
moralische  Schuhl  der  Handlung,  die  der  Thfttsr  seinem  .£rfo- 


X  1. 


41 


litöäer;  der  Gattung,  zuschiebt,  überhaupt  nirgends  alä  auf  deu 
ferindertai  Verhflitnissen,  die  dem  ehemals  GKiten  und  Nttte- 
lichen  jetrt  die  entgtgeugeseüste  Folge  geben. 

Kun  ist  nicht  zu  Terkennen,  dafs  in  vielen  Fällen  dfio 
fortschreitende  Socialisierung  umgekehrt  den  schlechten  und 
unsittlichen  Trieben  die  Möglichkeit  eines  sittlichen  Erfolges 
giebt.  Tob  habe  scbon  oben  envähnt,  dafs  vermöge  ge- 
steigerter Differenzierungen  aueii  die  im  UnsittUclien  liegende 
Kraft  noch  den  Zwecken  der  Kultur  dienstbar  gemacht  wer- 
den kann.  •  Daun  fällt  der  Gesellschaft  mindestens  in  dem- 
selben Sinne  ein  Verdienst  an  der  Sittlichkeit  des  Einzelnen 
■Oy  wie  sie  in  obigen  F&Uen  Sebuld  an  seiner  Unsittlichkeit 
MgL  Mir  wurde  Ton  einer  Baimkerzigen  Seliwester  in  einem 
KrankenluMise  erzählt,  die  sich  dorcn  einen  nnersätdiehen 
Blatdnrst  auszeichnete  und  sich  sä  den  allergransigsten 
and  abschreckendsten  Operationen  drängte;  aber  crerade 
durch  diese  Kaltblütigkeit  und  Unerschrockenheit  ieistru-  sie 
die  aüerwertvüllst*  n  Dienste,  zu  denen  die  erforderliche  Hube 
einer  mitf^iihlenden  Pornon  abpregangen  wnre.  Dieselhe  Natur- 
aulage  also,  die  m  roheren  Zeiten  waliröclieinÜch  em  ver- 
brecherisdiss  Sehensal  festaltet  hätte,  lenken  die  Yorf^ 
ecbrittenen  gesdlsebatUieben  Verhältnisse  in  die  Bahn  sitfc- 
Jicber  BethAtigong.  Schon  das  rein  nnmeriscbe  Anwachsen 
der  Gruppe,  wie  es  nach  den  obigen  Aaslührungen  die  rich- 
tige Handlungsweise  des  Individuums  zur  fabchen  machen 
vermag  umgekehrt  die  angeborene  oder  sonst  llber- 
heterte  unsittliche  Neigunp:  zu  einer  social  nützlichen  zu 
maeben.  Denn  die  Vermehnint^  der  Gruppe  fordert  in  dem- 
selben Mafäc  auch  DifFerenzieiung;  je  grölser  da»  Ganze  ist, 
desto  nötiger  ist  es  ihm,  bei  der  stets  vorhandenen  Knappheit 
der  Lebensbedingungen,  daCs  —  innerbalb  gewisser  selbst- 
TenHIndlieher  Sehnmken  ^  jeder  sich  andere  Ziele  setee  als 
der  andere  and,  wo  er  sich  die  gleichen  setzt  wenigstens  an- 
dere Wege  zu  ihnen  einschlägt  als  der  miaan»  Dies  muft 
5!ur  Folge  haben,  dafs  Einseitigkeiten,  Bizarrerieen,  individu- 
ellste Neigungen  in  einem  groCsen  Kreide  peei<27iete  Stellen 
und  Möglichkeiten,  sich  in  social  ntttzUcher  VVeiae  auszuleben, 
finden  werden,  wührend  ebendieselben  für  diejenigen  allge- 
meineren Ansprüche  untauglich  machen,  die  der  engere  Kreis 
an  dea  Einseinen  stellt,  und  sich  deshalb  in  diesem  dem  Wesen 
der  Unsittlichkeit  nähern. 

Kodi  durch  die  folgende  Besiebon^  wirkt  die  Vei^^fse- 
rung  des  socialen  Kreises  derart  auf  die  Handlungsweise  des 
Individuums  versittlichend,  dafs  das  Verdienst  davon  dennoch 
nicht  diesem  Kreise  selbst,  sondern,  wie  oben  die  Schuld, 
dem  ZuHamnientreÖen  zweier  Faktoren  zuzusclireiben  i«t,  von 
denen  keiner  es  fUr  sich  allein  in  Anspruch  nehmen  kann, 
in  den  ein£»cben  Verhältnisseu  einer  kleinen  Gruppe  wird 


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42 


X  1. 


der  Einielne  seine  egoistischen  oder  altruistischen  Zwecke^ 
soweit  er  sie  überhaupt  durchseta^n  kann,  mit  relativ  ein- 

fachen  Mitteln  erreichen.  Je  e^rf^fser  sein  socialer  Kreis  wird, 
desto  mehr  Umwege  braucht  er  dazu,  weil  die  komplizierteren 
Verhältnisse  uns  vielerlei  Dinge  wünschenswert  machen,  die 
von  imserer  augenblicklichen  Machuuhäre  weit  entfernt  sind, 
weil  sie  ferner  an  unsere  Ziele  manche  Nelmerfol^e  knüpfen, 
die  ▼ermiedeii  werden  mlisaeiiy  weil  endlieh  das  einselne  toh 
ao  yielen  Bewerbern  geeoeht  wird,  dafs  der  direkte  Weg  anf 
ienee  xn  oft  das  Letzte  ist,  und  die  Hauptsache  in  dem  oft  sehr 
komplinerten  UnachädLichmachen  der  Konkurrenten  und  in 
der  Gewinnung  von  BeistMnflcn  hc^teht,  die  ihrerseits  wieder 
nur  indirekt  nrlanf^har  und  verweiid^Hr  sind.  Die  Folge  von 
alledem  ist,  dai's  zum  Erreichen  des  eigentlichen  egoistischen 
Zieles  wir  in  gröfseren  Kreisen  vielerlei  thun  müssen,  wfu»  mcht 
unmittelbar  egoistisch  ist,  vielerlei  Kräfte  in  Bewegung  setzen, 
die  ihren  eigenen  Gtoselm  und  Zwecken  folgen,  wenn  lie 
auch  iddierilieh  die  nnaeren  fordern.  In  pe  weiteren  Ver- 
hlltniasen  wir  lehen,  desto  weniger  pflegt  die  Arbeit  für  das 
eigene  Glück  dieses  unmittelbar  zu  bereiten,  sondern  besteht 
in  der  Bearbeitung  äufserer  und  hauptsächlich  menschlicher 
Objekte,  welche  dann  erst  lusterweckend  auf  uns  zurück- 
wirken, der  Endzweck  noch  so  sehr  ein  persönlicher  sein 
—  zu  den  Mitteln  mtissen  wir  uns  aus  uns  selbst  entfernen. 
Abgesehen  uuu  davon ,  dafs  dies  die  Sittlichkeit  der  subjek- 
ÜTen  Qettnnung  insofern  fördert,  als  das  ao  erforderliehe 
Kennenlernen  objektiTer  VerhXltniaee  lehr  oft  auch  ein  In- 
tereane  Air  aie  hervorruft  nnd  die  Hingabe  an  andere  Men- 
achen  nnd  Dinge  um  selbstischer  Endzwecke  willen  häu£g  in 
einer  selbstlosen  Hingabe  an  sie  gemündet  hat  —  abgesehen 
hien^on,  sind  die  Umwege  zu  jeneTn  Endzwecke  oft  durchaus 
sitilichcr  Natur;  je  gröfser  der  sociale  Kreis  ist,  je  ent- 
wiikelter  namentlich  die  wiitsch.iftlTchen  Beziehungen,  desto 
häutiger  mufs  ich  den  Interessen  anderer  dienen,  wenn  ich 
will,  daJa  sie  den  meinen  dienen  aollen.  Dies  bringt  «ne 
VeiBtttliehung  der  gesamten  socialen  Lebensatmospli£e  mit 
sieh,  die  nur  deshalb  im  Unbewufiten  zu  bleiben  pflegt,  weil 
die  Endzwecke,  um  derentwillen  sie  entstellt,  egoistische 
sind.  Die  innere  Sittlichkeit  des  Individuums  wird  darum 
zunächst  noch  keine  höhere,  weil  über  dioso  nicht  die  That 
zu  gunstoii  f\ov  anderen,  sondern  die  Gesinnung  entscheidet, 
aus  der  heraiiö  sie  geschieht;  dennoch  müssen  die  thatsäch- 
licheu  Erfolge  sittlich  genannt  werden,  insofern  sie  die  För- 
derung anderer  mit  sich  bringen;  und  da  dies  mit  der  Aus- 
dehnung unserer  Beaiehungen  immer  notwendigeres  Vehikel 
in  nnsem  Zwecken  wird,  so  Ittfst  die  Vergrbfserung  des 
Kreises  uns  thatsüchlich  sittlicher  handeln,  ohne  dafs  wir 
eigentlich  ein  Verdienst  daran  hAtten.   Auch  lisgt  die  Ur> 


X  1. 


I 


48 


aadie  dsvon  lueht  etwm  in  emer  KoDekti^itllidikdt»  sondern 

in  dem  ZuBammentveffen  istischer  Ziele  mit  einer  der- 
arlimi  GiObe  det  locialen  Kreises^  dtSa  jene  nur  durcli  eine 
BeiEe  von  Umwegen  altruistischer  Natur  zu  erreichen  sind. 

In  etwas  höherem  Grade  Ittfst  eine  andere  Station  des 
gleichen  ümwegeä  die  Sittlichkeit  im  Handein  des  Einzelnen 
als  Resultat  einer  Kollektivsittlichkeit  erscheinen.  Nicht  nur 
Menschen  brauchen  wir  zu  unsem  Zwecken,  sondern  auch 
objektive  £inrichtun|[en.  Die  Festsetzungen  des  Rechts,  der 
Sitte y  dor  YerkehrBtormen  jeder  Art,  die  die  Allgemonheit 
sa  ihrem  Nnteen,  d.  h.  im  ntdichen  Interesse,  geprägt  hat, 
erstrecken  eidi  Bchliefjslich  soweit  in  alle  LebeiUYerfaältnisae 
des  Einzelnen  bineiny  data  er  in  jedem  Augenblick  von  ihnen 
Gebrauch  machen  miifH.  Auch  die  egoistischsten  Absichten 
köniK^n,  abgesehen  von  unmittelbarer  Gewaltthat,  nicht  anders 
verwirklicht  werden  als  in  den  social  vorgeschriebenen 
Formen.  Mit  jedem  Male  aber,  wo  man  sich  dieser  Formen 
bedient,  werden  öie  /^e^tärkt,  und  dadurch  muls  die  unäiti- 
Üehifte  Abeidit  gewieaermafsen  der  Sittlichkeit  ihre  Steoer 
entrichten,  indem  sie  die  Formen  anwendet,  in  denen  die 
Öffentliche  Mond  objektiv  geworden  ist.  Es  ist  die  An%ahe 
der  fortschreitenden  Sociausierung,  diese  Steuer  immer  zu  er- 
höhen, so  dafs  der  Weg  zur  Unsittlichkeit,  der  freilich  nie 
raiz  verlegt  werden  kann ,  wenigstens  durch  möglichst  viele 
Gebiete  des  Sittlichen  hinaurchgehen  mufs  und  so  den  Weg 
durch  yie  verbreitem  und  festigen  hilft.  Der  Gauner,  der  eine 
betrügerieche  Transaktion  in  streng  rechtlichen  l  ormen  voll- 
zieht, der  Schurken  der  die  Regeln  der  gesellschaftlichen  Höf- 
lichkeit genan  beohachtet,  der  Sybaril,  dessen  nnaittheh  ▼«r» 
sohwenderische  Ansgdben  sicii  wenigstens  in  dsn  ökonomischen 
Formen  vollziehen,  die  seine  Gruppe  als  die  sweckmalaigstsn 
konstituiert  hat.  der  Heochler,  aer  vm  irgend  welcher  per- 
sönlichen ZwecKe  willen  sein  Leben  nach  religiösen  Normen 
einrichtet  —  sie  alle  leisten  der  Sittlichkeit,  der  Förtlerung 
des  Allgemeinen  sozusagen  im  Vorbeigehen  einen  Beitrag,  an 
dem  das  Verdienst  freilich  nicht  ihrem  Willen,  sondern  der 
socialen  Verfassung  zuzuschreiben  ist,  die  den  Einzelnen  in 
seinen  unsittlichen  Bestrebungen  auf  Wege  zwingt,  auf  denen 
er  den  Offendiehen  Institntionen  nnd  damit  dem  öffentlichen 
Wohle  steuerpflichtig  wird.  ^ 

Die  beeprochene  Abwälzung  der  individuellen  Schuld  auf  ^ 
die  Glesellscbaft  gehört  im  übrigen  zu  denjenigen  Erkennt- 
nissen, deren  Verbreitung:  der  Social pädagogik  bedenklich  er- 
wheinen  könnte.  Denn  xif  möchte  leicht  zu  einer  Art  Abluis 
für  die  persönliche  Schuld  werden,  und  in  demMalVr,  in  dem 
das  Gewissen  sich  erleichtert  fühlt,  dttrfte  die  Veriührung  zur 
That  wachsen.  Der  Gewinn  der  Unsittlichkeit  bleibt  dem 
hktiyidnum,  wahrsnd  soaosagen  die  moraUschen  Unkostm  der 


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44 


X  i. 


Allgemeinheit  sur  Last  fallen.  Fttr  diesee  Verhiltnfs  hftben 

wir  ein  Symbol,  das  aucli  an  sich  fUr  die  Frage  der  KoUek- 
tiYTerantwortlichkeit  wichtig  ist,  an  den  Aktiengesellschahen. 
Wo  persönliche  Haftbarkeit  stattfindet,  da  wird  schon  das 
eigene  Interesse  Tendenz  haben,  vor  allzu  gewagter  Spe- 
kulation, vor  Übei*8chulduiJg,  Überprodnktif»n  ii.  s.  w.  zu  be- 
wahren. Für  den  Vorstand  einer  Akiieugesellschaft  dagegen, 
der  mit  fremdem  Oelde  operiert,  fehlt  dieser  Regulator;  er 
kann  in  ein  Risiko  eintreten,  von  dessen  Gelingen  er  mit  pro* 
litiert,  dessen  MUslingen  aber  weiter  keine  Konsequenien  ftr 
ihn  kst,  als  dals  er  ein&ch  herausgeht,  wenn  die  Sache  %nr 
sammengebrochen  ist,  während  die  Gläubiger  das  Nachsehen 
haben.  Wit  in  jenem  moralischen  Falle  die  Sehuldy  lasten  im 
ökonomischen  die  Schulden  auf  einem  Wesen,  dwwen  Unper- 
sönlich keit  diese  Überwälzung  duldet  uthI  /ti  ihr  verlockt. 
Hier  int  jedoch  recht  zu  beobachten,  wie  em  tortschreiteudcr, 
in  sehr  verwickelte  Verhältnisse  eingreifender  Gedanke  dif- 

'  fereuzicrcnd  wirkt,  d.  h.  Förderung  und  Zuäuitzung  ganz  eut- 
gegengesetster  Tendensen  in  gleichem  Haue  briofft  Denn 
wihrend  .einerseits  die  Erkenntnis  unserer  socialen  Abhftngig- 
kdt  das  individuelle  Gewissen  abstumpfen  kann,  mufs  sie 
dasselbe  anderersttitB  schärfen,  weil  sie  lenrt,  dafs  jeder  Mentjch 
im  Schnittpunkt  unzähliger  so  i aler  Fäden  steht,  so  dafs  jede 
seiner  Handhingen  die  mannichfachsten  socialen  Wirkungen 
haben  ninf«' ;  innerhalb  der  socialen  Gruppe  f)t1lt  sozusagen 
kein  Samenkorn  auf  den  Felsen,  wofür  die  an  keinem  Punkt 
unterbrochenen  Wechselwirkungen  mit  der  lebenden  Gene- 
ration in  Hinäicht  der  Gegenwart,  der  EiüÜufs  Jodes  Thuns 
auf  das  Vmrbungsmateruil  aber  in  Himieht  aar  Zukunft 

^  sorgen.  Die  Besonrinkung  des  Individuums  auf  sieh  selbst 
hOrt  sowohl  a  parte  ante  wie  a  parte  post  auff  so  dafs  die 
sociologischc  Betrachtung  sowohl  seine  Entlastung  wie  seina 
Belastung  steigert  und  sich  so  als  echtes  Kulturprinzip  er- 
weist, das  von  der  Einheit  einer  Idee  aus  differenteste  In- 
halte des  Lebens  zu  weiterer  Ausgeprägtheit  und  Vertiefuug 
differenziert 


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UI. 

Die  Aosdehnang  der  Gruppe  und  die  Ausbiidung 

der  Individualität. 


Bei*  dem  Verbiiitais  zwischen  der  Audbilduug  der  Indi- 
viduaiität  und  dem  socialen  Interesse  ist  vielfach  zu  lieobacliten, 
dafs  die  Höhe  der  ersteren  Schritt  hAlt  mit  der  Erweiterung 
dee  Kreises,  anf  den  sich  das  letitere  erstreckt  Haben  wir 
jBwei  sociale  Gruppen,  M  und  N.  die  sich  scharf  von  einander 
unterscheiden,   sowohl  nach  den  charakteristiseheii  Eigen- 
schaften wie  nach  den  gegenseitigen  Gesinnungen«  deren  jede 
aber  in  sich   ?ius  hoTTiogoiien  und  eng  zusamm<'iih;iiigenden 
KlemenU'n   besteht:  hü  bnn^;t  dit^  gewöhnliche  Kritwicklung 
unter  den  letzteren  eine  steigende  Differenzierung  hervor;  die 
ursprünglich  minimalen  Unterschiede   unter  den  Individuen 
nach  äufserlichen  und  innerlichen  Anlagen  und  deren  Bethä- 
tigung  venelilrfen  sich  durch  die  Notwendigkeit,  den  um- 
ktapnen  Lebensuuteilialt  durch  immer  eigenartigere  Mittel  i 
EU  gewinnen ;  die  Konkurrenz  bildet  bekanntlich  die  Specia-' 
litit  des  Individuums  aus.    Wie  verschieden  nun  auch  der' 
AiH^angsnunkt  dieses  Prozesses  in  M  und  N  gewesen  sei,  so 
mxiiB  er  niese  doch  allmählich  einander  veHihnlichen.  ist 
von  vornherein  wahrscheinlich,  dais,  je  gröfser  die  Unähnlirh- 
keit  der  Bestandteile  von  M  unter  sien  und  derer  von  N  unt*  r 
sich  wird,  sich  eine  immer  wacliM^nde  Anzalü  von  Bildungen 
im  einen  finden  werden,  die  solchen  im  andern  ähnlich  sind; 
die  nach  allen  Seiten  gehende  Ahwetehnng  von  der  bis  dahin  < 

jeden  Complex  für  sich  gütigen  Nonn  mufs  notwendig 
«ine  Annlhemng  der  Glieder  des  einen  an  die  des  andern 


^  Diese«  Rapit<>i  ertchien  in  rerkür^tfr  Fnrm  vor  mehreren  Jahren 
in  der  Zeitschrift  üQr  wissiaiichaft  liehe  i'hiiosophie,  M.  XU,  Heft  1. 


46 


X  1. 


ersengenu   Schon  deshalb  wird  dies  geschelicn,  well  unter 

nocli   80  verschiedenen    socialen  Gruppen  die   Formen  d^r 


einfncheii  Konkurrenz,  dii;  \'('r<;iiu^ng  vieler  Schwacher  ^egon 
einen  Starken,  die  Pleoaexie  Einzelner,  die  Prog^sbion,  ia 
der  einmal  angelegte  individuelle  Verliilitniiätte  sich  bteigem 
Q.  8.  w.  Die  Wirkung  dieses  Prozesses  —  Ton  der  blos  fbr- 
malen  Seite  —  kann  man  häufig  in  der  intemationaleii  Sym- 
pathie beobachten,  die  Ari.stokraten  unter  einander  liegen  und 
die  von  dem  speciti^chen  Jubalt  des  Wesens ,  der  sonst  über 
Anziehung  und  Abstofsung  enticheidet,  in  wunderlicher  Weise 
unabhängig  ist.  Kachdeni  th^r  socinle  Differenzierung8prn7.er8 
zu  der  Scheidung  zwisdien  Hoch  und  Niedrig  geführt  hat, 
bringt  die  blos  fonnule  ThatKache  einer  bestimmten  socialen 
Stellung  die  durch  sie  charakttiH gierten  Mitglieder  der  %^er- 
schiodenartigsten  Gruppen  in  innerliche,  oft  auch  äuTberliche 
/  Beziehung. 

Dazu  kommt,  dafs  mit  einer  solchen  Differenzierung  der 
!  socialen  Gruppe  die  Nötigung  und  Neigung  waehnen  wird, 
'  Aber  ihre  ursprünglichen  Grenzen  In  räumlicher,  ökonomischer 
und  geistiger  Beziehung  hinauszugreifen  und  neben  die  an- 
Oingliehe  OpntriiK'talit^U  der  einzelnen  Gruppe  bei  wachsender 
ln(ljvidii;ili-i'  rung  und  d«dur>-h  eintretena»^r  Repulsion  ihrer 
Elemente  eine  centritugale  Tendenz  als  Brücke  zu  anii«M-n 
Gruppen  zu  setzen,  Wi  nige  Beispiele  wenlon  ftir  diesen  an 
sich  einleuchtenden  Vorgang  genügen.  Während  ursprünglich 
in  den  Zünften  der  Geist  strenger  Gleichheit  hemehte,  der 
den  Etnzeben  einerseits  auf  diejenige  Quantität  und  Qualität 
der  Produktion  einschränkte,  die  alle  andern  gleichfalls  leisteten, 
andererseits  ihn  durch  Nonnen  des  Verkaufs  und  Umsatzes 
vor  Überflttgelung  durch  den  andern  ru  schützen  suchte,  — 
war  dncli  Muf  die  D«uor  nieht  möglich,  diej^en  Zustand  der 
Undirterenziertheit  aufrecht  zu  halten.  Der  durrh  irgend- 
welche Umstände  reich  gewordene  Meister  wolh-^  <ieh  nicht 
Turin  iu  die  Schranken  fügen,  nur  das  eigene  Fabrikat  zu  ver- 


schränkte AnzsJil  von  Gtöhülfen  zu  kalten,  und  Ähnliches, 
t  Indem  er  aber  das  Recdit  dazu,  zum  Teil  unter  schweren 
i Kämpfen,  gewann,  mufsto  ein  Doppeltes  eintreten :iieinmal 
■  mufste  sieh  die  ursprünglich  homogene  Masse  der  Zunft- 
'  genossen  mit  wachsender  Entschiedenheit  in  Reiche  und  Arme, 
lCapit.'di«;tr>n  und  Arbeiter  differenzieren;  nachdem  das  Gleich- 
heitspnnzip  einmal  su  weit  durchbrochen  war,  dafs  Einer  den 
Andern  für  sich  arheiten  lassen  und  .seinen  Absatzmarkt  frei 
nach  seiner  persr>nlichen  Fälligkeit  und  Energie,  auf  seine 
Kenntnis  der  Verhältuisiie  und  seine  Chaucenberechnung  hin, 
wählen  durfte,  so  mtiTsten  eben  jene  perslJnlichen  Eigen- 
schaften mit  der  Möglichkeit,  sich  zu  entfalten,  sich  auch  stei- 


Differ- 


kaufen,  nicht  mehr  als  eine 


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47 


gern  und  zu  immer  schärferen  Öpet  ialisiörungeii  und  Indivi- 
dualisierungen innerhalb  der  QenosstMischaft  und  schliefsiich 
zur  Sprengung  derselben  fuhren.  j.Anderer:it  iLs  al>er  wunl«' 
dnieh  diaie  Umgestaltung  ein  weiteres  Hinausgreifen  über 
dai  bisherke  Abutsgebiet  gegeben;  dadurch ,  £ifii  der  Pro« 
ducent  und  der  Händler,  froher  in  einer  Person  vereuiigt, 
nek  TOD  einander  differenzierten,  gewann  der  letztere  eine 
unvergleichlich  fireiere  Beweglichkeit  und  wurden  früher  un- 
mögliclie  kommerzielle  Anknüpfungen  erzielt.   Die  individuelle 
Freiheit    und    die  Vergröfserung   <\o><    Betrieben   stehen  in 
Wechselwirkuiii::.    So  zeigte  »ich  bei  dem  Zusammen  bestehen 
zünftiger  Beschränkungen  und  grofser  fabrikmUfstger  Betriebe, 
wie  es  etwa  anfangs  dieses  Jahrhunderts  in  Deuuchland  statt- 
finde »teCt  die  Notwendigkeit,  den  letsteren  die  Produktions- 
und  Handeiefireiheit  su  lassen,  die  man  den  Kreisen  kleinerer 
und  engerer  Betriebe  kollektivistisch  einschrftnken  konnte  oder 
wollte.   £b  war  also  eine  zwie£Mshe  Richtung,  in  der  die  Ent- , 
wicklang  von  dem  engen  homogenen  Zunftkreise  aus  führte 
uTid  dif*  in  ihrer  Doppelheit  die  Auflösung  desselben  vorbo-i 
reiten  sollte:   einmal  die  imii viduHlinierende  Differenzierung' 
und  dann  die  an  das  Ferne  anknuptende  Ausbreitung,  r  Dioj 
Geschiclito  der  Bauernbefreiung  zeigt  z.  B.  in  Preufsen  einen ^ 
in  dieser  Beziehung  ähnlichen  Frozefs.    Der  orbunterthänige 
Bauer»  wie  er  in  Preufsen  bis  etwa  1810  existierte,  befiind 
sich  sowohl  dem  Lande  wie  dem  Herrn  gegenüber  in  einer 
eigentOmüchen  Mittelstellung;  das  Land  gehörte  zwar  dem 
letKteren,  aber  doch  nicht  so,  dafs  der  Bauer  nicht  gewisse 
Rechte  auf  dasselbe  gehabt  hätte.  Andererseits  mufste  er  zwar 
dem  Heim  auf  dessen  Acker  frohnden,  bearbeitete  aber  da- 
neben das  ihm  zugewiesene  Land  für  seine  »»ig^^ne  Rechnung. 
Bei  der  Auf hebung  der  Leibeigenschatt  wurd<  nun  dem  Bauer 
ein  gewisser  Teil  seines  bisherigen,  zu  beschränkten  liechten 
beaessenen  Landes  zu  vollem  und  freiem  Eigentum  Übermacht, 
und  der  Chitsherr  war  auf  Lohnarbeiter  angewiesen,  die  sieh 
jätet  anmeist  ans  den  Besitsem  kleinerer,  ihnen  abgekaufter 
Btellen  rekrutierten.  Während  also  der  Bauer  in  den  frUbe* 
ren  Verbältnissen  die  teilweisen  Qualitäten  des  Eigentümers 
und  des  Arbeiters  für  fremde  Rechnung  in  sich  vereinigte, 
trat  nun  scharfe  Difteronziorung  ein:  der  eine  Teil  wurde  zu 
reinen  Eigentümern,  der  andere  zu  reinen  Arbeitern.  Wie 
aber  hierdurch  die  freie  Bewegung  der  Person,  diis  Anknüpfen 
entfernterer  B^iehungen  hervorgeruteu  wurde,  liegt  auf  der 
Hand;  nicht  nur  die  Aufhebung  der  äufserlichen  Bindung  an 
die  Seholle  kam  daftr  in  Betracht^  sondern  auch  die  Stellung 
des  Arbeiters  als  solchen,  der  bald  hier,  bald  dort  angsateltt 
wild,  andereneitB  der  freie  Besits,  der  Veräuiserlichungen  und 
damit  kommeraielle  Beziehungen ,  Umsiedlungen  u.  9*  w.  er- 
mi^icht.  So  begrOndet  sich  die  im  ersten  Sata  ausgesprochene 


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48 


Beobachtung:  die  Differenzierung  und  lndividuaii«ierung  Inckert 
daa  Band  mit  den  Nächsten^  um  daftlr  ein  neues  —  reales  und 
idealM  —  BQ  den  Bntfeniteren  zu  spinnenj 
f  Ein  ganB  entipreclieiides  VerhUtnia  findet  sieh  in  der 
I  Tier-  nnd  Pflanzenwelt.  ^Bei  nnsem  HaoftieiTaaien  (nnd  das- 
selbe  gilt  fUr  die  Kulturpflanzen)  ist  zu  bemerken«  dais  die 
Individuen  derselben  Unterabteilung  sich  schärfer  voneinander 
untei^scheiflpn,  als  es  mit  den  Individuen  einer  entsprechenden 
im  Naturzustände  dti  Fall  ist;  dagegen  stehen  die  Unter- 
abteilungen einer  Art  als  Ganze  einander  näher,  als  m  bei 
unkultivierten  Species  der  Fall  ist.  Die  wachsende  AusbiU 
dang  durch  Kultivierang  bewirkt  also  einerseits  ein  schir» 
ferea  Herrortrelen  der  udividiialitllt  innerhalb  der  eigenen 
Abteflnng,  andererseits  eine  Annäherung  an  die  fremden,  ein 
Hervortreten  der  über  die  ursprQnglioh  homogene  Gruppe 
hinausgehenden  GleicHheit  mit  einer  gröfseren  Allgemeinheit. 
Und  es  stimmt  damit  vollkommen  üherein .  wenn  uns  ver- 
sichert wird,  tlrtis  die  Haustierrassen  unziviÜyi*  rter  Vttlker 
viel  mehr  den  (viiarakter  gesonderter  Bpecies  tragen,  al»  die 
bei  Kulturvölkern  gehaltenen  Varietäten;  denn  jene  sind  eben 
nodi  nicht  auf  den  Standpunkt  der  Ausbildung  gekommen^ 
der  bei  längerer  Zähmung  die  Verschiedenheiten  der  Ab- 
teilungen vermindert,  weil  er  die  der  Individuen  vermehrt 
Und  hierin  ist  die  Entwicklung  der  Tiere  der  ihrer  Herren 
roportional:  in  roheren  Zeiten  sind  die  Individuen  eines 
tammes  so  finheitlicli  und  einander  so  erleich  als  möp^Uch; 
dagegen  stehen  die  iStänuiif  als  (lanze  einander  tronid  und 
feindlich  p:ep:enüber:  je  enger  die  Synthese  innerhalb  des 
eigenen  Staiames,  desto  strenger  die  Antithese  gegenüber  dem 
fimnden;  mit  fortschreitender  Kultur  wächst  die  Differenzie* 
ruiig  unier  den  Individuen  nnd  steigt  die  Annäherung  an  den 
firemden  Stamm.  Dem  entspricht  ea  durchaus,  dab  die  breiten 
nngnbildeten  Masaen  einea  Kulturvolkes  unter  sich  homogener, 
dagegen  von  denen  eines  andern  Volkes  durch  schärfere  Cha- 
rakteristiken geschieden  sind,  als  Beides  untor  den  Gebildeten 
beider  Völker  statthat.  Und  in  Bezug  auf  die  Reflexe,  die 
dieses  Verhältnis  in  den  beobachtenden  (reist  wirft,  muis 
Gleiches  stattfinden,  und  zwar  auf  Grund  der  wichtigen  psycho- 
logischen Regel,  dafs  differente,  aber  zu  dem  gleichen  Genus 
cehörige  und  in  einer  gewiaaoi  Einheit  susammengeiafste 
Eindrlleke  miteinander  rmchmelaen  und  sich  dadurch  gegen- 
aeitig  derart  paralysieren,  dafs  ein  mittlerer  Eindruck  heraua* 
kommt ;  eine  der  extremen  Qualitäten  wird  durch  die  andere 
ausgeglichen,  und  wie  die  äufserst  verschiedenen  Farben  das 
farblose  weif^o  TArht  zusammensetzen,  so  bewirkt  eine  Mannich- 
faltigkeit  sehr  vorschietien  veranlagter  und  bethätigfcer  Peraön- 
lichkeiten,  dals  das  Ganze,  in  dem  die  Vorstellung  sie  zu- 
sammen fafst,  einen  indiüerentercn ,  der  schart  kantigen  Ein- 


XI. 


•eitigkeit  entbehrenden  Charakter  trägt  Die  Keibungzwi^ 
•chen  »eliarf  au^ebiUetan  IsdiridiiaUtUeBy  die  In  der  Wiik- 
lid^eit  SQ  Attigleiclniiigen  oder  Konflikieii  fBihH,  findet  ameh 
im  subiektiven  Geiste  statt  Je  differenzierter  ein  Kreis  seinen 
Bcstandtenen  nach  ist,  desto  weniger  wird  er  als  ganaer  einen 
individnellen  Eindruck  machen,  weil  jene  sich  sozusagen  gegen- 
BPi'tic:  nicht  zu  Worte  kommen  lassen ,  sich  gegenseitig  zu 
einem  Durehschnittseindruck  auHieben,  der  um  so  unbestimmter 
sein  wird,  je  mehre  und  je  verschiedenere  Faktoren  zu  ihm 
zusammenwirken.  ^ 

l>ieser  Gedanke  lä(st  sich  auch  veraUfi^emeinemd  so  i 
wenden  y  dafs  in  jedon  Menidieii  oeleria  parons  gleiebiain  \ 
«ine  miverliidcrliclie  Proportion  swiadieD  aam  bMUTidmllen  > 
und  den^  Socialen  besteht,  die  nur  die  Form  weehaelt:  je  1 
enger  der  Kreis  ist,  an  den  wir  uns  hingeben,  desto  weniger 
Freiheit  der  Individualität  besitzen  wir;  daftir  aber  ist  dieser 
Kreis  selbst  etwas  Individuelles,  scheidet  sich,  eben  weil  er 
ein  kleiner  ist,  mit  scharfer  Begrenziinp;  g^en  die  tibrigen 
uh.  Die  Kocinle  Ordnung  des  Quäker tums  zeig^  dies  recht 
klar.  Als  Ganses,  &I0  Keli^onsprinzip  von  dem  extremsten 
Individualismus  und  Subjektiyiflmus,  bmdet  es  die  Gemeinde- 
^eder  in  bOehBt  dmelifennige,  demokraliacbe,  alle  indivi* 
dlldien  üntenduede  möglichst  ansaehliefsfinde  Lebens-  nnd 
Wesensart;  daftr  mangelt  ihm  aber  jedes  Ventändnis  ftr  die 
kohere  staatliche  Einheit  und  ilire  Zwecke,  sodaTs  die  Indi- 
vidualität der  kleineren  Gruppe  einerseits  aie  der  Einzelnen, 
andererseits  die  Hirgabe  an  die  gro&e  Gruppe  ausschliefst. 
Und  nun  stellt  sich  dies  im  einzelnen  darin  dar:  in  dem,  was 
Gemeindesache  ist  in  den  gottesdienstlichen  Versammlungen, 
darf  jeder  als  Prediger  auftreten  und  reden ,  was  nnd  wann 
es  ihm  beliebt*,  dagegen  wacht  die  Gemeinde  Uber  die  nersön- 
Uehcn  AsgelegBiilieiteny  s.  B.  die  Ebesohlielsung,  sodan  ^Beie 
ohne  Einwilligung  einet  snr  Untersuchnng  des  FaUes  ein- 
geselitn  Konutees  nieki  stattfindet  Sie  sind  also  individueQ 
nur  im  Ckmansamen,  aber  social  gebunden  im  Indiyidaellen. 
Und  nun  entspreehend :  erweitert  sich  der  Kreis,  in  dem  wir 
uns  bethätigen  und  dem  unsere  Interessen  gelten,  so  ist  darin 
mehr  Spielraum  f^r  die  Entwicklung  unserer  Individuali tfit; 
aber  als  Teile  dieses  Ganzen  haben  wir  weniger  Eigenart^ 
di&^e«  letztere  ist  als  sociale  Gruppe  weniger  individuell. 

Wenn  so  die  Tendenaen  aurlndividuiuisierun^  eincröeits, 
nir  ündifcrenmerdieit  andererseiti  sieh  derart  gleieh  Ueiben, 
dafs  es  rdativ  ^eichgillig  ist,  ob  sie  sidi  auf  dem  reb  per- 
sönlichen oder  anf  dem  Gebiet  der  socislen  Gemeinschaft,  der 
die  Penon  angeh()rt,  rar  Geltung  bringen  ^  *^  so  wird  das 
Plus  an  Individualisierung  oder  ihrem  Gegenteil  auf  dem 
einen  Gebiet  ein  Minus  auf  dem  andern  fordern.  Auf  diese 
Weise  kommen  wir  zu  einer  allgemeinsten  Nonn,  welcher  die 

r«nck8afw  <4D  X  1.  —  Siauoci.  4 


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60 


€hrO(aenunteraduede  der  socialen  Gruppen  nur  die  häufigste 
€tolcig6nheit  zum  Hervortreten  Rieten,  die  sich  indes  auch 

aus  andern  Veranlassungen  zeigt    So  bemerken  wir  z.  B.  bei 
gewissen  Völkern,  wo  duH  Ext^a^':l^;lTUe,  ITberspanntp,  In^uien- 
haft  Impulsive  sehr  voriierrscht,  doch  eine  sklavische  Ft's^e- 
lung  an  die  Mode.    Die  Verrttcktlioit,  die  Einer  be^(  lit,  wird 
Hutomatenhaft  von  allen  andern  nachgeäfft.    Andere  dagegen 
mit  mehr  nüchterner  und  soIdMuci  zugeechnittener  Form 
dee  Lebens,  die  als  Ganzes  lange  nicht  so  hnnt  ist,  haben 
doch  einen  viel  stärkeren  Individualitätstrieb ,  unterscheiden 
sich  innerhalb  ihres  gleichibmugen  and  einfachen  Lebens* 
Stiles  viel  schärfer  und  präfipianter  voneinander,  als  jene  in 
ihrer  bunten  und  wechselnden  Art.    So  liat  also  einerseits 
das  Ganze  sehr  individuellen  Charakter,  aber  seine  TeiU«  sind 
untereinander  sehr  «gleich;  andererseits  ist  das  Ganze  üii  bioscr, 
weniger  nach  einem  Extrem  zu  gebildet,  aber  seine  Teile  sind 
untereinander  stark  differenziert    Im  Augenblick  indessen 
kommt  es  uns  hauptsächlich  auf  das  KonrelatioiiSTerliiltnit 
an,  das  sicii  an  den  Umfang  der  socialen  Kreise  knttpft  und 
die  Freiheit  der  Gruppe  mit  der  Gebundenheit  des  Indivi- 
duums au  verbinden  pflegt;  ein  gutes  Beispiel  davon  seigt 
das  Zusammenbestelv  n  kommunaler  Gebundenheit  mit  politi- 
scher Frtnheit,  wie  ^^  ir  es  in  der  ruösischen  Verfassung  der 
vorzarisi  hen   Zeit  hnden.     Besonders    in    der   Epoche  der 
Monjtcol eilkämpfe  gab  es  in  Rufsland  eine  groi'se  Anzahl  terri- 
torialer Einheiten,  FtlrstentUmer,  biädte,  Dorfgemeinden,  welche 
untereinander  von  keinem  einheitlichen  staatlichen  Bande  zu- 
sammengehalten wurden  und  also  als  Qnme  grofscr  politi- 
Boher  Freiheit  grossen:  dafür  aber  war  die  Gebundenheit 
des  Lidividuunis  an  die  kommunale  Gemeinschaft  die  denkbar 
engste,  so  selir,  dafs  Uberhaupt  kein  Privateigentum  an  Grund 
und  Boden   bestand,   sondern  allein  die  Kommune  diesen 
besafs.    Der  engen  Einge^chlossenheit  in  dfn  Kreis  rler  Ge- 
meinde, die  dem  Individuum   den  persunliehen  Besitz  und 
gewilä  auch  oft  die  persönliche  Beweglichkeit  versagte,  ent- 
sprach der  Mangel  an  bindenden  Beziehungen  zu  einem  wei- 
teren politischen  Kreise.   Die  Kreise  der  socialen  Interessen 
liegen  konzentrisch  um  uns:  je  enger  sie  uns  umsohlie&en, 
desto  kleiner  müssen  sie  sein«  Nun  ist  aber  der  Mensdi  nie 
blofses  Kollektivwesen,  wie  er  nie  bloüses  Lndividualwesen  ist; 
darum  lumdelt  es  sich  hier  natürlich  nur  vaa  ein  Mehr  oder 
Minder  und  nur  um  einzelne  Seiten  und  Bestimmungen  der 
Existenz,  an  denen  sich  die  Entwicklung  vom  Übergewicht 
des  Einen  zu  (\f^m  des  Andern  zeigt    Und  die^e  Entwicklung 
wird  Stadien  lialx  n  köiuu  n,  in  denen  die  Zugehörigkeiten  zu 
liom  kleinen  wie        dem  gröiseren  socialen  Kreise  neben- 
einander in  charakteristischen  Folgen  hervortreten.  Während 
also  die  Hingabe  an  einen  engeren  Kreis  im  allgemeinen  dem 


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51 


Bestände  der  Inclmdiialitit  als  solcher  weniger  gOnstig  ist  als 
Ibre  Existenz  in  einer  möglichst  grofsen  AUgemeinheit,  Ist 
psychologisch  doch  zu  bemej*ken,  dafs  innerhalb  einer  sehr 
erofren  Kulturgeraeinschaft  die  Zugehörigkeit  zu  einer  Familie 
die  Individualisierung  befördert.     Der  JEinzelne  vermag  sich 

fegen  die  Gesamtheit  nicht  zu  retten;  nur  indem  er  einen 
'eil  seines  absoluten  Ich  an  ein  paar  andere  aufgiebt,  sich 
mit  ihnen  zusammenschliefst,  kann  er  noch  das  Gefiihl  der 
Individualität  und  zwar  ohne  fihertriehenes  AhschlieTsen,  ohne 
Bitterkeit  und  Absonderlichkeit  wahren.  Aach  indem  er  seine 
Persönlichkeit  und  seine  Interessen  nm  die  einer  Reihe  an- 
derer Personen  erweitert,  setzt  er  sich  dem  tlhngen  Ganzen 
sozusagen  in  breiterer  Masse  entgegen.  Zwar  der  Individua- 
lität im  Sinne  des  Sonderlingtums  und  der  Innormalitilt  jeder 
Art  wird  durch  ein  famiiienloses  Leben  in  einem  weiten  Kreise 
weiter  Spielraum  gelassen;  aber  für  die  Differenzierung,  die 
dann  auch  dem  gröfsten  Ganzen  zugute  kommt,  die  aus  der 
Kraft,  aber  nicht  aus  der  Widerstandslosigkeit  gegenüber  ein* 
seitigen  Trieben  hervorgeht  —  fllr  diese  ist  die  Zogehttrigkeit 
SU  einem  engeren  Krose  inno^ialb  des  weitesten  oft  von 
Nutzen,  vielfach  freilich  nur  als  Vorbereitung  und  Übergang. 
Die  Familie,  deren  Bedeutung  zuerst  eine  politisch  reale,  mit 
wachsender  Kultur  mehr  und  mehr  eine  psychologisch  ideale 
ist.  bietet  als  Kollektivindividuum  ihrem  Mitglied  einerseits 
eine  vorläufige  Differenzierung,  die  es  auf  diejenige  im  Sinne 
der  absoluten  Individualität  wenigstens  vorbereitet,  andererseits 
einen  Schutz,  unter  dem  die  letztere  sich  entwickeln  kann, 
bis  sie  der  weitesten  Allgemeinheit  gegentlber  bestandsfahig 
ist  Die  Zugehörigkeit  zu  einer  Famäle  stellt  in  höheren 
Kulturen,  wo  doch  zugleich  die  Rechte  der  Individualität  und 
der  weitesten  Kreise  sich  geltend  machen,  eine  Mischung  der 
charakteristiachen  Bedeutung  der  engen  und  der  erweiterten 
aoeialen  Gruppe  dar. 

Wenn  ich  oben  andeutete,  dafs  die  gröfste  Gruppe  den 
extremen  Bildungen  und  Verbildungen  des  Individualismus, 
der  misauthropischen  Vereinzelung,  den  barocken  und  launen- 
haften Lebensformen,  der  krassen  Selbstsucht  gröfseren  Spiel- 
raum gewährt,  so  ist  dies  doch  nur  die  Folge  davon,  dafs  die 
weHere  Gruppe  geringere  Ansprttdie  an  uns  stellt,  sich  weniger 
um  den  Eimwlnen  kümmert  und  deshalb  das  volle  Auswachsen 
auch  der  perversesten  Triebe  weniger  hindert  als  die  engere. 
Die  Gröfse  des  Kreises  trägt  also  nur  die  negative  Schuld, 
und  03  handelt  sioh  mehr  um  Entwicklungen  aufserhalb  als 
innerhalb  der  Gruppe,  zu  welch'  (jrstcren  die  gröfsere  ihren 
Mitgliedern  mehr  Siöglichkeit  giebt,  als  die  kleinere.  Wah- 
rend dies  einseitige  Hypertrophieen  sind,  deren  Urr^ache  oder 
deren  Folge  eine  Schwäche  des  Individuums  ist,  sehen  wir 
doch  auch,  wie  gerade  in  der  Einseitigkeit,  die  die  Stellung 

4' 


üiyitizcü  by  GoOglc 


52 


X  1. 


I  in  einer  grofsen  Qitme  mii  nefa  bringt,  eine  unvergleichfidi 
I    starke  KnaAqiielle  fliast  und  zwar  nicht  nur  fUr  die  Qesfiint- 
keit;  sondern  auch  ftir  den  Einzelnen.   Durch  nichts  wird 

diV^  klarer  dargelegt^  als  durch  die  unzählige  Male  >>eobaclitete 
Tliar.saclie,  dafs  l*ersnr)en,  die  in  einem  be.stimn]t<'ii  Wirkungs- 
kreise alt  geworden  «ind,  unmittelbar  nach  dem  Ausscheiden 
auB  denselben  die  Kräfte  verlieren,  durch  die  sie  bisher  ihren 
Beruf  ganz  zureichend  erfUllt  haben;  nicht  nur,  dafs  dieses 
Kraftqnantum,  ntdit  mehr  ISugs  der  gewohnten  Balmen  ver- 
lanfend,  sidi  nicht  in  nen  gebotene  hindnfindeD  kann  und 
deshalb  modert^  sondern  die  gesamte  Persitailichkeit  in  allen 
ihren,  auch  aufserhalb  des  Berufes  liegenden  Bethätigungen 
klappt  in  der  Mehrzahl  solcher  FiÜle  zusammen,  sodafs  es 
uns  nachtrÄglich  scheinen  mag,  als  habe  der  Organismus  an 
unfl  für  sieh  schon  lange  nic'tt  mclir  dip  zu  »einer  Bethäti- 
giui^  ( rfürderiichen  Kräfte  beaeasen  und  habe  gerade  mir  in 
dieser  bestimmten  Form  derselben  ein  in  ihm  selbst  eigentlich 
nicht  mehr  liegendes  Vermögen  entfalten  können  . —  ungefähr 
wie  man  aich  ron  der  Lebenakraft  Tomtellte,  daTs  sie,  Uber 
die  Uofi  natllriichei^  in  den  Bestandteilen  des  Körpers  wob- 
nenden  Krifte  hinaus,  den  diemiachen  nnd  physikalischen 
Wirkungen  in  demselbiBn  noi^  eine  besondere,  der  apecififlchen 
Form  des  Organischen  eigeno  Kraft  hinzufügte.  So  gut  man 
min  dipsf  dt'm  Leben  abgesjnochcn  und  die  scheinbar  durch 
dasselbe  erzeugte  Krnftgumme  auf  fine  besondere  Zusammen- 
stellung der  Bonst  b>  kannten,  im  itatiirlichen  Kreislauf  befind- 
lichen Kräfte  zurückgeführt  hat,  so  gut  wird  man  den  ener- 
gischen Zusammenhalt  der  Persönlichkeit  nnd  den  Kraft- 
snaehnla.  den  der  Beruf  uns  su  verleihen  nnd  den  die  Folgen 
des  VerayHieiiB  desselben  sn  beweisen  scheinen,  nnr  als  eine 
besonders  günstige  Anpassung  und  Anordnung  der  anch  sonst 
in  der  Persönlichkeit  vorhandenen  Kräfte  erkennen ;  die  Form 
erzeugt  eben  keine  Kraft.  Wie  nun  aber  dennoch  das  Lieben 
t)i ritsächlich  eben  die^  besondere,  mit  nichts  anderem  ver- 
gleichbare Kombination  und  Konzentration  der  Naturkräfte 
ist,  so  bewirkt  auch  der  Beruf  durch  die  Art,  wie  er  die 
Kräfte  des  Individuums  uuorduet,    eben  doch  Eutfaliuiigen 

nnd  Bwec&mäfsige  Znaammenfifuwnngen  dmelben,  die  sonst 
nmnöglich  wflren.  Und  da  nar  innerhalb  einer  grofsen  nnd 
sehr  arbeitsteilig  gegliederten  Gruppe  diese  specinsehe  Foitn* 
gebnng  für  den  Einzelnen  stattfinden  kann,  so  wurd  auch  anf 

diesem  Wege  wieder  durchsichtig,  in  wie  engem  Zusiumnen- 

hange  die  Kräftigung  und  Durchbildung  der  Persönlichkeit 
mit  dem  Leihen  innerhalb  eines  gröföten  Kreis«  s  steht. 

Aus  weiter(*r  Entwicklung  dieses  ZusanimenhangeR  ver- 
stehen wir,  dafs  eine  starke  Ausbildung  der  Individualität 
und  eine  starke  Wertschätzung  derselben  sich  häufig  mit 
kosmopolitischer  Gesinnung  paart,  dafs  umgekehrt  die  Hingabe 


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S8 


an  «ine  engbegrenitB  sociale  Gruppe  beides  yerhindert  Und 
dia  tafimrea  Formen,  in  denen  die  Gesinnong  «ich  ausspricht, 
folgen  dem  gleichen  Schema.    Die  Renaissanceaett  bildete  in 

Italien  einerseits  die  vollkomniene  Individualität  aus,  anrlerfr- 
seits  die  weit  über  die  Grenzen  der  ong«  ren  socialen  Um- 
gebung hinausgehende  GcBiunung"  und  Gesittung;  dies  spricht 
nch  direkt  z.  B.  im  Worte  Dantes  aus,  dafa  —  bei  all  seiner 
leidenachafÜidieu  Liebe  zu  Florenz  —  ihm  und  seinesgleichen 
die  Welt  das  Valeriand  aei,  wie  daa  Heer  den  Fiaehen;  in- 
direkt und  gleiehaam  a  posteriori  beweist  es  sieh  dadufck 
dsGi  die  Lebensfomen,  die  die  itaUeDiaelie  Renaissance  Bchn^ 
▼OB  der  ganzen  gebildeten  Welt  angenoimiisn  weiden  sind 
und  zwar  gerade,  weil  sie  der  Individualitftt,  welcher  Art  sie 
auch  immer  »ei,  einen  vorher  ungeahnten  Spielraum  g"a])on. 
Als  Symptom  dieser  Entwicklung  nenne  ich  nur  die  Oüring- 
schatzung  dt.ä  Adels  in  dieser  Epoche.  Der  Adel  ist  nur  so 
lange  von  eigentlicher  Bedeutung,  aU  er  einen  i^ocialen  Kreis 
beMichnet,  der,  in  steh  eng  zusammengehörend,  sich  um  so 
enofgiseher  von  der  Masse  aller  anderen  und  zwar  nach  unten 
und  nach  oben  abhebt;  seinen  Wert  zu  leugnen  bedeutet 
das  Dnrdibreehen  beider  Kennzeichen,  bedeutet  einerseits  die 
Ei^enntnis  vom  Werte  der  PorsOnliehkei^  ^eichTiei  welchem 
Oeburtskreise  sie  angehört,  andererseits  eine  Nivellierung 
gegenüber  (lenjenigen,  über  die  man  sich  sonst  erhoben  hat. 
Und  beide»  hiidet  sich  thatsäcbüch  in  der  Litterator  jener 
Zeit  deutlich  ausgesprochen. 

Aus  solchen  ZusammenhlUigen  erklärt  sich  übrigens  der  I 
Verdacht  der  Hendosigkeit  nnd  des  Egoismus,  der  so  hfl«£ig 
auf  gTofsen  Mtonem  lastet»  weil  <jüe  objektiTen  Ideale^ 
ron  denen  sie  entflammt  sind,  nach  ihren  Ursachen  und  Folgen 
weit  über  den  engeren  sie  umgebenden  Kreis  hinansreiehen 
und  die  Möglichkeit  dazu  eben  in  dem  starken  Herausreden 
ihrer  Tndi\nmialität  über  den  socialen  Durchschnitt  gegeben  ist; 
um  so  weit  sehen  zu  können y  muCs  man  tlber  die  l^ilichst- 
stcheaden  hin  wegblicken. 

Die  bekannteste  Analogie  dieses  Verhältnisses  bietet  der 
Zusammenhang,  den  Repubiikanismus  und  Tvrannis,  Nivelle- 
ment nnd  Despotismus  und  iwar  sowohl  nn  Naeheinander 
wie  im  Zugleicn  aufweisen.  AUe  Ver&ssung,  die  ihren  Cha- 
Tskter  von  der  Aristokratie  oder  der  Bourgeoisie  entlehnt, 
kurz,  die  dem  socialen  und  politischen  Bewufstsein  eine  Mehr- 
zahl aneinander  grenzender  engerer  Kreise  bietet,  drängt,  so- 
bald sie  überhaupt  über  sich  hinauswill ,  einerseits  nach  der 
Vereinheitlichung  in  f-iner  persönlichen  führenden  Gewalt, 
andererseits  zum  Socialismus  mit  anai-chischem  Anstnch,  der 
mit  dem  Auslöschen  aUer  Unterschiede  das  absolute  Recht  der 
freien  Persönlichkeit  herstellen  will.  So  fUhrte  der  PoIy- 
Mraa»  des  Altertums  mit  seinen  bkal  geeefaiedenen  und  m 


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vielfachen  Verhältnissen  der  Über-  und  Nebenordnung  stellenden 
Bezirken  giUtlicher  WirLsamkeiten  gegen  Beginn  unserer  Zeit- 
rechnung aufwärts  zum  Monotheismus,  abwärts  zum  Atheismus; 
■0  haX  der  JesnitismiiB  im  Ge^enMts  m  der  aristokmtiw^en 
KirobenTer&Mimg  eineneits  eine  gleichmtushende  Demagogie, 
andererseits  einen  päpstlichen  ÄbiolutiRmas  sn  Zielpunkten. 
Deshalb  ist  das  NiveUement  der  Massen  in  der  Regel  da* 
Korrelat  des  Despotismus,  und  deshalb  läTst  gerade  diejenige 
Kiri'he,  die  am  energischsten  in  einer  persönlichen  Spitze 
gipfelt,  die  Individualität  ihrer  Bekenner  am  wenigsten  auf- 
kommen und  hat  den  mei-^ten  Erfolg  im  Aufbau  eines  welt- 
umspannenden, die  Persönlichkeiten  als  solche  möglichst  nivellie- 
renaen  Reiches  gehabt. 

In  diesen  Beispielen  nimmt  unsere  Korrelation  swischen 
individualistischer  und  kollektivistischer  Tendens  also  eine 
andere  Form  an:  die  Erweiterung  des  Kreises  steht  mit  der 
Ausbildung  der  Persönlichkeit  nicht  fiir  die  Angehdrigen  de* 
Kreises  selbst  in  Zusammenhang,  wohl  ^ber  mit  ner  Idee  einer 
höch:>ten  PcrHrtnlichkeit,  an  die  gleicheani  diT  ii:rlividaelle 
Wille  abgegeben  wird,  die  dafUr,  wie  in  anderer  Beziehung 
die  Hcilijrojj.  Stellvertretung  übernimmt 

Die  iuiit Wicklung,  die  von  der  engeren  Gruppe  aus 
gleichseitig  cor  IndiTraualisierung  und  mr  gisateigertian  oodsli- 
siernng  lutirt  l^ucht  freilich  nicht  immer  beides  in  gleichem 
MaTse  zu  realisieren >  sondern  das  eine  Element  kann  unter  • 
Umständen  das  andere  sehr  überwiegen,  da  es  sich  ja  nicht 
um  eine  metaphysische  Harmonie  oder  um  ein  Naturgesetz 
handelt,  das  mit  innerer  Notwendigkeit  jerJe?'  Qnnntuin  des 
einen  mit  dem  gleiclieii  des  andern  verbände,  sondern  das 
ganze  Verhältnis  nur  als  ein  sehr  allgemeiner  ausammen- 
fassender  Austlruck  für  diis  Ki*sultat  sehr  komplizierter  und 
modifizierbarer  historischer  Bedingungen  gelten  darf.  Wie 
oben  schon  angedeutet,  begegnen  wir  auch  dem  Fall,  dafs 
die  Entwicklung  nicht  nach  beiden  Seiten  sugleich,  sondern 
vor  die  Aitemative  zwischen  beiden  führt  und  doch  auch  so 
die  Korrelation  zwischen  ihnen  beweist.  In  sehr  bewufster 
Weise  zeigt  dies  eine  Phase  in  der  Geschichte  der  Allmend, 
des  KoJlektivbesitzes  der  schweizerischen  TTemeinden.  Inso- 
weit dif  Allmenden  in  den  Besitz;  von  Teilgtunninden,  Orts-  und 
Dorfkf>rp(natioiien  ub<'r«regangen  sind,  werden  sie  jetzt  in 
einigen  Kantonen  (Zürich,  6t.  ü allen  u.  a.j  von  der  Gesetz- 

Sebung  mit  der  Tendenz  behandelt,  dieselben  entweder  an 
ie  einzelnen  Genossen  au&uteilen,  oder  an  grOfsere  Land- 
gemeinden ttbeigehen  zu  lassen,  weil  jene  kleinsten  VerbMnde 
eine  zu  geringe  personale  und  territoriale  Basis  besfifsen,  um 
ihren  Bcmtz  für  das  Öffentliche  Wesen  recht  fruchtbar  wmen 
zu  lassen. 


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Man  könnte  vielleicht  das  jc^finze  Verhältnie,  dan  wir  hier 
meinen  und  das  in  den  maimichfachstt  n  Modis  de»  Zugleich, 
de«  Nncheinaruler,  dei^  i'jütvvetler-Oder  (rt '^it<llt  gewinnt,  H>Tn- 
boliscii  so  ausdrücken,  dafs  die  engere  Gruppe  gcwisöcmiafsen 
eine  mittlere  Proportiüiiale  zwischen  der  erweiterten  und  der 
Individiulitftt  Ime^  ao  dab  jene^  in  sich  gc«chlo«aen  nnd 
keines  weiteren  Fnkton  bedtlriend,  das  gk^che  Besnltat  der 
LebensmOglichkeit  ei|;iebty  das  ans  dem  Zusammen  der  beiden 
letzteren  hervorgeht.  So  hatte  a.  B.  die  Allgewalt  des  römi- 
schen Staatsbegriffes  zum  Korrelat,  dafs  es  neben  dem  ius 

Sublienm  ein  ius  privatum  gab;  die  fiir  nich  ftusgeprägto  Ver- 
altun^';siiorm  j«*!ies  allumfassenden  Ganzen  tordcrte  eine  ent- 
gprecliende  für  die  Individuen,  die  es  in  sich  schlofs.  Es  gab 
nur  die  Gemeinschaft  im  gröfsten  Sinne  einerseits  und  die 
einzelne  Person  andererseits :  das  älteste  römische  Recht  kennt 
keiiie  Koiporationen,  und  dieaer  Geiat  Ueibl  ihm  im  all^e- 
memen.  UiQgekehrt  giebt  es  im  deatsohen  Recht  kerne 
andern  Bechtsgrundsätze  ffXr  die  Gemeinachafit  wie  ftlr  die 
Emaelnen;  aber  diese  Allgemeinheiten  sind  nim  aach  nicht 
die  allumfassendeu  des  rOmischen  Staates,  sondern  kleinere, 
durch  die  wechselnden  und  manniehfaltigcn  B^^dürfniBse  der 
Einzelnen  hervorgerufene.  In  kleineren  Gemeinwesen  bedarf 
es  nicht  jener  Abtrennung  des  öffentlichen  Rechts  vom  pri- 
yaten,  weil  das  Individuum  in  ihnen  inniger  mit  dem  Gamsen 
▼erbunden  ist 

£•  iat  nur  eine  Folge  des  Gedankens  einer  soldien  Be-. 
sEehiuig  swiachen  Individuellem  and  Socialem,  wenn  wir  sagen:! 
ja  mehr  statt  des  Menschen  als  Socialelementes  der  Mensch  < 
«la  Individuum  and  damit  di(|ienigen  Eigenschaften,  die  ihm 

blofs  als  Menschen  zukommen ,  in  den  Vordergrund  des 
Interesses  treten,  desto  enger  Tnuis  die  Verbindung  sein,  die 
ihn  gleichsam  über  den  Kopf  seiner  socialen  Gruppe  hinweg 
zu  allem,  was  idierhaupt  Mensch  ist,  hinzieht  uufl  ihm  den 
Qedanken  einer  ide^den  Einheit  der  Meubchcnwclt  nahe  legt. 
Für  diese  Korrelation  liefert  die  stoische  Lehre  ein  dentliches 
BeiapieL  Wahrend  der  poÜtiaeh  sociale  Znsammenhaagy  in 
dem  der  Kinzehie  steht,  noch  bei  Aristoteles  den  Quellpunkt 
der  etfaischen  Bestimmungen  bildet,  heftet  sich  das  stoische 
Interesse,  was  das  Praktische  betrifft,  eigentlich  nur  an  die 
Einzelperson,  und  die  Heranbildung  des  Individuums  zu  dem 
Ideale,  welchem  da^  System  vorf^chricb,  wurde  so  ausschliefslich 
zur  Aegide  der  stoisclu  n  I'i  axis,  dals  der  Zusammeuhaug  der 
Lndividuvii  untereinander  nur  ak  Mittel  zu  jenem  idealen  in- 
dividualiotibciicn  Zweck  erscheint.  Aber  dieser  freilich  wird 
ieiiiMii  Inhalt  nach  von  der  Idee  einer  allgemeinem  durch  aUes 
Einaelne  hindorchgehenden  Vernunft  bestimmt  Und  an  dieser 
Vemunft,  deren  ^alisierung  im  Individuum  das  stoische  Ideal 
bildel^  hat  jeder  Mensch  TeU;  sie  schlingt,  ttber  alle  Schranken 


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der  Naüonaiität  und  der  socialen  At^p^azung  hinweg,  ein 
Band  der  Gleichheit  und  Brüderlichkeit  um  alleft,  w<i8  Menwh 
heifflt  Und  »o  liat  denn  der  Individualismus  der  Öboikor 
ihren  KosmopoIitismiiB  cum  Komdlement;  die  Sprengung  der 
eogerai  uocüSkn  Baader  in  jener  X^»odie  nicht  wenlror  dnnh 
die  politiMhen  VerhiltniMe  wie  doxch  theoretitche  Üterlapuig 
begünstigt y  schob,  unserm  Torangeftellten  Prinnp  smlgei 
den  Schwerpunkt  des  ethischen  InteresM  einerseits  nach  dem 
Individuum  hin,  andererseits  nach  jenem  weitesten  Kreise,  dem 
jedes  menschliche  Individuum  als  solches  angehört,  Daf«  die 
Lehre  von  der  Gleichheit  aller  MenHchen  häuiige  Verbindungen 
mit  einem  extremen  IndividuaiLsiiiob  eingeht,  verstehen  wir 
aus  diesem  und  den  folgenden  GrUnden.    Es  liegt  ps^cholo- 

tisch  nahe  genug,  dals  die  furchtbare  Ungleichheit,  in  welche 
er  Einielne  in  gewissen  Epochen  der  Socielgeschichte  hinein- 
geboren wurde,  die  Reaktion  nach  zwei  Seiten  hin  eatfosadte: 
aewohl  nach  der  Seite  des  Rechts  •  der  Individualität ,  wie 
nach  der  der  allgemeinen  Gleichheit;  denn  beides  nflegt  im 

fleielien  Grade  den  gröfsoren  MaRsen  zu  kurz  zu  kommen, 
[ur  au8  diesem  zweiseitigen  Zusammenhange  heraus  ist  eine 
J^rscheiuung  wie  Rousseau  su  verstellen;  und  die  steigende 
Kutwicklung  der  allgemeinen  Schulbildung  zeigt  dieselbe 
Tendenz:  sie  will  einert^^its  die  schroÜ'eu  Unterschiede  der 
geistigen  Niveaas  beseitigen  und  gerade  dnidi  die  HersteHung 
einer  cewissen  Gleichheit  iedem  Etnselnen  die  früher  yersagte 
Höglidkieti  mr  Geltendmachttiig  seiner  individuellen  Be- 
fiUiigungen  gewihren.  Ich  glaube  sogar,  dafs  die  VorsteUung 
der  allgemeinen  Gleichheit  psychologisch  durch  nichts  melir 
^efHrdert  werden  kann,  als  dureh  oin  scharfes  Bemifstsein 
von  dem  Wesen  und  dem  Werte  der  Individualität,  von  der 
Thatsache,  dafs  jeder  Mensch  doch  ein  Individuum  mit  cha- 
rakteristischen, in  genau  dieser  ZuhaiunitjjKsetzung  nicht  zum 
zweiten  Male  auftindbaieu  Eigeoschafteu  ist;  gleichviel  wie 

diese  Eigenschafien  inbeltlich  beschaffen  s«en:  die  Fora  der 
individnalitit  kommt  doch  jedem  Menschen  sn  und  bestimmt 
seinen  Wert  gemäfs  dem  Seltenheitsmoment  Hierdurch  wird 
eine  formale  Qleichheit  geschaffen;  gerade  wenn  jeder  etwaa 
Besonderes  ist,  ist  er  insoweit  jedem  andern  gleich.  Und  das 
Dogma  vom  absoluten  Ich.  von  der  pers^^nliehen  unsterblichen 
Seele,  die  jedem  Menschen  eigen  sei,  muibte  mehr  aly  alles 
andere  zu  der  Vorstellung  der  allgemeinen  Gleichheit  bei- 
tragen, weU  die  empirischen  Unterschiede,  die  man  im  Inhalte 
der  Seelen  vorfindet,  gegenüber  ihren  ewiffen  und  absoluten 
Qualtttten,  in  denen  sie  gleich  sind,  nicht  in  Betracht  kommen« 
Wenn  man  yon  dem  soeialistisolien  Charakter  des  ürohrwtsii- 
tune  gesprochen  hat«  so  geht  dieser  TisUeicht  weniger  aoa 
positiven  Grttnden,  als  aus  den  negativen  der  vollständigen 
Gieiohgilt^kett  herror,  die   die  ersten  Christen  alledem 


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feg8iillib«r  empfandfliit  wis  ■onst  Untenehied«  VBler  den  Men- 

sehen  aosmacnt  —  und  zwar  gerade  wegen  des  absoluten 
Wertes  df^r  Einzelseele.  Hört  dm  absolute  Individualität  auf, 
so  werden  die  Einzelcen  nur  als  Summe  ihrer  Eigenachaftcn 
gerechnet  und  sinrl  natürlich  .^o  verschieden,  wie  diese  es  sind; 
Rind  diese  Eigeiiächaftfm  über  etwas  Nebensächliches  gegen- 
über der  Uauptsache,  iiämlicb  der  Persönlichkeit,  Freiheit  und 
Ünsterbliclikeit  der  Seele,  die  etwa  noch  dasu  wie  bei  BooueMi 
Ton  Tonihereiii  ncü  einer  ToUkommeneii,  ent  dmth  Ernehong 
und  Gesellschalt  verdorbenen  Güte  erfireut^  so  ist  die  Gleiok- 
heit  alles  Menschenwesens  die  natürliche  Folge.  Übrigens 
fuhrt,  wie  ersichtlich,  dieser  metaphysische  Sinn  der  Persön- 
!ic!ikeit  zur  VemficKlässigung  ihres  empirischen  und  eiVentlich 
be<ieutung8vo!h'Ti  Inhalts.  Da  nun  aoor  die  weit«  rj^eh ende 
Üociahsiening  m  einer  natürlichen  und  innerlich  notwendigen 
Beziehung  zu  einer  weitergehenden  Individualisierung  steht^ 
so  ist  das  eUeu  charakterisierte  Verhältnis,  wo  es  praktisch 
wird.  aUenud  TerderbUGfc,  Betvolntionftre  Bewegungen,  wie 
die  der  Wiedertänfer  oder  die  yon  1789 ,  kommen  zu  ihren 
logischen  und  ethischen  ünmdglichkeiten  dadnrch,  dnls  sie 
zwar  die  niedere  Allgemeinheit  zu  gunsten  einer  höheren  auf- 
heben,  aber  ohne  zugleich  das  Recht  der  Individualitilt  za 
wahren.  Besonders  die  französische  Revolution  zeigt  durch 
ihre  Beziehung  zu  Rousseau  ^  wie  leicht  die  metaphysische 
Bedeutung  der  Persönlichkeit  zur  Vernachläaaigung  ihrer 
realen  Bedeutung  fuhrt  und  wie  durch  diese  nun  auch  die 
Soetaliaierung  leidet,  die  von  jener  ausging*  Wenden  wir  uns 
nun  wieder  m  dem  Verhidtnis  des  Individiinlinnni  lam  Koe- 
mopoUlismue  zurück,  so  stellt  sieh  in  ethischer  Beziehung  der 
errtere  oft  als  Egoismus  dar,  wie  es  da  sehr  nahe  liegt,  wo 
das  Baad  der  patriotischen  Gesinnung  zer&llen  ist,  das  den 
Einzelnen  zwar  an  einen  Ivlcineren  Kreis  fesselt,  der 
KoanKjpolitisnuifl  es  thut,  aber  dafür  dem  Egoismus  ein  knif- 

a^eres  Gegengewicht  bietet.  Schon  die  Cyniker  zeigen  die 
eiche  Korrelation  zwischen  Kosmopolilfsmas  und  Kgoismus, 
indem  sie  dai«  Zwischenglied  des  Patriotismus  aus64;ii alten, 
dessen  es  fUr  die  meisten  Menschen  bedarf  am  den  JESgoismas 
im  attmietioohen  Sinne  an  beogen.  Wenn  andereneits  die 
We^iichn  Phflosophie  vidiach  noch  über  Aristoteles  hinane 
6i  an  keiner  scharfen  begrifflichen  Fassung  der  Persönlich- 
keit gebtacht  hat^  wenn  aw  B^riff  der  Vemunfit  ihr  sie  oft 
genug  zwischen  alfefemeinster  Weltvernnnft  und  rein  per?>ön- 
licher  Denkkralt  schwankt,  so  ist  d\m  doch  flie  Folge  der  an 
den  engeren  sta^tiichen  Kreis  al«  an  ein  gewisses  Mittleres 
•wischen  Allgemeinstem  und  PerBönlit  hstem  gebundenen  Denk- 
gewohnheit. Die  Anwendbariieit  diei>er  Formel  von  der  Kor- 
lebtiott  swisdien  St^gentn^  des  IndiTidneUen  und  Anwacheen 
dsr  Soeialgiuppe  anf  etibiaäe  VeriilltaiMe  labt  sieb  lemer  in 


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folgender  Wendune  darstellen.  Solange  dae  wirtschaftliche 
oder  aoDfttige  Produzieren  innerhalb  einoB  eqgerai  Kreises 

vorgeht ,  ho  dafs  dem  Schaffenden  sein  Pnhlikum  mehr  oder 
weniger  bekannt  ist,  wird  die  unvermeidHrhe  psychologische 
Association  zwischen  der  Arbeit  und  den  Perhoueii ,  für  die 
sie  bestimmt  ist,  oft  zweierlei  verhindern:  einerseits  das  rege 
Interesse  an  der  Sache  selbst  und  ihrer  ohjektiven  Vollkommen- 
heit, gleichgültig  dagegen,  welchen  zufälligen  imd  sobjektiT 
bestimmten  mlllrlniiKPen  sie  gemde  dienen  wird,  andererseits 
aber  auch  den  reinen  Egoismus,  dem  ntur  an  dem  Preise  seiner 
Arbeit  liegt,  aber  gar  nicht  daran,  von  wem  er  gezahlt  wird. 
Beides  aber  wird  durch  die  Vergröfserung  des  Kreises,  an 
den  die  Arbeit  sich  wendet,  begünstigt.  Wie  im  Theoreti- 
schen dasjenige  als  objektive  Wahrheit  erscheint,  was  Wahr- 
heit für  die  Gattung^  ist,  wovon  sich  die  Gattung,  von  vorüber- 
gehenden psychoiogiöchen  Hindernissen  abgesehen,  miifs  über- 
zeugen lassen:  so  erscheinen  uns  Ideale  und  Interessen  in 
demselben  Mab«  objeküT,  als  sie  einem  grOfstsn  bteressenten- 
kreise  gelten ;  attes  SubjektiTe,  Einseitige,  wird  aus  ihnen  da- 
durch nerausgeläutert,  daTs  sie  sich  an  eine  möglichst  grofse 
Anaahl  von  Subjekten  wenden,  in  der  der  Einzelne  als  solcher 
verschwindet  und  die  das  BewuTstsein  an  die  Sache  zurück- 
weist. Ich  halte  e»  nicht  flir  zu  kühn,  wenn  ich  da*?  soge- 
nannte sachliche,  unpersönliche,  ideale  Interesse  ausdeute  als 
enttitandea  aus  einem  Maximum  in  ihm  zusammenströmender 
Interessen;  dadurch  erhält  es  seinen  verklärten,  scheinbar 
über  allem  Persönlichen  stehenden  Charakter.  Deshalb  \MÜt 
es  sich  anch  nachweisen ,  dafs  diejenigen  Bethätigungen ,  die 
am  häufigsten  und  gritndlidisten  die  selbstlose  Vertiefung  in 
die  Angabe,  die  reine  Hingebung  für  die  Sache  aufweisen, 
also  die  wissenschaftlichen,  kOnsuerischen ,  die  grofsen  sitt- 
lichen und  praktisL'hon  Probleme,  sich  ihren  Wirkungen  nach 
immer  an  das  weiteste  Publikum  wenden.  Wenn  man  z.  B. 
sagt,  dafs  die  Wissenschaft  nicht  um  ihrer  NlUzlichkeit  oder 
überhaupt  nur  um  irgendwelcher  „Zwecke",  sondern  um  ihrer 
selbst  willen  betrieben  werden  müsse,  so  kann  dies  nur  ein 
ungenauer  Ausdruck  sein,  weil  ein  Handeln,  dessen  Erfolg 
nidnt  ron  Menschen  als  ntttdich  und  fordernoh  empfanden 
wllrde^  nicht  ideal,  sondern  sinnlos  wäre ;  die  Bedeutung  davon 
kann  nur  jene  psychologische  Verdichtong  und  gegenseitige 
Paralysierung  unzähliger  Einzelinteressen  sein,  im  Gegensata 
g^en  welche  die  Verfolgung  der  im  Einzelnen  erkannten 
und  be^^^l^8ten  Interessen  eines  engeren  Kreises  als  Ntttzlifh- 
keit  oder  Zweckmäfsigkeit  xai*  ^^oxt^v  erscheint.  Wir  seiien 
hier  also,  wie  die  Beziehung:  zum  allcrißTörsten  Kreise  zwar 
auch  Uber  den  iudividuelleu  Eguismu^»  hinaustragen  kann, 
aber  doch  das  Bewnfstsdn  eigennicher  socialer  Zweckmftfsig- 
keit  anfhebt^  das  ▼ielmehr  den  Bethätigimgcn  fbr  eine  kldnere 


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X  1. 


9$ 


Gruppe  eigen  üt;  andereraeite  aber  führt  die  bei  Vergrttlbe- 
rung  des  socialen  Kniies  eintretende  Schwächung  des  so» 
cialen  BewuHstseins  gerade  auf  dem  Gebiete  der  Wirtschaft- 
liehen  Pro^^uktion  zum  vollständigen  Elgoismiis.  Je  weniger 
der  Produzent  seine  Konsumenten  kennt,  desto  ausschlie&- 
licher  richtet  sich  sein  Interesse  nur  auf  die  Höhe  d^ 
Preises,  den  er  von  diesen  erzielen  kann;  je  unpersönlicher 
nnd  qualitätloser  ihm  sein  Publikum  gegenübersteht,  um  so 
melir  entipricht  dem  die  amachliefaliche  Hicktuiig  auf  das 
qualititloae  Beaultat  der  Arbeit^  auf  daa  Geld;  von  jenen 
hachsten  Gebieteu  abgesehen,  anf  denen  die  Energie  der 
Arbeit  «ua  dem  abatnükten  Idealismua  stammt,  wtid  der  Ar- 
beiter um  80  mehr  von  seiner  Person  nnd  seinem  tjtliihcfien 
Interesse  in  die  Arbeit  hineinlegen ,  je  mehr  \hm  sein  Ab- 
nehmerkreis auch  persönlich  bekannt  ist  und  nahe  steht,  wie 
es  eben  nur  in  kleineren  V^erhäitnissen  statthat.  Mit  der 
wachsenden  Grorae  der  Gruppe,  für  die  er  arbeitet,  uüt  der 
wachsenden  Gleichgiitigkeit;  mit  der  er  dieser  nur  gegenüber- 
ataben  kann,  fidlen  Tielerlei  Momente  dahin,  die  dm  wirt- 
fcbafilichen  Egoiamua  einschränkten«  Kach  vielen  Seiten  ist 
die  menschliche  Natnr  nnd  sind  die  mensclUichen  Verhältnisse 
•0  anf^sgtt  da(s,  wenn  die  Besiekungen  des  Individuums 
eine  gewisse  Qröfse  des  Urafanges  überschreiten,  es  um  SO 
mehr  auf  sich  selbst  zurückgewiesen  wird. 

Und  nun  zeigt  eine  noch  weiter  in  das  Gebiet  des  Indi- 
viduellen und  Socialen  vorschreitende  ethische  Betrachtung, 
wie  auch  für  die  äu£sersten  Punkte  beider  noch  unsere  Kor- 
relation gilt  Was  man  als  Pflichten  gegen  sieh  selbst  im 
gebietenden  wie  yeiliielenden  Sinne  beeeteknety  ist  gerade 
das,  was  andererseits  auch  als  Würde  und  Pflicht  des  „Men^ 
sehen  überhaupt*  au  gelten  pflegt  Die  Selbsterhaltung, 
Selbstbeherrschung,  das  rechte  Selbstgefühl ^  die  Vervoll- 
kommnung der  eigenen  Persönlichkeit  —  das  alles  sind 
Pflichten,  die  wenigstens  in  dieser  abstrakten  Form  alle  spe- 
cielle  Beziehung  zu  dem  engeren  socialen  Kreise  ablehnen, 
der  uns  sonst,  hier  andern  als  dort,  seine  besonders  charak« 
terisierten  Verpflichtungen  auferlegt  Sie  gelten  nicht  nur 
unter  aUen  mOgllcken  Yeriialtnuseiiy  sondern  ihre  teleologische 
Bestimmung  gebt  auch  auf  die  weitesten  und  allgemeinatsn 
Kreias^  mit  denen  wir  überhaupt  in  Berührung  kommen  und 
kommen  können.  Nicht  als  Angehörige  dieses  und  jenes 
Kreises  sollen  wir  solche  Selbstpflichten  erfüllen,  sondern  als 
Menschen  überhaupt;  und  es  ist  gar  kein  Zweifel,  dfifs  dn.s  all- 
gemeine MenHchentum,  das  uns  dieselben  auferlegt,  mir  der 
weitere  sociale  Kreis  im  Gegensatz  zu  dem  engeren  ist,  der 
unmittelbarere  und  in  ihrer  Beziehung  auf  dritte  Personen 
dentlickere  Leistungen  von  uns  fordert  Gerade  weil  man 
gewohnt  18%  dafii  Aickt  nur  Pflicht  gegen  Jemand  sei,  wird 
sie  als  Pflicht  gegen  sick  seibat  voiigestellt,  sobald  man  sie 


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60 


XL 


empfindet,  ohne  dafs  aie  lieh  in  greifbarer  Weise  auf  andere 
Menschen  besöge.    Die  erweiterte  und  verdichtete  Qattungs- 

erfahrung  hat  aie»*»n  Pflichten  volle  sittliche  Würfle  v*»rHehen, 
indem  sie  zugleich  wegen  der  Weite  des  Kreises  und  der 
Fülle  der  Juteressen  und  Zwecke,  die  sich  in  ihiiou  zu- 
ftanmiciifauden,  alle  einzelne  teleologische  Beziehung  derselben 
hinter  den  Horizont  des  BowuTstseins  rückte  und  dieses,  da« 
doch  einen  Zweck,  ein  Objekt  dee  PflichlgefilliU  anclite^  nur 
an  mck  seHiet  snrtIcksnweiMii  woiete,  aodnft  mnde  die 
Pflicht  gegen  die  grOfste  AUgemeinheit  una  ab  Flucht  ge^en 
das  eigenste  Ich  encheint. 

Mit  einer  etwas  anderen  Wendung,  die  statt  des  Wohin 
mehr  das  W^oher  der  Sittlichkeit  ins  Auge  faG^t.  stellt  sich 
dies  so  dar.  Wir  unterf^oheiden  nach  Kants  Voruant^:  sittliche 
Heteronomie,  d.  h.  sittlichtjft  Handeln  auf  Grund  auisereu 
Gebotes,  von  stttlicher  Autonomie,  die  von  innen  heraus  und 
nur  um  dem  eigenen  Püich^efUhl  an  genügen  Gleiches  thut 
Wie  nnn  ab«r  alle  Pflicht  ihrem  Zwecke  nach  Pflicht  gegen 
Jemand  und  dieser  Jemand  orsprttngUch  eine  inlsere  Person 
is^  00  ist  sie  auch  ihrem  Ursprung  nach  ein  lUdkeres  CMot, 
das  erst  durch  einen  langwierigen,  durch  die  ganze  Oattunge- 
geschichte  sich  hindurchziehenden  Prozef«  in  oiis  Gefühl  eines 
roin  innerlichen'  Sollons  fi])ergeht.  Nini  e*^hört«  aber  offen- 
bar die  ninfasaende  Fülle  einzelner  äuiserer  Impulse  dazu,  um 
den  üi's[jruiif^  deM  einzelnen  sittlichen  Ge  botes  ftlr  das  Be- 
wurstdeiu  zu  verlöschen^  denn  Uberall  bemerken  wir,  wie 
einer  einaelnen  Ersdieinung  ihre  Gteneeis  psjehologisch  an- 
klebt, solange  sie  nur  ans  dieser  einen  henrorgegangen  ist, 
dafs  sie  aber  psychologische  Selbstindigkeit  erlangt,  sobald 
das  H(;rs'orgehen  des  Gleichen  ans  einer  grofsen  Anzahl  und 
Mannichfaltigkeit  von  Vorbedingungen  beobachtet  wird.  Die 
psycholofi^ischi'  Verbindung  mit  jwler  einzelnen  derselben  löst 
sich  in  dem  Mar?<%  ;df<  dir  Erscheinung  anderweitige  eingeht 
Taui^endfflch  können  wir  tis  schon  im  individu<'ll»3n  Leben  be- 
obachten, wie  ein  gewisser  Zwang  nur  oft  genüge  nur  von 
genügend  vielen  Seiten,  ausgeübt  zu  werden  braucht,  um  eine 
Gewohnheit  und  schlielslich  einen  selbstftndigen,  des  Zwanges 
gar  nicht  mehr  brauchenden  Trieb  au  der  betreffenden 
Handlung  au  erzeugen*  Und  das  Gleiche  wird  vermöge  der 
Vererbung  atattflnden.  Je  öfter  und  aus  je  mannichfaltigeren 
Verhältnissen  heraus  innerhalb  der  Gattung  die  Nötigung  zu 
social  nützlichen  Handlnntren  ertVdf^t  ist,  desto  rfifr  werden 
diese  aU  an  sich  notwendig  cin}»tui)den  und  ann  eiiu'ni  auto- 
nom erscheinenden  Triebe  des  Individuum«  heraus  ausgeführt 
werden,  —  «odafs  auch  hier  die  grofste  Fülle,  der  weiteste 
Umkreis  der  Impulse  sich  unter  Ausschaltung  der  dazwischen 
liegenden  Sphlren  als  das  AUerindividnellste  dantellt  län 
Blick  auf  den  Inhalt  der  sittlichen  Autonomie  bestttigt 


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61 


diesen  Zommiieiihang.    Engere  und  epeeiellere  Pfliehten 

pflegen  nicht  unmittelbar  an  diese  Autonomie  zu  anpeHierea; 
in  deme^bea  Ma&e,  in  dem  unsere  Pflichten  inbaltÜcn  weiteren 
Charakt^  tragen,  hängen  sie  dagegen  nur  von  persönlichem 

Pflichtgefiihl  ab.    Untersuchen  wir.    wodurch  sicn  f^enn  das 
,aus  blofser  Sittlichkeit^  zu  Vollbringende  von  den  äufser- 
hchen  Geboten  des  Staates,   der  Kirche,   der  Sitte  unter- 
scheidet, so  finden  wir  immer,  dals      ein  aligemein  Mensch- 
liches ist;  —  mag  das  Allgemeine  nun  qualitativen  Sinn  wie 
bei  den  Fffichten  der  Familie  ge^flber  oder  ooantatetiTeii 
wie  bei  der  Pflicht  der  allgememen  Menedieiiliebe  haben. 
Die  Specialzwecke  haben  eine  Spedalexekutive;  das  allgemein 
Menschliche  liegt  dem  Einzelnen  aus  sich  aelbat  anaanfUhren 
ob.  Die  autonome  Sittlichkeit  enthält  das,  was  „an  sich*^  gut 
ist;  das  i-^t  aber  mir  das,  was  für  den  Menschen  überhaupt, 
d.  h-  für  die  maxi  male  Allgemeinheit,  gut  ißt.    Ks  läl>^t  sich, 
wie  icli  glaubr.  behaupten,  dafs,  um  wieder  Kiindscbe  Aus- 
drücke zu  brauchen,  zwischen  dem  fStatuiari^chon  und  dem 
autonom  Gebotenen  ein  gradaellcr  Übergang,  parallel  dem 
swiadien  dem  kleineren  und  dem  grölaeren  socialen  Kreisei 
stattfindet  Man  mnfs  im  Aoge  haben,  dafo  dies  ein  kon- 
tinuierlicher Plroeers  ist,  dafs  nicht  etwa  nur  die  Extreme  des 
IsdividaaÜBmus  und  des  Koamopolitismua  sich  psychologisch 
und  ethisch  berühren,  sondern  aafs  echnn  auf  den  Wegen  zu 
diesen    von    der   socialen   Gruppe   aus   die  zurückgelegten 
Strecken    heider   Richtungen    sich   zu   ent.s|»recben  pflegen. 
Und  zwar  gilt  dies  nicht  nur  für  Einzel-,  bondern  auch  Kol- 
lektivindividuen.    Die  Kutwicklungsgeschichte  der  Familieii- 
formen  bietet  uns  daftUr  manchen  Beleg,  z.  B.  den  folgenden« 
Als  die  Mntterfionilie  (wie  Bachofen  und  Lipnert  sie  lekon* 
stmiert  haben)  durch  die  Geltung  der  mitnnlichen  Macht  ver- 
dringt war,  war  es  zunächst  nicht  sowohl  die  Thatsache  der 
Eraeogong  durch  den  Vater,  die  die  Familie  als  eine  dar- 
stellte,   HH  vielmehr  die  Herr^'ehHft,   die  er  über  eine  be- 
stimmte Anzahl    von   Ment-ciien    ausübte,    unter    deneii  sich 
nicht  nur  seine      ibesiiaclikommen,  sondern  Zugelaufene,  Zu- 
gekaufte, Angeheiratete  und  deren  ganze  Familien  u.  s.  w, 
befanden   und  unter  einheitlichem  Kegimente  zusammenge- 
halten worden.  Aus  dieser  nnprttngliäien  patriarchalischen 
Familie  heraus  difierenaierC  sieh  erst  spller  die  jüngere  der 
hloiSMm  Blutsverwandtschaft)  in  der  Eltern  und  Kinder  ein 
sdbatlndiges  Haus  ausmachen.    Diese  war  natürlich  bei 
weitem  kleiner  und  indiTiduelleren  Charakters  als  jene  um- 
&ssende  patnarebalische;   allein    eben    dadurch  ermöglichte 
sich  ihr  Z^u.-^aunnenschhifs  j^u  eiuem  nun  vi<d  trr^>rKeren  staat- 
lichen Ganzen.    Jene  aiiere  Gruppe  konnte  aiienlaUs  sich 
selbst  genügen,  sowolil  zur  Beschafmng  des  Lebensunterhaltes 
wie  /^ixr  kriegerischen  Aktion;  hatte  sie  sich  aber  erst  in 


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62 


Z  1. 


kleine  Familien  individualisiert,  so  war  ans  Daheliegenden 

örlinden  der  Zusammnnaohhirs  der  letzteren  zu  einer  nun  er- 
weiicricii  Gruppe  möi^Uch  und  erfordert,  und  Plato  hat  diesen 
Prozeib  nur  in  der  glniclien  Richtunj?  fortgesetzt,  wenn  er  die 
Familie  Uberhaupt  aufhob,  um  die  btoatliche  Gemeinschaft  als 
solche  auf  ein  Maximum  von  ZusammeDBchluCB  und  Kraft  zu 
bringen. 

Es  ist  »chan  für  die  Tierweit  die  gaaa  gleiche  Beobach- 
tung gemacht  worden,  dafs  die  Neigung  zur  Familienbildong 
in  umgekehrtem  VerhÄltnis  zur  Bildung  gröfserer  Gruppen 

steht;-  diis  Tnonog^amo  und  selbst  polygame  Verhältnis  liat 
etwa?!  so  ExkUisivetj,  die  Sorge  für  die  Nachkomme nschaft 
beansprucht  die  Kitern  in  so  hohem  Mafse,  daf«  die  weiter- 
gehende Socuilisiening  l>ei  derai'tigen  Tieren  darunter  leidet 
Darum  sind  die  orgauidierten  Gruppen  unter  den  Vögeln 
Terhiltnituftfsig  selten,  wahrend  z,  B.  die  wilden  Himde^  hei 
denen  v^dlige  Promiskuität  der  Geschlechter  und  g^naeitige 
Fremdheit  nach  dem  Akt  herrscht,  meistens  in  eng  zusammeik- 
heltendeTi  Meuten  leben,  und  bei  den  Säugetieren,  bei  denen 
sowohl  familienhafte  wie  sociale  Triebe  herrschen,  bemerken 
wir  sfetf.  daf?  in  Zeiten  des  Vorherrschens  jen*»r.  siIho  w^h- 
rmd  der  l^aarungs-  und  Erzeugungszeit,  die  letzteren  bedeu- 
tend abnehmen.  Auch  ist  die  Vereinigung  der  Eltern  und 
der  Jungen  zu  einer  Familie  eine  um  so  engere,  je  geringer 
die  Zahl  der  Jungen  ist,  ich  erwähne  nur  das  bezeichnende 
Beispiel,  dafe  innerhalb  der  Klaaae  der  Fische  diejenigen, 
deren  Nachkommenschaft  völlig  sich  selbst  Überlassen  ist,  ihre 
Eier  zu  ungezählten  Millionen  ablegen,  während  die  brütenden 
und  bauenden  Fische,  bei  denen  sich  also  die  Anfibige  eines 
familienliaften  Zusammenhaltes  finden,  nur  wenige  Eier  pro- 
duzieren. Man  hat  in  diosem  Sinn*^  behauptet,  dafs  die  so- 
cialen Verhältnisse  unter  den  Tieren  nicht  von  den  ehelichen 
oder  elterlichen,  sondern  nur  von  den  geschwisterlichen  Be- 
ziehungen ausgingen  2  da  ditbc  dem  Individuum  viel  grofsere 
Freiheit  Helsen  als  jene  und  es  deshalb  geneigter  machen, 
sich  eng  an  den  gröfseren  Kreis  anzuschlieuen,  der  sich  ihm 
eben  xunAchst  in  den  Geschwistern  bietet,  sodafs  man  das 
Eingeschlossensein  in  eine  tierische  Familie  als  das  gröfste 
Hemmnis  für  den  Anschlufii  an  eine  grOfsere  tierische  Gesell- 
schaft angesehen  hat. 

Wie  sehr  ühri^ijens  die  Sprengung  der  kleineren  Gruppe 
in  Wechselwirkung  steht  mit  Erweiterung  der  Social iftieiu  112: 
einerseits,  der  Durchsetzung  des  Individuums  andererseits,  zei^t 
auf  dem  Gebiete  der  Familienfonnen  weiterhin  etwa  die 
Sprengung  der  patriarchalischen  Gruppierung  im  alten  Rom. 
Wenn  die  bttigerltchen  Hechte  und  Pflichten  in  Krieg  und 
Frieden  ebenso  den  Söhnen  zukommen  wie  dem  Vater,  wenn 
die  ersteren  persönliche  Bedeutung  >  EinfluTs,  Kriegsbeule 


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6g 


o.  8.  w.  erwerben  konnten,  so  war  damit  in  die  patria  po- 
tBBtas  ein  Rifs  gekommen,  der  das  patriarGhalisdie  Veriiiltnii 

immer  weiter  spalten  mufste  und  zwar  zu  gunsfcon  der  erwei- 
terten staatlichen  ZwockmÄfsigkeit,  de«  Kochtes  des  grofsen 
Ganzen  über  jedes  seiner  Mitglieder,  aber  auch  zu  gunstcn 
der  Persönlichkeit,  die  nun  aus  dem  Verliältnia  zu  diosem 
Ganzen  eine  Geltung  gewinnen  konnte,  die  das  patriarcha- 
lische Verhältnis  anvei^leichlich  eingeschränkt  hatte.  Und 
nach  der  subjektiven  Seite,  auf  das  Gefühl  der  Ihdividoali- 
tRt  hin  angesehen,  seigt  eine  nicht  seihr  schwierige  nsycholji- 
gtsche  ÜIh  riegung,  in  wie  viel  höherem  Uafiie  das  Leben  in 
und  die  Wechselwirkung  mit  einem  weiteren  als  mit  einem 
bescliränkten  Kfftise  dns  Pf^rsönlichkeitsbewuratsein  entwickelt. 
Dasjenii^f^  n.imlieh,  wodurch  und  woran  die  Persönlirhkeit 
sich  (liikuin  iitiert,  ist  der  Wechsel  der  einzelnen  (Tcfühlc, 
Gedanken,  Bethätigunj^n ;  je  gleichmäfbiger  und  unlx  wef^ter 
das  Leben  iortäciireitet,  je  weuiger  sich  die  Extreme  deä  Em- 
pündungslehens  Ton  seinem  Darchschnittsniyeau  entfernen, 
desto  went^r  stark  tritt  das  OeAihl  der  PersOnlidikeit  aof ; 

1*e  wilder  aber  jene  Hchwanken,  desto  kräftiger  fühlt  sicJl  der 
lensch  als  Persönlichkeit.  Wie  sich  Uberall  die  Dauer  nur  am 
Wechselnden  feststellen,  wie  erst  der  Wechsel  der  Accidenzen  die 
BehaiTÜcTikeit  der  Substanz  hervortrclen  liefst,  so  wird  offenbar, 
das  Ich  dann  besonders  als  das  Bleibende  in  allem  Wechsel 
der  psychologischen  Inhalte  empfunden ,  wenn  eben  dieser 
letztere  besonders  reiche  Gelegenheit  dazu  giebt.  Solange  die 
psychischen  Anregungen,  insbesondere  der  Gefühle,  Jiur  in 
geringer  Zahl  stattfinden,  ist  das  leh  mit  ihnen  verschmoken, 
bleibt  latent  in  ihnen  stecken ;  es  erhebt  sieh  Uber  sie  erst  in 
dem  Mafse^  in  dem  gerade  durch  die  FuUe  des  Verschieden- 
artigen unserem  Bewulstsein  deutlich  wird,  was  doch  allem 
diesem  gemeinsam  ist,  gerade  wie  sich  uns  der  höhere  Begriff 
über  Einzelerscheinungen  nicht  dann  erhebt,  wenn  wir  erst 
eine  oder  wenig«;  Ausgeätaitungen  desselben  kennen,  sondern 
erst  durch  Kenntnis  sehr  vieler  derselben,  und  um  so  höher 
und  reiner,  je  deutlicher  sich  d&ü  Verschiedenartige  an  diesen 
gegenseitig  abhebt.  Dieser  Wechsel  der  Inhalte  des  Ich,  der 
dieses  letrtere  als  den  ruhenden  Pel  in  der  Flueht  der  psy- 
diisehen  Erscheinungen  eigentlich  erst  filr  das  Bewnfstsem 
markiert,  wird  aber  innerhalb  eines  grofsen  Kreises  auTser- 
oidentlich  viel  lebhafter  sein,  als  bei  dem  Leben  in  einer  en- 
geren Gruppe.  Man  wird  zwar  einwenden  können,  dafs  doch 

ferade  die  Differenzierung  und  Specialisierung  in  jenem  den 
linzflneri  in  eine  v\e\  ein8eit!^^<!r  gir'ichnläfsige  Atmoö})häro 
bannt  als  es  bei  geringerer  ArbeitbUuluiig  stattfindet;  allein 
dies  als  negative  Instanz  selbst  zugegeben,  gilt  es  doch 
wesentlich  vom  Denken  und  Wollen  der  Individuen;  die  An- 
regungen des  GMlhls,  auf  die  es  fllr  das  subjektive  Icfabe- 


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64 


wuistoem  betondera  aakommti  find«!  gmde  iiitft,  wo 
der  Mlir  differenzierte  £uisebe  inmitton  Mlir  düareuierter 
anderer  Enuielnen  darin  sieki  «nd  nmi  Veii^elw,  Rei- 
bungen, specialiaierte  Beziehungen  eine  FfÜle  von  Eeak- 
tionra  Auslösen,  die  im  engeren  un differenzierten  Kreise  latent 
bleiben,  hier  aoer  gerade  durch  ihre  Fülle  und  Venichieden- 
artigkeit  das  Gefdhl  der  eigenen  Person  steigern  oder  Tiel- 
leicht  erst  hervorbringen. 

Es  bedarf  sogar  durchaus  der  Differenxierung  der  Teile^ 
wenn  bei  g^Kebeaem  Baum  und  bcadnUokleii  £ebanibedm' 
gunrai  ein  Wadiflen  der  Gruppe  ttettfinden  aott,  eine  Not- 
wendigkeit, die  auch  auf  Gebieten  stettfindet.  denen  der 
Zwang  wirtachaftlicher  Verhiltnisse  ganz  fem  liegt  Nach- 
dem z.  B.  in  der  frühesten  christlichen  Gemeinde  eine  voll- 
kommene Durchdringung  des  Lebens  mit  der  religiösen  Idee, 
eine  Erhebung  jeder  Funktion  in  die  äphftre  derselben  ge- 
herrscht hatte,  konnte  bei  der  Vwbreitung  auf  die  Massen 
eine  gewiböe  VerÜachung  und  Profanierung  nicht  ausbiaibeo; 
das  Weltlidie^  mit  dem  sieb  daa  Religiöse  mischte,  Oberwog 

ietel  qiientiteti7  in  sehr,  eis  dafii  der  hininßesetete  teligiOee 
iettandteil  Dan  sofort  und  ganc  bitte  aem  Gepräge  auf- 
drücken können.  Zugleich  aber  bildete  sich  der  Mönchsstand^ 
filr  den  das  Weltliche  ToUkommen  surttcktrat,  um  daa  Leben 
ansHchlterslich  sich  mit  religiösem  Inhalt  erfüllen  tai  lassen. 
Das  Einesein  von  Religion  und  Leben  zerüel  in  weltliehen 
und  religiösen  St^nd,  —  eine  Differenzierung  innerhalb  des 
Kreises  der  christlichen  Religion,  die  zu  ihrem  Weiterbestande 
durchaus  erforderlich  war,  wenn  sie  die  ursprtingliohen  engen 
Grenien  ftbcvaehreiten  sollte.  W^om  Dante  den  scbärfivlen 
Dnaliamna  iwiadien  weltliehem  nnd  IdieUiehein  Regime,  die 
völlige  c^egenaeitige  Unabhängigkeit  awisolien  den  Nonnen  der 
Religion  nnd  denen  des  Staates  predigt,  ao  setat  er  dies  in  un- 
mittelbaren und  aachlichen  Zusammenbang  mit  dem  Gedanken 
des  Weltkaiserreichs,  der  völligen  Vereinheitlichung  dea  gamen 
Menschengeschlecht«  zu  einem  orgiinisrhen  Ganzen. 

Wo  ein  grofses  Ganzes  sich  bildet,  da  finden  sich  bo viele 
Tendenzen,  Triebe,  Interessen  zusammen,  dafs  die  Einheit  des 
Ganzen^  sein  Bestand  als  lieber,  verloren  gehen  wtirde,  wenn 
nieht  dlie  DiffBrenaiemitf  daa  aMsfaHob  Verschiedene  anch  auf 
▼ersehiedene  Penonen ,  ustitntionen  oder  Gnijyen  Tertoilte» 
Das  undifferenaierte  Zusammensein  erzeugt  feindselig  wer- 
dende Ansprüche  auf  das  gleiche  Objek^  imirend  bei  völliger 
Getrenntheit  ein  Kebeseinanderhergehen  und  Be&fstsein  in 
dem  fi^leichen  Rahmen  viel  eher  möglich  hi.  Gerade  daa 
VerhitUnis  der  Kirche  zu  anderen  Elementen  des  Gesamt- 
lebens, nicht  nur  zum  Staat,  läfst  dies  häutig  hervortreten. 
Solange  z.  B.  die  Kirche  zugleich  als  Quelle  und  BehUterin 
Vüu  Erkeaniniö  galt  und  gilt,   bat  die  in  ihr  erstandene 


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XI.  6S 

WiateoBcliaft  lieh  BoUielUieh  doch  koiner  hi  irgendwdche 
OppoBitioii  sa  ihr  S^^tet;  es  kam  su  den  entgegengesetetestea 
Ansprachen,  die  Wahrheit  über  ein  bestimmtes  Objekt  aut> 
zumachen,  und  zu  den  «sweieriei  Wahrheittti'*^  die  immerhin 
den  Anfang  einer  Differenzierung  vorstellten ,  aber  in  dem- 
selben Mafse  umg:ekehrt  7ai  um  so  scblimmeren  Konflikten 
führten,  je  einheitlicher  im  Ganzen  noch  Kirche  und  Wiasen- 
schatt  aul'gefafst  wurden.  Erst  wenn  beide  sicli  vollkommen 
auQdem,  können  sie  aich  vollkommen  vertragen.  Erst  die 
differenzierende  Übertragung  der  Erkenntniflfunktion  an  an- 
dere Organe  «Ii  die  der  reli^dseii  Fnnkttoneii  emöglicht 
ihr  Kebeneiiuuiderbeetehen  bei  jenem  An^ewaehseneein  bäder, 
da»  in  einer  umfitaigliehen  Gruppen  einheit  besteht. 

Auch  eine  auf  den  ersten  Blick  e&lg^gengeietste  £i> 
scheinung  führt  doch  in  gleicher  Weise  auf  unseren  Gmnd- 
predanken.    Wo  nämlich   schon  diflferen zierte  und   zur  Dif- 
ferenzierung angelegte  Elemente  in  eine  umfassende  Einheit 
zui>animengezwungen  werden,  da  iet  gerade  oft  gesteigerte 
Unvertrlnfichkeit,  stärkere  gegenseitige  Repulsion  die  Folge 
davon;  der  grobe  gemeinsame  Rahmen,  der  doch  einerseits 
Differenaiemng  fordert,  um  ab  solcher  beetehen  au  kOnnent 
bewirkt  anderersttts  eine  gegenieitige  Reibniig  der  Elemente, 
eine  Geltendmadnmg  der  Gegensitze,  die  ohne  dies  Anein* 
anderdrücken  innerhalb  der  Einheit  nicht  entstanden  wäre, 
und  die  leicht  zur  Sprengung  dieser  letzteren  führt.  Allein 
auch  m  diesem  Fall  ust  die  Vereinheitlichung  in  einem  grofsen 
Gemeinsamen   das  wenngleich  vorübergehende  Mittel    zur  In- 
'lividualibierung  und  ihrem  BewuTst werden.    So   hat  gerüde 
dje  weltherrächatdiche  ruliiik  deti  mittelalterlichen  Kaisertums 
den  Partikularismns  der  Volker,  Stimme  und  FtUrsten  erst 
eiitfeiMlt,  ja  ina  Leben  gemfen;  die  beabiiehtigte  and  teil- 
weise  dvrchgeAlhrte  Einheitlichkeit  and  Zusammenfassung  in 
eincBBi  grofim  Garnen  hat  dasjenige,  was  sie  freilich  dann  an 
aprengen  bemfen  war:  die  Individualität  der  Teilen  erst  er- 
ichafien,  g^^steigert,  bewufst  gemacht. 

Für  dieses  ReziproziLätsverhältiils  von  Individufdiaierung 
und  Verallgemeinening  finden  wir  Beispiele  auf  äuiserlichen  i 
Gebieten.  Wenn  statt  der  Geltung  von  Amts-  und  Standes- 
tracht  Jöder  aich  kleidet,  wie  es  ihm  gefällt,  so  erecheint  die.s 
einerseits  individueller,  andererseits  aber  menschlich  allgemeiner, 
inaoftrn  jene  doch  etwas  Anneichnendee  jiat»  eine  engere, 
besonde»  eharakterisierte  Gruppe  zusammemehliefiiti  deren 
Auflösung  gktchadtig  eine  weite  Socialisiemng  nnd  Indivi- 
dualisierung hedeatei  Noch  entschiedener  aejgt  der  folgende 
Fall,  dafs  nicht  nur  im  realen  Verhalten,  sondern  auch  in  der 
psyohoiogiycben  Vorstellungsart  die  Korrelation  zwischen  dem 
Hervortreten  der  Individualitat  und  der  Erweiterung  der 
Gruppe    statthat.    Wir    vernehmen    von  Reisenden  und 

FmehMfCB  (42)  I  L.  ~  Simnri.  5 


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66 


köaneu  es  auch  in  gewissem  MaTse  leicht  selbst  beoUaclitcn, 
dafii  bei  der  enten  MEanntieliift  mit  einem  frenden  Volks- 
Btamme  alle  Individaen  desselben  unantorseheidber  ähnlich 
erscheinen,  und  swar  in  um  so  höherem  Mafse^  je  Terschte- 
dener  von  uns  dieser  Stamm  ist;  bei  Negern,  Chinesen  a.  A. 
nimmt  cliesc  Differenz  daa  Bewnfstsein  so  sehr  trefangen,  dafs 
die  individuellen  Verschiedenlieiten  unter  jenen  völli«»  davor 
verschwinden.  Mehr  und  mehr  aber  treten  sie  hrrvoi-,  jo 
länjjer  man  diese,  zuniiehst  .L'^loichförmig  erachcinenJen  Mon- 
öchfn  kennt;  und  entsprechend  verschwindet  das  stete  Bo- 
wul^tsctn  des  generellen  und  fundamentalen  Unterschiedes 
fewiscfaea  ans  and  ibnen;  sobald  sie  ans  nicht  mehr  als  ge- 
schlossene, in  sich  homogene  Einheit  entgegentreten,  ge* 
«"^hnen  wir  uns  an  sie;  die  Beobaehtnns  zeigt,  dafs  sie  in 
demselben  Mafse  als  uns  homogener  erscheinen  ^  in  dem  sie 
als  unter  sich  heterogener  erkannt  werden:  di«  allgemeine 
nioidiheit,  die  sie  mit  uns  vorbindet,  wächst  in  dem  Verhält- 
nis, in  dem  die  Individualität  unter  ihnen  erkannt  wird. 

Auch  unsere  BegriflTsbilduug  ninunt  den  Weg,  dafs  zu- 
nächst eine  gewisse  Anzahl  von  Objekten  nach  sehr  hervor- 
stechenden Merkmalen  in  eine  Kategorie  einheitiich  zn- 
sammenge&fst  and  einem  andern  ebenso  entstandenen  Begriff 
schroff  entgegengestellt  wird.  In  demselben  Mafse  nun,  in 
dem  man  neben  jenen,  zunächst  aufifaUenden  und  bestimmen- 
den Qualitäten  andere  entdeckt,  welche  die  unter  dem  zuerst 
konzipierten  Begriff  enthaltenen  Objekte  Ind? vidualisirjvn.  — - 
in  demselben  müssen  die  scharfen  begriri  liehen  Cirenzen 
falb  II.  Die  CTeschichte  des  menschlichen  Geisten  ist  voll  von 
Beispielen  für  dic^^en  Prozefs,  von  denen  eines  der  hervor- 
ragendsten die  Umwandlung  der  alten  Artlehre  in  die  l>c- 
seendenztheorte  ist  Die  frühere  Anschaaung  ^laabte  zwischen 
den  organischen  Art«m  so  scharfe  Grenzen,  eine  so  geringe 
Wesengleichheit  zu  erblicken,  dafs  sie  an  kcir.e  gemeinsame 
Abstammung,  sondern  nur  an  gesonderte  Schöpfiingsakte 
glatiben  konnte;  das  Dopj>elbedürfnis  nns^res  Geistes,  einer- 
seit«;  nach  Znsammenfassung,  andererseits  nach  ünlei-^iT.lieidun'.;. 
befriedigte  sie  so,  dafs  sie  in  einen  cinheitliclien  Begi  ift'  eine 
grofse  Snmme  von  gleichen  Einzelnen  einsclilofs,  diesen  Be- 
griff aber  um  so  schärfer  von  allen  andern  abschlofs  und, 
wie  es  entfiprechend  der  Aasgangspunkt  der  oben  entwickelten 
Formel  ist,  die  geringe  Beachtung  der  Individualität  innerhalb 
der  Gruppe  dnrch  um  so  schärfere  Individuali^iernng  dieser 
den  andern  gegenüber  und  darch  Ausschlufs  einer  allgemeinen 
Gleichheit  grofser  Klassen  oder  dci-  ger*amten  organischen 
^^'elt  ausglich.  Dieses  Verhalten  verjüchiebt  die  neuere  Er- 
kenntnis nach  beiden  ISeit<'n  hin;  i>ie  befriediirt  den  Trieb 
nach  Zusammenfassung  durch  den  (ied.inken  eii»ei  allgemeinen 
Einheit  alles  Lebenden,  weklie  «Ue  Fülle  der  Erscheinungen 


67 


als  blutsverwandte  aus  eiaem  urspi  UngUchen  Keime  her  vor- 
treibt; der  Neigung  zurDtfierensierung  tmdSpocifikAtioii  kommt 
lie  dadoieh  «ntgegen,  dftfo  ihr  Jedw  Indiyidimm  gletehitm 
Wkb  bttwmdMre^  für  sich  zu  betrftchteiide  Stufe  janM  £atwiek* 
luOgifiroMaaes  alles  Lebenden  Ut;  indem  sie  die  starren  Art- 
gmuen  flOB^ig  macht  zerstOrt  sie  sagleich  den  eingebildeten 
WCTentlichen  Unten^rhif^d  zwisohf'n  den  rein  individuellen  und 
den  Arteigenschatten ;  »o  fafst  nie  das  Allgemeine  allgemeiner 
und  das  Individuelle  individueller,  ak  rüo  frühere  Theorie  es 
konnte.  Und  dies  el>en  ist  das  Komplementärverhllltnis ,  das 
üicb  auch  in  den  realen  öociaien  Entwicklungen  geltend  macht. 

Die  psvchologisclie  Entiriddiiiig  umem  Ermimiu  idgt 
aiiek  gßmm  un  allmMiiMo  iliese  Bwifllidia  Bicbtug .  Eoi  rohor 
Zustand  des  Deiikfliit  ist  memeits  imfilbig,  au  den  kOokmea 
VenülfMDMiMrviigmi  aiifirasteigen,  die  Ukmll  gilticen  Gesetze 
zu  ergreifen,  aua  deren  Kreuzung  das  einzelne  Individuelle 
hervorg^eht.  Und  andererseits  fehlt  ihm  die  Schürfe  der  Auf- 
£MSon;^  und  die  liebevolle  HingabsL  durch  dif*  die  Individua- 
lität ab  .solche  verstanden  oder  auch  nur  wahlgenommen  wird, 
je  liöher  ein  Geist  steht,  desto  vollkommener  differenziert  er 
»ich  nach  diesen  beiden  Seiten;  die  Erscheinungen  der  Welt 
lassen  ihm  keine  Buhe,  hie  er  rie  auf  ao  aQgweiBe  Geeetee 
nuHckgefOhrt  hat*  dus  alle  Besonderheit  ToUkommen  ver- 
schwunden  ist  nna  keine  noch  so  entlegene  Kombinatton  der 
Erscheinungen  der  Aufl(touQg  in  jene  widerstrebt.  Allein  wie 
zufällig  und  flüchtig  diese  Kombinationen  auch  sein  mögen,  sie 
sind  doch  nun  eimnal  da,  nnd  wer  die  allgemeinen  und  ewigen 
Hemente  des  Seins  sich  zum  Bewufstsein  zu  bringen  vermag, 
mufs  auch  die  Form  dee  Individuellen,  in  der  sie  sich  zu- 
sammenfinden, ächarf  percipieren,  weil  gerade  nur  der  ge- 
naueste Einblick  in  die  einzelne  Erscheinung  die  allgemeinen 
Oeeetse  wd  Bedingungen  erkennen  llfet,  die  eieb  in  ihr 
krennen.  Die  Versehwemmenheit  dee  Denkens  eetet  eidi  hei* 
dem  en^;egen,  da  die  Bestandteile  der  Erseheinmig  eich  ihr 
weder  klar  genug  sondern,  um  ihre  iadhridaeUe  EigeDart,  noek 
um  die  höheren  OesetzmÄTsigkeiten  zu  erkennen,  die  ihnen 
mit  andern  gemeinsam  sind.  K»  ^teht  damit  in  tieferem  Zu- 
«^ammenhange,  dai's  der  Anthropomorphienus  der  Weltanschau- 
UD^  m  demselben  Mafse  zurttckweichtr  in  dem  die  naturgesetz- 
liche Gleichheit  der  Maischen  mit  allen  anderen  Weaen  für 
die  Erkenntnis  hervortritt;  denn  wenn  wir  das  Höhere  er- 
kennen, dem  wir  lelbet  imd  nllee  andere  nntergeoidnet  eind^  eo 
fermckten  wir  daranl^  nach  den  speciellen  Nonnen  dieser  eu- 
fiUligen  Komplikation^  die  wir  selbst  ausmachen,  auch  die 
übrigen  Weltwesen  vomialeUen  und  zu  benrteilen.  Die  l^r 
sich  bestehende  Bedeutun«^  und  Berechtigung  der  anderwei- 
tigen Krücheinungen  und  Vorgänge  in  der  Natur  f^^eht  in  der 
lathrtypoientrischen  Betrachtungsart  verioren  und  t^rbt  gan;^ 

5* 


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68 


X  1. 


und  gar  von  dem  Kolorit  des  Menschentums  ab.  Erst  die 
Erhebung  m  dem,  wae  aach  ttbar  dieeem  steht,  m  der  allge- 
meinsten  NatoigeMtilichkeit,  schafft  jene  Gerechtigkeit  der 

Weltanschauung,  die  jedes  Ding  in  aetnem  Fürsichsein,  «einer 
Xadividualität  erkennt  und  anerkennt.  Ich  bin  ttbeneogt: 
wenn  alle  Bewegungen  der  Welt  auf  die  allbeherrschende 
Gesetzmäl'sigkeit  der  Mechanik  der  Atome  zurückgeführt 
wären,  so  wünlen  wir  schärfer  als  je  vorher  erkennen,  worin 
sich  jedes  Wesen  von  jedem  andern  unterscheidet. 

.        Dieses  erkenntnistheoretische  und  psycholoKi»che  Verhält- 

I  nie  erweitert  sich,  wenngleich  dieselbe  j^ntwiekTungsfonn  bei* 
bdialtend.  aobald  ea  aich  atatt  um  NatoiveBelBe  nm  metaphy- 
sische Allgemeinheiten  handelt   Neben  der  Abetraktionaknm 

-  des  Verstandes  ist  es  hier  die  Wärme  des  Gemtttes,  die  aus 
seinem  Innersten  die  metaphysische  Blüte  hervortreibt,  die 
Innigkeit  des  MitJebens  mit  den  Erscheinungen  der  Welt,  die 
uns  die  allgemeinsten,  Uberempirischen  Triebkräfte  ahnen  läfst, 
von  denen  sie  im  Innersten  zusammengehalten  wird.  Und 
ebendieselbe  Tiefe  und  Sammlung  des  Empfinden«  liöfst  uns 
oft  eine  heilige  Scheu  vor  dem  Individuellen  der  innem  und 
lolberen  Bneneinnn|pen  ein,  die  nns  nun  gerade  hindert,  in 
transcendenten  Begriffen  und  Bildern  eleicbsam  ein  Asyl  ftür 
die  Not  oder  auch  nur  ftr  die  Unenuärltchkeit  des  augen- 
blicklichen Erlebens  au  suohen.  Nicht  woher  dieses  Sohieksal 
kommt  und  wohin  es  geht,  macht  das  aus,  worauf  es  Tins 
ankommt,  sondern  düfs  es  gerade  dieses  Eigenartige,  in  dieser 
bestimmten  Kombination  mit  nicht»  anderem  Vergleichbare 
ist    Während  die  höchsten   metaphysischen  Vcrallgemeine- 

'  rungen  dem  verfeinerten  Gefühlsleben  entspringen,  ist  gerade 
ein  solehes  oft  genug  Ton  dem  Aufhehmen  und  Betrachtsn 
der  empirisehen  Welt  der  Einaelheiten  au  sehr  ergriffen,  ist 
lart  g^ug  organisiert,  um  alle  die  Schwankungen,  Gegen- 
SÜM^  Wunderlichkeiten  in  dem  Verhältnis  des  Individuellen 
EU  bemerken,  an  denen  der  Stumpfsinnigere  vorüberempfindet, 
und  begnügt  sich  mit  dem  blof?;en  Anschauen  und  Anstaunen 
dieseji  weehselvoUen  Spieles  der  Einzelheiten.   Ich  brauche  es 

'  kaum  auszuijprechen ,  dafs  es  die  ä.8theüöche  ^aturanlage  ist, 
die  diese  Differenzierung  am  vollendetsten  darstellt;  sie  sucht 
einerseits  die  Eiigänsung  des  Irdisch-Unvollkommenen  im  Bau 
einer  Idealwelt  m  der  die  reinen  ^isehen  Fonnen  wohnen, 
andereraeits  die  Versenkung  in  das  Aliereigenste,  AUerindividu- 
ellste  der  KrscheinTingen  uuä  ihrer  ochicksale.  Und  im 
Praktisch  -  Ethischen  kntipft  sich  das  Interesse  des  Uenena 
am  wärmsten  gerade  an  die  engsten  und  dann  wieder  an  die 
\vt  itenten  Kreise  der  Pflichterfüllung:  einerseits  an  die  engste 
Faitnlir,  andererseits  an  das  Vaterland,  einerseits  an  die  Indi» 
viduaJitüt,  andererseits  ;u\  dm  Weltbüi^ertum ;  die  Verpflich- 
tungen für  die  dazwiäciien  übenden  Kreise,  so  enge  und 


69 


strenge  sie  »ein  mögen,  entbehren  doch  der  Wärme  und  In- 
nigkeit der  Empfindung,  die  an  jene  Pole  de«  socialen  Lebens 
sich  heftend  auch  von  dieser  öeite  deren  innere  Zusammen- 
gehörigkeit zeiget.  Und  wie  die  hingebend  optimistische  Stim- 
mung pflegt  tiich  aucli  «iie  äkeptisch- pessimistische  zu  ver- 
lialteo:  sie  verbindet  gern  die  Verzweiflung  am  eigenen  Ich 
mit  der  «n  der  weiteeten  AUgemeiiüieit,  DruUeiert  das  GMthl 
innerer  Wertlosigkeit,  das  aus  rein  subjektiven  Momenten 

Soillt,  gar  zu  oft  auf  die  Welt  als  Ganzes.  Was  dazwischen 
e^,  räaelne  Seiten  und  Bezirke  der  Welt  können  dabei 
objektiv  und  selbst  optimistisch  beurteilt  werden.  Und  nm- 
^kehrt  kann  ein  Pessimismus,  der  nur  diese  Einzelheiten 
trifft^  sowohl  das  Ich  wie  das  Ganze  der  Welt  unberührt 
lassen. 


IV. 


Das  sociale  Niveaiu 


Es  ist  allgemein  zu  beobachten,  dafa  das  Seltene,  Indivi- 
duelle, von  der  Norm  sich  Abhebende,  eine  Wertschätzung 
geniefst,  die  sich  an  seine  Form  als  solchee  knüpft  und  inner- 
Laib weiter  Grenzen  von  seinem  specitischen  Inhali  unab- 
hängig ist.  Scbon  die  Sprache  lifst  die  .Seltenheit*'  zugleich 
als  YoraUgfichkeit  und  etwas  »gans  Beeonderee*  ohne  weiteren 
Znaatiy  an  etwa«  gans  hesonden  Gutes  gelten ,  während  das 
Gemein« y  d.  h.  das  dem  weitesten  Kreise  Eügene,  ünindivi- 
duelle,  zugleich  das  Niedrige  und  Wertlose  bezeichnet  Es 
lieg:t  nahe,  zur  Erklärung»;  dieser  Vorstellungsart  darauf  hin 
zuweisen,  daLs  alles  Gute,  alles  was  ein  bewuTstes  ObiekK- 
gefllhl  erregt,  selten  ist;  denn  die  Lust  stumpft  sich  aufser- 
ordentlich  schnell  ab,  und  in  dem  Mafse  ihrer  HäuHgkeit  tritt 
eine  Gewöhnung  an  sie  ein,  die  dann  wieder  das  Niveau 
bildet,  Uber  das  ma  neuer  Reia  hinausgdien  woSb^  um  als 
solcher  bewoTst  zu  werden.  Verstellt  man  deshalb  anter  dam 
Guten  die  Ursache  bewulster  Lebsnsreize,  so  bedarf  es  keines 
besonderen  Pessimismus,  um  ihm  die  Seltenheit  als  notwen- 
diges Prädikat  zuzusprechen.  Ist  man  sich  aber  hierüber 
klar,  so  liegt  psychologisch  die  Umkehning  sehr  nahe:  dafs 
auch  alle»  Seltene  gut  »ei ;  00  völlig  falscli  es  logischerweise 
ist,  dafs,  weil  alle  a  =  b  sind,  nun  auch  alle  b  ^  a  sein 
sollen,  so  begeht  doch  das  thatsäcUlicho  Denken  und  Fuhlen 
nnaähligemal  diesen  FeUschlofs:  ein  gewisser  Styl  in  kttnst^ 
lorischen  oder  realen  Dingen  geCUlt  uns,  und  ehe  wir  es  uns 
▼ersehen,  wird  er  uns  zum  Mafsstabe  alles  Gefallens  über- 
haupt Der  Satz:  der  Styl  M  ist  gut,  wandelt  sich  uns  Ukr 
die  Praxis  in  den:  alles  (Jute  mufs  den  Styl  M  zeigen;  ein 
Partei  |>rogramm  erscheint  uns  richtig  —  und  gar  zu  bald 


71 


halten  wir  nicht«  aiwlrres  iür  richtig,  aU  was  in  tlie^t'm  ent- 
halten iftt  u.  f.  w.  Kiiitir  sulchen  Umkehrung  de«  Satzes,  dafn 
aiks  Gute  selten  ist,  mag  die  durchgehende  Scliützung  des 
SchenereD  eotitanimen. 

Ein  praictiaches  Moment  kommt  kinio.  Die  Oleickhait 
roit  Anderen  ist  zwar  aU  Thatsache  wie  als  Tendens  von 
flicht  geringerer  Wichtigk^t  als  die  UnterBcbflidQllg  gvgeo 
sie,  und  Keide  sind  in  den  TOHnnirbfaltTg^ten  Formen  die  grofsen 
Prinzipien  liir  alle  iiulsen!  und  innere  Entwicklung,  »^odafs 
die  Kulturgeschichte  der  MenscliLeit  schlechthin  al«  die  Ge- 
schichte des  Kauipte.s  und  der  Versöhnuugs versuche  zwischen 
ihnen  auikefafst  werden  kann;  allem  für  das  Handeln  inner- 
halb der  Yerhaltnisae  dea  Einzelnen  ist  dock  der  Untersehied 
gegen  die  Anderen  von  weit  gröfserem  Interease,  als  die  Qleich* 
beit  mit  ilineti.  T^ic  Differenzierung  ge^^{  ti  andere  Wesen  iat 
es,  waa  unsere  Thätigkeit  grofsenteils  herausfordert  und  be- 
stimmt; auf  di**  Beobachtimg  ihrer  Verschiedenheiten  sind  wir 
anpTwiesen,  wenn  wir  «ie  Ijenutzen  und  die  rfchti^^  Stellung 
unter  ihnen  einnehmen  wollen.  Der  Gegenstand  des  prakti- 
schen Interesses  ist  das,  \sns  uns  ihnen  gegenüber  Vorteil 
oder  Nachteil  verschafft,  aber  nicht  das,  worin  wir  mit  ihnen 
ftberdnattmmeD ,  das  Tiehnehr  die  selbstverstibidlicbe  Gnind- 
lage  vorschreitenden  Bandeins  bildet.  Darwin  eraihlt,  er 
hiu>e  bei  seinem  \1(  Ifachen  Verkehr  mit  Tierffichtern  nie  efnen 
getroffen,  der  an  die  gemeuisame  Abstammung  der  Arten  ge- 
glaubt habe;  das  Interesse  an  derjenjgen  Ahweichung,  die  die 
von  ihm  gezüchtete  Spielart  charakterisiere  und  ihr  den  prak- 
tischen Wert  für  ihn  verleihe,  fülle  das  BewuTstsein  so  aus, 
daiö  für  die  Gleic  lilirit  in  allen  Baupi-sachen  mit  deu  übrigen 
Ilasscn  oder  (  iaitungcn  kein  Raum  aarin  mehr  vorhanden  sei. 
Dieses  Interesse  au  der  Differenziertheit  des  Besitzes  erstreckt 
•idi  begreülich  auch  auf  alle  anderen  BesiehitneeD  des  Ich. 
llan  wird  im  allg^eineii  sa^en  können,  dafs  bei  objektiv 
gldcher  Wichtigkeit  der  Gleichheit  mit  einer  Allgemeinheit 
und  der  Individualisiemiig  ihr  gegenllber  für  den  subjektiven 
Geist  die  erstere  mehr  in  der  Form  von  Unbewufstheit,  die 
letztere  mehr  in  der  der  Bewufstheit  existieren  wird.  Die 
organischo  Zweckmäfh^igkeit  spart  das  Bewufstscin  in  jenem 
Fall,  weil  es  in  diesem  für  die  jjrakiischen  Lebcii.-*zw»'cke 
nötiger  ist  Bis  zu  welchem  Grade  aber  die  Vorstellung  der 
Verschiedenheit  die  der  Gleichheit  verdunkeln  kann,  zeigt 
vidleidit  kein  Beispiel  lehrreicher,  als  die  konfessionaUsti- 
schen  Streitigkeiten  swischen  Luthtiranem  und  Reformierten, 
namentlich  im  17.  Jahrhundert.  Kaum  war  die  grofse  Ab- 
sonderung gegen  den  Katholicismus  geschehen,  so  spultet  sich 
das  Ganze  um  der  nichtigsten  t)ingc  willen  in  Parteien,  die 
man  nft  ;^'enu^  äufseni  hört:  man  l^  tnnte  eher  mit  d-^n  Papi«*tcn 
Gcmcinschalt  halte»,  als  mit  denen  von  der  anderu  Koniesston ! 


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72 


So  weit  kann  über  der  Differenzierung  die  Hauptsache,  ixher 
dem  Treuuenden  das  Zusammenschliersonde  vergessen  werden! 
Dafi  dies  IntAretta  an  6at  Differenziertheit»  das  also  die 
Grundlage  des  eigenen  WertbewnÜstsans  nnd  des  prdcthM^en 
Handelns  bihlet.  an  einer  Wertsciiätzung  derselben  psycbolo- 
isch  emporw&cnst,  ist  leicht  verständlich,  und  ebenso,  dafs 
ies  Interesse  hinreichend  praktisch  wird,  um  eine  Differen- 
zierung ?iTich  da  zu  erzeugen ,  ^vo  eigentlich  kohi  sachlicher 
Grund  dazu  vorlieprt.  So  ])emerkt  man.  dafs  Vereinigungen  — 
von  gesetzgebenden  Körperschaften  bis  zu  Vergnügungs- 
komitees — j  diu  durchaus  einheitliche  Gesichtspunkte  und 
Ziele  habeUi  nach  einiger  Zeit  in  Parteien  auseinandergehen, 
die  sich  an  «nander  Teraalten,  wie  die  ganae  sie  einschliefsende 
Vereinignng  etwa  an  einer  von  radikal  andern  Tendenaen  be- 
wegten. Es  ist,  als  ob  jeder  Einaelne  seine  Bedeutung  so 
selir  nur  im  Gegensatz  gegen  andere  fühlte,  dafs  dieser  Gegen- 
satz künstlich  geschaffen  wird  ,  wo  er  von  vornherein  nicht 
da  ist,  ja  wo  die  ganze  Gemeinsamkeit,  innerhalb  deren  nun 
der  Gegensatz  gesucht  wird,  auf  Einheitlichkeit  anderen  Gegen- 
sätzen gegenüber  gegründet  ist. 

War  die  zuerst  genannte  Ursache  fUr  die  Schätzung  der 
Diflferenaiemns^  eine  indlTidneU  psychologische,  die  awetie 
aus  individueuen  und  sociologischen  Motiven  gemischt,  so 
läfst  sieh  nun  eine  dritte  von  rein  entwicklungsgeschiehtlichem 
Charakter  aufdnden.  Wenn  nämlich  die  Oiganismenwelt  eine 
allmilliliche  Entwicklung  dMrcI)  die  niedrigsten  Formen  hin- 
durch zu  den  höheren  durchniaeht,  m  ^ind  die  niedng;er0a 
und  primitiveren  Eigenschaften  jedenfalls  die  älteren  ;  sind  es 
aber  die  älteren,  so  sind  es  aucn  die  verbreite teren,  weil  die 
Gattun^serbschaft  um  so  sicherer  jedem  Individuum  vererbt 
wird,  le  länger  sie  sich  schon  eHialten  und  gefestigt  hat 
Kttralich  erworbene  Organe,  wie  die  höheren  und  kompli- 
cierteren  es  in  relativem  Grade  immer  sind,  erscheinen  stets 
variabler,  und  man  kann  nicht  mit  Bestimmtheit  sagen«  dafs 
jedes  Exemplar  der  Gattung  schon  an  ihnen  teilhaben  wird. 
Das  Alter  der  Vererbung  einer  Eigenschaft  ist  aUo  das  Band, 
da«  zwischen  der  Niedrigkeit  und  der  Verbreitung  derselben 
eine  reale  und  synthetische  Verbindung  knüpft.  Wenn  es 
uns  deshalb  scheint,  als  ob  die  individuelle  und  belit;nerc 
Qualität  die  ToraUglichere  wäre,  so  ist  dies  freilich  auch  von 
diesem  Oesiebtipunkte  aus  ein  oft  irrender,  aber  oft  auch 
treffender  Induktionsschlufs.  Die  Differensierung  kann  freilich 
auch  nach  der  8eite  des  Häfslichen  und  Bösen  stattfinden. 
Allein  eine  tiefere  Analyse  zeigt  hier  häufig,  dafs  bei  hoch- 
diff»'v*»nziertem  Charakter  «!owohl  dea  etbiHcb  wi.»  de*?  ästhetisch 
kSchlechten  die  Differenzierung  mehr  die  Mit td  und  Ausfirucks- 
weise  betrifft,  also  etwa.s  an  sich  Gutes  und  Zweckmäfsiges, 
das  nur  durch  einen  bösen  Endzweck,  zu  dem  es  gebraucht 


73 


wird  und  (^nr  an  sich  kein  differenziertes  Wesen  zeigt,  das 
negative  Werturteil  rechtfertig-t  ■  'lies  ist  bei  allen  Raffine- 
ment?; des  Svbaritentiims  und  der  nn8!ttHc}ikf>it  der  Fall. 
Auiiererdeit-H  snhon  wir  auch  g^^radc,  wie  tMit«c}iiedeu  iüilsliche, 
also  auf  priraitive  Kutwiekelurigsstuteu  zuriickschlageiide  Er- 
scheinungen, die  uns  dennoch  fesseln,  dies  durch  Beimischung 
■ehr  individueller  Züge  «atande  bringen;  dUe  sogenannte 
beaut^  du  diable  ist  dafilr  ein  bäufig  an^otroffenee  Beispiel. 

Koch  mehr  Wertorteflen  dieser  Art  begegnen  wir,  wenn 
wir,  statt  nach  der  Schätzung  des  Seltenen,  narai  der  des  Neuen 
fragen.  Jedes  Neue  ist  ein  F^oltenes,  wer>n  ancTi  nicht  immer 
im  VerhÄltnis  zu  dem  aktuellen  Infmll  drs  Bewufstseins ,  so 
doch  zu  der  TotalitÄt  der  Erfahrungen  überhaupt,  nicht  immer 
im  VerhÄltnis  zu  dorn,  was  neben  ihm  ist  so  doch  j edenfalb 
im  Verhältnis  zu  döm,  was  vor  ihm  v.  ar  und  in  irgend  einer 
psyditscfaen  Form  ^Msh  noch  gegenwärtig  sein  mufe,  um  jenes 
■ich  eben,  eis  Neues  abheben  au  lassen.  Das  Neue  ist  daa 
aus  <ler  Masse  dos  Gewohnten  Heransdifferenzierte ,  es  ist  in 
der  Form  der  Zeit  dasjenige,  was  dem  Inhalt  nach  als  Seltenes 
erscheint.  Welche  Schätzung  aber  das  Neue  rein  als  solches 
und  ohne  Rücksicht  auf  seinen  specifischcn  Inhalt  geniefst, 
bedarf  nur  der  Erwähnung.  Verdankt  es  di^elbe  nun  auch 
w(»8entlieh  unserer  Unterschiedsempfindlichkeit,  die  einen  Reiz 
nur  an  dasjenige  knüpft,  was  sich  vom  bisherigen  Empfin- 
dungsttiTean  abnebt,  so  wirkt  doch  zweifellos  die  Erfahrung 
mit,  dafs  das  Alte  —  wdehes  das  durch  die  Zeiirethe  Ver^ 
breitete  ist,  wie  das  bisher  als  verbreitet  Angesprochene  duroh 
die  Raomreihe  —  die  primitive  Gestaltung  gegenttber  dem 
Späteren,  erst  einen  bescnränkteren  Zeitteil  hindurch  Existie- 
renden bedeutet.  So  finden  wir,  dafs  in  Indien  die  sociale 
Stufenordnung  der  Gewerbe  von  ihrem  Alter  abhängig  istr 
die  jrmperen  sind  in  der  Rep:el  die  höher  geachteten  —  wie 
mir  scheint,  aus  dem  Grunde,  dafs  sie  die  kompUcierteren, 
feineren,  dif&cileren  sein  mtlssen.  Wenn  wir  dem  entgegen 
auch  yielfrch  einer  Schätaung  des  Alten,  GMesteten,  lange 
Bewttlirten  begegnen,  so  ruht  dieses  seinerseiis  auf  sehr  realen 
und  durchsichtigen  Grflnden,  die  die  Kraft  jener  wohl  fär 
die  einaelne  Eracheinang  einschränken,  aber  nicht  zunichte 
machen  können.  —  Was  in  diesen  Fragen  so  leicht  irre  führt, 
ist  dies,  dafs  so  allgemeine  Tendenzen,  wie  die  Schätzung  des 
Neuen  und  Seltenen  oder  des  Alten  und  allgemein  Verbiei- 
teten,  als  Ursachen  der  einzeln «mi  f]racheinung,  als  Kräfte 
oder  psychologische  Naturgesetze  aufgefafbt  werden  und  dann 
freilicD  in  den  Widersprudi  verwickän,  dafs  ein  Natnrgeeetx 
das  genane  Gegenteil  des  andern  aussusagen  scheint.  Der- 
artige allgemeine  Prinxipicn  ind  vielmehr  die  Folgen  des 
Zusammentreffens  primärer  Krilte^  nichts  als  ein  zusammen« 
fassender  Ausdruck  fUr  Erscheinungen,  deren  jede  aus  besonders 


n  X 1. 

EU  untersuchenden  Uraachen  hervorgeht.  Au»  der  uiiermefs- 
Hchen  Kombinationsmöglichkeit  jener  primären  Ursachen  er- 
kiän  üich  die  VerBchiedeuheit  der  allgemeinen  Tendenzen, 
die  ab  Widerspruch  nur  dann  erscheint,  wenn  sie  als  allge- 
meine Unachen,  allgamem  gültige  GtoeelBe  geütüt  werden  imd 
«Im  gleicliaeitige  und  gleichmäfnge  Anwendung  auf  jede  Er- 
scheinung fordern.  Daiu  sie  freilich,  nachdem  eie  lange  genqc 
als  blofse  Folgeerscheinung  im  Bewufstsein  waren,  dann  auch 
im  Verlauf  des  Seelenlebens  tai  Ursachen  weiterer  psycholo- 
gischer Gesohrhnisse  weMen,  ist  sicher.  In  keiacni  Fall  aber 
kann  die  Hcrleitung  des  notwendigen  Eintretens  einer  derartigen 
'i  enden/,  dadurch  widerlegt  werden,  daf»  aucli  eine  entgtjgon- 
gei»etzte  Geltung  hat  Der  Nachweis  der  Notwendigkeit,  dala 
dai  Neue  und  »olteiic  geschätit  wird,  leidet  nicht  unter  der 
Thatsaehe^  dafa  auch  das  Alte  und  Überlieferte  geschätzt  wird. 

Die  Niedrigkeit  des  letzteren  nun  in  der  hier  betrach- 
teten evolutionistischen  Beziehung  hat  gegenüber  dem  Jün- 
geren und  Individuelleren  die  grtifBcr^'  8tch«*rheit  d**r  Ver- 
erbung, die  gröfsere  Gewifsheit,  jedeni  Kni/ e  inen  üln  rliefert 
au  werden,  zum  Korrelat.  Daher  ist  es  klar,  dal's  groiden 
M&%Ben  ah  Ganzen  nur  die  niedrigeren  Bestandteile  der  bisher 
erreichten  Kiütur  eigen  sein  werden. 

Von  dieser  Grundlage  aus  wird  una  a.  B.  die  aa£Ulende 
Biskrepans  yerständlich,  die  sswiaehen  den  theoretischen  Über- 
zeugungen und  der  ethischen  Uandlungsweise  so  vieler  Men- 
schen herrscht  und  zwar  meistens  im  Sinne  eines  Zurückbleibens 
dieser  hint»^r  jenen.  Es  ißt  nämlich  richtig  bemerkt  worden, 
dal's  ein  KinAufs  des  Wiesens  auf  die  Charakterbildung  nur 
insoweit  f*tatttinden  könne,  als  er  von  den  Wisaensiulialton 
der  socialen  Gruppe  ausginge :  denn  zu  der  Zeit,  wo  der  Ein- 
zelne dasu  käme,  sich  ein  wirklich  individuelles,  über  seine 
Umgebung  durch  differenzierte  Qualitäten  binauf^gehendes 
Wissen  zu  erwerben,  —  an  dieser  Zeit  sei  sein  Charakter 
und  die  Uichtung  seiner  Sittliclikcit  längst  abgcBchlossen.  lu 
der  Periode  der  Bildung  dieser  ist  er  ausschliefslich  den  Ein- 
flüssen des  in  der  socialen  Gruppe  objektivierten  G**istofa,  de« 
in  ihr  aü^^omein  verbreiteten  Wissens  ausgebeizt,  die  tVciliLh 
je  nach  der  angebomen  tii^^enurt  des  Individuums  zu  seiir 
verschiedenen  Resuitateii  tiliireu  werden  —  man  denke  z.  B. 
daran,  wie  Terschteden  die  den  Individuen  social  entgegen- 
gebrachte Übeizeugung  einer  jenseitigen  Veigettung  auf  starke 
oder  sehwache,  heuchlerische  oder  aufrichtige,  leichtsinnige 
oder  ängsth'che  Nataranla^en  ethisch  einwirken  muis.  Ist  nun 
aber  das  Wissensniveau  der  Gruppe  als  soklies  ein  niedriges, 
HO  verntehen  wir  .nns  »«HnT  Wirkiin«^  auf  die  ethische  For- 
mierung, dais  diese  ofi  «o  wnn^^  nm  dorjeni^on  r]!<v)rf^ tischen 
Bildung  übereinstimmt,  die  wir  dunn  an  dem  fertigen,  mit 
individuellem  Inhalt  erfüllten  Geiste  wahrnehmen.  Wir  mögen 


75 


ttbenengt  sem,  dafs  d«8  selbstlose  Handeln  unvergleichlich 
höheren  Wert  hat  als  das  egoistische,  —  und  handeln  doch 
eaoistisch;  wir  sind  davon  durchdrungen,  dafs  die  geistigen 
Freuden  viel  dauerndere,  rouelosere,  tiefere  sind  als  die  sinn- 
lichen, —  und  jagen  doch  wie  blind  und  toll  hinter  diesen  her; 
wir  sagen  uns  tausendmal  vor,  dais  der  Beifall  der  Menge 
w«itMa  durch  den  von  ein  paar  Einstchtigen  aufgewogen  wM^ 
—  imd  wwvkley  dia  dies  mobt  nur  iagen,  aondara  anfirklitig 
glauben,  lassen  nicht  hundertmal  diflMn  im  Stich  um  jenai 
willen!  Dm  knnn  woihl  nur  daher  etammen,  dnCb  aokiie 
höheren  und  vornehmeren  Erkenntnisse  uns  erst  kommen,  wenn 
unser  Bittllches  Wesen  schon  fertig  ist  und  in  der  Zeit,  wo  es 
sich  bildet,  nur  die  allgemeineren,  d.  Ii«  niedrigeren  tlieoreti> 
sehen  Auffassungen  uns  umgeben. 

Wenn  nun  aber  auch  jeder  Einzelne  aus  dei*  Masse 
höhere  und  feinere  Eigenschaiten  besitzt,  so  sind  diese  doch 
individiMllenp  d.  h.  er  nnlerscheidet  aich  in  dar  Art  und  IBk^ 
tung  derselben  von  jedem  andarSi  dar  qnaliialiT  ebenso  boch> 
atohande  Eigenschaften  anfireiit  Dia  goneinsama  Gnmdhiga^ 
Yen  der  sie  sieh  ahawalgwi  mOssen ,  um  höher  zu  komman« 
wird  von  den  niedrigeren  Qualitäten  gebildet,  d«r*?n  Ver- 
erbung allein  eine  unbedingte  ist.  Von  hier  aus  wird  uns 
das  Öchillersche  Eiiigratnm  verständlich:  ^Jeder,  sieht  man 
ihn  einzeln,  ist  leidÜLh  klug  und  vcibUlndig,  Sind  sie  in  cor- 
p<»'e,  gleich  wird  euch  ein  Dununkopf  daraus/  Und  ebenso 
der  Haiaaiahe  Vara:  »Selten  habt  ihr  mieh  Taralandan,  Selten 
•ach  Tanitaiid  ich  auch»  Nur  wenn  wir  im  Kot  una  fimdaii, 
Dann  verstanden  wir  uns  gleich.**  Von  hier  aus  die  Tlwt- 
■aeha^  dafs  Essen  und  Trinken,  also  die 'Altesten  Funktionen^ 
das  gesellige  Vereinignngsniittel  oft  sogar  sehr  heterogener 
Personen  und  Kreise  bilden,  von  hier  auH  auch  die  eigen- 
artige Tendenz  selbst  gebildeter  iierrengeseüschaften,  sich  in 
der  Erzählung  niedriger  Zoten  zu  ei^ehen;  je  niedriger  ein  Ge- 
biet ist,  de^to  sicherer  kann  man  daraui  rechnen,  von  allen 
▼erstanden  au  werden;  das  wird  um  so  zweifelhafter,  je  höher 
man  kommt,  weil  es  in  demselfaen  Yerhiütnis  diiferenzierter, 
individudlar  wird.  Die  Handlungen  von  Massen  werden  hier- 
durch in  entsprechender  Weise  charakterisiert  Der  Kardinal 
Kctz  bemerkt  in  seinen  Memoiren,  wo  er  das  Verfahren  des 
Pariser  Parlaments  zur  Zeit  der  Fronde  beschreibt,  dafs  zahl- 
reiche Körperschaften ,  wenn  sie  auch  noch  so  viel  hoch- 
stehende und  gebildete  PerBonen  einschlieiiien,  doch  bei  ge- 
meinschaftlichem Beraten  und  Vorgehen  immer  wie  der  Pobel 
handeln,  d.  h.  durch  solche  Vorstellungen  und  Leidenschaften 
wie  das  gemeine  Volk  r^ert  werden,  —  nur  diese  aind  eben 
allen  gemeinsam,  während  die  höheren  differenaicrt,  also  bei 
d«ni  Verncliiedenen  Terschieden  sind.  Wenn  eine  Masse  ein- 
hailbeh  haadeh,  so  geschieht  es  immer  auf  Onind  mögÜnhat 


76 


X  1. 


einfnohor  Vurstelhuigen;  die  Wahrscheinlichkeit  ist  zu  gering, 
dal's  jtxUd  Mitglied  einer  gröfseren  Masse  einen  niannichfalti- 
gcren  Gedanken  komplex  in  BewufstÄeiii  und  Uberzeugung 
trägt  Da  nun  aber  angesicbtv  der  Komnlimertfaeit  unserer 
Verhältnisse  jede  einlache  Idee  eine  radikale,  vielerlei  andere 
Ansprüche  negierende  sein  mufs,  so  begreifen  wir  darc-uLs  die 
Macht  der  radikalen  Parteien  in  Zeiten,  wo  die  grofsen  Massen 
in  Bewegung  gcs»'tzt  sind,  und  die  Schwäche  der  vermittelnden, 
für  heif^e  Seiten  dns  Gegensatzes  Recht  fordernden,  und  ver- 
stellen auch,  weshalb  gerade  diejenigen  Religionen,  die  alle 
Vermitteluug,  alle  Aufnahme  Hudersartiger  Bestandteile  am 
schroffsten  und  einseitigsten  von  sich  abweisen,  die  gröfste 
Herrschaft  über  die  Qemüter  der  Masse  erlangten. 

Dem  stdlt  sidk  seheinbar  die  manchmal  gehörte  Behaup- 
tung entgegen,  da&  religiöse  Gemeinseliaften  um  so  kleiner 
seien,  je  gennger  ihr  dogmatischer  Belitz,  und  daas  der  Um- 
fang des  Glaubens  im  geraden  Verhältnis  zu  der  Zahl  der 
Bekenner  stehe.  Da  ein  differenzierterer  Geist  dazu  gehfirt, 
um  eine  grofne  An7:ahl  von  Vorstellungen,  als  um  wenige 
au  beherbergen,  so  würde  hiemaeii  gerade  die  gröfsere  Gruppe, 
falls  ihr  als  solcher  die  mann  ichfaltigere  Giaubenamaase  zu- 
käme, sich  in  der  gröfseren  geistigen  Differenziertheit  zu- 
sammenfinden. Allein  die  Thatsaehe  selbst  zugegeben,  be- 
stätigt sie  doch  die  Regel,  statt  eine  Ausnahme  von  ihr  zu 
hilden.  Denn  auf  religiösem  Gebiet  stellt  gerade  £inheit  und 
Einfachheit  sehr  viel  gröfsere  Ansprüche  an  Vertiefung  des 
Denkens  und  Fühlens  als  bunte  Fülle,  wie  d^nn  ancTi  die 
scheinhfire  Differenziertheit  des  Polytheismus  dem  Monotheis- 
mus gegenüber  als  die  primitive  Stufe  auftritt. 

Steht  nun  ein  Angehöriger  einer  Gruppe  sehr  niedrig, 
so  ist  das  Gebiet,  das  ihm  mit  dieser  gemeiiiüam  ist,  relativ 
groXs.  Dieses  Gemeinsame  selbst  mufs  aber,  afaacdat  genommen, 
um  so  niedriger  und  roher  sein,  je  mehr  sokdier  Einaelnen 
es  giebt,  da  ein  höheres  Gemeinsames  natürlich  nur  da  möglich 
ist,  wo  die  einzelnen  Bestandteile  der  Gruppe  ein  solches  auf- 
weisen; die  relative  Niedrigkeit  der  Ausbildung,  die  die  Mit- 
glieder einer  Gruppe  zeigen  —  relativ  in  ihrem  Verhältnis 
zum  Gru]ipenbe>itz  —  hedeutet  zutrieieh  die  absolute  Niedrigkeit 
des  letzteren  nnd  umgekehrt  Ks  wäre  ein  wenngleich  be- 
stechender, so  doch  oherflachlieher  Schlufs,  dafs  bei  hoher 
Differenziertheit  der  Einzelnen  von  einander  das  gemeinsame 
Gebiet  mehr  und  mehr  Terkleinert  und  auf  die  unentbehrlich- 
sten und  also  niedrigsten  E«igenscbaften  und  Funktionen  ein- 
geschränkt würde.  Unsere  TOrige  Abhandlung  beruht  zwar  auf 
dem  (MUmken,  dafs,  je  ausgedehnter  ein  socialer  Kreis  ist,  desto 
Wenigeres  mir  ihm  gemeinsam  sein  kann,  und  dafs  die  Aus- 
dehnung nur  durch  geÄteigerte  Differenzierunpr  möglich  sei, 
»odafs  diese  letztere  der  Gröise  des  gemeinsamen  Inhalts  um- 


77 


pkehrtproportionftl  Boi.   Wir  kOnnen  mis^  um dieMen  schein* 
baren  widmpraeli  gegen  die  obige  Behauptung  zu  lOeen,  das 
Yeihlltnis  scm-matisch  so  denken,  da&  der  früheste  Zustand 
ein   sehr  niedriges  Socialniveau  mit  gleichzeitiger  Gering- 
fügigkeit  individueller   Differenziertheiten    dargestellt  habe. 
Dte  Entwicklung  habe  nun  beifles  gesteigert,  aber  so,  dafs 
die  Vcrrachrun«:  de.s  gemeinsamen  Inhalts  nicht  in  dem  gleicläen 
Verhaitiiis  wie  die  der  Differenzierungen  st;ittge.funden  habe. 
Die  Folge  davon  wird  sein,  diü«»  der  Ab-^tand  zwischen  beiden 
sich  immer  yeigröDsert,  daXis  das  sociale  Niveau  im  Verhältnis 
au  den  darüber  aicb  erhebenden  Differanxtemngeii  immer 
niedriger  und  inner  wird,  an  sieh  betraehtet  emt  dodi  in 
fortwährender  Steigerung  bogrifien  ist  Die  drei  BeHtimmungen : 
eilieUiehe  absolute  Höhe  des  gemeinsamen  Besitaes  der  Gruppe, 
ebensolche  der  Individualisierungen,  Armut  des  ersteren  im 
Verhältnis  zum  letzteren,  sind  alHo  durchaus  zu  vereinigen. 
Vielerlei  analoge  Entwicklungen  finden  nach  diesem  Schema 
statt  Dem  Proletarier  sind  heut  vielerlei  Komforts  und  Kultur- 
vorteile zugänglich,  die  er  in  früheren  Jaiirliiuiderten  ent- 
behrte, und  doch  ist  die  Kluft  zwischen  seiner  Lebenshaltung 
und  der  der  oberen  Stände  aniserordentlich  viel  welter  ge- 
worden. Bei  hoher  Knhur  sind  schon  die  Kinder  geweckter 
und  gewitater,  als  in  roheren  Epochen,  und  doch  ist  zweifellos 
f    der  Wogt  den  sie  zur  höchsten  Ausbildung  durchmachen 
mfisaeDy  ein  gröfserer,  als  in  den  Uberhaupt  «kindlicheren 
Zeiten  des  Menschengeschlechts.    Auch  innerhalb  des  Indivi- 
duums stehen  sich  in  der  Jugend  etwa  die  sinnlichen  und  die 
intellektuellen  Funktionen  nahe;  mit  vorschrei ten<i er  Entwick- 
lung werden  nun  zwar  die  ersteren  reicher  und  sUirker  aus- 
gebildet, aber  wenigstens  bei  vielen  ^iaturen  lange  nicht  in 
gleic]i«Di  Verhiltnis  mit  den  letaleren«  sodaTs  erhebliehe  ab- 
solute Hohen  beider  sich  mit  reialiTer  Annut  der  ersteren 
gegenüber  den  letzteren  sehr  wohl  vertragen.    Und  so  sehen 
wir  in  unserm  Falle:  der  geistige  Unterschied  zwischen  ge- 
bildeten und  Ung^ildeten  ist  in  solchen  Zeiten  der  gröfste,  wo 
auch  die  letzteren  schon  ein  höheres  Mafs  von  Bildung  besitzen, 
als  bei  gröfserer  allgemeiner  Gleichheit  des  jf^eistigen  Inhalts. 
Und  im  Sittlichen  verhält  es  sich  wenigstens  ähnlich;  gewifs  ist 
die  sociale  Sittlichkeit,  wie  sie  einerseits  in  der  Rechtavei^ 
iassung;  den  Verkehrsiormen  etc.  objektiviert  itft,  anderer- 
seits im  Dnrdischnttt  der  bewufiiten  Gesinnungen  an  den 
T9ß  tritt,  eine  höhere  geworden;  ebenso  gewifs  aber  ist  die 
Sehwinpingsweite  swisdien  den  tugendhaften  und  den  laster- 
haileo  Handlungen  vergröbert;  die  absolute  Höhe  der  Diffe- 
renzierungen kann  sich  also  ttber  die  des  socialen  Niveaus 
beliebig  erheben,  wenigstens  gleichgtütig  gegen  die  absolute 
Höhe  des  letztereri.    In  den  meisten  Fällen  aber  ist  sogar, 
wie  wir  sahen,  eine  gewisse  absolute  Höhe  des  gemeinsamen 


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78 


Inlialte  die  Bedingung  flOr  seine  rebtive  Niedrigkeit  gegenttber 
der  Hohe  der  Dinbrensieniiigeii,  wem  dann  dae  Korralet  der 

obige  Satz  int,  dafs  hctx  nnauHcrobildelein  socialem  Niveau  auch 
ein  Mangel  an  individueller  Differenziertheit  herraehm  maU, 
Die«  lÄt  ein  «ehr  wichtige«  VerhlltniBi  da  es  nn«  v^r- 
ytch**r}  lohrt,  wie  wpTtii?  dazu  geh'^rt.  um  weh  in  einpr  rulieo 
und  tipf'^tHliend**Ti  H  onie  zum  Führer  und  Herro  aufzu- 
schwingen. Dies  ist  auch  an  den  rudelweise  lel)endeü  Tieren 
charakteristisch,  bei  denon  da«  führende  Tier  Aivh  keineswegs 
immer  durch  so  besondere  Eigenschaften  auszeichnet)  dafa  sie 
dieee  gans  beioiidere  SteUang  leohtfortigten;  auch  unter  Kin- 
dern in  Sdiulklaanen  ist  es  häufig  m  beobachten,  dafa  ein 
Kind  in  einer  Art  führender  Stdlung  unter  seinen  Kameraden 
gelangt,  ohne  durch  besondere  kOrpeiliefae  oder  geistige  KdllWi 
dazu  pfftdentiniert  zu  sein.  Ein  sehr  geringes  oder  sehr  ein* 
seitigf*«  H'-raiteragen  ül»er  (Inn  Durchschnitt  bringt  da  schon 
oin  Überwiesen  über  nfhr  viele  mit  sich,  wo  die  Schwau- 
kung^(»n  um  den  Durchuehnitt  herum  iiufserst  geringe  sind; 
ober  eine  stark  differenzierte  Oesellschuft  sich  zu  erheben 
ist  deshalb  um  bo  viel  tK.hwerer,  weil,  wenn  man  auch  in  ge- 
wiaaeu  Hinsichten  den  Durcfaachnitt  ttberraet,  immer  andm 
nach  anderen  Seiten  Ausgebildete  da  aind,  die  et  in  Hinaiebt 
dieser  thun.  Ea  iat  deshalb  besonders  charakteiMaeh,  wenn 
TOtt  den  KUstennegem  berichtet  wird,  dafs  der  gescbickteate 
Kann  im  Dorfe  gewöhnlich  Schmied,  Tischler,  Baumeister 
und  Weber  in  einer  P^jrson  ist,  und  wenn  bei  don  niedrig- 
sten Stämm<  n  die  klno^en  Mftniif^r  immer  zugleich  Priester, 
Arzte,  Zauberer,  .) ug^oiidleiirer  u.  s.  w.  sind.  EÜno  Vereinigung 
wirklicher  specifischer  Begabungen  f^lr  alle  diese  verschie- 
denen Funktionen  ist  kaum  anzunehmen,  sondern  nur  ein 
Herrorragen  nach  irgend  einer  Seite,  das  eieb  aber  bei  der 
Niedrigkeit  dos  umgehenden  allgemeinen  NiTeana  zu  einer 
Oberhaupt  ausgeaeicnneten  Stellung  ausbildet.  Das  gleiche 
Verhalten  lie^rt  der  pe)rchologis<  hen  Thatsacbe  su  Grande^  daia 
ungebildete  Menschen  von  demjenigen,  der  auf  irgend  einem 
O^'hiote  UnE'ftwöhnliches  und  ihnen  Imponiereii<le.s  leistet,  tiuu 
auch  gleich  in  jeder  sonstigen  Hinsicht  Aiifserordentliches 
voraussetzen  und  iordern.  Bei  der  Fej>Relung  des  Individuums 
an  das  gemeinsame  und  dej*}iall»  niedrigere  Nivean  genügt 
schon  ein  geringes  Mafs  von  differenzierender  Krhebung 
darüber,  um  nach  allen  l^eiten  die  Situation  au  beherrschen. 
Kan  möchte  ea  lllr  eine  der  Zweekmäfsigkeiten  djer  aocialen 
Evolution  halten,  dafa  gerade  mif  den  Stufen ,  wo  Hemcbaft 
und  Unterordnung  den  ersten  und  wichtigsten  Qrund  der 
Kultur  zu  legen  liaben,  der  durchgehende  Mangel  an  Diffe- 
renziertheit das  Aufkommen  herrschender  Persönlichkeiten 
erleichtert  Ein  analoges  Verhalten  zej^^en  auch  die  Vor- 
ateiluDgen  des  Individuums.   Je  weniger  difforcnziei  t,  je  uu- 


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79 


ausgebildeter  die  Voratellungsmasso  ist,  lua  so  leichter  wird 
eine  abweichende  Vorstellung  eine  führende  Steilua^  gewirmeu 
und  mit  Leidenschaft  ers'nifen  werden,  gMchviel,  ob  «ie  dazu 
Mchlieh  borerhtigt  ist  ocler  nicht;  die  luipuLnvitlU  und  eigen* 
ainiiiee  Leidenschaftlichkeit  roher  und  daramer  Menschen  ist 
eine  faiafig  beobachtete  Ersc-hpinung  in  dieeem  Sinne.  AUenl- 
bnlben  sehen  wir  so,  dafs  das  Differenzierte  und  Aparte 
einen  Wert  erhält,  <^er  zn  seiner  sachlichen  Bedeutung  nur 
ein  -^ehr  unstetigi'jj  Verhältnis  aufweist;  je  niedriger  eine 
GnijijH",  desto  bemerkbarer  wird  j'  de  Di^erenzierung,  weil 
Nietirigkeit  durchgehende  GleickUeit  der  lüdividuen  bedeutet 
und  jede  Besonderheit  deshalb  gleich  sehr  rielen  gegenüber 
eine  AnsnahmetteUnng  bewirkt 

Soll  nnn  in  einer  schon  differenasierteren  Masse  dasjenige 
Nivellement,  das  zur  Einheitlichkeit  ihree  Handelns  K6^^>*t» 
enifllt  werden,  so  kann  es  nickt  so  geschehen,  dafs  der  Nie- 
dern Tum  Hoher**n ,  der  auf  pnTnitiv^^r  Entwicklungsstufe 
Str^Vsengebliehf'iie  zu  dem  DtfferoTiy.ierteren  autsteige,  sondern 
nur  so.  dafs  der  Höchste  zu  Jener  von  ihm  schon  überwun- 
denen Stufe  herabsteige;  was  Allen  gemeinsam  ist,  kann  nur 
der  Besitz  des  am  wenigsten  Besitzenden  sein.  Wo  sich  über 
Klassen  t  von  denen  sine  Insher  die  hemchende,  die  nndete 
die  behemcbte  wnr,  ein  Regiment  erhebt,  pflegt  es  sich  des- 
halb auf  die  letztere  zu  stutzen.  Denn  um  sich  gleich- 
miCsig  ober  alle  Schichten  erheben  zu  ktfnnen,  muf«)  es  diese 
nivellieren.  Nivellement  aber  ist  nur  so  möglich,  dafs  die 
Höheren  weiter  herali<,'ed rückt,  als  die  rieteren  enipor- 
gezogcn  werden  Deshalb  rindet  der  Usurpator  in  letzteren 
bereitwilligere  k^iutzen.  Damit  hangt  es  zusammen,  daf?*,  wer 
auf  die  Massen  wirken  will,  dies»  niciiL  duich  iheoretische 
Überzeugungen,  sondern  wesenüieh  nur  duich  Appell  an  ihre 
GefilUe  dorehsetnen  wird.   Denn  des  QefW  ist  sweifellos 

fegcnüber  dem  Denken  phylogenetisch  die  niedere  Stnfe; 
•ust  und  Schmei-z,  sowie,  gewisse  triebhafte  Gefühle  znr  Er- 
haltung des  Ich  und  der  Crattung  haben  sich  jedenfalls  vor 
allem  Operieren  mit  Begriffen,  Urteilen  und  iSchiüssen  ent- 
wickelt; nnd  deshall)  wirtl  Hicli  eine  Menge  viel  olicr  in  pri- 
mitiven GeBUilen  nnd  durch  ditiselben  zusammeiiünden ,  als 
durch  abf^traktere  Verstandesfunktiouen.  Hat  man  den  £in- 
xelncn  vor  sich,  so  darf  man  hinreichende  Differenzierung 
■euMT  Seelenkiifte  TOfMissetien,  die  den  Versuch  rechtfertigt, 
dnrok  Erweekimg  themtischer  Überaeugwigen  anf  seine  Ue- 
Üdile  zu  wirken.  Beiderlei  Seelenenergieen  müssen  erst  eine 
gewisse  Selbstftndigkeit  erlangt  haben,  um  eine  durch  den 
sachlichen  Inhalt  bestimmte  Gegenseitigkeit  der  Wirkung  aua- 
?rtiliVt»^n  Wo  die  Differenzierung  noch  nicht  so  weit  vor- 
geschntten  ist,  wird  die  Beeintlfisnung  nur  in  derjenigen  Ku  Ii 
tung  stattfinden,  die  die  natürliche,  psychologische  Eutwick- 


80 


X  1. 


lung  innehält ;  da  nun  die  Maise  ab  solche  nicht  differenziert, 
isty  80  wird  der  Weg  sa  ikren  Überseugungcn  im  allgemeiiieB 
dnxeh  ihre  Gefikhle  nindurchgehen;  man  intd  also  nmgekelurt 
wie  beim  Einselnen  aaf  diese  wirken  mtaen,  um  jene  an 
gestalten. 

Hier7iU  mag  eine  Erscheinung  beitragen,  die  sich  beson- 
der» <lrMitlich  an  einer  aktuell  zusaminenbefindlichen  Menge 
beobachte  II  läfst:  di»'  Verstärkung  fine«  Eindrucks  oder  Im- 
pulsen dadurch,  dafs  er  zugleich  eine  grofse  Anzahl  von  Ein- 
zelnen trifft.  Kbenderselbc  Eindruck,  der  una,  wenn  er  sich 
nur  auf  uns  richtet,  zienalich  külü  lassen  würde,  kann  eine 
sehr  starke  Reaktion  henrormfen,  sobald  wir  uns  unter  einer 
n^fseren  Menge  befinden,  wenngleich  jedes  einsebe  Mitglied 
derselben  im  genau  gleichen  Falle  ist;  hundertfach  lachen 
wir  im  Theater  oder  in  Versammlungen  ttber  Scherze,  ttber 
die  wir  im  Zimmer  nur  die  Achseln  zucken  wtirden,  irgend  ein 
Impuls ,  dem  jeder  Einzelne  nur  8ehr  bedingt  folgen  würde, 
bewegt  ihn,  «obald  er  sieh  in  einer  grofsen  Menge  befindet, 
zum  Mitmachen  der  eothusiastischsten ,  lobens-  oder  tadelns- 
werten Handlungsweisen.  Das  Mitgerissen  werden  des  Ein- 
zelneu bei  den  Empfindungsäulserungen  einer  Menge  bedeutet 
keineswegs,  dafs  jener  an  si^  yoUkommen  passiv  wMre  und 
SU  seinem  Verhalten  nur  durch  die  anderen,  anders  C^timmten 
angeregt  würde;  ihm  mag  es  yon  seinem  subjektiven  Stand- 
punkt AUS  so  erscheinen ;  allein  thatsächlich  besteht  die  Masse 
doch  aus  lauter  Einzelnen,  deren  jedem  es  ebenso  geht  Es 
findet  hier  die  rumste  WeeheelwirKun^^  statt;  jeder  Einzelne 
leistet  seinen  Beitrag  zu  der  Geearatstimmung ,  die  auf  ihn 
freilich  mit  <'inem  Quantum  wirkt,  in  dem  sein  eigener  Bei- 
trag sich  ihm  verbirgt.  Wenn  man  auch  durchaus  kein  Ge* 
setz  aufstellen  kann,  das  die  Wirkung  eines  Reizes  und  die 
Zahl  der  gleielueitig  Ton  ihm  Getroffenen  in  durchgängige 
funktionelle  Beaiehuiw  brichte,  so  ist  doch  im  Oannen  kein 
Zweifel,  dafs  jene  sicm  zugleich  mit  dieser  erhöht  Daher  die 
oft  ungeheure  Wirkung  flüchtiger  Anregungen,  die  einer  Masse 
gegeben  werden ,  das  lawinenartige  Anschwellen,  das  den 
leisesten  Impulsen  von  Liebe  und  Hafs  oft  zu  teil  wird.  Schon 
an  den  heerdeweise  lebenden  Tieren  ist  dies  festzustellen:  der 
leiseste  Flügelschlag,  der  kleinste  Sprung  eines  einzelnen  artet 
Ott  in  einen  panischen  Schreeken  der  ganzen  Heerde  aus. 
Eine  der  eigentümlichsten  und  durchsichtigsten  Steigerungen 
des  Gefühls  vermöge  des  gesellschaftlichen  Zusammenseins 
zeigen  die  Qnlker.  Obgleich  die  innerliclikeit  und  der  Sub- 
jektivismus ihres  religideen  Prinsips  eigendich  jeder  Gemein- 
samkeit des  Oottesdienstes  widerstreitet,  findet  diese  dennoch 
statt,  indessen  oft  so,  dafs  sie  stundadan^  schweigend  su- 
sammensitzen ;  und  nun  rechtfertigen  sie  oiese  Gemeinsam- 
keit dadurch,  dafs  sie  ans  dienen  kOnne,  uns  dem  Geiste 


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81 


Gottes  näher  lu  briDgen:  da  dies  aber  Air  ne  nur  in  einer 
Impiralioii  moA  mar799m  Eialtetion  betlebt^  »o  mutk  offenbir 
das  blofiMy  aneb  acliweiffende  BeieiaanderMin  die  letstere  be» 
gflnatigen.  Eiu  CDgb'scher  QuMker  am  Ende  dee  17.  Jahr- 
hunderts beschreibt  eketatiicbe  Eraoheinungen^  die  an  einem 
Mitglied  der  Versammlung  vorgehen,  und  fthrt  fort:  In  Kraft 
der  VerKindung  aller  Gliener  erirtpr  Gemeinde  zu  einein  Leibe 
kmIc  sich  hütifig  ein  solcher  Zustand  eine»  Einzeln en  allen  mit, 
sodafs  eine  ergieifende  fruchtbare  Erscheinung  zu  Tage  ge- 
fördert werde,  die  sciion  viele  dem  Vereine  unwiderstehlich 
gewonnen  habe.  Man  kann  geradeau  von  einer  Nervositttt 
groeser  Maieen  sprechen;  eine  Empfindlichkeit^  atne  Leiden- 
aehaft,  eine  Ezeentrieitllt  iat  ihnen  Sh  wbl  eigen,  die  an  keinem 
einiigen  ikrer  Mitglieder  oder  vielleicbt  nur  an  Aoaaerst 
vanigen,  fUr  sich  aUein  betiaebte^  au  konstatieren  wäre. 

Alle  diese  Erscheinungen  weisen  auf  diejenige  psychn* 
losgehe  Stufe  hin,  auf  der  das  Seelenleh^'n  unoh  überwiegend 
von  der  A«8ociRti*)n  bestimmt  wird.  Höhere  ^joistige  Ent- 
wicklung unterbricht  die  associativen  Zubanunenhän^e,  die 
die  Elemente  des  Seelenlebens  so  mechanisch  untereinander 
verknüpfen,  daXs  sich  an  die  Erregung  irgendeiueb  Puaktes 
oft  die  wtttgehendste  Erschtttterong  in  einer  Stärke  and  durch 
Gebiete  bindoreh  heftet,  die  in  gar  kemam  saehtiehen  Ver- 
kMltaia  an  jenem  Aosgangspuikte  stehen;  steigende  Diffsren- 
sientng  verselbständigt  die  einseinen  Bewnnrtaeinaelementa 
derart,  da(e  sie  mehr  and  mehr  nnr  logisch  gaieditfertigte 
Verbindungen  eingehen  und  sich  aus  den  Verwandtschaften 
lösen,  die  aus  der  versehwimmenden  Unklarheit  und  dem 
Manjt^el  scharter  Umgreiiirung  bei  jtrimitiven  Vorstellungen 
hervorgehen.  Solang*  ■  aber  diese  noch  her  tischen,  ist  auch 
ein  Uberwiegen  der  Getuhle  über  die  Verstaiidesfunkticjncn  zu 
beobachten.  Denn  wie  viel  oder  wenig  Wahrheit  jene  Lehre 
kaben  mu^  dafii  die  CMtfile  nur  nndaatlieha  Oadaaken  sind, 
Jn  jedem  Falle  bewirkt  Venebwonunenheit,  unklares  Durch- 
einandergehen  der  Vorstdliingnnhalte  eine  relativ  lebhafte 
Anregung  des  GefbhlsvermQgena.  Je  niedriger  also  das  in* 
teUektueUe  Niveau  ist,  je  mehr  unsichere  Begrenzung  dar 
Vor^tellungsinhaltp  jeden  derselben  mit  jedem  irgendwie  ver- 
knüpft, desto  ^  rregoHrf  r  flind  die  Geftllile  und  desto  weniger 
weraen  naraenthch  WillensäuTserungcn  durch  scharf  um- 
grenzte und  logisch  gegliederte  Verstellungsreihon  hervor- 
gerufen werden,  suiidoni  durch  jene  Gesaraterregung  des 
Qeifltesy  die  aus  der  Fortpflanzung  eine»  gegebenen  Anstolses 
«rIbUrt  and  ebento  ünache  wie  Folge  vOn  FLnktuiemagen 
das  GeMils  iat  Lodern  also  die  Anfnakma  eines  Gedankana 
oder  Impulses  dnick  aina  gröfsere  Menge  ihm  die  begrifflidie 
Schärfe  nimmt  —  schon  weil  die  Auffassung  jedes  Einaelnen 
dorek  die  seiner  Gknosaea  beeinilafst  wird      ist  die  pegrcbo* 


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8S  XL 

logische  Grundlage  für  die  Stinunung  und  Bestimmung  der 
Menge  durch  den  Appell  an  ihre  Genlhle  geschaffen;  wo  die 
Unklarheit  der  Begriffe  dem  Gefüiiiäleben  einen  weiten  Spiel- 
raum giebt,  da  wird  auch  in  Wechselwirkung  das  Geftiid 
«nen  grOfseren  Einflufs  auf  die  anderen  und  bOberen  Funk- 
tionen ausüben,  und  Entschlüsse,  die  sonst  «ns  einem  deutlioh 
gegliederten  teleologischen  BewuistseinsproieilB  betrongehen, 
wmen  aus  jenen  yiel  tmklareren  Überlegungen  und  Impuleen 
entspring^ei!,  die  der  Erregung  der  Geftime  folgen.  Wesentlicb 
ißt  auch  die  Widerstandslosigkeit,  die  .aus  dieser  psychischen 
Verfassung  folgt  und  öo  das  oben  charakterisierte  Mitgerissen- 
werden erklären  hilft;  je  primitiver  und  undifferenzierter  der 
BewuIätbeiiiBzuätaud  ist,  desto  weniger  findet  ein  auftauchender 
Impuls  sofort  die  nOtlgea  Gegengewicbte.  "Dsa  besobränkte 
geistige  lÜTeaa  bat  nur  Air  eine  einzige  VorsteDungsgruppe 
Kaum,  die  siob  vermöge  der  Grensverschwommenheit  seiner 
Elemente  widerstandslos  fortoflanzt  Daher  erklllrt  sich  aber 
auch  das  ebenso  rasche  Umschlagen  der  Stimmungen  und 
Entschlüsse  einer  Volksmenge,  das  nun  dem  früheren  Inhalte 
80  wenig  Rauni  gü'bt,  wie  sie  damals  ftir  den  jetzigen  übrig 
hatte;  Schnelligkeit  und  Schroffheit  im  Nacheinander  der 
Vürdtelluügen  und  Entschlüsse  ist  das  begreifliche  Korrelat 
SU  dem  Mangel  ihres  Nebeneinander. 

'Die  weiteren  psfobologiscben  GrOnde  dessen,  was  ich 
alsKoUeküyneiTOsittt  beceicnnete,  geboren  wohl  bauptsicblich 
in  das  weite  Gebiet  der  Ersclieluungen  der  ^Sympatnie''.  Es 
ist  sunächst  anzunehmen,  dais  durch  das  enge  Zusammensein 
mit  vielerlei  Menschen  eine  grofse  Anzahl  dunkler  Empfin- 
dungen sympathischer  und  antipathischer  Art  ausgelöst  wird, 
dafs  sich  vielerlei  Reize,  Triebe  und  Associationen  an  die 
Mannichfaltigiseit  der  Eindrücke  knüpfen,  die  wir  etwa  in  einer 
Vülkaverbammlung,  in  einer  Zuhörorachatt  u.  s.  w.  erfahren; 
und  wenn  auch  keiner  derselben  zu  klarem  BewuijBtsein  kommL 
so  wirken  sie  doch  gerade  in  ihrer  Gesamtheit  anregend 
und  bewiiken  eine  innere  nervöse  Bewegnnf ,  jeden  sieb 
darbietenden  Inhalt  mit  Leidenschaft  ergreift  und  ihn  weit 
über  das  Mafs  hinaus  steigert,  das  ihm  ohne  diesen  subjek- 
tiven Rcizzustahd  zukäme;  wir  begreifen  hieraus  ganz  im 
allgemeinprt  die  Steigerung  des  Nervenlebens,  die  die  Ver- 
gesellschaftung mit  sich  bringt,  und  dafs  sie  um  ao  gröfser 
sein  mufs,  je  verschiedenartiger  die  von  dieser  ausgehenden 
Kindrücke  und  Anr^ungeu  ö^nd,  d.  h.  je  weiter  und  differen- 
zierter unser  Kultuncren  ist  Eine  andere  Form  der  Sym* 
paÄie  ist  bier  indes  nocb  wiebtiger.  ünwiSkttrlicfa  abmen 
wir  Bewegungen  nach,  die  wir  um  uns  herum  vorgehen  sehen; 
wie  wir  häimg  beim  Anhören  eines  Musikstücks  dieses  gana 
oder  halb  unb«wuist  mitsingeny  beim  Anblick  einer  lebhaften 
Aktion  dieselbe  mit  unserm  Körper  oft  in  der  seltsamsten 


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XL  sat 

Weiae  akkompagmeren,  üo  machen  wir  ;£Uiiächst  rein  phyaisch 
die  Bewc^KOD^eiii  Ändemngen  der  QesichtszUge  u.  a.  w.  mit  in 
itoMtt  wUm  ose  OcnttlMKre^uug  naban  uns  Mfindiiehar  P«i^ 
«um  aibiliMt  Tenntlg«  i&t  AwocirtMH  aber»  die  ineli  in 
Uli  swiechen  einem  Geftihl  und  eeiaer  Anfterunff  gebildet  iel 
nnd  auch  in  rflcklAufiger  Biohtnng  wiiktom  wird^  erregt  jene 
rein  lofserliche  Mitbewegipg  auch  weni^tens  ein  Teilchen 
des  ihr  entsprechenden  inneren  EreigniBses.  Alle  höhere 
Schauspielkunst  ruht  auf  diesem  pHVchologischen  Vorgang. 
Indem  der  Schauapieler  zunftchst  äufserüch  die  geforderte  Lage 
und  Bewegung  nachahmt,  lebt  er  sich  achlieCslich  in  daa 
innere  Sein  deraeliben  ein,  veraeUt  aich  ttber  die  Brücke  der 
Infoeni  Nadiabaivng  gana  in  dieeei^  aodafr  er  dann  TOUig  aus 
der  psychologisehen  Beeohaffimheit  der  betrsAuiden  Pereon 
heraus  spieli  Auch  ist  hingst  festgestellt^  dafii  die  rein  mecha-' 
nische  Nachahmung  der  Cmerden  eines  2iOmigen  in  der  Sesle 
seihst  einen  Anklang  von  zornigem  Affekt  hervorruft.  Durch 
die  Mittelglieder  also  der  sinnlichen  Äufserung  des  Affekt» 
und  der  sympathisch  reflektorischen  Nachahmung  derselben 
lieht  eine  in  imsenn  Geaichtskreise  befindliche  Erregung  uds 
mehr  oder  weniger  in  ihren  Bann.  Das  findet  natürliclj  um 
so  auagedebnter  und  sicherer  statt,  je  vielfacher  der  gleiche 
Affekt  um  una  herum  zur  AuCserung  kommt  Und  geschieht 
das  aeboiiy  weim  wir  nnbefimgen  in  iBine  Menge  luneintceten, 
so  wird  ea  da«  wo  die  eigene  Stimfiiiing  die  gleiche  iBt|  aar 
erheblichsten  Steigerung  derselben,  an  jenem  gegenseitigen 
Skhhinreifsen ,  zur  Überwucherung  aller  Terstandesmäfsigen 
und  individaeilen  Momente  durch  dasjenige  GefUhl  führen, 
das  nn«  mit  dieser  Zahl  geraeinsam  ist;  die  Wechselwirkung 
der  Individuen  untereinander  strebt  dahin,  jede  g^ebene 
ät&rke  der  Empfindung  Uber  sich  hinaufzutreiben. 

Hiermit  aber  scheinen  wir  unserm  bisherigen  Resultat  zu 
widersprechen  y  d&£ö  die  Vereinigung  einer  Menge  aui^  dem 
^eiolm  Ni^ean  immer  eine  reiatm  Ißedrigkeit  des  letateren 
nnd  ein  Herabeteigen  der  Einaelnen  vomiiBeelM.  Allein  wenn 
auch  das  Indiyidnelle  eine  relative  Höhe  gegentlher  dem  so- 
eialen  Kiveau  einnimml:  so  mufs  dpch  das  letztere  inmier  eine 
gewisse  absolute  Höhe  haben,  und  diese  wird  eben  doreh  die 
wechselseitige  Steigenin^  der  Empfindungen  und  Energieen 
( rreiclit.  Auch  ist  es  nur  das  voll  auagebildete  Individuum, 
daa,  uni  auf  da.^  nociaic  Niveau  zu  kommen,  herabsteigen 
mofs;  HO  lange  und  so  weit  sich  seine  Anlagen  noch  im  Zu- 
ßt&ude  der  blofsen  Potenz  befinden,  kann  es  sehr  wohl  zu 
jenem  noch  heraufsteigen  müssen.  Auch  ist  die  Nachahmung, 
die  die  GHeielilieit  des  Niveaus  hemteUt^  eine  der  niedrigeren 
geitti|en  Fonktienen,  wenngleich  sie  m  eooialer  Beeiehnng 
▼oa  der  gröfirten  nad  noch  keineswe^  genttgend  hervoi^ 
liobenen  Bedentung  ist  Ich  erwähne  m  dieser  Hinsicht  nur 

6* 


84 


dafs  die  NAchahmong  ein«  dar  liMpWtoUichen  Mittel  gfigett- 
•eitigen  VeintändniiaM  ist;  vermüge  dar  Torfain  betonten  Alto* 
ciation  zwischen  der  ftafeeren  Hundlong  und  dem  ihr  zu  gründe 

liegenden  Bewufst«nin»vorpftng  g-iebt  uns  die  NaclialimMnp  der 
Handlnn*]^  einos  jindern  oft  erst  den  Schldsael  zu  ihrem  inner- 
lichen Vorständnifl,   indem  die  ÜefUhle,  die  frtdier  auch  bei 
uns  die  Handlung  hervorriefen ,  er»t  durch  jene  psycholu^*- 
ache  Hülfe  ihre  Reproduktion  erfahren.    Dem  volk«tüiiilicheQ 
Ausdruck I  dafs  man,  um  irgendeine  Handlungaweiae  eines 
anderen  leeht  au  begreifen,  erst  in  aeiner  Hanl  aleeken  mHaae^ 
liegt  eine  tiefe  psychologische  Wahrheit  an  Qrunde»  nnd  die 
Nachahmang  des  anderen  Ulftt  uns  wenigstens  soweit  in  smner 
Haut  steeken,  ab  sie  eiae  partielle  Qleichbeit  mit  ihm  bedeutet; 
wie  sehr  aber  das  gegenseitige  Verständnis  die  Schranken 
uwj^^c'hf^Ti  Mo  nach  und  Mansch  Tiiederreifst,  wieviel  es  zur  Her 
Stellung  eines  ^gemeinsamen  geistigt^n  Besitzes  beiträgt,  betlarf 
keiner  Ausführung.    Auch  ist  kein  Zweifel,  dafs  wir  für  die 
vngehenre  Mehrzahl  unserer  Thätigkeiten  auf  Nachahmung 
Torgefundener  Formen  angewiesen  sind,  was  uns  nur  nicht 
ins  BewnÜBtsein  tritt,  weil  das  uns  und  aadera  Interaaierande 
eben  nicht  diee,  aondem  das  Eigene  nnd  Ori|pnelle  an  nna 
ist    Ebenso  sicher  ist  freilich  die  Niedrigkeit  des  Qeiatea^ 
desHen  Bewegungen  in  der  Form  der  Nachahmnng  befangen 
bleiben,  weil,  bei  der  durchgehenden  Tendena  auf  diene,  daa 
am  hftnfig^ten  Of^jchehendo,  am  häufigBien  zur  Nachahmung 
Auffordernde  dip  Norm  des  HandeluH  hI>^(  ben  wird,  da»  sich 
demnach  mit  d' m  trivialnten  Inhalt  tulien  wird.    Wenn  nun 
auch  diese  Art  des  geiötigen  Lebens  ihrem  Begriff«^  nach  die 
weit  ttberwit^ende  sein  muf«,  so  hat  doch  das  wachsende 
Streben  nach  Differenzierung  eine  Form  geschaffen,  die  alle 
Vorteile  der  Nachahmung  und  socialen  Anlehnung,,  zugleich 
aber  auch  den  Reift  einer  wechselvollen  Differenzierang  be- 
sitzt: die  Mode.    Im  Mitmachen  der  Mode  auf  jeglichem  Qe- 
biet  ist  der  Einsselno  80(^iale<  Wesen  aar  i^ox^w»   Die  Qual 
der  Wahl,  die  Verantwortung  derselben  anderen  gegenüber  ist 
ihm  erspart;  mit  der  Bequemlichkeit  des  Thuns  verbindet  sich 
die  Sicherheit  der  all j'f'meinen  Billis^unc.     Indem   aber  die 
Mode  nun  ihrem  Inhalte  uacli  in  Hteteni  Wechsel  begritfen 
ist,  befriedigt  f»ie  zugleich  dH.s  Bedürfnis  der  Verschiedenheit 
und  stellt  eine  Differenzienmg  im  Nacheinander  dar;  der  Un- 
terschied der  heutigen  Mode  gegen  die  Ton  gestern  und  vor- 
gestern, die  Zusammendrltngung  des  auf  sie  gerichteten  Be- 
wnfstseins  an  einem  Fünkt,  der  sich  gegen  das  Vorher  und 
das  Nachher  oft  aufs  schtfrftte  abscheidet,  die  Abwechselungen 
und  Übergänge  in  ihr,  die  an  die  Verhältnisse^  Streitigkeiten, 
Kompromisse  zwischen  Individualitäten   erinnern,  —  alles 
dieses  eraetat  Tiden  Geistern  in  der  Mode  die  Reiae  einen 


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86 


individuell  differenzierten  Verhaltens  uad  UUischt  sie  Uber  di^ 
Niedrigkeit  de»  Niveau«,  an  das  «ie  sich  binden. 

Au»  dieser  YerleyMung  der  Masae,  insofern  »le  einheitlich 
«üftritty  erUirt  neh  angeswungen  eii»  Bnofaeinung,  die  sti 
den  sbeiitemrlielitteii  aoctologiaciiMi  Ideen  VennileMung  ge- 
geben liAl   Die  Handlungen  einer  G^dJachnft  haben  geflen* 
fiber  denen  des  Individuums  eine  schwanknageloie  TrelbicneF* 
heit  nnd  Zweckmäfiiigkett    Der  Einselne  wird  Ton  wider* 
sprechenden  Emnfindnngen.  Autrieben  und  Gedanken  hin-  und 
herrezogen,  und  seinem  Geiste  bieten  sich  in  jedem  Augen- 
blick vielfache  Handlungsmögiichkeiten  dar,  zwischen  denen 
er  nicht  immer  mit  objektiver  Richtigkeit  oder  auch  nur  mit 
subjektiver  Gewilsheil  zu  wählen  woii's;  die  sociale  Gruppe 
dagl^en  ist  sich  stets  darüber  klar»  wen  sie  fiir  ihren  Freund 
vnd  wen  Ikir  ihren  Tmod  hMXt,  und  iwnr  nidit  so  eehr  in 
tiieoietieeheni  SinncL  als  wenn  es  nnfr  Handeln  ankonunt. 
Zwischen  dem  Wollen  and  dem  Thun,  dem  Eistreben  und 
dem  Erreichen,  den  Mitteln  und  den  Zweimen  der  Allgemein- 
heit ist  eine  geringere  Diskrepanz,  als  zwischen  denselben 
Momenten  im  Individuellen.    Die«  hat  man  so  zu  ^»rklären 
^':<ucht.   dnfs  die  Bewegungen  der  Mass'^  im  Gegensatz  zu 
em  freien  Individuum  naturges e tzi ich  bestimmt  werden, 
dafs  sie  schlechthin  dera  Zuge  iiircr  Interessen  folgen,  deui 
enttber  sie  so  wenig  wählen  und  schwanken  köiiueu,  wie 
Mntarlenmassen  gegenttber  dem  -  Znge  der  Gravitation. 
£ine  ganse  AnsaU  fuidamentnier  eikenntnistfieeretiBoher  Un- 
Uarfaeiten  steckt  in  dieser  Krklärungsweise.  Gäben  wir  selbst 
sn,  dnCi  die  Handlungen  der  Kasse  als  solche  in  besonderem 
Ma(se  nmtnii^esetsliGh  sind  g^nübw  den  HMidlvngen  der 
Einzelnen,  m  bliebe  es  noch  immer  ein  Wunder,  wenn  hier 
Naturgesetz  und  Zweckmälsigkeit  immer  zusammenfielen.  Die 
N«tur  kmint  Zweckmftfsi^keit  nur  in  der  Fonn,  dafa  sie  eine 
j^rofse  Anzahl  von  Produkten  mechanisch  hervorbringt,  von 
denen  dann  zuftUig  eines  besser  als  die  andern  sich  «ieu  Uui- 
slinden  anpassen  kann  und  sich  dadurch  ab  iweckmäduges 
erweist  Aber  sie  hat  kein  CMiiet,  avf  dem  jede  Henror- 
bringong  von  ▼«imherein  wid  unbedingt  gewissen  teleolegi- 
sehen  Forderungen  genügte.   Den  alten  Satz,  dnis  die  Natur 
immer  den  kOrsesten  Weg  in  ihren  Zwecken  einiscUage, 
können  wir  in  keiner  Weise  mehr  anerkennen;  da  die  Natur 
überhaupt  keine  Zwecke  hat,  so  können  auch  ihre  Wege  nicht 
durch  eine  Beziehung  zu  einem  solchen  als  lange  oder  kurze 
charakterisiert  werden;  deshalb  wird  auch  die  Überti-aj?nng 
dieses  Prinzips  auf  das  Verhältnis   zwischen  den  socialen 
Zwecken  und  ihren  Mitteln  nicht  zutreffen.   Im  Ernst  wird 
doch  «nch  diese  Meinung  nicht  behnmiten  woUen,  dafii  das 
Wihlen  und  Irren  des  ISninehien  eine  Ansnahme  yon  der  nU- 
famsimeii  NatnikMisnlittl  daisteiie;  aber  selbsl  wenn  das  so 


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86 


wäre  und  d&a  Handeln  der  Ma«8e  tich  dem  gegenüber  streng 
natürlich  verhielte,  so  wAren  noch  immer  die  Deiden  Fragen 
£u  erledigen,  ob  denn  nicht  auch  innerhalb  der  reinen  Katur- 
kMiMÜtit  ein  Wahlen  und  Schwanken  atettfinden  kAiine,  und 
fener,  dmh  welehe  mMabilierle  HanMnie  Meie  m  dm 
socialen  Bettrehnngen  der  Erfolg  neh  inuMr  bH  der  Ahaioht 
decken  mftCite.  Wenn  auch  beide  Momente^  das  Wollen  und 
das  Handein,  naftwgesetilich  bestimmt  «od»  Jft  gerade  sie 
es  sind,  bliebe  es  doch  ein  Wunder,  wenn  der  Erfolg  des 
letzteren  genau  die  Umriase  anafUltei  die  das  entere  doch 
nor  ideell  gezeichnet  hat. 

Diese  Erscheinungen  indes,  insoweit  «ie  überhaupt  feet- 
zustellen  sind,  erklären  sich  leicht  unter  der  Voraussetzung, 
dats  die  Ziele  des  Öffentlichen  Geistes  viel  primitivm  uä 
cinfiscliere  lind  als  die  das  Indiridmaiis;  mm  eine  grolie 
Amahl  von  Menadm  IlbereinstimBity  am  maStj  wie  eben 
nugMtaif  im  aOjgemeinen  d«n  Niveaii  dea  NiedngalHi  volar 
ihiMii  adäquat  aein.   Ea  kann  nur  die  primAren  Grundlagen 
der  einzelnen  Existenzen  betreffen ,  Aber  die  sich  erst  daa 
höher  Ausgebildete,  feiner  Differenzierte  derselben  zu  erheben 
hat    Daraus  verstehen  wir  die  Sicherhett  sowohl  dei  Wullens 
wie  des  Gelingens  der  socialen  Zwecke.   In  demselben  MafBc, 
in  dem  der  Einzelne  in  seinen  primitivsten  Zwecken  schwan- 
kungslos  und  irrtumslos  ist^in  ebendem  Malse  ist  es  die  so« 
aiale  Chnqipe  ttberhanpt  Die  8iAeffum|  der  EliiteUl  dar 
Gewinn  neuen  Beeitaes,  der  fiklitttB  dea  ArwotlMBeii,  die  Lnat 
an  der  Behauptung  und  Erweiterung  der  ei^^en  Machtrohire 
—  dies  sind  grundlegende  Triebe  Air  den  Emselnen,  in  danen 
er  sich  mit  oeliehig  vielen  anderen  awecknUUsigerweise  su- 
BamroenBehliefsen  kann.    Weil  der  Einzelne  in  diesen  prin- 
zipiellen Strebnngon  nicht  wählt  noch  schwankt,  kennt  auch 
die  sociale  Strebung,  die  jene  zueammenBchliefst,  keine  Wahl 
oder  Schwankung.    Es  kommt  hinzu,  dafs,  wie  der  Einzelne 
bei  rein  egoistischen  Handlungen  klar  bestimmt  und  sielsicher 
liaadelt,  die  Ifaaae  ea  bei  aDen  ihren  Zielaetnuigen  thnt;  aie 
kennt  nioht  den  DnaUanna  swiMsban  aalbataiohen  ond  aelbai- 
losen  Trieben,  in  dem  der  Einzelne  rathlos  schwankend  atabt, 
und  der  ihn  so  oft  zwischen  beiden  hindurch  ins  Leere 
Ipreifen  Ixlat»   Dals  aber  auch  die  Ikreichung  der  Ziele 
irrtumsloser  und  gelingender  ist  als  beim  Einzelnen ,  folgt 
sunächst  aus    der   Thatsache   —  die   unseren  augenblick- 
lichen Erörterungen  femer  liegt  — ,  daCs  innerhalb  eines 
Ganzen  Reibungen  und  Hemmungen  der  Teile  stAtifinden, 
von  denen  das  Ganze  als  solches  firei  ist,  dann  aber  daraus, 
dafs  der  primitive  Charakter  der  socialen  Zwecke  sich  aufser 
in  der  einfacheren  Qoalitlt  ibiea  Inhalts  andi  in  ibiem  Nibe^ 
licMi  bekundet;  d«  iu  die  Alteemeinbeit  bedarf  für  ihre  Zwecke 
mSat  der  Umwege  und  BoUeiobw^,  auf  die  der  Einaatoe 


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X  1. 


87 


fto  oft  angewiefieu  ist.  D&b  Iic>gt  aber  nicht  an  irgendeinem 
mytÜBchen  Cbankter  besonderer  Katttriiclikeit,  sondern  nur 
dmn,  dafii  ent  hAhere  DiAren^eniiiK  der  fflele  und  Wm 
«•  nötig  macht,  mehr  und  mehr  Mittelglieder  in  die  teleolo> 
l^aohe  Klette  dimscliieben  Worin  sich  aber  viele  differen- 
sierte  Wesen  snsammenschlieiseD,  das  kann  selbst  nicht  in 
gleichem  Mafse  differenziert  sein;  und  wie  sich  der  Einzelne 
Aber  diejenigen  Zweckverbindungen  nicht  zu  irren  pflegt,  in 
denen  Ausgangs-  und  Zielpunkt  nahe  aneinander  liegen,  und 
wie  eben  die  Zweclie  am  sichersten  von  ihm  erreicht  werden, 
bei  denen  die  erste  Initiative  am  unmittelbarsten  dazu  hin- 
reicht, so  wird  natürlich  auch  der  sociale  Kreis,  insotero  der 
ein&chere  Libalt  eeiner  Ziele  den  eben  beseichiieteii  formalen 
Ghanikler  denelben  nur  Folge  hat,  weniger  LrrtClmeni  und 
Milserfolgen  anigesetit  sein. 

Bei  grO&eren  Gruppen,  die  den  Verlauf  ihrer  Entwiek- 
hingen  nicht  mehr  durch  augenblickliche  ümpiüsei  sondern 
durch  umfassende  und  feste,  allmählich  herangewachsene  In- 
stitutionen bestimmen,  müssen  die  letzteren  eine  gewisse 
Weite,  einen  objektiven  Charakter  tragen,  um  der  ganzen 
Füile  verachiedenartiger  Bethätigungen  den  gleichen  Raum, 
die  gleiche  Sicherung  und  Förderung  zu  gewähren.  Sie  müasen 
nicht  aur  irrtumsloser  sein,  weil  jeder  lirtum  sich  bei  der 
nngebenren  ,,Anaaiil  davon  abhiliigender  Verbaltniflse  aitli 
•oliwaivte  rftchen  würde  und  deshalb  mit  der  grofsten  Vonidit 
wnueden  werden  muls,  sondern  sie  werden  ▼on  TonilieMiii 
und  abg^esehen  von  diesem  Zweckmärsigkeitsgesichtspunkt 
echon  deshalb  als  besonders  richtig,  erhaben  ttber  Sdiwankuagen 
und  Einseitigkeiten  auftreten,  weil  sie  aus  dem  Zusammen- 
prall der  Gegensätze,  au8  dem  Streite  der  Interessen,  aus  dem 
gegenseitigen  Sicbabschleifen  der  in  einer  Gruppe  enthaltenen 
Verschiedenheitt  n  überhaupt  entstanden  sind.  Für  den  Ein- 
Eelnen  entstellt  die  Waiirheit  und  Sicherheit  in  der  Theorie 
wie  in  der  Prajü^  dadurch,  daTs  die  zunächst  einseitige  sub* 
iektire  Maxime  an  eiqer  grcÜBeii  Anaahl  tod  Verhiltnisaen 
m  BenehnQg  tritt;  die  Biehtigkett  eines  allgemeineren  Yor^ 
•tsOeiia  beateht  ttberhaunt  nur  darin,  dafs  es  durch  yieleriei 
nnd  möglichst  verschieae&e  Falle  durchHÜirbar  iai;  alle  Ob- 
lektiTitat  erhebt  sich  onr  aus  der  Krenaung  und  gegeoaeitigeii 
Einischränkung  einzelner  Vorstellungen,  deren  keiner  man  es 
sn  und  f\\r  sich  ansehen  kann,  ob  sie  nicht  etwa  blofs  sub- 
jektiv ist;  sowohl  in  realer  wie  in  erkenntniatheoretischer  Be- 
ziehong  läutert  sich  die  Übertriebenheit,  die  falsche  Subjek- 
tivität, die  Einseitigkeit  nicht  durch  das  plötzliche  Hinein- 
£reifen  eines  absolut  anders  gearteten  Objektiven«  sondern  nur 
weh  das  Zusammenströmen  einer  gröisten  Zanl  subjektiver 
Vmlettungen,  die  ihre  Einseitigkeiten  gigenaeitig  korrigiereo 
nd  paralyneren  und  so  daa  OlgektiTe  gewiasennafisen  ala 


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X  1« 


Verdichtung  des  Subjektiven  herstellen.  Offenbar  bildet  aich 
nun  der  Öffentliche  Geist  von  vomherein  auf  dem  Weß:e,  der 
den  Einzelgeibt  relativ  spät  zur  ßichtigkoit  und  iSickeriieit 
•einer  lahiiite  flthrt  Gerade  weil  so  Aureeivt  Tenchieden- 
artige  Interesten  in  Reichem  Mafse  an  den  Offentliehen  Ein- 
ricktangon  und  Maleregeln  beteilig  sin  l,  mllwen  diese  sosu- 
sagen  im  Indifferenzpunkt  aller  jener  Entgegengesetxtheiten 
stehen;  sie  müssen  den  Charakter  der  Objektivität  tragen, 
weil  die  Subjektivität  jedes  Einzelnen  schon  dafitr  »orgt,  dafs 
nicht  der  eines  anderen  ein  zu  grofser  Einilufs  auf  sie  ein- 
geräumt werd"'*.  Als  gemeinsanio  Grundlage,  aber,  worauf  es 
für  die  jetzige  Betrachtung  aukomiut,  auch  als  gemeiusames 
Besultat  der  Bewährung  alier  möglichen  Tendensen  und  Be- 
nningungen  mufii  das  Handeln  der  Gruppe  eine  umftsaende 
Objektiyität  zeigen  und  den  Durchschnitt  bilden,  der  selbst 
von  der  Excenü-icität  seiner  Faktoren  frei  ist  Dieser  Sicher- 
heit und  Möglichkeit  entspricht  nun  freilich  ein  gewisser  For- 
malismufi  und  Mangel  an  konkreten  Inhalten  in  g:rorsen  Be- 
zirken dos  öffentlichen  Wesens  Je  gröfser  der  sociale  Kreis 
ist,  desto  mehr  interesäim  kreuzen  sich  in  ihm  und  desto 
farbloser  müssen  die  Bestimmungen  sein,  die  iim  als  gMixen 
treffen  und  die  nun  ihre  specielle  und  konkrete  Er^Uuug 
von  engeren  KreiteD  nnd  Ton  IndiTidnen  erwarten  mUssen« 
Wenn  es  also  auch  genetiseh  eine  höhere  nnd  spätere  Stofe 
Ulf  die  das  Niveau  der  Allgemeinheit  objektiv  sicher  und 
Bweckmäfsig  bestimmt  erscheinen  läfst,  so  sehen  wir  doch  anch 
in  dieser  Beziehung,  dafs  mit  jenen  Vorzögen  eine  gewisse 
liliedrigkeit  seines  Inhalts  in  bedingfnder  Verbindung  steht 

Die  anscheinende  rrrtiinisloai<^keit  der  Allgemeinheit  dem 
Einzelnen  gegenüber  maj^  aber  auch  so  zusammenhängen,  dais 
ihr  Vorstellen  und  Handeln  die  Norm  bildet,  au  der  sich  für 
den  Einaelnen  Richtigkeit  oder  Irrtum  meesen.  Wir  haben 
achlieCslieh  kein  anderes  Kriterium  ftlr  die  Wahrheit  als  die 
Möglichkeit,  jeden  hinreichend  ausgebildeten  Qeist  von  ihr 
an  flbenengen.  Die  Formen,  in  denen  dies  möglich  ist,  haben 
allerdings  allmählich  eine  solche  Festigkeit  und  Selbständig- 
keit erlangt,  dafs  sie,  als  losfisrho  und  erkenntniRtheoreti- 
sehe  Gesetze,  auch  da  zu  der  subjektiven  Übt  rzf  ugung  von 
Wahrheit  fahren ^  wo  im  einzelnen  Fall  die  Allgemeinheit 
noch  anderer  Überzeugung  ist;  aber  immer  murs  auch  dann 
der  Glaube  vorhanden  sein,  dafs  irgendwann  auch  diese  sich 
wird  daron  durchdringen  lassen;  ein  Sats,  Ton  dem  ee  fest- 
stände, daCs  die  Allgemmheit  ihn  nie  annehmen  wird,  wtlrde 
auch  ftlr  den  Einzelnen  nicht  den  Stempel  der  Wahrheit 
tragen.  Und  das  Gleiche  gilt  für  die  Richtigkeit  des  Han- 
delns: wo  wir  g^egen  den  Widerspruch  ein^»r  {ganzen  Welt 
überzeugt  sind,  recht  und  sittlich  zu  handeln,  muls  doch  der 
Glaube  zu  gründe  liegen,  dafs  eine  voigeschritienere  Gesell- 


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XI. 

■chaft,  eine  solche,  die  eine  tiefere  Einsicht  in  das  ihr  wahr- 
haft NütiHche  haben  wird,  unsere  HanfHiings weise  billigen 
wini.  \iiB  difser,  wenn  auch  unbewuTsten  Anlahnung  an  eine 
ideale  üesÄmtheit,  auf  den  n  Niveau  die  jetzt  vorhandene  nur 
relativ  zufiülig  noch  nicht  «telit,  schöpfen  wir  die  Stärke  und 
Siegessicherheit  fttr  unsere  theoretischen  und  praktischen 
Obmeugungen,  die  augenbUekUeh  noeli  TOlUg  individuelle 
aind.  In  der  Gewi&heit  eben  dieser  anticipiert  daa  Indivi» 
daum  ein  MiTean  der  Allgeimeinheit^  auf  dem  daa  jetat  Dille- 
renzierte  zum  Gemeingut  geworden  iat 

Die  Begründung  dieser  Annahmen  liegt  wesentlich  auf 
praktischem  Crebiet.  Der  Einzelne  kann  seine  Zwecke  so  sehr 
nur  im  An^chluTs  an  eine  Allgemeinheit  und  durch  ihre  Mit- 
wirkung erreichen,  daj'a  die  Isolierung  von  ihr  ihm  zugleich 
auch  in  Jeder  andeiu  Beziehung  alles  das  nehmen  wUrde,  was 
er  aU  »orm,  ab  GhioUtea  empfindet,  und  daTa,  wo  er  Mä 
ihr  dennoch  entgegenaetet,  diea  nur  durch  eine  individuelle 
Kombination  der  von  der  Gesamtheit  dennoch  ausgehenden 
Kormen  geschieht,  die  in  ihr  selbst  zwar  noch  nicht  realisiert 
ist,  aber  ohne  die  Möglichkeit  einer  solchen  Reaiitfierung  Über- 
haupt wertlos  wäre.  Welches  nun  aber  auch  die  t^attungs- 
psychoiogischen  Motive  seien,  es  scheint  mir  unbezweifeibar, 
dafe  das  subjektive  Ot^fuhl  der  Sicherheit  in  theoretischer  und 
ethischer  Beaieliung  zusanaraenfalle  mit  dem  mehr  oder  minder 
klaren  Bewufstsein  der  Übereinstimmung  mit  einer  Gesamt- 
htti;  bei  der  dorchgängigen  Wechselwirkung  dieser  Be- 
Miuncen  ist  dann  die  mherolle  Befriedigung ,  die  Meeres- 
atflie  der  Seele,  wie  sie  ans  der  Unerschutterllchk«  it  von 
Überzeugungen  quillt,  eben  daraus  zu  erklären,  dafs  diese 
letztere  nur  einen  Ausdruck  für  die  Übereinstimmung  mit 
einer  Gesamtheit  nnd  flir  das  (iretragensein  durch  sie  bildet. 
Hierdurch  verstehen  wir  den  eigenartigen  Reiz  des  Dogmati- 
scheu als  solchen ;  was  »ich  uns  als  Bestimmtes.  Unanzweifel- 
bares und  zugleich  als  allgemeiu  Gelteades  giebl,  gewährt  an 
und  flir  sidi  ^ne  Befriedigung  und  einen  inneren  Halt,  dem 
ffegenaber  der  Inhalt  des  Dogmaa  rektiv  gleichgültig  ist  In 
dieser  Form  der  absoluten  Sicherheit,  die  nur  ein  Korrelat 
der  Überetnitimmung  mit  dei-  Gesamtheit  ist,  liegt  eine  der 
hauptsächlichen  Anziehungskräfte  der  katholischen  Kirche; 
indem  sie  dem  Individuum  eine  Lein  e  })ictet,  welche  xa^  ÖÄov 
gilt,  nnd  von  der  jede  Abweichung  eigentlich  unmöglich, 
je<lenfalls  völlig  ketzerisch  ist  —  wie  es  denn  Piuü  iX.  tlirett 
auü^prach,  d&Ts  jeder  Mensch  in  irgendeinem  Sinne  der  ka 
Müschen  Kirche  zugehöre  — ,  apueUiert  aie  in  stärkatem  Mala 
an  daa  soelale  Element  im  Menschen  und  liftt  den  Binzehien 
in  der  sachlichen  Bestimmtheit  des  Glaubenii  zugleich  alle 
Sicherheit  gewinnen,  die  in  der  Übereinstimmung  mit  der 
Gesamtheit  liegt;  und  umgekehrt,  weil  aich  Objektivität  und 


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X  U 


Wahrlieit  mit  der  Annahme  durch  die  GeoÄmtheit  deckt,  ge- 
gewährt die  Lehre,  vuii  der  die  letztere  allen  Rückhalt 
und  alle  Befriedigung  dir  milM'in.  Eine  doroluRii  saw- 
llssige  PeraOnlielikeit  enlUte  mir  Ton  einer  Ünfesnredifii^  mit 
«inem  der  ht^chaten  Wttidentiiger  der  katiioliaclien  Kirche, 
in  deren  Yeiiauf  dieser  äufserte:  Die  innigsten  und  nützlicb- 
ilen  Aablnger  der  kalhidiichen  Kirche  seien  immer  Menschen 
gewesen,  ^le  eine  schwere  Stlnde  oder  einen  grofsen  Irrtum 
Eintcr  sich  hatten.  Das  ist  psychologiach  durchaus  b^n*eiflich. 
Wer  sehr  geirrt  hat,  sei  es  im  Sittlichen  oder  im  Theoreti- 
schen, wirft  sich  allem,  wa«  öich  ihm  als  unfeldbare  Wahr- 
heit darbietet,  in  die  Arme;  d.  h.  daa  subjektive  individuali- 
stische Prinzip  hat  sich  ihm  als  so  unzulftn^ch  erwiesen,  dafs 
er  nun  das  Nm«n  mdki,  md  dem  ihm  die  Übereinetimmung 
mit  der  Qeeemiheit  Siehttdidt  and  Ruhe  gewihrt 

Indessen  ist  der  Naditefl  eines  solchen  Vorkeils  nicht  nur 
der,  dnfr  nach  den  obigen  Anefilliningen  ein  sodologiieiiee 
Niveau,  um  allen  zugänglich  zu  sein,  so  niedrig  liegen  moft^ 
dafs  es  den  Höheren  viel  tiefer  hinanzustcigen  nötigt,  als  ee 
den  Niedrigen  hinaufsieht,  sondern  die  Entlastung  von  indi- 
vidueller Verantwortung  und  Initiative  lÄf^t  die  zu  dieser  er- 
forderlichen Kräfte  rosten  und  giebt  dem  Individuum  eine 
sorglose  Sicherheit,  die  die  Schärfung  und  Ausbildung  seiner 
Anuigen  verhindert  In  der  Vogelwelt  finden  wir  aunaUende 
Beispiele  dafilr;  Ton  den  anstraliachen  Loriketi,  Ton  den 
Tdcenc,  von  den  emeiflnniiehen  Tauben  wird  lu»  berichtet^ 
dafs  sie  sich  anfiMrordentiich  dumm  und  unvortichtig  benehmen, 
sobald  sie  in  grofsen  Zügen  auftreten,  dagegen  scheu  und  ge- 
witzt, wenn  sie  sich  allein  halten.  Indem  der  einzelne  Vogel 
sich  Hilf  seine  Geführten  verläfst,  erspart  er  gewisse  höhere 
individuelle  Funktionen,  wodurch  indes  dann  schliefslich  auch 
das  Niveau  der  Gesamtheit  leidet. 

Doch  wird  im  groisen  und  ganzen  ein  sociales  Niveau 
um  so  mehr  Chancen  zu  seiner  Erhöhung  haben,  je  mehr 
Mitglieder  es  zahlt;  denn  erstens  ist  der  Kampf  um  die  £xi- 
itens  und  imi  die  bevonugte  Stellmig  ein  aebirferer  enter 
viilen,  als  anter  wenigen,^  und  die  Aoslese  eine  nm  so  stren- 
snre.  Auf  dem  hohen  Kulturniveau  der  oberen  Zehotansendi 
deran  Lege  behaglich  genug  ist,  um  schon  anf  einea  yiel  ge- 
ringeren Kampf  den  Preis  des  Lebenkönnens  zu  setzen ,  auf 
dem  auch  die  Specialität  des  Einzelnen  früh  ^pvnfi^  ausge- 
bildet wird,  um  ihn  für  relativ  wpnij2;er  umkämpfte  Stellungen 
zu  })efähigen,  nim'lien  yich  die  Nachteile  der  weniger  strengen 
Auslese  hier  und  da  hemerklich.  Schon  in  äulserer  Beziehung 
glaube  ich,  dafs  die  zunehmende  körperliche  Schwächlichkeit 
miierer  höheren  Stände  zum  grofsen  TeU  daher  rührt,  dafs 
sie  elende,  an  sieh  kaom  lebens&hige  Kinder  ▼ermOse  aos- 
geietchneter  Pfleige  nnd  Hygiene  aufbringen,  natürlich  aber 


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XI. 


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olme  sie  auf  die  Daaer  zu  normalea  und  kräftigen  Meuschen 
Bachen  zu  können.  In  roheren  Zeiten  und  in  niedrigeren 
Stftndeni  in  die  die  nur  wenijgen  zugibi|^lichen  hygiemachen 
Ifittal  iMMib  nieht  gedrungen  arndf  im  die  mktllriiehe  Andeea 
^  idiiiidilidieii  EkisteiuMn  weg  und  lilit  nur  die  kiftftigen 
grofa  werden.  Aufserdem  ist  aber  von  yemherein  die  WaW- 
•elidnlieUcjeit  whandeii,  daili  unter  der  gritfieren  Anzahl  von 
Teilnehmern  auch  eine  gröfsere  Anzahl  hervorragender  Na- 
toren  vorbanden  »ei,  sodafs  jener  Knmpf  ein  gllnsti^es 
Ifaterial  vorfindet  und  durch  energische  Verdrängung  dea 
SchwÄcheren  ein  immer  günstigerer  Durchschnitt  für  die  Qe- 
»amtheit  erreicht  wird.  Durch  die  ganze  Natur  geht  dieser 
Nutzen  der  gröfseren  Zahl.  Über  die  Schafe  in  einem  Teile 
TDA  Y^akMkm  sagt  ein  Kenner,  dab,  weil  sie  gewöhnlich 
anneo  Lraten  geboren,  welche  nur  wenige  benteen,  aie  nie 
Teredelt  werden  können;  andererseita  haben  Handeliqgftrtner, 
welche  dieselben  Pflanzen  in  grofsen  Massen  ziehen,  gewöhn- 
lich mehr  Erfolg  als  die  blofsen  Liebhaber  in  Bildung  neuer 
und  wertvoller  v  anetflten ,  wie  Darwin  bemerkt,  unter  dem 
Hinzufügen,  dafs  die  verbreiteten  und  gemeinen  Arten  gv^^sere 
Wahrscheinlichkeit  als  die  selteneren  haben,  in  einer  gege- 
benen Zeit  vorteilhafte  Änderungen  hervorzubringen.  I>ie8er 
Vorgang  scheint  mir  ein  bedeutsames  Licht  auf  die  organische 
Xntwickiuig  fiberluHipt  m  werfen.  Naefadem  eininal  eine 
gewiaee  Art  verbreitet  und  hemehend  geworden  ist,  sondert 
tieh  dnreh  besondere  Bedingungen  eine  Unterart  ab,  welche^ 
in  wen^r  EMnpiaren  vorhanden,  eine  gewisse  Stabilität 
leigt  Treten  nun  neue  Lebensumatinde  ein,  die  yerftnderte 
Anpassungen  fordern,  po  wird  die  auf  df^r  früheren  Stnfe 
lu rückgebliebene  und  zahlreichere  Art  auf  Grund  der  oben 
angeführten  Vorteile  der  grofsen  Zahl  eine  grölsere  Wahr- 
scheinlichkeit haben,  wenigstens  teilweise  den  neuen  Anforde- 
rungen gemäfö  zu  variieren,  als  jene  schon  aubgeutiudcrte, 
welche  Mker  Tielleicht  die  besser  angepafiBte  war.  Wir  rer- 
Mkm  danmii  wieao  arietokratieehe  UiffBraisiennigeii  Aber 
daa  allgemeine  Niveau,  naehdem  «le  eine  Zeit  lans  ein  hOheree 
Mirena  Ar  aicb  gebildet,  später  so  oft  ihre  Lebenafthigkeit 
gegenüber  jenem  tieferen  verlieren.  Denn  dieses  hat  znnftohst 
Termöge  der  tiberwiegenden  Zahl  seiner  Teilnehmer  diegröreere 
W&hrscheiniichkett,  bei  geänderten  Verhältnissen  ftihrende 
Persönlichkeiten  hervorzubringen,  die  jenen  besonders  gut 
mngeimfst  sind;  dann  aber  ist  die  niedrige  Entwicklung,  in 
der  aie  schärferen  Differeuzierungen  erst  im  Keime  vorhanden 
find,  Oberhaupt  fOar  manche  Anforderungen  die  günstigere 
Bedingung,  weil  sie  «n  weiches,  der  Formung  sich  leidit 
«kniegendee  Material  bietet,  wahrend  scharf  nmiiaeene  niid 
individanWerte  Femen  swar  ihren  ursprttnglichen  Lebene- 
hedingVBi90Q  bemer  entsprechen,  geftnderten  and  en^^gen« 


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esetzten  aber  oft  schlechter.  Daher  erklärt  es  sich  auch, 
afs  Klasaen  mit  einseitig  ausgeprägtem  socialem  Besitz  in 
lebhaft  bewegten  und  wechseivoUen  Zeiten  weniger  Vorteile 
haben  als  eolehe^  die  nur  geringere  Gemeinnamkeiten  besitien; 
ao  treten  in  den  Bewegungen  der  modenwten  Kultur  die 
Chancen  des  Bauernstandes  wie  der  Aristokratie  zurück  vor 
denen  dei  industriellen  und  handeltreibenden  Mittelstandes, 
der  keine  so  festen  und  bestimmt  differenaierten  socialen  Pallap 
dien  besitzt  wie  jene. 

Wenn  man  von  dem  socialen  Niveau  und  «einem  Ver- 
hältnis zur  Individualität  spricht,  ist  der  zweierlei  Bedeutungen 
desselben  au  gedenken,  die  in  den  vorhergehenden  Betrach- 
tungen i^eht  immer  gesondert  werden  konnten.  Der  gemein- 
aame  geistige  Bealta  emer  AnnU  tob  Menschen  kann  den 
Sinn  desjenigen  Teils  des  individuellen  Besitzes  haben,  der 
gleichmälsig  in  jedem  derselben  vorhanden  ist;  dann  kann  er 
aber  auch  den  KoUektivbesitz  bedeuten,  der  keinem  Einzelnen 
als  solchem  eigen  ist.  Man  könnte  die  letztere  Gemeinsam- 
keit als  eine  reale,  die  erstere  als  eine  ideale  im  crkenntnis- 
theoretischen  Sinne  bezeichnen,  insofem  diese  nur  durch  den 
gegenseitigen  Vera;leich,  durch  die  beziehende  £rkcimtnis  als 
Gmeinaamkeit  erkannt  werden  kann;  an  und  fhr  sich  brauchte 
es  den  Einaelnen  nieht  im  Sinne  eines  einheitliohen  Zusaiumen- 
gehörcns  zu  berühren,  dafs  so  und  so  Tiele  Andere  noch  die 
gleichen  Eigenschaften  besitaen  wie  er  selbst.  Zwischen  den 
Höhen  dieser  beiden  socialen  Niveaus  bestehen  nun  die  man- 
nichfaltigsten  Verhältnisse.  Man  wird  die  aufsteigende  Ent- 
wicklung zunächst  von  der  einen  Seite  in  die  Formel  bringen 
können,  dafs  der  Umfang  des  socialen  Niveaus  im  Sinne  der 
Gleichheit  abnimmt  zu  gunsU3n  des  socialen  Niveaus  im  Sinne 
des  KoUektivbesitzes ;  die  Grenze  für  diese  Entwicklung  wird 
dadurch  gezogen  ^  dalh  die  In^vlduen  einen  gewiasan  Ghnad 
von  Gleichheit  bewahren  mflssen,  um  noch  von  emm  einheit- 
lichen gemeinsamen  Besitz  profitieren  au  können;  freilich  mufs 
mit  der  Ausdehnung  dieses  letatoren  seine  Einheitlichkeit  im 
strengeren  Sinne  leiden  und  sich  in  vielspältige  Teile  zer- 
legen, deren  Einheit  statt  der  substantiellen  mehr  und  mehr 
eine  blofs  dynamische  wird .  d.  h.  sich  nur  noch  in  einem 
•  funktionellen  Ineinandergreifen  von  inhaltlich  f>ehr  getrennten 
Bestandteilen  zeigt,  welche  nun  auch  entsprechend  verschieden- 
artigen IndividumitUen  die  Teilnahme  «n  dem  gemdnaamen 
Offsndichen  Besitz  erm(^lichen.  So  wird  a.  B.  ein  durch- 
greifendea  und  vielgliedriges  Bechtssjstem  da  heranwachsen, 
wo  eine  starke  Differenzierung  der  Persönlichkeiten  nach 
Stellung,  Beruf  und  Vermögen  eintritt  und  die  möglichen 
Kombinationen  unter  dios<Mi  eine  Fülle  von  Fragen  schaflcn, 
denen  primitive  RechLsbeatiniinungen  nicht  mehr  genügen 
können;  trotzdem  wird  immer  noch  eine  gewisse  Einheitlich- 


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98 


keit  aller  dieser  Personen  vorhanden  sein  mttsien,  damit  dieM 
Becht  wirklich  allseitig  befriedige  und  dem  inoraliichen  Be- 
wufstBein  der  Einzelnen  entspreche.    Die  Auadehnimgen  de« 
aofialfü  Niveaus  ira  Sinne  der  Gleichheit  nnd  im  Sinne  des 
gi'ineiusamen  Besitzes  werden  also  auf  ein  Kom^romifs  selbst 
da  angewiesen  sein,  wo  die  fortschreitende  Differenzierung 
solche  Formen  des  öffentlicheu  Geistes  schafft  oder  vortindet, 
die  die  Möglichkeit  eines  rechtlich  sittlichen  Znsammenbe- 
•lehens  der  nuuiiuck^tigBten  Bestrebui^gen  und  Lebensftih* 
mngen  gewährrä.    umeekehrt  mofs  die  irgendwie  horbei- 
Mnhrle  Verbrtttemng  des  Kollektivbesitzes  auch  eine  solche 
Oer  persönlichen  Ähnlichkeiten  zur  Folge  haben.   Dies  liegt 
Am  aup^enfHIlipaten  da  vor,   wo  eine  Nation  p;^ewonnenc  Pro- 
vinzen  durch    gewaltsame  Einführung  ihrer  Sprache,  ihres 
Rechts,  ihrer  Religion  auch  innerlich  sich  anzugliodern  sucht; 
im  Verlauf  mehrerer  Generationen  werden  dann  die  schnrt'en 
Differenxen  zwischen  den  alten  und  den  neuen  Provinzen  aus- 
gegliehen  Min,  die  Gleiebkett^et  objektiTen  Gelstee  zu  gröfserer 
Oleiehlittt  der  sdbjektiYeD  Qeistor  geAlhrt  haben.    Als  ein 
der  Saiistuut  nach  hiervon  sehr  entmites  Beisniel  nenne  ick 
die  merkwürdige  Antthnlichung  des  Wesens,  aes  Charakters 
und  schlie&lich  der  Gesichtazi^e,  die  manchmal  unter  alten 
Ehegatten  zu  beobachten  ist.    Die  Schicksfile,  Intf»ro8»en  und 
Sorgen  des  Lebens  haben  ein  sehr  umfassendes  genieinsauios 
Niveau  ftlr  sie  geschaffen,  das  keintowega  urspritnglich  in  dem 
Sinne  gemeinsam  ist^  dais  persönliche  EigeriHchatien  in  je^em 
ron  beiden  in  gleicher  Weise  vorhanden  wären,  sondern  es 
entsteht  und  besteht  gewissennnCsen  swischen  innen  als  ein 
KollektiTbesitB,  «iis  dem  der  Anteil  des  Einseinen  nicht 
herauszulösen  Ist,  weil  er  Oberhaupt  als  solcher  gar  nicht 
existiert;  so  wenig  bei  der  Oravitstion  zwischen  nrei  Materien 
die  Schwere  dem  einen  oder  dem  andern  im  Sinnf»  einer  in- 
dividuellen Quülitüi  ziikümc,  weil  der  eine  immer  nur  im  Vor^ 
häitnis  zum  andern  schwer  ibt,  so  wenig  kann  man  bei  den 
Erlebnissen  und  inneren  Erwd  imngen,  bei  der  Konstituierung 
des  objektiven  Geistes  innerhalb  eiues  £helebens  immer  dem 
einen  und  dem  andern  einen,  wenn  aneh  gleichen  Teil  des- 
selben inadireiheny  weil  er  jn  nur  in  der  Qemeinsamkeit 
nnd  dnroh  sie  auBtande  kommt  Aber  diese  Gemeinsamkeii 
wirkt  nun  zurück  aal;*  dasjenige,  was  jeder  fUr  sich  ist,  und 
schafft  eine  Gleichheit  des  persönlichen  Denkens,  FtthlenK  und 
Wollen»,  die  sich,  wie  gesagt,  sehh'efslich  aui  h  in  der  MufKeren 
&»c!ieinung  ausprägt.     Die  Voraussetzung  dazu  ist  freilich, 
daf^  die  individuellen  UntersLlu'ode  schon  von  vomherein  keine 
Ubermäfsig  grofsen  gewesen  seien,  weil  sonst  die  Bildung  jenes 
objektiv  gemeinsamen  JSiveaus  Schwierigkeiten  finden  würde. 
Aneh  hat  die  alisolnte  Gröfse  dieses  letslaren  eine  Grenze, 
'Vwn  iie  m  dem  in  Bede  stehenden  Erfolge  ftüuren  soll;  bei 


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04 


X  1. 


einer  ^ewi^sen  AuBdehmuig  nILmiicli  gestattet  sie  wieder,  da£i 
je  nach  der  YmeUadcnlim  dar  penOiiU€iie&  AiiUig«!!  der  eina 
mehr  toh  dem  eben  Teil,  von  der  «nen  Bendnmff  dee 
KeUektiTbenteet  beeinflobl  wiid^  der  andere  von  der  anderen; 
es  kann  darum  noch  immer  ein  gemeinBamer  Besitz  sein;  aber 
während  seine  Gröfse  relativ  zum  individuellen  Besitz  der 
Teilhaber  in  geradem  Verhältnis  zu  seiner  verilhnlichenden 
Wirkung  steht,  giebt  sie,  absolut  betrachtet,  mit  ihrem  eignen 
Wachstum  auch  wachsende  Möglichkeit  ungleicher  Wir- 
kungen. Deshalb  findet  man  jenes  allmähliche  Gleich  werden 
besonders  an  Ehepaaren  in  ruhigen  tmd  einfiMshen  Verhält- 
niasen,  und  wenn  man  es  besonders  an  kinderioeen  Ehepaaren 
bemerken  wollte,  so  ist  das  gana  in  diesem  Sinne;  denn  so 
sehr  jenes  gemeinsame  Niveau  gerade  durch  den  Besitz  von 
Kindern  vergröfsert  wird,  so  erlebt  es  doch  dadurch  eine 
Mnnnichfaltigkeit  und  Differenzierung,  die  die  (rleichheit  seiner 
Wirkungen  auf  die  Individuen  fraglich  macht. 

Eine  andere  Kombination  zwischen  den  beiden  Bedeu- 
tungen des  socialen  Niveaus  und  der  DifFeienzierung  zeigt 
sich  auf  wirtschaftlichem  Gebiet.  Das  vielfache  Angebot  der 
gleichen  Leistnng  bei  beschrlnkler  Nachfinge  enengt  die  Kon- 
Kurrena^  weldie  in  Tiel  weiterem  ümfimgeb  als  man  es  sieh 
gewöhnlich  klar  macht,  schon  nnmittelbar  Differenaiening  ist. 
Denn  wenn  auch  die  angebotene  Ware  die  genau  gleiche 
ist,  80  ninfi^  doch  jeder  verbuchen,  sich  wenigstens  in  der  Art 
des  Angebot»  von  dem  andern  zu  unterscheiden,  weil  der 
Konsument  sich  sonst  in  der  Buridanischen  Lage  befinden 
wiinle.  In  der  Formung  oder  wenigstens  im  Arrangement 
der  Ware,  in  der  Anpreisung  oder  weui^öteas  ia  der  Miene, 
mit  der  man  die  Leistung  anpreis^  mufs  jeder  sieli  Ton  jedem 
an  nnterscheiden  suchen.  Je  gleichartiger  das  Angebot  dem 
Inhalt  nach  ist,  desto  gröfsere  Verschiedenheiten  werden  die 
Anbietenden  in  den  persönlichen  Seiten  desselben  ansbildeni 
wozu  noch  beiträgt,  dafs  die  unmittelbare  Konkurrenz  gegen- 
seitig antagoniHtisehe  Gesinnungen  hervorruft,  die  die  Persön- 
lichkeiten auch,  ihrem  Denken  und  Fühlen  nach  von  einander 
entfernen.  Die  persönlichen  Gemeinsamkeiten,  die  in  der 
Gleichheit  der  Beschäftigung  und  in  der  des  Abbatzkreises 
liefen,  erzeugen  eine  um  so  schärfere  Differenzierung  nach 
anderen  Seiten  der  PersOnliciikeit  bin.  Jene  Gldchkeit  aber 
drängt  doch  wieder  aar  Schaffung  eines  socialen  NiToans  in 
dem  anderen  Sinne ,  insofern  der  Beruf  oder  Geschäftszweig 
als  Ganzes  gewisse  Interessen  hat,  zu  deren  Wahrnehmung 
sieh  alle  Beteih'gten  zusamraenHehliefsen  müssen,  sei  es  in 
K;irti'l!eT!,  die  die  Konkurroii/.  zeitweilig  beschränken  oder  auf- 
heben, sei  es  in  Vereinigungen,  die  sich  auf  aufserhalb  der 
Konkurrenz  liegende  Zweeke  be7iehen,  wie  RepräsenUition, 
Rechtsschutz,  Entscheidung  iu  Kliren^achen,  Verhalten  gegen 


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X  1. 


95 


andere  in  sich  geschlossene  Kreise  u.  s.  w. ,  die  in  manchen 
Fällen  zur  Bildung  eine«  ^nUchiedeuen  ÖtaadeabewuüstöeioB 
HlhreD.  Eine  bedeatende  Hoha  aodalen  NrroMis  im  Ssnm 
der  Gleichheit  «mQglieht  eine  eDtsjweehende  anoh  im  letoteren 
Sinne,  woftU*  die  Zunft  das  entscheidende  Beispiel  giebt  Dem 
g^enüber  erscheint  die  durch  den  Wettbewerb  lud  die  kom- 
plizierteren Verhältnisse  ausgebildete  Differenzierung  all  die 
nöherp  Stufe,  währtmd  wiederum  chen  diese  Differen?;ierung 
einen  gei nein« amen  Besitz  von  neuen  Gesichtspunkten  aus 
schafft.  Denn  eiTi*^r*<e>ts  ist  das  sehr  apecialisierte  Individuum 
zur  Erreicliung  der  obengenannten  Zwecke  dringender  auf 
andere  angewiesen,  als  eines,  welches  mehr  die  Totalität  eines 
Zweiges  in  sich  darstellt^  andererseits  bringt  gerade  erst  die 
fiainere  DiffBrensieEung  BedOifinsBe  imd  Znapitsongeii  der  ein- 
selnen  Weeeneaeiten  znataiidey  die  die  Gründl agc  für  koUek- 
tiye  Bildungen  abgeben.  Wenn  alao  Konkurrenten^  die  dae- 
aelbe  Bedürfnis  mit  verschiedeDartigen  Mitteln  decken  wetten, 
wie  etwa  in  der  Leibwäschenbranche  Leinen,  Baumwolle  una 
Wolle  mit  einander  konkurrieren,  sich  vpreinifjen,  um  ein 
Prpi«nusschreibeii  über  dir*  beste  Art  der  Befriedigung!;  jenes 
Beciurfnieees  zu  erlassen,  so  hofft  zwar  jeder,  dafs  die  Ent- 
scheidung gerade  flir  ihn  günstig  sein  werde ;  allein  es  ist  doch 
Ton  einem  Funkte  aus  ein  gemeinsames  Vorgehen  zustande  ge- 
kommen, SU  dem  nwar  ohne  die  Torangegangene  Differenzie- 
mng  keine  Veranlaeanng  gewesen  wäre,  dl!»  aber  nun  der 
Ansfangspunkt  weiterer  Socialiaiemngen  werden  kann.  Ich 
werde  nocii  in  and  r  rem  Zusammenhange  zu  erwähnen  haben,  dafs 
gerade  die  Mannichlaltigkeit  und  Differenzierung  der  Beschäf- 
tigungszweige den  Begriff  des  Arbeiters  überhaupt,  den  Ar- 
bcitpr^»tnnd  als  HclbstbewuTHteg  Ganzes  geschaffen  hat.  Die 
Gleichheit  der  Funktion  tritt  erst  recht  hervor,  wenn  sie  sich 
mit  sehr  verschiedenartigem  Inhalt  ftillt;  erst  dann  löst  sie 
eich  aus  der  psychologischen  Association  mit  ihrem  Inhalt, 
die  bei  gröisercr  Gleichförmigkeit  desselben  statthat,  und  kann 
flocialisierende  Macht  zeigen. 

Bewirkt  die  Differenzierung  der  Individnen  hier  eine 
Vennehrang  des  socialen  Niveaus,  so  wird  einem  oben  ange- 
deuteten Momente  zufolge  auch  die  umgekehrte  Wirkung  statt- 
finden« Je  mehr  geistige  Produkte  nämlich  aufgehäuft  und 
allen  zugänglich  sind,  desto  eher  werden  schwächliche  Be- 
anla^iuiger.  dip  der  Anregung  und  des  Beispiels  bedürfen, 
zur  BethKtigung  <rrdangen.  Unzählige  Fähigkeiten,  eine  in- 
dividuellere Ausbildung  und  Stellung  zu  gewinnen,  bleiben 
latent,  wenn  kein  hinreichend  weites,  jedem  sich  darbietendes 
sociales  Niveau  da  ist,  dessen  mannichfaltige  Inhalte  aus 
federn  henrorlocken ,  was  nur  in  ihm  iat,  wenn  dieeea  andi 
nicht  stark  genug  ist.  um  sieh  gana  originett  und  ohne 
solchen  Anreix  zu  entfalten.  Daher  sehen  wir  allenthalben^ 


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96 


X  1. 


wie  der  Epoche  der  Genies  die  der  Talente  folgt:  in  der 
griechisch-römiBohen  Philopnpliie.  in  der  Kunat  der  Renaissance^ 
m  der  zweiten  Blüteperiode  der  deutschen  Dichtung,  in  der 
Muöikgei*chichte  dieses  Jahrhunderts.  Unzähli^i^e  Male  wird 
um  berichtet,  vrie  Personen,  die  sich  in  untergeordneter,  un- 
differenzierter Stellung  befanden,  bei  der  Anschauung  einet 
kltnsderiscben  oder  tonischen  Produkts  plfitdick  die  Augen 
ÜMr  ihre  Flhigkflhen  und  ihren  eigentliehen  Beruf  aufgingen, 
mnd  wie  sie  nun  von  da  aas  bu  einer  indiTidusHen  Ausbildung 
▼orffedrungen  wären.  Je  mehr  Munter  schon  vorliegen,  desto 
grOuer  ist  die  Wahrscheinlichkeit,  clafs  jede  nur  einiger- 
mafsen  besondf^rf»  Anlauf  ihre  Entfaltung  und  also  eine  difff>~ 
reuziertr  LebeiisHtollun^  gewönne.  Das  sociale  iJiveau  iin 
Sinne  des  KoliektivbeÄitze«  verringert  von  diesem  (jesicht« 


Diese  Un^leichmälsigkeiten  im  VerhiÜtnis  der  socialen 
HiveaiiB  in  beiderlei  Sinne  seheinen  indes  nnr  so  lange  herr- 
eohen  sn  können,  als  beide  unter  ihren  hOdisten  erreiehbaren 

Graden  bleiben  und  als  es  neben  der  Steigerung  derselben 
noch  andere  Zwecke  des  Individunmi  und  der  ABgemeinhnt 
giebl,  die  die  Entwicklung  jener  modifisieren  und  ?5war  na- 
türlich mcht  sn,  dafR  beide  stets  in  gleichem  Mafs^  davon 
getroffen  wllnieu.  Das  absolute  Maximum  de«  einen  wird 
inde«  mit  dem  dun  andern  zuj^ammcnfailen.  Ilm  nämlich 
er&tens  ein  Maximum  indiMdueiler  Gleichheit  iiuicriialb  einer 
Gruppe  hermtellen  und  namentHck  zu  erhalten,  ist  da» 
iicherate  Mittel,  dais  ihr  KoUektiTbesits  ein  mllglichst  grofser 
ist;  wenn  jeder  Stnaehie  einen  mO^ichst  gleichen  Teil  seines 
innem  und  ttolsern  Besitaes  an  die  Gesra^eit  abgiebt  und 
der  Besitz  dieser  dafUr  grofs  genug  ist,  um  ihm  ein  Maxi- 
mum von  Formen  nud  Tnl-altr»!!  zu  liefern,  so  ist  dies  jeden- 
falls die  grOfste  Garantie  dutur,  dnl%  der  eine  im  weKentiiehen 
dasselbe  hat  und  ist  wie  der  andere;  und  umgekehrt,  wenn 
eine  maximale  Gleicliheit  der  Individuen  herrscht  und  über- 
haupt Sooialisierung  stattfindet,  wird  auch  der  sociale  Besitz 
deshalb  im  YeriiMltois  mm  individuellen  ein  maximaler  werden» 


Ausnahmen,  die  wir  in  unserm  letzten  Kapitel  au  behandeln 

haben  -  und  möglichst  vielen  Anhalt  von  ihr  zu  entlehnen, 
während  die  Verfir^iedonheit  der  Individuen ,  die  dieser  Ten- 
denz sonst  Schranken  netrAe ,  der  VorausHetzuug  nach  auf- 
gehoben ist.  Der  Rociali^müö  hat  debbaib  die  Maximisierung 
beider  Niveau»  gleichmäfsig  im  Auge^  die  Gleichheit  der  Indi- 
viduen wt  eben  nur  durch  Konkurreualosigkeit,  diese  aber  nur 
bei  Centrallsierung  aller  Wirtschaft  dureh  den  Staat  zu  enreiehen. 

Psychologisch  ist  es  mir  indessen  noch  zweifelhaft ,  ob 
die  Forderung  der  Ausgleichung  der  KiToaus  dem  Triebe  der 


punkt  au8  eben  dasselbe 


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XI. 


•7 


Diffmnnerung  wiiUieh  lo  abiolttt  entg^engeeetst  ist,  wie  ei 
scheint.    Durch  die  ganze  ISatur  Kuiduren  idiflii  wir  dai 

Streben  der  Lebewesen,  höher  zu  kommen,  ttber  ihre  «igen* 
blickliche  Stellung  hinweg  eine  günstigere  zu  erwerben;  in 
der  Menschen  weil  steigert  sieh  dies  zu  dem  lobhaftesten 
b'^wuldte  Wun8c}j,  mehr  /,u  haben  und  zu  raiiefsen,  als  jeder 
^et;  bene  Augenblick  e^*  darbietet,  und  die  Differenzierung 
ht  nichu  liU  dae  Mittel  dazu  oder  die  Folge  davon.  Kie* 
nand  begnHgt  aieh  mit  der  SteUung,  die  er  seinen  Mit- 
gMchdpfen  gegentlber  einniiimit,  sondern  jeder  will  eine  in 
irgendeinem  Sinne  gtlnsllgere  erobern,  und  dft  die  Krttflte  und 
Gliiek^f^tlle  verschieden  sind,  ae  gelingt  et  Einem,  sich  über 
die  ffro£se  Mehrsabi  der  andern  mehr  oder  weniger  hoch  su 
erheben.  Wenn  nun  die  unterdrückte  MajoritÄt  den  Wunsch 
nach  erhöhter  Lebenshaltung  weiter  empfindet,  so  wird  der 
nächfltliegende  Ausdruck  dafür  sein,  dafs  sie  dasselbe  haben 
und  sein  will,  wie  die  obem  ZthnUiasend.  Die  Gleichheit 
mit  den  Höheren  ist  der  erste  sich  darbietende  Inhalt,  mit 
dem  sich  der  Trieb  eigener  Erhöhung  erllillt,  wie  es  sich  in 
jedem  belielngen  engeren  Kreiae  seigt,  meg  es  <rine  fkkvl- 
kkeee^  ein  Kmiauninflstand,  eine  Beuntenhierarehie  sein.  Das 
gehört  zu  den  Grfinden  der  ThAtsaehe  j  dafs  der  Groll  des 
ProlstarierB  sich  meistens  nicht  gegen  die  höchsten  Stände^ 
sondern  gegen  den  Bourgiaois  wenaet;  denn  diesen  sieht  er 
unmittelbar  Uber  siVh  er  bezeichnet  ftir  ihn  dip-jenigo  Staffel 
der  Giückyleiter ,  die  er  zunächst  zu  ersteigen  hat,  und  auf 
die  sich  deshalb  ttir  den  Aii^^erblick  sein  Bewufstsein  und 
sein  Wunsch  nach  Erhöbung  konzentriert.  Der  Niedere  will 
zonUchst  deuL  Höheren  gleich  sein;  ist  er  ihm  aber  gleich, 
80  zeigt  tausendfache  Erfahrung,  dafe  dieser  Zustand,  früher 
der  InoegrüF  seines  Strebens,  nichts  weiter  als  der  Ausgaugä- 
imnkt  fVOf  Weiteres  ist,  nur  die  ersle  Slatioa  des  ins  Unendp 
fiche  gehenden  Wsfas  nur  begftn^tig taten  Stellang.  Übendlp 
wo  man  die  Oleiehmadiiuig  xn  verwirklichen  suchte,  hat  sidi 
von  diesem  neuen  Boden  aus  das  Streben  des  Einzelnen,  die 
Andern  zu  überflügeln,  in  jeder  möglichen  Weise  geltenfl  ge- 
macht; so  z.  B.  in  der  häuftgren  Thatsachc,  dafs  sich  über  (lern 
vollzo^renen  socialen  Nivellement  flie  Tymnnis  erhebt.  In 
Frankreich ,  wo  von  der  grofsen  Revulutioii  her  die  Gleich- 
heitsideea  noch  am  energischsten  wirkten,  und  wo  die  Juli- 
revolutioD  diese  Traditionen  wieder  au^efirischt  hatte,  tauchte 
dodi  knn  nneii  der  letiteren  nebenr  der  scbamlosen  Pleonexie 
ESncdner  eine  allgemeine  Ordenssuchi  aujL  ein  onstiHbATes 
Veilangen«  sich  dureh  ein  Bändchen  im  Knopfloch  vor  der 
grofsen  Menge  auszuzeichnen.  Und  es  giebt  ▼lelleicht  keinen 
treffenderen  Beweis  für  unsere  Vermutung  ttber  den  psycho- 
lo^iaehen  Ursprung  der  Gleiobbeitsidee,  als  flie  Aufsening 
etner  Kohlenträgerin  aus  dem  Jahre        au  einer  vomehmen 


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06  XI. 

DMne:  .Ja,  gnädige  Frau,  ietst  wird  alles  gleich  werden; 
ich  werde  in  Seid**  gehen  und  Sie  werden  Körnen  tragen"  — 
eine  ÄuDierung,  deren  historische  ZuverllLMiigkeit  gleicbgttltig 
Ut  gegenüber  ihrer  inneru  psychologischen  Wahrheit. 

Diese  Geiieais  des  SucialismuB  bedeutete  freilich  den 
denkbar  schärfsten  Gegensats  gegen  die  meisten  theoretischea 
B^grOndimgoii  dMMlbeii.  Fttr  diese  ist  die  Gleidiiielt  der 
Henschen  ein  durch  sich  selbst  gereditfertigtes,  ftbr  mtk  be- 
stehendes und  beffiedigendes  Ideal ,  eine  ethische  causa  sui« 
ein  ZiMtmif  dessen  Wert  unmittelbiur  einleuchtet  Ist  er  statt 
dessen  nur  em  Durchgangspunkt,  nur  das  zunächst  erreich- 
bare Ziel  der  Pleonexie  der  Massen^  so  verliert  er  den  kate- 
gorischen und  id^len  Charakter,  den  er  nur  do^halh  uTi^^e- 
nommen  hat,  weil  den  meisten  Menschen  derjenige  Funkt 
ihres  W^egos,  den  sie  zunächst  erreichen  lutissen,  so  lange  er 
nodi  aidit  efrekiit  ist|  ab  ibr  definitivee  Ziel  mvebwebt 
£•  ist  dnteliM  keift  «äderet  Inteiesse,  at»  dem  der  Niedrig- 
■tehende  die  Qleichheit  durchseücen  wiU,  als  es  dn  Höhere 
an  der  Erhaltung  der  Ungleichheit  hat;  wenn  diese  Forderung 
indes  durch  langen  Bestand  ihren  relativen  Charakter  ver- 
loren und  sich  verselbständigt  hat,  so  kann  sie  auch  zum 
Idejül  solcher  Personen  werden,  bei  denen  sie  jene  Genesis 
subjektiv  nicht  durcligemacht  hat.  Die  Behauptung  eine«  logi- 
schen Rechtes  der  Gieichheitsforderung  —  ala  folgte  es  ana- 
lytisch aus  der  Wesensgleichheit  der  Menschen,  dafi  auch  ihre 
Bedite,  Ffltciiteii  und  Gitter  jeder  Art  gleich  sein  mtUaten  — 
httt  aar  den  «Ueroberflächlichsten  Sdiein  fiUr  eich;  denn  erstens 
seht  aus  einem  wiridichen  Verhalten  nie  TermOge  der  blofsen 
Logik  ein  blofs  Qesolltes,  nie  vennOge  dieser  ue  einer  Realitil 
ein  Ideal  hervor,  sondern  es  bedarf  dazu  stets  eines  Willens, 
der  sich  ans  dem  hlofscn  logisch  theoretischen  Denken  nie 
ergiebt;  zweitens  gieljt  es  insbesondere  keine  logische  Regel, 
nach  der  die  substantielle  Gleichheit  von  Wesen  ihre  funk- 
tionelle Gleichheit  zur  Folge  iiaben  mUiäte.  Drittens  ist  aber 
ftueh  die  Gleichheit  der  Menechen  als  solcher  eine  sehr  he* 
dingte,  und  ee  ist  ir611ig  willkflrlich,  über  demjenigen,  worin 
sie  gleich  sind,  ihre  vielfachen  VerHchiedenheiten  in  TerDach- 
läas^^en  und  an  den  blofsen  Begriff  Meosoh,  unter  dem  wir 
so  Terschiedenai-tige  Erscheinungen  zusammenfassen,  der- 
artig reale  Folgen  knüpfen  zn  wollen  —  ein  Überbleibsel 
des  BegriffsrüidlHnmH  der  Naturaufkassung ,  der  statt  des 
spezifischen  Inhalts  der  einzelnen  Erscheinnng  nur  den  AM- 
gemeinbegri^  dem  sie  zugehörte,  ihr  Wesen  ausmachen  liefs. 
Die  ganze  Vorstellung  von  dem  selbstverständlichen  Rechte 
der  CfleicUieitsfordening  ist  nur  «n  Beispiel  &a  cUe  Neigung 
des  meosohlichen  Geistes,  die  Resoltato  historiseher  ProMsse^ 
wenn  sie  nur  hinreichend  lange  bestanden  haben,  als  logische 
Notwendigkeiten  sninsehen.    Suchen  wir  aber  nach  dem 


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XI.  99 


DH/chiaehMi  Triebe^  dem  die  Oleieblieitifoidennif  der  onteren 
Made  entniricht,  so  finden  wir  ihn  nur  in  demjenigen,  der 

ferade  auch  der  Ursprung  aller  Ungleichheit  iat,  in  dem 
'riebe  nach  GlQckserhOhung.   Und  da  dieser  ins  Unendliche 

S>ht,  so  ist  durchaus  keine  Gkwähr  dafür  gegeben,  dafs  die 
erstellung  eines  gröfsten  socialen  Niveaus  im  Sinne  der 
Gleichheit  nicht  zum  blofsen  Durch^angspunkt  für  weiter  wir- 
kende Differenzierung  werde.  Deshalb  mufs  der  Socialismtis 
sugieicb  auf  ein  grOfiites  sociales  Niveau  im  Sinne  des  Kollektiv- 
bititMa  liallea,  weil  Uerdnrdi  den  Lidiridnen  mehr  viid  mehr 
dfo  GekMaheil  md  der  O^genstand  indMdndler  AoMeieb- 
Bang  und  Diffenaiierung  entzogen  wird. 

Es  ist  indes  noch  immer  die  Frage,  ob  aiobl  die  gering- 
illglgen  Unterschiede  des  Seins  und  Habens^  die  selbst  die 
gesteigertste  Socialisierung  nicht  beseitigen  kann,  diesdben 
psychologischen  uiid  also  auch  ftufseren  Folgen  haben  wUrden, 
wie  Jetzt  die  viel  gröfseren.  Denn  da  es  nicht  die  absolute 
GröUe  eines  Eindrucks  oder  eines  Objekts  ist,  die  unsere 
Beaetion  daiaaf  bestimmt,  sondern  sein  Unterschied  gegen 
aadsfweitin  Bnkbrttckey  'wo  kaaa  eiae  gewaebsene  uatsr 
■cihiBdisaiwtniHiebteit  aa  die  verringerten  Differenzen  unyer- 
ringerte  Folgen  knOpfen.  AUeathalben  findet  dieser  ProieTs 
statt.  Das  Auge  pafst  sich  an  geringe  Helligkeitsgrade  derart 
an^  dafs  e8  schOerslich  die  Farbenunterschiede  ebenso  empfindet 
wie  frtlher  nur  in  viel  heilerer  Beleuchtung;  die  geringen 
Differenzen  in  St<dlun^  und  Lebensgenufs ,  die  sich  innerhalb 
des  bleichen  socialen  Kreises  finden,  erregen  einerseits  Neid 
und  Nacheiferung,  andererseits  Hochmut,  kurz  alle  Folgen  der 
BMhmiimig  m  demaelben  Qfade,  wie  die  iwiaehen  sekr 
ystieaalea  Sebiditaa  beetabeaden  üaleracbiede  o.  s.  w.  Ja,  es 
ist  sogar  vieUbab  in  beobadUen,  dafii  die  Empfindung  des 
Ualenebiedes  gegen  aadere  Fenonen  am  so  schftrfer  ist.  ie 
mehr  wir  im  übrigen  mit  ihnen  fi;emeinsam  haben.  Deshalb 
aind  einerseits  diejenigen  Folgen  Differenzierung,  die  dem 
Soctalismus  als  schfioliche  und  zu  beseitigende  erscheinen, 
noch  keineswegs  durch  ihn  aufgehoben ;  andererseits  aber  sind 
die  Kulturwerte  der  Differenzierung  nicht  in  dem  MaTse  von 
ibn  bedroht y  wie  seine  Gegner  es  wollen;  die  Anpassung 
aaiirer  PaiapüfciiilmBiflinillichkeit  kaaa  ebea  den  genngeran 
persönlichen  Differenzen  eines  aoeialistertea  Znstandes  die 
gWche  Macht  nach  der  guten  wie  nach  der  aeUaebton  Seite 
wie  dia  jataigen  sie  besitaen. 


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Cioogk 


über  die  Kreazuog  socialer  Kreise. 


Der  Untenehied  des  Toigesebritlenen  vor  dem  roberea 
Denken  seigt  sich  am  Unterschied  der  Motive,  wdohe  die 
AHOciationen  der  VortleUangeii  beettmmeii.  Da«  zafiültfe 
Zuaammensem  in  Raum  und  Seit  reicht  sonfloliat  hin,  um  £e 
Vorstellungen  mychologuich  zu  verknüpfen;  die  Vereinigung 
vop  Eigenschaften,  die  einen  konkreten  Gegenstand  bildet, 
erscheint  zunftcKst  als  ein  einheitliches  Ganzes,  und  jede  d^'r- 
ßclln  n  steht  mit  den  auderrr ,  in  deren  Umgebunjff  afl<;iii  nrnn 
sie  kennen  gelernt  hat,  in  engem  associativein  Zu8anuiienhang. 
AU  ein  fUr  sich  bestehender  Vorstellungsinlialt  wird  8ie  erst 
bewafst,  wenn  sie  in  nodr  mehreren  und  andersartigen  Ver* 
bindungen  aeftritt;  das  Qleiohe  ra  atten  dieMn  tritt  iq  betta 
Beleacbtung  und  an^eich  in  gegenseitige  Verbindniigy  indem 
es  aieh  von  den  Verknttpfun^n  mit  dem  taehUcb  Andern, 
nur  im  zufiüligen  Zusammensem  am  gleichen  Gegenstand  mit 
ihm  Yerbundenen  mehr  und  mehr  frei  macht.  So  erhebt  sieb 
die  Association  i\hev  die  Anrpgnng  durch  das  aktuell  Wahr- 
nehmbnre  zu  der  aut  dem  lulialt  der  \'or8fccllungen  ruhenden, 
auf  der  die  liülM'i-e  Begriffsbildim^^  sich  aufbaut,  und  die  das 
Gleiche  auch  aus  meinen  Verschlinguiigon  mit  den  verschieden- 
artigsten Wirklichkeiten  herausgewinot. 

Die  Entwiokliiiig,  die  hier  unter  den  VorsteUungen  vor 
Bich  ^eht;  findet  in  dem  Verhftltni<  der  Individneiü  nnter- 
einander  eine  Analogie.  Der  Einzelne  «iebt  sich  snnäehst  in 
einer  Umgebung,  die,  geeen  seine  Individualitftt  relativ  gleich- 
gttltig,  ihn  an  ihr  Schicksal  fesselt  und  ihm  ein  enges  Zu- 
sammensein mit  denjenigen  auferlegt ,  neben  die  der  Zufall 
der  Geburt  ihn  gestellt  hat;  und  zwar  bedeutet  dies  Zunächst 
sowohl  die  Anfangszustande  ph/logenetisoher  wie  ontogeneti* 


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101 


•ober  Entwicklung.  Der  Fortgang  deraelben  i^er  sielt  aun 
auf  a88ociative  Verhältnisse  homogener  Bestandteile  aus  hete- 
rogenen Kreisen.  So  uraschliefut  die  Familie  eine  Anzahl  ver- 
schiedenartiger Individualitäten,  die  sunächät  auf  di<vse  Ver- 
bindung im  eugsten  MaTse  angewiesen  sind.  Mit  fortschrei- 
tender  fkitwkskliuup  aber  spinnt  jeder  Etnieine  derselben  ein 
Band  m  PereOnlicSkeiteii,  welche  «daerhalb  dieeee  ursprüng- 
lichen Associationskreises  liegen  and  etalt  dessen  dorch  saM* 
liehe  Gleichheit  der  Anlagen,  Neigungen  und  Thfttigkeim 
tL  8.  w.  eine  Beziehung  zu  inm  besitzen;  die  Association  durch 
ÄufseriichetJ  Zusaramenfeiii  wii*d  mehr  und  mehr  durch  eine 
solche  nach  mlialtlichen  Heziehungcn  ersetzt.  Wie  der  höhere 
Begriff  dai*  ztisainmenbiudet,  wa«  eiuer  ^Tofsen  Anzahl  sehr* 
Terscbiedenartigor  Anschauungskomplexe  gemeinsam  ist,  so 
•chlielsen  die  höheren  praktischen  Gesichtspunkte  die  eieichen 
Indmdiien  M  durchaus  fremdeii  und  unTerboiidenmi  Gruppen 
saaemnien;  es  eteUen  sich  neue  Berahrungskretse  her,  wetohe 
die  früheren,  relatiT  mehr  natorgegebeaen,  mehr  durah  sinn- 
lichere Beziehungen  zusammengeludteneD,  in  den  munnjchfirt» 

tigetert  Winkeln  durclisetzen. 

Kins  der  einfachsten  Heit>plele  ist  da*  angeführte,  dafs 
der  ursprüngliche  Zusammenhang  de«  Familienkreisea  d^viorch 
modifiziert  wird,  dafs  die  Individualität  des  Einzelnen  diesen 
in  anderweitige  Kreise  einreiht:  eins  der  höchsten  die  »Ge- 
IfihrtWflpubliB*'.  Jene  halb  IdeeUe^  halb  reele  Verbindung  aller 
ia  eio«i  ao  hOenek  ailgeoMuieu  Ziel  wie  Erltenntnia  Oberhaupt 
sich  susammenfind enden  PenOnKdakfliten,  die  im  übrigen  den 
aUenrerschiedenaten  Gruppen  in  Besag  auf  Nationalitil,  per> 

sönhVhe  und  specipllc  Interensen,  sociale  Stellung  u.  8.  w.  an- 
gehören. Noch  stiirker  und  charakteriatiseiier  aJs  in  der  Gegen- 
wart zeigte  sich  die  Kraft  des  geistigen  und  Biidiingsinteretses, 
Zu^auuneiigohürigc  aus  höchst  verschiedenen  Kreisen 
heraus  zu  differenzieren  und  zu  einer  neuen  Gemeiuöciiaft 
maMMMRiaclilieben.  in  der  BeuMiienceneit  Dne  huflunii- 
tüacbo  IntateM  duronlnaofa  die  miClelilteiÜche  Abeonderung 
der  Kreiee  und  Stinde  und  gab  Leuten,  die  von  den  ver- 
aehiedeoaten  Ausgangspunkten  hergekommen,  und  die  eftnoch 
r?»>i,   vr..r-*^i  Beruffr:  treu  blieben,  eine  gemeinsame 

aktive  oder  pageive  Teilnahme  an  Gedanken  und  Erkennt- 
nisften,  welche  die  bisherigen  Formen  und  Einteilungen  des 
Lebens  auf  dae  mannichfaltigste  kreuzten.  Die  Vorstellung 
herrschtt^dait»  das  Bedeutende  zujüammengehöre^  das  zeigen 
die  im  aIV.  Jahrliundert  auftatiehenden  Sammlungen  Tim 
lohenibeachreilHingwi,  die  eben  au«geMiclinele  Ijeute  «Ia 
•olche  in  einem  einheitlichen  Werke  zusammen  aohildem, 
mochten  aie  nnn  Theolegin  oder  Künstler,  Staatamtener  oder 

T*h*!'»logrrt  sein.  Nur  so  ist  es  möglich ,  dnfs  ein  mSehtiger 
iM^nig^  Keberi  von  Neapel,  mit  dem  Dichter  Petrarka  Freund- 


108 


XL 


•cbaft  schliefst  and  ihm  seinen  eignen  Parpmniiaiitd  schenkt; 
nur  so  war  die  Sonderang  der  rein  geistii^en  Bedeutung  von 
alledem  mOglich,  was  sonst  als  wertvoll  galt,  infolge  deren 
der  venetianische  Senat  bei  der  Auslieferung  Oiordano  Bruno 's 
an  die  Kurie  schreiben  konnte :  Bruno  sei  einer  der  schlimm- 
steoKetier,  habe  die  Yorwerflicbsten  Dinge  gethaiL  ein  lockeres 
md  goradiM  imßSmAm  Leben  pftkii  —  tm  illinge«  eei  er 
aber  einer  der  aosgeaeichnetsten  Oetiter,  die  man  enh  denken 
kOnne,  von  der  seltensten  Oeteluemkeit  und  GeietesgrSfee» 
Der  Wandertrieb  imd  die  Abentenerival  der  Humanisten,  ja 
ihr  teilweise  schwankungsreicher  und  unsuTerlftssiger  Cha- 
rakter entsprach  dieser  Unabhttngigkeit  des  Geistigen,  daa 
ihr  Lebenszentrum  bildete,  top  allen  sonstigen  Anfonierungen 
an  den  Menschen;  sie  mufste  eben  g^en  diese  gletchgttitig 
machen.  Der  einzelne  Humanist  wiederholte,  indem  er  sich 
in  der  bunten  Maouiclifaltigkeit  der  Lebensverhältnisse  be- 
werte, dee  Loe  dee  Hmnantamney  der  den  eimen  Sdwieren 
und  Mandl  ebcnio  wie  den  michtigen  Feldhem  nnd  din 
glanzvolle  Füretin  in  einem  Bahmen  geistigen  Inlerossee 
umfafste. 

Di^  Zahl  der  verschiedenen  Kreise  nun,  in  denen  der 
Einzelne  darin  steht,  ist  einer  der  Gradmessot*  der  Kultur. 
Wenn  der  moderne  Mensch  zunächst  der  elterlichen  Familie 
angehört,  dann  der  von  ihm  selbst  gegründeten  und  damit 
auch  der  seiner  Frau,  daun  seinem  Berufe,  der  ihn  schon  ftlr 
sich  oft  in  mehrere  Interessenkreise  eingliedern  wird  (z.  B. 
in  jedem  Beruf,  der  Aber-  und  QnlBf9e(»dnele  Peceonen  ea^ 
hält,  steht  jeder  in  dem  Kreise  aeinea  besonderen  Geeehifti^ 
Amtee,  Bttreaus  etc.  darin,  der  jedesmal  Hohe  nnd  Niedere 
loeammenschliefst,  nnd  anlserdem  in  dem  Kreise,  der  sieh  ana 
den  Qleidigeetottten  in  den  verschiedenen  Geschäften  etc. 
biUlet);  wenn  er  sich  seines  Staatshürgertums  und  der  Zu- 
gettörigkeit  zu  einem  bestimmten  socialen  Stande  bewufst  ist, 
aufserdem  Reserveoffizier  ist,  ein  paar  Vereinen  angehört  und 
einen  die  verschiedensten  Kreise  oerUhrenden  geselligen  Ver- 
kehr besitzt:  so  ist  dies  schon  eine  sehr  grolse  Mannichfaitig> 
keil  von  Gruppen,  von  denen  mandie  swar  koordiniert  sind, 
andere  aber  Mch  so  anordnen  laieen,  dafe  die  eine  ab  die 
nnprttngliehere  Verbindung  erKheint,  von  der  aus  das  Indi- 
vidunm  aaf  Grand  aeiner  besondem  QnalitiIeD,  durch  die  ea 
sich  von  den  ttbrigen  Mitgliedern  des  ersten  Kreises  ab- 
scheidet, sich  einem  entfernteren  Kreise  zuwendet    Der  Zu- 


wie  eine  Seite  einer  komplexen  Vorstellung,  wenn  sie  psycho- 
logisch auch  Ittngst  rein  sachliche  Associationen  gewonnen 
hat,  doch  die  zu  dem  Komplex,  mit  dem  uie  nun  einmal  in 
rinmlidi-Beidieher  Verbindung  existiert,  keineawega  an  ver- 
lieren braneht . 


weiter  bestehen  bleiben. 


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lOB 


Hieraus  ergeben  sich  nun  vielerlei  Folgen.  Die  Gruppen, 
zu  denen  der  Einzelne  ^liört  bilden  gletchaam  ein  Koordinaten- 
aystera ,  derart,  dafs  jede  neu  hinzukommende  ihn  genauer 
nnd  unzweideutiger  bcBtinunt  Die  Zugehörigkeit  zu  je  einer 
derselben  läfst  der  Individualität  ni>cU  einen  w(-iten  Sinelraum; 
aber  je  mehre  ea  werden,  deäto  unwahrscheinlicher  ist  es, 
dal«  nodi  andm  P«noiMii  die  clttobe  GruppenkombiiuilMni 
•nftreiieD  werden,  dab  dieee  Tiden  Kfeiie  Mch  nodi  einmal 
in  einem  Punkte  •elmeiden.  Wie  der  kenkrele  Gegeneland 
für  unser  Erkennen  seine  IndividnaUttt  verliert,  wenn  man 
ihn  einer  Eigenschaft  nach  unter  einen  allgoneinen  Begriff 
bringt,  Hie  «her  in  dem  Mafsc  wiedergewinnt,  in  dem  die 
andern  Begriffe  hervorgehoben  werden,  unter  die  seine  andern 
Eigenschaften  ihn  einreihen,  so  dafs  jedes  Ding-,  pUtonisch 
zu  reden,  an  so  vielen  Ideen  Teü  hatj  wie  es  vielerlei  Qua 
litäten  besitzt,  uud  dadurch  seine  individuelle  BeHtimmtheit 
erlangt:  gerade  so  verhttlt  sich  die  Persönlichkeit  gegenüber 
dm^jjHmOf  denen  de  angehört  Inneriialb  des  psvcnotogiseh- 
tbeoie^eelMii  Gebielee  ist  gans  daa  Analoge  an  beobachten; 
was  wir  das  Objektive  in  unserm  WeRbild  nennen,  waa  sieh 
als  das  Sachliche  der  SubjdLÜvität  des  Einzeleindrneka  gegen- 
fibercustellen  scheint,  das  ist  doch  thatsächlich  nur  ein  sehr 
gehäuftes  und  wiederholtes  Subjektives  ~  wir  nach  Hnme's 
Meinung  die  Kausiüität,  das  sachliche  Erfolgen  nur  in  einem 
oft  wiederholten,  zeitlich  sinnlichen  Folgen,  und  wie  der  sub- 
stautielle  Gegenstand  uns  gegenüber  nur  in  der  Synthese 
sinnlicher  Eindrücke  besteht  So  nun  bilden  wir  aus  diesen 
abjakÜT  gewofdenen  Elementen  dasjenige,  waa  wir  die  Sab- 
jeKtmtM  iMTf  ifoff,v  nennen,  die  PenOnliehikeit,  die  die  Ele* 
inent<L-  der  Kultur  in  individueller  Weiae  kombiniert«  Nachdem 
die  Syntbeie  des  Subjektiven  dai  Objditiye  hervoigebraeht^ 
erseogt  nun  die  Synthese  des  Objektiven  ein  neueres  und 
höhere?  Subjektives  —  wie  die  I^ersOnlichkeit  sich  an  den 
socialen  Kreis  hingiebt  und  sich  in  ihm  verliert,  um  dann 
durch  die  individuelle  Kreuzung  der  socialen  Kreise  in  ihr 
wieder  ihre  Eigenart  zurückzugewinnen.  Übrigens  wird  ihre 
aweckmttfsiffe  Bestimmtheit  so  gewissermafseu  zum  Gegen bild 
ihfir  kanaakpt  an  ihrem  Un|irai^  iil  aie  dodi  ancdi  nnr  der 
Kiwumngepnnkt  nmihliger  socialer  Flden»  daa  Ergebnis  der 
Vererbung  von  verschiedensten  Kreisen  und  Anpassunge- 
Mrioden  her,«  nnd  wird  zur  Individualitit  dnroh  die  Besonder- 
heit der  Quanten  und  Kombinationen,  in  denen  sich  die 
Gattungselemente  in  ihr  zn!»nn)Tnenfinden.  Schliefst  sie  sich 
nun  mit  der  Mann?chf'alti;^'kf'it  ilirer  Triebe  und  Interessen 
wieder  an  sociale  Gfhilde  an,  so  ist  das  sozusagen  ein  Aup- 
strahlen  und  Wiedergeben  dessen,  was  sie  empfangeii,  in  ana- 
loger, aber  bewufster  und  erhöhter  B'orm. 


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104 


X  1. 


Ihre  Bestimmtheit  wird  nun  eme  um  no  gröf«ere  setn, 
wenn  die  bestimmenden  Kreise  mehr  nebeneinamier  liegende, 
als  konzentrische  sind^  d.  h.  allmälilicK  mch  vereugende  Kreise^ 
wie  Nation,  aoetale  SteUitng,  Beruf,  besondere  Katcigorie  inner- 
lialb  dfeeee,  werden  der  an  ihnen  teilhabeaden  Pmon  keine 
an  individiK^llf^  Stelle  anweisen,  weil  der  engaie  derselben  gnu 
Ten  aelbet  die  TeÜhaberaehaft  an  den  weiteren  bedeutet,  ala 
wenn  jemand  aufser  seiner  BerufssteUnng  etwa  noch  einem 
wiseenschaftlichen  Vereine  angfthrtrt,  Aufjjichtsrat  einer  Aktien- 
gesellschaft ist  und  ein  städtisches  Ehrenamt  bekleidet;  je 
weniger  d^iR  t  eilhaben  an  dem  einen  Kreise  von  selbst  An- 
weisung giebt  auf  das  Teilhaben  an  dem  andern,  desto  iie- 
•tinnnter  wird  die  Person  dadurch  beaeidinet,  dafs  sie  in 
einem  Sehnit^jninkt  beider  steht  loh  will  hier  nur  andentani 
wie  die  Mö^ehkeit  der  Individualisierung  aodi  dadnr<idi  ina 
UnermerslicEe  wUehst,  dafa  dieaelbe  Peraon  in  den  yeraehi»> 
denen  Kreisen,  denen  sie  gleichzeitig  angehört,  ganz  ver- 
8chi«?one  relative  Stellungen  einnehmen  kann.  Denn  jeder 
neue  Zusammenschlidls  unter  gleiehoni  (resichtspunkt  erzeugt 
sofort  wieder  in  sich  etno  gewisse  Ungleichheit,  eine  Differen- 
zierung zwischen  Fuhrenden  und  Geführten;  wenn  ein  ein- 
heitliches Interesse,  wie  es  etwa  das  erwähnte  humanistische 
war,  für  hohe  nna  niedere  Personen  dn  gemeinsamea  Band 
war,  daa  ihre  sonstige  Veraehiedenheit  pandjlierte,  ao  eni» 
anfangen  nnn  innerhalb  dieser  Qaneinsamkeit  und  nach  den 
ihr  eigenen  Kal^rieen  neue  Unterschiede  awisohen  Hoch  und 
Niedrig,  welche  g^nz  aufser  Korrespondenz  mit  dem  Horb 
und  Niedrig  innerhalb  ihrer  sonstigen  Krei«o  stehon  Indem 
die  Höhen  der  Stollungen,  welche  eine  und  dieselbe  Person 
in  verschiedenen  Gruppen  einnimmt,  von  einander  TöUig  un- 
abhängig sind,  können  so  seitsame  Korabinationen  entstehen, 
wie  dtn»  dafo  In  Lindem  wa%  allMieiner  Wehrpaieht  der 
geistig  and  aocdal  hOehatstehende  Mann  aich  einem 
offizier  nnterzuordnen  hat  und  dafs  dte  Pariser  Betdeigflda 
einen  gewählten  „König"  besitzt,  der  ursprünglich  nur  ein 
Bettler  wie  alle,  und,  so  viel  ich  weifs,  auch  weiter  ein  solcher 
^bleibend,  mit  wahrhaft  filrstlichen  Ehren  und  Bevorzugungen 
ausgestattet  ist  —  vielleicht  die  merkwürdigste  un<i  indivi- 
dualisierendste  Vereinigung  von  Niedrigkeit  in  einer  und 
Höhe  in  anderer  äocialen  Stellung.  Auch  sind  hier  diejenigen 
KomplUEationen  in  Betraeht  an  neben ,  die  dnrch  die  Kon- 
knrreni  innerhalb  einer  QTttiy|>e  entstehen;  der  Kanfianuin  lat 
etnerseitB  mit  anderen  Kaufleuten  an  einem  Kreise  vecbunden, 
der  eine  grofse  Anzahl  gemeinsamer  Interessen  hat:  wirt- 
schaftspolitische  Gesetzgebung,  sociales  Ansehen  des  Kauf- 
mannsötandes,  Repräsentation  desselben,  Zusammenschlufs  ge- 
genüber dem  Publikum  zur  Aufrechterhaltung  bestimmter 
Preise  und  vieles  andere  —  geht  die  gesamte  Handelswelt  als 


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106 


M^che  ia  und  liwt  sie  Dritten  gegenttber  als  Einliflit  fit* 
■elieiiieii*  AndmtMitB  aber  befindet  tich  jeder  Kaufnumii  in 

konknrrierendem  Qegeneate  gegen  so  und  so  viele  andere, 
da«  Eintreten  in  diesen  Beruf  schafft  ihm  im  gleichen  Moment 
Verbindang  und  Isolierung,  Gleichstellung  und  Sonderstellung ; 
er  wahrt  sein  Interesse  durch  die  erbittertste  Konkurrenz  mit 
denjenigen^  mit  denen  er  sich  doch  um  desgleichen  Interesses 
willen  Ott  aufs  engste  zusamnienschliessen  mufs.  Dieser  inner- 
liche Gegensatz  ist  zwar  auf  dem  kaufmännischen  Gebiet  wohl 
am  krassesten  f  indes  auch  auf  allen  andern  bis  herab  zu  der. 
eplMilMra  Socialinenmg  einer  Abendgeeellwihaft  iiwendwie 
Torlinnden.  Und  wenn  wir  nun  bedenken,  welche  Bedeutung 
filr  die  PenOnlidikeit  das  MaTs  hat^  in  dem  sie  Anaohlufii  oder 
GcigeuMte  in  ilven  socialen  Gruppen  findet,  so  thut  sich 
nne  eine  unermefsliche  Möglichkeit  von  indivtdnalinerenden 
Kombinationen  dadurch  auf,  dafu  der  Einzelne  einer  Mftnnioh- 


Konkurrenz  und  Zu^^ammenschluls  stark  variiert,  und  da  jedem 
Menschen  ein  gewisse«  Mafs  kollektivistischen  Bedürfnissen 
eigen  ist,  so  emebt  die  Mischung  zwischen  Kollektivismus 
nml  IioKenuig,  die  jeder  Kreie  Metel  einen  neuen  neonaten 
CtoBchtipnnkt  fibr  nie  Zniammensteliung  der  Kreise,  denen 
tidh  der  jSinndne  an«clifiefet:  wo  innerhalb  eines  Kreiaee  starke 
Konkorrenz  herrscht,  Werden  die  Mitglieder  sich  gern  solche 
anderweitigen  Kreise  «neben,  die  möglichst  konkurrenilos 
sind;  so  findet  sich  im  Kaufmannsstand  eine  entschiedene 
Vorliebe  für  gesellige  Vereine,  während  da«  die  Konkurrenz 
innerhalb  des  eigenen  Kreises  ziemlich  ausschliefsende  Stand es- 
bewufstsein  des  AriHtokraten  ihm  derartige  Ergänzungen 
ziemlich  überflüssig  macht  und  ihm  vielmehr  die  VergeäelU 
«ebaflangen  iriiber  legt,  die  in  aieb  stRrkere  Konknrreni  aus- 
bOdes.  1.  B,  alle  durch  Sportinteraien  nMOBmenjg^ehaltenen. 
'Endlicn  erwähne  ich  hier  noeh  drittens  die  oft  diskrepanten 
didnach  entetebenden  Krenanngen,  dafe  ein  Einzelner  oder 
ebie  Gruppe  von  Interessen  beherrscht  werden,  die  einander 
entgegengesetTit  sind  und  jene  deshalb  zu  gleich  er  Zeit  ganz 
entgegengesetzten  Parteien  angehören  lassen.  Kür  Individuen 
liegt  ein  solches  Verhalten  dann  nahe,  wenn  bei  vielseitig 
auRgebildeter  Kultur  ein  starkes  j)olitische8  Parteileben  herrscht  J 
dann  pfi^t  nämlich  die  £rschümung  einzutreten,  dafts  die  po- 
lieben  Parteien  die  ▼erscbiedenen  Standpunkte  aneb  in  den- 
jenigen FngeOj  die  mit  der  Politik  gar  nichts  an  thnn  haben, 
unter  lieb  verteilen,.  sodaTs  eine  bestinunte  Tendena  der 
Idtteratmr,  der  Knntt,  der  Religiosität  etc.  mit  der  einen 
Partei,  die  entgegengeeetite  mit  der  andern  associiert  wird; 
die  Linie,  die  die  P?\rteien  sondert,  wird  schliefslich  durch  die 
Ge.sarütheit  der  Lplicnsinteressen  hindurcii  verlttngert.  Da 
es  denn  auf  der  Hand,  da(s  der  Einzelne,  der  sich  nidit 


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XI. 


vottkomnen  in  den  Bann  der  Partei  geben  will,  Moii  etiva 

mit  seiner  JUthetischen  oder  reltetösen  Überseugong  einer 
Gruppierung  anschliefsen  wird,  die  mit  seinen  politischen 
Gegnern  nmalgamicrt  ist.  Er  wird  im  Schnit^>unKt  zweier 
Gruppen  stehen,  die  sich  sonst  als  einander  entg^engesetzte 
be Wulst  sind.  Gänsen  Massen  wurde  eine  solche  Doppel- 
'  steUung  zur  Zeit  der  grausamen  Unterdrttckang  der  irischeii 
Kadioliken  durch  Enciaiid  au^eswuitfen.  Hmte  fUUten  tieli 
die  Proteitantaii  Eni^ds  und  Iriands  Terbimden  gegen  den 
gemeinsameii  Beligionifeind  ohne  Rttckneht  auf  die  Lande- 
mannsdiaft,  moi^gen  waren  die  ProtestMiton  und  Katholiken 
Irlands  gegen  den  Unterdrücker  ihres  geroeinsamen  Vater- 
kuidee  verbunden  ohne  Rücksicht  auf  Religionsverschiedenheit. 

Die  Ausbildung  des  öffentlichen  Geistes  zeigt  sich  nun 
darin  ,  dafs  genügend  viele  Kreise  von  irgendwelcher  objek- 
tiven Form  und  Organisierung  vorhanden  sind,  um  jeder 
Wesensseite  einer  xnannichfach  beanlagten  Persönlichkeit  Zu- 
■iiiiaienieblufi  und  genoaaeiucliaftliche  Betliätigung  zu  ge- 
wlUireD.  Hierdurch  wird  eine  gleicbmilaige  Annlberung  an 
das  Ideal  des  Kollektivismus  wie  des  Individualismus  ^boten. 
Denn  einerseiH  findet  der  Einzelne  für  jede  seiner  Keigungeu 
und  Bestrebungen  eine  Gemeinschaft  vor,  die  ihm  die  Be- 
friedigung derselben  erleichtert,  «einen  Thätigkeiten  je  eine 
uls  zweckmäfsig  erprobte  Form  und  alle  Vorteile  der  Gruppen- 
nncehörigkeit  darbietet;  andererseits  wird  das  Specifische  der 
Individualität  durch  die  Kombination  der  Kreise  gewahrt, 
die  in  jedem  Fall  eine  andere  sein  kann.  Wenn  die  vor- 
geschrittene Kultur  den  aodalen  Kreis,  dem  wir  mit  unaeier 
nuiien  PertOnltchkeit  angehören,  mehr  und  mehr  erweiterti 
dafür  aber  das  Individuum  in  höherem  Mafee  auf  tich  selb«! 
stellt  und  es  mancher  Stutzen  und  Vorteile  des  enggeechlossenen 
Kreises  beraubt:  so  liegt  in  jener  Herstellung  von  Kreisen 
und  Genossenschaften,  in  denen  sich  beliebig  viele,  ftir  den 
gleichen  Zweck  interessierte  Menschen  zusammenfinden  können, 
eine  Ausgleichung  Jener  Vereinsamung  der  Persönlichkeit,  die 
aus  dem  Bruch  mit  der  engen  Umsdurftnktheit  früherer  Zu- 
stände hervorgeht 

Die  Enge  dieses  Znsemmensehlnsses  ist  daran  su  er- 
messen, ob  uid-in  welchem  Qrade  ein  soldter  Kreis  eine  be- 
sondere i^Ehre*  ausgebildet  bat,  derart,  dala  der  Veriust  oder 
die  Kränkung  der  Ehre  eines  Mitgliedes  Ton  jedem  andern 
Miteliede  als  eine  Minderung  der  eigenen  Ehre  empfunden 
wird,  oder  dafs  die  Genossenschaft  eine  koliektivpersönliche 
Ehre  besitzt,  deren  Wandiunf(en  sich  in  deni  Elir-Erapfinden 
jedes  Mitgliedes  abspiegeln.  Durch  ilenstellung  dieses  apeci- 
fischen  Ehrbegriffes  (Familienehre,  Ofitiziersehre,  kaufmänni- 
sche Ehre  u.  s.  w\)  sichern  sich  solche  Kreise  das  xweck- 
mifsige  Verhalten  ihrer  Mitglieder  besonders  auf  dem  Gebiete 


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« 


deijenigeD  specifischen  Differeni,  darch  welche  sie  sich  von 
dem  weitemten  socialen  Kreise  ab8che?<!en,  sodafs  die  Zwangs- 
maTsreeeln  fbr  dius  richtige  Verhalten  diesem  gegenüber,  die 
«LHatlichen  Gesetze,  keine  Bestinmmngeu  für  jenes  enthalt«!. 
Einer  der  fi^fsten  socialoüiischea  Fortßchritte  vollzieht  sich 
auf  diese  WeiBe :  die  en^  und  strenge  Bindung  früherer  Zu- 
•ttDde,  in  dfiiMn  di«  loa»!«  Gruppe  alt  Oaaieiy  retp.  ihi» 
Zentralgewaliy  das  Tbtm  und  Lmmo  det  Sinselnen  nach  den 
mwshtedensten  Richtungen  hin  regnlier^  beschränkt  üire  Ba» 
gvlatiTe  mehr  und  mehr  auf  die  notwendigen  InteresMa  der 
Allgemeinheit;  die  Freiheit  des  Individuoms  gewinnt  mehr 
.  und  mehr  Gebiete  für  sich.  Diese  aber  werden  von  neuen 
Gruppenbildungen  Ixisetzt,  aber  so,  dafs  die  Interessen  dea 
Einzelnen  frei  entschf^iden ,  zu  welcher  er  gehören  wül;  in- 
folge dessen  genügt  statt  äuTserer  Zwanesmittel  schon  daa 
OmU  d«Br  Ehre,  um  Ilm  aa  diejenigen  Aotnifln  an  üwwln, 
tem  es  ann  Beetuile  dar  Gruppa  badatC  Übrigens  BlmiBt 
dieser  Proaeih  nkbt  nur  von  aar  stMtlicben  Zwaa^Mewalt 
aeinen  Ursprung;  flbo'all,  wo  eine  Ghruppenmacht  eine  An^^ahl 
von  individnollen  Lebensbeziebungen,  (Ire  sachlich  aulser  Be- 
aiehung  zu  ihren  Zwecken  stehen,  ursjinuiglich  beherrscht  — 
auch  in  der  Familie,  in  der  Zunft,  in  der  religit^sen  Gemein- 
schaft u.  8.  w.  — ,  giebt  sie  die  Anlehnung  und  den  Zunammen- 
schluis  in  Beaug  auf  ^ene  schliefslich  au  besondere  Vereine 
ab^  aa  dHMO  dw  Batailigung  Sache  der  pMBnliehan  Freibeit 
kt»  wodareh  denn  die  Aufgabe  der  Soeiaknerang  in  yiil  toU- 
kommnerer  Weiea  gelllet  werden  kann,  als  durch  die  frttbere^ 
die  Individualität  mehr  vernachlässigende  Yereioigong. 

Es  kommt  hinzu,  dafs  die  undifferenzierte  Herrschaft 
einer  socialen  Macht  über  den  Menschen,  wie  ausgedehnt  und 
streng  sie  auch  sei,  doch  irnnier  noch  um  eine  Reihe  von 
Lebensbeidehungen  sich  nicht  kümmert  und  nicht  kümmern 
kann,  und  dafs  diese  der  rein  individuelleu  Willktir  um  so 
iOigloMr  imd  beetimmangiloser  flberlaiMii  Warden,  je  grOfiwrer 
Zwao^  In  den  llbrigen  BeaiehuiiMi  bemcbt;  so  mafite  der 
piechische  und  noch  mehr  der  altrOmisebe  Bttiger  aich  zwar 
m  allaa  mit  der  Politik  nur  irgend  im  Znsammeiduiiig  stehenden 
Fragen  den  Normen  und  Zwecken  seiner  vaterlftndischen  Ge- 
meinschaft Wlingrimg«?!  )^  unterordnen;  aber  er  besafs  dafür 
als  Herr  seine»  Hause«  ame  um  so  unumschränktere  Helbstherr- 
Kehkeit;  so  j^iebt  jener  engste  ftottiale  ZusammeaHrhlLifs ,  wie 
wir  ihn  an  den  in  kiemen  Gruppen  lebenden  Naturvölkern 
beobaibten,  dem  Einaelnen  TallkomineDe  Freiheit,  eieb  gecen 
4le  «atebalb  des  Stammet  ttebenden  Personen  in  jeder  ihm 
bcUebeaden  Weise  an  benehmen;  io  findet  der  Deepotiamiie 
binfig  eetn  Korrelat  und  sogar  seine  Unterstützung  in  der 
vollkommensten  Freiheit  und  selbst  ZtigelloHigkeit  der  wenigen 
ihm  nicht  wichtigen  Bealehungen  der  renttnlichkeiten.  Nach 


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108 


liieser  unzweckmäfsigen  Verteilung  kollekäTiititchai  Zwmagm 

urt(\  individaalistischer  Willkür  tritt  eine  angemessenere  und 
genehtcre  da  ein,  wo  der  sachliVhe  Inhalt  der  Sitten  und 
Tendenzen  der  PerBonen  über  die  associativc  Gestaltung  ent- 
scheidet, weil  sich  dann  auch  für  ihre  bis  dahin  ganz  un- 
kontrollierten und   rein  individualistisch  bestimmten  Bethäti- 

Sungeu  leichier  kollektivistische  Anlehnungen  finden  werden; 
enn  in  deonielbeii  Halbe,  in  dem  die  PenOnlicfakeil  eis 
Ganse»  befrat  wird,  tnckt  sie  auch  filr  ihre  einsebien  Seiten 
socialen  Zusammensehlufs  and  besehrinkt  freiwillig  die  indivi« 
dualistische  Willkür,  in  der  sie  sonst  einen  Ersatz  für  die 
undifferenaierte  Fesselung  an  eine  KoUektivmacht  findet;  »o 
sehen  wir  7,  B.  in  Ländern  mit  ^rofser  politischer  Freihpit 
ein  besonders  stark  aasgc.hildetes  Vereiiisleben,  in  religt<toen 
Ot'Hicinschaitcri  ohne  ?ttarke  hienu^hisch  ausgeübte  Kirchen- 

f:  walt  eine  K  bJiafte  Sektenbildung  u.  s.  w.  Mit  einem  Wort, 
reihet t  und  Bindung  verteilen  sich  gleichmftfsigei^  wenn  die 
8oeialisterung,  statt  die  heterogenen  Beetandteile  der  Peraön- 
Hchkeit  in  einen  einlieitliehen  Kreit  an  awingen,  vielmelo*  die 
Möglichkeit  gewllhrti  dafs  das  Homogene  aus  heterogenen 
Kreisen  sich  zusammensch liefst 

Dies  ist  einer  der  wichtigsten  Wege,  den  fortschreitende 
Entwicklung  einschlägt:  die  Differenzierung  und  Arbeits- 
teilung ist  zu'^rst  sozusagen  quantitativer  Natur  ujkI  verteilt 
die  Thätigkeitäkreise  derart,  dafs  zwar  einem  Individuum  oder 
einer  Gruppe  ein  anderer  als  einer  andern  zukommt,  aber 
jeder  derselben  eine  Summe  qualitativ  verschiedener  Be- 
aiekungen  etnadiliefet;  allein  später  wird  dieaea  Veraehiedene 
heransdtiFerenziert  and  aua  allen  diesen  Kreisen  an  einem 
non  qualitativ  einheidichen  Thlltigkeitskreise  zusammenge* 
aehloaien.  Die  Staatsverwaltung  entwickelt  sich  hänüg  ao,  dalk 
das  zuerst  ganz  nndüFerenzicrte  Verwaltungszentrum  eine 
Reihe  von  Gebieten  anssontlert,  wpIcHp  je  f>iner  einzelnen  Be- 
hörde oder  Persöniichkeit  unlersteben.  Aber  diese  Gebiete 
sind  zunächst  lokaler  Natur;  es  ist  also  z.  H.  ein  Intendant 
von  Seiten  des  französischen  Staatsrats  in  eine  Provinz  geschickt 
um  nun  dort  alle  die  verschiedenen  Funktionen  auszuUbeu, 
die  aonat  der  Staatnat  aelbat  Uber  daa  Ganae  des  lAndea  üVt; 
es  ist  eine  Teilung  nach  dem  Quantum  der  Arbeit  Davon 
unterscheidet  aich  die  spAter  henrorgehende  Teilung  der 
Funktionen,  wenn  sich  dann  z.  B.  aus  dem  Staatsrat  die  ver- 
schiedenen Ministerien  herausbilden,  deren  jedea  seine  Thätig- 
keit  über  das  ganTie  Land,  aber  nur  in  oiner  qualitativ  be- 
stinimten  Beziehung  erstreckt.  Wenn  die  Speci^insierung  der 
Heilkunst  schon  im  alten  Aegypten  ftlr  den  Arm  einen  andern 
Arrt  ausbildete,  als  für  das  Bein,  so  war  auch  dies  eine 
I>iÜerüiizieruug  nach  lokalen  Gesichtspunkten,  der  gegenüber 
die  moderne  Medizin  gleiche  pathologische  Zustände,  gleich- 


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109 


riel  an  welchem  KOrpcrgliede  sie  auftreten,  dem  gleichen 

Specialai-zt  flberantwortet;  sodafs  wiederum  die  funktionelle 
Gleichheit  m  Stelle  der  zußüligen  Äusserlichkeit  die  Zu- 
sammenfassung beherrscht.  Die  gleiche  Form  einer  Uber  die 
ältere  Differenzierung  und  Zusammenfassung  hmausg^eh enden 
neuen  Verteilung  zeigen  jene  Geschäfte,  die  alle  verscbiedeneu 
Materialien  für  die  Herstellung  komplizierter  Objekte  fiihreii, 
a.  B.  daa  gesamte  Eiäeubahnljaumatcrial,  alle  Artikel  ftir  Gast- 
wirte, Zahnärzte,  Schuhmacher,  Magazine  fUr  sämtliche  Haus- 
und  Kttcbeneionebtiiiig  n.  s.  w.  Der  eunkeitüche  GtcMickte- 
pttokti  nach  dem  hier  die  ZusammenAigung  der  aus  den  vei^ 
■chiedenaten  Heretdlmgekreieen  stammenden  Objekte  erfolgt, 
iat  ibre  Beziehong  auf  einen  einheitlichen  Zweck,  dem  sie 
niBgesamt  dienen,  auf  den  terminus  ad  quem,  während  die 
Arljeit'^terlung  sonst  nach  der  EinheitHehkoit  des  terminu«  a 
quo,  der  gleichen  Herstellungart,  stattfindet.  Diese  Geschäfte, 
welche  die  letztere  freilich  zur  Voraussetzung  liaben,  stellen 
eine  potenzierte  Arbeitsteilung  dar,  indem  sie  aus  ganz  hete- 
rogenen Branchen,  die  aber  an  bieii  schon  sehr  arbeitsteilig 
wirken,  die  nach  einem  Gesichtspunkt  auaammengehöngen^ 
aoniaagen  die  an  einem  neuen  Grundton  haimoiMionen  Teil» 
einechliefiien« 

Eine  Zusanmnenfassung  zu  einheitlichem  socialem  Bewnfst- 
sein,  die  durch  die  Höhe  der  Abstraktion  Uber  den  indivi- 
duellen Besonderheiten  interessant  ist,  findet  sich  in  der  Zii- 
sammengehurigkeit  der  Lohnarbeiter  als  Boleher.  Gleichviel, 
was  der  Einzeln^^  arbeite,  ob  Kanonen  oder  Spielzeug,  die 
Normale  Thatsache,  dafs  er  überhaupt  für  Lohn  arbeitet, 
schliefst  ihn  mit  den  in  gleicher  Lage  befindlichen  zui^ammen; 
das  gleichmäfsige  Verhältnis  zum  Kapital  bildet  gewisser- 
malaen  den  EEponenten,  der  an  eo  yerM^hiedenartigen  Be» 
ikfttigungen  daa  Qleic]iarti|€  cieh  heraasdifforenneren 
and  eine  Vereinheitlichung  lur  alle  daran  Teilhabenden  schafit» 
Die  vnermefsliche  Bedeutung,  die  die  psychologische  Differen- 
lientng  dea  B^riffs  des  „Arbeiters*^  überhaupt  aus  dem  des 
Webers,  Maschinenbauers ,  Kohlcnhäuers  cte.  heraus  harte, 
wunle  schon  der  englischen  Reaktion  am  Anfang  dieses  .Jahr- 
hunderts klar:  durch  die  Corrosponding  Societics  Act  setzte 
sie  durch,  dafb  alle  schriftliche  Verbindung  der  Arbeitervereine 
untereinander  und  auläcrdeni  alle  Gesellschaften  verboten 
wurden,  welche  aus  verschiedenen  Branchen  zusammengesetzt 
waren.  Sie  war  eich  offmbar  bewufety  dafa,  wenn  die  Ver- 
iebneknng  der  allgemeinen  Form  des  ArbeiterrerhlltniMea 
mit  dem  speciellen  Fach  erat  einmal  geldat  sei,  wenn  die  ge- 
nossenschaftliche YereinigUDg  einer  Reihe  von  Brauche^  erat 
einmal  durch  gegenseitige  Paralysierung  des  Verschiedenen 
d«R  ihnen  allen  Gemeinsame  in  helle  Belenehtung  rllckte,  — 
cia£s  damit  die  Formel,  und  die  A^d«  eines  neuen  socialen 


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110 


Krttbes  eeachaffen  Mi,  detMO  VMilteii  n  tei  früheren  im* 
berechenbare  KampUkationeii  «geben  würde.  Nachdem  die 
Pifferenstenmg  der  Arbeit  ihre  Teraehiedenarttgen  Zweige  fd* 
schAffen.  1^  das  abßtr&ktere  Bewafstsein  wiMcr  eine  Linie 
hindurrn,  das  Gemeinsame  dimmr  in  einem  neuen  soeialen 
KmHc  BUBammetischHeiift.  Ein  ähnlicher,  lu  realen  koUektt- 
Tiatischen  Einrichtungen  Bihrender  Zusammensohlufs  schafft 
den  Kaufmanuaatand  als  solchen.  80  lange  die  Arbeitsteilung 
noch  nicht  aehr  vorgeschritten  ist,  sondern  eine  ganse  Anzam 
T«rwaiidler  Au£nb«i  vmi  dam  gieidMa  IMiWditvBi,  res^  dM 
riflklMn  Beroftkrain,  g<BlOat  wird,  als«  mnr  eioe  geringm 
ZaU  von  solchen  vorbaam  ist,  da  fiadeii  folgenreiche  p^m^ 
locische  VerschmelBan^en  leioht  naab  wmm  oehen  bia  statt, 
oder  vielmehr  eine  Einheit  von  Elementen,  die  von  dem 
Standpunkte  späterer  Differenziertheit  ala  Verschmelzung  W 
zeichnet  wird,  indes  nngenau,  da  dieser  Ausdruck  eine  vor- 
herige Getrenntheit  von  erst  spllter  mit  einander  verschmel- 
zenden Elementen  anzudeuten  ^heint  Erstens  ist  der  höhere 
Begriff,  der  einer  Anzahl  verschiedenartiger  Betliätigungen 

Bvflinaam  iat,  aoeb  aiabt  bfamtebend  vaa  diMon  in  ilu^ 
naelbeit  gamt,  um  gamaiaiaBM  Haadbnigaa  «ad  ISmiab* 
langen  hervorsomfeiL  80  war  es  8.B.  erst  Sache  dar  aava» 
•Im  Kaltor»  dafr  die  Fnnaa  sich  in  grolser  Aaaabl  inwniiiaB 
thaten,  vm  polttische  and  sociale  Rechte  in  awiugen  adar 
kollektive  Veranstaltnngen  zn  ökonomiBchen  Üntersttltzungs- 
und  anderen  Zwecken  zu  treffen^  die  nur  die  Frauen  als 
solch©  an^ngen;  wir  können  annehmen,  dafs  der  Allgeraein- 
begriff Frau  bis  dalün  für  jede  noch  zu  eng  mit  derjenigen 
Ausgebtaltung  desselben,  die  sie  selbst  darstelltü,  verbchmolzen 
war,  wofür  es  natürlich  keinen  Unterschitsd  macht,  ob  dia 
Losweung  diaaea  Allgemeinbegnft  dia  QaaUa  pnUaebar 
Oastahnngen  iaC  odar  uaMakabrl  lalaaia  Matiiaadigkailaa  aa 
jener  dribijgtaa.  Die  BatMHtoingen  der  FVauen  waren  aad 
aiad  abaa  iai  allgemei&en  noch  in  fthnliche,  als  daCs  ein  voa 
realem  und  praktischem  Inhalt  erftülter  AUcemeinbeffiiff  hätte 
entstehen  hönnen,  der  ja  überall  erst  dnrdb  verschieden- 
artige Einzelerscheinungen  zum  Bewurstsein  gebracht  wird; 

fäbe  es  nur  eine  einzige  Art  von  Bäumen,  so  würde  es  zur 
tfldungf  dt'8  Be^riffö  Baum  überhaupt  nivht  gekommen  sein, 
So  neigen  auch  Menschen,  die  in  sich  stark  differenziert, 
▼lalfiMh  ausgebfldet  and  betbfttigt  sind,  eher  zu  kosmopoliti- 
sehen  Empfimlnngen  and  Übeneaniigen ,  ab  afaaeitige  'Sm^ 
tnren,  denen  sidi  das  allgemein  Meaaebliehe  nur  in  clfaaar 
baaehränkten  Ausgestaltung  daiatallt,  da  sie  skb  in  andere 
FeisOnlichkeiton  nicht  biaainauversetBen  nnd  also  aar  Empfin- 
dung des  allen  Gemeinsamen  nicht  durchzudringen  vemOgen. 
Die  Normen  für  den  kaufmÄnni^ehen  Verkehr  werden  um  so 
reiner  von  den  spedeUan,  Bkt  einen  Zweig  erforderlichen  Be- 


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X  l. 


111 


sttimiiaiHpan  allgeltet,  in  )6  mehr  Zweige  die  wirtuduilttielie 

Produktion  au«eiiiaiidergeht ,  während  z.  B.  in  Indnstrie- 
sUdteo,  die  sich  wesentlich  auf  je  eine  Branche  beschriiikeny 
zu  beobachten  ist,  wie  sich  der  Begriff  des  Industriellen  noch 
weni^  von  dem  des  Eisen- ,  Textil- ,  Spielwaarenindustriellen 
losgelöst  bat  und  die  Usancen  auch  des  anderweitigen,  des 
industriellen  Verkehrs  Oberhaupt  ihren  Charakter  von  der 
das  BewuTstsein  bauptsächlicb  nkllenden  Branche  entiehnen. 
Dabei  stellen  sich,  wie  angedeutet,  die  praktischen  Konse- 
«vonen  einer  HeMHwlHldttnff  liOhefer  AllgemeinlieilMi  nicht 
immer  duonologisch  als  sowbe  dar,  sondern  büden  weebsel- 
wirkend  auch  hftofig  die  Anregung  ^  die  das  Bewnfeliein  der' 
socialen  Gemeinsamkeit  her^ormliBn  hilft.  So  wird  i.  B.  dem 
Handwerkerstand  seine  Znaammengehörigkeit  durch  das  Lehr- 
Hngswesen  nahe  gelegt;  wenn  durch  tiberraftfsige  Verwendung 
von  Lehrlingen  die  Arbeit  verbilligt  und  verschlechtert  wird, 
so  würde  die  Eindämmung  diese«  Übel»  in  einem  Fache  nur 
bewirken ,  dafs  die  aua  ihm  herausgedrängten  Lehrlinge  ein 
anderes  überschwemmten,  sodal's  also  nur  eine  gemeinsame 
Aktion  helfen  kann,  —  eine  Folge ,  die  natürlich  nur  durch 
die  Mamrieiifidtigkett  der  Handwerke  ml^gfieh  ist,  aber  die 
Bialiail  aller  dieier  Aber  ibre  epeeifiaeken  Diflbrenien  hYnant 
Mm  Bewofstsein  bringen  muTs. 

Bewirkt  die  Differennemng  hier  die  Heraoagliedening 
des  superordinierten  Kreises  aus  dem  individuelleren,  in  dem 
er  vorher  nur  latent  lag,  so  hat  sie  nun  zweitens  auch  mehr 
koordinierte  Kreise  von  einander  zu  lösen.  Die  Zunft  z.  B. 
übte  eine  Aufsicht  über  die  ganze  Persönlichkeit  in  dem  Sinne, 
dafs  das  Interesse  des  Handwerks  deren  ganzes  Thun  zu  re- 
fiUieren  hatte.  Der  in  die  Lehrliogsschaft  bei  einem  Meister 
Aa%enoinBieoe  wnde  dadun^  zugleich  ein  Mi^ed  aeitter 
FloBiüd  IL  8.  w.;  kniii  die  faehmtfrige Bcechaftignng  lentraB* 
aierle  daa  ganae  Leben,  das  politiacne  nnd  das  Heraensleben 
oft  mit  eingeseUossen ,  in  der  energischsten  Weiseb  Von  den 
Momenten,  die  aar  Auflösung  dieser  VerBchmelaun|;en  führten, 
kommt  hier  das  in  der  Arbeitsteilung  li^ende  in  Betracht, 
In  jedem  Mensclien,  dessen  mannichfaltige  Lebensinhalte  von 
einem  Interessenkreise  aus  gelenkt  werden,  wird  die  Kraft 
dieses  letzteren  in  demselben  Mafse  abnehmen,  als  er  in  sich 
an  Umfang  verliert  Die  Enge  des  j^i  wuTstsein»  bewirkt,  dafs 
eine  Tielgliederige  Beschäftigung,  eine  Mannichialtigkeit  au  ihr 
ffehdrurer  VewteHnngen  aiMsb  die  übrige  Voratelran^nrelt  in 
imn  Bann  stellt  Saeldiche  Beaiebnngen  awiseben  dieaer  nnd 
jenor  brauchen  dabei  gar  nicht  zu  bestehen;  durch  die  Kotr 
irandirtiit,  bei  einer  nicht  arbeitageteilten  Beschilftigune'  die 
Vortttthmgen  relativ  schnell  an  wechseln,  wird  ein  solches 
lia(s  von  psychischer  Energie  verbraucht,  dafs  die  Bebauunt^ 
andmr  Interessen  darunter  leidet  and  nun  die  so  geschwächten 


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112 


1UB  80  eher  in  associative  oder  sonstige  Abhängigkeit  von 
jenem  zentralen  Vorstellungskreise  geraten.  Ein  Mensch,  den 
eine  grofse  Leidenschaft  erfüllt,  setzt  auch  da»  Entfernteste, 
jeder  inhaltlichen  Berührung  mit  jener  Entbehrende,  das  durch 
sein  Bewufstsein  geht,  mit  ihr  in  irgendwelche  Verbindung. 
Sein  ganzes  Seelenleben  empi^ngt  von  ihr  aus  gein  Licht  und 
leinen  Schaltmi;  nnd  eine  entqneelMnde  psjcliiaelie  Binheit 
wird  jeder  Bernf  bewirlum,  der  für  die  aonstigen  Lebens- 
bezieliungen  nur  ein  relativ  geringes  Quantum  von  BewuCil* 
sein  übrig  UUst.  Hier  Uefijt  eine  dor  wichtigsten  inneren 
Folgen  der  Arbeitsteilung;  sie  grUndet  sich  auf  die  erwähnte 
psychologiflche  Thatsache,  dafs  in  einer  gegebenen  Zeit,  alles 
Übrige  gleichgesetzt,  um  so  mehr  VorHtellung«kraft  aufgewandt 
wird ,  je  häutiger  das  Bewurstsein  von  einer  Vorstellung  zur 
andern  wechseln  mnfs.  Und  dieser  Wechsel  der  Vorstellungen 
hat  die  gleiche  Folge,  wie  in  dem  Falle  der  Leidenschaft  ihre 
Intensität.  Deshalb  wird  eine  nicht  arbeitsgetcilte  Beschäfti- 
gung, wiedenun  aUet  Übrige  gleichgeMtst,  dier  nie  «ne  lelir 
•penalieierfte  sn  einer  sentralen,  lulee  Übrige  in  sieh  ein- 
■engenden  Stellung  in  dem  Lebenslmofe  eines  Menichen  kom- 
men, und  zwar  insbesondere  in  Ferioden,  in  denen  es  in  den 
Übrigen  Lebensbesiehnagen  neeh  an  der  Buntheit  und  den 
wechselvollen  Anre^ngen  der  modernen  Zeit  fehlte.  Und  in 
dem  Malse,  in  dem  die  einseitigere  und  deshalb  mehr  mecha- 
nische Beschäftigung  jenen  annern  Beziehungen  mehr  Kaum 
im  Bewufstsein  gestattet,  mufn  auch  deren  Wert  und  Selb- 
ständigkeit wachsen.  Diese  koordinierende  Sonderung  der 
Interessen,  die  vorher  in  ein  zentrales  eingeschmolzen  waren, 
wird  auch  noch  durch  eine  andere  Folge  der  Aibeitolailung 

SBfbrdert,  die  mit  der  oben  besprochenen  LOtnng  dea  höheren 
ooialbegriflb  ana  den  specielter  bestimmlen  fieiaen  heraus 
zusammenhängt  Associationen  zwischen  zentralen  und  peri- 
pheren Vorstcflungen  und  Interessenkreisen,  die  sich  aus  nlofs 
psychologiseh^n  und  historischen  Ursachen  gebildet  haben, 
werden  meist  so  lange  für  suclilich  notwendig  gehalten,  bis 
die  Erfahrung  uns  Persönlichkeiten  zeigt,  die  ebendasselbe 
Zentrum  bei  ganz  anderer  Peripherie  oder  eine  gleiche  Pe- 
ripherie bei  anderem  Zentrum  aufweisen.  Wenn  also  die 
Berufsangehörigkeit  die  Übrigen  Lebensinteresaen  tod  sich 
abhängig  machte,  so  miifste  sich  diese  Abhängigkttt  mit  der 
Zunahme  der  BeschiLftigungszweiffe  lod^ern,  ^'^^^h 
Verschiedenheit  die^^er,  yieierlei  Gleichheiten  in  auen  übrigen 
Literessen  an  den  Tag  traten.  So  gewinnen  wir  auch  in  den 
feinsten  Beziehungen  des  Seelenlebens  manche  innere  und 
äufsere  Freiheit,  wenn  wir  ein  sittlich  nötip^cs  Handeln  und 
Fühlen  bei  Andern  von  ganz  anderon  Vorbedingungen  ab- 
hängig sehen,  als  sie  bei  uns  mit  jenem  verbunden  waren; 
dies  gilt  z.  B.  in  hohem  Mafse  von  den  ethischen  Beziehungen 


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113 


der  ReU^oD;  ao  welche  letetere  sich  manche  Menschen  im- 
helb  gebunden  lUhlen,  weil  alte  psychologische  Ciewohnlieit 
ihre  sittlichen  Impulse  stets  an  religiöse  knüpfte;  da  bringt 
denn  erst  die  Erfahrung,  dafs  auch  rdigifts  ^anz  anders  ge- 
sinntr^  Menschen  in  ganz  örleichttin  Malae  sittlich  -sind,  die  Be- 
freiung von  jener  Zentralisierung  des  ethischen  Lebens  und 
die  Versolbötamliguug  du^^  letzteren  mit  sich.  So  muißte  die 
wachsende  Differenzierung  der  Berufe  dem  Individuum  zeigen^ 
wie  die  ganz  gleiche  Sichtung  anderweitiger  Lebeiiainlialte 
mit  difeenten  Berufen  ▼erknilpft  «ein  kann  und  also  vom 
Beruf  überhauDt  in  erheblicherem  Mafte  nnaUhlnng  sein  mula. 
Und  m  deraelben  Folffe  führt  die  gleichfalb  mt  der  Kultur- 
bf^w^ung  vorschreitende  Diflerenzierung  jener  anderen  Lebens- 
inhalte. Die  Vecschiedeubei!  des  Bf^nif;^  bei  Gleichheit  di^r 
übrigen  Interessen  und  die  Verschiedenheit  dieser  bei  iiieich- 
heit  des  Berufs  rouüite  in  gleicher  Weise  zu  der  psychologi- 
sciieii  und  realen  Loslöj^ung  des  einen  vom  andern  tühmn. 
Sehen  wir  auf  den  FortBchritt  von  der  Difieceniierang  und 
Zuamminikming  naeh  Sul<erliclien  ichematiaehen  Geiidila* 
pmktan  nu  der  naeb  flaehHchw  ZikaammenffehOng^eity  ao  neigt 
sich  data  eine  entschiedene  Analogie  anf  theoreliacbem  Ge- 
biet: man  glaubte  frtlher  durch  das  ZusamraMdGitösen  grttfoerer 
Gruppen  der  Lebewesen  nach  den  Symptomen  Snfsörer  Ver- 
wand tschalt  die  haupts-ieWiehen  Aufjg^ben  des  F'rkennens 
jenen  gegenüber  lösen  zu  können:  aber  eu  ti eierer  und  rich- 
tigerer Einsicht  gelangte  man  doch  erst  «iadurch,  dafs  man 
an  scheinbai  sehr  veischiedenen  Wesen,  die  man  unter  eiit- 
ipmliend  vevBcbiedene  Artb^riüe  gebracht  hatre,  morpho- 
(ogiiebe  und  phjsioIogMche  Gleichheiten  entdeckte  und  ao 
zu  Gesetzen  dei  oiganiacben  Lebens  kam,  die  an  weit  von 
etBaoder  abatehenden  Punkten  der  Reihe  der  organischen 
Wesen  realisiert  waren  und  deren  Erkenntnis  eine  Vereinheit- 
lichung dessen  zuw^^^p  brachte,  was  man  friih<*r  Murserb'nhen 
Kritencri  nach  in  Artbc^-riffe  von  vöilig  fik/lbsLIiidi^rfT  (jen^siB 
▼erteilt  hatte  Auch  liier  bezeichnet  die  Vereinigung  des 
sachlich  Homogenen  aus  lieterogenen  Kreisen  die  höhere  Ent- 
wickiaogsstufe.  ; 

Wenn  «o  der  SHeg  des  mtioBal  »achlichen  Prinzips  Ober 
daa  ohefflneklieh  acbematisehe  mit  dem  allgemeinen  Xnltor- 
lertaeluritt  Hand  in  Hand  geht,  so  kann  dieaer  Zusammenhang, 
da  er  kein  apriorischer  ist,  doch  unter  Umständen  durch- 
reifscn  Die  »Solidarität  der  Familie  erscheint  zwar  gegenüber 
6eT  VerbinduTif^  nafh  ^f^rhlich»»n  Gesichtspunkten  als  ein 
mechanisch  H,uiaerlR  h^^^  Priüjsip.  andererseits  dennoch  als  ein 
sachlich  iaegründetey .  wenn  man  es  gegenüber  einer  rein  nu 
menschen  Einteilung  betrachtet,  wie  sKi  die  Zehntschaften 
und  Hundertsdiaften  im  alten  Peru,  in  China  und  in  einem 
|Nb0n  Teile  des  alteren  Europa  zeigen.   Während  die  social- 


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lU  X  L 


EinKettlichkeit  der  FainiHe  and  ihre  Haftbarkeit 
all  Ganaat  fiir  jedes  Mitglied  einan  guten  Sinn  liat  und  um 
80  rationier  erscheint,  je  mehr  man  die  Wirkungen  der  Ver- 
erbung einsehen  lernt,  entbehrt  tlie  ZusammenachweifuuDg 
einer  stets  gleichen  Zahl  vcm  Männeni  zu  einer  —  in  Bezug 
Auf  Gliederung,  Militärpflicht,  Besteuerung j  kriminelle  Ver- 
antwortung u.  8.  w.  —  als  Einheit  behandelten  Gruppe  gans 
einer  rationalen  Wunel,  und  trotzdem  tritt  sie^  wo  wir  sie 
▼erfolgen  kiBmieii,  als  Efaata  d«i  SippschalUprinsipes  tai  uid 
diant  einer  hdlieran  Kultntatala.  Die  Rachtnrtigung  aoch  ülr 
sie  liegt  nicht  in  dem  terminus  a  <juo  —  in  Hinaidit  dieses 
tibartriffi  das  Familienprinsip  ab  Diffsrensierongi-  nnd  Inle' 
grierungsgrund  jedes  andere  — y  sondern  im  terminus  ad  quem ; 
dem  höheren  staatlichen  Zweck  ist  diese,  gerade  wegen  ihres 
Bchematischen  Charakters  leicht  üborschauoare  und  leicht  zu 
organisierende  Einteilung  offenbar  günstiger  als  jene  &Uere. 
Es  tritt  hier  eine  eigenartige  Erscheinung  des  Kulturlebens 
ein:  dafs  siuiivolle,  tief  beoeutsamo  Einrichtungen  uud  Ver- 
kehningswdiaii  Ton  lolclian  Terdringt  werden,  die  an  und 
fiir  sic£  ▼oQlg  meehaniadi,  ftnfiieriieh,  geistlos  erackainen; 
nur  der  höhere,  Uber  jene  frühere  Stufe  hinaoaliciganda  Zmtk 
giebt  ihrem  Zusammenwirken  oder  ihrem  spftteren  Retsultat 
eine  geistige  Bedeutung,  die  jedes  einzelne  Element  ftlr  sich 
enthenren  mufs;  diesen  Charaktt  r  trftgt  der  moderne  Soldat 
gegenüber  dem  Ritter  de«  Mittelalters,  die  Maschinenarbeit 
gegenüber  dir  Handarbeit,  die  neuzeitliche  üniformität  und 
Nivellierung  so  vieler  Leben s bezieh ungen,  die  früher  der  freien 
individuellen  Seibst^eataltung  überlassen  waren ;  jetzt  ist  einer- 
«ailB  das  Qalriaba  m  grofs  und  zu  komplisiart|  um  in  jedem 
seiner  Elemento  aoausagen  einen  ganzen  Gedanken  anm  Ana- 
druck zu  bringen;  jedes  dieser  kann  vielmehr  nur  einen 
madianischen  und  für  sich  badantnngalAsan  Cluurakter  haben 
nnd  erst  als  Glied  eines  Ganzen  seinen  Teil  zur  Realisierung 
eines  Gedankens  beitragen ;  anderert<e!t'<  wirkt  vielfach  eine 
Differenzierung,  die  dan  ^'ristige  Element  der  Thätigkeit 
herauslöst,  sodais  das  Mechanische  und  das  Geistige  gesonderte 
Existenz  erhalten,  wie  z.  B.  die  Arbeiterin  an  aer  Stick- 
maschine eine  viel  geistlosere  Thätigkeit  übt,  als  die  ätickenn, 
während  der  Geist  dieser  Thftti^keit  sozusagen  an  die  Ma- 
aohina  tlber^egangeu  ist,  sich  in  ihr  objalraTiart  bat  So 
können  sociale  Einrichtungen,  Abstufungen,  Znsammena^lllaaa 
mechanischer  und  iafaeriicher  werden  und  doch  dem  Rultur- 
fbrtsohritt  dienen,  wenn  ein  höherer  SociaLsweck  auftaucht^ 
dem  sie  sich  einfach  unterzuordnen  haben  und  der  nicht  mehr 
gestattet,  dafs  sie  für  sieh  den  Geist  und  Sinn  bewahren,  mit 
üem  ein  früherer  Zustand  die  teleologische  Reihe  abschlofs; 
und  so  erklärt  sich  fener  tTbergang  den  %Sippichaftsprinzip8 
für  die  sociale  Einteilung  zum  Zehutschaftspnnzip ,  obgleich 


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X  L  IIS 

die«^  ihatsächlicb  ala  eine  Vereioiffiixig  de«  sachlich  Hetero- 
entgegen  dar  MtttilidMD  BooiogMMitlt  der  Faiiulie 


Ferner:  in  primitiv«!  QeMUichallaii  «od  aAmentUoh  in 
diiijenigai^  die  dmb  Voreinigiing  elementarer,  in  sioh  tdiMi 

geMhlossener  Grappmi  gebildet  werden,  wird  der  AnflAhrer 
zimftchst  f^r  den  Krieg,  dftnn  aber  ancb  ftU*  dauernde  Herr- 
schaft sehr  häufig  durch  Wahl  berufen;  seine  VorsUge  be- 
wirken, daTs  ihm  die  Würde  spontan  Öbertragen  wird,  die  er 
an  andern  StelleQ  durch  eben  diese  Vonflge  rermdge  Usur- 
pation erluigty  die  aber  hier  wie  dort  spätestens  mit  seinem 
TodedMwt  erfiaebl  däb  wm  imid  oiMaadM  tecb  äkii* 
mm  Ventee  quaTifiiierle  PenaaKollMH  a«f  ä  eise  od« 
die  andere  Weise  sich  des  Priniipaii  Venlohtigt  Bar  sociale 
ArtMbritt  indes  heflet  siek  gerade  an  das  DoxekhNelieB  dm 
CB  die  Vorsüge  der  Person  geknöpften  Ver&hren«  nnd  alt 
die  Aufrichtung"  erblicher  FUrstenwürde;  obschon  da«  ver- 

fieichswei^  mocKaaische  und  äuf verliehe  Prinsip  der  Erblich- 
eit  Kinder,  Schwachsinnige,  in  jeder  Bexiehung  ungeeignete 
PenH^nlichkeitoa  auf  den  Thron  bringti  so  überwiegt  die  Yon 
ÜHB  aMMkeade  Siekorkait  «nd  KontfaivHlt  der  Staatsentwusk- 
hang  dock  alle  Voitefle  dea  nHoDderen  Priniins,  naek  don 
di«  pantaUekaa  E%ensdiaften  Uber  den  Besits  aar  Hemduift 
entscheiden.  Wenn  die  Eeihe  der  Herrscher  statt  durok  sach- 
liche Auslese  durch  den  äuiseren  Zufall  der  Geburt  bestimmt 
wird  nnd  dies  dennoch  dem  Kulturfortschrttt  ffQnstig"  ist,  so 
kann  man  nnr  insofern  sagen,  daf»  diese  Ausnidime  die  Regel 
bestätigt,  als  sie  zeigt,  dafs  auch  dieue  sich  selbst  unterffo- 
ordnet  ist,  d.  h.,  daf«  auch  nicht  einmal  bie,  nicht  einmal  die 
Verwerfung  des  kaiserlich  Schematisehen  durch  das  ionerlich 
Balioiiale  iknneiti  wieder  aa  emor  sckematiseken  ISmm 
werden  dart  ünd  endlich  sei  daftr  daa  nenliek  analofa 
Verhalten  an^;efhhrt,  das  der  Monogamie  ihren  VorMig  Tor 
der  Promiskoität  der  Geschlechta*  verschafft  hat  Ist  es  näm- 
lich die  Kraft,  Gesundheit  und  Schönheit  der  El^m»  die  die 
gW^sste  W  ahncheinlichkcit  für  eine  tüchtige  Nachkommenschaft 
gewährt,  m  wird  eine  Depravierung  der  Gattung  da  su  er- 
warten sein,  wo  auch  ihren  gealterton  und  herabgekommenen 
Mitgliedem  die  Gelegenheit  «ir  Fortpflanzung  gesichert  bleibt 
Dioa  aber  ist  gendo  m  der  labanehmgKobiin  £ke  der  Falk 
Wflrde  naek  jedeenallmn  BVoekÜHringen  einer  Vereinigung 
jeder  Teil  70n  nea€m  das  aktive  und  paeei^  Waklrecht  dem 
andern  Geschleckte  gegenflber  haben,  so  wttrden  diejenigen 
Exemplare,  die  inzwischen  ihre  Gesundheit,  ihre  Kraft  und 
ihre  Kelze  verloren  haben ,  nicht  mehr  zur  Zengting  £uge- 
lasseo  werden ,  und  es  würe  aufserdera  die  grofsere  Wahr- 
scheinUchkeit  gegeben,  dnfs  die  wirklich  ku  einander  passenden 
Individuen   eich  sudammeuikudcn.     Dieser,    die  rationalen 

8* 


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UO  X  1. 

Gründe  wi«  den  rstioDilai  Zweck  der  geeohlechtlichen  Ver- 

dnfgung  stets  von  neaem  berücksichtigenden  Erneuerung  der 
Auswam  eteht  die  unveibrUchliche  Deuci^der  ehelichen  Ver- 
bindung, ihre  Fortsetzung  über  das  völlige  Erloschen  der 
einstmalB  (\\t  sie  beetimraenflen  Gründe  hinaus  —  auch  dannj 
weini  diese»  Erlöschen  nur  das  vorliegende  Verhältnis  triff^ 
während  eine  Venniöchunjs:  jedes  Teils  mit  irgendeinem  an- 
dern noch  durchaus  ratioiiui  wäre,  —  als  ein  gewissermafsen 
ttufseriiches  und  mechanisches  Verfahren  g^enüber.  Wie  die 
Erblicbkeit  des  Prinin|patB  statt  der  ErUmgung  deseelben  auf 
Grund  persOnlidier  BSgenschaftcn  einen  schematischen  Ohar 
rakter  trägt,  gerade  so  bannt  die  lebenslängliche  Ehe  die  ganze 
Zukunft  eines  Paares  in  das  Schema  eines  Verhältnisses,  das, 
ftir  einen  geg:eber)eii  Zeitpunkt  zwar  der  adäquate  Ausdruck 
seiner  innerlichen  BeziehuiiL^cn,  dennoch  die  Möglichkeit  einer 
Variierung  abschneidet,  die  dw  Geöamtheit  im  Intero.'^se  einer 
tnch tigeren  Nachkommenschaft  seheint  wünschen  zu  sollen, 
wie  sie  dies  in  dem  volkstümlichen  Glauben  aasdrückt,  dafs 
nndiellehe  Kinder  die  tllchti|^eren  und  begabteren  seien.  Wie 
aber  in  ienem  Falle  die  StabÜitKt  durch  ihre  sekundHren 
Folgen  ade  Vorteile  einer  aus  sachlichen  Momenten  erfolgenden 
Beetimmung  weit  ttberholt,  so  schafft  auch  der  äuJserlich 
fixierte  Übergang,  gleichnam  die  Veierbung  der  Form  einer 
Lebensepoche  auf  die  andere,  f^r  das  Verhältnis  der  Ge- 
schlechter einen  Segen,  der  keiner  Auseinandersetzung  bedarf 
und  filr  die  Gattung  allen  Vörteil  tibertrifft,  der  aus  der  fort- 
geactzteu  Differenzierung  eingc^augener  Verbindungen  ge- 
sogen weiden  könnte.  Hier  wttrae  also  die  Znsanunenfiigung 
des  eigeniÜcb  Zusammengehörigen  aus  froherem  heterogenem 
Zosammenschlttfii  nicht  kuhorfilrdemd  wii^en. 


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VI. 


Die  Differenzier uDg  und  das  Prinzip  der  Eraift- 

ersparnis. 


Alli?  aafeteigende  Entwirklung  iii  der  Reihe  der  Or- 
ganismen kann  betrachtet  wertieii  als  beherrscht  von  der  Ten- 
denz zur  Krafterspamis.  Das  entwickeltere  ^^^e8en  unter- 
scheidet sich  von  dem  niedrigeren  so,  dafs  es  zunächst  die 
flohen  Fiiiiktion0a  wm  diese«,  anfiMrdom  aber  noeh  «ädere 
emsattbeD  mistaiide  iet  Das  wird  aUerdinca  io  nMich  aeiii» 
dafs  diesem  Wesen  ausgiebigere  Kraftquellen  aar  -  Verfllginig 
alahen.  Diese  indes  als  gleich  gesetzt,  wird  es  daa  Plus  an 
ZweckthKtigkeit  dadiircli  erreichen,  dafs  es  die  niederen 
Funktionen  mit  einem  ^^en  ngeren  Aufwand  v^on  Kraft  voll- 
bringen und  auf  diese  \V<  i.se  tilr  die  darüber  hinausgehenden 
Kralt  gewinnen  kann;  Kräfte reparnis  ist  die  Vorbodinguag 
dei'  Kraftausgabe.  Jedes  Wesen  ist  in  dem  i^laise  vollkom- 
mener, hl  dem  ea  den  gleielien  Zweck  mit  einem  kleineren 
Kraftqnaatom  erreieht  AUe  Kidtmr  ffeht  nteht  nur  daliin, 
immer  mehr  Kiifte  der  untennenaemichen  Natur  unsem 
Zwecken  dienstbar  zu  macheiif  aondem  auch  jeden  dieser  lets- 
teren  auf  immer  kraftsparend  crem  Wege  durchzusetzen. 


E«  sind,  wie  ich  glaube,  dreierlei  Hindernisse  der  Zweck-  ' 
thätigkeit^  in  deren  Venueidung  die  Krafternpaniis  besteht: 
die  Reibung,  der  Hinweg  und  die  tiberflüssige  K  i  ^rdination 
dt:r  Mittel.  \\  der  Umweg  iiu  Nacheinander  iät,  rias  ist  die 
letetere  im  Nebeneinander;  wenn  ich  zur  Erreichung  eines 
Zweckes  eine  unmittelbare,  darauf  fahrende  Bewegung 
wirken  konnte^  atatt  dessen  aber  eine  abseits  gelegene  einleite^ 
welche  erst  ihrerseits  und  vielleicht  erst  durch  Erregung  einer 
dritten  jene  direkt  zweckmäCsige  anregt,  so  ist  dies,  auf  die 
Zeit  nbertragen,  wie  wenn  ich  neben  der  einen  aum  Zweck 


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118 


hinreichenden  Bewegung  noch  eine  Reihe  anderer  auflftlkre  — 
»ei  66,  weil  sie  mit  jener  aasociiert  und^  obgleich  augenblicklich 
tlberflttMig,  nicht  von  ihr  zu  trennen  sind,  sei  es,  dafs  ^ie 
thatsächlich  dem  gleichen  Zwecke  dienen,  der  aber  durch  eine 
einsiM  Ton  ihnen  hinreichend  realiaiert  wird« 

tkf  efolatkmMadie  Vorlea  der  Düfemuiening  lllat  dek 
mm  alt  Kraftertpamw  tut  nadi  aOoi  hier  aogeieigten  Rieh- 
timgeii  «mdeaten.  Ich  g«]i6  imlelist  von  emem  nicht  un- 
mittelbar eoctalen  CMiete  «la.  In  der  Sprachentwidtoi^ 
hat  die  rHffcrenzienmg  dahin  gefbbrt,  dafs  aus  den  wenigen 
Vokalen  d«r  ältcmi  SJor  w  i.r.T>  eine  mannigfaltige  Reihe  der- 
selben  in  den  neueren  auttrat.  Jene  früheren  Vokale  weisea 
•charfe  und  grelle  Lautnnterschiede  aui,  während  die  neueren 
Yermittelungen  und  Schattierangen  zwischen  ihnen  stiften^ 
iie  glm<disam  in  TeUe  spalten  und  diese  Teile  mannigfaltig 
■Brnnrnwiftlgwi.  Mmi  kal  diai  «oU  fiGlit%  ao  cadklirt»  dnS 
m  eine  Srittolitonm^  der  Arbeit  fOf  die  Smeboigane  mit 
aieh  l»rielite;  jenea  leichtere  GHleo  der  Sprache  dvidi  MieelK 
hnte^  durch  wuentMsluedene  und  biegnme  Schattierungen  wir 
eine  Krafterspamis  gegenüber  dem  onTenntttelten  ^iringen 
awitchen  scharf  von  einander  abstehenden ,  jedes  Mal  eine 
▼OlUg  anders  gerichtete  Innervation  fordernden  Vokalen.  Viel- 
leicht ist  nun  auch  rein  geistig  die  Verflflfisigung  der  scharfen 
BegriAgrenzen,  wie  sie  aus  der  En t\vi<  klnnErf lehre  und  der 
moniatiechen  WelUnschauung  Uberb«upi  nervorgeai,  eine  £r> 
qMurnii  Ton  Denkarbeit,  insofern  daa  Vomtellen  der  Welt  nm 
•e  |pr5fMM  Anstrengung  fordert,  je  heterogener  ihie  Teile 
•ina,  je  weniger  daa  ]>enkeD  des  einen  dmdb«!  inhaltUek 
mit  dem  des  andern  vermitteit  iit  Wie  eine  kompUmertere^ 
kirnftverbranehefideve  Gksetzgehung  da  nOtig  ist»  wo  die 
Klassen  der  Gruppe  dtirch  T)f'fonncre  Kechtc  oder  Formen 
der  rechtlichen  Verhältnisse  von  einander  getrennt  sind ;  wie 
tUi8  denkende  Umfassen  der  letzteren  sich  erleichtert  ,  wenn 
die  Schroffheit  absoluter  rechtlicher  Unterschiede  sich  in  dio- 
ienigen  fließenden  Differenzen  auflöst,  die  bei  gans  einheit* 
lielier  und  f)lr  alle  Reicher  Geeetsgebung  noch  w^n  des 
Cmueckiedei  dea  BentM  und  der  gesellaehalUicben  FoiitioQ 
beetehan  Ueibeii:  so  wiid  TieOeiekt  jede  psyckiieke  Arbeit 
in  dem  ilaPBe  erleichtert^  in  dem  die  Sturneit  streng  b^ 
grenzter  Begriff<^  Hieb  zu  Vennittelungen  und  Überg&ngen 
verflüssigt  Als  Differenziening  ist  dies  insofern  aofzufiMsen^ 
als  so  das  Band,  welches  eine  groTse  Anzahl  von  Individuen 
schematisch  ausammengetalBt  hat,  durchgeschnitten  wnrd  und 
statt  der  gleichen  Kolteküveigensch&ften  die  Individualität  des 
Wesens  den  Inhalt  seincü  Vurgestelltwerdens  ausmacht  Wahrend 
jene  scharf  begrenzten,  begrifflichen  Zusammeofa^ungen  immer 
snbjaktiven  Cmanktar  Ingen  —  alle  Sjntheaia.  so  df«eki 
Knot  dies  enek5plcod  ans,  kann  niekt  in  den  Dingen,  len- 


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110 


dem  nur  im  Geiste  liegen  — ,  zeigt  das  Zurückgehen  anf  den 
Einzelnen  in  seiner  Einzelheit  r^istische  Tendenz;  und  die 
Wirklichkeit  iat  unfern  Be^^ffen  gegenüber  immer  rermit- 
lebid,  immer  ein  Kompromif«  xwischen  dieseni  weil  sie  nur 
tafmiiüf;eUlele  imd  in  nneerem  Koiile  vetnIbeMtadigte  Seiten 
dar  Wirididikeil  sind,  die  an  neh  dieee  mit  yielen  anderen 
rerachmolzen  enthftlt  Daher  ist  die  Differenz!  eruns,  die 
scheinbar  ein  trennendes  Prinsip  ist,  doch  in  Wirklichkeit  ao 
oft  ein  versöhnendes  and  annäherndes  und  eben  dadurch  ein 
kraftsparendes  für  den  Geist ,  der  theoretisch  oder  praktisch 
damit  operiert 

Die  DiÜerenzierung  zeigt  hier  wieder  ihr  Verhältnis  zum 
lioniamos;  sobald  die  scharf  abgrenzende  Zusammenfassung 
Ol  einlebe  Gruppen  und  Bwiffi  entliMy  nm  zugleich  mit 
der  indiTidnilieiening  enek  Vermttteltmg  und  Alfanäbliclikeit 
der  Übergflnge  eintreten  zu  lassen,  stellt  sich  eine  zussrnmcn- 
hingende  Reihe  kleinster  Unterschiede  und  damit  die  Fülle 
der  Erscheinungen  rU  einheitliches  Ganzes  dar.  Aller  Mo- 
nismus ist  nun  aber  8einer«eits  als  <ienkkraftsparendes  l'rinzip 
angesprochen  worden.  Gewifs  mit  vielem  Recht;  ob  mit  be- 
dingungslosem und  8o  unmittelbarem,  wie  e«  den  Ansehein 
hat,  möchte  ich  denuoch  bezweifelu.  VV  cnn  sich  die  monisti- 
aAm  AmAtamag  dm  Dinse  mck  enger  an  die  Wirklichkeit 
aaeehUelet,  alt  etira  daa  Ilogma  der  geänderten  ScbOpfonge- 
akte  und  ihre  eitamtnistheoretischen  Pendants,  so  bedarf 
doch  aack  ne  einer  äTnthetiaelien  Thfttigkeit  und  awar  viel- 
leicht einer  umfassenaeren  und  anstrengenderen,  als  wenn 
man  sich  begnügt,  beliebig"  viele  Reihen  von  Erscheinungen, 
je  nachdem  einem  gerade  Ähnlichkeiten  unter  ihnen  auffallen, 
als  genetisch  zusammengehörige  an T^TJsehen ;  es  erfordert  wohl 
ein  höheres  Denken,  die  Gesamtheit  der  physikalischen  Be- 
wegungen aus  einer  einheitUohen  Ejraftqaelle  und  ihren  in- 
eiaiandcr  ttbemhenden  Ümaelm^  in  besreileo»  als  lUr  jede 
▼wachiedeiie  Icracheinung  aneli  eine  ireraoniedene  Ursache  an 
kOBstitaieren :  fUr  die  Wirme  eine  besondere  WArmekraft,  (fOar 
das  Leben  eine  besondere  Lebenskraft,  oder,  mit  jener  typi- 
sehen  Übertreibung,  f\ir  das  Opiiun  eine  beisondere  vis  dor- 
mitiva.  Es  ist  wohl  endlich  8chwieriger,  das  Leben  der  Seele 
als  jene«  einheiüiche  Ganze  zu  erkennen,  wie  es  sich  bei  der 
Auflösung  in  die  Prozesse  zwischen  den  einzelnen  Vorätellun- 
gen  darbietet,  als  wenn  man  mit  gesonderten  Seelen  vermögen 
reebnet  und  die  Beprodaktion  aer  Vonlelliingen  ans  dem 
«Gadldktaia*  oder  dte  FRbigkeit  dea  SeUMena  ana  der  .Ter- 
mnft'  erklärt  glaubt. 

Wo  freilich  der  Ifontsmns  der  Anacbannngsweise  nieht 
die  Differenzierung  und  Individualisierung  ihrer  Inhalte  zum 
Korrelat  hat,  da  ist  er  vielfach  kraftsparend ,  aliein  nicht  im 
äinne  der  anderweitig  and  im  ganzen  erliöhten  Thfttigkeit, 


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180 


X  1. 


sondern  im  Sinne  iler  Trägheit.  So  ist  es,  um  auf  dieoreti- 
acihem  Gebiete  zu  bleiben,  Keineswegs  immer  eine  SCikrke  dee 
Denkenty  weMie  na  m  hoben  und  nllgememen  Abstraktionen 
•ofrleig^ty  wie  es  k.  B.  die  Indische  Brahmaidee  ist,  vielmdir 
olt  eino  Schlnffheit  and  WiderstandRlosigkeit,  die  vor  der 
scharfkantigen,  greifen  Wirklichkeit  der  Dingre  flieht,*  nicht 
imstande,  mit  den  PJlth sein  der  TTifüvMitaljtöt  fertig  kh  werden, 
imd  nun  immer  höher  und  hoher  petrit^ben  wird  bis  zu  der 
metaphj'eischen  Idee  des  Ali  -  Einen,  bei  der  überhaupt  jedes 
bestimmte  Denken  aufhört.  Statt  in  den  dunklen  Bergwerke- 
Schacht  der  Einzelheiten  der  Welt  hinabzusteigen,  aus  dem 
•IMn  iloh  dna  Qold  walirer  and  g«reckl6r  fiikeniitnu  Kennte* 
holen-  lllfst,  ttberspringt  eine  beqaemere,  knftlosm  Dwiknrt 
ehifach  die  Gegens&tse  des  Seins,  die  hiq  vielmehr  zu  ver- 
einigen streben  sollte,  und  badet  sieh  im  Aether  dee  idl-einen 
und  all-guten  Prinzips.  Wo  nun  aber,  wie  in  den  vorher  .in- 
geführten  Fällen,  der  auf  Grund  von  DifiTcrenj^ierung  sieh  't- 
hebende  Monismus  mehr  Kraft  verbraucht,  als  die  pinralistischo 
Denkart,  ist  dies  doch  mehr  vorübergehend  als  definitiv.  Denn 
die  auf  diese  Weise  erreichten  Resultate  sind  dafür  am  so 
reicher,  sodafr  im  Verhältnis  sn  diesen  doch  ein  geringerer 
Kraftverbraiich  staltfindet  —  oqgdhKr  wie  eine  Lokomotive 
sehr  viel  mehr  Kraft  verbraucht,  als  etne  Poetkutsche,  aUein 
im  Verhältnis  ku  den  erreichten  Wirkungen  sehr  viel  weniger. 
80  macht  ein  grofser,  einheitlich  verwalteter  Staat  eine  grofse 
und  h]H  ins  Kleinste  arbeit«te?!icr  »eg-liedorte  Beamtenschaft 
n(1tig,  richtet  aber  mit  diesem  bedeutenden,  durch  seine  Kin- 
licitliclikeit  und  seine  Differenzienin;:;  erforderlichen  Kraft- 
aufwand docl  anch  relativ  viel  mehr  ann,  al^  wenn  eben  das- 
selbe Gebiet  in  lauier  kleine  staatliche  Einheiten  zerfiele, 
dermi  jede  rrdlich  in  «ich  kemer  hohen  Diflerensiernng  des 
Verwwtungskörperi  bedarf. 

Schwieriger  li0gt  die  Frage  nach  der  Kraftersparnis  bei 

8*  ner  Differenzierung,  die  ein  Auseinandergehen  m  feindliche 
egensfltze  enthält,  aLso  z.  B.  in  dem  früher  erwähnten  Falle, 
dafs  einr  ursprünglich  einheitliche  Körperschaft  minnigfacli 
eatgegengeHetzte  Parteien  in  sich  ausfjildet.  Man  kann  dies 
als  Arbeitsteilung  betrai  hten:  denn  die  Tend'  nzefi,  ans  denen 
die  Parteibildungen  hervorgehen,  sind  Triebe  der  mensch- 
lichen Natur  abmanpt.  die  sich  in  iigendetnem,  wie  such 
immer  verschiedenen  Mafse  in  jedem  K^nselnen  finden,  niid 
man  kann  sich  vorstellen,  dafs  die  verschiedenartigen  Momente, 
die  fiüher  im  Roufe  jedes  Binselnen  Abwägung  und  relative 
Ausgleichung  fanden,  nun  auf  verschiedene  Persöidichkeiten 
fihertragen  und  von  jedem  in  fipecialisierter  Werse  f^epflegt 
werden,  wiihrend  die  Au»gleiehun;j:  erst  im  Zusanmu-n  Aller 
stattfindet.  Die  Partei .  die  als  sidche  nur  die  Verkörperung 
eines  einseitigen  QedaukeuH  darsteilt,  uutenlrückt  in  dem  ihr 


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Angebörigen,  insoweit  m  «in  solcher  'w%  alle  anders  geartoMn 

Trieh^,  von  denen  er  von  vornherein  doch  nicht  granz  frei  zu 
sein  pflegt;  verfolgen  wir  »ItV  p<^yehoV>gT-5chon  Momente,  die 
die  Farteist^lung  nos  Einzohien  beHtinimen,  m  nehen  wir.  wie 
in  den  weitaus  mpistnn  Fällou  nicht  eine  iin<lurchbrechli<'he 
Katiiranlage  auf  sie  hingedrängt  hat.  s^)nderii  die  Zufälligkeit 
der  Umstände  and  EinHUsse,  Jonen  der  Ktn^hie  amtgenelzt 
war,  and  die  in  ihm  gerade  die  «ine  ron  veneliieelenen 
Btchtiingnnfialiehkeilen  und  polentieU  wriiaaMlenen  Krilften 
snr  EDtwicklnng  gebracht  haben,  wfthrend  die  anderen  mdt- 
mentär  werden.  Aus  diesem  letstten  Umstände,  aus  dem  Axif- 
höreo  der  inneren  Gegenbewegungen,  die  vor  dem  Eintritt  in 
eine  etnseitip^c  Partei  nn?^^»rm  l)enken  und  Wollen  einen  Teil 
seiner  Kraft  iif^imicn ,  »^'rklärt  sich  die  Macht,  die  die  Partei 
Uber  das  Individuum  übt,  und  die  sich  u.  A.  darin  zeigt,  dafs 
die  sittlichsten  und  gewissenhaftesten  Mensehen  die  ganze 
rficksichtälose  Interesscimolitik  iiiitiiiaclicu,  die  eben  die  Partei 
ab  solche  ftlr  nötig  findet,  welche  sich  um  Bedenken  der  in- 
dindneileo  Moral  fiut  so  nren^  kümmert,  wie  es  Staaten 
nntereiDander  tbnn.  In  dieser  Einseitigkeit  ihre  Stärke, 
wie  es  sich  besonders  daraus  ergiebt,  dafs  die  Parteileiden- 
Schaft  ihre  volle  Wucht  auch  dann  noch  behält,  ja  oft  erst 
entfaltet,  wenn  die  Parteiung  ihren  Sinn  und  ihre  Bedeutung 
ganz  verloren  hat,  wenn  gar  nreht  mehr  um  positive  Ziele 
gestritten  wird,  sondern  di>  durch  keinen  sachlichen  (rrund 
mehr  bestimmte  Zugehörigkeit  zu  einer  Partei  den  Antagify- 
nismus  gegen  die  andere  hervorruft.  Vielleicht  das  stärkste 
Beispiel  sind  die  Zirkusnarteieu  in  liom  und  ßyzanz;  trotzdem 
nieht  der  f^nttle  saenltche  Unterschied  die  wei&e  Ton  der 
rothen  Partei,  die  blaue  Ton  der  grftnen  trennte ,  um  so  we* 
ntger,  als  schliefelich  nicht  einmal  die  Pferde  und  Lenker  den 
Parteien  eigentamlich,  sondern  von  Unternehmern  gehalten 
waren,  die  sie  jerler  beliebigen  Partei  vermietbeten,  —  trott» 
dem  genügte  da«  zufällige  Kr^j^reifoTi  der  einen  oder  der  an- 
dercTi  P.irtei,  um  r  in  tödlicher  Kemd  der  ont^gengesctzten 
ru  werden,  ünzöhiigo  Familienzwiste  früherer  Zeiten  trugen, 
wenn  sie  mehrere  Generationen  hindurch  gewährt  hatten, 
keinen  anderen  Charakter;  das  Objekt  des  Streites  war  oft 
längst  ▼encfawvnden;  aber  die  ThatsAche^  dafs  man  der  einen 
oder  der  anderen  Familie  angehörte ,  gab  jedemi  eine  Partei» 
ateUimg  des  schärfsten  Gegensatzes  gegen  me  andere«  Als  im 
14.  und  15.  Jahrhundert  die  Tyrannieen  in  Italien  aufkamen 
und  dadurch  das  politische  Partei  leben  überhaupt  jede  Be- 
itung  verlor,  dauerten  dennoch  dieKUmpfe  zwischen  Oiielfen 
iir  l  Vilbel] inen  weiter  fort,  aber  ohne  irgend'-inen  Inhalt:  dt-r 
FarteigegerisMT/  als  solch^^r  hatte  eine  Bedeutung  gewonnen, 
die  nach  s^^inem  Sinne  gar  nicht  mehr  frai'fe.  Kurz,  die 
Differeujsieruüg,  die  in  der  Parteiung  iiegi,  cutwickelt  Kräfte, 


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122 


deren  Gröfae  sich  gerndr;  in  der  Sinnlosigkeit  zeigt,  mit  der 
sie,  oft  ohne  Einbulse  zu  erleiden,  jeden  lohalt  aBitreift  und 
sich  nur  an  die  Fonn  der  Partei  überhaupt  hftlt.  Kun  geht 
zwar  alier  sociale  Zusammenaehlufs  aus  aer  Schwttcke  und 
Bestandsunfkhigkeit  des  Individuums  herrory  und  die  blinde,^ 
nmiloie  Hioffabe  an  eine  Partei,  wie  m  den  angeftdirtaii  Ftilen, 
kommt  cerade  hHkuBg  in  Zeiten  des  Miederffangs  und  der  Im- 
potenz der  Völker  oder  Grunpen  vor,  in  denen  der  Einzelne 
das  sickere  Gefühl  individueUer  Kraft,  wenigstens  ftUr  die  hie- 
herigen  Arten  ihrer  Anfserung,  verloren  hat  Immerhin  zeigen 
sich  in  dieser  Form  noch  Kraflquaiita,  die  sonst  unentwickelt 
gehlieben  wären.  Und  wenn  viele  Kräfte  aach  gerHde  durch 
solche  Parteiungeo  nutzlos  au%erieben  und  verschwendet 
werden  mögen,  so  ist  dies  doch  nur  eine  Übertreibung  und 
ein  Mirsbrauch,  vor  dem  keine  meDschiiche  Tendenz  sicher 
iil;  im  GanMn  wM  »an  sagen  mftnMtt:  die  BafleibilJmng 
•ckafll  ZentnJgebQdep  an  welohe  die  AnMnnng  dem  JBinadnea 
die  inneren  Gegenbeiregnogen  ersnart  und  aeine  Kräfte  da- 
durch zu  grolser  Wirkung  bringt,  aafs  sie  dieselben  in  einen 
Kanal  leitet,  wo  sie,  ohne  psychologische  Hindemisse  zu  finden» 
ausströmen  können ;  und  indem  nan  Partei  gegen  Partei 
kämpft  und  jede  eine  gro£se  Anzahl  persönlicher  Krftfte  ver- 
dichtet in  sich  enthält,  mafs  sich  das  K^ultat  aus  der  gegen- 
seitigen Messung  der  Momente  und  der  ihnen  eDtäprech enden 
Kräfte  reiner,  schneller  und  vollständiger  herausstellen,  als  wenn 
der  Kampf  awischen  ihnen  in  einem  indi^nellen  CKuale  oder 
awischen  «meinen  Individuen  ansgelbchten  wtlfde. 

Ein  eigenartiges  Verhältnis  zwischen  Kiaftrerbrauch  und 
Differenzierung  findet  bei  jener  Arbeitsteilung  statt,  die  maa 
die  quantitative  nennen  könnte  ;  während  die  Arbeitsteilung  im 
gewöhnlichen  Sinne  bedeutet,  dafa  der  eine  etwas  anderes  ar- 
beitet rU  dei"  andere,  also  qualitative  Verliältniaae  betrifl!^  ist 
auch  die  Arbeitsteilung^  von  dem  Gesichtspunkte  aus  wichtig, 
da^8  der  eine  mehr  ai  beitet  als  der  andere.  Diese  quantita- 
tive Arbeitsteilung  wirkt  freilich  nur  dadurch  kultursteigemd^ 
dafi  sie  anm  Mittel  der  uoalitaliyin  wird,  indem  das  Mehr 
oder  Weniger  einer  annBobst  Air  alle  weaensgl^ehen  Arbeit 
eine  wesensverschiedene  Gestaltung  der  PersOnlidikeiten  und 
ihrer  Bethätigungen  zur  Folge  hat;  die  Sklaverei  und  die 
kapitalistische  Wirtschaft  zeigen  den  Koltorwert  dieaor  quan- 
titativen Arbfitstcilrtng.  Dif  Umsetzung  derselben  in  quali- 
tative bezi)t5  aich  zunäcliRt  auf  die  Differenzierung  zwischen 
körperlicher  und  geistiger  ThätigkoiL  Die  bloi'se  Entlastung 
von  der  ersteren  muiste  ganz  von  selbst  ru  einer  Steigerung 
der  letzteioii  fuhren,  da  diese  sich  spontaner  einstellt  aU  jene 
und  vielfach  ohne  auf  bewniste  Impulse  und  Anstrengungen  an 
warten.  Und  nun  seigt  sieh  auch  hier,  wie  die  Krmerapnmia 
durch  Differensierung  doch  aum  Vehikel  ao  viel  hdherer  KraA- 


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XI. 


Wirkung  wird.    Denn  mtm  kaim  dock  wohl  das  Wesen  der 

gmatigen  Arbeit  gegenüber  der  körperlichen  darein  seteen,  dafs 
•ie  mit  gehiigmm  Kraftettfirana  die  grOüwraDi  Wirkongea 

Dieser  GetrenMitz  ist  freÜicli  kein  abaoluter.  Wedor  giebt 
es  eine  körperliche,  Itter  in  Betracht  kommend«  Thitifkeit, 
di^  nklift  irgendwie  «kibi  BewofMMia  «ad  WiUeii  gcbiikt 
wUrde,  «och  eine  geistige,  die  ohne  iigendeine  kOrpeiliclM 
'  Wirksaig  oder  VermittBluig  bliebe.  Man  kann  also  nur  sagen, 
da£b  das  relative  Mehr  vffn  Geistigkeit  in  einem  Thon  kraft- 


wirkt    Man   darf  dieses  Verhältnis   der  körper-  " 


lieberen  and  der  geistigeren  Arbeit  wohl  mit  dem  scwischen 
der  niederen  und  der  höheren  Beelen thAtigkeit  in  Analogie 
stellen.  Der  psychische  Prozefs,  der  im  Etneelnen  und  Sinn- 
lichen befangen  bleibL  ist  awar  weniger  anstrengend,  als  der 
abatnkto  wSk  mIIoimm;  abir  Mine  ÜieofetiaehaD  aiid  prakfr 
wAm'EKgAnaMm  aiad  daftraach  gm  ao gwiagar.  DMlJ«k«ii 
wmth  l^^pBchen  Prinaipisii  mid  Gasetaen  ist  kiallaraparendt 
iasofem  es  durch  seinen  sosammeiilMsenden  Charakter  das 
Durchdenken  der  Einselheit  ersetzt:  das  Qp^etz,  das  das  Ver- 
halten unendlich  vieler  Einzelßllle  in  eine  Formei  verdichtet, 


Geaela  kennt,  verliäJt  sich  bu  deni,  der  nur  den  einzelnen  Fall 
kennt,  wie  der,  der  die  Maschine  besitzt,  zum  Handarbeiter» 
Wenn  aber  das  höWe  Denken  ao  Zmaminenfessung  und  Ver- 
4iefctuDg  ist,  ao  irt  ea  aonlehat  doeh  Dilfereiiaieniiig.  Demi 
jede  Biaidheit  der  Weh,  die  Ton  einem  bestimmt«!  Oeseti 
serar  nar  einen  einaigen  Fall  bedeutet,  ist  doek  ein  Krennuige* 
pankt  aufserordentlich  vieler  Kraftwirkungen  und  G^esetse, 
und  es  bedarf  zun&chst  der  psychologischen  Auseinander« 
legong  derselben,  um  jene  etnaelne  Besiehung  zu  erkenn^ 
die,  mit  der  gleichen  an  anderen  Erscheinungen  zusammen* 
gehalten  f  den  Grund  und  das  Bereich  des  höhereu  Gesetzes 
abgiebt^  erst  Aber  der  Differenzierung  aller  der  Faktoren,  in 
dann  eoflUligem  2iiiaaiiiiBcn  die  einwae  £nciieiniiagv  bestell^ 
kaan  «di  die  höhere  Nona  eriieben.  Und  nun  vmält  sieh 
eAnbar  die  geistige  Thtti^Mit  Oberhaupt  siir  kdrperlicheaf 
wie  tkk  innmalb  des  Gebietes  jener  die  nähere  snr  niederen^ 
da  ja^  wie  oben  erwlihnt,  der  Unterschied  zwischen  körper- 
licher und  fi[eistiger  Thätigkeit  nur  ein  quantiüitiveH  Mehr  und 
Minder  beider  Elemente  an  der  Tliiiti,^keit  bedeutet.  Das 
Denken  schiebt  sich  zwist'hcn  die  mechaniHrlien  Thtttigkeiten 
wie  das  Geld  zwischen  die  realen  ökonomischeu  Werte  und 
VoigiDgei  keaamtrieready  Tenaittelad,  erleieblenid.  Uad 
aaeb  dee  Geld  let  aiia  «iMa  DiftrwaieraDgspreaeia  hervor^ 
gegangen;  der  Tanaehwert  der  Diage,  eine  Qualität  oder 
Ftaktm,  die  rie  nebea  ihren  anderweitigen  Eigenaefaaften 
srwerbeBy  nala  Toa  ihnen  gelöst  und  im  BewoTstseia  yeneUb- 


bedeutet  die  höchste  Krafters 


des  Denkens;  wer  das 


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124 


•tttndigt  werden,  ehe  die  ZusammenschliefsuDg  dieser,  den 

verscliio(if»n«ten  Dingen  gemeinpamen  Eitzen 8 c^fift  in  einen 
über  ÄÜen  einTrelnPin  t-tehenden  Be^nti  und  8ymboi  suitttinden 
konnte;  und  die  Krattersparnia,  die  durch  diV.^e  Differenzie- 
TUT\ß:  und  nachherige  ZusammenschliefRunj'  erreicht  wird,  lieg-t 
gleicherweise  in  dem  Auidtt;i^u  zu  hüueren  Begriiieu  uud 
Können,  die  in  dar  glcieben  Weite  gewonnea  wwlen.  Wie 
krafimrend  die  Konseninition,  die  Znsammen&aeiuig  der 
IndiTiaiuüfunktioiieii  in  eine  Ze&tnlkimft  wirkt,  ist  ohne  wei- 
tereB  kUr;  aber  man  mufs  «eh  lom  BewnTstBein  bringen,  dafii 
einer  solchen  Zentralisierung  etets  Differenzierung  zngrniide 
liegt,  dafs  sie,  um  Kraft  zu  ersparen,  nicht  die  Erscheinunpj^s- 
komplexe  in  ihrer  TotaliUtt,  sondern  iniin- r  nur  hnrausgeson- 
derte  öeiten  derseibt  n  zusammpn  zu  fassen  hat.  Die  Geschichte 
des  menschlichen  Denkens,  ebenso  wie  die  der  socialen  Ent- 
wicklungen, iäiCät  sich  als  die  Geschichte  dieser  Fluktuationen 
auffiissen,  durch  die  der  bunte,  priiizipienlos  zusammengestellte 
Eraefaeinungekemplex  nach  gewissen  Qeaiektipankten  hin 
differensiert  nnd  die  Resultate  der  Differensierang  su  ehiem 
höheren  Qebilde  zusammengeschloflaen  werden;  aas  Gleich- 
gewicht zwischen  Auflösung  nnd  Zusammen&ssung  ist  aber 
nie  ein  stabiles,  sondern  immer  ein  labiles;  jene  höhere  Ein- 
heit ist  nie  eine  (lefinitivo,  insofern  sie  entweder  selbst  wieder 
in  Elemente  ditferenziert  wird,  die  dann  ihrerseits  neue  und 
wieder  höhere  Zentral^ebilde  formen,  fllr  die  nie  da«  Material 
bilden,  oder  insofern  jene  früheren  Kuniplexe  nach  anderen 
Gesichüipunkten  differenziert  werden,  was  dann  neue  Zusammen- 
sehliefiinngen  hervorbringt  und  die  froheren  antiautert 

Diese  ganie  Bewegung  lä(st  sich  vorstellen  als  beherrscht 
Ton  der  Tendenn  anr  Krailerspamis ,  und  zwar  annlichst  im 
Sinne  der  Reibungsminderung.  Ich  habe  dies  obeji  von  einem 
anderen  Gesichtspunkte  flkr  das  Verhfiltnis  der  kirchliche 
Interefisen  zu  don  staatÜchcn  und  den  wissenschaftlichen  ?ins- 
pf  führt.  Tlnzühli^'i  Kr  ifte  gehen  du  verloren,  wo  die  Arbeits- 
leiluug  noch  nicht  jeilem  ein  gesonciertee  Gebiet  angewiesen 
hat,  sondern  der  Anspruch  an  das  gleiche,  gewissermaisen 
nicht  aufgetheilte.  den  Wettbewerb  entfesselt^  denn  so  sehr 
dieser  in  vielen  FiUen  dem  Produkt  aogute  kommt  nnd  Mi 
hlÄerer  objektiver  Leistong  anspornt,  so  bringt  er  dodk  in 
Tiden  anderen  es  mit  sich,  dafs  innUchst  auf  die  Beseitigung 
des  Konkurrenten  KrlUke  verwandt  werden  müssen,  bevor 
man  an  die  Arbeit  geht,  oder  auch  neben  ihr  her.  Der  Sieg 
in  diesem  Kampf  ent^ehei/l' n  sich  unzählige  Male  nicht  durch 
die  Aiispannung  aller  Kratte  auf  die  Arbeit,  sondern  auf 
auist'rhalb  rler?*eli»eu  gelt-f^eiie,  mehr  oder  weniger  subjektive 
Momente;  und  diese  Krttftc  sind  vergeh  wen  «i«^t:  sie  jrehen  ftlr 
die  Sache  verloren;  öie  dienen  nur  isur  ileäeui;^un;;  einer 
Schwierigkeit,  die  (Ur  den  einen  da  ist,  weil  sie  lur  den  an- 


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X  1. 


185 


dern  da  ist,  und  unter  gttastigerer  Zielaetnmg  ftlr  beide  fori» 
fallen  wttrde:  es  ist  das  doppelt  tmsweokmäiKige  YerhiUtiii% 
datii  Klüfte  verbraucht  werden^  um  andere  Kräfte  lahmzu- 
legen. Wenn  es  das  Idonl  r  Kultur  i^t,  dafs  die  Knlfte  der 
Men^ciieu  auf  die  Hesie^^ung  des  ( >bjekt»*,  re^!p,  drr  Natur,  statt 
auf  die  des  Mitn.»  uscheii  verwandt  weni*  n  ,  so  ist  die  A'^er- 
teiluDPT  der  Arbeitsgebiete  die  gr^fste  pni(l<inmg  demselben; 
und  wenn  die  g^i♦Kihi^*chen  Socialpolitiker  den  eigenllicii  kauf- 
männischen Beruf  dm  Staatswesen  verderblich  hielten  und 
nur  den  Luidbfttt  als  geiiesienden  und  gerechten  Erwerb 
gelten  lassen  wollten,  da  dieser  seinen  NntMn  nidit  von  Men* 
sehen  und  deren  Beraubung  nähme,  so  ist  kein  Zweifel,  dafir 
dear  Mangel  an  Arbeitsteilung  sie  wn  dwsem  Urteil  berechtigte. 
Denn  die  Gestfitttinjr  des  Lnndbaiies  erweist  ihre  Erkenntnis, 
dafft  nur  Hinwondung  an  das  Objekt  allein  die  KonkiirrenK 
besiegt,  von  der  .sie  die  Spr^ngimp  des  8taatswo^en^5  fur(  h- 
teteu,  und  dalö  unter  den  tian)alig<^Ti ,  noch  nielit  arljeüjs- 
geteilten  Verhältnissen  die  Hinwendung  an  das  Objekt  un- 
möglich wflre,  aufser  wo  es  sich  um  ein  der  Konkurrenz  so 
weaig  sngängliehee  Objekt,  wie  das  der  Lendbebeniingy  han- 
delt. Erst  waclisende  Diffsrenileniiig  kann  die  Beibang  be- 
seitigen, dir'  aus  der  Setemig  des  gleichen  Zieles  hervorgeht, 
weMie  die  Kräfte  von  diesmi  foH  auf  die  perafinliche  Be- 
ilegung des  Mitbewerbern  lenkt. 

Betrachtung  de»  Individuums  zeigt  dies  von  einer 
anderen  Seite.  Wenn  die  Gesamtheit  der  Willens-  und  Denk- 
akte eines  Einzelnen  als  ein  Ganzes  t»eiuer  Gruppe  gegenüber 
sehr  differenziert,  in  sich  also  sehr  einheitlich  ist,  so  werden 
damit  jene  Umstimmungen,  jener  Wechsel  der  Innervierungen 
Tenniedea,  der  bei  gröfi^rer  Verschiedenheit  der  Denkrich- 
tengen  und  Imptdse  notwendig  ist  In  unserm  psjchisdben 
Weeen  ist  etwas  dem  nhjaischen  Beharrungsvennögen  wenig- 
stens Analoges  zu  beobaehten:  ein  Trieb,  dem  augenblicklieh 
herrachenden  Gedanken  auch  weiter  nachzuhängen ,  dem 
jetzigen  W^ollen  sich  noch  weiter  ?-u  überlassen,  sich  i^m^^rbalh 
df'K  einmal  gegeber(f*n  Interes-^onkrciscs  auch  weiter  zu  h<^- 
Wi^^'  ij.  Wo  nun  ein  \V<'<'hsoU  ein  Abspringen  eriorrh  rt  ist, 
da  niiifs  diese  Trägheirnwii  kung  erst  durch  einen  besonderen 
Injpuls  überwunden  werden ;  die  neue  Innervieruug  iuuiis 
stärker  seiii|  als  ihr  Zweck  an  und  fitr  sieh  erfordert,  weil 
sie  nnlehst  von  einer  anders  gerichteten  Eraftwirkung  ge- 
krenst  wird  und  deren  ablenkende  Wirkung  nur  duix^h  ver- 
mehrte Energie  paralysieren  kann.  Man  darf'  ^  fi  jene  phy» 
siseh-p^chische  Analogie  der  vis  inertiae  vielleicht  damit  er- 
klären .  dais  wir  die  KrafUumme  nie  mit  völliger  Bestimmt 
heit  berechnen  kßnn^^n.  die  nra  eines  gep<^l>er»fn  inneren  odnr 
SiiiVeren  Zweck^-s  \\ill«'u  ans  dem  latenten  in  den  wirkenden 
i^Uätaud  Ubexgetubn  werden  muls^  da  aber  das  Zurückbleiben 


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X  1. 


IttBter  dem  BOHgen  Quantum  sicli  «ehr  sclm«!!  bemerkbar 
raachen  wftrde.  io  irren  wir  offenbiir  mehr  und  öfter  nach 
der  Seite  des  Zuviel,  und  die  motorisch  auike wandte  Enereie 
wirkt  noch  Uber  den  Punkt  hinaus ,  auf  den  sie  rationaler 
Weiae  gerichtet  Ut  Setst  an  diesem  nun  eine  neue  VViüen»- 
richtung  ein,  »o  hat  sie  gewiweraiafaen  nicht  ganz  freies  Feld 
TW  dch,  aondm  findet  Jenen  Obenelnb  «Mers  gerictoter 
Knil  wr,  den  «e  ent  dnidi  «ine  efttqpieeiMiidi  eigene  V«r> 
alirkung  übenrinden  ninfr. 

Man  nnfr  liier  maA  en  Veiginge  innerhalb  de«  Indivi* 
dmuns  erinnetn,  die  weniffitens  cleichniaweiM  als  Rdbtmr 
und  Konkiurren«  zu  begreifen  sind.  Je  vielseitiger  man  sicn 
bethfitigt,  je  geringer  die  Einheitlichkeit  und  Umgrenzung  an- 
eeree  Wesens  ist,  desto  hftufiger  wird  die  verfügbare  flLrallt- 
antume  d  ossel  ben  von  verschiedenen  Direktiven  in  Anspruch 

gmommeu,  die  so  wenig  wie  Individuen  untereinander  eine 
iedUohe  Teiking  jener  yomehmen.  sondern  indem  jede  mflg- 
liehet  viel  Knh  Ulr  iieh  hemiqiniBli^  nmfii  aie  Jeder  aaAerai 


dafs  auf  die  direkte  Beeeit%nnf  dee  keoknrrimnden  Tnebee 
Knft  verwandt  wird,  die  uns  dem  saehlidien  Ziele  nicht 

näher  bringt;  e«  findet  nur  eine  gegenseitige  Aufhebung  ent- 
gegengesetzt gerichteter  Kräfte  statt,  deren  Resultat  Null  ist, 
ehe  &i  £u  positiver  Leietung  kommt  Durch  zweierlei  Diffe- 
renzierungen allein  kann  das  Individunm  die  bo  in  ihm  ver- 
schwendeten Kräfte  tiparen :  entweder  indem  es  sich  als  Ganses 
diffBreniiert,  d.  L  in  mOgiiekeler  Einaeitiglmit  eeine  Triebe 
md  einen  Cbnndton  aheonunti  m  dem  sie  nnn  f'wgnamt 
harmeniseh  thid,  so  dafs  es  wegen  ihter  (Helohheit  oder 
FmHalität  zu  keiner  Konkurrenz  kommt;  oder  undem  es  sielk 
esinen  einseinen  Trieben  nnd  fieiten  nach  derart  dlflbronaifft 
und  jede  dersdben  ein  so  gesondertes  Gebiet  —  sei  es  im 
Nebeneinander,  oder,  wie  wir  es  weiterhin  aosmhren  werde», 
im  Nacheinander  — ,  ein  so  schai-f  umgrenzte«;  Ziel  und  so 
selbstftndige,  abseits  aller  anderen  liegend*»  Wege  dazu  besitzt,  • 
dafs  gar  keine  Berftbrung  und  ueshalb  keine  Keibang  und 
Konkurrenz  unter  ihnen  stattfindet:  die  Diffsrenzierung  im 
Sinne  des  Qnnnen  wie  im  8inn#  aer  TiÜe  wiikt  gleiehep- 
nmben  knlbpaiend.  ^  man  dieesmYeihliteit  eine  CMhing 
in  ehier  keemeloffischen  Meteohysik  anweieon,  was  in  immtr 
nur  den  Anspmdh  einer  miriolieren  Ahnnng  und  andeutenden 
Symbolik  erneben  kann ,  so  dttrfle  man  auf  die  Zollner'sche 
Hypothese  verweisen:  die  den  Elementen  der  Materie  inne- 
wohnenden Kräfte  mUGiten  so  beHchaffon  Bcin^  dafs  die  unter 
ihrem  Einflüsse  ötatthndenden  Bewegungen  dahin  streben,  in 
einem  begrenzten  Räume  die  Anzahl  der  ntüttlindenden  Zu- 
sammenstOfse  auf  ein  Minimum  su  reduzieren.  Danach  würden 
also  s.  B.  die  Bewingen  eines  mit  Gasmolekttlen  erftllten 


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X  1. 


127 


kabifchen  Raamet  sich  mit  der  Zeit  in  drei  Gruppen  teilen^ 
von  denen  jede  parallel  zu  swei  Seitenflächen  vor  sich  ginge ; 
dann  würden  eben  gar  keine  ZusainmenstOfse  der  Moleküle 
mehr  untereinander,  sondern  nur  noch  mit  je  zwei  einander 
gegenüberliegenden  Q^filfswAnden  stattfinden  und  daher  die 
Zahl  der  Zusammenstöße  auf  ein  Minimum  reduziert  sein. 
Gans  analog  sehen  wir  nun,  wie  die  Verminderung  der  Zu- 
sammenstöfse,  resp.  der  Reihung,  innerhalb  zusammengesetzterer 
Organisationen  so  zustande  kommt,  dafs  sich  die  Wege  der 
einzelnen  Elemente  möglichst  auseinanderlegen.  Aus  dem 
win'en  Durcheinander,  das  sie  in  jedem  Augenblick  an  einen 
Punkt  zusammenfahrt,  an  dem  also  Reibung,  Repulsion,  Kraft- 
aufbebung  stAttlindet,  stellt  sich  der  Zustand  der  gesonderten 
Bahnen  her,  und  man  kann  jene  physikalische  Tencienz  ebenso 
als  Differenzierung,  wie  diese  psychologisch  sociale  &U  Re- 
duktion der  Zusammenstöfse  bezeichnen.  Zöllner  selbst  deutet 
auf  erkenntnistheoretische  Grtlnde  hin  das  Verhältnis  so  aus, 
dafs  den  ftuCseren  Zusammenstöfsen  der  Dinge  ein  Unlust- 
gefühl  entspräche,  und  giebt  der  obigen  physikalischen  Hypo- 
these deshalb  diese  metaphysische  Form :  Alle  Arbeitsleistungen 
der  Naturwesen  werden  durch  die  Empfindungen  der  Lust 
und  Unlu.st  bestimmt,  und  zwar  so,  aafs  die  Bewegungen 
innerhalb  eines  abgeschlossenen  Gebietes  von  Erscheinungen 
sich  verhalten,  als  ob  sie  den  unbewufsten  Zweck  verfolgten, 
die  Summe  der  Unlustempfindungen  auf  ein  Minimum  zu 
reduzieren. 

Wie  sich  in  dieses  Prinzip  das  Differenzierungsstreben 
einordnet,  liegt  auf  der  Hand.  Man  kann  aber  vielleicht  in 
der  Abstraktion  noch  eine  Stufe  höher  steigen  und  als  all- 
gemeinste formale  Tendenz  des  Naturgeschehens  die  Kraft- 
erspamis  ansehen;  dies  ersetzte  den  alten  und  jedenfalls  höchst 
milsverständlich  ausgedrückten  Grundsatz,  dais  die  Natur 
immer  den  kürzesten  Weg  nimmt,  durch  die  Maxime,  dafs 
sie  den  kürzesten  W^  sucht;  zu  welchen  Zielen  dieser  fUhrt, 
ist  dann  Sache  matenaler  Ausmachung  und  gestattet  vielleicht 
keine  einheitliche  Zusammenfassung.  Die  Herbeiführung  von 
Lust  und  die  Vermeidung  der  Unlust  wären  dann  nur  ent- 
weder eines  dieser  Ziele,  oder  fUr  gewisse  Naturwesen  das 
Zeichen  gelungener  Kraflcrspamis ,  oder  ein  angezüchtetes 
psychologisches  Lock-  und  Hülfsmittel  für  dieselbe. 

Ordnen  wir  nun  die  Diffei*enzierung  dem  Prinzip  der 
Kraftersparnis  unter,  so  ist  von  vornherein  wahrscheinlich, 
dafs  gelegentlich  auch  ihr  entgegengesetzte  Bewegungen  una 
Cimtchränkungen  diesem  höchsten  Ziele  werden  dienen  müssen. 
Denn  bei  der  Mannigfaltigkeit  und  Heterogen  ei  tät  der  mensch- 
lichen Dinge  wird  kein  höchstes  Prinzip  immer  und  überall 
durch  gleichgeartete  Einzelvorgänge  verwirklicht,  sondern 
wegen  aer  Verschiedenheit  der  Ausgangspunkte  und  der  Not- 


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128 


wendickei^  Auf  Ungleidiet  auch  Ungieiohe»  wkken  lu  laflsea, 

um  GleicheB  oU  Ite«nltat  zu  erxielen .  werden  die  Zwi8chen* 
glieder,  die  su  der  höchsten  Einheit  hinaufführen,  in  dem 
Verhältnis  verschiedenartige  sein  mt^ssen,  aln  sie  in  der  telco- 
loi^iKchen  Kette  iiorh  von  dieser  abstehen.  Ans  der  Täu.seliTing 
hierüber,  au«  <\('ni  falschen  monistisrhen  iScheiri.  den  die  Ein- 
heit deö  höcii-^t(  1:  Prinzips  p.-vfhologiseh  auch  auf  die  Stufen 
zu  ihm  wirft,  ei klaren  sich  uiixaiili^c  Verblendungen  und  Kin- 
seitigkeiten  im  Handeln  wie  im  Erkennen. 

Die  6e&lir«n  einer  xu  weit  getriebenen  IndiTidneltaie* 
ruQg  und  Arbeitateilnng  sind  %a  bdkannt,  um  hier  melir  nU 
einer  Hinweiamig  zu  bedürfen.  Nur  daa  me  will  ich  doc^ 
erwähnen,  dafe  die  der  Specialthütigkeit  eugewandte  Kreft 
zunächst  zwar  durcth  den  Verzicht  aiif  anderweitige  Thätigkeit 
aufs  Aufserst«'  ^-fsteif^ert  wird,  bef  ^Tolser  EntßchiiHlenheit  und 
langer  Dauer  diese?»  Zustandes  aber  wieder  almimmt.  Denn 
der  Man^'el  an  IJbuiig  bringt  t"Ur  j«ne  andt^  rcn  Muskel-  oder 
Voi-ateilungsgruppen  Schwücfiung  und  A(a ophie  mit  sich,  die 
netUriidi  eine  Aktion  des  gesamten  Orguniaama  in  gleiehero 
Sinne  bedeutet  Da  nmi  aber  der  allein  AmklaomefeQde  Teil 
dodi  icbKefilich  an»  dteaem  Ganzen  seine  NahtunK  Kmft 
zieht)  aO  'nmfs  auch  seine  Tüchtigkeit  leiden,  wenn  das  Ganze 
leidet.  Die  einseitige  Anstrengnng  bringt  alto  auf  dem  Um- 
WH^e  über  dif^  Zusammenhänge  des  Oesamtorganifimus  ^  den 
di*!  durch  jene  ruitige  VeniH'Jda'JsifrnnLr  der  anderen  Organe 
schwächt,  auch  eine  Schwächuii^'^  eben  des  Organea  mit,  dessen 
Kräftigung  si«-  ursprünglich  diente. 

Ferner  wii-d  auoh  jene  Arbeitsteiimtg,  die  in  der  xVbgabe 
der  Funktionen  an  Olfentlfebe  Organe  betteht  uad  im  ailge- 
moinen  eine  «mtnente  Krifterspamia  bewirkt,  eben  um  der 
Krafterspamis  wüten  oft  wieder  an  die  Individuen  odt^r  an 
kleinere  verbände  zurückgehen.  Es  tritt  dabei  nämlich  Fol* 
gendes  ein.  Wenn  mehrere  Funktionen  Ton  den  Individuen  • 
abgelöst  und  von  einem  f:^emein.saTnen  Zentralor^^an.  z.  B.  dem 
Staat,  lU>erTionin(ien  w<^i*f!en,  treten  üie  in  diesem,  ali^  einem 
einheitlichen,  in  dcnirtti^e  gegwieeitige  Beziehung  und  Ab- 
hängigkeit dal»  die  Wandlungen  der  einen  anch  aie  GeBamt^ 
hcit  der  andern  alterieren.  Dadurch  wird  die  eiuzelne  mit 
einem  Ballaat  von  Rttckaiehten,  mit  der  Ndtirendigkeit.  ein 
steti  ^erediobenes  Gleicbgewieht  wiedenugewinnen,  blattet 
und  bedingt  dadurch  eine  grOfoere  KraftaafWendu ug,  als  ftax 
das  voriiegende  Ziel  an  sich  erfi>rderlieh  wäre.  Sobald  bidk 
aus  den  abgegebenen  l'unktion^'n  ein  neuer,  mehrseitig  thätiger 
Organismus  zusammengliedei-t.  sfeht  dieser  unter  «clbständijr*»n 
ljebvnMi)ediniGrnngen ,  die  auf  die  Oef^amthoit  der  Interessen 
berechnet  sind  und  deshalb  frtr  die  einzelne  einen  greiseren 
Apparat  arbeiten  lasi^eii.  als  ihre,  isolierte  Zweckiuälsigkeit  be- 
anspruchen würde.    Ich  nenne  nur  einige  dieser  Belastungen^ 


I 


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1» 


die  jade  Mi  den  SiMt  «bergeg&ngeqe  Fanktion  treffen:  dt« 
Biaiisierung  der  Aiisga)>en ,  die  Kotvreiidigkeit,  jede  kleintle 

Aufwendung  in  einer  BÄlftncteruni^  ungchp;urer  Öcaamt'^iiTnm^n 
■Q  halten,  die  Viel&chheit  der  Kontmlle,  die,  im  allgemeinen 
notwendig,  im  einzelnen  oft  über£(lssig  ist,,  das  Interesse  der 
politischen  Part«f^n  und  die  öflfentlichf*  Kritik,  die  oft  einer- 
fieite  zu  unnützen  Versuchen  zwingen,  andererseits  nützliche 
unterdrttcken,  die  beionderen  Berechtigungen,  die  die  v^m 
Steftte  angestelltea  IHinktioiiire  genieffea:  die  PmüIoh,  dt» 
sociale  Übergewicht  und  viele«  andere,  kiini  du  Prioiip 
der  Kraftersparnis  wird  vidfeeh  die  Ablösiuig  der  Fankdonen 
Ton  den  indiriduellen  Wesen  und  ihre  Übertragung  auf  einen 
Zer^trslknrper  ebenso  einsobriiikeii ,  wie  es  sie  «DdereneitB 
hervorruft. 

Die  zwischen  Differenzierung  und  ihrem  Oeg«nteii  wech- 
selnde Zweckmäfsigkeit  der  Entwicklung  zeigt  sich  klar  auf 


dem  religiösen  und  auf  dem  miJitli.risohen  Qebiet.  Die  £nt-. 
wtcklung  der  ehristliehen  Kirche  hatte  sehr  frOh  su  einer 
Scheidung  swischwi  den  Volikemmeneii  und  den  Alltigs- 
tnenseheii  geihkrt,  zwischen  einer  geittij^-geiBtlichen  Aristo- 
kmtie  und  der  misera  contribusns  piebs.  Der  Priesterstand 
dev  katlicliachen  Kirche,  der  die  Beziehungen  der  Glänhigon 
mrii  Himmel  vermittelt,  ist  nur  ein  Resultat  eben  dersflben 
Arbeitsteilung,  die  etwa  die  Post  als  ein  besonderes  sociales 
Ori^aii  konstituiert  hat,  um  die  Beziehungen  der  BUrger  *u 
entfern  teil  Orten  zu  vermitteln.  Dieöe  Differensierung  liob 
die  RefonuAtion  auf:  sie  gab  dem  SSnaelnen  die  Besiehang 
in  seinem  Gott  wieaer,  die  der  KatboHsiimus  von  ihm  a1^ 
gelöst  und  in  einem  Zentralgebilde  lusammenfesohlossen  hatte ; 
aie  Religionsgüter  wurden  von  nenem  jedem  eug&nglich,  und 
die  irdischen  Verhältnisse,  Haus  und  Herd,  Familie  und  bür- 
gerlicher Renif.  erliielten  eine  religiöse  Weihe  oder  wenigstens 
die  Möglichkeit  au  lir,  die  die  frllliere  Differcniderunr  von 
ihnen  g^etrennt  hatte.  Die  vollständigste  Beseitigting  dieser 
zeigen  danu  die  Gemeinden^  in  denen  überhaupt  kein  beson- 
derer Priesterstand  mehr  existiert,  sondern  jeder,  je  nachdem 
der  Geist  ihn  treibt,  predigt 

Inwieweit  jener  frtthere  Zustand  indes  nnier  das  Prinzip 
der  Kraften^pHrnis  ftkWt,  zeigt  die  folgende  Betrachfung.  Drei 
we!»entliche  Kequisite  des  Katholizisrntis:  der  CöliM,  das 
Klo^tfrleben  und  die  dogmatische  Hierarchie,  die  sich  zur 
liiquibition  anffrijtfelte,  waren  höchst  wirk s?ime  und  umfassende 
Mittrl ,  um  alle«  geistige  Leben  in  einem  beöfininntcn  Stande 
zu  mnnopoliaieren,  der  alle  Elemente  des  Foruchntta  aus  den 
weitesten  Kreisen  heiausaaugte;  dies  war  awai  \n  den  aller- 
roheaten  Zeiten  ein  Weg^  um  die  vorhandenen  geistigen  Kräfte 
tQ  konsenrieren,  die  sieh  ohne  ^Kalt  an  einem  bestimmten 
Blande  und  beaämmten  Mittelpunkten  wiHcimgelos  aerstreut 

^■■■liaiifi  f4D  X  L  -  abuMl.  9 


lao  X 1. 

hfttten ;  dann  abor  bewirkte  es  doch  eine  negative  Zuchtwahl. 
Denn  für  alle  tieferen  und  gefstigrercm  Naturen  gab  es  keiaeo 
andt  jen  Beruf,  als  das  Klosterlebcn ,  und  da  diese«  den  Cö- 
libat  forderte,  so  war  die  Vererbung  höherer  geistiger  Anlage 
stark  verhindert;  gerade  die  roheren  und  niedrigeren  Naturen 
gewannen  dadurch  das  Feld  fUr  sich  und  ihre  Nachkommen- 
■diftft  Das  Ist  iaaMr  ud  ttborall  der  Flidi  das  Kawolt- 
haitiidealee;  gilt  die  Kaoiohlielt  als  sitdiclie  Foidarung  und 
aitdichea  Verdionat,  ao  wird  ma  doch  nur  diejenigeil  Seelen 
ftür  sich  gewinnen  y  die  überiumpi  dar  Baetnftussong  durch 
ideale  Momente  augänglich  sind,  also  gerade  die  feineren, 
höheren,  ethisch  an^eleg^en,  und  der  Verzicht  dieser  anf  Fort- 
pH. mzuug  muD»  notwendig  das  sclilechte  Vcrerbungamaterial 
tiUerwiegen  machen.  VVir  haben  hierin  ein  Beispiel  für  den 
oben  charakterisierten  K.all,  dafn  die  Konzentration  der  Kräfte 
auf  ein  arbeitsteilig  bostimuUes  Glied  Kunächnt  s&war  eine  Stnr« 
kungi  dann  abar  auf  dem  Umwege  Uber  die  daiamtTerh&lt- 
niiae  dot  Organttmna  eine  Sehwftclraiig  eben  dieiea  bawirict 
ZuersI  worden  doroh  die  aeharfe  Dinerenzierung  awiaolieii 
den  Organen  l^r  die  geistigen  tmd  &kr  die  irdischen  Interessen 
die  enteren  konsenri^  und  gesteigert;  indem  sie  aber  dnrch 
die  völlige  Abkehr  vom  Sinnlichen  die  Durchdnnp^ung  der 

fröfseren  Miwaon  mit  vererbbaren  höheren  Qualitäten  ver- 
änderten, ^tch  selbst  aber  wieder  nur  aus  eben  diesen  Massen 
rekrutieren  konnten,  mufste  ihr  eiie^enes  Matertal  schliefsHeh 
degeneriei-eu.  Dazu  kam  der  Dogmatismus  im  Inhalt  der 
Limre,  der  die  fortschrittliche  Entfaltung  geistigen  Lebens 
mnllelial  durch  nnmittolbare  Einwtrkmug  anf  die  Geiatar,  dann 
aber  aooh  mittelbar  dureh  die  Keteerrerfblgung  beschrinkte, 
welche  nan  gleiehfidla  mit  einer  Zuchtwahl  YergUchen  hat, 
die  mit  infaerster  Sorgfiilt  die  freiainnigsten  nnid  kühnsten 
Männer  auswählte,  um  sie  auf  irgend  eine  Weise  unschädlich 
BU  machen.  Allein  in  alledem  hat  doch  vielleicht  eine  segen«- 
reiehe  Krattertsparnis  gelegen.  Vielleicht  war  damals  die 
geistige  Kraft  der  Völker  in  ihren  älteren  Bestandteilen  zu 
erschö^)ft,  in  ihren  jüngeren  zu  barbarisch,  um  bei  voller 
Freiheit  zur  Entwicklung  jeden  geistigen  Triebes  tüchtige 
Gebilde  herroiBnbringea ;  es  war  viefanahr  etinstiff,  dala  ihr 
Anakeinien  yetbindert  oder  beschnitten  md  luidiiicli  die  Sille 
konzentriert  wurden;  das  Mittelalter  war  ao  eine  Spar- 
büchse für  die  Kräfte  der  Volksseele;  aeine  bonuerende  ao- 
ligiosität  versah  die  Stelle  des  Gärtnan»  der  die  nnaeitigen 
Triebe  wcgsehneidet ,  lyin  sich  durch  Konzentrierung  des  i\\r 
sie  doch  nur  verschwendeten  Ssftea  ein  wahrhaft  le}>enßfkhi|?er 
Zweig  bildet  Wie  viele  Kräfte  nun  aber  dureh  das  Kück- 
gängi^Tiiachen  jener  Arbeitsteilung  in  der  lletormation  direkt 
und  indirekt  gespart  wurden ,  liegt  auf  der  Hand.  Nun  war 
ftir  die  religiöse  Empfindung  und  Bethätigung  der  Umweg 


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181 


«ber  dflD  Master  und  das  waitlinfiin  Zetemomell  überfftMif 
MDAcht;  wie  ee  nicht  mehr  der  Wallfahrt  naoh  hestimmteii 
Orten  bedurfte,  sondern  von  jedem  Kämmerlein  aus  ein  ktlr- 
seeter  Weg  tn  Gk)tte8  Ohre  führte;  wie  das  Gebet  nicht  mdiir 
die  Instanz  der  fUrspreohenden  Heiligen  passieren  moTste,  am 
Erfüllung  zu  finden;  wie  das  individuelle  Gewissen  sich  un- 
mittelbar des  sittlichen  Wertes  der  Handlungen  bewufst  werden 
durfte^  ohne  erst  durch  Nachfrage  beim  Priester  diesen  und 
•ich  selbst  mit  Aussprachen,  Zweifeln,  Vermittelungen  su  be- 
IftttoDy  —  ao  wurde  die  Oeeamtheit  dar  innariiQlieii  imd  imDiar- 
Kcheii  BaUl^tit  Taraiiifiwht  und  doroh  Blickgewihr  dar 
herausdiffenosierten  rdigillaaii  QpMlitäten  an  den  EinzelMrii 
die  Kraft  gespart,  die  der  la  ihrer  Bawihmng  nOtige  Uimrqg 
Aber  das  Zentralorffan  gekostet  hatte. 

Wir  finden  enalich  die  folgende  Fonn,  in  der  eine  kraft- 
sparende Rückbildung  der  Differensterung  stattfindet,  insbe- 
sondere iti  religiösen  Verhältnissen.  Zwei  Parteien,  von  ge- 
meinsamer Grundlage  ausgehend,  haben  sich  auf  Untefschei- 
dnngslehren  hin  als  entschieden  gesonderte,  für  sich  bestehende 
Gruppen  konstituiert.  Nun  soll  efne  Wiadarverainigung  statt» 
inden;  «Uain  nidit  ao  wird  das  oft  mtaliah  aain,  dMSi  daa 
Untermeideiide  von  einer  oder  TOB  betdan  ao^pQppBheii  wiid| 
aondam  nur  so,  dafs  es  zur  Sache  der  persönlichen  Ober» 
aeugung  jedes  einsclnen  liill^iedaa  wird.  Das  Gemeinsame 
beider,  daa  fhr  jede  bisher  nur  in  so  fester  Verbindung  mit 
ihrer  specifischen  Differenz  existiert  hatte,  daOs  jede  rartei 
es  sozusagen  für  sich  allein  besafs  und  es  kein  Gemeinsames 
im  Sinne  einer  zusammenschliefsenden  Kraft  war,  wird  nun 
wieder  ein  solches  unter  Vernachlässigung  jener  Differenzen. 
Diese  letEteren  dag^n  verlieren  ihre  gruppenbildende  Macht 
«nd  werden  vom  maaen  anf  daa  uwiTidaiiai  ttbertragen. 
Bei  den  AnaiOhniingaTeranchen,  denen  aidi  Ftal  HI.  den 
Lutheranern  gegenüber  geneigt  zeigte,  war  die  Absicht  oBsth 
bar  beiderseits  auf  eine  derartige  Formolierong  der  Dogmen 
gerichtet,  die  beiden  Parteien  wieder  einen  gemeinsamen  Boden 

fewährt4?,  während  es  im  übrigen  jedem  überlassen  bleiben 
onnte,  sich  für  sein  Teil  noch  das  Besondere  und  Ab- 
weichende, dessen  er  bedurfte,  hinzuzudenken.  Auch  bei  der 
evangelischen  Union  in  Preufsen  war  die  Meinung  keines- 
wegs die,  dafs  die  bisherigen  Unterscheidungslehren  ver- 
aehwinden,  aondem  nur.  daaa  sie  zur  Privateache  jedes  werden 
•olllen,  atatt  von  einem  beaottdera  diiferenaierten  konfesaibnellen 
€kbilde  getragen  su  werden :  ea  atftnde  dem  Unioniatan  deninaeh 
noch  frei,  von  der  Willenaireiheit  im  lutherischen  Sinne,  vom 
Ahendwihl  im  reformierten  zu  denken.  Die  scheidenden 
Fhwen  waren  nur  keine  entscheidenden  mehr;  sie  waren 
wieder  an  das  Gewissen  des  Einzelnen  zurückgegangen  und 
hatten  dadurch  den  gemeinsamen  Grundgedanken  die  Mög- 


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182 


lichkert  gegeben,  die  vorangegangene  Differenzierung  wieder 
aufzuheben  —  was  übrigens  der  in  «iiserm  dritten  Kapitel 
gewonnenen  Fortnei  entspricht,  naeli  der  der  Weg  der  £ntr» 
Wicklung  von  dor  kl*>ineron  Orupne  ( inereeit«  «iir  grOfseren^ 
andererseits  zugleich  zur  Individuallbiei  ung  führt.  Eine  Kraft- 
erspamis  liegt  hier  inaofern  vor,  ab  das  rellgite  Zentral- 
gebilde  ron  foteken  Tngm  und  An^^elegenheiten  entlastei 
wird,  ditf  d«r  Einzelne  am  besten  für  sieh  allein  ordnet,  und 
entipreehend  der  Einzelne  nicht  mehr  durch  die  AnftoritAt 
•einer  Konfession  genötigt  iat,  mit  dem,  was  Üim  richtig 
erscheint,  noch  eine  Anzahl  GUubeiisartikel  aufser  den 
Hauptsachen  in  Kauf  zu  nehmen,  die  ihm  persönlich  übei^> 
fiusäig  sind. 

VVenii  auch  keine  genaue  rarallelitat  iriermit,  bo  doch 
eine  teilweise  Verwandtschaft  der  Form  leigt  die  Entwick- 
lung dee  Kri^erstandM  auf.  Ursprünglic  h  iet  iedee  mSanlieh« 
Mitglied  des  Stammes  auch  Kriciger;  mit  }c^lichem  Besitz  und 
dem  Wunidi  nach  Mehrbesits  ist  es  unmittelbar  verbunden» 
dafs  jener  verteidigt,  dieser  nrkttmpft  werde;  die  Ftthrunjg 
der  Waffen  ist  die  ^elbatvt^rstSndliche  Ko!isp<|u(>nz  davon,  dala 
j(miaiid  olwftft  zu  gewinnen  oder  zu  verlieren  liat.  Dah  eine 
80  üiigenieiiic,  imtUriiche,  mit  jeglichem  IntercKae  verknuptte 
Bethätigung  von  dem  Kinzeluen  als  solchem  gelöst  und  in 
einem  besonderen  Gebilde  verselbstindigt  werde ,  bedeutet 
■ehon  eine  hohe  Di0tNrenfeiwung  und  eine  beionders  grate 
Kratterepamia»   Denn  je  mehr  eigentliche  KultnrbescnJifti* 

fungen  sich  ausbildeten,  desto  störe nd'  i'  mufate  die  Notwen- 
igkeit, jeden  Augenblick  lu  den  Waffen  zu  greifen,  desto 
kraffsparender  div  Kinnohtring  wirken,  dai's  lieber  ein  Tf»il 
der  Gruppe  sich  ganz  der  kri^erischen  Be!»ehflftiguug  wid- 
mete, damit  die  Übrigen  möj?lich8t  ungestört  ihre  ftrJtne  für 
die  anderen  n«.>tigen  Leben8mterei.aen  entfalten  k*mntün;  es 
war  eine  ArbeiUiteüuug,  welche  ihren  Gipfel  in  den  Söldnern 
«Reichte,  die  ▼on  jedem  anberkrimriiclien  Inleresse  soweit 
losgelöst  waren,  da»  aie  sieh  beliebigen  Kriegspariei  an 
Diensten  stellten.  Die  erato  BückgMugigimM^hung  dieser  Dif- 
ferenaiemn^  £and  da  statt,  wo  die  Heere  ihren  internationalen 
oder  im)K>litischeu  Charakter  verloren  und  wenigirtens  dem 
Lande  entstammten,  fiir  da«  sie  focliteii,  ho  dafs  der  Krieger, 
wenn  er  auch  im  Übrigen  nur  dieM  und  nichts  anderes 
war,  doch  wenigstens  zugleich  Patriot  sein  konnte.  Wo  dies 
hhar  der  Fall  ist,  da  wird  doch  die  zugrunde  liegende, 
in  den  Kampf  mitgebrachte  £^p(indung,  der  Mut,  die 
Spannkraft,  die  knegeritche  Titohtigkeit  überhaupt  anf  eine 
Höhe  gehoben,  die  der  ▼atorlandalose  Söldner  nnr  klInttUeh. 
durch  bewulHte  Willensanstrengang  und  mit  entsprechend 
gröfserem  Kraftverbrauch  erreichen  konnte.  Überall  bedeutet 
es  eine  erhetiliohe  Kraftenpamts^  wenn  eine  erforderte  3er 


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X  1. 


thätigu  ng  gern  und  mit  UnterttOtsuiig  des  spontMien  CMlUiles 
geschieht;  die  Widerstftnde  der  Trigheit,  der  Feiglieii,  A%r 
Ahneigung  jeder  Art,  die  eieh  unsem  Thitigketten  entgegen- 

eetzpn ,  fallen  dfinii  eben  von  selbst  wAhrend  es  i^onst, 

wenn  unser  Herz  nicht  dabei  bcteiTip;t  iat.  be^ondferor  Aii- 
atreagung  bu  ihrer  Überwindung  bt^jiarf.  Da«*  höchste  Mnis 
so  zu  emielender  KrafterspAmis  stellen  die  racxlemen  Vuiks- 
heere  dar^  in  denen  die  Differenzierung  des  Kriegerstandee 

EBtirlIckgebildet  kt  Indem  die  Welirpfliolil  mto  tneder 
I  Bürger  trill^  indem  die  GeuonAeii  emes  tm  unermefe- 
▼iden  Elementen  bestehenden  Vaterlandes  an  jeden  Ein» 
seinen  gewieten  ist  und  mit  auf  ihm  niht,  indem  mannioh* 
faltigste  eigene  Interessen  der  kn'egerischen  Verteidigung 
bedürfen,  —  ¥rird  ein  Maximum  von  iimerliehen  Spannkräften 
dieser  Hiohtung  frei,  und  es  bedarf  wedt^r  de»  Soldes,  noch 
des  Zwanges,  noch  der  künstlichen  AnsyKiunung,  um  den 
gleichen  oder  vielmehr  einen  viel  höheren  mditärischen  Effekt 
SU  ersiden,  als  die  DifierensieruDg  des  Kriegerstandet  ihn 
iier  y  erbr sehtBi 

Diese  auch  sonst  liAuBge  Art  der  Entwicldttig,  nach  der 
des  letste  Glied  derselben  eine  ähnliche  Form  wie  des  An- 
fengaglied  aufweist,  sehen  wir  in  der  wichtigen  Frage  nach 
der  Stellvertretung  differenzierter  Organe  ftlr  einandor.  Im 
körperlichen  T.eben  sind  stellvertretende  Tlifitigkeiten  nicht 
bellen,  und  e«  idt  zunächst  klar,  dafs.  je  niedriger  und  un- 
ditferensierter  der  Bau  ciiues  Wesens  Ut,  äciiie  Teile  um  so  eher 
für  einander  Vikariieren  kOnnen;  wenn  man  den  Stlfswasser- 
polypOD  nmkiinipelt,  sodefs  «ein  innerer,  bisher  verdenender 
Teil  •&  die  Stelle  der  Heut  kemmt  ond  umgekehrt»  so  findet 
demiMehst  eine  entsprechende  Vertauschung  der  Funktionen 
•mt^  eodafs  die  frahere  Ebut  nun  des  ▼mdauende  Oigan  wird 
u.  s.  w.  Je  feiner  »ich  nun  die  Organe  einas  Weaens  individuell 
Rusp^'estalten,  desto  mehr  ist  jedes  einzelne  auf  B<^ine  bewoiid^re, 
von  keinem  anderen  erfüllbare  Funktion  an^i) wiesen.  Aber 
serade  bei  dem  Gipfelpunkt  aller  Entwicklung,  bei  dem  Ge- 
mrUf  ist  ein  Vikanieren  der  Teile  fUr  einander  wieder  iu  re> 
InÜT  kolrttt  Hülse  vorlisiiden.   Die  teilweise  Fü&lihmnng, 
die  eiii  Kmiineben  durch  teilweise  ZerstSrung  der  Himriiiae 
•riittsOy  wird  naeh  einiger  Zeit  wieder  aufgehoben.   Die  uphsr 
stachen  Störungen  bei  Verletsong  des  Gehirns  lassen  sich  zum 
Teil  wieder  piitmachen,  indem  offenbar  nndere  Himparticen 
die  Funktionen  der  verletzten  fibernehmen;  auch  ein  Vikariat 
nach  der  quantitativen  Seite  hin  findet  statt,  indem  nach  Ver- 
lust eines  Sinnes  die  übrigen  an  Scharfe  soweit  auzunehmen 
pflegen,  daTs  sie  die  durüh  jenen  Verlust  behinderten  Lebens- 
sweeke  mflgKehst  «neielien  helfen.  Dem  entspricht  es  nun 
mz,  wenn  innerhelb  der  niedrigsten  Cksellsefaeft  die  Un* 
eiflwuisierdmt  ihrer  Ifilglieder  es  mit  sieh  briqgt,  dsfs  die 


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1S4 


X  1. 


meiiteii  ia  ihr  vor  sich  gehenden  Thätigkeiten  ▼on  jedem  be* 
liebigen  yollsogen  weiden  können,  jeder  an  jedes  Stelle  treten 
kann.  Und  wenn  eine  höhere  Entwicklung  diese  Höglichkeil 
des  Vikariats  aufhebt,  indem  sie  jeden  für  eine  dem  andern 

versagte  Specialitilt  aasbilrlet,  so  fin(^on  wir  gerade  wieder^ 
dais  die  höchsten  und  intelligeutesten  Menschen  eine  hervor- 
ragende Fähigkeit  besitzen,  sich  in  alle  möglichen  Lagen  zu 
finden  und  alle  möglichen  Funktionen  zu  übernehmen.  Dio 
Diifereneieruiu;  hat  sich  hier  vom  Ganzen^  von  dein  öic  die 
Einseitigkeit  der  Teile  fordert  auf  den  Teil  selhal  ttbertragen 
und  dieeeni  eine  eelehe  innere  J  Ifannichfidtiffkeit  verliehen,  adk 
fir  jeden  aufUnchenden  ftuTseren  Anspruch  eine  entsprechende 
Flihigkelt  da  ist  Die  Spirale  der  Entwicklung  erreicht  hier> 
mit  einen  Punkt,  der  senkrecht  über  dem  Ausgangspnnkt 
liegt:  auf  dieser  Höhe  der  Ausbildung  verhält  sich  der  Ein- 
zelne zum  Ganzen  nicht  anders,  nls  im  priinitiven  Zustande, 
nur  dafs  in  diesem  beides  nicht  differenziert,  in  jenem  aber 
differenziert  ist  Die  öcheinbare  BUckbildung  der  Differen- 
zierung, die  in  diesen  Erscheinungen  liegt ,  i^t  ihat^chlicb 
eine  Weiterbildung  derselben;  sie  ist  an  den  Mikrokosmos 
sarilckgegangen. 

In  enteprecheuder  Weiee  kann  man  die  oben  daif^^te 
militärische  Entwicklung  nicht  als  eine  Rückläufigkeit  des 
Differenzierungsprozesses  ansehen,  sondern  als  einen  Wechiel 
dor  Form,  in  der,  und  des  Subjektes,  an  dem  er  sich  voll- 
zieht WÄhrend  zur  Zeit  der  Söldner  nur  ein  Bruchteil  dea 
Volkes  Soldat  war.  aber  ziemlich  das  ganze  Leben  lanpr,  ist 
es  jetzt  das  gauze  Volk,  aber  nur  eine  gewiHgc  Zeit  hiug.  i>ie 
Differenzierung  hat  sich  aus  dem  Nebeneiiiaudcr  innerhalb 
der  Gesamtheit  auf  das  Nacheinander  der  Lebensperioden 
des  IndiWdmime  abertiv^sen*  Überhaupt  iat  diese  Differenz 
nerung  der  Zeit  nach  wichtig,  dersulbljEe  nidit  Übertraining 
einer  Funktion  auf  einen  bestinimten  Teil  und  gleichseitig  di* 
einer  andern  auf  einen  andern  stattfindet,  sondern  das  Game 
EU  einer  Zeit  sich  einer  bestimmten  Funktion  hingiebt^  zu 
einer  andern  einer  andern.  Wie  boi  der  homochronen  Ditfe- 
rcnzferung  ein  Teil  sich  einseitig  ^^egen  anderweitig  mögliche 
Funktionen  versehlielst ,  so  hier  eine  IVriode.  Jener  auf  bo 
vielen  Gebieten  bemerkbare  Paralleli&muö  der  Erscheinungen 
der  räumlichen  Folge  und  der  zeiüiclien  Folge  nach  macht 
sich  auch  hier  geltend.  Wenn  der  W^  der  Entwicklung  der 
isty  dafs  uns  unterschiedsloser  Organisation  sich  scharf  ge- 
sonderte, nebeneinander  funktionierende  Glieder  bilden,  dafis 
aus  der  homogenen  Masse  der  Gruppengenossen  sieh  indivi- 
duelle, einseitig  ausgebildete  Persönlichkeiten  differenaieren: 
80  geht  eben  derselbe  auch  dahin,  dafs  das  gleichförmige,  von 
Antang  ait  in  geradlinigeren  Gleisen  verlaufende  Leb»*n  nie- 
driger Stufen  in  immer  entschiedenerci  schärfer  gegen  einander 


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135 


■tgwetite  Feriodflü  lerftUt,  «id  dab  ttberhau^t  da«  Leben 
des  EhiMliMii,  wennKleich  aU  OaniM  und»  ralatiT  betnchtet, 
emaeitigery  ao  doch  in  sich  eine  immer  ^faere  MaDnickfaltig- 

Iteit  von  beaondem  charakterisierten  EntwicklungsAtÄdien  durch- 
macht.   Darauf  weist  schon  die  Tliataache  hin,  dafs,  je  höher 
ein  We^en  steht,  es  um  so  langsamer  den  Gipfel  »einer  Ent- 
wicklung erreicht;  während  das  Tier  in  der  kUrsenten  Frist 
aUe  die  Ffthigkeiteu  völlig  entwickelt,  in  deren  Austkbung  dann 
aem  weiterer  Lrf)en  vergeht  Inwieht  derMenieli  dam  vsTer- 
l^eÜiieb  Iti^ere  Zeit  nnd  dnrtUiaft  abo  viel  mehr 
achiedenarttge  Entwicklnngsperioden;  and  offenbar  mala  aleh 
dies  in  dem  Verfaähnia  des  niederen  Menschen  sum  httheran 
wiederholen.    Das  Leben  der  h(^chsten  Exemplare  unserer 
Gnttung  ist  oft  bis  in  das  Gmsenaiter  hinein  fortwährende 
Entwicklung   —  Mxiarä    Goethe   noch    die  Unsterblichkeit 
daraufhin  postulierte,  dafs  er  hier  keine  Zeit  ru  vollkomroner 
Entwicklung  hUite  — ,  von  der  man.  soffar  oft  die  Vorsteliung 
hat,  daCi  £e  ^Alere  Stufe  nicht  aewohl  ein  ForlaehriU  (Iber 
tede  frohere  hiniaa  und  dieea  nur  die  so  überwindende  Voi^ 
Dedingnng  in  Jener  sei,  aondem  vielmehr  die,  ab  ateUten 
diese  Tenehieraien  Überzeugung«-  und  BethAtigungsweitien 
die  an  sich  gleichberechtigten  Seiten  des  menschlichen  We- 
sens dar;  \\M  von  den  Wesen,  die  das  Ganse  unserer  Gattung 
möglichst  vollkommen  in  sich  repräsentieren,  wUrdeii  mt  im 
Nacheinander  durchlaufen,  weil  ihr  Bestehen  im  gleichzeitigen 
Nebeneinander  logisch  und  psychologisch  unmöglich  lat.  Ich 
erinnere  daran,  wie  ein  Kant  eine  rationalistisch-dogmatische, 
eine  akeptiache  und  eine  kritiache  Periode  dareblante  ha^ 
deren  jede  eine  allgemeine  und  relativ  berechtigte  Seile  menach- 
Kdier  Anabtldong  daietellt  und  aonat  in  gleichseitiger  Ver- 
teiloBg  auf  Ten^iedene  Individuen  vorkommt;  ferner  an  den 
Stilwechsel  innerhalb  küiistlerisclu  r  Entwicklungen,   an  den 
Wechacl   aufserberuf lieber   lutcre^Hen  —  von  dem  der  Vei^ 
kehrskreise  bis  r.n  dem  des  »SpoTt^s  — ,  an  die  gegenseitige 
Verflräugiin^  rpalistischer  und  id«;alistischer,  theoretischer  und 
praktischer  Epuciien  den  i^cbens,  an  die  sich  al^Osenden  Über- 
leugungen  in  mancher  grofaen  politiaehen  Laufbahn.  Jede 
Farteimeinniig,  der  die  letatere  etwa  aieh  abachnittsweiae  an- 
wendet mht  auf  einem  tiefgegründeten  Interesae  der  me&aoh 
lidMn  Natur;  insofern  die  Gesamtheit  flberhau|?t  ibrtochreitety 
entwickeln  sich  in  ihr,  obj*chon  nicht  immer  in  gleichen  Mafs- 
▼erhältnie*?en  ,  die  Momente,  die  für  KoUektivismuM  wie  ftir 
Individualiismus.  f^ir  konservative  wie  lür  iortschrittiiche  Mafs- 
regeln,  för  Bevi  i mundnng  wie  für  Liberalismus  sprechen; 
und  die  wachsende  Entschiedenheit  des  Parteileben«  zeigt, 
wmm'  niebt  das  Recht,  so  doch  die  psychologische  Kraft  jeder 
dieaer  Tendanien.  Wenn  der  Einaeine  nun  befthigt  iat,  die 
Oiaamthait  in  aieb  anftnnehinett  und  aum  Schnit^mnkt  dar 


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180 


X  1. 


ia  Ihr  «ogesponnenen  Fäden  xu  werden,  ao  itt  dies  entweder 
in  H*btlieinander  oder  im  KaeheinMider  ihrer  einzelnen  Mo- 
mente möglich.    Und  hier  kommt  der  Creticktspunkt  der 

Krafterspanns  wieder  zur  Geltung:  wo  entg-efrengesetzUi  Ten- 
denzen gleichzeitig  ihren  Anspruch  auf  unser  Bewufstsein 
geltend  m&chen,  wird  unzählig«  Male  Herbun^.  Hemmung^ 
unnUtEOR  Aufbrauchen  von  Kraft  stättfiaden.  Dictum  diflFe- 
rentiert  die  natürliche  Zweckmäraigkeit  dieselben ,  indem  sie 
■M  ftlif  vwmhMtn»  ZeitiiKmiente  Terteilt  Die  Kreft  eis- 
•eitiffer  Penflnlichkeiten  erklärt  steh  sehr  vielfach  gewilii  nieht 
•0^  oeft  sie  voa  Tenihertin  etne  IlbeniormiJe  KrafitMiinie  be- 
sitzen, sondern  si>,  daft  ihaeo  die  unntttse  Hemmung  und 
Aufreibung  derKmift  durch  Verschiedeoartigkeit  der  Interoeaea 
und  Strobnngen  erspart  bleil»t:  nnA  entni» rechend  leuchtet  e« 
ein^  dnfK  bei  einer  gc-gebenen  Mannichfaltigkeit  von  Aula^^fn 
und  Heizbarkoiten  dasjenige  We^on  die  gT;nnpf<t**n  inneren 
WiderMtÄnde ,  sdm  <lt'ii  g'-riagsten  Kraftverb  rauch  nufweiseu 
wird,  da»  in  jeder  gegebenen  Periode  scinoi  Lebens  sich  ein- 
seitig der  einen  oder  der  anderen  hingiebt  und  bei  der  Un* 
mOglichkeiti  dieselben  im  Nebeneineader  an  wiohiedrae  Or> 

nea  verteileB,  sie  wenfgateaa  na  Naeheiaaader  aa  gevoa« 
»Epochen  differenziert  Dann  wird  das  ZufMimmentrcifea 
enigegcngesotzter  Strobungen  und  eia  geeeaaettiges  Paralysieren 
ihrer  Kraft  nur  in  relativ  kurzen  Übergangsperioden  statt' 
finden,  in  denen  da«  Alte  noch  nicht  panr  u>t.  <\m  Neue  T\och 
nicht  gany.  Irbendip;  ist,  und  die  deslKtlh  uucL  immer  ein  ge- 
ringerem Mais  von  Kraftent^vicklung  «iarbieteu. 

Zu  derselben  Lösung  der  Frage  nach  der  Timtigkeits- 
A\%  die  ein  Maximum  von  Kraft  »p&re,  rosp.  entwickle,  kommt 
man,  wena  man  aieht,  wie  bisher,  daa  Kacheiaaader  dee  Ver- 
aohtedenea,  eoadera  die  Veveehiedeabeit  im  Kacheiaaader  be* 
tont  Ist  die  Aafgabe,  mannichfaltige  Strelwngen  so  ansu- 
ovdaea,  dafs  me  sich  in  mögliclist  rollkommener  Weise  und 
mit  mögliehster  {)n6i|rie  ausleben  ktVnnen,  so  hatten  wir  ihre 
Diffprenziening  in  der  Zeit  al«  erforderlich  erkanirt;  wenn 
nun  umgekehrt  eine  zeitliche  Entwicklung  ^^('i^f^hen  int  und 
gefragt  wiH  ,  "Mrelcher  Inhalt  ftir  nie  der  gtu^igneuitc  sei,  um 
mit  raögl lehnt  wfjn>!:  Krat'Uufwand  fm^^  möglichst  grofse  Wir- 
kuü^  zu  erzielen,  »o  mui»  i^oantwortet  werden:  ein  in  sich 
möglicbet  differensierter.  Die  Analogie  mit  dem  Nutzen,  den 
der  Fraehtirechael  gegenllher  der  Zweilelderwirtschaft  bringt, 
aafa  hier  jedem  beifallen.  Wird  eia  Feld  immer  mit  der- 
selbea  FruchUrt  bejlflaaai^  io  «ad  ia  relaÜT  karaer  Zeit  alle 
die  BeHaadletle,  die  sie  in  ihrer  fiatwieklaag  branchti  dem 
Boden  entzogen ,  and  dieser  bedarf  der  Ruh^  zu  ihrer  Er- 

Sänzung.    Wird  aber  eine  andere  Art  angepflanzt,  .^o  hedarf 
iese  anderer  Rodenhe^itand teile,  welchi*  von  jener  imht  be- 
ansprucht worden  sind,  und  lili'st  dafür  die  bereits  ersch<>|>ftea 


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nk  Ruhe.  DtMelb«  Feld  gewfthrl  «bo  sw«  renchiodMieft 
Arten  dl«  llögHolik«it  der  EntwiekTung^  die  es  iwei  gleiehe» 
nicbt  gewahrt  Die  Aniprfidie^  die  an  die  Kr&ft  des  menaell» 
HekeQ  Weseni  gestellt  werden,  verhalten  sich  nicht  auden. 
Der  veränderte  Anspruch  zieht  aus  dem  Boden  des  Lebens 
eine  Nahrungr,  Hi'e  <ler  unv»>rändprt  g;pKHf»b^nf»  nicht  gefunden 
hätte,  weil  er  auf  dio  triifier  gebrauchten  und  deshalb  m«hr 
oder  weniger  verbrauchten  angewiesen  wäre.  Auch  un?<ere 
Beziehungen  zu  Mcn»chen  erscrirtpfwn  sich  leicht,  wenn  wir 
immer  dasselbe  von  ihnen  verlangen,  während  sie  sich  frucht* 
bar  erludlen,  wwb  wir  dnreh  aDwecheelttde  Aneprllehtt  rw 
aehiedene  Teile  ihres  WeMns  in  Thätigkeit  selMn.  Wie  d«r 
Ifenieh  in  sensorischer  Besiehimg  ein  auf  den  Unteischied 
aneewiestnas  Wesen  isty  d.  h.  nur  den  Unterschied  gßfgBn  den 
bisherigen  Zustand  empfindet  und  wahrnimmt,  so  ist  er  es 
auch  in  motoriwher  Besiehung,  in8of«rTi  Ah^  Encrj^te  der  Bp- 
weifTin^  «ich  aufiwrordcntlich  .Hchnoll  alisturapft,  wenn  öie  keine 
Unterschiede  enthält.  Die  Kratteryp.irnis  aus  dieser  Form 
der  Diffcren2ierung  unseres  Handelns  läfst  sich  folgender- 
maiisen  darätellen.  BaU^n  wir  zwei  verschiedene  Thätigkeits- 
formen  a  nnd  b  fw  uns,  die  den  gleicken  oder  swei  quanti- 
tstiT  gleiche  Eflbkls  e  hervorbringen  können,  nnd  haben  wir 
■Geben  oder  eine  Zeit  bog  hinlereinander  schon  a  ausgettbi: 
■0  wird  snr  weiteren  Erreichung  von  e  durch  a  eine  grOfsere 
AnstrSB^ng  gehören .  als  durch  b,  das  eine  Abweeiiselung 
pegen  die  In'sherige  Tliätigkeit  bildet.  Wie  es  für  den  Em- 
pfindungsnerven eines'  froheren  zent.-ip<»talen  Rpfzes  b-ui/irf,  um 
nach  eben  stAtt^chf^btfcr  Erregung  noch  einmal  die  gleiche  su 
produsieren,  al«  wenn  eine  gleiche  von  einem  andern,  bisher 
nicht  oder  in  anderer  Weise  gereizten  verlaugt  wird:  gennu 
so  braucht  es  eines  gröfseren  zentrifagalen  Reizes,  also  eines 
grnfaeraD  Oesimt-  Kraftaufwandes  des  Or^psnisnins,  nm  dei| 
eben  ersellsa  EIMct  noch  einmal  so  bewirken,  ato  wenn  es 
sieh  nra  einen  neuen  handelt,  für  den  die  specifisehe  Energie 
noch  nicht  Terbraau^t  ist  £s  ist  nicht  mf^glich  sn  M^en, 
dafs  ein  Wesen,  dessen  Bethätigungcn  im  Nacheinander  nicht 
differeniiert  sind,  dnahalh  schon  mehr  Kraft  verbrauche,  als 
ein  differenzierenden,  wohl  abt^r,  dal»  es  mehr  Kraft  ver- 
braucht, wenn  es  gleich  groise  Ertolge  wie  das  letztere  er- 
reichen will. 

Überblicken  wir  die  bisher  gewonnenen  Resultate,  so 
sebeint  si<^  ein  todamentehar  Wldmpmch  dnreh  sie  hindurch 
sn  sieliea,  den  ich  statt  dnreh  Rekapitulation  lieber  direkt 
darstellen  will.  Die  DüEsreniierung  der  socialen  Gruppe  steht 
nlMÜch  offenbar  zu  der  des  Individuums  in  direktem  Gegen- 
seni.  Die  erstere  bedeutet,  dafs  der  Einzelne  so  einseitig  wie 
TO'^plich  aei,  dafs  ir?;:end  eine  singulftre  Anfj^];-«}»«  ihn  ^siuz  **r- 
fttiie  und  die  Üesamtheit  seiuer  Triebe,  Fähigkeiten  und  in- 


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teresaen  auf  dtflwn  «neu  Ton  «ligMtimmt  sei,  weil  bei  der 
Eraaeitigkeit  des  Einzelnen  die  gröfste  Möglichkeit  und  No^ 
wandigkeii  dafür  vorhanden  ist,  dafs  aie  sich  inhaltlich  ron 
der  jedes  andern  Einzelne  unterscheide.  So  bannt  der  Zwang 
der  ofreiitlich  w»rtf?c:haftlichen  Verhältnisae  den  Einaeinen  »ein 
Lieben  lan^  in  dte  eintürmig»tc  Arbeit,  in  die  iim8chrÄnktf»«te 
SpeciaiiUü  ,  weil  er  auf  diese  Weise  die  Ferügkeit  in  ihr  er- 
langt, die  die  geforderte  Güte  und  Billigkeit  de«  Produktee 
armimicht;  ao  ▼erinngt  das  tttotHebe  Inieraae  oft  Efnaeitig- 
ktit  im  politiMben  8ttuidpanktM,  die  dma  Einaehien  oft  dnreli- 
nas  nicht  sympathisch  ttt^  wofür  die  Soloniaelio  Bestimmung 
Uber  Parteilosigkeit  kmaiitsiehea  iat;  so  atei^rt  die  Allge- 
meinheit die  Ansprttche  an  diejenigen,  denen  sie  irgendwelcne 
Stellunfren  gewährt,  demrt,  daiK  ihnen  oft  nur  durch  nufserate 
KoTizdntrfttfoTi  jiuf  da»  Fach  unter  AusacLlufs  aller  andern 
Bildungsintere3«en  günt^  werden  kann.  Dem  gegenüber  be- 
detitet  die  Differeiiziening  de**  Individmiins  gerade  da«  Auf- 
heben der  Einseitigkeit;  sie  löst  Ineinander  der  Willens- 
und  Denkdüiigkeiten  evf  und  bildet  jede  denelben  sa  einer 
Älr  sieh  beatehenden  fiigeniehaft  nita.  Qende  indan  der 
Elnselne  daa  Sdiidcial  der  Gattung  in  aidi  wiederholt,  setat 
er  sich  in  Gegensatz  au  diesem  selbst;  das  Glied,  das  sich 
nach  der  Norm  des  Ganzen  entwickeln  will,  neeiert  damit  in 
diesem  Falle  Feine  Hollo  als  Teil  deaflelben  Die  Mannich- 
faltigkeit  «(^haiT  gesonderter  Inhalte,  die  daa  (ianze  verlang 
ist  nur  hersteilbar ,  wenn  der  Kinaeine  aui  eben  dieselbe 
verzichtet:  man  kann  kein  Hau»  au«  Hüiij^ern  bauen.  Dafs 
die  Entgegen^esetztheit  dieser  beideu  Teudeuiien  keine  abso- 
lute ist.  sondern  nneli  reieeliiedanen  Seiten  hin  ihre  Qrenae 
findet,  ist  deshalb  selbstTeitllUidiieh,  well  der  Trieb  der  Diflb- 
reniiening  selbst  nicht  ins  ÜnendKcfce  geht,  aondem  fiir  jeden 

C geben en  Einzel-  oder  Koilektivorganismus  an  d«n  Ckltungs- 
reich  des  entgegengesetiten  Triebes  halt  maehen  mnfa.  So 
wird  es,  wie  wfr  schon  mehi-fach  hervorgehoben,  einen 
Grad  voTi  Individualisierung  der  Gruppenmitglieder  geben, 
bei  rlein  tu  (weder  die  LeiatuJigaf^higkeii  dieaer  auch  für  ihren 
Specialberut  aufhört,  oder  bei  dem  die  Cfnippe  auaeinander- 
iallt,  weil  ji:ne  keine  Beziehungen  mehr  mü  einander  finden. 
Und  ebenso  wird  auch  daa  Individuum  aioh  selbst  darauf 
▼eraiehten,  die  Mennichfaltigkeit  seiner  Triebe  bss  in  die 
Aufserste  MögUohkeit  hin  auemleben,  weil  dies  die  vnarWig- 
lichate  Zerspiitlei*ung  bedenten  wQMle.  Innerhalb  gewisser 
Grenaen  wird  also  daa  Interesse  des  £tnidnen  «n  «einer 
Differcn'/^iornng  im  Sinne  eines  Ganzen  zu  keinem  andern 
Zustand  tühren ,  al«  dns  Intere?««;*»  der  Gesamtheit  an  iciner 
Differenzierung  im  Sinne  eines  Uiiedes.  Wo  aber  die^e  Grenze 
liegt,  wo  die  Wünsche  des  Einzelnen  nach  innerer  Mannieh- 


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falti^keii  odtr  nach  sDecialisierter  £mBeitigkeit  mit  den  gleichen 
Forderungen  der  Allgemeinheit  an  ihn  znsammen&Uen ,  da» 

werden  nur  di^enigen  im  Prinzip  awsmRchen  wollen,  die  die 
aus  augenblicklichen  VerhältnisAezi  sich  ergebende  Forderung 
nur  so  meinen  stützen  zu  können,  dafs  sie  sie  aU  absolute, 
aus  dem  an  sieb  seienden  Wes^n  der  Dinge  folgende  bin- 
stellen.  Es  ist  jedenfalls  die  Au%abe  der  Kultur^  jene  Grenzen 
inmiar  sa  «rwaitem  mid  die  todalan  wie  die  individiielleii 
Anfallen  immer  mehr  so  an  gestalten,  daTa  der  gleiche  Grad 
TOD  Differenaiamng  ftir  beide  erforderlich  ist  • 

Was  gegen  &  mehiende  Verwirklichuig  dieses  Zielea 
spricht,  ist  vor  allem  dies,  dafs  die  entgegengesetzten  An- 
sprüche von  l>eiden  »Seilen  Ijer  wachsen.  Wenn  nämlich  das 
Uanze  stark  differenziert  ist  und  eine  Fülle  sehr  verschieden- 
artiger Thätigkeiten  und  Perermlichkeiten  einschliefst,  so 
werden  die  Triebe  und  Anlfi^eu,  die  durci^  die  Vererbung  in 
dem  £uMMlnen  anftreteD,  achiiefsliGh  gleicbfidls  sehr  manniolir 
ftltige  nnd  diTcrgente  aein  .und  werden  m  ..ihrer  ganaen  BnnV 
ImH  und  Divergenz  in  demselben  Mafse  zur  Äulserang  dringen» 
in  dem  gerade  die  Differenzierung  der  Verhältnisse,  die  n» 
herronrief,  ihnen  die  M'v'^>«  hkeit  dieser  allseitigen  Bewährung 
versagt.  So  lange  die  Ditferenzierung  des  socialen  Ganzen 
noch  nicht  die  Individuen,  sondem  vieiraehr  ganze  Unter- 
ahteilungeii  desselben  betrifft  —  also  bei  Herrschaft  de» 
ELastenweäüüb,  des  erblichen  Handwerks^  auch  der  patriarcha- 
lischen FanuUenform  und  der  Zunft,  und  bei  jeder  grdüieren 
Sireiiffe  der  Standeanotendiiede  — ^  wird  dieier  innere  Wider* 
apmen  der  Ktetwli^diuiflf  noch  weniger  aaHbreten,  weil  die  Ver> 
erbnng  der  Eigenschaften  wesentlich  innerbalb  dea  gleichen 
Kreises  bleibt,  also  solche  Personen  trifft,  die  die  so  ttber^ 
lieferten  Triebe  und  Dispositionen  nnch  ausbilden  k<^nnen. 
Sobald  indes  die  Kreise  sich  misclien,  aei  es  so.  dafs  der  Ein- 
zelne an  mehreren  Teil  hat,  sei  es  durch  Anhäufung  der  von 
verschiedenen  Ascendenten  ausgehenden  Anlagen  auf  einen 
£rben,  da  wird  mit  der  Andauer  eines  solchen  Zustandes 
dnrck  Tiele  Generationen  aeUiefotidi  jader  Einielne  eine  Reihe 
nnerfUlharer  Forderungen  in  sieh  nlhlen.  In  je  nm&ssen- 
derer  Weiae  die  Teiaciiedenen  Bestandteile  der  OesoUnchaft 
sich  kreuzen  y  desto  yerschiedenere  Dispositionevi  trägt  jeder 
Nachkömmling;  von  ihr  zu  Ijehen,  desto  vollkommner  erRcneint 
er  der  Anlage  nach  als  ihr  Mikrokosmos,  desto  unnjög;licher 
aber  ist  es  ihm  zugleich,  jede  Anlage  zu  der  Kntialtung  zu 
bringen,  auf  die  sie  hindrängt  Denn  erat  bei  t^tiirkem  An- 
wachsen   des    socialen  Makrokosmos  üudct  jene  Mischung 

aeiner  £iemento  statt,  nnd  gerade  dieses  Anwaohaen  awingt 
ihn,  imaier  grOiaere  Specialisierang  aeiner  Uitp^ieder  an  ver» 
hmgen.  Hiennit  mag  die  grOfaere  Hftafigkeit  der  aogenannten 


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140 


problematischen  Naturen  iii  der  modernen  Zeit  in  ZuRaniinen- 
hai\g  stehen.  Goetlie  bereichnet  ais  problemaÜÄch  üülche 
Naturen,  die  keiner  Situation  geuugthun  und  denen  keine 
Sttaatton  ganugtlmt  Wo  etsh  nun  mne  grofte  Aniaiil  von 
Triebe  und  IMipoeitioiien,  die  naftttriiefa  anch  in  Form  von 
Begehrungen  auftreton,  suMHttmenfindet,  da  wird  da«  Leben 
leient  sehr  viele  unaufgegangene  Reste  aeigen.  Die  Befiiedi* 
gungen,  die  die  Wirklichkeit  zu  bieten  weifs,  betreffen  nur 
dieses  und  jenes  einzf^fite  VerlÄngen,  und  wo  m  ursprttnglich 
scheint;  als  ob  ein  S<  kicksal,  eine  BoHchäftignug,  ein  Ver- 
hältnis zu  Menschen  uns  ganz  ausiUllte,  da  pflegt  doch  bei 
vielseitigeren  Naturen  bald  eine  Lokalisierung  der  Befriedi- 
gung einzutreten,  und  wenn  die  Verbindungen  innerhalb  der 
Seele  aunMehat  auch  den  Reis  auf  das  Oanae  derwlben  aicli 
Ä>r^BaBsen  Husen,  so  bewhrftnkt  er  eich  doch  in  kunem  auf 
«einen  ursprünglichen  H«rd,  die  qrmpathisch  erregten  Schwin- 
gungen verklingen,  und  das  Problem  allseitiger  Befriedigung 
■wirrt  auch  durch  diese  Situation  nicht  als  gelöst  erkannt.  Una 
die  Verhältnisse  ihrerseits  fordern  für  die  specielle  Lagi^  den 
ganze  n  MenHchen.  dor  suli  derselben  aber  doch  nur  dann  ge- 
v,'ahreTi  katni,  wenn  diü  { JpMarntheit  seiner  Ardn^^en  sich  einiger- 
m&iüen  oach  dieser  Richtung  hin  vereuiigeu  lalttt)   wuä  ebeu 

nnmickli  der  lfannich&lti^eit  der  Vererbungen  inmier  nn- 
wanrMsheinlieher  wird.  Kur  »ehr  atarke  Charaktere^  die  einer- 
seits  deii  nicht  für  die  aogenblickliehe  Forderoni^  geeiffuelen 
Trieben  halt  gebieten,  andererseits  die  Forderung  aelbst  so 
zu  gestalten  die  Kraft  haben,  dafs  sie  mit  thron  eigenen  Be- 
p-f  Ii  runden  ühnreinr^timmt,  —  nur  di**se  k^Jnnen  sich  von  pro- 
blumatiüchev  Wesensart  in  Zeiten  iernhalten,  wo  di«  Lagen 
immer  specialiaiertcr  und  die  Anlag-en  immer  raannichfaltigor 
werden.  Mit  Recht  ini  de«thall»  der  Ausdruck:  problematische 
Katur  fast  au  einem  Synonvmum  von:  schwacher  Charakter  — 
geworden,  wenngleich  die  Sehwtche  des  Charakters  nicht  die 
eigentliche  and  positive  Ursache  jener  Wesensgestaltnng  ist 
die  vieimebr  nur  in  den  Verhältnissen  der  individuellen  und 
der  socialen  Differenzierung  liegt  ^  sondern  nur  insoweit  Ur^ 
Sache,  als  man  behaupten  kann,  dafs  ein  entschieden  starker 
Charakter  diesen  Verhältnissen  ein  Gegengewicht  geboten 
hätte. 

Hier  erzeugt  also  das  Differenzieruugsstreben ,  indem  es 
sich  einerseits  auf  das  Ganze,  andererseits  auf  den  Teil  bo- 
lieht,  einen  Widerspruch,  der  daa  CMgenteil  von  KrafteremurniB 
ist.   Und  ganz  analog  sehen  wir  auch  Innerhalb  des  fiinBel- 

Wesens  die  erwähnte  Differenzierung  im  Nacheinander  in 
Kontiikt  mit  der  im  Nebeneinander  geraten.  Die  EiniuMt- 
HchktM'f  des  Wesens,  <Iie  charaktervolle  Bestimmtheit  des 
Handeins  und  der  Interessen,  das  Festhalten  einer  einmal 


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141 


eingeschlagenen  Entwicklungsrichtung  <—  alles  dies  wird  von 
Btarken  Trieben  niisf^rer  Natur  selb»!  um  den  Preis  der  Kin- 
eeitigkeit  verlangt  und  damit  jen«^  priraSre  Kraftcrspfirnts  «r- 
»ielt,  di«  in  der  t'int'Hchen  Ablehnung  aller  YioÜieit 
dem  ge-gf*nüber  steht  der  Trieb  nach  mehrfacher  Bewährung, 
allseitigur  Entfaltung,  und  bewirkt  die  sekundäre  Kiait- 
rnfMumis,  die  in  der  Glesohnieidigkeit  vieUUtiger  Krifb,  in 
der  Leiehtigkett  dee  Übergangs  ren  einer  Anforderung  dee 
Lebens  an  die  andere  liegt.  Man  kann  nuch  bierin  die  Wir- 
kuug  der  grofsen  Prinzipien  sehen,  die  allee  eigenieohe  Leben 
bestimmen:  der  Vererbung  und  aer  Anpassiug;  die  stabile 
£inheitlicbkeit  de«  Lebens,  die  Gleichheit  des  Charakters  der 
einen  Lebens  Periode  mit  der  andern  ent«pricht  am  fndividinim 
dera,  was  an  der  (lauung  als  Erfolg  der  Vererbung  auftritt, 
-während  Mannichfahigkeit  im  Tliun  und  Leiden  als  Anpaabung 
etecheint,  als  Modifikation  des  angeborenen  Charakters  je  nach 
den  Unstinden,  die  in  unberechenbarer  FoUe  und  Entgq^cn- 
Mielntheit  an  uns  hermtreten.  Und  nun  sehen  wir  den  Kon- 
flikt dieser,  auf  das  ganae  Leben  eratreekten  Tendenzen  sich 
innerhalb  des  DifferensieraogMtrebens  sen>et  wiederholen,  wie 
ttberhaupt  im  Organischen  ih\<  VeHiftltnis  der  Teile  eifie« 
Oanzen  tax  einander  5?irh  oft  itn  ge^'«  nsfiti^^Mi  ^^  rliältniB  <ier 
UnterabteUangen  eines  Teiles  wiederliolt.  Wo  die  Neigung 
für  Differensiening  vorhanden  ist,  da  macht  sich  doch  der 
QegensatB  geltend,  dals  jt^dc  g^ebene  kürzere  £|>oche  einer* 
s^ts  mit  möglichst  achan  auagebildetem,  nach  einer  Rieh- 
tuDg  hin  diiforenmeriem  Inhalt  wMh  and  naeh  irgendwelcher 
2^it  ven  einer  andern,  von  andenn  Inhalt  in  Reicher  Form 
erfiülten»  abgelöst  werde  —  also  DUfisfensiening  im  iiach* 
einander:  und  andererseitw  beiangpnicht  nun  jeder  pepiebene 
Zeitteii  einen  in  siob,  d.h.  im  Nebeneinander,  nin^licK^t  diffe- 
renzierten, mann  ich  fachen  Inhalt.  Auf  unzüliliK' u  (iebieten 
wird  dieser  Zwicppalt  von  der  änCnei^u  n  Wicblipkeit.  Z.  B. 
die  Auswahl  des  Lchrätoffe«  im  die  Jugend  hat  ntets  einen 
Kempromtfii  nwiachen  den  beiden  Tendenien  lu  e^ieleen: 
dnfa  minlehBt  ein  einheitlicher  Teil  des  au  bewilligenden  In^ 
halta  Torgenomroen  und  einseitig,  aber  entsprechend  fest  ein- 
gi^MTigt  weide p  um  dann  einen  andern,  ebenso  bebandelteA 
Jrlatx  lu  machen,  und  daf«  andererseits  doch  auch  ein  Neben- 
einander der  Gef'enstftTi  i»^  stattfinden  mnfs,  das  zwar  nicht  so 
Kchnell  Grüii(ili<:hkeit  erz.ielt ,  nVr  durch  die  Abwechselung 
den  Oeist  fri.sch  und'  anpnsfsuii^ätjihip  erhält.  Die  Ten)})era- 
mente,  die  Charaktere,  ai^  geftanuen  Verschieden  he  Ucu  des 
menschlichen  Wesens,  von  den  ftui'seriiclien  des  Berufs  bia  an 
denen  der  metaphysischen  Weltanschauung,  aeiefanen  sich 
dadurch  Toneinander  ab,  dafs  die  einen  die  Vielheit  mehr 
im  Nacheinander,  die  andern  mehr  im  Kebeneinander.  ent- 


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142 


wickeln,  resp,  bewBltigWL    Man  kann  vielleicht  behanpfeSDy 

(lafa  sicti  die  Proportion  zwischen  beiden  für  jedes  Individuuni 
etwas  anders,  als  für  jedes  andere  stellen  wird,  und  dafs  die 
Ricbti^teUung  derselben  zu  den  letzten  Zielen  ^raktii»cher 
Leben»wei«he!t  gehört  £^  pflegi  erst  durch  die  Reibung  zwi- 
schen den  beiden  Tendenzen  auiberordentlich  viel  Kraft  ver- 
schwendet zu  werden,  ehe  man  aie  so  auf  die  verschiedenen 
Anfraben  des  Lebeni  ▼arteilty  dafa  dm  Prinzip  deir  hOdmen 
Knuterspaiina  genügt  wbd. 

Man  ma(s  indes  im  Auge  behaltwi,  daft  es  aich  im  letzten 
Grunde  hier  auch  mehr  um  einen  gnkduellen,  als  um  einen 
prinzipiellen  Unterschied  handelt  Vermöge  der  Enge  des  Be- 
wuTstseins.  die  den  Inhalt  desselben  in  jedem  jg^eg^ebenen  Aiip:en- 
blick  auf  eine  oder  aufst^rgt  wenige  Vorstellungen  beschränkt, 
ist  doch  auch  das  sogenannte  Nebeneinander  der  verncliie- 
denen  inneren  und  äiifseren  Bethätigung;»  n  und  Entwicklungen, 

fenau  genommen,  ein  Nacheinander.  Dalis  wir  eine  gewisse 
^eriode  alt  EiniMit  abmmen»  «ad  dai  in  är  Vonralieiida 
als  nebeneinander  Torgehend  beaeichnen,  ist  sddieMidi  etwas, 
rem  WtUkttriiches.  Wir  vernachlässigen  die  kleinen  Zeit?- 
unterschiede  zwischen  dem  Auftauchen  der  Entwicklungs- 
inhalte in  einer  Periode  und  betrachten  sie  als  gleichzeitig; 
die  Grf^fse  dfeses  vemachlftasigten  Zeitunterschiedes  hat  aber 
keine  objektive  Grenze.  Wenn  also  in  dem  obigen  pädago- 
gischen Falle  mehrere  Lehrg^e  11  stände  nebeneinander  betrieben 
werden,  so  ist  dies  doch,  genau  genuninieii,  kein  Nebeneinander, 
sondern  ein  Nacheinander,  daä  nur  kUrzure  Intervalle  zeigt) 
ali  in  d«m  Falle^  den  wir  im  engeren  Sinne  so  beeeichnen. 
Fttr  das  Nebenemaiider  bleiben  deninaeh  nor  sweieilel  ipeet- 
fische  Bedeutungen  bestehen.  Zonichst  dae  wecheebeitige 
l^acheinander  der  Inhalte;  sirei  Entwicklnngsreihen  bezeichnen 
wir  als  gletchaeitig,  wenn  iAif  einen  8oliritt  in  der  einen 
immer  ein  solehpr  in  der  andern  und  dann  wieder  ein  Zurück- 
kehren zu  Jener  erfoigt;  aie  sind  so  n.h  Ofinze  in  demselben 
Zeitabschnitt  Uetafst,  wenngleich  ihre  Teüe  immer  verschie- 
dene Unterabteilungen  desselben  erfüllen.  Zweitens  bestehen 
die  Fähigkeiten  und  Dispositionen,  die  durch  nacheinander- 
folgende  Thätigkeiten  erworben  werden,  thatsächlich  neben- 
einander, lodaili  der  eintretende  Reis  jede  beliebige  erwecken 
kann;  neben  dem  Nadieinander  der  Srwerbiingen  nnd  dem 
Maoheinander  der  Ausübungen  besteht  das  Nebeneinander  der 
latenten  Kräfte.  Sind  dies  die  beiden  Formen,  in  denen  die 
Nebeneinander  der  Differenzierungen  seinen  genaueren  Sinn 
findet,  so  wird  die  Konktirrenz  desselben  mit  der  Tendenz 
des  Nneheinnnd^r  sich  folö-endersTinr^ien  darstellen..  Wo  es  in 
einem  abwechseindeu  Auttreten  der  Thätigkeiten  besteht  han- 
delt es  sich  um  die  Frage,  wie  lange  jedes  £lement  des  Korn- 


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148 


plexcs  im  Vordergrunde  Rtdion  soll ,  ehe  ea  von  dem  andern 
akigeioät  wird.  Was  diesen  KonHikt  von  dem  einfachen  zwi- 
schen dem  Beharning3«U;eben  der  einzelnen  Thätigkeitsform 
und  dem  sich  Vororftnfiren  der  andern  unterscheidet,  i»t 
die  dadareb  aintretende  ModifikitUm»  daft  hiar  mit  dem  Nach- 
lasten  jeder  die  VontaUmig  ihrer  Rflckkehr  Terbunden  iet 
Dies  kjum  das  NacUassen  einerseits  erlefebteni;  es  lumn  es 
aber  auch  erschweren,  sobald  der  Übergang  von  einer  aar 
andern  Uberhaupt  mit  Schwierigkeiten  verounden  ist  und  ncm 
das  Bewufstsein,  dafs  mit  jedem  ersten  Wechsel  auch  gleich 
der  zweite  näher  rttokt,  leicht  zu  einem  möglichsten  Hinaun- 
schieben  des  ersten  führen  kann.  Ein  deutHcnes  Gegenntreben 
der  erwähnten  Tendenzen  tindet  äich  nun  etwa  in  der  Orga- 
sitientiw  der  Beamteoftmlctionen,  aßi  es  im  privaten  oder  im 
alleadicbeii  Dienst  Der  Vorseeetito  oder  Cbef  wird  oft  ein 
Interesse  daran  baben,  daTs  die  Tbitikkeit  seiner  Beamten 
einen  gewissen  Kreis  von  Aufgaben  nmhese,  denen  sie  sich 
abwechselnd  widmen.  Dies  hat  eine  grOfsere  Oewaadtheit  in 
den  Geschäften  und  vor  allem  die  Erleichterung  von  nötig 
werdenden  Stellvertretungen  und  AuHhülfen  zur  Folge.  Dem 
aber  wird  sich  oft  ein  Interesse  des  Beamten  selbHt  entgegen- 
stellen, der  die  ihm  überhaupt  zugänglichen  Funktionen  lieber 
in  eine  Beihe  gliedern  wird,  die  die  eine  endgttltig  abgethan 
■ein  ^lib^  wenn  die  nächste  oMmnt  Denn  bietdnreb  erretdbt 
er  Tiel  eher  ein  Aa&leigen  im  Dienst,  indem  aebr  blnfig  niebt 
•owobl  die  höhere  nna  besser  bezahlte  Funktion  die  tpilere 
ut,  als  vielmehr  die  gewohnhoitsmftftig  später  aufgetragene 
schliefslich  als  solche  die  Würde  und  das  Entgelt  einer  höheren 
gewinnt,  wie  dies  namentlich  in  der  Hierarchia  der  Sub- 
alterneiL  aber  auch  bei  den  höchsten^  an  die  Sinekure  .ntrei- 
fenden  Stellungen  zu  beobachten  ist  Wo  dagegen  schon  aller- 
hand höhere  und  niedere  Funktionen  in  abwechselnder  Folge 
in  einer  SteUnns  befiUal  «ind,  da  wird  aicb  das  Ansteigen 
aoe  derselben  mebt  so  leicbt  (^ben^  weil  die  Diiferemnetnnae* 
aomente,  die  sonst  die  Form  dea  Nacheinander  forderten  oder 
mit  sidi  bracbten»  bier  acbon  sngleiebi  im  Nebeneinander^ 
bestehen. 

Zu  anderweitigen  Konflikten  führt  der  ?;weite  vSinn  eines 
wirklichen  Neberieinandcr  der  Differenzierungen  am  Indivi- 
duum, der  die  latenten  Kräfte  und  Fähigkeiten  einschliefst 
Hier  werden  sich  die  VerHchiedenheiten  des  geistig- sittlichen 
Wesens  darin  «eigen,  dafs  der  eine  eine  Mehrzahl  von  Thä- 
tigkeiten  llb%  nm  die  Fäliigfceitan  an  mOglielist  vielen  gloicb* 
«an  in  sich  anfrn^ieicbeiii ,  der  andere  nnr  an  ibrem  ye^ 
fliefaenden  Nacheinander,  an  der  Abwechselung  ihrer  Aklua»  : 
litit  Interesse  bat  Die  gleicbe  Form  der  Differeni  leigen 
etwa  swei  Rentiers^  Ton  denen  der  eine  «ein  Vermögen  in 


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144  X  1. 

oiner  Aii9;«hl  verschifft enfirtip^^r  Worte  anleg-t  —  Grundbesitz^ 
Fonds,  Hypotheken,  Ge^chaftßbt^teüi^ungen  n.  s.  w.  — ,  der 
andere  da«  gesamte  Kapital  imld  ganz  der  einen,  bald  gaax 
der  aaderfi  ihm  gUnatig  erAcheiuenden  Anlage  zuwendet.  Dia 
Differenzierung  der  Besitstümer  in  eine  einerteita  im  Neben- 
elüMider,  «aderaffMiti  im  KAdidiaandor  betteliende  MehrMt 
T011  Aoli^  dmt  M  dem  eratsroD  mehr  der  Sicberkett,  bei 
dem  zweiten  mehr  der  H0he  der  Verzinsung.  Man  kannte 
I  den  Kapital-,  inabeaonder«  den  QeldbeiitB  tkberhaupt  als  eine 
1  latente  ! )!fferenziernnp  ansehen,  nenn  sein  Wef»en  Hegt  d«rln, 
dais  vermöge  seiner  eine  unumschränkte  Anaahl  von  W  u  - 
^  kungen  gelibt  werden  kann.  In  sich  vollkommen  cin- 
heitlicheii  Ciiarakters,  weil  hU  blofiie«  Tauaehmittel  voll' 
kommen  ohne  Charakter^  strahlt  er  doch  in  die  Mannicb* 
fiütigkMt  «Uee  Hmideliia  «od  QenieTaena  uvm,  und,  In  der  Form 
der  Potentiiditftt,  vereinigt  er  in  ttoh  den  miiien  Farben- 
reichtum de«  wirtßc  ha  fliehen  Lebens,  wie  das  farblos  er- 
•cheinende  Weifs  alle  Farben  des  Spektrums  in  aidi  enthält; 
es  konzentriert  gleichsam  in  einem  Punkt  sowohl  die  Resnltat«, 
wie  die  Möglichkeit  unzähh'ger  Funktionen.  Denn  thataäch- 
lieh  schlielVt  es  die  Mannichfaitigkeit  Dicht  nur  im  Vorblieit, 
sondern  ancii  im  ßück blick  ein;  nur  aus  der  Pttlle  sich  ki-eu- 
iteiider  laiereasen,  aus  dem  Reichtum  verschiedenartigster 
Thfttigkeiteit  konnte  dieeee,  nun  aomiaagen  Aber  den  Pm^en 
atehende  Tauscbmittel  bervoivehen.  Die  Differensierung  dea 
(wirtacbefidichen  Löbens  im  allgemetncn  ist  die  Ursache  det 
Geldes,  und  die  Möglichkeit  jeder  beliebigen  wirtschaftlichen 
DifferenKierung  ist  hir  den  Einzelnen  der  Erfolg  seines 
sitzcK.  Dfls  Geld  ist  demnach  das  vollr^titndierste  NebeneinÄnfler 
der  DifierenBieriintren  im  Sinne  der  Füteutiaiität.  Öegerii'oer 
dcui  Oeldbesitz  ist  alle  ThKtigkeit  überhaupt  Differenz/ieruiig 
im  Kacheinander ;  sie  lei<t  iioch  jedenfalls  die  vorliandene 
Kraftsunune  in  eine  Anzahl  verschiedener  Momente  auseinander, 
wenn  aie  dcb  auch  Innerhalb  dieser  in  gleidber  Form  iuCierl, 
während  die  Zeit  des  Geldbesitees  als  ufiruehibarer  Mement* 
im  eminenten  Sinne,  a]a  momentane  Zuaammenechlielsung  un- 
tähliger  Fäden  anzusehen  ist,  die  Im  nächsten  AufenhÜck 
wieder  zu  gleich  zahllosen  Wirkungen  auseinandergehen.  Es 
lie^t  «uf  der  llanfl,  zu  wie  vielen  und  tiefen  Konflikten  die 
Zweiheit  dieser  Tendenzen  sowohl  im  Individuum,  wie  in  der 
Gesamtheit  iüiti^Mi  mnfs,  und  daln  e«  sich  hier  uin  nichts 
weniger,  als  um  den  von  einer  bestimmten  Seite  her  be- 
traehtelen  Kampf  zwischen  Kapital  und  Arbeit  handelt  ünd 
hier  greift  wieder  die  Frage  der  Kmfterspamis  dn.  Kanital 
ist  objektivierte  Krafterspamis  and  zwar  in  dem  doppelten 
Sinne,  dafs  eine  frtther  erzeugte  Kraft  niclit  sofort  wieder 
verbraucht,  sondern  aufgespeichert  worden  ist,  und  dafs  kOnf- 


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145 


tige  Wirkungen  mit  diesem  blichst  kompendi^Saen ,  absolut 
rweckmÄTsigen  Werkseng  g«übt  werden.  Das  Geld  ist  offenbar 
dtisjeni)^«  Werkzeug,  bei  dessen  Verwendung  weniger  Kraft, 
als  bei  jedem  andaren  durch  Reibung  nebenbei  geht  ;  wie  es  ^ 
auH  Arbeit  und  OiATenmcierung  hervorgeht,  üet£t  es  sich  in 
Arbeit  und  Differenaierung  um,  ohne  dals  bei  diesem  Um- 
aacaungspraaaft  etwaa  vmmii  wird.  EnfblgedeMii  abar 
«ribrdait  es  anakt  da(a  aolbar  ihm  Arbeit  und  iJMarenaianiiig 
vorhanden  sei,  v.'ei]  e«  sonst  Allgemeinheit  ohne  Einzelheit 
Funktion  ohne  Stoff  ^  Wort  ohua  Sinn  iat  Die  Differenzie- 
rung im  Zugleich,  in  dem  Sinnt»,  wie  wir  sie  dem  Kapital 
zusprachen,  weist  rl*Mnnach  notwendig  auf  eine  Differenzierung 
im  Nacheinander  hin;  dm  Mafsverhältnis  heider  derart  zu 
hestimmoß,  daSn  im  Ganzen  ein  Maximum  von  Kraftersparnis 
eintritt .  bildet  fUr  die  Einzelnen  und  iür  die  AUgenieioheit 
einas  der  böchstan  Probknie,  and  diese  wie  jene  unterscheiden 
aieh  alt  aula  achirftta,  mdam  aia  bald  die  DifferansIarnnK  im 
Vabanamandar,  die  den  Raatta  auaniaditf  bald  die  im  Naeh^ 
ainandar,  die  der  Arbüit  ontaprkiht,  flberwiogen  lasaen;  keinea 
Ton  batden  kann  in  ii;geiid  ktfheren  VerHAltniaten  antbdirt 
werden. 

Wo  nun  wie  hier  zwei  Elemente  oder  Tendenzen  sich  gegen 
»eiü^  fordern,  aber  auch  sich  gegenseitig  be^ren^en,  da  ge- 
rät die  Erkenntnis  leicht  in  die  Versuchung  eines  doppelten 
irrtiuns.  Zunächst  mit  einem  nichtssagenden :  Nicht  zu  wenig 
«ad  aidil  au  Tiel!  die  Fnißt  nach  den  Quaalaa  baMt- 
warten  su  woQaa,  ia  danea  jene  Elemente  tich  nur  Maratelluag 
des  wflnaebenswertesten  Zustandet  adtchen  mUsaea:  daa  ist  . 
ein  rehi  analytischer,  ja  idenliaciier  Sata;  der  Zusats  daa 
„zu"  bezeichnet  doch  schon  von  vornherein  ein  unrichtigea 
Mafs ,  und  durch  die  Negierung  desselben  wird  deshalb  noch 
absolut  kein  Aribaltspunkt  gegeben,  welches  denn  nun  das 
richtige  Mafö  let;  die  ganze  Frage  ist  gerade  die,  an  welchem 
Punkte  (ieg  Anwachsens  oder  des  Zurückweichend  beider  das 
.an"  beginnt  Diaie  Gefishr,  eine  Formulierung  daa  Pro- 
blaoBa  aehen  ftlr  aefoe  LHaung  aa  lialten,  liegt  eben  da  be^ 
aondera  nahe,  we  daa  Mala  daa  eiaaii  Elementes  eine  Funktioay 
waaA  auch  eine  unstät^a,  von  dem  des  andern  ist,  wie  ea 
bei  Kapital  und  Arbeit  der  Fall  ist  Die  Eatfaltang  der 
Kräfte  im  Nacheinander,  wie  die  Arbeit  sie  nait  sich  brin^, 
encheint  ieicht  durch  das  Mafs  bestimmt,  in  dem  ihre  poten- 
tielle Differenzierung  im  Nebeneinander,  im  Kapital ^  vor- 
haiuieii  ode«r  wuoöchenswert  ist;  und  dieser  letzteren  bestimmt 
man  nun  wieder  das  rechte  Mafs  nach  dem  (Quantum  der  vor* 
luuldeaea  eder  la  leiatenden  Arbait 

Von  fthlbaitfea  Felflui  iai  am.  aadeier  Idbiliier  Irrtaait 
dala  Büa  daa  labile  Oleidigewieht  «imban  beiden  Elemente» 

ftmfcsipi  <K»  I  I.  «ML  10 


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146  X  h 

aU  ein  stabiles  ansieht,  und  zwar  sowohl  f^r  die  Wirklich- 
keit, alt  flir  dl«  lämL  Da»  aogenaiiiite  ebeme  Lohngesete 
ist  ein  lolelier  Yenncli,  die  aktaelle  Diflbrensieriing  der  Ar- 
beit als  in  einem  stetigen  Verhältnis  tu  der  latenten  Differea- 
sierung  des  Kapitale  stehend  au  erkennen.  Ebeuso  die  Carey- 
•che  Begründung  der  Interessenharmonie  zwischen  Kapital 
und  Arbeit:  da  die  steigende  Zivilisation  das  für  ein  Prndtikt 
nötige  Arbeit>qimntum  stetig  vermindert,  su  werde  der  Ar- 
beiter fllr  das  gleiche  Produkt  relativ  immer  best>er  beKahh; 
da  aber  zugleich  die  Konsumtion  aufserord entlieh  wächst,  so 
Steigt  auch  der  Gewinn  deä  Kapitaiibtoa)  der  zwar  au  Jedem 
einzelnen  Produkt  reUliy  weniger  Anteil  hat,  durch  die  Jfave 
defr  Produktion  aber,  abeoliit  genommen,  doch  noch  einen 
grölaereii  Vorteil  hat,  ab  bei  geringerer  Prodaktion.  Hier 
eoU  alao-  wenigstens  die  Entwickittng  der  aktuellen  Difierea- 
aierungy  wie  sie  in  der  «Tiliiierten  Arbeit  liegt,  su  der  Eni* 
Wicklung  ihrer  Aufspeicherung  im  Kapital  ein  dauerndes  Ver- 
hältnis aufweisen,  aas  nicht  von  der  Zufidligkeit  histonscher 
Umstände,  sondern  von  der  logisch  sachlichen  Beziehung 
dieser  Faktoren  selbst  bestimmt  wird.  Andererseits  versuchen 
socialis tische  Utopieen  ein  derartiges  Verhältnis  wenigstens 
fUr  die  Zukunft  zu  konstruieren  uud  gehen  ron  der  naiven 


ES 

in 

dae  durohwer  Terwendbar  wite  und  —  wenn  wir  dae  loeiar 
liatieobe  Ideal  einmal  nacb  der  Seite  unsrer  jetngen  Betrach- 
tung hin  deuten  können  —  das  ein  Maximum  Ton  socialer 
Krafterspamia  darstellte.  Ich  denke  hier  etwa  an  die  Vor- 
schläge Louis  Blancs,  der  die  Kräftevergeudun^^^  durch  das 
Arbeiten  der  Individuen  gegeneinander  dadurch  vermeiden 
will,  dafs  die  in  den  Kapitalgewinn  einmündende  und  in  ihm 
latent  werdende  Arbeit  nicht  individuahötisch  verwandt,  son- 
dern zu  einem  Drittel  völlig  gleich  aufgeteilt,  zu  zwei  Dntteln 
aber  sur  Verbesserung  und  Vermehrung  der  Arbeitsmittel  etc. 
beatimmt  werden  soll. 

Ich  glaube,  dafs  alle  Venuobe,  das  Verhältnis  cwiacbeB 
Kapital  und  Arbeit  tbeoretiaeb  oder  praktisch  tu  fixierei^ 
das  Schicksal  erleiden  werden,  das  den  Operationen  mit  den 
„Seelenvermögen "  in  der  älteren  Psycbolopie  zu  Teil  wurde. 
Auch  hier  wollte  man  von  bestimmten  Verhältnissen  zwischen 
Verstand  und  Vernunft,  zwiöchen  Willen  und  Gefühl ,  zwi- 
schen Gedächtnis  und  Einbildmw&kraft  si^rechen,  bis  man 
eimi&ii,  dafs  dies  nur  ganz  rohe  spracnliche  Zusammen- 
fassungen sehr  komplisierter  Soelenvorgänge  sind,  und  dafs 
man  lu  einem  Veratftndnia  denelben  nur  kommt,  indem  man, 
Ton  jenen  Hvpostaaierungen  absehend,  auf  die  dnfiiehaten 
psychischen  Frosesse  surttckgeht  und  die  Regeln  ermittelt, 
nach  denen  die  einselneii  Vorstellungen  eich  wechselwirkena 


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X  1. 


147 


zu  jenen  höheren  Ciebilden  zusaromenschliefsen .  die  den  un- 
mittelbaren Inhalt  des  Bewufstseins  bilden.  So  wird  man 
wohl  auch  das  Verständnis  fQr  so  allgemeine  und  kompÜ- 

ziertP  ricbildo,  wie  Kapital  und  Arbeit  nn<\  für  ihr  gegen- 
seitiges Verhältnis  nicht  in  immittelbar^im  Anoinanderlialten 
und  durch  die  scheinbar  uomiitelbare  Bestimmtheit  dea  einon 
durch  das  andere  gewinnen,  sondern  durch  das  Zurückgelicn 
auf  die  ursprünglichen  Oiffereiizierungsprozes&e ,  von  denen 
Jenes  beides  nur  ^mrschndeiie  Kombinatioiian  oder  Entwick- 
Imigsittdlen  sind 


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Verlag  von  DUNUivHR  &  HUMBLOT  in  Leipzig 

Die  Probleme 

Geschiehtspliilosophie. 

Eine  erkenutnistheoretische  Stndie 

von 

Geoi*!^  Siininel. 

Zweite,  völlig  veränderte  Auflage. 
1905.    Vreh  3  M. 

Philosophie  des  Geldes. 

Von 

G(Mn*g  SiiniiK'1. 

V.m.    VroU  13  M. 

Kant. 

Sechzehn  Vorlesung^en 

^elialttMi  an  der  Berliner  UiüversitHt 

von 

Geor^  SiiniiiH. 

Zweiter,  unveränderter  Abdrock. 
1905.   Preis  3  M  ,  gebunden  3  M.  80  Vi. 


Picrorseb«  Uofbuohdruckcrai  Stephan  Q«ib«l  4  Oo.  in  Alteubarft. 


Stiiats-  und  socialwissenscliaftliclie  Forsctiungeo. 

üenuugegeben  von 

Gustav  Schmoller. 

Band  X.  Heft  2. 


Die  allgemeinen 

philosophischen  Grundlagen 

I  der  von 

Fnnirois  ({iiesnay  iinil  Ad  Jim  Sniitli 

boG:r findeten  politischen  Ökonomie. 

I 

Von 

Dr.  Wilhelm  Hasbach, 

•o.  Proffssor  nn  «1er  Univeiwitftt  KöniKH*»erK. 


Leipzig, 

Verlag;  von  DunckerÄ  Humblot 


Staats-  und  sociaLwisseuschaftliche 

Forschungen 


herausgegeben 


vou 


Gustav  bcbmoller. 


Zehnter  Band.  Zweites  Heft 

(D«r  gansen  lietbe  dreiaudvienigates  Hell.) 

W.  Kasbach:  Die  allgemeinen  philosophischen  Ornndlagen  der  von  Francis 
Quesnay  und  Adam  Smith  begründeten  politischen  Ökonomie. 


Leipzig, 

Verlag  von  Dunckor  &  ünoiblot. 

1890. 


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Die  allgemeiueu 

philosophischen  Grundlagen 

der  von 

Frantois  (laesiiay  nd  Aiui  Smith 

begründeten  politischen  Ökonomie. 

Von 

Dr.  Wilhelm  Kasbach, 

ao.  PnrfitMor  «a  d«r  UnWenitAt  KOnigäb^tf  . 


Verlag  vou  Dnncker  &  Humblot. 

1890. 


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Motto: 

„Glaube  Niemand,  als  deiner  eigenen  Vernunft,  sagtest  da  wdter. 
£b  eiebt  nichts  Heiligeres  als  die  Wahrheit  Was  die  Vernunft  erkennt, 
ist  die  Wahrheit  .  .  .  Die  Op^^ptzc  der  Natur  sind  die  Chiffiren,  welche 
das  denkende  Wesen  zusamuifiiBetzt,  um  sich  dem  denkenden  Wesen 
Terständlich  zu  maehen  —  das  Alphabet,  vermittelst  dessen  alle  Geister 
mit  dem  vollkommensten  (ioht  und  sich  seihet  iintprhnnripln.  Harmonie, 
Wahrheit,  Ordnung,  Schönheit,  Vortrefflichkeit  eebeu  mir  Fraide,  wdl 
de  nücli  in  den  thätigen  Znstuid  ihiee  Erfinders,  unres  Besitsers  renetieD. 
Eine  neue  Erfahrung  in  diesem  Reiche  der  Wahrlieit,  die  Gravitation,  der 
entdeckte  Umlauf  des  Blutes,  das  Natursystem  (ie§  Unnaus  heifeen  mir 
ursprünglich  eben  daa,  was  eine  Antike,  in  lierkulauuixi  hcrvore^nraben  — 
beides  nur  Wid«nehdn  eines  Geistes,  neue  BekaantKhaft  mtt  emem  mir 
ähnlichen  \V<  sen  .  .  . 

Es  giebt  Augenblicke,  wo  wii  au^elegt  sind,  jede  Blume  und  jedes 
entlegene  Gestirn,  jeden  Wann  and  jeden  geahnten  Mheren  Geiil  an  den 
Busen  zu  drCIcken  —  ein  Umannni  Icr  ganaten  Natur  ^rieich  onserer 
Geliebten  .  .  .  We  Philosophie  miscrf  r  Z(«it  —  ich  furchte  es  —  wider- 
spricht dieser  Lehre  ...  Im  Rnechtägeluiil  ihrer  eigenen  Entwürdigung 
haben  sie  sich  mit  dem  geflLhrlichsten  Feinde  des  Wohlwollens,  dem 
Eigennutz  abgefunden,  ein  Phänomen  7ä\  erklären,  das  ihrem  begrenzten 
Herzen  zu  göttlich  war.  Aus  einem  dürftigen  JE^oismus  haben  sie  ihre 
trostlose  Lenre  gesponnen  and  ihre  eigene  öeschniikanf  zum  Matelabe 
des  Schöpfers  ^'-rrnnrht  —  entartete  Suayen,  die  anter  dem  Klang  Huer 
Ketten  die  Freiheit  verschreien.^ 

Schiller»  Phflosopluselie  Briefe. 


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Vorwort. 


Die  er.ste  Anregung  zu  dieser  »Scliritt  erhielt  ich  von  Adolf 
Held.  Als  icli  ihm  im  Sommer  1880  mitteilte,  dafs  ich  damit 
beschäftigt  sei,  ähnlich  wie  die  Natun-echtslehrer  des  17.  und 
18.  Jahrhunderts  die  Gerechtigkeit  eines  Systems  von  socialen 
und  politischen  Forderangen  an  den  Staat  sni  erweisen,  In- 
dem ich  sie  aus  Principien  herleite,  welche  in  diesem  Falle 
im  Neukantianismus  Langem,  im  Pessimismus  Schopenhauers 
und  in  den  darwinistischen  Theorien  enthalten  seien  und  so 
ein  modernes,  m-itenalistispli  -  pessimistisch'^^  Naturrecht  zu 
be^linden,  erklärte  er  mir  freimütig',  dals  er  mein  Unternehmen 
fUr  nicht  wertvoll  halten  könne.  Dagegen  hob  er  hervor, 
wie  wünschenswert  eine  Untersuchung  der  philosophischen 
Grundlagen  der  klassischen  Nationalökonomie  sei.  Zum 
Schlüsse  forderte  er  mich  aaf|  diese  Arbeit  zu  übernehmen. 

Infolge  eines  längeren  Aufenthalts  in  England  traten 
sowohl  die  von  Held  angeregte  Untersuchung  wie  das  ^ 
plante  Natnrrecht  vor  neuen  Zielen  zurück.  Die  Notwendig- 
keit, so  viele  von  den  deutschen  verschiedene  Faktoren  des 
socialen  unrl  politisclien  Geschehens  beim  Studium  der  eng- 
lischen Verhältnisse  in  Betracht  zu  ziehen,  Helsen  mich  die 
Grundsätze  der  historischen  Schule  erleben:  meine  erste 
Arbeit  konnte  nur  die  möglichst  allseitige  Erörterung  einer 
aktu^en  Frage  sein« 

Den  Wunsch  und  den  Rat  Adolf  Heids  lernte  ich  erst 
ganz  Terstf  lu  n,  als  ich  selbst  Vorlesungen  zu  halten  hatte  und 
mich  über  die  philosophischen  Grundlagen  der  klassischen 
Nationalökonomie  grilnalicher  zu  unterrichten  wünschte.  Ich 
entschlors  mich,  dif  Untfrsuchnn;]!;  y.u  nbpmohmen,  da  sie,  wie 
die  Verhältnisse  li(.-gen,  stets  von  einem  Manne  geführt  werden 
mufs,  welcher  die  Nationalökonomie  oder  die  Philosophie  ,,por 
il  suo  diletto"  treibt.  Im  Bewufstsein  meines  Dilettantismus 
habe  ich  in  der  yorliegenden  Schrift  den  Philosophen  so  oft 
wie  nur  mSgiich  das  Wort  gegeben,  nicht  selten  auch  dort^ 
wo  ich  mich  der  eigenen  Rede  hätte  bedienen  können.  ' 


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VI 


Zunächst  suchte  ich  der  Arbeit  einen  weiteren  Inhalt  zu 

verleihen  und  sie  zu  einer  r»oscluchto  des  modernen  Indivi- 
dualismus auszudehnen.  Aber  ich  sah  bald  ein ,  dafs  sie  auf 
Grund  dw  vorhandenen  Vi)rarbeiten  nicht  s"oschrieben  werden 
kann.  Aber  auch  trotz  der  Beschränkung  auf  einen  Aus- 
schnitt dieser  Bewegung  wurde  ich  in  eine  jahrelange  Arbeit 
hineingezogen,  welche  mich  gegen  meinen  Willen  von  anderen 
litterarischen  Verpflichtungen  abhielt,  obwohl  ich  ihr  fast  alle 
meine  freie  Zeit  widmete.  Dies  lag  nicht  zum  mindesten 
daran^  dafs  ein  Teil  der  Vorarbeiten  geradesu  irreführend  ist 
und  daher  viel  Zeitverlust  verursacht. 

Icli  sah  mich  gezwuugou,  die  ?>p:ebnisse  meiner  Studien 
in  drei  Teilen  gesondert  erscheinen  zu  hissen.  Die  erste 
wurde  als  Aufsatz  unter  dem  Titel  „Larochefoucault  und 
Mandeville''  in  Sk^hmollm  Jahrbuch  1890  veröffentlicht;  der 
sweite  ist  der  vorliegende;  der  dritte  unter  dem  Titel  „Un* 
tersuchungen  über  Adam  Smith  und  die  Entwicklung  der 
politischen  Ökonomie"  wird  hofientlich  bald  nachfolgen.  Um 
aas  (rleichf^ewicht  herzusteilen ,  mlUsten  sich  Untersuchungen 
über  die  Phvsiokraten  anreihen,  aber  «ic  sind,  wie  ich  glaube, 
in  besseren  Händen  als  den  meinen.  Doch  halte  ich  meine 
Arbeit  nicht  für  beendet.  Die  Erörterung  des  S.  30  gestreiften 
Problems,  die  Darstellung  des  naturrechtlichen  Socialismus 
des  18.  Jahrhunderts,  welche  vielleicht  die  Stellung  von 
Quesnay  und  Smith  noch  heller  heleuchten  wird,  und  eine 
kurze  Geschichte  der  Entwicklung  der  wissenschaftlichen 
Politik,  welche  die  Grundbegriffe  stiirker  hervortreten  läfst 
und  die  Bezieh luigen  zum  Naturreeht  genauer  vertolgL,  sollen 
die  drei  T«  il(  ergänzen.  Doch  da  ich  zunächst  weit  ablie- 
gende Verpllichtungen  zu  erfüllen  habe,  so  wird  es  mich 
freuen,  wenn  diese  Aufgaben  von  Anderen  tibemommen 
werden. 

Die  vorliegende  Untersuchung  heschrfinkt  sich  auf  Smith, 
Quesnay  und  dessen  Schüler.  Da  nun  aber  Ricardo  und 
Malthus,  was  die  philosophischen  Fundamente  betrifft,  ganz  auf 

Smith  fuf'-en,  Steuart  und  Hume  in  der  klassischen  National- 
<ikononue  mir  so  weit  zur  (ieltung  gekommen  sind,  als  sie 
von  Smith  absorbiert  wurden,  auch  die  Selbständigkeit  Turgots, 
so  viel  mir  bekannt,  sich  nicht  in  den  allgemeinen  philoso- 

Shischen  Grundlagen  der  Nationaldkonomie  zeigt,  so  hätte  ich 
ieeer  Schrift  einen  allgemeineren  Titel  geben  können. 

Das  NaturrtK'ht  ist  ausführlicher  zur  Darstellung  ge- 
kommen, als  der  Leser  vielleicht  für  nütig  erachtet.  Aber 
da  frühere  Arbeiten  das  naturrechtliche  l^iement  der  englisch- 
franziisischen  Nationalökonomie  auf  di«'  französisehen  Juristen 
des  IG.  Jalu'hunderts  zurückführten  oder  als  Weiterbildungen 
des  mittelalterlichen  Naturrechtes  betrachteten,  so  wurde  es 
fUr   mich   unumgänglich   notwendig,    erstens  die  Stellung 


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VII 


Pul'endorfs  und  LockeK  so  klar  wie  nur  möglich  hervorzu- 
heben, zweitens  aber  auch  das  Lockesche  Natiin*echt  richtig 
zu  charakterisieren,  da  nur  so  der  Fanatismus  der  Phjsio- 
kraten,  der  Zorn  Smiths  richtig  verstanden  werden  kann. 
Aus  diesem  Grunde  mnfste  ich  bis  zu  den  Anfängen  des 
Katurrechtes  zurückgehen.  Aufserdem  bietet  das  dntte 
Kapitel  Erörterungen,  welche  ich  sonst  an  anderer  Stelle  in 
keinem  so  günstigen  Zusammenhanp:«*  hätte  geben  müssen. 
Wer  dies  bedenkt,  wird  die  Darjätellunf;  knapp  finden. 

Auch  in  der  Übersicht  über  die  Entwicklung  der  Ethik 
habe  Ich  mich  auf  dasjenige  beschränkt,  was  unumgänglich 
nötig  war,  um  der  Eigentümlichkeit,  der  Stellung  und  der 
Bedeutung  Shaftesburys ,  Mandevilles,  Bayles  gerecht  zu 
werden  und  Smith  und  Quesnaj  in  das  richtige  Licht  zu 
rik'ken,  dabei  des  Wortes  von  Hobbes  gedenkend:  A  great 
book  is  a  great  evil. 

Schliefslich  bitte  ich  um  die  Nachsicht,  welche  mau  dem 
Laien  schuldet,  der  allein  auf  Bücher  angewiesen  ist. 

Der  Verfasser. 


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Inhaltsverzeichnis. 


S*iU 

Bntes  Kapitel.  Die  LehreD  der  Stoiker  ud  Epikueer  von  Natir- 

r*'<rhte                                                                  .  8 

Zweites  Kapitel.   Das  Naturrecht  in  Rom  and  im  ^litteialter   .  .  12 

Drilles  Kapitel.  Die  Aasbildnni;  des  Natarreebtes  als  selbständige 

WimeBsehaft   19 

I.  V'  rbemerkung   23 

IL  Die  theoretischen  Faktofen  des  Natuneehts   24 

1.  Der  Humanismus    .   25 

2.  Die  Befoimalio«   27 

8.  Die  Politik   32 

III.  Die  Hogrüi^dung  des  Naturrechta  als  aelbstäudige  WiaeeuBehaft  32 

1.  Hugo  Grotius    33 

2.  Gassendi   36 

8.  Hobbes   38 

4.  Pufendorf   43 

Viertes  Kapitel.  Locke  und  Keine  Schiller   48 

Erster  Absehnitt   Locke   48 

Zweiter  Abschnitt.   Loekes  Sohüler   56 

1.  Hutch<^n   56 

2.  Quesnav  und  seine  Schüler   57 

8.  Adam  Smith   70 

FiBftes  KapiteL  Die  ■adenie  Etbik  nd  der  Deimis   91 

Erster  Abschnitt.    Die  moderne  Ethik   91 

L  Die  vorbereiteude  Teriode   91 

IL  Die  Periode  der  Aulclinuiig.   Der  Neu-Epiknreismus     ...  93 

m.  Die  Periode  der  Selbständ^dt   98 

lY.  Die  metaphysische  Ethik   100 

V.  Die  GefÜblsethik   103 

VL  Die  Etbik  und  die  BedtifniBBe  der  ZeH   108 

Vil.  Die  politische  Ökonomie  und  die  Ethik   US 

Zweiter  Abschnitt.    Der  Deismus   122 

Sechstes  Kapitel.  Der  innere  Znsanuaenhanfi;  dieser  Disdplinen  mit 
dar  Pbiieaepbie  «nd  Katarvrinenselian  des  17.  JaofhaBderts 

ud  die  Rtii'kwirknn^  dieser  anf  jene   126 

I.  Gemeinsame  Ciuirakt  r/Hire  des  Naturrechts,  der  NatniailtUch- 

keit  und  der  Natunehgion   126 

II.  Zusammenhalt  dieser  Wissenscliaften  mit  der  Philosophie  und 

den  Naturwissenschaften  des  17.  Jahrhunderts   182 

IIL  Die  Kinwirkan<(  der  Naturphilosophie  auf  die  Methode  des 

Naturrechts  und  der  Nationalökonomie   136 


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X  Inbaltsverzeichius. 


IV.  Die  mpchfinische  Psychologie  und  die  Statistik   140 

V.  Der  Kiuäuss  der  Naturphilosophie  auf  den  Deismus  und  die 

GeBellaeliaftiwiasenschaften   142 

VI.  Das  Natuigeeets  und  die  nfttlliiiehe  Ordnung  der  Volkswirt- 

schaft   147 

1.  Qaesnav   147 

2.  Smith   152 

8.  Vergleichunpr  Qnesnav's  mv\  Smith's   15Ö 

4.  Die  wirtschaftliche  Harmonie  der  Länder   158 

VIL  BfiekUiek   100 


Sfebeates  Kapitel.    Die  politische  Ökonomie  des  18.  Jabrliiinderts 

■id  der  Rieksehlag  gtgtm  die  herradieBdei  Ideen  der  2eit  166 


-4 


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Tl/'^nn  man  ea  versucht,  aus  (\om  Gewebe  der  ethischen  und 
' »  politischen  Ideen  der  neucieü  Zeit  die  cinzelin  n  Fäden  zu 
löüeu  und  bis  zu.  ihrem  Anlange  zu  verfolgen,  so  sieht  man  er- 
Btannt,  dafs  gerade  diejenigen  VorsteUangeii  und  ßegjAfk,  welche 
am  gewaltiicrten  auf  die  Mutwicklung  der  modernen  Menadiheit 
eingewirkt  haben,  dem  Altertum  entstammen.  Es  sind  einige 
Ghnmdgedanken  des  Htoicismus  und  Epikureismu»,  zweier  Systeme, 
welche  nicht  der  klassischen  Zeit  (i(  s  fJriechentunis  angehören, 
sondern  sein  Greisenalter  und  in  der  Folge  auch  dasjenige  Koma 
begleiten.  »Sie  spiegeln  eine  Zeit  philosophisch  wieder,  wo  das 
nationale,  den  Kinzelwillen  belierrscii«  nde  Staatsleben  entkräftet 
war,  wo  grolse  Eroberer  die  Volker  des  Ostens  und  Westens 
in  ungeheuren  Reichen  vereinigten,  wo  das  Interesse  am  Gemein- 
wesen  abgenommen  hatte,  wo  die  Volksreligion  auf  die  Gebil- 
deten keinen  Einflufs  mehr  besafii  und  nun  das  Individuum  um 
so  ungebundener  in  den  Vordeigrund  dor  Betrachtung  und  des 
Ltb<ns  trat'.  Je  nachdem  seine  Sehnsucht  nach  einem  ruhigen 
Dasein,  fern  von  der  Welt,  in  liciterer  Gesellschaft  njit  gleich- 
gestimmten Freunden  stand  oder,  alle  Sehranken  von  Geschlecht, 
Stand,  Kasse  und  Volk  überspringend,  auf  die  erdumspannende 
Gemeinschaft  aller  ALciibchenbrüder  in  einem  stiiatenlosen  Zu- 
stande gerichtet  war,  boten  sich  ihm  der  J^'kureismus  oder  der 
Stmcismus  als  Führer  in  das  Land  sdner  Wttnsche  an. 

Wie  sehr  diese  Systeme  voneinander  unterschieden  sind, 
wie  sehr  sich  ihre  Anhänger  leidenschaftlich  bekämpft  haben, 
die  Lehrgebäude  sind  nicht  nur  auf  denjselben  Boden  staatlicher 
und  gesellschaftHcher  Zustünde  emporgewachsen,  sie  zeigen  auch 
noch  andere  gemeinsame  Grund  zöge  als  den  ethischen  und  poli- 
tischen  Individualismus:  beide  tragen  einen  empiristischen  und 


'  Siehe  die  geiKtvolh  i)  Erörterungen  von  Zeller,  Die  Pbiloeophie 

der  Griechen  III,  1  p.  12  tl.  3.  A.  im 


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2  X  2. 

Bensualistischen  Charakter.  iSo  ist  flas  sinkende  Altertum  im- 
stande, der  aufstrebenden  neuem  Zeit  diircli  beide  |)li][  >0|»lii.sohe 
iSysteme  seinen  Individualismus,  Empiriümuä,  öenäuuiiämuö  zu 
übermitteln. 

Doch  kommt  ob  uns  yomehmlich  auf  die  Erkenntnis  der 
Verschiedenheit  ihrer  Lehren  von  Recht  und  Staat  an.  Diese 
sollen  daher  Im  folgenden  dargestellt  werden. 


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Erstes  Kapitel. 
Die  Lehren  der  Stoiker  und  Epikureer  vom  Naturrecht 


In  der  Philosophie  des  griechischen  Altertunis  ist  es  last  von 
Anfang  an  ein  Gegenstand  der  Erörteruno:  gewesen,  ob  das  Recht 
in  der  Natur  begründet  sei  oder  durcli  Menschensatzung  ent- 
stehe. Heben  wir  es  hervor:  griechische  Denker  haben  den  Be- 
griff des  Naturrecbtes  suerst  ausgeprägt. 

Seitdem  Heraklit  in  volltönenden  Worten  verkündete,  dafs 
alle  menschliclien  Gesetze  von  dem  einen  göttlichen  gespeist 
würden  und  Archelaos  dem  dunklen  Epheser  entgegenhielt,  das 
Oerecht«'  beruhe  ov  (pi'aei  c'c/./.a  rouor.  wo^^tc  der  Kampf  der 
Gerster  immer  weiter,  bis  er  die  Halle  Zenos  und  den  Garten 
Epikurs  erfUllte.  Aber  auch  hier  löste  uiuu  das  Problem  nicht 
endgültig.  Vielleicht  wurden  die  alten  Doctrinen  nicht  einmal 
mit  der  Umsicht  und  Gründlichkeit  des  Aristoteles,  mit  der  gdst- 
▼oUen  Keckheit  und  Feinheit  der  Sophisten  vorgetragen;  aber 
sie  erschienen  abgeklärter  und  im  engeren  Zussmmenhange  mit 
der  gesamten  WeltAnscIiaunng. 

Allein  wnnn  dies  auch  nicht  der  I'all  ^.v;ire,  würden  sie  schon 
deshalb  unsere  besondere  Autmerksamkeit  verdienen .  weil  das 
moderne  Naturrecht  in  einem  hohen,  bisher  gar  nuht  gewür- 
digten Grade  von  der  PliUosophie  der  Stoiker  und  Epikureer  be- 
fruchtet woiden  ist 

Die  Achse  der  stoischen  Ethik  ist  die  feurige  X'emunft, 
Weltvernunft,  Weltseele,  welclie  den  gesamten  Stoff  durchdringt 
Je  nachdem  die  stoffliche  oder  geistige  Seite  dieses  BenrnllVs  hf  r- 
vorgehoben  wird ,  trägt  die  feurige  Vernunft  die  Bezeichnung 
Feuer,  Haucli  (Pneuma;  oder  allgemeines  Gesetz.  Natur.  Vor- 
»ehting.  Doch  erweii«t  sich  der  Gegensatz  von  Gottheit  und 
Materie  als  „kein  ursprünglicher  und  letzter:  nach  stoischer  Lehre 
haben  sich  alle  besonderen  Stoffe  erst  im  Laufe  der  Zeit  aus 

1* 


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4 


dem  Urfcuer  oder  der  Gottheit  entwickelt,  und  sie  werden  sich 
am  Ende  jeder  Weltperiode  wieder  in  dasselbe  auflOsen^^  Die 
Gottheit  ist  „ebenso  als  der  Urstoff  wie  als  die  Urkraft  zu  be- 

zeichn(;n  .  .  . «  das  Urfeuer,  welches  Gott  und  die  Materie  als 
seine  Elcmonte  in  sich  trflgt ....  die  allgemeine  Substanz  .  .  .  , 
welclie  clalirr,  in  ihrer  reinen  Gestalt  oder  als  (  Jott  betrachtet^ 
bald  alles,  bald  nur  einen  Tiü  des  Wirklichen  urafasst'' 

Diese  Grund^^ediinken  cntlialtt  n  erstens  die  Lehre  von  einer 
strengen  ( Iesetzni;ilsigk(  it  in».  Welt^icanzen.  „Die  imbedingte  Ab- 
hilngigkeit  aller  Din^e  von  ilem  allgemeinen  Gesetz  und  dem 
Lattf  des  Weltganzen ,  das  ist  tlberhaupt  der  leitende  Gesichts- 

Sunkt  flir  die  stoische  Weltansicht** Ans  ihnen  folgt  swettens^ 
afs  Naturgesetz  und  Sittengesetz  ihrem  Ursprung  und  Wesen 
nach  identisch  sind.  „Dieser  vofiog  ist  Gesetz  alles  Seienden.... 
und  Oesetz  ebensowohl  des  (fiaiKov  und  Xoyt  '/.ov,  wie  des  iJh  /.  W . . . 
So  wohnt  das  ethische  Gesetz  der  Natur  inne  als  einige  und 
absolute  Nonn,  welche,  erhaben  über  Kaum  und  Zeit,  unabhiicgig 
von  menschlicher  Satzung,  gleichmäfsig  allen  Menschen  die  Regel 
des  Guten  und  Bösen  ist"  Sic  umschlieiseu  drittens  den  Satz, 
der  hierin  schon  ausgesprochen  ist,  aber  noch  einer  besonderen 
Betonung  bedarf,  dafs  das  Gesetz  objektiv  auch  aulserhalb  des 
Menschen  existiert.  „Sofern  nun  das  Gute  in  der  allgemeinen 
Weltordnung  begi'lindet  ist,  welcher  der  einzelne  sich  zu  unter> 
werfen  hat,  tritt  es  dem  Menschen  als  CJcsctz  gegenüber." 
Diov.-r  Gesichtspunkt  ist  „von  den  Stoikern  mit  besonderer  Vor- 
liebe veriblgt  worden'**. 

Da  nun  der  Mcn.^cli  Teil  und  Glied  des  vernünftigen  l^ni- 
versuiuj?.  seine  Seele  ein  Ausflufs  der  VVeltbcele  ist,  so  iritt  jenes 
Gesetz  zugleich  als  Gesetz  seiner  eigenen  Natur  auf,  und  er  ver- 
mag es  zu  erkennen.  „Indern  dieses  göttliche  Gesetz  von  Men- 
schen erkannt  und  anerkannt  wird,  entsteht  das  menschliche  ' \ 
Verweilen  wir  bei  diesem  Punkte  noch  einen  Augenblick. 
,  .Der  allo^emeine  (i  rund  trieb  aller  Wesen  ist  der  Selbsterhaltungs- 
trieb und  die  Selbstliebe.  Hieraus  fol^^t  unmittelbar,  dafs  jedes 
Wesen  nach  dem  strebt,  und  dafs  t\lr  jedes  dasjenige  einen  Wert 
hat,  was  seiner  Natur  gemäfs  ist  .  .  .  Naturgemäfs  kann  aber  für 
den  einzelnen  immer  nur  das  sein,  was  mit  dem  Gang  und  Ge- 
setz des  Weltganzen  oder  mit  der  allgemeinen  Wätvemunft 
ttbereinstinmit,  und  ftlr  das  bewulste  und  vernünftige  Wesen  nur 
dasjenige,  was  aus  der  Erkenntnis  dieses  allgemeinen  Gesetzes 
und  vernünftiger  Einsicht  hervoigeht  ....  Die  Vemünfti^ikeit 
des  Lebens,  die  Übereinstimmung  mit  der  allgemeinen  Weltord- 

(  Zell  er  a.  a.  0.  p.  14ü. 

*  Zell  er  a.  a.  O.  p.  157. 

^  M.  \' oigt.  Die  i^hrc  v^ooi  Jus  natatale,  aeqnuin  et  bonum  nnd 
jua  gentium  der  Kömer.  ISof).  I,  p.  135. 

*  Zeller  a,  a.  O.  p.  222. 
^  Zeller  a  a.  O. 


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5 


nung,  ist  mit  einem  Worte  die  Tugend"'.  Daher  entspricht  das 
Gute  einem  natürlichen  Triebe  des  Menschen .  und  er  mufs  nch 
sittlich  verpflichtet  ftlhlen,  wenn  er  sieh  verniuittig  fühlt 

Nioinals  im  g;uizen  Altertum  sind  das  vernünftigt'  Denken 
und  Wollen,  die  Herrichalt  der  xsatur  und  des  Gesetzeö,  die 
wesentliche  Harmonie  von  Natur  und  Vernunft  so  hoch  empor- 

? gehoben,  mit  solchem  Nachdruck  behauptet  worden,  wie  von  den 
»toikern.  Erst  im  18.  Jahrhundert  begegnen  wir  einer  dhnlichen 
Verherrlichung  von  Katur  und  Vernunft.  Sehen  wir  nun,  welche 
politischen  Ideak^  diese  Leimen  erzeugten. 

Da  nur  das  vernünftige  Denk^-n  und  Wollen  enieii  unbe- 
dingten Wert  hat,  so  ist  damit  die  Anerkeunun^-  einer  unlös- 
lichen Gemeinschaft  aller  \  eruunitwesen  gegeben.  Ja,  die  Stoiker 
nehmen  einen  Trieb  nach  Gemeinsclian  zwischen  den  ein- 
sebien  Vernunftwesen  an.  Alle  Menschen  „stehen  unter  der  Ver* 
nunft;  sie  alle  haben  mithin  ein  Recht  und  Gesetz,  und  sie 
wirken,  sofern  sie  diesem  Gesetae  folgen»  immer  Air  das  Ganze: 
man  kann  nicht  für  sich  leben ,  ohne  fllr  andere  zu  leben  .... 
80  sind  sie  für  einander  da;  ihre  (iemeinschaft  ist  daher 
das  unmittelbarste  Gebot  der  Natur.**^  Die  Stoiker 
leiten  also  die  Geineinschaft  aus  dem  Naturgesetze  her,  nicht  das 
Naturgesetz  aus  der  Gemeinschaft.  Dies  ist  zur  Charakterisierung 
der  stoischen  oiiiBiiooi^  wichtig.  Eis  wird  nun  verständlich,  dass 
Mark  Aurel  so  weit  geht,  den  Trieb  nach  Gemeinschaft  als  den 
Gnmdtrieb  des  Menschen  anzusehen. 

üieraus  folgte  nun  weiter :  Wenn  die  menschliche  Gemein« 
Schaft...  .  nur  auf  der  (Jleichheit  der  Vernunft  in  den 
einzelnen  beruht,  so  haben  wir  keinen  Grund,  diese  Gemein- 
schaft auf  ein  Volk  zu  be>chriinken,  od«  r  uns  dem  einen  ver- 
wandter zu  fühlen  als  dem  anderen;  alle  Menschen  stehen  sich, 
abgesehen  von  dem,  was  sie  selbst  aus  sich  gemaclit  haben, 
gleich  nahe,  da  alle  gleichmäfsig  an  der  Vernunft  teil  haben, 
alle  sind  Glieder  eines  Leibes;  denn  dieselbe  Natur  hat  sie  aus 
einerlei  Stoff  für  die  gleiche  P>estimmung  gebildet,  oder,  wie  dies 
Epik tet  religiös  ausdrückt,  alle  sind  IkUder:  denn  alle  hvUm  in 
gleicher  \\  »  ise  zum  Vater"*.  Zum  erstenmale  tritt  der  Kos- 
mopolit i  a  ni  us  mit  gröfster  Entschiedenheit  ini  Gewände  einer 
philosophischen  Doktrin  auh  Patriam  meam  esse  munduni  sciam 
et  praesides  Deos :  das  ist  nach  den  Worten  Epiktets  diese  Welt- 
anschauung in  kiiaj  pster  Form.  Wie  das  Menschliche  in  diesem 
Systeme  leicht  in  das  Natürliche  hinUberzittert^  so  sehen  die  Stoiker 
nach  Plutarch  in  dem  Wellganzen  ebenMs  einen  Staat.  Der  Be- 
hauptung: lov  y.nüti('r  elrai  /roA/r  xai  7ro/ATag  tovg  aotigas 
fehlt  es  nicht  an  dichterischer  EIrbabenheit. 

1  Zeller,  p.  206  fg. 

^  Zeller,  p.  222,  228. 
»  Zeller,  p.  2-C. 
*  Zell  er,  p.  299. 


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6 


X  2. 


Mark  Aurel  wird  Diclit  müde,  den  KoemopolitbmuB  zu  pre* 
digen:  „Meine  Natur  aber  ht  eine  vernünftige  und  fiir  das  Ge- 
meinwesen bestimmte;  meine  Stadt  und  mein  Vaterland,  insofern 
ich  Antonin  heilse,  Rom.  insofern  ich  ein  Mensch  bin,  die 
Welt."  (VI,  44.)  „Haben  wir  das  Denkvermögen  miteinandf  r 
gemein,  so  i.st  uns  aueli  die  Vernunft  gemein  ....  ist  di^-^. 


Bürger  und  nehmen  an  einem  gemeinschaftlichen  Staate  teil:  ist 
dies»  so  ist  die  Welt  gleichaam  än  Staat*"  (IV,  4),  „Eb  lie^t 
ja  nichta  daran,  ob  einer  hier  oder  dort,  wenn  er  nur  ttberali  m 
ik'v  Welt  wie  in  seiner  Vaterstadt  lebt"  (X,  15).  Zu  jenem 
W^eltstaate,  meint  er,  verhalten  „sich  die  übrigen  Staaten  nur 
wie  die  einzelnen  nuusrr  zur  ganzen  Ortscliaft"  (III,  11) 
Dafs  dieser  Weltstaat  der  Stoiker  mit  dem  politischen  Gebilde, 
welches  die  Anarchisten  einzuftihren  hoffen,  mehr  Ahalichkeit 
hat,  als  mit  irgend  einem  anderen  Gemeinwesen,  geht  noch  deut- 
licher aus  folgenden  Worten  Zellers  hervor:  „Aber  das  eigent- 
lidie  Ideal  der  Stoiker  war  kone  der  hestdienden  Slaatsfonnen^ 
sondern  jener  Staat  der  Weisen...  ein  Staat  ohne  Ehe, 


ohne  Gymnasien,  ohneMttnze,  einStaat,  dem  keine 

anderen  Staaten  gegenüberstehen,  weil  alle  Gren- 
zen der  Völker  in  einer  allgemeinen  Verbrtlderung 
aller  Men  seilen  sich  aufheben"-. 

Das  Eintreten  der  Stoiker  ftir  Gleichheit,  Freiheit,  Brüder- 
lichkeit, Weltbürgertum,  Herrschaft  der  Vernunft,  vertrug  sich 
wenig  mit  dem  Interesse  am  Wirken  in  den  bestehenden  Staaten. 
„Wer  sich  als  Bürger  der  Welt  ftthle,  für  den  sei  jeder  einaelne 
Staat  ein  viel  zu  Kleiner  Wirkungskreis",  meinen  Seneka  und 
Epiktet**.  Noch  charakteristischer  ist  folgender  Ausspruch  Epik- 
tets:  „Du  fnigst,  ob  der  Weise  sich  mit  dem  Staate  bescnäf- 
tigen  werde  ?  Aber  welcher  Staat  witre  gröfser,  als  der,  mit  dem 
er  sich  beschäftigt?  Er,  der  sicli  nicMit  an  die  Bürger  einer 
Stadt  wendet,  um  tiber  Staatseinkunlte  und  dergleichen,  sondern 
an  alle  Menschen,  um  über  Glückseligkeit  und  Ünseligkeit,  Frei- 
heit und  Knechtschaft  zu  ihnen  zu  sprechen Chrysipp,  der 
wissenschaddiehe  Bildner  des  Systems  Zenos,  ist  der  Ansicht, 
daCs  der  Weise  nur  Anteil  an  dem  Leben  solcher  Staaten  nehmen 
dürfe,  in  welchen  ein  Fortschritt  zur  Vollkommenheit  wahrzunehmen 
wäre  "  Endlich  ist  nicht  zu  vergessen,  dafs  die  Gleichgültigkeit 
der  Stoiker  g^en  die  äulseren  Zustände  ihren  reformatorischen 


*  Mark  Aurels  SelbstgespriUsbef  Ubersetzt  von  C.  von  Cles» 
(Deotfiche  Volksbibliothek  der  griechischen  und  römischen  Klaasiker^ 

Zell  er  a.  a.  O.,  p.  294. 

*  Zeller.  p.  2'JG. 

*  Zeller  a.  a.  O. 
>  Zeiler,  p.  295. 


gemein;  ist  diis,  so  sind  wir  alle 


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X  2. 


7 


Eifer  dämplen  mulste.  Man  sielit  dies  an  ihrer  StelluDgoalune 
zur  Sklaverei.  Ein  Dichter  könnte  a&een:  ihre  Ideen  &nden 
handebde  Geisler  saerst  zur  Zeit  der  französischen  Revolntion. 

Die  Schale  verstand  es,  ihre  Lehre  von  dem  vernünftigen 
Naturgesetze  mit  der  Volkssage  vom  goldenen  Zcitilter  zu  ver- 
knüpfen, die  sich  bei  allen  älteren  Völkern  findet  ^  Wälirend 
jener  glücklichen  Urzeit  des  Menschengeschlechtes  herrschte  nach 
stoischer  Lehre  d;i8  Naturgesetz  ausschlielslich ;  die,  Verderbnis, 
die  spattT  hereinbrach,  hatte  das  positive  Gesetz  im  (letolge. 
„Immer  aber  muis  neben  diesen  menschHchen  Gesetzen  jenem 
göttlichen  Recht^esetze  eine  absolute  Gültigkeit  und  Herrschaft 
beigemessen  werden,  so  daft  die  ersteren  nur  insoweit,  als  sie 
mit  dem  letzteren  übereinstimmen ,  bindende  Kraft  besitzen  und 
ihre  Gültigkeit  überhaupt  nur  auf  ihre  Harmonie  mit  dem  gött- 
lichen ( 1  esetze  sich  stützt.  Insoweit  daher  das  Natur- 
recht  und  das  positive  Keeht  sich  widerstreiten,  muis 
letzteres  aller  ver hi  n  d  1  i  (  h  en  Kraft  ermangeln  .  .  . 
Demgemäfs  lebt  und  handelt  der  aoaot;  der  Theorie  nach  un- 
abhängig vom  pontiveD  Gesetae  als  wanihaffc  Freier  und  lediglidi 
nach  seinen  eigenen  GhTundsätzen*^ 

Die  griechische  Philosophie  findet  bekanntlich  gegen  ESnde 
der  Republik  allgemeinen  Eingang  in  Rom.  Mit  Zusätzen  aus 
anderen  Systemen  verbunden  werden  die  stoischen  Anschauungen 
von  Recht  und  Staat  von  Cicero  reproduziert;  durch  die  römi- 
schen Juristen  gewinnen  sie  pjnfluls  auf  das  römische  Recht 
Cicero  und  die  römischen  Juristen  übermitteln  sie  zuerst  der 
spätem  Zeit 


Doch  ehe  wir  diesen  Vor<^an<i:  ins  Auge  fassen,  mufs  der 
ganz  verschiedenen  Lehren  der  Epikureer  gedacht  werden.  Der 
Epikureismus  ist  bekanntlicli  das  umfassendste  System  des  meta- 
physischen und  ethischen  ^laterialismus ,  welches  das  Altertum 
hervorgebracht  hat.  Durch  die  Wiedererweckung  dieses  Lehr- 
gebäudes ist  die  moderne  Welt  in  alle  Tiefen  der  naturahstischen 
Weltanschauung  gefUhrt  worden.  Dasselbe  System,  welches  das 
Üniversnm  aua  dem  Falle  unbeseelter  Atome  entstehen  liefe,  er- 
klfirte  die  Gesellschaft  aus  dem  Zusammentreten  selbstsüchtiger, 
von  dem  Gebote  keines  inneren  oder  äufseren  Gesetzes  oe- 
henrschter  Individuen;  Moral  und  Recht  leitete  es  aus  den  Nüta- 

'  Zöckler:  Die  Lehre  vom  Urstande  des  Menschen.  Gütersloh 
lb79.  In  dem  dritten  für  Nicht- Theologen  besonders  bemerkenswerten 
Kapftel  „Die  Traditionen  des  Heidenttinis"  heifst  es:  „Ein  goldenes  Zeit- 
alter mit  darauf  cefolprtorn  allmiihlichem  Herabsinken  zur  I HirfTigkeit  und 
Kümmerlicbkcit  heutiger  Zustände,  eine  Paradieseswonne  mit  langsam  er- 
bMcbendeiii  Glanxe  ist  in  der  That  OenunDbesitz  der  Tfsditioa  aller 
ilteren  Völker."   S.  m. 

*  Voigt  a.  a.  O.,  p.  142,  143.  ' 


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8 


X  2. 


Ikhkcitaarwägungon  der  am  Frieden  und  Leben  be8org;(en  Men- 
schen ab.   Für  die  Entwicklung  der  StaatswiBBenschaften  aber 

war  CS  bedeutungsvoller,  dafs  die  Epikureer  ein  geregeltes  Zu- 
sammenleben eist  durch  einen  Staatsvertrag  zustande  kommen 
liefst  n ,  welchen  die  Menschen  aus  Rücksicht  auf  ihren  Nutzen, 
vom  Selb8terhaltunf::stii(  In  angeregt,  miteinander  abschlössen. 
Vor  (1(111  Staats  vertragt'  gab  »\s  Kein  Hecht,  lehrten  die  Epikureer 
konsefjueat;  denn  es  fehlten  in  ilacm  .System  die  metaphysischen  Vor- 
aussetzungen :  die  Aniialiiue  einer  VVeltvemunft,  die  das  Uni- 
versum durchdringt,  oder  eines  Schöpfers,  welcher  bestimmte  Gebote 
erUssen  hat;  im  Naturzustande  brachte  der  Stärkere  seine  flacht 
rücksichtslos  zur  Geltung.  Das  Recht,  d<-is  ist  eine  zweite  Kon- 
sequenz ihrer  Lehre,  hat  kein  unabhängiges,  selbstttndiges  Dasein, 
08  existiert  nur  soweit,  als  \'('rtr;ige  abgeschlossen  worden  sind. 
Für  solche  \Vesen.  die  sich  uiclit  dun  h  Vertr?igL>  binden  können, 
Kiebt  es  weder  Gerechtigkeit  noch  Ungerechtigkeit^  ebensowenig 
ftr  solche  Völker,  die  keine  Vertrüge  miteinander  haben  ein- 
gehen mögen.  Das  is'atur recht,  sagt  daher  Epikiir  konse-  k 
(£uent,  ist  ein  Vertrag  über  das,  was  geschehen  mufs,  damit  wirf 
andere  nicht  verletzen  noch  von  ihnen  verletst  werdend 

In  dieser  Aussage  über  das  Naturrecht  dürfen  wir  wohl  eine 
Auseinandersetzung  mit  den  Stoikern  sehen.  Epikur  mufs  von 
seinem  Standpunkte  das  Dasein  eines  vor  und  über  allem  posi- 
tiven Recht*'  bestehenden  Naturrechtes  leugnen;  aber  er  si'lir  ein, 
dafs  die  Menschen  der  v  rj^e^ellscli  iftlirlH  n  Zeit  ein  lebhultes  Be- 
dürlnis  eniptinden  mulstcn,  in  geordnete  Zustände  überzugehen. 
Der  ( lesellschaftsvertrag  ist  die  Brücke  zwischen  Ruhhcit  und 
Kultur  und  wird  die  Grundlage  aller  weiteren  Fortschritte;  denn 
auf  ihm  baut  sich  das  Gerüst  der  positiven  Gesetae  auf,  die 
natürlich  n  ich  den  Bedürfnissen  und  Nützlichkeitserwagungen 
der  verschiedenen  Länder  versi-hieden  ausfallen  müssen.  SoU  der 
Begriff  Naturrecht  in  diesem  Svstein  Aufnahme  Huden,  so  kann 
er  nur  die  Redeiitung  haV)Pn,  „(lafs  es  fibrrall  der  Naturtrieb 
d<*r  Selbsteriialtung  ist,  wrk  her  zuin  Ma  (t>vei-tragi  führt  ...  Er 
(Epikur)  nimmt  daher,  freilich  in  einem  anderen  Sinne  als  die 
früheren,  an,  das  Gerechte  beruhe  auf  der  Natur,  und  versteht 
unter  dem  Naturgerechten  die  Anforderung,  dafs 
jener  Sicherungsvertrag  geschlossen  werde''^ 

fiXttTtrtiv  iUktlloLs  fifjdt  ßkdnitai^tti.  Kitter  uud  Prellcr,  bifttoria 
philoflophiae  groecue  et  ronuume  ex  fontiwn  locia  contexta.  4.  A.  p.  856. 

j(  h  überset/.e  an  dieser  St«;lle  wio  Guyau  (Moiale  d'Epicure)  und  ähnlich 
wie  HildenbrfiTifl  „das  Naturrecbt** ,  wa-  mir  dctii  Sinne  nacb  und  . 
phiIobigii«(.h  als  das  einzig'  Hielitige  crsclieiat,  und  bedauere  mit  30  gewich- 
ti^^cn  Antoritäten  wie  Zeller  und  Voigt  nicht  übereinstimmen  zu  Können. 
Zeller  übersetzt  .,Da?  Kooht  \n  <  in.  r  ei^'entliLhen  Natur  nach"*  a  a.  O. 
p.  455  und  Voigt  „Justum  natura  eät  utilitatis  pactum"  a.  a.  0.  p.  131. 

*  Hilde&Drand,  Oeeehichte  und  System  der  Rechts-  und  tMaats- 
philosophie  1860^  I,  p.  516. 


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X  2. 


9 


Es  ist  unumgänglich  notwendig,  einen  Punkt  der  epikurei- 
schen Lehre  mit  aller  Deutlichkeit  hervortreten  zu  lassen,  ob- 
gleich CT  in  dem  Vorhergehenden  schon  bezeichnet  wurde.  In 
dem  epikureisch«  n  Sy^leiu  existiert  der  (le^ensatz  von  natUr-j 
Üchem  Recht  und  positivem  liecht  nicht.  Aiicd  Recht  ir>t  posi- 
tives Recht  Die  Epikureer  konnten  daher  auch  nicht  behaupten, 
es  wäre  mOglich,  den  Wert  des  positiven  Rechtes  an  dem  Maß- 
stäbe des  Naturreclitcä  zu  messen,  orl  r  positive  Recht  hfltte 
keine  verbindliche  Kraft i  wenn  es  dem  Naturrecht  widerstreite. 
Dies  ist,  wie  man  sich  erinnern  wird,  die  stoische  Lehre,  die  auf 
ganz  indcn  n  iiietM physischen  Grundlagen  beruht.  So  zt  i^t  sieh 
auch  hi«  rin  r  schöne  Zug  der  antiken  Philosophie,  au«  dtu 
für  wahr  gclialLcnen  PrUmissen  faden <;eradc  die  Konsequenzen  zu 
ziehen,  in  dn  bedenkliches  Schwanken  gerieten  dagegen  die* 
jenigen  modernen  Natunrecbtslehrer,  wetehe  epikureische  und 
stoische  Gkdankenelemente  verschmolzen :  sie  mulsten  sich  in  in- 
nere Widersprüche  Uber  die  Fortdauer  des  Naturrechtes  im  Staate 
verwickeln.    Doch  kehren  wir  zur  epikureischen  Lehre  zurück. 

Als  eine  weitere  Konsequenz  der  ( «ruiulanscliauungen  wird 
der  Gedanke  einer  inneren  VerpHiehtung,  die  (lesetze  zu  beob- 
achten, abgewiesen.  .,Hccht  und  Gesetz  ist  somit  nicht  an  und 
für  sich,  sondern  um  seines  Nutzens  willen  verbindlich,  die  Un- 
gerechtigkeit nicht  an  und  für  sich,  sondern  wegen  ihrer  Kach- 
teile zu  verwerfen*^  ^  Der  Weise  befolgt  das  Gesetz ,  weil  er 
dessen  Nützlichkeit  einsieht,  der  Ungebildete  aus  Furcht  vor  den 
Strafen,  welche  für  ungesetzliches  Handeln  angedroht  sind.  Jeder 
darf  das  Ciesetz  übertreten,  welches  seine  Interessen  verletzt;  aber 
<r  iiiufs  befürchten,  entdeckt  und  bestraft  zu  werden,  was  .seine 
Gemütsrulie  trübt  —  die  docli  nach  Epikur  das  höehste  Gut  ist 

Dal»  die  Epikureer  von  dem  vorstaatUchen  Zustande  der 
Menschen  emc  ganz  andere  Vorstellung  hatten  als  die  Stoiker, 
verwandt  mit  d«  rjenigcn,  welche  von  den  Sophisten  vertreten  und 
viele  Jahrhunderte  s]>äter  von  Gassendi,  Hobbes,  Spinoza  er- 
neuert wurde,  ist  .>el)üii  angedeutet  worden.  Ohne  Verträge  und 
Ot. setze,  meint  Metrodor,  würden  die  Menschen  einander  auf- 
fresisen.  Dieser  Teil  ihrer  Lelire  findet  eine  breite  Darstellung 
in  dem  Lc^hrgedii  htf  des  TAieretius  Garns:  De  rerum  natura. 

Hier  wird  am  entJidiiedenäteu  die  N'olkssage  und  die  Lehre 
der  Stoa  angefochten.  Es  gab  nie,  so  vem^men  wir^  ein  gol- 
denes 2«eitalter,  eine  Kulturhohe,  von  der  die  Menschheit  allmäh- 
lich herabgesunken  ist  sondern  Im  Anfang  war  die  Not,  die  Ar- 
mut, die  Unwissenheit  und  die  Hohhr  it.  Die  Geschichte  des 
Mensclien^esehlechtes  ist  nach  Lucreliu.s  die  (Jeschichte  einer  all- 
mählichen stufenweisen  Entwickelung  zur  materiellen,  sittlichen 
und  intellectuellen  Kultui*.    Stets  mul's  der  Naturalismus  im 

^ifl^  Bitter  nnd  Frellcr  a.  ».  O. 


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10 


X  2. 


sc]]n<  I<]en(1sten  Gegensatz  zu  den  Lehren  der  dirisüichen  fieligion 
die  Ifie-e  des  Fortschrittes  vertreten 

Einzeln  -  bch weilten  anfänglich  die  Menf^chen  umlier ;  sie  be- 
gatteten sich  wie  die  Tiere,  wenn  das  Bedürfnis  erwachte  und 
sich  Gelegenheit  bot;  noch  fehlte  ihDOn  die  Sprache^  welche  erst 
mit  dem  geselligen  Leben  entsteht  Elin  jeder  lebte  mir  Air  sich, 
kümmerte  sich  nicht  um  das  Wohl  und  Wehe  der  anderen; 
Sitte  lind  Gesetz  waren  unbekannt.  Erst  als  sie  das  Feuer 
kennen  j?elernt,  HiUten  gebaut  und  feste  Geschlechtsverbindungen 
geknüpft  hatten,  entstand  das  Bedürfnis  nacli  Frieden.  Sie  waren 
nun  ansässig  geworden,  sie  lebten  lamili  iiwtit^e  zusammen  und 
die  zunächst  Wohnenden  schlössen  lurmliclie  Verträge  mitein- 
ander ab,  einander  nicht  ra  yerletzen,  sowie  die  Frauen  und 
Kinder  gemeinsam  su  verteidieen^. 

Eb  ist  für  unsere  Zwecke  belanglos,  das  Gedicht  des  Lucre- 
tiuB  noch  weiter  zu  verfolgen.  Dagegen  müssen  wir  zum  Schlüsse 
die  Lehren  der  Epikureer  über  das  Ent^t*  lie?»  der  (n-.sctze  noch 
einen  Augenblick  ins  Auge  Tassen.  ^Ua  nun  derartige  \  ertritge," 
heilst  es  in  Zellers  Darstellung,  „nur  durch  die;eniu:en  ins  Leben 
gerufen  werden  konnten,  die  es  den  andern  an  hinsieht  zuvor- 
thaten,  diese  aber  dabei  natürlich  (wie  jeder  verständige  Mensch) 
ihren  eigenen  VorteQ  im  Auge  hatten,  so  kann  auch  gesagt  wer- 
den .  die  (iesetze  seien  nur  der  Weisen  willen  gemacht,  nicht 
damit  diese  kein  Unrecht  thun,  sondern  damit  sie  kein  Unrecht 
leiden  möchten'^ 

So  ist  also  schon  bei  den  Epikureern  in  aller  Klarlieit  <lie 
Meinung  ausgesprochen,  die  wir  im  18.  Jahrhundert  so  iiautig 
vernehmen,  dalia  die  Gesetze  bewufst  gemacht  werden,  und  zwar 
von  den  Weisen  zu  ihrem  eigenen  V  orteil.    Jener  Ansicht  ent- 


'  Siehe  dir'  Krörterunnfon  Oiiyau's:  „La  uinralc  d'Epicors".  Ptlis 
iiv.  111,  chap.  III.   -Le  progres  dans  I  humanite.*' 

*  Gu^aa  llust die Menscnen  hordenweise  beitiinschwdfen:  ^Les 
hommes.  aioutc  t-il  (Lucr^jce),  crraiciit  njir  troupeaux,  comme  les  betes." 
Ich  habe  dies  ans  d.  r  Darstellung  des  Lucreti«?  nicht  entnehmen  können. 

*  Die  epikmcisehiii  I. ehren  von  der  Entstehung;  von  Staat  und  Kultur 
tinden  einen  ee  IbBt Und i  ;ien  Vertreter  in  Polybius.  Karl  Hildenbrand, 
Geschichte  und  System  der  Rei  lits-  und  Stant.Hphilosdphie.  Leipzig  l'^HO, 
],  p.  b^b.  Selbst  bei  Aristoteles  sind  AnkUinge  au  diese  .AuffassTing  vor- 
haoden.  Wohl  lehrte  er  and  mufste  es  im  Geiste  seines  Systemes  lehren, 
dafs  der  Staat  frlllifr  da  >ei  als  das  iTidividintni:  aber  auch  er  l&fst,  nicht 
tbatsäcklich ,  aber  der  Hetrachtung  wegen,  den  Staat  ans  einfach« 
Bten  tmd  kleinsten  Teilen  entstehen.  Er  kennt  den  Itepritf  des  Staat- 
losen  Naturzustandes.  Der  Mensch,  welcher  aufserhalb  des  Staates  lebt, 
ist  ihm  ein  y.M;niri  ohne  Sippe,  olme  Ke<  ht.  olm.  Herd**,  er  lebt  auf  eiprene 
Faust  und  verin;ur  den  Zustand  nicht  zu  ei tragen,  wenn  er  nicht  bct>:»er 
oder  sclilechter  als  em  Mensch  ist.  Geschäften  mit  Anlagen  zur  Einsicht 
und  Tugend,  kann  er  dioclbfu  nur  im  Staute  entfalten:  los^^elöst  von 
Kecht  luid  L't^tz  ist  er  das  allerschliiumste  lieschüpf.  Der  Staat,  er- 
klSit  der  Stagirit  ausdrUcklieh,  entstand  des  Lebens  willen. 

*  Zell  er  a.  a.  0.,  III,  1,  p.  456. 


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11 


sjjricht  die  bekannte  gerin^i:e  Meinunfi'.  w«»k-}ie  die  Kpikurcer  von 
einem  Wirken  im  Staate  hatteu.  Der  W  eise  wird  nur  dann  nach 
|x>htij>cliem  Kindu<i8e  streben,  wenn  seine  Sicherheit  es  erfordert; 
im  Übrigen  ttberlä&t  er  das  Gemdoweaen  deo  ehrgeizigen  Menschen. 


Überblicken  v\'ir  die  beiden  philosophischen  Systeme,  deren 
Lehren  über  Recht  und  Staat  wir  vorher  betrachtet  liahen,  so 
fallen  tlie  gröisten  Verschiedenheiten  ins  Au<re  Dort  am  Anfange 
die  ewiee  Vernunft,  hier  das  Siiiel  der  Atome;  dort  beim  Be- 
ipnne  der  Menschengeschichte  die  Gleichheit  und  Freiheit  aller 
Yemirnft Wesen  im  goldenen  Zeitalter,  hier  die  Gleichheit  sittlicher 
Ungebundenheit,  in  einer  Periode  voll  Rohheit  und  Burbarei; 
dort  ein  ewiges  Naturgesetz,  liier  6esetzlosigkeit|  bitt  aus  dem 
Triebe  nach  Selbaterbaltung  der  Gesellschafts vertrag  hervorgeht; 
dort  lirnheTgirn^  zur  republikanischen  Verfassung,  welche  mit 
der  Freiheit  und  Gleiclilieit  aller  Vernunftwesen  am  meisten  ver- 
triiglicli  scheint,  hier  \  nrHebe  für  die  monarchische  Staatsform, 
welch«'  dt-n  Frieden  am  kräftigsten  zu  sichern  die  Ausisicht  bietet^ ; 
dort  ein  Herabsinken  von  uranfänglicher  Höhe,  hier  ein  allmäh- 
liches fimporsteigen  zn  materieller  and  rittlicher  Kultur;  dort  die 
Lehre,  dafs  das  Katarrecht  vor  dem  positiven  Gesetse  gegolten 
habe.  Im  Staate  noch  gelte  und  ikber  alle  St^iatsgesetze  erhaben 
sei ,  mit  anderen  Worten,  dafs  das,  was  die  individuelle  Ver- 
nunft  des  Weisen  flir  wahr  halte,  eine  höhere  fieltung  bean- 
spruchen dürfe  als  all»'  positiven  Gesetze,  hier  die  Leugnung  alles 
Isaturrechtes  im  stoischen  Sinne  und  die  Behauptung,  dafs  der 
Mensch  sich  über  jeiles  Gesetz  hinwegsetzen  dürfe,  weuu  er  es 
in  seinem  individuellen  Interease  für  nützlich  halte. 
Und  doch  ist  noch  genug  des  Gleichardgen  vorhanden;  denn 
beide  Systeme  nehmen  einen  Xatur/ustand  vor  der  GrUndung 
des  Staates  an,  in  dem  niemand  durch  eine  positive  gesetzliche 
Macht  in  seiner  Freiheit  beschrilnkt  werde  und  folglich  auch  alle 
Menschen  in  dieser  Beziehuntr  im  Zustande  der  Gleichheit 
lebten;  beide  predigen  den  tthisehcn  und  politischen  Indivi- 
•  du a Iis m US,  der  eine  den  Individualismus  der  Vernuuit,  der  ■ 
andere  den  des  Interesses;  beide  stehen  allen  realen  politischen  | 
Gebilden  wenn  nicht  feindselig)  so  doch  gleichgültig  gegenüber; 
das  Individuum  beherrscht  das  Interesse  der  Stoiker  und  der 
£pikareer. 


*  Wie  Uer  strengen  und  kräftigen  Sitteulchre  des  Stoicismus  jene 
tmbeagsame  republikanische  Oerinnong  entsprach,  die  wir  namentiicn  in 
Kom  80  oft  mit  stoischer  Philosophie  verknüpft  finden,  so  war  es  nmse- 
kehrt  dem  weichen  and  furchtaamen  Geist  des  Epikureismus  gemäfs,  dtn 
Schatz  der  monarchischen  Verfassung  aufzusuchen.   Zell  er,  p.  Abb. 


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Zweites  Kapitel. 
Das  Naturrecht  in  Rom  und  im  Mittelalter. 


Wir  wollen  nun  die  Überführung  der  stoiBcben  Lehre  von 

Recht  und  Staat  in  die  Schriften  Cicrros  und  der  römischen 
JuriHten  verfolgen,  und  zwar  unter  der  Führung  Voigtr>.  welcher 
»lir^'icn  Gegenstand  mit  st  innonsworter  OelehrsainUeit  behandelt. 
Folgeudes  ist  nach  ihm  die  Lthrc  des  röniisclien  Philosophen: 
„l)io  lex  naturac  oder  lex  naturalis  oder  suniina.  vcra  lex  .  .  . 
oder  c  icleöli»  lex  ...  ist  das  Gebot  Gottes  selbest,  hervor« 
gegangen  aus  desBeu  ratio,  und  Gott  selbet  inwohnend  und  in 
und  mit  Gott  auch  dem  Weltall  und  der  Natur.  Daher  ist  diese 
lex  selbst  eine  summa  oder  rccta  ratio,  wie  eine  mens  oder  ratio 
Dei,  und  eiiu  ratio  naturae.  Sie  ist  von  Gott  den  Menschen 
gesetzt  als  Anforderung  an  dessen  ratio:  als  \^>rschrift  des  zu 
Thuenden  und  zu  UnterhissciubTt  Unabhängig  von  der  Mei- 
nung und  individuellen  Anschauung  der  Menschen,  wie  der  Na- 
tionen, ist  sie  coniiiiunia  lex  naturae:  uruntänglichc  und 
ewige,  gleichmäfsige  und  unabänderliche  Vor- 
schrift fttr  alle  Zeiten  und  Völker,  ein  Ausdruck 
der  absoluten  Wahrheit,   der  höchsten  Weisheit 

Gottes  Zur  vollen  Erkenntnis  dieser  lex  gelangt  der 

Mensch  dtirch  eigene  Thätigkeit:  Die  Vorstellung  von  den  Ge 
boten   der  lex   ist   in    ihren  ( irundanlagen         Keim   und  in 
kleinen  Verhftltnissen  dem  Menschen  eingeboren  \  allein  dir  un- 
getrübte Erkenntnis  derselben  ....  ist  lediglich  die  Frucht  des 

ernsten  Strebens  und  Ringens  nach  höchster  Wahrheit  

Das  durch  die  lex  naturae  gebotene  Recht  wird  jus  naturae 
oder  jus  naturale  —  im  Gegensatz  des  Quiritium  jus  genannt . . . , 
Den  Menschen  ist       Begriif  dieses  Rechtes  gleichmäfsig  ein- 


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13 


geboren,   indem    solcher  unmittelbar   der   ratio  eingeplianzt 
i8t..."^ 

Durch  diese  Lehren  wird  Cicero  der  Vermittler  zwischen 
der  Ethik  der  Stoiker  und  den  Doktrinen  der  christlichen  Philo- 
sophie'. Jene  ethischen  Begriffe  treten  immer  wieder  auf, 
vermehrt  um  den  Begriff  de«  unmittelbar  ansgesproclienen  gött- 
lichen Gesetzes,  bei  raulns,  Pelagius,  Augustinus,  Scotus  Erigena, 
AbUlard,  am  durchgehildctsten  bei  Thoraas  von  Aquino^.  Dafs^v 
(lOtt  der  menscMichen  Natur  ein  sittliches  (»esetz  eingeschafff»n  1 
hiibe,  dal's  tolglich  das  Naturgesetz  in  Wahrheit  auch  ein  gött-  1 
liehe«  GesetB  sei,  dals  neben  diesem  mittelbar  cOtdichen  Gesetze  / 
ein  dnrch  die  OiQfenbaning  dnekt  yerktlndetes  bestehe,  dals  ron  | 
diesen  Arten  von  Gesetzen  das  bürgerliche»  menschlicho  untere 
schieden  werden  müsse:  das  ist  ein  Kern  von  Gedanken,  der 
SH-}}  fast  überall  aus  den  Lehren  der  mittelalterlichen  Tlioologen 
UTi*l  Scliolaijtikei'  herausschälen  läl'st.  Wie  diese  Männer  die  er- 
•wähnten  Sätze  verwerteten,  welche  Schlüsse  sie  aus  dem  Neben- 
einanderbestehen eines  natürlichen  göttliciien  Gesetzes  mit  der 
behaupteten  Notwendigkdt  des  CbematUrlichen  zogen:  das  dar- 
anlegen  ist  ebensowenig  unsere  Angabe,  wie  der  Konsequenzen 
au  gedenken,  welche  die  von  den  Nomtnalisten  Torgenommene 
Basinmf;  des  Gesetze  auf  den  Willen  Gottes,  nicht  auf  seine  ewige 
Vernunft  nach  sich  ziehen  mull^te.  Es  ist  aber  klar,  dafs, 
nachd<'ni  später  in  der  Doktrin  die  IK^zi  elninjL>en 
des  natürlichen  Gesetzes  zu  der  göttlichen  Ver- 
nunft oder  dem  göttlichen  Willen  gelöst  oder  zer- 
schnitten  wurden,  nichts  übrig  blieb,  als  die  ur- 
sprttngliche  Ffthigkeit  der  menschlichen  Natur, 
Sittlichkeit  und  Recht  aus  sich  selbst  au  erzeugen. 
Doch  werden  jene  Faden  immer  wieder  angeknüpft.  Da& 
das  der  menschlichen  Natur  entstammende  Gebot  zugleich  ein 
göttliches  sei,  hat  noeh  Adam  Smith  vorgetragen 

Im  Vorhergeh(  nilen  haben  wir  mehr  die  dem  Nauirrecht  und 
der  Ethik  gemeinsame  Seite  der  ( 'ieeronianisehen  Philosophie  betont. 
Aber  auch  auf  dem  speciell  naturrechtlichen  Gebiete  wurde  von 
Cicero  eine  Durchdringung  der  Begriffe  des  rt^mischen  Rechtes  mit 
dem  griechischen  Oäanken  angestrebt;  er  ist  hierdurch  ein 
Lehrer  der  römischen  Juristen  geworden,  welchen  es  gelang, 
jene  Verschmelzung  wirkungsvoller  dnrchzuftlhren. 

Bekanntlich  hat  sieh  durch  die  Berührung  der  Römer  mit 


'  Voigt  a.  a,  0.  p.  185.  187.  192.  Auch  die  IJezticlmuni^  „Ordo" 
findet  eich  schon  bei  Cirero,  wie  Daire  behauptet.  jPh^siocrateä  I,  In- 
tiodiiction  B.  XX. 

s  Jodl,  Oeschichte  der  Etbik  in  der  neuem  Pbiloeopbie  1882. 
Bd.  J»  p.  33  und  35. 

•  Jodl  a.  a.  0.  p.  53,  56,  58,  64,  66,  68. 


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14 


X  2. 


fremden  Völkern  der  Begriff  des  jus  gentium,  des  allen  Völkern 
gemefauamen  Rechtes  —  quo  omnes  gentes  utuntiir  —  ent- 
wickelt Es  ist  weiter  bekannt,  dals  diese  deo  Völkern  ge- 
ineinsaman  RechtssStze  durch  die  Gewohpheit  und  das  präto- 
fische  Edikt  EinHufs  auf  das  jus  civile  gewannen,  sodaU  das 
jus  MprjHiim  oinen  Teil  seiner  Kraft  im  Kampfe  mit  dem  jus 
strictum  aus  dem  jus  gentium  zog. 

Die  fitoisohe  Philosophie,  die  Schriften  Ciceros  schlingen 
nun  ein  geiötigeü  Band  um  diese  aus  praktischen  Bedürfnissen 
entstandenen  Rechtsgebiete.  Das  jus  g^tium  der  Juristen  wird 
mit  dem  jus  naturale  der  PhikMophen  in  Verbindung  gebracht; 
es  scheint  sich  in  dem  jus  gentium,  quo  omnes  gentes  utuntur, 
das  Naturrecht  zu  offenbaren,  quod  natunUis  ratio  constituit. 
Zwnr  ist  das  jus  p^pntiuin  nicht  alfL^emein  demjuf<  nntnrale  völlig 
gieici^estellt  worden;  doch  }i:il)en  die  Idf^ntitMt  einige  Juristen, 
z.  B.  Gaju,  behauptet  Du^  jub  naturale  würde  aucli  dabei  verloren 
haben.  Nur  daaurch  gewann  es  seine  ganze  Hoheit,  dal'b  es 
als  ein  bruchstiickwdse  ▼erwirklichtes  und  ab  ein  erst  gana  m 
verwirklichendes  Ideal'erschien,  bestimmt^  alles  einsdtig  nationale 
Recht  zu  verdrängen. 

Über  die  Bedeutung  der  Überführnng  griechischer  Philo- 
sophemeindic  römische  Reelitswissenscliaft  drückt  sich  in  üb>M  ;um 
klarer  Weise  Voigt  aus  Er  l)ehauptet,  „dals  jene  Lehre  (  vom 
jus  naturale)  zner.st  das  römische  Volk  zu  einer  ko8moj)oliti- 
schen  Ansciiauuugsweibe  emporhob  und  so  diejenigen  Vor- 
stellungen, deren  Keime  beraits  weitsreifende  Eroberung  und 
ausgedehnter  Handelsverkehr  in  die  Ideenwelt  der  Ebmer  ver- 
pflanzt hatte,  zur  bewufsten  Erkenntnis  ftihrto  und  zu  voller 
Ausdehnung  und  Tragweite  ausbildete.  Gleich  allen  Nationen 
des  Alte  rtums  geht  Rom  in  seiner  staatliehen  Entwicklung  aus 
von  dem  Prinzip  nationaler  Exkhisivitfit  in  allen  relitrii'.sm.  wie 
politi8clM*n  lind  bürgerhclien  Beziehungen.  Auf  jenes  Prinzip 
stutzt  sich  der  antike  Begriff  vom  Staate,  wie  wir  solchen  na- 
mentlich von  Aristoteles,  Polybtus  und  Cicero  ausgesprochen, 
vom  antiken  Leben  getragen  seh^.  Hiemach  erscheint  der 
Staat  als  societas  der  Bürger  zum  Zwecke  der  Oemeinsamkeit 
des  Rechtes,  wie  alles  Nutzbringenden  ...»  Über  diese  Gränzc 
hinaus  war  den  Ri'^mcrn  die  \'orstelhintr  einer  Oenieinsehaft 
zwischen  den  Mensclien  oder  zwischen  den  Freien  völlig  Iremd." 
Doch  als  spilter  „die  Rrtnier  ein  privatrechtüelip.s  jus  gentium 
aufstellten,  erkannten  die.-^elben  darin  in  der  Tluit  eine  Rechts- 
norm an,  welche  nicht  blofs  die  socü  civitatis,  sondern  die  ge- 
samte freie  Menschheit  beherrscht ....  Diese  Annahme  einer 
societ.Ls  hominum  enthält  aber  in  Wahrheit  den  Grundgedanken 
und  das  Prinzip,  welches  vom  antiken  Standpunkte  aus  in  der 

Ersclit  inunj]^  des  jus  gentium  verhüllt  lag   ( ierade  jener 

Grundgedanke  .  .  .jenes  neue  Dogma  ...  war  von  dem  Ireien 
Gesichtspunkte  der  griechischen  rhiiosopiuc  erkannt  und  aus- 


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X  2. 


15 


gesprorlvn .  von  Cicero  aber  in  einer  für  don  antiken  Stand- 
punkt erliabenen  Weise  begrlmdet  und  seinen  MitbUrj^ern  zur 
newufsten  Anschauung  vergegenwärtigt  worden.  Indem  nun  von 
dem  letzteren,  wie  bereits  von  den  Stoikern,  jeueü  Dogma  in  die 
tnnigflte  BeziehuBg  «ir  Theorie  vom  jus  naturale  geaetst-ward, 
ao  wirkte  nun  in  dieser  Verbindung  das  jus  naturale,  ebenso- 
wohl das  Dogma  von  der  societas  hominum  unterstützend,  wie 
selbst  von  diesem  gesttttst,  in  der  oben  bezeichneten  koimo- 
poUtLselipn  Hiclitung" 

l>ir>  i«t  die  wieiitigste  Bedeutung,  welelic  Tiimpntlich  in 
ihrer  Verbiudun^  mit  dem  Dogma  von  dor  snrirt;i<  iionnuum, 
die  Lehre  vom  jus  natunJe  tur  das  gesamte  Aiiertum  iiatte;  ein 
bedeutungsvoller  Moment  aber  auch  in  der  Geschichte  des  ge- 
samten Henschengdstes  und  seiner  Kultur.  Der  Wendepunkt, 
wo  eine  neue  Phase  in  dem  Gange  der  Entwicklung  der  Mensch- 
heit anhebt  und  der  Geist  der  Neuzeit,  unterstützt  und  gefor- 
dert dureh  die  kos?iiopolitisehcn  Lehren  des  Quistentums,  seine 
Schwingen  zu  entt';ilten  be;L!:innt" 

Vergessen  wir  nicht  zum  Schlüsse  zu  erwähnen,  dals  die 
römische  Rechtswissenschaft  noch  eine  andere  Art  des  2satur- 
rechts  kennt.  Neben  dem  jus  naturale  quod  naturalis  ratio  con- 
atituit,  und  das  nur  für  vernunftbegabte  Menschen  Geltung  hat, 
.  eodstiert  das  jus  naturale  quod  natura  omnia  animalia  docuit,  ein 
Naturgesetz,  welches  der  Schöpfer  der  ganzen  belebten  Welt 
vorgeschrieben  hat-  und  dem  die  Tiere  instinktiv  geliorelion. 
Als  ein  besonderes  Recht  der  Menschheit  stellt  sich  dann  das  Natur- 
reelit  in  der  ersten  Bedeutung  dar.  Für  die  Menseldieit  selbst  ist 
es  ^das  absolute  Recht.  Die  römischen  Jiuisten  drücken  dies 
durch  drei  Attribute  aus,  die  sie  ihm  beilegen,  nUmlich  die 
Universalität  der  Geltung  sowohl  ftlr  die  Volker,  als  für 
die  Einzelmenschen,  die  Unwandelbarkeit  im  Verlaufe  der 
Zeit,  und  die  höchste  materielle  Gerechtigkeit^ ^ 


Diese  Ideen  gingen  allmählich  in  den  Besitz  der  mittelalter- 
lichen Schriftsteller  Über^.   Sie  fanden  zum  Teil  einen  wohl- 


»  Voi^t  a.  a.  0.  p.  235—237. 

*  Jas  istud  non  Irainaiii  generis  propriam,  sed  omnimn  apimaHom 

.  .  .  < "rniiiunc  *  st.    fTiti>-  rlescendit  inari^  et  feminae  coigunctio»  quam 
nos  OTHtrimonium  ap|)€illainu8,  hinc  liberorum  procreatio  .  •  .  . 
^  Htldenbrand  a.  a.  O.  p.  607. 

*  Wir  .««teilen  uns  das  Verschwinden  der  lateinischen  Litteratur  im 
Mirtolaltpr  nhertriebcn  vor.  G.  Voigt  (Die  Wiederbelebung  des  kl:i?pi- 
sclieii  Aiiertum»,  2.  Aufl.  1880  —  1.  p.  4)  sagt:  „Wie  die  römischen 
KechtsbUfher.  fo  blieb  auch  die  geschichtliche ,  philosophische  und  poe« 
tifichr»  I>iftrratur  der  Römer  nieiiKils  pam  unlieacntet  ii  Si  li-n 
die  Kirchcuvätej*  wiesen  vielfach  auf  die  .profanen  Autoreu  Uiu,  denen 
sie  ja  ihre  Erudition  snm  guten  Teile  verdankten  .  .  .  Endtteh  Mtaen 


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16 


X  2. 


vorbereiteten  Boden.  Für  den  roic.  den  loyoc  ror  7rr(rr6c  trafen 
sie  den  ^£0^,'  oder  k6yog\  das  christliehe  Universah'eieh  war  mit 
dem  Weltstaate  der  antiken  Philosophen  verwandt;  der  ange- 
nommene Naturzustand  der  griechisch-rOmiBchen  Denker  erhielt 
durch  die  christliche  Lehre  vom  Paradiese  die  kräfdgste  Be- 
stätigung: die  Gleichheit  aller  Vemunftwesen  hatte  in  der  Gottes- 
kindschaft  süler  Menschen  ihr  Gegenstück.  Aber  schon  frUh 
scheinen  die  stoischen  Gedankenrlenicnte  auf  die  seltsamste 
VV'eise  mit  epikureisehen  liestandteilen  venjuickt  worden  zu  st  in. 

Wenn  alle  Menschen  von  einem  Paare  abstammten  und 
ursprünglicli  in  einem  staatenlosen  Zustande  gelebt  hatten,  dann 
war  die  Frage  nicht  zu  vennelden,  wie  denn  der  Staat  ent- 
standen sei.  Sie  wwde  brennend ,  als  Gregor  VII.  das  Band 
zwischen  üniversalkirchc  uvA  Universalreich  zerrifs.    rutcr  dem 
iM'nflnsse  der  von  der  Antike  genährten  philosophischen  Staats- 
lehre filngt  man  an,  die  Entstehnnp;  des  Staates  auf  Naturtrieb 
und  menschliche  Willensvorgänge  zurückzufiiliren.    ..T)er  «zott- 
liche  Wille,"   sasrt  (Jierke,    „wird  zwar  als  wirkende  Ursache 
festgehalten,  allein  er  tritt  in  die  Rolle  der  causa  remotii  zurück" 
U  Ein  Jahrhundert  später,  zuerst  zur  Zeit  des  InvestiturstreiteS|  i 
I  entwickelt  sich  die  Lehre  yom  Staats  vertrage.  Woher 
kommt  sie?  Gierke  meint:  „Die  kirchlichen  Vorstellungen  von 
einem  ursprünglichen  Naturzustande,  in  dem  es  weder  Eigentum  ] 
noch  nerr.>cliaft  gep^cbcn  haben  sollte,  waren  ihr  förderlich."  ' 
Da  nun  hiermit,  wie  die  Lehre  der  Stoa  beweist,  noch  n'rJit  die  ^ 
Lehre  vom  vStaatsvert  rage  gegeben  war,  so  verweist  <  iierke 
auf  „mancherlei    Erinnerungen   aus   der  germanischen  Keehts- 
geschicbte  und  die  vertragsraafsige  Ausgestaltung  so  vieler  gel- 
tender öffentlicher  Rechtsverhältnisse  durch  Vereinbarung  zwi- 
schen Fürsten  und  Ständen .  .  .   Vor  allem  aber  entschied  über 
ihren  Sieg  die  Auffassung,  welche  man  ttber  den  Ursprung  der 
höchsten  irdischen  Gewalt,  in  der  man  das  Muster  aller  Staats- 
gewalt erblickte,  mehr  und  mefir  entwickelte.    Die  durisprudonz 
war  auf  Grund  ihrer  Qii(  Ilen  von  vornherein  darüber  einig,  dafs 
die  kaiserliche  (lewalt  als  Xaditolgerin  in  da«  inij'crium  der  ' 
römischen  Cäsaren  zuletzt  aui  der  dmch  die  lex  regia  v(dl-  ! 
zogenen  einstmaligen  Volksübertragung  beruhe"'.  { 

Aber  ist  denn  nicht  vielleicbt  doch  die  Wiedererweckung  ; 


wir  aus  allen  Perioden  der  mittelalterlichen  Zeit  handschriftliche  Kopieeu 
klaenseher  Autoren,  die  doch  ein  thiitiges  Interesse  iiir  die  IJtteratur 

bezeichnen.    Derselbe  Verfasser  gehreibt:   „Die  blofso  Belesenheit  iät  ii 

noch  lange  nicht  jene  einseitige  Begeisterung  der  Humanisten  ....   An  • 

K<  iintnisnahme  und  selbst  Interesse  IQr  das  Altertum  hat  es  m  keiner  ' 

iteit  pnuz  frcfr-hU."    IM.  II.  p.  200.  f 

1  Gierke,  Joh.  AltUusius  und  die  Entwicklung  der  uaturrccUt-  i 

liehen  Staatstheorieen.  Breslau  I88<K  p.  63.  t 

<  a.  a.  0.  8.  77. 


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1 


X  2. 


17 


des  epikureischen  Systems  van  Einflufs  gewesen?  Gierke  leugnet 
es,  ohne  jedoch  Gründe  fiir  seine  Ansicht  anzuftlhren^ 

Seit  dem  Ende  des  13.  Jahrhunderts  stellte  .dir-  plnlosophische 
Staatslehre  das  Axiom  auf,  dafs  der  Kechtsgriind  aller  Ilerr- 
Bchaft  in  freiwilliger  und  vertragsmäTsi^  er  Unter- 
werfung der  beherrschten  Gesamtheit  liege ^.  Über  die  isatur 
der  Hemehafiseinjatimung  bestand  eine  Kontroverse  swisehen  / 
den  Verfechtern  der  transktio  und  den  Anhüngem  der  ooncessio,  // 
Bwei  Worten,  welche  den  Inhalt  der  von  ihnen  beEeichneten  Be- 
griffe  ohne  wdtere  Erläuterung  erkennen  lassen.  Aua  der  An- 
nahme der  concessio  ging  schon  im  Mittelalter  die  Lehre  von  der 
Volkssouverünetät  hervor®. 

So  durchkreuzen  sich  zu  Ende  des  Mittelalters  stoische  . 
und  epikureische  Gedanken:  das  ewige,  fUr  alle  Zeiten  und  1 
Völker  geltende  Naturrecht  und  die  I^hare  vom  Staatsvertrage.  ^ 
Aber  diese  Ideen  lieTsen  sieh  ebensowohl  miteinander»  wie  mit 
der  christlichen  Lehre  verbinden.  Nach  der  Stoa  war  ja  auf 
daa  goldene  Zeit^Uter  eine  Periode  der  Verderbnis  gefolgt»  welche 
dns  positive  Gesetz  zur  Fol^'e  hatte.  Wenn  man  sich  mm  diese 
Zeit  in  (Ut  Weise  der  Epikureer  daclite,  so  konnte  man  sehr 
wohl  die  Lehre  vom  Staatsvcrtnige  an  diejenijt^e  vom  ewigen 
Dutürlichen  Vemunftrechte  reihen,  im  Christliclie  übersetzt,  hiels 
dies:  Die  von  (Jott  nach  seinem  Ebenbildc  geschaffenen  Menschen 
lebten  aisprllnglich  im  Paradiese;  während  dieses  Zustandes 
völliger  Unschold  standen  sie  allein  unter  dem  direkt  auage- 
sprochenen  G^esetze  Gottes.  Infolge  der  SUnde  wurden  sie  aus 
dem  Paradiese  verstofsen;  Habsucht  und  Mord  entzweiten  sie: 
sie  zerstreuten  sich  Uber  di<"  Vrde  und  hebten  ein  unsicheres  una 
jämmerliches  Leben.  Um  ihr  Dasein  zu  schützen,  gründeten  sie 
endlich  den  Staat  durch  einen  Vertrjig.  Obwohl  ihre  Fiihig- 
keiten  geschwächt  waren,  gestattete  ihnen  die  'l  iuitöache,  dals 
sie  nach  dem  Ebenhikle  Gottes  geschaffen  waren,  mit  Hilfe  ihrer 
Vernunft  das  Naturrecht  zu  finden. 

*  Ich  stelle  natürlii  h  nur  eine  IJyuothese  auf  und  begnüge  mich 
datier,  eine  Stelle  aus  dem  genannten  Werke  von  Guyau  hieher  sn 
srtzrn.  ivelche  beweist,  wie  sehr  ilie  epikurei^olu!  lifhre.  flie  im  gatizcn 
Mittelnlter  bekannt  blieb,  im  12.  Jahrhundert  an  Kraft  gewonnen  hatte. 
„An  cormnencement  dn  dotni^e  aitele,  lorsque  an  conrant  d'incrMoUtft 
commen^'Ä  i  sc  pruduire  en  Eiirope  et  urt ont  en  Italie,  lor8<iue  des  so- 
c]H^9  secrAte»  se  torm^ront  pour  la  destruction  du  christianisnie ,  les 
plud  logiquea  parmi  ces  partisans  d'un  esprit  nouveau  n'h^sittirent  pas 
k  invoqaer  le  nom  d'Epicure.  A  Florence,  en  111.5,  un  parti  d^Epicnricns 
se  forma,  assez  fort  pour  devenir  !e  snjct  de  troubles  sanglants.  L'h^?r('*8i© 
des  Epicuriens,  remarque  Benvenutu  d  Imola,  ctait  entre  toutes  celle  qoi 
comptait  lea  plus  nombreitx  partisans*^  u.  s.  w.  p.  191.  Und  Windel* 
band,  nr-chiclito  der  neueren  Philosophie,  Leipzig  1878,  sagt  au=«driiek- 
lich:  ,^>eilich  war  der  Kpikureismus  niemals  vöfiig  vergessen  worden. 
Id  der  poetiscben  Duntdluni;  des  La  eres  and  in  der  iieprodoktion  der 
Sdiriften  Cicero'a  war  er  beunnt  geblieben",  Bd.  I,  p.  19. 

'  (iierke,  p. 

•  Gierke,  p.  I2^i. 


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18 


Wfnn  wir  uns,  an  diesem  Punkte  angekoninion,  die  Knt- 
wickiung  der  Lehren  vom  natUrHchen  Rechte  norli  <  mmal  zu 
vergegenwärtigen  suchen,  so  zeigt  sich,  dafs  öie  t*  ih%eise  in  den 
Schrinen  der  griechiscben  und  römischen  Philosophen,  teilweise 
in  den  Pandekten ,  teilweiae  in  mitteklteriichen  Werken  rw- 
getragen  worden  waren.  Ea  bedarf  kaner  Ausftthrung,  dafs 
man  nieht  alle  Quellen  gleicliniAfng  erOffiiet  hatte.  Dies  geschah 
durch  die  Renaissance. 


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Drittes  Kapitel. 


Die  Ausbildung  des  Naturrechts  als  sslbständigs 

Wissenschaft. 


Wir  stehen  an  der  Schwelle  jener  grofsen  Zeit,  wo  die  j 
mfttolallerliche  fifldung.  die  mittdalterfiäe  religidae  Weltui- 
flchauuDg  und  d«r  mittelAlterliche  Staatebegriff  vor  den  gewaltig-  \ 
eben  Angriffen  teiberiagen,  teils  ziirttckwlchen.  Man  hat  es  oft 
▼eraucbt,  die  Gruppen  von  Streitern  fUr  die  Entwicklung  der 
modernen  geistip^en  Welt  aU  Kämpfer  darzustellen,  die  auf  ver- 
schiedenen SclilaolitfeMern  filr  mn^  Idee  der  Menschen- 
bef'reitmg  focliteii :  niuii.miüiuus,  Keforination,  die  moderne  I*o- 
litik  dtiieu  nur  Glieder  einer  grofsen  Kette.  Es  l:ilät  sich  nicht 
verkennen,  daik  diese  drei  Richtungen  Berührungspunkte  auf- 
weiseii,  hie  und  da  ineinander  fibeigeben  und  tich  gegenseitig 
nnterstutzen ;  das  Ue^  im  Wem  oppoettioneller  BestreDungen. 
Im  Jahre  1848  gingen  auch,  um  Grolses  mit  lüemem  za  ver- 
gleichen, ZUnftler  und  Sociaiisten  zuweilen  zusammen,  weil  sie 
tich  des  gemeinsamen  (jegen.satzes  klarer  als  der  eiit4e;:en- 
gesetzten  Ziele  bewufst  waren.  Die  vorher  gekennzeichneten 
lüehtuögen  sind  aber  in  ihrem  Ursprünge,  wie  mir  scheint,  !»ehr 
deuüich  von  einander  getrennt  In  diesem  Punkte  weisen  sie 
nur  die  ttnftere  Verwandtschaft  auf,  data  sie  im  Kampfe  tmr 
das  Zukunftige  gegen  das  Gegenwärtige  auf  die  Vei^gangenheit 
nur  Uckgehen. 

Der  Humanismus  will  das  Altertum  wieder  erwecken: 
er  stützt  sich  dadurch  ^nnäclist  in  d^n  srlm*  nlendöten  Gegensalz 

fe^^en  die  Methoile  der  mittelalterlichen  W  i^^eiischaft  und  deren 
^arstellungsform ;  allmählich  wird  er  dazu  fortgetrieben,  die 
Wissenscluift  der  Allen  Uber  die  mittelalterliche  SchoUstik  zu 
sIeUen  und  zuletat  heidnisch  au  ftlhlen  und  su  denken.  Aus 

2* 


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20 


dem  Humanismus  geheo  die  Philosopiiic  und  die  Philologie  der 
Übei^angszeit  liervor. 

Uio  antikeii  Systeme  werden  erneuert,  die  pktoniacheD 
Stadien  lelien  wieder  auf^  der  wahre  Aristoteles  wird  entdeckt^ 
am  Zeno  und  Epiknr»  ja  I^rrho  nnd  Empedoklcs  scharen  sich 
Jünger.  Der  hervorragendste  Erneuerer  der  stoischen  Philosophie 
ist  der  Xu'derLlnder  Justus  Lipsiu»,  welcher  beinahe  ein  Viertel - 
Jahrhundert  an  der  Universität  Leyden  wirkte;  der  ertoigniche 
Vorkämpfer  des  EpiknreiHraus  heilst  bekanntlich  Pierre  Gas.scndi ; 
sein  EinduCs  aut  die  ueucrc  Philosophie  i^t  dui'cli  Lange  und 

Onyan  ins  licht  gestellt  worden'.  Und  nicht  nur  den  meta- 
physischen  Ansichten  der  alten  Philosophen  gilt  die  Aufmerk- 
samkeit von  Schttaigeistem»  Gelehrten  und  Philosophen,  auch  ihre 
ethischen  Lehren  erwarben  sich  Anhänger. 

Zunächst  fand  dasjenige  System  Bewunderer,  dessen  un- 
beugBRme  Tup:endstrenge  sich  noch  am  leichtesten  mit  dem 
Christentum  verträgt,  nämlich  das  «toi  sc  he;  man  wollte  noch 
im  Schatten  der  Kirche  weilen,  man  war  sich  wohl  auch  nicht 
des  tiefen  Gegensateea  awiachen  antiker  und  dirisdicher  Ethik 
▼oll  bewufst  Die  antike  Anschauung  schreibt  dem  Menschen 
die  Fähigkeit  zu,  das  Gute  aus  sich  selbst  zu  schaffen :  dieses 
int  folglich  nntt'irlich.  Dagegen  läfst  die  chrisdiche  L^ire  die 
göttliche  Gnade  entweder  Alles,  oder  doch  das  Wesentliche  in  der 
verderbten  Menschennatur  wirken;  das  Sittliche  erscheint  hier- 
nach als  etwas  Unnatürliches.  Dabei  wird  von  dem  zwei  Jahr- 
hunderte nach  Christus  gesdfteten  Neuplatonismus  abgcächen, 
den  man  nicht  als  ein  reines  System  der  antiken  Philosophie 
betrachten  kann,  und  dessen  asketisch -ekstatisches  Ideal  aem 
diristlichen  verwandt  ist^. 

Aber  auch  dem  Epicureismus,  der  nach  Gass  Italien 
innerlich  behiTrschte^,  erwuchs  ein  geistvoller  Vertreter  in  Valla, 
welcher  ein  Werk,  jfie  voluptate*^  schrieb.    Wie  diese  üe- 


'  siehe  ,,Ju8ti  LipFl  ^^uluducti^  n  i  Stoiram  I'hil(>.s<t[)lii:un"  und 
dessen  „PhysiuloKia  ätoicuruiir  iu  der  Ciesamtau^abe  seiner  Schriften, 
Bd.  IV,  Vwaliae  1«75. 

"  Für  (\as  Interesse  des  italienischen  Humanismus  an  der  stoischen 
Philosophie  manche  Zcuf^nisse  bei  G.  Voigt,  Die  Wiederbelebung  des 
klassischen  Altertums.  Dafs  Petrarka  die  stoische  Philosonlüe  auch  in 
eeinein  Loben  dantellen  wollte,  Bd.  I,  p.  97;  dafB  seit  retvarka  und 
Salntato  ^die  Humanisten  sich  inflp^'fnmt  zur  J^toa  bekannten  und  sie 
mit  der  chribtlicheu  Lehre  auszugleichen  eucbteu",  Bd.  I,  p.  468.  Lio- 
nardo  Bruni  schrieb  ein  kleines  Handbuch  der  Moral,  in  welchem  er 
die  stoi.^olic  mit  der  epikureisi  hon  Lehre  ver^licli .  der  cr^tcron  den 
Vorzug  ^b  und  sie  mit  der  eliristlicheu  Ethik  in  \  erbindung  zu  setzen 
rachte^  Bd.  II,  p.  458.  Bd.  11,  p.  450  nennt  Voigt  ihre  8«%QlweisbeIt 
^Stoizi^inus  mit  christh'chcm  Aufj)ut2".  Von  Salutato  heifst  es:  „Lebeus- 
erfalirung  und  Nnchflpnkrn  haben  ihn  mit  dem  T'egriff  der  stoischen 
Tugend  crfilllt",  Bd.  II,  |».  475.    Siehe  auch  die  liiugerc  Stelle  Bd.  II, 

^     *  Qeachicbte  der  chnetliolien  Ethik,  Bd.  U,  1,  p.  16. 


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X2. 


21 


wegung  in  dorn  halb  skeptischen,  halb  epikureischen  Montaigne 


Gassendi,  mr  Ziel  erreichte,  aber  eine  neue  Bewegung  in  der 
modernen  Kthik  auslöste,  iiabeu  wir  an  einer  andern  Stelle  dar- 
zustellen. 

Zimädiit  ist  es  ftkr  uns  wichtig,  die  Thatsache  ins  Aage 
SU  fassen,  dals  im  Gefolge  der  Humanisten  neben  den  mit  IfaneD 
innerlich  verwandten  hervorragenden  französischen  Philologen  die 
grofsen  französischen  Rpchts<rol ehrten  des  16.  Jahrhunderts 
schreiten.  Durch  iiirc  treue  Ai  i>t  it  vollzieht  sich  die  Renaissance 
des  W5niisclien  Rechtes.  Ihr  wissenschaftliches,  auf  die  Wieder- 
belebung des  Rechtes  gerichtetes  Interesse  und  ihr  kritisches 
and  exotisches  Können  erheben  sie  weit  Uber  die  mittaUlter- 
liehen  Glossatoren »  Postglossatoren,  Legisten  nnd  Kaaonisten» 
Unter  ihnen  ragt  Cuias  am  meisten  £]rch  historischen  Sinn 
hervor ^  Die  geschicatUche  Richtung  ihrer  Studien,  ihr  durch 
Tradition  und  Glosse  zur  reinen  Quelle  flnrchdringender  Oeist 
weisen  dfirauf  hin,  dafs  sie  Zeitgenossen  der  Reformatoren  sind. 

Der  gemeinsame  Zug  aller  Reformation  — -  icli  spreche 
nicht  von  der  Ursache  oder  dem  Ursprung  der  Reformation  — 
4er  gemeinsame  Zug  aller  Reformation  von  den  Waidensem  hk 
anf  Luther,  CSalvin,  Zwingli  herab  ist  das  Bestreben  der  ftüi- 
tenden  Geister,  auf  das  Evangelium  zurtteksugehen ,  den  Text, 
unbeirrt  durch  Überliefertmg  und  Dogmen,  auf  sich  wirken  zu 
lassen  und  die  kirchliche  Verfiiasung  der  ersten  Zeit  des  Christen- 
tums wieder  ins  Leben  zu  rufen.  Darum  erhalten  auch  die 
6tudien  der  Reformatoren  einen  philologisch-historischen  Charakter; 
es  entstehen  innere  und  äufsere  Beziehungen  zum  Humanismus. 
Beide  kämpfen  „geg^  eine  verweltlichte  Kirche,  gegen  eine 
•entaitdicbte  Geistlichkeitp  gegen  eine  dumm  und  unwissend  oder 
leer  und  spitzfindig  gewordene  Scholastik"  ^.  Beide  arbeiten  an 
dem  Fundamente  einer  neuen  Ethik  imd  doch,  obgleich  ..der 
Stifter  eini  weltlichen  Christentums"  dem  Nfitiirlichen  seiu  Recht 
zurückerobert  und  die  irdischen  Berufe  wieder  g^eheiligt  hat,  so 
werden  der  optimistische  Heide  und  der  pessimistische  Christ 
durch  ihre  Ansicht  von  dem  Werte  der  menschlichen  Natur  un- 
überbrückbar geschieden.  Humanismus  und  Reformation  ver- 
bindet auch  der  Kampf  gegen  Papst  und  ultramontane  Kirche. 
Das  gute  Recht  des  Staates  an  sich  und  des  nationalen  Staates 
auf  Selbständigkeit  und  ünabhängigl^rit  von  der  Kirehc  werden 
anerkannt,  das  heilst  theoretisch;  denn  in  Wirklichkeit  wurde  in 


*  Lerminier,  histoire  du  droit,  welcher  üujas  und  Douneau  mit 
^nander  vergleicht,  möchte  den  Ersten  zum  Stammvater  der  historischen 
Schule  muchen. 

*  Siebe  die  Auaführungen  von  Th.  Zievel  er:  beschichte  der  christ- 
licheu  Ethik.  StraTeburg  1886.  Kap.  VIR:  Humaniamu»  und  ßefor* 
matiou.  Von  Ztogler  stammt  auch  der  Ausdruck  „Stiftw  eines  welt- 
liehen  Christenlums'*. 


un 


dem 


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28 


X  2. 


protestantischen  T.;indern  der  Ötaat  entweder  der  Herr  oder  der 
Handlanfzer  der  Kirche. 

Dureil  diese  Bestrebunpen  reichen  Hmiianiäten  und  Refor- 
matoren den  grofsen  Politikern  des  16.  und  17.  JahrfanndertB 
die  Hand.  Die  politischen  Schriften  dieser  Periode  entspringen  ans 
BedürihisBen  der  Zeit,  wie  Humanismus  und  Reformation  aus 
geistigen  und  sittlithen  Bedürfnissen  hervorgehen.  Der  Staat 
mufs  frei  von  iiursem  M  i( Ilten  sein,  das  richtige  Verhttltnis  der 
Staatsgewalt  zu  den  (iiiedern  des  Staatsleibes  gefunden  und 
durchgeführt  werden.  Wie  in  dum  Ringen  ftir  das  Notwendige 
und  Neue  Humanismus  und  Reformation  in  dem  Alten  ihre 
Stntse  sadien,  so  schöpfen  auch  die  modernen  Politiker  aus  den 
Quellen  des  Altertums,  welche  ihnen  Humanisten  und  Reforma- 
toren eröffnet  haben.  So  Verschiedene  Geister,  wie  Machiavelli 
und  Bodin,  beide  in  ihrer  Art  ftir  die  moderne  Staatsgewalt 
eintretend ,  haben  ihre  Ideaie  an  dem  Studium  der  klassischen 
Litterat  ur  uereift^ 

Andere  suchen  ihre  Vorbilder  im  Alten  'leslamente.  Männer, 
wie  Amisfius,  Gmswinckel,  Filmer,  mOohtan  die  absolute  Mon- 
ardiie  auf  das jmtriarchale  Königtum  bauen;  die  Politiker  der 
kalvinistischen  Richtung,  welche  durchweg  ein  entschieden  frei- 
heitlicher Geist  kennzeichnet,  suchen  und  finden  „unmittelbar  in 
der  heiligen  Schritt  nicht  nur  ansgcldierslich  die  fiir  dp>  sociale 
Leben  raafsgebenden  religiösen  und  ethischen  Wahrheiten,  son- 
dern zugleich  Normen  tUr  die  äufsere  Ordnung  von  Kirche  und 
Staat" 


Aus  dieser  gährenden  Zeit  geht  nun  auch  das  l^at ur- 
recht als  selbständige  Wissenschaft  hervor.  Sötern 
sich  ein  Entwicklungsgesetz  der  niodrmen  Wissensehaft  ans  der 
vorher  gegebenen  Darstellung  entnehmen  lüfst.  daH'  man  die  Hx  t- 
seugung  aussprechen,  dafsdie  neue  Disziplin  iliren  Urbprungsowulii 
in  den  Bedürfnissen  der  Zeit  habe,  wie  im  Zusammenhang  mit 
Homanismus,  Refotmation  und  Politik  herangewacheen  sei.  Leider 
hat  bis  ietst  niemand  genau  nachgewiesen,  welehen  materiellen 
Ursachen,  welchen  theoretischen  Anregungen  es  seine  Entwick- 
lung verdankt.  Die  Hervorhebung  dieser  Lücken  soll  keines- 
wr-c-R  die  Erwartung  erregen ,  dafs  sie  auf  den  tbigenden  Seiten 
ausgetüilt  würden.  Denn  dies  kann  nur  die  Aufgabe  eines  Ge- 
schichtschreibers de:»  Naturreclites  oder  der  Philosophie  sein, 
und  eine  Darstellung,  wie  die  yorliegende,  mufs  sich  teilweise 
auf  derartige  {Schriften  sttttzen.  Nun  ist  aber  die  historische  Be- 
trachtung, welche  die  Ideen  entweder  ganz  oder  sum  Teil  ab 


*  Blontschli,  (jecehicbte  der  neueren  StaatswaasctiBchaft.  3.  Aufl. 

Mttnchen  u.  Leip/v^  1^81.    2.  K  Heitel. 
'  Gierke«  Althusius  p.  .>t>. 


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23 


Spiegelungen  der  realen  Verhältnisse  auffafst,  noch  verhältnis- 
inttfsig  neu  und  der  Kampf  zwischen  den  alten  und  neuen  Ideen 
hat  nirgendwo  eine  eimiiiupfende  Darsteliuug  gefunden.  Wir 
bentien  ausgezeichnete  G«8chickteii  der  Phiwmphie  des  Alter- 
tums,  des  Mittelattera  und  der  neueren  Zeit,  aber  kein  dn- 
gehendes  Werk  Uber  die  Geschichte  aller  Zweige  der  PfaÜoeophie 
in  der  Übergangsperiode.  Auch  fehlt  es  uns  an  einem  CTUnd- 
lichen  W^rke  Wh^v  die  Geschichte  der  Politik.  Wa.«  insbeson- 
dere das  Naiurrt^ht  betrifft,  so  giebt  es  sowolil  eine  uberreiche 
Anzahl  von  Dai'steUnngen  der  Lehren  der  einzelnen  Tiieoretiker, 
wie  eine  auf  Krolser  Gelehrsamkeit  beruhende  und  doch  knappe, 
klare,  jnnstfedie  Geechidite  des  Ursprungs,  der  fintfiütung  und 
Durchkreuzung  der  naturrechtUohen  Ideen  in  Gierke's  Werk 
„Johannes  Altbiisins"  Aber  Ubendl  vennilst  man  den  Nach- 
weis des  Znsammenhangs  des  Naturrechts  mit  der  Philosophie. 
Ks  wnre  eine  Anmal'sung,  wenn  ich  die  Absicht  hätte ,  hiermit 
einen  Tadel  auszusprechen.  Denn  wie  jede  Wissenschaft  für 
ihre  Zwecke  dehniert,  so  betrachtet  sie  auch  den  wissensi-hart- 
liehen  Stoff  lediglich  vom  Gesichtspunkte  ihrer  Bedilrfnisse.  Ein 
NationalOkanom  aber,  dessen  Wissenschaft  im  Zusammenhange 
mit  der  modernen  Philosophie  herangewachsen  ist,  hat  alleii 
Grund,  sich  der  nhilosophischen  Seite  des  Naturrechts  au  er- 
innern. Er  wird  aann  im  St^mde  sein,  bestimmte  theoretische 
und  praktiKchc  SMtze  als  notwendige  Konsef|uenzen  aus  wenigen 
bestimmten  Grundansrbanungen  zu  begleiten ,  wiihrend  sie  dem 
Juristen,  welcher  die  phiiosouhische  Basis  des  Naturrechts  nicht 
in  Betracht  zieht,  als  willktirliche  Ansichten  der  Theoretiker  er- 
scheinen, welche  er  sorgsam  veraeichnet  und  in  langem  Zuc^e 
aneinanderreiht.  Die  BerUcksichti^ng  der  philosophischen  Basis 
erieichtert  aber  nicht  allein  das  Verstlndnis,  sonaem  auch  die 
Widerlegung. 

Wenn  ich  es  daher  aut  ilen  folgenden  Seiten  wage,  hierüber 
einige  Andeutungen  zu  machen .  so  wird  man  die  Mängel  billig 
beurteilen,  da  ich  kein  liiilosoph  bin.  Die  eben  so  wichtige 
Frage,  welchen  Anteil  die  politischen  und  socialen  Zusitinde  im 
der  £ntwicklmig  des  NaUurechts  gehabt  haben,  vermag  kh  kaum 
mehr  als  au  etelien. 


f. 

Vorbemerknng. 

Wir  worden  die  Entstehung  des  Naturrocfits  als  selbstilndige 
Wisßensehaft  niclit  völlig  begreifen,  wenn  wvr  uns  niclit  flentlieh 
machen,  wie  weit  man  voi^eschritten  war,  als  Humamsmu«,  iie- 


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24 


formation  und  Politik  ihre  Einwirkung  auf  den  mittebHeriiGhen 
Ideenkomplex  begannen^. 

Es  existierten  die  Grundbegriffe  des  Naturrechts,  wie  sie 
diis  Altertum  geschaffen  hatte,  bereichert  durch  die  Idee  des  un- 
mittelbar ausgesprochenen  göttlifli^n  Oesf^tzes.  vSie  hatten  aber 
kein  selbständiges  Dasein,  sio  waren  in  theologischen  und  juristi- 
schen Schriften  voi^etrageu  worden.  Weiter  waren  die  Prin- 
zipien des  NaLurrechts  noch  niciit  von  den  theologinchen  ge- 
flcnieden.  Endlich  wurden  die  nAturrechttichen  Lehren  nach 
scholastiseher  Methode  voigetragen.  Sollte  oich  also  eine  selb- 
ständige Wissenschaft  bilden,  so  mulaten  die  Grundbe^ffe  aus 
ihrer  bisherigen  UmliUlIung  herausgeschält  und  entwickelt  werden, 
ira  Falle  man  niclit  die  Reirriffe  der  griceliischen  Pliilosophie  und 
des  römischen  liechtä  an  ihre  Stelle  setzte.  Für  das  N:iturrecht 
mulüte  zweitens  eine  nieht  weiter  ableitbare  Erkeiuitni.s  ak  Aus- 
gangspunkt gesucht  werden.  In  dem  zweiten  Kapitel  wurde 
schon  angedeutet,  dafs  das  TerfaftltnimtiUaig  leicht  war:  man 
brauchte  nur  von  Gott  abzusehen,  um  in  der  ▼emttnftigen  Natur 
des  Menschen  ein  Erkenntnisprinzip  zu  entdecken.  Aber  Gott 
wurde  dann  doch  meistens  durch  ein  HinterthUrchen  eingeführt, 
sodafs  jener  Begriff  thatsllchlieli  das  Fundament  der  meisten 
Sj'steme  der  neuen  Wissense  halt  geblieben  i.st.  Kine  selb^^t-in- 
dige  Methode  hat  das  Naturreelit  nieht  entwiekelt.  Naehdetn  es 
die  »cliolastischc  Methode  abgestreift  halte,  vertiel  es  der  mathe- 
matischen, die  seit  Descartes  und  Hobbes  in  allen  Wissenschaften 
die  herrsdiende  wurde.  Henning  hatte  sie  schon  im  16.  Jahr- 
hundert gefordert. 

Die  Entstehung  des  selbstöndif^en  Naturrechtes,  welches  von 
allen  verwandten  Disciplinen,  der  ^Ioralpllilosop]^e  einerseits,  dem 
positiven  Rechte  und  der  I'olitik  anderseits,  säuberlieh  getrennt 
war,  welches  auf  eigenen  Principien  beruhte  und  die  scholastisclie 
Metliode  abgeworfen  hatte,  hat  zwei  Jahrhunderte  in  Ansprueii 

genommen ;  erst  bei  Tliomasius  und  erst  in  seiner  Schrift  „Fun- 
amenta  juris  naturseet  gentium"  ist  diesen  Erfordernissen  genügt 

H. 

Die  theoretischen  Faktoren  des  Natarreehts. 

Das  moderne  Naturreeht  wurzelt  theoretiseli  in  den  drei 
Machten,  welche  vorher  skizziert  wurden  :  in  dem  Humanismus, 
der  Reformation  und  der  Pohtik;  aber  es  zieht  seine  Nahrung 
in  verschiedenem  Grade  aus  ihnen. 


*  Vergl.  KaltenbofD,  „Die  Vorläufer  des  Hugo  Grotius*^.  Leipzig 
p.  47.  48. 


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X  2. 


25 


1. 

Der  Humanismaa. 

ZwdMos  hat  der  HamanismuB  am  misten  für  die  Wieder^ 
belebong  oder  Kräftigung  der  naturrechtUchen  Ideen  gethan; 
denn  mit  ihm  iat  die  Wiedererweckung  des  römischen,  natur- 

rechtliche  Bestandteile  enthaltenden  Uchtes  und  der  antiken 
Philosophie  aufs  innitrst*'  verlcnfiptt.  Von  dor  Renaissanro  dos 
römisclien  Rechtes  ^<'lit  (]( i-  erste  Ansturm  naturrechtlicher  Ideen 
aus,  nicht  aber  die  Lie^taitung  einer  selbständigen  Wissenschaft. 

Wir  haben  vorher  der  grofsen  französischen  Juristen  des 
16.  Jahrhunderte  gedacht  In  ihrem  Bestreben,  das  Terschieden- 
artige  Recht,  welches  in  Frankreich  p;alt,  einheitlich  zu  gestalten, 
in  ihrem  Wunsche,  der  Krone  in  dem  Ringen  mit  unbotniäfsigen 
Vasallen  beizustehen,  endlich  in  den  Bedürfnissen  ihres  abstrak- 
ten loL'ischen  Geistes,  der  Uberall  SchSrFe  der  HegrifT«\  Klarheit 
der  Deduktion,  Symmetrie,  UbersichtHehkeit  verlangte,  lag  die 
Veranlassung  zu  einer  Überschätzung  der  naturrechtlichen,  in 
den  Pandekten  enthaltenen  Lehren,  die  znnüchst  segensreich 
war.  ^Sie  wurde  IddenschalUieher  Schwärmer  fllr  das  Nator- 
recht.  Das  Gesetz  der  Natur  ttbersprang  aUe  provinziellen  und 
städtischen  Schranken,  es  setzte  sich  Uber  alle  Unterschiede 
zwischen  Edelmann  und  Bürger,  zwisolien  T^ürger  und  Bauer 
hinweg,  es  rütimte  der  Klarheit,  Einfaciiheit  und  dem  System 
die  erhabenste  Stellung  ein  ....  Man  d-irf  behaupten  .  dafs 
das  Naturrecht  du«  Gemeine  Recht  Franiireichs  wurde  oder 
wenigdtens  dafs  die  Anerkennung  seiner  Wttide  und  seiner  An- 
sprüche der  eine  Olaubenssats  war,  dem  alle  finnzOsischen  Rechte- 
gelehrten  sich  gleichrnüfsig  unterwarfen.  Das  Lob  der  vorrevola* 
tionären  Juristen  kennt  gar  keine  Grenzen,  und  es  ist  bemer- 
kenswert, dafs  die  Schriftsteller  über  das  Gewohnheitsrecht, 
welche  sich  oft  für  verptlifhtet  hielten,  über  das  reine  römische 
Recht  absprechend  zu  urteilen,  selbst  in  noch  glühenderen  Aus- 
drücken von  der  Natur  und  ihren  (Jesetzen  rälen  als  die  Civi- 
lasten,  welche  die  höchste  Achtung  vor  den  Pandekten  und  dem 
Codex  bezeugen  .  .  .  Die  Hypothese  eines  Naturgesetzes  ^var 
nicht  so  sehr  eine  Theorie  geworden,  welche  die  Pnuds  leitete, 
als  ein  spekulativer  Glaubensartikel,  und  daher  werden  wir  auch 
finden,  dafs  bei  fler  Umwandlung,  welche  es  spiitr^r  orfnhr.  seine 
schwächsten  Teile  sich  in  der  Achtung  semer  Anhänger  zur 
Hohe  seiner  suirksten  erhoben"  *. 

Unzweifelhaft  hat  das  römische  Recht  noch  in  anderen 
Lttndem  die  grOlsten  Anregungen  in  der  bezeichneten  Richtung 
gegeben.  So  scheint  Oldendorp,  Professor  der  Rechte  zu  Köln 


*  Sir  Henry  Sumner  Haine:  Anctent  law.    10.  AnO.  London 

1885.  p.  85.  Mir  pc!i<  int  r^^.  dafs  der  Verfasser  die  Bedeutung  des  philo* 
sophiecben  Naturrevhts  für  Frankreich  nicht  genügend  würdigt 


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20 


und  (l«'r  eigeni liehe  Btgründer  des  Katurrechtea  al» 

selbiitandiger  Ditizipliu,  desoen  Werk  15311  erschien,  nach  dem, 
was  KAlteuboni  über  ihn  mittdlt,  ebenso  sehr  auf  den  rOmuclien 
Juristen  wie  auf  Gcero  zu  fufsen.  Doch  da  ich  natttilich  nicht 
die  Absicht  habe,  die  Geschichte  des  Naturrechtes  8u  schreiben, 
so  b^^Uge  ich  mich  damit,  auf  diesen  l-'aktor  hingewiesen  zu. 
haben,  und  ich  wenclo  mich  zu  dem  anderen,  der  U  iedcrerweckung 
der  griechischen  Philosophie. 

Um  nun  liier  mit  genügender  Klarheit  zu  sehen,  müssen 
wir  unter  den  iSchrit'tstelleru,  welclie  in  der  neuen  Zeit  das 
Natorrecht  behandelt  haben,  drei  Oruppen  unterscheiden.  Er- 
stens  die  katho^schen,  welche  die  roittelalterliche  Tradi- 
tion, durch  die  Gegner  angeregt,  aber  n*cht  in  ihrer  Überzeu- 
^ing  erschüttert,  fortsetzten.  Das  bedeutendste  Werk  dieses 
Rpclites  ist  der  .,Tractutus  de  lejrihus"*  von  Suarez  (lOOÜJ. 
Weiche  Geltung  sich  Aristoteles  in  dieser  Oattung  von  Schriften 
verschafft  hat,  weifs  ich  nicht.  In  betreff  der  übrigen  .Schrift- 
steller möchte  ich  glauben,  dafs  die  Lehren  des  Stagiriten  voq 
geringerem  Einflufs  gewesen  sind,  als  man  gewöhnlich  annimmt. 
Am  meisten  treten  sie  in  der  Ethik  Meknäthons  hervor.  Da- 
gegen sind  Stoicismus  und  Epikureismus  die  eigentlichen  trei- 
benden Miichto  des  modernen  Naturrechtes.  Damit  will  ich 
natürlich  nicht  l><'haii[)ten ,  dal«  die  [,to  sen  Naturn-chtslehrer 
.  nicht  auch  aus  den  Werken  der  andern  grolsen  Philc^opheu  ge- 
sciiüpi't  haben. 

So  müssen  wir  eine  zweite  und  dritte  Gruppe  aussondern, 
Ton  denen  die  eine  sich  an  die  Stoiker',  die  andere  an  die 
Epikureer  anschliei^t.  Der  gröfste  Theoretiker  der  8 weiten  ist 
Grotius,  der  einflufsreichstc  Locke.  Der  Fninzoaa  Oa§sendi  steht 
an  der  Spitse  der  dritten^   Mit  dem  Epikureismus  erneuert 

'  Ob  diu  stoische  Philosophie  auf  die  franxöBischc  Juristcnscbule 
einen  Eänflufs  ausgeübt  hat,  ist  mir  unbekannt.   In  ihr  worde  Kuent  die 

Fraije  aufgeworfen  z.  H.  von  CuJacIus,  welchen  Anteil  die  ^rrie-t  hische 
Philosophie  bei  der  Bildung  des  römischen  Kecbts  gehabt  liat.  Uildea* 
bra  nd  a.  a.  O.  p.  694. 

*  Dafs  Gassendi,  der  Emeaerer  des  epikureischen  Niitiinechta^ 
»ehr  wnljl  wtifHte,  woher  es  ptninme.  ist  polbpr^'ersräiiiJlli  h  Grotius 
au  mehreren  .Stellen  der  ^^toikrr  gedenkt,  werde  ich  noch  hervorheben. 
Puf(>ndorf  bexeiehnet  sieh  als  Imlben  Stoiker,  während  Hobbes  den  Epl- 
kurrisimH  aufgewnnnt  habe:  Ego  enim  Stoifonnn  f.w.xe  si  iiTciitiao  proxhne 
accedo:  Hobbeeius  autem  Epicuraeorum  h\  pothe^in  recoquit  ilinrichs^ 
Geschichte  der  Rechts-  nna  StaatsprinRipien.  Jti50.  Bd.  II.  i>  13.  Bar- 
beyrac  teilt  in  der  X'orn'de  zu  seiner  .Übersetzung  von  Cumberlands 
.,Di8quii>ili<)  de  legibuH  naturae  philosophit  a"  n>it:  als  Pufendort  das  Buch 
gesehen,  habe  er  sich  da/u  beglückwünscht,  da's  C,  wie  er,  eine  der 
JHyputlu  sc  des  Thomas  Hobbes  entjregengesetzte  verfechte  „qui  approehait 
fort  des  dognifi?  de«?  aiicicn?  StoicH'ii.-«  *.  rr  tift'  philosophique  de»  Loix 
Naturelles.  Aiii8tcrduiji  1744.  p.  III.  (Jiunberlund  selbst,  welcher  sein 
ganxes  Werk  hindurch  gegen  Hobbes  kftmpft,  behauptet,  er  habe  vor- 
7.xvrMK  i'\»e  gegen  die  £pikttreer  au  strdten.  A.  a.  0.  Discoon  Pii&limiDaira 
de  i'Auteur  ^  V. 


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27 


er  (las  epikureische  Nuturrecht.  Die  epikureisciien  Idetfn  fin- 
den ihren  schar&innigätcn,  energischsten,  gewaltigsten  Verfechter 
in  Thomas  Hobbee.   Neben  ihm  rnnfs  Spinoza  ervrfthnt  werden. 

Damit  ist  die  Rolle  beseiohnet,  welche  dem  Humanismiu 
bei  der  Geetaliung  des  modernen  Naturrechtes  zufiel:  er  hat 
erstens  die  natiirrcclitlichen  Bestmdteile  des  römischen  Rechtes 
und  zweiten»  die  philosopliiscfieo  Systeme  des  Stoizismus  und 
Epikureismuö  wieder  erweckt. 

Der  Anteil  Frankreichs  an  dieser  (Jeistesarbeit  ist  der 
grtffstc.  Im  IG.  Jahrhundert  wirken  die  französischen  Kechts- 
gdehrten  fUr  die  Idee  eines  natürlichen  Rechtes;  im  17.  erneuert 
Uassendi  das  epikureische  Naturrecht.  Im  historischen  Zusammen- 
haoge  gesehen  erscheint  es  nicht  so  aafiallcnd,  dafs  im  1 8.  Jahr- 
hundert die  naturrechtlichen  Anschauungen  ihren  furchtbarsten, 
ersehiittemdsti  n  und  fanatischsten  Ausdruck  in  den  Schriften 
Rousseaus  und  der  Phyaiokrntrn  finden ,  dafs  in  Frankreicli  die 
roi'üc  naturrechtliche  Revolutiuii  ausbricht ,  dal's  von  dort  die 
riegerische  Propaganda  fiir  den  Umsturz  der  alten  Rechtbord- 
nung  ausgeht. 

Der  Ruhm  Hollands  ist  daneben  qnantitativ^  geringer,  qua- 
litativ gröfser.  Ein  Sohn  jener  Univeraität  Leyden,  an  der 
Justus  Lipsius  für  die  Renaiss^ince  der  stoischen  Philosophie 
wirkt,  schafft  Hugo  Grotius  ein  Werk  von  so  ungeheurer  Wir- 
kung, dals  es,  die  früheren  Schriften  verdunkelnd,  lange  Zeit 
als  die  erste  Erscheinung  dieser  Art  gilt.  Insbesondere  stellt  es 
den  Ruhm  unseres  Vaterlande«  in  Schatten,  da  es  doch  gerade 
ein  Deutscher y  Oldendorp,  war,  weldier  das  erste  System  des 
Katurrechtes  schuf.  Es  verrät,  ifie  erinnsrinh,  ebenso  sdir  diii 
Studium  Ciceros  wie  das  der  römischen  Juristen', 

Docli  wie  griif  die  Refinrmation  in  diesen  Prosefs  ein? 

2, 

Die  Reformation. 

in  den  ermattendoi  Geisteskämpfen  um  alle  Fundamente 
des  ethischen  Mensdien  konnten  die  Begriffe  Staat  und  Recht 
anm()glich  yon  der  Erörterung  ausgeschlossen  werden.  Es  ist 
bekannt,  wie  verschieden  das  Ergebnis  der  Denkm-beit  %,  B. 

1  T  >iosf  Zeugnis«»»  liofnon  »ich  leicht  vermehren ;  alior  die  vorliegenden 
genügt  II  doch  zum  Beweiin.',  dafs  sich  die  grolsen  Begründer  de«  Natur- 
rechte  als  selbständiger  WiMenschaft  sehr  wohl  bewufst  war^n,  dafs  sie 
auf  dm  firundlagen  des  antiken  Naturrechts  W(  i  t  *  rh  i  uten 
and  f andainentalc  Uegeiisätze  zwischen  Stoi/.iärnua  und 
Epikureismu«  vorhanden  seien.  Seitdem  Lange  nnd  Gutsu  dte 
tiefgehonde  Einwirkung  de«  Epiknroismus  auf  «lio  moderne  Gedankenw^t 
nachgewiesen  haben,  zweifelt  daran  auch  niemand  metir :  hoft'entlich  wird 
der  ganx  gewaltige  Anteil  des  Stoizismus  an  der  Gestaltung  der  mo- 
dernen Fhdosophie,  insbesondere  der  ctliischen  nnd  politiecnen  Ideen» 
einmal  seinen  üanteller  finden. 


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28 


einea  Luther  und  Zvviugli  gewesen  ist  Dazu,  kam,  dafs  das 
Natuirecht,  wie  es  von  den  Alten  geschaffen  worden  war,  durch 
die  Ldiren  der  Reformatoren  eine  Bestätigung  und  Heiligung 
erfuhr.  Der  Inhalt  des  alten  und  neuen  Testamentes  wurde  ja 
jetzt  allgemeiner  bduumty  der  ethische  PessimismusAugustins  lebte 
%vieder  auf.  ^y^c  genauere  Ausführung  dies^  merkwürdigen 
Einflusses  erfordert  leider  die  Wiederholung  oder  genauere  Aus- 
führung eiiiiß^er  Erörterungen  des  vorigen  Kapitels. 

Erstens  wurde  die  stoische  Vorstellung  vom  goldenen  Zeit- 
alter, während  desm  nur  das  Naturreoht  galt  durä  die  jüdische 
Lehre  Tom  Paradiese  bekräftigt,  in  welchem  die  ersten  Menschen 
nur  dem  unmittelbaren  Gebote  Gottes  unterworfen  waren.  Wie 
nach  den  Stoikern  der  Zeiten  Verderbnis  zum  positiven  Gesetze 
führte,  80  die  Sünde  zur  Verti'eibung  drs  "NTenschen  aus  dem 
Paradiese,  mm  positiven  Gesetze  und  zum  Staate*.  Und  es  ist 
jedeufallö  bemerkenswert,  dafs  die  stoische  Abwendung  von  den 

Solitischen  Zuständen,  die  sie  umgeben,  auf  den  Idealzustand 
es  goldenen  Zdtalters  hiui  wo  das  Naturgesetz  herrsehte,  sein 
Seitenstttck  in  den  englischen  Levellera  findet.  ,,Die  LeveUers*^, 
sagt  Ranke^  „wollen  sich  selbst  nicht  auf  die  heilige  Schrift  ver- 
weisen lassen,  die  von  den  Zur^t finden  nach  dem  Falle  handle, 
sondern  sie  bestehen  auf  dem  Wort  Gottes,  das  im  Herzen  des 
Men«!ehen  lebt,  durch  welches  er  sowohl  wie  das  Gesetz  der 
Schöpfung  gemaclit  ist,  ein  Gesetz,  zu  welchem  diese 
zurückgebracht  werden  mufs~*. 

Zweitens  verstürkte  die  reformatorische  Lehre  von  der  Bos- 
heit und  der  harten  Selbstsucht  der  menschlichen  Natur,  welche 
sich  bei  Luth^  so  schlecht  mit  seiner  Heiligung  des  natürlichen 
Menschen  vertrügt  und  Calvins  logischen  Geist  unbeabsichtigt 
zum  Beweis  der  Unvereinbiirkcit  der  christliciien  Iv^Iin^  von 
Gott  und  dem  Mensciien  führte  —  ich  sage,  diese  reformatorischö 


*  Aai  deutÜcli!?tt'n  slciit  mau  den  Einschlag  der  chriatlicUeii  Idecu  bei 
l'homasius.  „Die  Streitfrage,  ob  das  Naturreclit  auf  den  Stand  der  Uti- 
Rchuld  zu  giiinden  si'i,  oder  nur  dem  verderbten  Srmi'Ie  wxch  di  in  Falle 
augeluhe,  beäcbättigt  ihn  ganz  ernstlich  ...  Er  .scluldert  den  Stand  des 
Paradieacs  als  einen  vollkotnmeDen  mit  Liebe ;  aber  er  bestreitet,  dafs  es 
in  demselben  einen  Stuat  ^egel)eii  habe;  »ifTin  der  Stafit  ht  nicb*  olnie 
zwingende  Gewalt,  uuü  die  uuachuldigen  und  friedtertigeu  Menschen  be- 
doiften  kein«r  Zwao]^  .  .  .  Knt  nach  dem  Falle,  ab  sie  von  Gott  ge» 
trennt  waren  und  die  Furclit  vor  üewaltthat  die  Menschen  ängstigte, 
ward  der  Staat  ein  fiedUrfnis  .  .  .  Der  Verstand  ist  dem  Menschen  auch 
nach  dem  Falle  so  voUkomincu  geblieben ,  dalä  er  die  gemeinen  Kcgelu, 
zumal  die  uatürlichen,  erkennen  kann.  Das  natürliche  Gesetz  wird  also 
von  der  pjp^unden  Vernunft  bcgriften,  es  ist  in  notwendiger  Übereinstim- 
mung mit  der  Natur  des  Menschen,  wie  Gott  sie  gewollt  und  geschaffen 
hat"   Bluntschli  a.  a.  O.  p.  231. 

-  Ranke,  Englische  Geschichte.  4.  Bd.  2.  Aufl. ,  in  den  SttmmtL. 
W.   17.  Bd.  Leipi^  1870.  p.  20. 


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29 


Lehre  verstärkte  die  Grundlage  der  epikureischen  Ethik  welche 
doch  eine  Lehre  des  wohlverstandenen  ►Sclbsiintcrreses  ist.  Hat 
aber  die  inf^-nschliche  Natur  diese  Heschaftenheif,  d;inn  kann  auch 
die  materiahstische  Geselkcliattstheorie  keinen  Widersprucii  er- 
fuhren. In  den  theologisch  getarbten  „Drei  Büchern  der  gött- 
lichen Kechtsgelahrtheit''  nimmt  ThomasiuB  ja  an,  dals  die  Men- 
schen aus  fSnrcht  vor  Gewaltthat  sum  Staate  gelangen.  Dann 
kann  auch  die  Vertragstheorie  mit  in  das  Lehrgebäude  des 
Katurrechte^  aufgenommen  werden;  thatsttchlich  haben  Gläubige 
und  ün^laubif^e  sie  gelehrt.  Zudem  unterstützte  die  lieilige 
Schrift,  die  gerade  iet7,r  MÜgenieiner  bekannt  wurde,  die  Ver- 
tragBtheorie ,  da  insbesondere  im  alten  Tesüiuiente  so  viel  von 
Verträgen  zwischen  Gott  und  den  Menschen  die  Rede  ist.  End- 
lich mois  der  Charakter  des  Staates  darin  gesucht  werden,  daDi 
er  ane  Sicfaerheitsanstalt  iat. 

Dals  die  Ansicht  von  der  natürlichen  Schlechtigkdt  der 
menschlichen  Natur  zu  der  letzteren  Lehre  Rlhren  muls,  erkennt 
man  deutlich  bei  Luther.  An  Herzog  Johann  von  Sachsen 
schreibt  er:  „Wenn  alle  Welt  rechte  Christen  wären,  so  wäre 
kein  Fürst,  König,  Herr,  Schwert  noch  Kecht  nötig  oder  nütze. 
Denn  wozu  sollte  es  dienen?  Der  Gerechte  thut  von  sich 
selbst  alles  und  mehr,  denn  alle  Rechte  fordern ^. ^  Daher  liegt 
der  Obrigkeit  vor  allem  „die  Erhaltung  des  Friedens  und  der 
ftniseren  Gerechtigkeit  ob,  damit  dadurch  dem  Christentum  und 
geistlichen  Regiment  sozusagen  der  Boden  geebnet,  die  Bahn 
freigemacht  werde**  ^.  Ob  der  Zweck  des  Staates  darin  gesucht 
wird,  dafs  er  die  Mensehen  in  ihrem  friedlichen  Erwerl>e  oder 
das  Christentum  und  geistliche  Regiment  schützt,  ändert  an 
dem  Charakter  des  Staates  in  der  Theorie  uiclits.  Diese  Er- 
örterungen bestimmen  mich  zu  dem  Glauben,  dafs  die  ciiriaL- 
fichen  Ideen  in  der  C^talt,  welehe  ihnen  die  Reformatoren 
gaben,  das  Bindeglied  zwischen  den  stoischen  und  epikureischen 
Lduren  bildeten,  weil  sie  sowohl  den  UnschuldszusUind  des  Men- 
schen in  inniger  Gemeinschaft  mit  Gott  wie  die  nachfolgende 
Verderbnis  der  menschlichen  Natur,  die  in  einem  unbegrenzten 
Egoismus  besteht,  umfassen.  l)ie  christlich •  reforuuuorischen 
Lehren  verleihen  dem  Naturgesetze  die  unbedingte  Hoheit,  welche 


1  Pyui  sagt«  eiiiuml  lu  einer  Parlamentsrede :  „Wenn  ihr  das  Gesetz 
libwegneliint,  so  gerafhen  alle  I%ige  in  Verwirrung  nod  jeder  Mensch 
will  sein  eicTTiPi  Gesetzgeber  sein,  was,  bei  dem  verderbten  Zu- 
stande der  menechliclien  Natur,  notwendig  die  gröfste  Ungebühr 
hervordeiben  mnft.  list,  Neid,  Gewinnsucht,  Ehrgeiz  wecJcen  und  seben 
dann  Gesetze,  und  welcher  Art,  das  kann  jeder  leicht  einsehen.''  Lech  1er, 
dessen  W^rk  über  den  enprlischen  Deismus  difse  Stelle  entnommen  ist, 
bemerkt  dazu;  ..Da  haben  wir  unter  puritanisch-orthodoxer  Far- 
boag  die  ganze  Voraussetzung  des  natürlichen  Kriegssnstaades,  der  die 
Gnmdlaee  der  Hobbes'sehen  Tlieorie  bUdet."   p.  101. 

*  Ilaltenborn,  a.  a.  0.  p.  206. 

*  Th.  Ziegler,  a.  a.  O.  p.  451. 


80 


es  bei  den  Stoikern  besitzt;  sie  anerkennon  fV\9  nnttirliclic 
•Schlechtigkeit  de«  Mensclien,  den  Staata vertrag  und  Frieden  und 
Sicherheit  als  alleioigen  Zweck  des  Staates.  (Jerade  die.se  Durch- 
driogung  des  stoischen  und  epikureischen  l^aturreclites.  die  sich 
ursprünglich  feindlich  gegenttbentBheo,  kennidchiMl  aas  Natur- 
recht  emiger  der  henrorragendsten  Philoiophea  imd  Juristen. 
Dur  dort»  wo  die  antike  Auffassung  der  menschlichen  Natur 
oder  die  stoische  Lehre  die  epikureiach-refonnatoriache  über- 
windet, verseil  windet  der  eine  odfr  andere  der  genannten  7A\i^e. 

l  'HOiit  181,  soviel  icli  sf  lieii  kann,  die  Darstellung  den  lün- 
flusües  der  Reform,. tion  iut  daß  Naturreclit  erschöpft  Hervor- 
ragende Juristen  seheu  aber  die  W  irkung  der  Keforiuation  noch 
in  etwas  viel  Wichtigeren).  ^Der  Grundsats  der  religiösen  FVei- 
heit,"  meint  Robert  Ton  Mohl,  ^mufste  mit  innerer  Notwendigkeit 
sich  Musdclinen  auf  das  Gebiet  der  staatlichen  Freilieit  und 
schuf  auch  hier,  verbunden  mit  der  gemmnischen  Anerkennung 
der  Persönlichkeit,  ein  ganz  neues  Leben"  *.  Nocfi  deutlicher 
drUckt  Bich  Kaltenborn  aus.  „Die  nac^fol^enrlc  Kntwickinng 
der  naturrechtlichen  Disziphn  ist  eine  kon6eiju«'nte  i>urchtuiirung 
und  Anwendung  des  evangelisch  -  protestantischen  Grundsatzes 
von  der  religiösen  Freiheit  Denn  in  das  Gebiet  des  Rechtes 
und  Staates  erhoben,  mufrte  dieser  Grundsatz  aur  Anerkennung 
der  politischen  Freiheit,  also  zur  Billi;;ung  und  Errichtung 
eines  Rechtssystcms,  dner  Ordnung  von  Recht  und  Staat  filhren, 
worin  in  allen  Stufen  und  SphHren  des  politischen  Wesens  die 
Pei*srtnlichkeit  des  Menschen,  das  Recht  der  Pei-son  ein  wesent- 
liches Fundament  bildet"  °.  Gegen  diei»e  Ansicht  stofson  mir 
aber  so  viele  Zweitel  auf,  dafs  ich  sie  nicht  annehmen  kann. 
Sie  lassen  sich  aber  nur  in  einer  Darstellung,  welche  weit  über 
den  Rahmen  dieser  Schrift  hinausgeht,  genügend  begrttnden. 

Ebensowenig  sind  die  liberalen  Forderungen,  welcoe  manchem 
den  eigentlichen  Inhalt  des  Naturrechtes  zu  bilden  scheinen,  not- 
wendige Folgerungen  aus  den  naturrechtlichen  Grundanschau- 
ung* n  Denn  das  Naturreclit  bezeichnet  lediglich  eine  bestimmte 
Art  lies  Heclites,  welches  aus  der  Tnenschlichen  Vernunft  hervor- 
geht und  gewöhnlich  auch  aut  universelle  zeitliche  und  ortliehe 
Geltung  Anspruch  macht.  Welchen  Inhalt  das  natilrliclie  Recht 
hat  wird  damit  nicht  gesagt.  Aus  der  Lehre  von  der  Freiheit 
und  Gleichheit  im  Naturzustände  folgen  noch  nicht  die  Grund- 
sätze der  politischen,  sozialen  und  wirtschaftlichen  Freiheit  Die- 
jenigen modernen  Systeme,  welche  auf  epikureischer  Grundlage 
oeruhen,  haben  die  Freiheit  und  Oleichheit  des  Naturzustandes 
durch  den  Staatsvertrag  wieder  beseitigt,  wie  das  von  ihrem 


'  Mohl,  Geschichte  und  Litteratur  der  ätaatswisaenscbaften.  1855. 
Bd.  I,  227. 

*  Kaltenborn,  a.  a.  O.  p.  49. 


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X  2. 


31 


Standpunkte  konsequent  war;  den  Philosophen,  welche  das 
stoische  Natamcht  zur  Basis  machten,  war  es  leicht,  dem  Indi- 
Ttdualismus  zum  vollen  Siege  zu  verhelfen;  aber  auch  liier  p^eschah 
•e«  nirht  sofort,  entwrdf  r  weil  sie  die  stoischf-n  ( inindanöchauun- 
pen  veriindfTton  oiler  weil  sie;  durch  zwei  epikureische  Gedanken- 
elenienic,  die  Lehre  vom  Naturzuätaade  und  voiii  Staatävertrag, 
in  der  freien  Bewegung  gehindert  wurden.  Erst  Locke  veratand 
«s,  diese  Schwier^etten  zu  beeeitigen.  Es  htelse  die  trabenden 
Kräfte  der  Entwicklung  mifskennen,  wenn  man  diesen  Fortgang 
allein  Rir  einen  theoretischen  Vorgang  halten  wollte;  eine  wahr- 
scheinlich viel  einflnfsreichere  Rolle  hahen  die  Bedürfnisse  be- 
stiTTiTJUer  Völker,  niiu  [itip-er  Klassen  und  Individuen  gespielt.  In 
das  Naturrecht  Iluchtete  oich  aller  religiöse,  politische  und  wirt- 
achaftliche  Jammer  der  neuern  Zeit.  Mit  den  Bedürfnissen 
Anderten  sich  die  Lehren,  und  das  BedOrinis  individueller  Frei* 
heit  hat  den  Sieg  des  stoischen  Natunechtes  entschieden,  Dafs 
diese  Meinung  das  VerhlÜtnis  von  Leben  und  Lehre  richtig  auf- 
fafst,  beweist  am  besten  die  Thatsache,  dafs  auch  im  stoischen 
Naturreehte  nicht  sofort  und  von  Anfang  an  ein  umfassendes  System 
der  subjektiven  Freiheitsrechte  gelben  wird,  sondern  dafs  diese 
nach  und  nach  auftreten,  wie  es  die  Bedürfnisse  einzelner  Völker 
und  Klassen  bedingen,  und  da  s  so  das  subjektive  Naturrecht  all- 
mählich anschwillt  Vom  religiösen  IndividualismuB  gelangen 
wir  zum  politnchen  und  sozialen  und  von  diesem  zum  wirt* 
achaftlichen. 

Diese  Erkenntnis  läfst  Refornuition  und  Liberalismus  vor- 
urtcilstVei  betrachten.  Beide  sind  Produkte  der  Bedürfnisse  nuieli- 
tiger  Klassen  der  Zeit.  Weder  die  eine  noch  der  andere  sind 
an  »ich  die  Prinzipien  alles  Übels  in  der  modernen  Geschichte, 
und  die  erster«  ist  nicht  die  Mutter  des  zweiten.  Der  Liberalismus 
wurde  erst  dadurch  schädficb,  dafs  er  sich  in  an  naturrechtUches 
Gewand  hiülte  und  nun  erstens  die  doktrinäre,  unbisto- 
rische  Grundlage  des  stoischen  Naturrechtes  in 
die  Köpfe  und  Gefühle  grofser  Massen  iiberp:ing 
und  Äweiteu.s  z  e  i  1 1  i  c  Ii  b  e  r  e  c  Ii  t  i  g  t e  un  d  beschränkte  I  >  e - 
d  uj- 1  II  i  e  mächtiger  Klassen  den  8tempel  gottge- 
wollter, lür  alle  /leiten  und  Völker  geltender  For- 
derungen erhielten.  Nun  binderte  er  neue,  zeitfich  berech- 
tigte und  beschränkte  Bedttrfiiisse  anderer '  Klassen  daran,  be- 
medtgt  SU  werden ;  er  sperrte  dem  politischen,  wirtschafUichen, 
sozialen  Fortschritt  den  \N  eg;  der  plulosophische  Individualismus, 
ein  Produkt  der  Auflösung  des  Altertums,  wurde,  auf  die  modernen 
Völker  übertragen,  ftir  sie  ein  Ansteckungssloff,  welcher  wiederum 
Auflösung  erzeuiite  :  tier  Liberalismus  erhielt  jenen  unduldsamen, 
fanatischen  Ciiarakier,  welcher  religiösen  Bewegungen  eigen  ist; 
seine  Anhänger  fragten  nidit  mehr,  ob  die  Fn&elt  zweckmäfiiig 
aci,  sondern  sie  handelten  nach  dem  Grundsatze:  die  liberalen 


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32 


X  2. 


Ideen  müssen  durchgeführt  werden,  welche  Folgen  sich  auch 
einstellen  mögen. 

3. 

Die  Politik. 

Als  dritter  Faktor  wurde  die  Politik  genannt.  Sic  liat 
die  junge  W  iswenschaft  nach  mehreren  Riciitungen  beeinfluüt 

Wie  die  Politiker  die  l'raxis  ihrer  Staaten  umzugestalten 
sachten,  gaben  sie  den  Naturrecbtaldirein  den  Anstofs,  Ideale  auf- 
zustellen,  FHnzipieii  au  formulieren.  Einige  Naturrechtslehrer,  a*  B« 
Oldendorp,  sprechen  diese  praktische  Tendenz  ihrer  Werke  gana 
offen  ans.  Allerdings  brauchten  die  Bedürfnisse  des  politischen, 
sozialen  und  wirtschaftlichen  Lebens  nicht  immer  durch  die  Pohtik 
vonnittclt  zu  «ein.  sie  konnten  den  Naturrechtslehrern  auch  un- 
mittelbar Antiiüb  7.11  wissenschaftlicher  Arbeit  werdend  Dann 
sind  die  organische  Auffassung  des  Staates,  die  durchaus  ver- 
Behiedenartige  AnaljBe  der  menschfichen  Kator,  welche  der  An- 
BchluiB  der  Politiker  an  Aristoteles  mit  sich  brachte,  welter  die 
apätrOmisehe  Lehre  von  dem  Verhältnis  des  Staatsoberhauptes  zu 
den  Staatsgesetzen  treibende  Momente  in  der  Entwickelung  des 
Naturrechtes  gewesen.  Gleichfalls  Inl^^n  die  Vertreter  der 
Doktrin  von  f|fT  Staiitsraison  kläri'nd  aul  das  Naturrecht  ein- 
gewirkt. So  wurden  Thomasius  und  Andere  auch  durch  den 
Kampf  mit  den  „Statistae  angeregt,  die  Gebiete  des  Natumchta 
und  der  Politik  zu  sondern. 

m. 

Die  Begrüudimx  des  Natiirrechtfi  als  selbständige 

Wissenschart. 

Nachdem  wir  auf  den  Torhcrgehenden  Seiten  die  theoretiacheD 

Faktoren  der  neuen  Wissenschaft  kennen  gelernt  liaben,  wollen 
wir  die  grofsen  Systeme  d^  s  moflornen  Naturrecht^  ( Ii  tulctvrisieren. 
Es  wird  sich  zeigen,  dals  ilir  Aufbau  durch  die  psycholoi^ische 
Analyse  und  die  Schilderung  des  Naturzustandes  nos  Mensciien. 
welclie  der  Naturrechtslelirer  beliebt^  wesendich  bestimmt  wird. 
Diese  beiden  Elemente  weichen,  wie  wir  wissen,  im  epikuieiachen 
und  stoischen  STStem  sehr  von  einander  ab.  Seine  Fündamente 
wählt  der  Philosoph  nicht  willkttrfich.  Die  politischen  und 
sozialen  Verhältnisse  seiner  Umgebung,  die  philosophischen  Ideen 
und  die  Rildimn-  seiner  Zeit,  sein  Geist  und  ^'in  Charakter 
und  niclit  zum  mindesten  das  politische  Ziel,  für  dessen  Ver- 
vs  ü  kiichung  er  wissensoliafthch  eintritt,  drängen  ihn  in  eine  be- 
stimmte Auffassung  hinein. 


1  Kaltenborn,  a.  a.  0.  p.  109.  III. 


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X  2. 


33 


1. 


Hugo  Grotius. 


Wir  übergehen  die  Vorgänger  des  Hugo  Grotius  auf  dem 
OeVtiete  des  KRtiirrechtes  und  Völkerrechtes,  da  es  uns  nur  auf 
die  Ht'i^  orhebung  des  Wichtigsten  ankommt.  Das  berühmte 
V\  erk  ,,1  her  das  Recht  des  Krieges  und  Friedens",  welchem 
Grotius  eine  naturrechtliche  Erörterung  voranschickt,  spiegelt  die 
Zeit,  die  Bildung  und  den  Charakter  de§  Verfiuflers  wieder. 
Holland.  Ton  äufsem  Fanden  bekämpft,  von  politischen  und  reH- 

fiösen  Parteien  innerlich  zerrissen,  hierin  den  allgemeinen  Zustand 
er  Zeit  widerspiegelnd,  in  seinem  völlig  freien  Handel,  der  Grund- 
lago  pei'  i  r  rnator!f^llen  Blüte,  bedroht,  bedarf  äufseren  und  inneren 
Frieden;  iiaiideistreiheit  und  ein  Recht,  welches  flir  Katholiken 
und  Protestanten,  Lutheraner  und  Reformierte,  Cliristen  und 
Atheibtcn  bindend  ist  Auf  dieses  Land  ist  mfolge  der  franzö* 
Aachen  Bürgerkriege,  insbesondere  der  Berafun|ir  Scaligers  an  die 
Universität  Leyden,  der  Primat  der  Philologie  übergegangen. 
Die  humanislischen  Stadien  stehen  in  hoher  Blüte.  Ein  wohl- 
wollender,  edler  Mann,  von  Heruf  Jurist  und  mit  der  römischen 
Rechtswissenschaft  vertraut,  der  i?ohn  de.s  Kurators  der  I.ryrlf  ner 
UnivermtJlt,  ein  Schüler  Scaligers  und  dea  Justus  Li|)siub,  .selbst 
ein  gründlicher  Kenner  der  klassischen  Litteratur,  entnimmt  (irotius 
aus  den  Schriften  der  griechiachen  und  römischen  Philosophen  die 
Grand-  und  Ecksteine  der  neuen  Wissenschaft'.  Aach  seine 
Ausführungen  sacht  er  mit  CStaten  &m  den  SchriAstellem  des 
klassischen  Altertinns  zu  stützen,  sein  Werk  strotzt  in  unange- 
nehmer Weise  von  kla8.si.selier  Gelehrsamkeit. 

Qrotius  ninmit  drei  Arten  von  Reclit  an :  das  Naturrecht'-, 
das  göttliche  Kecht  und  das  bürgerliche  Recht.  Quelle  des  ersteren 


GemeinMliaft**^.  Der  Mensdi  habe  nämlich  den  Trieb 
einer  mhigen  und  nadi  dem  Mals  aemer  Einsicht  geordneten  Ge- 
meinchaft  mit  seinesgleichen,  welche  die  Stoiker  OixBiwaiv 
nannten"*.  Dieser  Trieb  wirke  unabhängig  von  der  Rücksicht 
auf  den  Nutzen.  Dies  ersehe  man  daraus,  dafs  die  Tiere  ihre 
Sorge  für  sich  selbst  im  liinbUck  auf  ihre  Jungen  mäfsigten  und 
bei  Kindern  früh  Mitleid  und  die  Neigimg  wohlznthun  hervor- 
träten. Ist  nun  nach  Grotius  dieser  ^IVieb  nach  einer  uninter- 
essierten Gemeinschaft  bei  allen  leb^den  Wesen  su  finden. 


I  Die  Behauptung  des  GrotiiiB,  er  habe  auf  die  Streitfragen  seiner 

Zeit  keine  Rücksicht  f^eii  iinmen  CEinl-  itiing  JS"^),  w\der]efgt  nsine  Ansicbt 
nicht,  d&lji  er  durch  die  iStreitfragen  angeregt  wurde. 

*  leh  erwllme  das  jus  natnnüe  lasrns  lucht ,  da  es  mir  nur  anf  die 
klare  und  dentliche  Hervorhebung  des  Wesentlichen  ankommt. 

'  Einleitung  8.  Die  wörtUcoen  Anfährongen  nach  der  Übersetzung 
von  Kirchmano.  1882. 


tanOuatßn  («)  X  8.  —  flaaWb. 


8 


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84 


80  verbindet  sich  bei  dem  ]^r('n>chen,  wenn  er  in  das  reifere  Alter 
getreten  ist,  mit  diesem  , »starken,  geselligen  Trieb,  fUr  den  er 
allein  vor  allen  (  Geschöpfen  das  besondere  Älittel  der  Sprache  be- 
sitzt, auch  die  Fähigkeit,  allgemein  e  Regeln  zu  fas.sm  , 
welche  auf  die  Verwirklichung  dieser  Gemeinsehaft  hinzielen,  u  ii  d 
danach  au  handeln.  Was  hiermit  Ubereinstimmt, 
das  ist  schon  nicht  mehr  allen  Gfeschtfpfen  gemeinsam,  sondern 
der  menschlichen  Natur  eigentumHch'*'*  Wie  man 
sieht,  nimmt  Grotius,  wie  die  römiscäen  Joristen,  ein  engeres  und 
ein  vveiteres  Naturreclit  an. 

Dem  80  aus  dem  uninteressierten  Triebe  nach  GeselliLrkeit 
und  der  menschlichen  Vernunft  entstamm ('nd(?ii  Kechte  gelioren 
folgende  Siitze  au :  1.  daCs  man  sich  des  fremden  Gutes  enthalte 
und  das  Genommene  zurückgebe,  2.  dals  man  den  durch  eigene 
Schuld  yeranlafsten  Schaden  ersetze^  8.  dafs  das  (Jnrecht  durch 
die  Strafe  wiederveigolten  werde  und  4.  die  Verhindlichkeit« 
gegebene  Vorsprechen  zu  erfüllen. 

Um  das  Naturrechtliche  scharf  von  dem  Nützlichen  m  imtcr- 
Rclu'iden,  sagt  er  ausdrücklich,  dals  uns  unsere  Natur  xu  ( Jemein- 
Hciuift  treiben  würde,  auch  wenn  wir  keine  Hedürfniäse  hätten^; 
um  die  Hoheit  des  Vernunftrechtea  hervorzuheben,  es  sei  so  un- 
veränderlich, daß}  Gott  es  nicht  verändern  könne'.  Aber  Grotius 
hat  zu  lange  in  der  Schule  der  Stoiker  verweilt,  um  die  Ver- 
hindung  des  Naturrechtes  mit  Gott  zu  lOsen.  So  behauptet  er 
denn :  „Aber  selbst  das  obenerwähnte  Naturrecfat,  sowohl  das  ge- 
sellschaftliche, wie  das  im  weiteren  Sinn  so  genannte,  nmfs.  ob- 
gleich rs  aus  den  inneren  Principicn  des  Menschen  abHiefst  doch 
in  Wahrheit  ( jott  zuge^chriclx'n  werden,  weil  er  ja  gewollt  hat, 
dafs  solche  l*rincipien  besteiicn.  In  dieaeui  Sinne  s^igten  die 
Stoiker  und  Ghrysipp  (eben&Us  Stoiker),  dafis  man  den  Ur- 
sprung des  Rechtes  nur  hä  Jupiter  suchen  müsse,  und  wahr* 
Bcheinlich  hat  bei  den  Lateinern  das  Recht  (jus)  seinen  Hamen 
von  dem  Jupiter  (Jovis)  erhalten"*. 

Gott,  mittelbar  die  Quelle  des  Natm*reehtps,  ist  unmittelbar 
die  Quelle  des  g<)ttliehen  Rechtes^  welches  auf  seinem  direkt  aus- 
gesprochenen Willen  beruht. 

Haben  nun  also  Natuirecht  und  göttliches  Recht  ihren  lie- 
rUhrungspunkt  in  dem  höchsten  Gesetzgeber,  so  fehlt  auch  die 
Verbindung  awiachen  Naturrecht  und  bürgerlichem  Recht  nicht. 
Nach  Grotius  gehört  es  ja  zum  Katurrecht,  dafs  man  gegebene 
Versprechen  enUlle.    Hieran  knüpft  er  das  positive  Recht  an. 

,,Weil  es  natürlichen  Rechtes  ist,  die  Verträge  zu  halten 
(denn  irgend  ein  \\  eg,  sich  zu  verpflichten,  wai*  iUr  die  Alenschen 


>  Einl  7 
■  Einl.  IG. 

*  B.  I,  Kap.  I.  X,  -j. 

*  Eisl.  12. 


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Z2. 


35 


notwendig;  und  ein  nAtärlicherer,  als  der  Vertrag^  läfst  sich  nicht 
auffinden),  so  ist  aus  dieser  Quelle  das  bürgerliche 
Recht  ontstfinflpTi.  Doiin  die,  welche  sich  einer  Gemeinschaft 
anschlielÄcn  und  einem  oder  nielireren  unterwerfen,  versprechen 
entweder  ausdrücklich  oder  stillschweig'end,  wie  man  nach  der 
Natur  der  Sache  anneiimen  mul't»,  dals  sie  dasjenige  beiol^en 
«flrdeo,  was  entweder  die  Mehrheit  der  G^onemchaft  oder  die^ 
welchen  die  Macht  übertragen  war,  festgesetzt  htttfeen"^.  Jene 
erwähnte  Vergesellschaftung  oder  Ünterwerfting  hat  aus  irgend 
einem  Nutzen  ihren  Anfang  genommen'' ^  Im  ersten  Buche 
befindet  sich  nun  eine  Definition,  welche  jilles  berüeksiflinY'-t,  was 
wir  bis  jetzt  besprochen  haben.  „Das  natürliche  Kcelit 
ist  ein  Gebot  der  VernuTift.  welches  anzeigt,  dafs  einer  Handlung 
wegen  ihrer  Übereinstimmung  oder  NichtUbereiüötimmung  mit  der 
▼emtbiftigen  Natur  selbst  eine  moralische  Hftlslichkeit  oder  eine 
moralische  Notwendigkeit  innewohne^  weshalb  Gott»  als  der  Schöpfer 
der  Natur,  eine  solcAe  Hiuidlnng  entweder  geboten  oder  verboten 
habe**«. 

Alis  fliesen  Grundzügon  wird  man  ersehen,  dafs  das  Orotia- 
nische  Naturrecht  sich  sehr  stark  an  die  stoischen  Orundanschjiu- 
nngen  anlehnt.  In  allen  Werken  über  die  Geschichte  de-s  Natur- 
rechtt»  wild  behauptet,  dai'ä  er  die  8ocialitiits»theorie  dem  Aristo- 
teles entnommen  nahe.  £r  selbst  beruft  sich  auf  die  ohjtitaai^ 
der  Stoiker,  die  doch  auch  diesen  Teil  der  Ethik  unendlich  srttnd- 
ficher  erörtert  haben  als  Aristoteles.  Wo  er  das  Naturrecmt  auf 
Gott  zurückftlhrt,  citiert  er  die  Stoiker.  Wo  er  im  zweiten 
Kapitel  des  ersten  lUiche«*  -Ii«'  menschliehen  Triebe  besprielit, 
hält  er  sich  an  Cicero,  und  er  bemerkt,  dals  dieser  seine  Lelire 
aus  den  Büchern  der  Stoiker  genommen  habe.  Augenscheinlicli 
ist  die  Socialität  bei  Grotius  in  eine  Stellung  gerückt,  die  sie  bei 
den  Stoikern  nicht  besitzt  Er  leitet  aus  dem  Princip  der  Qesellig- 
kdt  den  Begriff  des  Rechtes  ab,  er  kehrt  in  gewissem  Sinne  die 
stoische  Anschauung  um.  Walirscheinlicb  hat  er  gerade  dadurch 
dem  Naturrecht  eine  festere  Basis  zu  ^ben  gesucht;  denn  die 
gesellige  Natur  des  Menschen  kimn  erwiesen  werden,  nicht  aber 
da.s  Dasein  dor  feurigen  \'ernunlt  ').  Vielleicht  wurde  er  auch 
durch  religiöse  Bedenken  davon  abgehalten,  sich  zu  der  panthei- 


1  £inl.  \h, 

*  Eml.  16. 

•  Bucli  T,  Kap.  I.    X.  1. 

*  Bach  1,  Kap.  II.  1.  Jene  falsche  Meiuimg  ist  waliracbeinlich  durch 
Grothis'  Uenrorhebung  der  Bedeutung  des  Aristoteles  entstanden  (Einl. 

£r  sagt  aber  aadi,  er  wolle  das  Gkite  nehmen,  wo  er  ss  finde  — 
wie  die  alten  Christen. 

•  Vergleiche  über  Grotius*  Methode  B.  I,  Kap.  I.  XII,  1.  Es 
gebe  einen  doppelten  Beweis  für  die  Existenz  naturrechtlicher  ßeetim- 
muTiffeii:  der  dircktr  Xachwci-  ]  if?  r'twas  notwendig  mit  der  vernünfti- 
gen Natur  and  Geseildchaft  übereinstimme)  sei  scbarfsioniger;  der  indirekte 
sd  die  Üboretnstimtnttng  der  Völker. 

3* 


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86  X2. 

stiscben  Grundlage  des  8toisc]ien  NatuiTechts  zu  bokonnor!  Aber 
das  Naturrecht  verliert  andereröcits  den  Charakter  einer  unbe- 
dinp^n  Hoheit,  und  so  iiiufs  es  nachti-üplich  doch  wieder  in  Ver- 
bindung mit  Gott  gesetzt  werden.  Gott  ial  dann  aber  auch  das 
h^disle  Princi^  des  Natorrechta,  nicht  die  Sodalitttt 

Seihen  wir  aeUielslich,  wäches  Verhältnis  Grotias  swinhen 
Naturrecht  und  bürgerlichem  Recht  annimmt.  Er  sagt:  „Das 
bürgerliche  Recht  kann  gar  nichts  gebieten,  was  das  Natonecht 
wrljirtct,  ndor  verbieten,  was  dieses  gebietet;  nbor  kann 
die  na  t  II  r  1  i  c  Ii  e  F  reihei  t  h  fach  r  ä  n  k  cn  und  das  naturrecht- 
Uch  Erlaubte  verbieten  und  selbst  den  natürlichen  Erwerbsarten 
des  Eigentums  durch  seine  Kraft  entgegentreten*. 

2. 

Gassendi. 

Ein  Jahr  vor  dem  Werke  des  Qrotiiis  war  die  errte  Schrift 

Gassendis  über  Epikur  vollendet  worden,  der  tn  den  ▼ienij^ 
Jahren  des  17.  Jahrhunderts  noch  awei  andere  folgten.  Hier- 
durch feierte  der  Epikureismus  seine  volle  Wiederauferstcliung. 
Nicht  als  ob  er  vorher  nicht  bekannt  gewesen  wJtre,  es  wurde 
Bclion  vursf  hieJeneoiale  crwjihnt,  wie  er  im  stillen  stets  tortlebte 
und  hier  und  da  an  die  Öifenliiciikeit  trat.  Durch  Gasöendi 
werden  ntm  auch  die  epiknreischea  Lebren  tod  Redit  und  Staat 
wieder  allgemeiner  bekannt 

Bei  Grotius  sind  einige  Bestandteile  des  Einknreismus  in  der 
früher  Migedeuteten  Weise  in  sein  System  verwoben.  Auch  er 
nimmt  einen  Zustand  des  Unfriedens  unter  dvm  ISronschence- 
schlechte  an;  aber  im  Anfang  herrschte  Frietle  und  Eintracht, 
und  alles  war  genieinsam.  Den  Übergang  aus  diesem  in  jenen 
hat  die  biblische  und  klassische  Gelehrsamkeit  des  Verfassers  in 
eine  eigentttmliche  Bdeuchtimg  gerückt'.  Wir  sehen  auch  bei 
Grotius  den  Staatsvertrog  mehr  beÜAufig  angedeutet  Den  Staat 
definiert  er  folgendermafsen :  „Der  Staat  ist  eine  vollkommene 
Verbindung  freier  Menschen,  welche  sich  des  Rechtsschutzes  und 
des  Nutzens  wegen  r.usammengothan  haben*'".  Di^se  Lehre 
konnte  ihm  durch  die  mittelalterlichen  Schriftsteller  und  ihre 
Fortsetzer,  die  kaUiohschen  Autoren  über  das  Naturrecht  uber- 
kommen sein.  Dage^n  reproduziert  Gassendi  einfach  die  epiku- 
reische Lehre,  und  bei  ihm  erscheint  sie  mit  allen  ihren  socio- 
logischen  und  ethischen  Voraussetzungen,  welche  den  grotianischen 
schnurstracks  widersprechen. 

Im  Anfang  irrten  die  Menschen  gleich  Tieren  umher;  dann 
wurden  sie  durch  „quek^ue  naturelle  incUnation^'  veraidaftt,  an 

i  D,  2,  V. 
«  II,  2,  II,  2  ff. 

•  1, 1,  xiV,  i. 


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37 


Horden  stuammensutreten.  Aber  da  nun  immer  „quereHes  snr  le 

boire  et  sur  le  manger  et  sur  les  femmes  et  mv  les  autres  commo- 
ditez  qii'ils  sc  prenaicnt  et  se  d^robaient  i  un  a  l  autre"  entst'indeü, 
beschlossen  sie  einen  Vertrag  folgenden  Inhaltes  einzugehen.  Es 
sollte  in  Zukunft  niemand  aen  andern  verletzen :  wer  uch  aber 
einer  SebMdigung  schuld^  mache,  den  sollten  die  andern  be- 
etiafen.  Dam  war  eine  Gewalt  nötig,  und  diese  Übertrug  man 
auf  önige  „Sages*^  oder  auf  einen.  Nun  wurde  es  möglich, 
Eigentum  zu  haben,  der  Mord  ward  zu  einem  Verbrechen 
gestempelt,  Gcreelite  und  T"^nf^rTechte  wurden  unterschieden,  je 
nachdem  sie  dvn  Kontrakt  beobachteten  oder  nicht.  Die  einen 
handelten  aus  Einsicht,  die  andern  aus  Furcht. 

Hier  öiad  alle  Züge  der  epikureibchca  Lehre.  Das  Kecht  hat 

«eine  Wurzel  nicht  in  der  sittlichen  Natur  dea  Mensehen,  die  ihm 
Torschreibt:  Das  aoUst  du  thun,  das  nicht,  sondern  in  dem  Sdbst- 

erhaltungstriebe»  in  den  Bedürfnissen  des  Einzelnen;  das  Recht 
ist  eine  Art  des  Nützlichen.  ,,Epicure,"  sagt  Gassendi,  „a  tirö 
toule  l'origine  du  Droit ....  de  rUtillte.'  Es  entsteht  mit  der 
menschliclien  Geaellschaft,  aufserhalb  derselben  giebt  es  kein 
Recht.  Zwischen  Völkern,  die  keinen  Vertrag  miteinander  ab- 
schlielsen  konnten  oder  wollten,  existiert  ebenfalls  kein  Recht. 
Ein  Völkerrecht  ist  ein  Unding  ^  Unser  Schriftsteller  sucht  mit 
dem  Aufwände  grolser  Gelehrsamkeit  seine  Ansicht  zu  vertreten 
und  polemisiert  gegen  die  Lehre  vom  goldenen  Zeitalter.  Die 
Sagen  von  Orpheus  und  Amphion  zeigten  doch  aucli,  dafs  die 
Völker  ur8priinr.Hich  ein  umherschwcif<'ndo8  Treben  geführt  hätten 
und  Sitte  und  Kecht  erst  mit  der  Gründung  des  fcitaates  ent- 
standen wUren.  Auch  Aristoteles  habe  gelehrt:  „La  sociöt^  dvile 
semble  avoir  commenoS  et  subsiste  cncore  prösentemcnt  par 
rutilitl'*  Er  weist  darauf  hin,  dals  wir  in  der  Heiligen  Schrift 
«feto  ^n  Verträgen  lesen Gassendi  aeigt  auch  diäelbe  Vor- 


•  Bern i er,  Abr^^  de  la  PhiloBophie  de  Gassendi.  2.  A.  Lyon 
1684.  Tome  VII,  p.  512  u.  fig.  Le  droit  et  le  Joste  .  .  .  semblent  Itre 
quelque  chose  d'auasi  ancieu  eutre  les  hommes  que  leurs  muttielles  Hociete^ 
eout  ancieunca.  —  Car  le  Jiute  ou  le  Droit,  dout  l'ob&ervation  se  nomrae 
Jastioe,  n*e9t  que  dans  one  Society  rnntaeUe,  d'oü  vient  que  la  Justice 
est  un  llen  <;nciot6  entant  quc  chacun  des  Asaocies  peat  vivre  flO 
Moret^  et  exetuut  de  l'inqui^tude  continaeUe  quon  ue  l'attaque  .  .  . 
Über  die  Entstenmig  det  Eigentums  bdfst  es,  jener  Vertrag  ad  ^le 
premier  nd'ud  de  1h  socletc-"  gewesen  .  .  .  il  suppoaa  qu'un  particuUer 
pouvoit  avoir  ^aelque  chose  en  propre  ou  qu'il  peust  dire  estre  sien 
(»oit  pour  l'avoir  ueurpä  le  premier,  soit  pour  lui  avoir  ejit<^  donn^  soit 

Sour  l'avoir  eu  en  ^cnanf^,  aoit  pour  Tavoir  acquis  par  sa  propre  in» 
oBtrie).  Hier  erscheint  die  Arbeititheom  Lockea  und  der  i'hjaiokiaten 
nur  b^äu%  und  im  Keim. 

*  II  n^  a  fien  de  plua  ordinaire  parmv  les  Sacrez  Docteurs  que 
dV>!itPndrr  dire  que  Tüne  et  l'autre  Loy,  tant  i'Ancienne  quc  la  Nouvelle, 
t»t  uue  Alliauce,  un  Pacte;  et  il  n'est  rieu  de  plus  frequent  dans  les 
SefaiteB  BeritDTCs  «pie  de  lire  que  IXea  ffut  des  Pactes,  eemme  avec  No4^ 
avee  Abiahaiii,  avec  Jacob  etc.  a.  a.  0.  ]>.  525. 


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88 


X  2. 


liebe  (Ur  eine  starke  monnrchiHche  Gewalt,  die  charaktemttBch  für 
die  epikureische  Doktrin  i8t^ 

3. 

Hobbes. 

Aber  nicht  durch  Gassendi  selbst,  sondern  durch  Hobbes, 
den  Zeitgenossen  der  Männer,  welche  England  in  einen  fürchter- 
lichen Bürgerkrieg  stürsten,  den  langillhngen  FVennd  und  Mit> 
Streiter  Gassendi's  &ir  die  Wiederb^ebung  des  MaterialiBmiu^. 
sollte  der  JOpikureiemus  ein  Ferment  in  den  politischen  Wissen- 
schaften wcnlpn.  Seine  p-oft^en  Werk(3  Uber  den  Btirgt-r''  und 
,,der  Lcviathan"  ruhen  unzweifelhaft  auf  der  Grundlage  der 
epikui-eiöchen  Li*hren ;  aber  sie  sind  zugleich  vom  Geiste  des 
cnrisdichen  Naturrechts  erlüllt.  Und  doch  ist  das  Ganze  eine 
neue,  eigentümliche  Schöpfung  von  eiserner  Konsequenz  der  Ge- 
dankeoy  der  es  hier  ond  da  nicht  an  grimmigem  Humor  gebricht, 
zugleich  ein  Zeugnis  flir  das  tiefe  BedUrfiois  Englands  nach 
Frieden  und  einer  starken  Staatsgewalt. 

Das  freundliche  Licht,  wrk-lies  der  milde  Propst  von  Digne 
noch  über  dir  menachhche  Natur  austrf'irossen  hatte,  wird  durch 
den  mifstrauiöc  liPTi  Ernst  des  cinsiedlen sehen  Engländers  ver- 
dunkelt. Nach  Gassendi  vereinigen  sich  die  Menschen  durch 
natttrHcbe  Zuneigung  zu  Horden;  die  Individuen  aber,  die  in 
Hobbes'  Werken  den  Staatevertrag  abschliefsen,  lieben  einander 
nicht:  sie  fUrchten  sich  gegenseitig  und  suchen  die  Gemeinschaft 
nur  deshalb,  weil  ein  jeder  Ehre  und  Vorteil  darin  zu  finden 
hofi^.  So  bereitet  er  sich  psychologisch  den  Boden  fUr  den 
genialsten  Zug  seiner  Theorie:  Die  Verlegung  des  ünter- 
werfungövertrages  in  den  Vereinigungsvertrag ^. 

Neu  und  eigentundich  ist  seine  Formuheruug  und  Weiter- 
bildung des  epikureischen  Katuirecfates,  das  in  seinen  Grund- 
lefaien  liertehen  bleibt.  Von  einem  Natunecht  im  stoischen  Sinne 
kann  keine  Rede  sein,  da  die  roetaphysisohe  Vorausseünmg  der 
allwaltenden  Vernunft  fehlt.  Hobbes  nennt  Naturrecht  das 
schrankenlose  Recht  der  freien  und  gleichen  Menschen  auf  alles 
im  Naturzustände,  was  den  Begriff  des  Unrechtes  ausschliefst 
Indem  aber  nun  die  von  Selbstsucht  und  Furcht  bewegten 
Menschenutome  feindhch  gegeneinander  drilngen  und  stofsen,  ent- 
wickelt sich  die  Erkenntnis  des  Elends  der  {ulgemeinen  Unsicher^ 
heit  und  Entwicklungsunfkhigkeit.  Und  nun  lehrt  die  Vernunft, 
dala  der  Friede  anin streben  sei,  als  Mittel  aar  Erhal* 
tiing  des  mensc!ilic!ien  Oeschlechtes  und  des  Einz«>!nen.  Dieses 
Vemunftgebot  nennt  er  das  Naturgesetz.  Die  Verwandtschaft 


'  a.  a.  O.  p.  367. 

*  Vgl.  Qierke,  Althuaius  p.  86. 


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39 


und  die  Verschiedenheit  dieses  Begriffes  von  dem  dea  ib  ^  i^g  q  iüuug 
dhtaiQv  £pikars  wird  imimttelofur  einleuchten. 

Ans  oieeem  Grundsesetz  der  Natur  leitet  nun  Hobbes  eine 
Reihe  besonderer  natürlicher  Ocsctze  ab.  Das  erste  dieser 
letzteren  besagt,  dafs  das  Hecht  aller  auf  alles  nicht  beizubehalten 
ist,  sondern  dafs  einzelne  Rechte  zu  übertragen  otler  aufzugeben 
sind,  weil  der  BViede  auf  keine  anthTe  Weise  gesichert  werden 
kann.  Wenn  zwei  oder  mehrere  si(  Ii  ihi*e  Rechte  gegenseitig^-  iiber- 
Uagen,  so  iieiiät  dies  ein  Vertrag.  Die  Vernunft  schlielbt  diiiicr 
(«weites  Gesets),  dafs  Vertrnge  gehalten  werden  mllssen,  weil 
dies  allein  die  EnialCung  des  Friedens  und  damit  die  Erbaltong 
der  einzelnen  und  der  Gattung  verbürgt.  Die  Vernunft  lehrt 
wei  er  die  Notwendigkeit  der  Dankbarkeit  als  der  Voraussetzung 

fegcnscitiger  Hilfe,  der  Verzeihung,  wenn  Rfir^'-sf  liaft  für  die  Zu- 
unft  geleistet  ist,  der  Billigkeit,  der  Bescheidenheit  u.  s.  w. 
Diese  natürlichen  Folgerungen  der  Vernunft  lieifsen  nur  uneigent- 
lich natürliche  Gesetze.  Da  sie  aber  mit  den  Vorschriften  des 
göttlichen  Geseties  tthereinslimmen,  was  er  im  vierten  Kapitel 
setner  Schrift  „Über  den  BOiger*'  nachweist^  so  darf  man  den 
Folgerungen  der  Vernunft  die  Beseichnung  ^^natttrliche  Gesetze'' 
beilegen^.  Aufserdem  ist  die  natürliche  Vernunft  ein  von  Gott 
verliehene  E^kenntnlsmittel  und  darum  das  natürliche  Gesetz 
dasjenige,  „welches  Gott  durcli  sein  ewiges  uns  eingeborenes 
Wort,  d.  h.  durch  die  natürhche  Vernunft  Ivund  gethan  hat'*'. 

Die  Befolgung  dieser  Gesetze  im  Naturzustande  seitens 
einselner  wjire  Thorheit,  solange  nicht  alle  sie  befolgen^. 


•  ^Was  ich  die  naturlichen  Gesetze  nenne,  sind  nur  gewisse 
Foleerungen,  welche  die  Vernunft  erkennt,  unl  die  sieh  auf 
Handlungen  und  Unterlassungen  bezirh  n  I>ag<'gen  i.st  das  Gesetz  nach 
dem  strengen  Spracbgebrauche  der  Ausspruch  dessen,  der  andern  etwas 
so  firan  oder  so  nnterlaaseo  mit  Recht  oefiehll  Dsher  nnd  jene  natftr> 
liclicn  (Jes^  ^Zl>  eig(!ntHch  keine  Gesetze;  denn  sie  ^'chon  aus  der  Natur 
selbst  hervor^  soweit  sie  indes  von  Gott  in  der  Heiligen  >Scbnft  gegeben 
worden  sind  .  .  .,  heifsen  sie  recht  eigentlich  auch  Gesetze;  denn  die 
Heilige  Schrift  ist  ein  Ausspruch  des  mit  dem  höchsten  Rechte  über 
alles  gebietenden  Gottes."  De  t  ive,  Übersetzung  von  Kirchmann,  Kv>v.  TTF, 
p.  Cd.  Die  vorliegende  Darstellung  fui'st  fast  allein  auf  diesem  Werke 
es  Hobbes,  der  Leviathan  ist  nicht  in  Betracht  gezog^  Siehe  die  Be< 
lechtigang  dazu  bei  Rirchmann  p  !?^2 

«  a.  O.  p.  174.  YgL  p.  m  Kap.  XV.  §  8:  Gott  kann  seine  Ge- 
istee  .  .  .  TeiMfidigen  entens  dnreti  die  snluehweigenden  Gebote  der 
rechten  Vernunft  u  s.  w. 

"  „Die  meisten  Mensclien  sin«!  infolge  des  falschen  liepelircns  nach 
dem  gegenwärtigen  Vorteil  wenig  gueiguet,  die  vorgenannten  (iet>ctze, 
obgleich  sie  sie  anerkennen.  2u  bero^^.  Wenn  daher  einzelne,  die  ^e- 
musigter  diV  iilni^'  -u  sind,  diese  von  der  Vernunft  pjeliotene  Billig- 
iieit  und  Kueküicht  Üben  wollten,  ohne  dafs  die  ander»  dasselbe  thüteo, 
so  wttrden  ne  damit  ketneewegs  der  Vemunft  folgen:  denn  sie  wfbden 
sich  nicht  d  n  Fri  den,  sondern  nur  einm  -i<  lireren  und  frUhzeititreren 
Untergang  bereiten  und  durch  I^eobachtunK  der  Gesetze  eine  Beute  jeuer 
werden,  welche  sie  nicht  befolgen,^  a.  a.  0.  p.  65.   III,  §  27. 


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40 


X  2. 


Allein  es  gonüg^t  auch  noch  nicht,  wenn  die  Mehraahl  hiersu  ein- 
willigt; denn  die  Eintracht  der  Verbündeten  hinn  durch  Ver- 
schiedenheit der  Ansicliten,  durch  Neid  und  NebenbuhleFschaft 

getrübt  werden.  Sohmge  niclit  eine  Furcht  alle  zwingt, 
werden  sie  einander  weder  immer  hellen,  noch  FrirdfTt  unter- 
einander halten  wollen.  Die  Sittlichkeit  des  Individuums  mt  nur 
möglich  im  bt^iatc. 

Der  Staat  kommt  dadoreh  aogtandc^  dals  „die  einzeben 
ihren  Willen  dem  Willen  eines  einaeben,  d.n.  eines  Mensehen 
oder  einer  Versammlung,  so  unterordnen,  dafs  dieser  Wille 
filr  den  Willen  aller  einzelnen  gilt,  »oweit  er  etwas  über  das  zum 
ffOTP. einsamen  Frieden  Nötige  bestimmt,  und  zwar  vermittelst  eines 
Vertrages,  durch  welchen  sich  jeder  ^e^'^n  jeden  verpflichtet, 
dem  Willen  fliesen  einen,  dem  er  sich  unicr  vorten  hat,  keinen 
Widerstand  zu  leiaten".  Dieser  erlangt  d;idurch  ,,eine  so  gioläe 
Macht,  dafs  er  durch  den  Schrecken  derselben  den  Willen  der 
emzelnen  zur  Einheit  und  Einigkeit  zusammenhalten  kann^'^. 

In  der  so  gebildeten  bürgerlichen  Gesellschaft,  die  also  erst 
Eigentum,  Sicherheit  des  Lebens,  kurz  materielle  und  sittliche 
Kultur  ermöglicht,  ist  der  Inhaber  der  Staatsgewalt  die  Quelle 
alles  Rechtes  und  alh  r  .Sittlichkeit,  ohne  docli  selbst  an  die  Ge- 
setze des  Staates  gebunden  zu  sein.  „Da  es  für  den  Frieden  noch 
wichtiger  ist,  den  Streitigkeiten  zuvorzukommen,  als  die  ent- 
standenen zu  schlichten,  alle  Streitigkeiten  unter  den  Menschen 
aber  aus  ihren  verschiedenen  Meinungen  Uber  das  Mein  und  Dein, 
das  Rechte  und  Unrechte^  das  SitÜiäe  und  Unsittliche  und  ähn< 
liches  entstehen,  wobei  jedermann  seinem  eigenen  Urteil  folg^ 

gehört  es  zur  höchsten  Staatsgewalt,  für  alle 
Bürger  gemeinsame  Regeln  oder  Mnl'se  aufzustellen  und  öffent- 
lich bekannt  zu  machen,  aus  deuen  Jeder  abnehmen  kann, 
was  »ein  und  was  dea  andern,  was  recht  und  was  unrecht,  was 
sittlich  und  was  unsittlich,  was  gut  und  was  schlecht 
ist'**.  Im  Naturzustände,  solange  die  einzelnen  sich  noch  nicht 
der  Herrschaft  eines  andern  unterworfen  halten,  stand  jedem  ein 
Urttü  über  das  Gute  und  Schlechte  zu;  im  btirgerlichen  Zustande 
ist  gut  und  schlecht,  wns  der  Oesetzgeber  gebietet*.  Die  Ver- 
pfliclitung  zur  Heobachtung  des  Staatssittengesetzes  beruht  auf 
dem  Naturgesetze,  dals  Verträge  gehalten  werden  müssen*.  So 
erhebt  sich  die  Frage,  in  welchem  Verhältnisse  die  drei  Arten 
von  Gesetzen  zu  einander  stehen.  Wenn  wir  llobbes  richtig  ver- 


'  a.  a.  O.  p.  84.   Kap.  V,  S  7,  a 
«  a.  a.  0.  p.  91,  Kap.  VI,  |  9. 

"  a.  a.  O.  p.  147.  Kap.  XII,  §  1. 

*  „Da  somit  die  Verbindlichkeit  zur  Beobachtung  jener  Gesetze  älter 
ist  als  inre  Verkfindlgiiug,  weil  sie  in  der  Errichtung  des  Staats  vermöge 
des  uatUrlii^hen  Geeetzeß  mit  enthalten  .sind,  welcher  die  Verletzung 
Verträge  verbietet,  so  gebietet  auch  das  natürliche  Gesotz,  dnfs  alle  Ge- 
setze des  Staates  beobachtet  werden  sollen,"  p.  177,  Kap.  XIV,  §  10. 


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X  2. 


41 


ßlandcn  haben,  war  er  der  Ansicht,  dalö  f^ie  sich  an  sich  gar 
niclit  widersprechen  können.  Wir  sahen,  wie  in  seiner  Lehre  aas 
natürliche  und  das  göttliche  Gesetz  a  priori  und  a  posteriori  tiber- 
einatiinnien.  Dafii  die  iwrgetr.-igenen  Ansichten  Uber  die  Rechte 
der  StaatBgewalt  mit  der  Heiligen  Sclirift  im  £mklang  nnd,  encht 
er  im  11.  und  teilweise  im  12.  Kapitel  seines  Werke«  lu  be- 
Wttsen.  Die  Vorschriften  des  bürgerlichen  Gesetzes  können  eben- 
«owenii^  dem  n?\tlir1ichen  Ot^sftzo  widersprwlien,  weil  die  Vernunft 
die  C^uelie  beider  ist  und  beide  dasselbe  Ziel.  Erhaltung  des 
Friedens,  anstreben*.  Wohl  enthält  das  bürgerliche  Gesetz  mehr 
und  andere  Forderungen  als  das  natürliche  Gesetz,  vornelimlich 
deshalb,  weil  sieh  der  meUsehaftliche  Znstand  verBndert  hitf 
EhidUch  ist  die  Herrschan  des  Staates  auf  dem  religiösen  Gebiete 
nur  scheinbar  vorhanden,  da  nach  Hobbes  der  christliche  Stattt 
dasselbe  ist  wie  die  christliche  Kirche^. 

Nichtsdestoweniger  masr  im  Leben  zu  Disharmonien  kommen. 
Denn  die  Vernunft  des  einzelnen  ist  kein  untiilgliches  Vermögen 
die  wecliselüden  äulseren  Lebensbcxiingungen  ftlhren  zu  wech- 
selnden Gesetzen,  es  entäteheu  religiöse  Streitigkeiten  und  zwar 
meistSDs  ans  einem  Milsversteheii  der  gOtdichen  Lehren,  aus  Hab- 
sacht  und  Herrschsucht*.  Hobbes  sagt  iigendwo,  dafs  der  In- 
haber der  Staatsgewalt  unfehlbar  sei)  er  ist  es  nicht  mehr  und 


>  The  law  nf  natnre,  and  the  civil  law  contain  each  otber  aad  an 

of  cqual  extOTt  .  ,  .  When  a  Commonwealth  ia  settlcd,  thfn  are  tiisy 
actuaüjr  laws  .  *  .  The  law  of  uaturc  thcrefore  is  a  part  of  the  civil  law 
ia  all  cooiBioiiwealtlis  of  the  world.  Reciprocallj  also,  llie  civil  law  Is  a 

part  of  tlie  dictates  of  nature.   Leviathaii  II,  26. 

-  .Siehe  5;  9  dos  XIV.  Kap.    „Die  zehn  Gebote  über  die  Ehrfurcht 

Segen  die  Eltern,  gegeu  den  Mord,  den  Ehebruch,  den  Diebstahl  und  deu 
[eineid  sind  Staatflgewtse.  Da  es  auf  den  Gesetzen  des  Staats  beruht, 
dafs  jeder  sein  eigpnes  von  dem  eines  andern  untenichiedenes  Recht  habe, 
und  dafs  c-r  gehindert  sei,  in  fremdes  Eigentum  einzubrechen,  so  folgt, 
daft  solche  Gesetze  ....  Gesetze  des  Staats  sind.  Die  natürlidiai  Qe- 
eetze  gebieten  wohl  dasselbe,  nbor  nicht  au!*drückliih;  denn  das  natür- 
liche Gesetz  verlangt  die  Inneiialtung  der  YertrSgc  und  also  auch 
Gehorsam  da,  wo  dieser  ausgemacht  worden  Ist,  nnd  sich  des  ftemden 
Guts  zu  enthalten,  sobald  die  Staatsgesetzc  bestimmt  haben,  was  als 
solches  anzugehen  ist  .  .  .  Das  natürliche  gilt  zwar  in  (\pm  Naturzustände; 
allein  anfänglich  (weil  die  Natur  alles  allen  gegeben  liatj  gab  es  nichts 
-Fremdes,  und  deshalb  konnte  fremdes  Kicentum  auch  nicht  ange^fi'en 
werden;  auch  war  da  alles  gemeinsam  und  de«»haU>  nndi  jrdrr  Heischlaf 
«rlaubt;  und  drittens  galt  da  der  Kiiegsanistand,  und  deshalb  war  das 
Tistm  kein  Unrecht  n.  s.  w.,  a.  a.  0.  p.  1T7. 

3  Kap.  XVil,      21   a.  a.  0.  p.  246.    Um  dicrrn   I'mikt  klar  /i: 
machen,  wäre  es  notwendig,  das  15.,  16.,  17.  und  18.  Kapitel  ausführlich 
'4u  behandeln,  was  um      weniger  unsere  Aufgabe  sein  kann,  als  Philo- 
■Splt  i  V.  II  I  !nif  es  nicht  thun. 

*  Anmerkung  zu  §  1,  Knp  TT  p.  42  a.  a.  0. 

*  Kap.  XVIII,  §  14.  ,.ln<ieä  wird  mein  Ausspruch  weniger  sonder- 
bar ersehemen,  wenn  mau  t)edenkt,  dafs  es  bei  den  meisten  otreitiragen 
sich  nur  um  <^ir  rnr«n8ohliebe  Herrschaft  handelt,  bei  andern  um  den  Geld- 
arwerb  und  bei  aaderu  um  deu  Kuhin  des  Geijstes"  a.  a.  O.  p.  274. 


42 


nicht  minder  als  jedes  Individuum  und  jeder  Gerichtshof;  aber 
die  Unittträglichkeiteii,  welche  ans  dieiem  Kangel  Wvoi^gelieD, 
tind  geringer  ak  diejenigen,  welche  aas  der  Freiheit  der  einsehieD 
auf  sittUchem  und  religiösem  Gebiete  entspringen. 

Wenn  auch  Hobbea  Staatssittliclikeit  und  nattirh'clie  Sittlich- 
keit nicht  HfMitlich  genug  getrennt  hat,  so  sagt  er  doch  ausdrück- 
lich, „dals  die  natfirlichen  Gesetze  das  Weaentliche 
der  Moralphiloöophie  bilden.  Ich  habe  davon  hier  nur  die 
Lehren  behandelt,  welche  sich  auf  unsere  £rhaltung  beziehen  imd 
g^en  die  Ge&hren,  die  «ue  dem  Unfrieden  entspringen,  aioh 
richten.  Daneben  giebt  es  aber  noch  andere  Lehren  der  natür- 
lichen Vernunft,  aus  denen  andere  Tugenden  entspringen  :  so  ist 
die  Mafsigkeit  ein  Gebot  defr  Vernunft,  weil  die  Unmäfsigkeit 
zu  Krankheit  und  zum  Verderben  fuhrt;  ebenso  die  Standhaftig- 
keit,  d.  h.  das  Vermögen,  bei  ^«  gen wärtieen  Gefahren,  die 
schwerer  zu  vermeiden,  als  zu  überwinden  sina,  kräftigen  Wider- 
stand zu  leisten;  denn  sie  ist  ein  Mittel,  wodurch  sich  der  \\  idcr- 
stehende  erhlUf '  >. 

Ans  dieser  Stelle  geht  henror,  dafs  sem  Werk  keine  voll- 
ständige Theorie  der  Ethik  enthält.  Wichtiger  war  ftlr  ihn  seino 
Staatslehre,  das  Verhältnis  des  StaatBoberhauptes  an  den  Bfligem, 
sowie  des  Staates  zur  Kirche. 

Die  natürlichen  Gesetze  sind  nach  seinerLehre 
unveränderlich  und  ewig;  Stolz,  Undankbarkeit,  Vertrags- 
bruch u.  s.  w.  werden  nie  erlaubt  sein,  sie  verpflichten  vor 
dem  Gewissen.  „Dagegen  kOnnen  die  äuTseran  Hendhrngen 
nach  den  Umständen  und  dem  bttigeriichen  G^eseta  sich  so  ▼er- 
schieden gestalten,  dafs  das  su  einer  Zeit  Rechte  zu  einer  andern 
Zeit  unrecht  wird,  und  das  zu  einer  Zeit  Vernünftige  zu  einer 
andern  unvernünftig  wird.  Die  Vernunft  bl^'ibt  aber  dieselbe  und 
wechselt  weder  ihr  Ziel,  welches  in  dem  Frieden  und  in  der  Ver- 
teidiprung  besteht,  noch  die  Mittel,  d  h.  jene  Tul enden  der  Seele, 
die  oben  dargelegt  worden  sind  und  die  durch  keine  Ge- 
wohnheit und  kein  bürgerliches  Geseti  aufgehoben 
werden  können^'*. 

Das  Endergebnis  unserer  Betrachtung  wäre  also  folij^endes; 
Der  Codex  der  Sittlichkeit  jeder  Zeit,  in  welcher  durch  Vertrag 
ein  Staat  ornchtet  wordon  ist,  enthält  zwei  Arten  von  Normen : 
ewige,  unveränderÜc]i(  Naturgesetze  und  nach  den  gesellschaft- 
lichen Zust'lnden  wecliaelnde  bürgerliche  Gesetze,  jene  Folgerungen 
der  rechten  Vernunft  des  einzelnen,  diese  Folgerungen  der  „Ver- 
nunft des  Staates'".  Da  Hobbes  es  unterUelsy  eine  scharfe 
Ghrenslinie  swischen  beiden  au  liehen^  sich  auch  in  anscheinende 


»  a.  a.  O.  p.  68,  Kap.  III,  §  32. 
«  a.  a.  O.  p.  66,  Kap.  III,  |  29. 

3  Den  Aufdruck:  „Yemoiitt  des  Staat«s%  braucht  Ilobbes  selbst. 
Anmerkung  zu  Kap.  II,  g  1. 


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X  2. 


43 


Widersprüche  Uber  ihr  ge^nseitiges  VerhMltnis  verwlokelte,  selbst 
die  „Vernunft  des  Steates^  ToniiiiBteUte,  hidten  aicb  «eine  Q^er 
an  die  Lehre,  dala  die  Staatsgewalt  darüber  entocheide,  was  mtl- 
lich  und  was  unsittlich  sei,  und  tibersahen,  was  er  über  das 

natUTf^f^setzlich  Sittliche  gelehrt  Imtto 

In  die  vorhergehende  Darstelliing  sind  auch  schon  die  An- 
Sfttase  zu  einer  Kthik  mit  ver>vohen  worden,  weil  ihrer  im  folgen- 
den noch  gedacht  werdcu  muis  und  äie.  auä  dem  Zusammenhang 
des  Gänsen  gerissen,  ni<^t  so  Terstindlich  sind. 

Hören  wii*  schlieMich  das  UrleU  des  grttndlichsien  Forschers 
aof  dem  Gebiete  des  Naturrechtes  Uber  die  Doktrinen  des  Tho- 
mas Hobbes.  Er,  s^  Oierke,  liabe  es  zuerst  versucht,  „auf 
dem  I^oden  und  mit  dem  Rüstzeug  des  Naturrechtea  ^^elber  das 
Katurreclit  zu  sprengen.  Denn  er  setzte  das  vorstaatliehe  Recht  des 
Naturzustandes  zu  einem  „Jus  inutUe"  herab,  daa  in  Wahrheit 
nicht  einmal  den  Keim  eines  Hechtes  enthielt;  er  liel's  im  Staat, 
durch  denen  Befehl  und  Zwang  errt  Recht  entstehen  sollte,  jedes 
nidit  von  ihm  selbst  erzeugte  Kecht  vollkommen  untergehen ;  er 
verwarf  schlechthin  jeden  Gedanken  einer  rechtlichen  Gebunden- 
heit der  über  d'w  Regrifte  Recht  nm\  Unrecht  souverän  entschei- 
denden Stnatsgesvalt  So  kann  die  Frage  erhoben  werden,  ob 
Hobbes  in  eine  Darstellung  der  Entwicklung  des  Naturreiiilf  s 
gehöre.  Selbst  wenn  wir  nicht  wüfsten,  dafä  die  beiden  einander 
widersprechenden  Auffassungen  vom  Katurrecht,  welche  wir  als 
die  stoisefae  und  epikureische  beseiohnet  haben,  sich  immer  wieder 
duicbkrenst  haben,  würde  es  notwendig  sein,  Hobbes  eingehend 
zu  betrachten,  weil  er  das  Naturrecht  und  die  Ethik  der  feinden 
Zeit  so  stark  beeinfliifst  hat  Ich  denke  dabei  im  Umkreise  des 
Natun  echtes  nicht  ;oi  Spinoza ,  welcher  die  psychologischen  und 
socioiogischen  Onmdanachauungen  mit  ihm  teilt,  aber  zu  einer 
verschiedenen  Ötaatslehre  gelangt,  sondern  an  Futcndorf.  den 
Mann,  welcher  ans  den  disjecta  membra  ein  System  gescnafifen 
hat.  den  Z^^genossen  aufgeklärter,  absoluter  Forsten,  denen  er 
ancn  in  seinem  Leben  nahe  steht  und  deren  Mission  er  mit  seinem 
System  unterstotst. 


4. 

Pttfendorf. 

Die  grofsen  Verdienste,  welche  sich  Pufendorf  um  das 
Katurrecht  erworben  hat,  bestehen,  soweit  ich  das  beurteilen  krion, 
in  der  völligen  Befreiung  der  jufigen  Wissenschaft  von  der  Theo- 
logie, was  ihm  bekanntlich  schwere  Kilmpfe  eintrug,  in  oner 


>  Gierke,  Altirasias  p.  SOO. 


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44 


X  2. 


meisterhaften  Synteraatik,  die  sieh  im  wesentlichen  hr'i  seinen 
Nachfolgern  erlialten  hat,  in  der  so  schwierigen  und  mulievollen 
Au^itiUluug  dee  wissenschaftlichen  Gerüstes  mit  einem  wertvollen 
Inhalte  und  endlich  in  seiner  Idaren,  lichtFolien  Darstellung. 

Dagegen  scheint  mir  die  philosophische  Grundlegung,  welche 
er  dem  Naturrechte  gegeben  nat,  nicht  SO  bewundernswert.  Ich 
glaube,  dafs  er  in  drei  Irrtümern  befangen  ist  Erstens  stellt  er 
sich  formell  auf  den  Boden  der  Soeifilitiitstheone.  Aus  ihr  In  I  st 
sich  aber  das  Natun-echt  in  dem  8inne  eines  ewigen,  unveränder- 
lichen, vor  und  über  allem  positiven  lieciitc  bestehenden  Natur- 
rechtos nicht  herleiten,  wie  schon  bei  Groduä  angedeutet  wurde, 
sondern  nur  aus  der  Annahme  dnes  httehsten,  weisen  und  ge- 
rechteai  Wesens,  welches  entweder  das  WeltaU  durchdringt  oder 
das  Weltall  und  die  Menschen,  diese  nach  seinem  Ebenbild 
erschaffen  hat.  Zweitens  glaubt  Pufendorf  sich  der  Lehre  der 
Stoiker  zu  nähern,  wie  crinnerlicli  sfin  wird,  oTiLdeicli  die 
Stoiker  das  Recht  nicht  aus  flor  (iemeinscliaft  hergeleitet  haben. 
Drittens  ist  seine  Social ititstlieoric  weder  die  stoische,  noch 
die  grotianische ,  sondern  eine  sonderbare  Ausgestaltung  der 
Hobbesschen'. 

Die  selbstsüchtigen  und  furchtsamen  Urmenschen  Puß;n- 
dori's  haben  dasselbe  Bedürfnis  nach  Gemeinschaft  wie  diejenigen 
des  rhilosophen  von  Maluiesbury:  hüben  und  drüben  ist  das 
Princip  des  Naturrechtes  ein  interessierter  nos«'11itrkoitstrieb, 
80  wenig  die  Menschen  von  Natur  fiir  die  Geselligkeit  geschaffen 
sind.  Nachdem  sich  Pufendorf  zu  den  psychologischen  Anschau- 
ungen des  Engländers  bekannt  hat,  sollte  man  nun  auch  er- 
warten, daCs  er  weiter  auf  den  Bahnen  sdnes  Vorgängers  fort- 
schreiten würde.  Aber  mit  eineui  Iv  ihnen  Salto  morfcile  springt 
er  formell  zu  Grotius  hinüber.  Da  Wohl  und  W^ehe  der  Menschen 
von  ihrer  ,.Sociabilität"  abhängt,  so  sollen  sie  das  Wohl  der  G c- 
s  eil  Schaft  im  allgemeinen  mit  rillen  ihren  Kräften  zu  er- 
halten und  zu  fördern  suchen  Dies  nennt  Pufendort  das  Grund- 
gesetz des  Natur  rechtem,  und  die  Gesetze  dieser  Socia- 
bilität  beseichnet  er  als  Naturgesetse. 

Ich  weils  nicht,  ob  WamkOnig  mit  seiner  Behauptung  recht 
hat,  Pufendorf  wolle  Grotius  mit  Hobbes  versöhnen.  Im  übrigen 
ist  seine  Kritik  mein<^  Erachtens  durchaus  zutreffend.  Vor  allem 
seine  Bemerkung,  „dafs  das  gesamte  NatuiTeelit  Pufendorfs  dahin 
geht,  zu  z*  igen,  was  infolge  jenes  ofHeium  recht  sein  soll.  Seine 
Doktrin  iiunnit  durchaus  den  Charakter  einer  .Moialtiieorie  an, 
d.  h.  den  ciuei'   tur   die  geselligen  Verhältnisse  bei-echneten 


'  Ähnlich  tirteilt  Raunior :  „Sein  GeselligkeitPLrtmdsatz  füliit  zwar 
auf  milderem  Weg  zu  dem  Oebote:  suche  den  triedeu!  aber  er  lautet 
doch  ebenso  wie  bei  Hobbes,  und  der  „Eigcnnats  hst  zuletst  nur  ein 
»chönos  Kleid  überj^^ohaiigeji."  Hiuiuner:  Uber  die  geschichtliche  Entwidk* 
luBg  der  Bogn^'e  vou  liceht,  Staat  und  PoUtik.   1832.   p.  49. 


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X  2. 


45 


Pflichtenlehre,  die  also  nicht  zeigt,  was  infolge  der  CJcsetz 
gebung  der  menschlichen  Vernunft  wirklich  Rechtens  ist,  sondern 
Wils  es  sein  soll.    Seine  Riiisonnementö  sind  fast  stets  teleologi- 
scher Art;  wie  die  der  Verteidiger  des  NutzlichkeitssystemB*'  ^ 

In  dnoer  den  G^gensati  des  wabren  und  d«  Pufendorftcfaen 
NatnniechteB  aoliaif  hervoriiebendeD  KntSk  mt  war  der  letzte  Sati 
überflUsBig.  Denn  wie  wäre  es  möglich,  dafs  Pufendorf^  der  im. 
Gefolge  von  Hobbes  wandelt,  andere  als  Ktttslichkeitserwägangen 
anstellen  könnte?  Pufendorf  hat  diesen  schwachen  Punkt  seines 
Systems  wohl  gefühlt.  Obgleicii,  führt  er  aus,  die  BefoIp;ung  der 
Jsaturgesetze  von  offenbartim  Nutzen  sei,  so  hiUten  sie  doch  erst 
Gesetzeskraft,  wenn  man  voraussetze,  da£s  es  einen  Gott 
gebe,  der  den  Menschen  die  Befolgung  dieser  Gesetae  voige- 
schrieben  habe.  Dies  sacht  er  au  aeigen.  Dafii  aber  dadurai 
der  Charakter  seines  Naturrechtes  nicht  verändert  wird,  ist  wohl 
klar.  Aus  dem  onsichem  Charakter  der  philosophischen  Grund- 
legung, die  zwischen  Stoicismus  und  Epikureismus  schwankt,  und 
aus  dem  Bedürfnisse  der  Zeit  nach  einer  starken  monarchischen 
Gewalt  erklärt  es  sich,  dafs  Pufendorf  im  Gegensatz  zu  dem  kon- 
sequenteren Hobbes  für  den  Rechtscbu-akter  de^  Naturrechts  ein- 
tritt und  Muri,  dafs  es  im  Naturmstande  gegolten  habe,  aber 
anderereettB,  was  die  Fortdauer  des  ursprünglichen 
natürlichen  Rechtes  der  Individuen  im  Staate  be- 
trifft, sich  trotz  einzelner  Schwankungen  flirHob- 
bes  entscheidet.  Die  Sklaverei  übernimmt  er  in  sein  System, 
wenn  er  auch  dem  Herrn  einschärft,  nicht  zu  vergessen,  dafs  der 
Sklave  ebensowohl  ein  Mensch  sei,  wie  er  selbst.  Von  dem  Augen- 
blick des  Eintritts  in  die  bürgerliche  Gesellschaft  begeben  sich 
die  Mfiusefafln  naxh  Pufendorf  der  natürlichen  FVdbeit  und  Oleioh- 
beit  Der  Souverta  ist  von  den  Oesetzen  gelöst,  die  er  selbst 
giebt  Gegen  die  Launen,  Härten  und  Grausamkeiten  des  Herr- 
schers kennt  Pufendorf  nur  geduldiges  Ertragen  oder  die  Flucht. 
Aber  er  tritt  für  eine  humane  Behandlung  der  Bürger  und  datiir 
ein,  dafs  der  Souverän  dem  Naturrocht  Gesetzeskraft  «j^cbe. 

Auch  die  Thatsache.  dafs  Pufendorf  die  SocialiUit  zum  Priu- 
cqi  des  Natnrrechts  machte,  verhinderte  ihn,  die  volle  fVeiheit 
der  Individuen  au  fordern. 

Zum  Schfaisse  habin  wir  noch  zwei  Bemerkungen  zu  machen, 
die  sich  nicht  auf  das  Wesen  des  Naturrechtes  beziehen,  sondern 
auf  den  Inhalt  und  die  Methode,  welche  Pufendorf  dem  Natur- 
recht  gab  Sein  System  ist  die  Darstellung  einer  universellen 
Pflichtenlehre,  soweit  sie  durch  die  Vernunft  erkennbar  sind :  der 
Pflichten  der  Menschen  gegen  Gott,  sich  selbst  und  die  übrigen 
Ifensdifln.  So  wird  der  RsEmen  des  Natnnreditea  soweit  gespannt, 
dafs  es  umfiifst:  1.  das  Naturrecht  im  engeren  Sinne,  2.  einen 
Teil  der  EHuky  3.  das  System  der  natürlichen  Religion.  Dadurch 


.^Wäöaki^fkig,  BeehtsphUosophie,  p.  5a 


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46 


wird  das  Naturrecht  mich  in  nino  äultsere  \  erbindung  mit  rlcm 
Deismus  gebracht,  welcliera  es  inuerlich  verwandt  ist;  dies  ^viid  in 
einem  folgenden  Abschoitte  eine  eingehende  Darstellung  ertalm  n. 
Was  nun  die  beiden  übrigen  Bestandteile  betrifft,  so  ist  es  wiclitig, 
folgendes  herroraiüiebeii.  Wenn  Pufendoif  anch  die  £thik  det 
Katurrechtes  fast  auMchlieMcfa  auf  die  äaÜteren  Ilandlunqen  des 
Menschen  beschränkte,  ao  war  doch  die  Möglichkeit  gegeben,  die 
Moralphilosophie  im  Rahmen  des  Naturrechts  auszudehnen.  Diese 
D!spi[>li!ien  blieben  innerlich  verwandt^  uucli  nachdem  mnn  auc^efan- 
gun  hatte,  die  Lehren  von  Recht  und  Sittlichkeit  äuiserlit  h  icliiirfer 
zu  trennen,  was  in  Deutschland  i  homasiua,  in  England  wahrschein- 
lich Adam  Smith  that.  Beiden  Wissenschaften  blieb  eine  ge- 
meinsdiAfllicfae  psychologische  Grundlage,  beide  hatten  daascwe 
Oigan  der  Erkenntnis  Bir  das,  was  Recht  und  Sittlichkeit  sein 
sollte.  Wie  verschieden  ist  das  Naturrecht  Hutchesons,  Wolffii 
von  demjenigen  Pufendorfs,  da  sie  andere  Onmdlagen  wählten ! 

Was  die  Metliode  des  Naturrechts  betrifft,  so  wandte  Pufendort 
bckanntlicli  auf  Anrathen  seines  Lehrers  W  ei^'cl  und  aut  W  unsch 
von  Boynebur^  s  die  mathematische  Methode  aut'die  junge  Wissen- 
schaft an.  Docli  sind  diese  Männer  nicht  die  ersten  Verfechter 
der  matheinatischeD  Methode;  schon  Hemming  war  filr  sie  ein- 
getreten ^ 

An  dieser  Stelle  besdirilnke  ich  mich  auf  die  yorstehenden 

Ausführungen,  da  ich  in  einem  anderen  Zusammenhange  noch 

darauf'  zurückkommen  werde. 

Durch  Pufendorf  verbreitete  sich  das  Natuiiecht  über  ganz 

Europa.  In  Deutschland  sind  ihm  unter  nnderen  Thomasius  und 
Wolff  gefolgt.  In  liigland  bearbeitete  es  Uutcheson  in  seinen 
berflhmten  ,.Tnstitiiti'S  of  Moral  Philosophy".  In  der  That  i»t  die 
Schüttische  Moralphilosophie  der  Hutcheson,  Smith,  Ferguson 
nichts  anderes  als  das  weiter  entwickelte  System  des  Pufendorf- 
sohen  Naturrechtes.  £s  fiilste  festen  Fufs  in  Frankreich,  wo  ihm 
ja  schon  von  den  grofsen  Juristen  so  erfolgreich  vorgearbeitet 
worden  war  und  von  wo  das  epikureische  NatLurecht  die  kräf- 
tigste Verbreitung  gefunden  hatte.  Barbeyrac  übersetzte  die 
Werke  Pufendorfs  ins  Fraiizösi-che.  Lehrbücher  nach  Pufen- 
dorfs System,  Jedoch  sclion  unter  dem  Einllufs  der  W'olffschen 
Philosophie*',  verfafsten  Builaiuaqui,  de  Feiice,  beide  175u  ge- 
storben, und  Vicat,  gestorben  1770.  In  der  grolsen  Encyklopädie 


•  Kaltenborn,  Abteilung  II,  p.  30  Coneiderare  princtpia, 

ac  veluti  elemeuta  axiomatum  moralis  plülosojihiae,  ex  quibus  bypotbeses 
ftdhibita  philoaopbiea  apodixi,  in  legibus  poHtids  et  oeeonO' 
iiiitis  »  xtruuntur:  observurc  syntheses  et  ftnaljses  demonstrationum :  per- 
spicere,  qua  via  fnnnia  jnni  et  omrios  lc_e«  nd  sn^s  fnntes  revocare 
poseint  .  .  .  .  vi  de  bunt  {ac.  juriäprudeuttHe  ac  ethicue  btudiosi)  non 
minus  legiu  natarae  eonclusiones  destitui  evidentibus  de- 
monstrationibas,  quam  artem  Euclidis.** 


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X  2.  47 

worden  die  ton  (Etlichen  Theorieen  in  dem  Artikel  j^Droit 
natnrel''  verkündet  ^ 

Ein  ebenso  grofses  Ansehen  genofs  dann  np-itfr  WolfTs  Philo- 
sopliie  im  Aualande,  wns  ja  auch  Warnkönigs  Worte  zum  Teil 
beweisen.  ^Dic  Akademieen  in  Paris  und  London  iiiiannten 
Wolii  zu  ihrem  Eiucnmitgliede  ...  es  war  ein  bis  dahin  uner- 
liOrtaB  Ik^ignis,  daft  die  wtisenaoha^c^en  Werke  einea  DeulBchen 
&it  in  alle  lebenden  Sprachen  ttbenetst  worden.  In  BVankreich 
Temiittelten  das  Journal  des  Savants,  die  Histoirc  litt^ratre  de 
l'Europe  und  das  Journal  de  IVevoux  zahlreiche  Auszüge;  Vol- 
taire und  Madame  dnChatek't,  die  hokannte  Freundin  Voltaires, 
welche  Newton  in  l'iankreicli  eingeführt  h  itten,  studierten  auf 
VeKlnl^lssung  des  Kronprinzen  von  Preursen  tma  Zeitlang  ^\ OllT 
80  eifrig,  dafö  sich  dieser  mit  der  allerdings  trügerischen  iiüü- 
nong  trug,  ee  werde  ihm  gelingen,  durch  Hilfe  deridhen  in  Frank- 
reicn  dem  englitcfaen  Rinflnfa  den  Rang  ahzolaofen*. 


1  WarnkOnig,  Rechtsphilosophie  p.  53. 

'  Hettner,  UtoatuigeBeh.  de»  18.  Jahrb.,  1862,  III,  1  p.  240. 


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Viertes  Kapitel 


Locke  und  seine  Schüler. 


Erster  Abschnitt. 
Locke» 

Der  Überblick  über  die  Entwicklung  des  Naturrecbtes, 
welcher  im  Vorbeigehenden  gegeben  wurde,  könnte  zu  dem 
Irrtum  ▼eFanlaaeen,  dafs  die  Nachfolger  Pofendorfe  nur  eine 
neae  Form  ilür  seine  Lehren  gesucht  hätten.  In  Wirklichkeit 
miterscheidct  sich  der  Inhalt  ihrer  Systeme  in  wesentlichen  Stücken 
von  (\om  scinigen;  aber  das  Gerfist  des  Systems  ist  geblieben. 
Der  theoretische  \\'andel  in  den  Lehren  ist  grülstenteils  auf  das 
zweite  Buch  von  Lockes  „Two  Troatises  ol  Government"  zurück- 
zuftlhren,  welche  ll)80  erschienen. 

Waren  die  Ldiren  des  epikuieiechen  Naturrecfates  durch 
Gassendi  und  Hobbei  mit  gröfserer  oder  geringerer  Treue  neu 
belebt  worden,  hatten  sie  PufendoHs  Absicht,  sich  den  Stoikern 
anzuschliefsen ,  nicht  zur  ungetrübten  Verwirkhchung  gelangen 
lassen,  so  erscheint  in  Lockes  zwoiteni  .,Treati8e  of  Ciovernnient" 
der  stoische  Charakter  des  Naturreeiitcs  in  aller  Reinheit  und 
mit  allen  Konsequenzen  Das  ungeheure  Ansehen,  welches 
dieses  Werk  anderthalb  Jahrhunderte  hindurch  genofs,  fUhrte 
den  politischen  IndividualismuB,  die  ÜberschtttKimg  des  natür- 
lichen Rechtes,  die  Unterschätzung  der  positiven  Satzungen  und 
Gewalten,  welche  dem  philosophischen  System  Zeno's  eigentüm- 
lich gewesen  waren,  mit  hOchst^  Krafi  in  die  Gedankenwelt  der 
modernen  Menschheit  ein. 

Locke  lälst  die  Meiisclien  im  Natui-zustande,  in  voller  Frei- 
heit und  Gleichheit  leb<^n^   Mit  dieser  Gleichheit  verträgt 


>  ....  all  me»  are  iiaturaily  in . .  .  a  statc  of  perlect  fre^om . . .  a 
State  also  of  eqnalitj  .  .  .  tbere  being  nothing  moie  evident^  than  tbet 


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X  2. 


49 


sich  die  Ungleichheit,  wrlche  Alter,  Tu<^en(l,  Ijepralnin'j-,  [M  isön- 
liches  Schicksal  bewirken'  Er  versieht  unter  Gkulmeii  vor- 
zugsweise die  gleiche  Freiheit  von  gegen  .sei  tiger  Beherrschung*. 
£r  hält  die  Sklaverei,  wenn  sie  die  Folge  eincä  gerechten  Krieges 
isty  für  naturrechttich  erlaubt Die  Kinder  haben,  ehe  sie 
die  Reife  des  Urteils  f erlangt,  nicht  gleiche  Rechte  mit  den 
£ltem,  ebensowenig  die  Frau  völlig  gleiche  Rechte  mit  dem 
Manne  in  der  VfTWjiltung  des  Hauswesens*.  Auch  streitet  das 
soziale  HerrschattsverhJiltnis,  welches  7  wischen  Herrn  und  Diener 
besteht,  nicht  mit  der  natürlichen  (ikieiiheit'^. 

Der  Naturzustand  ist  nicht  mit  dem  Kriegszustände  zu  ver- 
wediselu,  der  in  jenem  wohl  als  Episode  auitrat.  In  diesen  Aus- 
führungen Ist  schon  angedeutet,  daTs  Locke  die  Existenz  einer 
natürlichen  Gesellschaft  vor  der  ESntstehung  der  bürger- 
lichen annimmt  Die  erste  Gesellschaft  war  die  ehelidie  Oesell- 
Bchaft^  aus  welcher  diejenige  zwischen  Eltern  und  Kindern  her- 
vorging; hierzu  kam  die  Gesellschaft  zwischen  II m'n  und  Diener 
und  Herrn  und  Sklaven.  Diese  in  der  Familie  znsammengefafs- 
ten  Gesellschaften,  wie  sie  den  Zustfind  d(  r  naiiirliehen  Freiheit 
und  Gleichheit  nicht  aufheben,  sind  nicht  mit  der  politischen 
oder  bürgerlichen  Gesdlschaft  zu  yerwechsebi^.  Die  natürliche 
GeseOschaft  Ist  ebensosehr  ein  Produkt  der  Notwendigkeit,  wie 
der  Zweckn^ifsi^kelt  und  der  Neigung  ^  Der  Mensch  ist  also 
ein  geselliges  Wesen. 

Leben  nun  die  zu  natürlicher  Gesellschaft  vereinigten  Men- 


trcatuiY's  nf  the  samr"  spocios  and  rank,  inoinlscuon^ly  bom  to  all  the 
same  advautagcs  of  naturc,  and  the  um  ot  the  sauie  facultica,  sbould  also 
be  cqnal  one  amongst  another  wifhout  sabordination  and  snbfection  .  .  . 
II,  4.  Alle  Citate  sind  aus  dem  2.  Blieb  genommen,  weshalb  in  der 
Folge  nnr  der  ParHfrmph  citiert  wird. 

'  1  hoiujh  I  huvo  Said  above  Cbup.  11.  „  l  luit  all  inen  bv  natura 
sie  eqittl^*  icunot  be  anpposed  to  undentand  all  sort.««  of  equauty:  a^ 
or  virtric  mny  give  inrn  a  imt  prrcodcncy:  pxcellcncy  of  j>nrts  nnd  ments 
majr  place  othersbovc  tbc  common  Icvcl:  birth  ma^  subject  »ome,  and 
aUiance  or  benefits  otben  .  .  .  and  jet  all  this  consiste  with 
the  equality,  wli  icli  all  men  arein,  in  respect  of  jarisdiction 
or  dominiou  one  ovcr  another.  §  54. 

*  A  State  also  of  eqnality,  wherein  all  the  power  and  jnrisdiction  is 
rcciprocal,  no  one  having  more  than  another,  §  4.  —  .  .  .  ctiuality  hcing 
that  cquai  rifrbt,  tluit  pvon'  man  Imth  fo  bis  natural  freedom,  withoat 
being  subjected  to  tbe  will  or  uutbority  of  anv  otber  mau,  j|  ö4. 

'  ^  Die  Sklaven  bilden  keinen  Jal  der  bfixgei4icben  Geeell- 
sehatt,  ^^>. 

*  Kap.  6. 

*  Obgl^cb  der  Diener  gewöhnlich  im  Hanse  des  Herrn,  nnter  dessen 

I)iHcip!iii  h:hf.\  Jt  jj:ivi  <  tbe  master  but  a  tcmp<  aary  jk)W(  r  over  him,  and 
ao  gseutor  tban  vAmt  i&  contained  in  the  contract  between  tliem**.  §  ab. 

*  ^  77  —-f.. 

*  ttod^.  .  put  bim  (man)  uudcr  streng  obligations  of  nncosnity.  con*- 
venience.  and  iiicliijatioii  td  drive  him  into  «m-ipty,  as  well  as  fitted  him 
ifkh  uinb-r^taDdiu^'^  aii<l  language  to  continne  it.    §  77. 


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50 


X  2. 


flehen  im  NaturauataDde  im  Zuatandc  der  Freiheit,  so  doch  nicht 
in  dem  der  Ungebnndenheit^.  Denn  sie  stehen  unter  der  Herr* 
Schaft  des  Naturgesetzea,  Weichau  jedem  die  Verleteung 

eines  anderen  wie  seiner  selbst  an  Leben,  Gesundheit.  Freiheit 
und   Eigentum  verbietet  ^   und  die  Erhaltung  des  Menschen- 

feschlccntes  will^  und  jeden  als  Scllistzwefk  zu  achten  befirlilt*. 
)ai>  Recht  der  Bestrafung  an  denjenigen,  welch*'  p'.^'eu  da« 
Naturgesetz  freveln,  steht  dem  Verletzten,  aber  auch  jedermann 
zu''.  Durch  Bedrohung  des  Lebens  entsteht  der  Kriegszustand, 
welcfaer  die  SkkTerei  des  todeBwflidigen ,  besiegten  Angreifen 
rechtfertigt. 

Wir  sahen  vorher,  da. 's  Locke  schon  im  Naturzustande 

Eigenturasverf^hen  annimmt.  Existiert  denn  das  Privateigen- 
tum nach  Naturrpclit'''  iawohl  und  seine  Begründung  ist  der 
wichtigste  Zug  seiner  Lehre. 

Gott  iiat  den  Menschen  die  Erde  als  gemeinsames  Eigentum 
verliehen.  Aber  da  er  sie  aUe  frei  und  gleich  schul",  gab  er 
einem  jeden  das  Privateigentum  an  seiner  dgenen  Person.  Auf 
sie  besitzt  niemand  sonst  ein  Recht  Die  Arbeit  seines  LdbeSy 
das  Werk  seiner  Hände  gehören  ihm  und  ihm  allein.  Der 
Mensch  hat,  wie  bekannt,  das  Reelit  der  Selbsterhaltung  — 
Locke  hätte  riclitj^Mr  sagen  sollen,  die  Pflicht  der  SelV)sterlial 
tung  -;  er  hat  tolglicli  auch  das  Recht  auf  Sj^eise  und  Trank 
und  andere  Unterhaltsmittel '^  ha  aher  die  von  der  Erde  frei- 
willig geschenkten  Unterlialtsmittel  iiiciit  genügen,  so  muls  der 
Mensch  die  Erde  roden,  bearbeiten,  dttngcn,  besäen;  Qett  bat 
dem  Menschen  die  Arbeit  befohlen.  Durch  seine  ThAtigkeiten 
mischt  er  mit  der  Erde  etwas,  was  sein  Privateigentum  isi^ 
und  hierdurch  macht  er  das  Grundstück  zu  seinem  Privateigen- 
tum Wer  es  ihm  entreifsen  oder  ihn  im  Genüsse  der  FrUchte 
seiner  Arbeit  beeinträchtigen  wollte,  ver^nt^c  sieh  also  an  seinem 
natürlichen  lieehte*.    Dais  das  l^rivateigentum  an  Grund  und 


'  Though  this  be  a  State  of  iibcrty,  yet  it  is  not  a  State  of  lieence,  §  6. 

•  The  State  of  nature  has  a  law  of  naturc  to  govern  it,  which 
obliges  every  one:  aiul  reason,  which  is  that  law.  tcaches  all  mankind, 
who  will  but  cousult  if,  tlmt  bfin;,'  all  ef|ual  and  indepeiidcnt,  no  one 
ought  to  hurt  another  in  iiis  iife,  hcalth,  Jiberty  or  posseesions.  —  Eveir 
one  .  .  .  is  bound  to  preaer^e  hinuelf,  and  not  to  qnit  bis  Station  wil- 
fiiUy,  a.  a.  (). 

^  which  willeth  the  peace  and  preaervation  of  all  uumkiDd,  §  7. 

*  Tbere  eannot  be  supposed  anj  such  sobordination  among  us,  that 
may  authnri/.e  to  destroy  another,  as  if  we  were  inade  for  one  anothoi^S 
ose«,  as  the  ioferior  ranks  of  creatures  aro  for  our'a.  §  ti. 

'  §  8. 
«  i  25. 

'  Though  the^earth,  and  all  inferi(ir  creatures.  bo  common  t<.  all 
men,  yel  ev&ty  man  has  a  property  in  bis  own  nerson:  this  nobody  has 
any  nght  to  DOt  faimaell  The  lalioar  of  bis  boaj,  and  the  wmrk  of  Us 
han'ls^  WC  may  say,  are  properly  Iiis.  Wbat.'^oovcr  thcn  lie  romoves  out 
of  the  State  that  nature  hath  provided,  and  left  it  in,  he  has  mixed  his 


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51 


Boden  gerecht  sei.  bemüht  sich  Locke  auch  dadurch  zu  seigeD, 
<?f}fs  er  auf  den  Untersdned  der  Menge  der  Unterhaltsmittel  eines  be- 
arbeitet-n  und  c'mQs  brach  Übenden  Grundstückes  hinweist.  Locke 
beschrankt  das  Recht  des  Eigentumserwerbs  auf  eine  solche  Land- 
fläche, welche  die  Ernährung  des  Eigentümers  sichert,  ohne  dafa 
jedoch  etwas  raa  den  Frtt<mten  Teidirbi  Da  er  aber  die  Ver- 
Schenkung  und  den  Umtausch  des  Überflüssigen  gesen  Gegen* 
atftnde  voa  dauerndem  Werte  fbr  erlaubt  hält,  so  ist  damit  keine 
Grenze  gegen  eine  ttbennälsige  Ansdehniing  des  PrivateigentiunB 
gegeben ' . 

Der  Gedanke  des  Privateigentums  beherrscht  so  sehr  die 
Lockesche  Theorie,  dafs  er  die  Begriffe  „lives,  liberties,  and 
estates''  mit  dem  Worte  property  zusammenfafete^.  Daher  be- 
hauptet er  denn  auch,  der  Hauptzweck  bei  der  GrUndung  dar 
hUigeriichen  Gesellsohaft  sei  die  Erhaltung  des  Eigentums*.  Zu 
diesem  Teile  seiner  Lehre  müssen  wir  uns  jetzt  wenden. 

In  dem  Naturznsüinde  fohlt  ein  positives  Gesetz.  Das 
Katurgeset/  ist  eintaeh  und  v( rst-indlich ;  aber  intei'esse  und  Un- 
^vi--enheit  schw.'ieiien  oft  Kfine  Kraft;  es  fehlt  zweitens  ein 
Ivichter,  welcher  mit  Autoritär  und  Objektivität  Streitigkeiten 
entKheidet,  da  jeder  in  eigener  Sache  Richter  ist:  es  fehlt 
hiluflg  drittens  an  der  Hscht^  einen  UrteOsspraeh  durchzuBelBen. 
Diese  drei  Ubelstände  bewegen  die  Menschen,  sich  in  die  bflr* 
flerliche  Gesellschaft  zu  begeben^.  Wären  sie  nicht  entartet, 
oann  hätten  sie  in  der  Tinnirliclim.  die  ganze  Menschheit  um 
spannenden  (icsellscliatt  unter  der  Herrschaft  des  Naturgesetzes 
verharren  können,  oline  sich  in  eine  Anzahl  bürgerlicher  Gesell- 
schaften autzulösen  "'.  So  aber  werden  sie  durch  die  Ubeimäfsig 
nicht  genügend  oder  gar  nicht  bestraften  Vergehen  gegen  Leben, 
Freiheit  und  Eigentum  venudalst,  einen  Vertrag  aransdifielseny 
wodurch  die  pditische  GeseUschaft  entrteht.  Es  wird  nun  ein 
positive  Gesetz  erlassen,  ein  komp^enter  Richter  ernannt 
und  eine  Ekekntion  aur  Dorchftlhrung  eines  Urteilsspruches  be- 


Isboar  with«  and  joined  to  it  something  that  m  his  own,  and  thereby 

makes  it  hia  property,  ^  27.  Man  .  .  by  licing  inaster  of  himself,  and 
proprietor  of  nis  own  person,  and  the  actione  of  labour  of  it»  had  sdli 
m  nimscif  the  great  foundation  of  ])roperty.   §  44. 

1  The  exceeding  of  tiie  bounds  ot  hia  just  property  not  lyin?  in  the 
largenefls  of  Iiis  possesnoBS,  bat  the  perishing  of  anythinp  uselegtsly  in  it, 
§  46.  Daher  deuu  auch  die  Aussage  „dishonest  to  earve  himaelf  toÖ  mach, 
or  take  more,  thsii  he  needed**  keinen  Sirni  hat. 

«  §  123. 

*  i  86. 

Were  it  not  for  tlie  corruption  sind  viciou?ncss  of  degouerate 
men,  there  wouid  be  no  need  of  any  other  (Community);  uo  neceseity 
that  men  should  separate  from  this  great  and  natural  comnounity,  and  by 
poeitiTe  a^t^ement»  combine  into  smaüer  und  divided  associations.  |  12g. 
Locke  «iHfieht  auch  eininal  Ton  der  Tugeud  des  «golden  age".  $  III. 

4* 


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52 


stellt.  Ein  jeder  vermag  nun  Leben,  Freiheit  und  Eigtntuni 
besser  zn  bew?ihren ;  aber  er  hat  mich  einen  Teil  der  natürHchen 
Freiheit,  Gleiihheit  und  exekuLivm  Macht  an  den  politischen 
Yorbana  abgeben  mOmen.  Dieser  hat  alles  gewonnen^  was  die  In- 
dividuen an  ihn  ab^treten  haben;  so  weit  reicht  seine  Macht^ 
aber  anch  nicht  weiter,  und  diese  reicht  so  weit  nur  so  lange^ 
als  er  seinem  Zwecke  dimt.  Die  Individuen  haben  zu  Gunsten 
de^  \*(TV):mdf's  verziclitct  nur  auf  die  Freili<  it.  das  Zwcckniäfsige 
zur  Erhaltun^^  ihn  r  selbst  zu  thun,  und  auf  die  Bestrafung  der 
Vergeiitn,  welche  an  ihnen  verübt  worden  sind,  in  Verfolg 
ihres  eigenen  Urteilsspruches,  Es  wäre  also  erstens  eine  Thor- 
beit,  zu  glauben,  dafs  das  Natunrecht  in  der  bürgerlichen  Qe- 
Seilschaft  nicht  fortdauere^,  da  die  bttr^licbe  GeMÜschaft  zum 
besseren  Schutze  des  Naturrechtes  gebildrt  worden  ist;  es  wilre 
zweitens  eine  Thorheit,  anzunehmen,  dalsdie  übrigen  natürli*  In  n 
liochto  lind  Privilegien  erloschen  seien,  deren  Aufgabe  die  Grün- 
dung der  bürgcrlicTien  rJesollsrliaft  nicht  notwendig  macht-. 

Der  Zweck  dieser  Daj\stellung  erfonlert  kein  weiteres  Ein- 
gehen auf  die  Lockesche  Theorie.  Die  vorhergehenden  Aus- 
tiihrungen  dürften  ihre  groi'se  Verwandtschaft  mit  den  stoischen 
GrundanschauunjgeD  dargethan  haben.  Wir  finden  das  gddene 
Zeitalter,  den  Naturzustand,  in  welchem  alle  Menschen  frei  und 
gleich  waren  und  unter  der  Herrschaft  des  Naturgesetzes  lebten, 
die  Entstehung  der  bürgerlichen  G'scllschaft  infolge  der  Ent- 
artung der  Menschen,  die  Lehre  von  der  Fortdauer  des  Natnr- 
rechtes  im  Staate,  so  dafs  das  Naturgesetz  die  ewige  Norm  für 
das  positive  Gesetz  darstellt,  die  geringe  Wertung  der  bürger- 
lichen Gesellschaft,  die  als  Loslösung  von  der  uranfknglichen 
menschlichen  Gemeinschaft  erscheint,  die  Behauptung,  dafs  der 
Mensch  ein  geselliges  Wesen  sei  und  der  Naturzustand  nicht 
als  ein  Kriegszustand  aufgefafst  werden  dürfe.  Nachdem  Locke 
das  epikureische  Naturrecht  mit  seiner  relativen  Wertsclüitzung 
der  positiven ,  das  Individuum  bindenden  Institutionen  durch 
die  Rückkehr  zum  stoischen  Natiirreehte  überwunden  hatte, 
wurde  es  mögHch,  den  Anspruch  des  \'ernunfti-echtes  auf  höhere 
Geltung  gegenüber  dem  positiven  Rechte  durchzusetzen  und  dem 
Indiyiduuismus  die  freieste  Bahn  zu  bereiten.  Dies  ist  im 
18.  Jahrhund^  durch  seine  Schttler  in  Frankreich,  Deutschland 


*  The  obligations  of  the  law  of  nature  ccaae  uot  m  society,  but 
only  in  miiny  cases  are  drawn  closer,  and  have  hy  human  laws  known 
penalties  annexcd  to  then.  Thus  the  law  of  nature  stand»  us  an 
etern.'il  rnlo  tn  all  men,  le^'isN  tor«»  as  well  as  otherp.  ?;  1*^*». 

-  I»ut  thuugh  inen,  when  tney  eiiter  into  society.  give  up  llic  <  '^ua- 
lity,  liberty  and  exccutivc  power  they  had  in  the  state  of  natiue  into 
the  band?  of  the  »onVty  to  be  so  far  di-^posed  of  by  the  legif^l.ifive, 
as  the  ^ood  of  the  aociety  sball  require;  jet  it  being  only  with 
an  intention  in  eveiy  one  the  better  to  preeerve  himself,  hie  Ii* 
berty  and  property  iL  a.  w.  §  181.  9iehe  aneh  §  187. 


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X  2. 


53 


und  England  j^eseliehen.  Sie  haben  einige  Voraussetzungen  der 
Theorie  noch  kräftiger  entwickelt  wie  di(;  Lehre  von  der  ge- 
selligen Natur  des  Menschen  und  von  der  uatürliclien  Gesellschaft, 
die  zwar  noch  als  eine  Summe  von  Familien  eraclieint,  welche 
jedoch  durch  die  Arbeitsteilung  miteinander  verbunden  sind,  so 
dafs  der  Naturzustand  eine  immer  grölscre  Ähnlichkeit  mit  der 
bürgerlichen  Oesellsehat't  gewinnt.  Aufserdem  bestand  ihre  Auf- 
gabe darin ,  den  Komplex  der  natürlichen  Freiheit,  welchen  die 
Individuen  in  die  bürgerliche  Gesellschaft  hinübergeführt  haben, 
in  eine  Reihe  von  einzelnen  Menschenrecliten  aufzulösen.  Der 
wichtigste  Schritt  geschah  dadurch,  dafs  man  von  diesem  Punkte 
aus  die  Forderung  der  wirtschaftlichen  Freiheit  deiu  Naturrechte 
«inverleibte. 

Hat  nun  auch  I/)cke  das  Naturrecht  wieder  auf  stoische 
Grundlagen  gestellt,  so  läfst  sich  doch  nicht  leugnen,  dafs  er  sie 
metaphysisch  nicht  begründet  hat.  Während  im  stoischen 
System  alles  zusammenhängend  und  klar  ist,  steht  bei  Locke 
das  Gebäude  auf  sehr  lockerem  Fundamente  Von  der  Hart- 
näckigkeit des  Thomas  Hobbes,  den  Voraussetzungen  der  De- 
duktionen eine  granitene  Festigkeit  zu  geben,  spürt  man  in  dem 
Werke  seines  jüngeren  Ltmdsmannes  sehr  wenig.  Hierdurch 
ersparte  er  sich  aber  auch  die  Schwierigkeiten  des  Grotius,  und 
die  feste  Fundamentierung  mochte  er  auch  für  eine  Parteischrift 
nicht  nötig  erachten.  Nimmt  man  aber  die  Prämissen  als  er- 
wiesen an,  dann  ist  die  Folgerichtigkeit  der  Konsequenzen  meistens 
zwingend.  Der  philosophisch  vollendetste  Teil  seiner  Theorie  ist 
Dach  meiner  Meinung  die  Begründung  des  Privateigentums  an 
Grund  und  Boden,  welche  in  den  Darstellungen  des  Lockeschen 
Naturrechtes  gewöhnlich  verflacht  wird;  der  philosophisch  unvoll- 
kommenste ist  die  Rcchtslehre  Lockes. 

Heben  wir  es  noch  einmal  hervor:  Locke  ist  der  Vater  des 
politischen  und  socialen  Individualismus,  der  Lehre  von  den  un- 
antastbaren ( Grundrechten ,  den  unveräul'serlichen  Menschenrech- 
ten, dem  schwachen  Staate,  welcher  nur  Eigentum  und  Freiheit 
zu  schützen  hat,  dessen  einziger  Zweck  der  Rechtszweck  ist. 
Denn  wenn  auch  von  den  früheren  Naturrechtslehrern  die  Sicher- 
heit als  Zweck  des  Staates  bezeichnet  worden  war,  so  hatten  sie 
ihn  doch  hierauf  nicht  beschränkt.  Wir  sind  mit  einem  Sprunge 
in  das  Reich  des  subjektiven  Naturrechtes  gelangt.  Locke  be- 
seitigte alles,  was  dem  Individualismus  feindlich  sein  konnte: 
den  epikureischen  NaturzusUind  ohne  Naturrecht,  den  Hobbes- 
seben Unterwerfungs vertrag,  die  Socialitätstheorie  des  Grotius. 
Will  man  den  ungeheuren  Wandel  der  Anschauungen  sich  klar 
machen,  so  mufs  man  insbesondere  die  Lehre  Hobbes'  und  Pufen- 
dorfs  vom  Naturzustande  und  der  natürlichen  Gesellschaft  da- 
gegen halten. 

ÄLin  hat  wohl  gemeint,  es  sei  ein  Widerspruch,  dafs  er,  ob- 
wohl er  eine  natürliche  Gesellschaft  annehme,  doch  nicht  wie 


Digitizc 


X  2. 


Grotiiis  die  OescllHchaft  zum  Princip  seiner  Theon'p  erhebe. 
Tbataiichlich  konnlo  er  das  nicht  Er  begründet  wcitlaußg^ 
dafg  Mann  und  Weib  nur  deshalb  eine  dauernde  Verbindung 
eingelien,  weil  die  lange  Uulfsb^Urtugkeit  der  menschlichen 
Jungen  die«  nVtlg  macht  j  den  Kindern  spricht  er  die  Selbatdn- 
digkeit  SU,  sobara  sie  die  Reife  des  Verstandes  erlangt  haben; 
das  Verhältnis  zwischen  Herr  und  Diener  ist  zeitlich  vorüber- 
gehend und  kontraktlich  beschränkt,  und  was  dasjenige  zwischen 
nprrn  }m<\  Sklav»  n  betrifft,  so  Itefs  dies  noch  weniger  eine  theo- 
retisclu  \  erwcrtung  zu.  Denn  erstens  besteht  e«  nur  ausnahms- 
weise, und  zweitens  betraclitet  er  den  Sklaven  nicht  als  einen 
Teil  der  bürgerlichen  Gesellschaft.  80  bleibt  nur  das  Indivi- 
dunm  mit  seinen  ewigen  und  unTeräufserlichen  Rechten.  Die 
natttriidie  Gesellschaft  Lockes  hat  keinen  organischen  Charakter. 
Wohl  behauptet  er^  dala  die  Erhaltui«  der  Oesellschaft  der 
Zweck  des  Staates  sei ;  aber  er  versteht  darunter  stets  die  Indi- 
viduen An  einer  Stelle  stellt  er  die  Ges^^llRchaft  \m<\  das  Indi- 
viduum in  Gegensatz^;  aber  der  Zusammenlian^^;  des  Ganzen 
ergibt,  dals  die  Opferung  der  einzelnen  inr  das  gesamte  Beste 
die  UnschädiichmaäiuDg  oder  Vermcbtuiig  tier  Verbrecliei*  be- 
dentet 

Wir  haben  nun  die  Schranken  des  alten  Naturreefates  weit 
hinter  uns;  die  vorhergehende  Darstellung  möchte  zu  dem  Glau- 
ben verfuhren,  der  Verfasser  meine,  der  Wechsel  der  Anscliau- 

une^en  sei  allein  das  P>s^ebnis  eines  theoretischen  IVozesses.  Das 
w;iic  (  in  ^Tüiser  Irrtum.  W;is  uns  aus  dem  alten  Naturrechte 
herausgeführt  hat,  ist  keine  Begriffsentwickiuug ,  sondern  ein 
höchst  realer  Vorgang:  das  Streben  der  besitzenden,  vorzugs- 
weise der  MittelklasBen  Englands  nach  Schutz  ihrer  FVeiheit  und 
ihres  Eigentoms  vnr  den  Übergriffen  einer  künftigen  Staatm- 
walt,  welche,  ähnlich  wie  die  Stuarts,  sowohl  die  Person  Set 
Unterthanen  schädigen,  wie  ihr  Eigentum  willkürlich  besteuern 
könnte.  Das  Gf^tlihl  d(r  Unsicherheit  erzeugt  den  Wunsch  nach 
einem  schwachen  btaate,  und  das  Gemüt  möchte  auch  nU  walu* 
erwiesen  sehen,  was  es  so  heftig  begehrt.  Dieses  von  einem 
jedenfalls  uolitisch  und  social  mächtigen  Teile  Englands  empfun- 
dene Beeenren  befriedigte  Locke,  indem  er  auf  das  Naturrecht 
der  Stoiker  zurückgreift  und  es  mit  grOlster  Gewandtheit  für 
seine  Zwecke  gestaltet  Der  rascheste  Kulissenweehsel  hat  auf 
daa  absolute  Fllrstentum  d  s  17  Jahrhunderts  die  konstitutionelle 
Monarchie  Wilhelms  III.  folgen  lassen. 

Die  Lockesehe  Theorie,  in  Verbindung  mit  der  Geschichte 
des  Naturrechtes  gesehen,  gestattet  einen  tieferen  Einblick  in 
den  ZusammenhaDg  der  nerrschenden  politischen  und  socialen 


^  The  firBt  and  fuDdamentai  natural  law  .  .  .  is  the  preserration 
of  the  Society,  aud  (aa  isr  as  will  eosaask  wttb  the  public  good)  of  eveiy 
pexaon  in  it.  §  134. 


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X  2. 


Ideen  mit  den  politiachen  und  sozialen  Zustünden  der  Zeit.  Da 
diese  Schrift  auf  einer  bestimmten  Ansicht  hierüber  beruht,  so 
muls  sie  mit  wenigen  Worten  dargelegt  werden.  Neue  politische 
oder  sociale  Ideen  werden  herrschend ,  wenn  neue  poHliselic 
oder  sociale  Zustände  dauernd  Unbelnedij.;un|,^  in  einem  ganzen 
Volke  oder  einem  mäclitigcn  Bruchteil  eines  solchen  erregen  oder 
ehe  ZnetSnde  den  gcsteigerteD  Anforderungen  und  Bedttrfiiiaaen 
der  Menschen  nicht  mehr  entsprechen.  Hierdurch  wird  ein  Qe- 
fthl  der  Unbefiriedigung  hervoi^rufen:  sie  erscheinen  ungerecht. 
Um  sich  vor  sich  selbst  zu  rechtfertigen,  um  einen  Rechtsboden 
für  die  Umgestaltung  zu  besitzen ,  verlangt  das  Gemüt  einen 
Beweis  daftir,  dals  die  Gerechtigkeit  verletzt  sei.  Zu  diesem 
Zwecke  schafft  die  Vernunft  Theorieen  und  Doktrinen.  Aber  diese 
brauchen  durchaus  nicht  originell  zu  sein,  sie  sind  so^ar  ge- 
wöhnlich weitere  Entwicklungen,  Anpassungen  alter  Qedanken 
an  die  neuen  BedOrfhisae.  Was  lange  in  alten  ßUdiem  ge- 
schlummert hat,  gewinnt  neues  I^bon,  sobald  sich  ein  guter 
Kährboden  findet.  Welchen  Bestrebungen  hat  das  Naturrocht 
allein  in  der  neueren  Zeit  dienen  mtissen :  den  Bedtirftiissen 
einer  handeltreibenden  Republik,  des  absoluten  und  aufgeklärten 
Fürstentums,  der  Mittelklassen  und  endlich  des  vierten  Standes! 
Staats^ibsolutismus  und  Volkssouveränetilt,  Rechtsstaat  und  Wohl- 
fiihrtwtaaty  miTertlalsertiche  Mensehenrechto  und  alles  ▼erscUin- 
sende  Staatsomnipotenz,  Freiheit  und  Knechtschaft,  Freiheit  mit 
Oentralisation  und  Freiheit  mit  Association  —  ne  alle  haben  im 
Naturrechte  Platz  gefunden.  Nichts  vermag  so  skcptiseh  gegen 
politische  oder  sociale  Theorien  zu  stimmen  wie  die  Geschichte 
des  Natiurechtes.  Die  Doktrinen  überzeugen  leicht,  wenn  sie 
beweisen,  was  man  wünscht.  Wer  mit  den  Konsequenzen  über- 
einstimmt, nimmt  die  rrümissen  gern  in  den  Kauf.  Und  gerade 
die  PrUmissen  stehen  Überall  in  Frage,  nicht  nur  in  der  PoUtik, 
sondern  auch  in  den  verwandten  ethischen  Wissenschaften.  Wie 
nähr  ist  der  Gedanke,  man  könne  einen  politischen  Gegner 
überzeugen!  In  neun  von  zehn  Fällen  ist  es  unmöglich,  weil 
der  Gegner  ein  ganz  anderer  Mensch  werden  müfste,  um  sich 
überzeugen  lassen  zu  können.  Immer  wieder  ist  die  Arbeits- 
werttheorie in  ihrer  Unwahrheit  innerhalb  unserer  Wirtsclmfts- 
(»dnung  erwiesen  worden;  aber  das  socialistische  Gemüt  klam- 
mort  Mk  immer  wieder  an  sie  an,  weil  sie  beweist^  was  es 
ftfdert  FOr  die  wissenschaftiiche  und  noch  mehr  flbr  die 
praktische  Politik  gflt  das  Wort  Schopenhauers:  der  WiDe  schafft 
sich  den  Intellekt  zu  seinem  Diensta  Und  dieser  Prozefs  geht 
j^wöhnlich  unbewul'st  vor  sich. 

Wenn  also  die  herrschenden  Ideen  die  materiellen .  politi- 
.  sehen  und  socialen  Zustände  reflektieren,  so  ist  der  Vorgang  doch 
.  von  einer  phyäiluJiächen  Spiegelung  sehr  weit  entfernt,  auch 
* 'deshalb,  weil  die  Theorien  ihr  Gepräge  durch  den  Qeist  eines 
^JhMMMiwadsii  Mannes  erhalten,  welcher  sie  anderen  mitteilt, 


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5e  X  2. 

und  ihrem  unbestimmten  Wollen  die  Wep^c  weist,  (lanze  Gene- 
rationen denken  sie  in  der  Form,  in  welcher  w  sie  gedacht  hat, 
und  luiircn  seine  Ideale  aus.  Wie  nüchtern  und  maisvoU  er- 
scheint der  IndividtiaiismuB  noch  bd  Locke,  welchen  entbusiasti- 
achen,  fanatischen,  ma&losen  Chafakter  wird  der  politische  Libe- 
ralismus bei  Rousseau,  der  wirtschaftlicbe  bei  den  Physiokraten 
.empfangen !  Auf  welclie  Bahnen  werden  diese  Theorctiker  ihr 
Volk  führen!  Und  andererseits  erkennt  man  di*-  Kraft  des 
nationdf^n  Geistes  und  der  geschichtlichen  Kiitwicklnnp:  bei 
Rouh  •  uu  und  bei  Quesnay  in  dem  zentraÜstisch-atomistüjchen 
Ciiuraivter  ilirer  politischen  Systeme*). 

Zweiter  Abschnitt. 
Lockes  Schiller. 

Unsere  Aufgabe  erheischt  es  niclit,  alle  .^iusslrahlungen  und 
selbst  nicht  einmal,  alle -bedeutenden  Ausstrahlungen  der  Locke- 
schen Theorie  su  verfolgen.    Sonst  dürften  wir  Christian  Wolff, 

Kou&seau  und  Kant  nicht  ttbergelien.  Dagegen  müssen  wir  die 
Werke  dreier  Männer  betrachten,  die  man  in  d^  Geschichte  des 
Is^aturrechtes  vergeblich  sucht,  oder  denen  dort  nur  ein  ganz  be- 
scheidenes Plätzchen  angewiesen  ist:  Francis  !  lutche.soii,  Fmn- 
yois  Quesnay  und  Adam  Smith.  Die  verschiedenartige  Begabung, 
die  verschiedenartigen  jiolitischen  und  socialen  Zustände,  von 
deom  sie  umgeben  sind,  erklären  die  verachiedenartigen  Leistun- 
gen; gemeinsam  ist  den  Dreien  nur  der  Boden  der  Lockeschen 
Ideen,  in  dem  sie  wurzeln. 

1.  Hutcheson. 

Hutcheson,  ein  schottischer  Professor  von  hohem  Idealismus 
und  zommtltigem  Charakter,  dazu  ein  Schider  Shaftesburys,  lebt 
in  den  politischen  und  ökonomische  Anschauungen,  welche  in 
dem  von  Wilhelm  III.  begründeten,  von  Locke  y^rt^digten 
Staatswesen  unter  (korgl.  und  Georg  II.  herrschen.  Ihm  sind 
die  rehgiöse  und  individuelle  Freiheit  heilig;  die  politische  Frei- 
heit, weleho  er  predigt,  ist  diejenige,  \velehe  sich  in  dem  aristo- 
krutibchen  Staatswesen  Englands  zu  seiuer  Zeit  herausgebildet 
bat  ;  in  dem  Sinne  Rousseaus  ist  sie  ihm  völlig  unbdcannt.  Von 
der  wirtschaftlichen  Freiheit  m  der  Formulierung  Adam  Smiths 
hat  er  noch  keine  Ahnung;  er  vertritt  die  Maximen  des  nach 
innen  gemttfsigten  Merkantilismus,  welchem  sein  Vaterland  in 
jener  Periode  huldigte.  Die  theoretische  Abhängigkeit  von  Locke 


1  Vergleiche  über  den  Qegensats  der  centratistisch-atomistischen  Auf« 
fai*ßung  hin  'I'iug<  t,  Konssf^an  u.  A.  und  der  individualißtiacb-coUeklivi- 
stischen  bei  Böhmer,  W  old  u.  A.   Gierke,  Althusius,  p.  2ä6  ff. 


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X  2. 


57 


zeigt  sich  hat  auf  allen  Seiten,  insbeflonderc  in  der  Begründung 
des  Privateigentums,  in  der  Lehre  von  den  Menschenrechten, 
die  hier  schon  ziemlicli  ausführlich  beliandelt  sind,  und  in  der 
Schildeninjj^  des  Naturzustandes,  den  er  wesentlich  friedlich  nuJt. 
In  Hutchesons  Werk  ist  der  liebenswürdige  Glanz  über  den 
Menschen  ausgebreitet,  welcher  aus  Shafterburys  Werken  hervor- 
etrafalt  In  dem  Natureustande,  den  Hutcheson  dantdlt^  finden 
wir  die  durch  Arbeit.steiking  verbundene,  In  Familien  geschiedene 
natürliche  Gesellschaft.  Eß  ist  bemerkenswert,  dafs  dem  Lehrer 
Adam  Smiths  die  Vorieilc  dei'  Arbeitsteilung  so  bedeutend  erschei- 
nen, dal's  er  ihr  einen  f^rolken  Einflufs  auf  die  Bildung  der  natflr- 
liehen  Gesellschaft  zusciireibt.  Der  Übergang  auö  dem  Natui-zustand 
in  die  bürgerliche  Gesellschaft  ist  demgemäfs  ein  bedeutungs- 
loserer Vorgang  als  bei  den  älteren  Naturrechtslehrern,  welche 
ihn  als  den  Fortschritt  von  yttUiger  Unsicherfaeit  zur  Sicherfaeity 
Ton  völliger  Unkultur  zur  Kultur  betrachteten.  So  erscheint 
denn  charakteristischerweise  bei  Hutcheson  als  Staatszweck  neben 
dem  Schutz  des  Eigentums  und  der  Freiheit  „the  promoting  the 
general  happiness  by  the  eoneurring  fbrce  of  multitudes".  Dabei 
sieht  man,  dalö  er  das  Wirken  des  Staatslenkers  für  das  allge- 
Hicme  Wo  hl  so  weit  fafst,  dafs  er  in  dessen  kraftvollem  Ein- 
greifen gegen  Dummheit  und  Eigensinn  kein  Verbrechen  an  der 
mdividneDeii  Freiheit  findet'.  An  wird  durch  diese  Lehren  in 
lebhafter  Weise  an  Hutchesons  Kollegen  und  Zeitgenossen,  an 
unseren  gelehrten ,  gründlichen  Christian  WolfF,  den  Schüler 
Leibnitzens  und  Z firirf  nopsen  Friedrich  Wilhelms  I.,  den  typi- 
schen Vertreter  des  poiizeiiieli-kameralistischen  Zeitalters,  erinnert 
vvuidm  sein .  in  dessen  Sc  hriften  ja  ebenfalls  der  Staatszweck 
der  ötfendichen  VVoliltahrt,  der  allgemeinen  Glückseligkeit,  so 
«ehr  denjenigen  der  Sicherhett  und  des  Schutzes  von  fVsiheit 
und  Eieentum  verdrängt  ^  Danach  ist  zu  yermuten^  dafs  die 
Sorge  für  die  materielle  Wohlfahrt  der  Bflrger  eine  ernste  Auf* 
gäbe  der  Staatsgewalt  geworden  ist. 

2.  Quesnay  und  seine  Schtller. 

Der  awdte,  dem  unsere  Betrachtung  gilt,  heilst  FVanQoiB 
Quesnay.  Er  ist  Arzt,  durch  Beruf  und  Neigung  der  Beobach- 
tung der  Aufsenwelt,  der  Natur  und  des  menschlichen  Körpers 
zugewandt.  £r  ist  weiter  ein  Zeitgenoase  Ludwigs  XV.  Seine 


*  It  is  well  kiiowD  how  hard  it  is  to  make  the  inilgar  qnit  tiieii- 
own  customs  for  »uch  as  aro  far  better  in  agricultnre  or  m«v'h;inick 
arts  etc.  As  there  arc  in  our  species  inen  of  su^erior  genius  and  pene- 
tration,  and  of  more  extensive  yiewst  nature  points  them  out  m  nt  to 
direct  the  actions  of  the  mnltltiide  for  the  general  good  u.  s.  w.  K  III, 
Kap.  4,  II,  1. 

*  Über  Wolffs  Wohlfahrtsstaat  liehe  s.  B.  GnukUKtae  des  Natur« 
tmd  Völkenecfata.   Halle  1754,  §§  48,  44. 


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58 


X  9, 


Überzeugungen,  seine  Stellung  als  Leibarzt  dieses  Fürsten  und 
sein  iTiildor,  tiirohtsamer  Clmrnkter  weisen  ihm  die  Rolle  eine» 
Reformators  zu.  In  seinen  politischen  Ansichten  nähert  er  sich 
mehr  Bossuet  als  Pyelon  und  Montesquieu,  von  dem  ihn  sein 
Rationalismus  trennt^  in  seinen  wirtschaftlichen  und  soziale  be- 
rührt er  eich  mit  Boiegiiiliebert,  Vwiban  und  d'Ai|;ett8on.  Er 
lebt  in  einer  Zdt,  wo  die  franstteisehen  ländlichen  und  stftdii- 
sehen  MittelkUssen  wirtaohafilieh  mttndif  wei*den  und,  abgesehen 
von  den  privilegierten  und  an  der  Au&echterhaltung  der  Mifs- 
bräuche  interessierten  Schichten  <lieser  Klassen,  die  t'berreste 
der  feudalen  Ordnung,  noch  mehr  ibcr  die  Gewerbepoiitik  und 
den  Fiskaiismus  des  abttoluten  Königtnms  beseitigt  zu  sehen 
wüüaciien. 

Goltmay  Ist  der  Vertreler  der  stftdtiBchen  Mittelkkewn, 
Queenay  der  Dolmetoeh  der  BedtlrfiiiMe  der  läodltehen  Jilittcl- 
UaafteD,  des  Standes  der  PMchtcr.  So  sehr  Quesnay  auch  mit 
seinem  System  die  Erzielung  des  gröfstmöglichen,  wirtschafdichen 
Reinertrags  und  damit  den  Nützen  der  Grundbesitzerklasse  zu 
bezwecken  scheint ,  so  zeigen  doch  die  Schriften  Quesnays  und 
seiner  »Schüler  auf  das  deutlichste,  dafs  ihnen  die  Lage  d^ 
bäuerlichen  Unternehmerstandefi  besonders  nahe  geht.  Die  Ver- 
besserung seiner  wirtaohafdiefaen  La^  ist  nach  der  Lehre  derPh^vio- 
hrateu  cue  unumgänglich  notwendige  Vorbedingung  einer  Steige- 
rung des  Reinertrags )  welche  eine  Konsequenz  des  Systems  ist. 
Wenn  man  nun  weiter  erwSgtt  dafs  er  den  Gnmdbesitzau  alle 
Steuern  aufbürden  will,  so  erscheint  die  Annahme  wohl  gerecht- 
fertigt, dafs  die  ökonomische  Hebung  der  b'iüfTlichcn  Klassen 
sein  wichtigstes  Ziel  war  und  dals  man  ein  be«untl»iö  lieik« 
Licht  auf  daa  „produit  net^  fallen  Hefa,  um  die  mächtigste  Klasse 
als  Hebel  für  eine  Verttnderung  der  Wirtnchaftspolitik  au  be- 
nutzen. Sie  würde  auch  die  entsetaliche  Finanspraxis  der  Zeit^ 
wenn  sie  gegen  sie  gerichtet  wäre,  zu  beseitigen  Terslehen. 
Wahrscheinlich  wurde  Adam  Smith  noch  stärker  von  derartigeik 
Erwriiznuip^en  geleitet,  da  diese  Klasse  in  England  einen  weit  greise- 
ren Eintiurs  auf  die  Gesetzgebung  besal's. 

Die  Sympathie  ftir  die  ländliche  Unternehnierlvlasse  hinderte 
aber  Quesnaj  nicht,  den  Drang  aller  nicht  privilegierten  ünter- 
nehmca^lassen  nach  wirtschafuicher  Freiheit  zum  Ausdruck  sa 
bringen ,  wenn  er  aiidi  die  Wirkungen ,  welche  die  wirtschaft- 
liche Freiheit  auf  die  wirthschaftliche  Lage  der  unfruchtbaren 
Klasse  haben  würde,  tibersah  und  sie  der  häuerlichen  Klasse 
nnd  dem  f  irimdbesitzer^tande  dienstbar  zu  machen  hofHe.  So 
nnnmt  der  von  Locke  aufgenommene  Ruf  der  englischen  be- 
sitzenden KLi^sen:  liberty  und  property!  einen  neuen  und  zwar 
einen  wirtschafUichen  Cliarakter  an.  W  ie  l^ocke  fordert  Qucsiiay 
Schutz  der  natürlichen  Rechte,  Freiheit  der  Person  imd  Sicherheit 
,das  Eigentums;  aber  er  verbingte  sie  als  notwendige  Voraussetaun- 
gen  des  wurtschaftlichen  Gedemens.  Keine  VolkswirtsGliaft  kann 


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50 


blühen,  wo  das  Individuum  nicht  die  Gewiftheit  hat,  dals  es 

die  Früchte  seiner  Arbeit  geniefsen  werde,  wo  sein  Eigentum 
(Kapital)  nicht  sicher  ist  vor  ungereolitfr ,  noch  mehr  vor  wirt- 
schaftlich unzweckmäl'siger  Besteuerung,  ^vo  der  einzehie  nicht 
frei  ist  in  der  möglichst  wirtscluiftlichen  Vtrwendunfr  seines 
Eigentums  mid  seiner  Arbeitskrait.  Es  mid  iuäi  auä^cliliersUch 
▼olkawirtachaftspolidBche  Qnmdsfttee,  welche  Queanay  finr- 
mnlkTt 

Um  einem  möglichen  Irrtnin  vorzubeugen,  sei  aosdrUcklich 
hervorgehoben,  dafs  auch  d<'is  vorphysiokratische  Natumcht  selbst« 
verslänfnieli  nrnndsätze  der  Volks  Wirtschaftspolitik  und  derFinfin/- 
politik  enthielt,  da  diese  Dif3ci])Iin  ja  tiir  alle  staatlichen  Gebiete 
auszusprechen  hatt^,  was  nattirliclien  Rechtes  wäre  und  dom- 
gemald  von  der  Staatsgewalt  ausgeführt  werden  mtisse.  Aber 
das  Katmcrecht  yrot  den  Pbymokraten  enthielt  wohl,  wie  die  fort- 
flchreiteDdfln  Bedttrftitsse  der  Zeit  es  erheiichten,  die  Forderung 
der  religiösen,  politischen,  individueUen,  nicht  aber  die  der  wirt- 
schaftlichen Freiheit;  nur  Grotius  war  für  die  Handelsfreiheit 
eingetreten.  Auch  beschränkt  sicli  das^  vorpliysiokratische  Natur- 
recht nicht  ausachliefslich  ;iut  wirt.schattliche  Fragen,  während 
das  „Droit  Nntiirel"  ^  >[w<nay>  zu.  einem  Wirtschaft! iclien  Natur- 
rechte zuaauiuieDgeschruujplt  ist'.  Gerade  darin  besteht  die 
Eigentttmlichkeit  und  die  Bedeutung  Quesnays,  daft  er,  angeregt 
durch  das,  ivaa  seinem  Volke  notUiat,  die  Loekeschen  ^hren 
▼on  dem  ewjgen  Rechte  auf  Eigentum  und  Freiheit  fortentwickelt 
zur  Lehre  von  dem  Naturrechte  des  Menschen  auf  wirtschaftliche 
Freiheit,  wie  er  sie  versteht. 

Sie  bedeutet  f\ir  ihn  nicht  die  schrankenlose  Ungebunden- 
heit  *:er  Individuen  und  diis  untiiatige  Zusehen  der  liegierung. 
Dadurch  unterscheidet  er  sich  aufs  schärfste  von  Locke.  Er 
hat  bekanntÜch  an  der  Unteilbarkeit  der  h(tchsten  Gewalt  fest- 
ipehaltenf  und  sein  Staat  ist  eni  Verwaltungsstaat,  dem  er 
sehr  wichtige  Aufgaben  zuweist.   Auch  polemisiert  er  sehr  staik 

fegen  den  mauvais  usage  de  la  Itbertö.  Seine  Meinung  ist  folgende. 
Is  giebt  eine  natürliche,  unveränderliche,  vollkommene  Welt- 
ordnung, welche  der  Schöpfer  gewollt  hat  nnd  die  vom  Mensclien, 
dessen  Wohl  der  Schöpfer  ebenfalls  will,  in  ihren  Beziehungen 
zu  seinem  eigenen  (wirtschaftlichen)  Vorteil  oder  Nachteil  erkannt 
werden  kann.  Der  Mensch  bat  aus  der  schlechthin  vollkommenen 
Weltofdnnng  su  erkennen^  was  ihm  wirtschaftlich  den  grOlsten 
Vorteil  gewährt,  und  was  ihm  Schaden  hrin^  das  erstere  ihr 
sich  zu  nützen,  das  letztere  zu  vermeiden,  bo  bringt  Quesnay 
die  dem  Menschen  vorteilliafteste  wirtschaftliche  Ordnung  in  den 
inni^ten  ZtiJ^nmmenljang  mit  der  allgemeinen  Weltoi  ImmL'*.  Jene 
durchzuführen  und  sich  ihr  unterzuordnen  ist  die  Autgabe  der 

*  Qaesiiay  defiDiprt  diu  Natarr«cht:  La  droit  aaturet  de  lliomme 

peot  ^re  d^6ni  vm^ncin  nt  1,  Ii  it  quo  riiomme  a  ftOZ  ehOBSS  pvoprss  4 
sa  jonipime.  Daire,  Phjsiücrates  I,  p.  4L 


60 


X  2. 


Einzelnen  wie  des  Staates.  An  den  Staat  ergeht  daher  die  Auf- 
forderung, die  positiven  Gesetze  anfzul;o1>en  welche  der  natür- 
liclit  n  OrduuuL''  widerstreben,  und  die  ^Naturgesetze  (der  W'irt- 
seliatt)  zu  verkünden,  mit  andern  Worten,  sie  zu  .seinen  positiven 
Gesetzen  zu  machen.  Freiheit  bedeutet  daher  zunächst  iUr  Quebnay 
die  Befireiang  von  den  sehlechten  positiven  Oeseteen,  dann  die 
ESnfÜhrung  der  natürlichen  Ordnung. 

Aber  welches  ist  der  Inhalt  dir  8or  natürlichen  Ordnung? 
Man  wird  es  in  der  folgenden  Darstellunf;  aclicn,  in  welcher  auch 
die  Beziehungen  des  physiokratisdion  Naturri*eht<'S  ztnn  Locke- 
schen noch  deutlicher  hervorgeliübcn  werden  sollen.  W  ir  folgen 
dabei  im  wesentlichen  den  Außftihrungen  Mercier  de  la  Riviä'e* 
und  Dupont  de  Nemours'. 

Jener  ScbriAiBteller  beginnt  seine  Darstellung  mit  dem  Nach- 
weise, dais  eine  natürliche  Qeeellschaft  vor  der  bürgerlichen 
bestanden  habe.  Aber  das  natürliche  Becht  leitet  er  wie  Locke 
aus  den  Trieben  des  Individuiima  her.  P>ei  ihm  fallt  «lies 
aiif  da  unter  seiner  Feder  die  natürliche  (tcsellsehatt  einen  oi-^a- 
uisclien  Charakter  gewinnt,  und  zwar  in  Fol^^e  si-iner  psycho- 
logischen Analyse  der  menschlichen  Katur,  die  nicht  an  Locke 
erinnert 

Wllre  die  GeseUscliaft  nicht  im  Plane  Gottes,  dann  wären 
die  Triebe )  Neigungen  und  BedflrfiitBse,  mit  welchen  der 
Schöpfer  den  Menschen  ausgestattet  hat,  unverständlich.  Nun 
zeigt  die  Betrachttni l-^  der  Krüfte  des  Menschen,  dafs  er  filr 
die  Gesellschaft  bestimmt  ist;  denn  er  ist  des  Mitleides,  der 
Freundschaft,  der  Nacheilerung  tkhig.  In  der  Jugend  und 
im  Alter  bedarf  ei*  der  Gesellschaft  zu  seiner  Sclbsterhallung. 
Seine  Intelligenz,  die  dcb  erst  in  der  Gesellschaft  entwickelt,  er- 
möglicht eine  kulturfitrdemde  geistige  Verbmdung  mit  fHlheren 
Oenerationen.  Der  Mensch  hat  weiter  einen  starken  Drang,  sich 
zu  vennehren;  die  Vermehrung  ist  aber  ohne  materielle  Kultiu* 
unm?^frHch.  die  materielle  Kultur  ist  nur  in  der  G^" 'H^ehaft  denk- 
bar. 80  ist  also  die  Errichtung  der  Gesellschaft  ein  Teil  der 
Weltordnung 

Nun  gelangen  wir  zu  jenem  salto  mortale,  von  dem  ich  eben 
rorach;  das  IndiTiduum  wird  das  Prindp  seiner  Deductionen*» 
Pttfendorf  machte  den  umgekehrten,  wie  man  sich  erinnern  wwd. 
Der  Yon  der  Natur  mit  dem  Selbsterhaltungstriebe  ausgestattete 


*  L'ordre  natarel  et  easentiel  des  Sodötte  PoUtiquet.  London  1767. 

2  Bändchen. 

Ainsi  lY'taliHssement  de  la  sociöte  coinme  moyeu  n<^cc?sairc  h. 
l'abüiulHneo  des  piuduction»  est  d'une  n^ceßsit^  phvsique  k  la  uiultipli- 
CsHon  des  hoinmes  et  fait  partie  de  Pordre  de  la  creation.  I,  p.  15. 

"  Mr'rcior  fiililt  da^  Unlogische  seinns  Verfahrens  und  sapt  deshalb: 
Quoi  qu  il  soit  vxai  de  diro  que  chatjue  hotnnio  naissc  en  sociötö,  ce|)en- 
dant  dang  Tordie  des  Idt^es,  le  besoin  que  les  hommes  ont  de  la  Boei^t6, 
doit  se  placer  avant  Texistence  de  la  «oei^tä.  I,  p.  17. 


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61 


Mensch  empfindet  nach  Mercier  das  Bedürfnis,  sich  zu  erhalten; 
folglich  hat  er  auch  das  natürliche  Recht,  sich  zu  erhalten. 
Hieraus  gclit  da»  Recht  hervor,  durch  Occupatiou  uud  Arbeit 
die  zu  seiner  Erhaltung  nützlichen  Dinge  zu  erwerben  und  das 
^worbene  zu  behalten.  CTest  donc  de  la  nature  m§me  que 
chaque  homme  tient  la  propii^t^  cxcIuBiye  de  aa  personne  et 
oelle  deschoseB  acquises  par  ses  reoherches  et  ses  travaux^  Es 
zcifTt  wiederum  die  Abhängigkeit  von  Locke,  dal's  Mercier  nicht 
von  dem  Beirriffe  der  Freilieit  ausgeht,  sondern  von  (lenijeiii- 
gen  deä  Eigentums.  Die  peiiiönliche  Freiheit  nennt  er  j)ro})ri(  te 
personnelle.  Aus  ihr  leitet  er,  wie  Locke,  alle  andern  Arten  des 
Eigentums  ab.  La  propri^tö  personnelle  est  le  premier  principe 
de  toUB  las  autres  droits:  sans  eile,  ü  n'est  plus  m  propri&ö 
mobäiiure,  ni  inropridtd  foDci^rOi  ni  80ci6t^^\ 

Mit  der  firwähnung  der  propi^iä  fonci^ro  sind  wir  dem 
Werke  Merciers  etwa!<  vomusgeeilt,  aber  wir  liielten  die  vor- 
stehende Ausführung  für  notwendig,  um  das  System  richtig 
zu  cliarakterisieren.  Wir  fahren  nun  wieder  in  unserer  Dar- 
stellung fort. 

Wir  haben  vorher  die  Becbte  des  Individuums  kenneu  gc- 
lemif  welche  ans  seiiier  kOrpeiHcben  und  geistigen  Ver&ssung 
hervorgehen,  die  das  Werk  Gottes  ist.  Diesen  Rechten  ent- 
sprechen Pflichten:  Point  de  Droits  sans  Devoirs,  et  point 

üe  Devoirs  ^nns  Droits" 

Hier  muis  ich  den  Faden  nocii  einmal  abbrechen,  um  einen 
wichtigen  l'uiiivt  zu  erörtern.  Mercier  de  la  Kivit  re  g<'lit  von 
dem  Rechte  des  Individiuums  auf  Selbsterhaltung  aus.  Er  sas^t 
wOrdich :  „Je  ne  crois  pas  qa*on  veuille  refuser  k  un  homme  Te 
droit  naturel  de  pourvoir  k  sa  conseryation.*"  Dann  aber  sieht 
man  erstaunt,  dafe  er  das  Recht  aus  der  Pflicht  ableitet.  Er 
filhrt  fort:  „ce  premlcr  droit  n'est  meme  en  lui  que  le  riJsultat  d'un 
premier  devnir  qiii  liii  est  irapose  sous  {»rine  d«-  douleur  et 
inerae  de  morl."  Sciimerz  und  Tod  sind  al-^o  dir  nutürlieia- Sanktion 
des  göttlichen  Gebotes.  Und  an  einer  andern  Stelle  heilkt  es  über  das 
Verhältnis  vonBecht  und  Pflicht:  „il  n'est  point  de  devoirs  sans 
droits,  ceuz-Ui  sont  le  principe  et  la  mesure  de  oeuz-d/  Ja  er 
nennt  „droit  .  .  .  une  pr&pogativc  ötablie  sur  nn  devoir"*.  Man 
ist  im  höchsten  Mnlse  verwundert,  einige  Zeilen  \\  «  iter  wieder  die 
entgegengesetzte  Ansflilirnng  zu  finden,  z.  B.  ^les  devoirs  enfin 
ne  peuvent  etre  dtablis  dans  la  soeiet«',  que  sur  la  n^cessitc  dont 
ils  sont  a  la  conservation  des  droits  qui  en  n'sidtent." 

Vielleicht  wiixl  man  dagegen  erwidern,  Mercier  habe  damit 
seiner  Ansicht  von  der  Heciprocität  von  Rechten  und  Pflichten 


'  I,  p.  IH. 

2  I,  p.  4o. 
•  I,  p.  24. 
«  I,  p.  18,  22,  21. 


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62 


X  2w 


Ausdruck  geben  wollen.  Diese  Ansicht  ist  flir  die  RttliTe  und 
Pflichten  dtT  Mensc  hen  in  der  Gesellachaft  wohl  haltbar;  abi  r 
ist  unmöglich,  iii  Jieziuhung  auf  die  Selbsterhaltung  das  Kei-ht 
aus  der  Pflicht  and  die  Pflicht  am  dem  Rechte  abziHeiten.  üier 
kann  nur  das  dne  die  Bsais  des  andern  sein,  und  danach  mnfs 
dann  auch  konsequent  das  Verhältnis  der  Menschen  in  der  Ge- 
sellschaft bestimmt  wcfden.  Das  Schwanken  unseres  Schriftstellers 
ist  vielleicht  daraus  zu  erkhiron,  dafs  er,  wie  man  sieht.  Locke 
folgt,  sich  dann  aber  unter  df-ni  EinHussc  WolfTs  hewulst  wird, 
dafe  das  T^ockesche  Natiirrct  lit  zunächst  nicht  zum  Heizrifle  des 
Rechts,  sonderndem  der  Fliicht  luhrt*.  Welches  sind  nun  diese 
Pflichten?  Zuerst  wie  wir  gesehen,  eine  Pflicht  gegen  uns  selbst, 
die  Pflicht  der  Selbsterhaltung.  Dium  aber  auch  Pflichten  gegen 
andere:  Ich  mala  das  ausschBefsliGhe  Eigentum  des  andern  an 
seiner  Person  und  an  dem  Ton  ihm  Erworbenen  anerkennen, 
wenn  er  das  meinige  anerkennen  soll.  Da  die  Natur  den  Individuen 
ungleiche  Fähirrkoiten  sregeben  hat,  so  folgen  daraus  Ungleich- 
heiten des  Vermögen-,  die  durch  das  Naturrecht  gerechtfertigt 
fiind^.    Fügen  wir  hinzu,  diese  Ungleichheiten  sind  das  Werk 


'  T-Üne  iihnlicbe  Zusammenstellung  von  Kccliteir  und  PHichten,  aber 
iu  weit  logischerem  Zusammenhalte«  findet  sich  bekauutiich  bei  VVolS^  den 
Dupont  ae  Nemouis  neben  Contncins,  Socntea,  Galilei  und  andern  sn 
den  Märtyrern  der  Wissenschaft   zRhlt  (Dnirr  1.  p.  Ein  natür- 

liches Gesetz,  führt  Wolff  aus,  ist  dasjenige,  weiches  ^«eineu  hinreichen- 
den Grand  in  der  Nator  des  Hensenen  und  der  Dinge  hat  Dieses 
Gesetz  wird  gewöhnlich  das  Recht  der  Natur  genannt.  Da  nun  die 
Natur  ileK  Menschen  und  der  Dinge  ihren  (irund  in  Hott  haben,  ist 
das  natürlich*'  (iesotz  auch  ein  güttliclietj,  und  es  verbindet  folglich  nllf 
Menschen.  Dui  <  b  die  Natur  wird  aber  der  Mensch  verbunden,  <ue  Hand- 
lungen zu  begehen,  weleli»^  seine  und  seines  Zuftande^?  \'  llkommenhdt 
befördern.  Weil  aber  niemand  seinen  Zustand  aUein  yulikommen  machen 
kann,  sondem  ein  jeder  des  andern  Hilfe  nötig  hat,  so  vertnndet  das  Natur- 
n  i  lit  die  Menschen,  1)  ihren  Zustand  mit  vereinten  Knlften  vollkonunen 
zu  machen,  und  ein  jeder  ist  verbanden,  zur  Vollkommenheit  des  andern 
soviel  beizutragen,  als  er  ohne  Schaden  der  Verbindlichkeit  gegen  sich 
selbst  vermag,  und  2i  auch  alle  Handlungen  m.  unterlassen,  wodurch  des 
andem  oder  sein  Zustand  unvollkommen  gemacht  wird.  Da  nun  weiter 
der  Menscli  äich  und  die  andem  vervollkommnen  soll,  so  darf  er  es 
aueh.  Es  leitet  also  Wolfi'  aus  der  dem  Menschen  durch  seine  Natur  auf- 
erlegten Pflicht  das  Recht  üb.  So  entstehen  Recht'  :ni^  der  Pflicht, 
sich  selbst  zu  vervolikomunen,  and  aus  der  Pflicht,  andere  zu  vervoU- 
konnmieB.  leh  weirs  nicht,  ob  Mereier  unter  dem  BÜnfloase  der  Wolff- 
sehen  Philosophie  gestanden  hat.  Wenn  es  der  Fall  gewesen  ist,  so  hat 
er  ihre  Anrej^ungen  jedenfall.'^  frei  benutzt.  UnmflgHch  ist  die  bezeichnete 
Einwirkung  nicht,  da,  wie  man  sicii  eriuuern  wird,  die  Philosophie  Wolffs 
in  Frankreich  einen  ehrenvollen  Einzug  gehalten  hatte.  Quesnay  leitet  an 
verschiedenen  Stellen  die  droits  aus  den  devuirs  ab,  z.  B.  Un  enfant .  .  . 
a  un  droit  uaturel  ü  ia  subsistance,  fond^  sur  le  devoir  indiqu^  par 
1a  nature  au  p^re  et  k  Ia  mhre.  Und:  II  ^  a  un  ordre  .  . .  dans  la  jouis- 
pnncp  du  droit  naturel  de  chacun  .  .  .  qui  doit  Ttre  n'gle  .  .  .  confonne- 
ment  aux  devoirs  prescrits  par  la  nature  (Droit  Naturel  chap.  I,  IIL  Daire 
U  p.  42,  49). 

*  La  loi  de  la  piopri^t^  est  bien  Ia  m6me  pour  tons  los  hommss; 


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63 


Gottes;  also  sind  sie  auch  von  ihm  gewollt.  Doch  anerkennt 
Merder  auch  eine  unnatürliche  und  nicht  notwendige  Ungleich- 
lieit  an.  Diese  gegenseitigen  Reciite  und  Pflichten  sind  absolut 
gerecht,  weil  sie  aus  der  pliysisciien  Notwendigkeit  hervor- 
gehen, die  ein  Werk  Gottes  ist. 

tm  Vorlaufe  der  meiiflcUicbeD  fiDtwickliiDR  genttgen  die  yim 
der  Natur  gebotenen  Unterheltsmittel  niobt  mttir»  die  Erde  mufs 
mit  MOhe  und  Rosten  urbar  gemacht  werden.  Wer  diese  auf 
sich  genommen  hat,  mids  gerechterweise  Eigentümer  des  Bodens 
und  der  Ernte  werden.  VVVr  ihm  das  Orundeigcntum  rauben 
wollte,  der  würde  sein  persönliclies  und  dingliches  Eigentum  ver- 
letzen. Also  gehört  auch  das  (Grundeigentum  zum  Bestände  der 
naturlichen  Chxinung.  ^^'enn  nun  auch  durch  die  Einfülirung 
den  Mreteigentams  an  der  Erdoberfliiche  vide  vom  FSrivateigen- 
tom  anegeschlossen  werden,  so  erhalten  sie  doch  ein  Recht  auf 
den  MitgennfB  der  Ernte,  wenn  rie  sieh  nützlich  machen.  Mercier 
ist  nun  zu  einer  Definition  der  wesentliclion  Ordnung  gelangt. 
L' ordre  &ssentiel  des  '^orif^t^s  e^st  l'accord  parfait  des  institutions 
ßnii^  lesquelJes  ce  bonheur  et  cette  multipUcation  ne  pourraient 
üvüir  heu*. 

Die  hOchstmOfiliche  Entfaltung  der  materiellen  Wohlfiihrt 
und  die  grSlatmö^icfae  Menachenvermehrunff  hängen  ab  von  der 
«ooialen  Freiheit  uw  Menech  wird  seine  Krttne  niebt  aufs  äalBemte 
juistrangen,  wenn  ihn  nicht  der  Wonach  zu  genicfsen  antreibt. 
Wenn  aber  die  Freiheit  de8  Genusses  nicht  besteht,  wer  ^^^^d 
dann  Arbeit  und  Mühe  auf  sieh  nehmen?  Dc^sir  de  jnuir  et 
libert(^  de  jouir  voila  läme  du  mouvement  social'^. 
Der  Mensch  kennt  eben  nur  zwei  Beweggründe :  den  Hang  zum 
Vergnügen  nnd  die  Abneigung  ^egen  den  Schmera. 

Wae  veratobt  er  also  unter  aer  socialen  Freibeit?  Ia  liberift 
sociale  peot  dtre  d^finie  une  indöpendance  des  voluntda  dtrang^rea 

3ui  nous  pennet  de  faire  valoir  le  plus  qu'il  nooa  Ort  poeaible  nos 
roits  de  propriet/'  et  d'en  retirer  tontes  les  joui«^sinces  qni  peiivent 
en  resulter  sans  preiudicii  r  aux  droits  de  propri6t4  des  auties 
hommes*.  Die  Freiheit  kann  nie  .schädlich  sein.  Denn  unser 
Drang  nach  Genuls  macht  uns  von  andern  abhängig.  Damit 
sie  uns  lielfen,  mflaaen  wir  ibnen  eben&Ua  GenUaee  beten.  So 
ist  mit  der  Yerroebnmg  unserer  Genosse  die  Vermebrung  der 
Genüsse  ^aUer  andern  verbunden.  Unter  der  Bedingung  socialer 
Freiheit  strebt  ein  jeder  nach  seinem  eigenen  Besten  und  damit 
nach  dem  Besten  der  ganzen  Gesellschaft.  Die  Gegenüberstellung 
des  PrivatintereaseB  und  des  allgemeinen  Interesses  erscheint 


les  droits  qu'elle  donoe  eont  tous  d'uue  ^gale  justice,  mais  ils  ne  sont 
pSB  tons  dline  (^gale  valenr.  I,  p.  2|. 

'  It  p.  40. 
«  1,  p.  54. 
Ȁ.a.0. 


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64 


X  2. 


Mercier  als  widersinnig.  Da»  allgemeine  Interesse  ist  nur 
die  Summe  aller  EiDzelintere8sen^ 

Eigentum,  Sicherheit  und  Freiheit  zu  geuielÄeu:  das  bind 
die  Säulen  der  natürlichen  und  wesentlichen  Orannng  der  Gesell- 
schüft.  Es  ist  eine  natürliche  Ordnung;  d^n  die  sociale  Ordnung 
ist  ein  Teil  der  allgemeinen  Katuroidnung.  Es  ist  physisch  un> 
möglich,  ohne  Lebensmittel  zu  existieren,  und  es  ist  physisch  un- 
möglich, dafs  sich  die  Menschheit  vermehre,  wenn  nicht  die  Kultur- 
arbeit die  Schätze  (h  r  ]!^rde  eröcliliefst:  Folp^heh  ist  auch  das 
Privateigentum  an  Grund  und  Boden  pliyüiöch  nötig,  das 
Eigentum  an  den  beweglichen  Sachen  ist  physisch  nötig.  Kurz: 
la  rase  fbndamentale  de  cet  ordre  est  ^Tiaemment  le  droit  de 
propriöt^,  paroeque  sans  le  droit  de  propri6td,  la  soddtd 
n'aunut  auctme  consistanoe>  et  ne  serait  d'aucune  ntUitö  k  l'abon- 
danoe  des  productioos^. 

Dieses  sind  gewissermafsen  die  wirtschaftlichen  Grundrechte 
der  Menschen  und  die  Fundamente  der  OoscUschalt ;  dringen  wir 
nun  tiefer  in  das  gpociell  nationalökononiische  Gebiet  ein.  Die 
ersten  Kapital-  und  Arbeits^aufwendungen  (avances  tonciere-sl,  an 
welche  sich  die  Einsetzung  des  Grundeigentums  knttpft,  genügen 
nicht,  um  die  Nahrungsmittel  dauernd  zu  erzeugen,  es  müssen 
auch  Aufwendungen  für  Instrumente,  Zugtiere  u.  s.  w.  (avanoee 
primitives)  und  fUr  den  Lebensunterhalt  der  arbeitenden  Menschen 
und  Tiere  (ddponses  annuelles)  *^cmneht  werden.  Soll  min  die 
Err'^f^uL'uni;  von  Nahrungsmitteln  ihren  ren^elmäfsipjen  Gang  gchen^ 
80  muls  eine  bestimmte  Quote  des  Ertrags  zur  Ei*neuerung  des 
Anlagekapitals  und  e.s  müssen  die  jährlich  wiederkehrenden  Aus- 
lagen ganx  surttckgele^t  werden.  Hienu  kommt  dann  noch  eine 
Risikopitlinie  fiir  HagefscUag  u.  s.  w«  Sie  zusammen  bilden  die 
reprises  des  cultivateurs. 

Dieser  Teil  des  Ertrages  mul's  also  imverletzlich  sein,  er  dai'f 
weder  vom  Eigentümer  noch  vom  Staate  in  dei  Form  von  Gnmd- 
rente  oder  Steuer  in  Anspruch  genommen  werden.  Dies  ist  eine 
der  wiclin'ustcn  Forderungen  der  natiirliclicn  ( )nlniing,  von  welcher 
die  Krljaiiuug- der  einzelneu,  die  Vermehrung  und  das  Glück 
der  Menschen  abhängt.  Damit  sie  verwirklicht  werde,  ist  aber 
nichts  weiter  nOtig,  als  dafs  der  Staat  nichts  thue.  Überläfst  er 
die  Verteilung  des  Ertrages  ganz  dem  freien  Vertrage  swischen 
Gutsbesitzer  und  Pächter,  so  wird  die  Konkurrenz  schon  dafür 
sorgen,  dais  die  notwendigen  Auslagen  stets  zurückerstattet  werden 


*  Au  moyen  de  eette  libert^  qni  est  le  vMtable  ^l^ent  de  Tin- 

dustrie,  Ic  d(^*?ir  de  jouir  initr  par  la  concurrence,  t'<.Iinn'  jiar  l'cxp^*rieni"0 
et  l  exemple,  vous  est  ^arant  que  chacun  agira  toujours  pour  sou  pioa 
grand  av  au  tage  possible  et  par  cfnis^quent  conoourra  ...  hu  plus  grand 
aceroiaaemcnt  possiblc  de  cctto  somme  d^int^rßts  prirticuliers,  dont  la 
r^union  forme  .  .  .  l'int^ret  g^n^ral  du  Corps  social,   i,  S.  oH. 

*  I,  p.  48. 


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X  2. 


und  docli  andererseits  der  Anteil  des  Päcliters  so  märsig  wie  niu* 
möglich  auwfällt 

Der  Anteil  des  Grundbesitzers  ist  der  Reinertrag;  von 
diesem  Teil  darf  und  soll  der  »Staat  eine  Quote  als  Steuer  er- 
heben ,  denn  der  Staat  ist  das  notwendige  Mittel  zur  Förderung 
der  ganzen  Volkswirtschaft,  Es  ist  von  der  hervorragendsten 
Wichtigkeit,  dafs  das  produit  net  möglichst  grofs  ausfalle:  je 

rfser  es  ist,  um  so  vorteilhafter  wird  es,  Eigentümer  zu  sein, 
vorteilhafter  dies,  um  so  mehr  Boden  wird  in  Kultur  ge- 
wonnen ;  je  ausgebreiteter  und  je  vollkommener  die  Kultur,  um 
so  mehr  Unterhaltsmittel  werden  erzeugt;  je  gröfser  deren  Älenge, 
um  so  mehr  Genüsse  können  sich  die  Menschen  gönnen ;  um  so 
glücklicher  sind  sie.  Je  glückliclier  sie  sind,  um  so  mehr 
vermehren  sie  sich.  Da  nun  die  Klassen  der  Gewerbetreibenden 
und  Kaufleute  ebenfalls  von  den  Übcrsciüissen  der  Landwirt- 
schaft erhalten  werden  müssen,  wie  wir  noch  sehen  werden,  so 
darf  man  sagen,  dafs  das  Gedeihen  der  ganzen  Mensch- 
heit von  dem  möglichst  grofsen  Reinertrag  abhiingt  *.  Das 
Geheimnis  aber,  um  dieses  Ziel  zu  erreichen,  ist  die  Her- 
stelhmg  der  freien  Konkurrenz.  Da  die  Gewerbetreibenden  sowohl 
ihre  Rohstoffe  wie  ihre  Nuhnmgsniittel  aus  dem  Ertrag  der  Land- 
wirtschaft erhalten,  so  können  sie  keine  neuen  Güter  prodiicieren. 
Ihre  Thätigkeit  besteht  darin,  dafs  sie  den  vorhandenen  Stoffen 
durch  ihre  Arbeit  eine  neue  Form  geben.  Der  höhere  Wert, 
welchen  diese  Klasse  den  Rohprodukten  verleiht  ist  gleich  dem 
Wert  der  Unterhaltsmittel  und  Kapitalauslagen,  die  zu  jener  Um- 
formung nötig  waren.  Damit  aber  die  Summe  der  Unterhaltsmittel 
und  der  Kapitalauslagen  möglichst  gering  sei,  ihr  Einkommen 
das  Mafs  des  gesellschaftlich  Notwendigen  nicht  übersteige,  ist 
wiederum  die  vollste  wirtschaftliche  Freiheit  nötig.  Dasselbe  gilt 
von  den  Kaufleuten,  welche  den  AustaiLsch  der  (iüter  besorgen. 
Der  höhere  Wert  welchen  sie  den  W  aron  verleihen,  ist  volks- 
wirtschaftlich auf  K.ipitalauslagen  und  Unterhaltsmittel  zurück- 
zufülu"en.  Diese  werden  bei  voller  wirtschaftlicher  Freiheit  am 
geringsten  sein.  In  den  Überschüssen  der  Landwirt.schaft  liegt 
also  die  Ursache  der  Gröfse  der  ^'olks^\^rt.schaft:  je  gröfser  jene, 
um  so  bedeutender  diese*'' ;  Gewerbetreibende  und  Kaufleute  dürfen 


'  En  cette  partie  radminiatratiou  n'est  point  embxrrassante;  eile 
n'a  rien  a  faire,  il  lui  suffit,  de  ne  rien  ein  pecher.. .de  laisser 
ainsi  la  coiicurrcnce  en  po?8cs.sion  d'rtre  l  arlMtre  naturel  et  souverain  de 
CO»  mOmes  dcbats  .  .  .  ils  (cultivateuM)  seront  doiu-  constammont  assuji'ttis 
par  eile  li  ne  prendre  dans  ces  produits  bruts  que  la  portion  qu'on  ne 
peut  absolument  leur  refuser;  et  cette  i>orti<in  ('tant  ain.-^i  la  plus  mo- 
dique  qu'il  .soit  possible,  c<!lle  qui  formera  le  produit  net,  poiir  se  partager 
entre  lea  pn)pri<''tAire8  et  le  souverain,  »era  par  cons^quent  toujours  aussi 
forte  nu'elle  pcut  et  doit  TOtre.    Daire  II,  p.  4W. 

*  \^\.  I>upont  de  Nemours.    Daire  I,  p.  340. 

'  Eine  humori.stische  AustÜhrung  diese»  Satzes,  der  sehr  sophistiKcU 
Vtnchm^pm  (48)  X  2.  -  lliMba<  h.  5 


66 


daher  vom  St^iate  keine  besondere  Begünstigung  erfahren*. 
Von  ihnen  darf  aber  auch  keine  Steuer  erhoben  werden,  sie 
reproduzieren  nur  ihre  Konsumtion.  Der  einzige  Teil  äefi  jrihr- 
lichen  Ertrages,  auf  welchem  eine  Steuer  lasten  darf,  \ei  foighch 
der  Reinertrag,  daa  produit  net 

Also  iat  die  EinfÜhruug  der  ▼ollen  wirlschafUiclien  Freiheit  das 
unumgänglich  notwendige,  aber  auch  das  einfache  gottgewollte 
Mittel  zur  Begründung  des  Glückes  der  Menschheit.  Dadieses  durch 
die  I»eschränkung  der  Concurrcnz  sehr  gr-hindert  vnrd.  so  ist  sie 
ein  ungeheures  Verbrechen.  Darum  sajr^^t  Dupont  de  Nemours:  ..8e 
livrer  Ji  cet  attentat,  ce  serait  declarer  \a  guerre  ä  .scs  semblables ; 
cc  serait  violer  les  droits  et  manqucr  aux  devoirs  institues  par 
le  Cre  iteur;  ce  serait  s'opposer  a  ses  dck^rets  aotant  (^ue  le  peut 
notre  ^blesse,  ce  serait  commettre  un  crime  de  löse-majest^  divme 
et  huraaine"  Um  aber  diese  Ordnung  der  gröfstmttglicheil 
Freiheit  und  Sicherheit  durchzuführen  und  aufrecht  zu  erhalten,  um 
ihr  Glück  nicht  zu  beecliränken,  sondern  zu  steigern,  ernennen 
die  Menschen  eine  schützende  Obrigkeit;  sie  treten  in  die  bürger- 
liche üesellscliaft  ein.  Diese  übrigkeit  hat  also  keine  andere 
Aufgabe,  als  jene  Naturordnung  zu  schützen.  Es  steht  ihr  nicht 
etwa  zu,  Gesetze  zu  m  a  c  h  e  n  ^. 

Die  Verwandtschaft  mit  Lockes  Theorie  tritt  hoftendich 
ebenso  deutlich  hervor,  wie  der  Unterschied  des  politischen  Ziels 
und  die  breite  Entwickltm;^  der  nationalökonomischen  Onmdge- 
setze  und  GrundsJitze,  die  aber  noch  immer  eng  mit  dem  Nator- 
rechte  verbunden  bleiben.  Die  Lockeschen  „l'wo  Tretitises" 
haben  einen  wesenüich  poUtischen  Charakter,  die  physiokratischcn 
Schriften  einen  wesenthch  wirtschaftlichen.  Hier  wie  dort  bildet 
das  Individuum  das  PHncip  der  Theorie,  obwohl  Lodte 
wie  Quesnay  die  Existenx  einer  natürlichen  G^eHschaft  annehmen ; 


das  pourauot  und  commtMit  unteracheidet,       ßa  adesu,  ExpUcation  du 

Tabfenu  Kconnmique.    Daire  IT.  p  si'). 

<  (iftue  le  ^ouverneiueut  ccouoinique  .  .  .  laisse  aller  ci'eilcs-tnömes 
les  ddpeimes  steriles.   Qiiesnav.   Daire  I.  p.  S8. 

2  Dair.'  T,  I)  ?,\r,. 

^  Car  les  lois  sont  toutoa  faitca  par  la  maiu  de  celui 
qui  cr6a  les  droits  et  lea  devoirs  ...  Los  ordonnances  des  sou- 
▼erains.  qu'on  appclle  lois  positives,  ne  doivcnt  etre  que  des 
actcf;  d  «M- 1  aratoires  de  cos  lois  essentielles  de  Tordre  pncial. 
Widur«preiiien  die  positiven  Gesetze  den  Naturgesetzen  der  socialen 
Ordnung,  so  verdienen  sie  nirht  den  Nainen  von  Gesetzen,  sie  wSren  „des 
acte?  ins.Mist'.s  (jiii  nc  spraient  obligatoirt^s  pr.nr  per?nnTir'".  Es  giebt  also 
einen  natürlichen  und  höchsten  iiitUiter  Uber  alle  positiven  Gesetsfie,  and 
dieser  ist  „r^idenr.e  de  tenr  confonnit^  ou  de  Icar  opporition  aux  lots 
naturelles  de  l'ordre  pocial".  Die  Obrigkeit  ist  aber  aac^  verpflichtet, 
die  Naturgesetze  zu  verkünden,  und  die  Menschen  wären  gebunden  ^par 
religion  de  for  int^ricur"  sich  ihnen  zu  unterwerfen,  wenn  sie  nicht 
voEKÖndet  wären,  da  sie  ihnen  vorteilhaft  sind.    a.  a.  0.  S.  847. 


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X  2. 


Ö7 


Mercifir  fUhrt  aus,  dafs  die  Menschen  natUrhcher-  und  notwendiger- 
weise in  der  Gesellschaft  leben,  weil  es  natürlicher-  und  not- 
wendigerweise zwischen  ihnen  Rechte  und  Pflichten  gebe.  Locke 
ist  der  Vater  des  politischen,  Quesnay  einer  der  Väter  des  wirt- 
schaftlichen Individualismus.  LiCtzterer  behauptet  ähnlich  wie 
Locke,  dafs  die  Qrttndung  des  Staates  nicht  aie  Beschränkung 
■der  natttriichen  Rechte  der  Menschen  bedeatete,  sondern  die  Ans- 
<lehnung  der  Ausübung  und  des  Genusses  aller  ihrer  Rechte*. 

Vergleicht  man  Quesnays  Doktrin  mit  derjenigen  der  früheren 
Katurrecfitslehrcr  überhaupt,  so  fällt  erstens  die  enge  He/iehung 
auf,  in  welche  er  das  ethische  Naturgesetz  (NatutTecht)  und  das 
physische  Naturgesetz  der  Gesellschaft  bringt ;  zweitens .  dals 
nach  seiner  Lehre  das  der  Erhaltung,  Fortpflanzung, 
Vervollkommnung,  GlQokseligkeit  der  Menschen 
Ntttsliche  auch  das  Gerechte  ist. 

Wir  sahen  im  Vorhergehenden,  wie  die  T^hre  ihren  Aus- 
gangspunkt nimmt  sowohl  in  der  allgemeinen  Weltordnung  wie  in 
der  menschlichen  Natur.  Eine  noch  .schüchterne  Analyse  der  mensch- 
hchen  Natur,  welche  mit  der  physiokratischen  übereinstimmt, 
haben  wir  zuerst  bei  (irotius  gefunden.  Quesnay.  der  Arzt,  vergifst 
nicht,  dais  der  Mensch  Nahrungsmittel,  Kleidung,  \\  ohnung  be- 
darf um  sich  selbst  au  erhalten  und  sein  Geschlecht  fortsupflanzen. 
Diese  Triebe  hat  Gott  dem  Menschen  neben  der  SoaialitKt  ein- 
gepflanzt, also  sind  sie  gottgewollt,  also  mulls  sich  auch  hieraus 
erkennen  lassen,  welche  rechtliche  Ordnung  er  für  die 
menschliche  f  Gesellschaft  vorgeschrieben  habe.  Indem  aber  der 
Schö{)fer  den  Menschen  mit  seiner  Existenz  auf  die  äufsere  Natur 
hingewiesen  hat.  entspinnt  sicli  ein  (lewebe  von  Physischem  und 
Sittlichem,  das  noch  genauer  dargestellt  werden  mufs. 

Quesnay  ist  Optimist,  aber  weit  davon  entfernt,  eine  prästa- 
bilierte  Harmonie  zwischen  der  ftufseren  Natur  und  der  mensch- 
lichen Gesellschaft  anzunehmen.  Jene  geht  ihren  ewigen  Gang; 
sie  kann  dem  Menschen  nUtzen,  sie  kann  ihm  aber  auch  schaden. 
Soll  eine  Harmonie  stattfinden,  so  kann  sie  nur  die  That  der 
Vernunft  des  Menschen  sein.  Der  zur  Erhaltung  seiner  selbst 
und  der  Gattung  auf  die  äufsere  Natur  angewiesene  Mensch 
muls  die  Gesetze  des  Weltalis  ebensowohl  wie  die  mensclUiche 
Katur  erforschen,  um  die  fUr  sein  Dasein  vorteilhaften  und  nach- 
teiligen Wirkungen  der  Naturgesetze  kennen  zu  lernen.  Das 
Vomlhafte  zu  benutzen,  ist  dium  aber  auch  seine  Pflicht  So 
nigt  der  Schmerz  des  Hungers  dem  Mcnsdien  an,  dafs  er 
essen  soll.  Der  Vorrat  der  äufseren  Natur  an  Genufsgütem 
ist  bald  erschöpft,  also  soll  der  Mensch  den  leiden  kultivieren. 
Die  Kultur  des  Bodens  ist.  wie  die  M  en sehen  natu r  geartet 
ist,  nur  denkbar,  wenn  er  in  Privateigentum  ist,  also  mufs  das 
^PiTvateigentum  am  Boden  eingeführt  werden.   Nach  der  Natur- 

ÜQmspondeiiz  Daponts  mit  Say.  Daire  I,  p.  895. 


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68 


X  2- 


Ordnung  kann  nicht  der  ganze  Ertrag  vrzr^irt  werden;  also 
muis,  wenn  nötip;',  durch  Gesetze  dal'ur  gesorgt  werden,  dal*»  eioa 
zur  Reproduktion  notwendige  Quot«'  znriiekf^elegt  werde. 

Man  sieht  also  erstens,  daf«  da«  der  (iesamtlieit  Nützliche 
als  das  Gerechte,  durch  die  Gesetze  zu  Erzwingende  gilt,  /.weitens, 
dafs  die  NaturordnuDgTf  das  Natuigeseta  sueleich  physisch  und 
sittlich  ist  Es  giebt  eine  dem  Menschengeschlecht  vorteiUiafteBte 
physische  natürliche  Ordnung  ,,rordre  physique  le  plus  avanüigcux 
au  genre  humain";  eng  mit  ihr  verbunden  ist  eine  sittliche  Ord- 
nung, ein  nattirliches  ne:5etz  der  Handlunp:en  der  .Menschen, 
welches  es  ermöglicht,  dafs  die  NaturgCfeCtze  dem  Menschen 
den  gröfsten  Vorteil  bringen  können :  „on  entend  par  lui  murale 
la  regle  de  toute  action  de T^ordre  mural,  conforme  k  l'ordre  physique 
^demment  le  plus  avantagcux  au  genre  humain"  ^  Diese  mora- 
lische Ordnung  läfst  sich  mit  dem  Worte:  Privateigentum  (persön- 
liches, bewegliches,  unbewegliches),  zusammenbissen;  denn  diis 
richtig:  verstandeiK!  Privatei^i^cntum  ist  auch  die  Freiheit.  Wo  die 
sittliehe  Onlnung  Naturrecht)  nicht  herrscht,  da  kann  sicli 
auch  die  [)  Ii  Y  s  i  sc h  e,  möglichst  vorteilhafte  Naturordnung  nicht 
enttulteu.  Wo  kein  Privateigentum,  da  keine  Kultur;  wo  keine 
Kultur,  da  keine  Erhaltung  des  Menschen  und  der  menschlichen 
Gattung.  Beide  Arten  von  Naturgesetzen  bilden  zusammen  das 
Naturgesetz:  „Oes  lois  forment  ensemble  ce  qu'  on  appclle  la  loi 
naturelle''  -.  Die  verpflichtende  Kraft  dieser  Gesetze  liegt  darin^ 
dafs  sie  vom  höchsten  Wesen  vorgeschrieben  sind.  Aus  diesem 
Grunde  .sind  fnu  li  di(^  besten  Gesetze.  Welcher  Wahnsinn, 
welches  Verbrechen,  wenn  dio  positive  Gesetzgebung  das  Natiur- 
gesetz  nicht  einlach  erklärt! 

So  hat  das  Naturgesetz  in  dem  physiok ratischen  System 
wiederam  eine  Hoheit  und  Bedeutung  gewonnen,  die  es  in  dem 
Lehigebäude  der  Stoiker  besessen  hatte.  Die  Stoiker  wollen  in 
Übereinstimmung  mit  der  Nator  leben,  dir  Phy.siokraten  der 
Natur  zur  Herrschaft  in  der  menschliehen  Gesellschaft  verhelfen. 
Wiederum  sind  das  sittliche  Gesetz  und  djis  Naturgesetz  in  den 
engsten  Zusammenh.ing  gebracht,  wiederum  erseheinen  Ix  ido  nur 
als  verschiedene  Aua.struhlungen  des  "We-sen-s  des  .^ehuptcrs, 
wiedenim  tritt  das  Naturgesetz  mit  einer  souveränen  Geltung 
dem  positiven  Gesetze  gegenüber,  wiederam  arfllllt  es  die  Jttngcn' 
mit  Leidensdiaft  und  Eaieigie,  die  im  18.  Jahrhundert  nicht  mehr 
durch  die  Verachtung  der  Dinge  dieser  Welt  gemildert  wird. 
Denn  gerade  auf  sie  ist  ihr  Gemüt  gerichtet.  Je  mehr  materielle 
Gentisse  die  Menschen  sich  verschaffen  können,  um  so  glüeklieher 
sind  sie,  sagt  Dupont  de  Nemours  naiv.  Der  Reichtum  !i  t  bei 
ihnen  einen  materiellen  Charakter,  hebt  1  )aire  hervor.  I^ieses 
Materielle,  Utilitarisclie  der  phy.^iokratiselien  Lehre  unterscheidet 


'  Qucsnay,  Droit  Naturel.  Daire,  Pbyeiocrates  I,  p.  53. 
*  a.  a.  0. 


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X  2. 


69 


sie  wesentlich  von  der  stoischen.  Aber  ein  andere  verl>in(h't  sie 
wieder  mit  ilmen.  Mit  aller  ^Schärfe  wird  von  ihnen  der  (iedanke 
ausgesprociien,  dafs  diese  natürliclie  Ordnung  auch  die  ftir  alle 
Völker  und  Zeiten  geltende  ist.  II  y  a  donc  un  ordre  naturel, 
«nentiel  et  g^nöral,  qui  renfermeles  lois  coimtitatives  et  fonda- 
mentalesde  toutos  les  societös,  sagt  DupoQt^,  Daher  seine 
Bekämpfimg  Montesquieus' ,  der  die  Relattvitttt  der  polituchen 
Einrichtungen  zu  seinem  Studium  machte. 

Aber  wir  haben  die  f^anze  Bedeutung  der  physiok  ratischen 
Leiue  fitr  unsere  ^^'issl'^schatt  noch  nicht  klargelegt.  Wir 
haben  unsere  Aufnierksauikcit  vorzugsweise  auf  die  sittliche  Ord- 
nung (Naturrecht}  gerichtet,  welche  Quesnay  fUr  alle  Zeiten  und 
Völker  hergesteUt  wissen  wollte.  Wir  sahen  aber,  wie  sich  in 
seinem  System  unter  die  rechtliche  Ordnung  eine  )>  h  y  s  i  s  c  Ii  e 
Ordnu^  schob  ^,  die  natürlich  ebenso  unveränderlich  ist  wie 
jene.  So  wird  Quesnay  dazu  geführt,  physische  Gesetze  der 
menschlichen  Gesellschat't,  ewige  theoretische  Naturgosetz(5  der 
Volkswirtseliaft  autzustellen'*.  Er  wird  der  Begründer 
einer  nationaiöko no mischen  Theorie  Nicht  als  ob  es 
▼or  Qjuesnay  keine  theoretiscben  Ericenntnisse  in  der  National- 
'Ökonomie  gegeben  hätte.  Die  literatureeschichte  unserer  Wissen- 
schaft weist  eine  FfUle  von  wertvollen  theoretischen  Lehren  über 
Geld,  Bevölkerunjx  Wert,  Preis,  Ackerbau,  Handel,  Steuern  vor 
•  Quesnay  nach.  Aber  es  waren  Edelsteine,  die  i!n*cn  vollen  (ilanz 
erst  zeigen  konnten,  wenn  sie  in  (*ine,  das  Ganze  des  volks- 
wirtschaftlichen Lebens  umspannende  Tlieorie  gefafst  wurden. 
Und  eine  solche,  den  Orgauisiuus  der  Volkswii'tschaft  darstellende 
und  erklärende  Theene  schufH^uesuay,  uiid  vwwt  aus  theoretischen 
Bausteinen,  die  schon  vor  ihm  bei  Davenanty  Locke,  Mandeville, 

«  H.  a.  ().  p.  HV. 

•  Die  aeue  Gestalt,  wolclic  das  Nuturrecht  bei  Qucöiiuy  uiiiümint, 
wird  Mcb  im  18.  Jahrh.  doutlic  li  «  rkannt.  So  sagt  Dupont  de  Xcmours 
in  seiner  „Notice  abn'^'ef  dcä  ditlercnts  t'crits  modoriie-  rtr.^  if  hii  k  'n: 
Oeuvres  ecouomiques  et  pbiloäophiques  de  Frau^ois  i^ue^iia^'  p.  iö2;: 
Leg  ^riv»iiis  moraux  et  politiques  ont  fitiit  souvent  tr&s-bien  sentur  la 
iußtie«'  de  quolques-unra  des  lois  iiaturcIlt'H  qu'ils  de volop|)}iioiit;  mais 
iis  ont  toujours  etö  eiubarraasea  pour  trouver  la  satiction  physique  de 
ces  uiöines  lois.  Mr.  Quesnay  a  comtneuce  ijar  constaicr  k>ur  sanction 
physique  et  imp^rieose,  et  eile  Ta  conduit  a  cn  n'coniiaitre  la  justice. 
Ob  sieb  dic>''^«  '^r.  vorhält,  kann  diihinf^eiittdlt  bleiben:  '"»icnfalls  hat  Du- 
pont den  claiiakUirib tischen  Zu^  des  Qaesnay'schen  Nalmn  clitos  richtig 

^  Als  Xatnr^csctze  bezeichnet  sie  ausdriickUch  iMoieier  de  la 
Kivi^re.  8o  heifst  es  Daire  II,  p.  4Q7:  ,,Dans  le  code  ubyeique  noua 
trouvons  trois  loit  immnables  coficeraatit  la  reurodacaont  hi  premlÄra 

porte  que  le«  avaiues  de  la  culture.  nans  lesquelle,.  H  n'est  poiiit  de  re- 
productioDai  ^ne  pounront  Gtre  faites  par  les  cultivateurs,  ouapr^  les  dö- 
peme«  k  nun  par  1'*b  propridtaires  fonciers;  la  seconae  ordoime  ex» 

preHst'ineut  que  ces  doubles  avanccs  ne  cesseront  jainais  k  se  renouveler 
dans  leur  onire  es«eiiticl.  snivant  ipie  h'  voixrs  n.iturel  de  la  destruction 
Texige,  et  ce  soud  peiue  de  l'uueautissemeut  des  produits  et  de  la  socidtä 

ti.  a  w. 


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70 


X  2. 


Cantillon  vorhanden  waren.  Er  Ut  der  Begründer  einer  orga- 
nischen Auffassung  der  Volkawirtschaft. 

Blicken  wir  aui  die  Ergebnisse  unserer  Untersuchung  zurück, 
BO  fldlt  beeondeFB  die  Thateache  auf.  dala  im  Schotee  des  Natur- 
rechtes  die  systematische  Wissenschaft  der  politischen  Ökonomie 
in  Frankreich  herangereift  ist.  Wie  das  Kind  das  Leben  der 
Mutter  gelebt  hat,  so  die  poHtische  Ökonomie  dasjenige  des 
Naturrechtes.  Wio  ^^^ch  die  allgemeinen  psychologisclien.  etliiseh«  n, 
sociologißchen  Grundlagen  des  Nnturrechtes  gej>talten,  »o  diejenigen 
unserer  Wisöcnschaft.  Die  wirtschaftspolitischen  Grundsätze  er- 
scheinen nun  mit  der  Würde  naturrecndicher  Forderungen  um- 
Ueidet.  Die  wirtschaftliche  EV«ihdt  erhalt  im  Svstem  der  Physio- 
kraten  den  Charakter  eines  gottgewollten,  unaDänderlichen ,  iür 
alle  Zeiten  und  Völker  bestimmten  Natui^gesetzcs.  Was  zeitlich 
und  örtlich  zweckniäfsig  war,  das  soll  nun  das  für  alle  Zeiten 
und  Völker  (^rechte  sein.  Aber  nicht  hlofs  (inindsiUze  der 
Wirtschaitspoiitik  enthiUt  die  neue  Wissenschaft,  sondern  auch 
theoretische  Gesetze.  Derartige  Erkenntnisse  finden  wir  iu  den 
Schriften  nicht  blofs  d^  Nationalökonomen,  sondern  auch  der 
Natnrrechtriehrer  vor  Quesnay.  Ihm  ist  aber  das  erste  um- 
fassende System  der  theoretischen  Nationalökonomie  gelungen,, 
und  er  hat  weniger  aus  der  natnrrechtlichen  Quelle  geschöpft, 
als  Adam  Smith,  wie  ich  an  einer  andern  Stelle  zu  zeigen  hoffe. 
Denn  diese  Nachweisung  wf\rde  nur  in  einem  p-anz  jlnfsern  Zu- 
samnienhanf^e  mit  der  Darttellung  der  allgemeinen  philotjophischen 
Grundlagen  der  politischen  Ökonomie  stehen. 

8.   Adam  Smith. 

Dagegen  haben  wir  das  Naturrecht  dieses  Mitbegründer» 
unserer  Wissenschaft  zu  betrachten.  Hier  türmt  sich  eine  grol'se 
Schwierigkeit  vor  uns  auf.  Adam  Smith  hat  keine  Darstellung^ 
des  Naturrechtes  hinterlasaeTi  Wie  kommen  wir  aber  daz.u,  ihn 
unter  die  Naturrechtslehicr  einzureihen?  Zunäelist  sprechen 
äufsere  Gründe  dafür. 

Wir  wissen,  dafe  Smith  der  zwdte  Nachfolger  Hutchesona 
auf  dem  Lelirstuhl  der  Moralphilosophie  in  Glasgow  war.  Die 
schottische  Moralphilosopliie  nhvv  sc  lilols  auch  das  Naturrecht  ein. 
Zudem  hat  Miliar,  ein  Sehider  Smiths,  dessen  Biographen  Dugald 
Stewart  Nacliriehten  über  die  Vorlesungen  scini  s  T/chrers  mitgeteilt, 
welche  keinen  Zweifel  darüber  lassen,  dafs  JSmlth  das  Naturrecht 
vorgetiageu  habe.  .,The  second"  (Vorlesung),  schreibt  er,  „com- 
prehcnded  Etbics  strictly  so  called"  ...  „In  the  third  part",  heilst  ea 
weiter,  ,.he  treated  at  more  lengih  of  that  branch  of  morality 
which  idatesto  justice,  and  which heing susceptlble  of  precise 
and  accurate  rules,  is  for  that  reason  capable  of  a  füll  and  parti- 
cular  explanation       Auch  diesen  Teil  seiner  Vorlesungen,  BÜut 

*  Enays  on  Philosophical  Sobjects  by  the  late  Adam  Smith.  Lod- 

doa  ms.  p.  xvn.. 


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71 


Miliar  fort,  habe  Smith  veröffentlichen  wollen,  wie  er  am  Knde 
der  Theorie  der  Tiioialibchen  Gefühle  mitteile;  aber  sein  Tod  habe 
ihn  daran  verhindeil.  Dala  die  Lehre  von  der  Gerechtigkeit, 
welche  mit  der  E<thik  den  weiteren  Begriff  der  „morality'^  aus- 
macht,  das  Katorreclit,  wie  es  Smith  verBtand,  thatsächlich  war,  zeigt 
aufs  deutlichste  die  von  Miliar  erwähnte  Schlufsstelle  des  moral- 
philosophischen Werkes.  Smith  setzt  dort  auseinander,  dafs  nur  die 
Gebote  der  Gerechtigkeit  bestimmt  und  Osenau  seien,  diejenigen 
aller  andern  Tujrenden  unbestimmt  und  ungenau ;  die  Kasuistik 
mUs&e  deshalb  verworfen  weixlen.  Die  zwei  nützlichen  Teile  der 
Moralphilosophie  wären  also  Ethik  und  JurisDrudcnz,  Jedea 
positiTe  Rechtsqrstem  dttrfe  man  ab  einen  meor  oder  minder 
unvollkommenen  Versuch  zu  einem  System  des  natttr* 
lieben  Hechtes  (natural  junsprudence)  betrachten,  oder  zu 
einer  Aufzählung  der  besonderen  Keihtsnormen.  Bei  dieser  Lage 
der  Dinge  hittte  man  erwarten  dürfen,  dals  die  Klagen  der 
Juristen  über  die  Unvollkommenhrit  der  Gesetze  der  verschiedenen 
Länder  zu  einer  Untei-suchung  darüber  geführt  hätten  „what  were 
the  natural  rules  of  justice  independent  of.all  positive 
Institution^ 

Zeigen  nun  schon  diese  Ausführungen,  dnfs  Adam  Smith 
auf  dem  Boden  des  Katurrechts  steht,  so  haben  wir  einige  Zeilen 
weiter  den  Beweis,  dafs  er  fiir  das  natürliche  Recht  <Ien  Anspruch 
erhebt,  der  Mafsstab  des  positiven  Gesetzes  zu  sein,  ein  Anspruch, 
welchen  in  der  neueren  Zeit  erst  Locke  und  dessen  Nachfolger 
mit  ailcr  Kraft  gestellt  hatten.  Das  System  des  Naturreclitea 
^,or  a  theoiy  of  thegeneral  principles  . . .  ought  to  run  through 
and  be  the  foundation  of  tne  laws  of  all  nations**.  Trotis 
der  Dringlichkeit  des  Bedttrfiiisses  scheine  aber  erst  Orotius  ein 
System  des  Naturrechtes  entworfen  zu  haben.  Das  Werk  sei 
unvollkommen,  a>ipr  bis  jetzt  das  vollkommenste  Werk  über 
diesen  Gegenstind.  Smith  schliefst  mit  der  Ankündigung,  dals 
er  ein  ähnliches  Werk  zu  veröffentlichen  beabsichtige. 

Ich  gehe  nicht  weiter  auf  den  Inhalt  des  geplanten  Buches 
ein,  welcfaen  er  dort  in  grofsen  Umrissen  entwirft;  es  genügt  mir, 
nadigewiesen  zu  haben,  dafs  Smith  ein  System  des  Naturrechtes 
vorgetragen  liat,  dafs  er  sich  zu  den  naturrecbtliehen  Anschauungen 
bekennt  und  Lockes  Ansicliten  von  dem  Verhältnis  des  natür- 
lichen Rechtes  zu  dem  positiven  Rechte  teilte.  Die  Verwandtschaft 
mit  Locke  wird  im  folgenden  noch  mehr  hervorü'eten. 

Den  Inlialt  von  Smiths  Naturreeht  kennen  wir  nur  unvoll- 
kommen. Es  ist  auch  unmöglich,  sein  System  völlig  oder  gröfsten- 
teils  SU  rekonstruieren,  während  man  mit  leidlicher  Vollständigkeit 
seine  Vorlesung  Uber  die  natürliche  Theologie  wieder  aufbauen 
kann,  wie  ich  an  einer  andern  Stelle  zu  zeigen  hoffe.  Weder 
sein  ethisches,  noch  sein  nationalökonomisches  Werk  ^renü;:en 
hierzu.  Das  crstere  e-|,  lit  wohl  die  allgemeine  ethische  (irunil- 
kge  seines  Katurreehtesj  aber  natürlich  nicht  dessen  Inhalt;  in 


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dem  letzteren  vernehmen  wir  mit  aller  Entsscliicdeuheit  einzelne 
Forderungen  des  Naturrechts,  aber  nicht  ihre  B^grttnduiig  noch 
ihren  Zuaammenhang.  Der  Inhalt  der  Unterauchang  fkbcr  den 
Reiohtnm  der  Volker  ist  nach  der  Erxahlung  des  erwflhntcn  Gc- 

wJlhrsmannes  die  weitere  Ausführung  der  vierten  Vorlesung,  welche 

Smith  in  rilasgow  hlrlt;  sie  verhfilt  sich  zum  Worke  wie  Grund- 
rifs  my\  Aufbau'.  .Sie  bildet  also  einen  Teil  des  Systems  der 
Moralpiiilusophie,  und  aus  diesem  f^runde  wird  wahrscheinlich 
der  Geist  der  Gesamtwissenschati  auch  in  ihr  leben,  die  Prin- 
cipien  der  voriieigehenden  Wissmischaften  werden  Tidldoht 
von  fem  hereinkltngen ;  aber  ihr  besonderes  Princip  ist  die 
Z w  ec  k  m  ä  l's  i  g  k  e  i  t  ^.  In  der  modernen  Staatswissenschaft 
waren  die  Frindpien  des  Gerechten  und  des  Nützlichen  nicht 
selten  miteinander  vcrrawcht  worden,  und  schon  Orotius  klagt 
J>odinus  an ,  dals  er  den  Charakter  der  Politik  nicht  richtig 
erkannt  habe,  als  zu  welcher  die  Lfchre  vom  Nützlichen  gehöre, 
^wcöhalb  auch  Arisiotcles  tiie  tur  sich  behandelt,  um  sie  mit  nichts 
Fremdartigem  m  vermengen".  Grotius  behauptet  zwar,  er  habe 
die  Lehre  vom  Nützlichen  ans  dem  Natnrrecht  ausgeschieden, 
gestellt  aber  zu,  es  an  einseinen  Stellen  mit  erwtthnt  zu  haben, 
„doch  nur  obenhin,  um  es  von  der  Rechtsfrage  zu  unterscheiden"  ^. 
Üb  Grotius  so  consequent  war,  wie  er  glaubte,  brauchen  \vir 
nicht  zu  untersuchen*.  Auch  hat  die  Vermengung  der  beiden 
Gebiete  nacii  ihm  nicht  aufgehori ;  noch  JUelfeld  stellt  seine  PoHük 
derjenigen  der  Naturrcchtslehrer  gegenüber'*.  Erst  Thomasius 
fUhrt  die  Unterschddung  zwischen  dem  Sittlichen,  dem  Gerechten 
und  dem  Nützlichen  sdiarf  durch.  Dies  wurde  schon  früher  er- 
wähnt, auch  des  Einflusses  gedacht,  welchen  die  Vertreter  der 
Stafitsraison  hierauf  halten.  Vielleicht  hat  Smith  von  Thomasius' 
Vorgehen  mehr  Kenntnis  g'  habt,  als  wir  wissen.  So  viel  ich 
dag  zu  beurteilen  vermag,  war  er  der  erste,  wt  Icher  fliese  drei 
Gebiete  in  tier  schottischen  iMoralphilosophie  säuberlich  sonderte. 
Und  dals  er  sie  scharf  geschieden  haue,  wird  man  aus  den 
Worten  Millars  entnommen  haben,  der  die  „Ethics"  „strictly  so 


>  Wlmt  he  delivercd  on  tbese  subjects  contained  tiic  Bubstauce 
of  tho  woik  he  afterwurds  published  uiider  the  title  of  An  luquiry  into 
the  Xature  and  causes  ot  tho  weUtli  ..f  Nations.  A.  a.  O.  p.  XVI II. 

-  In  th(>  last  part  ')f  lu>  I»  c  tiirc  .s,  he  exainined  tbose  poHtical  roiru- 
latioLtis  whii  h  are  foundtd  nut  upoii  the  priuciple  of  jjustice,  but  that 
of  expe  1  i  ency,  a.  a.  O. 

^  Einleitung,  jT  'i'd.  A,  von  Kiichmann. 

*  Eine  Entscbuldi^unu  hnt  er  in  seiner  Meinung:  „Aber  dem  natür- 
lichen Rechte  tritt  such  der  Nutxen  hima;  denn  der  SchSpfer  wollt«, 

dafs  wir  als  <-in/<'h)«'  .Kthwach  -<'i«'ii  utul  zum  rcchtfn  Lrticn  \nchr8  be- 
dürfen, damit  wir  desto  melir  zur  PÜege  der  (ieselligkeit  angetrieben 
würden."    Eitd  ,  10. 

*  Pufcmlorf,  (ir<itiii>  u.  a.  nennt  er  „auteurs  c^l&bres  qui  out  par- 
seine  \our^  niivragcs  de  belles  retiexions  poiitiques  et  conabiu^  de  cette 
niauiere  diverses  scicnces. 


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X  2. 


78 


called",  die  „ Justice ilereii  Normen  mit  aller  Genauigkeit  ange- 

feben  werden  könnten,  und  die  Politik  unterscheidet,  die  auf 
em  Princip  der  „expediency^  beruht. 

Wenn  aber  Smith  die  politische  Ökonomie  als  ^nen  Teil 
der  L<hre  vom  Nützlichen  betrachtet  hat,  so  dürfen  wir  im 
„Weaith  of  Kations keine  AufklArong  Aber  sein  Naturrecht  er- 
warten. Sollte  aber  auch  das  genannte  Werk  dadurch  von  der 
vierten  Vorlesung  verschieden  sein,  dals  sieh  das  naturrechtliche 
Element  in  ihm  geltend  machte,  so  durften  wir  doch  nur  o'me 
Darstellung  des  wirtscliaftUchen  Naturrechtes  zu  tindeu  hoffen. 
Versuchen  wir  nun  dasjenige,  was  sein  natlonalOkonomkches 
Werk  an  naturrechtiichen  Bestandteilen  enthfttt^  susammen- 
stttragen. 

Smith  tritt  an  verschiedenen  Stellen  der  Beschritnkung  der 
natmlichen  Freiheit  mit  der  gröfsten  Entschiedenheit  entgegen. 
Gegen  die  Beschränkung  in  der  freien  Verwendung  der  Arbeita- 
kraft  infolge  von  Lehrlingsgesetsen  spricht  er  sich  in  einer 
Weise  aus.,  die  an  Locke  und  die  Physiokraten  erinnert.  „The 
property  which  every  man  has  in  his  labour,  as  itis  the 
original  f o  u n  d  a  tion  of  property.  so  it  is  the  raost  s.icred 
and  inviolable."  J Behinderungen  in  der  Ausübung  dieses  Keelitf^s 
«ei  „a  piain  violation  ol'  this  most  sacred  property'*  und  „a  nunn 
fest  encroachment  upon  the  just  liberty,  both  of  the  workman 
and  of  those  who  mieht  be  disposed  to  employ  him"  Die  Aus- 
weistmg  eines  schuldlosen  Mannes  infolge  des  Niederlassungs- 
gesetzes  sei  „an  evident  violation  of  natural  liberty  and  justice" 
Die  Beschränkung  des  freien  Korahandels  tadelt  er  in  ähnlicher 
Art:  „To  liinder  .  .  tlie  farmer  from  sending  his  goods  at  all 
tinies  to  the  best  markel,  is  evidently  to  sacritice  tlie  ordinary 
lawK  of  justice  to  an  idea  of  public  Utility,  to  a  sort  of  roa.son  of 
«täte"  ^.  Von  dem  Gesetze,  welches  den  Gewerbetreibenden  daran 
▼erhindertey  einen  Loden  su  halten,  und  einem  anderen,  welches 
dem  Pächter  das  Geschäft  eines  Komhändlers  aufdrängte,  »agt 
er  gleichfiüls :  ^Both  laws  were  evident  violations  of  naturu  liber^, 
and  therefore  unjust"  Ist  also  entweder  unbeschränkte  Arbeits- 
(Gewerbe)  freilK-it.  oder  Niederlassungsfreiheit,  oder  Handelsfreiheit 
durch  das  Naturrecht  geboten,  so  kann  man  allgemein  sagen: 
„To  prohibit  a  grcat  people,  however,  from  niaking  all  that  they 
can  of  cvery  part  of  their  own  produce,  or  fi  om  employ in^  their 
stock  and  mdustry  in  the  wa)^  that  thev  iudge  most  advantageous 
to  themsetves,  is  a  manifest  violation  of  the  most  sacred  rights  of 


'  l,  p.  166  (Auäeabe  von  1809,  Ediuburgh). 

a  a.  0.  I,  p.  194. 
'  II,  p.  363. 
*  II,  p.  SW). 


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74 


mankind'*  Unbeschrauktu  Arbeits-  und  Kapitailreiheit  gehört 
za  den  angeborenen  Menachenrediten. 

Si^t  man  hierin  au6  deatbchBte  den  Schüler  Lockest 
welcher,  wie  er  den  Begriff  des  Privateigentums  in  den  Vorder- 
grund rückt,  die  Grundsätse  des  Lehrers  konBec|uent  auf  daa 
C5ebiet  der  Volkswirtschaft  anwendet,  und  das  subjektive  Natur- 
recht  in  einer  Reihe  von  wirt.schaftlichen  Urrechten  auflöst,  so 
werden  wir  diese  Thatäache  noch  deutlicher  in  der  Abgrenzung 
der  Stiiatstiiätigkeit  erkennen.  Ii»  den  Irummcru  eines  von 
Dugald  Stewart  erhaltenen  Anfrataea  will  er  Tom  Staate  nur 
Frieden  nnd  eine  erträgliche  Rechtapfie^.  Am  Ende  des  Tierten 
Bttdhes  dvs  „Wealth  of  NationB"  weist  er  ihm  die  Au%abe  au,  nach 
aufsen  Frieden  zu  erhalten,  nach  innen  das  Recht  au  schützen, 
drittens  öfTentlieho  \yorke  und  Kinriehtungen  zu  begründen  und  zu 
erhalten,  welclie  man  vom Frivatiuteresse  niclit  erwarten  dtirfe.  Wie 
sich  diese  Abweichung  von  dem  Aufsätze  erklart,  wird  später 
erörtert  werden.  Hier  tritt  also  wiederum  die  Abhängigkeit  von 
Locke  klar  hervor.  Smith  nennt  sein  System  sweimal  kurz  nach- 
einander charakteristisch  ,,system  of  natoral  liberty*'.  Er  könnte 
diesen  Ausdruck  nicht  gewählt  haben,  wenn  er  niclit  auf  dem 
Boden  einer  Theorie  stände,  die  im  Naturzustande  aUe  Menschen 
frei  sein  läCst  und  diese  Freiheit  durch  die  Begrttndui^  des  Staats 
keinesw^s  fUr  aufgehoben  nnsielit. 

In  dein  Lande,  wo  dlcaa  Grundsätze  durchgeführt  werden, 
muls  sich  die  freieste  Konkuirenz  einstellen.  Smith  ist  gc7.wungen, 
auch  zu  behaupten,  die  freie  Konkurrena  sei  nach  Katurrocht 
eerecht  Ich  kann  mich  aber  nicht  erinnern,  den  Sata  in 
cli(  >  i  oder  einer  fthnlichen  Form  bei  ihm  gelesen  su  haben. 
Wohl  haben  wir  eine  grofse  Zahl  von  Ausführungen  über  den 
Nutzen  der  freien  Konkurrenz-  und  andere,  in  denen  er 
positiv  sagt,  dafs  nach  Naturrecht  jedem  die  völlige  wirt- 
schattliche  Freiheit  gestattet  sei  So  heilst  es  in  der  angezogenen 
Stelle  am  Schlüsse  des  vierten  Buches:  ^Every  man,  as  long  as 
he  does  not  violate  the  laws  of  justice,  is  left  perfectly  free  to 
punue  his  own  interest  his  own  way,  and  to  bring  both  bis 
mdustrj  and  capital  into  competition  with  those  of  anv  other 
man,  or  order  of  men.''  Sein  Ideal  ist  dn  rechtlicher  Zustand, 
wo  e8  jedem  erlaubt  ist,  ,.to  pursue  hh  own  interest  Iiis  own 
way  ujton  the  liberal  ])lan  of  equality.  liberty,  and  justice H^r 
Stiiat  darf  also  niemand  auf  Kosten  eines  andern  bevorzugen: 
„To  hurt  in  any  degree,  the  interest  of  any  one  order  of  Citizens, 
fbr  no  other  purpose  but  to  proniote  that  of  some  other,  is  evidently 
contrary  to  that  justice  and  equality  of  treatment  which  the  sovereign 
owes  to  all  the  different  ordera  of  bis  subjects" 

»II,p.  424. 

*  z.  B.  Ü.  p.  88,  300,  343,  350,  862. 
rri,  p.  31. 

*  III,  p.  lö. 


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X  2. 


75 


Der  von  Smith  gewünschte  Rechtszustiind  beruht  also  auf 
folgenden  Grundlagen:  Freiheit,  Gleichheit  und  Gerechtigkeit. 
Wm  wir  unter  wirfeMhaftUeber  Freiheit  zu  ^enteilen  haben^  iet 
nach  den  vorhergehenden  Ausführungen  klar.  Die  Gleichheit  itt 

identisch  mit  der  Forderung,  dafs  die  Regierung  keine  kUnst- 
liclien  Ungleichheiten  durch  merkantilistisclie  und  ziinftlerische 
Malsrefiieln  schaffen  soll.  Dala  er  merkantilistische  Marsr(  g<'ln  im 
Auge  hat.  zeigt  der  Zusammenhang,  in  welchem  die  letztangezogene 
Stelle  auftritt,  dal's  sie  aber  auch  auf  andere  Beschränkungen  aus- 
ehnt  werden  muls,  ihr  Wortlaut  Dieee  Auffiissung  wird 
urch  unteratlltst,  daft  er  einmal  das  Wort  ,,inequa]ity  ge- 
braucht, wo  er  Ton  Beschränkungen  der  Gewerbefreiheit  spricht  *• 
Man  möchte  nun  glauben,  Smith  lehre,  das  Privatinteresse 
aller  solle  vollständig  ungebunden  walten,  ungehindert  durch  alle 
Hemmungen  der  Regierung,  welche  einzelnen  Vorteil  bringen. 
Aber  da  erbebt  er  die  Forderung  der  Gerechtigkeit  und  bereitet 
unlösbare  Schwierigkeitt  n. 

Zwar  hat  uns  Smith  über  die  Stellung  dieses  Begriffes  in 
adnem  System  der  Ethik  auljj[eklirt  Die  Gerechtigkeit  ist  eine 
Tugend  Ton  wesentlich  negativem  Charakter,  welche  durch  die 
StaatBgeeetEe  erzwungen  werden  kann  und  gegebenen  Falles  er- 
zwungen werden  soU.  Sie  bethätigt  sich  in  der  Enthaltung  von  der 
Schädigung  anderer  Personen,  ihres  Eigentums  oder  Rufes.  Smith 
hat  also  otl'enbar  gemeint,  das  Waltt  ti  des  Selbstinteressef>  und  der 
Konkurrenzkampf  solle  durch  p<>.>itivc'  ( icsctze  eingescliriinkt  werden. 
Aber  Uber  den  Inhalt  dieser  Gesetze  hat  er  uns  wenig  gesagt, 
und  somit  stehen  wir  vor  einer  LQcke,  die  nicht  nur  wissenschaft- 
licb,  londem  auch  praktisch  beklaet  werden  mu(s.  Denn  eben 
diese  Lticke  hat  den  grO&ten  und  verderblichsten  Ejinflufs  aut 
die  europäische  Politik  ausgetlbt  Doch  uns  interessiert  nur  die 
wisseDschaftliche  Seite  der  Frage. 

Die  Lücke  kann  auch  nicht  durch  Ausführungen  früherer 
Naturrechtslehrer  ergänzt  werden;  denn  sie  kannten  weder  die 
all:>eitig  durcligclidirtr  Konkurrenz  noch  die  fn  ie  Konkurrenz 
innerhalb  der  Schranken  der  Gerechtigkeit.  Smith  sagt  ja  auch 
anscbilddiGh,  wie  erinnerlich  sein  wird,  dafs  die  Nonnen  der  Qe- 
reehtigkeit  ms  dahin  nicht  genügend  daigestellt  worden  seien.  Da 
er  diese  Behauptung  noch  kurz  vor  seinem  Tode  in  der  letzten 
Auflage  der  Theorie  der  moralischen  Gefühle  wiederholte,  so  dürfen 
wir  auch  nicht  das  phjsiokratische  System  zur  Aushilfe  heran- 
sielien« 


The  policy  <>(  Kuropo  (  cca^ions  a  vcry  important  i in' <|  ii  al  i  t y  in 
the  whole  of  the  advantagos  and  disadvantages  in  tbe  diüereut  emplojr- 
nentB  of  labour  and  stock,  bv  restn^in^  tbe  coropetition  in  some  em- 
ployments  to  a  smaller  member  thsn  might  othcrwisc  be  di8))ose(l  to 
enter  into  tlieni.  'I'lie  exchisiv»-  privilogw  of  corporationa  are  the  prin» 
cipal  meana  it  mukes  use  <»t'  t*>r  this  purpobc.   1,  p.  103. 


76 


DhTs  die  Normen  der  G<*n'c  htigkeit  genau  angegeben  werden 
könnten,  behauptet  Smith  ausdrücklich,  wie  wir  gesehen  haben. 
Dafs  er  sie  vorgetragen  habe,  teilt  uns  «ein  Scbttler  mit 

80  kann  also  kein  Zweifel  darüber  herrschen,  dafe  das 
Fehlen  dc<  1  turrechtlielK  n  Systems  Adam  Smiths  uns  auf  immer 
daran  verhindern  wird,  die  (Grundsätze  seiner  Volkswirtschafts- 
politik richtig  zu  verstehen  Das  Verbrennen  des  Smithschen 
Kollegien  heften  ist  kein  so  erfreulicher  Akt,  wie  ein  bekannter 
Gelehrter  gemeint  hat. 

Und  nicht  nur  durch  positive  Gesetze  ci-wartcte  Snuih,  wie 
mir  scheint,  das  wirtschafthche  Leben  beschränkt  za  sehen.  Er 
hoffte  auch,  so  ekube  ich,  auf  eine  rege  Wirksamkeit  der  öffent- 
lichen Meinung,  dieser  Macht,  welche  Locke  bekanntlich  in  die  Ethik 
eingeftÜ^irt  hatte.  In  der  Theorie  der  moralischen  Gefühle  findet 
sich  eine  Stelle,  in  welcher  Smith  ausHihrt,  da  Ts  die  unbeteiligten 
Zuschauer  keinen  Widerwillen  gegen  denjenigen  fühlen,  welcher 
im  Wettlaufe  um  Reichtum,  Ehre  und  Beiorderung  nach  KrfJften 
rennt  und  jeden  Nerv  und  jede  Muskel  anspannt,  um  allen 
Mitbewerbern  den  Rang  abeuUufen.  Sollte  er  aber  ^cn  bei- 
Seite  stofsen,  oder  su  Boden  werfen,  dann  sei  ihre  Nachsicht  xa 
Ende^.  Ob  sich  Smith  in  der  Beurteilung  der  Menschen  geirrt, 
kann  uneiOrtert  bleiben;  jeden&Us  zeigen  diese  AusiUhrungen 
beiläufig  seine  feste  Überzeugung  von  der  elementaren  Gewalt  de^ 
menschlichen  Eigennutzes.  Ja,  der  Egoismus,  welchen  Smith  im 
wirtschaftlichen  Leben  }>ulsieren  iHfst,  ist  wenigstens  ebensogrol's 
wie  derjenige,  dessen  VN'irkuugeu  die  Jünger  des  Hubbes  iui 
Anfang  ihrer  natarrechtlushen  Schriften  und  bei  der  Schilderung 
des  Naturzustandes  darstdleo^ 

Wir  sind  nicht  imstande,  uns  ein  genaues  Urteil  darüber 
SU  bilden,  welches  die  Vorstellung  Smiths  vom  Naturzustand 
gewesen  s^i  Ab^r  sein  nationalökonomisches  Werk,  in  dem  er 
immer  wieder  auf  den  „rude  State  of  societ)-  zurückkommt, 
zeigt,  dafs  er  einen  rohen  Zustand  der  menseldichen  Gesellschaft 
angenommen  habe.  Seine  Ausführungen  im  letzten  Buche  be- 
weisen, dafs  er  den  Zustand  der  Jägervölker,  io  dem  weder  eine 
bürgerliche  Gesellschaft  noch  eine  Obrigkeit  besteht,  für  den 
niedrigsten  Gesellschaftszustand  gehalten  habe,  denjenigen  der 
Hirtenvölker  lür  einen  fortgeschritteneren :  sie  leben  unter  einem 
Oberhaupte.  Als  den  dritten  betrachtet  er  das  Dasein  ackerbau- 
treibender Völker,  ohne  diircligefiilirte  .ArlM'itst'-ilung.  deren  Privat- 
wirtschaft sich  noch  wenig  aur  Verkehrswirtscl;  ift  entwickelt  bat. 
AUmilhlieh  löst  sich  das  Gewerbe  vom  Ackerbau  ab,  die  Handels- 
beziehungen werden  rege,  und  damit  entsteht  der  vierte  Gesell- 


^  Theory  of  Moral  .Centimen ta.  A  new  edition,  Baail  1793.  I,  j).  liiO. 

'  Siehe  z.  U.  Pufendorfs  Werk  über  die  Ptiichteu  des  Meusclien  und 
des  Bürgen,  das  8.  Kapitel  des  l.  Buches,  das  1.  und  5.  Kapitel  des 
2.  Baches. 


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X  2. 


77 


Schaftstypus,  welchen  Smith  „commercial  socicty"  nennt.  Die 
Arbeitsteihmg  ist  nnn  weit  entwickelt,  ein  jeder  .stellt  durch  eigene 
Arbeit  nur  einen  Teil  der  Mittel  zur  BetViedi^ng  seiner  Bedürf- 
nisse her,  und  so  wird  Jeder  bis  zu  einem  {gewissen  Grade  ein 
Kaulmann.  Die  psychologische  Achse  dieser  Handels-  und  Tausch- 
gesellschaft ist  das  Selbstinteresse.  Die  Individuen,  mit  Aus- 
nahme der  Bettler,  können  von  den  andern  nur  dann  etwas  er- 
halten, wenn  sie  ein  Äquivalent  zu  bieten  habend 

Aus  dieser  Ubersicht  scheint  mir  hervorzugehen,  dafs  sich 
Smith  den  Naturzustand  nicht  so  farblos  -  abstrakt  vorgestellt  hat, 
wie  die  älteren  Natiirrcchtslehrer ,  und  dala  von  ihm  selbst  in 
der  rohesten  Daseinsform  die  Existenz  einer  natürlichen  Gesell- 
schaft angenommen  worden  ist.  Auch  die  Arbeitsteilung  ist  nach 
ihm  keine  Einrichtung,  die  erst  später  künstlich  eingetiihrt  wurde ; 
sie  ging  aus  der  Verschiedenheit  der  Talente  und  dem  Tausch- 
triebe hervor  und  hat  schon  bei  Jäger-  und  Hirtenvölkern  be- 
standen Nur  konnte  sie  sich  anfänglich  wenig  entfalten,  da 
der  Markt  und  ein  Tauschraittel  fehlte.  Ja,  in  dem  i-ohesten  Ge- 
sellschaftszustande  müssen  sich  schon  Ungleichheiten  des  Vermögens 
eingestellt  haben  und  zwar  infolge  der  Verschiedenartigkeit  der 
Talente^.  Andere  Unterschiede  waren  aber  nicht  vorhanden; 
denn  das  Land  stand  noch  im  Gemeineigentum,  und  Kapitid 
existierte  noch  nicht"*.  Sobald  sie  eingeftihrt,  bezüglich  gebildet 
worden  waren,  standen  sich  Unternehmer,  Grundbesitzer,  Kapitid- 
besitzer  und  Arbeiter  gegenüber.  Die  (unindbesitzer  und  Kapital- 
besitzer beanspruchen  einen  Anteil  am  Ertrage  der  Arbeit,  welcher 


'  r.  Buch,  Kiij..  2  u  4. 

^  Die  von  Smith  gelehrte  Gleichheit  im  Naturzustande  (B.  I,  Kap.  2) 
ist  nicht  so  profs,  wie  sie  einigen  Scbriftstelleni  erscheint.  Er  liobt  mit 
ffrofser  Richtigkeit  hervor,  dafs  (Gewohnheit,  Erziehung,  Arbeit  und  Beruf 
uic  Menschen  stark  ditferenzieren.  Dafs  .si»  li  ein  Philosoph  und  ein 
I>aftträger  erst  nach  dem  >*.  Lebensjahre  zu  unterscheiden  anfangen,  liegt 
darin,  dafs  „the  diti'orence  of  talents  comes  then  to  be  takcn  notice  oP. 
Diese  VerschieiU'nlu'it  unif«  also  doch  schon  vorher  vurhautlen  gewesen 
sein,  l  brigens  korrigiert  Smith  seine  frühere  Aussage  auch  später  in 
folgender  Stelle:  _By  nnture  a  philosopher  i.s  not  ni  genius  an«!  dis- 
poeition  h.ilf  so  difforont  from  a  street  porter,  as  a  mnftift"  is  from 
•  grey-hound  etc."  Es  ist  also  von  Natur  eine  Ver8rhi<'d»'nlnMt  da.  Aufser- 
dem  sagt  er:  „In  a  tribe  of  hunters  or  .shephenls  a  particular  person 
makes  bows  or  arrows.  for  example,  with  ni<»re  readiness  and  de.\terity 
tban  any  other."  Selbst  in  dem  nit-dricsten  (je^ellsrhaftszustande  hat  alfo 
die  Natur  die  Menschen  mit  verschieaenen  CJaben  ausgestattet.  I'brigens 
ist  das  2.  Kapitel  kein  Muster  an  Präcision  des  Stils. 

'  if  the  one  species  of  labour  and  dextmty  requires  an  uncommon 
degree  of  dexterity  and  ingtnuity,  the  esteem  which  men  have  for  such 
talenta.  will  naturally  give  a  value  to  their  produce.  superior  to  what 
would  be  due  to  the  time  oinployed  about  it  .  .  .  something  of  the  same 
kind  (höher«'  Ixihne  in  dem  fortgeschrittenen  Zustand  der  Gesellschaft) 
must  probably  have  taken  place  m  its  earliest  and  nidest  period.  H.  I, 
Kap.  6. 

*  I,  Kap.  fi  u.  8.  II,  Introduction. 


DiqitizedgyLjQOQle 


78 


X  2. 


jetzt  nicht  mehr  all<  in  dem  Arbeiter  zut  illt.  und  infolge  dessen 
entspinnt  sii  li  ein  Kampf  der  Interessen  zwischen  ihnen :  jede 
Klasse  möchte  den  grölsteü  Anteil  haben.  Zwischen  den  be- 
sitseDdeo  Kluseo  herncht  auch  keine  Harmonie  der  Interessen ;  im 
allgemeinen  verstehen  es  die  Gewerbetreibenden  und  Ranfleute,  die 
Orundbesitser  für  ihre  Zwecke  zu  mifsbrauchen,  und  das  Interesse 
der  Krämer  ist  immer  in  einer  gewissen  Beziehung  dem  der 
Konsumenten  entgegengesetzt.  So  malt  Smith  ein  sehr  trauriges 
Bild  dir  ..Handels «gesell schaiV',  wr-l^hes  dureli  die  unleugb;irt'n 
Lichtseiten  nicht  V()l]ig  verändert  werden  kann.  Denn  wenn  sich 
nun  auch  iut'ulge  der  immer  mehr  zunehmenden  Arbeitsteilung 
und  der  durch  sie  bedingten  Einführung  y<m  Maschinen,  weldie 
erst  die  Ansammlung  von  Kapital  und  die  Ausbildung  eines 
Tauschmittels  ermöglicht  haben,  der  Reichtum  ungeheuer  ver- 
mehrt liat,  so  bietet  doch  die  Oesellschaft  das  Schauspiel  einer  all- 
gemeinen ZeiTissenheit  der  Interessen  und  einer  unheilvollen  Ein- 
seitigkeit der  Bildung  bei  den  arbeitenden  Schichten  des  Volkes. 
Kur  auf  zwei  Klassen  ruht  Smiths  Auge  nut  Liebe,  auf  den 
Grundbesitzern  und  den  Arbeitern;  denn  ihre  Interessen  sind 
immer  mit  dem  Interesse  der  Gesellschaft,  mit  dem  Fortschritte 
des  Gänsen  ▼erknttpft,  während  das  von  den  Kapitalbesitsem 
keineswegs  gesagt  worden  kann.  Aufserdem  verstehen  diese 
ihr  Interesse  bosser:  sie  sind  häufig  organisiert  und  auch 
mehr  «geneigt,  ihren  Nutzen  auf  Ko>t*^n  fh.'v  Oesellschaft  durch- 
zusetzen, als  der  arme  ungebildete  Arbeiter  und  der  reiche,  ^rols- 
mütige,  an  eeistige  Arbeit  wenig  gewöhnte  Grundbesitzer,  welcher 
isoliert  auf  dem  Lande  lebt*.  Die  schmutzige  Selbstsucht  der 
Kaufleute  und  Gewerbetreibenden,  ihre  Sophismen  und  ihr  lautes 
Geschrei  nach  Schutz  des  nationalen  Hanaels  und  des  nationalen 
Gewerbes  haben  das  Merkantilsystcni  ins  Leben  gerufen.  Man 
täuscht  sicli,  wenn  man  Smith  und  die  sich  an  Qncsnay  an- 
sohliefsenden  Piiysiokraten  für  Kosmopoliten  in  dem  gewöhnlichen 
Sinne  dieses  Wortes  halt:  beide  haben  es  gelegentlich  hervorge- 
hoben, dal'b  die  grol'sen  ivauileute  kein  Vaterland  besäiisen  und 
sie  zeigen  eine  entschiedene  Vorliebe  fUr  den  Ackerbau*. 

Wenn  man  diese  Ausführungen  Smiths  durchdenkt,  so  Iftfst 
sich  die  Vermutung  nicht  abwehren,  dafs  er  die  EintUhrung  des 
Grundeigentums  nicht  für  einen  so  heilsamen  Schritt  in  der  Ent- 
wicklung der  Völker  l^^'Ii alten  habe,  wie  die  Physiokraten,  oV» 
gleich  er,  wie  frtiher  bemerkt,  in  der  Ableitung  alles  Eigentums 
aus  dem  persönlichen  Eigentum  mit  ihnen  übereinstimmt.  Auch 
bricht  im  6.  Kapitel  des  ersten  Buchen  cm  geheimer  Groll  ge^en 
die  socialen  Zusttode  hervor,  die  der  Beseitigung  des  gemein- 
samen I'igentums  gefolgt  sind.  Ob  er  unter  dem  Einflüsse  Rousseaus 
gestanden  hat,  vermag  ich  nicht  zu  sagen.  Smiths  Recension  der 


'  Eml''  des  erstoii  BikIio:^  und  II,  p.  2il. 

»  FUr  :5mith  B.  II,  Kap.  V.   Für  Mercier,  Daire  II,  p.  559  fF. 


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79 


Schrift  „Sur  l'origine  et  les  fondements  de  l'in^galit^  ]>amii  les 
iiommes",  welche  hierüber  vielleicht  einige  run^^  geben 

könnte,  stand  mir  nicht  zur  Verft^gung^  und  andere  Methoden, 
Bich  über  diesen  Punkt  zu  unterrichten,  sind  nur  nicht  bekannt. 
Aber  die  Meinung  Smiths  läfst  sich  mit  einiger  Wahrscheinlich- 
keit aafheUen,  ohne  da&  maxi  an  eine  Einwirkung  Rouneaas 
itenkt  Je  mehr  man  sich  mit  Smith  beschäftigt,  um  so  mehr 
aebt  man,  wie  sehr  seine  Entwicklang  durch  Hutcheson  bestimmt 
worden  ist.  Dieser  aber  steht  dem  Privateigentum  schon  viel 
nüchterner  gegenüber  als  Locke  und  die  Physiokratcn ,  und 
wenn  er  auch  den  Communismus  ganz  und  ^^rv  vcrwirll,  so 
macht  er  doch  in  der  Weise  moderner  Soziahctoj  nier  \'orschläge 
Kur  Beseitigung  der  Uuzuträglichkeiten  des  Privateigeutums  ^. 

Dem  Lemr  Smiths  entgeht  auch  nicht  ein  grofser  Mangel 
der  Lockeachen  Theorie,  welche  auf  Seite  51  dieser  Schrift  be- 
zeichnet worde :  nämlich  die  Unmöglichkeit  zu  sagen,  bd  welcher 
Ausdehnung  das  Privateigentum  an  Grund  und  Boden  aufhört, 
durch  das  KatiuTCcht  gerechtlertigt  zu  sein.  Hutcheson  i'olcmi- 
siert  keineswegs  gegen  Locke,  dessen  l'heorie  er  ja  annimmt; 
aber  seine  Ausführungen  kuimten  den  Scliüler  immerhin  zu  einer 
Fortbildung  der  Lockeschen  Lehre  anregen,  welclie  iui  Natur- 
techte  Smmis  vieUeicht  vorhanden  war. 

So  sdieint  mir,  dafe  Smith  von  dem  Naturrecht  Hutchesons 
m  den  schroffen  Sätzen  des  6.  Kapitels  gelangen  konnte.  Für 
noch  wahrwjheinlicher  halte  ich  es,  dafs  er  die  naturrechtliche  Be- 
gründung und  die  historische  Entstehnnp:  und  Verteilung  des 
Privateigentums  an  Grund  und  Hoden  gegenüb<^r^c.stpllt  habe, 
was  fiir  einen  Mann  wie  Smith ,  welcher  die  ganze  Kraft  des 
naturrechtlichen  Geistes  in  sich  verspürte  und  doch  von  dem 
Hauche  der  heranwehenden  hiatoraBdien  Luft  kittftig  berührt 
wurde  y  den  Gegenstand  der  interessantesten  Betrachtungen  ab- 


'  Delatour  giebt  nur  eine  kurze,  für  unseni  Zweck  ungenügende 
Übersicht.   Adam  Smith,  Sa  vie  et  aes  travaux,  Paris  188ß,  p.  84. 

•  Auch  Hutcheson  verkannte  die  Schattenseiten  des  Privat- 
eigentums nicht.  Obplf'ic'h  er  der  Menschennatur  neben  den  aelbst- 
sücbtigeD  Trieben  entschieden  wohlvvoUende  zuschreibt,  zweifelt  er  an 
4er  M^lichkdt  t&nes  konununistischen  (rcmcinwcsens  in  dem  „thc  worst 
of  men  have  the  gcncrous  and  imiuhtrious  for  tlmir  slavos"  (Tihnlich  wie 
Proudboo),  und  er  meint:  Kothing  cau  so  eöectually  cxeite  tneu  U> 
coBstant  patience  «od  diligence  in  all  sorts  of  iiseftil  indnstrj,  as  the 
}u.p<-^  of  fu  ture  woalth.  ease,  and  plea.«;ure  to  themselves,  thcir  offspring, 
and  all  who  are  dear  to  them,  and  of  some  honour  too  to  themselves  on 
account  of  their  iugcnuity,  and  activity  and  liberalitv  u.  s.  w.  (Ii.  II, 
ili  »i.  V.l.  Er  begründet  das  Privateigentum  in  .der  Weise  Lockee  und 
der  Physiokratcn,  betont  aber  die  „uiconveniencies  arising  from  pro- 
perty-',  wenn  er  sie  auch  nicht  für  so  grofs  hält,  als  diejenigen,  „wbich 
moflt  eoene  upon  conunttnity''.  Er  oieint,  dafs  rieh  cBe  meisten  beseitigen 
lai<?cn  _bya  cens?orial  power,  and  proper  laws  aboiit  nduca- 
tioU|  testamcuts,  and  auccession''.  Das  ist  der  Standpunkt 
aodcnier  Soeialrefonrnr. 


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80  X  2. 

geben  iiuifste.  Welche  Fülle  von  Tliatsachen  konnte  ihm  die 
englische  Agiaigeachiclite  liefern!  Die  Vermutung,  die  ich  hier 
auaBproehe,  ist  so  wohl  begründet,  wie  eine  Vermutung  adn  kann; 
wem  Biograph  teilt  uns  mit,  dafs  Smith  eine  CTofse  Vorliebe 
fUr  derartige  Spekulationen  gehabt  habe;  seine  Vorlesung  über 
das  Naturracht  sei  Uberreich  daran  gewesen  ^ 


Nach  den  vorhergehenden  Ausf^ihrungen  kann  ea  nicht  über- 
raschen, dafs  wir  in  dem  nationaiükonoraischen  Werke  Smith» 
eine  Menge  von  Ausführungen  über  den  JE^ismus  finden,  jene 
Kraft,  aus  deren  Wirksanäeit  Hobbes,  Fufcndorf  Recht  und 
Staat  hatten  hervorgehen  lassen.  Was  uns  Smith  im  „Reichtum 
der  Völker"  bietet,  sind  natürlich  Aussapen  tiber  den  wirtschaft- 
Hchon  Egoismus.  Indem  wir  sie  klassifizieren  nnd  annlysieren, 
^^('langen  wir  einen  Schritt  weiter  in  dem  Verständnis  semer  Grund- 
anKchauungen.  Es  ist  aber  notwendig,  dabei  sehr  sorgfältig  zu 
W^erke  zu  gehen,  auf  die  Gefahr  hin,  Bekanntes  zu  wiederholen^ 
da  sich  sonst  Unklarheiten  nicht  vermeiden  lassen. 

Eine  Klasse  von  Aussagen  tadelt  das  unsittliche,  andere 
schttdigende  Streben  nach  Gewinn;  er  findet  es  vonugsweise  bei 
Kaiifleuten  und  Gewerbetreibenden  Eine  zweite  Klasse  enthält  die 
Psychologie  des  \\'irt8chaft'ilebens.  Smitli  erklärt  jedem  Menschen 
den  Trieb  nacii  iiesserung  seiner  Lebenslage  angeboren^.  Diese 
Behauptung  hatte  Bielfeld  fest  mit  densilben  Worten  ausge- 
sprochen^. Aber  auch  von  Smith  war  schon  in  seinem  ediisdieii 
Werke  bemerkt  worden,  der  Drang,  sich  zu  erheben,  bewege 
alle  GeseUachaftsklaasen,  und  der  Trieb,  ihre  Lage  zu  verl)e.ssrm, 
sei  iülen  Menschen  gemein.  Er  leitet  ihn  dort  psychologisch 
ans  'lern  ^A'unsche,  geehrt,  geschätzt  zu  werden,  d.  h.  die  Sym- 
pathie der  Mitmensclien  zu  erwerben  her,  da  alle  Menschen 


^  a.  a.  O.  XLIV.  JKacbdera  Stewart  amgefUhit  bat,  dafn  Smith  auf 
seine  Theorie  von  dem  natfirlichen  Fortscluitt  des  Rdehtmnt  ebe  Unter- 

Buchunf;  (kr  Ursachen  folgen  Iftfst,  welche  ihn  umgekehrt  habm.  fihrt 
er  fort:  Iiis  lectores  on  jurispradence  seem  .  .  .  to  have  abounüed  in 
such  enquiries. 

*  The  private  interest  of  onr  meicbants  and  tnanufacturers  maj, 

perlmps,  have  rxtorted  l'rom  the  legislature  thcso  exemutions  as  well  aa 
the  greater  part  ot  our  ofhcr  coinmercial  regulations.    Iii,  p.  3. 

Peoplc  of  the  aame  tiatie  seldoin  rneet  together.  evoii  lor  raerriment 
and  divenion,  bot  the  convenation  ends  in  n  (  n  ]  racy  agahiat  the 
public,  or  in  some  confrivanee  to  reise  prices.   1,  p.  117. 

"...  tli<<  «lo^nc  ot  Ix  ttnnn;?  nnr  conflition;  a  dcsire  which,  though 
generali^  calm  aud  dispasaionate,  com(;8  with  us  from  the  w'omb,  and 
never  leavee  us  tili  we  go  into  tbe  grare.  II,  p.  99. 

*  L'homme  nuit  avec  un  d^«ir  insurmontable  de  rendre  sa  condition 
meilleure.  Ce  princip«*  incoitTcstable  et  ff'cond  est  la  source  de  toutea 
les  actioDS  bumaiues.   Institutions  Politiques,  cbap.  III,  §  4. 


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81 


lieber  luit  dem  Glücke  als  dem  Un*]^lück  iler  andern  sym- 
pathisierten ^  Dieser  Trieb,  lelirt  er  im  „Rciclituni  der  \  oiker^, 
äufsert  sich  erstens  und  vorzugt^weise  in  der  iSparsainkeit,  dem 
Aufhäuft!!  dflB  ErworbeneD.  Seine  Wirksamkeit  wird  durch 
deD  Trieb  nach  Genuls  (princtple  of  ezpence)  durchkreuzt^  welcher 
in  einigen  Menschen  b^nders  stark  ist  Aber  in  der  Mehibeit 
aller  Menschen  zeigt  sich  der  Sparsinn,  wenn  man  ihr  ganzes 
Leliei]  überblickt,  als  der  vorlH  rrschende  ^.  Da  die  Sparsamkeit 
der  psychologische  Faktor  der  Kapitalvermehrung  ist^  und  auf 
der  KapitalbiTdung  der  materielle  Fortöclirltt  beruht'*,  ao  schätzt 
sie  Smith  sehr  hoch.  2s ich t  der  Viaxi'a,  die  tZmsigkeit  des  Kr- 
werbs,  hebt  er  henroff  sondern  die  Spairomkeit  bewirkt  unmittd- 
bar  die  Vermehrung  des  Kapitals^.  Der  Trieb  nach  Besserung 
der  eigenen  Lage  äu&ert  sich  zweitens  in  dem  Fleilse,  der  wirt- 
schafthchcn  Rührigkeit®.  Diese  Eigenschaften  zeigen  nicht  in 
allen  Mensrhen  dieselbe  Stitrke.  Wie  könnte  er  sonst  von  Thätigen 
imd  Faulen  sprechen?  Es  ist  nicht  überflüssig,  diese  Bemerkung 
zu  machen,  da  die  Gleichheit  der  Menschen  in  Smiths  Werken 
zu  einem  Dogma  geworden  ist,  welches  viele  falsche  Folgerungen 
verankTst  hat.  Doch  wir  kommen  auf  diesen  Punkt  zurttck. 
Dem  Triebe  nach  Besserung  der  Lebenslage,  der  sich  so  in  einen 
Spar-  und  Erwerbtrieb  zerlegen  läfst,  schreibt  Smith  die  Fähigkeit 
zu,  nicht  nur  oft  die  Vei-schwendung  der  Individuen  und  derEegie- 
rung  wettzumachen,  sondern  auch  die  (Jesellschaft  die  Hindernisse 
überwinden  zu  hissen,  welche  sehlechte  Gesetze  der  Volkswirtschaft 
bereiten.  Er  findet  in  seiner  beständigen,  gleichmälsigen ,  un- 
unterbrochenen Wirksamkeit  das  Princip  des  öffentlichen  W'ohl- 


>  Theorv  of  mOTal  Bentiments.   a.  a.  O.  I,p.  78  fg. 

*  .  .  .  the  principle  which  prompts  to  aave  is  fhe  desire  of  betteriug 

OUr  COiiditinn.  An  jiugniontatiun  of  fortune  is  the  moaiiH  by 
which  tbe  grealer  uart  ot  men^  propose  and  wish  to  better  tbeir  coq- 
dition  . . .  and  tne  most  likeiy  way  of  angroenting  their  for- 
tunt',  ifl  to  save  and  accumulate  some  part,  of  what  tliey 
acquire.  .  .  .  Though  the  principle  of  expence,  theret'ore,  prevails  in 
almost  all  mcn  upon  some  occasionä,  aud  in  some  men  upon  almoet  all 
ooeawMUi;  yet  in  the  (preater  part  of  mcn,  tkking  the  whole  of  tbeir  Hfe 
Rt  an  avera^e,  the  principle  of  fiiigality  eeems  not  only  to  predominate» 
beet  to  predominate  very  ^i^atly.  II,  p.  99,  100. 

*  (Spitals  are  increased  by  parsimouv.    II,  p.  94. 

*  Parsimony.  b^  increaaing  the  nind  wbich  ia  destined  for  the 
maiuteuance  of  productive  hand«,  teuds  to  iucrease  tbe  number  of  those 
hands  whoae  labonr  adds  to  tbe  Talne  of  tibe  subject  upon  wlueh  it  is 
bestowed.  II  tonds,  tberefore,  to  iiitreasc  tlie  exchangea  ble 
value  of  the  annnal  produce  of  tbe  land  and  labour  of  tbc 
countrv.    II,  p.  94. 

*  Parsimony,  and  not  industry,  is  the  immcdiate  cause  of  the  in- 
erjage  of  capital.  Inchistry,  indeed,  providcs  tlio  suhject  wbich  parsimony 
accunitilates.  But  whatever  indugtrv  might  actjuiro,  if  parsimony  did  not 
•avo  anil  st(.r«'  up^  the  capital  wonld  never  b.-  the  gmiter.    II,  p.  94. 

^  When  tbey  are  aecurc  of  cnjoyhig  tbe  firuits  of  their  inaostry» 
they  naturally  exert  it  to  better  tbeir  couditioo.   II,  p.  177. 

ToifdllDgen  (43)  X.  2.  -  UHibMh.  0 


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82 


Standes*.  Wenn  der  8par-  und  Erwerbbetrieb  sich  frei  und 
sicher  äulaem  dttrfton,  so  aei  sehr  Wertvolles  erreicht  Nicht  eiiie 
musterhafte  yolkswirtschaftliche  Gesetzgebung  sei  das  Wirksamsto 

im  Leben  eines  Volkes,  sondern  die  Sicherheit,  dafe  jeder  die 
Früchte  seiner  Arbeit  ^^eniefscn  könne-.  Aus  diesem  Grunde 
w^  ndf't  er  sich  gegen  die  ^Ifiniin;!  Qnosnfiys,  dafs  ohne  dif»  ITor- 
&teliLin;i:  völliprer  Freiheit  und  Gerechtigkeit  kein  wirtj^chalthehes 
Gedeihen  mögheli  wäre.  Auch  im  [jolitischon  Körper  habe  die 
Weisheit  der  Natur  für  Heihuittel  gegen  menschhche  Thor- 
heit  und  Ungerechtigkeit  gesorgt*. 

Haben  der  Spartrieb  und  der  Erwerbtrieb  nach  Smith  nicht 
in  allen  Mensdien  die  gleiche  Starke,  sind  wahrscheinUch  seiner 
Meinung  nach  beide  ^iten  )]iclit  in  jedem  Menschen  gleich- 
mAfing  entwickelt,  so  inufs  der  'i  neb  nach  Besserung  der  Lebens- 

h\<^e  eine  sehr  verschiedene  Cröl'se  in  den  verschiedenen  Menschen 
darstellen.  Hierzii  kommt  nun  ein  neuer  Faktor  der  Ditierenzieruug : 
nicht  alle  Menschen  verstehen  ihr  Interesse.  Den  Kautieuten 
und  Gewerbeüeibcnden  schreibt  er  im  allgemeinen  diescö  Ver- 
stftndnis  tu*.    Also  mufs  auch  das  Privatinteresse  der 


'  The  uniform,  constant,  and  uiiintcrrupted  eftbrt  of  every  man  to 
bt'tter  hia  condition  thc  prineij)!«  from  whica  public  and  national, 
as  well  SS  private  opulencc,  i»  originaliy  derivod.  ia  fre» 
quently  poworhi!  pnonf^h  to  mainfain  tlif  imfinal  proprees»  of  tliinj;**  to- 
wards  iinuroveuK  j»t,  in  «pite  bolh  vi'  the  extrava^auce  ot  giiveniment, 
and  of  tlie  error»  of  adminietration.    Like  the  uuknown 

princi]»!»'  (»f  animal  lifi  .  it  frcqiiently  re^torcs  lirulfh  and  vi;:oar  to 
thc  Constitution,  in  spitc  not  ouly  of  the  diseasc,  but  of  thc  abnurd  pre- 
acriptioiMi  of  the  doctor.  II,  )v  lOL  Vorher:  to  compenaate  not  011I7  the 
privat»'  pi()dij_'nlify,  but  the  public  extravagance  u.  8.  w. 

That  security  which  the  lawß  in  («reat  Hritain  {;ive  to  every  man, 
thftt  he  shall  ejijoy  thc  fiiitts  of  hh  own  labour,  ih  alone  sufficient  to 
mak«'  any  countrj'  Honrish,  notwithstanding  these  nnd  twenty  other 
absurd  regulatione  of  commeree.  Es  fnlpt  nun  pin»'  AnstTihmne,  die  mit 
der  frfdieren  im  wesentlichen  übereintlunmi;  das  natuiliche  liestreben 
einen  jeden  nat  h  Hesseruufj  seiner  J^ebenslaf^e  sei  stark  gcnujj;,  ,.of  sur- 
monnfini'  -i  hiindre*!  irnpciimmf  oh-tnictions  with  which  tlie  follj  of 
human  laws  too  ofteu  encumbers  ita  Operations.''    Ii,  p.  364. 

*  He  seeme  not  to  have  conndered,  tbat  in  the  political  bod^ 
the  natural  effort  which  rvery  mau  is  continually  making  to  hetter  hia 
own  condition,  is  a  principie  of  pref^ervation  capable  of  preventinp  and 
correcting,  in  many  respects,  thc  bad  cffects  of  a  political  economy,  in  »ome 
degree  tnoth  partial  and  oppressiTe  .  .  .  the  wisdom  of  uature  has  for- 
tunatolv  nm(]o  ainple  pro\M?:ion  for  remedying  many  of  the  bad  eöects  of 
the  tuliv  aud  injustice  of  niiin.    III,  p  4^^. 

*  rhc  middlittfr  *i><i  Buperior  ranke  of  people.  if  they  vnderstood 
tlit'ir  11  wn  inffTP^t.  ought  alway«  tri  opp(»se  all  taxes  upon  the  ne- 
ce^ties  of  lite,  as  weil  as  all  direct  taxes  upon  the  wages  of  labour. 
III,  p.  338. 

\\  hen  ourcounlry  L'f'Utlcmrn,  thereforc.  dnnand'  d  tlic  o-tuMishment 
of  the  bouuty,  tiiougü  they  acted  in  imitation  of  our  mcrchauts,  they 
did  not  aet  with  that  complete  comprehension  of  their  own 


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X  2. 


Individuen  und  Völker  (inten  st,  selfinterest,  own  interest,  private 
inter^t),  welches  psychologisoh  aus  diesen  Elementen  zusammen- 
gesetzt ist;  eine  sehr  ungleiche  W'irkuu^stähigkeit  haben.  Eine 
neue  Frage  lautet:  Haben  jene  Triebe  an  sich  eine  hohe 
Starke? 

Der  Trieb  nach  Verbesserung  der  Lage  ist  nach  Smith  „calm 
and  dispassionate" ;  den  Thätigkeitstrieb  scheint  er  jftir  schwächer 
als  den  Spartrieb  zu  halten.   NatürUdi  thätige  und  arbeitsfreudige 
ilenscben  j^irbt   os  wenige.    Der    I  hatigkeit-strieb  der  meisten 
Menschen  lauis  durch  flufsere  Vorteile  gereizt  w>  rden ;  die  Sufseren 
Vorteile,  welche  die  meisten  Menschen  in  liewegung  setzen,  bind 
rem  materielle.   Der  grofse  Ehrgeiz  regt  eich  nur  In  wenigen; 
^ie  Mehrheit  von  denen^  deren  Lebenslage  eine  günstige  lat, 
iKfst  sich  durch  ein  erreichbares  hohes  Ziel  nicht  in  Thätigkeit 
Tersetzen.    Was  die  meisten  anstachelt,  ist  die  Notwendigkeit 
der  Existenz  und  die  Möglichkeit,  durch  Verwendung  eines  Kapitals 
viel  zu  gewinnen      Zieht  man  nun  in  Betracht,  dafs  Smitli  rien 
Kapital*:ewinn  nicht  unter  den  BegrilT  Arbeitslohn  sub.suuiiert, 
so  ist  die  Begierde  des  Kapitalbesitzers  psychologisch  aus  der 


iutereat  which  comtnouly  directs  the  couduct  of  these  two 
•ordere  of  men.  II,  |>.  329. 

But  though  the  iutcrcst  of  the  labourer  is  strictly  connected  wltli 
th»t  nf  thc  «ocioty.  ho  is  lucapable  either  of  comprehending  that 
interest,  or  of  under-itandiuc  its  connection  with  his  own.    I,  :j50. 

It  is  by  this  superior  Icno  w  ledge  of  tbeir  own  intorest  that 
thpT  imerchants  and  master  uianufacturers)  bave  frequently  impOBed  apon 
his  [Xhe  country-gcntleinan 's)  geuerosity.   I,  p.  351. 

I  !t  ie  tne  interest  of  every  man  to  üt«  at  much  at  his 
ease  as  lio  cair,  and  if  his  oinolumentÄ  are  to  be  precisely  the  same, 
wUetber  Ue  does  or  does  not  perform  some  very  laborious  duty,  it  ia 
certftinlj  hLi  interest,  at  Icast  as  interest  is  vulgarly  understood.  either  to 
neglect  it  altogether.  or  if  he  is  subjeet  to  some  autbority  which  will  not 
«umM-  liiiTi  tn  To  tili«,  to  pnrform  it  in  as  careless  and  slovenlj  a  manner 
as  taai  autiioufj  will  pcrmit.    III,  p.  16t*. 

In  every  profession,  the  exertion  of  the  greater  pari  of  those 
Trho  (  V  r>  i>e  it  is  ahirays  in  proportion  to  the  neceaaity  they^  are  ander 
of  makiug  that  esertion.   III,  p.  166. 

The  greatnesB  of  the  objects  whieh  are  to  be  acqmred  by  succeeB 
in  some  parti  ul  u  professions  raay,  no  doubt.  roiii  otitn  fs  aiümate  the 
exertions  of  a  fevv  men  of  extraordinary  spirit  and  am  bition  .  .  . 
In  England,  success  in  the  profesfiion  of  tbe  law  leads  to  some  very  great 
«Igeets of  ambition;  andyet,  how  fewmen,  born  to  easv fortunes, 
haTeever  in  this  country  b^en  eminent  in  that  profession?  llf,  p.  IHH,  167. 

Thia  neeeseity  is  greatest  witli  those  to  whom  the  eraoluments  of 
tiidr  piotaion  are  the  only  source  from  which  they  cxpeet  their  for- 
ione^  or  even  their  ordinary  revcnue  and  sul'yistpncf'.    III,  p.  IHH. 

.  Every  individual  is  (  ontinually  exertiug  Uimself  to  find  out  tUe 
nost  adyantageovs  employment  for  whateyer  eapital  be  can  com' 
auuid.  II,  p.  239. 

If  he  18  natnmlly  active,  and  a  iover  of  labour,  it  is  his  interest  to 
employ  that  activiiy  in  au^  way  from  which  he  can  derivc  some 
advantage,  rather  than  in  the  Performance  of  his  duty,  from  which  he 
<Mu  dmve  nono.  III,  p.  16S. 


84 


Aussicht  zu  erklären,  einen  Verdieuät  zu  erlangen,  welcher  iu 
keinem  Verhältnis  zur  Arbeitsaufwendung  stellt.  Versetze  aber 
diese  Menschen,  sowie  sie  Smith  geschildert  hat,  in  die  Not- 
wendigkeit) um  ihren  I^bensnoterhalty  oder  um  eine  einträgliche 
LebeiueteUung,  oder  um  den  Gewinn,  oder  um  ein  den  Ehigeis 
befriedigendes  Ziel  kämpfen  zu  müssen,  wie  werden  sie  sich 
da  nach  seiner  Meinung  rühren,  jeden  Nerv  und  Muskel  an»^ 
ßtrengon,  die  andern  niederzuwe  rfen  suchen,  wenn  sie  nicht  das 
Gesetz  und  die  üftentliche  Meinun:;  daran  iiindert!  Diese  Not- 
wendigkeit wird  durch  die  freie  Konkurrenz  lierboigefUhrt'. 

Damit  sind  wir  bei  einer  dritten  KLkiäe  von  Audsageu 
Uber  das  SelbattntereBse  angekngt,  bei  dem  SelbetintoroBSO  tmter 
der  Hemchaft  der  freien  Konkurrens.  Von  ihr  l&lst  sich  nicht 
behaupten,  was  im  allgemeinen  von  den  beiden  ersten  Klassen 
gilt,  dals  die  Aussagen  nur  wenig  die  Grenzen  desjenigen  über- 
schreiten, was  ein  Beobacliter  des  wirtschattlichen  Lebens  auf 
Grund  seiner  Krf'uhrungen  ftlr  wahr  halten  konnte,  und  eine,  wenn 
auch  niclit  feine,  so  doch  auch  nicht  gerade  unwahre  Psychologie 
des  \\  irtöchaftblebens  geben.  Hier  aber  lälst  Smith  das  Selbst- 
intereeae  nicht  selten  mit  der  PrHcision  und  Gkidmiäfsigkeit 
einer  Natnrkraft  wirken  und  so  den  Markt  mit  dem  der  Mach- 
frage entsprechenden  Angebot  von  Waren  versehen.  Man  ver- 
steht es  kaum,  wie  ein  Schriftsteller,  welcher  uns  die  Menschen 
vorher  so  verschieden  an  geistigen  (laben,  Trieben,  so  voller 
TrSgheit,  vielfach  so  wenij^c  ihres  Interesses  kundig  gezeichnet 
hatte,  sie  nun  yjlotalich  mit  einer  gleichmäfsigen ,  von  Intelligems 
begleiteten  Kruit  des  Selbstinteresses  ausstattet-.  Doch  ist  sieb 
Smith  nicht  konsequent.  Neben  den  Sfttaen.  in  wdchen  er  daa 
Seibatinteresse  mit  überall  gleicher  Knü  wirken  läTst,  begegnen 
wir  nicht  selten  andern,  in  denen  von  einer  „Tendenz''  dea 
Selbstinteresses,  eine  bestimmte  Wirkung  hervorzubringen,  die 
Rede  ist,  z  B.  .Tlieir  inutual  compctition  tends  to  lower  its 
proüt"    Dals  eine  solche  Aussage  von  der  vorher  gekenn- 


'  Where  tbe  oompetitidn  ib  free,  the  rivalsbip  of  competitors,  who 

are  all  rnrlraA-miiu'  to  justle  one  aiiotnor  out  of  »  tnjiloy- 
meut,  obligüH  cvery  mau  to  endeavour  to  execute  bis  work  witli  a  cer- 
tain  de^ree  of  eiactness.  III,  p.  166. 

Rivalsbip  and  emulatJou  render  exeellcncy,  even  in  mcaii  profe^si(•n.s, 
an  object  of  ambition,  and  freqaently  occasioD  the  veiy  greatest  exertions. 

m,  p.  167. 

«  If  at  aay  time  it  ezeeeds  the  effectual  deuiand,  some  of  the  com- 
ponent  parte  of'^ita  price  muat  be  vuhl  below  thoir  natural  rato.  If  it  is 
rent,  the  interest  of  the  landlords  will  immediatelj  prompt  tbom 
to  withdraw  a  part  of  their  land;  aad  if  ite  wa^j^es  or  profit  the  interast 
of  the  labouiors  (!!)  in  ihr  ^if>  ca«c,  find  of  thoir  eiDployerg  in  the  otbrr, 
will  prompt  them  to  witliUraw  a  part  ot  thcir  labour  or  stock,  trom  this 
emplojment.  I,  p.  77.  l>aB  Interesse  der  Grundbesitzer  und  Arbdter, 
welche  er  uns  Botist  als  so  wenig  ihres  Interesses  kundig  geschildert  bat» 
jseigt  sich  hier  dem  der  QewerbetreibendeD  vollständig  gläch. 


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85 


seichneten  durchaus  yerBchieden  ist,  bedarf  keiner  Aua&hning. 
Ich  halte  es  nicht  fllr  nötig,  bei  diesem  Punkte  zu  verweilen, 
da  derartige  Sätae  dem  Lewer  Smiths  unzweileUiaft  ennnerlich 
«ein  werden. 


So  wttren  wir  denn  wieder  hei  der  freien  Konkurrenz  an- 
eekommen.  Nachdem  whr  ihre  naturreehdiehen  und  psychoIogiicheD 
Grundlagen,  ihre  rechtlichen  und  ethischen  Beschränlvungen  kennen 
gelernt  miben»  wollen  vnr  einen  flüchtigen  Blick  auf  den  Nutsen 
werfen,  welchen  Smith  von  ilir  erwartet  liat.  Wenn  man  seine 
Bemerkungen  tiber  diesen  Punkt  zusnmmentragt,  so  findet  man, 
dal's  er  ihr  vier  vorteilliafte  A\  iri^ungen  zuschreibt:  sie  erzieht 
die  Individuen^  sie  versöhnt  die  Klassen,  sie  fördert  die  Individual- 
wirtschaften,  und  sie  bringt  den  gesunden  Zustand  des  Volkswirt- 
achafUichett  Oiganismus  hervor. 

Sie  erzieht  die  Individuen,  reilist  aie  aua  ihrer  TrKgheit 
heraus,  sie  lehrt  sie  Vorsicht,  dais  weder  zu  viel  Waren,  noch 
8U  viele  Menschen  auf  den  Markt  p^ebracht  werden.  Mercier 
sprach  von  dem  ,,ddsir  de  jouir,  irrite  par  la  eoncurrenee,  dclair^ 
par  Pexporience."  Sie  versöhnt  die  Klassen.  Der  Krämer, 
der  Banquier  oder  der  Handwerker,  welcher  viele  Konkurrenten 
neben  sieh  bat,  wird  gezwungen,  seh»  Kunden  gut  und  biUie  au 
bedienen.  Wenn  Gewerbefräheit  eingeführt  und  die  Gleicnbe* 
rechtigung  der  Arbeiter  anerkannt  ist,  sind  die  Gewerbetreibeadeil 
nicht  mehr  in  der  Lage,  diesen  ihren  Willen  aufzuzwingen.  Im 
„System  der  naliirlichen  Freiheit"  können  auch  die  Kanfleute 
und  die  industriellen  sich  selbst  keine  Vorteile  auf  Kosten  der 
andern  zuwenden,  da  der  Staat  sich  ja  nicht  melir  um  die 
Volkswirtschaft  bekümmert  Ihre  Schlauheit  und  Selbstsucht  ver- 
mag den  ^rolsmtttigen  und  seiner  Interanen  unkundigen  Grund- 
besitzer nicht  mehr  hinten  Licht  au  filbren.  Der  Antagonismua 
der  Klassen,  welcher  Smith  so  grofs  encheint,  ist  nicht  beeeitigty 
«her  gemildert. 

Sie  ff^rdert  die  Individualwirt^haften.  Sie  schafft  ersten.^ 
mehr  Produkte  als  ein  Zustand  wirtschafilicli  -  rechtliclier  Ge- 
bundenheit; sie  allein  liefert  den  Konsumenten  gute  und  billige 
Waren  und  befitardert  besonders  den  Verkehr  der  ärmeren 
Klassen  *.  Daa  Interesse  der  Konsumenten  ist  aber  viel  wichtiger 
als  das  der  Frodusenten*. 


>  Ii  is  the  industiy  which  is  eairied  on  ior  tiie  henefit  of  the  rieh 

and  powerfiil,  tbat  is  principally  encouraeed  by  our  mercantÜr  s^ystein. 
Tbat  which  ia  carried  on  for  the  beuefit  oi  the  poor  and  the  indigent,  is 
too  often  eitfaer  neglected  or  oppretsed.  III,  p.  4. 

^  Consumption  is  the  sola  end  aud  purpose  of  all  production;  and  the 
interest  of  the  producer  oiipht  to  he  attended  to,  only  so  für  iis  it  rnay 
be  neceseary  for  prumotiog  that  of  the  coii»umer.  III,  p.  26.  Dafö  durch 
den  ttbefgrofsen  Aadiang  in  die  Lehrerlsnfbahn  der  Stand  eines  öffiant- 


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86 


Sie  bringt  endlich  den  gesimden  Ztutand  des  volkswirtBchaft- 
liehen  Or<rani8inu8  hervor. 

Ein  Kapital  findet  entweder  im  Ackerbau,  oder  im  Gewerbe, 
oder  im  Handel  Verwendung.  Unter  gleichen  Umstünden  ist 
die  erste  die  privatwirtschaftlich  und  volkswirtschaftlich  günstigste  j 
denn  nie  setzt  die  gröl'ste  Menge  von  produktiver  Arbeit  in  Be- 
wegung und  schalt  die  grö&te  Men^e  von  Produkten,  erhöht 
also  das  Nationaleinkommen  am  meisten  und  gestattet,  die  gröftte 
Summe  von  Erspainissen  za  machen E»  folgt  in  der  volks- 
wirtschaftli  ij(  Ti  Rangordnung  die  Anlage  im  Gewerbe,  dann  die 
im  Handel,  und  zwar  ^cht  hier  die  Anlage  im  Binnenliandel  der- 
jenigen im  Aul'senliandel  und  diese  der  im  Zwiselienhandel  voran 
Aus  diesem  Grunde  thut  daher  ein  Volk  am  besten  daran,  zu- 
nächst den  Ackerbau  allseitig  zu  entwickeln  und  erst,  wenn  hier 
das  Kapital  den  gewöhnlichen  Zins  nicht  mehr  trägt,  es  dem 
Gewerbe  und  endlich  dem  Handel  in  der  angegebenen  Reihen- 
folge zuzuwenden.  Dies  nennt  Smith  den  «natural  course  of 
things"^  oder  auch  ,,natural  order  of  things";  wie  natürlich,  ist 
diese  Ordnung  bis  m  einem  gewissen  Oraae  auch  überall  befolgt 
worden.  Aber  m  den  modernen  Staaten  Kuropas  wurde  sie  auch 
gründlieh  uniirek«  Iji  t.  Das  war  aber  nur  möglich,  weil  die  Ge- 
setzgebung dan  stärksten  ktinstUchen  Am'eiz  gab,  die  i\.apit«il& 
hl  einer  unnatflrlichen  Weise  zuvorwenden,  „contrary  to  ihe 
Order  of  nature  and  of  reason**,  wie  er  charakteristischer  Weise 
sagt*.  Denn  die  menschlichen  Neigungen  stimmen  auft  selt- 
samste mit  jener  natürlichen  Ordnung  überein  ^.  Je  grSfaer 
volkswirtseh  iftliclie  Nutzen  einer  Kajiitn! Verwendung,  um  so 
gröfser  ist  auch  die  Annehmlichkeit  und  iSicherheit  des  Betriebs. 
Auch  der  privatwirtschaftlichc  Nutzen  würde  sieh  in  derselben 
Kichtung  bew^en,  wenn  das  System  der  natürlichen  Freiheit 
einmal  ausgeführt  wäre.  Denn  obwohl  das  Individuum  nur  seinen 


liehen  Lehren  in  der  socialen  Acbtoog  gesnoken  «et^  nennt  Smith  ^trif- 

ling  iucdiivciiieiicv",  vcrglicln'ti  mit  der  ^cheapness  of  literarv  educatioM**, 
welche  dadurch  herbeigelührt  wordeu  sei.  I,  p.  Ifiö.  Dafs  durch  die 
Gewerbefreiheit  Gewinn  und  Löhne  sinken  würden,  beschäftigt  Smith 
wenig:  denn  „the  public  would  be  a  gaincr.  t}ie  work  of  all  artificei» 
eomin?  in  thi«  way  eheaper  to  market".    I,  p.  169. 

Ganz  anders  Qucsuay,  der  jedenfalls  in  Üeziehuug  uul  die  un- 
frnchtbaren  Klassen  mit  Smith  Ubereinstimmt,  aljer  mit  Kücksicht  auf 
den  Handel  lulgende  Grundsätze  aufstellt.  Qu'on  ne  fasse  jinint  i)aissor 
le  prix  des  denrees  et  des  marcbandises  dans  le  rojaunie.  XVlll.  <^u'ou 
ne  eroie  wb  «nie  le  hon  marqhä  des  denrdes  est  profitable  au  raena 
peuple.  IX.   VIII.  Maximea  Q^^rale«  da  GouTenement 

«  II.  p.  129  u.  m, 

•  II,  p  131  u.  239  ff. 
«  B.  III.  ch.  1. 

*  Tliat  t.rder  of  thiii^s  whieli  necewity  impo«ief  in  gcncral,  though 
not  iu  every  particular  couutry,  is,  in  every  particular  cuuntry,  prumoted 
by  the  nataral  incliuationa  of  man.  II,  p.  148. 


I 


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X  2. 


87 


Nutzen  im  Auge  bat,  so  würde  es  den  allgemeinen  fördern,  weil 
es  sein  Kapiud  in  einer  Weise  anwendete,  welche  der  Entwicklung 
der  Volkswirtschaft  am  günstigsten  wäre^ 

So  darf  man  also  wohl  sagen,  dafs,  wenn  einmal  die  wirt- 
schaftliche Freiheit  hergestellt  ist,  die  Interessen  der  einzelnen 
Klassen  mit  dem  Interesse  der  Gesellschaft  übereinstimmen  werden, 
wenn  auclj  der  Interessengegensatz  der  Khissen  nicht  völlig  be- 
seitigt werden  kann.  ^Without  any  intervention  of  law,"  sagt 
Smitl),  „therefore,  the  private  interests  and  p  a  s  s  i  o  n  s  of  men  • 
naturally  Iciid  them  to  divide  and  distribute  the  stock  of  every 
»ociety,  among  all  the  different  eiuployments  carried  on  in  it,  as  nearly 
as  possible  in  the  proportion  which  is  most  agreeable  to  the  interest 
of  the  whole  society"  '.  Unter  der  Herrscliaft  der  freien  Konkurrenz 
werden  alle  Zweige  der  Volkswirtschal't  durch  das  Selbstinteresse 
zu  einer  ^natural,  healthful  and  proper  proportion zurückgeführt 
werden*.  Die  Thatsache,  da 's  die  Neigungen,  Triebe,  Leiden- 
schaften, selbstsüchtigen  Intcrcfsen  der  Menschen  auf  das  allge- 
meine Wohl  hinzielen,  ohne  dafs  es  von  ihnen  ei-strebt  wird, 
erklärt  sich  Smith  aus  dem  Walten  einer  höheren  Macht.  „He 
genenilly,  indeed,"  heifst  es  an  einer  Stelle,  ^neither  intends  to 
promoti;  the  public  interest,  nor  knows  how  much  he  is  promoting 
it  ....  he  only  intends  his  own  gain.  and  he  is  in  tnis.  as  in 
many  other  cjises,  led  by  an  invisible  band  to  proraote  an 
end  which  was  no  part  of  his  intention"*. 

Adam  Smith  hat  mit  dem  Worte  „natural"  einen  grofsen 
Mifsbrauch  getrieben:  bald  heilst  es  vernunftgemiil's,  bald  im 
natürlichen  Laufe  der  Dinge,  bald  der  Mcnschennatiu*  ent- 
sprechend, bald  selbstverständlich,  bald  gewöhnlich,  womit  die 
Aufgabe  dieses  Teiles  einer  Smithphilologie  noch  nicht  erschöpft 
ist.  So  ist  es  möglich,  dafs  er  dasjenige,  was  er  als  das  gerade 
Oefipenteil  einer  vemunftgemiifsen  Naturordnung  betrachtet,  ein- 
mal „natural  state  of  things"  nennt  ''. 


'  Smith  sagt  ganz  allp'mcin  und  unbeschränkt:  ..Every  indiviüual 
is  continually  exerting  liini.self  to  find  out  the  inost  udvautuguuus  euiploy- 
ment  for  whatover  CHpitnl  lie  can  i-onunand.  It  js  his  own  advantage, 
indeed,  and  not  that  of  the  »ociety,  which  h«  has  in  view.  Hut  the 
study  of  his  own  advantago  naturally,  or  rath»T  necesparily,  leads  him 
to  pVefer  that  rmployrnent  which  is  ino.st  advaiitageoua  to  aociety.**  II, 
p.  239.  Dieser  Satz  i»t  vei  wunderlich,  da  der  „\Nealth  of  Nations**  uu>- 
etUndlich  7.u  beweisen  sucht,  dafs  durch  die  nierkantiÜstisclje  Politik  das 
Kapital  in  eine  Verwen<lung  getrieben  wird.  weUhe  wohl  Privatwirt- 
schaft lieh  nützlich,  aber  volkswirtschaftlich  schädlich  ist.  Hatto 
er  jenen  Satz  bedingter  ausgCBprochen,  so  würde  man  ihm  in  Anbetracht 
seiner  folgenden  AusHihrungen  zustimmen  können. 

«  II,  p.  VJ.j. 

MI.  p.  4»;o. 

♦  II,  p.  242. 

^  Von  der  „tacit,  constant  and  uniform  cnmbination  of  masters*^ 
sagt  er  „it  is  the  usual,  and  one  may  say,  the  natural  state  of  thiugs". 
I.  p.  90. 


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88 


X2. 


Der  häufi^^e  Gebraucl»  rlieses  Worte«  könnte  dazu  ver- 
fuhren, noch  nach  andern  Provinzen  der  NaturordriünL':  auszu- 
spähen, z.  B.  der  beätilndigeu  Tendenz  des  Marktpreise«,  sich 
dem  natürlichen  zu  nähern,  was  weiter  bedeutet,  ua  sich  der 
Preis  aus  Einkommenteilen  zusammensetzt,  dafs  die  Einkommen« 
ssweige  ihre  „natOrliche**  Höhe  zu  endcheii  suchen.  Als  ein 
Specialfall  des  Pteisgesetzes  erscheint  die  natlirliche  Anpassung 
der  Bevölkerung  an  die  Nachfrage  nach  Arbeit  \  In  allen  diesen 
Fällen  strebt  das  Selbstintei'esse  i-len  volkswirtschaftlich  giinsti^rsten 
Zustand  der  ricfitiiren  Versorgung  mit  Waren  und  Menschen  an. 
Es  erreicht  na  Ii  «einer  Meinunp^  diesen  Zweck  auch  siclierer, 
wenn  Besciiraukungen  der  natürlichen  Freiheit  nicht  vorhanden 
sind.  Doch  da  Smith  selbst  diese  Pfovinzaii  mcht  in  das  Gkhieft 
der  Naturordnung  einbesom  hat  und  auch  andere  wichtig 
Voraussetaungen  zu  ihrer  Einbeniehung  fehlen',  so  dürfen  wir 
mit  diesen  wenige  Worten  an  dem  Gegenstsnde  vorflbergehen. 

Mehr  vermag  ich  vom  Smithschen  Naturrecht  nicht  zu  er- 
kennen. Es  gltüchi  einer  Gebirgslandschaft  im  Nebel  ^  hier  uod 
da  treten  einige  Gipfel,  Zacken  und  Felswände  hervor;  aber 
auch  das,  was  wir  sehe»,  ist  undeutlich  und  verschleiert  Der 

gröfste  Fehler,  in  welchen  wir  unter  diesen  Umständen  sehr  leicht 
verfallen  können,  besteht  in  dem  Glauben,  dafs  auch  Smiths 
Naturrecht  wie  dasjenige  Quesnays  zu  einem  wirtschaftlichen  zu- 
sammengeschrumpft sei.  Aber  ein  flüchtiger  Blick  auf  die  Systeme 
des  Naturrechtes,  welche  andere  berühmte  Schotten  hinterlas«en 
haben,  belehrt  uns,  dafs  Smith,  als  Nachfolger  Hutchesons  und 
Zeitgenosse  Fei^sonS)  das  ganze  Katurrecht  vorgetragen  haben 
müsse.  Wäre  dies  nicht  der  Fall,  dann  hätte  es  gewils  Dunild 
Stewart  vermerkt.  Die  scheinbare  (  bereinstimmung  awischen 
Smith  und  den  Phyaiokraten  entsteht  also  dadurch,  dals  wir  von 
Smiths  Naturrecht  nur  dasjenige  zu  erkennen  verniöiren,  worauf 
sich  nach  (Quesnays  freiem  Entschlüsse  das  Naturrecbt  beschränken 


'  It  18  iu  this  uianiier  that  thc  demaud  for  men,  likc  that  for  any 
Other  commodily,  neces^urily  regu lutea  the  production  of  men,  quickens 
it  will  II  It  goes  on  too  slowly,  and  stops  it  wben  it  advances  too  fuL 

I,  p.  iOb. 

*  So  sieht  man  z.  R.  nicht  ein,  weshalb  es  vernunftgemäft  teilt 

sollte,  dafs  dir-  natürliche  Höhe  des  Ar1jeitsli)lmps  gerade  nur  das  zum 
Leben  unumgänglich  Notwendige  betrage  und  die  Instinkte  der  Menschen 
00  wenig-  damit  barmonieren;  weshalb  die  natthrlichen  fostinkte,  welche 
die  Fürtj>fl:iiuuijg  horlx-ifUliren.  nicht  den  verschiodcijfii  pesellschaftlicheu 
Zuständen  angepafst  sind,  und  das  Ziel  der  Anpassung;  der  Bevölkerung 
an  die  Nachfrage  nach  Arbeit  immer  nur  darch  die  sräfsüche  Vernichtung 
von  MeiiBclieij  in  dem  stationären  und  zurückgehenden  Gcsellschafta- 
zti^tande,  nicht  durch  ein  Erlahmen  des  Gcschlechtpfnebc^  erreicht  werden 
kann.  Der  wesentlichen  Merkmale  der  NaturorUnung  .Smiths  sind  aber 
zwei:  1)  dafs  sie  vemuiiftgciniiis  sei,  2)  dafs  das  Yemunftgem&Tse  denoi 
Meosehen  darch  natürliche  Triebe  empfoUeD  werde. 


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X  2. 


89 


sollte.  Auch  jener  Vermischung  des  Nützliclien  und  Gerechten, 
welches  wir  h(A  den  Physiokraten  «i^efunden  haben,  wird  sicli 
Smith  in  seinen  Vorträgen  über  d:is  Natun-ecbt  nicht  schuldig 

femacht  haben,  obwohl  es  uns  so  erscheint,  da  nns  zur  Er- 
enntiiis  seinem  Naturrechtes  nur  sein  nationiiiokonomisches  Werk 
aur  Verfügung  steht 

Andereneiti  Wegnen  wir  in  seiiiem  Werke  denelben  An- 
schauung, dafs  das  Ntttuiche  imd  Gerechte  znaammenfallen.  Aber 
während  die  Physiokraten  tarn  der  Erkenntnis  das  Ntltzlichen 
untf^r  der  Voraussetzung  eines  alle^fitigen  Schöpfers  das  TJereehte 
berk'iten,  glaubt  Smith,  dafs  das  Gerechte  auch  das  Ntitzhche  sei 
und  dafs  der  Mensch  zur  Übung  des  Gerechten -Nützlichen  durch 
natürUche  Triebe  angereizt  werde.  Für  jene  ist  die  natmiiche 
Ordnung  ausachfiefdich  eine  rechtliche  Ordnung,  welche  durch  den 
Staat  emgeBlhrt  und  anirechterbalten  werden  mnfs  für  Smith 
ist  sie  eine  psyefaologisch-ethisehe  Ordnung,  die  aus  diesem  Grunde 
der  Rechtsordnung  viel  weniger  bedarf!  Wenn  der  Staat  den 
natürlichen  Lauf  nicht  stört,  sich  möglichst  von  der  Volkswirtschaft 
zurückzieht  und  nur  die  Gerechtigkeit  walten  läfst,  dann  wird 
«ich  schon  von  selbst  der  Wohlstand  einfinden.  Stellt  man  «ich 
aber  in  einige  Entfernung,  so  dals  diese  Verschiedenheiten  der 
Systeme  Teraebwinden,  eo  fiült  doch  eine  Überwiegende  Überein- 
stimmung auf.  Smith  und  Quesnay  knüpfen  eng  an  das  Natur- 
recht  Lockes  an,  welches  auf  stoischen  Grundhigen  ruht  Beide 
bilden  den  Lockeschen  politischen  Individualismus  zum  wirt- 
ßchaftlichen  fort,  sie  sind  die  Vitter  d^r  freien  Konkurrenz.  Nicht 
so  klar  wie  bei  Quesnay  tritt  bei  Smith  der  Zusammeniiang  mit 
den  Bedürthissen  bestimmter  Klassen  der  englischen  Gesellschaft 
horvor,  obwohl  es  ims  bekannt  ist,  dafs  zu  seiner  Zeit  das  alte 
Gewerbe  und  die  alte  Landwirtschaft  in  ▼Olliger  Auflösung  be- 
griffen waren.  Beide  betrachten  den  wirtschaftlichen  Egoismus 
als  die  Seele  des  Wirtschaftslebens,  beide  sind  von  einem 
gläubigen  Optimistnus  erfüllt,  der  in  Erstiiunen  setzt,  beide  lassen 
das  Niitzliclie  und  Gerechte  zusammenfallen.  Wir  sind  damit 
in  Gt  *1  Lnkengänge  geraten,  in  denen  vnr  uns  am  Faden  des 
alten  Naturrecbts,  auch  des  Lockeschen,  nicht  mehr  zurechtfinden. 

£ine  Beihe  von  Fragen  erhebt  sich,  die  Ah  zunächst  auf 
QuesnaT  besieben,  die  man  aber  auf  Smith  passend  anzuwenden 
imstande  sein  wiid. 

Wie  kommt  es,  dafs  Quesnay  die  Naturordnung  der  sitt- 
lichen Welt  so  eng  mit  der  W<'lt-  und  Naturordnun^  verbunden, 
dafs  er  theoretische  Naturgesetze  dtr  Wirtschaft  gelehrt  hat? 
fragen  wir.  Wie  ist  es  zu  erklären,  dals  man  auf  die  Triebe 
des  Menschen  eine  sittliche  Ordnung  zu  begründen  wagt,  in 
ihnen,  den  chrisitichen  Anschauungen  entg^en,  etwas  schlechthin 
Gutes,  gewissermaisen  den  Finger  Gottes  zu  erkennen  glaubt? 
Die  Ähnlichkeit  der  grotianisclien  und  physiokratiachen  psycho- 
logischen Analyse  der  mensoblichen  Natur  kdnnte  dazu  TenÜnTen, 


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90 


in  C^uediiay  und  Mercier  Nachfolger  det»  bt^rUhmten  Niederländers 
SU  sebcoi.  Aber  bei  genauerem  Zusehen  eracheinl  dieoe  Hebung 
unbegründet.  GrotiuB  leitete  dns  Naturrecht  aus  der  uninteresderteii 
SodMltftt  ab,  Quesnay  aus  den  Bediirinissen  des  interessierten 

Individuums.  \\'ir  fragen  weiter:  Was  hat  jene  materielle  Ge- 
siüntmir  (T7jmi:t  di*»  dem  physiokratischen  Naturrecht  oinen  so 
uuciiristlichcn  (Jliarakter  verleiht?  Woher  öüuiimt  jene  Ineins- 
yetzung  von  Uereclit  und  Nützlich,  die  weder  dem  epikureischen 
noch  btoischen  Naturrecht  eigen  iät?  Deim  lür  die  Epikureer 
ist  das  Gereebte  nur  eine  Art  des  NtttKÜchen,  wie  es  ja  auch 
bei  Oassendi  und  Hobbes  der  Fall  ist;  die  Stoiker  aber  haben 
die  Unabhängigkeit  des  Gerechten  vom  Nützlichen  stark  betont ; 
man  erinnm  sich  in  neuerer  Zeit  des  grotianischen  Naturrechts ! 
Wir  sehen  ja  deutlich,  dafs  Quesnays  Identifikation  auf  einer 
metaphysischen  AniKihme  ruht:  dals  die  Weltordnung  vollkommen 
und  das  (Jluük  uml  zwar  das  materielle  Glück  Oes  Menschen 
ein  Zweck  des  iScliüplerö  sei.  Uumit  werden  wir  aber  zu  einer 
neuen  Frage  gedrängt:  ist  dieser  Optimismus  eine  Meinung, 
welche  Quesnaj  suerat  aufgestellt  hat.  oder  Itt&t  sie  sich  schon 
früher  nachweisen?  Aufserdem  beschäftigt  uns  die  prästabilierte 
Harmonie,  welche  Smith  zwischen  dem  Nützlichen  und  den  Trieben 
des  Menschen  aufstellt,  so  dais  die  Vermittlung  der  Vernunft  über- 

fiUsäig  ist. 

\\  u  »ullen  wir  die  Antwort  auf  diese  Fragen  tiuden?  Wir 
erinnern  uns,  dulä  das  von  Pufeiidorf  geschaß'eue  »System  des 
natürli^en  Rechts  ein  so  wttter  Rahmen  wurde,  dafii  es  die  vor- 
nehmsten Geisteswissenschaften  der  neueren  Zeit,  wenigstens  in 
ihren  Grundlagen,  in  sich  zu  schliefsen  vermochte:  neben  dem 
Naturrecbto  die  nattirliche  Theologie  und  die  philoso[>hische  Ethik. 
Sehen  wir,  ob  uns  diese  Wissenschaften  in  der  Erkenntnis  fiirdem 
werden  I 


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Fünftes  Kapitel 
Die  moderne  Ethik  und  der  Deismus. 


Erster  Abachnitt. 

Die  moderne  Ethik. 
I. 

Die  vorbereitende  Periode. 

Es  wurde  erwähnt,  dafs  Humaniemits  und  Keformation  auch 

die  Keime  neuer  ethischen  Anschauungen  enthielten.  Aber  zu- 
nächst sucht  man  fln?^  Neue  mit  dem  Alton  zu  vereinigen.  Die 
Italien if^chcn  Humanisten,  welche  sich  zur  Ötoa  bekennen,  wollen 
deshalb  nicht  weniger  Christen  sein. 

Nur  langsam  erkennt  man  den  iinlösbai*en  ^Viderspruch  zwi* 
■eben  chiutlicber  und  heidiUBcber  Anschauung.  Aber  schon  im 
16.  und  im  Anfiuig  des  17.  Jahrhunderts  ^hen  Ton  Frankreich 
Bestrebungen  aus,  die  Ethik  von  der  Religion  zu  lösen.  Die  Er- 
klärung fSr  diesen  folgensdbweren  Wandel  liegt  in  äulseren  Ver- 
hftltnissen. 

Der  Anblick  der  entsetzlichen  Handlungt  n,  welche  während 
der  Bürgerkriege  aus  religiösem  Eifer  verübt  worden  waren,  die 
Abneigimg  gegen  den  niedrigen  Charakter  religiöser  Sittlichkeit^ 
die  oft  genug  aas  der  selbststtchtigen  Hofinung  auf  himmlischen 
Lohn  und  der  Furcht  vor  H(Kllenstnifen  entsprang,  drängte  den 
Geistern  die  Frage  auf,  ob  es  möglich  sei,  der  Sittlichkeit 
ein  Fundament  aufscrhalb  der  Religion  zu  geben.  Da  fallt  der 
Blick  auf  die  antike  Philosophie,  deren  Systeme  man  nun  wieder 
ziemlieb  vollständig  überblieken  kann.  In  iem  lebendigen  l)r;ingen 
micii  ihrer  VViedererneueruag ,  welche  die  Geister  in  Platoniker, 
Aristoteliker  und  Stoiker  scheidet,  knüpft  Mootaigne  an  die 
Skepsis  des  Altertams,  aber  auch  an  den  Epikureismns  an.  In 


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92 


X  2. 


seinen  1588  erschienenen  „Essais"  spriclit  er  die  Überzeugung  aus, 
dafs  sich  dos  Sittliche  auf  die  mensi-lihVlK'  Natiir  begründen  Ta^se; 
er  verlegt  es  nicht  in  die  Handlung,  sondern  in  die  Gesinnung: 
der  Zweck  der  Tugend  sei  die  Lust.  Oharron  meint  in  seinem 
Werke  „De  la  Sagesse" ,  welches  anfangs  des  17.  Jalu'hunderta 
▼erOffiBnuicht  wurde,  d»  Sitdiche  lie&e  sich  ebeomwolil  am  der 
aUgemeiiiea  Weltordnung,  wie  aus  der  persönlidieD  WoU&hrt 
des  Indmdunnis  herleiten.  Es  sind  das  Gedanken,  welche  m 
der  späteren  Ethik  eine  breite  Entwicklung  gefunden  haben. 
Zu  gff  irlior  Zoit  mit  CJiarron  tritt  Francis  Bacon  in  England 
ftlr  die  Begründung  einer  philosophischen  Ethik  ein.  Er  hat  wie 
die  Franzosen  den  Spätem  fast  nur  Anregungen  gegeben;  aber 
diese  fUhrten  die  Aloralphilosophie  aut  ganz  neue  Dahnen  \  sie  l^e- 
trafen  DämHdi  die  Methode;  auch  die  Ethik  aoll  ebe  Erfahrungs- 
wiasetischaft  werden.  Aus  diesem  Grande  betont  er  die  Notwen- 
digkeit des  Studiums  der  menschlichen  Natur,  ihrer  Affekte  und 
Triebe  des  Einflusses  der  Gewohnheit  und  Erziehung.  Doch  ist 
nicht  seiner  Methofl»^  der  nMeh^^te  Forti^ehritt  in  der  Etoik  an  ver- 
danken, sie  wurde  auch  nicht  gleich  angewandt. 

Ebensowenig  ging  der  von  den  französischen  Denkern  aus- 
gestreute Samen  bald  auf.  Ja,  in  Fraukreicii  niufste  der  Kampf 
8lr  die  Brnfindung  einer  mlbständi^n  philosophischen  Ethik 
noch  emmal  om  die  Wende  des  17.  JahrhnnderlB  geführt  werden. 
Nach  dem  philosophischen  Au&chwung,  welcher  mit  den  Kamen 
Gassendi  und  Dcscartes  verknüpft  ist,  war  das  französische  Gei- 
stesleben uTitfT  Ludwig  XIV.  wieder  in  den  Barn  tlieolofrischcr 
Vorstellungen  zurückgesunken;  davon  zeugen  niclit  nur  die  von 
den  Jesuiten  gepflegte  Scholastik,  sondern  auch  der  von  Schülern 
und  Freunden  fortgebildete  Carte^ianismus  Malebranches  und 
endlich  der  Skepticismus  Pascals  und  anderer,  die,  an  der  Kraft 
der  Vernunft  verawdfelnd ,  sich  um  so  inhrOnstigter  dem  Offen- 
barnngsglaubcn  zuwandten.  Ja,  einige  der  Ideen ,  welche  die 
Gemüter  im  Reformationszeitalter  in  allen  Tiefen  erregt  haben, 
erwachen  mit  imgealmter  Kraft  und  rufen  von  neuem  starke 
Bewegungen  unter  den  franzfisisrlion  Oelehrten  und  Gebildeten 
hervor:  ich  meine  den  Mystieismu.s  F/nelons  und  die  Wieder- 
belebung des  Augustinismus  durch  Jausen,  desseu  Lehre  von 
Portroyal  die  eifrigste  Verbreitung  i'and.  Da  auch  Malebfanche 
auf  Augustinus  zurückgegangen  war',  so  charakterisierte  die 
geistige  Atmosphäre  Frankreichs  um  diese  Zeit  ein  starker  Duft 
von  ethischem  Pessimismus. 

Der  Schauplatz  des  erneuten  Angriffs  ist  nicht  Frankreich 
.selbst,  sondern  es  sind  die  Niederlande,  dieselben  Niederlande, 
wo  (Vw  französischen  Philologen  und  die  reformierten  Prediger 
freundlich  aufgenommen  worden  waren,  wo  Descartes  seine  Philo- 
sophie gereift  hatte,  wo  von  Spinoza  die  Cartesianischen  Grund- 

*  Jodl,  p.  262. 


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98 


gedanken  am  groljsartigBten  und  selbstUndigsten  verwertet  und 
mit  .inderen  Ideen  zu  einem  System  des  Paiitlieismus  verbunden 
worden  waren,  die  Niederlande,  in  denen  Locke  die  Mufbe  fand, 
sein  \\'erk  üT^er  den  menschlichen  Verstand  zu  vollenden.  Der- 
jenige aber,  der  den  Kampf  vor  den  Augeu  das  gebildeten 
jStvopas  mit  der  Kraft  eines  Bersetzenden  Geistes  und  aiugerÜBtet 
mit  einem  ungeheuren  Wissen  wieder  aufnahm  und  siegrdch 
%a  £nde  ftlhrte,  war  kein  geringerer  als  Pierre  Bayle. 

Dafe  die  Ethik  der  Religion  nicht  bedürfe,  beweist  er  aus 
der  Birfahrung.  Die  Unsittlichkeit  bestehe  nicht  selten  zugleich 
mit  dem  Glauben,  der  Qlaube  bewirke  durchaus  nicht  immer 
gute  Werke,  wohl  aber  häuhg  Hafs  gegen  Andersdenkende  und 
ähnliche  Leidenscha^n ;  auch  habe  es  Atheisten  g^eben,  die  ein 
gaos  reines  Leben  geBlhrt  hätten.  £r  legt  sich  daSer  die  Frage 
vor,  ob  nicht  in  der  Natur  des  Lidividuums  die  Principien  der 
Sittlichkeit  lägen,  ob  nicht  aus  dem  geselligen  Zusammenleben 
der  Menschen  ethische  Gebote  erwüchsen.  Bayle  sucht  diese 
Prolileme  zu  lösen;  aber  die  Ansätze  zu  einer  positiven  Theorie 
smd  weniger  wertvoll  als  seine  Kritik  und  sein  Skepticismus. 
Dadurch  balmte  er  der  philosophischen  Ethik  Englands  den 
Weig  nach  Frankreich.  Hier  war  einejener  Stillen  eingetreten, 
weläe  dem  ungewöhnlich  kräftigen  Wirken  groiser  Geister  zu 
fo^n  pflegen.  Dort  aber  fUhrte  Shaftesbn^  die  englische 
Moralphilosophie  in  kurzer  Zeit  zu  einer  ungewöhnlichen  Höhe, 
auf  der  sie  sich  ein  halbes  Jahrhundert  zu  bfhaiipten  wufste. 
Mit  Newton  tmd  Locke  setzte  auch  iShaftesbury  über  den  Kanal, 
und  bald  scharte  sich  um  ihn  eine  Zahl  der  hervorragendsten 
Geister  Frankreichs.  Docli  iiaben  wir  liiervon  zunächst  noch 
nichts  au  berichten. 


IL 

DiePeriodo  der  Anlehnung.  Der  Neu-Epikureismus. 

Dies  ist  die  erste  vorbereitende  Periode  der  modernen 

Moralphilosophie,  welche  durch  Bayle  zeitlioh  in  die  folgenden 
hinübergeftihrt  wird.  Die  zweite  dürfte  man  vielleicht  die  Pe- 
riode der  Anlehnung;  nennen.  Denn  die  ftihi-enden  Geister 
b^nügen  sich  nicht  mehr  mit  der  \'eröieherung,  dafs  eine  philo- 
sophische Ktliik  niö^^ich  sei.  und  mit  Tlinweiscn  darauf,  auf 
weicher  Grundkig©  sie  aufgebaut  werden  müsse;  aber,  was  sie 
schaffen,  ist  doch  nur  eine  freiere  oder  gebundenere  Reproduktion 
und  Verarbeitung  heidnischer  oder  christticher  Qedankenelemente; 
es  sind  Gassendi,  Hobbes,  Locke  und  die  Cambridger  Theologen. 
Da«  alles  beherrschende  System  ist  der  Epikureisnms;  das  ] Plato- 
nische Element  diente  den  Cambridger  Philosophen  zur  Verteidi- 
&^  gegen  da«  epikureische  System. 


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Die  epikureische  Ethik  gehört  bekanntlu^  den  Lehren 
des  wohlverstandenen  Selbstinteresset.  Ihr  Ausgangspunkt  ist 
der  menschliche  Egoismus,  ihr  Ziel  Leibesgesundheit  und  die  Ge- 
mütsruhe.   Die  Vernunft  empfiehlt  dem  sinnlich-selbstsüchtigen 

Menschen  beötiinnite  Verluiltunpfsmafsrcgeln,  mit  denen  das  höchste 
Gut,  die  rJesundheit  und  die  Heiterkeit  des  Oeistes,  eiTcicht  wird. 
Im  Zusammenhange  mit  diesem  Ziele  steht  der  Friede  als  Zweck 
der  Staatsgründun^.  Der  siebente  Band  des  „Abr^gö  de  la  philo- 
sophie  de  Gassendi'*,  welcher  den  Titel  „La  Morafe**  filhrt,  zeigt 
tms  Gassendi  überall  als  den  klaren  Ausleger,  ab  den  treuen  Ver- 
teidiger  des  Masters.  Die  Schinerzlosigkdt  des  Leihes  und  die 
Ruhe  des  Gemütes  bilden  die  Wollust,  welche  Epikur  als  Ziel 
des  glücklichen  L/  ben^  empfiehlt,  führt  er  aus;  der  .Tünp^er  lehrt 
die  Tugenden  kennen,  welche  zu  jenem  Ziele  leiten ;  die  Selbst- 
liebe tadelt  er  nur,  wenn  f»ie  den  Forderungen  des  wohlverstan- 
denen Seibstinteresses  widerstrebt ' ;  er  fuhrt  die  Leidenschaften 
«]f  Lust-  und  Unlustempfindungen  zurück. 

In  den  Werken  des  andern  grofeen  Schülers  Enikurs  finden 
wir  die  Lehre  des  Meisters  selbstflndiger  dargestellt.  Das  Ziel 
sdner  Ethik  ist,  \vie  man  sich  erinnern  wird,  ein  beschränkteres, 
da  sie  nur  vom  Staate  handelt:  es  ist  die  äufsere  Ruhe,  der 
Friedt',  welchen  eine  starke  Staatsgewalt  verbürgt,  ohne  welcin n 
die  Seelenruhe  de^  Individuums,  seine  Selbsterhaltung  in  (  Jel.dir 
ist.  Die  sittlichen  Gruudöntze,  welche  liobbes  für  den  Naturzu- 
stand aufstellt)  sind  Mittel,  um  sich  den  äu(seren  Frieden  zu 
sichern;  diesen  Stoff  presst  er  dann  in  die  antik-scholastischen 
Grundbegriffe  des  göttlichen,  natürlichen  und  bttii^lichen  Ge- 
setzes. Von  gröfserer  Bedeutung  ftir  die  folgende  Zeit  aber  wurde 
er  diuK!h  die  Scliildorung  der  menschlichen  Natur,  welche  er  im  An- 
fang seines  \A'erkes  „Uber  den  Bürger"  entwirft  Classendi  macht 
von  dem  menschlichen  Egoismus  kein  grofses  Wetjen ;  denn  er  ist 
eben  selbstverständlich.  Ilobbes  aber,  der  Zeitgenoase  der  Puritaner, 
malt  ihn  in  christlicher  Weise:  die  Menschennatur  ist  jeder  selbst* 
losen,  edlen  Begung  unfähig.  Doch  brauche  ich  diesen  Punkt 
nur  anzudeuten,  da  schon  in  dem  Abschnitt,  welcher  von  dem 
Naturreclit  handelt,  über  jene  Verbindung  der  reformatorisch- 
christiichen  Lehre  und  des  Epikureismus  das  ^liitige  gesagt  wor- 

»  In  seiner  Psychologie  heifst  es:  L'uu  et  lautre  (l  aniour  du 
pliuoir  et  ramonr  de  «07  roesme)  aont  veritablement  d*orditiaire  improo* 

vez  comiiie  vicienx-.  neaiimoins  cela  nVrivni-solie  ])!iri  (|ii'iLs  110  soient  tous 
deux  uaturcls,  cumme  uoua  montreroua  daus  la  Morale  lorsaue  nous  ex- 
pliquerom  en  quoy  Von  et  raotre  est  Idgititne  ou  blamable.  Beraier,  VI. 
])  4'M.  Das  erste  Naturgesetz  Gassendis  ist:  Que  chacun  ne  re- 
cberche  que  son  bien-etre  f>t  son  int(^r*^t,  »^t  rf'plf  on  consequcnce 
S€8  sentitnents  et  ses  actione.  Ein  anderes:  Que  la  chaiitr  bieii  ordonnee 
est,  conuue  on  dit  d'ordiuaire,  de  comtaencer  par  sei -meme.  Damiron, 
Essai  sur  l'histoire  de  la  Philosophie  en  Fr:iiico  au  XV'll"»^^'"*'  siede  1846, 
I,  p.  4ii6.  Siehe  über  Ga?»cDili  auch  Lotiieissen,  Uesch.  d.  frz.  Litt,  im 
17.  Jahrlt.,  II,  p.  408. 


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den  ist  *  Aber  es  ist  wichtig,  hervorzuheben,  dafe  Hobbes  dem 
Begriff  der  Selbstsucht  nicht  bIo&  in  dem  Naturreeht  eben  bmten 
Baum  zu  Terschaffen  wufste,  sondern  ihn  so  krafWoll  in  die 
£th]k  dnflihTte,  dafs  die  Philosophen  der  folgenden  Zeit  eich  mit 

ihm  auseinandersetzen  mufsten. 

Nicht  genug  damit ,  dif  (\or  Theorie  des  "wohlverstandenen 
Selbsiinteresses  zu  (irunde  liegeiule  psychologische  Annahme  wurde 
einer  erneuten  Prüfung  unterzogen.  Die  Loktüre  Montaignes 
und  (Jasaendis  riet"  in  Frankreich  ungewöhnUche  Wirkungen  her- 
Tor;  es  bildeten  sich  in  Paris  epikureische  Gesellschaften,  die 
«me  Reihe  bedeutender  Münner  zu  ihren  Mitgliedem  zählten; 
nnter  anderen  werden  Larochefoucault ,  seine  F^ndln  Madame 
de  la  Fayette  und  Meliere  genannt  -.  Der  Epikureismus  dee  be- 
rühmten Herzogs  verquickte  sich  mit  einem  anderen  hekannten 
JbJi  mente.  Wir  erwaiiiu(  ii  vorher  die  Wledcraufnalune  der 
Auirustin Ischen  Ivt^hren  durch  Jansen  und  MelebraiK'he;  im  Augu- 
stinismus tritt  aber  die  chrisdiche  Ansicht  von  der  naturlichen 
aittlidhen  Unfilfaigkeit  des  Menschen  am  schneidendsten  hervor. 
Augustinismus  und  Epikureismus  verbanden  sich  noch  einmal  und 
eneugten  die  Maximen  desHerzo-s  von  I^ar  chefouciiult,  zu  deren 
völliger  Charakterisierung  ea  noch  gehört,  dafs  ihr  Verfasser  die 
Cartesianische  Vorsteilungsweisc  des  Seelenlebens  teilt  ^. 

Sie  streifen  das  (Gebiet  fh^r  Etliik  nur  Htichtiir  ;  wir  ertahren 
blofs,  dafs  Larochefoucfmlt  die  rügend  in  die  Seihsniherwindung 
setzt,  was  sowohl  christlich  aU  utilitaristi^^ch  ist;  denn  ob  der 
Mensch  die  himmlnche  GlttckseUgkdt  oder  einen  irdischen  Vor- 
teil erreichen  will ,  mag  dieser  in  sinnlicher  Erregung  oder  in 
Oemtttsruhe,  in  Ehre  oder  Rdchtum  bestehen,  stets  wird  die  Bän- 
digung der  mannigüichen  menschlichen  l'riebe  täglich  notwendig 
aem.  Jene  Ansicht  von  der  Tugend  mufs  aber  um  so  mehr  her- 


'  Hobbes  verweist  im  ..Vorwort  an  die  Leser "  auch  darauf.  daCs 
nach  der  Heiligen  Schrift  alle  MeDsclieti  schlecht  seiai.  Ober  den  Bürger 
a.  a.  O.,  p.  22. 

*  Siebe  d<'r»  Artikel  ., Kjv'ctire"'  in  d«r  ,,Encyklopädie'*,  Tome  V, 
p.  785.    Er  ist  nach  Rosenkranz  vun  Diderot  verfafat. 

*  Vgl.  meinen  Aufsatz  ,Xarochefoucaalt  und  Mandeville'%  Schmollen 

Jahrbuch  1800.  Als  ich  vnr  einigen  Jahren  diesen  Aufsatz  verfafste.  kannte 
ich  weder  «1(  ii  oIudl^.  nannten  Aitikel  Epicure,  auf  dpn  icli  pr?it  durch 
Jodl  (Note  T,  ji.  4..i)  aufmerksam  wurde,  noch  die  Darstellung  Liiioche- 
foacaultB  bei  Ilallani  in  srinom  bekannten  Werke  über  die  Littoratur  des 
].',  10.  und  17.  Jalirhundertä ,  IV,  |r,  liKi,  noch  endlich  das  ausführli«  hr* 
Kapitel,  welches  ihm  i*otbeiäaen  in  seiner  Oeacbichte  der  frauzösiscbua 
Idttetatar  des  17.  Jahrhnnd^s  gewidmet  hat  Sie  haben  meine  Auf* 
faesung  vei>t:irkt.  Die  I^arsteiluug  »ler  epikureischen  Gesellschaften, 
welche  D.  gicbt,  bestätigt  meine  Ansicht  von  der  theoretischen  Beschäf- 
tigung L.s  mit  dem  Epikureismus.  Hallam  macht  auch  auf  die  licschräu« 
kung  aofmerksam,  welche  in  den  Adverbien  „souvent  d  ordinaire"  n.  8.  w. 
U/^^^'o^n.  Lotheiflsen  wird  in  seinen  sehr  anziehenden  .AusHih rangen  meines 
ErmtäMtius  der  philosophischen  Bedeutung  L  s  nicht  gerecht 


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X  2. 


vortreten,  je  schlechter  der  Mensch  dem  Theoretiker  erscheint 
und  je  höher  und  ide/iler  er  das  Lebensziel  setzt. 

Die  Aphorismeu  haben  um  so  mehr  W  ichtigkeit  tui  die  ^sy- 
chdogisdie  Analyse;  man  darf  sie  WeiterMduneen  der  E^u- 
reiflchen  Piychologie  nennen.  Die  kurze  nnd  dorn  so  klare  Dar* 
Stellung,  feine  Beobachtung,  eindiingHche  Analyse,  sat^Tische 
Schärfe  erwarben  der  AufTassung  Freunde,  dafs  aUe  menschlichen 
Gefühle  und  Begehrungen  in  einem  inunittelbaren  od<*r  mittol- 
baren  Verhältnis  zum  Egoismus  stellen.  Genaue  Kenner  der 
epikureischen  Keime  und  der  zeitgenössischen  religiösen,  philo- 
sophischen und  schönen  Litteratur  Frankreichs  werden  Laroclie- 
fottcaults  Bedeutung  vieUeicht  geringer  anschlagen;  die  An- 
regungen, die  er  in  der  epikureischen  Gesellschaft  erfuhr,  können 
wir,  soweit  meine  Kenntnis  reicht,  gar  nicht  in  Erfahrung  bringen. 
Als  sein  bedeutendstes  Verdienst  erscheint  es,  dafs  schon  Laroche- 
foucault  »Selb.stliebo  und  Selbstinteresse  unterschied.  Auch  wird 
von  ihm  das,  wenn  auch  seltene  Vorkommen  altrui.stischer  Nei- 
gungen durchaus  uidit  geleugnet,  nur  dafs  ei-  aucli  sie  aus  der 
Selbstliebe  herleitet.  Er  hat  in  der  psychulogisoben  Analyse 
Fortschritfte  yollzogen,  die  wir  in  Erörterungen  Uber  diesen  Funkt 
heutigen  Tages  zuweilen  vermissen. 

Nicht  lange  nachher  wird  eine  in  der  poychobgischen  Aut- 
fassung dieser  ähnliche  Lelure  von  Locke  vorgetragen.  Er  sucht 
das  Sittliche  aus  Lust-  und  Unlustempfüi (Innren  zu  erklären:  der 
Verstand  gelangt  durch  die  Erkeniitiut»  dt's  (tlüekes  und  ün- 
elückes,  welche  die  von  Gott  eingesetzte  Naturordnung  bestimmten 
Handlangen  folgen  lälst,  zu  J&fiibrungssätzen  über  Gestattetes 
und  zu  Vermeidendes,  welche  ihre  Sau&tion  durch  das  positive 
Oesetz  und  die  öffentliche  Meinung  erhalten So  grofs  nun  auch 
die  erobernde  Kraft  der  Lockeschen,  gröfstenteils  zuerst  von  Cum- 
berland  und  Ilobbes  fiusgesprochenen  Ideen  anireseldagen  werden 
mufs,  so  hat  doch  in  England  sehr  wahrscheinÜch  ^^iandeville  am 
meisten  zur  Verbreitung  einer  niedrigen  Ansicht  von  der  mensch- 
lichen Natur  beigetragen. 

Er  setzt  alle  Handlungen  in  Beziehung  auf  die  Sdbatiiebe;  dk 
Tucend  ist  nach  ihm  obiektiT  ein  Mittel,  nm  weisen  und  herrsch- 
sttohtisen  Menschen  die  Leitung  der  Manen  zu  ihren  Zielen  zu 
ermöglichen;  subjektiv  geht  sie  aus  dem  Wnn.sclie  eider  und  ehr- 
geiziger Menschen  nach  Bewunderung  und  Ausehen  hervor.  Von 
tolgenscliwerster  Bedeutung  aber  war  es,  dals  Mandeville  mit 
dieser  p^ycholügiseh-ethischen  Anschauung  an  die  Erkliiruug  des 
wirtschaftlichen  Lebens  herantrat.  Das  Getriebe  der  ^virtschaft- 
lichen  Welt  erklürt  er  allem  aus  dem  Spiel  manniglacher,  sehr 
oft  frivoler  BedUrihisse  und  rein  selbstsüchtiger  Regungen.  Der 
Egoismus  ist  das  grofse  Triebrad  d er  menschlichen 
Wirtschaft.  Von  dieser  Erkenntnis  gelangt  er  zu  einer  origi- 


>  äiehe  Jodl  a.  a.  O.,  p.  145 fi; 


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nellen  Auffassung  der  etliisch- socialen  Grundlag  n  ler  Volkswirt- 
schaft. Obwohl  seine  Ansicht  von  der  Qesellschatt  eine  organische 
ist,  so  erbückt  er  in  ihr  ^^^rtschaftlich  zunächst  nur  lii  lividuen, 
^vc'lclK'  durch  (hn  Trieb  nach  (ienufs  und  Gewinn  zur  hoehston 
Anstrengung  aiig<  suornt  werden,  aber  gröfstentcils,  oline  es  zu 
wisöen  und  zu  wollen,  durch  das  System  der  gesellschaftlichen 
Arbdtsteilimg  gewisaermarsen  in  eine  aHruistiBcäe  Wirksamkeit 
luneingezwungen  werden ;  sie  mflssen  Dienste  gegen  einander  ans- 
tanschen  nnd  darum  auch  f)ir  andere  schaiTcn.  Also  ist  die 
Volkswirtschaft  infolge  der  Arbeitsteilung  eine 
Tauschge^  el  1  Schaft  eg  o  i  t  i  h  eh  er  1  nd  i  v  i  d  n  en.  So 
wichtig  nun  auch  seine  Hervoi  lK  Innig  der  Arbeitst«  ikmg  ist,  so 
hat  Mandeville  doch  iiire  speziiisch  nalioiial-ökonoiLiihelic  Seite  noch 
nicht  gesehen;  er  betrachtet  sie  nicht  als  ein  Mittel,  um  die  Masse 
der  Produkte  za  vermehren,  Ebenso  wichtig  war  es,  dafs  er, 
angeregt  durch  die  christliche  Lehre  von  dem  Fluche,  welchen 
Gott  über  die  Erde  und  die  ersten  Menschen  nach  dem  Sünden- 
falle  aussprach,  und  belehrt  durch  die  Beobachtungen,  welche  er  in 
spiTiom  Oeburtslande  Holland  gemacht  hatte,  die  wirtschaft- 
liciie  Arbeit  als  einen  mühevollen  und  nicht  selten 
getährlichenKampfmitder  Natur,  die  Arbeitselb. st 
als  eine  Last  betrachtete.  Im  Schweifse  seines  Angesichtes 
soll  der  Mensch  sdn  Brot  essen.  Daher  erschemt  es  ihm  so 
wiclitig,  die  Arbeiterklasse  in  dem  thatsächlichen  Zustande  wut- 
schattlicher  Hörigkeit  zu  erhalten. 

Ich  will  nicht  dabei  verweilen,  wie  seltsam  sich  auch  in 
Mandeville  epikureisclie  und  christliche  Geflnnkcnelementc  durch- 
dringen, ich  will  auch  nicht  nachzuweisen  suchen,  dal's  die  ethisch- 
socialen  Grundlagen:  BedUrihisse  und  Egoismus »  Arbeitsteilung 
und  Tauschgesellschaft,  Kai^gheit  der  Natur  und  Last  der  Arbeit, 
welche  Mandeville  tUkr  die  Volkswirtschaft  aufze^.  thatsächlich 
diejenigeQ  der  englischen  politischen  ()k()nomie  sina.  Denn  wer 
einmal  ein  Lehrbuch  der  theoretischen  Nationalökonomie  in  der 
Hand  geiiabt  hat,  wird  sie  wiedererkennen,  liei  Smith  treten 
sie  sehr  klar  hervor;  er  vei!)in(let  aber  damit  die  organisch- phy- 
siologische Theorie  der  Volkswirtschaft,  welche  von  C^ueanay  auf- 
gofitellt  worden  war. 

Dagegen  möchte  ich  bemerken,  dafs  Mandevilles  Lehre  von 
der  wirtschaftfieben  GeseUscbaft  eine  konsequente  Weiterentwick- 
lung der  Grundanschauung  des  epikureischen  Naturreehtes  ist, 
welches  einen  individualistischen  Charakter  hat.  Mandeville  baut 
auch  auf  dem  Fundamente  d<  r  Gassendi  und  Hobbes. 
Originell  aber  war  e-;,  dafs  er  den  wirtsehaftliehen  <^^e«ichtspunkl 
in  die  naturrechtliciie  Gesellschaft  hineintrug.  Die  Menschen  der 
wirtschaftlichen  Gesellschaft  werden  nicht  durch  das  egoistische 
Bedttxfida  naofa  fVieden,  sondern  durch  das  ebenso  selbstsüchtige 
BedUrftus  nach  den  Diensten  anderer  zusammengebunden. 
'  f -Diesem  sich  von  Montaigne  bis  Mandeville  erstreckenden  und 

- '  Bnndiwis«!!  (4B)  X.  S.  -  Hasbaoh.  '7 


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X  2. 


allmählich  verbreitenden  rJcdankenstroni  grub  später  Helvetius  ein 
weites  Bett  in  «einem  W  erke  ^Dc  l'l'^prit'* ,  welches  17-')!^  er- 
schien. Die  Lehre  liat  noch  spater  in  Knglrtnd  und  FraiikiLich 
Freunde  und  Vertreter  gefunden  ^  ihre  ßetraei»tung  würde  tlen 
Zweck  dieser  DantellaDg  in  keiner  Weise  fordern« 

III. 

Die  Periode  der  Selbständigkeit. 

Der  Anfang  der  dritten  Periode,  derjenigen  der  Selbstän- 
digkeit, welche  wir  aut  die  erste  und  zweite  folgen  lassen, 
liegt  üchou  in  den  beiden  vorhergehenden.  Die  Begründer  einer 
tmabbüngigen  philosophiachen  Ethik  sind  Descsrtes  in  Frankreich  ^ 
und  Shafteshury  in  Engkuid.  Doch  wenn  wir  ihnen  diese  Stel* 
lung  zuweisen ,  so  verkennen  wir  nicht,  dafs  der  erstere  den 
dualistischen  Cliarakter  der  christlielien  I^hre  niclit  zu  idierwin- 
den  vermoclitf,  der  (ieist  Beider  einen  grofsen  Teil  seiner  Nah- 
rnn(s  aus  den  Schriften  der  Ahm  und  nicht  znm  mindesten  der 
btoik«  1  zog.  Auch  erheben  üicii  die  Vt'rdien&lc  de«  Franzosen 
bei  weitem  nicht  zur  Höhe  derjenigen  des  Engländers.  Während 
Descartes  eben  nur  die  Grundlagen  aemer  Lehren  skissiert,  hat 
Shaftesbur}^  in  genialer,  wenn  auch  durchaus  nicht  in  einer 
gegen  alle  StUrnie  gefeiten  Weise  dm  Lehrgebäude  in  allen 
seinen  Teilen  aufgeriL-litet.  Dies  crklurt  es  dann  aueli .  dals 
Shaftesbur\-  ButhT  und  Hutcluson  £:^e*;eni5her  eine  weit  autori- 
tativere Sielhui;^'  cinniuinit,  als  Descartes  Malebranche  und  Sjunoza 

fegenüber.    Die  Anregung,  welche  von  den  Jüngern  ausgelit, 
rinfst  Männer,  wie  Leibnitz  und  Wdff  einerseits,  Hume  und  Smitb 
andererseits,  au  welchen  selbständigen  Ergebnissen  sie  auch 


>  Dieses  Urteil  wiid  Gberraschcn,  da  die  Philoeophen  acmlich  ein- 

stiminip  die  Unbcdeui<*ndheit  der  Caitcsianischcn  AusRihrungen  auf  dem 
fif'lät'ti'  «ler  Kthik  Hnerkatmf  lifib»  ri  i^o  urteilt  JodI:  „Von  irgend  welcher 
gl  uudlogcndcn  Thätigkeit  kann  Uabei  keine  Kede  seiu:  was  er  dabei  vor- 
briogt,  aind  gnifsenteils  KeminiBcenzon  aus  der  antiken  Ethik.*  £r  rtthmt 
dagegen  die  AtFekt^  nlt  lire ,  vennifst  aber  die  Dnrlt^piin^'.  wie  «ich  aneh 
dem  Drängen  der  Atiekte  der  konsequent  gute  NS  ille  erliebe,  als  weK  hen 
Descartes  die  SittJiclikeit  definiere.  Für  wiebtiger  bftit  er  eeine  tneta- 
physische  Arschauunp:  Whor  d«?  Siftliehe,  a.  a.  O  .  p.  2'>,  2'iO  —  Teil- 
weise ähnlich  laorü :  „il  renouvuUe^  en  moralc  Ics  äolutions  de  Socrate 
et  den  StoifeienB  . . .  il  obtit  k  l'empire  des  Souvenirs  et  des  traditioos." 
Die  Moral  Desoartes'  fei  kurz  difsf:  ,.11  suffit  «le  bien  juf^i  r  pour  V>ien 
faire  etc.  (Descartes  \>'x2  p.  24H  fg  )  V  ergleiche  auch  \\  undt.s  geistvolle 
Darstellung  in  seiner  .Ethik .  Ich  folge  im  Paragraplien  IV  Windelband, 
weil  er,  wie  mir  scheint,  am  klarsten  die  originelle  Kiclitung  DescartiV 
dargestellt  hat,  in  weU-her  sich  -(  itio  Nachfolger  bewegten  Sliwl  diese 
aber  ta  originellen  Leistungen  gelangt  und  läf^t  r^icli  deren  keim  ht  i  Des- 
carteB  nachweisen,  so  wird  man  ihn  wohl  auch  als  einen  He^rründer  der 
modernen  Ethik  betrachten  müssen,  wie  geringfügig  «ach  seine  Thätigkeit 
gewesen  sein  mag. 


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99 


mOgen,  doch  in  innere  Beziehungen  zu  den  GrUn- 
ien  der  selbstlndigcn  Schulen.    Nur  wird  Smith  durch  ein  viel 
iesteres  Hand  an  Shaftesburv  geknüpft,  als  Wolff  an  Descartes. 

Beide  .Sclmlcn  haben  ziemlich  unabhängig  voneinander  ihre 
Probleme  erörtert;  das  liegt  in  der  fimdamenüilen  Verschiedenheit 
ihres  wissenschaftlichen  Charakters.    Die  von  Frankreich  aus- 

fehende  Reihe  von  Moralphilosophcn  bindet  die  Edük  an  die 
letaphysik.  England  bringt  eine  stattliche  Ansah!  von  etliiflchen 
Empirikern  hervor,  welche  die  Wurzel  alles  Sittlichen  in  einem 
Oemlile  guchen;  doch  entbehrt  auch  diese  Schule  nicht  der  Vor- 
aussctzung  einer  Metaphysik.  In  beide  Reihen  aber  drängen 
sich  störend  un<l  fördernd  die  epikiireisch-reformatorisch-augusti- 
nischen  Anschauungen  vom  menschlichen  Egoismus,  Die  eng- 
lische Schule  hat  sich  wohl  ausfxihrlicher  mit  ihnen  auseinander- 
setzen müssen  als  die  französich-niederländisch- deutsche;  aber  in 
Hpinoxaa  System  sind  sie  zu  viel  kräftigerer  Entfidtung  gekommen. 
Aber  auch  die  englische  Schule  verhält  sich  durchaas  nicht  ab- 
lehnend gegen  sie,  nur  dafs  sie  die  theoretischen  Ansprttche 
der  Individualisten  zurückweist.  Sie  leugnet  den  Egoismus  als 
Princip  des  Moralischen;  aber  sie  anerkennt  ihn  als  ein  wichtiges 
Element  der  Ethik.  Sie  glaid)t  nicht,  dafs  sich  aus  dem  Egois- 
mus die  sittlichen  Erscheinungen  herleiten  lassen;  aber  sie  be- 
trachtet ihn  als  eine  gewaltige  und  in  gewissen  Grenzen  berech- 
tigte Macht  im  men8(£lichen  Leben  Hätte  man  stets  den  ülgois- 
mus  als  Princip  imd  Element  des  Sittlichen  unterschieden,  so 
wären  die  sonderbaren  Betrachtimgen  ttb^  den  Widerspruch  in 
Adam  Smiths  Werken  unmöglich  gewesen 

Fragen  wir  nun,  wie  es  denn  komme,  da  Ts  gerade  die  eng- 
liseiie  Ethik  die  meisten  Erörterunp'n  über  die  Bedeutung  des 
menschlichen  Egoisnms  zu  Tage  gefördert  hat,  obgleich  die  epi- 
kureisch-augustinischen  Anschauungen  doch  von  Frankreich  aus- 
gegangen waren  und  von  dort  ihre  Ausprägung  empfangen  hatten, 
so  kann  man  mit  «item  Rechte  antworten:  es  li^  daran,  dafs 
Hobbes,  Locke  una  Mandeville,  die  energischsten,  bekanntesten, 
am  meisten  gelesenen  Vertreter  dieser  Theorien,  Engliinder  waren, 
m  sehr  der  erste  und  letzte  ihrer  Hildnng  oder  Abstammung 
nach  als  Franzosen  betrachtet  werden  müssen  Ja,  noch  meiir, 
Hobbes  ist  das  Triehrad  der  vorshafiesbiirvschen,  Mandevillc  das- 
jenige der  Ethik  nach  Shaftesbury.  Aber  es  wäre  doch  eine 
sehr  äufserliche  Erklärung.  Eine,  wie  mir  scheint,  mehr  den 
Kern  der  Sache  treffende  suche  ich  später  in  einem  besseren 

femmenllange  zu  geben.    Hier  ist  es  wohl  angezeigter,  einen 
blick  über  das  (iesamtgebiet  zu  gewinnen. 
Es  gehen  im  18.  Jahrhundert  drei  ethische  Orundrichlungen 
nebeneinander  her:  eine  metaphysische,  eine  empirisch  sentimen- 
tale (Geftlhlsethik)  und  eine  empirisch  -  egoistische  (Tiicorie  des 
Selbslinteresses).    Als  den  Endpunkt,  bezüglich  Höhepunkt  der 
 Wolff,  als  den  der  andern  Adam  Smith  und 


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100 


X  2. 


als  den  der  dritten  Helvetiiis  betracliten.  So  ist  die  Geschichte 
der  modernen  philoso])ln sehen  Ethik  bis  tief  in  da«  18.  Jahrhun- 
dert hinein  die  Geschichte  des  Ringens  des  englischen  und  des 
franzö^sischen  Geistes.  Frankreich  ist  die  Heimat  sowohl  der 
metaphyflischeii  Vemanftrittltehkeitf  wie  der  empirischen,  egoisti- 
schen Verstandessittlichkeit;  England  giebt  der  Etnik  durch  Bacon 
eine  neue  Methode  und  durch  Shaftesbury  eine  neue  Grundlage 
im  Gefühle.  Erst  nachdem  diese  Schulen  reiche  Früchte  getrnp:en 
haben ,  wiewohl  ihre  Kriifte  durchaus  noch  nicht  crsch()pt"t  sind, 
weist  Kant  der  Moral  neue,  wenn  auch  unnatürliche  Hahnen, 
L'nverhältmsmäfsig  grofs  erscheint  der  Anteil  Frankreich» 
an  der  Entwicklung  der  modernen  Kultur,  soweit  sie  hier  in 
unsem  Gesichtshereiä  Mt  Im  16.,  17.  und  18.  Jahrhundert  haben 
FVanzosen  für  den  Sieg  der  naturrechtlichen  Ideen  gewirkt,  im 
16.  und  im  18.  mit  Enthusiasmus  und  Fanatismus,  dort  die 
t^rofsen  Juristen,  hier  die  Physiokraten  und  J.  .1.  Kousseau. 
In  denselben  Jahrhunderten  erwarben  sie  sich  gleichfalls  urofse 
Verdienste  um  die  iSciiatliing  einer  selbständigen  philosophischen 
Ethik.  Gewissermarsen  als  Vorposten  des  tranzösischeu  Geistes 
stehen  Hobbea  und  MandeviUe  auf  dem  Boden  Englands.  So 
werden  wir  denn  eine  Übersicht  Uber  die  Ent&ltung  der  bdden 
Schulen  selbständiger  Ethik  am  passendsten  mit  Descartes  und 
seinen  Nachfolgern  be^nnen. 

IV. 

Die  metaphysische  Ethik. 

Im  folgenden  wird  man  keine  geschichtliche  Darstellung  der 

neueren  Etluk  erwarten.  Sie  interessiert  uns  nur  soweit,  als  sie 
der  Erkenntnis  der  i)l)ilosoj)hi8chen  Gnmdlairen  der  französisch- 
englischen  NatioTiAl«»ko!5omie  dient.  Da  nun  die  metaphysische 
Scliule  nach  dieser  Kichtung  von  sehr  geringer  Bedeutung  ist, 
so  wird  sie  nur  eim?  ilüchtige  Aufmerksamkeit  beanspruchen  dürfen. 

Über  Descartes  sagt  Windelband:  „Dieselbe  Vernunft, 
welche  der  Angelpunkt  seiner  theoretisäien  Philosophie  war« 
wurde  auch  das  Princip  seiner  Moral . . .  das  ganze  morahsche 
Leben  besteht  daher  nacli  ihm  in  einem  Kampfe  der  dt  nk enden 
Seele  mit  jenen  störenden  T^eljcnsgeistern  de?<  pliysischen  Or^- 
nismus,  Tind  das  Ideal  des  sittlichen  Lebens  liegt  für  ihn  dann, 
dals  der  (ieist  durch  die  Überwindung  der  Lei- 
denschuit  sich  zu  voller  Klarheit  und  Deutlichkeit 
emporarbeitet^^.  Was  Oartesius  gab,  waren  Ansätze  zu 
einem  ethischen  System;  die  Keime  wurden  von  Haiebranche 
wdter  entwiekelt.  Seine  Moinlphilosophie  geht  von  Gott  aus, 
welcher  die  Ursache  aller  Erscheinungen  ist  und  sich  mit  unend- 


■  Windelband,  Geschichte  der  neueren  Philosophie  I,  p.  179  a.  16\. 


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X  2. 


101 


licher  L-uAyo  srlbst  liebt  Kr  liat  den  Menschen  gesehafFen  und 
mk  Verstand  und  Willen  begabt,  um  ihn  zur  Erkenntnis 
und  Liebe  Gottes  zu  betahigcMi.  Alle  wahre  Sittlichkeit  ist  Er- 
kcanuiiä  und  Liebe  Gottes,  die  identisch  sind.  „Sittlichkeit  ist 
nichto  anderee,  als  die  WertscbAteung  aller  einsetnen  Dinge  nach 
dem  Mafsstabe,  den  ate  fttr  Qott  und  die  Beiiehnng  auf  Gott 
besitsen'* Gott  allein -verdient  daher  Liebe,  alle  übrigen  Ge- 
aehöpfe  nur  Achtung  und  Wohlwollen.  Wäre  der  Mensch  nur 
mit  Vorstand  und  Willen  ausgerüstet,  so  würde  die  Unsittlich- 
kt  it  iiiunögiich  sein.  Da  er  aber  einen  Leib  besitzt,  so  ist  er 
Aiiekten  und  Leidenschaften  ausgesetzt,  welche  zwar  zu  seiner 
Selbsterhaltung  notwendig  sind,  aber  auch  seine  Einsicht 
Terwirren  und  aeiner  Liebe  Gegenatände  auwenden,  die  sie  nieht 
verdienen.  Unsittlichkeit  ist  daher  ^das  Sich'Entfemen  Yon  der 
Gottheit  durch  die  Verwirrung  der  Einsicht "  ^. 

So  war  die  philosophische  Etliik  des  Cartesius  durch  Male- 
branche ^^'ieder  mit  theologischen  Ideen  durchsetzt  worden. 

In  der  Lt^-hro  Spinozas  fiillt  der  Gegensatz  des  panthei- 
stischen  Systems  und  des  egoisdschen  Chanikters  seiner  Ethik 
sehr  stark  auf.  Er  hat  den  Epikureismus  von  Gassendi  und 
Hobbes  in  sein  Bystem  verwoben,  in  einer  höheren  Einheit  auf- 
gehoben. Guyau  nennt  sein  Syatem  eine  ^  orsöhnung  von  Stoi- 
zismus und  Epikureiamus,  der  rationalistiBchen  und  der  utilita- 
riatbchen  Ethik  ^, 

Die  Kinzelwt'sen  haben  der  absoluten  Substanz  gegenüber 
keine  serbstandige  Stellung ,  sie  sind  mit  den  Wellen  zu  ver- 

fleicben,  weiche  sich  aus  dem  Meere  erheben,  um  wieder  in  das 
ieer  aurttckauainken.  Allein  Spinosa  betrachtet ,  wie  die  anti- 
ken Panthdsten,  den  Selbsterhaltungstrieb  als  den  Fonda^ 
mentaltiieb  jedes  Individuums.  Aber  er  unterscheidet  sich  von 
ihnen  darin,  dafs  den  Begriffen  „gut"  und  ^böse"  jede  objektive 
Existenz  abgesprochen  wird:  sie  bestellen  nur  subjektiv  für  das 
Individuum.  Es  sind  dies  notwendige  Konsequenzen  seines  Sy- 
stems. Gut  ist  dasjenige,  was  es  selbst  erhält,  böse,  was  imu 
feindlich  entgegentritt. 

Da  nun  Spinoza  das  fk'kennen  fllr  die  Grundkraft  des 
Geistes  hült,  so  ist  alles  gut,  was  sie  fördert,  alles  böse,  was  sie 
hemmt.  Als  die  höchste  Erkenntnis  bezeichnet  er  die  Erkennt- 
nis (iottes,  das  heilst  die  Einsicht  in  den  Zusammenhang  der 
Ding",  in  die  Notwendigkeit  alles  Geschehens.  Sie  verleiht  nicht 
nur  (Iii  Ivtilii  der  Resignation  in  allen  Widenvftrtigkeiten ,  da 
«ich  alles  notw  endigerweise  so  ereignen  umls,  sie  ist  auch  Quelle 
der  höchsten  Gltickseligkeit 


»  JodI,  p.  264. 
=  JodI,  p.  266, 
*  Onyau,  p.  227  ffg. 


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102 


X  2. 


Dieser  Znatand  der  GlUcktdfgkeit  und  der  Rahe  des  Oekte» 
ist  aber  in  steter  Gefabr,  dtuch  die  Leidenschaften  getrübt 
werden.  Sie  mtis^^en  daher  der  vernUnfligen  Einsicht  unter» 
worfen  werden.  Die  Affekte  dürfen  nicht  die  Vernunft  beherr- 
schen, andernfalls  ist  das  Individuum  unfrei,  sonde  rn  di««  Vernunft 
mufö  die  Allokte  beherrschen.  Die  Freiheit  bestellt  also  m  der 
erfolgrt'ichen  liethntigung  der  Vernunft;  tugendhaft  iai  derjenige, 
welcher,  unbekümmert  um  das  Wold  und  Leiden  anderer,  seine 
Affekte  und  Leidenschaften  behemchend,  sich  gans  dem  Zuge  nach 
tiefster  Erkenntnis  hingiebt  So  fidlen  Qottesliebe  und  Selbst- 
Hebe  zusammen. 

Durch  den  Wldersprueh  geg:en  Spinora  wurde  Leibnitz 
in  sein»  Ti  etliisehen  Anschauungen  bestimmt.    S  ine  Moral- 
piiüüsophie   ruht  ebenfallü  auf  dem  Fundamente  seiner  Meta- 

Shynik.  Er  nimmt  bekanntlich  im  Gc^ieüsiitze  zu  Spinoza  eine 
Unendlichkeit  von  Substanzen  an,  die  er  Monaden  nennt.  Jede 
spt^elt  die  Welt  wider  und  ist  ein  Ebenbild  Gottes.  Die 
Monaden  unterscheiden  sich  jedoch  durch  die  gröfserc  oder  ge- 
ringere Klarheit  der  Vorstellungen  voneinander.  So  kann  dann 
Lclbnitz  nielit  blofs  ein  \"fMs(>n]\f'n  in  die  Erkenntnis  Gottes  für 
Tucend  erklilren,  süihId  !!  s  r  lehrt  neben  der  Oottesliebe  die 
Liebe  zu  den  andern  Monaden,  den  Mitmenschen.  Da  diese  nm 
so  wirksanier  werden  kann,  je  mehr  das  Individuum  »eine  Ver- 
mögen ausgebildet  hat,  ao  bistnichtet  er  die  vcmttnft^  Selbst- 
ÜeM  als  liogend. 

Den  Begriff  der  Selbstvervollkominnung  löste  Wolff  aua 
dem  System  unseres  grofsen  Philosophen  und  machte  ihn  zu 
seinem  alleinigen  Moralprincip.  Die  Selbstvervollkomninung, 
welche  nur  in  driTi  Zusammen-  und  Aufeinanderwirkeu  dfi  Men- 
schen in  der  (Teseilöchart  und  im  Slaate  möglieli  ist,  wird  nun 
auch  die  Seele  seines  Naturrechtes;  sie  crmöglielit  eä  ihm,  über 
den  dürren  SicherheitB-  und  Rechtsstaat  zum  Wohl&brtsstaate  zu 
gelangen. 

Der  flüchtige  Gang  durch  die  Lehrgebäude  der  Vernunft- 
sitdichkeit  läfst  einen  starren  Individualismus,  ja  I'^oismus  der 
Systeme  erkennen,  der  von  dem  epikureischen  kaum  verschieden 
ist,  aber  in  Deutschland  abgeworli  ii  wird.  Ab^re^ehon  von  dem 
deutschen  Zweige  der  uietapliysischen  Etliik,  bildet  die  Selbst- 
erhaltung den  centralen  Be;;riff  sowohl  im  Neu  -  Epikureismus 
wie  in  der  firanzösisch-niederlftndisehen  Philosophie  der  Descartes, 
Malebranche  und  Spinoza.  In  der  Geringschätzung  der  mensch- 
lichen Aff(  kti>  stehen  beide  so  ziemlich  auf  gleicher  Stufe;  immer 
werden  H  itionalisnius  und  Utilitarismus  zur  Unterjochung  der 
Katur  bereit  sein  Iiier  heifst  das  Ziel  allen  sittlichen  Thuns 
Heiterkeit  des  Gemütes,  iiiifserer  Friede,  aort  ungetrübt«'  Kulie 
des  Erkennens.  Jedoch  winl  gerade  jetzt  auch  ein  fundamen- 
taler Unterschied  deutlich  nchtmr.  In  den  Systonra  der  meta- 
physischen Ethik  erscheint  die  Vernunft  nicht  blofe  als  Fahrerin 


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103 


im  Leben,  hier  ist  ihre  Bethätigung  zugleich  hikshales  Ziel  und 
höchste  Glückseligkeit. 

V. 

Die  Geftthlsethik. 

lEa  bt  eine  andere  Lnft,  welche  wir  jenseit  des  Kanake 
atmen.  Bei  Descartea  und  Spinesa  einerseits^  bei  Gassendi  und 
Hobbes  andererseits  bildet  d^  Ausgangspunkt  der  lietrachtung 
das  isolirte  Individuum,  dort  Gott  oder  der  Substanz  g<^entlber, 
hier  im  Verhältnis  zu  den  übrigen  MensclK  u  Shaftesbury«  Lehre 
beginnt  mit  der  inrnHcldiclicn  0(  >e!ls('l);ilt.  die  wieder  einen  Teil 
des  Universums  au»inucht :  dies  cid  woiilj^rordnetes,  harmoiiisciics 
System y  in  welchem  wohl  Übel  bemerkbar  sein  luügeu,  wc-un 
der  filick  sich  auf  ein  einzelnea  beschränkt,  die  aber  verschwind 
den ,  sobald  das  Auge  das  Ganse  zu  Qberschaufn  vermag. 

Bei  Descartes  und  Hobbes  Geringschätzung  der  Aflekte, 
welche  die  Ruhe  der  Erkenntnis  oder  den  Flieden  zu  trüben 
vermögen,  bei  Sliattr-sbury  \m'hrung  fdler  Aulsenin^ien  der 
menschlichen  Natur.  Abneigung  ;^(gen  diejenigen,  welche  die 
Natur  in  sich  zu  überwinden  lelmn  '  :  bei  Jenen  die  Erkenut- 
nisquelle  des  Moralischen  aurscrlialb  der  Affekte,  bei  ihm  inner- 
halb derselben. 

Bet  Hobbes  und  Spinoza  ist  das  Individuum  ein  selbststtch- 

ttgea  Geschöpf,  bei  Sbaftesbury  dagegen  nn  und  für  sich 
gut  und  durcn  seine  Konstitution  fUr  die  Existenz  in  der  Gesell- 
schaft bestimmt:  denn  es  ist  nicht  nur  mit  Trieben  begabt,  die 
auf  die  ei«iene  Eriialtung  zielen,  son(h  rn  auch  mit  socialen  Nei- 
gungen, .^iiafte^bury  kimiplt  lebhaft  gegen  die  Neu  •  Kpikurcer, 
welche  alle  Triebe  aus  der  menschlichen  Selbstsucht  iierleiteu 
wollen'.  Jene  Umnisation  teilt  der  Mcascli  mit  den  'Heren. 
Aber  er.  ein  mit  Verstand  begabtes  Wesen,  besitzt,  von  ihnen 
verscliieaen,  di(^  Hef1ektions!iffekte.  Sie  entstehen  dadurch,  dafs 
die  natürlichen  Triebe  und  die  Handlungen  zu  Gegeni^tiinden 
des  Nachdenkens  gemacht  werden  un<l  nun  neue  Enijjfindungen 
der  Neigung  und  Abneigung  entstehen".    Die  Erkenntnlsquello 


*  Tbere  bas  bcen  in  all  timt»  a  sort  of  narrow-ininded  Fhilosopiicrs  u  ho 
bav«  Hioaght  to  sei  this  Difterencc  to  rights,  by  conquering  N  a  t  u  r  e  in  them- 
Sf  !v  ^  Sil att fsbury  kämptt  hier  gegen  Enikur.  Ai^Essay  on  thc  Freedoni 
o{  Wit  and  üatnour.  Fart.  III.  bect.  3.  Cbaracteristicks  of  Men,  Mauuers, 
Opioions,  TinHss  1,  p.  117,  2.  Anfl.,  1714. 

*  Bat  the  lievivers  of  this  Philosophy  in  latter  Days,  appenr  to  be 
of  a  lowf^r  GcniuH  .  .  .  Thcy  wnuM  (>xplain  all  the  sfK'iHi  Paßsinnp, 
aud  natural  Atfeetiuusi,  ua  to  denouiiunie  'ein  of  the  »elfish  kiud, 
a.  R.  O-,  p.  118 

iir  nennt  sie  Keflex  Aflcctious.  _In  JiCi<  atnrc  rapable  of  formin;^ 
geiieral  Notions  of  Thing&  not  only  ihe  outwaid  Ueiugs  wbich  oÜ'er  tbem- 
•elTSB  to  the  Senae  are  tne  okgects  of  the  Affectioi»,  but  the  vety  aetioos 
tbeanslTes,  and  tbe  Aftections  of  Hty,  icindneBs,  gratitude  and  tbtar 


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104 


V  9 


des  SlttHchen  ist  nicht  die  Vernunft,  sondern  ein  Gefühl.  Die 
Reflexionsaffckte  fuhren  den  Menschen  in  das  R^^ich  der  freien 
Sittlichkeit  lunein.  Sie  geben  niclit  blofs  ein  Urteil  darüber  ab, 
was  Billigung,  \va>  Milsbilligim^  verdient,  sonder?!  sie  «iivl  auch, 
wie  Oizycki  hervorhebt,  selbst  treibende  Mächte  mit  einer  ganz 
eigenen,  unmittelbar  geluhlten,  vcrpÜichtenden  Kraft  —  selbst 
Quellen  des  Ilandelnb,  nicht  blolse  Zuschauer''  ^  Das  Handeln 
nach  dem  UrteÜ  und  Drängen  der  Keflezionsaflekte  ist  Tugend. 
Die  Tiere  können  also  wohl  gutgeartet,  aber  nicht  tugendhaft  sein  ^. 

Welche  Handlungsweise  empfehlen  die  Reflexionsaffekte?  Sie 
empfehlen  ein  harmonisches  Verhältnis  der  auf  das  eigene  und 
der  auf  fremdes  Wohl  gerichteten  Neigungen,  was  aber  nur  mög- 
licii  ist,  wenn  sie  eine  mittlere  Stärke  nicht  übersclireiten .  Ist 
dieäe  Harmonie  und  Proportion  vorhanden,  dann  ist  sowolil  das 
Bestehen  der  ganzen  Gesellschaft;,  wto  die  Erhaltung  und  Glück- 
seligkeit der  Individuen  Yerbtü^gt;  denn  Tugend  und  Glückselig- 
keit fallen  zusammen.  Die  Tugend  ist  ja  das  natuigemöfse  Ver- 
halten. Weder  dürfen  also  die  egoistisehen  Neigungen  die  Sorge 
für  andere  unmögh'ch  machen ,  noch  dürfen  die  altruistische 
Neigungen  der  eigenen  Erhaltung  schiidlich  werden^. 

Nun  sind  wir  hier  bei  einem  für  uns  selir  bedeutsamen  Punkte 
angelangt. 

Shaftesbury  verwirft,  wie  man  fiesehen  hat,  durchaus  nicht 
die  wohlgeordnete  Selbstliebe;  denn  sie  ist  ein  Teil  unserer  natttr- 
lielien  Ausstattung.  Was  nun  insbesond k  das  Trachten  nach 
Giücksgiitem  betrifilt,  so  ist  nach  seiner  Meinung  ein  mit  dem 
Bestehen  des  Ganzen  zusammenstimmender  Grad  des  Selbstinter- 
CÄses  keineswegs  lasterhaft.  l'>  lieht  hervor,  dafs  j,sowohi  das 
öffentliche  wie  daü  wrivate  lieste  durch  die  wirtschaftliche  Rüh- 
rigkeit befördert  weraen,  welche  diese  Neigung  erregt".  Niur  wenn 
sie  zuletzt  in  eine  wahre  Leidenschaft  ausartet,  dann  ist  sie  ein 
ebenso  greiser  Uusegen  ftir  das  Ganze  wie  fUr  den  emzeben^. 

Und  ähnlich  steht  es  mit  den  übrigen  Äulserungen  der 


Contrarys,  being  brought  into  the  Mind  by  KcHection,  becoiDC  Objects.  So 
that  by'means  <»f  this  rcflectcd  sense,  there  aiiaes  another  kind  of  Affec- 
tion  towardB  those  vcry  afloction.«(  tlicmsc! ve«,  which  liave  been  already 
feit,  and  are  now  bccnme  tlic  SulM«'<"t  a  nfw  I/iktn«;  or  Dislike.'"  An 
Inquirv  con>eriiiug  Viituü,  lik.  i.  i'art.  11,  ,iccl.  ii.  „(Jimrarleristicks'^ 
II,  p.  2^. 

»  Giz.vcki,  Die  Kthik  David  Humes  1?^7-  s. 

*  . , .  Virtuc  or  Merit . .  .  is  allow'd  to  Mau  uniy  a.  a.  U.  .  .  ,  it  he 
cannot  reflect  on  what  he  hiroaelf  does  . . .  and  muke  that  notice  or  oon- 
crpfidii  of  Worth  :iii>i  Ilöiicsty  to  be  uu  object  of  bis  Affection;  he  has  not 
the  Character  of  belüg  virtuous . . .  S.  31. 

*  If  ft  ereature  be  aelf^ncglectfiil ...  or  if  hc  want  auch  a  degree 
of  passion  in  any  Kind,  as  is  useful  to  prcscrve  .  .  .  himself;  thifi  DMUt 
c^ainlv  be  estecm'd  vitious  B.  II.  F.  1,  Sect.  'S.  II,  p.  ^9. 

*  Kow  as  to  that  Fassion  which  is  cateem'd  pcculiarh  intereating; 
as  having  for  itB  aim  the  PosBeasion  of  Wealtn,  and  what  we  call  a 


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X  2. 


105 


Selbstliebe:  mit  der  Lebenslust,  dera  Verp  Itun^rstrieb,  dem  Ver- 
gnügen an  Speise  und  Trank,  dem  Geöchlechtöü'iebe ,  dem  Re- 

f ehren  nach  Anerkennung  und  Ehre,  der  Freude  au  Ruhe  und 
!rholung.  Sie  alle  verdieineii  an  sich  keinen  Tadel:  in  gewiBsen 
Grenzen  schädigen  sie  weder  die  Gesellschaft,  noch  hindern  sie 
den  Menschen  darauf  tugendhaft  zu  sein.  Erst  wenn  sie  das  dem 
Bestellen  des  Ganzen  imd  der  Selbsterhaltung  dienliche  Mafs 
überschreiten,  sind  sie  zu  verwerfen,  dann  heifsen  sie:  Feigheit, 
Kachsucht,  Geuulitöucht,  Habsucht,  Eitelkeit,  Ehrgeiz  und  MUssig- 
ga»g. 

Was  aber  bildet  die  metaphysische  Voraussetzunff  der  Shaf- 
tesbniyschen  Ethik?  Diese  Frage  TermOgen  wir  noch  nicht  zu 
beantworten. 


Auch  dieser  kurae  ürarifs  der  Shaftesbun  ^^ehr  n  Ethik  läfst 
darüber  keinen  Zweifel,  dafs  kein  etliisches  b^äUrni  den  Indivi- 
dualiämus  so  sehr  gefördert  liat. 

Denn  die  normale  menschliche  Nator  ist  an  odi  gut;  sie 
besitzt  ein  Gleichgewicht  von  egoistischen  und  altruistischen  Trieben. 
Shaftesbury  weifs  sehr  wohl,  dafs  es  neben  ihnen  unnatürliche  Nei- 

fungen  giebt :  uninteressierte  Unmenschlichkeit,  Bosheit,  Menschen- 
afs  ;  aber  man  sieht,  nach  seiner  Meinung  sind  das  Ausnahmen. 
So  ist  die  menschliche  Natur  an  sieh  aller  Tugenden  f^ih^^^  Aus 
den  trieben  gehen  sie  hervor;  diese  bedürfen  zwar  eines  r^u- 
lierenden  Princips,  aber  keiner  äufsercn  Autorität;  keine  fremde 
Veranstaltung  ist  notwendig,  um  sie  damit  su  versehen  oder  in 
Zueht  zu  nehmen.  Die  menschliche  Natur  besitzt  ein  solches 
Priucij),  und  es  lebt  und  wirkt  in  der  Brust  der  Geringsten  wie 
der  Höchsten.  Was  es  aber  billi<;t,  ist  nicht  die  Verkümmerung 
der  menschlichen  Katar,  sondern  die  harmonische  Ausgestaltung 
der  individuellen  Triebe. 

Man  hat  mit  \'orliebe  den  temdlichen  Gegensatz  zwisclien 
der  Philosophie  Lockes  und  Shaftesburys  hervorgehoben.  Die 
Geschichte  des  modernen  Individualismus  wird  sie  ab  Streiter 
fbr  dasselbe  Ziel  betrachten  müssen.  Shaftesbuiy  hat  die  Stel- 
lung Lockes  verstärkt.  Locke  lehrt  das  unbegrenzte  Recht  des 
Individuums,  jähaftesbury  seine  unbegrenzte  sittliche  Befiihigung, 


Settlptnent  nr  Fortune  in  the  World:  If  thf  Reganl  towards 
this  kiud  be  aiudurate,  and  in  a  rcasoimble  degree;  ii  it  occaeion  no 
paBBioDate  Pursuit,  nor  raises  anj  ardent  Desire  or  Appetite,  titere  is 
Dothiog  in  this  Cuho  whicli  is  not  conipatiblo  vr'ith  Virtne,  and 
even  auitable  aod  beueficial  to  Societv.  The  pubtick  as 
well  as  private  System  is  advane'd  by  tne  Indnstry,  which 
t  h  i  .s  A  f  fe  e  t  i  0  n  e x  e  1 1  c But  if  it  prows  at  length  into  a  real  Passion ; 
the  Injury  and  MiBcliiet  it  does  the  Pnblick.  is  not  pjentcr  tlmn  that  which 
it  creates  to  the  Person  hiinself.   B.  Ji.  P.  il,  öect.  2.  II.  p.  15ö. 


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106 


X  2. 


(V\e  (jüte  seiner  Natur^  seine  Selb.stherrlie!tk«'it,  seine  Souveränität; 
kurz  seine  ethische  BereehtiguDg  zum  ( »enufe  jener  Ke*.lite. 

Der  Liiiliui'ö  JShattebburys ,  weicher  sieh  über  alle  Kullur- 
Ifinder  Europas  erstreckte,  mufste  aus  jenem  Grunde  dort  den 
Individualismus  am  kräftigsten  sor  Geltung  bringen «  wo  das 
Lockesdic  Naturrecbt  Boden  gefunden  hatte  und  die  Shaftes- 
burysche  £khik,  wenn  nuch  semsUindig,  doch  mit  l'reue  gegen 
den  Memter  weitergebildet  wurde.  Dies  war  vorzugsweise  in 
Schottland  der  Fall.  Die  Hutcheson,  die  Hume  und  Smith,  eie 
alle  haben  auf  den  (Grundlagen  Öhaliesburys  weilerj^^ebaut.  Die 
Erkenntnis  der  aiigemeinen  philosophischen  Grundlagen  der 
llationalökonomte  des  vorigen  Jahrhunderts  erfordert  es  nichts 
auf  ihre  voneinander  gewib  verschiedenen  Lehren  einzugehen. 
In  allem  Wesentlichen  sind  die  Grundlinien  des  Systems  Shaftea- 
burvs  bestehen  geblieben  :  die  Herleitung  des  hiltlichen  aus  einem 
Gefühle,  welches  selbstherrlich  hillit^t  oder  mifsbilligt,  der  gesell- 
acliaftliche  Ans^/angspunkt  oder  Hintergrund  der  ß<;trachtung,  die 
reiche  psycliologische  Analyse  und  die  unbefangene  Würdigung 
der  menschlichen  ^atur.  Vor  allem  wird  die  sittliche  Berech- 
tigung der  Selbstliebe  anerkannt  Die  geseUschafUiohe  Notwen- 
digkeit und  Bedeutuni;  des  Vergeltungstriebes,  des  Strebens  nadi 
Ehre  und  Ansehen,  vor  allem  des  Erwerbstriebes  i^  rd  immer 
wieder  betont  worden.  W  ie  schon  oben  gesagt  wurde,  für  alle 
diese  Momlphilosophen  ist  die  Selbstliebe  ein  wichtiges  Element 
des  Sittlichen;  aber  es  ist  nicht  die  (Quelle  des  ^sittlichen.  Das 
sittliche  Gefühl,  ein  moraliscfier  Sinn,  das  Gewissen  otler  wie 
auch  immer  jene  innere  Siimnic  genannt  wurden  ist,  beurteilt 
die  Handlungen  nac^  ihrem  sittlichen  Werte,  und  dioBsr  sittliche 
Sinn  billigt  die  gemälsigtc  äclbsttiebe  im  idlgeroeinen  und  ein 
wohlgerUtteltes  Mafs  von  Erwerbstrieb  im  beflondem.  Dieser  ver- 
schafft uns  ja  in  reichlichem  Mafse  alle  die  Dinge  „by  which  we 
are  well  provided  for,  nnd  maintainM" 

Nun  verHiegt  auch  jener  \\'iderspruch  in  ccin  Nichts,  den 
man  in  den  zwei  Werken  von  Adam  Smith  liai  linden  wollen. 
Die  Sympithie  ist  der  Keim,  aus  welcher  das  Organ  sitlliciicr 
Erkenntnis  heranwächst;  dieses  aber  billigt  das  ,1  private  interest**. 
Dafs  jener  Widersprudi  hat  entdeckt  werden  und  gläubige  An- 
hänger finden  können,  ist  ein  Beweis  daf\lr,  dafs  niemand  die 
Mühe  auf  sich  nehmen  wollte,  die  Theorie  der  moralischen  Ge- 
f\ihle  von  Anfang  bis  zu  Ende  aufmerksam  durchzulesen^»  Denn 
die  Meinnng  von  Adam  Smith  lie;;t  nicht  etwa  tief  verborgen, 
er  spricht  sie  ganz  deutlich  aus.  Und  es  ist  so  auch  nichts  Neues^ 

»  Shsfteabury,  B.  Ii,  P.  II,  Sect  2,  II,  p.  139. 
Ich  benutze  diese  üelegeuheit,  um  auf  die  Schrift  von  Dr.  Richard 
Zeyss  ,|Adam  Smith  und  der  Eigennutz*',  Tübingen  11-^9.  hinzuweisen, 
mid  frene  mlcb ,  dafs  ich  mit  dem  wichtigaten  seiner  Ergebnisse  flberdn> 
stiinnio,  uäiniich  der  vollständigen  Hsimonie  swischen  der  Ethik  und 
politischen  Ökonomie  Smiths. 


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X  2. 


107 


wHö  er  vortragt.  St-iii  Lehrer  Hutclieson .  sein  Freund  Hiinie, 
der  Ahnherr  der  ganzen  Schule,  Lord  iSliattesbury,  sie  alle  iiaben 
ibnlich  gedacht.  Aber  dies  su  beweiM  wQrae  die  Grenaen 
flberscbreiten ,  welche  dieser  Schrift  durch  ihren  Titel  gesteckt 
sind.  Ich  gedenke  aber  in  einem  Werke  Uber  Adam  Smith  diesen 
Punkt  ausl\lhrlich  darzulegen. 

Die  Aufdeckung  eines  andern  Irrtunis  wird  das  Ganze  noch 
mehr  erhellen.  Adam  Smith  int  wohi  deshalb  getadelt  worden, 
daiö  er  in  seiner  Kritik  der  ethischen  Systeme  Mandeville  nicht 
energisch  genug  enl^^engetreten  sei;  ja,  man  hat  gemeint,  die 
Milde  seiner  Polemik  beweise,  dals  er  sich  von  der  Ketserei  des 
Gegners  nicht  frei  gefühlt  habe.  Aber  was  hat  denn  Mandeville 
zu  beweisen  gesucht?  Dafs  der  Wohlsland  der  Gesellschaften,  die 
Stitrke  und  (Jröfeie  der  Stiiaten  davoTi  .nMiMn*xij?  seirn ,  dafs  man 
den  sinnlichen  liediirthissen ,  dem  I>i  w  <  rhstri(  be,  dem  Vergel- 
tung>tuf'be  und  der  Sucht  nach  Ehren  und  Aaszeiehnung  freies 
SLiel  lasse.  Diese  aber  ^vtirden  von  der  Religion  nicht  ge- 
billigt, ja  sogar  als  Laster  betrachtet  Und  das  wären  sie  auch 
Tom  Standpunkte  der  philosophischen  Sittlichkeit:  denn  die  Tugend 
bestehe  in  der  Beherrschung  der  sinnlich-selbstsUchtigen  Men- 
schennatur. So  stehe  man  vor  der  betrübenden  Wahrheit,  dafs 
die  Siftlichkeit  zur  Armut  der  Ocsellseliaften  und  Scliwache 
der  Staaten  führe,  und  denjenigen  Eigenschaften,  welche  die 
Kultur  am  meisten  förderten ,  ihrem  l'räger  weder  Hoffnung 
auf  himmlische  Glückseligkeit  noch  Anspruch  auf  Tugendhal'tig- 
keit  gflben.  Was  konnte  SaAik  hieratif  allein  erwiedem?  Dars 
Manoevilles  Ansicht  von  der  menschlichen  Natur  und  der  Tugend 
irrig  seien.  Erstens  würen  die  menschlichen  Triebe  an  sich  in- 
different, und  zweitens  sei  ein  mäfsiger  Grad  des  Erwerbstriebes, 
des  Vfr^r'ltungBtriebes ,  des  Triebes  naeh  Ehre  und  Ansehen, 
der  I^rcude  am  sinnlichen  Oonufs  durchaus  nicht  zu  verwerfen, 
mit  der  Tugend  wohl  vertriiglich  und  für  des  Bestehen  des  Ganzen 
notwendig.  Im  übrigen  habe  Mandeville  darin  Hecht,  dals  die 
Überwindung  aller  unserer  Leidenschaften  Gesellschaft  und  Staat 
zum  Stillstand  bringen  würde,  und  man  mUsse  ihm  dankbar 
dafitr  sein,  dafs  er,  wenn  auch  in  Übertriebener  und  einseitiger 
Weise,  nacligewicsen  habe,  wie  sehr  das  WnM  des  einzelnen  und 
des  n.inzen  vom  P^oismius  abhänge.  So  uagefulir  lautet  aueh 
Smitiis  Kritik  Mandevilles,  in  der  dasjeni;;«-  ebensoviel  Interesse 
verdient,  was  er  deutlich  ausspricht,  wie  tia»  andere,  wiu»  er  vor- 
sichtig nur  andeutet  Smith  htttte  noch  hinzuiligen  können,  dafs 
AJanaeTille  unbewulst  ftU*  Sliaftesbury  Zeugnis  abgelegt  habe, 
indem  er  dargestellt,  wie  aus  dem  l JnvernUniligen ,  nicht  aus 
dem  Handeln  nach  Vernunft  und  Einsicht  djis  Grofse  und  Gute 
hervorgehe,  weil  Gott  dem  Mensehen  Instinkte  gfjreben  habe,  deren 
dunkler  Drang  ihm  aueh  ohne^  Erkenntnis  den  reehtcTi  Weg  weise. 
Aufsi»rdem  sei  das  Werk  aueh  deshall)  vom  »Stand piinivt  Shaftes- 
burys  zu  begrülsen,  weil  es  das  wissensclialtliche  Gebiet  auf 


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108 


SBychologische  (irimdkigen  stelle.  Dies  war  aber  nicht  not  wen- 
ig, da«  hatte  ein  Gröfserer  als  Adam  Smitii  lange  vor  ihm  ge- 
than,  nämlich  Hume  in  der  Einleitung  zu  seinem  „Treatise  od 
Human  Nature**. 

Diese  Erörterungen  eigeben  noch  ein  anderes  Resultat,  daa 
den  Schluls  dieser  Betrachtung  bilden  soll.  Shaftcsbury  hält  dem 
christHeli-askclischen  Mensehen-  und  Lebensideal ,  da.«  mich  bei 
Deacartes  und  iSpinoza,  wenn  auch  in  so  eigentümlich  neuer  (  üe- 
stalt,  erscheint,  und  dem  mit  der  christlichen  Lehre  verquickten 
Epikureismus  die  antik-heidnische  Welt-  und  Lebensanschauuug, 
bereichert  durch  die  moderne,  gegenüber.  Wenn  ich  mir  ein  Ur- 
teil hierüber  gestatten  darf,  so  gebt  von  Shaftesbury,  d^  ZeSA- 
genossen  Bentleys,  eine  neue  Renaissance  des  klassischen  Alte^ 
tums  aus,  welche  in  der  Litteratur  der  drei  wichtigsten  Kultur- 
völker des  18.  Jahrhunderts,  nicht  zum  mindesten  in  der  unsrlgen, 
ihre  tietrn  Öpuren  hinterlassen  hat.  Die  religiöse  Bewegung, 
welche  im  und  17.  Jahrh.  der  humanistischen  so  feindlich 
wurde,  hatte  sieh  ausgelebt,  und  die  Antike  gewann  neue  Kraft 
und  erregte  neue  Begästerung. 

VI. 

Die  Ethik  und  die  Bedürfnisse  der  Zeit^ 

Worin  das  Autik-heidnische  in  iShaftesbiuys  Moralphilosophie 
besteht,  bedarf  nur  einer  kurzen  ErtJrterung.  Es  ist  enteos  die 
Aufifiusung  des  Menschen  nicht  als  eines  isolirten  Individuums^ 
sondern  als  eines  Teiles  der  menschlichen  Oescllscliaft;  zweitens 
die  unbefangene  Schätzung  der  mensclUichen  Triebe,  die  im  ge- 
sunden, normalen  Älenschen  .ille  gut  sind,  alle  zur  Erhaltung  des 
Ganzen  und  des  individuellen  Teiles  dienen:  im  schrolfsten  Gegen- 
satz zu  der  christlichen  Lelire,  die  alle  Hegehrungen  und  Stre- 
bungen der  ungeheiligten  Nachkommeu  Adams  für  böse  erklärt; 
hiermit  im  engsten  2^usammenhange  drittens  die  MOgh'chkeity  aus 
den  menschlichen  Trieben  das  Sittliche  hersuldten,  das  also  wie 
in  der  besten  Zeit  des  griechischen  Altertums  ftlr  nichts  Unnatür- 
liches gilt ;  viertens  die  kraftvolle  Einflihrung  der  Tugenden  der 
Selbstliebe  in  das  Moralsv-steni,  die  neben  den  socialen  Tugenden, 
der  Hinterlassenschaft  des  Christentums.  Platz  finden;  endlich 
fünftens  das  unerschütterliche  Zutrauen  zur  njenschlichen  Vernunft. 

Es  bedarf  ja  kaum  der  Erwähnung,  dafs  Sliaftesburjr  nicht 
in  allen  jenen  StUcken  der  P&dfinder  der  modernen  Ethik  ge- 
wesen Ist  Sobald  man  anfing,  die  Moralphilosophie  der  Alten 


^  Die  gdstvollste  uud  klarste,  weil  auf  diier  eingehenden  Verglei- 

chung  det*  hckhiischen  und  i  liri.stliclien  L('l)etif»idcals  bi-nihri  di  r);irstel- 
lun^  der  autiken  and  christlichen  Tugendlchre  giebt  Faulseu,  Sp  ätem  der 
Ethik  I,  p.  50  ff. 


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109 


en  reproduzieron  odor  auf  antikem  Funf^iT^irnto  neu  aufzubaueDi 
imirst*'  man  in  Kontiikt  mit  der  christli«  K  ii  L(  hre  kommen  una 
den  einen  oder  andern  der  erwähnten  runku'  nuaftihren.  Sogar 
der  durch  den  Augustinismus  verlUlschte  ICpikureismus  hat  einige 
Züge  der  antiken  £thik  behalten:  die  Sdlwterhaltnng  als  Zweck 
alles  Siechen,  die  Vernunft  als  Mittel,  um  ihn  zu  erreichen. 
Das  erotianische  Naturrecht  hatte  die  sociale  VeranliijL^ung  der 
menschlichen  Natur  nachzuweisen  gesucht  und  aus  dem  Trit-be 
zur  Gemeinschaft  unter  Mithilfe  der  Vf  riniTift  das  Naturr(  elit  .»Vj 
geleitet.  Hierzu  kam  em  orij^inelier,  teinsrnniger  Nachweis,  daiij 
der  Mensch  ein  geselhge«  Wesen  sei,  welchen  Cumherland  in 
einer  Schriü  lUhrte,  die  in  die  früheste  Juj^eiid  Shaftesburys  fiült. 
Man  erinnert  sich  weiter  des  allgemeinen  Vertrauens^  welches  die 
menschliche  Vernunft  h  l  I  n  Natmrechtslehrem  genofs.  Dals  der 
llgoismus  zur  irdischen  Wohl£fthrt  der  Gesellschaft  und  des  Staates 
notwendi'j:  sei,  war  endlieh  von  Mandeville  überzeugend  nach- 
gewiesen worden.  Endlich  wjir  von  liaeon  behaiii  tet  worden, 
dals  es  iivvei  Haupttriebledem  menschliehen  Haiilrbis  gebe,  von 
denen  die  eine  aui  diis  Einzelwohl,  die  andere  auis  ü  cscimtwohl  ziele ' . 

Auiaerdem  hatte  die  Reformation  einige  dieser  Tendensen 
▼erstltrkt.  Selbst  Panlsen,  welcher  die  Abwendung  von  der  Christ- 
lielisisketischen  Lebensanschauung  nicht  für  die  Ursache  der 
Reformation  hält,  meint,,  diese  habe  mitgewirkt,  „dem  Leben  der 
M<'nschen  die  Hiclitung  auf  (bis  Dir-sseits .  auf  die  Erde,  auf  dv^ 
Kultur  zu  geben  und  es  von  der  Kiehtung  auf  das  Jenseits  und 
die  ErlobUDg  zu  entwöhnen'*  Und :  „die  Heriifun;^  auf  die 
besser  ausgelegte  Schrift  war  also  unter  allen  Umständen  zuletzt 
Berufung  auf  die  eigene  Vernunft  und  das  eigene  Gewissen**'. 

So  nahen  also  Renaissance  und  Reformation  sich  auch  dasu 
vemnigt,  die  sittlichen  Anschauungen  der  modernen  Menschheit 
auszuprägen.  Wenn  aber  unsere  Ansicht  von  dem  Zusfimmen- 
hanf?  derTheorieen  und  den  n<  dUrfiiissen  der  Zeit  richtig  ist,  so 
wird  man  in  jent  n  nur  Spiegelungen  der  Gefühle  gröfserer  oder 
geringerer,  jedenfalls  milchtiger  Bruehtcile  der  Völker  erblicken 
können.  Um  diesen  eine  theoretische  Grundhige  zu  geben, 
knttpfen  die  führenden  Geister  an  frühere  Doktrinen  an,  stutzen  sie 
fttr  ihre  Zeit  zurecht,  bilden  sie  weiter,  erfüllen  sie  mit  dem 
Lebensinhalte  ihrer  Periode.   Und  worin  bestand  dieser? 


Analysieren  wir  die  wesentlichen  Charakterzüge  der  niod»  i  nen 
Völker^,  HO  finden  wir  folgende:  das  Streben  der  Ftirsten  nach 

'  ^Eb  ist  ohno  Zweifel  Bacons  Absicht,  letztere  als  die  Qudle  de» 
Sittlichen  zu  bezeichnen.^    Jodl,  p.  95. 
«  System  der  Ethik  a.  a.  O.  1,  p.  108. 
^  i    1.  O.,  p.  109. 

*  Su  lio  die  peistvollf^  Charakterisicrunff  des  Mercantilisinu^  bei 
Schmoller  -.  .Studien  über  die  wirUichaftUchc  Poutik  Friedrichs  des  Grofsen" 
S.  15ff.  SchmoUet^s  Jahrbuch  1884. 


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110 


X  2. 


Herstellung  kraftvoller  Territorial-  oder  Kationalstaaten ,  daraus 
bervorgoliend  die  Beherrschung  luulorer  Völkor  oder  X'olksteile, 
aber  auch  das  Ringen  um  die  staatli«  hf-  SelbsterliakuDg,  welche 
einen  kräftigen,  .süiathclien  oder  nationalen  Egoismus,  die  Freude 
an  Ehre  und  Auiszeichnung,  vorausetzeii  5  zur  erfolgreichen  iier- 
stellung  der  Territorial-  und  Nationaktaaten,  wie  der  ttebemchung 
Fremder  und  der  Selbsterhaltung  gegen  Fromde,  die  Vermehrung 
der  Bevölkerung  und  die  Steigerung  alli  r  Avirtschaftlichen  Kräfte: 
diese  abhängig  rechtlich  von  der  Niederreifsung  da*  Schranken 
der  lokalen  Wirtschaftsgeljiete  und  der  Ausdehnung  eiidieitlicher 
grofser  Wirtsc liaftsgebiete  mit  freier  Zirkulation  im  Innt-m,  öko- 
nomisch von  der  Vermehrung  der  Strafsen.  der  Ti-ans}jortanstalten 
und  des  Geldes,  bittlich  von  dem  ungelunderten,  auch  illegitimen 
Walten  eines  kräftigen  Erwerbstriebes  und  des  Geschlechtstriebes, 
die  nur  an  die  eigene  sinnliche  Befriedigung  denken,  aber  dem 
Gänsen  im  System  der  Arbeitsteilung  und  durch  die  Steuergesetz- 
gebung der  8taat8gewalt  dienst  1  ar  gemacht  werden;  damit  der 
wirtschaftliche  I'^goisraus  und  der  ( icsehleclitstrif'b  niöL'lichst  viele 
Güter  und  Menschen  lie;  vorbringen  können :  ßelicrrschung  der 
Natur  durch  die  Kntfaitung  der  Technik,  weh-he  die  Pflege  der 
Naturwiöüenschiiften  voraussetzt.  So  unterhiüt  der  wirtschaftliche 
Egoismus  Heere  und  Flecken;  er  produziert  die  Maschine,  welche 
die  Möglichkeit  gewährt,  grOfsere  Mengen  von  Menschen  su  unter- 
halten oder  eine  geringere  Anzahl  in  erhöhtem  Mafse  an  den 
Früchten  der  geistigen,  sittlichen  oder  materiellen  Kultur  teil- 
nehmen zu  lassen.  Ja.  er  wird  dem  ungehindert' n  Walten  des 
(Tesehleehtslriebes  si-lbst  teindlich;  denn  der  Produktioiisj)rozels 
}»r'niht  nun  nicht  mehr  so  «eiu"  auf  einer  kunstvollen  Arbeits- 
teilung, wie  auf  der  Anwendung  arbeitsparendender  Maschinen. 
Und  die  Erhaltung  einer  kräftigen  Heeresmacht  yertrügt  sich 
Ökonomisch  besser  mit  der  Aunsiehung  einer  geringeren  An- 
zahl lebenskiftftiger  Menschen,  als  der  Ernährung  einer  grdiseren, 
von  denen  ein  starker  Bruchteil  rasch  wieder  stirbt 

Die  Erkenntnis,  dafs  die  moderne  Volkswirtschaft  auf  dem 
freien  Walten  des  Selbstin tere«ses  beruht,  tindet  sich,  soweit  raeine 
Kenntnis  reiciit,  zuerst  vonhollandisciien  Schriftstellern  oder  von 
Schriftstellern,  die  iu  Holland  lebten,  mit  aller  Deutlichkeit  aus- 
gesprochen. Dies  erscheint  natürlich,  da  in  diesem  Lande  die 
moderne  Volkswirtschaft  zuerst  zu  dner  gewaltigen  Ent&ltung 
gekommen  ist»  überhaupt  alle  Tendenzen  acs  modernen  Lebens 
aort  zum  energischsten  Durchbruch  gelangt  sind,  \^'elchen  An- 
teil das  kleine  Land  an  der  Entwicklung  der  l*hilolo*iie ,  des 
Katurrechts,  der  modernen  Philosophie  gehabt  hn\ ,  wurde  kurz 
berührt.  Ich  will  nur  daran  erinnern,  dafs  die  Maierei,  diese 
treue  Schildtrin  der  Volksseele,  das  Gebiet  der  religiösen  Kunst, 
der  edlen  Formen,  der  architektonischen  Gliederung,  wenn  auch 
nicht  verläfet»  so  doch  mit  Vorliebe  ihrer  Freude  an  der  Land- 
schafty  am  Meere«  an  den  Blumen,  an  dem  kräftigen,  derben  Volks- 


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X  2. 


Ul 


leben,  an  der  oft  unedlen  Wirkiii  Iikcit  Ausdriu  k  giobt  und  so 
di;n  Bruch  mit  der  mittelalterliciicii  Weltanschauung  iii  Foruien 
«ind  Farl>eD  bekundet 

Pieter  de  U  Court  meint:  „Fon  doit  croire  que  dans  toutes 
les  asaembldes  ou  Soct^tes  TuitärSt  particulier  est  pr^M  k  tonte«  , 
choses/  Er  plaidiert  stets  fttr  die  Freiheit,  hattptBttchlich ,  wefl 
«ch  Holland  und  die  Holländer  materiell  wohl  dabei  befinden. 
Er  erwähnt  wo!il  mvh  die  natürliche  Freiheit  und  dir  Verpflich- 
tung Hollands,  in  allem  die  Freiheit  zu  ehren;  aber  der  volks- 
wirtächattliche  Nutzen  lie^  ihm  doch  um  meisten  im  Sinne'. 
JMan  lasse  dem  Erwerbstriebe  die  Zügel  schiefsen  und  die  Erde 
wird  dn  Paradies  werden:  „en  pcas^dant  la  übert^  de  pouvoir 
•employer  les  droits  naturels  sor  sa  oonserratioii,' autant  qu'ils  ne 
fendent  pas  k  la  destruction  de  cettc  assembl^  poiitiqae,  on 
trottvera  un  paradis  dans  le  plus  nöcessiteux  pays  du  monde, 
pui^qii**  1:(  volonte  d'une  pcr^onnc  est  vif«  et  son  paradis, 
principaiement  dans  le.s  clioses.  dont  tonte  sa  pn)j>perit<'  depend"  ®. 

Dem  Skeptiker  Pierre  Bayle,  welelier  in  d^n  Niederlanden 
<;iu  Asyl  ji;efimilen  hat,  fMllt  der  Widerspruch  zwiseiiea  der  christ- 
lichen, auf  das  Jenseits  gerichteten  Sittenlehre,  welche  die  Schätze 
^er  Welt  verachtet,  Kränkungen  su  ertragen  befiehlt  und  In  der 
Keuschheit  ein  Gott  wohleeralliges  Verhalten  erblickt  —  diesem 
Philosophen,  snge  ich,  ftlUt  der  W  iderspruch  zwischen  dem  sitt- 
lichen Geiste  des  Christentums  und  den  Hclürfnissen  der  Wirk- 
lichkeit brBonders  stark  auf.  Nur  die  Völker,  welche  wieder 
schlajL'en.  wenn  sie  geschlnpen  werden,  welche  sich  dem  Erwerbe 
mit  aller  Energie  widmen  und  die  Fortpflanzung  keinem  Vemunft- 
gebote  unterwerfen,  die  vermögen  ihre  Existenz  zu  erhalten. 
Was  aber  in  Bayles  Ausflihrungen  fast  aufdringlich  hervorspringt, 
das  ist  die  Behauptung,  dafs  das  Menschendasein  seine  höchste 
Förderung  nicht  dem  Walten  des  Geistes  verdankt,  sondern  dem 
Irrationalen,  der  Energie  der  Triebe,  dem  sittlich  Hälklichen. 

Ein  anderer  Franzose  von  Abstammung,  aber  geborener  Nieder- 
länder, Bernard  de  Mandeville,  nahm  diese  Gedanken  8pilt<r  in 
origineller  ^^'eise  wieder  auf,  ^^ab  ilmen  einen  inneren  Zusamm» n 
hang,  betonte  noch  stari<<  r  als  ]>ayle,  dafs  nicht  in  der  Vernunft 
und  der  sitdichen  Lebenstubrun^,  sondern  in  dem  Unvernünftigen, 
8ittÜch-Httislichen  der  Same  aller  Kultur  enthalten  sd,  und  ver- 
kündete sie  den  Engländern  ein  Vierteljahrhundert  liindureli  in 
Poesie  und  Prosa.  Sie  haben  ihm  so  beiikllig  gelauscht,  wie  die 


'  M«n  sif'lit  die'«  hef»ondor»*  klar,  wo  er  für  di*»  relipiijse  und  Nicder- 
laR^nnustreiheit  eintritt.  Er  verteidigt  sie  vornehmlich,  weil  sie  llolhmd 
nützlich  sei;  aber  er  erwähnt  beiläufig,  dnfs  die  Verfolguiifjr  Andersden- 
ker Ii  r  ?orait  trte-rudo,  trrs-injii.<to  et  tW?  (lt>fninn''f;iM(»,  pnrtiiuliercment 
jjour  iiotre  nation  qui  s'ef^t  tr>ujaur»*  vant^e  df  cotnbattrc  p«iur  la  libert^". 

'  MeiDoires  de  Jean  de  Wit,  Ratisbonne  I7i»9,  p.  33. 


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112 


Franzosen  dem  Herzog  von  L<iroehefoueanlt.  Die  sechs  Aut- 
lagen der  pBieneuiahel welche  verhaiuiiibuiarbig  raaeh  hinter- 
einander enehlenen,  beweisen  ee,  und  Adam  Smith  hat  tuu  ein 
Zeugnis  daiüber  hinteilaBBen,  welche  Verwirrung  in  den  Oeistem 
dae  Buch  zu  bewirken  vermochte.  Damals  begann  jener  unge- 
heure Aufschwung  der  englischen  Volkswirtschaft:  die  materiello 
Grundlage  einer  Kthik,  welche  d^  n  E<2;oiamu8  als  ein  Princip 
oder  Element  des  Sittlichen  betrachtete,  hatte  sich  gebildet.  Die 
Zeit  der  Mamievillc,  Sliaitcübury  und  hmith  war  gekommen. 

Damit  ist  die  Frage  erledigt,  welche  Ursache  in  der  eng- 
lischen Ethik  einen  so  grolaen  Keicbtam  an  ErOrtenmgen  üb^ 
den  menschlichen  Egoismus  hervorgerufen  hat.  Der  Untergrand 
geaellschaftlicher  Bedüriuisäse  erklärt  es.  dafs  Shaftesbury  in  seinem 
System  da.s  christliclie,  heidnische  und  moderne  T.ebensideal  mit- 
einander zu  versclimelzen  wulste.  Di»'  Schützling  des  Erwerb.s- 
triebes  ist  weiler  antik'  noch  christlich,  sondern  modern;  in  dem 
Lehrgebäude  des  englischen  Philosophen  bildet  sie  neben  den 
sodaien  Tugenden  und  den  Reflexionsaffekten  den  nicht  antiken 
BeatandteU.  Den  Zusammenhang  der  Ideen  mit  den  geseHschaft- 
liehen  Zuständen  brauchen  wir  uns  auch  hier  nicht  als  physika- 
lische Spiegelung  zu  denken;  es  ist  sehr  wohl  mögUcb,  dafa 
Shaftcsburys  Aufenthalt  in  Holland  und  seine  Freundschaft  mit 
Bayle  auf  den  Inhalt  seiner  Ethik  von  Einiiuis  gewesen  ist 

Deseartes  und  Bacon  sind  als  Vorkämpfer  für  die  moderne 
Ldbensanachauung  gewürdigt  worden;  sie  sprechen  es  unumwim- 
den  aus,  dafs  die  Naturwissenschaften  die  Beherrschnng  der 
Natur  zum  Zwecke  haben  mtiasen.  ihnen  dürfen  wir  Hobbes 
und  Locke  anreihen,  so  entgegengesetzt  ihre  Theorieen  sein  mögen. 
Sie  sind  die  Herolde  des  modernen  Staate.«,  dessen  Macht  in  last 

fleichem  (irad**  zu  waclisen  scheint,  wie  di«'  Tendenz  nach  voller 
'reilieit  der  Maaiabürger  sich  immer  mehr  ausbreitet.    Der  einen 
oder  andern  dieser  Kichtungen  ist  man  auch  schon  gerecht 

feworden.  Dagegen  hat  die  Geistesarbeit  der  Qassendi,  Hobbes, 
.arochefoucault ,  ßayle,  Mandevüle  und  selbst  Shaftesbur}'s  als 
Förderer  der  ethischen  Lebensanschauung  der  neueren  Zeit  nicht 
dieselbe  Wiirdigimg  erfahren,  obwohl  sie  das  christlich  -  aske- 
tisclif  Lebensidca!  d«-s  Mitt'^lalters  -/«Ttriinimert  oder  die  kräf- 
tigsten Triebe  (ics  modernen  Menschen:  die  Selbstliebe,  den 
Trieb  nach  Geuul's  und  Vergeltung,  nach  Elu*e  und  Gewinn  ein- 


'  Die  Erwerbsthiiti^'keit  ätand  in  geriugeai  Auechen,  sie  galt  für  ge- 
mein .  .  .    PauUen,  a.  a.  O.  Jt  p.  i4. 

^  ^Spütor,  am  Endo  geiner  zwanziger  Jahre  begab  er  fSlmftesbiirv)  sich 
nacli  HullHud  und  hielt  sich  im  Umgang  mit  Ba^de,  Leclerc  und  andern 
Gelehrten  dieses  Standes  etwas  über  ein  Jahr  anf.  Mit  Bavle  führte  er 
in  der  Fol^'f  einen  rc;^'flni!ir3igen  I3ricfwee1isel  und  wufsto,  als  dieser  ein- 
mal aus  Uolland  verbannt  werden  sollte,  dies  durch  sein  Ansehen  zu 
hintertreiben.'  Lech  1er,  Geschichte  dee  eogltachen  Deiamas,  p.  244. 


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X  2. 


IIB 


facli  Rufz*  ictinf-nd,  lobenJ,  todehid  oder  zur  Höhe  des  Sittlichen 
erhebend,  in  die  wisäenschafUiche  Betrachtung  eingetitgt  haben. 

VII. 

Die  politische  Ökonomie  und  die  Ethik. 

Die  AusführnntTf-n  dieses  und  des  ror}i('rp:chenden  Kapitels 
zeif^en .  dals  Smitii  eine  cthi^ich  -  psychologisclie  Richtung];'  in  der 
Pohtissclien  Ökonomie  verfolgen  musste.  Von  zwei  Seiten,  be- 
obachteten wir,  empfing  er  die  Anregung  hierzu:  vom  Natur- 
rechte  und  der  Etmk.  So  stellte  es  sich  uns  dar,  da  wir  die 
Ethik  nach  dem  Naturrechte  betrachteten.  Für  Smith  ( Ib^t  war 
eine  doppelte  Anregung  nicht  vorhanden :  denn  seine  Moraiphilo- 
Bophie  war  ein  einheitliches  System,  welehos  fiiif  den  Grundlagen 
der  Shaft<  öbiiryschen  Etliik  süind ,  das  Wahre  und  Berechtigte 
der  Lehren  Mandeville's  wie  den  Geist  des  Lockeschen  Nafnr- 
rechteü  in  sicli  auigenummen  liatte;  sie  umschloitö  Ethik  und 
Natuirecht   Daa  Bedit  ist  ein  Teil  des  Sittlichen. 

Vom  Boden  des  Naturrechtes  aus  stellt  er  die  Grundafttse 
der  wirtschaftlichen  Freiheit  auf;  es  sind  Forderungen  der  Ge- 
rechtigkeit an  die  Volkswirtschaftspolitik.  Hierzu  kommen 
die  Grundsätze  einer  ^f^rocltten  Steuerpolitik.  Es  seinen  uns. 
dals  er  die  freie  ('onciirreiiz  dmx:h  gesetzlielie  Schranken  der 
Gerechtigkeit  eiiu  ngen  wollte.  Hierüber  wiss»  n  wir  nur  sehr 
wenig.  Jedentallö  gehört  der  zweite  der  bekannten  vier  Fälle, 
In  welchen  er  die  Handelsfreihett  beschrfinkt  wissen  will,  hierher. 
Der  „Wealth  of  Nations**  kann  uns  tther  diese  Frage  keinen 
gentigenden  Anfschiuss  geben,  da  die  Beschränkungen  der  freien 
Concurrens  in  dem  Privat-  und  Strafrecht  abgehandelt  werden 
musstcn. 

l)er  Ausgang  von  Shaftesbury  und  Mandeville  in  der  Ethik 
führte  Sinitii  auf  die  Bahn  einer  ethisch- psychologischen  Betrach- 
tung in  der  Volkswirtschaft,  wobei  von  cien  methodischen  Ein- 
flüsse Humes,  von  dem  Charakter  der  Nationalökonomie  Hutche- 
sons  abgesehen  wird,  die  ich  an  anderer  Stdle  besprechen  werde. 
Die  englische  Ethik  hatte  ja  gezeigt,  was  die  wirtschaftliche 
Welt  im  innersten  ziisnmmenhät,  sie  hatte  Uber  den  sittÜchen 
Weii  der  racnsehliehen  Tnebe  aufgeklUrt. 

Die  etln^cli  -  socialen  Grundlafjen  der  Sniithschen  National- 
ökonomie stellen  sich  so  ais  eine  Durchdringung  der  Leliren  »Shaf- 
tesbui^s  und  Mandevilles  in  der  Umrahmung  der  Quesnayschen 
Theone  der  Volkswirtschaft  dar.  Die  heutige  Volkswirtschaft 
ist  eine  grofse  Tauschgesellschaft  mit  i^rivateigentum  an  den 
Produktionsmitteb,  in  welcher  ein  jeder  der  Dienste  des  andern 
V  larf  nnd  i/ewis^ermafsen  ein  Kaufmann  wird  Zudem  ursprUnf^- 
liehcn  Motor  aller  Wirtschaft,  den  Bedtirfrn'ssen.  kommt  hier  also 
noch  ein  neuer  hinzu :  der  Trieb,  im  Verkeiir  zu  gewinnen.  I>eide 
lösen  die  Arbeit  au«,  ohne  die  nichts  erworben  werden  kann, 

Fpft^nofta  (48)  X  2.  —  ILvbMh.  8 


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lU  X  2. 

und  deren  Last  der  träge  Mensch  ciocii  .so  bchr  verabscheut.  Steht 
aber  das  mensehliche  Triebleben  im  Mittelpunkte  aller  Wirtschaft,  so 
darf  eine  psychologische  Analyse  der  Volkswirtschaft  nicht  fehlen. 
Wir  haben  im  vierten  Kapitel  dieser  Schrift  gesehen,  wie  reich 
dieselbe  bei  Smith  aasgerallen  ist.  Aulserdem  finden  wir  eine 
ethische  Wertung  des  wirtschaftlichen  Egoismus.  Smith  billig 
ebensowenig  wie  Sliaftosbury  die  Sflbstsucht,  selfi.shness.  weil  sie 
die  Wirksanakeit  der  socialen  Triebe  gefährdet.  Aber  er  billigt 
ein  solches  Mafs  von  Selbstinten  sse .  welches  .sich  innerhalb  der 
Schranken  der  Gerechtigkeit  hält,  die  JSebenmenschen  also  nicht 
schftdigt.  Das  die  Forderungen  der  Gerechtigkeit  achtende  Selbst- 
interesse ist  nach  ihm  der  psychologische  Faktor  des  Wirtschafts- 
lebens. Die  wirtschaftliehe  Kührigkeit  (industry  ),  meint  Shaftes- 
bury,  verschafft  uns  alle  die  Dinge,  welche  wir  zum  Leben 
brauchen.  Smith  fibernimmt  diese  Ansieht,  vertieft  sie  aber,  in- 
dem er  ihr  den  Spartrieb  gegenUlx'rstellt  Das  geraiilsigte  Selbst- 
interes.'^e  bef>>rdert  weiter  das  Ge<h'tlien  des  (Tanzen;  es  besti  ht 
eine  prastahilierle  Harmonie  zwischen  diest-m  und  jenem.  Bedenkt 
man  aufserdem»  dals  Smith  das  wirtschafts-potttische  System  der 
fireien  Konkurrenz  nicht  nur  in  der  aufrichtigen  Überzeugung 
empfahl,  dafs  es  das  einzig  gerechte  sei,  sondern  auch  zu  be- 
weisen suchte,  dals  der  Nutzen,  den  es  schaffe,  darin  bestehe, 
die  %virtseliaftliclic  LAgo  der  Armen  und  Niedrigen  zu  siehern, 
den  (jre";eii.-^atz  der  Khis.seninterestsen  zu  mildem  und  das  Inter- 
esse  aller  K  lassen  mit  dem  Inteix^s^e  ih  r  ( iesellschaft  zu  versöhnen, 
so  geht  man  nicht  zu  weit,  wenn  man  in  ihm  einen  hervorragenden 
Vertreter  der  etliischen  Richtung  in  der  Nationalökonomie  sieht. 
Einige  dieser  Punkte  will  ich  noch  etwas  genauer  ausftlhren. 

Vor  allem  ist  der  ^ehönen  Weise  zu  gedenken,  in  welcher 
Smith  uberall  für  d<  n  Arbeiter  l  intritt.  Tin  dies  Verdienst  ganz 
zu  würdigen,  mr>;^^e  man  yieh  daran  erinntm.  dals  seit  hundert 
Jahren  der  (iedanke  immer  wieder  ausL'e.s])roelien  worden  war, 
es  müsse  liem  xVrbeiter  scldecht  gehen,  damit  er  nicht  faullenze. 
Er  findet  sich  nicht  zuerst,  aber  in  seiner  cymschsten  Form  bei 
MandevUle.  Man  mufs  weiter  bedenken,  dafe  die  Ph^siokraten 
2war  nicht  arbeiterfeindlich  waren,  aber  doch  durch  dire  Wirt- 
schaftspohtik  daran  verhindert  wurden,  sich  der  besonderen  In- 
teressen des  Arbeite»  kräftig  anzunehmen  ^  Schon  die  unbedingte 

'  Mau  Hohc  z.  15.  Huudeaus  „Introduction".  II  noua  laut  une  race 
nombreuse  de  fermiers  ou  cultivatours  en  chef  .  . .  La  pt;rfecti(>n  .  .  . 

lart  proiluctif  f^orn  doiic  d'autaiit  plus  infaillibtc  .  .  .  quc  la  classe  des 
leiiniet'ä  .  .  .  scra  plus  noiiibreu.se  .  .  .  plus  opulente.  —  Jji  .  .  .  tout 
teDd  k  diminiier  la  race  des  fenniers  .  .  .  cette  soci^^  tend  k  aa  d& 
cadencf  u.  f=.  w.  A\nlil  i  f  R.  Ubfr  dif  Steuoni  und  trrnnd herrlichen  Ab- 
gaben entrüstet,  welche  die  Tage  löhner  zu  tragen  haben,  aber  er  hebt 
auch  hervor,  dafs  diese  zu  Eahlreicb  waren.  Die  wicbtiaste  Aufj^be  der 
Politik  sei  Vermehrung  der  Kapitalien,  Eraparunp  aucdi  der  Menschen: 
Multiplication  des  recnltra,  epargno  de  la  tcrre  et  des  hommps.  Ki-st 
wenn  mehr  Kapitalien  in  den  Boden  gesteckt  wären,  würde  ihre  Lage 


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115 


VorlieV'  für  den  Grorsbetrieb  in  Ackerbau  und  Gewerbe  zeiffl, 
dafs  ihnen  das  Verständnis  für  eine  nachdrückliche  Hebung  der 
unteren  Klassen  fernlag.  Auch  das  Interesse;  denn  ihr  Ein- 
treten iUr  die  freie  Konkurrenz  hatte  seinen  politischen  Grund 
in  der  Erwartung,  da&  dadurch  der  nach  ihrer  Meinung  unge- 
redite  Gewinn  nnd  damit  die  Lebenshaltung  der  sterilen  Klasse 
herobgedrUckt  würde.  Leiden  aber  die  Unternehmer,  so  wer- 
den sich  auch  die  T.öhne  verringern.  ^^'"(ite^  wurden  sie 
durch  ihre  Revölkerun{j;.stheone  von  der  Arhcitorfreundliclikei't 
Smiths  abgehalten,  welcher  eine  groftie  Ik'volkc  runu'  für  einen 
der  gröfsten  Segen  der  menschlichen  Gesellschaft  betrachtete.  Von 
welcher  Seite  ein  freandlicheres  Udit  auf  die  physiokratischen 
Anschauungen  fUUt,  werden  wir  schon  bald  sehen. 

Dagegen  hat  Smith  wirklich  Sympathie  mit  den  Arbeitern. 
In  den  Unternehmern  erblickt  er  vielieicht  häufiger,  als  sie  es 
verdienten,  eine  Klasse  von  Menschen ,  die  zur  Ausbeutung  der 
Arbeiter  und  der  Konsumenten  verbündet  .seien.  Die  J^essenmg 
der  Lage  der  Arbeiter  halt  er  für  keinen  Nachteil  für  die  ganze 
Gesellschatt.  Aufserdem  sei  es  nur  billig,  dals  die  unteren  Klassen 
einen  besdieidenen  Anteil  an  den  Dingen  erhielten,  weldie  sie 
selbst  geschaffen  hKtten.  Hohe  Löhne  erhöhten  im  alkemeinen 
den  Fleifs  der  Arbeiter.  Er  sucht  ausführlich  die  Behauptung 
zu  widerlegen,  dafs  sie  in  billigen  Jahren  tr;i;;er,  in  teuren 
fleifsig'T  waren.  Auch  er  verficht  die  Gewerbetreilieit  mit  natur- 
rechtlielien  Wendungen;  aber  man  .^ieht.  dafs  er  dabei  auch  an 
den  Nutzen  der  Arbeiter  denkt.  Mir  welcher  Schärfe  V(^rdammt  er 
die  Niederlassungsgesetzc  als  ,,an  evident  violation  oi  natural 
liber^  and  justice'*  I  Wo  die  Gesetzgebung  sich  mit  den  Arbeiter- 
Streitigkeiten  beschäftige,  seien  ihre  Berater  stets  die  Meister.  In 
der  Lehre  vom  Lohne  kann  das  Verhältnis  von  Steuart  zu  Smith 
am  besten  erkannt  werden.  Der  letztere  hat  in  den  theoretischen 
AuaflUirungen  viel  von  dem  ersteren  entnommen;  die  ethische 
Haltung  ist  .so  ver.sehicden,  als  ob  Jahrhunderte  zwischeu  ihnen 
lägen.    Nun  zu  einem  anderen  Punkte. 

sieh  bessern  können.  Bei  den  (Jt  wcrben  orw  artet  er  alles  vom  Grofsbetrieb 
Qod  von  «ier  (Jcwerbct'reihoit  Cost  doiir  un  bien  reel  quand  il  a'öU^ve 
an  chef  qui  sait,  qui  veut  et  qui  peut  operer  en  grand  .  .  .  Liberte, 
Iibert4  totale,  immuntt^  paifute  .  .  .  yoila  le  seul  caract^  naturcl  aiü 
doit  former  la  distinction  eiitro  \o?.  infimifncturier?  .  .  .  et  lenrs  siin]ile8 
manoBUTres  a.  8.  w.  Daire  iUp  TOu  ö.  6ic  bahnen  den  aufsteigenden 
GrofianternehiDern  den  Wei; —  im  allgemeinen  Interesse  der  Volks- 
wirtschaft, wie  sie  glauben.  Daire  meint,  Baudeau  lia)>e  schon  „prouv^ 
par  anticipation,  contre  les  Socialistes,  (|uo  la  lutte  du  capital  contre  le 
travail  n'est  pa.s  un  mal,  bien  qu  il  puisse  n'^^ulter  de  ce  fait,  comme  de 
beaueoup  d  autres,  des  inconvenients  pas.sn^ers",  a.  a.  O  p.  714  (Note). 
Eine  Volköwirtscbaftslelire.  deren  biudHfi'-«  Ziel  tiio  Steifrerurifr  des  Koin- 
ertrag»  vermittelst  schrankenloser  Konkurrenz  war,  muläte  gerade  wegen 
ihres  organischen  Charakters  einer  humanen  Leh'.e  von  der  Verteilung 
der  Gnr*  r  feindlich  sein.  Quesnsj  Itiblt  dies  oiid  verleidigt  Mch  da- 
gegen.   Uaire  I,  p.  194. 

8* 


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116 


Am  Ende  des  dritten  KapiteL»  des  zweiten  Buches,  m  dem 
er  die  ökonomische  Bedeutung  der  Art  der  Ausgaben  dai^elegt 
haty  üodsi  «r  aidi  Teranlabt,  das  aittÜdie  und  Ökonomische 
Elem^t  scharf  zu  kontrastieren.  Die  ökonomisch  Tortellbafteste 
Anwendung  des  Einkommens  kann  eine  niedrige  und  selbst- 
sttch^ge  Gemtttsart  anzeigen. 

Wer  erinnert  «n-li  nicht,  dafs  er  es  nn  dem  Merkantile vstem 
tadelti  es  begünsüge  das  Wohl  der  Grol'sirn  und  M-tclitigen 
lind  unterdrücke  die  Interessen  der  Kleinen  und  Armeu  '  V  L'nd 
doch  wünscht  er  una  liumauitaUirückäichten ,  dais  man  vor- 
sichtig mit  der  Abschaffung  dieses  Systems  vorgehe.  Mit  bei- 
spielloser  Hef^tigkeit  greift  er  die  englischen  Kaufleute  als  Ur- 
heber und  FOiderer  der  merkantÜistischen  Handels-  und  Kolo- 
nialpolitik an.  Es  ist,  ^ie  gesagt,  eine  Heftigkeit,  die  ein  deut- 
scher Schidmeister  entschieden  tadeln  würde.  The  sneaking 
arts  ot'  underling  tradesmen  are  thus  crected  into  political  ma- 
xims  for  the  conduct  ot'  a  great  empire^.  Und:  To  tbiind  a 
great  empire  for  the  bole  purpose  of  raising  up  a  peopie  ot 
oostomers,  may  at  first  si^t  appear  a  project  fit  onhr  for  a 
natioQ  of  shopkeepers.  It  is,  however,  a  project  altogether  unfit 
for  a  nalion  of  shopkeepers ;  but  extremely  Ht  for  a  nation  whose 
povernment  is  influenced  by  shopkeepers*.  Die  Gesetze  der 
merkantiiisti.selien  Politik  seien  alk'  in  Blut  gescl i rieben Der 
Handel ,  welcher  ein  Band  der  Freundschaft  um  die  Nationen 
schluigen  solle,  «ei  die  rruchtbiirbtc  Quelle  der  Feindschaft  ge- 
worden. Der  Elirgciz  der  Könige  habe  im  17.  und  18.  Jahr- 
hundert den  Frieden  Europas  niät  so  gestKrt,  wie  „the  imper- 
tinent jealousj  of  mcrehantd  and  nianufocturen"^ 

Was  aber  noch  mehr  in  Erstaunen  setzt,  weil  es  den  her- 
gebraeliten  Anschauungen  über  Smitli  widerspricht,  ist  die  Tliat- 
sache,  dals  er  die  allgemeine  ^)chulpriicht  und  die  Stärkung  des 
krieirerisehen  Geistes  als  notwendige  Heilmittel  gegen  die  geistige 
und  sittliche  Verkrüppelung  empfiehlt,  welche  die  wirtschaftliche 
Arbeit  unter  der  Herrschaft  der  ArbdtBteiluDg  über  die  grofsen 
Massen  bringe  ^.  Smith  steUt  also  dem  Staate  noch  andere  Auf- 
gaben, als  die  negative  Sorge  für  die  wirtschaftlichen  Interessen. 


1  It  b  the  uidustry  which  is  carried  on  for  the  benefit  of  the  rieh 

and  the  powerful,  that  is  principally  onconraped  by  nur  mcrcantile  systein. 
Thai  which  is  carried  ou  for  the  beuefit  of  the  poor  and  the  iudigent, 
it  too  ofteu  either  neglected  or  oppressed.  III,  p.  4. 

2  Humanity  may,  in  this  case,  require  that  tlio  tVeedom  of  trade 
should  be  reetored  onl;^'  by  hIow  eradatious,  and  witb  a  good  deal  of 
reeerve  and  drcomspection.   II,  p.  201. 

»  II.  p.  261. 
«  a.  a.  O  p.  472. 
"  III.  p.  9. 
"  "  '  P-  298. 

"  I  ii»'  man  whosc  whole  life  is  Bpert  in  perfomiinp  a  few  simple 
Operations  .  .  .  generali^  hecomes  .  .  .  btupid  aud  iguorant  .  .  .  The 


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X  2. 


117 


Das  psychologisch  -  ethische  Element  hat  in  den  Schritten 
<^ue,snay8  und  seiner  Schüler  bei  weitem  nicht  die  Entwickhmg 
gefunden^  wie  in  dem  „Reichtum  der  Völker"  Adam  Smiths^ 
aber  im  wesentlichen  wud  man  eine  (iTbereinstimmung  aner- 
kennen müssen.  Die  Analjrse  der  Natur  des  Menseben,  welche 
Mercier  de  la  Ri^iere  giebt,  zei^  jenen  als  ein  durch  seine  Triebe 
und  Neigungen  tiür  die  Gesdlscliaft  bestimmtes  Wesen.  Der 
psychologische  Faktor  des  Wirt?c  hifr^lebens  ist,  all^xemein  ge- 
sprochen, der  Egüiöiiius,  nicht  der  Erwerbstrieb  oder  Spartrieb 
Adam  Smiths,  sondern  der  GenuTs trieb.  Aber  dieser  Unter- 
schied erweist  sich  schon  bei  oberflächlicher  Betrachtung  als 
nicht  so  grols;  denn  um  genielsen  sn  ktonen,  muA  man  erwer- 
ben^  und  die  Physiokratcn  haben  gewifs  nicht  gemeint,  der  Be> 
weggrund  alles  wirtscbattlichen  Streben«  sei  der  vorgestellte  Go- 
nufs  aller  Erwerber,  sonst  hätte  die  Lehre  vom  „Kapital"  in 
ihrem  System  keinen  Platz  zu  finden  brauchen.  Allerdings  }iat 
Smith  den  Spartrieb,  welcher  psyeliologisch  auf  der  Furclit  vor 
Not  und  dem  Wunsche,  mehr  zu  iiabt^n,  beruht,  für  viel  stärker 
gehalten,  als  den  Trieb,  zu  genielsen,  welcher  eine  starke  Ent- 
wicklung der  sinnlichen  Instincte  ▼oraussetat  Ob  sich  hierin 
der  Gegensats  des  schottischen  und  französischen  Volkes  oflfen« 
bare,  von  welchem  die  beiden  Denker  ihre  psychologischen 
Annnhinen  ahntrahiert  hätten,  diese  Frage  vermag  ich  nicht  zu 
entschoiden.  Ocwits  sind  die  Schotten  sparsam,  aber  die  Fran- 
zosen sind  es  auch. 


torpor  of  his  mind  renders  him  .  .  .  incapahle  .  .  .  of  conceiviiip  anjr 
generous  noble  or  teuder  sentimeut ...  Of  the  great  aiici  exteasive  intercsts 
of  hIs  coiint^  he  !b  altof^thcr  incapabt«  of  jud^ing;  and  noless  vety 
particiihii  pains  have  bi  cm  taken  to  rendor  li'  n  ouierwise,  he  is  eqjuably 
ineapable  of  defcndin;;  his  country  in  war  u.  s.  w.  —  Tbe  education  of 
the  common  people  requires,  perhaps,  in  a  civilized  and  comnicrcud 
Society,  the  attention  of  the  public.  For  a  very  small  expence,  the  public 
can  facUitate,  can  encourage  and  vnn  even  impose  upon  almost  th«^  whole 
body  of  the  people,  the  neceasity  ol  accjuiring  those  most  essentiai  parte 
4»f  edacatioii.  —  The  security  of  every  socie^  must  always  depeud,  more 
f^r  less.  lipon  thn  martial  spirit  of  the  great  body  of  the  people  .  .  . 
A  coward,  a  man  ineapable  eitker  of  defending  or  of  rcvengiug  liimselff 
evidentlv  wanti  <»ie  of  tbe  most  esBential  ptuts  of  the  cnaraeter  of  a 
man    V.  1,  III,  2. 

'  Mercier  de  la  Riviere  kommt  fast  allein  in  Betracht  1  »  tm^ne  be- 
ginnt Bein  Werk  mit  der  Darlegung,  dafs  dei  Mensch  Beduriuisse  ver* 
schiedener  Drüiglichkdt  habe;  aber  er  läfst  «ieh  nicht  welter  auf  diesen 

Gedaril:  n  <  it!  «ondem  gebt  sofort  da/Ai  über,  dafg  er  nur  aus  der  Erde 
die  Mittel  zu  ihrer  Ucfriedigung  erhalten  könne.  Mirabeau  erüö'uet  seinen 
nAmi  des  Hominee*^  mit  einer  Art  pflycbologischer  ErSiterung.  Der 
Mensch  sei  von  Natur  ß:e.-=»'llig,  aber  auch  li:i])8riclitig ;  we^cn  dieser 
gegeneinander  wirkenden  Kräfte  mufsten  die  Gesetze  über  die  Teilung  der 
Guter  die  ersten  sein.  —  Die  Ausführungen  Turgots  im  „Eloge  de  (jour- 
aay*  kninfiien  bei  der  selbständigen  SteHoDg  T.  nicht  in  Betracht.  — 
T>ft9  obigu  Urteil  wird  auch  durch  den  psycliolo^isehen  Bestandteil  der 
„  Economic  antmale^  nicht  verändert,  da  er  sehr  unbedeutend  ist. 


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118 


Da  der  (iciui  strich  eines  jeden  so  grofs  ist,  so  mufs  er 
(lurcii  den  Genulktiieb  aller  andern  in  i^chrauken  gehalten  wer- 
den. Indem  aber  nun  die  freie  Konkurrenz  das  Einkommen 
eines  jeden  mit  Attsoahme  der  Grundberitser  auf  eine  mälaige 
Grdfse  beschrilnkt,  wird  der  Qenu&trieb  angcstaclielt,  mehr  zu 
erwerben,  um  mehr  geniefsen  zu  können  Wird  daiin  dieser 
Trieb  durch  die  cigcno  Erfalirunf::  und  das  Beispiel  anderer 
belehrt ' ,  dann  entwickelt  sieh  aus  ilini  dir»  höchst  matorielle 
Wohlfahrt  der  Individuen  und  der  Gesellächatt-.  Mercier  niiumt 
wie  Smith  eine  Harmonie  der  Interesnen  der  einzelnen  und  des 
Ganzen  an,  nur  dals  seine  Auf&ssung  dieBes  Verhältnisses  einen 
flnleerHdiai  Charakter  hat  Übrigens  ist  sdne  Ansicht,  dals  das 
Gesamtinteressc  gleich  der  Summe  aller  IndividnalinteresBen  se^ 
Adam  Smith  nicht  fremd. 

Man  wtirde  den  Physlokraten  Unrecht  thun,  wenn  man 
behauptete,  sie  htitten  das  wirtschaftliche  Lehen  nur  als  einen 
Kampf  egoistischer  Triebe  nufgefiisst.  Mau  wird  sicii  erinnern» 
dals  sie  die  wirLöchaiiiiche  Freiheit  als  ein  Gebot  Gottes  betrach- 
teten; die  meoschliche  Natur  ist  yon  Gott  so  gewollt  und  die 
Ordnung,  die  ihr  am  besten  entspricht,  die  natttrliche;  was  sich 
dem  einzelnen  und  dem  Ganzen  ntUzlich  erweist,  ist  auch  das 
Gerechte. 

Baudeau  hat  uns  darüber  aufgeklUrt,  dals  ihr  Ideal  ein  viel 
höheres  war.  Sie  lioll'ten,  dafs  die  Gesellschaft  sich  immer  mehr 
einem  Zustande  nühern  würde,  wo  ein  jeder  sieh  den  Staats- 
g&setzeu  freiwillig  fü^e,  wo  eine  aUgemeine  Achtuug  des  Eigen- 
tums und  der  Breiheit  anderer,  ein  Geist  allgemeinen  Wohlwol- 
lens verbreitet  wäre.  Dieser  glückselige  Zustand,  Uber  dessen 
vollständige  Verwirklichungsmöghchkeit  sie  sich  keiner  Täuschung 
hingaben,  sollte  durch  den  allgemeinen  wirtschaftlichen  Unterricht 
herbeigeführt  wcrd^^'n  .  der  also  nielit  hlofs  nützliche  Kenntnisse 
und  Fertigkeiten,  sondern  a,uvh  eine  wohlwollend«'  und  p:erechte 
Gesinnung  verbreiten  sollte.  i)uuileau  »pricht  debiialb  auch  vom 
„moralischen"  wirtschaftlichen  Unterricht,  von  der  „Wirtschafts- 
moral'', von  den  „pi'dcieuses  y^rit«^  morales  deonomiques'^,  und  er 
sagt:  Le  premier  et  le  principal  caract^re  d  une  monarchie  ^o^ 
nomique  est  donc  Tetablissement^  le  maintien,  la  perfection  ])ro- 
gressivc  et  continuelle  de  renseip-nement  universel,  le 
plus  clair,  le  plus  effieace  possible.  (|ui  j^^ave  profondement  dans 
tous  les  espritö  Tensemble  des  principes  äimples,  sublimes  et 

1  Le  d^sir  de  jonir,  irritd  par  la  concunence  et  öcl&ir6  pur  l'exp^ 
rieoce  et  |>iir  r»»xpiTi|>lo. 

•  Dttlb  das  .">elb»tiiitertiöBe  die  iriebfeder  des  Wirtsihaftslebenä 
•ei,  behauptet  sehr  nnomwundeo  der  Comte  d*Albon :  ...  de  Ii  n^sulte 
cjue  TaugmeutÄtioTi  du  prodnit  not  iiim'-Tie  de?»  fiULTnontations  nntnrello-  de 
culture  et  par  conscquent  de  Bubsisranco  et  de  ^»opidation  et  cela  iteces- 
sairement  |iar  le  mouveinent  irrdriatibie  de  r>nter§t.  Von  l^ucsnay 
meint  er:  il  a  r^'uni  Ic*  hoinroes  par  le  paisBRDt  de  Tinterdt. 
Oucken,  Oeuvres  de  Quebimy,  p.  oü,  69. 


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119 


sacr^  de  la  loi  de  justice  et  de  Tordre  de  bient'ai- 
8a  nee,  principcs  evideTnmrnt  f^tfrnels  et  immuablos.  qui  sont 
de  touö  Icd  temps,  de  tous  Icö  öi*i-les  et  de  touö  les  hommes 

In  der  That  wenn  Etwas  dem  Studium  der  Physiokraten 
einen  nie  versiegenden  Reiz  verleiht,  so  ist  es  neben  der  Tiefe 
und  der  Feinheit  der  wirtachaftUdien  Analyse  ihre  Begeisterang 
fiir  die  Gerechtigkeit»  das  Wohl  und  die  Vervollkommnung  der 
Menschheit.  Sehützen  wir  es  nicht  zu  gering,  dafs  die  Physio- 
kraten mit  solcher  XachliaUI<:;keit  den  allfi^emeinen  geistigen  und 
niorahKchen  Volksiinterricht  gefordert  haben  Diese  Fordfnmir 
war  allerdings  von  den  früiieren  Naturrechtslehrern  sclion  erhoben 
worden ;  aber  sie  untersclieidet  sich  doch  im  wesentlichen  von 
der  physiokratiflchen.  Wenn  ich  nun  noch  hinzuiUge,  dafs  sie 
die  firmsten  Klassen  tot  dem  Steuerdruck  su  schutsen  suchten^ 
10  sind  wir  bei  jener  Korrektur  ihrer  Wirtschaftspolitik  ange- 
langt, von  der  oben  die  Rede  war.  Ihr  Auge  ist  im  allge- 
m<'inen  zu  sehr  auf  das  Ganze  und  die  Ilntfess»  limg  der  Pro- 
didviion  gerichtet,  als  rla^s  sie  dein  Kinzeinen  und  der  Verteilung 
dif  notige  AufnierksauikL-it  selienken  könnten;  aber  als  ein  System 
des  Egoismus  wird  man  das  physiokratische  nicht  bezeichnen 
kennen.  Die  Entfesselung  der  nroduktion  werde  unter  einer 
freien  Rechtsordnung  von  selbst  in  allen  Klassen  Wohlstand 
vwbreit*  !i  so  meinten  sie. 

So  zeigen  die  vorhergehenden  Darlegungen  eine  wesentliche 
ÜbereinstiTumung  zwischen  den  Physiokraten  und  Adam  Smith,  sie 
widerlegen  zweitens  die  Meiiu  111:4,  dafs  die  Richtung  der  Einen 
und  der  Andern  eine  anti-ethiseiie  gewesen  sei.  Aber  man  wird 
auf  die  materielle  Oesinnung  liinweisen,  welche  die  Schritten 
der  Physiokraten  atmen,  das  hdrst  die  hohe  Meinung  von  den 
Mischen  Gtitem,  welche  die  Physiokraten  überall  an  den  Tag 
legen  und  den  knickrig  -  phiHströsen  (>haraktcr  mancher  Stellen 
des  zweiten  Buches  des  Smith'schen  .. Vr>llcern  ie]ituirts". 

Was  die  Physiokraten  betrifft,  so  dart  man  nicht  vergessen, 
dafs  die  Ethik  der  neuern  Zeit  dem  Irdisclien  freundlich  gesinnt 
war.  Sie  ealien  iu  der  Vermehrung  der  wirtschaftlichen  (Jüter 
»le  voeu  de  la naturc,  l'intöret  generalde  l'humanitö,  la bien&isance 
essentielle*.  Denn  von  ihr  hängt  nach  ihrer  Oberzeugung 
die  Erhaltung  des  Einzelnen,  die  Vermehrung,  die  Vervoll- 
kommnung der  Menschheit  ab.  Die  thatsächliche  Ursache  hier- 
von lag  jedenfalls  in  rlc  n  Verliiütnissen  der  Zeit.  Niemand  kann 
laine's  Schilderung  der  Lage  der  biluerlieh<  n  Khussen  ohne  ein 
GefUbl  des  Entsetzens  lesen,  denn  die  Kontraste  sind  zu  tiirchtcr- 
lich:  natürlicher  Reichtum  und  weite  unbebaute  Strecken,  steigen- 
der Reichtum  und  kaum  ein  Nachlassen  des  Steuerdruckee,  zer- 
rüttende Arbeit  und  kümmerliche  Lebenshaltung  mit  ihren 
natürlichen  Folgen:  frühzdtigem  Alter »  geistiger  Stumpfheit»  ge- 


'  Daire  U,  p.  776  ft; 


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120 


}»eimer  und  offener  Dcinoralisation.  Napoleon  1.  sjiiae'h  daa  mehr 
einer  Erläuterung  alö  einer  Beachrünknng  betlürttige  Wort  aus: 
Die  Revolutionen  kommen  aus  dem  Bauclie.  Es  ist  ein  Gegen- 
stück SU  dem  Epikureischen:  Die  Wunsel  alles  Guten  ist  die 
Lust  des  Hauches.  Wem  diese  Lust  fehlt,  dem  erscheint  der 
Genufs  des  Eissens  und  die  GrOfae  des  zu  ^'erzehrenden  be- 
deutender, als  sie  8i<  h  später  er.vcisrn ;  der  Geist  der  Verhungern- 
den Vx'schäftigt  sicli  mit  BiMfTn  von  r<>ichlichen  Mehlem  das 
armseiigRte  Tier  i.«t  bereit,  einen  ungleichen  Kampf  mit  einem 
sichtbaren  Feinde  autzunehmen,  ehe  es  dem  unsichthü>aicn  er- 
liegt. Gleidisam  aus  der  Seele  eines  verhungernden,  abgestum^tten, 
demoralisierten  Volkes  heraus  haben  die  Physiokraten  gcschneben. 
Dem  frischen,  lebensfrohen,  intelh'genten  Volke,  welchem  sie  an- 
gehören, scheint  nichts  zu  fühlen,  als  Nahrung,  Kleidung,  Woh- 
nung für  sich  und  seine  Nachkommen.  Hat  eine  Änderung  der 
Ge»et5^f  ihm  diese  verschafft,  dann  wird  die  all^'f inline  riiück- 
»eligkrit  auf  Erden  wohnen.  Und  wendet  sich  (iaiin  der  Blick 
hinüber  zu  jent^r  in  frivoler  Sorglosigkeit  und  hochmiltiger  Ver- 
schwendung lebenden  vornehmen  Gesellschaft,  zu  jener  mit  dem 
Bestehenden  zerfallenen,  Adel  und  Hof  innerlich  groUeiiden 
Boui^geoisie  und  Geldaristokratie,  die  schon  Burke  und  lät.  Simon 
gezeichnet  haben,  dieser  vom  Schweifii  der  Armen  tut  noch 
mehr  zehrenden  Aristokratie  zweiter  Ordnung,  in  deren  G<5seU- 
schaft  die  IMiilosophen  Gelage  feiern  und  Geist  anbringen:  dann 
wird  dii'  materielle  (lesinnung  noch  verstiindlicher,  aber  aueh 
der  ^irimiiii^'e  Zorn  iil»er  kindische  Versciiweiidunir ,  der  Milde 
Fauati.>nms,  die  Anrufung  deü  hcüigen  Gesetzes  der  IsaLur  und 
der  ewigen  Gerechtigkeit. 

In  England  stand  nicht  Alles  aum  Besten;  aber  Adam  Smith 
war  nicht  von  denselben  sozialen  Zuständen  umgeben.  Jene 
hau.sbackene  (  l»  ;jinnung,  von  der  vorlier  gesprochen  wurde,  hat 
dalier  bei  ilini  einen  andern  Orund.  Zu  den  Verdiensten  der 
Pliysiokraten  gehörte  auch  die  kr;ifli<^e  Eintillirung  des  P»»';,'ritf8 
des  Kapitals  in  die  neue  Wissenschaft,  Adam  Sniitlj,  welclur 
ihn  von  den  riiysiokraten  übernahm,  deckte  zugleich  die  ethisch- 
psychologische Wurzel  der  Kapitalbildung  auf,  wie  wir  gesehen 
nahen.  Wenn  aber  das  Kapital  eine  hohe  VVichtigkeit  in  der 
Volkswirtschait  besitzt ,  dann  steigt  der  Wert  der  Sparaamkdt 
in  gleichem  (  irad(i  und  das  unproduktive  Verzehren  erscheint  als 
eine  wirtsehaftlielie  '^rodsiinde.  Von  hier  gelanj^t  er  dann  zu 
jonrn  Ausluhnii!.L:en  d(  s  zweiten  lluelics,  die  nach  der  (ieiniits- 
«tiiiunung  der  Menschen  Zorn  oder  (belachter  luTVorgerufen 
haben.  Von  seinem  einseitig  - individuahsiischen  politischen  und 
¥nrtschaftlichen  Standpunkte  war  auch  keine  wirtschafWche  Kor- 
rektur dieser  Ansiclit  mOglicb;  denn  was  filr  öffentliche  Dienste 
des  Staates,  <ler  (  h melndrTi .  der  Kirehen  bezahlt  wird,  ist  ein 
notwendiges  Opfer,  keine  produktive  Ausgabe.  Dieser  krämer- 
hafte Standpunkt  hat  sich  in  der  klassischen  Nationalökonomie 


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121 


der  Engländer  nrlialtf^n  unA  ist  durch  Ricardo  in  „Das  Kapital" 
von  Marx  hinübcr^^^elcitct  worden.  Vi^l  irrörsi  i  und  reiner  stehen 
in  dieser  Bezieliung  die  l'hysiokraien  da.  In  Folge  ihrer 
organischen  Auffassung  des  Wirtfichaftslebena,  in  Folge  ihrer 
Wttrdigung  des  pfltchtbewulBten  Staates  vermochten  ne  den 
wiifBclmftlicbeii  and  den  wirtschaftlich  produktiven  Charakter 
der  sogenanaten  nunDroduktiven**  Ausgaben  zu  erkennen.  Doch 
hierttber  an  einer  anaem  Stelle. 


Am  Schlüsse  unserer  Darsteüung  des  Einflusses  der  modernen 
Ethik  auf  die  Nationalökonomie  drängen  sich  uns  die  Fragen 
wieder  auf,  welche  wir  am  Ende  des  dritten  Eapiteb  stellten. 
Vermögen  wir  sie  jetKt  »i  beantworten?  GrOlstenteils. 

Darüber  kann  kein  Zweifel  bestehen,  dafs  die  wichtigsten 
Züge  der  Quesnay'schen  Lelire :  die  flerleituni;  der  sittlich-recht- 
lichen Ordnung  aus  den  Trieben  der  menscliliehen  Natur,  die 
nicht  nur  in  der  Weise  Sliafteshury's  gezeicliTK  ^  sondern  nnch 
gewürdigt  wird,  der  gläubige  Optimismus,  weicher  das  gesamte 
Welt^»yRtem  einschHefst,  der  Enthusiasmus  ftir  das  Glück  der 
iMensclien,  aber  aucli  die  durchaus  dem  Irdischen  zugewandte 
Lebensanschauung,  auf  Shaft«sbury  hinwdsen.  Wenn  man  nun 
bedenkt,  dafs  die  französische  Litteratur  des  vorigen  Jahrhunderts 
an  den  Werken  Newton's,  Locke's  und  Shaftesbury's  hcrange- 
vwhaea  ist»  so  hat  die  Thatsache  aucli  nichts  Erstaunliches. 

Um  so  mehr  verwundert  es,  dafs  die  Meinung  ausgesprochen 
word'fi  ist,  die  Psycliologie  und  die  Ethik  des  Ilelvetius  bilde 
die  ."^eele  des  physiokratischen  Systems.  Si(;  ist  wohl  dadurch 
entstanden,  dafs  ilelvetius  die  Lehre  vom  Sc  Ihstinteresse  konsequent 
ansbildete,  dal's  die  Physiokraten  dem  Egoismus  im  \\  irtschafts- 
leben  eine  centrale  Stellung  anwiesen  und  Helvetius  ein  Zeitge- 
nosse der  Physiokraten  war.  Diejenigen,  welche  sie  hegten,  tlber< 
sahen  aber,  dafs  Shaftesbury's  System  weit  genug  ist,  um  die 
physiokratische  Lehre  vom  Sclbstinteresso  mit  zu  umfassen,  dafs 
er  dem  wirtschaftlichen  Egoismus  alle  Knnzr  ssionen  gemacht  hat, 
welche  die  Nationalökonomie  bedurfte.  Sie  ui)ersahen  weiter,  tials 
alle  jene  obengenannten  Züge  der  physiokratischen  Lehre  durch- 
aus nicht  mit  der  I^ehre  des  Helvetius  übereinstimmen.  Und 
welcher  tiefe  Abgrund  kbfft  zwischen  der  natOriichen  Ordnung 
Quesnay's,  welche  Gott  gegeben  hat  und  welche  die  Staatsmänner 
nur  auszufilhren  brauchen,  um  Wohlstand  und  Harmonie  ssu 
schaffen .  und  jener  Allmacht  und  VVeisheit  der  Staatsmänner 
des  Ilelvetius,  welche  ein  solches  Svstem  von  Oesetzen  aus- 
klügeln müssen,  dal's  das  Individuum  sieh  gezwungen  sieht,  sein 
Selbstinteresse  in  Einklang  mit  dem  allgemeinen  Interesse  zu 
setz»,  deren  Harmonie  mit  allen  gesetslichen  Mitteln  er^ 
zwungen  werden  muls!  In  Queanaj  und  Helvetius  prMgt  sich 


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122 


der  (tegcnsatz  von  Stomsmus  und  Epikareismiis   mit  aller 

Scbttrfc  auä. 

Hiermit  soll  nicht  »geleugnet  werden,  dals  sicli  Mcrcier  durch 
Helvetius  wie  ja  auch  durch  VVolff  hat  beirren  lassen,  an  einigen 
Ponkten  vom  geraden  We^e  abstiweichen.  Und  das  mögen 
unbedeatendere  Köpfe  noch  häufiger  gethun  haben. 

Da  nun  auch  omith  sich  eng  an  die  ethischen  Lehren  Shaftes- 
bury's  anschliefst,  was  keines  Beweises  bedarf,  so  ergiebt  sich 
also  eine  weitere  geistige  \'erwand tschaft  zwischen  dem  4Schotten 
und  Franrnis  (^ucsuay.  Dicsseit  und  jcnseit  dos  Knnal;?  ruht 
die  Nationalökonomie  auf  den  Grundlagen  des  Locke  .scheu  Natur- 
rechtes  und  der  Shaftesburv'scheu  Ethik:  hüben  und  drüben 
atmet  de  in  der  Luft  eines  bocbgesteigeTten  Indiyidualismiu. 

Haben  wir  somit  die  tlberzeugung  gewonnen,  dafs  einige 
dunkle  Selten  der  physiokratischen  wie  der  JSniilh'schen  Lehre 
durch  die  Heranziehung  der  Philosophie  Shaftesbury's  aufgehellt 
werden,  so  bleiben  doch  noch  Probleme,  die  sich  hiennit  nicht 
lö^eri  lassen.  In  Jlcziehnng  auf  die  vivj:o  Verbindung  zwischen 
Kutzliclii-in  und  Sittlichem,  welche  bowulii  Smith  wie  auch  die 
Physioki-aten,  wenn  auch  in  verschiedener  ^^'ei8e,  annehmen,  sind 
wir  um  keinoi  Schritt  wdter  gekommen.  Denn  die  Lehre  too 
der  Harmonie  von  Sittlichkeit  und  Glückseligkeit,  wdche  wir 
bei  Slijiftesbury  fanden,  kann  diese  Frage  nicht  beantworten  Die 
Glückseligkeit  ist  der  Seelenzustand  des  sittlich  Handelnden. 
Diese  Stimmung  ist  die  naturgemKfse  Folge  des  sittlichen  Ver- 
haltens, weil  Shaftesbury  die  iSittlichkeit  als  etwas  Natürliches 
betrachtet. 

Ebensowenig  wissen  wir,  wie  Qucsnuy  auf  den  Gedanken 
getUhrt  wurde,  das  physische  und  das  ethische  soziale  Gesetz 
SU  verbinden. 

Noch  ein  dritter  Punkt  harrt  der  Aufkliirung.  Es  kann 
wenig  befriedigen,  dafn  wir  wissen,  der  Optimismus  Quesnays 
stamme  von  Shaftesburv.  Wir  mUssen  die  neue  Fra^'P  stfllon: 
Wie  kam  Shaftesbury  zu  si  im  m  ( >j>timi!«mus?  Hieruber  wird 
uns  vielleicht  das  Folgende  Aufscldub  geben. 


Zweiter  Abschnitt 
Der  Deismvs. 

Es  wurde  dargestellt,  wie  sich  neben  dem  positiven  luchte 
ein  Vemunfbrecht,  neben  der  reUgiö-sen  Etliik  eine  philosopliläche 
erhob.  Zur  selben  Zeit  stellte  skh  eine  Vemunftreligion  der 
ositiven  zur  Seite.  Jene  beiden  Wis-senschaften  wfihlen  die  niensch- 
cho  Natur  zu  ihrem  Ausgangspunkte,  sodafs  man  sie  auch  als 
Naturrecht,  als  Natursittliclikeit  bezeichnen  kann;  wir  werden  sehr 
bald  sehen,  weshalb  die  Vemunftreligion  „ Naturreligion "  genannt 


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X  2. 


123 


werden  darf.  Zu  der  inneren  VerwandtBcbafit  geseilt  sich  dann 
die  Ähnlichkeit  des  Ursjirnn^s. 

Innerlich  geängstigt  und  abgestoiöen  von  dem,  das  sechs- 
zehnte und  siebzehnte  Jahrhundert  durchtobendeu  Kaiiipfe  der 
Beligionen,  KoDfessioneo  und  Sekten,  welche  alle  die  Wahrheit 
TO  berilseii  ▼efmeinen,  foischt  Herbert  von  Cherbiuy  nach  der 
wahren  ReHgion,  um  der  SittUchkeit  eine  Stütze  zu  geben  und 
einen  Boden  des  Friedens  zu  bereiten,  wo  sich  Alle  freundlich 
begegnen  können.  Kr  findet,  dafs  flinf  Wahrheiten  den  Kern 
aller  Religionen  bilden:  Dns  Dasein  eines  höchsten  Gottes,  die 
Pflicht  seiner  Verehrung.  Tu^^end  und  Frömmip^keit  als  das 
Wesenthclie  der  Gotte*iverelirung,  die  Verpflichtung,  die  »Sünden 
TO  bereuen  und  von  ihnen  to  lassen,  Veigeltung  täs  in  diesem^ 
teils  in  jtmem  Leben  ^ 

Herbert  schrieb  in  der  ersten  Hälfte  des  siebzehnten  Jahr- 
hunderts ;  er  ist  ein  Zeitgenosse  von  Hugo  Grotius,  Francis  BacoU) 
Thomas  Hobbes  ;  Anklinge  an  seine  Lehre  vernehnu  n  wir  schon 
firüher^.  Unter  seinen  Vorgängern  ragt  Jean  lind  in  weit  hervor. 
In  einigen  seiner  Aul'serungen'^  ist  der  Zusanniieniiang  zwischen 
dem  Naturrechte  und  der  Naturreligion  ungtdeutet.  Kr  hält  die 
Alteste  Bel^ion  ftbr  die  wahre  und  beste^  ;,d.  h.  diejenige,  wdche 
das  ewige  Gesets  der  Natur  dem  Menschen  cingiebt  und 
welche  die  Religion  der  Urzeit  gewesen  ist,  die  Religion 
der  Natur"".  Die  Beobachtung  des  Natnigesetses  genüge  zur 
ewigen  niüekseligkeit. 

Bildet  bei  Bodin  das  Naturgesetz  gewissermafsen  die  Brücke, 
die  vom  Naturrechte  zur  Naturreligion  fllhrt,  so  offenbart  sich 
bei  Herbert  jenes  Vertrauen  auf  die  der  menschlichen  Vernunft 
innewohnende  Wahrheit,  welches  seme  Zeit  charakterisiert.  „Der 
mtellectusy  das  „reine  Denken''.  .  .  bedarf  des  äufsepi  Dienstes 
der  Gegenstände  nicht,  sondern  crfrnt  sich  seiner  eigenen  VITahr- 
heiten.  Diese  Wnhrlieiten  sind  nämlich  gewisse  Göneinbegriffe, 
die  dem  Geiste  ursprünglich  mitgegeben  sind  ....  Fort  also 
mit  denen,  welche  unsern  Geist  ftir  eine  tabula  rasa  oder  abra.sa 
erklären  ".  Sonderbar  webt  sich  m  diesen  Kutiunaiiäniuä  der 
empirische,  inductive  Zug  des  englischen  Geistes.  Die  ange- 
borenen Geroeinbegriffe  werden  nämlich  dadurch  entdeckti  „dals 
man  in  Beziehung  auf  einen  bestimmten  Kreis  von  Dingen  die- 
jenigen Gedanken  aufsucht,  über  welche  allgemeine  Ubereinstim- 
mung herrscht;  denn  was  in  Allem  sich  auf  eine  und  dieselbe 


'  Lechlcr,  ( Jescliu'lite  des  enfjli^^chcn  Dfismii^,  l^  ll,  S.  4*2  ff.  .Dor 
(je&iciitapuoktj  unter  welchem  Herbert  die  Keligion  aul£aiat,  ist  der  sitt- 
liche: die  Rehgion  ist  zu  dem  Belnif  gegeben  worden,  damit  die  Mensehoi 
zu  demjenigen,  was  ?ie  von  selbst  thun  sollten,  verpflichtet  wfiiden  und 
zugleich  die  ^enieinsame  Eintracht  aller  gewährt  würde.^ 

■  a.  a.  O.  p.  11—^26. 

*  a.  a.  O*  p.  81»  Bier  sind  die  besdehnendstm  Stellen  wörtlich 
angegeben. 


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X  2. 


Weise  verhält,  das  muis  vom  natürlichen  liiätiukt  hergeleitet 
werden**.  Da  nun  die  Religion  zu  den  Gtemeinbßgriflsn  ^h<irt, 
00  mufs  man  erfoivoheny  was  in  Beziehung  auf  ne  aUgemem  an* 
erkannt  iat;  man  vennag  so  die  fiivolen  und  verderblichen  Dogmen 
von  den  guten  und  nützlichen  aa  untarscheiden.  Auf  diesem  Wege 
gelangt  Herbert  ..nicht  ohne  g'^^naue  und  vicHache  Änaly-*e  \m(} 
Ki-iorschung  der  Keligionen"  zu  den  iUnf  Wahrheiten,  die  wir 
vorhtT  erwähnten  ^ 

Mit  der  VcrOftentlichung  seiner  Gedanken  leitete  er  eine 
grofse  geistige  Bewegung  ein,  die  fiut  awd  Jahrhunderte  die  Oo- 
bÜdeten  Europas  beaohäftigte  und  unter  den  verschiedenen  Be- 
zeichnungen ^Deismus",  „  Aufklfirung^i  „Naturalismus",  ^Frei- 
denkertura"  überall  in  der  Wertschätzung  dos  mit  der  natürlichen 
ReUgion  verbundenen  sittlichen  Handelns  und  der  Abneigung  g^en 
die  Priester  und  Dogmen  der  positiven  Religion  Ubereinstammte. 
Die  Wandlungen  der  deisti^cheu  Lehre  zu  verfolgen  erfordert 
unsere  Aufgabe  nicht;  aber  wir  müssen  im  folgenden  Kapitel 
beobachten,  wie  ne  einen  wesentlichen  Tefl  des  Inhaltes  der  xeit- 
genOssischen  Philosophie  in  sich  aufnahm.  Wir  werden  dann 
imstande  sein,  die  Aufgabe  zu  lösen,  die  am  Ende  des  vorigen 
Teiles  ^^estellt  wurde.  Der  Deismus  bildet  <las  letzte  Glied  der 
Kette,  mit  welcher  der  "R  itioredi^mus  den  C^r^ht  des  siebzehnten 
und  achtzehnten  .lahriuiuil' ru  ni  Fesseln  schlägt.  Nach  allen 
Richtungen  breitet  er  sich  aus^  von  den  Mächten  der  Wirklich- 
keit wendet  er  sich  ab:  von  dem  positiven  Rechte,  der  religiösen 
Sittlichkeit,  den  überkommenen  Religionen;  .sie  erscheinen  ihm 
alle  gleich  unnatürlich  und  schlecht.  Alles  historisch  rJe\vordene 
mifst  er  an  dem  Malsstab  der  Vernunft;  Recht  Sittlichkeit  und 
Peliirion  sollen  zu  ihrer  unverfiüschten  Quelle,  der  Natur  aurUck- 
kelu'cn. 

Und  nun  zeigt  sich  eine  eigentiiniliche  Krseheinung :  der  auf 
die  kSpitze  getriebene  Rationalismus  schlagt  in  Historisaius  um. 
Der  Gedanke  tritt  nicht  selten  auf,  dafs  das  wahre  Oesets  und 
die  wahre  Religion  in  einer  febelbaften  Uraeit  gegolten  hätten'. 


'  Lechlcr  S.  89  -42. 

*  Herberts  Methode  hat  eine  grofne  Ähnlichkeit  mit  der  Gleich- 
set/ung  de8  ..jii<<  quo  omnea  geutes  utuntnr"  und  des  ^u.s  (|uod  naturetis 
ratio  eoiistii  Ii  (t  rot  ins, nennt  das  uugc^chrieliene  lue  lit.  ^das  nur  die 
Natur  ^rcbitftct  «>der  die  Übereinstimmung  aller  Völker  bestimmt'',  a.  a.  O. 

Einleitung  2ß. 

'  Einige  Denker  nehmen  an.  dafs  dasUrchristeDtQm  mit  der  natüriit  hen 
Kcligion  identisch.  lM'ziiKli<  ]i  dif  Wi.Mlcrlicrstrlhinjr  der^olben  «ei.  Ks  jziebt 
Naturieclit«dehrer,  welche  der  Ansicht  mud,  diifs  der  Inhalt  des  romischen 
Recbtf  gröfttenteils  mit  dem  des  Naturrechts  übereinstimme  (wahrschein- 
lich 1  ri1  Piifciulurf  j^ovicl  r*'nii.-ch<'s  Recht  in  X;iturr»'c-lit  hcril'  cr 
genommen  hatte);  allerdings  teblten  ihm  die  Priucipicu  des  uatürlicUuu 
Hechtes.  So  glaubt  man  tat  selben  Zeit,  dafs  die  gnecbtsche  Kmurt  das 
Musterbild  für  alle  Völker  und  Zt  itt  n  s^  i  in  dieser  Lnklarheit  sind  auch 
noch  (^eietcr  befangen,  die  im  übrigen  alle  Konsequenz  des  historischen 
Standpunktes  ziehen. 


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X  2. 


125 


Diese  Ansicht,  die  wir  zuerst  bei  den  Stoikern  fanden,  regt  die 
(Jeister  an,  dem  Ursprung  der  positiven  Institutionen  nachzu- 
spüren. Ich  nenne  nur  ein  Beispiel.  Cumberland  hat  nicht  nur 
ein  berühmtes  Werk  Uber  die  „Naturgesetze"  geschrieben,  sondern 
auch  ttber  die  phOnisische  Religion  und  die  Anfilnge  der  Menschen. 

glaubte  Aui&chIÜBB6  Uber  die  Geschichte  der  Menschheit  vor 
der  Sintflut  geben  zu  können.  £»  ist  schwer,  sich  aus  der  D«r^ 
Stellung  seines  ßio<^raphen  Payne  eine  Vorst?  II nng  von  dem  In- 
halte jener  Werke  zu  uiaehen  ;  aber  er  sagt  uns  sehr  deutlich, 
wie  Ciimbcrhiiid  /ii  du  >en  Studien  ueführt  wurde.   Der  J  Mpismus 


Qedanken  dMuf  richtete  „de  quelle  maniäre  I'idolfttrie  s'^it 
introduite  dans  le  monde". 

Die  stoische  Lehre  YOn  dem  goldenen  Zeitalter  reizte  aber 
auch  wieder  diejenigen  zum  Widerspruche,  welche  sich  auf  die 
Entwicklungstheorie  des  unverfiil chten  Epikureismus  besannen. 
Und  so  bahnte  der  Rationalismus  von  beiden  Seiten  her  histori- 
scher Forschung  die  Wege. 

Wie  aber  htltte  die  rationalistische  Zeitströmung  eine  solche 
Stftrke  erreichen  kOnnen,  wenn  nicht  in  den  poeitiveD  Inatitationen 
so  vieles  unnatürlich  und  yemunftwidrig  geworden  wäre?  Wie 
liefse  es  sich  sonst  erklären,  dafs  man  sich  an  dem  Widerspruch 
der  Naturrechtslehrer,  die  doch  alle  das  fiir  alle  Zeiten  und  \'i>lker 
geltende  Reelit  verkünden,  so  weni^;-  stiefs,  dafs  Hielfeld  in  seinem 
bekannten  Werke  ,. Institution«  Poiitiques"*  einmal  eine  Anweisung 
für  diesen  Fall  giebt? 


machte 


Sechstes  Kapitel. 


Der  innere  Zusammenhang  dieser  Disciplinen  mit  der 

Philosophie  und  Naturwissenschaft  des  17.  Jahr- 
hunderts und  die  Rückwirkung  dieser  auf  jene. 


Die  drei  idealen  Mächte,  mit  weldien  wir  uns  in  den  tot- 
hergehenden  Kapiteln  beschäftigt  haben,  sind  nicht  etwa  stOrende 
IHnselheitcn  m  dem  Kttiturbilde  des  17.  Jahrhunderts.  Betrach- 
ten wir  sie  im  Zusammenhang  mit  der  philosr  jifi Ischen  £nt* 

wickhm^  (\qt  Zeit,  so  tiberrascnt  uns  eine  innere  IJebereinstira- 
Duing,  die  auf  den  folgenden  Seiten  dargelegt  werden  soll. 
Jenem  Nachweis  ^elit  passend  eine  Bctrachtnn»];'  derjenigen  Züge 
voraus,  welche  Naturrecht,  Natursittlichkeit  und  Naturreligiou 
miteinander  gemein  haben. 

I. 

Gemeinsame  Charakterzüge  des  Naturrechts,  der  Xatnr- 
sittlichkeit  und  der  Natnrreligion. 

Sie  nehmen  erstens  an,  dass  alles  positive  Recht,  der  Staat, 

die  Sittlichkeit.  Reb'prion  bewusste  Schöpfungen  der  Vernunft 
sind.  Sie  kamen  zu  Stande  entweder  durch  Vertrau^  oder  durch 
\N'eise,  f  iesetzgeber.  Prie^^ter  u.  s.  w.  Eine  Konsequenz  dieses 
Satzes  ist  es,  dals,  wenn  das  positive  Kecht,  die  poslüven  Sitten- 


*  Die  Anpidit.  dafs  auch  die  Sprache  gemacht  worden  »ei,  am 
plattesten  in  dem  Aufsatze  Smiths:  „ConaderaÜons  conceming  tbe  fint  For- 
matiuQ  of  Lauguagos." 


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127 


geböte,  die  positiven  Religionen  dem  idealen  r"^r]>il(l  nidit  ent- 
entsprechen oder  ge;;en  die  (iebote  der  Gerechtigkeit  verstoisen, 
diea  bewiilsteni  L'belthiin  zugesehrieben  werden  muli»,  dalk  z.  B. 
der  Vertrag  nicht  gehalten  wurde  oder  dafs  Fürsten  und  herr- 
schende Klassen  in  ihrem  Interesse  die  Gesebse  änderten  oder 
selbstsuchtige  Priester  die  Völker  beti'ogen  u.  s.  w.^ 

Der  erste  Teil  dieser  Behauptung  bed;u^  keines  Beweises, 
der  zweite  wahrscheinlich  noch  weniger,  da  uns  diese  Anschau- 
ung selbst  heutigen  Tages  recht  geläufig  ist.  Aber  ich  darf  viel- 
leicht biuzufügen,  dum  Adara  Smith,  einer  der  Begründer  der 
politisehen  Oekonomie,  diese  Meinungen  bekannte.  Er  erörtert 
«m  Ende  seiner  Theorie  der  moralischen  OefUhle,  weshalb  die 
positiven  Gesetze  mit  dem  Natorrechta  nicht  übereinstimmen. 
Daran  ist  sdner  Meinung  nach  sehuld  zuweilen,  was  man  die 
Verfassung  nennt  und  in  Wirklichkeit  das  Interesse  der  Regie- 
rung ist;  zuweilen  das  Interesse  herrsehender  Klassen,  welche 
die  Gesetze  den  I^orderungon  der  (ien  ehtigkcit  entgegen 
gestalten;  r.uweikn  die  Kohlieit  und  Barbarei  des  Volkes, 
welche  die  natürlichen  Gefühle  der  Ger^htigkeit  nicht  auf- 
kommen lassen;  suwdlen  die  unglückliche  Verfassung  der 
Gerichtshöfe. 

Hierher  stammen  jene  in  dem  nationalökonomischen  Werke 
wiederkehrenden  Zomausbrüche  gegen  die  Selbstsucht  der  Kauf' 
leute  und  Gewerbetreibenden ,  welclie  alle  die  schlechten  volks- 
wirtschaftspoliti?^cbcn  Gesetze  vcranlalat  haben. 

Ein  zweiter  Zug  ist  die  Bedeutung,  wek-he  jene  drei  Dis- 
ciplinen  Natur  und  Vernunft  beilegen.  Mit  liilfe  der  Ver- 
nunft vermag  der  Mensch  aus  seiner  eigenen  Natur,  oder  aus 
der  Natur  der  Dinge,  oder  aus  beiden  das  Recht,  die  Sittlichkeit 
■und  die  Religion  zu  erkennen*. 


t  über  diesen  Zag  dw  Deismiu  drQckt  sich  Ub««n8  klar  Leehler 

aus:  »PiV  war  weder  Inr  biwtorischc  Wirklichkeit  noch  für  s]»ekula(ivc 
Wahrheit  rein  empfänglich  .  .  .  der  hiptnripche  Pragmatismus,  welcher 
die  letzten  Gründe  des  Werdens  und  Geschehens  in  den  ver- 
steckten AhHiciiten  und  Umtrieben  von  Individuen  findet, 
wird  auoli  auf  <hr-  i:e.achi<  litHch  gegebene  Helifrion  angew»>ndet.  Dieser 
gesetzlo^n,  heweglii  heii  Willkür  des  Individuums  gegenülicr  stellt  sich 
<lium  eine  um  so  steitere,  beschränktere  und  einförmigere  Idealität  und 
Notwfii  liL'l.eit,  in  der  natürlichen  RcIi<:ion.  Diese,  im  V(^Ifi  ii  Licht  der 
Wahrheit  glänzend,  ist  von  Ewigkeit  an  absolut  vollkommen 
da,  jedem  Menschen  gegenwärtig  nnd  bewufst,  keiner  Ge- 
scliiclitc  und  K  II  t  w  i  c  k  1  II  11  -  .  kciiic.^  Fortschrittes  in  sidi 
selbst,  sondern  nur  der  Entartung  und  Wiederberstellung 
fähig,  a,  a.  0.  p.  4fj0. 

^  Das  Vertrauen  auf  die  menschliche  Vemmift  ssigt  sieh  besonders 
naiv  bei  Mercier  de  la  Riviöre.  Er  sa^'t:  J>  qni  riouf  prouve  bipn  que  l'An- 
teur  de  la  nature  a  voulu  que  nous  lussious  heureus,  c'est  que  ton.^  les 
hommca  sont  appeles  ä  cette  connaissnnce :  rien  de  tt  dmple  (1)  que  lOrdre 
«stentiel  des  aoci^tds;  rien  de  ei  facile  (!>  4  concevoir  qne  les  pnncipes 


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128  X  2. 

So  treten  denn  in  den  hierher  geliöri^en  Si;lirit"ten  die  Begritfo 
Natur  und  V  criiunll  gewöhnlich  küurdiniert  auf.  Waö  der  Meuttcli 

mit  Hilfe  seiner  Vemiinft  erkannt  bat,  ist  dann  weiter  Gottes- 
geeets.  wekfaee  nicht  blo&  für  ein  Volk  und  eine  Zeit,  sondern 
für  atie  Zeiten  und  Vtllker  gilt 

Diese  Ansicht  erklärt  erstens  den  Hochmut,  mit  dem  Natnr- 
recht,  NatursittUchkeit  and  Naturreiigion  den  vermeintlich  künst- 
lichen Ordnungen  der  Wirkliehkcit  f^^e^'^eniiLertrfteTi.  FTnvcr- 
nUschte  Natur  und  verfälschte  Wirklichkeit,  daa  sind  einige  der 
GepensStze,  welche  die  Ciedankeuwelt  des  18.  Jahrhunderts  be- 
wegen. Jene  Auöicht  heüingi  zweitens  aber  auch  den  Keform- 
e£fer  des  18.  Jahrimnderls,  den  Fanatismas  der  firanzösischeo 
Revolution,  wek»be  allen  Völkern  die  Segnungen  des  Natoi^ge- 
setze»  bringen  will.  Das  Naturredbt  nuifs  positives  Recht  werden, 
die  Naturreugion  und  der  damit  eng  verbundene  Codex  natürlicher 
^Sittlichkeit  zur  allgeinoinen  Einftlhnmg  gelangen  Auch  Adam 
Smith  hebt  ja  im  Sciilussc  seiner  „Theorie  der  moralischen 
Gefühle"  hervor,  dals  tlie  Satze  des  Naturrechts  „ought  to  be 
enforced  by  the  positive  laws  of  every  country"  oder 
„ought  to  ron  tfarougb  and  be  the  foiwdation  of  the  laws  of 
all  nationa.** 

In  dieser  Äufiassnng  muls  man  ach  auch  nicht  dadurch 
bdrren  hissen,  dass  s.  B.  die  Physiokraten  sich  gegen  das  Ge- 
setze machen  aussprechen.  Denn  im  Grunde  meinen  sie  das- 
selbe, wir  dif  iil>r!t^;en  N-itiirrfchtslehrer.  Sio  kämpfen  gc^en  die 
sciileciilen,  von  der  beibstsuchtuud  Unwissenlieit  diktierten  positiven 
Gesetze,  insbesondere  gegen  diejenigen,  welche  dem  Individuum 
die  natürliche  Freiheit  rauben,  und  wünschen,  dals  die  Natur- 
gesetze erklärt  werden.  Diese  Natuiigesetse  werden  doch  be- 
wufst  durch  die  Vernunft  gefunden  und  ebenso  bewuCst  wie  die 
schlechten  Oesetse  durch  die  Organe  der  Geset^ebung  der 
Gesetzsammlung  einverleibt.  Den  Physiokraten  gehört  also  nur 
die  zugesjtit'/to  Fonn,  in  welche  sie  die  (Jedankcn  kleiden; 
allen  Naturn  <  litsh'hrem,  welche  sich  an  Locke  anseliiietsen, 
ist     die    meiir    oder   wt;uiger    unumwunden  ausgesprocliene 


iinmuable.«  (jui  le  constituent ;  il^  Pont  toue  renferm^s  dans  les  trois 
brauche«  du  droit  de  propri^t^:  il  est  ai£><^  de  le  deroontrer*^,  h.  h.  O.  I  p.45. 
Ba  wfire  auch  wunderlicn,  daHs  er  anders  gedacht  hätte;  äugt  doch  audk 
Grotius  vom  Xatiirmhte:  ^Denn  die  (irundsätze  dieses  Reditee  sind  bei 
eiiii^'er  Auf inerksamkcit  ibt'ii«o  nffmbar  und  überzeugend,  wie  dit^  siun- 
licbeu  (iegeuäUnde,  die  ebentalis  nicht  täusehen  (!),  wenn  die  ^iuue^>- 
organe  gcsimd  sind  und  das  übrige  Nötige  (?)  vorhaaden  ist.**  Ein- 
leitODg  39. 

*  «Der  Deismus  ist  also  seinem  Hcpriffe  nach  eine  auf  den  Grund 
freier  Prüfung  durch  das  Denken  gestützte  Iiihebung  der  natürlichen 
Betigion  sorNorm  und  Kegel  aller  positiven  Ueltgion."  Lecbler 
&.  s.  O.  p.  460. 


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129 


Forderung  gomcin,  data  die  Naturgesetsse  den  Charakter  von  Staats- 
geeetzen  ernalu;n'. 

Es  wftre  ein  ^nolksr  irrtuin,  in  den  Pliysiokraten  (Geistes- 
verwandte oder  Vorlaufer  Savignys  zu  erblicken ;  denn  dieser 
lehrt  den  rein  instinktiven,  gefublsmärsigen ,  unreflektierten 
Ursprung  des  Rechtes,  welcher  sich  in  den  Übungen  und 
wohnheiten  des  Volkes  offenbart;  seine  Theorie  charakteri- 
siert der  organische  Zusammenhang  des  Roelites  mit  dem  Cha- 
rakter de«  Volkes:  e>  ist  rvitinTuil.  wie  die  Sprache,  wie  die 
►Sitte.  Aus  diesem  Gnmdf  kann  iia<  h  6avigny  die  Aut";_^^be  des 
Oesetageber«  nicht  in  dt-r  ^Vustidiruii^  dessen  bestehen  ,  was  i'\n 
vernünftiger  Maun  durcli  liellcxioa  als  ewiges,  tur  aiie  Zeiten  uud 
Ybiker  geltendes  Naturrecht  gefunden  hat,  sondern  er  mufs  die 
Seele  und  Geschichte  des  bestimmten  Volkes  bdiorchcn  und 
•  erforschen  und  nach  dieser  Erkenntnis  das  der  Entwicklungs- 
stufe gcmHfse  Recht  aussprechen.  Die  Quelle  des  Rechts  ist 
nicht  in  der  individuellen  Vornunf!,  sondern  im  Volksgei)<te. 
Saviprny  drückt  sieh  an  einigen  Stellen  seiner  bekannten  Schritit 
aucli  so  d<  iitlieli  über  den  Gegensatz  der  beiden  Anschauungen 
aus,  dafs  man  sieh  wundert,  dals  jener  Irrtum  entstehen  kann. 
Bei  den  Pliysiokraten  Reflexion,  Ansolutismus  der  LOsung,  bei 
Sa^igny  Instinkt,  GefUhl,  Relativität  nach  Nation  und  Zeit;  bei 
Jenen  ein  Drängen  auf  Ausführung  des  Ergebnisses  der  Re- 
flexion, bei  8a vigny  Zweifel  an  der  F^ihigkeit  und  dem  Berufe, 
der  Zeit  Gestt/«-  zu  geben.  Wenn  also  die  Physiokraten 
mit  anderen  die  IJerrschaft  der  Natur  tbrdern,  so  bedeutet  das 
noch  nicht  den  Untergang  der  Herrschaft  der  liefiexion,  sondern 
den  Sturz  des  Despotismus,  der  Willkür,  der  Selbstsucht  und  der 
Unwissenheit.  Mit  welchem  Nachdrucke  haben  «o  stets  den 
Unterricht  in  den  Gesetiien  der  natürlichen  Ordnung  gefordert  1 
Natur  und  Vernunft  treten,  wie  schon  einmal  erwrdmt,  als  ooor- 
dinierte  ne<,'rine  auf.  F>s  war  noch  ein  wdter  Schritt  bis  Sur 
Entgegensetzung  von  Natur  und  Ketlexion. 

Wohl  ist  dieser  Schritt  schon  im  18.,  j  i  im  17.  .Tahrhundert  ge- 
schehen. Wir  haben  geaelieu,  wie  von  verschiedenen  Seilen,  vonljayle, 
Handevtlle,  l^aftesborv,  entweder  die  wirtschaftliche  und  politische 
Kraft  des  Triebs-  und  Geftkhllebens  oder  seine  sittliche  Bedeu- 
tung, die'  siel)  in  ihm  ofTenbarendo  göttliche  Vernunft  entdeckt 
wurde.  Die  Natur  wurde  der  Reflexion  gegenüliergestellt,  sie  war 
mehr  als  die  Reflexion.  Aber  dieser  fruchtbare  Oedanke  konnte 
nicht  in  alle  seine  Kon>equenzen  verfolL'^t  werden.  Dazu  wäre 
es  n<")tig  ;^'e\v.'sen.  dals  die  Idoe  der  LntwickJung  sieh  mit  ihm 
vert^uickt  liatte.  Nicl»t  als  ob  diese  Idee  dem  18.  JaLrlmndert 
fehlte.  Seitdem  GKissendi  den  Epikurdsmus  in  so  grolkartiger  und 
treuer  M'eise  erneuert  hotte,  waren  auch  die  Keime  soctologischer 
Spekulation,  der  Geschichtsphilosophie,  der  Kulturgeschichte  in 

'  HutcheHon  nennt  dies  „to  confirm  the  lawB  of  oature". 

fomlian^  (49^  X  2.  -  Ha-ibach.  9 


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130 


alle  Winde  geflogen.  Wer  weifs  nicht,  was  wir  Voltaire,  Turgot, 
Concloicet  schulden,  wer  kennt  nicht  das  vollendetste  Werk  die- 
ser Richtung,  Fergusons  ^Essay  on  Civil  Society"  ?  \^  tui  ibt 
Lamarck,  der  Vorläufer  Darwins,  nicht  bekannt,  welcher  das 
Triebrad  der  EkitwickhingBlehre,  den  Kampf  unu  Dasein,  toq 
Malthuä  entlehnte,  wiilirend  Lainarck  sich  mit  unbefriedigendea 
psychologischen  Ann.ihnien  begnügte.  Der  (Jedinke  war  da; 
aber  er  konnte  sich  mit  dem  anderen  des  Vernünftig-Unvernünf- 
tigen nicht  vcr<'ini*,a'n  I  h'f  Idee  eines  ewigen  unverancrcrliehe!!  star- 
ren Naturreclile.-^,  einer  unveriinderlich  sUirren  iSaturreligion  mit 
einem  ewigen  btarrcii  sittlichen  Naturgesetze  schob  sich  dazwischen 
und  erdrttckte  aehier  beide.  So  g^hen  im  18.  Jahrhunderte, 
insbesondere  in  seiner  sswciten  Hfilfte,  zwei  Strömungen  neben« 
einander  her,  die  sich  oft  durchkreuzen  und  den  VVerken  ein- 
zelner  Männer  ein  so  widerspruchsvollem  Aufsere  verleihen.  Der 
historische  Geist  unseres  Jahrhunderts  kündigt  si»  h  schon  in  der 
zweiten  Hälfte  des  vori^icn  an,  so  dafs  nichts  verfehlter  ist,  als 
diesem  einen  einheitlicfu-n  rii.iraktrr  rix  verleihen. 

Aber  cral  als  der  Rationülisnius  zti  seiner  letzten  belreiend- 
serstörenden  That  ausholt  und  mit  der  fransOsischen  Revolution 
die  Gefahren  des  einen  wahren  Rechtes,  der  einen  wahren 
Religion  den  Zeitgenossen  in  furchtbarer  Gestalt  nahetreten, 
da  zerreifst  der  Nebel,  der  den  Geist  bisher  umfangen  hat! 
Man  erkennt  die  Bedeutuni;  des  Instinktes,  des  Ciefiilils.  der 
historischen  Entwicklung;,  den  ^^'ert  des  Positiven,  Hcsondereti. 
Nationalen,  und  die  Weit  spricht  bewui'st  mit  Burke:  Naturc  ia 
wisdom  without  reflection. 

So  scheint  mir  denn,  dals  die  Prinzipien  der  genannten 
Disciplinen  Natur  und  Vernunft  sind.  Diese  Prinzipien  yerbin- 
den  sie  nun  mit  der  Philosophie  und  der  Naturwissenschaft  des 
17.  Jahrhunderts,  die  im  An&ng  so  innerlich  verschwistert 
sind 

Doch  ehe  ich  hirr?:!!  übergehe,  mufs  ein  Punkt  wenigstens 
eine  liüclitige  Aiislulirung  erfahren.  Die  drei  ^'mannten  Disci- 
plinen sind  unliisturisch  Weshalb  sie  dies  wi  ascnsjchu  itlich 
sein  mufsten,  liegt  an  der  mangelhaften  Psychologie.  Sie  be- 
trachten immer  nur  vereinzelte  allgemeine  Ztt|>e  des  mensch- 
lichen Triebslebens.  Ein  80  grosser  Fortschritt  sich  auch  seitHobbes 
und  Pufendorf  durch Cumberland,  Shaftesbury,  Mandeville,  Butler, 
Hutche^^on.  Hunie  und  Smith  vollzogen  haben  ma;:,  alle  diese 
Manner  richten  ihre  Anfmerksanikeit  nielit  auf  den  konkreten  Men- 
schen bestiuiuiter  Völker,  bestimmter  Zeiten,  noeli  weni;xer  be- 
stimmter Volksklassen,  sondern  auf  das,  was  sich  ihnen  in  der 
Menscbennatur  als  typisch  allgemein  offenbart.  Es  ist  die 
Psychologie  Shylocks  im  „Kaufmann  von  Venedig**.  Nur  dafs 
dieses  Allgemeine  immer  mehr  ausgefllhrt  wird,  es  ist  ein  weiter 
Schritt  von  den  roh-egoistischen  I5estien  der  Ilobbes  und 
Pufendorf   bis  zu   den  fein   construierten  Menschen  Adam 


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X  2. 


131 


Smiths.  Wenn  aber  der  Mensch  eine  so  gleicharti^a^^  Constitution 
h&tj  ao  mufs  die  soziale  Ordnung,  welche  sich  aus  der  Krkennt- 
nis  dieser  Natur  ergibt  und  auf  ihr  aufgebaut  werden  uuifs, 
«ach  dne  aUgemeine,  fUr  alle  Zeiten  und  Völker  bestimmte  sein. 

Hiermit  hängt  nun  auch  das  Dogma  der  Gleichheit  aller 
HensdiCT  im  Natun  <  lito  ztuammen.  Die  Stoiker  begründen 
<lie  Gleichheit  aller  Menschen  auf  die  Gleichheit  der  Vernunft; 
■die  Epikureer  lehren  die  Oleicliheit  der  l'ngebundenheit 
aller  von  einer  positiven  Autorität  im  Naturzustande.  Hobbes 
bricht  die  Sache  überB  Knie:  die  Meubchen  üind  deshalb  alle 
Kieich,  weil  ein  jeder,  auch  der  Schwächste,  den  andern,  auch 
den  Starken,  zu  toten  vermag;  die  bestehende  Ungleichheit  sei 
durch  das  Gesets  eingeführt  worden^.  Pufendorf  yersteht  unter 
der  Gleichheit  des  Naturzustandes  die  „entiere  ind^pendance  de 
tout  autre  que  de  Dieu;  a  cause  de  quoi  on  donne  a  cet  etat  le 
noni  de  Lioertc'  Naturelle  en  tant  que  l'on  conrnir  ehacun 
comme  maltre  de  soi-meme.  et  ne  relevant  de  Tempire  d'aucun 
homroe ,  tiiiu  qu'il  n'y  a  pas  6te  assujetti  par  uuelque  acte  hü- 


ll tont  autre  dont  Ü  n'est  ni  Sujet  ni  Maitre" Die  Lehre 
Loches  tiber  diesen  Punkt  wurde  frUher  ausführlich  daigel^. 
Nach  Hutcheson,  dem  Schüler  Lockes,  beruht  die  Gleichheit 
aller  Menschen  darauf,  dafs  sie  gleiche  angeborene  Kechte  haben. 
Bei  ihm  tritt  auch  schon  das  Jjcvvulstscin  hervor,  dafs  der  Aus- 
druck ^Gleichheit"  iiieiit  ganz  richtig  gewählt  sei.  I-'oli:^endc8 
sind  seine  Worte:  „The  natural  equality  of  meu  consists 
chieflj  in  this,  that  tliese  natural  rights  belong  eqmilly  to  all: 
this  is  the  thing  intended  by  the  natural  equality,  let  the  torm 
be  proper  or  im  proper**.  Bei  Quesnay  und  seinen  Schü- 
leni  tritt  eine  starke  Neigung  hervor,  die  Ungleichheit  der 
Mensolien  zu  betonen,  die  man  als  dm  Willm  Gottes  liinnt  hmen 
müsse  ^.    Bei  Mercierj  de  la  Kiviere  beschränkt  sich  die  Gieich- 

'  De  Cive  I,  ^  3. 

^  Putendorf,  Devoirs  de  l'Homme  Liv.  II.  cbap.  1. 

*  HnIcbesoD  a.  a.  O.   Book  II,  chup.  />,  jp.  299. 

*  Quesnay,  Droit  Naturel,  chap.  III:  ..Do  l'iii^fralite  du  droit  na- 
turel  des  hommeg''.  Daire  I,  p.  4ö.  In  Quesnaya  »Eäsai  ph/sique  sur 
r^conoioie  auiinale''  findet  sich  der  Satz:  Toqb  Ics  hommes,  comidir^ 
duns  l'ordre  naturel,  soiit  niiLrinairemont  »-»gaux.  Weshalb  sie  aber 
ffleieli  sind,  odur  worin  die  Oli  n  lilit  it  bestellt  sagt  (^uesnay  iiiclit  deutlieh. 
Kat  li  dem  unmittelbar  Fol^zcndcu  mufa  uian  amiehmen,  daf-  er  die  Gleich- 
heit auf  der  gleichen  l't  licia  der  h>eibgtcrhaltung  aufbaut  Denn  es 
heifüt  dort:  «liacmi  est  oblig«'.  :^oiip  ppim-  «-outl'rance.  »le  c<m8orver  ea. 
Tie  et  chacun  est  charg^  seui  envcrs  soi  -  meine  de  la  rigueur  du  pr^ 
cepte.  Vorher  aber  hören  wir.  dafa  die  Menschen  gleiche  Rechte 
hal>»MK  IJ  (l'homme)  est  en  socict^  avec  d'autros  hommcs  qui  oiit  oomme 
lui  des  droit«  qu'il  doit  respecter,  et  uuxquuis  on  ue  peut  gu6re  preja- 
dicier  impunement;  ce«  droit»  sont  natureis  ou  Intimes.  Oncken, 
Oeuvres  Economiqucs  et  FbÜosopbiquts  de  Quesimy.  IbS^,  p.  755,  754. 
Die  Ungleichheit  der  Lebenslage,  welche  sich  herausbildet,  obgleich  »le 


9* 


132 


X  2. 


heit  thatsUchlich  auf  den  allgemeinen  Trieb  (kr  Mensehrii,  sieh 
zu  erhalten  und  zu  iicnicl'st-n.  Xoeh  mehr  sehrumpit  sie  bei 
Adam  bmith  zuöammea,  wie  wir  früher  ausiuiirlich  gezeigt 
haben. 

So  zeigt  sich,  dafs  auch  die  Lehre  von  der  Gleichheit  aller 

Henachen  sich  mit  der  Psychologie  mehr  und  mehr  verändert, 
wenn  sie  auch  die  fi'üher  bezeichnete  Schranke  nicht  zu  ttb^ 

schreiten  verma«!«;.  (ler.idezii  falseli  ist  es  aber,  den  Naturrechts- 
jofirrrn  die  Meinung  zuzuschreiben,  sie  betrachteten  alle  Menselien 
als  öchleehthiu  ghieh.  iSia  abstrahieren,  von  Hobbe^  ange- 
fangen biö  auf  den  letzten  Vertreter  des  iSaturrechteä,  von  einem 
grofsen  Teile  der  menaohlkhen  Anlagen  und  konzentrieren  .ihre 
Äufinerksamkeit  auf  den  Best  Auch  hierin  haben  aie  Ähnlich- 
kdt  mit  den  Philosophen  und  Naturfonchefn,  Ton  dfflien  wtr  nun 
KU  Sprechen  haben. 

Welche  Basis  aber  auch  die  Naturrechtslehrer  der  Lehre 
von  der  Oleichheit  der  Mensehen  gegeben  haben,  sicher  ist  en, 
dal's  keine  geistige  Macht  in  der  neueren  Zeit  den  Mensclien  den 
Grundsatz  so  tief  eingeprägt  iiat,  sieli  als  gleich  zu  betrachten 
und  nach  dieser  Maxime  den  socialen  Verkehr  wie  Hecht  und 
GesetB  zu  gestalten*. 

II. 

Znsammeuhaug  dieser  Wissen sehafteu  mit  der  Philosophie 
nnd  den  Natnrwisgensehaften  des  17.  Jalirhniiderts. 

Der  metaphysische  Rationalisnms,  wie  er  von  Desenrtes  be- 
gründet und  ausgebildet  wird,  leitet  auf  mathematischem  Wege 
alle  pliilosopiiiöciien  Wahrheiten  aus  der  Grundthatsache  der  see- 
lischen Natur,  dem  SelbstbewufstBein,  ab.  Der  Mensch  laniucht 
also  mit  seiner  Vernunft  nur  in  sich  selbst  zu  schauen,  um 
die  Wahrheit  zu  entdecken.  Eine-  äufsere  Überemstimmung 
zwischen  Naturrtcht  nnd  der  Philosophie  Descartes'^  könnte  man 
auch  darin  linden,  dals  d'-r  Pngriff  (lott  auch  in  seinem  System 
als  eine  sehr  wichtige  »Stütze  der  Bcweiaiuhrung  aultiitt.  Eng- 


droit  iiatiirel  des  hommef»  est  oripunirement  e^rftl",  werde  durch  fausf-nd 
Uraachen  herbeigeführt,  deren  „actiou  a»t  rcglee  selou  lea  vucs  et  les 
dessiiM  de  Ilntemg^enee  mipt^me  qni  a  constniit  rnniven";  daher  denn 
auch  die  Mahmm^i::  c'est  aux  hommts  ;\  r^c  rt'ixler  m\r  cct  ordre  ih^^iim'  et 
non  &  le  mdcoimaitrc,  ou  i\  ein  k-Ikt  iuutilctneut  et  injusteDieut  a  s'en 
aÄtmchhr  &.  a.  0.  p.  7'>7.  "Man  begreift  bd  diesem  Kultus  der  Ungleich» 
heit  und  des  Eigentums  den  Widerstand  der  Sozialisten  von  dem  gleichen 
Standpunkt  des  Naturrfi  lits  aus. 

*  Vgl.  Pufendort.  J.,cs  Droits  etc.,  I,  cap.  7  mit  der  Überschrift: 
„De  Tobligation  oü  sont  toua  les  hommes  de  se  rcgarder  les  uns  les  autree 
eomme  naturcllement  (^irnux." 

*  Windelband  macht  p.  170  auch  hierauf  aufmerksam;  aber  ich  kaun 
ihm  nicht  darin  beistimmen,  was  er  über  das  zeitliehe  Verhältnis  der 
Philosophie  und  des  Natunechtes  sagt 


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X  2. 


188 


vpr1)iinflcn  mit  f^er  neuen  Philosophie,  in  demselben  siebzehnten 
Jährliundert  nehmen  die  Naturwissenschatten,  die  im  sechzehnten 
die  Kinder^jchiihe  austgetreteu  haben  einen  fast  nocli  gewaltigeren 
Aufschwung  als  die  historischen  in  un8ei*em  Jahrhundert  —  nicht 
die  beschreibenden  Naturwissenschaften,  nicht  die  historischen, 
wenn  dieser  Ausdruck  erlaubt  ist,  sondern  derjenige  Zweig, 
welcher  der  Mathematik  wie  seiner  Lebenslufit  bedarf,  nämlira 
üie  Mechanik.  Die  Mathematik  steht  so  im  geistigen  Oentrum 
dieser  Zeit,  und  sie  yv\rd  mit  staunenswerter  Genialit.1t  ausge- 
bildet. Man  versteht  die  Philosoplien  jener  Zeit  nicht,  wenn 
man  sie  nur  als  luftige  Spekulanten  autfalst,  sie  wollen  auch 
Mathematiker  und  Naturforscher  sein.  Und  Desearles"  dauernde 
Bedeutung  liegt  jedenfalls  mehr  in  seinen  mathematischen  Er- 
rungenschaften, ab  in  seiner  Philosophie. 

Vergegenwärtigt  man  sich  alles,  was  das  siebzehnte  Jahrhundert 
auf  dem  Gebiete  der  Mathematik  und  der  Naturwissenschaften 
geleistet  hat,  so  kann  mnn  sich  des  Staunens  nicht  erwehren. 
Es  scheint  in  Krieg  und  Aufruhr,  in  politischen  und  religiösen 
Kämpfen  aufeugehen,  und  doch  verdient  es  auf  dem  Gebiete  der 
Wissenschaft  meltr  als  das  achtzehnte  das  Jahrhundert  der 
eroDsen  Männer  genannt  zu  werden.  Ich  sehe  von  seiner  Be- 
deutung auf  dem  Gebiete  der  Geisteswissenschaften  natürlich  ab  und 
erinnere  nur  daran,  dafs  es  das  J.  I  r '  iindert  der  Galilei,  Kepler 
und  Newton  ist,  dafs  die  Loirnrithmenlehre  und  die  analytische 
Geometrie  dem  Schätze  der  Matliematik  hinzugefugt  werden, 
dafs  der  lilutumlaut  entdeckt  und  Mechanik  und  Optik  eifrig 
gefördert  wurden,  dafs  lioyle  die  neuere  Chemie  ins  Leben  ruft, 
aafs  Bacon  und  Descartes  ihre  Methoden  ausbilden  und  durch 
Gassendi  die  Atomenlehre  vrieder  Bürgerrecht  in  der  Wissen- 
schaft gewinnt.  Und  im  Centrum  dieser  wissenschaftlich 
gährenden  Zeit  steht  die  Mathematik. 

Der  scholastischen  Wortweisheit  und  ihres  dürren  Syllogis- 
mus miide.  erwartete  Descartes  das  Heil  für  alle  Wissenschaft 
von  der  Anwendung  der  mathematischen  Methode,  die  also  eine 
üniversaimcthodti  werden  sollte.  Sie  cliarakteriiiert  sieh  durch 
«ine  eigentümliche  Verbindung  yon  Analyse  und  Synthese.  Die 
Analyse  sucht  sunSchst  auf  induktivem  Wege  die  selbstgewisse 
Wahrheit  zu  gewinnen,  von  der  aus  doluziert  werden  kann. 
Doch  trägt  diese  Deduktion  keinen  syUogistischen  Charakter; 
denn  durch  fortschreitende  Aufnahmen  neuer  selbstgewisser  Au- 
flchauungen,  durch  Synthese  gelangt  sie  zu  neuen  Er;::ebni88en. 

Die  mathematische  Methode  wird  vielleicht  deuthcher  in 
ihrer  Eigentümlichkeit  erkannt  werden,  wenn  wir  die  Methode 
Bacons,  der  gldc^&lb  einen  erbitterten  Kampf  gegen  die 
Scholastik  führte,  dagegen  halten.  Bei  Descartes  war  die  In- 
duktion zu  einem  verhältnismiifsig  unbedeutenden  Bestandteil 
seiner  Methode  herabgedrückt;  anders  bei  Lord  Veiulani.  Kr 
iorderte  systematische  Beobachtung,  vorsichtigen  Fortschritt  von 


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134 


den  richtig  beobachteten  Thatsachen  zu  allgemeinen  v^atzeo,  Be- 
rcicluTung  und  Reiniixun«?  der  Erfahrung  durch  das  Experiment; 
duä  mathematisclie  Element  verstand  er  nicht  zu  wiirdi^eu. 

Wie  DeBcartes  die  uniTenalmathematische  Methode  in  der 
PbOoeophie  anwandte,  haben  wir  beobachtet.  Ein  methodischer 
Überblick  Uber  das  Gebiet  der  Leben säufserungen  lafst  ihn  in 
dem  Selbatbewul'stsein  die  tragt^hige  Grundlage  einer  Deduktion 
erkennen;  in  dem  »SelbstbewufststMn  entdeckt  er  die  Idee  Gottes 
in  un.s.  die  wir  selbst  nicht  hervorgebracht  liabcn  können, 
und  die  nun  seine  Erkenntnis  \viederum  einen  beitritt  weiter 
führt. 

In  dm  Naturwisaentcfaafien  ließ»  aidi  ^e  Methode  des  Cbp- 
tesiuB  7,nr  Anwendung  bringen,  wenn  man  in  den  KOrpern  von 
allen  Eigenschaften  abstrahiert,  welche  sich  vor  dem  urteil  der 
Vernunft  nicht  zu  behaupten  vermögen.  Denn  nur  soviel  von 
unsem  V'T^tollungen  der  Welt  hat  nach  Descjirtes  Anspruch  auf 
Gewilölieit  und  Richtigkeit,  als  sich  vor  dem  menschlichen  Denken 
klar  und  deutlich  zu  erweisen  ve^m^^;.  So  verbleibt  den  K^>r- 
pern  nur  die  Eigenschaft,  liaumge bilde  zu  oein.  Da  nun  die 
Ausdehnung  ins  Endlose  teilbar  is^  die  Teile  sich  verbinden  und 
trennen  laseen,  so  falat  er  alle  Verftnderungen  in  der  Körperweit 
als  Bewegungserscheinungen  auf.  Die  Bewegungen  der 
Teilchen  wie  der  Kör|)er  erklärt  Desc^rtes  WB  der  Übertragung 
der  Bewegung  nach  dem  Gesetze  def  mechanischt-n  Stesses, 
Die  Raumgröfsen  iiaben  keine  selbständige  Bewegnngskral't ;  Iblg- 
lieh  muls  diese  von  aufsen  an  sie  herantreten,  öott  ist  die  erste 
Ursache  aller  Bewe;;ung.  „Aus  der  Unwandelbarkeit  Gottes 
folgt,  dafs  alle  Verlndeningen  in  der  Körpcrwelt  nach  konstanten 
Regeln  geschehen.  Diese  Bcgeln  nennt  Descartes  Natur* 
gesetse.  Da  alle  Verttnderungen  der  Materie  Bewegungen 
sind»  so  sind  sämtliche  Naturgesetse  Bewegungsgesetze"  ^.  „Jetzt 
ist  der  Standpunkt  der  Oartesiani'^rlien  Naturphilosophie  voll- 
kommen klar",  sa«j;t  Kuno  Fisclier,  ^das  Wesen  der  Körper  be- 
steht in  der  Kfiumgrr.ise.  die  Veränderun*r  derselben  in  aer  Be- 
wegung; jenes  wird  maUiematisch ,  dieses  mechanisch  begriffen: 
die  Naturerklärung  Descartes'  beruht  daher  völlig  auf  maihe- 
matisch-mechaniflcnen  Qnmdsätzen**. 

Es  bildete  sich  also  in  der  inod«  men  Naturphilosophie  die 
Methode  aus,  von  d<  n  klein  st t  n  Teildien  eines  Körpers  aus- 
zugehen nnd  die  konstanten  Tiegeln  ihrer  ßewe^ungserscheinungen 
zu  erkennen.  Natürlich  nuilstc  dabei  eine  Kraft  vorausp:esetzt 
werden,  als  deren  ^^  irklormen  die.se  ei"scheinciK  eine  Kratt,  die 
entweder  von  aulsen  an  das  kleinste  Teilchen  herantrat  oder  mit 
ihm  verbunden  war.  Wie  sich  die  Atomtheorie  Gassendis, 
welche  Descartes  selbst  verwarf,  in  diese  mathematisch' mecha- 


>  Kimo  Flacher,  Qeaebiebte  der  aeneren  Philosophie.  8.  A.  I,  1 
p.  340  fg. 


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135 


nische  Naturerkliirung  einschob,  welche  Theorie  über  Atom  und 
Kraft  und  über  ihr  VerhältniTs  au^estellt  wurde,  ist  nicht  unsere 
Au^be  dAreQ]^gen^  Das  Naturgesetz  war  folglich  der 
Ausdruck  „für  die  koostente,  in  allen  einzehien  Fällen  als  Grund- 
form erkennbare  Wirkungsweise  von  Krilftcn";  „das  Gesetz  ist 
die  Definition  von  Kräften"  80  stellte  sich  das  „Naturgesetz** 
im  physikalischen  Sinne  neben  das  ^Naturgesetz'"  der 
Ethik. 

Es  ist  bekannt,  dafs  England  schon  im  17.  Jahrhundert  den 
Empirismus  ßacons  pflegte  und  der  systematischen  Heohachtung, 
dem  Experimente  der  einseitig  mathematisch-mechanischen  Rich- 
tung g^enübcr  zum  Siege  verhalf.  Bei  den  grölsten  natur- 
wissenschaftlichen Forschem  Englands,  Boylc  und  Newton,  cr- 
scIh  in.  n  sie  im  völligen  Gleichgewichte.  JSie  haben  ja  auch  die 
Atünitlicorie  Oassendis  als  ein  neues  Element  in  die  Naturphilo- 
sophie eingeführt. 

Im  Gebte  der  OsrtesianiscbeD  Philosophie  mulste  es  ab 
ein  geradestt  notwendiger  Schritt  erscheinen,  daüs  man  die  mathe- 
matische Methode  auf  alle  Geisteswissenschaften  Ubertrug,  \vie 
ja  auch  Bacon  die  Anwendung  seiner  induktiven  Methode  in  allen 
Wissenschaften  wünselitc.  iJie  Aufgabe  bestand  also  darin,  den 
Ideenkomplex  der  Wissenscludt  in  seine  Teile  zu  zerlegen,  ein- 
fache (irundknifte  auf/utinden  und  aus  dem  Einfachen,  welciies 
die  Analyse  herbcigeschaift  hatte,  diu'ch  Synthes  edas  Zusammen- 
raetste  entstehen  zu  lassen:  gewissermalsen  Naturgesetze  der 
Geisteswissenschaften  zu  entdecken.  Descartes  selbst  hat  dieses 
Gebiet  nur  mit  seiner  „Abhandlung  über  die  Leidenschaften*^ 
berührt  Dagegen  ging  die  Übertragung  der  mathematischen 
Methode  auf  Ethik  und  Politik,  oder  wie  Hol>hf  <  ^Hgt,  die 
„civil  philoäopliy"  von  diesem  aus.  Ob  .seine  inatiiematische 
Methode  die  Cartebianischc  ist,  will  icli  au  einer  andern  Stelle 
erörtern;  denn  die  Aufgabe  diaser  Schrift  is^  allein  die  Darlegung 
des  Zusammenhangs  der  englisch-ftanzäsiscben  Nationalökonomie 
mit  der  allgemeinen  philosophischen  Bew^ung,  womit  sich  das 
Eingehen  in  die  Kinzefheitcn  der  Entwicklung  nicht  vertrügt. 

Hei  ITobbes  bleiben  das  naturphilosophische  und  das  ethische 
Naturgesetz  noch  ^■^esdiieden.  Den  (bedanken,  „Naturgesetze  tkr 
desellschaft*'  aufzustellen  und  auf  ihr«r  (irundlage  ethische 
Naturgesetze  zu  errichten,  lafste  en^t  der  Arzt  C^ueünay'*. 

^  Siehe  hicrilbor  Lan^,  fJesehirhtf  des  Materialismus.  3.  A.  II, 
zweiter  Abschnitt,  zweites  Kap.:  „Krall  und  Stoti". 

^  Rümelin ,  Über  den  Begriffeiites  sosialen  Gesetzes,  Ueden  und  Auf* 
«Stse  \xi''    ^  S. 

^  I>up(>iit  de  Nemours  drückt  sieh  hierüber  so  klar  aus,  dafs  ich  mich 
nieht  entluilten  kann,  die  ganze  Stelle  hierlior  zu  setsen.  Er  sagt:  ^11 
y  a  ('üviroji  troizo  ans  tjti'ini  hoiniiif  du  g/nif  Ic  phn  vigourt-ux  <^'ii<'=Tiny ), 
exerc^  aux  indditatioiis  profondes,  d6jü  connu  par  dexcelientä  ouvrages 
et  psr  «es  mccte  dans  un  ait  oA  la  gnnde  haUut^  oonsiste  i  observer 


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136  X  2. 

Wir  haben  uUo  einen  drcnacluii  Euitlufs  der  Naturphilo- 
sophie auf  die  (i eisten wissea-iclialten  zu  bool»achteu:  1.  auf  die 
Methode  (Hobbes),  2.  auf  die  Psychologie  (Descartes),  3.  auf 
die  Entdeckung  von  phyttkalischen  Natuigesetzen  der  Qesell- 
schaft  (Quesnay). 

ni. 

Die  Eiiiwirkoiifi^  der  Naturphilosojihie  auf  die  Methode  des 
Natomchts  und  der  NaHonalÖkonomie. 

Mit  natur\vi8.sc'n.schafth*elien  liejjrift'cn  und  einer  inatheiiia- 
tiscliun  Denkweise  au8ji< 'rüstet,  betritt  Ilobbes  den  Boden  der 
OeiBteBwissenschaflen.  IlieTdurch  Itat  er  die  folgenden  Jahr- 
hunderte 80  stark  beeinflufst,  dafs  wir  selbst  am  Ende  des 
19.  Jahrhunderts  den  Bann  seines  Geistes  nicht  ganz  gebrochen 
haben.  Den  physischen  und  psychischen  (Jrgiinismus  sucht  er  rdn 
meclianisch  aus  Atombewe^unji^en  zu  erklären;  er  ist  darum  ein 
Vorliiiifer  der  späteren,  matcrialistisehen  IVvoliolo^ne.  Seine 
Lehre  von  Hecht,  6ittliciikeit ,  btaat  kanu  alä  eine  soziale  Ato- 
mistik gelten. 

Zwei  Überzeugunj^eu  spricht  Hobbes  an  mehreren  Stellen 
seiner  Werke  aus,  erstens  dafs  er  der  Begründer  der  Geistes- 

Wissenschaften  ^civü  philoaophy''  sei  und  dafs  er  auf  sie  die 
mathematische  Metl)oae  angewendet  habe  oder  anwenden  wolle. 

Hobbcö  sagt  uns  j^anz  klar,  was  er  unter  der  Anwendung 
der  mathematiMciien  Methofl--  auf  dem  (^obictr-  der  Opistes Wissen- 
schaft verstellt:  es  ist  die  i>edukti()ii  ans  einem  wahren  Er- 
fehrunir-^^atzc  über  die  mcnsehliclic  iSuUir.  Ein  derartiger  Er- 
falu'uii^s.^atz  ist  der  folgende:  Alle  Menschen  sind  von  Natur 
aelbstsüchtii; ;  sie  wttnschen  von  den  andern  Menschen  nur  Ehre 
und  Vorteil.  Sie  sind  also  von  Natur  auch  nicht  gesellige  son- 
dern ungesellig.  Sie  bind  auch  gleich;  denn  ein  jeder  vermag 
das  Gnilste,  nändicli  den  Mitmenschen  zu  töten:  daher  die 
gegenseitige  Furcht.  Aus  der  »Magens eitleren  Furcht  leitet  nun 
Hobbes  zuerst  die  Maximen  der  khi^;' II  LflM-nsfiihruiiLr.  dann  Staat 
und  licclit  her.  iSo  ftdirt  uns  die  1  loljlie.-jche  Analyse  auf  freie 
und  gleiche  Menschciiato  inc,  iVägt?r  der  Kraft  Selbstsucht 
Er  hffst  dann  durch  Synthese  aus  ihnen  die  öfientUchen 


et  a  respoctor  1h  imtuio,  dcvina  qu'elle  ne  bornc  p;is  «es  lois 
phyRi<|iies  ix  r<-iic.^  '|u'ou  :\  ju.iques  &  pri'scnt  ätndic^es  dans 
no,=  aca  lf^mies;  et  i  iMqu'olle  il  am»'  aiix  fourmis,  aux  abeilles.  aus 
castoi'ä  iä  faculte  de  sc  soumuttre  d  uu  commim  accord  et  par  imr  propre 
int^t,  k  IUI  g^UTemement  bon,  stablo  et  uniforme,  etle  ne  refuse  pas  & 
riioiiiniP  Ir»  pnnvoir  ile  h'i'l«'\  a  la  jonis-au'  f  -In  inr-inr  avant.ig-o.  Animt! 
pur  rimportanco  do  cette  vii'-  ot  par  l'a«pect  des  grande»  coiisä(^ueace8 
qu^on  eu  pouvait  tirer,  il  Hpi)lif|ua  toute  la  p^notration  do  son  espnt  k  ta 
recherche  des  lois  physiqucs  relatives  k  la  soc i ('•'*.  Dupont  de 
Nemoar«,  Origiae  et  Prbgr^  d'une  Science  Nouveile,  Daire  I«  p.  ^136.  - 


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X  2. 


137 


Körper  entstellen.  Seine  Darstellung  zeigt  in  ihrer  Klarheit, 
8chaH'e,  strengster  logischer  Verkettung  den  an  der  Mathematik 
geschulten  Geist. 

Pufendorf  wandte  dann,  wie  wir  gesehen,  die  mathematische 
Methode  auf  das  Natnrrecht  an.  Au<»  er  geht  yon  den  sdlat- 
flttchtigen  Menschenatomen  aus,  was  ihn  in  einen  merkwürdigen 
Konflikt  mit  seiner  Socialitätstheorie  brachte.  Da  nun  die  national- 

<Jkonomische  Theorie  in  dem  Naturrecht  lieranwiichs,  so  atmete 
sie  nicht  nur,  wie  schon  erwähnt  wurde,  von  Anfang  an  die 
Luft  einer  atoraistiscb -egoistisch -mechanistisclicn  Ansicht  von 
Individuum,  (Jesellsehaft,  Staat,  welche  Mandcville  national- 
ökono misch  ausgestaltete,  wie  erinnerlich  sein  wird,  sondern 
es  wurde  auch  der  jungen  Wissenschaft  die  mathematische  Me- 
'tiiode  in  die  Wiege  gelegt,  d.  h.  die  Deduktion  aus  dem  univer- 
sellen nionschlischen  Egoismus.  Nachdem  der  wirtschaft- 
liche Egoismus  von  Mandeville  in  die  Hetrachtung  eingefiihrt 
und  dessen  Triebkraft  gründlich  gewürdigt  worden  war,  Shaftes- 
bury  die  ethische  !>•  reclitigiing  des  Selbstintercsses  l)ehauptet 
hatte,  L'ig  die  Deduktion  aus  dem  wii  tschaftlichen  Egoismus  ge- 
ynü  sehr  nahe. 

Doch  täuscht  uian  sich,  wie  ich  glaube,  wenn  man  annimmt, 
dafs  diese  Methode  nun  als  die  allein  giltige  in  unserer  Wissen- 
sehaft betrachtet  worden  wftre.    Mir  scheint,  dals  man  die 

mathematische  Methode  selten  bewufst  angewendet  hat  Sic  lag 
in  der  Luft,  die  man  atmete.  Sonst  wilre  es  kaum  verständlich, 
dafs  Dupont  de  Nemours,  ein  hervorragender  Vertreter  der  physio- 
krarischen  Schule,  in  der  doch  gewiis  ;ius  dem  Egoisnms 
deduziert  worden  ist,  z,  B.  in  der  Lehre  von  der  Steuerüber- 
wälzung', mit  solcher  Zuversicht  die  Nationalökonomie  für  eine 
Beobachtungswissensehaft  gehalten  hat  Er  hebt  hmor»  wie 
man  sich  erinnern  wird,  dals  derjenige,  welcher  die  neue  Wissen- 
schaft ins  Leben  gerufen,  ein  Mann  gewesen  sei,  der  gelernt 
hal)c.  die  Natur  zu  beobachten  und  zu  achten^.  Beobachtung 
und  Experiment,  behauptete  Quesnay,  seien  die  beiden  Er- 


^  Siebe  inabesondere  die  DsTHtellung  Dupont«  in  „Ori^ne  et  Pro- 

gTf^»  etc.",  XV.  Die  Fv!i(  bunp  einer  indirekten  Steuer  wäre  kostspielig 
jQi  augmenterait  necefisairement  iea  fraib  du  coinmerce  et  de  eulture''. 
Da  diese  die  Waaren  notwendigerweise  verteuern  wfirden  „elles  fori^eraient 
dorn-  les  acheteurs  u  mesoffrir  sur  les  denr^  et  les  matieret?  iiremieres  eu 
raison  de  la  taxe  et  de  la  iierccption  couteuse  de  la  taxe  et  de  l  aceroisse- 
ment  de  frais  intermediaires.  .  .  .  Elles  teruient  donc  baisecr  nt'cessaire- 
ment  d'antant  le  prix  de  toutes  les  venten  de  la  premiöre  niain.  Les 
cultivateurs  .  .  .  se  tronver.*iient  donc  en  deücit  ...  Iis  seraicnt  donc 
forces  d'abandonner  la  cuiture  des  terraina  mauvais  ou  m^diocres  .  .  . 
De  IK  naitralt  nne  premidre  et  notable  diminution  dans  la  masse  totale 
des  subsie^tanee.s.  Les  cuitivateurs  seraient  forcis  en  ontre  deretiancher 
aar  le  reveuu  des  uroprietairus  .  .  . 
*  Daire  I,  p.  338. 


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138 


X  2. 


kenntnisrjiK'llen  der  Medizin '.  Um  diescia  Urteil  richtig  zu  wür- 
digen, inufjsen  wir  beachten,  dals  dieser  methodische  Gruiidssatz 
zur  Zeit  QuesnayB  noch  nieht  völlig  zur  Anerkennung  gelangt 
war.  Danmla  rangen  die  Carteskoiachen  und  die  Baiconlachen 
Prinzipien  in  der  Medisin  noch  miteinander.  Auf  Seiten  jener 
standen  die  latromathematiker  oder  latromechaniker,  welche  sich 
von  der  Mitte  des  17.  bis  weit  in  das  18,  Jahrhundert  hinein 
behaupteten,  anf  Sf  itc  der  letzteren  vor  allem  der  engh'sche  Arzt 
Sydt  nlinm  und  der  Holländer  Boerhnve^.  l^kiesnay  verfolgte  also 
eiitaeiiieden  di«*  n<  uen;  nietliodische  Richtung  in  der  Medizin.  In 
seiner  Jugend  hatte  er  die  uj athematischen  ötudien  vernachlässigt; 
am  Abend  seines  Lebeos  wünschte  er  das  Versttumtc  nachzu- 
holen, weil  seine  nationalOkonomischen  Arbeiten  viele  Berech- 
nungen erforderten;  aber  „il  oubliait  son  age"  ^.  Von  der 
Einführung  einer  mathematischen  Methode  in  die  National- 
ökonomie kann  aber  nieht  die  Rede  sein,  Grand  Jean  de  Fouchy 
hätte  sich  in  diesem  Falle  ganz  anders  ans(]rüeken  mfissen, 

Dupout  de  Nemours  betrübt  es,  dals  man  die  Leiire  von 
der  inneren  Politik  noch  nicht  für  eine  „exakte"  NN  isi^euschaft 
ansehe.  Er  ist  wohl  der  erste,  welcher  dies  neuerdings  viel  ge» 
brauchte  Beiwort  in  diesem  Zusammenhange  verwendet;  er  ver- 
steht unter  einer  exakten  politischen  Wissenschaft,  wie  der  Sinn 
der  Stelle  eigiebt,  eine  solche,  die,  auf  genaue  Beobachtung, 
Messen,  VN'ägen  gestützt,  gestattet,  die  Zukunft  vorherzusagen*. 

Ks  Ifilst  sieli  ja  auch  nicht  l«Miunen ,  dafs  gerade  drs  Beste 
an  der  physiokratischen  Theorie:  die  Darstellung  des  wirtschaft- 
lichen Kreislaufs,  die  Lehre  von  der  Reproduktion  der  Urstofle, 
ihrer  Formung,  Cirkulation  und  Verteilung,  die  Berechnung  des 
KapttalzinseSi  welchen  der  Pächter  haben  muls,  und  anderes  auf 
einer  Beobachtung  des  wirtBcbafÜichen  Lebens  beruhte,  kurs 
sich  als  eine  Beschreibung  der  französischen  Wirtschaft  des 
achtzehnten  J  tln  hunderts  darstellte.  Es  stehen  sich  also  schon 
während  der  Jugend  unserer  Wissenschaft  in  Frankreich  zwei 
Methoden  gegenüber:  eine  abstrakt- deduktive  und  eine  konkret- 
deskrijitive. 

Etwas  Ahnliches  gilt  von  Adam  iSmith.    Er  hat  unzweifelhaft 


'  Unckcu,  Oeuvres  de  (^ue8nay,jp.  45.   fck)  Le  comte  d'Albon. 

*  Wunderlich.  Geschichle  der  Medizin  1^59,  p.  132  ff.,  pasrim. 

Hoerbave  „wifs  die  Lehrsätv^e  dev  CInMiiiatiikcr  und  raitesianor  zun'l-  k 
und  verlangt  die  Verfolgung  der  einfachen  Gesetze  der  Katur"^  auf 
dein  NVepi*  der  Beobachtung,  p.  1'j7. 

'  oiicken«  a.  a.  O.  p.  35.   So  Grand*Jean  de  Fouehy. 

*  NoiH  üi'STirons  1p«  cioxw  ft  l.n  tene,  noua  observons  Icura  r<5vo- 
lutioits,  nou:^  caicuiuut)  leurs  uiouveinents,  nou^  prediaous  les  ^clifjses  .  .  . 
i5i  VOU8  (ietnandiez  comraent  il  fiittt  s'j  prendre  pour  qu*  une  soctöte  poli- 
tiijnp  soit  florissanto  ...  et  qu  il  vous  n'*|»ondjt  que  ce  n'esl  pa.«  lü  l'objet 
d'une  Science  exacte  .  .  .  il  ue  faudrait  pas  troaver  cettc  reponse 
ridicule,  car  die  pazait  naturelle  et  tatBonoable  k  cenx  qui  la  font  de 
bonne  foi  u.  b.  w.,  a.  a.  0.  p.  ;$37. 


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X  2. 


139 


die  abstrakt-deduktive  Methode  sehr  beträehtlich  angewandt, 
z.  B.  in  der  Lehre  vom  Preise  und  Lohn,  vom  Zins,  von  der 
StenerUberwftlzung ;  aber  er  hat  8ic  nicht  ausschliefslich  ange- 
wandt, und  er  hat  sie  nicht  konspqnent  angewandt.  Wie  ich 
schon  an  einer  Irüliercn  iStelle  hcrvorj^eliobcn  habe,  Hnden  sich 
neben  Stellen ,  in  welchen  er  den  I^j^^oismus  mit  der  gleich- 
bleibenden Inicnsitiit  und  Präzision  einer  Naturkruti  wirken  läfst, 

andere,  in  denen  das  SdHbstintereBse  nnr  die  Teodens  hat,  be- 
stimmte Wirkungen  hervonubringen. 

EjT  hat  die  mathematische  Methode  auch  nicht  ausschUefslich 

angewandt  Das  ganze  vierte  Buch,  das  wichtigste  von  allen, 
ist  (  in  induktiver  Beweis  flir  die  Schädlichkeit  ues  Merkrmtil- 
systemb.  Aus  den  Thats.ichen ,  welche  er  in  grüi'ster  Fülle  f?«  - 
sammelt  hat,  zieht  er  am  Schlufs  des  Huches  die  Folgerung,  dais 
sich  der  Staat  der  wirtschaftlichen  Intervention  enthalten  solle. 

Hierzu  kommt  noch  ein  anderes.  Smith  steht  In  methodischer 
Hinsicht  unter  dem  Einflüsse  Humes  und  Montesquieus ;  der  erstere 
sucht,  an  Bacon  anknüj)f»ntb  den  Geisteswissenschaften  eine  empi- 
risch -  psycho  lo;i;i  sc  he  Basis  7Ai  proben;  der  letztere  lenkt  den 
BJick  vorzugsweise  auf  das  Studium  der  -i  n  l'seren  Faktoren,  welche 
dns  wirtschaftliche  und  politische  Lt^bun  der  Menschen  bestimnu  n. 
Die  Bestrebungen  beider  vereinigend  hat  Smith  Grofsartigea 
geleistet,  wie  z.  B.  die  frUher  besprochene  psychologische  Ana- 
Hse  des  Wirtschaftskbens  beweist.  Ich  erinnere  weiter  an  die 
Darlegung  der  Wirkungen  der  Arbeitsteilung,  der  Maschinen, 
der  verscmedenen  Oesellschaftszustände ,  des  Ansammelns  von 
Kapital  u  s.  w.,  insbesondere  aber  der  Gesetzgebung  auf  die 
Volkswirtschaft. 

Kioe  genauere  Ausführung  dieser  Skizze  ist  an  dieser  Stelle 
unmöglich;  ich  werde  sie  anderswo  versuchen.  Das  \\'enige  ge- 
nügt ab^  zum  Beweise,  dafe  Smith  weit  davon  entfernt  war,  die 
abstrakt  •  deduktive  Methode  ausschlierslich  zu  handhaben.  Ja, 
nach  meiner  Meinung  ist  sogar  ein  Übeigewicht  nach  der  Seite 
der  empirisch-induktiven  Richtung  nicht  zu  verkennen. 

Diejenigen  tauschen  sich  also,  welche  glauben,  dafs  Smith 
im  „Reichtum  der  Völker*^  aiisf?chlic(8lieh  die  abstrakt  deduktive 
Methode  angewandt  habe,  und  diejenigen  sind  ebcintalls  im  Irr- 
tum, wrk'he  in  dem  Ihiehe  ein  Meisterwerk  der  induktiven 
Rlclitun^  erkennen.  Ich  freue  mich,  dals  zwei  hervorriigende 
NalioDa&konom«!  Grofslnitanniens,  GK£k  Leslie  und  Ingram, 
ebenfidls  der  Ansicht  sind,  dafs  Smith  zwei  Methoden  angewandt 
habe'. 

Das  Ergebnis  lautet  also:  in  unserer  Wissenschaft  sind  schon 
seit  Quesnay  und  Adam  Smith  zwei  Methoden  zur  Anwendung 


«  Cliffo  Leslie,  EaMijs  in  Potitical  Economy,  2.  ed.  1868,  p.  21  ft. 
und  John  K.  Jugrsm,  History  of  Political  Economy  1888,  p.  90  ff. 


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140 


gek  ininen,  wenn  auch  damals  daraus  noch  kein  Metbodenstreit 
entstanden  ist. 

Damit  haben  wir  eine  der  Aulgaben  erlediprt,  welche  wir 
uns  am  finde  des  vorigen  Paragraphen  stellten.  Die  Heobaclitung 
des  Kampfes  der  mathematudien  und  der  induktiven  Methode 
in  der  englisciien  Ethik  würde  unsere  Untersuchung  in  keiner 
Weise  Ibrdem,  obwohl  er  nicht  ohne  Einflul's  auf  unsere  Wissen- 
schaft gewesen  ist.  Hutcheson  macht  der  mathematischen  Me- 
thode bcwufst  Opposition  und  kehrt  zu  den  Bacouischen  Prin- 
zipien zurück. 

Wir  wenden  uns  nun  zu  dem  zweiten  Punkt,  zur  Einwir- 
kung der  Naturphilosophie  auf  die  Geisteswissenschaften. 

IV. 

Die  mechaiiiselie  Psychologie  mtd  die  Statistik. 

Die  Philosophen  des  siebzt'linten  und  aehtzehnicn  .I.'ihrlum- 
derts  sehatlln  die  moilerne  r»ycliologie  und  gestalten  sie  zu 
einer  Mecha n i k  der  Triebe  und  Vorstellungen.  Für 
Descartes,  den  Ftthror  auf  drasem  Qebiete^  ist  das  Seelenleben 
ein  Kampf  der  Leidensdiaftett  untereinander  und  mit  der  Ver- 
nttDÜ  Er  be  trachtet  es  ids  seine  Aufgabe,  g*'\vl.s.se  ein fa i  ho 
und  notwendige  ( 1  rundfornien  ;mfzufinden  und  daraus  die  Pas- 
sionen nbznleiten.  Dies«*  psycliolno^isehe  Betrachtungsweisf»  wird 
dann  in  ur(^r>'aiiigcr  Weise  von  Sjtino7.;i  auf<r<^nommen  und  auf 
ihren  Höhepunkt  geflihrt.  Auf  dem  (»eliif  t«'  des  Erkenntniss Ver- 
mögens erscheint  sie  bei  Locke.  Er  sucht  zu  zeigen,  wie  sich 
ans  den  einfachen  Daten  unserer  Sinne  nach  bestimmten 
Gesetzen  unsere  Vorstellungen  bilden'.  Durch  Hume  und  David 
ILirtley  wird  diese  Betrachtungsweise;  in  der  psychologischen 
Forschung  weiter  auagebiidet:  nämlich  das  Seelenleben  zu  ana- 

'  Daft  Lockes  Bedeutung  nicht  diniii  liegt,  wie  gew5bnlich  ange- 

nouunen  wird,  zuerst  in  iler  n'Miem  Zeit  Ijchauptet  v.u  hnbrn.  daf«  alle 
unsere  Ideen  aus  .Siuncäeinürücken  Htainincn.  geht  Hi-hun  (iaraus  iiervor, 
dafs  GasBendi  vor  ihm  dAR.solbe  lehrte.  ^Toutcs  Ics  id^es  qn^on  a  dans 
IVnToiidpinenf  tirciit  Icur  uri;.''!!!»' dc3  srns  .  .  .  II  n*v  a  rii-n  dans  TEn- 
teudemcnt  (|ui  prenii6remeut  n'ait  estd:  dans  Ic  seos.  L'od  j 
doit  ftuflsi  ruppurteree  qui  se  dit  d*ordinaire  (!)  que  rEntetidsment 
est  uiic  Tnule  rase  .  .  .  Ccux  üui  disent  qiril  y  a  des  Idoes  improase», 
ou  imprim('!e8  par  la  natuie  et  nullomcnt  accpiiscH  par  les  «ens,  ne  mn- 
raient  aucunement  prouver  cc  ^u'ib  disent."  Bernier,  Tome  I,  p.  lü 
(Logi<pic).  Aueli  Descartes  sagt  m  Beinern  Diacours  e.  L  Mäth.  (IV):  „qne 
inrnii'  les  philosophe^  tietinent  pniir  mfixime  dans  les  Cooles  qu'il  n  y  a 
rien  dans  l'cnteudement  qui  n  ait  premierenient  ete  daus  les  seoa,"  p.  62 
der  Aus^.  der  Bibl.  Nat  fipiknreismus  und  Htoicismus  waren  Systeme 
des  Knipiristnus,  bei  den  Stoikorn  die  Lehre,  dafs  die  Sri  lo  ur-jprüiigUch 
eine  tabula  raaa  sei.  —  Damit  soll  keine^wetrs  geleugnet  werden, 
dafe  Lockes  Kritik  der  Lehre  von  den  angeborenen  Ideen  etwas 
Neues  war. 


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X  2. 


UI 


lysieren,  die  eintuchsten  Elcmeritu  ilessc*ll>C'n  aufzusuchen  und  zu 
zeigen,  nach  welchen  Gesetzen  sich  aus  ihnen  neue  (lebiHe  ent- 
wickeln. JJie  weitere  Entwicklung  der  modernen  frauzööiöch- 
englischeD  Philologie  braochen  mr  niebt  su  verfolgen:  wie  Oon- 
dilmc  von  den  zwei  Quellen  der  Lockesoihen  Erkenntiustheorie 
den  inneren  Sinn  versiegen  lie(s  und  das  ganze  Seelenleben  aus 
den  sinnlichen  Empfindungen  ableitete,  wie  die  schon  bei 
Hartley  vorhandene  physiologische  1  Betrachtungsweise  der  psycho- 
logischen Probleme  zu  ihrem  Rechte  kam,  wie  cndHeh  j«  ne  schon 
vonllobbes  begonnene  Krklaruug  der  psychischen  Erscheinungen 
aus  Atombewegiingen  Nachfolger  fand. 

Aber,  wird  man  iVageu,  zu  welchem  Zwecke  ist  diese 
fluchtige  Skiasse  der  Entwiddung  der  Psychologie  gegeben 
worden?  Um  es  zu  erklären,  weshalb  das  Selbstinteresse  in 

dem  nationalökonomischen  Werke  Adam  Smiths  und  auch  in 
den  Schriften  der  Physiokraten  nicht  selten  rein  mechaniscli  mit 
der  R«::elmatsi<rkeit  und  Priizision  einer  Naturkraft  wirkt,  waf» 
die  Anwendung  des  (b  duktiven  \' erfahrene  ins  der  Prämisse  des 
universellen  wirtsei laftlielien  l'^oisnius  crii  iciiterte Die  Methode 
des  liobbes  erhielt  durch  die  Cartcsiauische  Psychologie  ihre  not- 
wendige Ergänzung :  jetzt  erst  war  sie  Tollendet  Ricardo  hand- 
habte sie  später  in  einer  so  virtuosen  Weise,  dafs  sein  Werk  zu 
einer  Mechanik  des  Wirtachaftslebens  wurde  und  nun  Versuche 
zu  einer  ganz  und  gar  mathematisclien  Behandlung  unserer 
Wissenschaft  gemacht  werden  konnten.  Es  war  (l;us  Ziel, 
welchem  diese  Richtung  riot  wendiger  weise  zitstrebt.  Die 
Matheiiiaiiker  Deacartes  und  iiubbea  hatten  eine  der  ^lathematik 
verwandte  Methode  in  die  Geisteswissenschaften  eingeführt,  und 
die  latent  vorhandene  Mathematik  wurde  durch  den  Genius  von 
Männern  wie  Canard,  Ooumot,  Gossen,  Wairas,  Jevons 
wieder 

Da  in  der  Folge  Nationalökonomie  und  Statistik  vielfach  in 

wo  (»ii_Ff.  nnisere  Beziehungen  zu  einander  traten,  so  war  es  fast 
svlb>tvcrst;indlich,  dafs  der  TJeist,  welelu-r  in  der  Statistik 
herrschte,  auch  der  Natiouaiukonumiü  gefahrlich  werden  niulste. 


^  Zar  IllustratioQ  folgender  tS&tz  von  Adam  Smith:  Whatever  part 
of  !t  was  paid  below  tbe  natural  rate,  the  persona  whos«  interest  tt 

aö(P«  teil  w.iulil  i  rn iin-tl  i a  tr>I  y  fcfl  tlu'  Int^;-..  aiul  wouM  iinmediately 
witbdraw  either  so  much  land,  or  so  much  iabour,  or  so  mach  stock  etc., 
a.  a.  0.  Diese  Handlungsweise  setzt  egoiatische  Automaten  voraus.  Auch 
diese  finden  sieh  hie  und  da  bei  Adam  Smith  z.  B.  in  folgendem  Satze: 
Evorv  Individual  is  contiTUially  excrtin;?  hhn'^elf  tn  ^>n(i  onf  the  most 
advuiitageous  employment  for  whatever  capital  he  cau  cniimuiiKi,  a.  a.  O. 
Ahnlich  Quesnay.  Er  nennt  den  „marchand  .  .  .  toujours  excitä  par  le 
d«»9ir  du  erain".   Oncken,  Oeuvres  de  Quesnay,  p.  Dafs  die  Kraft 

des  Selbstinteresses  in  ^^ieichem  Grade  wie  der  Ciewinn  wächst,  sagt 
Alton:  Le  moavement  nvfisistible  de  Tint^rUt  .  .  .  porte  4  rechercher. 
ä  cr^er,  ä  ainf  liorer  des  projirit'tt'S  foiiriiTCis  eii  ruisou  du  plus  grand 
profit  qu'elles  prösentent  4  ieurs  posseascurs.  Onckcu,  a.  a.  O.  p.  66. 


Digiti^  by  üüOglc 


142 


X  2. 


I>em  engliöchen  Zweige  jener  Disciplin  lag  aber  von  Antaiig  an 
die  Meinung^  zu  Oninde,  daf  s  rieh  aach  im  Meiuchenleben  Katur- 
ffesetze  *  durchsetTsten.   Hiernach  mufite  das  Reich  der  menseh' 

Bellen  Freiheit  als  ein  engb^renztes  erscheinen.  Dies  wurde 
reclit  deutlich,  als  Qm  tclct  die  Moralstatistik  begründete. 

Für  Nationalökonoineii  ist  es  kaum  notwendig,  daran  zu 
erinnern ,  dala  in  demselben  .siebzclinten  mathematisch  -  natur- 
wisöcnäcliaftlichen  Jahrhundert,  welches  die  iVIecliauik  der  Triebe 
und  Vorstellungen  in  die  Psychologie  einilihrte,  sich  in  £ngland 
die  Betrachtung  dem  Geeetse  der  Sterblichkeit  auwandte,  dab 
in  der  Retorte  der  statistischen  Berechnung  der  abstxakte  Durch- 
schnittsmensch fabrisiert  wurde,  welcher  eine  so  hervorragende 
Ähnhchkeit  mit  den  andern  Durclischnittsmenschen  der  Wissen- 
schaft und  der  Kunst'  jener  YAx.  >)(sitzt,  in  'Icrsclben  Periode, 
wo  in  Deutschland  die  Begründer  der  modernen  deutschen 
Staats  Wissenschaft  den  andern  Zweig  der  Statistik  auszubilden 
bestrebt  waren. 

Die  neue  Disdplin  konnte  ebensowenig  wie  die  Politische 
Ökonomie  dem  Schicksal  entgehen»  im  18.  Jahrhundert  mit 
der  Idee  einer  göttlichen  (Jnlnung  durchsetst  zu  werden.  Den 
Spuren  de>  Theologen  Süfsmilch  folgte  im  10,  .lahrhundert  der 
Theolo^^e  Alexander  von  (,)ttin^^en  Fr  ffUirte  die  iMoralstatistik 
in  die  V'orsteilungswelt  des  positiven  Ciiribientums  ziiriiek 

Mit  diesen  Beraerkungeu  bind  wir  jedoch  der  Darstellung 
der  Entwicklung  der  Folittseben  Ökonomie  Torausgeolt;  wir 
kehren  zu  dieser  aurttck. 


Der  EinflafB  der  Naturpkilosophie  anf  den  Deisnins  und  die 

(iesenschaftswissensehaften. 

Auch   die  Naturreliirion   sollte  durch  naturvvi-^äeuöcluildiche 


Kewton,  dem  erfolgreichen  Vereiniger  der  Baconisdien  und 
DescartesscbeD  Methode^  die  allerdings  schon  firOber  kombiniert 
worden  waren  ^,  war  <  s  <;elungen,  in  der  Gravitation  ein  allge- 
meinstes  Prinzip  fiir  die  &klärung  aller  Bewegimgen  innerhalb 

unseres  Sonnensystcmes  aufzustellen.  Nun  erschien  die  Welt  wie 
eine  groiöe  Maschine,  die  auf  mech  .i  n  i  se  h  em  Wege  zweck - 
mäfsigc  Bewegimgen  vollführt.  Damit  trat  die  teleologische 
Betrachtung  der  \\  <dii,  welche  Descartes  und  Bacon  zuniichst 
hatten  aurlickdrüngen  müssen,  um  das  natur^esetzliche  Geschehen 
au  verstehen,  mit  umso  Btttrkerer  Gewalt  wieder  auf,  ala  gerade 


<i  Oristvollc  Bemerkunfü«!!  hierüber  bei  Taine,  L^micieii  r^me. 
Liv.  III.  chap.  2. 

*  Vgl.  I)ü  Ii  ring,  üeacbicbte  dur  allgemeineu  i'rinzipieu  der  Mechanik. 
1873.   Anfang  paasim. 


V. 


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X  2. 


143 


jener  Vollender  der  mechanischen  WeltJinschauung  ihr  am  eifrigsten 
nuldigte.  Maschinen  weisen  auf  einen  intelligenten  Urheber  hin. 
„^^  enn  alle  Vorgänge  in  der  Natur  nur  die  gesetzmil feigen  Aus- 
lösungen mechanischer  Kräfte  sind,  und  wenn  man  daneben  be- 
denkt, wie  vollkommen  und  zweckmäfsig,  wie  gut  und  schön, 
wie  weise  und  grofsartig  die  Wirkungen  dieser  gröfsten  aller 
Maschinen  sind,  so  mufs  es,  wie  Newton  meint,  wie  Wahnsinn 
erscheinen,  wenn  jemand  di^n  Ursprung  dieser  Welt  aus  einer 
höchsten  Intelligenz  verkennen  oder  ableugnen  wollte.  So  ergiebt 
die  mechanische  Auflassung  der  Natur  in  Verbindung  mit  der 
Hewuuderung  fur  die  Zweckmiifsigkeit  ihrer  Leistungen  einen 
neuen  und  eigentümlichen  Beweis  für  das  Dasein  (Jottos,  welcher 
nach  einem  schon  von  Samuel  Parker  angewandten  und  um  das 
Jahr  1700  immer  hilufiger  auftretenden  Ausdrucke  der  physiko- 
theologische  genannt  wird^'• 

Der  Deismus  hatte  ursprünglich,  wie  wir  sahen,  einen  rein 
vcrsüindesmilfsigcn  Charakter  getragen.  Denselben  bewahrte  er 
auch  bis  zur  Aufnahme  der  Anschauungen  Newtons.  Aber  nun 
^  wurde  die  Vernunftrt!ligion  eine  ( »eflihlsreligion ;  sie  tränkte  sich 
mit  der  Bewunderung  des  VN'eltalls.  .  .  Die  Deisten  konnten 
nun  .  .  .  die  Gemüter  ergreifen  durch  den  Nachweis  der  Schön- 
heit, der  Gute,  Weisheit,  Allmacht,  die  dies  Universum  g<«8chaften 
habe  ....  Es  war  wirklich  die  Roli;;ion  des  Z<  itidters  der 
AufklUrung,  an  die  Unfehl Imrkeit  der  Natur  zu  glauben  und 
von  <ler  vollendeten  Güte  ihrer  Schönfungen  von  vornherein 
durchdrungen  zu  sein.  Alles,  was  aus  der  liand  der  Natur  her- 
vorgehl, galt  dieser  Zeit  als  vollkommen  und  zweckmüfsig,  und 
früh  gewöhnte  sie  sieh  daran,  in  dem  Natürlichen  das  Ideal 
des  Vernünftigen  zu  erblicken.  Der  Naturalismus  dieser  Zeit 
war  identisch  mit  ihrem  Rationalismus,  und  eben  diese 
Identität  sprach  sich  in  dem  O  p  t  i  m  i  s  m  u  s  aus.  mit  welchem 
«ie  das  Universum  als  die  ManifesUition  der  göttliciien  Vernunft 
betrachtete  und  die  Ziige  derselben  in  jedem  kleinsten  Gebiltle 
des  Weltalls  wieflerzuerkennon  bestrebt  war.  Das  war  «las  ge- 
mein.same  Bette,  in  welchem  die  naturtrunkene  Gottesbegeisterung 
der  Renai.ssance  und  der  methodische  Ernst  der  abgekhirten 
Naturforschung  sieh  vereinigten  ....  Bruno  hatte  gesagt :  Die 
Welt  in  ihrer  harmonischen  Schönheit  und  in  dem  Einklang 
ihrer  Gegensätze  ist  ein  Kunstwerk  Gottes.  Auf  das  Jahrhundert 
der  Kunst  folgte  dasjenige  der  Technik,  und  Newton  .sprach : 
die  Welt  in  der  vollendeten  ZweckmUfsigkeit  ihrer  (iebilde  ist  eine 
vollkommene  Maschine  aus  der  Hand  des  göttlichen  Meisters'' 


'  W  indelband.  a.  a.  O.  p.  290.  Bovle  begründet  die  Telcologie 
ebenfalls  auf  den  Mecliaiiiemus;  er  vergleicht  das  Weltall  mit  der  künst- 
lu-hen  Uhr  im  MiinMer  zu  Straf^burg.  Ob  Bovle  diese  Lehre  vo»i  New- 
tou  entleluite,  oder  das  Umgekehrte  der  Kall  war.  wissen  wir  nicht. 
Lauge.  I,  p.  2o7.    Sie  findet  sich  schon  bei  Herbert.    Lechler  p.  40. 

*  Windelband,  a.  a.  O.  p.  292.    Lcchler  sagt  a.  a.  O.  p.  458: 


144 


X  2. 


Diese  Wehmediauung  hatte  swei  Wirkimgen.  Eretens 
mnlste  sie  die  Überzeugung  von  der  itmigeii  Harmonie  des  Sitt- 
lichen, Gerechten  imd  Nützlichen  erzeugen.  Denn  wenn  die 
Glückseligkeit,  die  materielle  Wohlfahrt  ein  Zweck  des  Schöpfer» 
und  die  Exi-stenz  des  Sittliilit  n .  nf  r«-<  |,trn  ;mf  ihn  zurück- 
zuführen ist,  80  kann  das  eine  dem  andern  nicht  widersprechen. 
Auf  diesen  l'iinkt  komme  ich  noch  zurück. 

Zweitens  mulste  sie  dazu  führen,  auch  auf  andern  Gebieten 
nach  physischen  Naturgesetsen  zu  forschen,  e.  B.  auf  dem 
Gebiete  der  Ethik,  des  Naturrechtes,  der  Gteschicbte.  Weshalb 
sollte  Gott  nur  dem  Unbelebte  n  feste  Ordnungen  gegeben  hab^^ 
mulste  nicht  vermutet  werden,  dal's  sie  sich  auch  im  Sittlichen^ 
im  Recht,  in  der  CJcselnchte  nadiweiscn  h'efscn? 

Dafü  das  bisherige  ethinche  (  icäctz  einen  andei'u  Chtu*akter 
gewinnen  mulste,  ist  einleuchtend.  Bisher  war  die  Vernunft  als 
die  Gesetzgeberin  der  ethischen  Welt  betracl)tet  worden.  Jetzt 
aber  hiefs  es,  in  der  menschlichen  Natur  oder  in  der  allgemeinen 
Naturordnung  vorhandene  Gesetze  nadizuw < Isen,  sodafi  die 
Vernunft  zu  einem  dienenden  Vermögen  herabgesetzt  wurde. 
Sie  blieb  nocli  immer  das  Ori^an  der  Erkenntnis;  aber  sie  war 
nicht  m<  hr  die  Quelle  der  l^rkenntnis. 

Die  Lösung  der  bezeicimeten  Aufgab«'  ist  vorzugsweise  das 
Werk  des  IB.  Jahrhunderts  Ihre  Üurchluiuuii^  iiat,  soviel  mir 
bdcannt  ist,  niraeMlwo  dne  genügende  Darstellung  gefunden. 
Selbst  in  dem  Werke  Taines'  wer&n  nicht  alle  G^ichtspunkte 
erödhct,  und  es  kommen  die  wirkenden  Faktoren  nicht  alle  zur 
Sprache;  er  sieht  zu  sehr  nur  die  naturwissenschaftliche  Seite. 
So  hat  Montesquieu  jedenfalls  den  Einfliifs  des  Naturreehtes  ebenso 
stark  verspürt  wie  denjenigen  der  Naturwissenschaften.  Dal's  es 
(nui:  Igedanken  der  epikureischen  Kulturgesciiichte  sind,  welche 
sicii  bei  Voltaire,  Turgot,  (Jondorcct  luiuier  wieder  durchsetzen,  wird 
nicht  erwähnt  B^ufig  ist  dnmal  die  Rede  von  dem  Gegen- 
satz des  Neuen  zum  unvarftlschten  Gartesianismus  Fontenelles.  Um 
so  stttrkeres  Licht  fiült  aber  gerade  deshalb  auf  die  Thatsache, 


^  Neuerdings  ist  in  dem  deutschen  wisst  uschaftlichen  Sprachgebrauch  der 
Üntcrechied  angennmtnpii ,  ilafs  clicjcnii^c  Ansiilit  von  <I<>in  N'tM-liiiltnis 
Gottes  isur  Welt  deistisch  genannt  wird,  wekhe  Gott  von  der  W  eit  nicht 
blofs  yerschieden.  sondern  auch  geschieden,  in  einem  SoTflerlichen  Ver- 
hültnia  zu  dei'selben  donkr.  di.  jcniu'*'  flar:f;xen  tli<  i>ti>rb,  wr-lcli«'  \on 
der  Welt  zwar  verschieden,  aber  nicht  geschieden,  in  einem  innerlichen, 
immanenten  Verhiiltnis  zu  derselben  denkt.  Dieser  Gegensatz  findet 
sieh  im  Zeitalter  des  Deismus  noch  nicht  so,  wie  man  sich 
gewöhnlich  d«'nkt;  cinmnl  -fand  diese  ganze  m<  tnjOiysischr  Frage 
über  das  Verhältni»  tfottet*  /u  dt  i  Welt  bei  den  deistisvhcu  Kontroveracu 
keineswegs  im  Vonlergnind:  sondern  ...  (es  kreuzen  si(  h)  beide  Qegen* 
sät/e  .  .  .  urd  es  tritt  wnhl  auch  d*'r  Fall  ein,  dafs  ein  Detst  das  imma* 
nente  Verhältnis  Gottes  zur  Welt  verteidigt." 

^  TainSf  L*anden  r<!>gimef  L.  Iii,  p.  221  ff>,  2.  Aufl. 


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145 


dais  dkse  ganze  wissenschaftliche  Sturm-  und  DraDgperiode  nach 
Naturgesetzen  auf  dem  Gebiete  der  QeiateewiBBenachaften 

forscht. 

80  sind  nocli  viele  Aufgaben  zu  lösen :  die  meinij^e  aber 
ist  eine  sehr  bescheidene,  ich  möchte  nachweiben,  wie  die  voü 
Boyle  nnd  Newton  begründete  teieologiseb-meGluuiistiscbe  Welt- 
betrachtung aof  die  Pbiloeophie  eines  Vorläufers  der  Voltaire 
und  anderer,  nänüich  Shaftesburys,  eingewirkt  hat 

Shaftesbury  trug  bekanntlich  nicht  wenig  dazu  bei,  den 
Deismus  auf  die  Bahn  des  Gei\ihls  und  einer  teleologischen  Be- 
trachtung der  We!t  zu  lenken  Von  gröfserer  Bedeutunjx  aber 
war  es,  dai'a  er  in  konsequenter  Anwendung  der  Newtonschen 
Lehre  die  Schftden  der  menschlichen  Gesellschaft  aus  der 
Vcrkeiuuug  der  gottgewollten  Ordnung  erklärte.  Um  aber  die 
natürliche  Harmonie  zu  erkennen,  stellt  er  sich  die  menschliche 
Seele  als  eine  Masdune  vor,  in  welcher  vom.  Schöpfer  das 
Bäderwerk  der  Triebe  und  Leidenschaften  auf  die  Auswirkung 
der  menschlichen  Gltickseligkeit  eingcriclitot  ist.  Diese  Maschine 
ist  nach  seiner  Meinung  durch  menscliliche  8chuld  in  Unordnung 
geraten.  Wenn  man  das  natürliche  Uhrwerk  genau  erkannt  hat, 
%vjrd  es  möglich  sein,  die  Gesetze  d*\s  menschlichen  Handelns,  der 
menöchlic-lien  Gesellschaft  aufzustellen.  Hiermit  wird  eine  rein 
Mychologische  Methode  der  Ethik  und  das  ISnlenken  in  die 
Bahnen  Bacons  begründet. 

Von  diesem  Punkte  gewinnt  man  erst,  wie  mir 
aeheint,  ein  vollstllndiges,  das  metaphysische 
Verständnis  der  Etfiik  Sha ftesburys.  Nun  erscheinen 
sein  psychologischer  und  etliischer  Optimismus  völlig  gerecht- 
ferliirt.  Nun  begreift  man  es,  weshalb  er  alle  Triebe  für  gott- 
cewoik  und  gut  annehmen  rnnfste,  weslialb  er  in  iimen  Andeutungen 
des  Schöpi'ers  darüber  erkannte,  was  er  mit  dem  Menschen  vor- 
habe, wird  nun  auch  kkr,  weshalb  Shaftesbury  nicht  die 
Gesdlschaft  aum  Princip  seiner  Ethik  macht,  wie  man  wohl 
anzunehmen  geneigt  sein  mOohte,  sondern  das  Individuum,  denn 
das  Individuum  ist  das  got^ewollte  Instrument  zur  Auswirkung 
der  göttlichen  Ordnung. 

^fulH  aber  die  menschliche  Seele  fi\r  einen  sich  selbst  regu- 
lierenden Mechanismus  gehalten  werden,  dann  drangen  sich  eine 
Menge  von  Fragen  auf,  die  sonst  nicht  entstehen  würden :  wes- 
halb das  Gute  in  so  wenigen  Menschen  anzutreffen  sei,  weshalb 
das  Sittücbe  so  viel  Kampf  koste  und  oft  so  unglücklich  mache, 
weshalb  die  BMehung  so  viel  zur  Entwicklung  des  Sittlichen 
bettragen  mUsse,  weshalb  Strafrecht  und  GcOingnis  notwendig 
seien,  vor  allem,  weslialb  die  Selbstsucht  die  iSIenschen  so  stark 
beherrsche.  Shaftesbury  hat  diese  Fragen  nicht  gelöst.  Der  seelische 
Mechanismus  war  wohl  eine  wertvolle  Analogie  für  ihn.  aber  er  ist 
nicht  zu  einer  Seelenmechanik  fortgeschritten.  Er  hat  aber  hier- 

Foraelraiigon  (43)  X  2.  —  Hwtai^  10 


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146 


durcli  ätiinen  Jüugern  eiaen  kräi'tigeQ  Antrieb  zur  psyohologischea 
Forschung  gegeben. 

Und  weiter.  Jene  Lehren  ermöghchten  es  erät  »Shaftes- 
bury,  die  organische;  optinuBtuche  Weltanschaaung  antiker  Philo- 
sophen der  idealifttischeo  Biditung  in  sein  Lehrgebäude  aufiett- 
nenmen.  Dies  widerspricht  nicht  der  Annahme,  dala  sich  Shaftes« 
bury  zeitlicli  zuerst  mit  dem  antiken  Optimismus  erfiülte  imd 
spiltcr  in  dem  modirnen  Optimismus  ein  wahlverwandtes  FU-nient 
und  eine  theorctisclie  Stütz«!  seiner  Weltanschauung  entdeckte. 
Jcileiilidlö  hat  der  moderne  Optimismus  seiner  Weltanschauung 
eine  mechanische  Struktur  verliehen. 

Nachdem  hiermit  diese  Seite  d«r  ShafteBburrschen  Pbiloflophie 
gekennzeichnet  worden  ist,  BoU  die  folgende  DarsteUung  zeigen» 
ob  die  vorhergehenden  Behauptungen  begründet  sind. 

In  einer  seiner  Schriften,  nämlich  in  ^TheMorali8ts,a  Rluipsody" 
lindet  .sich  fV-r  Einllids  angcdeutft,  welchen  die  T.ohrc  von  der 
Vollkommeulici'  und  lifirnionic  der  Welt  auf  seine  politischen 
Au.^cliauungen  iiatte.  Nach  einer  begeibtci-ten  Scliilderun^  der 
Ordnung  und  Schönheit  der  Welt,  die  ein  vollkommenes  vN'esen 
Eum  Urneber, haben  müsse,  entdeckt  er  nur  in  einem  Gebiete 
Unordnung,  Übel  und  Unglück  und  das  ist  die  menscUiche  Ge- 
sellschaft. A\'eshalb  fehlt  denn  hier  die  Ordnung,  die  überall 
anders  so  fest  begründet  ist?  Er  antwortet :  wegen  der  mensch- 
hchen  Splbst.sucht.  Einige-  Seiten  weiter  folgt  nun  eine  Stelle, 
die  wegen  ihrer  Hedeutung  ganz  treu  hierlier  gesetzt  worden  ist: 
„We  inquire  whai  la^ccording  io  Inivnsi,  PoUcy^  Faahion^  Voyu* ; 
but  it  seems  whoUy  stränge,  and  out  of  the  way,  to  inqufre 
wfaat  is  aceording  io  NATuRE.  The  BaUance  of  EUROPE,  of 
Trade,  of  Power,  is  atrictly  sought  after;  while  few  have  heard 
of  ihe  BaUance  of  titeir  FassioDS,  or  thought  of  holding  these 
Scales  even^" 

Uiihrt  also  das  Unglück  der  Menschen  von  der  Unordnung 
des  psychischen  Lebens  lier.  so  liegt  es  einem  Anhänger  der 
teleologisch  -  mechanisciien  Weltanschauung  nahe,  sich  auch  die 
Seele  mechanisch,  als  eine  Maschine  vorzustellen,  welche  von 
Gott  so  eingerichtet  worden  ist,  dals  alle  Käder  susammen,  jedes 
an  seinem  Platze,  zur  Erhaltung  der  menschlichen  Gesell- 
Schaft  zusammenwirken.  In  dem  Aufsatze:  „An  Essay  on  the 
Freedom  of  Wit  and  Huniour"  hcifat  es:  ..^*ou  liavr  heard  it 
(my  Frieiidl;  as  a  common  Saying,  that  Interest  governs 
the  AN'orld.  But,  I  believe,  whoever  looks  narrowly  into  the 
Affuirs  of  it,  will  änd,  that  Passion,  Humour,  Caprice, 
Zeal,  Faction,  and  a  thousand  other  Springs,  which  are 
counter  to  Self-Interest,  have  as  conaideraUe  a  part  in  the 
Movements  of  this  Machine  (sie).  Tbere  are  more  Wheeb  (sie) 
and  Oounter-Foises  in  this  Engine  (sie)  than  are  easilj 

>  n,  a.  0.  Ii,  p.  291  u.  2d4. 


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X  2. 


147 


imagin'd.  Tia  of  too  complex  a  kind,  to  fall  under  one  simple 
View,  or  be  exjilain'd  thus  briefly  in  a  word  or  two.  The 
Stiidiers  of  thiö  Mechanism  (sie)  inust  have  a  very  partial 
Eye,  to  overlook  all  other  Motions  besides  those  of  the  lowest 
«nd  narroweet  compass.  'TU  hard,  that  in  the  Plan  or  Descnption 
of  this  Clock-  work  (sie),  no  Wbed  or  Ballance  sho'ud  be  adow'd 
4>n  the  side  of  the  better  and  more  enlarg'd  Affections^" 

Im  Verlaufi'  dieser  Stollp.  weklie  an  die  Polemik  deutscher 
Nationalökonomcii  rior  historisch  -  ethischen  Richtung  gegen  die 
Dogmatik  des  Egoisjiiuis  erinnert,  bekämpft  nun  auch  Shaftf-^bury 
die  „modern  projectors,  who  wou'd  wilhnglv  rid  their  hands 
•ef  iheee  natural  Matenals;  and  won'd  fain  boild  after  a  more 
uniform  way**.  Es  ist  eine  Wendung,  die  wir  apftter  bei  Smith 
wiederfinden  werden.  Auch  er  zieht  gegen  die  Pläneschniieder 
und  ihre  kttnatiliche  politisobe  Mechanik  au  Felde  und  zieht  den 
Naturmechanismus  vor. 

Im  Zusammenhange  mit  den  zuerst  angefülirten  Ausführungen 
in  ^The  I\Iorali.«t8"  vernehmen  wir.  wmn  auch  durchaus  nicht  so 
deutlich  uus^eäproehtiu,  dieselbe  teleologiscii  -  mechanische  Ansicht 
^es  Seelenlebens. 

£r  sagt  dort:  „You  who  are  skül'd  in  other  Fabricks  and 
Oompositions,  both  of  Art  and  Nature,  have  you  considered  of 
the  Fabrick  of  the  Mind,  the  Constitution  of  the  Soul,  the 
Connexion  and  Frame  of  all  ita  Passions  and  AActions;  to  know 
accordingly  the  Order  und  Symmetry  of  the  Part,  and  how  it 
either  improves  or  suffers ;  what  its  Forc^is,  when  naturally 
preserv*d  in  its  sound  State;  and  what  becomes  of  it,  when 
eofnipted  and  abus'd*?^ 

VI. 

Bas  Xatui'/^estez  und  die  natürliche  Orüuuug  der 

Volkswirtschult. 

1. 

Q  ucs  nay. 

Wir  wissen  nun ,  worauf  sich  der  gläubige  Optimismus 
Shaftesburys  stützt.  Unser  Philosoph  ist  wahrscheirth'rh  der 
erste,  weicher  die  teleoiogisch-mechaniaüsche  Weltanschauung  in 


'  Part  III,  Sect.  I,  p.  llö.  Ich  benutze  diese  Gelegenheit,  «m  zu 
erklären,  üafs  ich  im  aUgemcineu  die  wörtUche  Anführung  eines  fremden 
SehriflstalJers  in  einer  wiMenschaftUchen  Darstellung  für  die  einzig  znläange 
halte.  Selbst  iSchopenhaucr,  welcher  doch  ^rewifs  grofse  StUcke  auf  eine 
kttnatleriacb  voUeodete  Darstellung  hielt,  hat  nach  diesem  Grundsatz  ge- 
handelt nnd  nur  für  griechische  T^xte  eine  Ausnahme  gemaebt  Er  über- 
setzte sie  ins  Lateinische. 

*  a.  a.  0.  U»  p.  m 

10' 


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148 


X  2. 


der  Lehre  von  der  menschhcheii  (  M-sellsehait  Ii»  imisch  zu  machen 
suchte.  Auch  in  ihr  ist  nach  sein«  r  Meinung  alles  auf  Ordnung 
und  ( "luekseUgkeit  vom  Schöpfer  angelegt,  aber  man  fragt  nicht 
nach  iliren  Gesetzen,  sondern  nach  der  Handels-  und  Machtbilans^ 
und  ähnhchen  thl^richten  Dingen. 

Man  wird  nun  geneij^  sein  cu  glauben,  dafs  dieser  Qedanke 
einen  Keim  in  den  Geist  Quesnays  gdegt  habe,  und  dab  auB  ihm 
die  physischen  Gesetze  der  Geseluchaft  herauegewachsen  seien. 
Aber  es  spricht  nllf^s  dageg:on. 

Shaltesbitfy  liat  das  Problem  als  Psycholog  und  Moralphilo- 
soph behandelt.  Die  Uesellßchatt  leidet  nach  ihm  an  mora- 
lischen Cbcb,  die  Selbstsucht  hat  die  göttliche  Maschine  der 
menschlidien  Natur  m  Verwirrung  gebracht  Ja,  es  ist  ba  ihm 
eine  Abneigung  gegen  diejenigen  nicht  su  yerkenncn,  welche 
das  politische  und  soziale  Heil  von  aufsen  durch  Gesetz  und 
Recht  an  die  Mensclien  bringen  wollen.  Dagegen  ist  die  Heraus- 
arbeitung: Her  naturwissenschaftlich- reclitliclion  Seite  der  chnrak- 
'teristische  Zuj^  des  Quesnayschen  Systems;  er  sucht  mit  Zähig- 
keit die  rechtliche  ÜrdiKing  aub  der  physischen  herzuleiten. 

Ks  ist  mehimals  behauptet  worden,  dal'«  Queünays  charak- 
teristische Hieorie  nur  im  äusammenhang  mit  seinen  medizini- 
schen Anschauungen  au  verstehen  sei.  Bekanntlich  liat  schon 
Adam  Smith  in  seiner  Kritik  des  physiokratischen  Systems  eine 
diesbezügliche  MÄnung  ausgesprochen.  Quesnay  scheine  geglaubt 
zu  haben,  d.ifs  der  politisclie  Kör])Pr  ebenso  wie  der  physische 
„would  thrive  and  }Ä^)sper  onl^  under  a  certain  precise  regimen, 
the  exact  regimen  oi  perfect  liberty  and  justice".  Derselbe  (te- 
daukc  lindet  sich  in  Albons  „i'^oge  historique  de  Mr.  Quesnay'^. 
„En  r^tehissant  aux  influences  des  affections  de  Fftme  sur  le 
Corps,  on  ne  tarde  gu^  k  se  ccmvamcre  que  les  hommes  ne 
sauraient  avoir  une  v^table  santd  s'ils  ne  sont  heureiix  ^  et  ne 
peuTeat  §tre  heureux  s'ils  ne  viv^t  sous  un  bon  gouvemement. 
(Juesnay  e«t  peut-eti*e  le  seul  niedecin  qui  ait  pense  a  cette  e^pece 
d'liygiene".  In  einer  Note  ist  liinzugeftigt  „Tart  de  gucrir  par  un 
bon  regime"  ^  Ein  anderer  SchiUer,  der  Marquis  de  M<'smon, 
behauptet  ebenfalls:  „la  mcdccine  devint  le  pont  de  commuaica- 
tion*^,  und  (tigt  hinzu,  Quesnay  habe  die  AnNcht  gehabt:  ^la 
nature  est  Thygitoe  uniTerselle  ...  Sa  marche  est  uniforme 
est  ses  lois  sont  genc^Tales:  c'est  k  la  sagadtä  du  medecin  de 
pr^voir  les  cas  particulieFB  et  de  menager  les  exceptions."  Es 
sei  die  That  Qiu'snays  p:cwesen ,  die  cwi«ren  Naturgesetze  der 
politischen  Knri)er  zu  linden^.  Von  jener  wolil  zuerst  von  Sy- 
dcnham  in  die  Wissenschaft  eingeführten  vis  medicatrix  behauptet 
Oncken,  sie  sei  die  „idee-mere"  seiner  medizinischen  Arbeiten". 


*  Gucke (Euvres  de  (Quesnay,  p.  63. 
^  R.  a.  0.  p.  85  ff. 
3  a.  a.  0.  8.  789. 


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149 


Auch  Neurath  liat  in  seinem  Vortrage  Uber  Quesnay  mit  ß^fster 
Klarheil  den  Gedanken  verfochten,  aafs  Quesnay  die  medizinische 
I^hre  von  der  Fleilkrafi  der  Katar  auf  die  Nationalökonomie 
tlbertnigen  habe. 

Um  diese  Ansichten  auf  ihren  wahren  Wert  zu  prüfen,  wäre 
-eß  nötig,  dii0  raedianische  Werk  Qaesmiys,  wdches  die  Grund- 
lage seiner  naturrechtlichen  und  politischen  Lehren  enthalten  soll, 
gelesen  zu  haben.  Aber  ich  kenne  es  nicht.  Alle  diejenigen 
aber,  welche  den  Konnex  zwischen  Medizin  und  Naturrecht  be- 
haupten, ;^eben  leider  keinen  Beweis  für  ihre  Holiauptun^^en. 
Onekens  Auszüge  und  Abdrtlcke  verschiedener  Stellen  geringen 
zum  Beweise  nicht.  Es  ist  aber  beachtenswert,  dals  Albrecht 
▼on  Haller,  welcher  gewifs  komjpetent  war,  in  seiner  bei  Oncken 
abgedruckten  Resendon  des  Quesnajschen  Werkes  von  Ab- 
schweifungen auf  das  Gebiet  des  Naturreehtes  spricht,  also 
eine  so  innige  Verbindung  keinesw^  entdeckt  liaben  kann. 
Was  aber  noch  wichtiger  ist,  Oncken  gesteht  selbst  zu:  „Nous 
ne  tronvons  pas,  il  est  vrai,  dans  rFxonomic  animale,  d'indica- 
tion  sp-'cifvh'  siir  le  d^veloppement  necessaire  dea  id^  du  c6t6 
de  rccouumie  politiquc 

Wenn  aber  zw«  Gelehrte,  ein  dentsdier  Physiolog  des 
18.  Jahrhunderts  und  eSn  deutscher  NationalOkonom  des  19.  Jahr- 
hunderts jenen  Ziisammenhang  nicht  deutlich  sehen^  dann  bleiben 
nur  noch  die  Behauptungen  ihrer  Schüler,  wekshe  in  ihren  Ab- 
liandlungr^n  eine  ebenso  grofse  Unwissenheit  wio  kindische  Ver- 
gitterung' ihres  Meisters  an  den  Tag  legei^un  l  darum  keinen 
uübedin»i;t(  a  Glauben  verdienen  Sollte  Quesnay  viele  derartige 
Anhänger  gehabt  haben,  dann  würde  die  Lächerlichkeit,  in 
welche  der  Physiokratismus  verfidlen  Ist,  yerstttndlicb.  Aber 
auch  Quesnay  mufs  die  QueUen,  aus  denen  er  schOpf^  vorsich- 
tig verschwiegen  haben  ^  sonst  wären  Veriiimmlungeiiy  wie  sie  in 
den  bezeichneten  Sciiriften  vorkommen,  unmöglich  gewesen.  Es 
bleibt  weiter  das  Zeugnis  Adam  Smiths,  welclier  sich  aber  sehr 
vorsichtig  ausdrückt  und  jene  Meinung  von  dem  Comte  Albon 
ubernoniuien  haben  kann,  da  dessen  „EUoge"  1775  erschien. 
Es  bleiben  schlicfslich  die  Ausführungen  Neuraths,  denen  alle 
Beweisstellen  fehlen. 

Da  also  die  eben  oben  besprochene  Meinung  keineswegs 
bewiesen  ist,  so  halte  ich  es  für  nicht  unangebracht,  auf  einen 
der  hervorragendsten  und  originellsten  Philosophen  der  neueren 
Zeit  hinzu^vpisf'n.  bei  rh  in  siVli  (  ine  <:::('rade7Ai  überraschende  Ähn- 
lichkeit mit  der  ürundUge  der  ^.^uebuayscheD  Theorie  zeigt  £s 


'  a.  H.  O.  p.  747  Anm. 

*  Haüer  es  mit  Recht,  änfs  Q.  nie  seinen  Gewührsmann  nennt. 
Quesnavf«  Theorie  vom  Fieber,  vom  Aderlafs,  von  der  Naturbeilkraft  sind 
Übrigeue  nicht  originell,  sie  finden  sich  bei  viel  bedeuteudercn  Ärzten, 
die  vor  seiner  Zeit  oder  gleichzeitig  mit  ihm  lebten ;  z.B.  bei  S^denbam, 
Boerhave,  Stahl,  wie  Wunderliche  Geschichte  der  Medizin  seigt 


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150 


X  2. 


ist  Cumberland,  dessen  berühmte  „Ditifjuisitio  de  legibus  naturae- 
pliilosophica'"  im  Jahre  1744  in  französischer  Si)rciehe  unter  dem 
Titel  ..Traite  pliiiosophique  des  Loix  Naturelles"  eräelii  n  Der 
Name  des  Übersetzers,  es  war  Barbeyrac,  hsltte  dem  W  erke 
eine  g:Unstige  Autiiahme  gesichert,  auch  wenn  Cumberland,  dessen 
Werk  nach  Barbeyrac  im  Jahre  1672  veröffentlicht  wurde,  nicht 
flchon  aber  ganz  Europa  bekannt  gewesen  wäre. 

Curabcmnd  kämpft  gegen  Hobbes.  Gegen  dessen  ethisehea 
Nominalismus  sucht  er  zu  beweisen,  daft  Sittlichkeit  und  Recht 
ein  festes  Fundament  in  der  Naturordnung  haben.  Rs  zeigt 
Bich,  dafs  bestimmte  Handlungen  günstige  Folgen  nach  sieh 
ziehen,  andere  ungünstige.  Eö  zeigt  sich  weiter,  dals  günstig© 
Folgen  an  solche  Handhingen  geknüpft  sind,  welche  das  allge- 
meine Beste  befördeni,  ungünstige  an  soklie,  die  es  schädigen. 
Da  nun  der  Mensch  einen  Teil  des  Systems  bildet ,  so  ist  sein- 
eigenes  Wohl  untrennbar  mit  demjenigen  des  Gänsen  verbunden; 
er  schädigt  sich  selbst,  wenn  er  die  Gesamtheit  schädigt  und 
fbrdert  sich  selbst,  wenn  er  der  Gesamtheit  nützt.  Gott  als  der 
Urheber  der  Naturordnung  niiifs  also  i\h  liöelistes  sittliches  Gf-- 
bot  die  Beförderung  des  Wohles  der  Gesamtheit  aufgestellt  haben. 
In  jenen  guten  und  üblen  Folgen  sieht  Cumberland  die  „Sanc- 
liün  ■  des  göttlichen  (Gesetzes.  Die  Glückseligkeit  und  Unglück- 
seligkeit,  welche  sie  umschlieisen,  machen  sich  dem  Individuum 
al«  egobtiscber  Antrieb  sum  sitdichen  Handehi  bemerklieb,  aber 
der  Mcaisch  ist  aucli.  wie  Cumberland  ausftliirlich  nachzuweisen 
unternimmt,  durcb^seine  Natur  für  ein  altruistisches  Verhalten 
bestimmt. 

Bei  einer  aufmerksamen  Ver^ieielmng  der  Lehren  Cumber- 
lands  und  Quesnays  wird  man  nicht  unjliin  können,  eine  grofse 
Älinlielikeit  in  dem  Gedankengange  anzuerkennen.  Hier  wie 
dort  das  ganze  Universum  der  Untergrund  der  Beirachtu2ig,  die 
menschliche  Ordnung  auf  die  Natur  der  Dinge  begrOndet.  Du- 
pont  inihmt  es  an  Quesnay,  dafs  dieser  euerst  nach  der  „sanctiott 
physique"  des  (ethischen)  Naturgesetzes  geforscht  habe,  diese 
nahe  ihn  zur  Erkenntnis  der  Gerechtigkeit  geführt'.  Mit  ähn- 
lichen Worten  meint  Cumberland.  dnfs  „les  deux  choses  absolu- 
ment  nc'eessaires  pour  donner  de  la  lorce  a  une  loi  ...  (sont) 
.  .  .  un  auteur  compctcnt  et  une  sanction  su£Bsante,  (j^ui  ren- 
fenne  des  pemes  et  des  räcompentee  convenablea"  *.  Aus  dem 
Nützlichen  leitet  Quesnay  das  Gerechte  her.  Was  als  ntttzUcb 
erkannt  ist,  mufs  als  Gebot  Gottes  gelt(  n.  Und  mit  fast  tthn- 
hcben  Worten  sagt  Cumberiand:  „£n  effet,  d^la  que  le  Con- 


1  S.  p.  (59  dieser  Sclirift. 

"  Barbeyracs  ÜIum  set/ung,  p.  14.  §  XIII  der  Einleitung  (Discours 
pr^liminaire  de  l'Autcuri.  Siehe  auch  im  §  IV  der  Einleitung,  wo  er 
ausführt,  dafs  zur  Erhebung  der  Maximen  zu  „Gesetzen"  eine  „Snnetinn'* 
nötig  sei,  die  in  Strafen  und  Belohnungen  bestehe.  Diese  seien  „isk. 
■onrce  et  le  fondement  de  tonte  leur  Autwitö*'. 


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X  2. 


151 


ducieur  SuprC'me  de  l  Universa  suffisammcnt  laii  conDaitrc  (^u'il 
▼eut  le  Bien  Public  et  indiqud  ce  qui  tend  ä  i'avancer,  11 
commande  aases  de  iure  de  telles  ActioDs^  £ndKch  hier  wie 
dort  die  Ansicht,  dais  Gott  die  Wohlfahrt  der  Menschen  wü], 
dafs  die  Interessen  der  einzeben  und  der  Gesamtheit  untrennbar 
mit  einander  verbunden  sind. 

Da  die  beiden  Philosoplien  in  so  vielen  wichtigen  Stücken 
übereinstimmen  und,  wie  f,'esagt,  das  Werk  Quesnay  selir  wohl 
bekannt  sein- konnte,  so  bin  icli  überzeug,  dalö  Qucänav  von 
Cumberknd  zwei  wichtige  Elemente  seines  Svstems  ttbemommen 
hat :  die  Identification  des  der  Gesamtheit  Nützlichen  und  des 
Gerechten  und  die  Unterschiebung  der  Natur  der  Dinge  mit 
ihren  Belohnungen  und  Strafen  unter  das  ethische  Naturgesetz. 
Den  Komplex  jener  „Sanctionen"  fafste  er  denn  mit  <l''in  neuen 
Bejirnffe  der  ..loi  physiaue"  zusammen.  Hierzu  lag  die  Anregung 
in  der  geistigen  AtmospnÄre  jener  Zeit,  weiciie  nach  jNaturgesetzen 
forschte. 

Die  fremden  Anregungen  hat  dann  aber  Quesnay  durchaus 

selbständig  benutzt,  wie  sehr  auch  die  Elemente  seiner  Wirt* 
Schaftstheorie  bereit  liegen  mochten.    Und  darum  wird  man  ihn 

fi\r  einen  kraftvollen  Denker  halten  müssen.  Denn  in  seiner 
Lelire  ist  alles  Fremde  völlig  von  seinem  eigenen  ( leiste  diu'cli- 
drungen  und  das  Verschiedenartige  zu  einem  einheitliehen  Ganzen 
verschmolzen.  Dabei  denke  ich  sowold  an  das  Lockesche  Natur- 
recht  wie  an  die  psychologisch-ethische  Basis,  welche  Shaftesbui^s 
Philosophie  der  jungen  Wissenschaft  gegehtn  hatten.  E»  ist  im 
tlbrigen  nicht  zu  verkennen,  dafs  die  »Stellung  Cumbcrlands  zu 
Locke  und  Shaftesbury  diesen  Procefs  erleichterte.  Cumberlands 
Theorie,  sagt  Jodl,  „nimmt  durchaus  eine  Doppelstelhmg  ein: 
yie  ist  zugleich  abschlieisend  und  neue  I>ahnen  eröfthend ,  was 
man  mit  gleichem  Rechte  von  keinem  der  iiljrigen  gegen  Hobhes 
gerichteten  Systeme  behaupten  kann'*.  Derselbe  Gelehrte  sieht 
in  Cumberlands  Doktrin  „in  unklarer  Vermischung  die  beiden 
Hanptrichtungen  vereinigt,  welche  später  in  sehairo  OegensKtzo 
gesondert  auseinandertretf  n "  :  den  etnischen  Nominalismus  und 
Ütih'tarismus  Lockcs  bis  auf  Paley  herab  und  den  ethischen 
Realismus  und  die  QefUhlsmoral  iShailesbuiys  und  der  schot- 
tischen Denker. 

^Die  Begründung  des  Pflichtbegriffs  auf  die  guten  und 
schlimmen  Folgen,  welche  nach  der  Einrichtung  der  Natur  das 
Thun  des  Menschen  begleiten,  indirekt  auf  den  Willen  Gottes .  . . 
das  sind  Ideen,  welche . . .  später  in  der  Ethik  der  Lockeschen 
Schule  zu  fester  Geltung  . .  .  gelangt  sind  .  . .  Dals  aber  anderer- 
seits die  guten  und  bösen  Folgen  unserer  Handlungen  nicht  allein 
die  Sittlichkeit  ausmachen,  sondern  diese  eine  reale  Grundlage 
in  der  auf  öociabilitat  und  thätiges  Wohlwollen  gegen  alle  seines- 


«  a.  «.  0.  p.  213.   Chap.  V,  §  III. 


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152 


gleicUeii  angelegten  Natur  des  Menschen  besitzt,  welche  denselben 
zun)  atÜichen  Handeln  treibt,  ganz  abgeseihai  davon,  was  dabei 
fUr  ihn  oder  andere  an  Glück  herauskommen  mag  -  dieser  Ge- 
dimke  Shaf^burys  ...  ist  ebenfalls  nic!it  im  höchsten  Mabe 
originAl,  sondern  bildet  einen  wesentlichen  Bestandteil  von  Cum- 
benands  Theorie'' 

2. 

Smith. 

W  ilhrcnd  an  diesem  Punkte  der  Weg  Quesnays  von  der 

Bahn  Shaftes^>nrvs  abführt  und  auch  Hume  mehr  zn  Oumbor- 
land  neigt.  bkÜK  n  Hutche^on  und  Adam  8uiith  um  so  treuere 
8chiilfr  f!es  Meimers.  Beide  zeigen  sieh  von  seinem  (Trund- 
gedanken  tief  dui-ehdrun^eu :  erstens  dals  Tugend  aucii  a  u  Ts  er  e 
Glückseligkeit  bewirkt,  dals  mitbin  das  SitUiche  und  Qmcbte 
mit  dem  Nutzlichen  in  einer  noch  näher  su  erürteniden  Beziehung 
stehen;  zweitens,  dals  alles  g(  scllschaftliche  Elend  die  Folge  einer 
Unordnung  der  menschlichen  Seele  ist,  die  also  eines  genauen 
iStudi'^pis  riller  ihrer  Teile  bedarf. 

icli  gelie  an  Huteheson  rasch  vorüber  und  bemerke  nur 
folgendes  Kr  hat  der  Ethik  eine  unif?mgreiehe,  wertvolle,  psyeho- 
lo^iüche  Basis  gegeben ,  aus  der  sowold  Hunie  wie  Smith  sehr 
▼iei  gelernt  haben.  In  seiner  psychologischen  Analyse  kommt 
auch  der  Krwerbstrieb,  wie  bei  Smith,  zu  seinem  vollen  Bechte. 
Huteheson  llffst  uns  einen  tiefen  Blick  in  die  göttliche  Maschine 
unserer  Natur  thun  und  zeigt  uns,  wie  alle  Triebe  dazu  bestimmt 
.sin<l,  falls  der  inoralischo  Sinn  als  kräftiger  Regulator  des  Rrtder- 
werkcsi  wirkt,  uns  und  auderen  innere  Glückseligkeit  nn  1  ä  u  fsere 
Glück sgüter  zu  verschaffen.  Am  Ende  seines  Sysitims  der 
Moralphilosophie  heifst  es:  „Since  it  is  by  following  the 
very  principles  of  our  nature,  the  amctions  and  fedings 
of  our  nearts,  in  that  regulär  Subordination  of  the  more  limited 
to  the  more  extensive,  which  our  inward  moral  sentt- 
ment'^  recommend.  nnd  by  the  dr'lightful  exercise  of  the 
powcrs  ot  reason  which  we  are  naturallv  prone  to.  ih:\t  wc  ob- 
tain  an<l  ^ecurc  to  oursei vcs  and  otliers  both  the  noblest  in- 
ternal cnjoyments,  and  the  gr ea lest  external  advan- 
tages  and  pleasures,  which  the  instable  Gondition  of  ter^ 
restrial  affairs  will  admit" 

Die  nümlichen  Gedanken  spricht  dann  der  Schüler  Hutche- 
sons  aus:  zuerst  in  dem  Bruchstück  eines  bald  nach  dem  Tode 
Hutcheeons  gesehrielHncn  Aufsatzes,  welchen  Dugald  Stewart 
aufbewahrt  hat-,  spater  in  der  „Theorie  der  moralischen  (jctUlile", 
zuletzt  in  der  „Untersuchung  über  den  Keichmm  der  Völker". 

»  :i.  a.  O.  p.  143. 
«  a.  a,  O.  p.  LXXXI. 


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X  2. 


153 


In  dem  Aufsätze  tritt  eine  Versclimelzimg  Sh.nftcsburvsciicr 
und  Lockoscher  Gedanken  deutlicli  zu  Tage.  Der  ßegnÜ'  der 
Natur,  deren  Wirken  die  politiäclien  Plänemacher  nicht  stören 
«ollteo,  erscheint  in  viel  dürrerer  W'eiee  aU  bei  Shaftesbury.  Zur 
Eneichung:  des  höchsten  Grades  materieller  Kultur  sei  xiiditB 
weiter  nötig,  als  FViede,  leichte  Steuern  und  eine  erträgliche 
Rechtspfl^e,  worauf  sich  die  Stnatsmnnner  also  wohl  beschrltnken 
sollen  (Locke).  Alles  Übrige  wird  durch  den  natllriichen  Lauf 
der  Dinare  hervorgebracht. 

In  der  „Theorie  der  moralischen  Gefühle""  giebt  er  uns  einen 
tieferen  AufschlufH.  Tugend  und  ( i  lüekseligkeit  sind  innig  mit- 
einander verbunden,  das  Sittliche  und  d^is  Nützliche  sind  keine 
dkgensfitae,  aber  die  Beaiehung,  welche  Hume  zwischen  ihnen 
hergestellt  hat,  ist  nicht  die  richtige.  Das  Sittliche  und  Nütz- 
liche sind  ihrem  Wesen  nach  grundverschieden,  Gott  hat  aber 
unsere  Natur  und  die  Welt  so  eingerichtet,  dafs  das  Sittliche  und 
Gerechte  auch  die  Quelle  innerer  und  äufserer  HiUckseligkeit 
wird.  Kein  Akt  der  Vernunft,  keine  tiefe  Weisheit  ist  nötig, 
um  dieöe  Wirkungen  hervorzubringen.  Wir  brauchen  nur  unsem  ' 
Trieben  zu  folgen  in  dem  Grade,  in  welchem  sie  yon  dem  inneren 
Kichter  gebilligt  werden,  um  uns  sdbst  und  anderen  inneres  und 
fluiseres  Wohlergehen  zu  bereite.  Zum  Verstand nia  des  gött- 
lichen Werkes  mtissen  wir  das  menschliche  Triebleben  zerglie- 
dern. Wir  sel^rn  dann,  dalis  ein  mächtiger  Drang  in  unserer 
Bn^t  lebt,  weleiier  uns  nach  Ehre  und  Reichtum  streben  l.tfst. 
In  den  Schranken  der  Gerechtigkeit  ist  er  das  von  (4ott  der 
JMenschennatur  eingesetzte  Triebrad,  welches  alle  Kralle  des  Ein- 
sdnen  in  Bew^ung  setrt.  Der  Menscäi  sehafil  und  spart,  um  fUr  sich 
selbst  Reichtum  zu  erwerben,  aber  ohne  sein  Wissen  und  Wollen 
l>erördert  er  indirekt  den  materiellen  Zustand  der  ganzen  Gesell- 
schaft.   Er  ist  ein  Werkzeug'  th  der  Hand  Gottes. 

Soll  ich  die  Meinung  Suiitlis  verdcuth'ehen ,  so  erinnere  ich 
an  die  Absicht  der  Natur,  an  die  List  der  Vernunft,  welche  in 
der  deutschen  (4eachichtsphilo80{»hie  seit  Kant,  am  grofsartigsten 
bei  Hegel,  eine  so  hervorragende  Rolle  spielt ;  ich  erinnere  an  die 
Tücke  des  Genius  der  Gattung,  welchen  Schopenhauer  in  pessi- 
mistischer Beleuchtung  in  seiner  Metaphysik  der  Geachlechtsliebe 
auftreten  lälst. 

Die  Auffassung  Smiths  vertrug  sich  sehr  wohl  nn*t  der  Lehre 
]VTMnd*'V!llf'-j,  dafs  der  einzelne  fttr  sich  zu  arbeiten  vermeint  und 
docii  I  n  Inür^sen  des  Ganzen  dient. 

Verfolgen  wir  die  Smithsche  Lehre  weiter,  so  gelangen  wir 
zu  der  Konsequenz,  dafs  die  Interessen  des  Einzelnen  einander 
durchaus  nicht  entgegengesetzt  sind,  wenn  sie  sich  in  den  von 
('Ott  gezeichneten  Grenzlinien  bewegen,  aber  sie  werden  einander 
feindlich,  wenn  die  Grundsätze  der  natürlichen  Gerechtigkeit 
nicht  beobachtet  werden ;  die  8<'lbst.sucht  zerstört  die  natürliche 
Harmonie,  hatte  bhaftesbury  gelehrt  Ähnlich  dachten  die  Fhysio- 


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154 


kraten.  Wo  die  natürliclio  Ordnung  finp'oführt  ist,  ssigi  Mercier: 
„cliaque  homme  se  troiive  «'-tre  rinstrunient  du  boriheur  des  autres 
hommes;  et  le  bonheiu'  d dn  soul  st  nible  se  couiimmiquer  coinine 
le  mouvement . ,  .  Personne  ne  pourra  jouir,  ne  pourra  s'enrichir 
aux  d^pen»  des  antras;  alon  plus  de  ces  fortones  ddmesuräe» 
dans  lea^aeUes  on  yoit  uiifi  multitnde  d'autree  fortunes  vetiit 
s'eiigbatir . .  .  chacnn  ainn,  dans  la  somme  totale  du  bonlieur 
commun,  prendra  la  somme  particuli^  qui  doit  lui  appartenir*'  ^. 

Welche  politische  Ford enmgen  ergeoen  sich  rlrimns?  l»rinat 
der  v<n\  den  Geboten  der  (»crechtig^kpit  belierrsclite  Krwerbstrieb 
allcä  hervor,  wa^j  zur  Befriedigung  der  materiellen  Hedürl'nii^e 
nötig  ist,  so  erscheint  es  als  eine  naheliegende  Konsequenz,  die 
Wirksamkeit  des  Staates  in  engste  Beziehung  zum  Erwerbstriebe 
zu  setzen.  Wvren  alle  Menschen  sitdicfa,  so  würe  der  Staat  Uber- 
flttssig,  da  aber  der  Erwerbstrieb  I  i  ht  in  Egoismus  umscldüLt-, 
SO  mofs  der  Staat  existieren  und  die  Gebote  der  Gerei  htigkett 
verwirklichen.  Aber  er  hat  niehts  weiter  zu  thun,  als  den  Kenn- 
platz für  den  wirtseliaitliehen  K  joismus  abzustecken ,  die  (ie- 
setze  zu  geben,  welche  den  Mitbewerb  regehi  und  diejeniL'en  zii 
.Straten,  welche  sich  nicht  enthalten  können,  den  Koiikurremeu 
ein  Bein  zu  stellen.  Dazu  kommt  die  Kriegführung,  gleichsam 
die  ZurUckdrfingung  der  Aufscnstehenden,  weiche  das  wirtschaft- 
liche Spiel  auf  dem  Rennplatz  stören  möehten.  Es  Ist  natürlich 
eine  Verletzung  der  natürlichen  Gerechtigkeit,  wenn  der  Staat 
sich  tlberniiilsi;:^  flir  spine  Thäligkeit  bezalden  I;i!st.  .Sj  verlangt 
denn  der  ju^aMidlieh*-  Smith  nichts  weiter  vom  Staate  als  „peace 
and  a  Hilerable  adniuiiBlration  of  justice",  wofür  denn  auch  nur 
„ea*^  taxes""  erhoben  werden  sollen.  Die  alleingelaiisene  Natur 
wird  dann  den  höchsten  Wohlstand  schon  hervorzaubern. 

So  war  der  Lockesche  Rechtsstaat  in  den  Smltfaschen  Wirt- 
schaftsstaat umgewandelt. 

Unser  Altmeister  hat  sich  bekanntlich  am  Ende  des  vierten 
Buclips  seines  grofsen  Werkes  noch  einmal  liber  die  Ziele  der 
Staatstlifttigkeit  ausgesprochen.  V.r  nennt  dort  neben  der  Ver- 
teidigung nach  aulsen  und  der  Autrechthaltung  der  Gereclitigkeit 
im  Innern  noch  die  Errichtung  und  Erhaltung  öffentlicher  Werke, 
die  dem  Privatinteresse  nicht  gewinnreich  ^enug  erscheinen.  Ob 
das  nicht  eine  Verstlndiguog  am  Geist  seiner  Philosophie  war^ 
wird  gleich  erörtert  werden;  sicher  ist  es,  das  die  Physiokratie 
diese  Art  Staatsthätigkeit  besonders  hervorhob. 


1  Daire,  If,  p.  G27. 
Eß  ist  nun  möglich,  einen  leicht  entstehenden  Zweifel  zu  beeeiti- 
geu,  ob  die  Überaeugung  Smiths  von  der  Selbstsucht  der  meDachlichen 
Nator  nicht  der  Lehre  jShiiftesbiiiT»  von  der  Gute  der  menschlichen  Natur 

wiilfTsprerlie.  Wir  müssen  Zweiciloi  untcrsclicidcn:  die  Natur  des  indivi- 
dnellt'D  Menschen  und  die  Menschennatur.  Smith  meint  mit  Sh.,  dafs  die  letz- 
tere gut  sei,  weil  Gott  sie  so  geschahen  habe;  mit  andern  Worten :  die  Triebe 
sind  nicht  an  and  für  rieh  echlecht,  etwa  deshalb^  weil  die  ErbeOnde  rie 


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X  2. 


155 


Wenn  die  hier  vorgetragene  Ansieht  riehtig  ist,  so  kann 
Adam  Smith  die  Einmischung  des  Staates  in  das  wirtschaftliche 
Leben  niclit  deshalb  zurückgewiesen  haben,  weil  er  die  Einsicht 
der  Staatsleiter  für  beschrilnkt  gehalten  habe,  sondern  deshalb, 
weil  sie  überflüssig  und  unnatürlich  sei.  Jene  ist,  nach  seiner 
]\IeinuDg,  ein  Eingriff  in  die  göttliche  Ordnung. 

Auf  diesen  metaphysischen,  psychologischen,  ethisch- recht- 
lichen Anschauungen  ruht  der  „Reichtum  der  Völker".  NN'elchc 
besonderen  Aufgaben  waren  dem  Verfasser  dort  gestellt? 
Erstens  der  Nachweis,  dafs  eine  Pohtik,  welche  sich  nicht  mich 
den  von  ihm  aufgestellten  Normen  richte,  dem  Gemeinwesen 
schädlich  sei.  Als  die  Lehre  vom  Nützlichen  haben  ja  die 
Politiker  ihre  Wissenschaft  stets  betrachtet.  Dieser  Nachweis 
war  aber  nur  aus  der  Erfahrung  und  der  Geschichte  zu  erbringen. 
Zweitens  die  Darlegung  der  natürlichen,  gottgewollten  Ordnung 
in  der  Volkswirtschaft,  welche  früher  erörtert  wurde. 

Nun  läl'st  sich  auch  der  enge  Zusammenhang^  zwischen  den 
einzelnen  Teilen  des  Systems  der  Moralphilosophie,  welches 
Adam  Smith  in  Glasgow  vortru^r,  deutlich  verfolgen. 

Die  natürliche  Theologie  enthielt  die  Principien  der  folgen- 
den Vorlesungen;  hier  sprach  er  von  dem  grolsen  (»eiste,  welcher 
die  Welt  und  die  menschliche  Seele  so  kunstvoll  eingerichtet  hat, 
dafs  sie  die  Kenntnis  Gottes  und  seiner  Gebote,  der  Normen  des 
Sittlichen,  aus  sich  entwickeln  kann.  Die  zweite  handelte  vom 
Sittlichen  und  umschlol's  die  Lehre  vom  Gerechten,  dessen  ge- 
naue Regeln  die  dritte  Vorlesung,  das  Naturrecht  Smiths,  auf- 
stellte. Die  vierte,  der  Lehre  vom  Staatsnützlichen  gewidmete 
\'orlesung  war  mit  den  Principien  aller  vorhergehenden  Teile 
verknü]»ft;  die  Quellen  ihrer  besondern  Lehren  heii'sen  Erfahrung 
und  Geschichte. 


in  eine  den  göttlichen  Geboten  ent^epenpesetztc  Richtung  verkehrt  hat. 
Aber  er  meint  nicht,  dafs  in  ifdem  inaividiirllfn  Menschen  die  Triclie  so 
harmonisch  geordnet  seien,  dafs  me  von  selbst  das  Gute  auswirkten  In 
der  Menschennatur  nimmt  er  ein  höheres  Mafs  von  Selbstsucht  als  Sh.  an, 
welches  durch  die  wirtschaftliche  Lage  der  Individuen  noch  vcrgriifsert 
wird;  aber  aucli  Siiaftesbiirv  Imttf  die  „selfisliness"  angekla^^t.  Smitli  lehrt, 
dafs  durch  das  Zusammenleben  der  Menschen  in  Jetlem  eni  die  Triebe  in 
stärkerem  oder  geringerem  (iratle  regulierendes  Organ  entwickelt  wird. 
Aafsenleu  steht  jedes  Individuum,  so  ist  die  Organisation  der  menschlichen 
Seele,  unter  der  fortwährenden  Kontrolle  seiner  Mitmenschen,  wek'he 
seine  Handlungen  billigen  oder  mifsbilligen.  Pas  Sittliche  ist  ein 
gesellschaftliche.«»  Produkt.  Der  Mechanismus  des  Seelenlebens 
wirkt  nun  auch  die  Fordeiun«'  der  Gerechtigkeit  aus,  die  jedoch  weder 
durch  das  Gewi.neen  des  Einzelnen,  noch  diu  öH'entliche  Meinung  genügend 
dureh^'cfllhrt  werden  kann.  Vielleicht  hat  Smith  in  »einein  Naturreehte 
di«'  Notwen<ligkeit  des  Staates  |)sychologisch  aus  dieser  Unmöglichkeit 
erklärt,  wie  Aristoteles  am  Hude  der  nikonmchischen  Ethik.  Mit  dem 
8t.iate  entsteht  das  po-^itive  Gesetz  und  die  Kecht8pHe;j,e.  Also  steht  der 
Menach  in  der  Gesellst  haft  nnt»^r  drei  Gesetzen:  dem  Gesetze  in  der  eigenen 
Brust,  dem  (iesetze  der  (»tirntliclifn  .Meinung  und  dem  positiven  Gesetze, 
die  alle  aua  dem  Mechanismus  ilca  Seelenlebens  hervorgehen. 


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156 


3. 

Vergleichung  Quesnajs  und  Smiths. 

So  war  also  die  von  Cumbcrland  und  Shafteabuiy  einge- 
leitete Bewegung  nach  swei  Sdten  hin  yerlanfen  nnd  hatte  ihrai 
AbfichloTfl  in  den  Schriften  der  Physiokraten  und  Adam  Smiths 
gefunden.  Jene  stellen  den  ß^riff  einer  natürlichen  physi- 
sehen  Ordnung  auf  und  bringen  ihn  einerseits  in  Verbindung 
mit  der  Ordnung  des  Weltalls,  andererseits  mit  der  natürlichen 
socialen  Ordnung,  diese  aber  fassen  sie  zu  aurscrlich  als  eine 
rechtliche  Ordnung  auf.  Dagegen  dringen  die  Sciioiteii  als 
treue  Schüler  Siiaft^burys  in  die  natürliche,  göttliche  Ordnung 
des  menschlichen  Seelenlehens  ein,  sie  fbracben  nach  der 
sittlichen  Ordnung,  welche  den  Zustand  htfchsten,  materiellen 
Wohlbefindens  verbürgt.  Ihre  Richtung  ist  eine  psychologisch- 
ethische, die  der  rhysiokraten  eine  naturwissenschaft- 
lich-rechtliche. 

Nun  thut  sich  auf  einmal  der  Blick  in  eine  lundanientale  Ver- 
schied cnlifit  der  Systeme  Adam  Smiths  und  Qiu38nay8  auf.  Jedem 
Leser  des  „VV'ealth  ot  ISations"*  wird  die  Polemik  des  Schotten 

Segen  die  physiokratische  M dnung  erinnerlich  sein,  dais  das  Wohl 
er  Staaten  vornehmfich  von  guten  Gesetzen  abhftnge.  Das  Wichtigste 
sei  die  Thätigkdt  des  Individuums,  dessen  robuste  Kräh  die  Rezepte 
des  thörichtesten  Arztes  verwinde.  Hier  wird  die  Verachtung 
wieder  leben  Hg,  wclehe  Shaftoshurv  einst  gegen  die  Lehre  von  der 
Handelsbilanz,  von  der  Maehlhilanz  und  vom  europäischen  (ileich- 
gewicht  an  den  Tng  gelegt  liaitt-  und  weiche  die  Phy;>iükraten 
gewifs  volbtändig  geteilt  haben  würden.  Aber  Sliartettbrnys 
Worte  hatten  einen  tieferen  Sinn,  als  den,  welchen  sie  darin 
hätten  finden  können.  Es  ist  ttoerhaupt  nicht  das  ttufsere 
RechtsgesetB»  welches  wirklich  helfen  kann,  sondern  das 
innere  SittengesetB,  von  dem  nur  ein  Teil  durch  das  Staats- 
gesetz  erzwungen  wird  Auf  diesem  Wege  ist  Shaftesbury  unser 
Altmeister  gefolgt,  und  aus  diesem  Grunde  Hmlen  wir  in  seiner 
Jugend.sclirift  den  e  t  h  i  s  c h  •  po  1  i  t  is c he n  Ra  d  i  k  a  1  i  s  ni  u  s  nm 
ausgepriigtesten.  Vom  Staate  verlangt  er  nichts  als  Schutz  nach 
aulsen  und  innen,  so  wenig  als  möglich;  dafilr  denn  auch  nur 
mäi'sige  Steuern.  Dies  sind  ja  die  Versicherungsprämien  des 
Lockeschen  Rechtsstaates,  vom  Standpunkte  der  Volkswirtschaft 
unwiderbringliche  Verluste,  notwendige  Opfer,  um  Eigentum  und 
Freiheit  zu  schützen;  wer  die  Versicherung  Ix i  gleichbleibender 
Leistung  am  billigsten  besorgt,  ist  der  beste  Staat. 

Ganz  anders  die  Physiokraten.  Wagner  und  SchHfflt  kennten 
nicht  schärier  den  volkswirtschaftlich  produktiven  (Jiiarakter 
der  Steuer  betonen,  als  es  von  ßaudeau  geschehen  ist.  &  kämpft 
nicht  ohne  Heftigkeit  gegen  diejenigen ,  welche  die  Steuer  nlr 
ein  Opfer  erklären,  das  man  bringen  mtlsse,  um  den  Rest  seines 
Eigentums  zu  sichern.   Diesen  (äarakter  hätte  die  Steuer  nur 


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X  2. 


157 


in  schlocht  verwalteten  St.mtpn ,  in  guten  sei  Bie  nichta  als 
der  Anteil  am  jährlichen  Reineiti'ag,  welchen  der  Staat  für  seine 
Dienste  (travaux  d  Instruction,  de  prottctiun,  d'administration) 
gerechterweise  verdient  habe.  Baudeau  tntt  deshalb  auch  kon- 
sequent wie  QuesDay  fUkt  starke  StaatBau^gaben  maK  Denn  je 
mebr  ein  guter  Staat  arbeitet,  um  so  grOlaer  ist  das  Volksein- 
kommen. 

Wie  ist  das  zu  erklären,  da  es  doch  als  sicher  angenommen 
würfle,  fini'^  Physiokrati'smiis  nT\(\  Smithianismns  dasselbe  seien? 
Knilat  h  (lebhaib,  weil  die  Pliysiokratcn  nicht,  wie  man  wohl  ge- 
meiDt  hat,  eine  süirke  Staatsgewalt  wünschten,  die  mit  einem 
Federzuge  die  wirt^chafthche  Freiheit  eintiihre  und  dann  abdanke, 
sondern  dauernd  eine  starke  Staatsgewalt,  eine  umfassende, 
tief  eingreifende  Verwaltung  ersehnten.  Sie  sind  Fran- 
zosen wie  die  ttbrigen  Franzosen  des  Jahrhunderts  und  erwarten 
alles  von  Gesetz  und  Recht.  Die  Verwaltungsmaiichinerie,  welche 
der  Absolutismus  in  Fr.inkreich  seit  d  m  17.  Jahrhundert  ein- 

fetülii-t  hat,  wünschen  sie  nicht  beseitigt,  sondern  weiter  ansge- 
ildet,  verbessert,  fUr  ihre  Zwecke  funktionierend.  Ihr  Staiit  soll 
zwar  die  wirtschattUche  Freiheit  einfuhren,  aber  damit  ist  seine 
Thätil^keit  nicht  beendet  E>  hat  Beamte  ansustdlen,  wdche 
unterrichten y  schützen  und  verwalten,  er  mulk  fttr  die  Unterhal- 
tung des  grofsen  öffentlichen  Eigentums  sorgen,  welches  das 
Kgentum  der  Privatpersonen  erst  zur  Geltung  bringt :  die  Wege, 
die  Kanäle,  die  sehifi'baren  Flüsse,  die  l  -rriclcen  und  Häfen  u.  s.  w. 

Alles  dies  war  A<lam  Smith  in  seinem  Jup:endaiifsatze  ent- 
gangen; er  hatte  damals  wahrscheinlich  von  Volkswirtschaft  und 
von  Staatsverwaltung  nur  die  dürftigen  Begriffe,  welche  man  von 
einem  jungen  Philosophen  erwarten  kann,  der  aus  einem  luftigen 
philosophischen  Systeme  die  Fäden  einer  luftigen  politischen 
Theorie  herausspinnt.  Er  hätte  am  liebsten  den  Staat  aus  der 
Gesell.sehal\  herauBfredrängt  und  niehts  übrig  erehissen  als  die 
w'irtjsfliaftenden  In  dividuen.  DatUr  war  aber  seine  unreif»'  '^rheorie 
konsequent,  sw  sehlols  sich  aufs  engste  seiner  Ansieht  vom 
menschlichen  Eigennutz  au,  während  man  dies  von  seinem  grofsen 
national-ökonomischen  Werke  nicht  sagen  kann,  in  dem  er  das- 
jenige, was  er  von  den  Phjsiokraten  gelernt  hat,  gana  äuiser- 
lieh  anflickt  und  nun  als  die  dritte  Staatsaufgabe  bezeichnet 
„the  duty  of  erecting  and  maintaining  cerUiin  public  works  and 
public  institutions  which  it  can  never  be  for  the  int^re-t  of  any 
individual  or  smali  number  of  individuals  to  erect  and  niainüiin'". 
Aber  we^jhalb  sollte  es  nicht  ebensowohl  im  Interesse  der  Indi- 
viduen sein,  Wege  und  Kanäle  für  andere  zu  b^men  und  hieraus 
eineti  Qewinn  su  aiehen,  als  für  andere  baumwollene  Strümpfe 
oder  schwarze  Seife  zu  fabrizieren V  Hat  denn  Gott  die  Welt 
so  wunderlich  eingerichtet,  dals  das  SeLbstinteresse  wohl  für  die 

>  Oaire,  Phymocmtfl»,  11,  p.  76a  und  683. 


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158 


Herstellung  von  baumwollenen  Strümpfen  und  schwarzer  Seife 
richtig  funktioniert,  nicht  aber  tUr  diejenige  von  Wegen  und 
Eannlen? 

Der  Begriff  der  natürlichen  Ordnung  hat  also  bei  Qucsnay 
-  und  »Smith  nicht  denaelben  Inhalt;  auch  spricht  Letsterer  nicht 
TOD  Naturgesetzen  der  Volkswirtschaft. 

So  verschieden  aber  auch  die  Lehren  Quesnays  und  Adam 
Smitlis  gewesen  sein  mögen,  so  gewifs  <]ieser  das  echt  englische 
starke  Vertrauen  zu  den  Menschen,  jener  das  echt  franzö>«isclic 
stärkere  zu  Staat  und  Gesetz  hat:  gemeinsam  ist  beiden  die 
^'t'r(•}lrung  (h  r  Natur,  welche  die  Keime  alles  (  Juten  auch  für 
'  das  Erwci  büleben  in  sich  birgt,  gemeinsam  ist  ihnen  die  Uber- 
seusung,  dals  die  Gesdlschaft  von  allen  Übel  befreit  werden 
wird,  wenn  die  Menschen  die  von  der  Selbstsucht  und  Willkfir 
diktierten  Staatsgesetze  ftndorii  oder  ihre  Selbstsucht  auf  eine 
tugendhafte  Selbstliebe  herabstimmen  und  das  Naturgesetz  oder 
die  natfirliche  Ordnung  zur  TT<  rrsclmft  bringen,  bfidon  geineinsam 
ist  die  religiöse  Oemütsstinniiun';.  die  in  d<  n  natürliclien  Ke<  hts- 
und  Sitrengesf^tzon  die  Gebote  eine^i  höchst  weissen,  wohlwolleiulen, 
auch  das  materielle  Gedeihen  seiner  Geschöpfe  wünschenden 
Wesens  sieht 

4. 

Die  wirtschaftliche  Harmonie  der  J^änder. 

Nachdem  so  dat»  \\  irt.seliaftsleben  in  die  rr'ligiöse  ."^nliiire 
eines  Optimismus  hinaufgetragen  wrirden  war,  welclier  liberall 
die  Spuren  einer  gottgewollten  Harmonie  erblickt,  die  der  Mensch 
nur  8u  Heerstralsen  au  erbreiten  brauche^  um  auf  ihnen  dem 
Ziele  materieller  Wohl&hrt  entgegenzuschreiten,  mufste  auch 
die  Lehre  von  der  wirtBchaftlicheo  Harmonie  der  verschiedenen 
Länder  willkommen  sein  und  rasche  Auftiahme  finden,  denn 
sie  erschien  als  eine  neue  Entdeckun«::  im  RcicIk'  der  göttlichen 
Güte  und  Ordnung  und  eine  wertvolle  Stütze  der  Forderung  der 
Handelsfreiheit. 

Die  Lehre  war  nicht  neu.  Gustav  Cohn  hat  in  seinem 
Aufeatze  über  Colbert  nachgewiesen,  welche  Verbreitung  sie  schon 
im  siebzehnten  Jahrhundert  gefunden  hatte.  Ich  vermutete, 
dafs  auch  sie  dem  Natunvchte  ent^itamnie,  und  zwtu*  dem  Natur- 
rechte  des  Hugo  Grotius,  welcher  als  Niederländer  dem  Zwischen- 
handel seines  Volkes  tln  on  tiseli  ^^)r8chub  zu  1«  isten  suchte.  In 
diesem  Werke  findet  sie  sieli  aucli  thats-ichlich,  aber  nieiit  von 
ihm  selbst  au^gesproeln  n.  .sondom  als  die  Meinung  klaä.">iöcljer 
Schriilsteller  erwäinit.  Hugo  Grutius  tritt  dort  für  die  Freiheit 
des  Handels  ein.  Die  gewaltige  Verbreitung  dieses  1624  er- 
schienenen Buches  Uber  ganz  Europa  erklArt  es,  dals  sie  in  der 
2.  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  6clion  au  voiischiedenein  SteUen 
wie  etwas  Selbstverstftndlicbee  auftauchen  konnte. 


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X  2. 


150 


Grotius  tiilirt  von  l'hilo  den  Satz  an:  ,.l)a8  ganze  Meer 
wird  von  deu  liandeUjRluffen  ohne  (  Jctahrde  durclifahren,  zum 
Behuf  des  Handels,  der  um  der  GemeinsitUaft  willen  unter  den 
Völkern  stattfindet,  indem  der  Überflurs  des  einen  dem 
Mangel  des  «ndern  su  Hilfe  kommt.*^  Fast  mit  den 
Worten  der  Nationaldkonomen  des  17.  und  18.  Jahrhunderts 
spricht  Libanitts:  «^ott  hat  nicht  allen  Landern  alles 
ziigt-tuilt,  sondern  liat  seine  Goschenke  nach  den 
Ländern  verteilt,  damit  die  Mensehen  einander  be- 
darf t  e  u  und  gesellig  würden.  1  )eshalb  hat  er  den  Handel 
erweckt,  damit  wir  alle  das  genielseu  können,  was  irgendwo  ge- 
wachsen ist."  Und  die  Wirkung  des  Handels  beschreibt  Plutarch 
mit  den  Worten:  „Unser  sonst  wildes  und  verkehrloses  Leben 
hat  das  Element  verbunden  und  vervollkommnet,  indem  es  dem 
Mangel  hier  durch  den  I'berfluss  anderwärts  abhilft  und  durch 
den  Austausch  der  rUitcr  znr  Genieinsehaft  und  Frctmdschaft 
fuhrt'."  Die  übrigen  Citate  übergclie  ich.  Diese  drei  diirl'tfm  die 
Annalime  rechtfertigen ,  dafs  die  T.elire  von  der  gottgewolitL-n 
Harmonie  der  Interessen  alK  r  einzelnen  Liinder  der  neueren  Zeit 
ebenfalls  vom  klassischen  Altertum  überliefert  worden  ist.  Sie 
braucht  nicht  als  der  Folgesatz  eines  modernen  philosophischen 
Systems,  wie  etwa  desjenigen  von  Shaftesbury  oder  Leibnita  ange- 
sehen zu  werden,  wir  wissen  eben  nicht,  wieviel  wir  in  unserer 
intellektuellen,  sittlichen  und  materiellen  Kultur  von  den  Alten 
entlehnt  haben.  Sond"rn  sif  h<'st;itigt  uns»  re  An.sicht,  dafs  der 
Gc^^^lankeninhalt  einer  l'criodc  duichaus  nicht  von  ihr  zuerst  produ- 
ziert zu  öcin  braucht,  dals  aber  die  tlUirenden  Geister  dasjenige  aus 
der  Stille  der  BibHotheken  an  die  Öflfentlichkeit  ziehen,  was  die  Zeit 
gerade  braucht.  So  streut  auch  die  Natur  stets  dieselben  Menschen- 
Seime  aus.  wdche  Saat  aber  wachsen  und  reifen  soU,  bestimmt 
die  Kachnage  der  Zeit  nach  Trieben  und  Talenten*. 


>  a.  a.  0.  I,  p.  255.    B.  II,  K.  2.   XIII.  5. 

*  Ich  hnlte  es  nicht  für  meine  Aufrrübe.  naf  liziiweisen,  dafs  die 
Lehre  von  der  wiitschaftlicben  Harmonie  der  verscliicdeneu  Länder  in  der 
luitioiialökonoiniscbeii  Litteratur  des  18.  JahrhtuidertB  weite  Verbreitiuig 
gefunden  habe,   es  cehört  niclit  in  eine  Darstellung  der  allgoinninen 
philosophischen  Grundlagen  unserer  Wissenschaft  im  18.  Jahrhundert.  Um 
aber  die  I^ehauptung  zu  illustrieren,  verweise  ich  auf  den  Franzosen 
Baudeau  (Daire,  Phygiocntes,  II,  p.  120):   „La  nature  a  youlu  qae 
toute  e«p^e  de  eol,  tniite  expo-^ition ,  Iciit  cliniat  eüt  scs  prodiictions 
ditlerentes,  depuis  un  pole  juuuu  ü  l  autre."  Nach  Auseinandersetzung  der 
hieraus  hervorgehenden  Annehmlichkeiten  folgt  die  Forderung  der  Ver>  * 
kchrsfri'iht'it.    „Mai^--  pnur  rjus^cinblor  atitour  de  nous  les  nLjets  (|ui  naissent 
ou  qui  sout  fa^onoeö  au  bout  du  monde,  sous  Tun  et  buus  l'autre  humi« 
■phftre,  U  fant  Part  et  lesmojene  de  les  voitiirer  de  la  mani^  laptns 
eure,  la  plus  facilc  et  la  moins  Jispendieuse."  Ähnlich  der  Engländer 
Uume.    In  »emen  Autgatzen  wird  einer  ökonomischen  pnistabilierteu 
Harmonie,  welche  auf  der  Verteilung  verschiedener  Güter  und  Talente 
an  verschiedene  Länder  beruht,  zweimal^edacht.  Von  den  Hemmttn|{Pn  des 
ii&ea  Uandela  behauptet  er,  sie  Teniicbteten  ^tbat  free  eomninntcation 


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160 


X  2. 


Nachdem  die  Ansicht  von  der  Harmonie  zwiNchen  den  ein- 
zelnen Ländern  Eingang  getiinden  hatte,  war  das  Lehrgebäude 
der  wirtscha  Ith  eben  Freiheit  in  allen  Teilen  vollendet.  Nieht 
nur  daa  Uhrwerk  des  menschlichen  Trieblebens  sondern  auch 
die  Uber  verschiedene  Lttnder  ausgestreuten  Natui^ben  yer- 
ktlnden  es:  das  höchste  Wesen  will  keine  kiinstlidien  Hem- 
mungen des  Verkehrs;  sein  Gebot  heifst:  lafst  dem  wirtschaften- 
den Individuum  seine  fVeiheit  innerhalb  der  Grenzen  des  Bechts 
und  der  Sitdichkeit 

Vir. 
Bttckblick. 

So  atmen  Natur-  und  Geisteüwissenscharten  im  17.  Jahr- 
hundert denselben  Geist.  Hüben  und  drüben  sucht  man  Natur» 
gesetze  aafisustellen,  hflben  und  drüben  ist  man  Ton  der  Macht 

des  Verstandes,  alle  Tiefen  der  Welt  auszumessen,  durchdrimgen, 
hüben  und  drüben  gilt  die  mathematische  Methode  entweder  als 
Ilauptöelilüssel  oder  doch  als  ein  wichtiger  J^eh lässei  zu  allen 
Erkenntnissen.  Atom  und  Mensch,  Schwerkrait  und  Selbstliebe 
bilden  ausselilicrsHch  oder  vorzuf^sweiee  die  Körper-  und  Menschen- 
welt; das  Denken  erkennt  in  allen  Wirkungsweisen  nur  die  eine 
mechanische  Causalität.  Aus  diesen  Lehren  weht  uns  gleichsam 
die  eine  Seele  der  modernen  Weltanschauung  entgegen.  Im 
Kampfe  mit  der  mittelalterlichen  hat  sich  diese  herausgestaltet, 
gestützt  auf  antike  Erkenntnisse,  nieht  auf  die  antike  Weltan- 
schauung, noch  die  antike  Philosophie  der  besten  Zeit,  Denn 
gerade  gegen  die  platonischen  Ideen,  gegen  die  aristotelische 
Lichre  von  Stoff  und  Form,  gegen  den  antiken  Zweckl)e^riff 
richtete  sich  der  An^^ritT.  Dage;?en  .sind  die  Philosophie  fler 
sinkenden  Zeit,  der  Stoizismus  und  Epikuieibuius  treibende  Mächte 

wbich  the  Anthor  of  th':  world  bas  intcnded,  by  giviug  them 
sotls,  climates  and  geniuaes eo  dififerent  from  each  other**  (1,  p.  343).  Und: 
Nntnre   b^  f^iving   «  diversity  of   geniuses,   climatrs  and  aoils  to 
niiVtnent  nations,  hat»  secured  their  mutual  iutercourse  and  concourse  as 
long  as  they  all  remain  induBtriona  and  ciTilised  (I,  p.  346X 
Essays  Moral,  Politicsd  ;uid  Lit'nir}-.    Ausgabe  von  r5recu  &  drose. 
London  lö82.   Also  auch  hier  wieder  der  Gegensatz,  dals  der  Physiokrat 
▼orKflglieh  die  reebtlichen  Hemmungen  ^tont,  der  englische  Moral« 
•liilosujili  auch  der  sittlichen  gedenkt.  —  Übrigens  findet  sich  dtt> 
^ohre  auch  .schon  bei  Davcnunt.    Hn  ^cher,  (üesclii«  htc  der  rnglischen 
Volkswirtschaftsl.,  p.  ]14.    Vgl.  die  au  stuisebe  AuricLaimugeu  erinnernd© 
Verteidjgnng  der  mndelsfreihcit  bei  North,  a.  a.  O.  p.  89. 

Eine  ^hva  nmUro  Fraf;r  ist  oa,  ob  die  Naturthatsache  der  Ver- 
teilung der  Xaturgaben  über  verschiedene  Länder  ein  wirtschaft- 
licher Vorteil  fttr  ein  bestimmtes  Land  ist.  Qnesnay  bat  ihn  für  alle 
Völker,  die  iiiclit  vorzugsweise  Haiidelsvölkcr  siiul.  verneint.  Am  besten 
wäre  es,  wenn  jedes  Land  alle  Güter  selbst  produzieren  konnte:  da  dies 
aber  nicbt  der  Fall  ist,  so  mufs  die  ToUste  Handelsireiheit  deo  Lobn  für 
diese  Art  von  Dteneten  auf  das  kleinste  lUbb  beaebrSiiken. 


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161 


in  der  Entwic  klung  der  Philosophie  der  neuoren  Zoit.  Die  Stoiker, 
deren  System  d^r  An.sprilgung  des  Oesctzesbegriffes  überhaupt 
günstij^  wjir.  v*  rkiiudtiten  mit  aller  »Stiirke  den  ethischen  De- 
griÜ'  des»  Naturgeüetzeä.  Daü  Naturrecht  bewahrt  ihn  und  ent- 
fthet  Um  immer  reicher.  Durch  die  epiktireiache  ErklArune  der 
Welt  auB  kleinsten  Tdlclien,  den  Atomen,  empfängt  die  moderne 
Natarphi]ofiO])hie  ihren  inneren  Halt.  „Gassendi,'*  sagt  Lange, 
„dem  eine  gründliche  philologisch- historische  Bilduntj  einen  Über- 
blick ühr^T  die  s.'imtHcnen  Systeme  des  Altertums  gnh.  L^riff  mit 
sicherem  Blicke  dasjenige  heraus,  was  gerade  der  neuem  Zeit, 
und  zwar  der  empirischen  Richtung  in  dieser  neuen  Zeit  am 
mcbten  entsprucij Die  moderne  Forschung,  soweit  sie  sich 
an  Descartes  anschlofs,  ging,  wie  firtther  ausgeführt,  von  dem  Ge- 
danken aus,  man  habe  danach  zu  streben,  „die  mannigfachen 
Erscheinungen  auf  einfache  in  der  Wirklichkeit  nachweisbare 
Grundkräfte  zurückzufuhren  und  sie  wieder  von  diesen  gesetz- 
mäfsig  abzuleiten-"  Hierans  , erwuchs  die  Forderung,  die  ur- 
sprünglichen und  tlurchgchenden  Formen  jener  Kräfte  zu  er- 
mitteln, sorgfaltigst  festzustellen  und  dann  zum  Verständnis  der 
Mannigfaltigkeit  zu  verwenden.  Da  diese  ursjprünglichen  \A'irk- 
fbrmen  aber  nichts  anderes  als  die  Gesetze  smd,  so  ist  ihre  Et' 
foFsdinng  eine  hervorragende,  ja  die  entscheidende  Aufgabe  des 
Erkennens**  ^.  Die  Atomistik,  welche  alle  N'orteile  für  eine  an- 
schauliche, mechain'sche  Erkl.inmg  der  Naturvoi^ängrc  bietet, 
hat  auch  bald  Bürgerrecht  in  der  Naturphilosophie  Uberhaupt 
gewonnen. 

Man  darf  also  nicht  allgemein  sa^^  n,  dais  der  BegritF  des 
Naturgesetees  von  den  Katurwissenschat'ten  auf  die  Geisteswissen- 
scbafm  Übertragen  wurde,  dies  ist  nur  ftlr  die  Psychologie  der 
Fall.  Die  Gebteswissenb  h  iften  besafsen  einen  Begriff  des  Natur- 
gesetzes, der  älter  war  als  der  physikalische^.  Daffeg^  ist  es 
richtig,  dafs  Hobbes  durch  die  Anwendun«;-  der  itiatneraatischen 
Methode  auf  das  Naturrecht  dieses  mechanisier!  e.  Dabei  ist 
aber  immerhin  im  Auge  zu  behalten,  dfds  die  individualistischen 
Gruüdlagen  seiner  Theorie  im  epikureischen  S^bteiu  schon  vor- 
handen waren  und  daher  aneh  keine  neuen  Gesichtspunkte  durch 
die  Überftihrung  der  mathematisdieD  Methode  gewonnen  wurd^ 
sondern  das  Alte  nur  eine  neue,  logisch  zusammenhängenden  Dar- 
stellung erfuhr.  Mit  andern  Worten:  die  Psychologie  und  Sociologie 
der  Epikureer  kam  der  Methode  entgegen.  Als  die  von  Cart  -^ius 
eingeleitete  Mechanisierung  des  Triehleljens  Anklang  gelungen 
ha^  erliieltcn  die  aus  der  Prämisse  des  ii^goismus  getundeneu 

*  Lange,  Geschichte  des  Materialismus;,  2  A.    I,  p.  224. 

'  Euckea,  Geschichte  und  Kritik  der  Grundbegntie  der  Gegen- 
wart, Leipzig,'  1878,  p.  »8. 

»  Eucken,  a.  a.  O.  j).  119. 

*  Siehe  hierüber  EuckeU|  a.  a.  O.  „Gesety/,  p.  ll'i  fi'. 

Foräcbunge«4  (43j  X  2.  —  U;ubacb*  11 


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162 


Sfttase  mehr  und  mehr  den  Charakter  von  Naturgesetzen.  iSie 
wurden  Delinitionen  der  Kraft  Eigennutz. 

So  bildet  sich  die  herrächende  Anschauung  des  17.  Jahr- 
'  hiinderts,  das  Einzebe  rordas  Allgemeine  sa  steOen,  nicht  von 
Zwecken,  sondern  von  Kräften  zu  reden,  nicht  von  Ideen,  sondern 
von  Gesetsen,  nicht  von  einem  Org^uusmus,  sondern  von  einem 
Mechanismus. 

►Suchen  wir  nun  die  Nationalitüt  flif^aer  einen  »Seele  der 
modernen  Weltanscuauung  zu  erkennen,  so  zeigt  eich,  dafs  sie 
französisch  ist.  Nachdem  die  franzüöiächen  Juristen  des  lü.  Jahr- 
hunderts das  Naturreeht  des  römischen  Rechtes  wiedererweckt 
haben,  von  Montaigne  die  dceptisch- epikureische  Geistesrichtung 
des  17.  Jahrhunderts  mit  den  „Essais"  ein<:eleitet  ist,  bdebk 
Gassendi  das  epikureische  Naturrecht,  die  Ethik  des  wohlver- 
standenen Selbstinteresses  und  die  antike  Atomenlflire.  Aufser- 
/dem  streut  er  den  Samen  der  den  Eutwicklungbgcdanken  ver- 
tret(inden  Kulturgeschichte  und  Geschichtsphilosopnie  aus.  Des- 
cartes  ist  der  B^ünder  der  mathematischen  Methode,  der  mathe- 
matisch-mechanudien  Naturphilosophie*  und  der  medumntiBchen 
Psychologie.  LarochefbucauUs  Aphorismen  smd  moderne  Weiter- 
bildungen der  epikureischen  Psychologie.  Noch  im  folgenden 
Jahrhundert,  wo  die  französische  Geistesarbeit  nicht  mehr  so  im 
^'ordorpjimd  steht,  bc^rrilndet  Montesquieu  die  f^esehiehtlielif»  und 
sociologi^eiie  B'  tr.K'litung  von  Reclit  und  Staat.  A'oltairc  die  Kultur- 
gesehiehtc,  Builon  die  Zoologie,  Linn6  die  lioUuiik  und  Quesnay 
die  politische  Ökonomie.  Doch  ich  kehre  zum  17.  Jahrliundert 
zurück.  Sollte  es  zufUUig  sein,  dafs  die  mathematisch-mechanische 
Seele  der  modernen  Weltanschauung  französisch  ist?  Denn  die- 
jenigen Geister,  welche  man  die  leitenden  nennt,  produzieren  und 
reproduzieren,  was  dem  Genius  eines  gröl'seren  odei-  ^roringeren, 
jedenfalls  mächtigen  Bruchteils  eines  \'olks  i  oriL^cnial  ist.  Sie  befrie- 
digen seine  politischen,  socialen,  intdlektiH  l!i  n,  ästhetischen  Hc- 
dürtiiiööe.  Ein  anderer  Beweis  liegt  in  dem  Charakter  der  schönen 
Litteratur  Frankreichs  im  17.  Jahrhundert.  In  ihrer  Abwendung 
Tom  Besondem  und  Ooncreten  zum  Allgemeinen  und  Typischen, 
in  ihrer  verstandesmiifsigen  RegelmäCiigkeit,  ihrer  kalten  Eleganz 
ist  sie  ein  Seitenstuck  der  zeitgenc^ssischen  Wissenschaft,  geboren 
ans  demselben  Geist,  welcher  die  Mathematiker,  Naturibrscher, 
Philosophen  hervor^^eljraeltt  hat-'. 

In  diese  öde  meclianistisi  he  Weltanschauung,  in  dieses  Nel)en- 
einander  von  Atomen  und  rechueuden  Menschen  dringt  nuu  mit  dem 

*  Lau^e,  der  die  liüheraj  Stadien  iu  der  Geschichte  der  mecha- 
nii^tisehen  Mturphilosophic  nicht  Ubersieht,  pn<;t  es  war  „Descartos,  wck'licr 
dii  scr  ^^anzen  Heir  h''v::'-weise  der  Üin2P  FchUerslicb  jeoen  Stempel  des 
Mechanismus  aufdruckt  \  ;i.  a.  0.  II,  p,  199. 

*  Über  den  Charakter  der  Litteratur  wehe  Taioe,  „L'ancieu  licgime" 
und  Lotheifsen  in  der  ..Deutschen  Ruudscban%  Bd.  LVI.  Mit  beiden 
kauu  ich  nicht  voilstäudig  übereiuatimuien. 


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163 


Anf^iTi^  des  18.  Jahrhunderts  ein  Strom  von  frcmiits wärme  von  Eng- 
land iier.  Newton  verkündet,  daiy  die  Writ  die  ächdptuDg  eiu^ 
überaus  weisen,  liebevollen  Geistes  ist.  Sliatteabury  predigt  die 
Vernunft  des  Trieblebens,  Gefühlsethik,  den  Adel  der  mensch- 
fidien  Nator.  Mit  der  engliidieii  NatorphfloBophie  beginnt  nun 
auch  die  Annäherung  der  neiden  Arten  YOn  Naturgesetzen.  Das 
Naturgesetz  der  Naturphilosophie  gewinnt  eine  mehr  als  mechanisch« 
Würde;  das  Naturgesetz  der  sittliclien  WtAt  wird  seines  blofs  ver- 
nünftigen Charakters  entkleidet.  Öhaftesbury  verlegt  es  in  die  ftlr 
die  Gesellßchait  veranlagte  Natur  des  ganzen  Menschen,  welche 
ebenftdls  als  eine  Art  Maschine  oder  Uhrwerk  erscheint.  Dem 
Genius  Quesnays  gelingt  es  dann,  die  Naturgesetze  des  Seins  und 
Bebens  der  wirtBChafUichen  Welt  harmonisch  miteinander  m  ret- 
Kachdem  die  VerBÖhnung  von  Teleologie  und  Medumiemne 
stattgehabt  hatte,  findet  auch  die  organische  optimistische  Welt- 
anschauung griechischer  Denker  kraft  des  Gesetzes  der  Wahlver- 
wandtschaft wieder  Eingang,  so  fundamental  Yerschieden  auch  diese 
und  jene  sein  mögen*. 

Natur  und  Mensch  erhalten  nun  eine  höliere  Wcilic,  die 
schöne  Welt  und  die  schöne  Seele  otienbaren  sich  einem  gefühls- 
seligen, edien,  schwärmerischen  Jahrhundert,  Die  meehatusohe 
Watanschaunng,  die  von  awei  Franzosen  deutscher  Abstammung, 
fielvetius  und  Holbach,  um  die  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  in 
aller  Reinheit  und  Vollständigkeit  dargestellt  wird,  befremdet 
viele  der  besten  Geister,  obwohl  sie  sich  noch  grilfstenteils 
in  ihrem  Vorstellungskreise  bewegen.  Goethe  bekennt  den  x\b- 
scheu,  den  ihm  Holbach.s  Werk  einueflöfst,  und  will  in  allen 
Verh^tnissen  des  Lebens  uneigennützig  sein,  Schiller,  dessen 
philosophisehe  G^edichte  und  Werke  den  Geist  jener  Zeit  so 
klar  und  schon  Terkörpem,  ist  in  dem  Motto,  wdcnes  wir  dieser 
Sc^ft  vorgesetzt  haben,  davon  ttbeneugt,  dafs  die  Vernunft  die 
Wahrheit  erkennt.  Jedes  Naturgesetz  erfüllt  ihn  mit  Bewunde* 
rnng:  er  hört  in  ihm  die  Sprache  eines  denkenden  Wesens,  er 
sieht  überall  um  sieh  Ordnung,  Harmonie  und  Schönheit,  er 
möchte  die  Weit  umarmen  wie  seine  Geliebte,  und  er  oitert 
gegen  die  rhilosophen,  welche  sich  mit  dem  Eigennutze  abge- 
nmden  haben.  Je  mehr  aber  das  Jahrhundert  vorrückt,  um  so 
sttrker  bannt  jenes,  durch  die  Vernunft  erkennbare,  ftk  alle 
Zeilen  und  Völker  gültige,  die  Freiheit  und  Gleichheit  der  Men- 
schen anerkennende  Naturrecht  den  Verstand  und  die  Gemüter 
der  Menschen,  stets  beschäftigt  die  Naturreligion  in  immer  neuen 


'  Obgl'^i'-b  die  Griechen  eine  ( it'setzm;ir>i^'kcit  im  Univeri^um  an- 
nehmen, SO  koDiite  „von  einer  gesetzUchen  begreifung  der  Natur  im  ISinne 
der  neaeren  Wiasmwebaft  nicht  die  Rede  sdn.  Zwei  allgemeine  Gründe 
treteo  dem  entgegen:  die  Hvntlietische  Auffassung  der  Natur,  die  zu 
U^nsten  Kräften  und  ursprünglichen  VVirkformen  nicht  durchdrang,  so- 
wie die  orffuusche  Auffassung  vom  Kosmos^  welche  jedem  Punkte  eine 
spsadfiaehe  Bedeatnog  bcisnlegen  geneigt  war".  Backen,  a.  a.  0.  p.  U7. 

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104 


Wandlungen  die  Köpfe  und  Heraen  der  besten  Männer;  naeb 
Freiheit^  Gkidilieit,   Humanität,  BrUda-lichkeit^  dttralet  die 

ülenschheii  Wie  entbrennt  da  die  royoliitionäre  Stimmung  gegen 
die  Fürsten,  die  mit  Gewalt  und  List,  von  kalter  Selbstsucht  ge- 
lenkt, den  Völkern  ihr.TocIi  und  ihre  ungerechten  ( M-sctze  aufiirebüraet 
haben,  gegen  jene  hf  irtitreiTsclien  Pfaffen,  welclic  die  Naturreligion 
geschiindet,  gegen  jene  Feinde  der  Gesittung,  die  unnatürliche 
Tugenden  von  der  Menscliheit  fordern.  So  entsuringt  iiub  jenem 
Wemwollen,  aus  jener  Menschenliebe  auf  Gbiina  der  rationaliiti* 
sehen  Anschauung  von  der  bewulsten  Entstehung  aller  polttischen 
und  socialen  Gebote  die  mifstrauische  Stimmung,  die  in  den 
positiven  InstitutioDfin  ihrer  Zeit  nur  Egoismus  und  Machwerk  er- 
blickt. Wenn  wir  die  socialen  und  politischen  Zustände  jener 
Poriod«'  ohne  \  onirteil  ins  Auge  fassen,  vi-rstehen  wir  diese 
An  (  hauungawüise  zu  wtirdigen.  Vieles  war  verlebt  und  wurde 
mit  bewuister  Selbstsucht  aut'rechter halten. 

Wer  kann  die  civilisatoriscbe,  nach  aulsen  humanisierende, 
nach  innen  niTeUierende  Mission  des  Naturrechtes  leognen? 
Wenn  das  römische  Reich  und  das  römische  Recht  den  Gtt;en- 
sata  der  civilisierten  und  uncivilisierten  Welt  nicht  zu  verti^;en 
vermochten ,  wenn  das  Mittelalter  nur  den  Untei-sc  lii<'d  von 
christlich  und  unchristlich  kannte,  wenn  es  alle  Volker  zu  einem 
Gottesreiche  zu  vereinigen  sucbte ,  wenn  das  kanonische  Recht 
alle  menschlichen  Verhältiiissse  dem  christhcheu  Gedanken  zu 
unterwerfen  bestrebt  war:  so  wird  nun  die  Grenze  des  Rechts 
bis  zu  den  Grenaen  der  Menschheit  hinausgeschoben,  und  wie* 
derum  steht  am  geistigen  Horizonte  jenes  stoische  Id(^al  eines 
politischen  Zustandes.  wo  die  Menschheit  ohne  Unterschied  be- 
sonderer Staaten,  Völker  und  Gesetze  ein  eintn'tchtiges  (lesanit- 
leben  tiihrt  xmd  Weltreich  bildet,  vom  gemeinsehattlichen  Gesetze 
wie  eine  zusammen  weidende  Herde  von  einer  Tritt  zehrend-. 

Aus  den  iiaturreehtltchen.  sitUiehen,  religiösen  Ideen  erhält 
jene  Zeit  die  Kraft  zu  relbnuieren.  Und  wie  viele»  damals 
besser  geworden  ist,  lehrt  die  Geschichte  des  achtsehnten  Jahr- 
hunderte, nicht  aum  mindesten  die  deutsche.  Aus  dem  Bewufst- 


*  Die  „fnteniit^  hebt  beBonden  Mercier  im  8cblafsk«pitel  seines 

Werkes  hervor. 

^  Chaque  nation  n'est  ainsi  qu'iino  proviiico  du  grand  royaume  de 
la  imture;  aussi  seraieiit  clleB  toutoB  gouvernees  par  Icd  m^es  lois  .  .  . 
JR  totttes  ces  nations  s^^ttient  eleveee  .  .  .  &  la  connaiwaiice  de  cet  ordre 
immuable,  pnr  lequel  l'Mut^Mjr  de  I;i  iiaturr  s*f-f  prnpn««'  que  Ifs  liommes 
fufiseut  güuvem^«  dans  tous  leg  lieux  et  daus  tous  ies  temps.  Merricr  de 
la  Rivi6re,  Daire,  II,  p.  526.  Dieser  Gedankengang  hat  mit  dem  Btoischen 
eine  mprk^v(irdiL'■o  Ännlirhkcif.  Mcrcitr  wfifs  zml^'m  auch,  dafs  dies 
Ideal  schon  vor  dem  (  liristeutum  aufgestellt  wurde.  Er  luhrt  fort:  Lidde 
de  cetfe  soci^t^  genZ-rale  toujours  existante  c-^t  a  n  ter  i  e  u  r  e  kl  V'  t  abl  isse- 
ment  dn  christianismc:  ce  rayon  de  lumi^re  brillaitdans  les  t^ncbres 
du  pa^^ani.4mo.  rr  plusiears  philosopbes  de  i'fiotiqait^  paicnno  en  ont  parlö 
avec  force  et  dignite. 


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165 


sein  aber,  Uberall  das  Edle  angestrebt,  oft  das  BeBSm  erreicht 
zu  haben,  erhebt  sich  die  frohe,  selbstgewisse  Stimmung,  welcher 
Schille  r  in  der  ersten  Strophe  seines  Gedichtes  „Die  KtUistler'' 
Worte  geiiclien  hat: 

Wie  schön,  o  Mensch,  mit  deinem  PaUnenaweige 
btehst  du  m  des  JaJurhunderts  Neige 
la  edler,  stolzer  HSnnllchkeit, 

Mit  Hufpeschlossnem  Sinn,  mit  Geistesfülle, 

Voll  mililen  Krnsts,  in  tluitenreichor  Stille» 

(Der  reiföte  Sohn  der  Zeit, 

Frei  durch  Vernunft,  stark  doieh  Gesetze, 

Durch  Sanftmut  grofs  und  reich  durcli  Schätze, 

Die  lange  Zeit  dein  Busen  dir  reise hwi^, 

Herr  der  Natur,  die  ddne  Fessdn  liebet, 

Die  deine  Kraft  in  taiiF^nnrl  Kämpfen  übet 

Und  prangend  unter  dir  aus  der  Verwildrang  stiegt 


'  Über  das  kräftige  Selbstgefühl  der  letzten  Zeit  des  1^.  Jahr- 
hunderts siehe  Hcttncr  in  seiner  Gegchichte  der  deutschen  Litteratur, 
8.  A.  1879,  III,  2  p.  170  für  Deutschlaud  und  Taine:  L^anden  rteuae 
iär  Fnokreicb,  2.  A.,  p.  881  (L.  IV,  eb.  2,  VI). 


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Siebentes  Kapitel. 


Die  Politische  Ökonomie  des  18.  Jahrhunderts  und  der 
Rückschlag  gegen  die  herrschenden  Ideen  der  Zeit 


In  den  yorhergehenden  Eapitefai  haben  wir  die  Gestaltung 
der  modernen  Lebensanschauung  verfolgt,  insofern  dadurch  em 
Licht  auf  die  Entwicklung  der  politisdien  Ökonomie  geworfen 
wird. 

Es  schien  uns,  dalt^  die  Iheoritn  und  Doktrinen,  die  zur 
Durchsetzung  der  Ansprüche  aufgestellt  werden,  welche  Bedürfnisse 
und  Gefühle  mächtiger  Bruchteue  eines  Volkes  erheben,  nicht  in 
dem  Gaste  heryonagender  Zdtgenoesen  ihren  Ursprung  za  haben 
braachen.  Ideen,  welche  schon  yor  Jnlirtausonden  ihre  Kraft 
erprobten,  nmsscn  neuen  Veränderungen  die  Wege  ebnen.  Der 
Vorteil ,  welcher  hierdurch  dem  Streben  gesichert  wird ,  zieht 
aber  auch  bedeutende  Nacliteile  nach  sich,  t  'berlebte  Vorstellun- 
gen und  HegrifFe,  welche  die  Voraussetzuog  der  Idenle  bilden, 
erheben  sich  aus  dem  Grabe  und  verwirren  die  Geister  auf 
Jahrhunderte.  Der  Kami^  der  modernen  Volker  für  die  FVeihelt 
auf  allen  Geliieten  wurde  mit  Hilfe  des  Katurrechtes  auufekäropf^t^ 
das  die  Stoiker  und  Epikureer  von  durchgebildeten  Weltanschau- 
ungen ausgeprägt  haben.    So  sind  wir  mit  allen  Irrtümern  des 


Teil  der  Wohltaten  wirder  wett  macht.  Wie  uachteilii:  die 
Ideen  des  AltertuniN  aut  unsere  sociale  und  politische  EiiUvick- 
lung  eingewirkt,  isl  hier  nur  zu  einem  geringen  TvWv  zur  Dar- 
stdmng  gekommen,  aber  auch  das  wenige  genügt,  um  jeden 
Unbeniiigenen  davon  su  überzeugen,  dafs  der  antike  Individua- 
lismus auch  ein  Element  der  Auflösung  für  die  modernen  V(dker 
'gewesen  ist. 

Diejenigen,    welche    dem    moflcrncn    Individualismus  am 
meisten  zum  Siege  verholten  haben,  sind  Locke  und  bhattes- 


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X  2. 


167 


bur}'.  Der  eine  proklamierte  das  unbegrenzte  Recht  des  Indi- 
viduums, der  andere  seine  unbep-enzte  Güte  und  sittliche  Be- 
fähigung, beide  suchten  die  Kraft  aller  das  Ganze  zusammen- 
haltenden  Gewalten  zu  lähmen,  und  der  letztere  bahnte  aufserdem 
der  ADschammg  den  Weg,  dafs  der  Individnalismoa  im  Plane 
Gottes  lieee.  ^  ^ 

So  erhielt  der  moderne  Individualismus  seinen  fest  nmrisHiien'f 
Charakter.  Er  verlangt  die  Freiheit  nicht  blol's,  wo  sie  zweck- 
mHfriig  ist,  er  verlangt  sie  schlechthin  als  ein  Recht,  und  dieses 
Recht  soll  überall  dasselbe  sein,  und  ein  gleiches  Heeiu  und  ein 
gleiches  Gesetz  soll  es  sein  für  alle.  Da  er  ftir  das  GcTeehte 
zu  kämpfen  glaubt,  wird  er  ianatisch,  sobald  er  Widersümd 
findet  Den  Widerstand  kann  er  sich  nicht  ans  loyalen  BewQg- 
grtlnden  erkltfren,  er  sieht  nnr  schmntsige  Ranke,  niedrige 
Interessen,  boshafte  Tyrannei,  er  verleumdet,  er  verdächtigt,  er 
beschmutzt,  denn  nur  ein  entartetes  Gemüt  kann  sich  der  Er- 
kenntnis des  Rechtes  verschliefsen.  Und  unigekehrt  erblickt  er 
in  seinen  theoretischen  Betrachtungen  nur  immer  gute  Men-  / 
sehen,  die  mit  aller  schuldigen  Rücksicht  vor  ihrer  erhabenen 
Menschlichkeit  behandelt  werden  müssen.  Wo  sich  aber  die 
Wirkungen  nicht  einstellen,  welche  man  ^n  ihnen  unter  der 
Emwirknng  bestimmter  Geeetse  hätte  erwarten  dürfen,  da  be> 
schönigt  er,  verhfillt  er  und  vensweifelt  nicht.  Denn  er  hat  ein 
unbegrenztes  Vertrauen  zur  menschlichen  Natur,  sie  wird  sich 
allmählich  in  die  neuen  Zustünde  hineinfinden;  die  guten  F  il^'^en 
werden  nicht  ausbleiben.  Ein  höchstes  Wesen  voller  (tuIc  lenkt 
die  Welt  und  hat  alles  zum  Hesten  geordnet.  Doeli  gegen  einen 
Vorwurf  möchte  ich  den  modernen  Individualismus  in  Schutz 
nehmen.  JSk  heiikt,  er  spreche  immer  nur  von  den  Rechten  des  In- 
dividuums, aber  er  yeigesie  es,  die  entsprechenden  Pflichten  zu 
erwähnen.  Dies  trifit  auf  die  hervorragendsten  Vertreter  des 
18.  Jahrhunderts  nicht  au:  ich  meine  die  Hutcheson,  Quesnay, 
Smith  und  Wolff,  wenn  es  gestiittet  ist,  diesen  hier  zu  erwUhnen. 

Von  solchen  Anseliauungen  waren  diejenigen  erfüllt,  welche 
die  französisch-englische  politische  Ökonomie  des  18.  Jahrhunderts 
begründet  liaben.    Ich  hätte  mein  Ziel  erreicht,   wenn  uiir 
der  Nachweis  gelungen  wäre,  dafs  diese  politische  Ökonomie  wie 
wahiBcheinlich  keine  andere  Wissenschan  in  dem  innigsten  Zu-  / 
sammenhange  mit  der  modernen  Philosophie  herangewachsen  ist. ' 
Von  wenigen  ihrer  Zweige,  wie  der  Ästhetik  und  der  formalen 
Logik,   ist  nicht  zum  Aufbau  der  politischen  Ökonomie  beige- 
tmgen  worden.    Alle  anderen  haben,   wenn  auch  in  un;j:leie}ieni 
Grade,  mitgewirkt:  das  Nafurreclit,  die  P^thik ,  die  natürliche 
Theologie,  die  Naturphilosoühie,  die  Psychologie,  die  Methoden- 
lehre.   Aus  dem  Naturrecbte  ist  die  politische  Ökonomie  als-«^ 
wstiiiislMirlie  y^issenschaft  hervorgegangen.   Er  vorlieh  ihr  den 
Charakter  des  Individualismus;  in  ihm  reifte  die  Idee  der  wirt- 


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168  . 


schaftllchen  IVoilait,  sein  Kähmen  war  weit  genug,  um  theore- 
tiäciie  Ei'kenntniöae  aufzunehmen.  An  zweiter  Stelle  it>t  die  Ethik 
«1  nennen.  Ihre  Lehren  klärten  die  Nationalokonamen  Uber  die 
,'Macht  und  den  sittUchen  Wert  der  menachlichen  Triebe,  ins- 

;  beBondere  des  Erwerbstriebes  für  die  menschliche  Wirtscha^  auf. 

I>aö  sittliche  Walten  des  rrivatinteressos  erschien  gewissermafsen 
als  der  psychologisch  -  ethische  Inhalt,  der  die  rcchtUchc  Form 
der  wirtschatUichen  Freiheit  erliillcn  sollte.  Ihre  Lehren  stellten 
die  Nationalökonomie  auf  den  lioden  der  modernen  Lebensanschau- 
un^,  zugewandt  wirtschaftlich- technischer  Kultur,  abgewandt  dem 
christlichen  Lebensideale.  Von  den  psychologisch-aociologischen 
Voraussetzungen  aua^  welche  im  wesenttichen  die  des  epikurei» 
sehen  Naturrechtes  sind,  wurden  die  ethisch  -  socialen  Grund- 
lagen der  englischen  Nationalökonomie  geschaffen.  Die  natur- 
rechtlichen Fundamente  wurden  verstärkt  und  für  den  Aufb;u! 
eines  Systems  der  politischen  Ökonomie  hergerichtet.  Drittens 
miisücn  wir  die  Naturphilosophie  erwähnen.  Der  Geist  Newtons, 
welcher  in  den  Schriften  Shaftesburys  und  der  Deisten  eine 
gröfsere  WirkungsDlhtgkeit  erhielt ,  hefs  die  sp&teren  die  Har- 

/  monie  einer  iudividualisrischcn  Wirtschaftsordnung  in  dem  Schran- 
ken von  Sitte  und  Kecht  erkennen.  Der  sich  den  Geboten  der 
Gerechtigkeit  unterwerfende  Elrwerbstrieb  erschien  nun  nicht 
nur  i\h  sittlich  znlüssij;',  s  mdern  auch  als  ein  Mittel  zur  Am- 
wirkung  des  ^ottlii  lien  \VeltenplHn«*s  Aber  noch  andere  Be- 
ziehungen bestehen  zwischen  der  politischen  Ökonomie  und  der 
Naturphilosophie.  Die  innerhalb  der  leteteren  ausgebildete  Methode 
wurde  auf  die  Nationaldkonomie  übertragen  und  die  mechanistische 
Psychologie  erleichterte  die  Anwendung  des  deduktiven  Verfahrens 
aus  der  Prfimisse  des  universellen  Eigennutzes,  aber  schon  im 
18.  Jahrhundert  wird  die  wissenschaftliche  Rccljachttnip  als  die 
eigentliche  Methode  der  ])olitischen  Ökonomie  )>c'/i  i chnet. 

Die  eingehendere  Verfolgung  dieser  Krgebiji-^.^t'  der  Unter- 
suchung wurde  den  J^hrer  ennüden.  Aber  auch  dieser  Hüch- 
tige  Überblick  ttber  die  allgemdnen  philosophischen  Grundlagen 

,  unserer  Wissenschaft  zeigt,  dafs  Philosophen  die  Bildner  der  poli- 
tischen Ökonomie  gewesen  sind.  Wir  mUssen  zu  Hobbes  und 
Locke,  Pufendorf  und  Hutcheson,  Shaftesbury  und  Mandeville, 
Bacon  und  Descart«  s  mit  »  b-  n  derselben  Verehrung  aufblicken, 
wie  die  Jünger  der  Pliilosopiiie.  Wah'schciidieh  hat  Cumberland 
den  gröfsten  b^intiuis  uuf  Quesnay  gehabt.  Mandeville  bildete 
die  von  Ilobbes  entworfenen  ethisch  socialen  Grundlagen  des 
Naturrechtes  au  denjenigen  der  englischen  politischen  ÖKonomie 
um,  Locke  entwarf  die  rechtlichen  Grundlagen  einer  freihdt- 
liehen  Wirtschaftsordnung,  Shaftesbury  richtete  die  Bh'cke  auf 
die  sittlichen  Bi  d?np:un;ren  der  modernen  Kultur  und  acluif  das 
Fundament  einer  optimistischen  Hetraclitung  einer  rein  indivi- 
dualistischen WirtsciiaftsordnunL'"  •  Descartes  und  Bacon  «ind  die 
Vater  der  auch  in  der  Nationalökonomie  angewendeten  iieihode. 


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X  2. 


169 


wobei  allerdings  zu  bemerken  ist,  dals  es  Hobbes  war.  welcher 
die  mathematische  Methode  zum  deduktiven  Verfahren  aus  der 
Präraisüe  des  universellen  Egoismus  gestaltete.  Descarte«  ent- 
warf die  Mechanik  der  Leidenschaften,  Pufendorf  ist  der  Schöpfer 
des  systematischen  Naturrechtes  und  bis  zu  einem  gewissen  (  irade 
auch  der  systematischen  Nationalökonomie,  nach  dieser  Seite  hin 
hat  Hutcheson  das  Werk  unseres  grol'sen  Liandsmannes  wert- 
voll ergänzt  und  damit  seinem  Schüler  Adam  Smith  vorge- 
arbeitet. Da  aber  die  Entwicklung  dieses  Teils  unserer  Wissen- 
schaft in  keinem  inneren  Verhältnis  zu  ihren  allgemeinen  philo- 
sophischen Grundlagen  steht,  so  mul's  ich  diesen  Punkt  hier 
übergehen. 

Einige  dieser  Denker  sind  die  Vorgänger  Smiths,  andere 
Quesnays,  einige,  w^ie  Shaftesbury  und  Locke,  beider.  Sowohl 
der  Franzose  wie  der  Schotte  offenbaren  bei  näherer  I Betrach- 
tung diejenige  Originalität,  welche  Fremdes  mit  dem  eigenen 
Geiste  so  völlig  zu  durchdringen  vermag,  dafs  es  als  ein  Neues 
und  SelbsUindiges  erscheint.  Dieser  Assimilierungsprozefs  geht, 
soviel  ich  dii»  zu  beurteilen  vermag,  bei  Quesnay  kräftiger  und 
reinlicher  vor  sich ,  als  bei  Adam  Smith.  Ist  so  zwischen  dem 
philosophischen  Fundamente  ihrer  Lehren  und  auch  zwischen 
ihrer  Oeistesrichtung  soviel  Übereinstimmung  vorhanden,  dafs 
man  sie  als  die  Begründer  der  englisch  -  französischen  National- 
ökonomie bezeichnen  darf,  so  zeigen  ihre  Werke  doch  anderer- 
seits die  gröfsten  Verschiedenheiten.  Der  Franzose  wird  mehr-^ 
von  den  naturwissenschafdichen  und  naturrechtlichen  Ideen  der 
Zeit  erfafst,  der  Schotte  mehr  von  der  Moralphiloso  j  »hie  und  der 
Psychologie  .seines  Vaterlandes.  In  einer  andern  Form  ausge- 
sprochen: die  Ethik  und  die  Psycliologie  ist  nicht  die  starke 
Seite  der  französischen  Schule,  Mercier  de  la  Riviere,  der  treueste 
Interpret  des  Meisters,  zeigt  nach  dieser  Richtung  ein  unklares 
Schwanken.  Dagegen  offenbart  Adam  Smith,  eine  wie  starke 
Gewalt  die  naturreclitliehen  Ideen  auch  über  ihn  gewinnen,  eine 
viel  ausgeprägtere  Fähigkeit  die  Ethik  weiterzubilden  und  die 
ethi.sche  Seite  des  U'irtsehaftslebens  zu  sehen.  Auf  dem  Ge- 
biete der  Moralphilosophie  ist  seine  Theorie  geschlossen,  hier  ist  er 
wir  vollsten  Klarheit  über  seine  eigentümliche  Stellung  gelangt. 
Er  ist  ein  gröfserer  Philosoph  als  Quesnay,  aber  auch  ein  Na- 
tionalökonom von  geringerer  selbständiger  Kraft  als  dieser.  Das 
wird  noch  deutlicher  werden ,  wenn  man  die  national  ökono- 
mischen Vorgänger  beider  Männer  einmal  völlig  zu  überblicken 
vermag.  Adam  Smith  ist  auch  viel  st^irker  in  dem  politischen 
und  wirtschaftlichen  Individualismus  stecken  geblieben,  während 
Quesnay  die  Kultiiräufgabe  des  modernen  Staates  wohl  erkannte. 
Das  wahrhaft  Originelle  Quesnays  dagegen  liegt  in  seiner  orga-  ^ 
nischen  Theorie  des  \\'irt8eli;iftslebens  und  der  daraus  fliefsenden 
Ansicht  von  der  wirtschaftlich  nützlichen  Arbeit. 

Doch   liegt  es  mir  fern,  beide  Männer  miteinander  ver- 


170 


gleichen  oder  etwa  iStofl'  zu  ihrer  Beurteilung  zusammentrageD 
zu  wollen,  sie  interessieren  uns  hier  nur  so  weit,  als  sie  die  von 
andern  gelNrochenen  Baiuteiiie  b^ueD,  suBammengetragen  und 
zur  Legung  der  aUgemeinen  philosophischen  F\mdamente  unserer 
WissenHchaft  verwendet  haben.  Dabei  mufete  der  besonderen 
Verdienste  eines  jeden  gedacht  werden,  aber  eine  ringeliende  Be- 
traclitung  der  Schriften  und  der  Bedeutung  Quesnays  und  Smiths 
w>rd  noch  manches  aus  den  ^vis8en8chaftliellcn  Bestrebungen  der 
Zeit  lierani^ielu  n  niiissin,  was  hier  keine  Erwalinung  gefunden  li.it. 

Viel  naher  als  die  Erörterung  der  Verschiedenheit  der  Lehren 
QueanayB  und  Smiths  liegt  uns  die  Beantwortung  der  Frnge, 
welches  auf  Grund  der  gemeinsamen  philosophischen  Orundlagen 
der  gemeinsame  Charakter  der  französischen  und  der  englischen 
politischen  Ökonomie  des  18.  Jahrhunderts  sein  mufste. 

Erstens  konnte  sie  nicht  jiTubrs  lüs  individualistisch 
sein.  Kachdem  I^cke  den  IndividnaÜsnniR  entfesselt  hatte, 
welcher  im  modernen  Katurreeht  durcl:  (irotius,  llobbtö,  Bujen- 
dorf gebunden  worden  war^  naciideiii  man  nun  im  Staate  nichts 
sah  UB  den  Schützer  der  Freiheit  und  des  £k;entum8  freier 
und  rechtlich  gleicher  (nur  der  Subordination  der  natilrlichen 
GeseUschaft  unterworfener)  Individu(  n :  da  war  es  den  Begrün- 
dern unserer  Wissenschaft,  welche  sich  aus  dem  Naturrechte  ent- 
wickelte, fast  unniflp:lich,  die  Volkswirtschaft  artdcrR  aufzufassen, 
denn  als  die  Summe  von  nebeneinander  bestehenden,  von- 
einander unabhängigen  und  nur  dureh  das  g<*Ht  llsel)aftliclie  System 
der  Arbeitsteilung  miteinander  verbundenen  l'r  i  v a  t  w  i  r  tsc ha  f- 
ten*.  Diese  auf  dem  Boden  des  Naturrechtes  emporgewachsene 
Ansicht  erhielt  dann  eine  Reihe  von  Sttttsen  in  der  Psjchologie» 
Ethik,  Naturphilosophie. 

Mandeville,  welcher  das  Wirken  ftlr  andere  t\lr  eine  Tugend 
hielt,  ^v•  Iche  nur  von  wenigen  Menschen  geübt  wUrde,  wies  die 
nnj^eiieure  wirtschaftliche  Wirkungsfähigkeit  des  psycholo- 
gisciien  Kaktorö  der  Priv\^twirt8chaft  nach.  Der  menschliche 
Eigennutz  schaffe  nicht  nur  fiir  sicli ,  soudem  auch  für  andere. 
Mandeville  w»r  weit  davon  ratfemt  zu  glauben,  dafs  dem  mensch- 
liehen Eigennutz  alle  Interessen  der  Gesamtheit  übeHassen  wer- 
den könnten,  die  Ideen  des  Merkantilismus  sind  in  ihm  noch 
mHclitig,  der  Staatsmann  und  die  Handelsbilanz  spielen  in  seinem 
"\\  erke  eine  frrnfse  Rolle.  Tminerhin  hatte  er  überzeugt,  dals  die 
privatwirtsehattliehe  Urj^anisation  der  Volkswirtschaft  die  ein- 
zelnen und  den  Staat  mit  dem  grüfsten  Teile  der  bedurften  wirt- 
schaftlichen Güter  versehen  könne.  Aber  noch  konnten  Zweitel 
darüber  entstehen,  ob  denn  dies  Walten  des  Eigennutzes  auch 
sittlich  erlaubt  sei;  MandeviUe  hatte  es  verneint. 

I  Diese  Autfafisung  hatte  u.  a.  die  Folgo.  daf»  A.  Smith  das  National- 
kapital  för  die  Summe  aller  Privatkapitale  hält:  „Capital  of  a  society, 
which  18  the  saiiie  with  that  of  all  ths  individaals  who  oompose  it." 
B.  II,  €hap.  3,  p.  94. 


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171 


Da  erscheint  neben  ihm  Shat'tesbury  als  der  Vorkündiger 
der  inofUrnon  sittlichen  Lebensanschauung.  Organisch  kt  seine 
AuiYasoung  de«  Weltalls  und  der  menschlicnen  Gesellschaft,  aber  er 
nucht  wie  Locke  Tor  ihm  und  aeine  Sclilder  nach  ihm  doch  das 
Indiyiduum  zom  Ausgangspunkt  seiner  Ethik.  Und  er  lehrte^  / 
dafs  der  Erwerbatrieb ,  wenn  er  die  socialen  Triebe  nicht  unter-' 
joche,  keineswegs  zu  tadeln  sei  und  sich  mit  der  Tugend  seJir 
Tvohl  vertrage.  Er  stellt  schon  die  Behauptung  allgemein  auf, 
dn's  die  öffentliche  wie  die  private  Wohlfahrt  durdi  die  wirt- 
li;ittliche  Emsigkeit  befördert  werden.  Es  entspricht  also  die 
unvatwirtschat'tliche  Organisation  auch  den  Geboten  der  natür- 
fichen  Sttdichkeit  Wie  sich  seine  Philosophie  über  Sehottlandy 
BVnkreich,  Dentschland  yerbreitet,  erwacht  Überall  der  Hais 
giegen  die  Selbstsucht,  aber  auch  die  freundliche  Stellung  an  einem 
gemä/sigten  Triebe  nach  irdischen  Gütern  Dieser  vertrug  sich 
auch  gut  mit  dem  Princip  der  WolfFschen  Ethik  denn  zielte 
der  Exwerbstrieb  nicht  aut  die  Vervollkommnung^  des  Einzelnen 
und  der  Gesellschafl  hin?  Was  aber  noch  wichtiger  i^t,  die  aus 
dem  Ganzen  des  Systt  mes  gelöste  Ansicht  von  dem  Wert  eines 
gemälsi^en  wirtschaftlichen  Eigennutses  berUhrte  sich  fireund- 
schafUidh  mit  der  Theorie  des  wohlverstandenen  Selbstintcrcsscs, 
wie  sie  von  Helyetius  ausgebildet  worden  war.  Auch  er  lehrte,  dafs 
das  Selbstinteresse  nicht  notwendiger  weise  dem  allgemeinen  In- 
teresse feindlich  gegenüberstehe.  Sei  dies  der  Fall,  so  tra^^e  der 
Oesetzgeber  die  Schuld,  denn  er  könne  die  Menschen  durch  Be- 
lohnungen und  Straten  auf  eine  Hnhn  zwingen,  auf  der  sie 
das  öffentliche  Wohl  zugleich  mit  iluem  privaten  befördern 
mllfsten. 

Aber  nim  stolsen  wir  auf  einen  Punkt,  wo  sich  die  GefUUs- 
ethik  ShaAesbniys  von  der  Lehre  des  Helvetius  scharf  scheidet, 
aber  einer  privatwirtschaftlichen  Auffassung  der  Volkswirtschaft 
noch  freundlicher  wird.  Sha^burv  hatte  unter  dem  Einflufs  der 


'  VfriHldt.  vergeisti^jt  tritt  der  dniml-^odunke  Shaftcsburyp  mit  der- 
selben WcnUuiic^  gegen  politische  Tbeorien|  z.  B.  bei  Goethe  auf.  „im 
politibchtu  Felde  schien  er  nicht  viel  auf  die  so  beliebten  Konstitutions- 

«Morien  sn  geben   Er  kam  hier  auf  seine  Lieblingsidee,  die 

er  brinals  wiedorliolte,  nämlich  dafs  jeder  nur  darum  be- 
kümmert öeiu  Sülle,  in  seiner  speziellen  Spbure,  grofa  oder 
klein,  recht  tren  und  mit  Liebe  fortzuwirken»  so  werde  der 
all^  cm  c  i  II «'  Xut/.t'ii  ;iuch  unter  keiner  Kegierungsform  aus- 
bleiben."  Als  ihm  der  Fürst  Pückler-Muskau  da«  Beispiel  Englands 
vorfallt,  am  die  Notwendiffkeit  einer  Konstitution  zu  beweisen,  antwortete 
der  Dicbter-Stflatsmani) :  Jüas  Beispiel  sei  nidit  zum  Lrsten  ucwahlt,  denn 
in  keinem  Lande  iH-rrsch''  eben  Egoismus  mehr  vor,  kein  Volk  sei  wesent- 
lich inhumaiii^r  in  politischen  und  Privat  Verhältnissen.  Nicht  von 
anfsen  herein  durcii  ßegierun  ^"^torm  käme  das  Heil,  sondern 
von  iiineu  lierau»  dtirrli  nA^e  IJeschränkung  und  Iv^jicheiden*'  Tliiitii.'kcit 
eines  iedeu  in  seinem  Kreise.  Dies  bleibe  immer  die  Hauptsache  zum 
QwnaeAÜeben  Glttck  nnd  sei  am  leichtesten  und  einfiichaten  zu  erreichen." 
BlidiB  eiaee  VenHorbenen,  IlL  Teil,  2.  Anfl.  ätnttgart  1836.  p.  16. 


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172 


X  2. 


englischen  Natui'philosophie  die  Seele  £Ur  eine  ron  Gott  kon- 
struierte Maschine  zur  Auswirkung  der  aUgemdnen  Olttckseliekeit 
'erklärt  und  Smith  entdeckt  in  dem  sittlich  beherrschten  Selbst- 
-  Interesse  da.s  Rad,  welches  die  Uhr  der  Geaellschaft  auf  wirt* 
schaftliche  Harmonie  und  (jil Uckseligkeit  stelle. 

Damit  war  die  priv.itwirtschaftHche  Auffassung  der  Volks- 
wjrtschaft  allseitig  be^^iundet:  rechtlich,  psychologiscb ,  ethisch, 
metaphysisch. 

Jiald  sollte  der  Individualismus  in  Atomismus  umschlagen. 
Von  den  Pbysiokraten  und  Adam  Smith  war  die  mathematischd 
Methode,  wenn  auch  durchaus  nicht  immer  streng  und  auch 
nicht  ausBchlietsUch  an  i^e wendet  worden.  Ihre  konsequente  An- 
wendung setzte  die  Annahme  eines  universellen,  l)c«tilndig  wirk- 

)  samen,  erleuchteten  Srlbstinteresscs  voraus.  Ricardo  schritt  hierzu 
fort,  und  nun  war  die  \'olks\rirtschaft  ein  Mecbaniöum.'»  von  VVirt- 
scli.itl^atöincn ,  den  Trägi;rn  der  Kraft  Eigennutz,  geworden. 
Kuu  küuute  man  die  Volkswirtschaft  beschreiben  aU  ein  Aggre- 
gat von  an  wirtschaftlicher  Seelenkraft  gleichen  Individuen,  die 
überall  und  fortwährrad  ihr  Privatinteresse  verfolgen.  Jeder- 
mann versteht  sein  Privatinteresse  besser  als  ein  Fremder,  und 
niemand  versteht  irgend  etwas  besser  als  sein  Privatinteresse. 

Die  Volk.<wirf<r1nft.^lehre  der  Quesnay  und  .Vdam  Smith  ist 
aber  aiit  dicscni  iStantipunkte  noch  nicht  angelangt.  Den  Be^^'flT 
der  rrlcichlieit  kann  mau,  wie  mir  scheint,  nicht  in  ihre  Systeme 

I  autnehmcn.  Dafs  sie  die  Privatwirtschat t  reelitlich  nicht  für 
^eich  hielten,  geht  wohl  daraus  hervor,  dals  sie  für  eleiohes 
Recht  kämpften;  dais  sie  ihnen  Ökonomisch  nicht  dieselbe 
Kauf-  oder  Erwerbskraft  zuschrieben,  ist  sdbstverständlich  .Auch 
glaubten  sie  gewifs  nichts  dafs,  wenn  einmal  die  rechtliche  (  fleieli- 
heit  hergestellt  sein  würde,  nun  die  vf5llige  ökonomische  Gleich- 
heit eintr(  tcn  oder  der  Erwerbstrieb  bei  allen  Menschen  dieselbe 
Kraft  erlangen  würde.  Mercicr  de  la  Rivij^re  meint,  die  ^inei^a- 
lit(i  des  conditions"  sei  „dans  Tordre  de  la  justice  Dar  eüsence". 
Die  Ungleichheit  entspringt  nach  ihm  dem  ^tourbiUon  des  ha- 
aards",  aber  vonsusswcise  den  „nuances  prodigieuses  cmi  sc  trou- 
vent  entre  les  &ci9täs  nteeasaires  pour  acqu^rir*"  ^  Und  in  dem 
glänzenden  Genüllde,  wcMies  er  in  dem  Schlu&kapitel  seines 
\Verkes  libi  r  die  Olücks'  ligkeit  im  Reiclu-  der  natürlichen  Ord- 
nung' entwirtt.  sa;;t  er  nur,  dals  die  kras*>cn  (»konoinischen  Un- 
gU  ichheiteu  sich  mindern  würden,  .,./e  ne  sais  ,  heilst  es  weiter, 
„si  dans  cet  ötat  nous  apercevons  des  malheureux;  mais  s'il  en 
est,  ils  sont  en  bien  petit  nombre;  et  celui  des  heureux  est  si 

Srand,  que  nous  ne  devons  plus  dtre  inquiets  sur  les  seoours 
ont  ceux  lä  peuvent  avoir  besoin"-. 

Adam  Smiths  Ansicht  von  der  Gleichheit  der  Menschen  im 

'  I.  1..  24. 

'  Daire,  II,  S.  630. 


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X  2.  173 

;(llL^f'!>if  iiif  n  und  der  wirtschaftenden  im  besondern  ist  früher  so 
ausiuhriich  dar{:^ele^^  worden ,  dafs  icli  dem  Leser  die  Wieder- 
holung des  Bekaiioten  nicht  zumuten  will. 

i5a  Queanuy  wie  Smith  durch  so  viele  Kräfte  in  eine  privat- 
wirtochaftliche  Atiffiusung  der  Volkswirtscbaft  hineingedrängt 
Warden ,  so  konnte  die  organische  Theorie,  welche  von  Quesnay 
entwoirfen,  von  Adam  Smith  in  allem  wesentlichen  angenommen 
worden  war,  nicht  zu  ihrem  vollen  Rechte  kommen. 

Km  zweiter  Charakterzug  drr  französisch-englischen  poli- 
tisclicn  Ökonomie  des  18.  Jahrhunderts,  welcher  in  dem  Vorner- 
gehenden schon  angedeutet  wurde,  aber  noch  eine  besondere  Er- 
wähnung verdient,  ist  der  unbegrenzte,  gläubige  O  p  t  i  m  i  *»  m  u  s.  ^ 
Die  Übeneugung  wird  diesfeit  und  jenaeit  des  Kanals  aus- 
gesprochen, dals  von  Gott  dne  Ordnung,  eine  Harmonie  »wischen 
den  Interessen  yerschiedener  Länder  vorgesehen  sei,  welche  so- 
fort erscheinen  werde,  wenn  die  nattlrlichen  Rechts-  und  Sitten- 
gesetee  erkannt,  verkiiTidi^'t  und  befolgt  wtlrden.  Ys  ist  die 
Harmonie  des  freien,  mir  den  Forderungen  der  Gerechtigkeit 
unterworfenen  \'erkehrs  zwischen  den  Privatwirti>chaften  der  ver- 
schiedenen Länder. 

Sie  tritgt  also  drittens  einen  wesentlich  kosmopoliti- / 
sehen  Charakter:  das  Naturgesetz  ist  nicht  blols  für  ein  Land, 
sondern  flir  alle  Länder  und  fUr  alle  Zeiten  gegeben.  Welcher 
Widersinn,  dafe  der  Schöpfer  für  verschiedene  Völker  und  verschie- 
dene Zeitilter  verschiedene  Gesetze  gegeben  haben  könne !  Wäre 
das  nicht  ein  Zweifel  an  seiner  Weisheit?  Kr,  der  das  ganze  Welt- 
all nach  Oertctz^n  eingerichtet  hat,  die  seit  Jahrtausenden  ohne 
sein  Zuthun  in  deräelben  W  eise  wirksam  tünd  iuul  immer  wirksam 
sein  werden,  sollte  die  Gesetze  der  menschlichen  G^esdlschaft 
nicht  ebenso  weitBchoaend  filr  alle  Zeiten  und  Völker  haben  an- 
richten k  niK  n?  Und  ist  die  menschliche  Natur  nicht  im  wesent- 
lichen uberall  dieselbe?  Sucht  sich  der  Mensch  nicht  überall 
zu  'M'! i:\lten  und  sein  Oese  hleclit  fortzupflanzen  ?  Strebt  er  nieht 
überall  nach  Genufs  und  Erwerb?  Treibt  ilui  die  Konkurrenz 
nieht  zur  Anspannung  aller  seiner  Kriiite?  Muis  er  nieht  arbeiten, 
um  zu  ei^en.''  K^ipital  ansammeln,  um  zu  produzieren?  Hat 
er  sich  nicht  Überall  einer  staatlichen  Gewalt  unterworfen?  Ist 
mcht  überall  das  Privateigentam  eingeführt?  So  mögen  also  die 
positiven  Gesetze  der  verschiedenen  Länder  m  unwesentlichen 
Punkten  voneinander  abweichen,  die  allgemeinen  Bestimmungen 
des  NatiuTcchtcs  in  Beziehung  auf  Ort  und  Zeit,  Art  und  \\'eise, 
I'orm  und  Formalität  präeisieren,  aber  im  wesentlichen  müssen 
sie  gleich  sein.  Mehr  räumen  die  Naturrechtslehrer  dem  Grund- 
satz der  Relativität  nicht  ein  ^ 


^  II  ^  a  bien  des  choses  que  le  Droit  Naturel  prescrit  seuictnent 
d'une  mauierc  g^o^ralc  et  ind6tennin^e  en  sorte  (|ue  fe  tems,  la  ms- 
niire,  le  lieo,  i'application  4  teile  et  teile  perBonne  et  autres  cii^ 


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174 


Das  wesentliche  aber  ist  viertens  die  Herstellung  der  vollen 
wirtschaitliclM'n  Freiheit  und  die  Sicherheit  des  Eigen- 
tums. Smith  denkt  nicht  so  optimistisch  von  der  otaatlicheu  Ge- 
setzgebung wie  die  fVanzosen,  audi  erkennt  er  die  Schwierig- 
keiten, welche  der  Einführung  der  liberalen  GeeetEgebung  ent- 
gcigenstehen,  aber  in  der  Fordemng  Btimmt  er  mit  den  Fnmoaeik 
ttberein. 

Diese  Forderungen  werden  nun  fünftens  mit  hohem  sitt- 
lichem Ernstp.  jfl  mit  Fanatismus»  vorc"etra^t'n.  Denn  was 
die  National«  jkunomen  verlangen,  ist  die  Verwu  kliclinng  der  gött- 
lichen Ordnung,  die  EriuUung  der  ewigen  Gerechtigkeit. 
Mit  welcher  EntrQrtaiijB;  bekUnoft  Dupont  de  Kemoun  die  Aus- 
fassong  J.  B.  Sajs,  die  politiscne  Ökonomie  sei  „la  science  des 
richesses!  Elle  est  la  science  du  droit  naturel  appliquo 
comme  U  doit  l'etre,  aux  soei^tös  civilis<ies/  Cnd  „L'economie 
politique  est  ceile  de  la  justice  4clair^e  dans  toutes  Ics  relations 
sociales  int^rieures  et  ext^rieures".  Sie  lehrt,  was  die  Regierungen 
^ne  doivent  pas  i)Ouvoir  devant  Dieu,  sous  pcine  de  inöriter 
ia  haine  et  le  mi  prib  des  hommes,  le  detroneraent  pendant  leur 
vie,  et  le  fouet  sanglant  de  Thistoire  apr^  leur  mort"*.  Und 
wer  erinnert  sich  niät  der  Zomausbrttcfae  Smiths  ttber  die  Ge> 
setze,  welche  gegen  die  natürlichen  Rechte  des  Menschen  yer- 
stofsen!  Diese  Seite  empßingt  ihre  Beleuchtung  von  der  That- 
stache,  dafs  das  Natnrrecht  der  1 'hy«?iok raten  und  Sraitlm  sieh  an 
die  Loekesche  Theorie  anscliiols  und  diese  auf  der  Grundlage 
der  stoischen  Lehren  stand. 

Mit  diesem  iiohen  .sittlichen  Seliwunge  scheint  sechstens 
die  materielle  Gesinnung  unverträglich,  welche  aus  der  jungen 
Wissenschaft  hervorblickt.  Aber  wir  haben  firüher  ausBuftdtfen 
gesucht,  in  welchem  Lichte  wir  diesen  Charakterzug  lietraditen 
müssen  und  es  schien  uns,  dal's  Quesnay  und  Smiüi  eine  ent- 
schieden ethische  Richtung  v^olgten. 

constances  semblables  sout  laiM^  k  la  volonte  et  &  Ui  pnidenoe  de 

chacun.  T-es  Loix  CivLIes  reglent  eucore  tout  cela.  Weiter  gäbe  es 
Handlungen,  die  nach  dem  Natunecht  fortan  frei  stehen,  dennocli  „il  est 
bon  de  les  rdduire  k  quelque  uniformite:  le»  loix  civiles  prcaciiveut  cer- 
taines  formes  et  formalit^s  .  .  .  teh  sont  les  testaments,  les  contracts." 
Pnfondorf.  Lm  Itevoirs.  II,  p.  872.  Nmli  Hutche^ion  ist  es  die  Auf- 
gabe der  büigeriicheu  Gesetze,  I.  to  contirm  tbe  laws  ot  uature  by  seeular 
peoalties  .  .  .,  2.  to  appoint  the  beBi  forma  and  circumstances  of  all  con- 
tracts,  dispositions  etc.,  flu  v  should  dirnct  a  pooplc  in  the  best  wjiy 
of  using  toeir  rights,  both  l'or  the  ])ublick  and  private  good:  limiting  them 
to  the  most  pruaent  methods  ot  u^riculture,  manufactures  and  commerce. 
4.  .  .  .  And  roust  in  like  manner  detennine  roore  precisely  what  the  law 
of  nature  onlcr«  with  ;:rf'at«T  latitude,  a.  a.  O.  II,  |>.  o27. 

Ö'il  peut  }'  avoir  dea  dillV-rences,  ce  n'est  ponit  dana  les  lois  qu'il 
COQvient  de  donner  k  ditierents  peaples.  mais  aans  les  moyeas  de 
ramener  h  i  ch  mßmes  loix  .  ,  .    LXaire,  II,  p.  526  Aiimorknng. 

£s  herrscht  also  im  deutscheu,  englischen  uu4  französischen  Natur- 
recht Uber  das  Prinxip  der  Relativität  die  vollste  Überebutinimung. 

1  Daire,  Physiocrates,  1,  p.  397. 


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175 


Es  wUro  oin  9  »nflcrbares  Unternehmen,  wenn  ich  mm  fV\Q 
Eigenöchartcn  auttüliren  wollte,  weicht"  die  politisch«'  Olconomie 
^es  18.  Jahrhunderts  nicht  besitzt.  Und  deiincjcii  muls  ich  zu 
üirer  volL>tändigeu  ßeächi*eibung  eine  der  fehlenden  Qualitäten 
beMidmeQ:  ne  ist  unhistoriach.  Han  wird  wahnohdiilich 
•die  Bicbtigkeit  meines  Urteik  für  den  PhysiokratismuB  zugeben, 
aber  meine  Behauptong,  Boweit  sie  Adam  Smith  trifft,  entscin'eden 
1  streiten.  Zum  Beweise  wird  auf  den  Reichtum  historischen 
Älutf^ri  vis,  geschichtlicher  Ausfilhrungen,  sociologischer  Retrach- 
tungen im  nationnlttkonomisclien  Werke  verwiesen  wer<len.  Diese 
sind  in  der  That  so  betraclitHch.  wertvoll,  iimfan^4 reich,  dafs  bei 
Bagehot  und  Delatour  der  Gethinke  entstehen  konnte,  Adam 
Smith  habe  eine  Geschichte  der  Civilisation  geplant.  Aber  die 
Entgegnung  übersieht  den  Punkt,  auf  den  es  ankommt.  Ge* 
schichtliche  Ausführungen  geben  und  gesdiiditÜcli  ( iimfindcn  und 
denken  sind  grundverschiedene  Dinge.  Dieser  Punkt  kann  im 
RahraeTi  dieser  Schrift  nicht  genügend  dargestellt  werden;  ich 
will  ihn  an  anderer  Stelle  beleuchten  und  be;:;nriic^e  mich  mit 
Folgendem.  Historische  Kopte  unter  den  Engländern,  welche  vor 
1789  schrieben,  waren  liuuie,  8teuart,  Ferguson;  ich  vermag  die- 
sem Zuge  Adam  Smith  nicht  anzureihen.  Er  wurde  von  der  psycbo- 
logiach- historisch -sociologischen  Bewegung  des  18.  Jahrhunderls 
giewiis  stark  ergriffen,  aber  das  Gerüst  seines  Geistes  wankte  nicht 
und  blieb  rationalistisch.  Zwischen  Rationalismus  und  Historis- 
mus aber  gähnt  ein  Abgrund,  den  man  erforschen,  aber  nicht 
überschreiten  kann. 


Ks  ist  bekannt,  dafs  die  wissenschaftliche  Reaktion  gegen 
den  philosophischen  Geist  der  französischen  Revolution  die  heftigste 
Feindsei igk'  it  <^e'^en  den  Rationalismus  auf  nllcn  Gebieten  ent- 
fesselte. Kr  war  zeitlich  bf^Tcciitigt,  wisse  nseiiatdi  li  bedeutend, 
prnktigich  fruchtbar  gewe.^eii,  wo  er  dem  Zweekmaisi^en  zum 
Durchbruch  verhalf.  Wo  beianden  wir  uns  jetzt,  wenn  diese 
Geistesrichtung  die  geistige,  sittliche  und  materieUe  Kultur  nicht 
ao  machtvoll  gefordert  hätte?  Aber  ihr  Ausgangspunkt  war 
fehlerhaft,  ihr  Charakter  einseitig  und  fanatisch,  in  iluen  letaten 
Konsequenzen  zeigte  sie  sich  anflOeend  und  zerstörend. 

Instinkt,  GefUhl,  Phant'isie  nmfsten  die  ihnen  zukommende 
Stellung' gewinnen ;  das  historisch  (Gewordene  in  iSprache,  Sitte. 
Gewohnheit,  Recht,  (ieselLschaft  und  Stallt  die  Autoritiit  erlangen, 
welche  ihnen  gebührte;  der  Begriff  der  Entwicklung  mul'stc  in 
aeiner  Reinheit  erkannt,  das  Recht  des  Besondem  und  des 
NationaleD  im  Gegensatz  zum  Staatlich -Allgemeinen  und  zum 
Kosmopolitismus  verteidigt  werden. 

In  der  Theologie,  in  der  Philosophie,  in  der  Jurisprudenz, 
in  der  Geschlchtschreibong,  in  der  Kunst  ist  ein  gemeinsamer 


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176 


X  2. 


negativir  und  positiver  Zu^  nicht  zu  verkt-nnen.  In  unserem 
Vatt  rlande  tVilgt  die  Zeit,  wo  Scheiermaclier  die  unversioLdvire 
Quelle  der  Religion  im  Gemüte  aufdeckt,  wo  »Schölling  die  rii.inuu>ie 
gevviüdermalsen  zum  Organ  der  Philosophie  macht,  wo  die  Roman- 
tiker, von  dem  Dufte  des  Besonderen  angezogen,  in  ferne  Zeiten 
und  Länder  schweifen,  eich  gleich  heimisch  in  der  Ober-  und 
Unterwelt  zeigen,  eine  ausgeprilgte  Vorliebe  fUr  alk«  Nicht- 
Vontintlige  an  den  Tag  legen  und  '^c^vn  Schiller,  den  dichter» 
ischen  Vr-rtrcter  der  Ideen  des  18.  Jahrhunderts,  einen  natürlichen 
"Widerwillen  cmptindfii.  Ks  fbl^t  die  Zeit,  wo  man  den  (Organis- 
mus dem  MechanisniUi»  mit  aller  Kraft  entgegensetzt,  wo  di<i 
mittelalterliche  Kunst  und  die  mittelalterliche  Welt-,  iStaat^j-  und 
Gesellachafbanschauung  wieder  erweckt  wird,  wo  die  antike 
Staatsidee  der  besten  Zeit  tieferes  Verständnis  findet,  wo  Nie> 
buhr,  Savigny,  Eichhorn,  Grimm,  Dies,  fiaur  und  andere  den 
deutschen  Geisteswissenschatlen  ihr  Gepräge  geben  und  ein 
architektonisch  grofsartiges,  den  Schönheitssinn  packendes,  mit 
historischem  Geiste  erfülltes,  phflosophiseli»  s  System  in  Hegels 
Panlogismns  ersteht.  Und  selbst  in  (U  n  Xat^r^^^ssen•^ehat"ten  zeigt 
sich  das  veränderte  Zeitalter.  Neben  der  exakten  Forsehung 
blühen  die  vergleichenden  historischen  Disciplinen,  wenn  dieses 
i  Heiwort  gestattet  ist.  Es  folgt  die  Zeit,  wo  der  Optimismus  der 
Weltanschauung  Newtons  und  Shaftesburro  durch  den  Pessimia- 
nius  Schopenhauers,  der  Optimismus  der  rhjsiokraten  durch  den 
( Optiniisnius  der  Sozialisten  und  die  Tdeologie  des  18.  Jahr- 
hunderts durch  den  Dar>vinisniU8  abgelöst  werden  ^  Und  schon 
ist  das  Zeltalter  des  l'ositiTismua  in  FVanloreich,  Deutschland  und 
England  angebroehen. 

l'riUiere  Ausführungen  schützen  uns  dagegen,  ais  ob  wir 
glaubten,  dafs  dieser  Unisehwung  ein  plötzlicher  gewesen  sei. 
Wir  erwähnten,  wie  sich  schon  im  18.  Jahrhundert  Instinct  und 
Geftlhl  gegen  die  kahle  Vernunft  erhoben,  wie  sich  eine  psycho- 
logisch-historisch-induktive Methode  Bahn  zu  brechen  suchte,  es 
ist  bekannt,  da(s  nicht  alle  Deistcn  und  ScIiüUt  Shaftesburys 
Optimisten  waren,  dais  es  im  IH.  Jahrhundert  einen  naturrecht- 
licnen  Sozialismus  gab,  dafs  die  Idei;  der  Entwicklung  durch  die 
epikiirei>eiie  Sociologie  gefördert,  in  Voltaire,  Turgot,  Oondorct  t, 
Lumai-ck  lebte  Wir  vvis-cn,  dafs  schon  im  I^.  Jahrhundert  die 
schöne  Litteratur  neue  liahncn  beschritt  und  wahrscheinlich  durch 
Montesquieu,  am  meisten  aber  durch  Roussciius-  Entgegensetzung 
yon  Natur  und  Kultur  beeinflulst,  die  Schönheit  der  freien 

*  K.'uits  Kritik  der  Hcweise  für  das  Dasein  (rottPSi,  die  Aufdec  kunr,' 
des  Kampfes  uin's  Dasein  im  I^tiHiizen-  uud  Tierh'beu,  die  Erklünuig  der 
ZweckiniifMgkeit  ohne  Aunuhme  eines  Zweckes  wirkten  zusunmeD,  um 
den  ^tiinisinus  des  1  ^.  faliiliuiKh  rts  j.u  «n'lr/.en.  Der  ihm  widersprecbfn- 
den  Toatsacheo  waren  äicii  hir\ orragundc  Geister  wohl  bewufst.  biebe 
Hutcheeon,  a.  a.  O.  B.  I,  Kap.  9. 

*  Panlscn  hringt  ihn  m  eine  feiuttnnige  Beziehung  za  den  modernen 
Pessimisteu,  a.  a.  O.  1,  p.  120. 


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X  2.  177 

Natur,  die  Poesie  des  Getlihles  und  der  Leidenscliaft.  den  Reiz 
und  den  \\  ert  des  Volkstümlichen,  die  Eigenartigkeit  dea  I' reuideo 
entdeckte.  Aber  was  sich  im  vorigen  Jahrhundert  mit  Mühe 
flcan  Dasein  gegen  feindliche  Gewalten  erkllmpfte,  kwere  oder 
engere  Verbrndungen  mit  Fremden  eingehen  mul'ste,  dann 
allmählich  immer  stärker  und  umfangreicher  wurde,  das  breitet 
sich  nun  behaglich  allseitig  aus,  befreit  sich  von  den  anhaftenden 
Umsch!ini];^iin2:pn  und  erkennt  im  Bilde  des  besiegten  Gegners 
das  ti^uiie  Wesen  deutlicher. 

Es  konnte  nicht  fehlen,  dafs  auch  die  politische  Ökonomie 
vom  Hauche  des  neuen  Geistes  berührt  wurae.  Denn  da  sie  so 
innig  mit  der  Philosophie  des  17.  und  18.  Jahrhunderts  Ter- 
"wtuamea  war,  so  mnlste  sie  in  den  Sturz  des  Alten  verwickelt 
werden.  Der  von  dem  Naturrechte  untrennbare  Teil  der  Wissen- 
Schaft)  die  naturrechtliche  Politik,  fiel  zuerst  und  scheint  wenig- 
stens in  der  Wissenschaft ,  wenn  auch  nicht  im  L(>hen  ,  zu  den 
Toten  geworfen.  Nur  dafs  hier  und  da  noch  ein  unklarer  Kopf 
seine  Sozialpolitik  auf  dem  Sandhauten  naturrechtlicher  Ideen 
aufbaut.  Wieder  ein  wacher  Traum  der  Menschheit  war  vorüber ; 
das  einzig  Wesentliche  an  ihm  waren  ein  Bedttrfiiis  und  ein  Geft&hl 
gewesen,  welche  sich  über  den  Emst  des  Intellektes  lustig  machten. 
&e  Notwendigkeit  der  Reform  der  theoretischen  Nationalökonomie 
Im  Geiste  des  19.  Jahrhunderts  wurde  lange  Zeit  ziemlich  allge- 
mein anerkannt,  aber  in  den  letzten  Jahren  hat  sich  eine  rück- 
läufige Strömung  gezeigt,  deren  Vertreter  sich  jedoch  teilweise 
über  den  wissenscliafiHchen  Charakter  ihres  Schaffens  im  Un- 
klaren befinden.  Interessant  ist  es  jedenfalls,  dafs,  wahrschein- 
lich mit  der  Keubelebnng  der  Scholastik  sosammenhängend,  das 
Natunedit  ebenfalls  wieder  Boden  gewinnt  und  eine  deutsche 
theologische  Richtung,  wie  ihre  Gegner  behaupten,  von  dem  kan- 
tischen  Rationalismus  angesteckt  ist. 

Wenn  aber  die  Geschiclit^'  unserer  Wissenschaft  ihr  Ent- 
wicklung^^setz  aufdeckt,  dann  darf  man  überzeugt  sein,  dafs 
nur  diejenige  Nationalökonomie  die  Zukunft  für  sich  hat,  weiche 
mit  dem  pliilosophischen  Geiste  der  Zeit  fortschreitet. 


Forscliuag^n  (43)  X  2.  -  ÜMbacb.  12 


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?Ut«^K\»  HoflmolidrttelCMti.  Stopbaa  0«tWl  *  C«.  in  Altmbttt. 


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Ptorer'»che  Hofbaohdrackmi.  Strphm  0«ib«i  *  Cn.  in  Alteobsif . 


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Vertag  von  DUNCKER  &  HUMBLOT  in  Leifizig.  < 

r 

Das  I 

englische  Arbeiterversicherungswesen. 

Geschichte  seiner  Entwickelung  und  Gesetaq^ebung. 

Von  \ 

WUhelm  Hasbaoh.  V 

1883.    Treib  10  M. 


Diiiiiir  eioip  Mäiei  des  MI&  vä  k  YolbwirttecbafL 

Von 

Ouftav  Schmoller. 

m&,  Preis  2  M.  40  Pf. 

Die  Auf||aben  der  KuKurgeschichte. 

Von 

Eberliard  Oothain. 

1889.  Preis  1  M.  60  H. 


Die  {(lassische  Nationalökonomie. 

Vortrag  gehalten  von 
Lujo  Brentano. 

1689.  Preis  1  M. 

Die  leuestei  MMße  der  DatiOMlteii^^^^  TM. 

Von 

Emil  8ax. 

1889.    Preis  1  M. 


Maurer,  Geschichte  der  Markenverfassung.  (Ladeupr.  8"-'  &  M.)  5M. 
Fronhüfe.    1  Bde.    (35Vs  M.)  19  M. 
DorfVerfassiing.   2  Hdc.   {\4^  &  M.)  ö'/«  M. 
Städteverfassung.  4  Bde.  (46'/»  M.)  24  M. 
liefert 

Kerler's  Antiquariat  in  Ulm. 


Pltwt^lw  li«fbii«Unckml.  fitepbu  Mellwl  *  0».  in  AltoftVwv.       (^'git'zed  by  Googk 


gen. 


Herausgegeben  von 

Gustav  SclimoUcr. 


Band  X. 


Heft  3. 


Beiträge 


zur 


der 

vereinigten  Mederhinde 

1  m    1  7.   n  II  (\    1  S.    .J  }i  h  r  h  \\  n  der  t. 

Von 

Dr.  phil.  Otto  Prlngshelm. 

Con^idort»  «lunn  Hon  liiittoire  geii^ralv, 
aucuii  ix'uplo  u  plii.H  jiiiitt.*  titrc  «{ue  i-cliii 
<U<  la  HuIIuihI«  nu  m^rite,  d'etrv  uppt^lö 
»sraiHl. 

KecluB.  N'ouvt'Ilt»  geofrraphie 
uiiiviTJ»«"!!»'  IV. 


1?, 


Leipzis 

lIE     Verlag  von  Duncker  &  Humblot 

1890. 


GooqI^ 


Staats-  und  socialwisseiischalbliohe 

Forschungen 


herauHgegebeu 

Gustav  Schmoller. 


Zehnter  Baud.   Drittes  lieft 

(D«r  gunn  Bailu  Tl«ui4vi«nifilM  Heft.) 

0.  l*ringsht'ini,  ßeitra^2;('  zur  wiitschaltliihon  EntÄ'ickehinpsfreschichte 
der  vereiuigten  Niederlande  im  17.  und  18.  Jahrhundert. 


Lelpilgy 

Verlag  von  Duncker  ft  Hnmblot 

1890. 


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A 


Beiträge 


rar 


der 


vereinigten  Niederlande 

im  17.  und  18.  Jahrhundert 

VOD 

Dr.  phil.  Otto  Pringsheim. 


Coiisidt  ir  (lau-,  ■^i  ii  liistoiro  t;»'n(!'ri  1», 
»ucun  peuplu  ä  plua  juüt«  titre  qua  oelui 
d«  U  HoUaiid«  im  ntril»,  d*«tr*  i«p«l« 

B«elttt,  K««f«]I«  g«08T»phi» 
VBiraxMll«  nr.  186. 


Leipzig^ 

Verlag  von  Duncker  Humblot 

1890. 


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Vorwort. 


Die  n  irts(  iiaftlii'he  Entwickelung  der  niederländischen 
Kepubiik  ist  in  Ueutachiaiid  noch  nicht  zum  Gegenstand  einer 
wissenschaftlichen  Bearbeitung  gemacht  worden.  Diese  Lücke, 
ftuf  die  mteh  aufineritsam  sa  machen  Herr  Professor  Soliitnoller 
die  Güte  hatte,  macht  sich  dem  Historiker  um  so  bemerkbaret, 
als  im  17.  Jahrhundert,  der  Zeit,  die  der  Menschheit  Ehre 
macht  (1  fi]>]aoe),  die  Holländer  bekaantermaTsen  eine  fHbrende 
KoUe  spielen. 

Als  ich  mich  nun  an  die  Lösun^r  der  hezeiehneton  Auf- 
gabe machte,  stellte  sich  bald  heraus,  daib  ohne  lan^ähnge 
Ät^trstiidien  eine  Oeiehichte  dea  niedenändkehen  Wirtadiaiv* 
lebens  nicht  zu  ichreiben  sei.  Fttr  diesen  Zweck  reiclite  daa 
Material,  das  ich  während  eines  kürzeren  Aufenthalts  in  Hol- 
land sammeln  konnte,  nicht  aus,  wohl  aber  bringt  die  auf 
Grund  desselben  verfafste  Arbeit  wenigstens  die  Hauptmomente 
jener  Entwicklung  zur  DarsteHung. 

Von  deutschen  Vorarbeiten  kam  nur  in  Betracht  das  be- 
kannte Werk  von  E.  Laspeyres:  Geschiclite  der  volkswirt- 
schaftlichen Anschauungeil  der  Niederländer  zur  „Zeit  der 
Republik".  (Preisschrift  der  Fürstl.  Jablonowskischen  Gesell- 
scnaft)  Leipzig  1803.  Obwohl  dasselbe  neben  der  G^esckichte 
der  ökonomischen  Theorieen  auch  die  diesen  zu  Grunde 
liegende?n  Thatsachen  darstellt,  so  geschieht  diea  doch  Tiur 
beiläuiig  und  nur  zur  Erklärung  der  erstem.  Dabei  bleilx  n 
wichtige  Wirtschaftsgebiete  unberührt  und  namentlich  die  so- 
ciale Seite  des  Gegenstandes  wird  ganz  yemachlässigt,  auch 
gehen  die  leitenden  Gesichtspunkte  häufig  in  einer  Fülle 
▼on  Details  yerloren.  Ich  habe  meine  Darstellung  auf  die 
von  Laspeyres  wenig  oder  gar  nicht  besprochenen  Punkte 
)H"i<-hränkt.  Verlor  die  Arhoit  hierdureli  den  Vorzug  epischer 
Breite,  so  war  gedrängte  Kürze  bei  eioem^  Gegenstand  nicht 


VI 


Vorwort. 


unangebraclit,  der,  wie  mir  >rli('int.  durch  die  grofse  VVeit- 
läuügkcit  der  bisherigen  BeiiaiuUung  am  mciäteu  an  Interesse 
eingebtlfdt  hat. 

Als  Beispiel  einer  ebenso  chronistenhaft  redseligen  wie  ten- 
denziösen Bearbeitung  unseres  Themas  ist  das  Buch  des  Ad- 
vokaten Elias  Luzac  „Der  Reichtum  Hollands"  zu  erwähnen. 
A\x  Ende  des  18,  Jahrhunderts  anp^csiehts  des  Verfalls  des 
nie<lerlUndisehen  Handels  und  der  Iiulustrie,  das  Naehdenkcu 
Uber  die  Ursaeheii  dieser  Erscheinung^  erwachte.  tr>l)te  im 
Lande  ein  heftiger  l^arteikauipf.  Wenig  bemüht  um  histo- 
rische Wahrheit,  suchten  die  Schriftsteller  joner  Tage  in  der 
Vergangenheit  nur,  was  dem  Hause  Oranien-Nassau  und  seinen 
Gegnern  zum  Ruhm  oder  zur  Schande  gereichen  konnte.  Ob- 
w^ohl  daa  Buch  des  Luzac  am  meisten  nach  dieser  Richtung 
fehlt,  hat  es  bis  auf  den  heutigen  Ta<r  ein  unverdientes  An- 
sehen behauptet  und  namentlich  die  Au^chauungen  deutscher 
Historiker  vielfach  beeinflufst  ^ 

Die  holländischeu  Citate  im  Text  habe  ich  meistens  über- 
setzt, dagegen  glaubte  ich  die  urkundlichen  Beilagen  in  der 
Ursprache  wiedelgeben  zu  müssen.  Nur  bei  der  letzten  Bei* 
läge  Nr.  6  wurde  eine  Ausnahme  gemacht,  weil  hier  das 
Original  in  einer  gedruckt-  ii  Quelle  eingesehen  werden  kann. 

Bei  den  archivaliselieii  »Studien,  die  ich  zum  Zweck  dieser 
Arbeit  anstellte,  fand  ich  in  Holland  die  liebenswürdigste  Auf- 
nahme und  Unterstützung.  Zu  besonderem  Dank  verpflichtet 
bin  ich  dem  Commies-Chartermeester  Herrn  J.  H.  Hingmau 
wie  den  übrigen  Beamten  des  Reichsarchivs,  Herrn  Tiedman 
von  der  K<»nig1ichen  Bibliothek  im  Haag  und  Herrn  Mr.  N. 
de  Roever,  Archivar  von  Amsterdam. 

Breslau,  Oktober  1890. 

Otto  Fringf»lieim. 


*  Eine  nicht  scbtncichelbafte  Kritik  des  Luzac  giebt  F.  A.  Liider: 
Oeselrichte  des  hoUSndisehen  Handels.  Leipsig  1788.  Vorwort. 


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Inhaltsübei*sicht. 


Einleitimg.  smu 
IMe  Skonomtsehe  Entwickelung  der  Niederiande,  erklärt  aus  der 
unveränderten  Beibehaltung  der  Principien  d^  mitteUlter- 

licben  StadtwirtBcbaft   1-^ 

Sntee  Kapitel. 

Entwickelung  des  uederttndifleheD  Hendela  im  17.  und  18.  Jabr- 

hundert   10 — 24 

Umfiing  des  niederlindischen  Handele  nach  Pethr  und  Kluit .  .  10 
tTnrlchtige  Auffassung  von  Laspegrres  Aber  die  mtwickelnag  des 

nipfjfrliindischpn  Handels   11 

Kelative  lilütc  des  niederländischen  Handels  bis  1780  ....  11 

ZoUeinnahme  der  AdmiralitSten   12^14 

Übergewicht  des  euroj)äi8clieii  Handels  der  Niederlande  fiber  den 

tibeTBeeiscben  VcrJiebr   16—17 

Die  Ostsee  als  wichtigstes  Haadelsgebiet  der  Holländer ....  17—18 

Bedeutung  des  Sundes  und  des  Sandsolls   19 

Zollerhöhungen  Dänemarks                                                .  90 

Tertrag  von  Christianopel   81 

Ablösung  des  Sundzolls   22 

Niederländische  Politik  im  dänisch-schwedischen  Kriege  l'i^T— 1660  22 
Geringere  Hedeutung  des  Sondzolls  im  18.  Jahriiundert  Kulsiauds 

\  orrücken  an  die  Ostsee   28 

Ver£tll  des  niedeiliUidiseben  Ostseebaadels  ........  24 

Zweites  Kapitel. 

Die  Onnuiisation  des  Handels.    Die  grofsen  Compagnieen     .   .  2ö 

Die  KoDegien  Gar  denLerantebandefand  den  rassiMben  Handel  26—28 

Drittes  lapltel. 

Entwickelung  der  niederländiseben  Induslrie  im  17.  and  18.  Jabr* 

hundert     29 — 89 

Vorberrscben  des  Kiembetriebs  in  der  Industrie  bis  sumletzten 

Drittel  des  17.  Jahifannderts   »-91 

(Je werberechtliche  HindemissederErrichtunggrofserMtinufakturen  82 
Eiuflufs  der  französischen  R^fugi^s  auf  die  Juitwickelung  der  In< 

dustrie   S8 

Beispiele  von  Grofsbe  tri  eben  seit  1688   84 

Verfall  der  Industrie  seit  IISO   85 

Grunde  des  Verfalls.   Hohe  Arbeitslöhne.   Gründe,  weshalb  die 

Verlegung  der  Fabriken  auf  das  platte  Land  unterblieb  .  86 
V«vuche  zur  Hebung  der  Industrie  in  der  zweiten  Hftllte  des 

18.  Jahrhunderts   87 

Haogel  an  BohatoÜBnin  den  Kiederlandea.  Die  SSnflibr  von  Bob- 

seide  imd  die  OBtbdische  Compagide   88-^ 


YIII  Inhaltsabenicbt. 

Vierte«  Kapitel. 

Sfitt 

Die  Gewerbevr-rfassung  in  den  Niederlanden.  40—47 
Die  Gilden  in  ihren  vefscbiedeneu  politischen  und  wirtschalt- 

liehen  Funktionen   40 

Obricrkeitlicho   VerordnungeD  bebufr  Siduumag  eiiMr  girten 

'Qualität  der  Ware»   42-4^ 

Die  mllefi  derTextilindustrie,  die  Saj-  and  GrriinhaUeiii  Leydflii  44 
1^  hHusindastriellen  Ordnungen  des  16.  Jahrbimdeite.  Ihre 

8<)cialpolitit)che  Bedeutung   45 

Organe  tur  Beaufsichtigung,  der  Mmaftktareii   46 

Mugel  w  Einiiehtaiigai  «ir  F6iderang  der  bidortrie  im  aU> 

geneineD  «  47 

FBnfte»  Kapitel. 

Die  Lage  der  nieder! knciisc-hen  Arbeiterklu^i^e  während  des  17. 

und  18.  Jahrhunderts   48—56 

Qewerbercclit  und  r.pwprbrpHÜzni  in  den  Htaden  der  tttedtp 

nicht  des  ätaats.  Hecht  auf  Arbeit   4Ö— 4» 

AiMaieit,  Somitagserbett  Nachtarbeit   46—50 

Lohiisiitzo.  SchifTbaurr,  Tuchachenr,  Bauarbeiter  eto.    .  .  50-52 

Ernährungsweise  der  Arbeiter   53 

Wohnungsverhältnisse   54 

Frauen-  und  Kinderarbeit     55 

Organisation en  der  Arbeitor,  die  Knechtsgildeu   56 

Die  Organisation  der  Torf-  und  Komtrfifer   57 

Dan  Kassen wesen,  Kranken-  und  Sterbekassen   58 

Reromä  über  die  I^age  der  bolliindiachen  Arbeiter   ....  59 

Sechstes  Kapitel. 

Zur  Geschichte  der  bucialen  Bewegung  in  den  Niederlanden  tiO — 71 
SocialpoUtiflehe  Folgen  der  OkoDomiselien  Eptwickelong  der 

Niederlande  seit  Anfang  des  17.  Jahrhunderts    ....  60—61 

Politische  Kämpfe  seil  dem  Tode  Wilhelms  IT  1650  ....  $i 
Das  Quäkertum  und  sdue  sociale  Uedeutuug.  Agitationen  der 

Quäker  in  Holland   66 

Jean  de  I  uhadie  und  seine  Sekte.  LHe  kommBnistiiehe  Kolonie 

VValtiia   67 

SociaUstische  Tendenzen  und  revolutionäre  BewegnuceD  in  der 
zweiten  Hälfte  dea  ]7.  Jahrhundertib  Anfirtand  in  Amster- 
dam lj596  *   6ö 

Die  Arbeiterbewegung  in  der  Tneblndnttrie   69 

Die  Arbeiterbewegung  in  andern  (Joworbon                  ...  70 

AUgemeines  Uber  die  sociale  Bew^ung  des  17.  Jahrhunderts  71 

Anlinng. 

L  Zur  Statistik  der  Leydener  industric   72  74 

IL  Kurse  Angabe  der  Tuchmaeher  an  die  Qeneralstaaten  nebst 
Fnti]re|jnun^  der  Ri^onuig  ▼on  Amsterdam  über  das  Tneb- 

macherge  werbe   75 — 89 

m.  Akteosraeice  mr  Reform  des  ZolitatiAs  1688    90—96 

IV.  Kur/.e  T'1  t  rlit  über  die  von  der  9tadt  Amsterdam  auf* 

gebrachten  Staatssteuero  1671— tt5   97—103 

V.  Aktenstficke  ttber  die  Gtflnde  des  Verfiills  der  Seiden- 
indnstrie  und  die  Mittel  zur  Hebung  derselben    ....  104—120 

VI.  Kevidierte  und  vennehrte  Statuten  dor  Kraukenkaase  für 

die  Brauer;ge8ellen  in  Leeden   12 1—126 


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Einleitung. 


Die  ökonomische  Entwickeliing  der  vereinigten  Nieder- 
lande zur  Zeit  der  Republik  hat  steti»  als  ein  Rätsel  gegolten. 
Und  doch  läfst  sich  die  beispiellos  schnelle  Blüte,  wie  der 
jähe  Niedergang  des  kleinen  Landes  auf  eine  HaupLuibache 
BurQckftlhren. 

Die  Niederlande  oder  wenigstens  ihr  ">v ich tigster  Teil,  die 
Provinz  Holland,  waren  dasjenige  Land  NordearonaSy  in  dem 

die  Süldte  und  das  atüdtische  Bürgertum  libcr  andere  sociale 
^Indtto  nm  frOheftten  ein  Übergevricbt  erhielten  und  es  dauernd 

behaupteten. 

Schon  Aiiiang  des  16.  Jahrhunderts  war  fast  die  Hälfte 
der  holländischen  Bevölkerung  städtisch^.  —  Unter  dem 
schwachen  Regimente  der  Griae&  aus  dem  hennegauischen 
und  bayeriflfdieii  Hause  hatten  die  Städte  Privilegium  auf 
Privilegium  von  den  Landesherren  erworben  und  damit  eine 
Machtstellung  erobert,  die  auch  ein  Stärkerer  Arm  ihnen  nicht 
zu  eiitreifsen  vermochte. 

n»'r  Kani}>f.  den  die  burgundisch-habsburgischen  Fürsten 
von  Karl  dein  K.ühueü  bis  auf  Philijjp  II.  gegen  die  Autonomie 
der  Städte  führten,  endete  mit  der  Unabhängigkeitserklärang 
der  sieben  Provinzen  nnd  dem  80jährige&  Befreiungskrieee, 
ebensosehr  angefacht  durch  den  Widerspruch  gegen  die 
ccntralistischen  Tendenisen  der  s]MUiischen  Herrscher  %  wie 
durch  religiriso  Motive. 

Es  war  natürlich,  dafs  das  stolze  Bürgertum,  das  im 
Kam^jf  gegen  den  fremden  Despotismus  die  nationale  Freiheit 
erstritten,  in  den  neuen  politinchen  Zustand  auch  alle  Vor- 

'  Die  Bevölkennig  der  Provinz  Holland  betruir  1514  400  000  Seelen, 
von  denen  etwa  190  (K)0  in  Städten,  der  Rest  auf  dem  Lande  wohnte, 
P.  J.  Blok:  Eene  hoUandsche  stad  onderde  bourgondiBch-ooBten-rijkeche« 
beerechappij  \SS4.  p.  2. 

*  über  die  centralistische  Wirtachaftepolitlk  Karl  V.  in  den  Nieder- 
iHuden.   Wenzel  burger,  Geschichte  der  JSiederlaade,  I  1879  p.  806  f. 

Fonchungen  (44)  X  3.  —  Priiij(»hein.  1 


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2  X  a 

rechte  der  stftdtischen  GememwOBen  hinübernahm  ' .  Als  daher 
durch  die  Utrechter  Union  vom  25.  Januar  1579  die  sieben 
llordnie«l''rl;inflisclieii  Provinzen  zu  einer  engeren  Gemeinschaft 
zusammentraten,  wurde  die  Bundesirewalt  auf  das  dürftigste 
ausgestattet  und  gerade  in  wirtschattlichen  Augeiegcnheiteu 
ihre  Befugnis  aufs  engste  bemessen*. 

Abgesehen  von  der  Generalitäts-Finanxvenraltang*  fiel 
nur  das  Mttnawesen^  and  Zollwesen  dem  Bunde  anheim.  Die 
Regelung  der  Arbeiterverhältnisse,  die  Ordinmg  des  Annen- 
wesens, 80W(  it  es  nicht  kirchlich,  die  Beaufsichtigung  der 
Gilden,  das  Bankwesen,  selbst  das  Verkehrswesen  (Post  etc.) 
verblieb  der  Stadt-',  nidit  dem  Stnnte. 

Der  städtisclie  ( 'liaraivter  des  nie<l»?rlandisehen  Wirtsehafts- 
iebens  wird  auch  dadurch  niclit  vorwi.scht.  dafs  der  Handel, 
die  SchiHahrt,  die  Flufs-  und  Seefischerei,  Landwirtschaft  und 
Industrie  zahlreichen  Verordnungen  der  Generalstaaten  und 
Provinsialstaaten  unterworfen  waren. 

Wenn  Schmoller*  meint,  dafs  in  den  entscheidenden  volks- 
wirtschaftlichen Fragen  die  nicdorlilndischen  Staaten  eine  ge- 
schlossene Einheit  gebildet,  dafs  die  Kolonialpolitik,  die  Scliiff- 
fahrtsnolitik,  die  iftafsrogeln  betreffend  den  T.ovantehandel 
centralistisch  gewesen,  so  übersieht  er,  dafs  der  Bund  in  der 
R^^jrel  keine  Organe  zur  t.'berwachunj^  seiner  Mafsre^^'ln  besafs 
und  diese  Funktionen  an  provinzielle  oder  städtisclie  Beamte 
übertragen  mufste,  die  auch  hier  ihre  partikularistischen  Inter- 
essen geltend  machten.  ^EIs  ist  traurig,  klagt  der  BUiger- 
meister  Joachim  Rendorp,  dafs  die  meisten  Regenten  sich  stets 
fUr  verpflichtet  halten,  das  Interesse  ihrer  Provinz  oder  Stadt 
Uber  das  des  Bundes  im  allgemeinen  zu  stellen^." 

*  Über  den  konservativen  Charakter  der  Umwälzung  vgl.  P.  L. 
Hu  11er:  De  ttsat  der  vereenigde  NederUmden  in  de  jaren  siyner  wor- 
ding  1H72  j).  :?7. 

^  Wie  8ehr  das  iliirc]»  ilie  Utrei  hter  Union  geschaö'eno  Staatswesen 
in  der  Luit  sclnvcV)te,  zeigt  u.  a.  der  Umstand,  dafs  man  in  Un^wifsheit 
war,  vor  weU'hes  P'orum  die  Bundcsbcamfen  gehörten,  da  die  K   i  t 
■prechung  provinzieU  blieb.    Vgl.  Taii  Zarck:  Codex  BataTos  1711. 
p.  419. 

*  Organe  der  Flnsnsverwaltuiig:  Generalsehatsmäster  (Theaaorier 

Ticnenial),  ( lonerateliMiclunor  (Ontvanger  QeneiaalX OenmlitätBrechiiinigB- 
kammer,  r^oiieralitätatiuanzkftmmer. 

*  Art.  12  der  Utrechter  Union.  Westerkamp:  Das  Bundesrecht 
der  vereinigten  Moderlande.  (1579—179.5).  Uarborg  ls90,  p.  17.  Über 
dUe  Generalitätsmünifkammcr  vgl.  Westerkamp  p.  37. 

*  „Ich  würde  mit  einiger  Übertreibung  behaupten  können,  dafs  der 
Niederlünder  vor  1795  kein  Vateriand,  sondeni  nur  euie  Vatenladt 
kaniitc."  P.  J.  Blok:  Eene  hollandaehe  stad  in  de  middeleeowea  1888. 
Vorrede. 

*  Schmoller:  i)tudien  über  die  wirtschaftliche  Politik  Friedrichs 
dee  r^rofsen,  Jahrbnch  fttr  Gesetnebnng  etc.  VIII  1,  45. 

'  Joachim  Kondorp:  iNiomnricii  dicnenflf'  tot  oplieldering  van 
het  gebeurde  geduurende  den  laati^ten  engelschcn  oorlog.  Amsterdam 
1792,  I  p.  48. 


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X8. 


3 


Den  besten  Beleg  für  diese  Tliatsache  giebt  die  Gest  liiclite 
der  Admiralitätskollegien ^  Diese  wichtige  Behönlo,  df-r  Hie 
Erhebung  aller  Ein-  und  Ausgangszölle,  die  Ausriiätuiig  der 
Flotte,  die  Rechtsprechung  flber  Prisen  und  Verbrechen  an 
Bord  von  Krie^schiffen,  die  Strafverfolgung  von  ZoUdefrauden 
oblagt  war  eine  Brutstätte  von  Korruption  und  ein  Muster 
von  schlechter  Verwaltung.  Zur  Vermeidung  des  Einflusses 
von  lokalen  Interessen  hatte  man  die  Bestimmung  getroffen, 
dafs  von  flen  Räten  jedes  Kollegiums  nur  vier  aus  der  Pro- 
vinz, in  (Jov  daa  Kollegium  seinen  Sitz  liatte,  und  die  übrigen 
aus  anderen  Provinzen  gewählt  werden  üoUteu.  Ferner  mufste 
jeder  der  Beamten  der  Admiralität  einen  Eid  leisten,  ohne 
Ansehen  der  Person  und  ohne  Rücksicht  auf  das  (Quartier, 
in  dem  er  wohnte,  in  allem  su  handeln,  und  die  Kollegien 
waren  gehalten,  die  Zölle  auf  Grund  gemcinschaMcher  Ver- 
ordnungen und  Listen  in  gleichniäfsi<;er  Weise  zu  erheben*. 
Allein  was  half  das  alles  gefrenüber  der  Allniaclit  der  städtiselien 
Magistrat*'^  Sclinn  16'26  f;md  eine  Untersuchung  über  die 
Geschäftstiilii  iing  der  Admiralit.'tt  an  der  Maas  statt.  Eine 
grofse  Anzaiii  von  lÜLten  und  anderen  Beamten  mufste  be- 
straft werden,  da  sie  zum  Nachteil  des  Staates  grofse  persön- 
liche Vorteile  gezogen  hatten.  Als  man  infolge  ähnlicher  Vor- 
kommnisse 1631 — 36  die  Hälfte  der  Zölle  verpachtet  hatte, 
erhob  sich  hiergegen  seitens  der  Städte,  namentlich  Amsterdams, 
eine  solche  Opposition,  dafs  man  lt)37  zu  df^r  alten  Erludnings- 
art  mit  dem  bei  ihr  unvermoidlii-hen  Sclnnu;r;j:el  und  Betrug 
zurliekkelirte.  Die  Khigen  über  diese  Übelstäiide  gehen  dureh 
das  ganze  17.  Jahrhundert.  Eine  Untersuchung  im  Jahre 
1685  bewies,  dafs  ganze  Schiffsladungen  geschmuggelt  wurden, 
dafs  die  Beamten  der  Admiralitäten  hiergegen  nicht  einschreiten 
konnten,  woil  die  Regenten  der  Städte  ilmen  dies  verübelten 
oder  sie  auch  direkt  daran  verhinderten®.  Dazu  kam  noch, 
dafs  die  wichtigsten  Ämter  ftir  Geld  an  unfähige  Menschen 
vergeben  wurden*,  ilal's  dio  Beamten  oft  in  den  wichtigsten 
Fällen  nicht  zu  hnden  wann'',  dafs  die  Buchführung  liederlich* 

'  Die  Gcscliichte  der  Admiralitätskollegien  würde  einen  der  wich- 
ti^te»  Beitrüge  zur  \N'irt:ichaftt9geBchichte  d(>r  Niederlande  biideu.  liisher 

Pebt  68  kein  Werk  hioriibert  vgl.  Jedoch  P.  L.  Maller  1.  o.  p.  417. 
H.  Engels:  De  belasting^en  en  de  gcldmiddelen  van  den  aanvan^  der 
republiek  tot  op  heden.  1862.  p.  32,  p.  39f.  Jacobus  Sckeltema: 
V«rbandelii^  over  den  geest  van  hot  pluLkaat  ysn  Sl.  JoH  1725,  op  den 
ojifirf  firr  convooijen  en  liconten.  Anasteidam  1816.  Kluit:  Historie 
der  hüUandscbe  Btaatsregering  III,  ^7  ff.  Mr.  D  .  .  .  Over  de  aloude 
▼ryheid  Tan  handel  cn  nijverheid  1840,  p.  239  ff.  vanSlingelandt: 
Staatkimdige  geschriften  IV,  287  f. 

•  Instruktion  vom  13.  Angost  1597,  Art.  1,  Art  60. 

•  Mr.  D  .  . .  .  p.  260. 

•  1  c.  p.  252. 

°  In  AiTisterdnm  waren  im  Januar  17:j2  alle  Rate  ttiid  Bedieiuiteten 
des  KoUegiujns  nicht  auf  ihren  Posten,   1.  c  p.  259. 

•  1.  e.  pu  281. 

1* 


4 


X  3. 


xmä  die  Kochnuntrslepmg:  in  Unordnung  war^.  Von  einer 
einheitlichen  Zuliverwahung  war  keine  Rede. 

Unter  diesen  Umständen  war  nur  zu  natürlich,  dafö 
ein  chroniachea  Deficit  in  den  Kassen  der  Kollegten  hemchte, 
dar»  ihre  Magaxine  leer  waren  und  die  Seenuusiit  des  Landes 
verfiel. 

So  also  sah  es  in  dem  Venvaltnngszweige  aus,  der  noch 
am  meiston  eentrnlistisch  organisiert  war.  Es  war  dies  aller- 
dings keine  wunderbare  Erscheinung  in  einem  ( i  ineinwcsen, 
das  nach  den  Worten  eines  modernen  Historikers  in  ebenso 
viele  Kleinstaaten  aufgelöst  war,  als  Städte  bestanden^. 

In  diesem  Ausspruch  liegt  keine  Übertreibung,  wenn  man 
bedenkt»  dafs  in  den  Generalstaaten  für  Bewilligunji;^  neuer 
Steuern  und  andere  wichtige  Angelegenheiten  Einhelligkeit 
der  Beschlüsse  erforderlich  war  nnn  in  den  meisten  Provinaial^ 
ständen  die  Majoritiit  ^ifli  hcl  <]cn  Srädten  befand. 

In  der  städtischen  Regierung  ireilich  war  alles  das  zu 
finden,  was  der  Bundes-  und  selbst  der  Provinzialregierung 
lehlte:  Vereinigung  weitgehender  Befugnisse  in  einer  Hand, 
Straffheit,  ein  Absolutismus,  wie  er  beispiellos  in  der  Ge- 
schichte dasteht  So  grofs  war  die  Gewalt  der  Magistrate 
sowohl  gegenüber  der  Staatsregicrung,  als  gegenüber  den 
Bürir<'ni^.  dafs  ein  eno-ltsclier  Gesandter  ausrief,  selbst  der 
Snltan  herrsclif  nicht  uimiiT^chriinkter  Nifmals  trüber  oder 
später  war  ini  Schoi'se  kommunaler  Körpersciiatten  einegröfsere 
Machtfülle  vorliauden  als  in  den  holländischen  „Vroedschappeu'* 
des  17.  und  18.  Jahrhunderts*. 

Die  Zeiten  waren  längst  vorOber,  wo  die  Bürger- 
schaft oder  die  Landesherren  Anteil  an  der  Stadtregierung 
nahmen.  Im  Mittelalter  besafs  die  holländische  Koromunal- 
verwaltung  nur  zwei  Otgane,  den  8chout  und  die  Schöffen, 

'  Der  Generalcinnehroer  de?  Kollegiums  zu  Rotterdam  überlieferte 
die  Rechnungen  für  1668  der  Qenoralit&tsrechnungskammer  am  11.  März 
lfi»;^i  nnd  erhielt  sie  erst  am  18.  Oktober  1668  zurück.  Aitzema  VI  p.  H(»1  — 
Jacobua  ächeltema:  Verfaandciing  OTer  deo  gemt  van  het  plakkaat 
▼an  81.  Juli  1725,  p.  34  macht  auch  auf  die  unswookmä^ige  Rcewitein* 
ti^ilnntr  <Ibt  einzelnen  Collcpti-Ti  nnfmrrkFnm.  Dveriisel  ^hdlte  SOm 
Kollegium  von  Nordholland,  Geiderland  zu  Amstmiam  etc. 

'  Theodor  Joriesen:  Hietorische  bleden  Berste  bände!  1890, 
p.  222.  .,Die  Regierung  der  Union  ^a>:T(  r  Kat  peusionär  van  de 
Spiegel,  ist  nur  provinziell  und  die  der  Provinzen  nur  municipal."  G.  W. 
Vreede:  De  Kegering  en  de  natie  sedert  1672  tot  1795.  Amstexdam 
1845,  p.  112. 

*  Die  StMdtTOL'-ir'niTig  hatte  das  Recht,  mifeliebigc  Bürger  zu  ver- 
bannen, ohne  lials  ikruiung  zulüssig  war.  Ke.'^ol.  St  Holl.  17.  Juli  ltjl3. 
▼an  Zurck:  Codex  Batuvus,  p.  59  u,  489. 

*  R.  FriTiTi  in  prinf>n  Hijtlragen  N.  II   HI  '^^'i, 

*  Den  prügnanteäten  Ausdruck  fand  dieää  Machtstellung  in  den 
Worten  «Ines  BH^enneiiters,  der  auf  die  Frage  dner  IMnieaBui,  oh  er 
Etlelmanii  sei,  erwiderte:  Wir  Edellcutt"?  nein,  wir  sind  die  Könige  des 
Landes!  Gra^n  van  Prinsterer,  Handboek  der  geecbiodeuis  1872  §  532. 


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5 


der  eine  der  Vertreter  dea  Fürsten,  die  anderen  Vertretet 
der  Bürger.  War  es  notwendig,  so  wurden  in  ein^.elnen  FäUen 

eine  Anzahl  angesehener  Bürger  um  ihren  Rat  angegangen. 
A^^  <Vu'  Ver^valtnng  zu  kompliziert  wurde,  um  sieh  mit  diesem 
^ItuUus  zu  begnügen,  erhielt  die  Stadtregit^ruiig  ein  neues 
Organ,  die  Vroedschap  oder  da*»  UatökoUegium,  eine  Körper- 
-  Schaft  Yon  20 — 40  Personen,  die  lebenslang  auf  ihren  Posten 
blieben^.  AllmAhlich  wurden  Schont  und  Schöffen  auf  polizei- 
liche und  richterliche  Funktionen  beschrSnkt  und  ue])en  den 
von  ihr  gewählten  Bürgermeistern^  hatte  die  „Vroedschap" 
den  gröfsten  Einflufs  auf  die  kommunal'^  Verwaltung. 

I)ie  Bürgerschaft  hatte  alle  Mitwirkung  bei  der  Wahl 
der  kouuiiuniden  Beamten  verloren.  Die  Statthalter  dagegen 
hatten  als  Nachfolger  der  Fürsten  das  Recht  behalten,  auf  Grund 
einer  vom  Stadtrat  gemachten  Vorschlagsliste  die  Kandidaten 
fhr  dies  Bürgermeister-  und  Schöffenamt  zu  nominieren.  1651 
aber  machten  die  Staaten  von  Holland  den  Städten  die  Konzession, 
ihnen  die  Wahl  dieser  Beamten  zu  tiberlassen.  Obwohl  nun 
1672,  1747  und  öfter  das  Recht  der  Magistratsernennung  in 
die  Hände  des  Statthalters  zurückkehrte,  so  wurde  dadurch 
die  Herrschaft  der  kommunalen  Oligarchie  nicht  gebroclien. 
£s  trat  lediglich  ein  Personenwechsel  ein,  die  neuen  Inhaber 
der  Amter  bildeten  eine  ebenso  geschlossene  Clique  wie 
ihre  Vorgttnger,  an  eine  organische  Reform  der  Stadtver^'al- 
tang  dachte  weder  Wilhelm  fil.»  noch  die  Oranier  des  18.  Jahr^ 
hunderts. 

Schon  um  die  Mitte  des  17.  Jalirliunderts,  zur  Zeit  als 
de  Witt  die  Geschicke  der  Nation  lenkte,  traten  die  Übel- 
Stände,  die  die  Omnipotenz  der  Städte  notwendig  auf  wirt- 
achafdiehan,  wie  auf  politischem  Gebiet  erzeugen  mufste,  so 
lebhaft  herror,  dafs  eine  gründliche  wirtschaftlich- politische 
Reform  erforderlich  wurde.  Die  Verwaltung  mufste  centra« 
listischer  gestaltet,  die  Gilden  beschränkt,  die  Zölle  ermilfsigt, 
Stadt  und  Liand  gleichgestellt^  ein  liberales  Fremdenrecht,  die 


'  Nach  P'ruin  in  Beinen  Rijdnigen  lU  '>.  218  f. 

*  In  Amsterdam  waren  die  Bürgermeister  auch  von  dem  ätadtrat 
DsbezQ  unabhängig.   Vd.  Fraln  L  c 

'  Das  Büttel,  wodurch  es  weoigen  Familien  gelang,  sich  und  ihre 
Günstlinge  in  den  Besitz  allor  lukrativen  Stellen  zu  setzen,  waren  die 
■ogeaannteu  „Contracten  vau  Uorrespondentie",  d.  h.  gegenseitige,  oft  eid- 
Ura  bekräftigte  A  bmseliiiBgeii  der  Stadtregenten.  Ijei  emteetendcn  Va- 
k«nzH>n  sich  die  Stimme  zu  ^eben.  VgL  J.  de  Witte  van  Gitters: 
CoQtractea  van  Correspondentie  en  andere  bijdragen  tot  de  geaehiedenis 
vsn  het  tmbtsbejag  in  de  republkdc  der  vereeni^c  Nederlanden.  Haag 
1*^78  und  1874.  Man  nahm  bi^hrr  nn.  dafs  diese  Vereinbarungen  erst 
seit  dem  zweiten  Drittel  des  17.  Juhrhuuderta  Torkommuu.  Neuerdings 
hat  jedoch  S.  Malier  Fs.  nachgewiesen,  daft  sie  nur  Foctaatanng 
älterer  aus  dem  Mittelalter  überlieferter  Mlbbitaehe  waren.  S.  Maller 
in  Frain  Bgdxagen  1869  p.  423. 


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6 


Q-leicbbcrechtigung  aller  Religionsgemeinschaften  *  proklamiert 
werflen,  falls  Hir  Nation  ihre  europäische  Stellung,  Harn^el 
und  Industrie  iliren  Flor  dauernd  behalten  sollten.  Vielloiclit 
hätte  de  Witt  wenigstens  einzelne  dieser  Fordcnmpren  ortiillt, 
wenn  das  Staatsruder  länger  in  seinen  lluudeu  gerulii  hätte. 
Da  fUhrte  die  französische  InTasion  von  1672  die  Oranier 
snrttck  und  diese  lielsen  in  der  Hauptsache  allee  beim  alten  *  —  . 
Selbst  der  hochkonservative  oraniseh- gesinnte  Groen  van 
Prinsterer    sagt;     „Nicht   grofs  war  der  Unterschied  der 

R^erung  mit  und  olinc   Statthalter  Man  (d.  h. 

die  Statthalter)  versuchte  nur  selten  durch  Wiederher- 
stellung und  Entwickelung  einer  nationalen  Regierungsform 
und  der  Volksrechte  eine  Keforni  zu  bewirken.  Man  war 
mehr  auf  die  Gewinnung  von  Personen  als  Verbesserung  von 
Institutionen  bedacht  Man  eiferte  nur,  um  die  Mitwirkung 
der  Aristokratie  zu  erwerben,  keineswegs,  um,  gestützt  auf 
die  Nation,  das  herrschende  Patriciat  in  die  Schranken  gesetz- 
lichen und  wünschenswerten  Einflusses  zu  weisen.''  Nieht 
günstiger  uU  der  moderne  Geschichtschreiber  urteilt  iilx  r  das* 
Haus  (_>ranien  ein  anderer  Freund  desselben,  der  Bürger- 
meister Joachim  Rendorp,  in  einer  vor  hundert  Jahren  er- 
schienenen Schrift  ,Wenn  man,  sagt  er,  in  statthalterlosen 
Zeiten  die  Mängel  unserer  Konstitution,  besonders  in  Bezug 
auf  die  Landesverteidigung  und  alles,  was  dazu  geli rn  t.  sowie 
im  allp^onieinen  eine  weitgehend«'  Lässigkeit,  oft  dureli  pro- 
vinziell«' rnt«  r('s.s('ji  hervorf^eruteii,  erfahren  hat,  so  ist  es  in 
dieser  liinMcht  nicht  viel  bebJ5<'r  treg'anp'en,  wenn  wir  einen 
Statthalter  hatten^".  Mehr  als  cnmial  gerieten  die  dynast- 
ischen Interessen  des  Fürstenhauses  mit  den  nationalen 
Interessen  in  Widerspruch.  Man  denke  an  Moritz'  Verhalten 
bei  Abschlufs  des  Waffenstillstandes  mit  Spanien,  an  Friedrich 

*  isegea  Ende  der  Kepublik  schätzte  man  die  Zahl  der  Angehörigen 
der  reformierten  Staatskirche  auf  1  150  000,  die  der  Dissenters  aof  650  0<->() 
PefBOneii.   Jorissen:  Historische  bladen.    Nieuwe  buiuirl  ]•.  280. 

*  Der  berühmte  Jurist  Simon  van  Slingelandt  isuiplte  Wilhehn  III. 
8chftrt'  wegen  dieser  UnterlassungssÜDde :  ^Man  kann  nicht  die  Be- 
merkung unterdrücken,  dafs  der  jüngst  verstorbene  Künlg  von  Grofs« 
britaunien,  bei  Lebzeiten  Statthalter  von  fliuf  Provinzen  und  Gencral- 
kapitän  unseres  Staates,  hiitte  einen  unsterblichen  Bubm  und  eine  wohl- 
eingerichtete  Republik  an  Stelle  einer  Republik  Toller  Fehler  hinterUueen 
köiiiu  ii,  IV  irr  pr  aTi?  ^Verk  gegangen,  nachdem  er  in  einer  unruhigen 
Zeit  au  die  Spitze  der  KcgieniDg  gdaogt  und  mehr  Autorität  erworben, 
als  seine  Ahnen  jemab  beseesen,  am  auf  ordenHiche  Wdte  die  Mängel 
und  Mifsbräuche  zu  beatitigen,  die  von  Anfang  der  Republik  in  der 

Kefxienmg  bestanden  Indessen  hat  der  Vnrvi  bei  »einem  Tode  die 

Ke^mblik  mit  all  denselben  Mängeln  in  der  Bundes-  wie  Provinzial- 
r^erung  hinterlassen,  die  er  vorgefunden  und  denen  er  bei  Lebzeiten 
am  keine  andere  Weise  pestenert,  als  durch  die  grof^e  Autorität,  die  er 
aJs  Statthalter  und  Generalkapitän  besafs,  ohne  zu  bedenken,  dafs  diese 
Autorit&t  mit  ihm  anfhörte.**   S.  das  Gitat  bei  Yreedei  1.  c.  p.  17. 

*  Rendorp.  I.  c.p.  53. 


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X  8. 


7 


Hendriks  Rolle  Tor  Ausbruch  des  achwedisch-dänischen  Krieges 


Unter  Stiittlialtern,  wie  unter  Ratspenüiuuäreii  öahen  die 
Niederlande  glänzende  Zeiten.    So  schenkte  eine  Reihe  von 


Periode  grofsartigster  Prosperität  Die  alten  Mifsstftnde  konnten 
ertragen  werden.   Es  genügte,  die  bestehenden  rechtlichen 

Beschränkungen  von  Fall  m  Fall  zu  suspendieren,  wie  bei 
der  Einwanderung  der  französischen  Industriellen.  —  Ah  aber 
im  zweiten  Drittel  18.  Jahrhunderts  der  Stoi-n  der  Republik 
zu  sinken  begann^  die  Steuerlast  immer  höher  stieg,  die  Kornip- 
tion  in  der  Verwaltung  '  immer  mehr  zunahm,  die  städtische 
Magistratur  vtjUends  zu  einer  engherzigen  Familien-  und  Cliquen- 
herrschaft verknöcherte^,  da  wurde  eine  politisch-wirtschaft- 
liche Neugestaltung  ein  unabweisbares  Bedilrfhis. 

Unter  diesen  Umständen  entbrannte  seit  1747  ein  heftiger 
Kampf  zwischen  der  Statthalterpartei  und  der  Patriotenpartei. 
Dieser  Konflikt  drehte  sich  noch  mehr  um  die  Reform  der 
städtischen  Behörden,  um  das  Recht  der  Anstellung  der 
Bürgermeister,  um  die  politischen  Rechte  der  Gilden*,  aln  um 
die  Schöpfung  einer  neuen  Staatsverfassung.  —  Ein  wichtiges 
Gebiet  wurde  der  P^inwirkung  der  Stadtregenten  entzogen, 
die  Post  wurde  (in  der  Provinz  Holland)  1747  verst4uitlicht 
Aber  dabei  hatte  es  sein  Bewenden.  Wilhehn  IV.,  der  1747 
unter  dem  Jubel  des  Volkes  die  erbliche  Statthalterwttrde  in 
allen  Provinzen  erhalten,  war  nicht  der  Mann,  um  die  grofse 
Beform,  die  das  Land  von  ihm  er^'artete,  durchzuführen.  £r 
wollte^  wie  Jorissen  sagt,  nichts  anderes  sein  als  ein  Mitregent 
neben  den  alten  Regenten".  .  An  der  Gunst  der  Oligarchie 
schien  diesem  Fürsten  von  Uranien  alles  gelegen.   Auf  sie 


1  G.  W.  Kernkanp:  De  slentels  Tan  de  Sont.  Hssg  1890,  ii.  44, 

46,  vgL  auch  T)  290. 

'  Vou  iJutfirbeaintt'n  wurden  grofse  Suiumen  erprefst,  die  »ie  für 
ihre  Anetellung  an  die  Magis^tBoiitglieder  zu  zahlen  hattm.  Toten- 
gräber in  Anistcrdnm  zahlte  lOOO  fl.  der  Tochtnr  d'  ?  IHirgenneißtere,  um 
seinen  Poeten  zu  behalten.  Hartog:  dePatriotU  n  eu  (Jraige  18Ö2,  p.  103. 

>  Über  die  Unordnung  und  Bchwerfölligk(  it  der  kommnnsfen  Ver- 
wsHiing  im  18.  Jahrhundert  vgl.  Koenen:  Voorlezingen  Over  de  ge- 
sehiedenis  der  finanticn  van  Amsterdam,  1855,  p.  32  f. 

*  Forderungen  der  DoeliBten  1748:  1)  Ahtretung  der  Postverwal- 
tong.  die  biiher  one  ergiebige  Einnahme  fUr  die  Kegenten  und  ihre 
Kinder  gewesen,  zur  VcrfürTung  des  Statthaltern.  2)  Vergebung  der  Amter 
nur  an  geborene  und  uaturalisierte  Bürger.  Sj  Wiederherstellung  der  Vor- 
rechte der  Gilden  und  Schützengenossenaehuten.  Vreedep.  64. 

•  Vgl.  J.  W.  le  Jeune:  Het  brieven  postwezen  in  de  republiek 
der  vereenigde  Nederlanden.  Utrecht  1851.  Durch  die  Verstaatlichung 
wuchs  der  Uberschufs,  den  die  Post  abwarf.  Er  betrug  von  1752—1802 
dareheefanittfich  422  350  fl. 


*  Theodor  Jorissen:  Historisehe  blsden.  Eeiste  bnndel  ld90, 
p.  248. 


1644-^45  ^ 


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8 


lauschte  er,  auf  sie  vertraute  er,  in  ihrer  Mitte  lebte  er'. 
Daher  machte  er  von  der  Betuf^nis,  die  stadtisclien  Magistrate 
zu  ernennen,  nur  geringon  Gebrauch,  und  daclite  gar  nicht 
daran,  der  Bürg  erschall  einen  Einflufs  auf  die  kommunale 
Verwaltung  zu  gestatten*. 

Aber  auch  die  Patriotenpartei^  zu  der  die  meisten  Stadt- 
regenten  gehörten,  konnte  einschneidende  Neuerungen  nicht 
durchsetzen.  Auch  sie  mufate  auf  halbem  Wege  stehen  bleiben, 
sobald  sie  sich  die  Konsequenzen  ihrer  Forderungen  klar 
machte.  Sie  eiferte  gegen  die  Tyrannei  der  Statthalter  und 
verlangte  die  Gleichheit  der  Bürger  vor  dem  Gesetz.  „Aber 
dann  mufsten  alle  unterscheidenden  Privilegien  veniichtet 
werden,  dann  konnten  In  der  Prorinz  Holland  nicht  mehr 
18  Staate  und  die  Ritterschaft  die  Souveränität  ausüben,  und 
die  übrigen  kleinen  Städte,  die  nichts  anderes  als  die  «gloria 
obsequii"  besafsen,  bekamen  Anteil  an  der  Regierung.  Dann 
mufste  auch  dm  platte  Land  Vertreter  senden.  .  .  riann  durften 
die  Vrocdschappen  nicht  länger  ihre  eiti^oncn  Kegcnten  koop- 
tieren. .  .  .  dann  mufsten  aDe  Amter  oiTensteheu  für  jeden 
ohne  Unterschied  des  Glaubens*." 

Dazu  kam  die  Schwierigkeit  der  Aufgabe,  man  konnte 
die  politische  Verfassung  nicht  umwälzen,  ohne  die  wirtschaft- 
liche Organisation  neu  zu  gestalten.  Andererseits  konnte  man 
Gilden,  Hallen  und  Hlmh'chc  Einriclitungen  nicht  besoitigen, 
ohne  das  mit  ihnen  eng  verknUpfte  Stadtregiment  aufs  tiefste 
zu  erschüttern. 

Endlich  war  keine  der  Parteien  stark  genug,  um  über 
ihre  Gegner  dauernd  zu  triumphieren.  Die  grofse  Masse  des 
Volkes  spielte  eine  mehr  passive  Rolle  in  dem  Konflikt  beider 
Richtungen.  Obwohl  es  den  holländischen  Arbeitern  jener 
Zeit  nicht  an  einem  gewissen  Klassenbewufstsein  fehlte*,  war 
ihr  Interesse  an  der  politisdifMi  Aktion  siforing,  hauptsa<']il?ch, 
weil  ihre  socialen  Forderungen  an  die  Stadt,  nicht  den  Staat 
sich  richten  mufsten.  Für  die  Erfüllung  dieser  Wtinsehe 
verhiefs  aber  ein  Sturm  auf  das  Rathaus  mein  Erfolg,  als 
alle  Änderungen  In  der  Stellung  der  Statthalter  und  der 
Generaktaaten.  Wenn  das  Volk  „Oranje  boTen"  rief^  so  hatte 
das  eine  mehr  negative  Bedeutung,  £8  drückte  sich  darin 
weniger,  win  Frtiin  sagt,  die  Liebe  zu  den  Statthaltern,  als 
der  Hafs  gegen  die  Stadtre^cnten  aus. 

Wilhelm  V.,  1766  grofsjährig  geworden,  war  niclit  glück- 
licher als  sein  Vorgänger ^    Er  konnte  nur  die  KoUe  eines 

'  Jo rissen  1.  c. 

^  Über  die  Reeultatlosigkeit  der  Regierung  des  Statthalters  vgl. 
auch  J.  E.  Heeres:  Stad  cn  lande  tijdcns  het  erfstadhouderschap 
Tua  Willem  IV.  in  Frulu  Bgdragen.  N.  R.  III  4,  S32£ 

3  Hartog:  De  Patriotten  en  Oranje  p.  177. 

*  \ßl  Kap.  VI. 

*  Jorlssen:  Historisdie  hlsden.  Eente  bondel  p.  251  f. 


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X  3. 


9 


liolläiidisclieii  Ludwig  XVI.  spielen.  Als  er,  der  Statdialter- 

würde  entsetzt,  1787  mit  H(ilfe  preitTsischcr  Truppen  seine 

patriotischen  Oo^er  besiegt  hatte,  versöhnte  er  sicli  unter 
Verzicht  auf  jede  Refonn  mit  .seineu  bittei-steti  Ffinrlm.  den 
Stadtregenten,  die,  erschreckt  über  die  wachöcndeu  demokra- 
tischen Tendenzen  der  eigenen  Partei,  ihm  die  Hand  reichten. 
Die  entschiedeneren  Elemente  der  patriotischen  Partei  wurden 
▼erbannty  fiut  40000  gingen  ms  Exil,  von  wo  sie  1795  mit 
den  franzOsiflclien  Heeren  heimkehrten. 

Nur  unter  fremder  Einwirkung,  nur  unter  dem  tlber- 
willtigenden  Eindruck  der  französischen  Revolution  konnte  in 
den  Niedt-rlanden  der  entscheidende  Schritt  von  der  alten 
Stadtwirtächaft  zum  modernen  Staate  geschelicn,  freilieh  in 
einem  Augenblick,  wo  diese  Umwandeluug  für  die  wirt«chaft- 
liche  Regenerierung  des  Landes  zu  spät  kam. 


Digiiiztxi  b^^OO^^C 


L 


Entwickelung  des  niederlüiidisi  1ien  Handels  im 
17.  und  18.  Jahrkuadert. 


Es  ist  schwer,  eiB  Bild  von  befriedigender  Klarheit  tther 
den  Handel  der  Niederlande  im  17.  und  18.  Jahrhundert  sa 
erhalten.  Tendenziöse  DarstellMiigen,  wie  die  des  Sir  Walter 

Rjileighs^  dem  man  schon  vor  200  Jahren  nachsfigte,  dafs  er 
die  Bedeutung  des  holläiidisthen  Hanflels  übertrieben  habe, 
um  Jakob  I.  zu  Mafsrcgeln  im  Intt^r«  .-^se  des  enp^b'scheii  Handels 
zu  veraulasseu  ^ ,  haben  falsche  Vorstellungen  liierüber  ver- 
breitet. 

Von  den  Angaben  Uber  den  Umfang  des  holländischen 
Handels  dttrfte  Sir  William  Pettys  Aufstellung*  die  zu- 
verliissigste  sein,  der  die  Gröfse  der  holländischen  Ausfuhr 

für  seine  Zeit  auf  12  Millionen  schätzte,  eine  Ziffer,  die 
ihre  Ik-leiK  litini^  durch  tli«*  Tlmt^sache  erh.'llt,  dafs  dit;  tMi;^ 
lische  Ausfuhr  er»t  174U  die  gleiche  Höh«-  erreichte"^.  — 
Kluit  berechnet  für  das  Ende  des  18.  Jahrimnderts  d(!n  Ge- 
samtumsatz des  holländischen  Aufsenhandels  (Ein-  und  Aus- 
fuhr) auf  260—300  Millionen  fl.«. 

Sind  diese  Ziffern  richtig,  so  folgt  daraus,  dafs  die  ge- 
wöhnliche Auffassung  über  die  Entwiekelun^  dt  s  niederlän- 
dischen Handels  und  dnr  ni<'derliindisclien  SihifVahrt  nicht 
haltbar  ist.  Handel  und  Klu^derei  sollen  bereits  zur  Zeit  des 
westfUlischen  Friedens  ihren  Höhepunkt  erreicht  haben  %  dann 

'  Vgl.  La  Court:  Aanwyzing  p.  89. 
2  William  I'ctty:  Politicnl  nrithuietic  n.  103. 
^  Cuuaiugham:  Qrowth  üt  eugiish  mdostry  and  commerce,  1062, 
p.  467. 

*  Kluit:  r.essen  over  de  atfttbtiek  der  vereenigde  Nederitndfln 

(1605)  [HandschhltJ  II,  255. 

*  Laspevres:  Geschichte  der  volkswirtscbaftlicben  Anschauuneeo 
der  Niederländer,  1868.  p.  185 f.  Ygl.  such  Yftn  Kämpen:  Getehloite 
der  Niederlande«  11  p. 


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sollen  die  Navigationsakte  Cromwells  und  die  Tarife  Colberts 
von  1064  und  1667  die  Republik  schwer  geschädigt  und  einen 
Rückgang  ihrer  Handelsmaclit  verursacht  liaben,  der  von  da 
an  bis  zum  Ende  des  18.  Jahrhunderts  ununterbrochen  an- 
dauerte. 

Ganz  unrichtig  ist  es,  wenn  Laspeyres  schreibt:  „Noch 
mehr  vom  Handel  ging  endlich  in  dem  bald  daranf  aua- 

brec-henden  spanischen  Successionskriege  mit  seinen  erneuerten 
Schiffahrtssuspensionen  und  Einfuhrverboten  französischer  Pro- 
dukte zu  Grunde  und  die  Republik  wurde  zu  einem  Ilandels- 
volk  zweiten  Ranges  herabgedriickt"  Gerade  während  der 
Kriegsjahre  von  1701 — 14  erreichte  der  holländische  Handel 
eine  beispiellose  Entwickelung.  Nachdem  Sir  Charles  Davenant^ 
nachgewiesen,  dafs  ein  Drittel  des  britischen  Exports  seinen 
Wee  in  den  ersten  Decennien  des  18.  Jahrhunderts  ttber  Hol- 
lana nahm,  erklärt  er  ausdrücklich,  dafs  der  Handd  der 
Bepubhk  durch  den  Kri^  enorm  gewachsen  und  ihre  Unter- 
thwien  täglich  reicher  werden. 

Auch  nach  dem  Utrechter  Frieden  dtlrfte  der  niederlän- 
dische Handel  noch  zugenommen  haben'*,  bis  der  seit  1730 
eintretende  Rückgang  der  Industrie  auf  die  Ausfuhr  ungünstig 
zurückwirkte.  Wenn  jedoch  1751  ein  völliger  Verfall  des 
Handels  konsUitiert  wurde  und  der  Erbstatthalter  Wilhelm  IV. 
im  Anschlufs  daran  seine  bekannten  Yorschlftge  zur  Hebung 
der  gesunkenen  Wohl&hrt  entwickelte,  so  geschah  alles  dies, 
wie  van  der  Oudermeulen  bemerkt^,  am  Ende  eines  fiir  die 
Nation  unglücklichen  Krieges.  Schon  während  des  englisch- 
französischen Krieges  von  1756 — 62,  in  dem  die  Nied<  rlande 
neutral  blieben,  waren  sie  imstande,  viel  von  dem  verlorenen 
Terrain  zurückzuerobern.  Die  Erlaubnis  allerdings,  aus- 
schliefslich  den  Verkehr  zwischen  Frankreich  und  seinen 
Külouieen  vermitteln  zu  dürfen,  verlor  durch  die  englische 
KM»erei  an  Bedeutung.  Wird  auch  in  der  Periode  von 
17fö— 1780  viel  ttber  den  Niedeigang  des  Handels  gekkgt, 
•0  werden  doch  in  diesen  Friedensjahren  noch  viele  OeschäftiB- 
zweige  geblüht  haben.   Kluit  wenigstens  erklttrt  diesen  Zeit- 

'  Laspeyres  p.  133. 

«  Davenant:  Worics  ed.  WUtwortli  1771,  V  486;  V  450. 
^  „In  den  ersten  Jahren  des  18.  JahrhundertB  besafs  Holland  noch 
weit  mehr  Schifle  als  England ,  wie  dies  schon  aus  dem  Verbrauch  des 
Pechs  und  Theers  in  den  genannten  und  einigen  andern  Handelsstaaten 
hervorgeht.  Britannien  ond  Irland  bedurften  davon  UMIO,  Frankreich  50(X 
Hamburg,  Lübeck  und  andere  deutsche  Seestädte  ebenfalls  .'iOO.  Holland 
aber  4U00  Last  Zwar  führte  das  letztere  Land  einen  Teil  dieser  Materialien 
wieder  nach  Spanien,  Portugal  und  Italien  ans;  doeh  l»etrug,  wie  es 
scheint,  diese  Ausfuhr  hei  weitem  nicht  m  viel  ab  der  eigene  Bedarf 
der  Republik.''  G.  v.  Gülich:  (ieschichtliclie  Darstelhing  des  Handels  etc. 

1  Jena  183<).  l  p.  93.    Savary  (1738)  kon.^tatierte,  dafs  der  holländische 

^.flsndel  noch  wuchs. 
r  —  *  (Van  der  Oadermenlen):  Bechexchea aor  leconunerce,  1778,  p.8k 


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12 


•X  3. 


räum  für  einen  der  glänzendsten  und  glücklichsten  in  1  r 
Geschichte  der  Republik  ^  Erst  der  Krieg  mit  England 
(1780  -  83)  mit  seinen  ungeheuren  Verlusten  versetzte  der 
niederländischen  llandelsmacht  den  Todesstofs.  —  Vor  diesen 
Ereignissen  dürfte  der  niederländische  iiandcl  auch  in  der 
zweiten  Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  denselben  Um&Dg  ge- 
habt haben,  wie  in  den  glänzendsten  Jahren  des  17.  Jahr- 
hunderts, während  allerdings  der  Prozentualanteil  des  alternden 
Staates  am  Welthandel  bedeutend  gesunken  war. 

Leider  liegen  nirlit  c^einigcnde  handelsstatistische  Daten 
vor,  um  die  kommerzieUen  Gewiinie  und  Verluste  der  llolliinder 
genau  zu  registrieren.  Eine  fortlaufende  Stiitistik  der  Ein- 
und  Ausfuhr  ist  nicht  vorhanden.  Es  liegen  nur  die  Zoll- 
einnahmen Air  eine  Anzahl  von  Jahren  yor. 

Dieselben  betrugen  bei  allen  AdmiralitätskoUegien  (ohne 
die  Zölle  für  den  ostindischen  Handel) : 

Jahr  EionahmeQ 


1628 

1  588  772fl.a 

1642 

2587  828 

1660 

8427100 

1662 

8028856 

1664 

2  570  145  -  2 

1668 

3  295  539  -  - 

1670 

2  824  71 7  -  • 

1(380 

2  519  408  -  2 

1682 

1  905  132  -  «• 

1087* 

3848  383  -  .  . 

.    5  st  . 

.  12 

1688« 

2457929  -  .  . 

.  17  .  . 

.  2  .» 

1689  T 

1927850  -  .  . 

.  9  .  . 

.  3 

1771 

4  500  000  -  « 

1781-85 

2 196  588  - » 

doreliKbiiittlieb 

F(ir  das  Admiralität.skollegiuni  Amsterdam,  dessen  Ein- 
nahmen stets  grösser  als  die  aller  Übrigen  Kollegien  zusammcu. 


«  Kluit:  H(-]Iaiid^che  Staataregerin^,  111400.  Vgl.  Rendorp  1.  UiT. 
'  8  ick  eng a:  Bgdrage  tot  de  geschiedenis  der  Mlastingen  iu  Neder- 
Und,  D.  249. 

*  Stadtarchiv  Amsterdam,  L.  A.  2.   Nr.  7. 

Eis  fclilen  die  Einnahmen  der  Kollegien  von  Seeland  ond  ]*>iealuid. 

*  1.  üktuber  lOöT  bb  1.  Oktober  1688. 

^  Stadtarchiv  Amsterdam,  L.  A.  2.   Nr.  7. 

*  1.  Oktober  1688  bi^  1  Oktober  1689. 

^  1.  Oktober  1689  biö  ultimo  Juni  1690. 
'  De  Koopman  IU        die  oiCindiBcheD  Zölle  inbegriffen. 
^  Sickenga:  Bijdnge  tot  de gesehiedeni» der  beUatii^^  in  Meder* 
land  p.  242. 


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13 


Heffen  folgende  Angaben  über  die  Höhe  der  gewöhnlichen 
Zioue  (ordinaris  coiiyoo\|eii  en  licenten)  vor'. 
IHeselben  betrugen  in  den  folgenden  Jahren: 


1  E.«w 

1  Jahr. 

EiuMhineii. 

626780  ü. 

1    10  8t 

3  d 

1635 

1 049  062  fl. 

6  et 

10  d 

1615 

578  548  • 

11  - 

0  - 

1686 

1 146766  • 

4  - 

8.- 

1616 

627  OIR  . 

11  - 

7  • 

1637 

1  102786  - 

12  - 

H  - 

1617 

emj^iiH  - 

9  - 

18  - 

3  «38 

1075  216  - 

1   19  - 

12  - 

iöl^ 

738  220  - 

1    6  - 

4  - 

1639 

1046  986  - 

9 

10  - 

1619 

726  423  - 

2  • 

>'  - 

IG-tO 

1  071  468  - 

7  - 

14  - 

1620 

777  380  - 

2  - 

7  - 

KUl 

1  180  809  - 

8  - 

18  - 

1621 

811309  - 

16  - 

11  - 

1642 

1249028  • 

8  - 

6  • 

815879  - 

11  - 

17  - 

1648 

1856668  - 

8  . 

5 

1623 

834  928  - 

11  • 

15  - 

1644 

I  162  280  - 

9  - 

4  - 

1624 

904  270  - 

11  - 

6  • 

1645 

1  09«  208  - 

10  - 

1  - 

1625 

755  087  . 

18  - 

5  - 

1267  .S47  - 

10  - 

8  - 

825  094  - 

18  . 

5  - 

1G47 

1204  044 

17  - 

10  - 

1627 

805035  - 

14  - 

6  - 

1648 

1409:U7  - 

9  - 

0  . 

1628 

808721  - 

16  - 

0  - 

1649 

1401  589  - 

10  - 

10  - 

1689 

980410  • 

15  - 

9  ' 

1650 

1999889  • 

8  - 

8- 

1680 

931  G76  - 

0  - 

14  - 

1651 

121!  ;^20  - 

8  . 

6  - 

1631  1 

929  349  - 

lö  - 

4  - 

1652 

916  981  - 

14  • 

11  - 

1632  1 

954  099  - 

8  . 

9  - 

1658 

708953  - 

2  - 

7  - 

1698 

98«2h5  - 

0  - 

5  - 

1654 

1  108  426  - 

11  - 

0  - 

1684 

1097  619  • 

3  • 

0  - 

1655 

928450  - 

18  . 

4- 

Seit  dem  Jahre  1655  tritt  zu  diesen  gewöhnlichen  Zöllen 
ein  Zuschlag  von  V%  des  Betrages*.  Femer  wird  eine  Schiff- 

£ahrtsabgabe  unter  dem  Kamen  Lastgeld  erhoben*.  Auch 
sind  die  Zölle  für  den  ostindischen  Handel  jetzt  in  den  An- 
gaben mit  inbegriffen.  Der  Betrag  aller  dieser  Zolleinnahmen 

stellt  sich  wie  folgt: 


Jahr. 

1  fiinuahmeo. 

Jahr. 

EinnahmexL 

1656 

1  925  165  fl. 

1  st  10) 

d 

1663 

1  986  411  fl. 

4ttl4ld 

1657 

1  724  VM  - 

0  -  6 

1664 

1604  041  - 

9-  4/»- 

1658 

,  1608334  - 

9  -  10 

1670 

1  758  718  - 

1659 

1849888  - 

4-  0 

1678 

746786  - 

>»; 

(Kriegsjahr) 

1660 

'  213920:?  - 

16  -  16 

1682 

1  132  958  - 

1661 

1  1  933  034  - 

0  .  12 

1685 

i  1  290  156  - 

10  -  12  - 

1668 

8005666  • 

15  •  10. 

1687 

1981801  • 

19-    0  . 

'  Stadtarchiv  Amsterdam  L,  A,  3.    Nr.  ^. 
^  In  diesen  Zifiem  sind  die  Zölle  für  die  Einfuhr  der  oetindiechea 
Kompanie  nicht  mit  hAeg^Sau 
'  Derde  verhooging. 

*  Dieselbe  betrag  von  lf5'2  -55 :  1  Gnlden  per  Schiffshist  bei  der 
Finfuhr.  Gulden  bei  der  Auetuhr.  1655  wurde  diese  Abgabe  auf  die 
H&lfte  herali^esetzt.  Siekenga:  ^diag«  tot  de  getchiedenis  der  be- 
iutingen  in  Nederland,  p.  156. 

^  Von  1656—64  darcbachnitüich  1^53039  fl. 


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14 


Die  Statistik  der  ZolleinnahineTi  ist  schon  wegen  der 
Änderung  der  Tarife  und  den  Wecliscls  m  der  Eriiebungsart 
der  Zölle'  nur  bedingt  als  Gradmesser  der  Handelsbewegung 
zu  verwerten,  sie  reicht  aber  doch  hin,  um  die  Annahme  eines 
eett  1648  b^gumenden  HaDdelsYerfAlls  surttckzuweiBen«  da  die 
angeführten  Zalilen  den  Aufschwung  des  Handels  seit  1660 
nach  einer  yorttbergehenden  Depression  erkennen  lassen'. 

So  unvollst-Undig  auch  die  handelsstatistisclicn  Ausweise 
sind,  so  lassen  sie  doch  eine  Thatsaelie  deutlich  hervortreten. 
Der  euroj)jliHche  Handel  der  Niederlande  war  weit  bedeutender 
als  ihr  überseeischer.  Kluit  giebt  für  das  Ende  des  18.  Jahr- 


1  Von  1631-^  war  V4,  seit  im  die  Hälfte  des  ZoUertxages  ver- 
pachtet. 

*  Für  das  18.  Jabrbandert  zmgt  die  Statistik  der'Handelssehifliihrt, 
dafs  wenigstens  die  holländische  Handel  tu üriiu!  bis  zum  Ende  dos  Jahr- 
hunderts eine  bedeutende  Stellung  behauptete,  wenn  auch  ein  Teü  der- 
selben im  Dienste  des  fremden  Hsadels  stehen  moehte: 


J&hr. 

Zahl  der  in  den  Ha» 
f«a  TOB  Teul  «in* 
gtlftifinaB  Sdiiffe. 

Zahl  der  in  die 
Maasmftndang  und 
den  Hafen  von 

Ooflrc»'»  einffolaufe- 
nen  Schille. 

Jtbr. 

Zahl  <ler  in  don  Ha- 
fen von  Texel  «jn- 
gelaaftMO  SebSffe 

Zahl  der  in  die 
M.iasTDüridun^  und 

i\fu  Hafpn  TOD 
GoiTf  r   .  rikinlanfe- 
nt^ii  'ScUitle. 

1739 

1646 

1761 

1508 

1740 

1643 

1762 

1474 

1741 

1818 

1772 

1794 

1456 

1742 

im 

1773 

1087 

1555 

1743 

1710 

1774 

1837 

1573 

175» 

1546 

1775 

1689 

1514 

1759 

1514 

1776 

1619 

1515 

1760 

1412 

Aus  Texel  und  dem 
Vlia  «lugalMfiBa. 

Ib  Texel  und  dem 
Tlie  «iagvlMr«!. 

Aaa  dam  HaCui  vn 
OMfM  oA  4in 

In  dw  Uafen  tob 
GkMirta  und  dar 
Wum  ttncslnfni. 

1777 

159i 

1755 

1480 

1515 

1778 

2435 

2581 

1284 

1384 

1779 

2709 

3010 

1562 

1381 

1780 

2567 

2641 

1562 

1381 

1781 

1065 

1322 

570 

489 

1782 

1068 

S040 

1080 

937 

17H3 

2578 

2760 

1637 

1512 

1784 

2479 

2487 

1603 

15t>l 

1785 

2726 

2802 

1603 

1551 

1786 

2135 

2416 

1098 

ln29 

1787 

2188 

2443 

1496 

1529 

1788 

2246 

2465 

1578 

1582 

1789 

2485 

2673 

1483 

1511 

1790 

2603 

2727 

1558 

1758 

1791 

2331 

2595 

1640 

1671 

V 


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X  3. 


15 


himderts  folgende  ZusammenstellaDg  über  den  Aufsenhandel 
aeinea  Landest 

Handel  in  der  Nord-  und  Ostsee  •   .  55  Millionen  fi, 

•    mit  England   42—44 

-  Frankreich   36—38 

-  Spanien   26—30 

-  Portugal   16—18 

-  Italien  und  im  Mittebueer  12  —  13 
in  der  Levante   5 — 6 

Europäischer  Handel  157 

«o«K  /Ostindien  83^2-36  - 

Handel  nach  (^^stindien 25-.29  - 

Überseeischer  Handel   65 


Dasselbe  Übergewicht  des  europäischen  Handels  ist  auch 
im  17.  Jahrhundert  zu  konstatieren.  Wenn  man  allerdings 
liesty  in  welchem  Grade  damals  der  Gedanke  an  Indien  die 

Phantasie  der  Völker  entzündete,  wenn  alle  Fürsten  jener 
Zeit  bemüht  waren,  den  Holländern  nacheifernd,  eine  Ost- 
indisc'lio  Kompaf^rnie  zu  stifton,  wenn  nni  den  Besitz  von  Indien 
in  letzter  Instanz  alle  europäischen  Kriege  gctuhrt  wurden^, 
so  wird  man  grofse  Ziffern  erwarten,  in  denen  sicli  der  Ver- 
kehr nach  jenen  Ländern  ausdrückt.  Wie  stellt  es  aber  in 
Bezug  darauf  in  Wirklichkeit?  Die  Totaleinfuhr  der  Hol- 
Iftndiscfa-OBtindischen  Eompagoie  betrug  von  1597 — 1705  dCfö 
Millionen  Gulden*  imd  überstieg  niemals  11  Millionen  Gulden 
im  Jahre*.  —  1608  berechnete  man,  dafs  an  dem  Handel 
und  an  der  Fahrt  nach  Indien  nicht  mehr  als  10000  Menschen 
Interesse  hatten**.  Die  Gesamtausfuhr  von  Holland  nach  West- 
indien betrug  in  den  Jahren  1623—1636  6  994  488  Gidden«. 
Diese  Angabe  stammt  aus  der  Schrift  eines  Direktors  der 
Westindischen  Kompagnie,  die  derselbe  zur  Verherrlichung 
seiner  Gesellschaft  verfafste.  ^lan  wird  daher  die  angegebene 
Zahl  eher  zu  hoch  als  zu  niedrig  finden« 

Werfen  wir  dagegen  einen  Blick  auf  einige  Zweige  des 
europttischen  Handels.  Die  Handekbeziehungen  zwischen  Eng^ 


1  Kluit:  Lessen  over  de  atatistiek  (Haudachrift)  II,  2iy). 

*  Vgl.  Louis  Panliat:  Loids  XlV.  et  la  compagnie  des  ladas 

erieiitalef<.   PuHs  iS'^'f". 

*  De  teg«DWoordige  Staat  der  vereeDigde  Kederiaudeu,  Amsterdam 
1719.  Deel  t  Von  1649— 170B  gingen  1051  Bchi£Pe  nach  bidien.  Lnsae, 
Hollsnds  rijkdom,  lU,  113. 

*  Vgl.  die  Bilanzen  der  Ostindischen  Kompagnie  bei  de  Jimge: 
De  opkoinst  van  het  nederlaudsche  gezag  in  Oostiudie  (lJ^72)  Band  II 
and  UI. 

*  Mr.  D  .  .,  over  de  aloude  vryhoid  van  Handel  en  nijverheid  p.  2S3. 

*  Johannes  de  Lact:  Uiatorie  ofte  jaerlich  verhael  van  ae  ver- 
riehtingen  der  geoctrojeerdeo  WestindiBchcn  Compagnie.  Lfigrden  1644. 


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16 


Iftnd  und  den  Niederlanden  vvälxrend  das  18.  Jaiiriiuudertti  sind 
aus  folgender  Zosammenatdlung  erkennbar: 


L 


Jahr. 

PSnfiilif  von  Hol' 
landmwhBngliwd 

Auifohr  von  Enir- 
laod  nach  Holland 

Überschufs  der 
Anifblir 

1698-  1699 

1699-  1700 

1700-  1701 

1701-  1702 

1702-  1708 

1703-  1704 

1704- 1705 

L.       8.  d. 

Lt.       8.  d. 

Li      ■.  d. 

512  599—  4—  8«  4 
572072—  6—  2»  2 

521  257—16—  0 
436422—  8— IIV4 

522  413—  9—  7»  4 
756848-  3—11 
578816-  5—  2'  2 

1  456 142—  1—  2' 
1769282—16-  2 
2145186-19—  8' 4 
1680551-18  -  4 
2417  890  -  0— ll»/4 

2  363  275-  3—  8»/4 
1726711—15—  6«  4 

943  542—16-  5»/* 
1242  210  -  0—  0 
2  623  929-  3—  8«/4 
1250129—15—  4»/4 
1  ^^^1 476-11—  4 
1  m  931—19—  9*/« 
1 154465-10-  8^/« 

Durchachnitt 
1609—1705 

549888-  1—  2*/4 

1937884—  7— 11»  4 

1388 108-  6-8*/ti 

1782 

561618—  0-  0 

2180896—  0—  0< 

1568784—  0-0 

1756 

420273—  0-  0  |2  026  772—  0—  O'* 

1606  499-  0-  0 

IL 


Jahr. 

Einfuhr  von  Hol- 
land nach  Ekigland 

Ausfuhr  von  Eng- 
land nach  Holland 

DnfdiMshnitt 

£ 

£ 

1700—1710 
1710—1720 
1720—1730 
1730—1740 
1740-1750 
1750-1760 
1760—1770 
1770-1780 

588  357 
638  021 
571  430 
495495 
886488 
858408 
444981 
475466 

2  14H519 
2  020  172 
1  985  975 
1  867  141 
8404550 
1698594 
1894868 
1558148« 

Gegenstände  der  englischen  Einfuhr  in  Holland  waren 

hauptsächlich  WoUwaaren,  Zinn,  Blei,  Buttor.  K^m.  aber  auch 
ZiH'K'T,  Tabak  und  aiulf^ro  K'>]ninalwareu,  wilhrund  Holland 
sein«  Leinen-  und  iSeidenstolte,  ferner  Rheinwein,  Stockfisch, 


»  rMvoiiHnt:  Wo^k^?  V.  415  f 

*  \V  iiiiamü:  llidtoire  des  gouvemement«  du  Nord,  1780,  I,  p.  186* 

•  Lttder,  Gtachiehte  dm  hoUlmlueheii  Handels  1788»  p.  464C 


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X  3. 


17 


Krapp,  8{)ezcroicn,  Eisendrabt,  Katfee,  Thee  etc.  auf  den  eng- 
lischen Markt  sandte 

Von  dem  Levantehandel,  worunter  der  Handel  mit  allen 
Hfttelmeerlttndeni  verstanden  wird,  »agen  die  Direktoren  dos 
Kollegiums  des  Levantehandels  in  einer  Eingabe  an  die 
Staaten  von  Holland,  vom  11.  März  1640,  dafs  derselbe  stets  als 
einer  der  Hauptzweige  des  vaterländischen  Handels  gegolten 
habe^  „Dürfen  wir  das  Mittelmecr  niclit  frei  befahren," 
heifst  es  in  diesem  Schriftstück,  das  Mafsnalimen  gegen  die 
Seeräuberei  in  jenen  Gewässern  verlangte,  „wo  sollen  wir  mit 
den  Waren  hin,  die  von  Ostindien  kommen,  wo  soll  Haarlem 
seine  Manufakturen  lassen,  wo  Leyden  seine  Tuche,  wo  die 
Seestädte  ihren  Hering?"  Der  Schaden,  den  die  französischen 
Seeräuber  den  das  Mittelmeer  befahrenden  holländischen 
Schilfen  zugefilgt,  wird  angegeben  ftir  die  Jahre  1G41 — 1650 
mit  7  409  000  Gulden,  für  1650  mit  2  348  000  Gulden,  für 
1651  mit  1  320  000  Gulden*,  Ziffern,  aus  denen  man  auf  die 
Gröfse  des  Handels  in  jenen  Gegenden  schlielsen  kann*. 


Dafs  der  holländische  Handel  und  die  holländische  Schiff- 
fahrt auf  der  Ostsee  noch  ungleich  bedeutender  waren,  als  auf 
dem  südlichen  Binnenmeer,  ist  eine  durch  sahireiche  That- 
sachen  gerechtfertigte  Annahme.  Pieter  de  la  Court*  ver- 
sichert, dafs  die  Holländer  mit  der  Hälfte  Schiffe  mehr  nach 
Osti  n  (nach  der  Ostsee)  als  naeh  Westen  zu  fahren  pflegen. 
Fast  die  iresamte  G»'tr*MdezufTihr  ffir  dfni  Westen  und  Süden 
Europas  ertülgte  über  die  Obt-jee;  aus  ihren  Waldländern  kam 
das  Holz  und  die  anderen  Materialien  für  die  Schiffe  der 
holländischen  Marine    und  die  in  das  baltische  Meer  mündenden 

*  Joshua  Cee  The  Trade  und  nru-ip-Rtion  of  (4reat  Bntain,  2  ed. 
1730,  p.  18  bezweifelt,  dafs  wirklich  die  Handebbiian/.  zu  Gunsten  Eng> 
lands.  im  Hinblick  auf  die  grofse  Anzahl  von  Schnnuggdschiffen  zwischen 
fiogland  tuid  Holland. 

^  Kemonstrantieboek  1()27  f.  p  S42  (Archiv  des  Kollegium?  fnr  den 
Levantehandel  im  Reichsarchiv  HaHg).  Bereits  1631  fulncn  200  der  besten 
holländis(  hen  Schiffe  auf  dem  Mitteuneer,  1.  c.  p.  270. 

^  VerMmdiQg  stokken  betxeffende  ae  be8oig;ne  in  Fraskiyk  (BeUsh«- 
archiv). 

*  Dt  tMwif^He  op  de  straet  ende  middellandsche  zee  is  een  van  de 
pfincipalHfe  imvi<;:itien  van  alle  de  andere  die  wy  hier  te  lande  held)en;  1.  c. 

^  Fieter  de  la  Court:  Uet  welvaren  der  stad  Leyden  (lü59j  ed. 
Wttewaiü  Kap.  Ih  p.  30. 

^  Über  einen  Plan  Colbert.s.  England  zu  schädigen  durch  Aufkauf 
des  pchwediachen  Hobees,  vergl.  Lettres  et  negociation»  de  Jean  de  Witt 
lU  500.  Noch  gröfaere  Bedeutung  als  der  schwedische  besaf»  der  nor- 
•  wegisehe  Holzhandel.  Die  Holzausfuhr  Norwegens  betrug  1664  840000 
Lasten,  etwa  '  lo  des  heutigen  Exports.  Holm:  Danmark  Nor^jes  iure 
historie  U,  439.  Die  Pfähle,  auf  denen  Amsterdam  gebaut,  waren  aus  nor- 
wegischem Holz,  daher  pflegte  man  zu  sagen:  Amsterdam  steht  auf 
Norwegen".  Ludwig  Daae:  Nonlmaends  udvandringer  til  Holland  9g 
Kiiglaud  i  uyere  ttd,  CJhridtiania  löäO,  p.  9. 

FonchangcB  (U)  X  3.  —  PringBiMim.  2 


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18  X  S. 

Ströme  hinab  kamen  Warenmassen  aus  dem  Herzen  Polens 
und  Deutschlands.  Die  Getreideausfuhr  von  Danzig  betrug  nneh 
Lösehin  im  Jahre  1649  09  808  T. asten  im  Wert  von  14  Millionen 
Oulden,  die  ^^röfstenteils  nach  Holland  exportiert  und  auf  hol- 
ländischen SchitTen  verfrachtet  wurden  ^  Das  deutlichbte 
Indicium  fUr  den  Umfang  des  holländischen  OstBeehandels 
giebt  die  Zahl  der  Schiffe,  die  den  Sund  paasierten.  1536 
sollen  510  holländiscbe  Schiffe  durch  den  Sana  gegangen  sein*. 
1640  Ix'trug  die  Gesamtzahl  aller  diese  Meerenge  durch- 
fahrenden Schiffe  3450,  unter  denen  sich  1600  holländische 
befanden,  wahrend  unter  cnL'-li'^eher  Flagge  430,  unter  lübisclicr 
nur  147  <-^(  lten^.  1642  machten  etwa  1300  Schiffe  die  Heise 
von  litlningür  nach  Holland*. 

So  unähnlich  das  Becken  des  Mittelmeeres  und  <lie  Ost- 
see in  ihrer  geographischen  Konfiguration  sind,  so  ähnlich 
war  die  politische  und  handelspolitische  Konstellation  in  den 
Küstenländern  Süd  und  Kordeuropas,  mit  der  die  Staats- 
männer des  17.  Jahrhunderts  zu  rechnen  hatten.  In  der  Ost- 
see, wie  im  Mittelmcer,  Holland  die  erste  Handelsniacht:  hier 
wie  dort  bedroht  von  Enfrland  ;  daneben  in  beiden  Meeren  eine 
aufstrebende  Grolönuicht:  hier  Schweden,  dort  Frankr<'ich  ^, 
beide  b«  iniiht,  die  Alleinherrschaft  in  den  erwähnten  0('l)ieten 
zu  gewinnen;  endlich  eine  Anzahl  Kleinstaaten:  dort  die 
italienischen  Fttrstentttmer  und  Handelsrepublikenf  hier  Däne- 
mark, Brandenburg,  Polen  und  Holstein  ^ 


1  Die  eigene  GetreidekoDsumtion  der  Niederlande  wurde  1630  auf 
40000  liMten  ^  1900000  HektoUter  «»elifttst  (Nykefke.)  Klarer  Be- 

rirlit  otc.  wie  und  auf  was  weise  me  c;p;^eii\vJirtige  Teuruiip^  könne 
remediert  werden  eti'.  1030.  Wahrscheinlich  war  der  Verbrauch  jedoch 
höher,  da  man  1697  die  Getreidekonsumtion  Amsterdame  auf  10  750  Lasten 
berecboete.  Bank:  Staathuishoudkundige  geBehiedesis  Tsa  den  Amster- 
dam sehen  ^raanhandel  l'^^<G  i».  107 

>  J.  A.  Fridericia:  Itanmurks  vdre  poUtiske  biatorie  i  tideu  fra 
Freden  i  Pnig  til  {reden  i  Br5iii8ebro,  1881,  p.  208. 

^  Die  Aiihl  <ler  den  Sund  juissierenden  Soliiffe  '\üt  nicht  mit  der 
7!ihl  der  beim  Oateeehandel  gebrauchten  Schilfe  identisch.  Da  ein  Schiff  für 
die  Reise  von  Holland  nach  den  Ostaeehäfen  7—8  Wochen  brauchte  und 
zwei,  drei,  selbst  vier  Fahrten  im  Jahre  untenialim,  so  ist  die  letitere 
ZitVer  wesentlich  kleiner.  Vjrl.  Elink  Sterk:  Nederlandr^  selH'.<|»vfuirt 
en  acheep&bouw  in  den  ouden  tüd.  Ötaatkundig  eu  staathuishuudkuudig 
jaArboekfe  1854  p.  870  und  0.  W.  Kernkamp:  De  aleotels  van  de  Sont 
1890  p. 

*  Kernkamp  l.  c,  p.  286. 

^  Betreft's  Frankreich  sei  nur  an  den  von  Leibnitz  gemachten  Vor- 
echlag  der  Occupation  Ägyptens  erinnert. 

«  T>ie  Stelhnig  der  um  die  0*<tseeherr8chaft  konkurrierenden  Müclite 
wurde  von  dem  wolffenbüttel^chen  Kanzler  iSchwarzkopf  gut  charak- 
terisiert: ^DEnemark  denkt  nur  an  den  Sund,  Polen  an  eeine  Libert&t, 
Holland  nn  -einen  Profit"  Köcher:  Oeschichte  von  Brannaehweig- 
Hannover,  lHÜi.  I,  217. 


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X  3. 


19 


Während  aber  das  Mittelmoer  eich  nicht  von  einem  Punkt 
RUä  beherrschen  lufst,  (England  hat  selbst  nachdem  es  Gibraltar 
besetzt,  eine  Ansahl  weiterer  Sperrpunkte  zu  gewinnen  ge- 
sucht), ihat  die  Natur  die  strategische  und  kommerzielle  Be- 
hemchung  der  Ostsee  auf  eine  h  rt'sstrafse,  den  Sund,  kon- 
zentriert*. /  Daher  kann  es  nicht  Wunder  nehmen,  dafs  die 
Besitznalnne  der  Ostseepforte  das  Kani])fViel  j(?der  in  diesem 
Meere  politisch  interessierten  Nation  wurde.  —  Schon 
Phili|>p  11.  trachtete  danach,  mit  List  oder  Gewalt  des  Sundes 
sich  SU  bemächtigen Sein  Plan,  Dänemark  im  Verdn  mit 
Schweden  und  Polen  mit  Krieg  su  ttberaiehen  und  den  Sund 
den  holländischen  Ketzern  zu  versehliefsen,  kam  jedoch  nicht 
zur  Ausführung.  Im  Jahre  1595  wurde  eine  spanische  Gesandt- 
schaft vom  Er/lMTzog  Ernst  in  Brtlssel  nach  Dätieinark  fi^e- 
sandt^,  um  zu  bewirken,  dafs  der  Sund  für  die  niederländische 
Flotte  verschlossen  würde.  —  Die  kühnen  Plilne  Walleusteins 
sind  bekannt —  Der  französische  Diplomat  Chanut  hat  von 
einem  noch  grofsartigeren  Versuch  berichtet,  die  Ostseeherr- 
schaft den  Holländern  zu  entreifsen Demnach  wären  Däne- 
mark, Spanien  und  der  Herzog  von  Holstein-Oottorp  im  Jahre 
1638  eins  ^^^eworden,  Schweden  zu  besetzen  und  die  holländischen 
Schiffe  für  immer  von  der  Ostsee  auszuschliefsen.  Nicht  j^enii^ 
damit,  wollten  sie  sich  des  j)ersischcn  v^eidenhandels  bemäch- 
tigen. Dieser  sollte  fortan  seinen  Weg  durch  Moskovien  nehmen, 
und  mit  Vermeidung  des  Sundes  ein  Kanal  durch  das  Herzog- 
tum Holstein  zur  Nordsee  führen*  (Kordostseekanal.)  Der 
Pi  ll)  ^heiterte  angeblich  infolge  der  Niederlage  der  spanischen 
Flotte  bei  DUnkirchen  1639*. 

Die  dänischen  Könif^e  hatten  sehen  frühzeitig  die  Wichtig- 
keit des  Sundes  erkannt  und  durch  Erliel)ung  von  Zöllen  aus 
dieser  Situation  finanzielle  Vorteile  gezogen'.  Ursprünglich 

1  Die  bekannte,  flUseliUcli  C.  van  Beuningen  zugeschriebene  Äur»o- 
ning.  auf  der  Reede  von  Amptcrdain  lUgoii  die  Scnlttsfiel  des  Siinlr-. 
findet  sich  in  Wirklichkeit  schon  in  der  1627  erachienen^  Schrift  des 
Christiaiiitt  de  Pom,  CIsMacmn  pacifemm  Daniae.  Vgl.  Fridericia  1, 81 
und  Kernkamp  p.  336.  —  Die  Frilirt  diircli  den  grofaea  und  kleinen 
Beit  hatte  wegen  ihrer  Gefährlichkeit  keine  iiedeuttini^:. 

*  Fruin:  10  iaren  nit  den  taehtigjarigen  ooriug,  1861,  p.  14. 

*  Htstorisk  tidsskrift  18^",  p.  661. 

*  Droysen:  0,wtav  Adolf  I  p.  2^3  f. 

Kecueil  des  lu;  ti m  fioiM  donn6es  iiiix  uuibassadeurs  de  France 
depilis  les  traitds  de  Westphalie  Jusqu'ik  la  revolution  fran^aise.  >>u^de 
|Hur  A.  HefFroy.  Paris  Ih-*  XX^^IV  f.  Aueh  Basna^e:  Annales  des 
Rovinces  unies  l,  197  hat  diese  Kr^ähluag.  Vgl.  jedoch  Fr  idericia  Ii,  123. 

*  Aach  in  den  PUlnen  Ludwigs  XIV.  gegen  Holland  spielte  die 
.Schliersimp  des  Sundes  eine  RoUe.  „Was  aber  betrifV?  di<^  Haiidlunir,  so 
»te  auf  der  Ostsee  haben,  so  iat  die  Schliefsung  des  Sundes  ein  unfehl- 
bares Hinderms  and  Mittel,  welches  ihnen  verweliren  kann,  dieselbe 
fenior  /M  geniefsen."  Die  Mittel  der  Grone  fVeakfeicb  den  Kaufhandel 
der  Holländer  zu  verterben.  Iü72. 

~  r,Die  Frage  des  duuiiuium  maria  balticl  war  neben  allem  anderen 


20  X  a. 

ein  Schiffszoll,  wurde  der  SuüdzoU  aeit  der  Mitte  de«  16.  Jahr- 
hunderts auch  von  Waren  erhoben  ^  Die  Zolleiunuiuiie  wuciia 
daher  betrttchiHch'  und  betrug  im  Jahre  1568  108  700  Rijkidaler 
und  1567  132500  Rijksdaler.  Ln  17.  Jahrhundert  waren  die 
Beträge  nicht  unwesentlich  gesti^eni  wie  ans  folgenden  Zahlen 
ersichtlich : 


Jahr.  Zahl  der  dea  Sand  paaflierenden  Schiffe.  Zoitehmahmeo. 

1627  3187  108  706  Rdl. 

1628  2324  77  258  - 

1629  2747  255  719  - 

1630  2323  121  593  - 

1631  3365  293  789  - 


IHese  Einnahme  war  jedoch  tur  da«  rinanziolU;  Bedürl'nis 
Christiaus  IV.  keineswegs  au.srt'ichend.  Zollerliöhung  folgte 
auf  ZoUcrliöhuug  ^,  und  was  uocli  wichtiger  war,  eine  strenge 
Visitation  der  Schiffe  wirkte  der  Zolldefraude  en^egen.  Be- 
troffen wurden  von  dieser  Mafsregel  in  erster  Linie  Schweden 
und  Holland.  Zwar  besafs  das  erstere  von  altersher  Zollfreiheit 
im  Sunde*,  aber  dieselbe  erstreckte  sich  nicht  auf  von  Riga 
HTTfl  Pernau'^  kommende  Schiffo,  inifl  praktisch  war  diese  Zoil- 
iiiüi'  it  nur  von  sehr  geringer  Bedeutung.  Fiist  (]]<■'  Lr*'.samte 
bchwediöche  Ein-  und  Ausfuhr  geschali  aul  holländischen 
Schiffen*.  Von  1637 — 1643  passierten  nur  90  schwedit>ehe 
Schiffe  den  Sund. 

Holland  beantwortete  die  dänische  Zollerhöhung  durch 
ein  Verbot  des  Handels  mit  Dänemark  (1640)'.  Zwar  liefs 
sich  diese  Mafsregel  niclit  aufrecht  erhalten,  allein  die  dänische 
Zollpolitik**  war  die  Ursache,  dafs  die  Gcneralstaaten  in  dem 
Kriege  zwischen  Dänemark  und  Schweden  (1644—45)  sich 


vornehmlich  eine  Frage  der  Finanz-  und  ZoUpoÜtik.''  Erdmannsdorf  er: 
Deutache  Gescliichte  vom  weüflUiselien  Frieden  hia  mm  RegienmgBantTltt 
FriedlidlS  dos  Cirofson.  j)  -'21. 

1  Scherer:  Der  SimdzoU.  Berlin  F.  F.  van  der  üoeven: 

Bijdrage  tot  de  eeeehiedenfo  van  den  Sondtol.  L^en  1855. 

*  Heise:  Historisk  tidsskrift,  Kopenha^n  18t<5,  p.  39t >. 

*  1688  wiirdc  der  Rosennobclzolf  (Schiffszoll)  um  '  i  und  mehr  er- 
höht. Dio  Erhöhung'  des  WarenzoUa  betrüge  bei  einzelneu  Pusitionen  da» 
Sfiwhe,  6 fache  und  8 fache.    Fridericia  II,  213. 

*  Dänemark  besufB  dafür  Zollfreihoit  in  Schweden.  Letstfites  ver- 
zichtete erst  172U  auf  die  Sundzollt'reihoit 

<^  Riga«  AmMst  ttberBtiecr  bctrSehtfich  die  von  Stockholm,  denen 
Handelsflotte  1651  nur  49  Schilfe  mit  6619  Lasten  zählte.  Der  Gesamt- 
wert der  schwedischen  Ein-  und  Ausfuhr  betrug  1640  ea.  9^«  Millionen 
BdL  Hienni  troff  Big»  allein  S  Millionen  Rdl.  bei.  Odhner:  Sveriges 
iure  historia,  IJ^O?.,  p.  290. 

«»  Üsselinx  erklärte,  alle  Bchwedische  Kaufleute  seien  noch  nicht 
so  reich,  wie  drei  Kaufleute  in  Holland.  Franklin  Jamcsuu:  Willem 
ümelliux,  New  York  1887.  p.  Ui. 

*  Gr.  Plakaatboek  11,  402  und  478. 

^  Über  die  Streitigkeiten  zwischen  Dänemark  und  den  Niederlanden 


V 


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21 


letzterer  Macht  zuneigten^,  und  28  niederlftndische  Kri^g»- 

BChiffe  im  Hafen  von  Ko])eiiliagen  vor  Anker  gingen. 

Der  Friede  von  15t r»iii^t>]irfi  endigte  die  Feindseligkeiten 
mit  Schweden.  Die  sieben  Provinzen  schlössen  am  13.  Augu-st 
1G45  einen  Separatvertrag  mit  Dänemark,  den  Vertrag  von 
Chribtiunopcl 

ZtinäcIiBt  wurde  festgesetzt,  dafs  der  Sundzoll  fortan  wilhmid 
der  nächsten  40  Jahre  nicht  erhöht  werden  und  dafs  alle 

Nebenzölle  in  ^^'cgfilll  geraten  sollten.  Artikel  IV  bestimmte, 
dafs  keinerlei  Waren  von  einem  Verbot,  den  Sund  zu  passieren, 
getroffen  werden  sollten.  Holländern  gehörige  Waren,  rlio  in 
fremden  Schiffen  verfrachtet  wuixlen,  wurden  nicht  hölicr  be- 
steuert. Die  übrigen  Artikel  des  Traküit«  bezogen  sich  auf 
die  Zölle  in  Glückstadt  und  Norwegen.  Die  Zollsätze  sclb^st 
waren  verhältnismAfsig  niedrig,  sie  betrugen  nur  Air  wenige 
Artikel  mehr  als  1  Prozent  vom  Wert*. 

Die  Wirkung  des  neuen  Tarifs  machte  sich  bald  in  den 
Zolleinnahmen  geltend.  Andererseits  brachte  es  die  allgemeine 
politische  Lage  mit  sieh,  dafs  eine  Annäherung:  7:wiselien  Däne- 
mark und  den  ^Niederlanden  sich  anbahnte.  Selnvcden,  im 
deutschen  Kriege  siegreich,  war  in  den  Besitz  einer  grofsen 
Anzahl  von  Ostseehäfen  gelangt,  und  drohte,  die  fremde  Schiff- 
ahrt aus  diesen  Oewilssem  zu  verdrängen.  Dänemark,  der 
Stütze  des  Kaisers,  Spaniens  und  Karls  I.  von  £ngland  be- 
jraubly  konnte  nur  bei  den  Niederlanden  Anlehnung  suchen. 
Unter  diesen  Umständen  kam  eine  Defcnsivallianz  zwischen 
beiden  Mächten  zustande,  die  jeden  Bundesgenossen  ver- 
pflichtete, dem  angegi'iffenen  Teile  mit  4000  Mann  Truppen 
oder  einer  entsprechenden  Flottenmacht  zu  Hilfe  zu  kommen. 
Auch  wurde  der  Sundzoll  neu  geregelt. 

Durch  den  Redemptionsvertrag  vom  9.  Oktober  1649^ 
kaufiten  die  Holländer  sich  von  der  Verpflichtung,  Zölle  im  Sund 
zu  zahlen,  gegen  Zahlung  einer  Summe  von  350  000  Guldeii  auf 
die  Daner  von  86  .Jahren  los.  Aufserdom  wurden  750  nOO 
Gulden  dem  K<)nige  von  Dänemark  vorgeschossen,  die  in  ffint- 
zehn  Jahresraten  ä  50  000  Gulden  zurückgezahlt  werden 
sollten'^.  Anscheinend  sicherte  dieser  Vertrag  den  Nieder- 
ländern grofse  Vorteile,  in  Wirklichkeit  hatte  man  jedoch 
einen  groben  Bechenfehler  bangen.   Um  einen  Anhalt  für 


wsgen  des  Walfischfiui^  in  Spitzbergen  vgl.  S.  Muller:  GeschiedeniB 
der  iioordsche  Compagnie,  Utrecht  1874,  Kap.  7. 

'  Über  die  Haltung  der  Niederlande  in  diesem  Kri^e  bandelt  aus- 
ftthrlich  Kernkamp  in  der  erwUinten  Schrift. 

*  S.  d.   Vertrag:  bei  Aitzprnn:    Safkcn   van  ?taet  en  oorioghy 
Bach  45,  p.  13*   Luzac:  Hollands  rijkdum  111,  Beilage  H. 

«  8.  d.  SSoIlroUe  bei  Seherer  1.  c 
'       <  Aitzemn  Hch.  29  p.  335.  V an  der  HoeTen  p.  110. 

^  Aitzema  Beb.  29  1.  e. 


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22 


X  3. 


die  Bedeutung  des  Sundzolls  zu  habcn^  hatte  man  die  im 
Verkehr  mit  Dänemark  in  den  Niederlanden  erhobenen  Ein- 
und  Ausfiilirzöllo  feststellen  lassen,  hatte  hierbei  jedoch  die 
nach  der  Ems,  der  Weser  und  Elbe  exportierten  Waren  mit- 
gerechnet. 80  kam  man  dazu,  für  die  Ablösung  350  000 
Gulden  zu  zahlen,  während  der  Suiidzoll  in  den  Jahren  1646 
und  1647  nur  251219  und  125109  Gulden  im  ganzen  be- 
tragen hatte.  Der  Vertrag  wurde  erst  am  8.  März  1651 
ratifiziert  und  nachdem  man  den  Rechenfehler  bemerkt  hatte^ 
dun  h  den  RescissionsTertrag  vom  26.  September  1653  auf- 
gehoben ^ 

Bald  bot  sich  jedoch  eine  Gelegenheit,  die  Stelh^l^^  die 
die  Kopflosigkeit  der  holländischen  Staatsmänner  verscherzt 
hatte,  wiederzugewinnen.  Man  weifs,  wie  Karl  X.  Gustav 
von  Schweden  erst  Polen,  dann  Dänemark  mit  Krieg  überzog 
und  Friedrich  IIL  im  Frieden  von  Roeskilde  zur  Abtretung 
mehrerer  Provinzen  nötigte*. 

Hatten  die  vereinigten  Provinzen  auf  Grund  der  mit 
Dänemark  1649  und  1657  geschlossenen  V'  rtrilge  das  Recht 
erhalten,  mehrere  Kriegsschiffe  diirch  den  Sund  zu  schicken, 
so  wurde  durch  den  Frieden  von  Roeskilde  jeder  fremden 
Flotte  der  Eintritt  in  die  Ostsee  verboten. 

Jetzt  mufstcn  die  Niederlande  eine  energische  Haltung  in 
der  Ostseefrago  annehmen. 

Am  18.  Oktober  1657  wurde  beschlossen,  600  000  Gulden 
a  5  Prozent  an  Dänemark  zu  leihen,  unter  fonneller  Ver- 
pftindun^  aller  norwegisch eri  und  8undz<»lle^,  am  25.  Januar 
1658  wurden  weitere  400  000  Gulden  an  Dänemark  vor- 
gescljossen.  Als  aber  im  August  1658  Schweden  die  Feind- 
seligkeiten aufs  neue  aufnahm,  sandten  die  Generalstaaten  eine 
starke  Flotte  nach  der  Ostsee^  die  Ende  des  Jahres  Kopen- 
hagen  entsetzte. 

Trotzdem  konnte  di(^  Republik  die  Früchte  ihres  Sieireg 
nicht  ernten.  Die  T?t}cksicht  nnf  Frankreich  und  Enghiiid, 
mit  denen  .sie  auf  Grund  des  HiUi^^er  Traktats  vom  21.  Mai 
1(359  zw  isclien  den  heid<'n  skandinavischen  Miichten  den  Frieden 
vermittelte,  zwang  sie  zur  Zurückhaltung.  So  blieb  denn  die 
Abmachung  Ton  Christianopel  in  Kraft  der  Versuch,  das 
Monopol  des  Ostseehandels  zu  erobern,  war  fehlgeschlagen. 


*  Aitzema,  Bch.  33  p.  844.  Über  Schriften  gegen  den  Abschlufs 
dieaes  Vertrug  -  v^;!.  Lnspeyret  p.  226, 

*  Eine  Dai Stellung  der  erwähnten  Ereignisse  giebt  VaiUant:  De 
parübuB  in  man  Boltico  a  republica  Batava  actis,  1§41. 

*  Seerete  Remlatieii  Staten  HoUand  I,  561 1 

*  Der  Zolltraktaf  vom  15.  Juni  1701  bestätigte  im  weaentlii  lien  die 
Bestimmungen  des  Vertrages  von  1645.  Nur  sollten  die  in  letzterem 
nicht  besonders  aufgeführten  Waren  1  Prozent  vom  Wert  zahlen.  S.  den 
Vering  bei  Scherer,  Bdlsge  6. 


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X  3. 


28 


Da  England  und  andere  Staaten  in  ihren  HandelsvertrÜgen 

mit  Dänemark  <l;is  Rocht  der  meistbegünstigten  Nation  er- 
langten, und  ^Schweden  1720  sptiic  Sundzüllfreiheit  autgal>,  ho 
hörte  der  Zoll  auf",  ein  ausschlaggebendes  IVloment  liir  den 
Oötäeehuudel  zu  »ein.  Die  Schitic  aller  iSationen  bezahlten 
fast  den  gleichen  Betrag  nur  die  prcuTsischen  iSchiÖe  blieben 
benachteiligt  ^. 

Neben  der  ökonomischen  Entwickelung  der  betreffenden 
Staaten  im  allgemeinen  gab  ihre  Teilnahme  an  kriegerischen 
Ereignissen  und  die  Rechte,  die  die  neutrale  Flagge  genof«^ 
die  Entschfidangy  welche  Nation  den  HauptanteÜ  am  Ostsee- 
handel erhielt. 

Durch  den  mit  Schweden  zu  Nymwegeu  geöchlossenen 
Handelsvertrag  vom  2.  Dezember  1C79  hatten  die  Niederlande 
dem  Grundsatz  „frei  Gut,  frei  Schiff"  Anerkennung  verschallt, 
dennoch  litt  ihr  Handel  während  des  nordischoi  Krieges  unter 
den  schwedischen  Kapereien,  bis  1715  zwölf  niederländische 
Kriegsschiffe  ihr(^  Breitseiten  zeigten.  Allerdings  hatten  die 
Niederlande  selbst  das  Knegsrecht  gern i fsbraucht,  indem  sie 
1681»,  entgegen  fl<'n  Vertr^igen,  jedes  neutrale  Schiff,  djis  sich 
den  französisch«  ri  Küsten  nähern  würde,  für  gute  Prise  er- 
khirtt'ü.  L>ie  Antwort  war  die  ]3i'sclilagnahme  mehrerer  hol- 
laiuli-it  hen  Schiffe  im  Sunde  von  seilen  Dänemarks  und  die  be- 
waffnete Defensivallianz  dieses  Staates  mit  Schweden  vom 
17.  Märs  1693,  der  Vorllufer  der  bewaffneten  Neutralität 
von  1780». 

Durch  den  nordischen  Krieg  wurde  Schweden  gewaltig 
zurückgeworfen,  es  verlor  über  100  000  Einwohner*,  seine 
Handelsflotte  betrug  nur  noch  '  4  ihres  Bestandes.  Destomehr 
gewann  Dänemark  während  des  18.  Jalirlnmderts  an  ökono- 
mischer Bedeutung.  Es  rifs  nicht  nur  einen  grofsen  Teil  des 
Ostseehandels  an  sich,  sondern  machte  auch  im  Mittelmeer 
und  in  Westindieu  den  Hoiliindern  eine  gciiiiirlichc  Kon- 
kurr^uB*. 

Die  Niederlage  Karls  XII.  fUhrte  eine  neue  Macht  an  die 
baltischen  Gestade.  Allein  obgleich  die  Niederlande  es  waren, 


'  Anderson:  Geschichte  des  Handels,  Riga  1773,  7, 

•  Schmoller:  Studien  über  die  wirtschaftliche  i'olitik  iriedrieha 
des  Grofsen.   Jahrbuch  VIII,  2  p.  47. 

'  Bergbohm:  Die  bewafinete  Neutralität.   Berlin  1884,  p.  48. 

*  Schwedens  Einwohnerzahl  nach  Axel^on: 

iö97  13760001  p^„^ 

1718  1 247  OOOf 

B  Luzac :  Hollands  Rijkdom  IV,  302.  Aanmerkdyk  xjn  de  progressen 
van  den  ko<>p}!an<io!  van  Hainburph  niet  minder  remarquabcl  zyu  die 
van  het  konin^bryk  Deneniarken  eedert  körte  jaren.  Vorstel  van  den 
stadhouder  llViflem  IV.  tot  opbearing  van  den  koophaadel  1751 :  Sloet 
Tijdaehr.  1.  lOG.  Es  wird  hier  die  Fun  ht  nu=:p'e8j)rochen,  dafs  dir  Dänen 
sich  ganz  zu  Herren  des  Ostdeehandeb  machen  würden.  1771  helTlBt  es 
herots,  die  Dänen  hätten  sich  ganz  und  gar  des  Ostseehandels  bemäch- 
tigt Dt  Koopnao,  III,  280. 


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* 

24 


die  Riifisland  „den  Dreizack  in  die  Hand  drückttiii",  so  waren 
doch  die  Vorteile  für  ihren  Handel  nicht  so  hedeutend,  nh  die 
Freundschaft  des  Zaren  erwarten  liefs*.  Durch  die  Gründung 
von  St  Petersburg  verlor  iVrchangebk  au  Bedeutung  und  der 
Handel  in  Juchten,  Tal^  Pelswerk,  der  bis  dahin  aber  das 
Weifse  Meer  durch  die  Hände  der  Holländer  gegangen  war, 
wandte  sieh  direkt  von  Petersburg  nach  Danzig»  Lttbeck  und 
anderen  deutschen  Plätz(  n  ®.  —  Den  Löwenanteil  gewann  auch 
im  Handel  mit  Rufsland  England,  da»  dank  di  r  Entwickolung 
seiner  Manufaktur  im  18,  Jahrhundert  immer  mehr  der  Haupt- 
markt für  alle  nordischen  Rohprodukte,  fUr  russischen  Hanf, 
Flachs,  Talg,  wie  fUr  schwedisches  Eisen,  Kupfer,  Holz 
wurde.  Die  russische  Ausfuhr  nach  England  betrug  1781 
8  653  084,  nach  Holland  mir  110  209  Rubel.  1640  kam  aus 
den  Niederlanden  die  Hälfte  der  schwedischen  Einfuhr, 
1769—1776  nur  ^ >  dorsclhen^  25—33*  8  Prozent  des 
schwedischen  Exports  ging<Mi  in  den  erwJtlmten  Jahren  nach 
England  und  nur  ca.  10  Prozent  nach  Holland. 

Die^e  Einbusiscn  im  schwedischen,  dänischen  und  russischen 
Handel  bewirkten,  dafs  der  Ostseehandel  der  Holländer  1783 
sich  um  die  Hälfte  vermindert  hattet 

Der  Rückgang  des  Ostsechandels  zog  aber  auch  den  V(^r- 
lust  des  südeuropäischen  Handels  nach  sich,  da  die  Holländer 
die  nordischen  Rohprodukte,  mit  denen  sie  die  Mittelmeer- 
läuder  versorgten,  anderweitig  nicht  erhalten  konnten. 

>  Vgl.  J.  C.  de  Jonge:  Gesctuedenis  van  het  nederlandselie  See- 
wesen 2.  dmlc  III.  .'42. 

'  Dieser  Umstand  wird  betont  in  Memorie  betretende  het  vetval 
der  commercie  (Stadtarchiv  Amsterdam  L.  C.  3,  No.  6). 

'  Odhuer:  Syeriges  inre  bistoria  p.  291.  J.  Fr.  Nyström:  Bidrag 
tili  f^vcnskn  handolns  och  üftrioganias  hiatoria.  AkaHamwlt  AfhandÜDg. 
Upsala  l£i.^4,  p.  HS. 

*  Für  die  letzten  Jahre  des  18.  Jahrhunderts  giebt  folgende  Zusammen- 
Btellung  ein  liild  von  der  BedeuUing  des  Hantlel«  der  die  Ostsee  be- 
fabi^uden  Nationen.   Zahl  der  den  bund  passierenden  Schiffe : 


Jahr 

Engliacbe 

HoUindJMhe 

Dinieehe 

Sehwedieche 

PreiuiiBdie 

1780 

2080 

1781 

202Ö 

55 

1588 

1784 

3172 

1366 

1691 

2170 

1421 

17^"  1 

2535 

1571 

1789 

2136 

1353 

ITÜU 

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2009 

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1793 

8478 

807 

ms 

Kluit  Lessen  ovcr  de  statistiek,  1805  (Handschrift)  II,  250. 
M.  d^Haogest  Baron  d'TrOT  van  Mijdreelit:  Fttakrfjks  iuTloed 

op  do  buitcnlaiidsclieii  anp^ele^^eiiheidtMi  der  roonntUgen  nederlandachen 
repubUek,  1858,  p.  59.  v.  QüUch  I,  p.  387. 


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Die  Organisation  des  niederlftndischea  Handels. 


Der  Kloinhandcl  und  dii'  BiiiiieiiücliifFahrt  blieb  wie  das 
Handwerk  in  der  ganzen,  von  uns  betrachteten  Periode  gilden- 
mälsig  organisiert.  Beispiele  solcher  Gilden,  die  unter  Auf- 
sicht der  städtischen  Behörden  standen,  sind  die  Grofs-  und 

Kleinkrümergilde  in  Amsterdam*,  die  Lotsen-  und  Binnen- 
sehiffergilde.  Aber  auch  der  auswärtige  Handel  mulste  ur^ 
sprünglich  sich  denselben  Schranken  untrnvcrfen.  Als  Über- 
reste jener  älteren  Organisation  sind  die  Bergenfahrergilde  in 
Amsterdam  und  die  Öchonenfahrergilde  in  Haarlem^  zu  er- 
wähnen. 

Als  aber  Anfang  des  17.  Jahrhunderts  eine  grofse  Über- 
seeische Schiffahrt  sich  zu  entwickeln  h^ann^  in  Indien  die 
Eroberung  neuer  Welten,  die  Erbeutung  ungeheurer  Reich- 

ttlmer  winkte,  da  erwiesen  sieh  die  alten  Formen  als  zu  enge. 
Die  giT)lsen  Kapitalien,  die  die  Falirt  und  der  Handel  nach 
jenen  fernen  Ländern  erforderte,  wie  das  grolse  Hisiko,  machten 
die  genossenschaftlich  gebundene  wie  die  freie  Einzelunter- 
nehmung  gleich  unmöglich.  Daher  entstanden  die  grofsen 
Gesellschaften,  wie  die  Ostindische,  die  Westindische,  die  Nor- 
dische Compagnie*.  An  dieser  Stelle  wurde  die  ute  Stadt- 


\  Groot-Kraameregild«,  Kleinkiaamengilde.  Bei  letsterer  bianehtea 

die  Mit^liedf  r  kolno  Hürjrer  zu  sein. 

^  Dieselbe  bestand  bis  in  das  18.  Jahrhundert. 

*  Da  wir  am  Brfitilinine  wiaami,  daft  ofane  gemsiBsame  Httlfe,  Assto- 
tenz  und  Mittel  einer  General -Compafj^nie  der  Handel  in  den  bezeiclmeten 
Gegenden  nicht  kann  getrieben,  gesoliützt  und  aufrecht  erhalten  werden, 
in  Anbetracht  der  grofsen  Gefahr  von  Seeraubereien,  Plünderungen  und 
ähnlichenif  die  Mlf  so  grofsen  weitet)  Heisea  TOi&Uen  etc.  Aus  der  Ein- 
Imtosg  »im  Oktroy  der  Westindiicheii  Compagnie  vom  8^  Joni  1621. 


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S6 


X  S. 


Wirtschaft  zuerst  gesprengt.  E.s  waren  nicht  mehr  die  Kauf- 
leute einer  Stadt,  sondern  der  ganzen  Nation,  die  für  gemein- 
same Rechnung  Handel  trieben.  Aber  wenn  die  Errichtung 
der  Corapagnieen  einen  principiellen  Widerspruch  gegen  die 
lokale  WirtBchaftsorganieation  oedeutet,  die  aen  Niederlanden 
eigentümlich  war,  im  einaelnen  lassen  sich  auch  hier  die  Ein- 
flüsse derselben  konstatieren.  Dies  zeigt  sich  schon  in  den 
nach  Städten  gesonderten  Kammern,  aus  denen  sowohl  die 
Ost-  wie  die  Westindische  Gesellschaft  bestand  \  sowie  aus 
dem  Umstände,  dal's  ttir  jede  Kammer  besondere  Aktien  aus- 
gegeben wurden.  Femer  hatten  die  Biii  k< m^  i'^tcr  der  Städte, 
in  denen  die  betreffenden  Kammern  iiin  n  Sitz  hatten,  das 
Recht  der  Ernennung  der  Direktoren,  nachdem  die  Haupt- 
aktionttre  eine  grOfsere  Zahl  von  Kandidaten  vorgeschlagen. 
Erst  seitdem  der  Erbstatthalter  Wilhelm  IV.  zum  Oberdirektor 
beider  Compagnieen  ernannt  worden«  wurde  atich  hier  der 
Einflufs  der  Stadtregenten  gebrochen. 

War  auch  bei  den  tibrigen  Handelszweigen  das  Risiko 
nicht  so  lthTs  wie  in\  indisehcn  Geschäft,  und  konnte  daher 
von  dt  r  Krneljtung  monojxtlistisclK  r  Compagnieen  Abstand  ge- 
nommen werden,  so  kam  doch  meistens  auch  hier  nicht  die 
freie,  durch  keinerlei  gesetzliche  Bestimmungen  beschränkte 
Privatuntemehmung  zur  Herrschaft  Der  Grund  lag  haupt- 
sächlich in  der  Unsicherheit  der  damaligen  Schiffahrt.  In 
Kriogszeiten  schlitzte  auch  die  neutrale  Flagge  nicht  immer 
vor  Kapereien,  und  in  Friedenszeiten  wimmelten  faat  alle 
Meere  von  afrikanischen,  biskayischen,  und  dünkirchener  See- 
räubern. Kauffahrteischiffe  konnten  nur  unter  dem  (ieleit  von 
Krie^^ssc  liiücn  segeln,  falls  sie  nicht,  in  Admiralschaft  fahrend, 
Geschütze  an  Bord,  selbst  ihre  Verteidijürun^?  iUjeniahraen. 

Aus  diesen  Bedürfnissen  ist  hauptsächlich  die  1625  er- 
folgte Errichtung  des  KoUegtums  für  den  Levantehandel  her^ 
vorgegangen.  Dasselbe  war,  wie  die  Compagnieen,  in  Kammern 
gegliedert,  an  deren  Spitze  aclit  der  erfahrensten  Kaufleute 
standen'.  Auch  hier  also  wieder  lokale  Organisation,  da  die 
Bürgermeister  das  Ernennungsrecht  hatten!  Nur  der  Sekretär 
des  Kfdlepums  wurde  seit  l(>9r>  von  den  Generalstnaten  be- 
rufen, wichtigsten  l^estinimnngcn,  denen  sich  die  nach 
der  Levante  handeltreiben<len  Kaufleute  zu  unterwerfen  hatten, 
waren,  dafs  ihre  Schiffe  in  Admiralsclmft  fahren  und  mindestens 
180  Last  Inhalt,  50  Matrosen  Bemannung  und  24  Fünfpfunder 


*  6  Kamniera  der  Ostindiechen  Gesellschaft:  Amsterdam.  Seeland, 
Delft,  Hooni«  Rotterdam,  I^khujsen.  6  Kauimern  der  Westindischen 
Kompagnie:  Amsterdam.  Seeland,  Maas,  Stadt  und  Land,  Nordquartier. 

*Canneman:  De  meccatnra  Batayomm  Levantiea.  Haag  18^, 
p.  44& 


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X  3. 


27 


Laben  raufsten^.  Einem  einzelnen  Schiff  wurde  nur  erlaubt, 
die  Fahrt  zu  untemehmeiiy  wenn  es  mit  70 — 80  Mann  und 
80 — 86  G^chtttzen  versehen  war.  Die  Ausführung  dieser 
Bestimmungen  wurde  unter  anderem  dadurch  gesichert»  dafs 

Assekuranzverträge  ftir  Schiffe,  die  nicht  in  der  angegebenen 
Weise  ausgerüstet,  für  ungültig  erklärt  wurden.  Merkwürdiger- 
weise finden  wir  auch  hier,  wie  Ijei  der  Ostindischen  Compagnie, 
die  Übertragung  Htaatlicher  Hoheit^rechte  an  eine  kaufmännische 
Korporation.  Das  Kollegium  für  den  Levantehandel  erhielt 
das  Recht  der  Anstellung  von  Konsuln  in  der  Tttrkeii  die 
hier  auf  Grund  der  Kapitulation  von  1612  tther  die  nicderlJtn- 
dischen  Unterthanen  Recht  zu  sprechen  hatten.  Ebenso,  wie 
die  Konsuln,  wurde  auch  der  niederländische  (Gesandte  in 
Kon!<t?intino])el  zum  Teil  von  dem  Kollegium  besoldet.  Zur 
Deck I mg  dieser  und  anderer  Unkosten  hatten  die  Direktoren 
daa  iieclit,  gewisse  Steuern  von  den  im  Levantehandel  thätigen 
Kaufleutfloi  zu  erheben.  Hierher  gehört  das  Levanterecht,  eine 
Abgabe  von  1  Prozent,  die  von  allen  aus  der  Levante 
stammenden  Gtttem,  mochten  sie  nun  direkt  oder  indirekt 
importiert  sein,  erhoben  wurde.  Die  bedeutendste  Steuer  war 
das  sogenannte  La.stgeld.  Seit  <\nu  Jahre  1625  wurden  nämlich 
von  jeder  Schiffslast  4,  seit  lt)3U  20  stuiver  erlioben,  von  denen 
•  3  der  Besitzer  der  verfrachteten  Güter,  '/a  der  Schiffer  7,u  zahlen 


Betrag  eriiohen.  Auch  fr^ndeSchiiror  wurden,  wenn  sie  hollän- 
dische Häfen  anliefen,  in  gleicher  Weise  besteuert.  Die  Steuer- 
quittung mufste  in  allen  Häfen  dem  niederländischen  Konsul 
vorgelegt  werden.  Die  Höhe  dieser  Steuer  wurde  so  drückend 
empfunden,  dals  sie  1659  auf  die  Hälfte  herabgesetzt  wurde. 
1722  stieg  sie  auf  40  stuiver,  wurde  aber  ben  its  1725  auf 
den  ursprünglichen  Satz  ermäfsiicft.  —  Alle  Steuern  des 
Kollegiums  wurden  von  den  staatlichen  Zollbeamten  verein- 
nahmt und  dann  erst  an  die  Finanzbeamten  der  Direktoren 
(Ontvanger)  abgeführt 

Denselben  Typus,  wie  das  Kollegium  fi\r  den  Levante- 
handel, hatte  auch  die  Kammer  zur  Direktion  des  moskovischen 
Handels*,  nur  dafs  dieselbe  lediglich  auf  Amsterdam  ))e8chränkt 
blieb.  Vier  bis  fünf  der  mit  Rn Island  handeltreibenden  Kauf- 
leute wurden  von  den  Bürgermeistern  mit  der  Leitung  und 
Beaufsichtigung  dieses  Geschäftszweiges  betraut.  Dieselben 
erhielten  ebenfalls  das  Kecht,  gewisse  Abgaben  von  den  aus 
Rufaland  eingeführten  Waren  zu  erheben*. 


1  Placaet  opte  groote  equipagie,  monture  ende  admiraelschappen 
der  sebepen  vanrnde  door  de  stnite  van  Gibnltar«  8.  Mftix  1668. 

*  Dieselbe  wurde  1698  errichtet.  Wac'enaar,  Amsterdaml  V,  S| 
535.   Scheltema:  Rasland  en  de  Nederlanden  U,  313. 

*  1717  und  1728  erUdtm  die  Diiektoren  dasBeeht,  Vs  Proaent  Ton 


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28 


X  8« 


Ähnlich»'  FunktTonen  lagen  auch  den  i>ir(;ktoren  filr  den 
Ostsechandel  (Dirccteuren  van  de  oostersche  handel),  die  seit 
1689  in  den  Städten  Amsterdam  und  Hooru  vom  Ma^istiat 
ernannt  wurden,  ob. 

Auch  die  Fischerei  in  Grönland  und  der  Davisstraise 
unterstand  einer  von  den  Interessenten  gewählten  Behörde 
(Gecom mitteerden  uit  de  Groenlandsche  vissery),  die  unter 
anderem  Verordnungen  Uber  da»  Bergen  von  Gutem  bei  Schifis- 
ungliicken  erliels. 

•lloi  Gutem,  die  von  Öt  Petenbiifg  kamen  oder  oach  dort  gingen,  ta 
erheboD. 


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m, 

Blüte  und  Verfall  der  niederländischen  Industrie* 


Auf  dem  Bild  einer  holländischeu  Suult  aus  dem  16. 
und  17.  Jahrhundert  bemerkt  mau  aulser  einigen  Kirclien, 
,  Holpitaleni  und  dem  sie  alle  überragenden  Stadthaus  kaum 
ein  henromgendes  Gebttude.  Schon  daraus  kann  man  schliefsen, 
dafs  damals  grofse  Manufakturen,  d.  h.  geschlossene,  einem 
Unternehmer  gehörige  Etablissements  nicht  vorhanden  waren. 
In  der  ganzen  Industrie  herrschte  Kleinbetrieb.  Besümdcn 
doch  für  die  meisten  Gewerbe  sr^'setzliche  Bestimmungen,  die 
nur  die  Verwendun^^  einer  beötinimten  Anzahl  von  Arbeitern 
oder  Werkzeugen  gestatteten.  So  war  es  in  Amsterdam  den 
Leinewebern  unteröagt,  melir  als  drei  Webcätühie  in  Thätig- 
keit  SU  setzen,  ein  Verbot,  das,  1589  erlassen,  erst  1657  fiel  ^ 
Die  Hutmacher  derselben  Stadt  durften  nicht  mehr  als  seehs, 
seit  1631  acht  Gesellen  haltend  Den  Tuchbereitem  von 
Amsterdam  war  eine  Zahl  von  zehn  Gesellen  als  Maximum 
vorpreschrieben,  während  sie  in  Leyden  nicht  mit  mehr  als 
itint  Tischen  mit  sechs  Gesellen  arbeiten  durften.  Kino  gleiche 
Tendenz  liegt  vor,  wenn  in  Amsterdam  den  Schuhmachern, 
Bandwebern  und  Sclimieden  befohlen  wird,  ihr  Geschäft  nur 
in  einer  Werkstatt  zu  betreiben^.  Je  kleiner  der  Ort,  desto 
weiter  scheint  man  in  dieser  Richtung  gegangen  m  sein.  In 
Groningen  wurde  1680  den  Kfirschnem  untersagt,  mehr  als 
zwei  Gesellen  und  einen  Lehrling  zu  beschäftigen^,  während 
in  Deventer  fast  alle  Meister  nicht  mehr  als  einen  Lchrjungen 
annehmen  durften,  die  BOttcher  nicht  mehr  als  einen  Gesellen 
und  einen  Lehrling  °. 

'  llautvesten  III,  4,  5'>3. 
«  Hantveaten  III,  4.  669. 

»  Hantvesten  III,  4,  578;  v^rl.  Wagenaar  IV,  1,  476. 
^  Feith:  De  gildis  GroniDganis  l^SS,  p.  108. 
*  Houck:  De  eoUegiis  opifienm  ae  mercatomm  in  patria  nostia, 
Vm^  ^  19. 


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X  a 


KurSy  diese  Voneliriften,  die  darauf  hinzielten,  den  Klein- 
betrieb zu  erhalteDi  finden  sich  fast  fiberall,  nicht  nur  hier 
und  da,  wie  van  Reea^  annimmt  Wenn  sie  in  einzelnen 
Gewerben  fehlten,  00  geschah  es  nur,  weil  sie  dort  überflüssig 
warm,  wie  z.  B.  im  Bäckergewerbc.  Ncbon  dem  für  den 
Lnk.all)edarf  arbeitenden  Handwerk  '^nh  es  freilich  aucli  (le- 
vverbe,  die  ihren  Absatz  auf  dem  Weltmarkt  fanden,  vor  aUein 
die  Wollindustrie.  Allein  obwohl  ihr  Export  nach  Milliuueu 
von  Gulden  ztthlte',  eine  manufaktunnä&ig  betriebene  Grofs- 
Industrie  war  sie  doch  nicht  Eine  Hausindustrie  mit  vielen 
kleinen  Meistern  und  kloinen  Verlegern,  das  war  auch  die 
höchstentwickelte  Industrie,  die  die  Niederlande  in  der  ersten 
Hfllfte  des  17.  Jahrhunderts  aufzuweisen  hatten.  Zum  Beleg 
eTTnu:e  Zahl«'!!.  Es  waren  in  der  Sny-  und  KoBchindustrie 
(>aai-  en  rasiuM'iii^)  in  Delft  vorhandi'n  ^ : 

Im  Jahre  1652  Kaufleute  u.  Tucher  (Drappiers)  69  Arbeiter  256 

-  -     ir)54        .        -       -  -        72       -  226 

-  -     1656       ...  -       93      -  246 

Mit  dieser  Betriebsform  harmonierte  der  technische Chanikter 
der  Industrie.  An  die  Stelle  nllp^enieiner  wissenschaftlicher 
Principien  niulste  das  zufHllige  Geschick  des  einzelnen  Ar- 
beiters treten.  ^Es  p^nh  kein  Lehrbuch  tiber  den  Schiffsbau. 
Daher  beinahe  kein  Sciiiii  auf  dieselbe  W<Mse  gebaut  wurde, 
SO  dafs  man  sagte,  zwei  Schiffe  gleichen  sich  so  wenig  wie 
Kwei  Menschen^.*  —  Darum  blieb  das  Geheimms  gewisser 
technischer  Verrichtungen  in  einzelnen  Familien  erblich.  So 
wurde  die  Verfertigung  einer  Art  Verpackungen  Ölsaat 
(hären)  jahrhundertelang  in  den  Zaaidanden  von  einem  und 
demselben  Geschlecht  botri»  ^<'ir''.  —  Es  bedurfte  des  Einfalls 
der  Franzosen  und  der  \  i  treibung  vieler  Papiermülh'r  aus 
G»*lderland,  damit  die  Kuncst,  weifses  Papier  zu  machen,  in 
Nordliolland  bekannt  wurde.  —  Obwohl  gerade  Holländer  im 
16.  und  17.  Jalirhundertü  eine  Reihe  grofser  Erfindungen 
machten,  so  kamen  doch  nur  wenige  derselben  in  der  Industrie 
zur  Anwendung".  Die  Färberei  in  Leyden  arbeitete  noch 
Mitte  des  17.  Jahrhunderts  nach  einem  Reglement  von  1585. 

*  Van  Hees:  Geschiedeuis  der  staatbuishoudktitido.  18B5.  T,  j».  32. 

*  Der  Wert  allein  der  Leydener  Produktion  au  \\  olUtoÖen  wurde 
auf2it  Millionen  H.  berechnet.  Areud  Tollenaor.  Kemonstrantie,  1678. 
Vgl.  Uber  die  Höhe  der  Prodnktion  in  Leyden  Beilage  I. 

*  Wttcwaai  in  seiner  Ausgabe  von  La  Court  Beilage  J. 

^J.  G.  deJonge:  GeschiMenis  van  het  Bederlandache  Seewesen 
I,  p.  C45. 

*  De  Navorstber  l«b9  p.  596. 

*  Dft  in  den  Werken  über  Geschichte  der  Technologie  der  Anteil 
Hollaiicl^:  an  der  industriellen  Entwicklung  sehr  veniacblMesigt  wird  und 
auch  MultatuU  (Ideen  No.  451)  fräfrt,  welche  Erfindungen  sind  in  den 
Niederlanden  gemacht  worden,  so  möge  folseude  Aufz&blung  «auiger  in 
Holland  gemachter  technischer  Fortschritte  Fiats  finden: 


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X8. 


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Unausgebildet  wie  die  Arl)eitsteilung  in  der  Werkstatt, 
blieb  sie  es  auch  in  der  Gresells(  haft  im  allgemninen.  Spinoza 
schlifT  seine  Brillen,  Leeuweniioek  verfertigte  öelhst  die  Linsen 
seiner  Mikroskope.  Auch  dafs  ein  Minister  des  Au8wflrti|]^en, 
wie  das  de  Witt  während  des  zweiten  englischen  Krieges 
thaty  zeitweilig  das  OberiLommando  einer  Flotte  übernimmt, 
dttrfte  heatsatage  eine  ungewohnte  Erscheinung  sein. 

Fassen  wir  das  Obig«  /uaammen,  so  ergiebt  sich:  bis  in 
die  letzten  Decennien  tlea  17.  Jahrhunderts  war  der  Klein- 
betrieb m  Holland  dank  dem  niedrigen  Stande  der  Technik 
fast  UV)erjill  vorherrsciicnd,  und  auch  wo  die  Technik  voran- 
8eliritt,  wurden  die  alten  Betriebsfonncn  von  der  Gfsetzgebung 
künstlich  aufrecht  erhalten  Dan  Handwerk  blieb  in  den 
Fesseln  der  Qüdoi,  ^e  Hausindustrie  in  den  Banden  der  Hallen. 

Wie  wurde  nun  die  Manufaktur  in  den  Niederlanden  ge- 
schaffen? Die  tfkonomiichen  Bedingungen  ihrer  Entstehung, 
Ansammlung  grOfserer  Kapitivh'en  in  einzehien  Ilünden,  Bildung 
einer  Klasse  von  nn<T:elemt<  n  Arbeitern,  Welthandel  und  grofser 
Markt*  wnrrn  in  Holland  mindestens  seit  dem  Anfang  des 
17.  Jahrlmn(ierts  vnrlianden.  Denuoeh  \v(  rdt  ii  bis  zum  letzten 
Drittel  des  17.  Jaiirhunderts  nur  auänahnisweise  Manufakturen 
errichtet  und  fast  immer  geschah  dies  durch  fremde  Unter- 
nehmer unter  besonders  bevorsugenden  Bedingungen.  Das 
älteste  Beispiel  dieser  Art  bietet  wohl  der  Eontrakt  der  Stadt 
Haarlem  mit  Gregorio  de  Ayala  und  mehreren  andern  spaniselicn 
Kautlcuten  vom  Jahre  1524.  Die  letzteren  verpflichteten  sich, 
800  hall)!  Stücke  einer  bestimmten  Tuchsorte  jlkhrlich  in 
Haarlem  iabrisiereu  zu  lassen'. 

Erfindung  des  Pasquier  Latnertyn  in  Alkin;<Hr  In  der 
lIiiBter Weberei.  £iKelenberg  Alkmaar  p.  424.  —  E^tdcckuu^  des 
€k>cheniUe8charlach  dnrcli  CornAliiiB  Drebbel  {^woe  der  wichtigsten 
liarbecheinisi  lipn  Entdeck unf^en"  Otto  N  Witt,  Cnenii'^chr  Technologie 
der  G^piuustiasern  p.  HO).  —  Die  Erüudung  der  Si'jeiuühleo.  (Leeg- 
water,  Klein  chronykje  p.  13).  —  Erfindnii^  des  Jakob  ter  Gonw, 
Katifinann  in  Amsteraam.  Kattun  mit  echten  Farben  ssn  bedrucken.  Resol. 
Staaten  Holland  1^.  Juli  1<>7n.  —  Erfindung  der  Platten  zum  Kattundruck 
1690  durch  Komeyn  de  ilooghe.  Berg  Refugi^s  p.  198.  -  Lriuidung 
italienischen  Krepp  zu  machen.  Res.  Staaten  Holland  25.  Septbr  1699.  — 
J>i*  ITH  hoiländi.si-hcn  Handwerk  des  17.  .Talirhunderte  üblK  he  Technik 
bedingt  Johan  van  Nyenborgb  in  seinem  Lehrgedicht  Xoonneel  der 
«tnbaehten  of  den  wineVel  der  Handtwercken.  Groningen  1659. 

'  AllcrdingH  r^piclt  der  Koloriialmarkt  nicht  die  entscheidende  Rolle  in 
der  Entstehungsgeschichte  der  Manufaktur,  die  ihm  Marx  (Kommu- 
nistisches Manifest  und  Elend  der  Philosophie)  zuweist.  Weit  entfernt,  ein 
wichtiges  Absatzgebiet  in  Indien  zu  finden,,  fürchtete  die  europäische 
Industrie  die  Konkurrenz  der  indischen  rr'  dnkto.  so  dafs  wiederholt  auf 
Schutzzölle  gegen  die  Einfuhr  indischer  Jiaumwollen-  und  Lcinenstofl'e 
angedrungen  wurde.  Vgl.  Laspeyres  p.  V6(>.  Becher  pol.  Disconre 
p.  127.  Ma  cphorFon:  Annals  of  trade  II,  559.  Kiclmeyer:  Entwick- 
lung des  ZeugdruciLs  in  Dinglers  polytechniseb^  Journal  234  p.  63. 
Clement  Tan  Cauwenberghas  Liadi^cie  de  la  eoic  &  Anvenaepiiki 


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xa 


Als  Motiv  fih-  den  Abschhifs  des  Vertrags  führt  der 
Magistrat  die  Verliossorung  der  städtischen  Finanzen  und  die 
Vermehning  der  Bevölkerung  an*.  —  Aus  dem  Jahre  1666  i.st 
eine  Abmaclning  zwischen  demselben  Magistrat  und  dein  Kng- 
länder  Bellingan,  sowie  seinem  Aaaoci^  Dirk  van  Kattenburai 
aus  Anutenduun  Uber  die  Erriehtung  einer  Spiegelfabrik  er- 
halten^. Die  Unternehmer  bekamen  ftir  15  Jahre  das  Mono- 
pol in  dieser  Branche^  sowie  einen  Vorschnfs  von  8000  Gulden, 
der  in  8  Jahren  zurückgezahlt  wenlen  sollt*',  zugesichert. 
1678  kontrahierte  die  Stadt  Haariom  mit  Doktor  Joachim 
Recher,  l.saak  van  Nikkelen  und  Hendrik  Noyen  über  die 
Gründung  einer  Fabrik  zur  Verarbeitung  italienischer  Roh- 
seide.  Die  städtische  Rc^perung  sollte  die  Gebäude  für 
25—80000  Gulden  herstellen  und  dieser  Fabrik  ein  aus- 
schliefsliches  Privilegium  zu  erwirken  siiclien'. 

Indessen  vereinzelte  Ereignisse^  wie  die  erwähnten^  bedeu- 
teten keinen  Bruch  mit  der  alten  gewerl)lichen  Ordnung. 
Wie  ein  eiserner  Kiegel  hemmte  die  Festsetzung  der  Arbeiter- 
zahl und  der  Werkzeuge  die  Entfaltung  der  kapitalistiselien 
Produktionsweise,  Alle  anderen  Bestimmungen  der  (iiide- 
statuten  konnte  der  kaufmäuniöche  Unternehmer  leichter  um- 
gehen. So  konnte  er,  auch  wenn  er  kein  Meisterstttck 
gemacht,  das  Geschäft  auf  den  Namen  eines  gelernten  Meisters 
^ihren  lassen.  Es  bedurfte  grofser  Ereignisse,  um  endlich 
auf  diesem  Gebiete  Wandel  zu  schaffen. 

Da  kamen  in  den  Jahren  vor  und  nach  der  AiiflK'hung 
des  Edikts  von  Nantes  Tausende  von  fran/ To  Ischen  1  iiicht- 
lingen  ins  Land,  fast  alle  Kaufleute,  Hand^^<  rker,  Arbeiter* 
und  mit  ihnen  konmierzielle  Intelligenz,  verfeinerter  Geschmack 
und  grofse  Kapitalien.  Wollte  man  diese  Schätze  nicht 
unbenutzt  lassen,  so  mufsten  die  lästigen  Fesseln  des  Gilde- 
rechts  fallen.  Sie  fielen.  Die  glaubensrerwandten  Ein- 
wanderer, in  allen  Städten  gastlich  aufgenommen,  erhielten 
das  Bürgerrecht,  wurden  von  der  Verpflichtung,  ein  Meister- 
stück zu  liefern  und  Eintrittsgeld  an  die  Gilde  zu  zahlen, 

1588  jnsqn'lt  nos  jours,  Anvers  1S87,  p.  15.  Boislisle,  Correspondance 
dss  ooDtrdleure  ^en^raux  des  ünancee.  II  Append.  p.  479.  Luzac  sagt 
sogar,  dfif?.  dir  Verfall  der  niederiftodiacben  Manankturen  dem  Uandel 
mit  ludiea  zuzuschreiben  sei. 

^  Hantvesten  der  stad  Haarlem  1751  p.  657. 

■'  Ensclicd 0:  InrcTitari?;  van  hct  archief  der ßtad  ITaurlcm  II  Xo.  5G6. 
hin  uüige  Thatsacbe  kann  auch  zur  Widerlegung  der  Behauptung  von 
Berg  Refugi^  p.  198  dienen,  d&fs  die  eiste Spiegelfahiik  in  Hollsna  erst 
1090  vorkommt. 

*  Enschede  1.  c  \o.  571. 

*  Unter  den  227  tranzÖBischen  Flüchtlingen,  die  von  168.5 — 1698 
Bürgerreciit  in  Middelburcr  erwarben,  befanden  Bich  4  Prediger,  1  Lieutenant» 
8  Schneider,  1  Graveur,  2  .^^j/itzotiarbeiter,  4  Küfer,  8  Kaufleute,  7  Zi?nnior- 
leote,  15  Leineweber,  9  Woilkämmer,  10  Schuhmacher,  3  Hutfabri kauten, 
1  Bnehbinder,  2  Tnchweber,  8  Baichentweber  etc.  Coronel,  Hiddellraig 
1859,  p.  180. 


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X  3. 


38 


dispensiert.  Auch  wurden  ihnen  Steuern  erlassen  und  Frei- 
heit von  militärischen  VerpflichtunfrrTi  zii^^'^Mt^t.  T'l)ornll,  wo 
sie  hinkamen,  schufen  die  Retugus  neue  liiduHtneeu  oder 
belebten  die  alten.  Zu  den  neu  eingeführten  Industriezweigen 
gehörten  in  erster  Reihe  die  Hutfabrikation,  die  Fabrikation 
▼on  Seiden-  und  Halbneidenstoffen  und  Mtlllereace  in  Haarlein^, 
die  Sammetfabrikation  in  Utrecht  und  Naarden,  die  Gerberei, 
Posamentierarbeit  —  Die  Seiden-  und  Halbseideninduntrie 
in  Haarlem  gab  noch  in  der  Zeit  ihres  Verfalls  an  15000 
ÄteTischcn  Arbeit^.  -  Die  Fabrikation  von  Seiden-,  Halb- 
seiden-, Wollen-  und  Halbwollenstoffen  in  Utrecht  beschäftigte 
ungefähr  10000  Personen^.  —  Die  Holländer,  achreibt  Sir 
Charles  Daveuunt  1697,  haben  eine  solche  Seidenmanuiaktur 
in  ihrem  Xjand&  dafs  wir  von  dort  mehr  Beide  importieren, 
aia  wir  von  Indien  hierh^bringen.  Der  grttfate  Teil  der  hier 
gebrauchten  Sammete  kommt  von  dort  und  wird  von  uns 
teurer  bezahlt,  als  wenn  die  Ware  von  Indien  käme  oder 
bei  uns  fabriziert  würde*.  „Ich  glaube  sicher,  heifst  es  in 
der  Denk sclirift  eiiiPR  SeiflenffibrikaTifoTi  von  1774,  dafs  früher 
durch  die  Seiden-  und  Öeidenötoffiabriken  mehr  Menschen  in 
unserem  Lande  Arbeit  erhielten  und  prosperierten,  als  durch 
die  ganze  ostindische  Compagnie*.  Auf  die  Bedingungen 
dieser  Prosperitllt  werfen  freilich  die  gerade  fUr  dieae  Industrie 
erlassenen  Truckyerbote  ein  eigentümliches  Ucht 

So  war  mit  einem  Schlage  eine  g^rofse  Manufaktur- 
industrie® und  eine  Hausindustrie  geschaffen,  die,  ungleich 
freier  als  bis  dahin  bestehende^  bald  die  alte  Wollindustrie 


^  Uber  die  Fabrikatioil  Ton  ngaze  des  orientaux"  in  JEbsrletn  vgl. 
Bnlletin  ds  la  Commission  poor  llustoire  des  ^lisw  wallotmei  11(1887) 
p.  89Sf. 

*  Berg  1.  c.  p.  908. 

»  Utmhtftch  tijdschrift  1835  p.  335. 

*  Ch.  Davenant:  Eaa&y  od  tbe  Bast  India  trade.  Works  I,  p.  109. 
Der  Import  von  Holland  nach  England  betrug  1668—69  10  557  Seiden- 
gcwebe  im  Wert  von  28768       5  s  und  2877  ^  gezwirnte  Seide  im 

Wert  von  2878         dagegen  1703  f>>^(>9"  i-.>  ^  Seicfengewebe  im  Wert 
von  15  822  ^  2  B  und  12  305  €6  gezwinite  Seide  im  Wert  von  15  Ut>6 
Davenant:  Works  V,  405  und  412.  ~  Die  holtändischen  Seidengtoffi» 
ninl  lUoknte  verdrängten  damals  die  fran/ösischen  l'ahrikute  auf  dem 
spauifM^hen  Markt.  Boislisie:  Conrespondance  des  coutröleurs  {r^draux 

I,  No.  1808. 

Stukkoii  betreffende  de  redenen  van  bet  verval  der  Zijdefilbriflken 
te  Amsterdam  1774  (Stadtarchiv  Amsterdam  L.  Z.  G  No.  8). 

*  Lber  die  Zahl  der  MHuulakturen  liegen  nur  wenige  Aneabeu  vor. 
In  .Amsterdam  gab  es  1770  230  Fabriken  in  84  Klaaeen.  De  Ivoopman 

II,  IT''  IT*^")  waren  nach  Wa^enaar  100  Zurkermffinerien,  20  .MüLtercien, 
I  i  i^rauereten,  12  Seifensiedereien,  7  Essigtabriken,  1  EiAaigieTserei,  1  6e> 
wcbrlaofitibrik  vorbanden.   Vi^l.  auch  De  Koopnan  1,  254  und  VEs' 

Sine  K'.opbandel  II,  312.  In  i^aandam  Bollen  nach  Honig  i (lescliiedenis 
er  Zaanlanden  I,  27  Ij  1708  432,  1768  805  MUbleu  im  Betrieb  ge- 
wsssB  sein. 

F«iMhqiigwi  (44)  Z  3.  -  PringilieiiB.  3 


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84  X  3. 

überdugelte  ^  —  Es  entstanden  nun  Unternekniungen  von 
teilweise  kolossalem  Umfange.  Pierre  Baille  aus  Languedoc 
errichtete  1682  eine  Weberei  mit  110  StttUen  in  Amsterdam  K 
Seine  Arbeiter  bewohnten  einen  ganzen  Stadtteil.  Einem 
Unternehmer,  der  die  Taffetfabi  ikati<jn  in  Amsterdam  oinfohrte, 
wurden  nicht  weniger  als  100000  Gulden  vom  Magistrat  vor- 
geschossen. Um  diese  Zeit  legte  Jakob  van  Möllern  mit  Unter- 
»tut^uug  von  Röfugiöfe  eine  Seideni'abrik  in  Utrecht  an,  die 
durch  ein  Wasserrad  betrieben  wurde.  Er  beschäftigte  500 
Arbeiter  und  gab  aufser  dem  Hause  an  1100  Webstühle  Arbeit^. 
Wie  grofs  der  Vorteil  war,  den  die  neuen  Mannfakturen  dem 
Lande  brachten,  aeigt  u.  a.  Davenants  Bmchnung,  dafs  von 
1688—95  der  Nationalreiehtum  der  Niederlande  sich  um 
7700000  £  vennehrt  habe*. 

Die  Niederhinde  tnUtn  fUe  Erbschaft  des  ersten  dam-tli^ren 
Industriestaates  an;  was  Ir'rankreicJi  noch  nach  der  Verjagung 
der  Protestanten  an  Industrie  behielt,  ruinierten  die  Kriege 
und  die  Verwaltung  Ludwigs  XIV.  *.  Ebenso  plötzlich  aber, 
wie  der  Aufschwung  der  Industrie  gekommen,  ebenso  ttber- 
raschend  brach  der  Verfiül  herein.  Seit  1780  zeigte  sich  in 
den  wichtigsten  Industriezweigen  eine  Elrlahmung,  die  nur  der 
Vorliiuter  eines  völligen  Niederganges  war. 

Die  Hutmacher  Ix  klagten  sieh  1738  über  den  unglaub- 
lichen Verfall  ihrer  Industrie.  Hüte  -'  ien  in  Fiankreich  mit 
20  livres  belastet,  was  einem  Verbot  gieichkomme,  in  England 
bei  die  Eintuhr  ganz  verboten ;  dagegen  werde  eine  grofse 
(Quantität  englischer  Hüte  nach  Holland  eingeführt.    Die  von 


'  Sa  Vary  sftf^t:  „Avant  la  r<*vooation  de  l'^dit  de  Nantes  leurs 
manufacturee  ne  consistaieut  presqu\:a  leurs  dra)>3  et  en  ieura  toiles. 
£Ketionnaire  II,  389.  Unrichtig  ist  es,  wenn  Di.  Georg  Hansen,  Die 
drei  Bovr.lkerongsstufcn,  Müncnen  1889.  u.  2SI  s  hreibt:  ^Dir  /fit  des 
westtMscken  Friedens  bezeichnet  den  Höhepunkt  fUr  die  Lnt Wickelung 
dar  ynederlande.  Sie  sind  jetet .  .  .  der  erste  Indtutrieeteat  der  Welt." 
Nach  der  anderen  Seite  übertreibt  W  i !  1  i  a  m  :  Histoire  des  gouveme- 
meuts  du  Noid,  1780,  I,  179:  ,Ce  pays  na  jamais  et6  celebre  par  ses 
niaaufactures,** 

'  Berg  p.  165.  Die  berühmte,  von  Colbert  ins  Leben  gemfene 
Tuehmanufaktur  von  AbbevIlU"  hatte  nur  30,  später  80  Stuhle. 

*  Die  Fabrik  zählte  32  Seideumühlen  und  bestaud  bi&  IdlG.  Ut- 
lechtaehe  tijdschrift  1835  p.  226.  Peter  der  Qrofse  besuchte  diese  Fabrik 
1717  und  geriet,  als  er  die  Kraft  des  Wasserrades  prüfen  wollte,  in  Lebens- 
geCahr.  Scheltema:  Rulsland  ea  de  Nederlanaen  3,  p.  3ö(i. 

♦  Darenantl,  415. 

i)her  den  Zustand  der  französischen  Manufaktur  in  dieser  Zeit 
vgl.  folgende  Schilderungen:  „II  n'y  a  plus  ni  raannfacturefli  ni  fabricaiits 
dans  les  petites  vilics."  Schreiben  des  Intendanten  der  Auvergne. 
Bo i  1  is  1  e:  Corre.spondance  dos  contrftlears g^neraux  des  tinanees  l,  No.  1050. 
lia  {dupart  ides  ouvriers  de  St.  Etienne)  quitteut  et  desertent,  faute  de 
travail,  et  une  inlimte  meurent  de  faim  et  de  misöre.  Schreiben  des 
Intendanten  von  Lyon  1694^  h  c.  I,  No.  1278.  Klagen  ttber  den  Rück- 
gang der  Manofiaktttr  von  Sedan  Lei,  No.  1490. 


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35 


den  Hutmachern  verlangte  ZoUcrliöhung  wurde  abgelehnt, 
dagegen  sollten  die  Bürgermeister  imd  die  übrigen  Beamten 
ersucht  werden,  nur  inländische  Hüte  zu  tragen*.  —  Die 
Say Produktion  in  Leeden  war  schon  1714  auf  ,ein  Drittel, 
1780  auf  ein  Zehntel  ihrer  Höhe  am  Ausgange  des  17.  Jahr- 
hunderts zurückgesunken.  Während  früher  in  Leyden  14CM) 
Tuchstuhle,  1400  SaystUhle,  300  Kreppstühle  zu  gehen  pflegten, 
gab  es  deren  1753  nur  nooh  150  i  psj).  30  und  25^.  1735  und 
1736  gab  tiH  80  Tiichfabrikjuiten  und  Appreteure  in  Leyden. 
1756  waren  nur  noch  25  Tuchtabrikanten  und  10  Appreteure 
übrig  ^.  Die  Leydener  Arbeiter  waren  zoi- Auswanderung  bis 
nach  Spanien  gezwungen.  1763  waren  in  Amsterdam  die 
frtther  so  zahlreichen  Wollwebereien  verschwunden.  In  der 
Delfter  Fayence-Industrie*  waren  1794  von  30  Fabriken  nur 
noch  10  Ubng.  Von  der  Kattundruckerei  helTst  es  1777,  dafs 
sie  in  Verfall  geraten,  naeh  anderen  Pliitzen,  be5?onders  An^rs- 
bur^^  sicli  «gewandt  habe,  wUhrend  Wageufuir  (1765)  noch  von 
der  Rlütlic  dieses  Gewerbe«  spricht ^  Jeder  Tag  brachte 
neue  Hiubsposten  über  den  Verlust  früherer  Absatzgebiete. 
1701  ging  der  portugiesische  Markt  verloren,  1739  schrieb 
der  hoUftndische  Gesandte  in  Schweden,  dafo  fortan  nur  noch 
inländisc  he  Tuche  dort  getragen  werden  sollten*.  1770  wurde 
die  Einfuhr  fremder  Thonwaren  in  Dänemark  verboten  Was 
Holland  verlor,  gewannen  die  konkurrierenden  LUnder.  Die  Aus- 
fuhr englischer  Wollstoffe  verdreifachte  sich  von  1701 — 1770. 
Die  Tuchproduktiuii  Sehle.sien.s  hatti-  sich  von  1739  -1775 
verdoppelt**.  —  Kurzum,  ganze  Industriezweige  wurden  weg- 
gefegt, Tausende  arbeitslos,  blühende  Städte  entvölkert".  Die 
Geschichte  der  Industrie  kennt  keinen  iümlichen  Zusammen- 
bruch. Und,  was  am  verhängnisvollsten^  dieser  Zusammen* 
bnu  li  erfolgte  am  Vorabende  der  industriellen  Revolution. 
Während  England  nur  nötig  hatte^  seine  Industrie  auf  Orund* 

*  Kii&oiutien  Staaten  Holland  24.  September  und  25.  Oktober  1738 
tmd  Volumen  Docomenle  ter  Venncleringe  exhib.  1788.  Lusac:  Hollands 

f^kdom  TT  Vi21  betont  dagegen  die  Konkurrens  der  BrslMUiter  Hüte. 

*  i>e  smekende  fabnquanten  17.')3  p.  25. 

*  Hollands  algemeene  bloie  of  ruine.   2.  Aufl.  1777  p.  8. 

*  Henry  Havard:  Histoirr  de  la  favence  de  Delft.    Paris  1878. 

*  De  Koopman  VI,  447.  V\mt  den  ftückgang  des  Schiffisbaues  vgl. 
de  Jongc:  Geschiedenis  van  het  nederlaudscbe  ;eeewezen  III,  p.  ö42. 
8ickeß^a  l  v.  p.  254.  Über  den  Vofidl  der  BrsDereien  Nederlsndsche 
jaarboeken  17.">1,  j».  .')r.7f. 

«  £e£olutieu  Staaten  HoUand  1739. 

^  Heeolirtjen  Staaten  Holland  9.  Jtini  1770. 

^  Schmoll  er:  Kleingewerbe  p.  33  nach  Mirabe.iu. 

'  Jn  allen  Strar>*en  (von  HaarlemX  wo  früher  das  Klappern  der  Web- 
atülilc.  das  Schnurren  der  Räder  und  das  fröhliche  Lied  der  Arbeiter  ge- 
hört wurde,  herrscht  jetzt  tödliche  Stille  ....  Strafsen,  wo  früher  glück- 
liehe  Familien  linrch  Arbeit  ein  ehrliches  Auakoniinen  fanden,  sind  gänz- 
lich atwehroohen  und  in  griiiie  Felder  verwandelt."  Corneiis  de 
Kenteg«  Ttfeveal  Ttn  Huvlem.  (1806).  lY,  241  nnd  274. 

8* 


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86 


X  8. 


Inge  (lor  gewaltigen  technischen  Fortschritte  am  Ausgange  dea 
18.  Jahrhimf^M'ts  fortznentwiok^-ln ,  stand  Holland,  (\or  in- 
duBtriellen  Krrungeiischattcii  von  zwei  Jalirliundorten  beraubt, 
ßchutzlos  dem  nun  mit  viel  furchtbareren  Waöen  kümpieuden 
Konkurrenten  ^^^egenüber. 

Über  die  Ursachen  dieser  Katastrophe  waren  schon  die 
Schriftsteller  des  18.  Jahrhunderts  nicht  im  Unklaren.  Hohe 
Arbeitslöhne,  ihrerseits  die  Folge  gestiegener  Lebensmittel- 
preise und  drückender  Steuern,  soUten  die  niederländische 
Industrie  unfähig  gemacht  haben,  ihre  Stellung  auf  dem 


Fabriken  aus  den  groi'sen  iStädten  auf  das  platt««  fvind  ver- 
legt^ wo  doch  Lelii'nsniittel  und  ^lieten  billiger?  .lahriumdertc- 
lang  hatten  die  iiulländischeu  8tiidte,  die  allein  iStiuimrecht 
in  der  Staattiversanimlung  hatten,  systematisch  das  platte  Land 
unterdrackt,  den  Betrieb  der  meisten  Gewerbe  auf  den 
Dörfern  und  Flecken  untersagt  ^  Und  weit  gefehlt,  dafs  die 
Gesetzgebung  in  der  Stunde  der  Gefahr  andere  Bahnen  ein- 
schlug, Stadt  und  Land  gleichstellte,  nein,  beschränkter 
Kirchturmspolitik  mufsten  die  allgemeinen  Interessen  der 
Industrie  zum  Opfer  fallen.  Gerade  um  diese  Zeit  wurden 
auf»  neue  Verbote  erlassen,  bestimmte  Gewerbe  aufserhalb  der 
Städte  zu  betreiben.  Beispiele:  das  Verbot  des  Gokkchmieds- 
gewerbca^,  der  Brauereien  (1748),  der  Mühlen  (1749),  der 
WoUftrbereien  (1757)  auf  dem  Lande*. 

Das  wichtigste  souverftne  Rettungsmittel  wurde  Ter- 
sehniilht,  desto  freigebiger  war  man  in  allerhand  kleinlichen 
Mafsrcgeln  und  Vorschlägen,  durch  die  man  die  Industrie  zu 
heben  hoffte.  Hierher  gehört  die  Bentimmung,  dafs  die  Miliz 
der  Provinz  Holland  mit  iidiindischeni  Tuch  bekleidet  werden 
sollte*,  das  Verlangen,  (lafs  die  Beamten  nur  inländinche  Stoffe 
tnigen  sollten,  von  Arend  Tollenaer  schon  1672  erhoben,  von 
den  Vertretern  von  Rotterdam  lü99  wiederholt,  von  dem 
Verfasser  der  Schrift  „Hollands  bloei  of  ruine*  des  weitem 
auseinandergesetzt  und  endlich  in  einzelnen  Stltdten,  z*  B.  in 
Haarlem,  erfüllt — 


*  Gesetzgeberiache  Akte,  die  dies  bezweekten,  sind  Karl  V.  Ordre 

op  de  buitennerinj'  (1531),  dn?  Verbot  der  ländlichen  Brauereien  (1521, 
1546,  1549,  1577):  V  au  Zurck,  Codex  Batavus,  p.  123.  KesoL  Staaten 
Hollilod,  28.  Hai  1669. 

«  gt.  pib.  VIII,  im 

^  Laspeyres  p,  192.  Teilweise  wanderte  die  InduBtrie  der  Pro- 
vinz Holland  nach  anderen  Provinzen,  wo  derartige  Ijeschränkungen 
nicht  vorhanden,  aus.  8o  gingen  schon  1789  in  Tilbuig  ( Nordbrabant) 
Cno  Stuhle  für  I^eidener  Beelmniig.  John  Smith:  Memotra  of  wool. 
London  1756.  II,  98. 

*  Resol.  Staaten  Holland.  28.  MSn,  25.  Juli,  29.  November  1701. 
lÖ.  August  17(t4,  15.  Januar  1707. 

<^  de  Koni  Dg:  Tafereel  van  Uaarlem  II,  279  und  III,  329. 


Weltmärkte 


I  ^ 


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X  S.  37 

AufTallend  ist  die  Thatsache,  da^s  die  Krisi«,  unter  der 
die  Industrie  damals  litt,  nicht  einen  völligen  Uinsfliwun«]^  in 
der  Zollpolitik  herbeitührte.  Obwohl  die  bei  der  Abfaös»ung 
der  niederländischen  2k>lltarife  maTä^cbonden  handeUpolitischeu 
QrundsfltKe  schwer  zu  erkennen  sind,  da  weit  mehr  ab  sie 
finanzielle  Zweckmttfsigkeitsrttcksichten  vorwalteten,  so  ist 
doch  .sicher,  daXs  bis  211m  2.  Drittel  des  18.  Jahrimnderts  die 
Gesetzgebung  einen  principiellen  Industrieschutz  nicht  an- 
strebte. —  1>  M-  Tarif  von  1655  hatte  das  Princip,  die  Ams- 
fuhrzöllr»  iji  lh  1  nir/üsf'tzen,  als  die  Einfuhrzrdl»* ^  M'enn  iöti5 
und  lt)71  Import  von  Industrieprorlukteii  aus  England 

und  Frankreich  verboten  wurde,  so  waren  dies  vorüber- 
gehende Repressalien  von  rein  politischem  Charakter.  Als 
1 688  etn  neuer  Tarifentwurf  ausgearbeitet  wurde,  wurde  durch 
denselben  die  f>infulir  von  Fabrikaten,  sie  seien  von  ,^6oldy 
bilber,  Seide,  Garn,  AN'ollc,  Haar,  Eisen,  Kupfer  (»der  aus 
irgend  einem  anderen  Stoffe",  durchschuittlich  mit  8  Prozent 
vr»m  Wert  besteuert,  was  um  so  Ix-merkenöwerter,  als  dieselbe 
Vorlage  landwirtschaftliche  Zrdle  (z.  B.  auf  fremde  Butter) 
von  25  Prozent  und  eine  ghnch  hohe  Bchistung  für  mit 
^mden  Fahrzeugen  eingebrachte  Fische  in  Vorschlag  bringt-. 
Die  von  Wilhelm  IV.  1751  geplante  Tarifreform  verquickte 
den  Induatrieschatz  mit  weitgehenden  Zollherabset/.ungen  und 
Durehl'ahrerlcichteruugen  für  den  Handel.  Teils  au  der 
Schwierigkeit,  diese  l)oi»pelaufgabe  zu  lösen,  teils  am  Wider- 
standr der  Adnn'ralitiitskollegicn,  die  eine  A'erminderung  ihrer 
Einnahmen  befürchteten,  scheiterte  dieser  letzte  Heformversueh 
auf  dem  Gebiete  iles  Zollwesens  vor  dem  Ende  der  Republik^. 
Die  Kotlago  der  Industrie  veraulafste  nur  vereinzelte  Einfuhr- 
▼erboie  und  Zollerhdhungen.  Die  wichtigsten  dieser  Mafs- 
regeln  sind  das  Einfuhrverbot  von  Wolldecken  (1728),  von 
frenulen  Bieren  (17<)9),  von  geschnitten<'n  Korken  (1750  und 
Öfter),  von  Schuhen  für  iVm  Provinz  Holland  1778),  ein  Zoll 
von  20  Prozent  auf  '^Puche.  von  25  Prozent  auf  enelisiiio 
Thonwaren*.  Eine  wesentliche  Förderung  konnte  die  IndustiM«^ 
hicnlurch  nicht  erlalu*  u,  da  bei  dem  trostlosen  Zustande  der 
Zollvervvaltimg  nicht  eiuuud  sicher  war.  ob  die  betreffenden 
Verordnaogen  zur  Ausführung  gehingten*.    Wichtiger  als 

*  i^l   rt   Tijdsclirift  18,  1. 

2  Maximen  geobserveurt  in  iict  formorcn  van  uieuwe  Ij'ste  van  cuu- 
yo^ren  en  licenten  (Stadtarchiv  Amst«  rdum  L.  C.  206.) 

En  seien:        propositionibna  Guilielnii  IV,  p.  lo. 

*  Sic  k  eng»  p.  2Ö2.  Groot  i'lakaatboek  Vi,  14^2,  V  U,  iöüu,  IX, 
1390  u. 

*  Dittch  Plakat  vom  l(i  Oktober  1619,  ernettert  Vm.  HJöO  und 
inn;^  ^nv  ']'.'■  1  Jtifuhr  aller  frentdcr  frotiirbtcii  und  appretierten  Wollon- 
fitulte  auts  strengste  verboten  worden.  Und  docb  «ab  es  keine  Slatif  umi 
häm  fläirk  wo  nicht  die  Terhotenen  Waren  in  jedem  Laden  /.u  Iiabon 
wmm  iis  dw  Verbot  in  einen  Zoll  von  8  Prosent  verwandelt  worden, 


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38 


alle  diese  Versuclie,  der  Industrie  den  inneren  Markt  zvl  er- 
halten, aussichtslos  schon  darum,  weil  der  heimische  Konsum 
nicht  ausreichte,  die  Bedürfnisse  einer  für  den  Weltmarkt 
geseliuffeiieii  Industrie  zu  befriedigen,  waren  vcroiiiz«  lto  Rp- 
luUhungen,  der  Industrie  billigeres  Hohniaterial  zu  versehatten. 

Ein  wesentliches  Moment,  das  den  Untergang  der  nieder- 
ländischen Industrie  herbeiftlhrte,  war  folgender  Umstand.  Im 
Gegensatsse  sur  Jetztzeit  suchten  die  Industrieen  des  17.  und 
18.  Jahrhunderts  in  erster  Reihe  heimische  Rohstoffe  zu  ver- 
arbeiten.  Diese  Rohstoffe  durch  Ausfuhrbeschränkungen  im 
Lande  zu  halten,  war  das  erste  Gebot  merkantilistischer 
8taatskunst.  England  verbot  die  Ausfuhr  dei-  Wolle  1614, 
1620,  1622,  1630,  1632,  1639.  1647,  1660  und  öfter Seinem 
Beispiele  folgten  fast  alle  Staaten  des  Kontinents.  So  Branden- 
burg (1087),  Kurpfalz  (17 13),  Dänemark  (1719),  selb.st  Spanien 
für  grobe  Wollen.  —  iVankretch  und  einige  italienische 
Staaten  untersagten  die  Ausfuhr  von  Rohseide.  —  HoUand 
war  dagegen  stets  auf  den  Bezug  fremder,  zum  Teil  über- 
seeischer Rohstoffe  angewiesen.  Spanische  Wolle,  indische, 
chinesisehe,  italienische  Seide,  norwegisches  Holz  waren  die 
Währung  .seiner  Manufakturen.  —  Aber  aueh  wo  einheimische 
Rohstoffe  zur  Verwentlun^^  gelangt<Mi ,  waren  sie  selten  in 
genügender  Quantität  und  Qualitiii  im  Lande  zu  lial)en. 
Trotz  des  Ausfuhrverbotes  von  Lunjü»  ii  siechte  die  1  Papier- 
industrie dahin,  als  die  spanischen  Niederlande  die  Ausfuhr 
von  Lumuen  nicht  mehr  gestatteten^.  Ein  Ausfuhrzoll  auf 
holländische  Wolle  war  schon  1648  gefordert  worden';  1791 
wurde  das  Verlangen  erneuert*,  trotzdem  fiel  der  Vorschlag, 
weil  die  meisten  Fabrikatiouszweige  auf  Verarbeitung  fremder 
Wollen  eingerichtet  waren. 

Hutten  wenigstens  die  kolonialen  Rohstoffe  in  genügender 
Menge  der  niederländischen  Industrie  zur  Verfügung  gestanden, 

war  der  £rfolg  nor,  dafs  die  Waren  mit  2  Prozent  Au&chlag  ins  Haus 
geliefert  wurden.  Berg  p  806.  Es  ist  wahr,  die  Eingansszölle  sind  hoch, 
aber  sie  werden  gcwif»  nie  so,  wie  es  sich  pohört,  bezahlt,  schreibt  1774 
ejn  Seidenbftndler.  I>er  Zolltarif  von  1725  mit  den  tpftter  erfolgten 
Änderungen  bei  l'Espine:  Koophandel  IV,  224  f. 

*  ^^1.  £.  Leser:  Eine  Denkschrift  über  die  englische  Wolhuduatrie 
ans  der  Ztit  Jacobs  I.  p.  r>42  f.  Faber:  Gntstehnng dee  Agrarsehntaee 
in  England,  p.  2C>.  kennt  die  älteste  V«  r  mlnung  von  1614  nieht. 

*  Ausfuhrv  erbote  von  Lumpen  wurden  1719,  1720,  1724,  1730,  1739 
1754  und  17(>'J  erlassen.  Laspeyres  p.  150.  Mr.  D.  1.  c.  p.  122.  Aus- 
filhrverbote  von  Porzellanerde  8.  April  1698,  Gr.  Plb.  IV,  1:^61  häufig 
erneuert,  zuletzt  ."H.  Marz  1756  (VIII.  12^7)  Ausfuhrverbot  inuMsher  Häute 
aus  {Seeland  (Plakat  vom  7.  März  1684).    Mr.  D.  p.  104. 

*  Corte  dednctie  etc.  (Reichsarehiv  Bd.  Comm(«ce  I648--84.)  Vor- 
fiherj^'ehend  war  iVw  Wollausfuhr  1628  und  1680  Terbolen  geweaen.  Mr. 
D.  Over  de  aioude  vrijheid  p.  114. 

*  Nader  voordra^'te  vmn  Leyden  tot  opbenring  van  bet  kw^pnend 
&biieqwezen  en  Consideratien  over  de  belemmeringen  van  den  uitvoer 
v«D  inlandsche  wolle  17dl.  Extrakt  Kesol.  Staaten  üoUand  16,  12  1791. 


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39 


so  hätte  sie  auch  in  einem  Lande,  das  zum  grofsen  Teile  aus 
Heide.  Diincnsand,  Torünoor  und  Wasser  bestand,  konkurrenz- 
tlllug  bleiben  können.  Allein  auch  fb'eses  Vorzugs  scheint  sie 
«ich  nicht  erfreut  zu  liaben.  —  Aus  umthngreichen  Aktenstücken 
über  den  \'eHall  der  Seideniiuluötric,  die  auf  dem  ximsier- 
damer  Stadtarchiv  bewahrt  werden,  geht  hervor,  dafs  die 
ostindische  Comuagnie  den  Verpflichtungen  eines  Vertrages 
vom  22.  SeDtemoer  1740,  den  sie  mit  den  Stildten  Haarlem 
und  Amsterdam  geschlossen,  jährlich  100000  Pfund  Rohseide 
zu  importieren,  seit  1750  nicht  nachkam^.  Als  1774  die 
Erneuerung  des  Privilegiums  der  Gesellschaft  in  Frage  kam, 
petitionierten  die  SeidfuTiändler  von  Amsterdam,  Haarlem  und 
Utrecht,  die  Compagnie  solle  jährlich  50  00U  Pfund  Rohseide 
und  7000  Pfund  Florettgame  liefern,  wogegen  sich  die  Seiden- 
Landler  an  Eidcbstatt  verpflichten  würden,  die  Seide  nur  im 
Inlande  verarbeiten  zu  lassen.  Wahrscheinlich  infolge  dieser 
Vorstellung  wurde  1777  ein  Ausfuhrzoll  för  die  (von  der  ost- 
indischen Compagnie)  importierte  bengalische  Rohseide  be- 
schlossen'» doch  kam  dieses  Mittel  wohl  zu  spät,  um  Hilfe 
zu  bringen. 

*  Stnkken  betrefieDtie  de  redeneo  van  bet  verval  der  Z^defabriekfln 
te  Amsterdsm  (Stadttrehhr  Amsteidiin.  L.  Z.  9.  No.  8> 

*  Laspejres  p^  149. 


IV. 

Zur  Geschichte  der  Gewerbeverfassung  in  den 

Niederlanden. 


Diü  Organisationsfomien  der  Industrif^  liieton  ein  merk- 
würdiges Beispiel  für  di«'  Tiuitsache,  dafs  unter  der  u^leiclien 

i'uristist'hen  Form  ein  ganz  verschiedener  wirt«cliai"tlicher 
nhalt  verborgen  sein  kuiui.  Vor  allem  gilt  dies  von  den 
Gilden  in  den  Niederlanden.  Bis  zum  Ausgange  des 
18.  Jahrhunderts  war  der  gröfbte  Teil  der  holländischen  Oe- 
werbtreibenden  in  Gilden  organisiert  Wie  sehr  auch  die 
socialen  Aufgaben  und  die  8tellimg  dieser  Körperschaften 
zum  Staate  wet  hselten,  stets  blieb  Name  und  äulsere  Form 
die  gleichet  Van  Riemsdijk  unterscheidet  3  Epochen  in 
der  Geschichte  der  rHKlcn.  „Anl^nglich",  sagt  er,  „ver- 
einigten sich  Personen  des  gleichen  Gewerbes  oder  Berufe«, 
um  gemcinf^amc  Interessen  zu  vertreten.  Da  das  religiöse  so 
sehr  mit  dem  gesellschaftlichen  Leben  verflochten  war,  hatten 
solche  Korporationen  auch  einen  stark  kirchlichen  Charakter. 
Allein  snielte  das  Gewerbe  in  solchen  Vereinigungen  eine 
Hauptrolle,  GKlden  im  gewöhnlichen  Sinne  waren  sie  doch 
nicht.    Dies  wurden  sie  erst  durch  Verleihung  des  Zunft* 


'  Die  Schriften  von  R(Hiel  XyenliuiR:  Di^  juribiis  t}'pograph<>rum 
1819,  FortayD:  De  gUdarum  hiätoria  medio  imprimis  aevo  1634  Houck: 
De  collegiis  opificnm  ac  mercatomm  in  patiia  noslm  1846,  J  ter  Gouw: 
De  gUden,  eene  bijdrage  tot  de  ffMcbiedenis  van  liet  volksleven  1866^ 
bieten  viel  Material,  enthalten  aber  Keine  wis«e?i'*chaf'tlic  heu  Anforderungen 
entsprechende  Geschichte  der  Gilden.  Hauptwerk  für  die  ältere  Gre- , 
schichte  dieser  Institution  ist  das  Buch  des  KeicliMUrchivars  Th.  H.  F.  van  * 
Riemsdijk:  OeBduedenis  vaa  de  Kempelkerk  van  St.  Jaeob  te  Utrecht. 
1882.  Kap.  5. 


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X  8. 


41 


Zwanges   Unabhitiigig  davon  konnte  die  Gilde  auch 

politisc'ho  R»H'hte  erwerben  und  hatte  damit  ilirr  dritte  Ent- 
wick«  lungastute  und  den  böchäteu  Grad  vou  Auuebeu  und 
Macht  erreicht.'* 

£b  ist  Jedoch  iinriohtig  anzunehmen,  daXs  die  Gilden  ihre 
höchste  und  letzte  Entwickelungsstufe  erreicht  hatten,  lüs  sie 
Anteil  an  der  öffentlichen  Gewalt  erhielten.  Vielmehr  mufste 
dieser  Unist4ind  ihre  Thätigkeit  auf  gewerblichem  Gcl»iete 
erlit  hlich  altcrieron.  Als  z.  B.  in  Utrecht  die  stüdtische 
Kejjriening  nach  der  Revolution  von  1304  in  die  Hände  von 
2i  (iihlen  kam,  zwangen  «ie  jedes  neu  aufkommende  Gewerbe, 
sich  unter  ihr  Patronat  zu  stellen.    Dadurch  kam  es,  dal's 

fanz  heterogene  Handwerke^  wie  Barbiere  und  Gewandschneider, 
[aler  und  Sattler,  in  einer  Gilde  vereinigt  wurden.  Man 
nannte  diese  Gilden  „vergaderde  Gilden  van  veel  diversche 
ambachten'*  „vereinigte  Gilden  von  verschiedenen  Hand- 
werken". Erst  als  im  1(5.  und  17.  .Jahrhundert  der  politische 
Kinflufs  der  Gilden-  mehr  und  meiir  zu  verblassen  begann, 
trat  mit  dem  Verluste  der  Kigenschatt  von  politischen  Wahl- 
küri)ern  ihr  gewerblicher  Charakter  schärfer  hervor. 

Die  Gilden,  die  aus  Angehörigen  verschiedenartiger  Ge- 
werbe zusanmiengeeetzt  waren,  wurden  ersetzt  durch  Kor- 
porationen, in  denen  nur  noch  Handwerker,  die  verwandte 
Gewerbe  betrieben,  Platz  fimden.  Wie  weit  diese  Sonderung 
stattfand,  hing  natürlich  von  Zufälligkeiten,  besonders  von 
der  Stärke,  in  der  die  einzelnen  Gewerl)e  an  dem  betretienden 
Orte  vertreten  waren,  ab^.  Daher  ist  die  Zahl  der  Gilden, 
wie  wir  sie  im  17.  Jahrhundert  vurtiudüu,  kein  untrügliches 


'  S.  Mul  1er,  Fz.;  De  Utreclit?chon  firohir-ven.  I.  Schildfrsvereonigini^en 
te  Utrecht  1880.  p.  4,  f.  lu  Aiusterdum  bildeteu  Autelhüudler  und 
Kfireohner  eine  Gilde  bis  1618.   Hantvesten,  Amsteraam,  p.  564. 

-  Vf^l.  hierüber  van  Rees:  Geachiedenis  der  staathuishoudkiinde  I, 
p.  Iz4.  Bodel  Nyenhuia:  De  juribiu  typographorum,  p.  324.  In  Gelder- 
Ttuid  und  Deventer  behielten  die  Gilden  Antol  an  der  Kegieruii<r.  Gsns 
war  <H<'  Erinnerung  an  ihre  einstige  politische  Bedeutimg  aucli  in  der 
Provinz  Holland  nicht  verschwunden.  Die  Wiederherstellung  der  Gilde- 
herrschaft war  eine  Hauptorsachc  des  Dordrechter  Aofetandes  von  1<>51. 
Noch  174v'<  petitionierte  Leyden  um  Wiedereinsetzung  der  Gilden  in  ihre 
politischen  Rechte.  In  Groiiincen  erhielten  die  Gilden  die  ihnen  16G3 
entzogenen  Rechte  durch  die  itevolution  vou  1748  zurück:  Art.  G  dee 
Berlements  vom  28. November  1749.  Tedinga  B er khont:  De  motata 
a  Giulielmo  IV  rcgiininls  forma.  1889,  p.  71. 

^  in  der  St  Luiiasgilde  in  Haarlem  nnd  noch  im  Iti.  Jahrhundert 

giuz  Tenchiedoie  Gewerbe  vertreten,  a.  B.  Maler,  Orayenre,  Uhrmacher, 
laser,  Gelbgiefser,  Dachdeclier,  Schiffchenmacher,  Sattler  etc.  —  EHe 
Stärke  der  einzelnen  Gilden  war  natürlich  äufserst  verschieden.  Während 
die  Schiö'bauergilde  in  Amsterdam  1500  Mitglieder  ziihltc,  die  Korn- 
träger^de  in  derselben  Stadt  im  18.  Jahrhundert  60O  Mitgtieder  (Con- 
sidrraticn  van  de  Direkfcurs  van  de  oostersche  handel  wegen  het  loon 
en  het  getal  van  korendragers,  Stadtarchiv,  Amsterdam),  gab  es  Gilden 
Ton  4 — 5  Meistern,  worfiber  La  Court  Klage  fahrt. 


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42 


Symptom  für  die  industrielle  Bedeutung  einer  Stadt.  Das 
hochmdustricUc  Lcyden  zählte  nicht  mehr  Gilden ,  ak  das 
unbe^l«  Mit  ende  Breda*. 

Dit;  Gilden  waren  im  17.  Jahrhundert  fast  jeder  Selb- 
öUiiiiligkeit  beraubte  Organe  der  städtischen  Verwaltung  ge- 
worden, der  die  Ernennung  des  Vorstandes  zustand.  Diese 
Diachte  die  Korporationen  den  mannigfachsten  Zwecken  der 
Gewerbepolizei  dienstbar.  Die  Gildestatuten  ordnen  hauptsttch- 
lieh  das  Lehrlingswesen,  das  üntersttltzangswesen  und  ganz 
besonder»  das  Verhältnis  zu  den  Arbeitern,  sowie  die  Art  der 
Produktion ,  namentlich  soweit  die  Qualität  der  Waren  in 
Betracht  kam. 

Um  den  Konsumenten  eine  gute  und  preiswerte  Ware 
zu  sichern,  genügte  der  städtischen  Verwaltung  jedoch  nicht 
die  Kontrolle,  die  die  Gewerbtreibenden  gegenseitig  aus- 
übten» sondern  sie  betraute  mit  dieser  Aufucnt  auch  noch 
besondere  Organe.  So  wurde  in  Amsterdam  ein  Kollegium 
zum  Setzen  und  Wägen  des  Brotes  eingesetzt  ^  das  aus 
8  Personen,  4  RUckern  und  4  Getreidehändlern,  bestand ^ 
Dieselben  re<rulicrten  die  Brot]>roise,  indem  sie  dieselben  ein- 
mal wöchentlich  nach  den  Getreidepreisen  teststcllli-n.  Die 
Auf^^abe  der  Brotwilgcr  war  es,  von  Zeit  zu  Zeit  bei  den 
Biickeni  zu  revidieren,  ob  das  Brot  das  verlangte  Gewicht 
besafii.  Der  Bäcker,  der  sich  eine  Übertretung  dieser  Vor^ 
Schriften  zu  schulden  kommen  liefe,  wmde  bestraft  und  solange 
er  die  Strafe  nicht  erlegt  hatte,  gehindert,  sein  Gewerbe  aus- 
zullben.  Demselben  Zwecke  diente  auch  das  Gebot,  das  wir 
in  Rotterdam  finden,  dafs  der  Bäcker  seine  Marke  auf  das 
Brot  setzen  mufste^. 

War  die  Qualität  der  Waren  üchon  tu  dun  Aljsatz  de^ 
Lokalhandwerkes  von  grofser  Bedeutung,  so  hing  nach  der 
Meinung  der  damaligen  Zeit  die  ganze  Existenz  der  auf  den 
Export  angewiesenen  Gewerbe  von  der  unveränderlichen  Gute 
der  in  den  Handel  gebrachten  Waren  ab.  Daher  äufserst  strenge 
und  detaillierte  Vorschriften,  um  joden  Betrug,  um  jeder 
Fälschung  entgegenzuwirken.  Die  Seidenßirber  in  Amsterdam 
mulsten  die  eidesstattliche  Versicherung  geben,  dafs  sie  die 
Seide  nicht  bcächweren  würden^.  Die  Tuchfärberei  stand 
unter  der  Aufsicht  eines  Kollegiums  von  6  „Hoofdmannen", 

'  Zahl  der  Gilden  in  heydeu  20,  Devnntcr  is,  Haarlem  44,  Amster- 
dam 51,  DorJrt'cht  32.  Haag  45,  Utreclit  To.  Middelburg  45,  Groningeii  30. 

'  Wagenaar  iV,  1,  466.  In  iiotterdam  bestand  ein  ähnlich« 
Kollegium,  das  mhidesleiis  sweimal  uoiiatiieh  die  mdteraieii  rayidierte. 
Scheffer:  Sint  Antbaertus.  T)e  Bakkers  en  het  brood  te  Rotterdam 
1400—1850,  Leyden  1«80,  p.  24  f.  Ebenso  in  Haarlem.  Vgl.  Ordonnantie 
voor  de  broodweepera  en.  broodzetters  20.  10.  1046  und  11.  U.  1731. 

*  Seheffer  1.  c.  Über  Keurmcister.  deren  Angabe  zu  wachen, 
dafii  nur  gesundes  Fleisch  verkaaft  wurde,  vgl.  Wagenaar  I,  49d. 

*  WHgenaar  1.  c.  442. 


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X  3. 


43 


nJimlich  2  Grofshändlem  in  Tuch,  einem  DeUiilkauftnanu, 
2  Blaufjirbern  und  einem  Kanm'sinftirber*.  Die  blaugetilrbten 
Tuche  mufsten  zu  den  Staalmeistern  gebracht  werden,  um 
dort  mit  vorgeschriebenen  Mustern  verglichen  zu  werden. 
Dasselbe  Verfahren  wiederholte  sich  noch  einmal  nach  dem 
Schwarzfärben.  Die  Tarrameister  mufsten  die  Tuche,  die 
verkauft  waren,  untersuchen,  ob  sie  einen  Fehler  besafsen^ 
für  den  dem  Käufer  ein  Abzug  zustiind. 

Um  die  Fabrikate  auf  ihre  Güte  zu  prüfen,  bestiinden 
wenigstens  in  der  Textilindustrie  besondere  Anstalten,  die  sog. 
Hallen.  War  die  Visitiorung  der  Waren  ihre  Hauptaufgabe, 
80  erschöpfte  sich  doch  damit  nicht  ihre  Bedeutung.  An  ein- 
zelnen Orten  wurden  in  diesen  Hallen  auch  die  Waren  beliehen 
oder  auch  durch  die  Beamten  der  Anstalt  verauktioniert-.  Es 
waren  Einrichtungen  wesentlich  im  Interesse  der  kleinen 
Meister  und  Kaufleute,  welche  die  kostspieligen  und  lang- 
wierigen Proceduren  dieser  amtlichen  Visitation  ertrugen,  um 
in  dem  auf  die  Waren  gestempelten  Stadtwappen  dem  Käufer 
eine  Garfintie  zu  geben,  die  die  eigene  Firma  nicht  bot.  Für 
die  greisen  Unternehmer  war  dies  überflüssig,  sie  mufsten  die 
Unannehndichkeiten  einer  derartigen  Überwaehung  ihrer  Pro- 
duktion unangenehm  enipHnden,  um  so  unangenehmer,  wenn 
im  Vorsümde  der  Hallen  sitzende  Konkurrenten  ihnen  das 
lieben  sauer  machten.  Daher  war  es  in  einigen  Orten  in  djis 
Belieben  der  Industriellen  gestellt,  ihre  Waren  nach  der  Halle 
zu  senden.  In  anderen  Orten,  wie  in  Leyden,  war  jedoch 
diese  Verpflichtung  allen  Geschäften  ohne  Unterschied  auf- 
erlegt. Gegen  diese  Zwangshallen  eifert  La  (.'ourt  auf  das 
Heftigste  und  nennt  sie  schä<llicher  als  Krieg,  Pest  und 
Konsumtionssteuern.  Umsonst!  Die  Hallenorganisation  blieb 
in  Leyden  bis  zum  Ende  der  Republik  bestehen.  Betrachten 
wir  sie  nun  im  einzelnen. 

In  Leyden  gab  es  deren  5  —  6,  die  Saylialle,  Baaihalle, 
Greynhalle,  Rashalle,  Fusteinhalle  und  Lakenhalle  ^.  Die  Ein- 
richtung der  Say-  und  Grogreynlialle,  wie  sie  uns  in  der  sehr 
ausführlichen  Ordnung  von  1585  (75  Artikel)  entgegentritt^, 
ist  folgende:  Für  die  Ausübung  des  Gewerbes  ist  das  Bürger- 
recht erforderlich.    Bürgermeister  und  Rat  wählen  alljährlich 


*  Wagenaar  1.  c.  441. 

2  Z.  B.  in  der  Lakenventhalle  in  Auistenlam.  Wagen  aar  III.  1,  42. 

"  Über  die  bauliche  Einrichtung  der  Hallen  vergl.  Galland: 
Geschichte  der  holländischen  Baukunst  und  Hildnerei,  1890,  p.  L'87. 
Abbildungen  der  Hallen  findet  man  in  Orlors  und  van  Mieris  Beschrei- 
bangen  von  Leyden. 

*  Kevren  opt  stnc  vande  Draperie  van  allerleye  saeyen  ende 
grngrcvnen,  die  binnen  der  stad  van  Leyden,  des  Graefschaps  van 
Hofland  werden  ghevvrocht  ende  ghereet.  Ten  bevele  van  die  vande 
Gerechte  der  voorschreven  Stede.  Gedrurt  opt  Raedhuys  aldaer  in  den 
Jare  1585. 


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44 


X3, 


5  Gouverneurs,  und  zwar  2  aus  den  Gouverneurs  des  Vorjahrs 
und  3  aus  8  von  sämtlichen  Gewerbtreibenden  V()rge8(lilj«i]:e- 
nen  Personen.  Die  (xoiiverneurs  ernennen  die  iUn'igen  Be- 
amten der  Halle.  Zu  diesen  gehören  die  Warauderers.  Die- 
selben fthren  ein  Register,  das  die  Namen  und  Marken  aller 
Kaofleute,  Weber  und  Lehrlinge  enthält.  Die  Arbeiter  und 
die  Drappiers  müssen  ihre  I\Iarke  einweben  lassen.  Andere 
Beamte  sind:  der  Bailliu  (Inspektor),  die  Stellvertreter  der 
Waranderers  oder  Provisenaars,  fern{T  Packers  und  andere 
nntnrfjeordnete  l^cdienstete.  die  siimtlich  vereidi^^t  wurden^. 
Ihre  Aut"gal>e  war  es,  auf"  die  ^^enaiic  Beachtung  der  strengen 
technischen  Vorschriften,  über  das  Scheren  der  Kette,  üb<T 
die  Länge  der  Ketten,  über  die  Länge  und  Breite  der  geweb- 
ten Stücke^  Uber  die  Art  der  Farben  zu  achten.  Die  Tuche 
mufsten,  nachdem  sie  gewebt  waren,  zur  Halle  gebracht 
werden,  um  dort  g(;nH'ssen  und  gestempelt  zu  werden.  Die- 
selbe Procedur  wiederholte  sich  auch,  nachdem  die  Tuche  aus 
der  Walke  und  aus  der  Färberei  kamen.  Den  Färbern, 
Walkern  u.  h.  w.  war  es  verboten,  ungestempelte  Tuche  aii- 
zunelmien.  Demselben  Zwecke  diente  auch  anselieincnd  die 
Bestiuunung,  dafs  kein  Weber  bei  2  Walkern  zu  gleicher 
Zeit  arbeiten  lassen  sollte.  Veigleicht  man  die  geschilderte 
Organisation  mit  den  Vorschriften  iÜT  die  Qreynhalle,  vom 
Jahre  1759,  so  findet  mau  nach  2  Jahrhunderten  im  wesent- 
lichen das  f^leiche  Bild^.  Die  Stelle  der  Gouverneurs  ver- 
treten 4  Direktoren,  die  nnf  den  Vorschlag  eines  Kollepnins 
von  15  Notabein,  10  Fabrikanten  und  5  Kaufleuten  seittvns 
dvü  Magistrates  gewählt  werden.  Die  Oberaufsicht  liegt  in 
den  Händen  von  2  ScliöJFen,  unter  ihnen  ressortieren  die  In- 
spektoren, Messer  u»  s.  w.,  denen  übrigens  untersagt  ist,  sich 
an  der  Industrie  geschäftlich  zu  beteiligen.  Die  Bestimmungen 
über  die  Führung  eines  Registers  mit  Namen,  Wohnung  und 
^larken  der  Arbeiter,  über  die  Stempelung  der  Tuche  und 
über  die  schleunige  Exekution  der  von  den  Beamten  der 
Halle  gefilUten  Urteile  finden  mvh  auch  hier.  Neu  ist  die 
stürkere  Betonung  des  soi  ialpolitiM  in  n  Elements.  Während 
das  Reglement  von  1585  vorsehreibt,  dafs  die  Arbeiter  ihre 
Arbeit  abliefern  müssen,  ehe  sie  in  den  Dienst  eines  neuen 
Meisters  treten,  femer  den  Kontraktbruch,  sowie  die  Arbeit 
bei  2  Meistern  untersagt,  verlangt  die  Ordnung  von  1759, 
dafs  alle  Rontrakte  zwischen  Arbeitern  und  Meistern  in  der 
Halle  registriert  werden  müssen*,  und  dafs  alle  Streitigkeiten 
zwischen  beiden  Teilen  und  ebenso  alle  Difterenzen  zwischen 


'  Die  Baaihalle  in  Leydcn  hatte  ecgen  30  Beamte. 

•  Gerenoveerde  Keuren  voor  Je  (Jirnlialle  der  Stad  Leyden. 
Gearresteert  op  den  25.  Oktober  1758.  Lejrdfen.  By  Samuel  en  Johannes 
Luchttniuis  1759. 

«  Art  25. 


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45 


den  ^AM)ern,  Walkern,  Färbern  etc.  durch  die  Beamten  der 
Halle   entscliiedpn  werden'. 

Das  Hervortreten  des  social politiächen  Elements  ist  es  über- 
haupt, das  den  hausindustri eilen  Ordnungen  des  18.  Jahr- 
hunderts eine  eigentttmllche  Färbung  veneiht.  Es  kommen 
hier  in  Betracht  die  Statuten  folgender  Haarlemer  Gilden :  Der 
Bcttuchwebeigilde  (Bonte  Lynwaatengild)  vom  21.  März  1752, 
der  Spitzcnwebergilde  vom  9.  September  1756,  endlich  die 
St.Mtnton  der  Sekl''Ti))nTul\vf'^)frgi!de  vom  1.  September  1752, 
f(  i  in  I  die  Urtionnanzen  tür  die  Seidenwebeigilde  (Stoßens 
werkersgild)  in  Utreeht  vom  15.  April  1727^ 

Dieselben  weisen  auf  eine  sehr  entwickelte  HausimUistrie 
hin^.  £ä  werden  ausdrücklich  unterschieden :  Fabrikanten  (fabri- 
aeurs,  reeders),  hauslndustrielle  Meister  (werkbaazen  fotsoen- 
aazen)  und  Arbeiter.  Dafs  die  Stellung  der  Meister  schon 
aiemlich  abliängi^  gewesen  sein  mufs,  geht  aus  der  Thataache 
hervor,  dal's  Vorschüsse  der  Fabrikanten  envähnt  werden,  vor 
d*  rf  n  Rückzahlung  der  Meister  für  keinen  anderoTi  Fabrikanten 
arbeiten  durfte,  fremeinsam  ist  allen  diesen  Ortlmui^aMi  das 
Verbot  des  Trück^y^>tems*,  das  Gebot,  chrlieh  zu  messen  '',  die 
Ordnung  des  Lehrlingwescns,  sow^ie  die  Featsetzung  eines 
HinimaUohnes*. 

Endlich  wiederholen  sich  eine  Anzahl  Ton  Vorschriften, 
die  den  Fabrikanten  gegen  Veruntreuung  des  Bohmateriales 
und  der  Gerätschaften  seitens  der  Arbeiter  zu  sichern  suchen 

'  Art.  83. 

*  KfloreD  dar  stad  Haarleni  II,  202,  194,  969  nnd  Gr.  Utr.  Ptaetsl- 

hofl.  IIL  13,  7G8.  Dieselben  zeigen  in  allen  Einzelheiten  eine  so  grofse 
Verv^'anatacbaft,  dafs  die  Vermutung  sich  aufdräogi,  sie  seien  nach  einem 
gemeinäanien  Muster  entworfen. 

*  In  Haarlem  zählte  in.-in  Mitte  des  18.  Jahifaanderts  3000  Stühle 
Ar  Seidenweberei  und  OOe  Stuhle  fttr  Fabrikation  gewebter  Spitzen. 

*  Vgl.  2.  B.  die  Ordonnanz  für  die  Utrechter  Seidenweber.  Ordre 
op  de  Arbeydsloonen  Art  XII.  „DtiG»  ferner  die  Bcnhlung  der  obigen 
Löhne  »oll  geschehen  in  barem  Oelde,  ohne  dafs  zur  Bezahlnyi^'^  dieser 
Jjöhne  oder  eines  Teils  derselben  den  Arbeitern,  ihren  J^^auen«  ivindem 
und  Dienstboten  irgendwelche  Waren,  von  welcher  Katar  und  Beecliairen> 
heit  sie  auch  seien,  oder  unter  welchem  Verwände  dies  auch  geschehen 
möge,  sollen  verkauft,  vertauscht  oder  in  >T!!iderung  des  Lohnes  an- 
gerechnet werden,  weder  direkt  noch  mdireki,  m  irgendwelcher  Art" 
^trafo  50  Gulden,  im  Wiederholungsfälle  100  Gulden.  Vgl.  femer  die 
Ordnung  der  Seitleiibandwebergilde  in  JHanrlpm  Art.  If,  Keuren  der 
stad  Uaarlem  Ii,  196,  Ordnung  der  SpitzenwebergilUe  Art.  27.  Vervolg. 
T.  bet  II  deel  van  de  Keuren  der  etsd  Haarlem  p.  14k  Ordonoans  d. 
Greynhalle  in  Tyeydon  Art.  .SO. 

Ordonnanz  für  die  Greynhalle  in  Leyden  1759.    Art.  30. 

*  Ordonnanz  ftir  die  Seidenweberei  in  ilaarleni.  1\ euren  II,  274. 
Gr.  Utrcchtsch  Plakaatboek  III.  18»  771.  Die  Levdener  Ordonnanz  för 
die  Greynhalle  setzt  dagegen  emen, MazimaUohn  fest  nnd  verbietet  den 
Arbeiterni  mehr  zu  verlangen. 

^  Gr.  Utr.  Plakaatboek  III,  18,  771.  Spitzenwebemlde  Haailem. 
Art  29.  Demselben  Zweck  dient  auch  das  in  Leyden  erlaseene  Verbot, 


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46 


X  3. 


Um  die  Ausfiihrung  dieser  Vorst-liriften  zu  sichern,  war 
es  notwendig,  den  Fabrikanten  zu  untersagen,  aufserbalb  des 
Stadtgebietes  Arbeiten  zu  anderen  Bedingungen  yomehmen 
2u  lassen  y  falb  nicht  ein  TdUiges  Verbot  auswärtiger  Arbeit 
erfolgtet 

Im  Vorangegangenen  wurde  die  Organisation  des  Hand- 
werkes und  der  Hausindustrie  b^  trficlitot  Allein  auch  die 
eigentlichen  Mannfakturen  blieben  iiii  iit  ohne  verwandte  Ein- 
richtungen. So  unterstanden  z.  B.  die  Brauereien  in  Anister- 
daai  einem  Kollegium  von  5  Personen,  von  denen  je  2  jährlieh 
abgingen,  und  aus  einer  doppelten  Anzahl  von  Vorgeschlagenen 
durch  die  Bürgermeister  ergänzt  wurden*.  Über  die  Qualität 
des  Hopfens  wachten  2  vereidigte  „Eeunneister*',  die  den 
Hopfen  untersuchten  und  die  Säcke^  in  denen  er  verpackt 
wurde,  mit  dem  Stadtwappen  versehen  mufsten.  Die  fremden 
8totT(»,  mit  denen  der  Hopfen  etwa  verunreini^j^t  war,  muryten 
im  Heisein  von  3  Kommissaren,  die  iel»en.sliin;irlieh  von  den 
Bürgermeistern  angestellt  wurden,  entfernt  werden.  —  Die 
Zuckerrafdneriecn  in  Amsterdam  wurden  von  6  Autorisierten 
(Geauthoriseerden)  beau&ichtigt,  von  denen  je  2  jährlich  von 
den  Bürgermeistern  neu  ernannt  wurden.  Dieselben  besa&en 
das  Recht,  zu  allen  Zeiten  die  Zuckerraffinerien  zu  besuchen^ 
um  sich  von  der  Befolgung  gewisser  technischer  Vorsehnfton 
zu  überzeugen,  un?]  hatten  die  ZuckcrrafHneriebesitzer  fur  r1t»n 
Unterhalt  dieser  Autsiehtsbehörde  einen  nach  der  Arbeiterzahi 
zu  bcmesjsendt  ü  Beitrag  zu  entrichten^.  Eine  ähnliehe  Behörde 
unter  dem  Namen  Superintendenten  wurde  für  die  Gold-  und 
Silberdrahtindustrie  eingesetzt  (1696).  Die  Kommissare  der 
Seidenweberei  und  die  Superintendenten  der  Seidenhaspelei 
hatten  Streitigkeiten  zwischen  Kaufleuten  und  Arbeitern  zu 
entscheiden,  die  Lehrlinge  einschreiben  zu  lassen  und  ver- 
wandte Funktionen  vorzunehmen*.  Wagenaar  sagt,  dafa 
diese  Industrieen  eigentlich  zu  keiner  Gilde  jrchörten.  Doch 
ist  ihre  ganze  Organisation  analog  den  Handwerksgilden. 
Wie  bei  diesen  ordnete  ein  von  der  Stadtregierung  angestell- 
ter Vorstand  die  allgemeinen  Angelegenheiten  der  Industrie. 
Nur  die  besonders  in  den  Vordergrund  gerückte  Aufgabe 
dieser  Organe,  vermittelnd  zwischen  Arbeitern  und  Fabrikan- 
ten aufzutreten,  bildet  ein  neues  Moment  in  dieser  Ent- 
Wickelung. 


\V(»llf  oder  (i!am  zu  vorpflindr'n  oder  zn  versetzen  smtens  der  Personeu 
die  das  Material  zur  Verarbeitung  erhallen.  Der  JEücentumer  der  Wolle 
etc.  darf  sie  behn  Pfandldher  oder  KSnfer  mit  Beamhi^  belegen,  ohne 
etwas  zuriit  k/u/ahlcM.    Kr»uren  d.  stad  Leyden  ir.')^.  j».  221. 

^  Spitzenwobergilde  Haarlein,  Art  7.'  Öeideuwebergüde  Art  13. 

*  Wagenaar  4,  1.  4S0. 

*  Wagenaar  4.  1,  481. 

*  Wagenaar  1.  c.  -tö?. 


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X  8. 


47 


Alle  diese  Emriclitmigeii  dienten  nur  den  Interenen  ein- 
seiner  Inditfttriezweige;  von  Institutionen^  die  für  die  Industrie 
im  allgemeinen  bestimmt  waren,  ist  etwa  nur  die  1663  in 
Amsterdam  errichtete  Handelskammer  (Commercie  CoUegie) 
zu  erwähnen,  in  der  auch  Vertreter  der  Industrie  Platz 
fanden.  Charakteristischerweise  hat  aber  diese  Körperschaft 
nur  2  Jahre  h»  standen,  ohne  dafs  später  ein  Versuch  der 
Wiederbelebung  gemacht  wurde*. 

Mau  braucht  die  Gewerbeverfassung  der  Niederlande  nur 
mit  der  Frankreichs  zur  Zeit  Colberts  2U  yergleichen,  um 
die  niedrige  Entwickelungsstufe  zu  erkennen,  die  sie  einnimmt 
Dort  lediglich  kommunale  Organe,  hier  centralistisclie  Ver- 
waltung mit  ihren  Intendanten^  controleurs  g^nt^raux  und  staat- 
lichen Fabrikinspektoren,  den  Vertretern  der  staatlichen  Ein- 
heit gegenüber  den  lokalen  Eigentümlichkeiten'. 

«  Wa^euaar  iV,  3,  525. 

'  Fsrnain.  Die  iimere  firamfinsehe  Gewerbepotttik  p.  11. 


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V. 


Die  Lage  der  niederländischen  Arbeiter  während 
des  17.  und  18.  Jahrhunderts* 


Ob  die  Lage  der  Arbeitorkla.sso  in  lloiland  mch  im  Ver- 
gleich zum  17.  Jahrhundert  gehoben,  das  ist  eine  Fnige,  die 
m  den  letzten  Jahren  oft  aufgeworfen  nnd  mangds  aus- 
reichenden  statistischen  Beweismaterials  versehiedenartig  be- 
antwortet wurde.  Es  läfst  sich  jedoch  aus  tlieorctisclien 
Gründen  wahrscheinlich  machen ,  dafs  die  wirtschaftliche  Lage 
der  hollHridisehen  Arbeiter  im  17.  Jahrhundert  günstiger  ge- 
wesen sein  mufs,  als  Ix  utzuta^e ^ 

Das  17.  Jahrhundert  war  eine  Zeit  niemal»  ziirrK'kL''e- 
kehrten  wirtschaftlichen  Glanzes  für  Holland  und  etwas  kam 
der  gewaltige  Aufschwung  der  Nation  auch  den  Arbeitern  zu 
gute.  So  genossen  z.  B.  die  Matrosen  Anteil  an  der  Beute. 
^Wfthrend  des  ersten  engUsch-hoUllndisehen  Krieges  wurden 
zwei  englische  Scliiffe  genommen-  Die  Ladung  war  so  reich, 
da 88  sich  die  holländischen  Matrosen  das  Silber  mit  M fitzen 
nnd  die  Perlen  und  Edelsteine  mit  Hand^n-iffen  zuteilten". * 

Bedeutungsvoller  war.  dafs  das  gesamte  Clewerberecht 
und  die  Gewerbepolizei  sieli  in  den  Händen  der  Stadt,  nicht 
dos  iStaates ,  befand.  Die  städtische  Verwaltung  setzte  für  die 
meisten  Gewerbe  die  Arbeitszeit,  die  Ldhnc,  die  Kündigungs- 


^  ..Denn  mao  „rieht,  schreibt  LaCourt,"  dafs  aus  Mangel  an  FiemdeD 
im  Lande  die  Bauern  so  ^ofse  Jahres-  und  Tagelühne  inren  Knechten 
ssahlen,  dafs  sie  nur  sehr  kümmerlich,  die  Diener  dagegen  sehr  reichüch 
leben  klhinen.  Die  gleiche  Umumehinliehkat  fühlt  man  in  den  StXdtas, 
wo  die  Haudworkh^t'seJlen  und  Difnsthnten  unwilliger,  knatspieli^^'r  und 
anerträ^lieber  als  in  irgend  einem  anderen  Lande  sind.~  JLa  Uourt: 
AanwYzmg.  p.  08. 

»  HollaiidBehe  Mercarios  16^5  p.  a 


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X  a 


49 


fristen  und  die  Lehrzeit  fest  Hatten  auch  die  Arbeiter  kei* 
nen  Einflufs  auf  die  Suidtregierung,  bo  fanden  ihre  Klagen 
und  Wünsche  doch  grösseres  Gehör,  als  wenn  sie  an  eine 
staatliche  Centnil behörde  gerichtet  worden  wären  ^. 

Alö  eröte  Konsequenz  des  Vcrhältniases  der  Stadt  zu  den 
Arbeitern  eij^b  sich  die  Anerkennung  eines  Rechts  auf  Ar- 
belt Die  ^mmermdtter  tob  Amsteraam  wurden  1623  vei^ 
pflichtet)  fremde  Gesellen  bei  8trale  yon  8  fl.  zu  entlassen^ 
wenn  sich  Btirger  sur  Arbeit  mdideten^.  Indirekt  wurde 
auch  durch  die  Festsetzung  einer  längeren  Lehrzeit  für  fremde 
Arbeiter  als  für  einheimische  das  gleiche  Princip  ausge- 
sprochen. 

Verfolgen  wir  nun  die  Arb*  it>]»ediiigungen  im  einzelnen. 
Die  Arbeitszeit  war  im  17.  Jaln  liuiulert  jedenfallö  nicht  länger 
als  in  der  O^enwart  —  Die  Nachtarbeit  war  für  viele  Ge- 
werbe ausdrücklich  verboten*.  —  Jedoch  findet  man  bei  ein- 
adnen,  mit  elementarer  Kraft  arbeitenden  Unternehmungen 
bereits  den  in  der  modernen  Industrie  so  verbreiteten  doppel- 
schichtigen Betrieb.  So  liefsen  die  Eigentümer  der  Wind- 
mühlen in  Zaandam  Ende  des  17.  Jahrhunderts  Tag  und 
Kacht  arbeiten  y  ,,um  keinen  Wind  durch  die  Latten  zu 
lassen"  *. 

Ein  Verbot  der  {Sonntagsarbeit  linden  wir  u.  a.  ftlr  die 
Hutmacher  und  Sägemüller  in  Amsterdam  ^  für  die  Mühlen 
und  Färbereien  in  Utrecht*,  für  die  Bttcker,  Barbiere  und 
Komträger  tn  Haarlem^  Nur  fUr  die  Tuchbereiter  in 
Amsterdam  war  die  Sonntagsarbeit  ausnahmsweise  gestattet*. 

Folgende  Beispiele  können  einen  Begriff  über  die  iJUige 
des  Arbeitstages  geben. 

Die  Loinewoher  in  Amsterdam  sollen,  wie  1589  bf'^i imint 
wurde,  vom  1.  April  —  1.  September  von  4  Uhr  morgens 


*  Vgl.  zTim  Beleg  dieser  BehauyituTigr  das  Verhalten  der  Bürgennelster 
sn^enübtir  den  Amsterdamer  Schitläzimmerern,  ferner  g^enübe^  den 
n«ifenbrenDeRi  in  Gonda.   Het  ontroerd  HoUand  1760,  p.  ^4. 

*  HantTesten  Amstfrdam  III,  4,  624. 

s  Bei  den  Webern  iu  Leyden  im  14.  Jahrbondert  (F.  J.  Blok. 
HoUandaehe  atad  I,  p.  198).  Bei  den  Sebnhniaebeni,  Sehmieden  nna 

SchiffiBbaaem  in  Leyden  (Dozy  p.  22).  Bei  den  Komtrftgem  in  Utrecht 
lh9>^  (Gr.  Ütr.  Plakaatboek  III,  802).  Derartige  Verbote  scheinen  bis 
ins  17.  Jahrhundert  in  Kraft  gewesen  zu  sein. 

*  Jacobns  Scheltema:  Rnslsnd  en  de  Nederlanden  besehonwd 
m  derzelvcr  wedcrkecripe  betrekkingen.    Amsterdam  1^17,  II  p.  390. 

^  Hantvesten,  Amaterdam  ilL  4.  569  nnd  Waseuaar  IIL  468. 

*  Gr.  Utr.  Plükeatiioelc  IU,  798^  und  III,  777. 

Kenren  Haarlem  27,  Nov.  1749.  Das  Laden  und  Löschen  von 
Bchifien  an  Sonn-  und  Festtagen  winde  doveb  das  Plakaat  vom  31.  Joli 
1725  verboten. 

*  nUm  das  schöne  Wetter  zu  benützen"  heifiit  es  in  dar  Veioidining 

T«n  9.  Sept  16f>I     Ilantvesten  III,  4^  585^ 


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50  X  8. 

bis  8  Uhr  abends,  im  Winter  von  5  Uhr  mor^^ns  bis  8  Uhr 
abends  arbeiten  ^  —  Die  Arbeitszeit  der  Tuchbereiter  in 
Amsterdam  betrug  1GÜ2  12  Stunden.  Die  Maurer  und  Stein- 
hauer derselben  Stadt  arbeiteten  12  Stunden^. 

Im  18.  Jahrhundert  scheint  die  Arbeitszeit  noch  verkttrzt 
worden  zu  sein.  Die  Mitglieder  der  St  Josephsgilde  (Zimmer- 
leate,  Tiscliler  etc.)  zu  Haarlem  aollen  nach  Bestimmungen 
von  1751  an  langen  Tagen  11  ^i,  an  mittleren  10  und  an  kur- 
zen 9'/4  Stunden  arbeiten.  Die  Maurer  dieser  Stadt  arbei- 
teten je  nach  der  Jahreszeit  iP/4,  10*,'4  und  8^  4  Sttintlou. 
Die  Schiflfsbauer  waren  von  5  Uhr  morgens  bis  7  Uhr  abeuda 
thätig». 

Zur  Beui*teilung  der  Höhe  der  Arbeitslöhne  mögen  fol- 
g  ude  Daten  dienen: 

Die  Tuchbereiter  yeidienten  in  Amsterdam: 

1648         18  Stttiver  pro  Tag  (-=  M.  1,49)*. 
1661   18-21      -      -     -    (=  M.  1,49-1,73)». 
1682         24      -       -     -    (=  M.  1,98) 

In  Utrecht  erhielten  dieselben  Arbeiter 
1696  16  Stuiver  bei  12stiindiger  Arbeitszeit^. 

Die  Schiffszimmerleute  von  Amsterdam  erhielten  pro 
Tag: 

1Ü28    U  Stuiver  (=  M.  0,90). 

136      -  M.  8,15)  Sommerlolin. 

80      -  M.  2,46)  Herbstlohn. 

24      •     (=  M.  2,10)  Winterlohn. 

1749  galten  dieselben  Lohnsätze,  jedoch  wurde  auf  den  Werf- 
ten der  Ostindischen  Compagnie  und  der  Admiralität  nur 
30  8t.  (-=  M.  2,46)  öommerlohn  und    20  st.  (=  M.  1,65) 

Winterlohn  p^ezahlt,  weshalb  die  Gilde  der  Schiffszinimerer 
petitionierte,  diese  Sütze  auf  32,  resp.  22  st.  zu  erhöhen®. 
Van  der  OiidermeuU  n  liat  für  seine  Untersuchungen  über  die 
Veränderung  des  Geldwertes  seit  dem  16.  Jahrhundert  auch 
lohnstatistisches  Material  zusammengetragen.  Dasselbe  ist 
sswar  sehr  Iftckenhaft,  bezieht  sich  jedoch  hauptsächlich  auf 

*  Hantvcstfn,  Arn.^tordam  III,  4,  553. 

^  Uantvesten,  Amsterdam  III,  4,  552  und  869.  Nach  der  Eoquüte 
von  1887t  Nr.  17-'i6fg.  betrug  danaw  die  ArbeituHsIt  im  Amatefdamer 

Baugewerbe  ll'  ;j-12  Stunden. 

*  Keuren  Haarlcin  II,  218. 

*  Consideratieu  vau  de  Heeren  vau  AuiötcrJam  op  't  stuck  vau  de 
drapperyc  den  19.  Maait  hÜf*  exprandio  (Reichsarehiv),  In  den  um- 
liegenden Städten  waren  damals  die  Lüline  dieser  Arbeiter  inx  Ii  nit  diiger. 

Ilautvesten,  Amsteidam  51^2  b.    Kß  wird  verbieten,  mehr  Lohn 
7.U  geben. 

1.  (-.  ]..  112. 

*  Gr.  l'trechtsche  Plakaatboek  IH,  la,  u,  7G7. 

*  Wasen  aar,  III,  26,  p.  207  f.  Neaerlandsche  jaarboekcn  179, 
I).  1219  f.  Em  Arbeiter  auf  diesen  Weiften  verdieDte  iu  226  Arbeitsta«eii 
;ill  Gulden. 


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X  8.  ,  51 

eine  Kategorie  von  Arbeitern  ^  deren  Lohnverhältoisse  zu  allen 
Zeiten  Episch  waren,  die  Bauarbeiter. 

LöLue  von  Bauarbeitern. 
A. 


Jahr 

ManrermeiBter 

Maorergeaelle 

Handlanger 

1488 

— 

4  8t 

1566 

4  8t 

2  Bt 

1586 

8  8t 

5  8t 

1620 

20  8t 

10  st 

1624 

22  8t 

18  8t 

12  st  Winter 

1646 

20  Bt 

14  8t  Sommer 

1674 

^^^^ 

14  st 

1676 

S4  it 

1696 

20  8t 

12  8t  Winter 

1727 

18  st  Winter 

12  Bt 

1  SX  ■*  OUlUUIOk 

1       Ol  *f  iiimr 

1775 

— 

1  18  Bt  Winter 

B 

Dachdpokercresellp 

/inimPTTnPistfr 

Ai  mm  ermann 

1466 

3  8t 

6  öl  uhae  Kost 

1482 

4  st 

1488 

4  st 



1491 

4  st 

1566 

4  8t 

— 

1570 

Aviv 

5  st 

1581 

14  8t 

6  st 

1604 

14  8t 

1880 

90  8t 

16  st  Winter 

1621 

20  8t  Sommer 

so  st  Sommer 

1645 

18  8t  Winter 

1675 

24  st 

20  8t 

1690 

20  8t  Sommer 

1695 

24  8t 

20  8t 

1727 

22  st  Sommer 

172« 

20  8t 

18  Bt 

1775 

20  8t 

21  8t  Winter 

Diese  Lohne  wurden  nach  van  lor  Oudcrmculen  in  einem 
der  Hauptorte  eines  der  Provinz  Holland  benachbarten  Staate» 
gesahlti. 

Wir  lassen  noch  einige  Anirahen  über  Löhne  in  der  zweiten 
Hälfte  des  18.  Jahrhunderts  folgen. 

-  ■  t 

'  (Van  der  Ondermenlen):  Reclierehes  sur  le  commerce.  Amster- 
dam 177"^  T  p.  105.  8  stniveis  enthielten  1482  96  azen  20  stciveia  1775 

197  azcn  SiltMr. 

U  4* 


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58 


In  Amsterdam  betrug  1778  der  Tagelohn  eines  Zimmer- 
manns 31  8t.  —  4  St.  Profit  des  Meistere  =  27  st  ( —  M. 
2,30),  eines  Maurers  30  st  ~  4  st.  Profit  des  Meisters  = 
26  St.,  eines  Handlangers  21  st.  —  3  st.  Profit  =  18  st 
(ohne  Bier).  In  Middelbure  erhielten  die  Zimmerieute  und 
Maurer  80  it  —  5  st.  Profit  dee  MeiBtare  25  st  (»  H. 
2,12),  die  Handlanger  ^  st  —  2Va  st  =  ITVt  st  (Sommei^ 
löhne).  In  £nkhujsen  zahlte  man  den  Maurern  und  Zimme- 
rern 24  st  (=  M.  2,04),  den  Handlangern  18  st;  in  Dord- 
recht  23  st.  re.sp.  14  st.;  in  Haarlera  dem  Maurer  1755  25  st 
—  3  st  Profit  Meisters  ^  22  st  (und  Bn-r)  (-^  M.  1,87). 
Ein  Landarbeiter  in  Frieshind  erhielt  1778  ^väliK  nd  der  Ernte 
20  st.  pro  Tag,  sonst  je  nach  der  Jahreszeit  12  —  14  st  Ein 
Landaroeiter  in  der  Nähe  von  Dordrecht  erhielt  100—110  fl. 
pro  Jahr  und  Kost  Ein  Schiffszinunennann  in  Amsterdam 
verdiente  1765  28  st  Sommerlohn,  18  st.  Winterlohn.  Die 
Arbeiter  der  St  Josephsgilde  in  Haarlem  (Zimmerleute,  Tisch- 
ler etc.)  erhielten  25  st  pro  Tag  1750'. 

Die  in  der  Kriegsmarine  g07aldten  Löhne  und  Besol- 
dungen Bind  aus  folgender  Zusammenstellung  ersichtlich.  £s 
erhielt  pro  Monat: 


1555« 

1636« 

1778« 

fl. 

fl. 

fl. 

Lootse 

20 

36 

36 

Trompeter 

5 

20 

18 

Matrose 

3.15 

10-11 

11 

Koch 

8 

21 

18 

Barlrier 

8 

U 

82 

Schrpiber 

6 

16 

16 

KapitÜQ 
Ziinmermaim 

SO 

100 

IfK) 

8 

30 

24 

Segelmeister 

6 

14 

16 

Profofs 

8 

12 

12 

KoDstabel 

8 

22 

18-22 

Hoehbootsrnsim 

7 

22 

18 

1  Van  der  Oadermflalen  I.  c.  I,  p.  29.  K euren: Haarlem  II,  505. 
WnfTf'naar  IV,  1,  460.  Aus  alten  Lohnlisten  über  die  beim  Mfihleid)au  in 
Zaaudam  1751  sezablten  S&tie,  die  mir  dar  als  Sociaipoiitiker  rühmlich 
bekannte  Herr  Jan  Stoffel,  Fkibriksot  in  Deventer,  freandUelist  tm 

Einsicht  überliefe,  ergiebt  sich,  dafs  damals  der  Meister  23—32  stuiveiB 
pro  Tag  erhielt,  ein  voller  Arbeiter  19—27  st  (M.  1,60— 2,H0i  Der 
Meister  berechnet  dem  BHuberm  seine  Auslajeen  für  (ieräte  etc.  und  ver- 
dient aufscrdem  1  Prozent  an  allen  Mat^alien  und  Arbeitslöhnen.  Die 
L(»hne  sind  in  rlirprm  Kiulip  pfgenwärtip;  obenso  hoch,  dagepfü  haben 
sich  Mieten  und  Lebenemittt-I  p  reise  verdoppelt,  auch  wird  kein  Bier  and 
Brsimtwdn  den  Arbdtem  gegeben. 

«  Van  der  Oudermeulen:  Recberehss  I.  p»  29f. 

*  Tjaasens:  ZeepoUtie,  1670^  p.  108. 


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X  3. 


53 


Nach  von  Gfllich  betrug  der  Wochenlolin  in  Holland 
Ende  des  IS.  Jahrlumrlorts  4  fl.,  emc  Angabe,  die.  nach 
ebigen  Zahlen  an  schliefsen,  eher  au  niedrig  erscheint  ^ 

Dafs  die  Löhne  den  Arbeitern  im  allgemeinen  einen  t\\\s- 
reiclienden  Unterhalt  gestatteten,  läfst  sieh  aus  der  Ernäh- 
rungsweise sehliefsen.  La  Court  klagt,  dal's  die  Armen  ihren 
VerdicuBt  reichlich  auf  Kirmessen  und  in  Sclienken  ver- 
zehren *. 

Nach  den  VorscJiriften  ttber  die  Proviantiennig  von  Kriege- 
■diiffen  1636  wurde  pro  Kopf  und  Woche  gerechnet  5  H 
Hartbrot,  1  ü  Käse,  zweimal  wöchentlich  Fleisch»  IVn  46  Stock- 
fiaeh  und  ^/lo  Tonne  Bier®.  Sn^^nr  die  Insassen  des  Zucht- 
hauses in  Amsterdam  erhielten  im  18.  Jahrhundert  wöchentlich 
einmal  Hainhfleisrh  oder  tipeck,  einmal  Stocktisch,  ferner 
Erbsen,  ]i<i]inen  und  Grütze*.  Bedeutungsvoll  ist  es  auch, 
dass  der  Biauntwein  keine  Rolle  iu  der  Volksernäbruug  »pielt. 
1692  kommt  aum  erstenmal  das  Wort  Jenever  vcr.  Vorher 
war  Bier  die  gewöhnliche  Matrosenkost.  Zuerst  war  die 
Konsumtion  von  Branntwein  noch  sehr  gering.  Auf  dem 
Kriegsschiff  „Overijsel"  wurden  774  fl.  für  Bier  und  nur  42  fl. 
für  Jenever  gerechnet^.  l>i''  später  s»»  bedeuteTide  Korn- 
brennoroi  in  Holland  verdankte  ihren  Ursprung  erst  dem 
Verbot  des  französiHchen  BraM[lt^^^ins  in  den  Jahren  1672 — 78. 

Die  zweite  Hälfte  de»  lö.  Jakrhunderts  brachte  den  Ver- 
fiill  der  Industrie,  stets  wachsenden  Steuerdruck,  allgemeine 
Kot  und  damit  auch  HerabdrIIckung  der  Lebenshaltimg  der 
Arbeiter.   «Die  Besteuerung  der  ersten  Lebensmittel,*'  sagt 


*  ¥on  Gülich  1,  381.    Bere  1.  c.  302. 

^  Folgende  Bild  von  der  LeEmswelae  des  Leydeaer  Webers  wird 
Ende  flf?  18.  Jahrhundert?  entworfen:  „Den  ^n«cn  Sommer  hindurch 
ist  auf  den  umlieKenden  Dörfern  abwechselnd  Kirmefa,  wozu  eine  Ansahl 
Wagen  vor  den  Thoren  bereit  etoht,  mn  den  snegebeeenen  Weber  mit 
Frau  und  Kind  nach  dem  angenehmen  Doif  zu  führen.  Hier  angekommen, 
ist  alles  Freude  und  Lust  und  ich  brauche  nicht  zu  sagen,  dals  der  aus- 
ffelassene  Arbeiter,  nachdem  er  wacker  getrunken  und  getanzt  hat,  nach 
Hause  gekommen  gar  keine  oder  mindestens  sehr  wenig  Lust  zur  Arbeit 
hat  und  lieber  alles  liegen  läfst,  als  «eine  Begierden  ziipelt."  Breuder 
a  Brand  is.  Vaderlandsch  Kabinet  vau  koophandel,  zeevaarr  etc.  Amster- 
dam 178t;,  II,  167. 

•Job.  Tjnflspns:  Zerpolitin  !G70,  p.  105.  Ein  Bootsmann  er- 
Mell  Mitte  des  lö.  JahrbuDderts  auf  der  Keise  ron  Amsterdam  nach 
DsDiig  Snsl  Sfodtfieeh  Qnd4nia1  Fleieeh.  Fournier,  Arehir  ffir  6ster> 
ittiehische  Gesch.  1887,  p.  461. 

*  Archief  vroeaere  eo  lateie  mededeeiingen  Tooinamelijk  betrekkel^k 
tot  Zeeland  V,  1,  101. 

^  De  Jonge:  Geschied enis  yan het nederlandscfae 
ITT,  p.  415     nieichzeitig  heifi^t  es  in  England:  „Bpforc  brandv  came 
Over  into  England  in  such  quantities  as  it  now  doth.  we  drank  oood 
stamw  beer  nd  Ale  sad  all  labeiions  neople  nee  to  diink  a  pot  oi  Ale 
üt  a  tisgon  of  itroag  beer.«'  HsiWsn  Misoollaniee  VIII,  587. 


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54 


Kiebnhr^  »war  so  grüTstich,  daas  das  Brot  aus  luJb  aiuge- 

SuoUencn  und  nicht  gemahlenen  Körnern  verbacken  ward,  um 
er  Malilstouer  zu  entgehen,  dafs  Thce  der  elendesten  Art 
die  einzige  ^^^1ir7^•  rliVsos  elenden  Mahles  ward  und  es  aus- 
gemacht ist,  wie  Ali)hiingerung  die  menschliche  Natur  so  weit 
ausgemergelt  hatte,  da^^^  am  Ende  des  18.  Jalirliuudcrtä  fUnf 
Arbeiter  nur  die  Kraft  äufsem  konnten,  die  100  Jahre  früher 
Tier  gettnfiiert'' 

Auch  die  Wohnungsverhältnisse  der  ärmeren  Bevtflkentng 
scheinen  im  17.  Jalirhundert  nicht  ungünstige  gewesen  zu 
sein.  Wenigstens  heifst  es  in  einer  von  Aitzema  reproduzierten 
FlngRchrift  aus  der  Mitte  des  17.  Jahrhunderts,  dafs  die  aller- 
geniein.sten  IlHuser  in  Amsterdam  nur  von  jedrei  Famih'en  be- 
wohnt würden  ^.  8ir  William  Petty  versichert  um  dieselbe 
Zeit,  dalä  die  Wohnungen  der  allerärmsten  Leute  in  Holland 

und  Seeland  xwd-  und  dreimal  ao  gut  seien  als  in  Frankreich^ 
Wi  dem  Anwachsen  der  Bevölkerung  trat  wohl  eine 
Verschlechterung  der  Wohnungsverhältnisse  ein,  zumal  die 

Vergröfserung  der  Städte  nur  in  längeren  Zwischenräumen 
erfolgte.  So  wurde  in  Leyden  schon  1643  Klage  gfffi Ii  rt.  dafs 
eine  Menge  Leute  von  dort  aus  Mangel  an  Wolinuii^^ni  aich 
nach  aiideru  Orten  gewandt  haben  ~  Für  Amsterdam  liegen 
einige  statistische  Daten  flir  da»  18.  Jahrhundert  vor.  1725 
wuraen  662  Häuser  durch  5859  nicht  unterstützte  und  82 
Hftuser  durch  2042  unterstOtate  lUftigi^  bewohnt;  es  kommen 
also  ca.  24  Personen  auf  ein  von  der  ärmeren  Bevölkerung 
bewohntes  Haus*^.  1747  bewohnten  41561  Familien  in  Am- 
sterdam 26317  Häuser,  davon  18  740  Familien  Keller  und 
Hinterhäuser«.  In  Delft  bewohnten  1732  22000  Personen  4236 
Häuserj  in  Leyden  lebten  70  000  Einwohner  in  10890  Häusern, 
in  Dordrecht  18000  Einwohner  in  3955  Häusern,  in  Haariem 
40—50000  Einwohner  in  7963  Häusern'. 

Auch  die  Frauen-  und  Einderarbeit  wird  erst  in  den 
letzten  Decennien  des  17.  Jahrhunderts  allgemeiner.  Zwar 
hat  es  nie  an  Gewerben  gefehlt,  die  der  Hand  der  Frau  be- 
durften, 80  die  Spinnerei  und  die  Wollkämmerei  schon  im 
Mittelalter.  Aber  neu  war  das  Zusammenarbeiten  von  Frauen 
und  Männern  in  grofsen  Manufaktureni  z.  B.  in  den  Kattun- 

>  Niebahr:  Cbkolarbriefe  aas  Helleod»  Nacbgelaetene  Sehiüten 

aiehtphilologischen  Inhalts,  p.  451. 
^  Aitaema:  B.  M,  p.  aSo. 

*  Petty.  Political  arithmetic  p.  103.  Soutcndam:  M^edeeliogeu 
uit  het  archiet  der  stad  Delft  1862,  p.  41,  macht  auf  den  guten  Ziutuid 
der  Gesuodheitspolizei  in  den  holHindischen  Städten  aufroerksam. 

*  Dozjr:  Ovenicht  van  de  geachiedenis  der  Leidsche  mverheid, 
1889,  p.  28. 

*  Berg,  K<^fugi68,  p.  34. 

«  Wagenaar,  I,  2,  51.  de  Bosch  Kemper  p.  13Ö. 
^  Tegenw.  ataat     fioDaad  IT.  Kap.  8,  9,  la 


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X  3. 


55 


driickereien neu  ihre  Beschäftigung  in  schweren  und  unge- 
sunden Gewerben,  wie  beim  Salzsieden^,  beim  Lunipenzcrreifsen 
in  Pa|)ierl*abriken ®,  in  Ziegeleien  etc.*. 

^soch  schroffer  ist  der  Übergang  bei  der  Kinderarbeit. 
Die  Bestimmungen  der  Gildestatuten  über  die  Anzahl  der 
Lehrlinge  im  Verhältnis  zu  den  Gesellen,  die  Festsetzung  der 
Lehrzeit,  die  Bestimmung,  dafs  die  Lehrzeit  bei  einem  und 
demselben  Meister  abgemacht  werden  mufste,  machten  eine 
Beschäftigung  von  jugendlichen  Arbeitern  vmter  dem  Scheine 
von  Lehrlingsverhältnissen  unmöglich.  An  diesem  Standpunkt 
hielt  die  Gc'setzgebung  fest,  bis  auch  liier  die  Einwanderung 
der  französischen  Hugenotten  eine  Änderung  der  Anschauungen 
bei  den  städtischen  Regierungen  veranlasst.  —  So  wurde 
1083  ein  Waisenhaus  in  Amsterdam  den  Rcfugies  eröffnet,  um 
dort  Seide  fabrizieren  zu  lassen^.  1682  war  dort  das  Seiden- 
windhaus gegründet  worden,  in  dem  Kinder  von  7 — 12  Jahren 
Seide  haspeln  sollten®.  In  Middelburg  schlols  die  Armen- 
verwaltung mit  einem  Franzosen  einen  Vertrag,  damit  in 
dessen  Tuchweberei  eine  Anzalil  Waisenkinder  beschäftigt 
werden  sollten Wo  Unternehmer  fehlten,  ging  die  Annen- 
verwaltung selbst  mit  der  industriellen  Beschäftigung  von 
Kindern  vor.  So  wurden  in  Middelburg  Kinder  armer  Leute, 
die  keinen  Verdienst  hatten,  von  der  Diakonie  mit  Herstellung 
von  Seilen  beschäftigt^. 

Aber  schon  Mitte  des  18.  Jahrhunderts  nahm  die  Gesetz 
l^bung  wenigstens  für  einige  wichtige  Zweige  der  Haus- 
industrie die  alten  Traditionen  auf  und  setzte  der  Beschäfti- 
gung von  Kindern  gewisse  Schranken.  So  bestimmt  Art.  8 
der  „Keure"  für  die  Seidenbandwebergilde  in  Haarlem  vom 
1.  September  1752,  dass  fortan  nicht  mehr  als  1  Lehrling  oder 
an  seiner  Statt  eine  Person,  die  weniger  als  den  gewöhnlichen 
Knechtslohn  verdient  (der  die  Hälfte  von  dem  beträgt,  was  der 
Meister  (fatsoenbaas)  erhält,  und  in  betreff  dessen  die  Fabrikanten 
zu  sorgen  haben,  dafs  der  Arbeiter  nicht  verkürzt  werde), 
in  jeder  Werkstiitt  sein  soll  oder  solle  gehalten  werden, 
bei  Strafe,  dafs  derjenige,  der  mehr  als  einen  Lehrling  hält, 

'  Frauenarbeit  in  der  Kattundruckerei  wird  schon  1687  erwähnt. 
Vgl.  Sloet  Tijdschrift  18Ö7  j).  9. 

'  Beim  Salzsiedeu  fand  Eversmann  ausschliefslich  Weiber  be- 
schäftigt. P.  A.  Eversmann,  königlich  preulsischer  Bergrat  und  Fabrik- 
kommissar, Technologische  Bemerkungen  auf  einer  Reise  durch  Holland, 
1792,  p.  131. 

*  Eversmann  l.  c.  p.  59. 

*  1.  c.  vgl.  über  die  trauenarbeit  noch  p.  125  und  145. 

*  Berg,  Rj'^fugies  u.  160. 

*  L'Hspinc  und  Le  Long.  Koophandel  van  Amsterdam,  II.  p. 
272.  Tegenwoordige  Staat  van  Holland  V,  120.  Die  Mädchen  erhielten 
in  dieser  Aiistalt  auch  Unterricht. 

'  Coronel  Middelburg  voorheen  eu  thans  p.  120. 

*  Coronel  p.  107. 


9 


56  X  3. 

jedesmal  eine  Bnfse  von  25  Carolusi;ulden  erlegen  soll,  wovott 
*/8  der  Denunziant,  -  3  die  Gilde  erliuit  ^ 

Merkwardig  ist,  nftmoitllcb  wenn  man  noch  da«  Verbot 
des  Trucksystem»,  das  die  haosindastriellen  Ordntmffen  aus- 
sprechen^  heranzieht,  die  Analogie  mit  der  modernen  Arbeiter- 
sebutzgesetzgebung,  noch  merkwürdiger,  dass  damals  die 
Arbeiter  der  TTausindiistrie  am  meisten  beschirmt  wurden,  \m 
grellen  Kontrast  nn"t  der  G-egenwart,  ^vo  gerade  die  Haus- 
industriellen allcä  gesetzliehen  Schutzes  entbehren  oder  ihn 
doch  am  suätesten  erlangen^. 

Endlicn  fehlte  es  den  Arbeitern  nicht  an  gesetzlich  an- 
erkannten Organisationen.    In  vielen  hollandischen  Stftdten 

fiebt  es  sog.  Knechtsg^'lden.  Dieselben  finden  sich  Tom  15. 
is  sum  Ende  des  18.  Jahrhunderts  vor^.  Knechtsgilden  sind 
bisher  nachgewiesen  bei  den  Porzellandrchern  in  Delft,  bei 
don  Töpfern  und  Böttchern  in  Gouda,  bei  den  Schneidern  und 
Maurern  im  Hnaj^,  ])ei  den  W  eissgerbern  in  Leyden,  bei  den 
Seidenbandvs  ein  i  n  in  llaarlem,  bei  den  Porzellantöptern, 
Schiflfem,  Ilutmachern,  Schneidern  in  Utrecht,  bei  den  Schnei- 
dern, Maurem,  Lederarbeitern^  Knopfmaehem,  Wollkämmern, 
KupfeiBchmteden,  Hutmaehem  (seit  1626),  Bttckem  (seit  1490), 
Schuhmachern  (seit  1606),  Kistenmachern  (seit  1616),  Schreinern, 
Steinmetzen  und  Zimmerleuten  in  Groningen.  Die  Or^^anisa- 
tion  der  Knechtsgilden  ist  ein  Gegenstuck  zu  den  Meister- 
gilden. Auch  an  ihrer  Spitze  stehen  ^Deken  und  Vinders". 
So  wird  die  Seidenbandweber  -  Knechts^^ilde  in  llaarlem  von 
einem  „Deken  und  vier  Vinders",  die  der  reformierten  Kirche 
anffehOren  müssen,  geleitet  Von  diesen  scheidet  der  Dekcu 
und  ein  Vinder  jährlich  aus,  um  aus  einer  Vorschlagsliste  von 
Tier  Personen  vom  Stadtrat  ergänzt  an  werden  *» 

*  K  euren:  Haariem  II,  195.  Vgl.  auch  Art.  der  Ordnung  für 
die  Spitzen webemlde  in  HHarlem  vom  s.  September  IT*)«;  (Ken reu  Ii, 
Anhang  p.  U),  der  dieselbe  Tendenz  verfolgt:  Kein  Lehrling,  der  die 
Lehrzeit  durchp:( nnacht .  soll  för  weni^rrr  n\-^  der  Gesellenlonn  beträgt, 
arbeiten ,  bei  Strafe  von  6  Qalden ,  und  dart  kein  Fabrikant  oder  Meister 
«^BSB  solchen  für  weni^r  Lolm  arbeHen  liwwi  bei  Strafe  too  2b  fl. 

-'  In  Holland  erstreckt  d:\p.  fielet/,  vom  5.  Mai  1^80  ?pinn  Srlmtz- 
be^ti  in  [Hungen  auch  auf  die  in  der  UaunnduBtrie  beachuftigten  Frauen 
und  jugenalichen  Arbdter. 

*  In  einiges  Fällen  fuhren  diese  Verbindungen  auch  den  Namen 
sodeteit  und  compact.  Feith:  De  gihUs  Grouinganif,  p.  109.  Feith 
iat  meines  Wissens  der  einzige  Autor,  der  dieser  Arbeiterverbindungen 
Erwähnung  thut  Aufmerksam  gemacht  durch  ihn,  wandte  ich  mich  an 
Herrn  Prof.  P.  .1.  Hlok  in  (ironingen,  desfl^ii  Ii»>bfiimrürdig(T  IJcreit- 

akeit  ich  fast  alles  verdanke,  was  oben  über  die  Knechtsgilden  mit- 
t  wwd.  Ob  bei  der  Sto^enswerkersgilde  in  Ufreetit  «ne  eigene 
itögilde  bestand,  ist  fraglich.    Vj^l.  Art    It  der  liptr.  Ordonnanz. 

*  Ordonnantie  op.  de  Bos  van  het  Zjde  Lintwerkers  Kuechtsgild 
(1752)  Art  1.  —  In  emem  Katsbeschlufs  vom  27.  August  1735  heifst  ea, 
dafs  die  Maurergesellen,  Anfsetzergesellen  und  SeidenbandweberMMÜSn 
in  Haariem  eine  Gilde  nicht  hätten.  (K euren:  Haariem  I,  89.)  ßäjstgtn 


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X  3. 


57 


Obwohl  die  Knechtsgilden  nur  mit  Zustimmung  der  Meister- 
gilde und  des  Stadtrates  errichtet,  ausschliefslich  für  Unter- 
stUtzungszwecke,  namentlich  für  Krankenunterstützung,  be- 
stimmt gewesen  zu  sein  scheinen,  so  wufsten  sie  doch  ge- 
legentlich auch  andere  Interessen  ihrer  Mitglieder  den  Meistern 
gegenüber  zu  wahren.  Hierauf  deutet  schon  die  von  Feith 
erwähnte  Klage  der  Hutmachermeister  in  Groningen  über  die 
Verbindung  ihrer  (jesiillen  hin 

Nachdem  1(394  der  Rat  in  Groningen  beschlossen,  dafs 
fortan  fremde  Gesellen  ohne  Lehrzettel  in  Groningen  arbeiten 
dürfen,  erhob  unter  dem  16.  Februar  1704  die  Knechtsgilde 
der  Steinmetzen  und  Zimmerleute  hiergegen  Protest,  weil  da- 
durch der  Erwerb  der  einheimischen  Arbeiter  beeintrilchtigt 
werde.  Als  diese  Beschwerden  1731  wiederholt  wurden,  sah 
sich  der  stiidtische  Magistrat  zur  Aufhebung  seines  früheren 
Beschlusses  gezwungen 

Auch  den  Arbeitsnachweis  scheinen  die  Knei'htsgilden  in 
die  Hand  genommen  zu  haben.  Wenigstens  weist  darauf  Art 
12  der  Schusterknechtsrolle  in  Groningrii  von  1760  hin:  „Kein 
Meister  soll  einen  Knecht  halten,  der  nicht  auf  der  Liste  der 
Knechte  steht."  Andererseits  wussten  die  Meister  ihren  Ein- 
flufs  zu  benutzen,  um  ihren  Interessen  günstige  Bestimmungen 
in  die  Statuten  der  Knechtsgilden  einzurücken.  So  heifst  es 
z.  B.  in  den  Statuten  der  Bäckergesellen  in  Groningen  (1490): 
„Wenn  ein  Knecht  sein  Gebäck  vernachhlssigt,  es  sei  grofs 
oder  klein,  so  zahlt  er  Strafe." 

Verwandt  mit  der  geschilderten  war  die  Organisation  ge- 
wisser Ik'i  einfachen  Verrichtungen  ^gebrauchten  Arbeiter, 
hauptsächlich  der  Koniträger  ( Koorndraagers),  BiertrUger 
(Bienlraiigers),  ToH'träger  (Turfdraagers)  und  Arbeiter  an  der 
Wage  (Waagdraagers)  ^.  Allerdings  handelt  es  sich  hierbei 
nicht  um  Lohnarl)eiter,  sondern  um  genossenschaftlich  ver- 
bundene, zum  teil  obrigkeitlich  angestellte,  selbständig  ar- 
beitende Personen.  Die  Kornträger  in  Amsterdam  bildeten  eine 
geschlossene  Korporation,  die  nur  gesunde  Personen  im  Alter 
von  18  bis  38  Jahren  gegen  ein  Eintrittsgeld  von  50  fl.  auf- 
nahm.   Die  Bierträger  und  Torfträger  wurden  in  bestimmter 


wird  in  der  Einloitunpza  den  Statuten  der  Krankenkasse  der  Seidenband- 
weber (1752)  ausdrücklich  hervorgehoben,  dafs  diese  Kasse  auf  Ansuchen 
von  Deken  en  Vinders  der  Seioenbandweberknechtsgilde  errichtet  wor- 
den. Man  mufs  also  annehmen,  dafs  diese  Knechtsgilde  zwischen  1736 
und  1752  ins  Leben  gerufen  wurde. 
'  Feith:  p.  109. 

«  Gef.  Mitteilung  des  Herrn  Prof.  P.  J.  Blok.  Nach  einigen  An- 
deutungen in  Brender  a  Brandis  Vaderlandsch  Kabinet  van  Koonhandel 
178C  in,  203,207  f.  scheinen  die  Porzellanarbeiter  in  Delft  ihre  Kneehta- 
gilde  zur  Durchkämpfung  von  Lohnforderungen  benutzt  zu  haben. 

*  Vergl  Wagenaar  IV  1,  446.  449  f  Keuren:  Haarlem  II,  167  f.  315  f. 
264.470  f. 


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58 


Zahl  von  deu  Hürgerniristnrn  aimostfllt,  hatten  das  aussclilinfs- 
liche  Recht,  die  in  ihr  Kessort  talieuden  Arbeiten  vorzimehuien 
und  waren  dafür  zu  gewissen  öffentlichen  Diensten  (Feuerwehr 
II.  dgl.)  verpflichtet. 

Die  Hauptaufgabe  der  Knechtagilde  bestand  in  der 
Untersttttxung  erkrankter  Genossen.  Aber  auch  in  den  GJe- 
werben,  in  denen  Rnechtsgilden  nicht  vorhanden  waren, 
fehlten  nicht  von  den  Arbeit  tti  unter  Aufsicht  des  Magistrats 
verwaltete  Krankenkassen'.  Da«  Bedürfnis  nach  diesen 
mui'stc  sich  besonders  in  den  Orten  geltend  machen,  wo  eine 
groi'be  Anzahl  fremder  Arbeiter  Beschäftigung  fand.  Es  Ist 
daher  kein  Zufall,  dais  gerade  in  iiiiarlem,  dem  „Tliron  der 
Fabriken**,  eine  «rofse  Anzahl  von  Kassen  wfthrend  des  18. 
JahrhnndertB  erriditet  wurden.  Es  wurden  alle  Arbeiter  des 
gleichen  Gewerbes  oder  auck  Arbeiter,  die  aus  ein  und  der- 
selben G^end  stammten,  zum  Beitritt  in  die  betreffenden 
Kassen  voranlafst,  Beispiele  solcher  landsmännischer  Kassen 
sind  die  Kasse  für  die  Arbeiter  aus  der  Meierei  van  den  Bosch 
und  die  westfUlische  Kasse  in  Uaarlem%  die  Kasse  der 
Röfugics  iu  Leyden*. 

Neben  diesen  obligatorischen  Eiissen  fanden  sich  auch 
freiwillige  Kassen,  die  nur  Mitglieder  von  normaler  Gesund- 
heit und  von  bestimmtem  Lebensalter  aufnahmen  ^  oder  auch 
den  Kreis  der  Mitglieder  auf  eine  bestimmte  Anzahl  be- 
schränkten*. In  einzelnen  Kassen  wurden  auch  die  Fraueu 
der  Arbeiter'*  imd  T.<'}irjungen  zugelassen. 

Die  Leistungen  der  Kassen  bestanden  in  Zahlung  eines 
Kranken-  und  Sterbegeldes.  In  der  Regel  betrug  das  erstere 
2  3  fl.,  das  letztere,  das  auch  den  Frauen  der  Mitglieder  zu 
gute  kam,  10—50  fl.  An  wöchentlichen  Beiträgen  wurden 
meistens  2 — S  stuivers,  abgesehen  von  dem  Eintrittsgeld,  er- 
hoben. Auch  waren  alle  Mitglieder  verpflichtet,  am  Lager 
des  kranken  Genossen  zu  wachen  und  ihm  die  letzte  Ehre  zu 
geben.  Die  Zeitdau^^r  der  vollen  Unterstützung  betrug  in  der 
Kegel  13  Wochen,  bei  länger  währender  Krankheit  wurde  ein 
geringerer  Betrag;  bezahlt,  bei  mehr  als  einjähriger  Krankheit 
hörte  jede  Verpiiiciuuug  der  Kasse  auf  ®.    is'eben  den  Krauken- 


1  Art.  19  der  Ordonnanz  für  die  Schnhmacherkasse  in  Haarlem  be- 

Ftiinmt.  drifs  diejenigen  Mitglieder,  die  finer  Gilde  V>eitreteiD|  SOS  dst  ne 
KtaukenuQterstät2uhg  erhalten,  gestrichen  werden  aoUen« 
'  Die  letstere  bestand  senon  1631. 

*  PartimiUere  Keuren  en  Ordonnantien  van  Legrden.  OvdooiUU» 
für  die  Börse  der  R^'fugi<^s  von  Frankreich  (1749). 

*  In  der  Maurcrkaasc  in  Lejden  wurde  die  Mitgliederzahl  auf  100 
bwehritoltt  und  das  BdtrittMlter  auf  B  J  Jnhre  festgesetzt.  Pftftiealiere 
Krurcn  en  Ordonnantien  ran  Leyden  1757.  In  die  giaaerkaage  WOrdwi 
üher  40  Jahre  alte  Teraonen  nicht  aufgenommen. 

*  Z.  B.  in  dsTSeidflnbandweberiuMMin  HMileoi.  Kenren  II,  444. 

*  llaufttrkHM.  Lejdoi.  Azt  9. 


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59 


kassen  bestanden  Sterbekassen  für  Männer  und  Frauen,  die 
gelegentlich  aiicli  die  Altersunterstützung  in  ihren  Bereich 
zogen.  Die  Mitgliederzahl  war  begrenzt  und  die  Aufnahme 
an  eine  Altersgrenze  von  40  Jahren  geknüpft.  Dieselben 
zahlten  gegen  einen  Beitrag  von  IVg  st.  ein  Begräbnisgeld 
von  25-80  fl.». 

Fassen  wir,  was  ttber  die  Lage  der  iM^ndischen  Ar- 
beiter im  einselnen  gesagt,  zu  einem  Gtosamturteil  zusammen. 

Mant'  Behauptung,  Hollands  Volksmasse  sei  schon  1648 
mehr  Überarbeitet,  verarmter  und  brutaler  unterdrückt  ge- 
wesen, die  des  übrigen  Europa  insgesamt,  dürfte  nicht 
ZUtreÜen  -. 

Solange  die  Gilde  Verfassung  erhalten  blieb,  wirkte  sie 
wie  eine  schirmende  Brustwehr  flir  die  Arbeiter.  Als  Endo 
des  17.  Jahrhunderts  die  gewerblichen  Schranken  teilweise 
sertrUmmert  wurden,  als  rraaen-  und  Einderarbeit,  Truck- 
system ihren  Einzug  in  die  Industrie  hielten,  mochte  dadurch 
die  Lage  der  Arbeiter  yerschlechtert  werden.  Aber,  wie  wir 
sahen,  reagierte  dagegen  schon  im  18.  Jahrliundert  die  Gesetz- 
gebung HTul  die  Arbeiter  hielten  zähe  an  den  alten  Über- 
Befernngen  fe.st*. 

Bis  zum  Ausgang  des  vorigen  Jahrhunderts  wird  ttber  die 
Unabhängigkeit,  ja  Üngebundenheit  der  holländischen  Arbeiter 
▼on  den  Fabrikanten  Klage  geftlhrt  —  In  allen  Ländern  hat 
die  Auflösung  der  alten  gewerblichen  Ordnung  an  der  Wende 
des  18.  und  19.  Jahrhunderts  die  Arbeiter  zurückgeworfen. 
In  Holland  wirkte  die  Einführung  der  freien  Konkurrenz  ver- 
heerender nh  iTi  anderen  Staaten,  da  sie  nicht  mit  einem 
wirtschaftliehen  Aufschwung,  sondern  mit  dem  Kuin  der  In- 
dustrie und  der  Agonie  des  industriellen  Lebens  zusammen- 
traf. Dies  erklärt  den  Gegensatz  zwischen  der  Lage  des 
hollindischen  Arbiters  in  diesem  tmd  den  beiden  voran- 
gegangenen Jahrhunderten. 

*  Aach  Witwen-  and  Waiaenkasnen  waren  zahlreich  vorhanden. 
Z.  B.  för  die  Maarer,  Leichenbitter,  Bedienstete  der  Ostindischen  Com- 
pagnie,  fiir  die  Arbeiter  der  Stadtnbtik  in MiddelbiiiK-  Coronel  ik  168. 

2  Marx,  Kapital  P,  780. 

*  Bei  den  Amsterdamer  Kattundruckem  herrschte  der  Brauch,  dals 
auf  7  Gesellen  1  Lehrling  bttehSftigt  waide;  ab  dd  Heister  eine 
gröfsere  Anzahl  von  Lehrlingen  anstellten,  kam  es  im  Mai  1744  an  einer 
aUgemönen  ArbsitseintteUiuig.  Het  ontroerd  Holland,  p.  300. 


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VI 

Zur  GeBchicbte  der  socialen  Bewegung  in  den 

Niederlanden« 


Der  beispiellos  rasche  Aufschwung,  rlen  die  wirtschaftliche 
EntRHckeluiig  der  vereinigten  Ntoderlande  im  17.  Jahrhundert 
genommenj  hatte  auch  neue  sociale  Gep^ensätzo  erzou/^t.  —  Im 
16.  Jahrhundert  war  auf  dem  Lande  (li>  Naturalwirtschaft 
iioch  vielfach  anzutreffen*.  Bis  zum  Anlaug  des  17.  Jahr- 
hunderts war  Holland  ein  kapitalarmes  Land,  was  am  besten 
der  ümstaad  beweist,  daTs  der  Handel  nach  Ostindien  ur- 

rnfflich  mit  Antwerpener  Kapital  getrieben  wurde*.  Mitte 
17.  Jahrhunderts  Dessls  Holland  nicht  nur  eine  grofse 
StsatsBchuld,  sondern  machte  auch  grofse  Anleihen  an  England  ^, 
"Därif^mark  iinfl  nuflore  Länder*.  Der  Handel  der  Republik 
war  znni  Welthandel  geworden.  Ihre  Flagge  aeigte  sich  auf 
allen  Meeren, 

Doch  anstatt  dicker  Entwickelung  im  einzelnen  nach- 
zugehen, fragen  wir  hier  nach  ihren  socialpolitischen 
Folgten.  — 

'  Zur  2j€it  Karl^  V  liediente  man  sieh  der  Kinr  als  Geld  auf  dem 
Lande.  Frnin:  Tien  Jaren,  p.  ^66.  Viele  Einzelheiten  Uber  den  nied- 
rijopni  KultarziiBland  des  Landes  im  16.  Jahrhmidert  bslLeeghwater: 
JCleui  chronykje. 

^  Van  der  Chija:  Geechiedeiiis  der  stichtisg  vaa  de oetüidiache 

compaguie,  18ö7,  p.  5. 

*  ¥Su  grosser  Teil  des  zum  Aufbau  von  London  nach  dem  Bnndfl 
von  1666  erfordcrlicheTi  Kapitals  war  holländisclips  Geld.   8.  lepoit  of 
the  K.  oommiatioQ  on  historic&l  manuscripts  (London  läÖ2). 
«  Staatnehold  der  FkoHas  floHand: 
1620     40  MUHonen  fl. 
1629  69 

1650     140       *        •    i    13   Millionen   fl    lautende  Scbuld. 
Von  deo  11  MilUoDeii,  die  das  Einkominen  der  Provinz  in  fnedlieiMB 

Zeiten  anpmnditen  .  waren  0  Millionen  an  Zinsen  und  Hpntpii  zu  zahlen* 
(Nach  Aufzeichnungen  auf  dem  ätadtarchiv  Amsterdam  aus       — 72.) 


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X  3. 


61 


Der  Handel  nach  Indien  und  Amerika  la^  in  den  Händen 
privilegierter  Qeselkchaflteii.  Aber  auch  dort  wo  der  Hände!, 
wie  nach  der  Levante^  frei  war,  bewirkte  die  Natur  des  da- 
maligen Geschäfts,  AN  it  gesetzliche  Vorschriften,  dads  nur  eine 
kleine  Zahl  Yon  HaudekhäuBerii  reiche  Gewinne  machen 
konnten  ^ 

Neben  den  alten  Grundstock  der  Bevilkerung,  die  Bauern, 
Schiffer,  Fischer,  Zunftmeister  und  kleine  Kaufleute,  trat 
eiue  neue  Klasse  von  Grofskaufleuten ,  Reedern,  Steuer- 
plchtem,  Staateläubigem,  Aktionären  ^  Spekulanten.  Schon 
Anfane  des  17.  Jahrhuirderts  waren  Millionäre  keine  Seltenheit. 
Isaak le  Maire  konnte  in  seiner  Grabschrift  sagen»  dafs  er 
1500000  Gulden  verloren  habe». 

Aber  auch  der  Schatten  zu  diesem  glänzenden  Bilde 
fehlte  nicht.  Die  Zeiten  waren  längst  vorüber,  in  denon  ein 
venetianincher  Gesandter  den  Holländern  nachrühmen  konnte, 
dafs  bei  ihnen  niemand  ein  Almosen  erbitte,  unii  wenn  Jemand 
eine  milde  Gabe  spenden  wollte,  so  würde  er  nicht  wissen, 
wem  er  sie  zuwenden  könnte^.  Das  ganze  Land  wimmdle 
▼on  Bettlern,  die  man  vergeblich  durch  harte  Strafen  zu 
schrecken  hoffte  ^,  Wesshalb  trotz  der  Zunahme  des  National- 
reichtums auch  die  Armut  wuchs,  erklärt  de  Bosch 
Kemper  auf  folgende  Weise:  pOhwohl  mit  dem  ostindisehen 
Haii  lcl  und  der  Troc-kenlerriiTiii:  von  Liindoroicn  ansehnliche 
Vermögen  gemacht  wuideu.  wurden  die  Gewinne  grölsteuteils 
von  den  Reedern  und  Unternehmern  genossen.  Dazu  kamen 
grofse  Veränderungen  im  Erwerbsleben,  da  die  neuen  Erwerbs- 
sweige  den  Verfall  von  älteren  bewirkten  und  denjenigen,  die 
in  Teifallenen  Gewerben  ihre  Existenz  &nden,  dies  in  den 
neuen  Berufsarten  nicht  immer  glttdcte.  •  • .  Endlich  moralische 
Ursachen ....   Die  grofsen  Gewinne  im  Handel  veranlalsteo 


>  Savary:  Dictionnaire  da  eoBUDaeros II,  896  siigt  ausdrücklich ,  daft 
der  Handel  nach  der  Levante  von  pinom  einzelnen  Kaiifinriim  schwer 
betrieben  werden  köone,   weil  er  ein  beträchtliches»  Kapital  erfordere. 

*  Akti<»p£re,  allerdings  nicM  CosponabedweMer.  Die  ZiiMcoiipons 
zu  düi)  Obligationen  der  Ostindischen  Compagni»'  wurden  orst  iia  18. 
Jahrhundert  eingeführt  Felix  Hecht:  Beitrag  xur  Geschichte  der 
Inhaberpapiere  in  den  Niederlanden,  löOd,  p.  123. 

*  BaKhttisen  van  den  Brink:  Stndifln  en  ScheliSD  IV.  228.  230. 

*  co«ft  mirahilc  et  ^  y>nr  vera ,  ehe  non  vi  ^  persona  in  tutto  il 
paeae,  che  uon  habbi  commodit4  di  yiver  bcne  ooutorme  alia  aoa  condi- 
tioae:  aewuua  eerea  atsmosine  ne  ehi  volesse  sapria  a  efai  darla.*  Biie- 
rm  ran  Lionello  en  Suriano  aan  Doge  en  senaat  vnn  Venetie 
in  de  jaren  1616,  1617,  16lb.  Werken  van  het  historisch  genootschap 
ts  ütrscht  NieQwe  serie  No.  37.   1883  p.  409. 

*  Die  wichtigen  Regen  die  Vagabundage  gerichteten  Qesetze  and 
Verordnungen:  Oesetz  Karls  V.  v.  7  U.  1531.  Plakaat  d.  Staaten  r. 
Holland  16.  12.  15Ü5,  19.  3.  1614,  12.  5.  1619.  Plakaat  der  Staaten  v. 
Stsland:  19.  7.  1607,  16  und  17.9.  1614,  25.  11.  1698,  23.  9. 1705.  Ken* 
m:  Haaricm  80.  4.  Vm,  Keorea:  hi^fdm  1668  p.  116. 


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62 


X  3. 


die  Mcnsclien,  allerhand  gewag^te,  erlaubte  und  unerlaubte 
Mittel  zu  gebrauchen,  um  reicli  /u  werden.  Manchmal  glückten 
diese  Mittel^  häutig  aber  schlugen  sie  fehl  und  brachten 
dann  Annut  zuwege" 

Aber  auch  bei  den  Klassen,  die  am  meisten  von  der  neuen 
Entwickelung  begünstigt  wurden,  war  keineswegs  aUgemeine 
Zufinedenheit  eingekehrt.  Die  Bauern  murrten  über  mangelnden 
Schutz  gegen  Wildachaden*,  über  das  Verbot,  viele  Gewerbe 
auf  dein  platten  Lande  zu  Antreiben ,  viele  Ooworlitn-ihonflen 
litten  unter  der  „Tyrannei  und  dem  Monopol  der  (jildebriider  *, 
der  Handel  unter  den  zahlreichen  Rinnenzöllen  und  Stivpel- 
rechteu,  daa  ganze  Land  unter  schwerem  Steuerdruck,  schlechter 
Handhabung  der  Justiz  und  der  Verwaltung. 

Als  im  Jahre  1650  nach  dem  Tode  Wilhelms  II.  die  Er- 
nennung eines  neaen  Statthalters  unterblieb  und  Jan  de  Witt 
1658  aum  Ratspensionär  von  Holland,  d.  h.  zum  Leiter  der 
gesamten  inncm  und  iiussem  Politik  gemacht  worden  war, 
wurde  mit  diesen  Ereignissen  eine  Aera  innerer  Kämpfe  für 
Holland  eingeleitet,  in  denen  das  allgemeine  Mifsbehag^en  sieh 
Luft  machte.  Zwei  Parteien,  die  Anhänger  de  Witts,  die  sog. 
Loevesteinsche  Fraktion,  und  die  sich  um  das  oranische 
Banner  scharende  Statthalterpartei  rangen  miteinander.  — 
Die  Gegensätze  Ton  Monarchie  und  Republik,  von  Partiku- 
larismus  und  Centraigewalt',  von  Orthodoxie  und  Freigeiste- 
rei ^  prallten  heftig  aufeinander.  £s  war  die  Zeit  der  brutal- 
sten Interessenkämpfe:  Meineid,  Rechtsbeugung,  Bestechang% 

>  de  Bosch  Kemper:  Armoede,  2.  druck  p.  97. 

*  O  van  Rees:  Getchiedenis  der  «teatbiushoudkiinde  I.  p.  257. 

*  Eß  ist  nicht  richtig,  wie  dies  bei  deutschen  IliBtorikern  gewöhn- 
lich geschieht,  die  Statthalter  als  Vorkämpfer  der  unitarischen  Interessen, 
ihre  Gegner  als  Partikularisten  hinzustellen.  Am  deutlichsten  zeigt  sich 
das  Inige  dieser  VorstelluDg  in  dem  Antrag,  deo  die  Provinz  Holland, 
stets  die  Hauptstütze  cier  antioranischen  Bestrehunfffn,  1674  stellte,  die 
von  der  französischen  Occupation  befreiten  Provinzen  Utrecht,  Gelder- 
latid,  OTcnjsel  oieht  mit  den  Mheten  Rechten  in  die  Uaion  summelnneD, 
BOTidrrn  sie  als  freneralitütslUnder  (wie  Nordhrabant)  zu  beliandcln.  Wäre 
dieser  Antrag  angenommen  worden,  so  w&re  der  Einheitsstaat  geschaffen 
gewesen. 

*  ,Ieh  kann  nicht  anders  als  mit  Grausen  gedenken,  wie,  dafs  ein 
aewisser  BtircrpnTififitrr  (der  de  Wittschen  Partei^  vor  etlicher  Zeit 
darftc  sagen,  dai's  er  Moses'  und  Eolenspiegels  BUchcm  einem  so  viel  als 
dem  andern  glaube.**  UDtenehiedlicho  Conaiderstiones  über  den  gcgeo* 
wärtigcn  Zustand  der  noch  übrigen  Provinsen  der  Teremigten  NiMsr- 
lande,  1672. 

*  Der  französische  Gesandte  d'Estrades  schreibt:  .Ich  kenne 
hier  nur  vier  Personen,  die  nicht  mit  Geld  ankaufen  sind,  die  beiden 
Brüder  d  *■  Witt,  die  Herrpn  van  Benningen  und  Peverning.  Die 
andern  kann  man  mit  Geld  zu  meiner  Verfügung  haben,  wie  mau  will.'' 
Het  wäre  Karakter  van  den  Raadpensionaris,  Jan  de  Witt  en  zyne 
factie,  Haag  1757,  p.  31.  „Es  ist  jedem  von  uns  genug  bckunnt,  dnfs  der 
König  von  Frankreich  durch  seine  Louisdors  eher  unsere  Stftdte,  Greu- 
len,  Festungen  eingenommen,  die  WfiUe  bestürmt,  die  Offisiere  und 


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68 


aelbst  Meuchelmord  waren  an  der  Tagesordnung  in  der  inneren 
Politik,  wie  in  der  äusseren. 

Merkwürdigerweise  und  Uberaus  kennzeichnend  für  den 
Ghankter  dc^r  Zeit^  die  er  schildert,  spricht  der  €(eBchichte- 
sohreiber  dieser  Periode^  Aitzema,  bereits  einige  Grundgedanken 
der  materiaÜBtischen  Geschichtsauffassung  aus:  „Gekrönt  oder 
ungekrönt,  wer  die  Macht  hat,  gebraucht  sie;  jeder  lauert  nur 
auf  die  Gelegenheit,  wenn  die  geboren  ist,  dann  ist  die  Aktion 
und  das  Recht  geschaffen",  und  an  anderer  Stelle:  „Es  ist 
natürlich,  dafs  jeder  dem  nachjagt  und  nacligeht,  was  er  liebt, 
und  jeder  liebt  sein  Interesse.  Inzwischen  ist  es  der  beste 
Rat.  es  mit  dem  Stärksten  su  halten;  denn  alle  Macht  ist 
göttlichen  Ursprungs  und  wer  die  Macht  hat,  gebraucht  sie*.* 

Umsonst  Dewies  der  Ratspensionär  de  Witt  in  einer  aus- 
führlichen Denkschrift,  dafs  die  Steuerkwt,  unter  der  das 
Land  seufzte,  aus.schliefslich  der  Regierung  und  den  Kriegs- 
züj^en  der  oranischeii  Süitthalter  zuzuschreiben  sei,  dafs  Moritz, 
Friedrich  Hendrik  und  Wilhelm  vom  Staate  an  Pensionen, 
Traktamenten  u.  s.  w.  nicht  weniger  als  20  Millionen  fl.  em- 
pfan£;en  hätten  Ein  grofser  Teil  des  Volks,  namentlich  die 
Landbevölkerung,  die  Armee*,  die  Gastlichkeit^  und  das 
Kleinbürgertum  olieb  dem  alten  Herrsoherhause  treu. 

Wfthrend  des  ersten  holländisch-englischen  Krieges  brach 
die  Unzufriedenheit  im  Volke,  die  schon  lange  unter  der  Asche 
gUmmtei  in  hellen  Flammen  aus.    Durch  den  Krieg  waren 

Militär»  7.uin  Rückzug  gezwungen,  als  die  Franzosen  selbst. "  Hollands 
Intrest  gestelt  tegens  dat  van  Jan  de  Witt.  1672. 

'  Aitzema:  Saaken  van  Staet  en  oorlogh  Haag  1669—72.  Buch 

25,  p.  18  und  III,  841.  Ranke  polemisiert  gegen  diese  Steile  des 
Aitsema,  weil  sie  das  Göttliche  in  der  menscElieheD  Natar  ▼erkenne. 
Eine  ahnliche  Weltansicht  auch  bei  La  Court,  Er  sagt  u.  a.:  „Dafa  alle 
öfienüichen  Köche  iliren  Vorteil  zum  Nachteil  des  Gemeinwesens  suchen, 
ist  sicher,  ob  sie  jemals  den  Vorteil  des  Oemeinwesens  zu  ihrem  Nach* 
teil  suchen,  ist  ganz  unsicher." 

*  de  Witt:  Deductie  ofte  declaratie  van  de  Heeren  Staten  van 
Hollanden  Westvriesland,  Mai  1654;  vgl.  auch  la  Court  Aanwyzing 
III,  5.  Wenn  von  Treitschke  es  kiimMliiiiit  findet,  historische  Ver- 
dienste auf  Heller  und  Pfennig  zu  taxieren,  so  hUtte  er  auch  die  Art 
tadeln  müssen,  in  der  die  Staaten  von  Holland  die  Verdienste  de  Witts 
ftsfertellten.  Dieselben  konstatierten  nftmlieli  1668,  daTs  seine  Akten  ia 
r>  Jahren  22  591  Seiten  umfafsten,  die  seiner  Voi^gilnger  in  67  Jahren 
23475  Seiten.    Kluit,  Hl,  338. 

•  Vgl.  W.  J.  Knoop:  De  iinpopulariteit  van  ons  leger  t^jdens  de 
njmblidk.  1881. 

4  Über  die  politisclic  Hedeutun^^  der  Geistlichkeit  im  allgemeinen 
BD  Jener  Zeit  vgl.  La  Court  Kap.  73  (Haudst  liriftj.  Über  einen  Ver- 
saut Franlueichs,  durch  Priester  das  Volk  aufzuhetzen,  nm  die  alte 
Begierung  herzustellen,  vgl.  Archivea  de  la  maison  d'Oranpe  Nassau  par 
Groen  van  Prinsterer  V,  p.  158  (Februar  1655).  Infolge  ähulicher 
Agitationen  erfolgte  das  Verbot,  dafs  Priester  keine  Korreepondens  mit 
dem  Ausland  über  {lolitische  Fragen  unterhalten  durften,  sowie  das  Ver- 
bot, Predigten  politischen  Inhalts  zu  halten.    Kesol.    Staaten  Generaal 

26.  2.  \m,  erneuert  Res.  Staaten  Holland  7.  11.  1665  und  5.  12.  1665. 


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64 


X  a. 


Handel  und  Industrie  der  Republik  schwer  geschädigt  ^  In 
Amsterdain  standen  3000  Häuser  her  and  unter  den  Hassen 
herrschte  hittere  Kot  und  Arbeitslosigkeit.  Die  oranische 
Partei  benutzte  diese  Gelegenheit,  um  Aufstände  in  Dordreeh^ 

im  Haag^  Enkhuysen  und  andern  Orten  licrvorzurufon  und 
die  Ernennung  des  Prinzen  von  Oranien  zum  Generalkapit^ln 
zu  fordern^.  Zwar  wurden  diese  Schilderhcbungen  niederge- 
schlagen, aber  «laniit  war  die  Bewegung  keineswegs  erstickt. 

Kein  Jahr  verging,  ohne  dafs  in  einem  Teil  des  Landes 
die  Empörung  ihr  Banner  erhob.  1055  Bauernaufstand  in 
Weicheren,  1054  Bürgerkrieg  in  Overijsel,  Spaltung  dieser 
Froyinz  in  zwei  Hälften,  förmliche  Belagemngvon  Städten,  1055 
nnd  1057  Tumulte  in  Groningen. 

Withrend  des  zweiten  eng^Iisch-hollüTirli^clifin  Kricg-eslOöS 
wurde  das  Land  gleichzeitig^  mit  dem  Kampi  nach  auisen  durch 
innere  Unruhen  erschüttert^. 

Erst  nach  dem  Frieden  von  Breda  neigte  sich  der  ISieg 
de  Witt  zu.  Vornehme  Anhänger  der  Oranier  traten  anf  sdne 
Seite  ^.  Die  Tripelallians  schien  den  Frieden  nach  aofsen 
ebenso  zu  verbürgen,  wie  das  ewige  Edikt,  das  die  Statthai- 
terwürde  in  der  rrovins  Holland  abschaffte  und  die  Funktio« 
nen  des  Statthalters  von  denen  des  Genoralkapitäns  und  Ge- 
neralarluiirals  für  immer  tronntc  (V<'  Kuhe  nach  innen  ''.  Da 
erfolgte  1672  die  französische  Kriegserkliirunfr,  der  Vormarsch 
der  Heere  LudwigtiXlV.  bis  in  dtxs  Herz  des  Landes,  der  un- 
erwartete Verlust  dreier  Provinzen.  Ein  panischer  Schrecken 
eHafste  die  Btliger.  „Jeder  liefs  seinen  köpf  hängen/  sagt 
VaUcenier.   „Die  Geschäfte  standen  still ,  die  Gerichte  waren 


>  „The  outgomg  fleet  for  the  Balde  has  been  prevented  for  getüng 

out  for  six  weeks  and  more  and  all  other  shipe  also  c-ontinue  lying 
within  our  ports.  From  abroad  we  expect  the  costlv  home  coming  sntps 
of  the  East  India  Company.  Six  of  the  lialtic  truilers  have  fallen  iüto 
the  handa  of  the  English.  We  are  also  expecting  a  namber  of  Medi- 
terranean  traders  nnfl  the  silver  freiffhted  ships  and  ships  enpagcd  in  the 
French  aod  Spanish  trade  ....  Nobody  is  loading  ehips  to  go  out; 
fhe  herring  fisnery  ■tandt  still;  rve  and  grain  ffenerally  be^n  rapid! j 
to  rise  in  price  from  all  which  it  tollows,  that  tnousan  b  rf  mf  n  have 
neither  work  nor  food.''  Brief  de  Witts  an  Beverningk  \hA 
J.  Oed  des:  Administration  of  J.  de  Witt,  1879,  p.  328. 

*  Über  den  Änfstand  in  Enkhuysen  vgl.  KesoL  Staaten  Holland 
4.  Sept.  IT)":^  und  Het  ontroerd  Holland  p.  53  f.  Wagen  aar  schiebt 
die  Schuld  an  diesen  Aufständen  dem  Pöbel  zu.  Erinnert  man  sich  an 
den  Ausruf  des  holländischen  Mercurius  (16ad  p.  66),  dafs  sich  überall 
(lin  (^;nmi!!e  erhebe,  so  liegt  der  Schlufs  nahe,  dafs  weniger  politische 
als  sociale  Ursachen  das  treibende  Motiv  zu  diesen  Unruhen  waren.  Vgl. 
Klait,  HoUandtehe  Sttatsregierung  KI,  267. 

'  Wagenaar:  Amsterdam  II,  18  p.  607. 

*  Z,  B.  Cornelinß  Aersseii  vnn  Sommelsdyk. 

*  Der  Urheber  des  ewigen  ikilkt*  war  nicht  de  Witt,  sondern 
Gaspar  Fagel,  Pensionär  von  Haarleni  oad  GilUs  Valckflnier.  Kreon: 
Jan  de  Witt  contra  Oiaaja  1888,  p.  180. 


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X  8.  6S 

beschlossen,  die  Schulen  m;^rliten  Ferien   Viele  vergrut 

Ben  ihre  Kos tbark eilen  in  Kellern,  Brunnen  und  Höfen.  .  .  . 
Die  Landesobli^ationen  Helen  auf  30  "/o,  die  ostindischen 
Aktien  banken  von  572  auf  250  Gulden." 

Die  oraiuBcfae  Partei  erhob  wieder  ihr  Haupt;  im  Ifai 
1672  kam  es  sur  Empörung  in  Dordrecht;  das  Bild  Ton  Oomelis 
de  Witt  wurde  vom  Stadthaus  geholt  und  sein  Kopf  heraus- 
geschnitten ^  Rotterdam,  Leyden,  Haarlem  und  anoere  Städte 
schlössen  sicli  der  Bewegung  an.  Der  Pnnz  von  Oranieu 
wurde  ziun  Statthalter  von  Seeland  gemacht,  das  ewige  Edikt 
zurückgenommen.  Ks  folgte  die  Ernennung  Wilhelms  III.  zum 
Statthalter,  Generalkapitiin  und  Adniiral  von  Holland,  der 
Prozefö  gegen  Comelis  und  Jan  de  Witt  und  das  bekannte 
tragische  Ende  der  beiden  Brüder. 

Die  Umwälzung  von  1672  ist  vorbildlich  für  alle  Revo- 
lutionen, die  die  Republik  erschütterten.  Was  damals  sich 
begab,  fremde  Invasion,  Starz  der  Loevesteinschen  Fraktion, 
Restauration  der  Oranier,  geschah  in  ähnlicher  Weise  1747 
und  1787.  Eiijentiimlieh  aber  ist  ilem  17.  Jahrhundert  eine 
sociale  Bewegung,  die  dem  politisclien  Konflikt  parallel  geht. 

Denn  wiilirend  der  Kampf  zwi.selien  de  Witt  und  seinru 
G^neru  tobte,  machte  noch  eine  dritte  Richtung  ihren  Ein- 
flufs  auf  das  (Jffentliehe  Leben  geltend. 

Es  handelt  sich  hier  um  eine  Reihe  von  Erscheinungen 
auf  religiösem,  politischem  und  socialem  Gebiet,  zwischen  dtmen 
ein  innerer  Zusammenhang  sich  nicht  leugnen  läfst.  Folgende 
Tliatsaclien  kommen  in  Betracht.  —  1657  verursachten  Quäker 
in  Seeland  und  Rotterdam  grofsc  Aufregung  durch  ihre  Pre- 
digten, dals  alle  Güter  gemeinsam  sein  müTsten^, 
Da  die  <j|uaker,  liest  man  im  holländischen  Merkurius,  mei- 
stens Faulenzer  und  arm  waren,  suchten  sie  den  Reichen  weis 
zu  machen,  dafs  sie  die  Welt  veriassen  und  all  ihr  Hab 
und  Gut  aen  Nichtbesitzenden  mitteilen  müTsten.  —  Das 
Quäkertum,  das  später  einen  so  friedlichen  Charakter  annahm, 
war  in  seinen  AnfUngen  eine  durchaus  revolutionäre  Richtimg*. 
Die  Quäker  standen  ursprünglich,  wie  Weingarten  naelige- 
wiescn ,  mit  den  Levellern,  der  extremsten  Fraktion,  die  in 
der  englischen  Revolution  auftrat,  in  engem  Zusammenhange^* 


>  Emanuel  van  der  Hoeven:  LeTCD  en  dood  van  OoneUs 

m  Joban  (Je  Witt,  ITrw.  ]],  p.  297. 

'  de  Bosch  Kemper:  Armoede  p.  97.  Hollantse  Mercttrimk 
1657,   p.  6. 

'  Vgl  Weingarten:  Die  Revolutionskirchen  Englands.  Leipzig, 
186**.  p.  241  f.  Verscliiedene  Schriften  holländischer  QuaKcr  findet  man 
angefunrt  bei  Josel  Smith-.  A  descriptive  catalogue  of  tbe  bookä  of 
the  £riend8,  II  ToL  Lond.  1867,  und  Kogge:  Geieluifleii  betreÜBnde  da 
aederlandschc  hervonride  kerk.  Amsterdam  l?r)4. 

*  Weingarten  p.  248.   Es  sei  in  diesem  Zusaiumcubange  auch 

Fum-haog«n  i^44)  X  3.  —  Pmgsbeim.  5 


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66 


X  3. 


Dieoo.  Quäker  veranlalston  nun  einen  ihrer  Apostel,  William 
Caton  (geb.  1036,  f  16ü5)  zu  einer  Agitationsreiäe  nacli  Ilol- 
land^  Derselbe  kam  1655  nach  Middelburg  und  Rotterdam, 
ohne  jedoch  grofse  Erfolge  zu  erzielen.  Im  folgenden  Jahre 
setzte  er  seine  Agitationen  fort;  dieselben  erschienen  der  Re- 
gierung jetzt  so  gefährlich,  dalk  er  zu  Middelburg  verhaftet* 
und  an  Bord  eines  Kriegsschiffen  nach  England  geschafft 
wurde.  Interessant  ist  es,  bei  dieser  Gelegenheit  zu  hören, 
dafs  Caton  Leute  antraf,  die  «ich  den  Quttkern  angeschlossen, 
ixYx'v  nocli  viel  radikaler  aU  liiere  zu  sein  schienen.  Sewel, 
in  seiner  Quäker^cschichtc,  erzählt  von  C^uUkern,  die  BUcher 
veröffentlichten,  m  denen  nicht  einmal  die  Eigennamen  grofa 
gedruckt  wurden*.  Rädelsführer  derselben  war  Isaak  Furnier, 
nach  Sewel  ein  hitziger  und  unruhiger  Schwindelkopf.  Er  lebte 
wie  Diogenes  und  bediente  sich  bei  dem  Feuer  statt  einer 
Zange  eines  gesnaltenen  Stockens.  Welche  Gefahr  die  Obrig- 
keit in  den  Quäkern  erblickte,  sioht  man  aus  dem  T'mstando, 
dafs  sie  in  der  Provinz  Frirsland  mit  Zuchthaus  l)ostratt  wur- 
den. In  Amstcnlam,  wohin  auch  Caton  sich  begab,  durften  sie 
bis  1675  nur  heimlich  zusammenkommen*. 

Das  Quäkertum  war  nicht  die  einzige  reli^öse  Richtung, 
die,  vom  kirchlichen  Boden  ausgehend,  auch  die  socialen  In- 
stitutionen jener  Zeit  zu  erschüttern  drohte.  Wie  tief  ähnliche 
Ideenrichtungen  bereits  in  den  Gemütern  Wurzel  ^'^cschlagen 
hatten,  zeigt  die  Geschichte  des  Jean  de  Labadie  (1610 — 1674). 
Ursprf'inglich  Katliolik,  war  er  s]>;ttor  zur  reformierten  Kirche 
übergetreten  und  hatte  als  Prediger  der  Gemeinde  Middeibui^ 

dann  eniinc.t,  da&  der  erste  Theoretiker  des  Socialismos  in  England, 
John  Bellers,  ein  Quäker  war. 

'  William  Sewel:  Die  Geschichte  von  dem  Ursprung  etc.  des 
Christi.  Volkes,  so  «Quäker  geuannt  werden,    foi.  1742.  III.  Buch  p.  98. 

«Sewel  IV.  p.  126  f.  Vgl.  Oatens  Biogtaplue:  Dictfonaiy  of  national 
biography,  Bd.  IX,  321  f. 

'  Sewel  1.  c:  Zur  Charakteristik  der  A^itationsweise  des  Qidker- 
tamt  noch  folgendes.  Der  erwähnte  Cston  in  einer  Hcbrift;  «Allaim 
^blasen  allen  Nationen'*  (1657)  weissagt  von  einer  sclii  t «  klii  lien  Schlacht» 
in  der  die  gottlose  Oberlieit  niedorjijf'hauen  werden  soll  durch  das  Schwert 
des  Allmächtigen.  Kiu  anderer  .^^ektierer  der  damaligeu  Zeit,  Prae- 
torius,  schneb.  dafs  alle  Königreiche  sollten  zermalmt  werden. 
Qnäker-(irewcl,  das  ist  abscheuliche  aufrührerische  v<  rdaininliclie  Irr- 
tamh  der  neuen  Schwermeri  welche  genenuet  werden  Quüker.  Hamburg 
1661,   D.  2a5  and  298. 

^Alensinga  in  Bijdragen  voor  vadcrlandbche  geschiedenis  door 
K.  Frniu  p.  li:^     h>  Dan^ig  lautete  die  Forderung  der  Gewerke 

an  den  iiiit  1677:  Kutleruuug  der  verdammten  Sekte  der  (^u^^c*" 
der  Stadt  1678  erfolgte  der  Befehl,  jedm  QidUc«r  dareh  den  Henkers- 
knecht aus  der  Stadt  zu  entfernen.  168ö  wurde  verboten,  quäkerische 
Schrien  zu  drucken.  Löse  hin,  üeach.  DanzigB  1822,  II  p.  68.  Dafs 
Quäker  damals  prleiebhedeutend  mit  RevolotionSr  war,  ersielit  man  n.  a. 
aus  dem  Titel  einer  Schrift,  in  der  la  Coart  alp  Quäker  bezeichnet 
wird:  De  ganschc  distructie  van  den  nieuw  uitgeyondeu  CromweU,  alias 
Leitschen  Kwaker  etc.   Schiedam,  Sandes. 


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X  3.  67 

tine  groilse  Wirksamkeit  entfaltet.  Solange  er  nur  das  religiöse 
Leben  in  (L  r  l»'tzteren  zu  vertiefen  und  zu  veredeln  gesurlit, 
hatte  er  allseitige  Anerkennung  gefunden.  Auch  nachdem  or 
«ich  in  Middelburg  gegen  das  bestehende  Kirclienregiment 
widersetzt,  ihn  Amtsentsetzung  und  Ausweisung  getrolfcu, 
liAtte  er  nur  neue  Triumnhe  gefeiert.  Den  Gemeinden,  die  er 
in  Amsterdam,  in  Herford  in  West&len  und  Altona  ins  Leben 
rief,  waren  zahlreiehe  romebme  und  etnflufsreiche  Männer 
beigetreten.  Obwohl  Labadies  Tendenzen  im  schrofisten 
Gegensatz  zur  bestehenden  Kirehe  standen,  war  der  revolutio- 
näre Charakter  der  von  ihm  geleiteten  Bewegung  nicht  sofort 
erkannt  wtu*den.  Für  denselben  legen  nljer  die  dogniatisehen 
Lehren  der  Labadisten  und  noch  mein-  die  eigentiiinlichen 
socialen  Einrichtungen,  die  ihre  Gemeinden  besalücn,  Zeugnis 
ab*.    So  wurde  die  Gütergemeinschaft  in  der  Gemeinde  ein- 

S »führt,  die  Eheschliefenngen  ganz  von  dem  Ermessen  der 
beren  abhängig  gemacht  und  die  Kinder  nicht  als  Eigentum 
der  Eltern,  sondern  als  ausschliefslich  Angehdrige  Gottes  und 
des  Reiches  Gottes,  d.  h,  der  Gemeinde,  erzogen.  Nach  dem 
Tode  Labadies  siedelte  seine  Oenieindc  nach  dem  Schlosse 
Wahha  Itei  Wieuwerd  (Provinz  Frienland)  (ibcr,  wo  sie  in 
völlig  komnumistisehcr  Weise  lebte.  Die  Gcnieiiideniiti;lieder, 
Deutsche,  Franzufieii,  Holländer,  deren  Zahl  binnen  kurzem 
auf  300  stieg,  nannten  sich  Brüder  und  Schwestern  und 
nahmen  die  ICahlzeiten  gemeinsam  ein.  Neueintretende  (Ge- 
nossen mufsten  ihren  Besitz  der  Gemeinde  überweisen.  Zum 
Zeichen  des  gemeinschaftlichen  Eigentums  blieben  die  Thttren 
der  Wohnungen  offen.  Allgemeine  Arbeitspflicht  war  geboten, 
jedocli  wurden  die  Arl)ftiten  derart  verteilt,  dafs  die  zuletzt 
Aulgeuoniineueu  die  schwersten  und  niedrigsten  Verrielitunicf'ii 
voraunehnien  hatten.  —  Die  Produktion  auf'  geincin^ichaftlieli(; 
Rechnung  verschaffte  den  welt^ibgeschiedcnen  Bekenncrn  der 
neuen  Lehre  jenen  bescheidenen  Wohlstand,  den  wir  noch  heute 
bei  den  kommunistischen  Qesellschaften  der  Vereinigten  Staaten 
beobachten.  —  Die  Stififcung  ähnlicher  Kolonieen  in  Surinam' 
und  Nordamerika*,  die  von  den  Labadisten  versucht  wurde, 


t  Heinrieh  Heppe:  Gesehiehte  des  Pietismus  und  der  Mystik  in 
der  reformiert on  Kirch«^,  narnrntlich  »Ipr  Niederlande,  Li\v<1eti  1-^70,  p. 
241  —  374.  Die  Protokolle  des  Kircbenrats  der  reform,  tienieinde  in 
AmBterdam  betr.    Labadie  bei  Schcltema:  Aemstels  Oudheid  VI, 

f».  155  f.  Über  Libadies  Thatigkcit  in  Middelburg  vergl.  Bulletin  de 
a  commiR^ion  pour  Flihtoiro  dos  %lise8  wallonus  {"^^9,  I.  Vfil.  auch  Dr. 
J.  Keitsma:  Johannes  ideseuer  eu  Balthasar  Cohlerns,  eene 
eruode  alt  den  tijd  d«r  Labadisten  in  i*Vie8laDd,  lii75,  und  Alb  recht 
Kit-(1;1:  rifschichte  d«'?  Pictistnns,  Bd.  1.  Geschichte  des  IHetisiiiils  In 
der  retormierien  Kirche.    Bonn  p.  194  -246. 

•  Vgl.  auch  Luzac.  Hollands  Rijkdom  II,  lfi7. 
Laspeyres  bespricht  p.  \0S  f.  das  Pamphlet  eines  gewissen 
Picier  PlockW  ans  Zienkzee,  der  schon  1662  das  Projekt  einer  in  mancher 

5* 


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68 


hatte  nicht  den  gleichen  Erfolg  wie  die  friesische  Gremeinde. 
Die  letztere,  durch  das  Fehlselilagen  dic^ser  Onlndungen  in 
Mitleidenschaft  gezogen,  gah  1688  die  Glitergemeinschaft  auf. 
Wie  sehr  der  Kommunismus  das  Lebensprincip  der  labadistischen 
Bewegung  ausmachte,  zeigte  sich  damals.  Nachdem  die  wirt- 
schaftliche Gemeinschaft  zerrisben,  lockerten  sich  auch  die 
religiösen  Bande.  Die  meisten  Anhänger  Labadies  kehrten 
in  den  Schofs  der  reformierten  Kirche  zurOck,  und  Anfang 
des  18.  Jahrhuiuhnis  verlor  sich  auch  die  letzte  Spur  dieser 
merkwürdigen  Bewegttng. 

Der  Labadismns  war  nur  ein  Symptom  einer  allgemeinen 
fioeinlen  G;1niii;^.  ])iesel})e  fjah  sich  nuch  noch  in  vielen 
aii<leren  Aufserungen  kund.  Aub  Mnn^'el  an  näheren  Nach- 
ricliten  lilfst  sich  nicht  Ix  iu  t«  ilen,  welche  Bedeutung  dit»  Agi- 
tationen eines  Londoner  Anabapti:»ten,  Etienne  Corsol,  hatten, 
der  1672  in  Haarlem  auftrat  Die  Vermutung  liegt  jedoch 
nahe,  dafs  dieselben  revolutionärer  Natur  waren,  da  gleich- 
.zeitig  das  Konsistorium  der  wallonischen  Kirche  in  Haarlem 
den  Armen,  die  die  Häuser  der  Reichen  plündern  würden, 
die  Unterstützung  zu  entziehen  drohte  ^  —  Dafs  die  Be- 
fürchtung eines  revolutionären  Ausbruches  damals  allgemein 
war,  zeigen  folgende  \^'Mrte  von  Arend  Tollenaer:  ^Es  ist 
wahr,  wir  werden  jetzt  von  2  so  ansehnlichen  und  machtigen 
Königen  von  aufsen  wohl  sehr  stark  und  schwer  angefochten 
und  bestritten,  aber  es  li^  auf  der  Hand,  dab  diese  Republik 
im  Winter  sehr  stark  durch  ihr  eigenes  Volk  wird  „ex  necesai- 
tiite"  und  die  hart  und  schwer  eindrMngende  Not  von  Leibes- 
bedürfnissen (die  ohne  Ansehen  oder  eine  Ausnahme  alle 
Gesetze  bricht)  wird  angefochten  und  bestritten  »werden^." 
1696  brach  in  Amsterdam  eine  Revolte  aus,  die  eine  gewisse 
s(u  inlistische  Färbung  trug.  Veranlassung  war  eine  neue 
\  t  itTilnung,  die  der  Magistrat  für  die  Leiehentrager  und 
Leiclienbitter  eilasseu  iiaUe.  Das  Volk  murrte,  dafs  nur  die 
Reichen  für  ihr  Qte\d  ehrlich  begraben,  während  die  Armen 
wie  Bettler  behandelt  werden  sollten'.  Nach  dreitligigem 
Strafsenkampf  wurde  die  Erneute  niedergeworfen,  eine  Anzahl 
Rädelsführer  gehängt  und  viele  Beteiligte  mit  Zuchthaus  be- 
straft. In  diesem  Aufstand  spielten  die  Weber  eine  Hauptrolle*. 

Welche  Volkskreise  aber  am  meisten  von  den  kommu- 

Hiosicht  älmücheu  Kolonie  in  Amerika  entwarf.  Vielleicht  ist  der  Ver- 
fasser identiscli  mit  dem  bei  Eden:  State  of  the  poorlll,  870  erwfihnten 
Peter  CornellisBOD  von  Zurikzee. 

*  Bulletin  de  ia  commisaioii  pour  rhistoire  des  ^liaes  wallones, 
1887,  II,  p.  335. 

3  Arend  Tollenaer:  Remonstrantie  ofte  Tertoogb,  1672. 

^  Historie  van  d"n  orronr  fr»  Amsterdam  voorii^rrnllen  door  der 
Stadfi  Groot  Achtbare  Overlieid  en  trouwe  burger  geetild  sedert  81.  Jan. 
1696^  Amsterdam.  Willem  Lamsreld  1702. 

*  Het  ontroeid  Holland  p.  166. 


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X  3.  69 

nistischcn  Idoon  ei-'i-rififen  wurden,  zeigt  deutliclier  als  alles 
andere  eine  Beiin  rkung  deö  Pieter  de  la  Court  in  einer 
1659  verfafsten  Schritt  ^  „Die  Hand werksleute,"  sagt  er  dort, 
^die  in  ungünstigen  Zeiten  keine  Arbeit  bekommen  können, 
.beschuldigen,  wenn  sie  in  Aimut  geraten  sind,  nicht  ihre 
eigene  Ausschweifung,  Q«ldverschleuderung  und  Liedwlichkeit 
sondern,  obgleich  sie  ihren  Unterhalt  von  den  Reichen  und 
Tuchmachermeistem  besiehen,  so  sclielten  sie  doch  ivosaer 
voll  Undank  ihre  eigenen  Wohlthftt  r  Blutsauger  und  sind 
geneigt,  die  Gutergenieinsciiaft  einzuführen  und  sich  ebenso 
reich,  aiü  die  reichste ii  ihrer  Meister  zu  machen." 

La  Court  pricht  hier  von  den  Arbeitern  der  Tueliindustrie. 
DaTs  gerade  diese  Arbeiter  ähnlichen  Ideen  zugänglich  waren, 
kajin  nicht  ttberraschen,  da  sie  auch  sonst  als  sehr  uomfaige 
Elemente  geschildert  werden.  Schon  die  Qeschichte  des 
Jfittelalters  ist  voll  von  den  Aufständen  der  Weber  und 
Walker.  Das  17.  Jahrhundert  bringt  die  Fortsetzung  der 
Kämpfe  dieser  streitlustigen  Arbeiter.  Schon  1618  wurden 
die  Aufseher  der  „Lakennering"  in  Amsterdam  angewiesen, 
über  die  Excesse  und  Un Willigkeiten  der  Tuchbereiter  zu 
wachen.  Eine  Verordnung  vom  G.  Januar  1(338  spricht  von 
<leu  täglich  stattfindenden  Versammlungen  der  Tuchscherer 
behufs  Ersielang  besserer  Arbeitsbedingungen  und  yerlangt, 
daüs  jeder  arbeitsuchende  Knecht  beim  €Kldeknecht  sich  ein- 
zeichnen  lassen  solle.  Im  selben  Jahre  erliefsen  die  Staaten 
Ton  Holland  ein  Verbot,  fremde  Tuchmachergesellen  anau- 
nehmen,  ohne  Vorzeigung  eines  mit  dem  Stadtwappen  aus- 
gestatteten Bilicts  zum  Beweise,  dai's  der  betreffcTKle  Geselle 
von  seinem  früheren  Meister  in  Güte  geschieden^.  Eine 
Verordnung  vom  17.  Juli  1638  bestimmte,  dafs  bei  Unruhen 
der  Tuchmacher  in  einer  Stadt  die  Vorsteher  der  Gilden  aus 
den  Übrigen  Stitdten  zu  erschauen  hätten,  bis  die  Ruhe 
wiederhergestellt  sei*.  In  der  That  erschienen  schon  im 
Juli  1643  Dekane  und  Vorsteher  der  Tuchmachergilden  aus 
8  holländischen  Städten  in  Leyden,  um  dort  ausgebrochene 
Unruhen  der  Tuehniaeher  zu  schlichten.  Nicht  zufrieden  mit 
den  Mafsnalimen  der  Gesetzgebung?,  suchten  flie  Meister  in  einer 
strafferen  Organisation  ihre  Hilfe  gegenüber  der  drohenden 
Haltung  der  Arbeiter.    Seit  1646  fiinden  abwechselnd  in 

>  La  Court:  Wdvaren  ed.  Wttewaal,  Kap. 52,  p.73.  Diese  Stdle, 

die  interessanteste  der  ganzen  Schrift  wird  von  Laspcyres  nicht  erwälmt. 
Um  dieselbe  Zeit  schreurt  Weimaun  an  den  Grofsen  Kurfürsten  über  die 
VolkflBtifnmQng  in  HoHand.  „Zu  gesehwdgen  dsGi  du  Yolk  (ere  ad 

seditionem  uBque  an  den  fumemsten  Orten  murret  und  wütet,  auch  die 
meisten  Reg^entcn  ungeduldig,  schvrierig  und  desperat  sind.**  Akten  und 
Urkunden  zur  Gesch.  d.  Kurf.  Friedrich  WUnelin  von  Brandeabuxg 
Bd.  VII,  p.  242. 

«  Groot  Plakaatboek  I,  1177. 

*  Groot  Plakaatboek  1.  1176. 


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70  X  3» 

eiiKMii  der  Hauptsitze  der  Tuelit'abrikatioii  Kongresse  der 
Meister  aus  allen  holländischen  Weberstädten  statt«  zu  deren 
BeratungsgegeoBtftnden  in  erster  Reibe  das  Vernalten  der 
Arbeiter  gehdrte^.  Die  letzteren  scbeinen  hierdurch  wenig 
eingescbilditert  worden  sein.  Bereits  1661  wurden  geheime 
Versammlungen  der  Tuchscherer  in  Amsterdam  verboten*. 
Wie  gTofs  die  Besorgnis  vor  dieser  Arbeiterbewegung  gewesen 
sein  miifs,  zeigen  die  grausamen  »Strafen,  die  die  Verordnung 
des  Magistrats  von  Amsterdam  vom  7.  Juli  16H2  androht". 
Zuchthaus  oder  GeiTselung  triüt  den  Tuchsciierur,  der  bich 
an  geheimen  Versammlungen  beteiligt.  Im  Jahre  1692  wurde 
sogar  die  Todesstrafe  auf  das  gleiche  Veigehen  gesetzt  \ 
Gharaktcristischerweise  zeigt  sich  das  feindfiche  Verhältnis 
swisohen  Meistern  und  Arbeitern  in  einem  Gewerbe,  in  dem 
zu  dieser  Zeit  die  Beschäftigung  ungelernter  Arbeiter  um  sich 
zu  greifen  begann*.  Auch  im  18.  JaliiliimdiTt  scheinen  die 
Arbeiter  der  Tuchindustrie  die  glciclic  trotzige  Haltung  be- 
walnt  zu  haben.  Im  Jahre  1718  winl  von  einem  grofsen 
Aufstand  der  Weber  in  Leyden  berichtet  und  noch  1765  hielt 
es  der  Magistrat  von  Amsterdam  für  nötig,  eine  Verordnung 

Sgen  die  Tuchscherer  wegen  einer  tkber  die  Meister  ver- 
ngten  Sperre  zu  erlassen*. 

Trägt  die  Arbeiterbewegung  in  der  Tuchindustrie  einen 
besonders  ernsten  Charakter,  so  fehlte  sie  doch  keineswegs  in 
anderen  Gewerben.  Schon  1021  mufsten  die  Kürschnermeister 
von  Amsterdam  die  Arbeitsbedingungen  zur  Kenntnis  der 
Vorsteher  der  Gilde  bringen,  weil  „hauhg,  ja  täglich,  grol'se 
Mifshelligkeit  und  Zwist  zwischen  Meistern  und  KnMibten 
entsteht^/  —  Gegen  die  Hutmachergesellen  ging  de/  Magistrat 

*  DoTv  p.  84,  vgl.  Bleiswijck:  Beschryvinge  der  stad  Delft 
1667,  Ii,  p.'oül.  Wagenaar  IV.  1,  440.  Dozy  sagt,  Uber  diese  Ver- 
sammlungen ist  nichts  Niheres  bekannt  Protokolle  dieser  Zusammen- 
künfte aus  den  Jahren  1667,  1677,  1685,  1686,  1687  und  aus  dem  1^  Jahr- 
hundert befinden  si^jedoch  auf  dem  ArcÜv  zu  Uaarlem.  Vgl.  £n8c  h  edö^ 
lüTentaris  IL  Kob  SM  und  Boomkanip:  Alknssr,  p.  18i. 

-  HaotvsstSB  p.  521. 

»  Hantvesten  Nat-htrag  1671—8.3,  IV,  3,  113^. 

*  E  Van  Zurck:  Codex  Batavus.  p.  <U8  Die  Ciefahr  dimr  Arbeiter- 
bewegung wird  aueh  Toa  La  Court  8(>hr  lebhaft  hervorgehoben:  ,,Ja 
ohne  allen  Grund  hat  n^an  in  sehr  bhihenden  Zeiten  wiederholt  gesehen, 
dafs  ein  Haufe  von  neu  eingewanderten,  fremden  Arbeitern,  wie  Tuch- 
webern, Appretnrarbeitem  ete.  sieb  beben  venammehi  dfimii,  von  sich 
gegen  die  Hegiening  zu  widersetzen,  sodafs,  falls  hier  nur  ein  einziger 
verzweifelter,  angesehener  und  ehrgeiziger  Bürger  sich  zum  Führer  der 
Truppe  hätte  gebrauchen  lassen,  diese  Onrahen  nur  mit  grolHem  Unheil 
hätten  gestillt  werden  können."  La  Court  (Handschrift  Z.  19-{,  kgL 
Bibliothek.  Haapi.  Kap.  76,  p.  S55  56.  In  Utrecht  verbot  eine  Verordnung 
vom  6.  Januar  1690  den  Tuchscherem  bei  btrafe  von  öO  ü.,  ihre  Meister 
zu  schelten  und  die  Wericstltten  in  Verraf  m  erfclüren.  Or.  Ufr.  PlAcaet> 
boek  III.  13  p.  767. 

»  Vgl.  Hantvesten  Amsterdam  p.  1123. 

*  WageBenT  IV.  1,  440. 

^  HantvcBteo  III,  4,  563. 


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X  3. 


71 


von  Amsterdam  in  ganz  ähnlicher  Weise  vor,  wie  gegen  die 
Tuchscherer.  Die  geheimen  Versammlungen  der  Hutmacher 
wurden  verboten  und  die  Arbeiter  zur  Unterzeichnung  der  be- 
treffenden Verordnung  bei  Strafe  der  Entlassung  gezwungen  ^  — 
Die  Schiffszimmerer  von  Amsterdam  wufsten  1736,  als  ihne  i 
eine  Lohnherabsetzung  drohte,  diese  in  sehr  energischer  Weist? 
abzuwehren.  2000  ]\Iann  stark,  zogen  sie  vor  das  Stadthaus, 
um  von  den  Bürgenueistern  Beibehaltung  des  alten  Lohnes 
zu  fordern.  Sie  erkliirten,  lieber  zu  sterben,  als  von  ihrem 
Lohn  etwas  abzugeben.  Der  Magistrat  sah  sieh  durch  die  Haltung 
der  Arbeiter  veranlafst,  ihren   Wünschen  nachzukommen 

So  trümmerhaft  auch  die  Überlieferung  der  geschilderten 
socialen  Kämpfe  ist,  ein  Faktum  tritt  mit  grofser  Deutlichkeit 
hervor.  Schon  im  Holland  des  17.  Jahrhunderts  elektrisierten 
kommunistische  Ideen  die  Massen,  und  in  erster  Reihe  waren 
es  die  Arbeiter,  die  von  diesen  Gedanken  ergriffen  wurden. 
Der  letztere  Umstand  mufs  deshalb  betont  werden,  weil  bisher 
stets  behauptet  worden,  dafs  vor  der  französischen  Revolution 
die  Arbeiterbewegung  keinem  principiellen  Gegensatz  ent- 
sprungen sei^. 

Freilich  handelt  es  sich  nur  um  ein  vereinzeltes  Wetter- 
leuchten. Die  sociale  Bewegung  des  17.  Jahrhunderts  ist 
schnell  im  Sande  verlaufen.  Selbst  diis  socialistisch  gef^irbte 
religiöse  Sektierertum  verlor  bald  seinen  akuten  Charakter  und 
damit  seine  Bedeutung"*. 

Im  18.  Jahrhundert  leben  die  Kämpfe  zwischen  der 
Statthalterpartei  und  der  Staatspartei  wieder  auf.  Aber  es 
giebt  daneuen,  abgesehen  v^on  Lohnkämpfen,  keine  selbstän- 
dige, sociale  Bewe,gung.  In  religiöser  Form  war  sie  abgestorben, 
in  politischer  Form  konnte  sie  noch  nicht  erwachen.  Die 
Arbeiter  traten,  soweit  sie  überhaupt  politisch  thätig,  ftlr  die 
Oranier  ein,  z.  B.  die  Amsterdamer  Schiffszimmerleute  bei 
dem  Doeli8tenaufstand<'  1748*. 

'  «Es  ist  den  Herrn  vom  Gericht  bekannt  gewonlen,  dafs  die  Hut- 
machergesellen  jeden  Sonntag  ihre  Versammlungen  und  Komplotteryen 
halten  zum  Si'haden  der  Meister.  .So  wird  bestimmt,  dafs  kein  Meister 
einen  Knecht  beschäftigen  soll,  der  sich  (nach  vorausgegangener  Ver- 
waniung)  an  derartigen  Versammlungen  beteiligt,  bei  Strafe  von  0  fl ,  im 
Wiederholun^fall  12  fl.  Hantvesten  III.  4,  5G9  (18.  Mai  1657, 
erneuert  7.  November  1603).  Über  Unruhen  der  Töpferfzesellen  in  Gouda  : 
Nederlandsche  Jaarboeken  1748,  p.  .'{06. 

*  Het  ontroerd  Holland,    p.  249. 

*  „Aufetäode  der  Arbeiter  linden  sich  nur  infolge  von  Vcrletzun- 
von  Zunftbestimmungen."    Brentano:  Arbeitergilden,  I,  85.  Die 

eilen  „standen  zu  den  zünftigen  Meistern  im  schroti'sten  (iegensatx, 
verlanfl^ten  aber  nichts  weiter,  als  selbst  Meister  werden  zu  können.** 
Karl  Kautakv:  Die  Klassengegensätze  von  1789,  p.  48,  49. 

*  Die  Zahl  der  Quäker  war  1719  in  Amsterdam  auf  HO  zusammeu- 
geachmolzen.  De  tegenwoordipe  i»taat  der  vereenigde  .Nederlunden.  1721.  1. 

*  Bno  Anzahl  Schirtszimmerer  gehörte  zu  den  Mitgliedern  der 
oranischen  Klubs  in  Amsterdam.    Vgl.  Wagen  aar  III,  31,  424. 


4 

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Zur  Statistik  der  Leydener  Industrie. 

I. 

TuchprodoktioQ  in  Leyden, 


I. 


Zar  LakenbaUe  wurden  gebracht: 


Jahr 

%J  CS  I  u 

Stück 

1 

Jfthr 

Rtück 

tTfthr 

Stück 

Stück 

1640 

10  805 

1668 

20  918 

1696 

25  511 

1724 

17  223 

1641 

12  673 

1669 

17  890 

1697 

24  562 

1725 

16152 

1642 

13  226 

1670 

16471 

1698 

28  106 

1726 

14  171 

1643 

15  801 

1671 

22740 

1699 

23  187 

1727 

17  466 

1Ö44 

19  354 

1672 

15  122 

17ÜÜ 

24  782 

1728 

12  479 

1645 

20  409 

1673 

9  997 

1701 

26890 

1729 

11879 

1646 

19  092 

1674 

14680 

1702 

23044 

1730 

11552 

1647 

16  965 

1675 

19906 

1703 

19  976 

1731 

11787 

1648 

15872 

1676 

17270 

1704 

18901 

1782 

12  715 

1649 

16  415 

1677 

17  894 

17a5 

20730 

1783 

12  250 

1650 

21 139 

1678 

15.5ÄO 

1706 

24178 

1734 

11417 

1661 

22  069 

1679 

16857 

1707 

25  161 

1735 

18  847 

1652 

17  304 

1680 

21  275 

17(ts 

24  044 

1736 

9390 

1658 

17  614 

1681 

19  OO'* 

1709 

22  270 

1737 

8  826 

1664 

21647 

1682 

22752 

1710 

,    23  646 

1738 

8206 

1655 

18565 

1683 

24001 

1711 

20744 

178» 

8101 

1656 

14  844 

1684 

18  952 

1712 

19  824 

1740 

7  391 

1657 

17  528 

1685 

17  794 

1713 

18  999 

1741 

7409 

1668 

19  341 

1686 

17  701 

1714 

22218 

1742 

6  798 

1659 

20  361 

1687 

22  355 

1715 

22  264 

1743 

6963 

1660 

20  041 

1688 

22  223 

1716 

19150 

1744 

7  138 

1661 

16  901 

1689 

22  226 

1717 

22298 

1745 

6  627 

1662 

18  832 

1690 

16  831 

1718 

22104 

1746 

6  774 

1663 

21  485 

1691 

28  716 

1719 

18157 

1747 

6  436 

1664 

21 149 

1692 

24805 

1720 

:  17022 

1748 

6943 

1665 

18849 

1698 

26261 

1721 

1  16576 

1749 

6419 

1666 

18  977 

1694 

25016 

1722 

18  tor, 

17.50 

6  708 

1667 

16849 

1696 

24086 

1723 

18527 

1761 

5636 

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73 


Inhr 

«IttlU 

«lauT 

1752 

5450 

1765 

4308 

1777 

368.5 

1789 

2772 

1753 

4983 

1766 

442o 

1778 

3930 

1790 

3029 

1754 

4605 

1767 

4191 

1779 

3781 

1791 

3028 

1755 

3825 

1768 

4602 

1780 

3722 

1792 

2813 

1756 

3808 

1769 

3346 

1781 

3418 

1793 

2666 

1757 

3966 

1770 

3021 

1782 

3185 

1794 

2857 

1758 

3883 

1771 

3256 

1783 

8324 

1795 

3187 

1759 

3901 

1772 

8504 

1784 

3357 

1796 

3759 

1760 

3822 

1773 

3389 

1785 

3316 

1797 

3870 

1761 

4359 

1774 

3580 

1786 

3393 

1798 

3721 

1 1  o« 

4251 

1775 

3494 

1787 

3933 

17QQ 

1763 

4001 

1776 

3323 

1788 

2940 

1800 

3329 

1764 

4352 

II. 

Zur  Baaihallc  w 

urden  gebracht: 

Jahr 

Stück 

Jahr 

Stück 

Jakr 

StUck 

Jahr 

Stück 

1 
1 

JluUO 

12  735 

1677 

7649 

1747 

8853 

•  1 7äA 
1  lOU 

V  vFOv 

luls 

9878 

1693 

7  371 

1748 

10443 

Q  Q79 

1621 

17  720 

M700 

6  059 

*1750 

8110 

1786 

11606 

1633 

27  359 

1704 

10  844 

•1760 

8  549 

*1790 

7962 

1640 

18  971 

1709 

9  041 

M770 

8  259 

1800 

11716 

1641 

17  699 

M740 

6  615 

1776 

8  9;^ 

1802 

6600 

1659 

17  571 

III. 

Zur  Greinhalle  wurden  gebracht: 


Jahr 

Stück 

Jahr 

Stück 

Jahr 

Stück 

Jahr 

Stück 

1656 

83170 

1708 

lö  5r,6 

1740 

15  469 

1780 

3358 

1668 

67  835 

1710 

20  231 

1750 

14  030 

1790 

2  338 

1678 

88894 

1718 

33  624 

1760» 

6  400 

1800 

1870 

1688 

28162 

1720 

24156 

1770 

3  606 

1802 

2  700 

1700 

86  902 

1730 

21013 

1779 

3580 

Anmerkung:  Die  mit  einem  *  bezeichneten  Zahlen  sind  der  Hand- 
schrift No.  375  der  kJmielichen  Bibliothek  im  Haag  entnommen,  die 
übrigen  Lnzac,  HoIlan<ß  Riikdom  II,  333,  Orlers  274  (zuaammen- 
gestellt  W  ttewaal,  Ausgabe  LaCourt  p.  117)  und  Dozy,  0  verzieht 


>  Im  Jahre  1760   5350  Stück  fLuzac). 


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74  X  8w 

IV. 

Zur  Saaihalle  wurden  gebracht: 


Jalir 

Stack 

Jahr 

'  SMek 

Jahr 

StOek 

Jalir 



Stilttk 

1600 

35759 

1658 

85000 

1699 

10248 

1716 

8681 

1619 

47000(+9000*J 

1659 

86000 

1700 

8540 

1790 

8860 

1638 

51492 

1668 

87175 

1701 

7177 

1780 

1089 

1640 

82578 

1688 

28966 

1708 

6065 

1740 

979 

1618 

84410 

1696 

10979 

1718 

8408 

1776 

899 

V. 

Zur  Fasteinhalle  worden  gebracht: 


Jahr 

Stack 

1 

Jahr 

Stück 

Jahr 

'  Stfick 

Jahr 

Stück 

1640 

17  471 

1710 

7  580 

1730 

16617 

1763 

29  444 

1652 

4  929 

1713 

12  859 

1783 

16  969 

1770 

27  990 

1664 

19  886 

1714 

12359 

1740 

18  000 

1780 

24405 

1675 

10  933 

1715 

12  256 

1750 

25  608 

1787 

17160 

1698 

7  150 

1717 

16  369 

1753 

27  814 

1786 

Iii  041 

1699 

8557 

1720 

14800 

1760 

30  470 

1802 

10670 

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Kurze  Eingabe  der  Tuchniaclier 
an  die  Generalstaaten  nebst  Entgegnung  der 
Regierung  von  Amsterdam  über  das 
Tachmachergewerbe. 

(ReichaarchiT  Haag,  Bd.  Commerce  1648 — 84,  auszugsweise 
bei  Laspeyres  p.  135,  p.  107£f.  ^) 


Ä. 

Cwie  äeäudie  of  verÜarmge  htur  Jffo.  Mog,  de 
Seerm  8UUm  Generael  der  Vereemgde  NedetUmdm 

cvetgegcvm,  ofte  van  wegen  hare  onderdanige  ende 
dienstwillige  ingeeeUmtint  de  laeckendrappiers  der^ 
eeker  landen, 

AIboo  men  siet  en  bevindt  dat  dese  landen  welyaren  ende 
floreren,  door  de  neringen  ende  negocien,  die  in  deseLven 
werden  gedaen. 

Ende  dat  de.  laeckeiulrapperye  onder  de  neringen  van 

de  manufacturen  is  wA  dt-  considerabelsten 

Teil  aensicn  die  een  grott  getal  van  werckvolck  van  uoden 
heelt  umme  vvol  tut  lacckenen  te  maeken 

Alb  namcntlyck  wolle  wasschers,  vlaeckers,  pluvsters, 
8monter%  schrobbelaera,  kaerdei*»,  »pindera,  wever«,  nobstenii 
Tolden,  droogscheerders  ende  yervers. 

Waar  door  de  landen ,  alwaer  baer  deadve  neringe  komt 
ter  neder  te  stellen,  populeus,  ende  welvarende  werden. 

Ende  daar  door  ook  do  imposten  van  alle  consumption 
door  de  meenigte  derselver  iuwoonderen,  merckeljrck  komea 
te  ryseu  ende  vermeerderen 

'  In  nuurfpDe  van  der  Heeren  oven  ttaende  deductie  U  geteyekent 
het  advis  vnn  de  Godeputeerden  leden  van  de  Moeren  Staten  van 
HoUaodt  euüe  Westvrieslaiidt  op  de  aeven  vooigeslage  remedien  dienende 
tei  Weeringe  van  de  divenie  dar  dnipDerye  xwfbse  uyt  de  Veceenigde 
Nederlandea  overgegeven  aeo  baer  £a.  Groot  Mögende  den  7.  Sep* 
tember  1647. 


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76  X  3. 

Snlks  dat  ons  lieve  Vaderlandt  aen  de  selve  neringe  seer 
veel  en  merckelycken  is  gelegen. 

Dat  die  hier  vast  geplant  ende  de  pericolen  van  truiB* 
porteren  benomen  mogte  werden. 

T'  h  Btdks,  dat  incn  sedert  eenige  weynige  jaren  her- 
waers,  naer  dat  de  laeckendrapperye  Tan  i^e  lakenen  hier 
heeft  bepnnen  uyt  tf»  steo('k'*n. 

Heeft  gesien,  dat  andere  iiabuyrige  en  aengelegen  landt- 
schappen  op  de  selve  neringe  hebben  geleert  ende  middelen 
bij  (le  handt  genomen|  om  de  voors.  neringe  tot  haer  te 
trecken. 

Ak  daer  ayn  die  yan  Tilborch,  Eyndhoren,  Waerd,  Ter- 
nel,  Gkldorp,  JBocxtel,  ende  veel  meer  andere  plaetsen  in 
Brabant  enae  in  de  Meyeiye  iran  s'Hertogenboach  onder  het 

gebiet  van  desen  staet  gelegen. 

Mitsgadors  die  van  Aecken ,  Borset,  Eupen>  Venriea> 
Dalem,  endo  Ooye  in  het  landt  van  LimbourL^, 

Ende  nog  veel  verschejden  plaetsen  iu  het  landt  van 
Oulick. 

Alle  gel^n  buyten  onse  Vrfje  Vereenigde  Nederlanden. 

Die  neffene  die  van  de  Meycrye  van  den  Boecb  vor  desen 
niet  anders  en  hebben  gemaeckt,  als  grove  laeckenen  van 
baer  tnlandscbe  en  meer  andere  grove  wolle. 

Dewelke  als  nu  jegenwoordig  door  den  drappiers  ende 
inwoonders  van  deselve  plaetsen  in  de  Provincif»  vin  Hollandt 
van  tijd  tot  tijd  doen  opkopen  merckelycke  quantiteyt  balen 
van  iyne  Spacnsche  wolle. 

Die  sy  in  hare  plaetsen  ende  auUcs  buyteu  de  Vereenigde 
Kederlanden  doen  voeren. 

Doende  aldaer  daer  van  maecken  fyne  laeckenen  vor 
een  klyne  ende  minderen  piys,  als  alhier  kan  werden  gedaen, 

Dewyle  den  ingeeetenen  aldaer  soo  swaren  lasten  van 
imnosten,  noch  ly&  consumptien  niet  en  hebben  te  dragen  als 
wel  hier  te  lande. 

Doordion  men  aldaer  het  arbeytsvoick  tot  veel  klynder 
ender  j^eriiiger  ])ry.^  srobriiycken  kan. 

Dat  merckelijcke  profyten  in  de  laeckeu  drapperye  kan 
geven, 

Ende  wanneer  de  drappiers  van  buyten  dese  Vereenigde 
Provincien  bare  Spaenacne  wol  tot  laeckenen  bebben  ge- 
maeckt 

Soo  senden  sy  deselve  wit  ende  in  woU  geverft,  boo  on- 
bereyt  als  bereyt  in  dese  Vereenigde  Nederlanden. 

Doende  de  witte  ])ereyden ,  alliier  verwen,  om  dat  de 
Nederlandsche  verwen,  ende  handeliugon  van  opmaken  alhier 
de  laeckenen  bccr  aeugeuaem  ende  lieftallich  maeckeu. 

Die  sy  dan  door  haere  facteurs  hier  te  lande  ende  in 


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X  8.  77 

andere  plaetsen  weten  te  verkoopen,  voor  inlandsche  laeckenen, 
oft*'  MTiaers,  gelijk  in  de  dact  wacr  ia  voor  laeckenen  die 
hier  tc  lande  opgeniaf'kt  en  gevcrft  sijn. 

T  welk  niet  anfl<  r.s  en  kan  gedeyen  als  tot  merckelijeke 
verminderinge  en  krcukinge,  jac  bevreesde  ondergang  vau 
laeckendrai>pcrye  noringe  Eierte  lande. 

Ende  oy  aldien  daer  inne  niet  tijdelyck  en  spuedig  werdt 
roorsien;  soo  staet  te  bedtiyten,  en  seggen  sj  yerthoonder» 
gewiaselijk 

Dat  de  voors.  eonsiderable  ende  treffelijcke  neeringe  van 
laecken  recden  haer  van  hier  naer  de  voor^o^rdc  andere  landen 
ende  ])lri('tscn  metter  tijdt  al  sHjtende  sal  tranä]jortcren. 

Geliik  nien  alrecide  daer  van  notable  exenipelen  hegint 
te  sien  dat  eenige  ingesetenen  deser  landen,  uyt  sugte  van 
het  groot  gewin,  dat  sc  hier  in  bevinden,  haer  soo  verre 
▼ergeten: 

Dat  sy  tot  onderdmeking  van  hare  gebujren  ende  wun- 
den (die  de  sware  lasten  deser  landen  uvt  hare  arbeytsloonen 
moeten  helpen  contribueren ,  ende  waardooor  dese  landen  bij 
haer  vrijheydt  werd^^n  Ixhouden)  van  hier  naer  deselve 
plaetsen  senden  Spaensche  wolle  om  laeeken  to  maeken. 

Gelijck  niede  d<'  coopluyden  ende  drappiers  van  de 
vijanden  ende  neutrale  landen,  als  mede  die  van  de  Meyerye 
van  den  Bosch,  in  dese  landen  doen  kopen,  ende  naer  hare 
plaetsen  doen  yenroeren  fyne  Spaensche  wolle. 

In  den  jaere  XVI*^-  een  ende  veertig  is  door  de  Stadt  van 
s' Hertogenbosch  naer  de  voom.  landen  ende  plaetsen  uytgegaen 
189017  «  wolle. 

T  welk  van  jaer  tot  jaer  grootelijek.s  heeft  toegenomen, 
sulks  dat  in  den  jare  XVF  vijf  en  veertig  alleen  door  de 
voors.  Stadt  van  den  Bosch  syu  uytgevoert  454  720  i6  woU, 
om.  tot  laecken  maeken  te  consiiraeren. 

Welke  gemaekte  laeckenen  sy  hier  te  lande  voor  alsnlke 
als  voren  is  gesegt,  als  dan  tot  groote  prejuditie  van  de  in- 
landsche drapperye  weten  to  venten  ende  te  verkopen. 

Ende  door  dat  middel  onse  vijanden  en  neutrale  landen 
toebrengen  ende  den  ingesetenen  deser  landen  mitsgaders  ook 
de  gemeene  landen  selfs  beroovcn  ende  ontreckcn,  de  winsten 
ende  incomsten  respective,  die  de  voors.  drapperyen  als  voren 
is  gesegt.  na  sig  sleept. 

Ende  om  t'geene  verhaelt  is  klaerlijk  aen  te  wijsen  ende 
te  verthoonen. 

Staet  eerstelijk  aen  te  mercken,  wat  den  arbeit  en  maeck- 
loon  tusschen  dese  en  onse  vijanden  ende  voorverhaelde  na- 
buyrige  landen,  als  mede  die  van  de  Meyerye  van  den  Bosch 

vergeh  ilt. 

Ende  ten  tweeden.  op  beqname  middelen,  om  den  handel 
tusschen  ons  ende  onse  vganden  als  mede  neutrale  landen  te 


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78  X  3. 

balanceren,  ende  in  gelyckheydt  te  otellen,  op  dat  men  jegena 
deu  audcren  soudc  kuniien  wercken, 

Wat  aengaet  het  arbevtoloon  alleen,  van  de  wotl,  tot 
gevolde  laeckenen  te  maeken,  betaelt  men  van  een  groff 
hecken  Tan yier  a  vijf  a  ses  en  veertig  eilen,  in  de  landen 
buyten  onse  Provincie  (hare  p:eldfin  gorekent  op  den  cours 
van  onse  gelden)  twintig  gülden ,  ende  in  dese  Vereenigde 
Nclorlanden  nioet  men  voor  het  arbcytsloon  van  een  g^ijk 
laeckt*n  betalen  vijf  a  ses  en  dertig  gülden. 

Van  een  niiddelbaer  laecken  werdt  betaelt  buyten  onse 
Provincien  42  gülden  10  atuyvers  ende  hier  te  lande  94  gülden 
10  stuyvers. 

Van  ccn  fyn  laeckcn  gemaeckt  buvten  de  Vereenigde 
Kcderlanden  ofte  gemaeckt  hier  te  lande,  defereert  ontrent 

20  stuyvers  op  de  eile. 

Bovendicn  is  er  mede  groot  verschil  in  bereytsloon,  waut 
hier  te  lande  werden  van  de  voors.  laeckcnen  betaelt  over 
bereyen  aeu  <lc  knechten  20  a  22  stuyvers  daegs,  ende  buyten 
desc  Provincien  en  werdt  niet  meer  betaelt  al«  20  stuyvere 
tot  dagloon. 

Belangende  hat  tweede  point  wegen  de  middelen  die  ge- 
brückt dienen  te  worden ,  om  den  handel  van  onse  yyanden 

en  neutrale  landen  jegens  d'onse  te  balanceren. 

Dunekt  haer  verthoonders  (onder  reverentie)  dat  men 
eerst  alle  uytgaende  wo  11  soo  wel  ()o«tersche  als 
Spaenöche  belioort  te  belasten  ieder  hondert/jf 
woll  ten  minste  mit  vij  ff  gülden. 

Jemandt  soude  hier  tegens  Kunnen  seggcn,  dat  de  wolle 
18  Tan  Sonderlinge  prys,  ende  als  men  die  wilde  belasten,  dat 
men  diende  te  gaen  naer  de  qualiteyt  van  deselve  wolle,  na- 
mentlijk  de  slegtste  wolle  met  klyn  lyeent,  de  middelbaere 
ende  fyne  naer  gevolg. 

Hier  tcgcüs  werdt  geantwoort,  dat  sulks  niet  ])raetieabel 
8ou(le  Hijn,  overmits  de  fyiie  wolle,  t'elkens  voor  siegte  oti' 
somwijlen  vor  middelbaere  Boude  werden  angegeven,  sulks 
dat  noyt  van  de  fyne  ofte  middelbaer»  wolle  soudcn  werden 
betaelt,  t'geen  daer  op  gesteh  mogde  sijn. 

Men  siet  in  de  imposten  van  de  bieren,  dat  de  kleyne 
ende  siegte  bieren,  soOToel  tot  impost  moeten  dragen,  als  de 
swaro  off  goede  bieren,  dat  ongetwijffelt  werdt  gedaen,  ora 
dat  het  anders  niet  wel  praetieaV^el  snnde  sijn  den  impost  van 
de  g<H'(le  bieren  te  heffen  ende  le  ontfangen. 

Mueten  onse  inge.seteiien  van  hare  waeren,  t'  sij  off  die 
siegt  off  goedt  syn  betalen  een  ende  deuselveu  impost: 

Met  meerder  redenen  kan  men  daer  ook  mede  belasten 
onse  allgemeene  Tijanden  ende  de  ingesetenen  van  andere 
neutrale  landen. 

Dat  men  soude  willen  seggen  dat  met  het  opstellen  Tan 


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X  3. 


79 


«wäre  licenten»  men  den  coophandel  uyt  dese  landen  sai  ver- 
jagen na  onse  xeehavenen. 

Daer  jegens  moet  werden  geeonsidere«  rt ,  dat  de  wol- 
handelingen  Yolgt  de  drappeiye  ende  niet  de  drappeiye  den 

Handel. 

Waat  oor  mon  hier  te  lande  fijne  laeckenen  be^^oii  te 
maecken,  wist  men  wijnig  van  den  koophandel  van  de  Öpaen- 
aehe  woU. 

Sulki  dat  het  laecken  maken  en  conBumeren  van  de 
wolle  de  wolhandelinge  treckt^  gelijck  den  seylateen  treckt  de 

naeldcn  van  't  compas. 

En  wat  de  Oostersche  wolle  belangt,  deselve  is  voor  den 
oorLjge  iu  Duytslandt,  door  deselve  landen  per  assclie  ge- 
sondeu  naer  de  voorsz.  vijanden,  ende  andere  neutrale  plaetscn, 
die  gewisselijk  in  tijde  van  vrode  an  weder  sal  nemen  haer  oude, 
ende  eerste  pas^age. 

Yoorts  800  staet  mede  te  oonndereren,  dat  de  belastinge 
van  de  uytgaende  woU  sende  geschieden  tot  geen  ander  eynde^ 
als  oni  de  Uecken-drapperye  nier  te  lande  vast  te  planten. 

Waer  mede  te  gelnck  met  de  laeckendrappeiye  geplant 
soude  woi  flfn  den  eoophandel  van  de  Spaensche  wollen 

In  niargine  Btaat:  1"  Hemedie. 

Dti  Gedepiiteerde  leden  souden  haer  het  eerste  ueveus- 


staende  rcmedie  wel  lateu  gevallen. 

Ten  tweeden,  dat  men  scherpelijk  dient  te  verbieden  van 
bnyten  in  dese  Vereenigde  Nederlanden  niet  te  mögen  bren- 
gen  bereyde  laeckenen,  directelijck  nog  indirectelijk  in  geender 
manieren  op  de  verbeurte  van  ae  selve  laeckenen,  ende  boven 
dien  aeeckere  swaere  poene. 

In  margine  staat;  2*^  remedie. 

Het  nevenstaendc  tweede  reraodie  wert  geamplecteei-t, 
mit»  agter  t' woordt  swaere  poene  te  voogen :  niet  alle  en 
tcgens  de  inbrcngertj  ende  verkoperu  maer  ook 
tegens  de  copers  te  statneren. 

Ten  derden.  Dat  de  laeckenen,  die  uyt  andere  landen  ende 
rijeken,  wit,  onbereyt  ende  ongeverft,  t*  sij  dat  die  in  de 
Vereenigde  Nederlanden  werden  gesonden  om  te  verkopen, 
ofte  alleen  om  te  bereyden  ende  te  verwen,  ond<^'r  wat  pretext 
Rulks  solide  koTHiPii  ende  mögen  geschieden,  waer  vau  betaelt 
fiüude  moöteu  wer  tlen  den  sevenden  peiining. 

Ende  alsoo  de  laeckenen  te  laeg  vau  prijs 
werden  aengegeven,  dat  de  licentmeeater  als  dan 
die  voor  den  aengegeven  prijs  senden  mögen  be- 
ll ouden,gelijck  sniks  inVrieslandt  wordt  gepractiseert,  al- 
waer  de  HoUandsche  laeckenen  moeten  dragen,  neffens  alle 
andere  laeekenen  een  impost  van  f?even  ten  hondert. 

Dat  mede  in  t'  aengeven  vau  de  laeckenen 


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80  X  3» 

hare  lenkte  isoudc  moeteii  werden  geexpresaeert 
met  de  waerde  van  yder  eile,  ende  soo  wel  bij  de 
ontfangers  van  de  selfde  comptoiren  als  de  com- 
misen  ter  recherche  aldaer  op  de  lengte  als  op 
de  waerde  van  dien  gevisiteert  aengeslagen  ende 
genaest  te  kunnen  werden. 

Ende  Olli  te  beter  alle  fraudc  voor  te  komen,  eude  de 
goede  ordre  die  liaar  IIo:  Mog:  tot  eonservatie  van  de  neringe 
van  de  drapper^  e,  in  de^e  Vereenigde  Nederlanden  sullen  ge- 
lieven  te  stellen,  te  doen  agtervolgen,  ende  exactelijk  in 
Toeren  ende  practiseren. 

Sooduncktlia^  yerthoonden  (onder  reverentie)  dat  er 
een  CommiB  General  hem  desen  volkomentliick 
verstaende,  ende  woonende  in  een  van  de  Stcaen 
alwaerdelaeckeneninkomcn,diendegestelt  te  wer- 
den, die  soo  nu  en  dan  soiide  iiioeten  rcysen  dan 
van  d  '  e e n  e  Stadt  in  d  '  a n d  c  r e ,  die  tot  den  i n b r e ii - 
van  de  uytheeniöche  iaeckenen  bijn  gcordonneert 
ende  aldaer  te  sien,  of  allei  eenpaerlijk,  naer 
hare  Ho:  Mog:  goede  intentie  Wierde  gepracti- 
seert 

Dat  mede  den  selTen  Commis  Oenerael  van 

maerwlt  tot  macndt  soude  moetcn  werden  in  ban- 
den g  0  b  t  e  1 1  (!  X  t  r  a  c  t  u  y  t  d  <^  r  e  8  p  e  c  t  i  v  (;  r  e  ^  i  s  t  e  r  s  v  a  n 
de  com  misen  tot  Luv  ek  ofteA  ecken,  of  comp  toi  re 
vanMaestrich,  om  daer  uyt  te  sien,  watvolch- 
brieven  aldaer  van  Iaeckenen  on  de  voorn.  comp- 
toiren waren  geligt,  om  door  ae  geordonneerae 
Steden  in  dese  landen  gebragt  te  werden. 

Waer  uyt  hij  soude  kunnen  nasien  of  de  Iae- 
ckenen door  geen  andere  wegen  op  sluvpgaten  in 
dese  landen  waren  gebragt,  sonder  de  ficenten  te 
bebben  betaelt. 

Ende  soo  wanne  er  bij  ong  esii  y  verd  e  volcb- 
brieven  quam  te  vinden,  dat  de  c o n t raventc u rs 
yan  dien  sonder  simulatie,  yolgens  de  placcaten 
op  den  opheve  van  de  convoyen  ende  licenten 
gemaekt,  aengesproken  ende  gemulcteert  mogte 
werd  c  n. 

<'!  i'Iijk  mede  in  ycder  van  de  Steden  tot  Ii  et 
i n b  rc  n jr  *'  n  van  de  v  o  o rsjz.  Iaeckenen  geord  o  n  n  e  i  r  t, 
dient  ^^M  stelt  te  w(M'den  een  beedicht  perso  f)n  liem 
ou  de  diHpperyc  volkomcntlijk  verstaende,  ora 
als  de  Iaeckenen  van  de  poorten  ten  huyse  van  de 
convoymeestersgebragtsuUen  sijn,  aldaer  geloyt 
te  werden,  welken  persoon  de  Iaeckenen  tcn  buy- 
sen  van  de  convoy meesters  aon  moeten  visiteren, 
ende  op  sijn  eedt  verklären,  of  de  Iaeckenen  vol- 


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X  d.  81 

koinentlijk  iiacr  liaerc  wprde  waron  aengegcven^ 
(Ilde  hij  aldieil  niet,  dut  die  daii  door  den  convoy- 
meesterkonde  werden  ijcnaestet,  voor  welke  prij- 
seringe  den  vors,  persoon  twee  Btuyvers  voor 
yder  stuck  tot  laste  van  de  coopluyden  conde  ge- 
ttieten. 

Da  redenen  wahrem  men  die  laeckenen,  die  alhier  oiii  te 
bereid(Mi  en  vorven  p:psondcn  worden,  sonde  belasten  mot  den 
»elven  licent,  ak  d<'  laeckenen,  die  hier  ge&onden  werden  om 
te  venten  ende  te  verkopen. 

'T  «elve  18  mede  om  de  deur  van  de  sluyckerye  te  aluyten^ 
•o  veel  men  kan. 

Men  behoeft  niet  te  denken  ofte  te  vreesen,  dat  den 
koophandel  van  de  bauten  laeckenen,  haer  aal  tran^portereii 
in  andere  landen,  om  te  ontvlieden,  de  licenten,  die  hij  hier 
sende  moeten  dragen. 

Want  het  en  is  niet  wol  doenlijk  een  kon|)liandel  rauwe- 
lijcks  in  andeiv  plaetsen  te  brengen  vermitü  den  koophandel 
wil  godaen  werden  l>ij  de  meenigto  van  den  cooplnyden. 

Ende  genomen,  (uit  den  handel  van  de  buyten  laeckenen 
hier  te  lande  daardoor  soo  sterck  niet  en  werde  gedreven 
als  te  vooren,  soude  dat  meer  swarighejdt  geven,  als  de 
laeckenneringe  hier  te  lande  te  laten  in  peiyckel  vanverloop« 

Wij  vcrtrouwen,  dat  haar  Ho:  Mog:  naer  derselven  liooge 
wijsheydt  wel  sullen  können  sien,  wat  swaerts  behoort  to 

T*  is  sereker,  dat  d  lacckeudrappervi',  dacr  aen  soo 
menigte  van  duvtäende  menschen  te  wcrck  koiaen,  swaerder 
wecgt,  als  den  handel  van  de  uytheemsche  laeckenen. 

Want  aen  den  handel  van  de  buyten  laeckenen  varen 
maer  aUeen  wel  eenige  particuliere  cooplnyden  in  wijnig 
Steden. 

Ende  aen  de  laoekcndrapperye  neringe  hangt  grot<'lijks 
het  welvaren  van  t'  genieene  landt,  ende  alle  de  Steden  in 
gemcen,  sdfs  ook  die  Steden,  die  den  handel  van  buyten 
laeckenen  hebbea. 

Voorts  is  ook  seecker,  dat  hoe  hier  te  lande  minder 
laeckenen  van  buyten  werden  gesondra,  hoe  dat  het  de 
laeckendrapperye  van  de  Vereenigde  Nederlanden  te  beter 
sal  gaen  enae  van  dag  tot  dag  nog  meerder  sal  groeyen  endo 
toenemen. 

Uaer  cn  tegens  siet  men  door  df^n  aanwas  van  de  drap- 
perye  neringe,  in  de  voors.  vijanden  en  neutrale  landen, 
mitsgaders  die  \'an  de  Meyerye  van  's  Hertogenbosch  hier  to 
lande  onsc  neringe  verswacken. 

Om  den  aenwas  van  de  neringe  der  voors.  vijanden  en 
neutrale  landen,  ende  die  van  de  Meyerve  stueks  wijs  wat 
naeckt  voor  ogen  te  stellen,  soo  is  snlks  dat  in  den  jare  1641 

Fmehmifn  (44)  X  S.  —  Prmgdwiin.  6 


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82  X  3. 

teil  comptoir  vaii  de  liconteu  binnen  s'H.'rt<»<;enbo8ch  sijn 
aengegoven  vier  hondeil  vijfticn  stiicks  Dupiakbche  ofte  dier- 
gclijke  pijlaockons,  ende  iu  den  jaare  lü4ü  sijn  ten  »elveii 
comptoire  aengegeven  1679  Stacks  fijae  ende  in  de  woll  ge- 
verrae  lAeckenen. 

Men  siet  dat  tot  welstandt  van  de  laeckendrappeiye  in 
t'  (voninckrijck  van  Engelandt  veel  swaefder  en  rigourenser 
middolen  werden  f^ebnivckt. 

Nanientlijk  dat  sij  op  lijtistrnrte  vc'rlnf'Hf  Ti  uyt  Imro  ImihI^'u 
nict  ti'  (ln<Mi  vocron  de  volaerde,  nogte  wollt'.  «>iii  !(  dj  pperye 
in  andere  lamleu  daar  door  niet  en  souden  wndeii  gedient. 

Gelijk  sij  mede  hebben  verboden  in  haer  Coninekrijck 
niet  te  mögen  brengen,  venten,  nog  vcrkopen  laeckenen  die 
buyten  het  rijk  »ijn  gemaeckt. 

Maer  alle  laeckenen  die  sij  aIda<T  befinden  van  bujten 
ingekomen  te  sijn,  t'aelve  werden  gehoudon  voor  verbeurt. 

T'  is  mede  sulks  dat  men  in  BralKuit,  Viaenderon,  ende 
andere  onsen  vijandon  landen,  onse  laeckenen  voor  f^een  Neder- 
landsehe  laeckenen  mag  brennen  nog  verkoopun,  maer  werden 
alle  laeckenen,  körnende  uyt  dese  Vereenigde  Nederlanden 
geliouden  mede  voor  verbeurt 

In  margine  Staat:   3e  remedie. 

Het  derdc  remedie  werdt  mede  aengenomen,  mits  dat 
agter  t'articul  sal  worden  gesteh  dese  ciansele:  ende  dit 

alles  onvermindert  ende  onge prej udi cieert,  t' 
preno  voor  desen  bij  de  re^'erinp:e  deser  landen 
aeu  de  Eng  eis  che  court  is  too^cstaen. 

De  neven?^taende  gosubrcgiiieerdo  ende  aengetrocken  noiu- 
ten  van  ordre,  laetcn  haer  de  Gedeputeerde  le<len  wel  ge- 
vallen,  ende  in  specie  dat  sal  w^ea  gesteh  een  commis  Ge- 
neraelf  ende  in  yder  van  de  Steden  tot  het  inbrengen  van  de 
laeckenen  geordonneert  een  beedigt  person^  welcke  ret^pective 

f>ersonen  suUen  werden  gegageert  ende  betaelt  hii  de  admira- 
iteit  na  't  exenipel  van  de  Generale  en  andere  chercKers  van 
de  convoyen  en  licenten:  doch  sal  np  d»-  begrootinge  van  de 
respective  tractementen  nader handt  werden  gedisponeert  bij 
de  reg«'rin;ii;e. 

Ten  Vierden  dat  den  licent  van  de  iu  körnende 
laeckenen  betaelt  Boude  moeten  werden  in  de 
Steden  alwacr  de  lakenen  eerst  aenkomen  In  de 

Vereenigde  Nederlanden,  gelijk  eertijts  was  in 
t'  jaer  1624  omtrent  Ii  »n  tijdt 

End«'  dat  de  laeckenen  daer  die  ankamen, 
so  Ilde  werden  geteeckent  niet  een  seecker  loot, 
van  wfer  sij  door  de  Vereenigde  Provincien  niet 
anders  sou^e  m  Lun  werden  vervoert  als  met  het 
geteeckent  1  o  u  i  ii. 

In  margine  staat:   4e  remedie, 


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X  3.  83 

Het  nevenstaeiifle  vierdo  roniedie  met het  gesubordonneerde 
point  werdt  voor  goedt  augenonieii. 

Ten  vijtde.  Daer  benevcns  soude  den  coop- 
m  a  ü  m  0  ('  t  e  11  h  e  b  b  e  ii  e  e  ii  b  i  ii  ii  c  u  I  a  ii  d  t  s  p  a  t>  p  o  o  r  t 
daer  in  geteyckent  soude staen de quantiteyt ende 
qualiteyt  van  de  laeckenen,  met  nytdruckinge 
wat  vaor  licent  ^aarvan  betaelt  ende  terplaetse 
daer  den  coopman  de  laeekenen  verkoft  ot  liet 
blijven,  dat  aidacr  sulks  in  dorso  van  depaspoer* 
teu  dienen  te  werden  gestelt. 

In  margine  Staat:    5e  remedie. 

Het  vijfde  remedie  werdt  mede  j^eainploeteert. 

Ende  ten  scäde,  dat  het  placcaet  vau  Laer 
Hoogf  Mogende  op  het  invoeren  van  de  Engelscke 
Witte,  ofte  andere  geverfde  bereyde  laeekenen, 
bajen  en  carsayen  gemaeokt  in  t'  jaer  1614,  ende 
nog  se  ec  kere  ordre  gemaeekt  op  de  Engeische 
conrt  ofte  advanturiers,  hijdeGrrootMoogcnde 
II«ieren  Staten  van  Hollandt  ptkI«»  XVestvrieslandt 
den  24.  May  1635|  die  in  t'  minme  uiet  werdt  agter- 
Voigt, 

Of  nieuws  gepubliceert  ende  stricktelijok  sonder  eenige 
ooghluyckinge  geexecnteert  mögen  werden. 
In  margine  Staat:   6de  remedie. 

Do  renovatie  van  't  placcaet  1614  ende  ordonnantie  van 

de  Heeren  Staten  van  Hollandt  d'anno  1(535  werdt  goedtge- 
vonden.  sijnde  de  versogte  ampliatie  atgeslogen  en  vervolgens 
alhier  geruyeert 

Want  aldaer  en  hebben  de  huysgesinnen,  diegeen  landen 
gebmycken  iets  ofte  niets  in  de  labten  en  contributie  to  be- 
talen,  doordien  alle  lasten  aldaer  over  de  merg;en  talen,  ende 
niet  over  de  peraoonen  ofte  huysgesinnen  werden  omgeslagcn. 

Door  welke  middelen  sij  verthoonders  ^  vertrouwen,  dat 
de  laeckendrapperye  neringe  hier  te  lande  sal  können  werden 
gepreserveert,  ende  met  eenen  geweert,  waerdoor  deselve  (ten 
sij  »ulks  spoediglijck  werde  voorp^ekoinen)  geeoTisumeert  ende 
Tuet  de  appendentieii  ende  depeiulenticn  vau  dien  getrantipor- 
ie<  rt  sal  werden  in  andere  landen,  tot  f^roote  sehadeende  mercke* 
lijck  uadeel  van  deeöe  Vereenigde  Nederlauden. 

Ende  alsoo  sij  verthoonders  sijn  rechte  lief  hebbera  van 
onse  lieve  ende  vrlje  vaderlandt:  so  nebben  sij  niet  können  na- 
laeten  deselve  saecke  daer  t'  gemeene  landt  so  veel  aen  ge- 
legen is^  ende  door  dewelke  vcele  arme  onvennogeiide,  soo  wel 
jong  als  oudt,  aen  het  wcrck  komen,  bare  Ho:  Mo:  t'  helve 
naeckt  en  kL-irr  voor  oogen  te  stellen. 

Niet  tvvijtteiende  of  liaar  Ho:  Mo:  sulleii  iiaer  liaer  verre 
biende  wijshijdt  hier  uyt  können  verstaen,  dat  onae  vrije 

6* 


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84 


Vadcrlandt  uict  wijnig  ma(  r  ten  huogste  acn  de  laeckendiap- 
])erje  nerioge  is  gelegen. 

Ende  derbalve  Dorge  dragmi  dat  soodanige  middelen 
BulleD  werden  beracmt,  waer  door  dettelve  neringe  hier  mog 
werden  gdiandthaeft  ende  aen  de  andere  sijde  besnoeyt  t'  geen 
hier  van  Imyten  aonkomt,  om  te  vcrderven. 

Waerop  sij  vi  rtlioonders  haer  sullen  verlateii,  hlijveiide 
ultijts  haar  Ho:  Mm:  ootmocdigi*  ondcrdanen  ten  dienst  etc. 

In  niargiiui  siaai:  7dc  reniedie. 

Het  «evende  rcniedic  sulks  hct  in  niargine  van  dcscn  ge- 
6telt  18,  is  niet  aengcnomen,  niaer  ger(»\  e(*rt  ende  in  plaeto  van 
dien  gesielt: 

j)at  mon  nu'dc  Moude  dienen  te  vcrbieden  ten 
I»  1  a  1 1 c n  1  a n d e  in  B r a b a  n  t  ende  d e  M e }' e r y  e  van 
s  '  H  crto  genboscli  ende  alle  andere  plaetsen  t<'n 
platten  lande  onder  de  (i  eneralitevt  bflioorende, 
nict  te  mögen  ma ecken  eenige  iaeekcm  n  van 
Sp  aen  sc  he  wolle  op  verbeurte  van  de  lacckencn, 
ende  daer  en  boven  ecn  boete  van  25  gülden  vnn 
yder  stuck  laecken. 


B. 

Consideraiicn  van  de  Hmtn  van  Amsterdam 
op  f  siuck  van  de  ärappcrye  den,  19  Maert  1648  ex 
prandw. 

De  hier  revenjsgaende  dediu  tie  by  Connnissarissen  geexa- 
iniiiecrl,  ende  die  van  de  neeringe  daer  op  gclioort;  geven 
(onder  eorrectie)  voor  haer  advijs. 

Voor  eerst  dat  wel  waer  i.s,  dat  de  laecken  drapperyo 
in  de  landen  ende  plaetsen,  daer  se  gecxerceert  wort,  neeringe 
ende  welvaert  voortbrcngt,  ende  dat  derhalven  wel  nodigh  is, 
dat  alle  goede  middolen  aengewendt  worden,  omme  deselve 
in  dese  landen  te  doen  aenwassen. 

Maer  dat  de  niiddelen,  bij  de  voorsz.  deductie  voorf]:e>t«'lt, 
daertoe  geraden  soliden  sijn  in  t  werck  te  stellen,  en  connen 
\vij .  onder  eorrectie  niet  goetvinden,  alsuo  atdix  h'saemen 
«oude  gaen,  niet  al  te  grooten  schade  ende  verderff  van 
cen  soo  notable  negotie,  als  daer  is  de  wolhandel 
dcser  landen,  ende  waeraflT  verncheyden  andere  n^otien 
dependeren,  niitsgaeders  de  zeevaert  en  tMncomnien  van 
de  convoyen. 

Behalven  dat  in  desen  wel  staet  te  considereren  dat 
alle  handtwercken,  daerat'f  door  de  Cooplnyden 
ot'te  negotianten  geen  vertieringe  en  wert  e - 
maect,  niaer  alleen  strecken  ter  nootdrutt  ofio 


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X  3.  85 

behoefte  van  de  inj^esetenen;  ende  dat  ter  contrario 
cell  coopinMii  oftf  handelaor  v*eol  worckrolek  ean  te  vvprck 
stellen^  ZOO  wannoer  zij  d'*  gemaeckte  diii;,'"<'n  in  änderet 
plaetsen  ende  gewesten,  verhandelt  ende  vertiert. 

Waer  uyt  volght,  dat  iu  dit  gcval  een  coojjman  meerder 
is  ala  een  ambachtoman,  ende  dat  daeromme  meer  acht  staet 
te  nemen  op  de  conservatie  van  de  negotie  als  op  de  Kandt- 
wercken,  immers  ten  minsten  in  t'bevorderen  van  de  handt» 
wercken  soodanicli  gelet  op  de  negotie  dat  die  daer  door  niet 
en  (-nmo  tr  verminderen,  ofte  te  vervallen  in  die  onf:^<-legent- 
li*  vr.   \\a<  riiyt   rlo  vermine! erincr«^  npparent  «taet  te  volgen. 

ijrk  ilai'i-  sijn  de  middttlen  bij  <ie  voorsz.  fleductie  voor- 
g<  -»loh.  Devvelekt-  alsoo  eenlijck  gefundeert  sijn  op  de  goed- 
coope  arbeyts-looneu  ende  levensmiddeleu  in  de  naebuvrige 
lanaen  ofte  plaetsen,  in  de  voorsz.  deductie  gemelt,  soq  hebbeu 
wij  noodich  geacht,  daer  op  wat  »pcciaelder  beruht  te  geven. 

finde  seggen  dat  wacr  is,  ende  niet  en  can  ontkent  wor- 
den, dat  de  buytenlandtse  drappier«  de  arbeyts- 
loonen  heter  coop  hebben  aU  de  drappiers  hier 
te  lanrl«'. 

M.'i'T  il.icr  en  tegen  coiincii  d«*  drappiers  hier  te  lande 
liare  wollen  beter  coop  ende  nyt  de  eerste  handt  in- 
cuopen,  tijt  ende  gelegenthevt  wacrnemen  wanneer  de  vlootcn 
ende  schepen  aencomen,  enie  sulcz  haer  van  de  beste  waren 
ende  laegste  prysen  dienen  voor  andere  buytenlandtse  drappiers. 

Ter  contrarie  moeten  de  buytenlandtse  drappiers 
hären  tijt  met  reysea  ende  vletten  mtisumeren, 
in  reys  «Mide  teer  c Osten  vervallen,  ottc  faeteurs 
tot  liiiniien  eoste  fnde  laste  houden,  ende  bnven 
diiii  groote  c  Ob  ten  doen  met  het  versenden  van 
h  n  n  n  e  g  e  c  o  f  t  e  wolle,  die  s  i  j  o  r  d  i  n  a  e  r  1  i  j  k  o  o  c  k 
moeten  coopen  uyt  de  tweede  handt. 

Gelijck  mede  de  arbeyts  loonen  in  alles  soo  veel  niet  en 
verschilleo,  ja  in  sommige  bijnae  geen  verschil  is,  namentlijck 
In  t*loon  van  de  laeekenbereyders  gasten,  gemerckt  men 
deselve  alhier  t' Amsterdam  voor  dachloon  betaelt 
18  stuyvers,  ende  in  de  omleggende  'den  noch  min.  daor 
in  tegendeel  (p:eHiek  bij  de  voorsz.  dinliutio  wcu't  geöcyt)  in 
de  nabiiriLO'  hindon  voor  loon  hctiiclt  uort  20  stuvvers 
s'daeghä,  in  voegcn  dat  in  de.sen  deele  t '  a  rbe  v  tsloou 
van  Taecken berey d ers  gasten,  hier  te  lande  beter 
coop  is  als  buyten  s'landts,  contrarie  t'geen  bij  de  voorsz. 
dcduetie  wort  gesejrt. 

Daer  en  boven  werden  wij  onderrieht,  dat  de  voorsz. 
buytenlandtse  drappiers,  niet  gewent  sijnde  als  grove  laecke- 
nen  te  maecken,  soo  o  e  d  e  f  i  j  n  e  1  a  e  c  k  e  n  e  n  n  ?  <•  t  e  n 
maeckenf  als  hier  te  lande  giinaeckt  worden;  zijnde 
da^  |oe  hare  gctjuwen,  rieden  ende  andere  gcreet«chappen 
-•  t  ■ , 


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86 


X  3. 


niet  geapproürierct,  oock  de  haiidelingh  van  grofF  ende  fyn 
goet  te  werdcen  inetten  anderen  niet  overeen  comende. 

Soo  datter  sijn  die  daer  fjne  laeckens  hebbea 
laten  maecken,  macr  nu  niet  mcer  en  doen. 
Qaende  het  in  desen,  gelijck  hct  over  30  ende  meer  jaren 
gcdaen  heeft,  met  (}f^  V1;ifm?^cho  laoekonen,  waiit  /ilsoo 
men  doen  hier  te  lande  evrat  begost  laeckenen  te  niaecken^ 
ende  de  rechte  handelingli  dacrafl'  noch  niet  en  hadde,  soo 
Wiarden  in  Viaenderen  tot  Belle,  Meencn  ende  daer  omtrent 
goede  quantiteyt  fijne  laeckenen  gemaeckt,  die  oock  vrij 
waren  van  alle  sehattingen  ende  lasten  in  Viaenderen,  en  om 
cleTn  loon  gewerckt  wierden,  oock  hier  redeltjck  wel  vercoft 
ende  begeert;  maer  onae  drapperye  yan  handt  tot 
handt  beteronde,  wie r den  daer  nae  niet  meer 
y^etrocken  door  haer  quade  fabrijcq,  als  grnff 
ende  bol  van  draet  zijnde,  soo  dat  se  in  veel  jaren 
hier  niet  meer  en  sijn  gebracht. 

'Waer  uyt  blijckt,  dat  wij  in  geenderlcy  manicre 
de  buytenlandtse  drapperie  hebben  te  Yreaeni  ende  dat 
t'seeckerBte  middel  omme  de  drappeiye  hier  te  lande  te 
honden  ende  te  doen  aengroeyen,  is  op  t'werck  wri  te 
passen,  goet  werck  te  maecken,  ende  alle  middelen 
aengelcyt  tot  bedrogh  fgelijck  nien  eenigen  tijt  geleden,  in- 
sonderheyt  tot  Leydcn,  gedaen  heeft)  te  weeren,  oock  mal- 
kanderon  de  knechts,  onder  belofte  van  liooger  loon,  met 
te  on trecken  want  hier  xxyt  niet  als  t'verderil  ende  onder- 
gangh  van  de  drapperye  te  verwaehten  staet 

Boven  allen  desen  staet  mede  te  letten,  dat  het  niet 
d'oncosten  van  arbeyta  loon  op  een  fijn  laeeken  soo  nauw 
met  en  comt^  aht  maer  curieux  ende  wel  gemaeckt  ie,  want 
een  fijn  Ineeken,  wel  oft  (lualijck  ^remarekt  sijnde  van  een 
en  deselve  wolle,  enn  een  gülden  of  meer  oj)  d'ello  vcrschillen. 

Dien  volgens  nioet  nien  toestaen,  dat  (fit  landt  p'oote  be- 
quaemheyt  heeft  van  negotie  ende  coophandel  te  waeter  ende 
te  lande  en  dat  de  welvaert  van  dien  daer  in  mecst  bestaet; 
doch  dat  het  de  gelegentheyt  soo  niet  en  heeft  tot  de  weverye, 
als  andere  landen;  evenwel  in  fijne  laeckenen,  die 
wat  connen  verdragen,  aal  niemandt  ons  te  boven 
gaen,  door  ons  welmaecken,  ende  dat  de  wolle 
coopmanschap  in  nns  landt  is,  ende  bij  anderen 
van  ons  m  o  e  t   w  e  r  den  g  e  h  a  «•  1 1. 

En  soude  de  laeeken  drapperye  in  dese  provineie  uuek 
grootelijcx  stijven  en  doen  toeuemen  bij  aldien  de  Heeren 
Staten Generael  ^elieffden  teordonneren  datonseinlandtse 
laeckenen  niet  alleen  in  HoUandt,  maer  alle  de 
Gen  nieerde  Provincicn  door,  vrij  van  impost 
mochten  sijn.  Ende  t'behoorde  (onder  verbeteringe)  oock 
te  gcsehiedeoy  om  dat  de  laeckenen  in  Vrieslandt, 


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X  3.  87 

Oroeningerlandt,  Utrecht,  ende  eiders  binnen 
dese  Oeunieerde  provincien  gemaeckt,  alhier 
geen  impost  betaelen,  overmits  men  die  van  onse 
inlandtse  laeckenen  qnalijck  can  onderschey den; 
ende  in  tegendoel  onse  laeckenen  in  Vrieslandt 
c  0  m  n  d  e  ,  m  o  e  t  e  n  b  e  t  n  (•  1  e  n  den  s  e  v  e  n  d  e  n  |i  e  n  - 
ningh,  ende  comcnde  in  Utreclit  off  (Jroeningen, 
moeten  aldaer  mede  betaelen  de  coBten  aldaer 
gesielt. 

Doch  dat  men  de  buytenlandtse  laeckenen  rou 
in  te  brengen  sende  vcrbieden  ofte  belasten (sijnde 
een  van  de  middelen  bij  de  voors.  deductie  voorgestolt)  en 
connen  wij,  onder  correctie,  niet  goet  vipden, 

want  daer  door  soude  men  de  bereydery  en  verwery 
hier  te  lande  gr(M)telijex  te  L-ort  docn,  desgelijex 
o  ü  e  k  de  n  e  o  o  j>  Ii  a  n  d  e  1  v  a  n  all  e  r  Ii  a  n  de  v  e  r  ff«  t  o  f - 
fen,  als  cousenille,  Indigo,  alluyn,  wijnsteen  etc. 
Behalvcn  dat  de  buy  tenlandtse  dra})])ier»,  op  andere 
plaetsen,  daer  soodaenige  beswaernlssen  niet 
en  sijn,  evenwel  soaden  worden  gedijent,  ja  hen 
soude  noodsaecken  selffs  bereyderyen  ende  ver- 
wery en  op  te  stellen,  ende  soo  t'God  den  Heere 
gelieft  dat  het  vrede  wort,  souden  tot  Antwerpen  ende 
eiders  gaerne  gerijft  worden,  wat  seliade  sulcx  voor  dese 
landen  «uode  geven,  ende  in  t'l)ij8onder  voor  dese  stadt, 
t'eeneniael  in  ncgotie  be^taende,  willen  wij  U  achtbare  in 
bedencken  geven. 

Sooveel  t'verbodt  van  t*inbrengen  van  bereyde 
ende  geverffde  laeckenen  aengaet  (mede  een  mid- 
del  bij  de  voorsz.  deductie  voorgest el t)  daer  in 
is  alreede  hij  placcaet  van  haere  Ho.  Mog:  voor- 
syen,  ende  Ixlioeft  maer  geezecuteert  te  worden,  dat  op 
t'hoocbstc  nodieh  is. 

Geli jck  nicde  nodich  is ,  dat  d  w  i  1 1  e  laeckenen» 
die  van  buyten  ingebracht  worden,  geteeckent 
worden  met  een  loot,  daerdoor  die  connen  worden  ge- 
kent  voor  onvrije  laeckenen,  om  dienvolgens  den  im- 
post te  betaelen. 

Ende  hoewel  men  oock  sustineert,  dat  de  buyten- 
landtse  drappiers  haere  laeckenen  beter  coo]) 
connen  ni  a  e  e  k  c  n  als  de  drappiers  hier  te  lande,  soo  dunckt 
ons  (onder  correctie)  <  ven wel  g  a  ii  t  s  o  ii  dy  e  n  s  t  i  g  h  d  e  s  e  1  v e 
te  verbieden  off  te  beswaeren,  want  dus  doende, 
soude  men,  om  een  ambacht  in  dese  landen  seecker  te  bcvesti- 
gen,  weder  bederven  off  veriagen  de  heele  negotie 
ip^#]ie  den  laecken  handel,  daer  bij  de  drapperye 
in  t'duytandste  deel  niet  en  is  te  compareren; 

nu  de  goedcoop  laeckenen  van  die  soort  zoo  de 


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88  X  3. 

♦ 

baytenlaiidtsc  dnippiers  maeckcn,  wilde  weeren,  soiide  men 
bij  gcvolgh  oock  we(*rcTi  den  handel  ende  vertieringh  daervan 
niet  allopn,  macr  Hehtelijck  van  den  jorpliorlfn  laeckenhandf»!. 
die  sondor  sulex  niot  wpI  on  raii  worden  gedreven,  end«; 
d.'H'renboven  cnitsoren  onuyUpnM'ckr'lijeke  schad^^  in  allerlcy 
coopmanscliap  vau  vei  wen,  grooten  atfbreck  in  de  bereyderyeu, 
verweryen  etc.,  ende  aolcx  t'gemoene  landt,  ende  d'ingesctenen 
van  dien  meer  achade  aU  proft'ijt  toebrengon,  ende  bijsondor- 
lijck  dese  stadt,  alleenlijck  door  de  negotie  bestaendc. 

Dat  Dien  hier  tegen  wil  voorwenden,  dat  de  diversie  van 
de  voorsz.  handel  soo  licht  niet  soiide  gebeuren,  om  dat  oj) 
andere  ]>laPtsen  precii  <jTos>iers  sijn;  flaerop  diont,  dat  die 
haer  wel  liae.st  daer  ^oudc  laetcii  vinden,  want  gelijck  de 
ßchafiuwe  't  lichaem  volgt,  .soo  volgeii  de  coopluyden  t'voordeel. 

Vorder  wort  bij  de  voor.sx.  deductic  tot  ecn  luiddel  voor- 
gestelt,  de  wolle  hier  uvt  gaende,  met  vijff  gülden;) 
op  de  hondert  pondt  te  bea waren,  twelck  een  saecke 
i»  die  »trecken  soude  tot  grondelijck  verderff  van  de  geheel«^ 
negotie,  ende  handel  van  de  wolle,  daer  dese  landen  soo 
nierfkelijck  aeiif^cln^en  i"«,  dat  in  cnnsideratie  van  dien  de 
beeren  Stateu  Grenerael  in  den  jare  1614  all»; 
in  com  ende  wnUe  hel)ben  vrij  gestelt  van  alle  be- 
swaernisöc.  Nu  gelijck  de  negotie  vau  de  wolle,  door  soo- 
danige  vrijheyt,  aUe  andere  landen  ontrocken,  ende  geheelijck 
hier  te  lande  gebracht  is,  oock  soo  datter  genoegbsaem  hier 
de  Stapel  afT  is,  zoo  en  heeft  het  geen  twijffel,  off  door  con- 
trarie  mitMel,  nanientlijck  beswaeringe  ende  belastinge  der 
wolle  sal  den  sclven  hand(il  wed(^r  werden  verjaeght  ende 
verdrevon,  te  meer  alsoo  notoir  is,  dat  alle  de  wolle  hier  te 
laude  niet  en  can  werden  geconsiimeert. 

Dat  inen  vourötelt  t'exenipel  van  die  vau  Kugelandt, 
daer  den  uytvoer  van  haer  wolle  wort  verbodcn, 
t'selve  er  comt  hier  niet  ten  propooste,  aengesien  dat  d'In- 
gelse  wolle  is  een  vrucht  van  haer  eygeu  landt 
ende  dienvolgcuis  nergens  eiders  can  worden  be- 
fonien,  niaer  hier  ist  soo  gelegen  dat  de  Spnonsche 
w  o  1 1  e  ende  a  n  d  o  r  Ii  i  j  anderen  soo  wel  a  1  s  bij  o  n  s 
can  werden  v  e  r  e  r  e  l;  n  ,  en  (ner  Calai*  eu  V'laenderen 
nae  Brabandt  gevf>ert.  Üelialvcn  dat  de  voorgestelde  be- 
bwaringo  te  weten  v  ij  ff  gu  1  den  op  de  hondertpondeu 
wolle,  niet  alleen  seer  inegael  is,  overraits  de  diver- 
aiteyt  van  de  prijsen;  maer  is  oock  heel  groot,  gemerckt  om 
soodaentge  winst  selffs  de  fijnste  ende  pretieuste  wolle  monich- 
niael  vercoft,  ende  aen  den  anderen  overgelaten  wordt;  ende 
belangende  de  grove  wolle,  die  hier  s(>er  abondant  uyt  oosten 
<  oint,  ende  meest  wedemm  versenden  wnrdt:  de.selve  te  be- 
hwaeren  niet  5  guhlen  op  de  100  pondt  wolle,  sonde  wel 
20  ten  hondert  bedrogen,  ende  daer  beueffens  boneiuen,  de 


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89 


Vertieringe  van  onse  eygen  inlandtse  wolle,  op  de  Veluwe  in 
dv  B*'tn\ve  furlc  andero  r|uartieren  van  ons  landt  vallende, 
(It'weickc  alle  meest  Imytrii  sMainIts  worden  vers^nKk'n,  oock 
^5<mde^  selfl's  die  van  Loyden  hacr  wolle  iiiet  connen  uvt^eii- 
deu,  omme  in  Ylaeudereu  ende  Walslandt  harer  ketencn  te 
laeten  spinneiiy  sonder  de  welcke  sij  bare  manttfacturen  niet 
connen  maecken,  sulcx  dat  uyt  dese  beswaernisse  mede  lichte- 
lyck  Bonde  werden  veroorsacckt  de  ruine  van  den  Kandel 
derftelver  mannfacturen,  daeraen  nochtanrs  soo  voel  gelegen  U, 
Te  Seggen  dat  de  wolle  volght  de  drapperie  t'selve  is 
wol  waer,  vonr  son  voe!  daer  van  doen  is  om  te  verwereken, 
niaer  |4^e<}näiutä  om  ecn  gelicel  magasiju  ende  negotie  te 
nuiinteneren. 

In  voegen  alles  wel  overwogen  sijnde,  connen  niet  an- 
ders bevinden,  of  de  middelen  van  verbot  en  beswaemiBsc, 
bij  de  voorsz.  deductie  voorgeätelt,  souden  de  laeckenhandel 
ende  veel  andere  handelingen  ende  neeringen  opt  hooghste 
schadelijck  sijn. 


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m. 

Aktenstücke  zur  Keform  des  Zolltarifs  1683. 

(Stadtarchiv  Amsterdam  L.  0.  8.  Ko.  6.) 


A. 

Opgestelt  den  27.  September  1683. 

Maximes  geohserveert  in  hei  formeren  van  nieutce 
lysie  van  convoyen  cn  licenim, 

1.  Dat  alle  nianufacturen  van  buyten  inkomende  in  dese 
landen  van  wat  benaminge  deselve  mögen  sTjn,  't  sij  van  irout, 
NÜver,  sijde,  garen,  wolle,  hayr,  yzer,  kuper  off  van  eenige 
andere  stoffe,  doorgaens  op  liet  inkomen  nut  acht  ten  liondert 
cn  meerder  sijn  belast,  uytgeöondert  dat  op  de  iustantien 
vande  heeren  van  Rotterdam  eenige  weynige  engelsche  manu- 
factaren  wat  leger  belast  sijn;  en  op  het  uytgaen  sijn  alle  de 
voornoemde  manufacturen  met  een  off  ten  hoogsten  met  twee 
ten  hondert  belast  Hieronder  sijn  evenwel  niet  begreepen 
de  silesif^or  Hjnwaetcn  en  papieren  en  eenige  wcynige  anffere 
manufacturen  die  als  waeren  van  commercie  en  als  niet  mis- 
baar  aengeslagon  sijn. 

2.  Dat  de  fruytcn  van  biivten  inkomende  mct  twaelf 
ten  hondert  sijn  belast  uytgesondert  eenige  die  specifiaueliiek 
inde  Convoyl^ste  snnde  gcexprcsseert  met  tien  ten  hondert 
aengeslagen  sijn,  alle  de  voornoemde  firuyten  od  het  uytgacn 
belast  wesende  met  4  ten  hondert  De  amandelen  sijn  belast 
mct  vijff  ten  hondert  op  het  inkomen  en  op  het  uytgaen  met 
een  ten  IvTiflfi-t. 

3.  Dat  hetgenc  gcvist  is  met  selicpen  hinnen  dese  landen 
tc  vischerije  uytgcseilt  op  het  inkomen  vrij  is  gcstclt,  cn  met 
andere  schepen,  belast  mct  24  ten  hondert,  doch  op  het  uyt- 

facn  is  het  gevischte  als  traen  baerden  etc.  met  2  prcto 
cswaert  en  alle  ^csoute  visch  in  voegen  als  gemelt  gevangen 
en  rivier  visch  sijn  op  het  inkomen  insgelijx  vrij  gestelt,  en 
op  het  uy^^aen  woynich  doch  onderscheydentlyck  beswaert. 


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X  3. 


91 


4.  Alle  vette  waeren  van  buyten  inkomende  syii  met 
25  ten  hondert  aengeslagen  en  de  uytgaende  boter  is  lioswnf^rt 
't  vat  van  300  it  en  de  andere  vaten  naer  adveuant  uiet 
12  Vl^  en  de  uytgaende  kaes  de  100  U  met  2  7/^. 

5.  De  ooötjndische  waeren  betalen  naer  het  verord  dal 
dien  aen^t^nde  is  gemaeckt* 

6.  De  graenen  snn  beswaert  te  weten  de  tarruw  het 
last  f  4  : 10  op  het  inkomen  en  f  1  : 10  op  het  uytgaen  en 
de  andere  graenen  naer  advenanL 

7.  De  houtlatten  sijn  beswaert  p^eblevcn  als  van  outs  te 
weten  met  acht  stuyvers  het  last  en  iiisgelijx  de  matten  tot 
benehcieringli  van  de  scheepsbouwerije  en  navigatie. 

8.  Alle  iiuinufacturen  buyten  's  lants  bereyt  en  geverft 
verboden  intebrengen. 

9.  De  magere  oasen  off  koeyen  inkomende  vrij,  en  de 
vette  tien  guldena  per  stuck  beswaert,  en  beijde  op  het  uyt- 
gaen  aengeslagen  met  f  1 : 10. 

10.  De  wijnen  sijn  inkomende  belast  bij  het  vat  te  weten 
de  rijnsse  met  f  5,  de  fransje  met  f  3  en  de  Spaensche  met 
f  4  :  10  en  de  br-^nrle  wijnen   by  het  oxhooft  tot  f  2  :  5.  — 

11.  De  ingredienten  van  manufacturen  «iju  niet  of  seer 
weynich  belast  doch  onderscheydentlijck  gaende  doorgaens 
dersclver  belastinge  tot  een  off  anderhalv  ten  hondert  jmmers 
niet  boven  twee  prcto. 

12.  De  waren  en  koopmanschappen  die  werkelijck  in 
commerce  bestaen,  sijn  op  het  inkomen  doorgaens  belast  met 
2  off  uyterlijck  door  tien  ten  hondert  en  op  net  uytgaen  met 
1  prcto. 

13.  Alle  waeren  inde  lyste  niet  geexpresseert,  en  niet 
verboden  maer  gepermitteert  Zijnde  «ullen  betalen  van  de 
waerde  van  vijff  guldcns  vier  ätuyvers  op  het  inkomen  en 
drie       op  het  uytgaen. 

14.  £n  is  voor  leckage  van  alle  natte  waeren  uyt  Vrank- 
rijck  en  de  Rivieren  de  Maes  en  Rgn  afkomende  Seestux 
toegcstaen  12  procto.  uyt  Spagnien  en  andere  quartieren  14 
ten  hondert,  uyt  Engeland  Hamburg  en  Bremen  scs  proeto, 
VATI  traen  12  en  van  walvisch  spech  6  procto,  en  van  teer 
12  proeto. 

Vnorts  is  bij  resolutie  van  Jiaer  Ed  gr.  mogende  vande 
21  aug.  Iüb2  guetgevonden  en  verstaeu  dat  de  voornuemde 
nieuwe  lyste  tot  em  proeve  sal  werden  in  treyn  gebracht 
voor  den  tijdt  van  een  jaar,  benevens  de  placcaeten  en  In- 
stnictien  tot  een  equale  en  exacte  practique  van  de  middelen 
te  water  gearresteert,  en  dat  aenstonts  en  sonder  ophouden 
sal  werden  gebesoigneert  om  te  sicn  wat  mesnagc  soude  kon- 
r.on  werden  gepractiseert  off  geintrodueeert  in  de  respectieve 
CoUegien  ter  admiraliteyt  soo  wel  ten  aansien  van  haere  do- 
niestiquen  lasten  en  huyshoudinge  als  ten  rcspecte  van  de 


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92  X  3. 

ConvDvon  die  tot  protectie  van  de  Commercien  moeten  werden 

ge^even. 

Dat  binnen  scs  wtM  i  hen  naor  de  expiratie  van  het  voor- 
noenidt!  proefja<'r  een  «oo  naeuwen  ovcrslach  als  eenichsints 
doenlijck  sal  werden  gemaeckt  van  het  inkomen  vande  Col- 
legics  tci'  admiraliteyt  en  van  derselver  lasten. 

Dat  onder  het  inkomen  sullen  werden  f^ercctliont  het 
niont^mt  vjmde  vonrnoomde  nleuwc  lyste  en  d«'  niiddclen  ver- 
rat in  lir't  27.  artikel  van  de  InstriH'tie  voor  de  CDlIog-ifs  tcr 
ndiiiiraUt«'Vt  en  dus  de  foniiscatien  cii  iimlcteu  over  iVaudo 
en  Coiiuavcniien  jegcns  de  voornoenHi(^  lyste  gepKcclit 
buytcn  de  ^rijsen  te  water,  mitgader.s  de  «uiver  vrachten  en 
alle  andere  inkorosten  en  middelen  van  de  voornoemde  CoUc- 
gien  van  wat  nature  die  oock  aouden  mögen  Bijn 

dat  in  de  com  t^itie  vnn  de  la-sten  ingevolge  van  hacr  ed. 
gr.  mögenden  resolutie  van  de  27  maert  1681  gcbraelit  sullen 
werden  de  n^nten  en  iiitres.*;en  der  j>enningen  tot  laste  van 
d"  Ofdlt'^qt'ii  Irr  adniiralitevt  op  interest  lopeiide.  en  do  on- 
k*»-,ten  p'ri't|uireert  tut  het  doen  van  twee  convoyfu  de  jaei.s 
bder  van  twe«*  seliepon  naer  de  Levant  Smirna  daer  onder 

Jre^repeii,  niitsgaders  het  onderhoud  van  de  schepen  van  oor- 
och  tot  laste  v.m  den  staet  gebout  en  de  tractamonten  van 
de  hoge  en  andere  officieren  te  water. 

En  indien  naer  de  voornoemde  overslach  soudo  mögen 
werden  bevonden  dat  <le  voorsegde  lasten  nyt  het  voornoem- 
de inkomen  niet  souden  können  werdm  vervallen  dat  men 
als  dan  uiionlioudeHjek  sal  besoij^neren  le»«'  li('t  Hiirplus  sal 
können  werden  gevomlen  tsij  dan  met  vcrnieerderingh  off 
verhogingc  van  eenige  oft*  van  de  meeste  speeien  in  het  in- 
komen ofte  uytgaen  rospecttvelijk  en  in  gevalle  de  leden 
malekanderen  daer  Over  oinnen  nes  weecken  naer  expiratic 
van  het  voornoemde  proeQaer  niet  souden  können  verstaen^ 
dat  alsdan  ten  eynde  van  de  tweede  weechen  van  de 
waerde  van  de  inkoniendr  en  nyttraen  de  gaederen  (de  waerde 
van  het  voornoemde  k  n-t  t«-  vindm  bij  den  staet  genenien 
werdend»'  nat-r  de  e«nir.-  nil  in  ijs  dir  dr  vuurnornide  goederen 
alsdan  waerdieh  sullen  wesen  en  blijven  de  echter  den  koop- 
man  de  facultoyt  oni  deselve  waerde  in  het  aengeven  seif«  te 
verclaren)  equalijck  en  generalijck  sal  werden  geheven  een 
soodanich  gcdeelte  als  tot  verval  vande  voornoemde  lasten 
van  de  gemclte  Oollegien  ter  admiraliteyt  nodich  sae  wesen 
niet  dat  het  vornoemde  gedeelte  de  belastinge  op  de  voor- 
noemde nieuwe  lijste  daf^r  V)ij  gcreetdient  sijnde  niet  allein 
ni»  t  sal  mögen  exeederen  t  i^ecn  destlve  goederen  voor  desen 
in  «le  ordiniiris  eonvxiy  tUrde  verhoginge  en  veylgelt  bebben 
gecontribueert  raacr  selts  ooch  niet  vijff"  ten  hondert  in  't  in- 
komen en  uytgaen  te  samen  schoon  eenige  vande  voornoemde 


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X  3. 


93 


goederen  in  het  voornoemdc  ordiiiaris  ('^onvoy  derdt?  verho- 
gingc  en  veylgcet  iiieerden  soudeii  inogcii  gcgeveii  Lebben. 

Des  dat  de  vreemde  manufacturen  van  deselve  soorte 
als  de  mlandsche  sijn  de  des  niettegenstaende  in  het  uylgaen 
soo  liooch  sollen  moeten  worden  gcstclt  ab  waer  op  de  in- 
landsche  door  de  voornoemde  verhogin£;e  sullen  werden  ge- 
bracht;  eii  da  san  do  vonrnoomdo  vprnoginge  snilon  wosph 
geeximeert  do  gramen  en  de  gaodrrcn  vande  (»ostindisehe 
compajrnie  dcser  landen  niiotsgadcns  boudani^c  andere  koo|>- 
mansciiuppen  die  de  ledea  alsdan  sullen  oordeleii  dat  sonder 
perikel  san  diversie  geon  verhoginge  können  lijden 

en  Lidien  ten  eynde  van  het  jaer  raer  de  introductie 
vande  voornoemde  verlioginge  als  noch  soude  mögen  werden 
bevonden  dat  uyt  het  inkomen  van  de  voornoemde  lijste  en 
deraelfs  ver]iof!^in<;e  do  voornoemde  lasten  vnndo  vennelte 
collegien  ter  admiralitcyt  niet  souden  können  werden  vervallen 
dat  in  sulchen  gevalle  de  Leden  raet  malckander  hullen  over- 
leggen  lioe  en  in  wut  voegc  het  kont  gevonden  sal  werden, 
en  bij  aldien  de  Leden  binnen  twee  maendcn  nacr  de  expi- 
ratie  van  het  jaer  daer  in  de  voorgeroerde  verhoginge  sal 
sijn  gelntroduceert  malckander  daer  omtrent  niet  souden 
können  verstaen  dat  deselve  als  dan  sollen  liebben  soodanige 
viyheyt  aU  hij  in  krachte  van  voorge  Resolutien  en  andere 
publicaticn  hebben  !^(diad  en  als  noeh  sijn  hebbende 

dat  de  betalinge  van  de  voornoemde  verhoginge  sal  weaeii 
extraordinaris  en  vcrniindert  werden,  soo  liae^t  de  lasten  van 
de  voornoemde  CoUegieu  sullen  körnen  te  minderen  off  soo 
haest  de  leden  malckanderen  op  een  suffieante  lyste  van 
(yonvoyen  en  Ucenten  sullen  hebben  verstaen 

en  dat  eijndelijck  alle  meest  krachtige  devoires  sullen 
werden  aangewent  ten  eijnde  de  respectieve  collegies  ter  ad- 
miralitcyt  mögen  werden  voldaen  van  baer  achterwosen  ten 
lasti'  vande  kmon  R]^ii;nt'n  mitsiraders  van  de  aehterstallige 
subsidien  van  de  re.spuctieve  piuvmeien  en  dat  alle  't  genc 
daer  van  sal  inkomen  eerst  en  vooral  äul  blijven  geaffecteert 
tot  betiilingh  van  de  schulden  daer  op  gemaeckt  en  voorts 
tot  aflossingh  van  de  Capitalen  op  de  middelenter  See  ^enego- 
tieert  en  dat  het  gunt  van  de  voornoemde  nieuwe  lijste,  de 
verhoginge  van  dien  in  de  voornoemde  andere  iukomsten  van 
de  gemeite  eoUegien  ter  admiraliteyt  in  tijdes  en  nijlen  soude 
inneren  komen  nvertescliieten  naer  aftreck  vnn  de  lasten  die 
daer  uyt  sullen  moeten  werden  gesupporteert  mede  sonder 
eenige  divertie  sal  werden  geenployeert  tot  aflossinge  van  de 
capitalen  op  de  voorszcgde  middelen  genego teert,  en  dat  de 
Raden  en  ministers  van  de  voorssegde  coUegien  in  haer  ]ier- 
soon  aenspraechelijck  sullen  sijn  bij  aldien  bevonden  soude 
mögen  werden  dat  sij  de  vomoemde  intekomen  achterstellen 


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94  X  3. 

cu  subäidien  in  't  geheel  oft'  deel  soudeu  mögen  hcbben  ge- 
di  verteert. 

B. 

Remarquo  van  de  differentie  tusachen  de  conyoy  lyste 

van  de  jaere  1055  en  de  nieuw  geprojecteerde  lyste. 

1.  Dat  de  vruchten  van  huyten  inkomende  weynick  im- 
mers  niet  van  Consideratie  sijn  l)«\<;wnert. 

2.  dat  de  inanufacturen  van  btivU^n  iiikumende  als  wanren 
van  Commercie  biju  aengesien  en  duö  «eer  weynicli  betaelt 
sijn. 

8.  Dat  de  natte  waeren  vao  bayten  inkomende  sijn 

aengesien  als  commercie* 

4.  de  ingredienten  van  manufacturen  sijn  oock  niet  seer 
geavantageert  o])  het  inkonicn ,  dan  voor  sooveel  deselve  met 
een  sijn  aengesien  voor  wacron  van  conimercien  als  bij 
exenipel  Ii  et  turx-garen.  De  wolle  aileen  is  op  het  inkomen 
vrijgestelt. 

5.  de  graenen  sijn  op  het  inkomen  weynich  en  op  het 
uytgaen  hooch  belast 

6.  Inde  belastinge  van  de  houtwaeren  is  geen  nnmers 
geen  notable  differentie. 

7.  de  vette  beesten  sijn  op  het  inkomon  vrij  gesteh. 

8.  "De  Specerijen  aijn  speciüquelijck  behuit  tot  omtrent 
.  .  ten  hoiidert 

9.  de  visserije  is  boven  die  van  vrecmde  natien  niet 
geavantageert. 

10.  De  wijnen  sijn  bij  de  belastinge  van  de  ordinaris 
lyste  gereeckent  sijnde  het  extra(ordinaris)  bij  nae  op  een 
voet  als  bij  de  geprojecteerde  lyste  belast. 

11.  Waeren  van  commercie  eijn  doorgaens  by  de  voor- 
segde  lyste  hier  weynich  en  niet  hoger  als  bij  de  geprojec- 
teerde lyste  belast. 

12.  *  Manufacturen  buyten  'a  lants  boreyt  en  geverft  ver- 
laden intebr engen. 

13.  Waeren  en  koopnumschappen  in  de  lyste  niet  geex- 
presseert  b»Bwaert  op  net  inkomen  met  4  7^  em  op.  t 
uytgaen  insgetijz  met  4  TÜ^  van  't  U  vlaems. 

14.  van  Leckage  wert  niet  gerept 

C. 

By  resurnjitie  gedeiiboreert  zijnde  op  't  advis  van  de 
Heeren  haer  Edele  Groot  Mog.  Gecommitteerden,  lebbende 
in  gevolge  en  tot  voldoeninge  van  der  selvcr  Resolutie  Com- 
nussoriael  van  den  18  deses,  ge-ezamineert,  hoedanige  be^ 
lastinge  tot  verval  van  de  onkosten  ter  zee,  en  de  sterckinge 
van  de  Middelen  van  dien,  soaden  bebooren  te  worden  inge- 


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X  3. 


95 


willight,  breder  onder  de  Notulen  van  den  19.  October  des 
voorleden  jaers  1685  ghementioneert,  hebben  de  Heeren  van 
de  Ridderschap  ende  Edelen,  mitsgader  de  Gedeputeerden 
van  de  respectivc  Steden,  in  den  name  en  van  wegen  Bur- 
germeesteren  en  de  Regeerders  van  de  selve  Steden ,  gecon- 
senteert  ende  bewillight,  gelijck  haer  Edele  Groot  Mog.  Con- 
senteren  ende  bewilligen  mit  desen  in  den  opheff  van  de  or- 
dinaris  Lvste  der  Convoyen  ende  Licenten,  mitsgaders  in  de 
verhooginge  van  de  helft  van  dien ;  ende  dat  voorts  tot  sterc- 
kinge  van  de  voorssegdti  middelen  alle  soortcn  van  Waren 
ende  Koopmanschappen  die  op  de  voorszegde  Lyste  vrj  sijn 
gelaten.  Sonder  met  eenigh  recht  van  inkomen  of  uytgaen 
geehargeert  te  wesen ,  ende  die  nu  evenwel  's  Lands  inkomen- 
de  of  uytgaende  Rechten  van  Veylgelt  betalen  op  de  voor- 
schreve  Lyste  der  Convoyen  en  Licenten  suUen  worden  ghe- 
bracht,  ende  sulcks  in  het  inkomen  ofte  uytgaen  worden 
ghechargcert  met  de  selve  Somme  die  de  voorzsegde  Waren 
en  Koopmanschappen,  hetszj  in  het  inkomen  of  uytgaen, 
hetsii  bij  het  Stuck,  hetsij  bij  de  Waerde,  althans  in  het 
Veylgeet  moeten  betalen;  des  dat  too  wel  van  de  belastinge, 
begrepen  in  de  ordinaris  Convoy-lyst,  als  van  de  Verhooginge 
van  de  helft  van  dien,  mitsgaders  van  't  voorssegde  Veylgelt 
vrij  en  exeraj)t  sullen  sijn  alle  sodanige  Soorten  van  Waren 
en  Koopmanschaj)pen ,  die  bij  speciale  Placaten  of  Resolution 
daer  van  zijn  vrij  ende  exempt  gemaeckt,  gelijck  oock  ver- 
boden  of  belast  sullen  blijven  alle  soodanighe  Soorten  van 
Waren  ende  Koopmanschappen  die  bij  8])eciale  Placaten  of 
Resolutien,  'tzij  uyt  te  voeren  of  in  te  komen,  verboden  of 
hooger  belast  zijn  als  de  voorszt^gde  ordinaris  Lyst  met  de 
Verhooginge  van  de  Helft  van  dien  komt  te  bedraghen;  ende 
dat  den  Haringh  ende  Kaes  mede  sullen  werden  ge-eximeert 
van  de  Verhooginghe  van  de  Helft  van  de  voorssegde  Lyst 
voor  soo  veel  het  uytgaen  belanght,  ende  van  het  Vcylgelt 
voor  soo  veel  het  inkomen  betreft :  Dat  voorts  alle  Soorten 
van  Manufacturen ,  die  in  de  Lyst  der  Convoyen  en  Licenten, 
ter  Vergaderinge  den  een  en  twintighsten  Augusti  1682  ge- 
arresteert,  hoogher  zijn  gechargeert  in  het  inkomen  als 
komt  te  monteren  de  voorssegde  ordinaris  Lyst  ende  de  Ver- 
hoginghe  van  de  helft  van  dien,  soo  hoogh  sullen  werden  of 
blyuen  gecliargeert  als  de  voorssegde  nieuwe  Lyst  is  mede- 
brengende,  Schoon  de  Verhooginghe  meerder  soude  mögen 
bedraghen  als  de  voorssegde  ordinaris  (^'onvoy-lyst  ende  ver- 
hoginge  van  de  helft  van  dien;  behoudelijck  dat  de  selve 
Manufacturen  dan  oock  wederom  sullen  genieten  het  benetice 
van  het  transitoir,  voor  so  veel  die  transitoir  sijn,  volghens 
de  Resolutie  on  huyden  genomen. 

Dat  de  Inlandsche  Tabacks-Hladcren  in  het  uytgaen 
sullen  werden  beswaert  met  drie  Stiiyver,  op  yeder  j)ondt. 


96  X  3. 

Dat  de  Wijncn,  Brandewijneti  eti  Änjnen,  soo  wel  in  hei 

iiikomen  als  in  het  uylgaen,  sollen  werden  aengeslagen  in 
Confoniiit6  van  do  voorssegde  nietnvo  Lvst :  ende  dat  de 
leckagie,  die  van  de  voorsegde  Wijncn,  Braiulftwijnen  ende 
Azijnen,  mitsgadcrs  andere  Goedert  u  hij  de  Geinteresseerdens 
wert  genoten  ende  geproffi teert,  praeeiselijck  ende  na  de 
Letter  van  de  Placaten  otte  Resolutieu,  dien  aeugaende  genonien, 
aal  moeten  werden  gcreguleert  ende  gevordert  sonder  ccnighe 
digpensatie  ofte  conniventie:  Dat  voorts  alle  Koeyen  en 
C^sen,  van  bnyten  inkomende,  op  de  respecticve  comptoiren 
der  Convoyen  ende  Lieenten  opreehtelijck  en  sonder  eenige 
ver.s\vy«^ingr  stillen  moeten  werden  aenglie«reven,  op  verbeurte 
van  de  hce.steii  die  iiict  npruchteiijk  aengegeven  ot  verswep^en 
souden  mogeu  zijn,  ende  daer  en  boven  eeu  boete  van  drio 
hondert  guldeus  voor  yeder  lieeöt  dat  vcraw^en  ende  nict 
aengegeven  ia. 

Dat  YOortB  alle  de  voorssegde  Beesten  van  buyten  in- 
komende,  van  den  eeraten  Juny  tot  den  laetsten  Maert  reapec- 

tive  sullen  worden  geconsidereert  en  gereeckent  als  vette 
Gasen  of  vette  Koeyen,  (de  magere  MeUk-Koeyen  die  op 
dat  in.st;int  fl;it  aengegeven  worden,  getroeken  ende  ge- 
raolcken  konneu  worden  alleen  nyt^esondert)  ende  dat  van 
yder  de  voorssegde  Beesten  voor  inkoniende  reelit  geduyrende 
den  voorssegde  tijdt  van  lOntaeiiden  sal  worden  betaelt  20  Ca- 
roli  guldens;  dat  oock  aen  de  selve  CoUegien  tcr  Admirali- 
teyt  tsal  woraen  toeghevoegt  het  Middel  van  het  kleyn  S^el, 
vnor  sooveel  *t  selve  sick  over  de  Saecken  van  de  Zee  ezten* 
deert,  niet  srodanighe  inipliatien  en  Verbetcriii^'^cn  daer  op, 
des  nodip^h  g«*ncht  senden  mögen  werden:  Endo  <lat  «In  opheflT 
van  't  Middel  gesteh  op  de  Granen,  soowel  inkoniende  als 
nytgaende,  sal  sijn  en  blijven  ght* reguleert  op  dien  selven  voct 
ende  wi  js«*  daer  op  t  voorssegde  Middel  althans  gegeven  wordt 
ende  dit  alles  tot  ende  met  den  Jare  1687  in  duys;  ende 
dat  alle  debvoiren  ter  Generaliteyt  sullen  worden  aengewendt, 
ten  eijnde  bij  haer  Hoogh  Mogende  gelijcke  Kesolutie  mach 
worden  genomen. 


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t 


IV. 

Kurze  Übersicht  über  die  von  der  Stadt  Amsterdam 
aufgebrachten  Staatssteuern  1071  — 85. 

(StadtardiiT  AmBterdam  L.  K.  G.  Ko,  2.) 

A. 

Korie  Staeif  ofte  noHHe  van  'tgene  de  Stad 
Amsterdam  ffeamiribueert ,  opgebrttM,  ende  effeeü- 
velyk  gefurneert  heefiy  tot  bevordennge ,  ende  Suh- 

ftistentie  van  dm  Stffet  deser  Landen^  sedert  den  Jarc 
1671  toi  dm  Jarc  1085  beide  inclui^s^  8oo  aen  Ordi" 
naris  als  Extraordinär is  Lasten. 

Als  1.  heeft  de  Süid  Ainstt  rilani  len  romptoir*-  ^^'in  iael 
vaii  Holland  betaelt  wegens  Verpondiiigen  van  de  iiiiy.st'U  in 

den  Jare:  Iti71  .  .  f.  SSO  358:  — 

1672  .  .  „  382  680 :  — 
1078  .  .  -885347:  — 

1674  .  .  „  387  067:  — 

1675  .  .  ,  389  065  :  — 

1676  .  .  „  391  629  :  — 

1677  .  ,  „  395  543:  — 

1678  .  .  ,  401  261  :  — 
167i)  .  .  „405  504  :  — 

1680  .  .  „  416168:  — 

1681  .  .  „416843;  — 

1682  .  .  »416348:-^ 
1688  .  .  ,  416343:  — 
1684  .  .  ,  416  343:  — 

 1685  .  .  „  416  343:  — 

Te  sanen  .  .  —  £  6016337.: 

N*  Het  Quohier  van  de  Verpondingh  over  de  atsad  Amster- 
dam in  den  Jare  1666  gedooten  monteert  te  Somme  ran 


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98 


X  3. 


f.  416343:  —  dan  yermitB  daer  onder  oock  gerekent  sijn  de 
Huysen.  die  noch  geen  14  Jaren  gestaen  hebbeii,  is  onder 
Kortingii  van  de  selve  14  jarige  vrijdoin  aen  t  Land  OYer 
Verpondingh  betaelt,  'tgant  van  Jasr  tot  Jaar  hier  neveos 
Staat. 

Ten  tweedon  heeft  de  Stad  AiiiHtfi-dam  beUuilt  ten  voorn. 
Comptoire  Generaul  van  Holland  w^^gens  Verpachtinge  vau 


de  Gemene  middelen  in  den  Jare 


f.  1825613  :  0:  — 


f.  2106672:  — 


148894:  — 


En  tguMt  bij  c«>U 
lecte  Tan  de  Wtj- 
nen  noch  ont- 
fangen  is  .   .  . 

1680  .... 
van  d«'  collfH'ti' 
van  ih'  Wijnt^n 
aU  bov»in  .  .  . 
Van '  tZout,  Zccp, 
heere  en  redem- 
tie-gelt.  .  .  . 
van  de  Vorho- 
gingh  vant  go- 
maal  voor  4.  m  . 

1681  .... 
van    de  collectc 

▼an  de  Wijnen  .   „  131 720 :  — 
Zout,Zoep  enCo. 
Verbog!  ngli  van 
'IgemaaL  voor  een 
laer  


1671 
1672 
1673 

1674 
1675 
1676 
1677 
1678 


1951 


58500: 


f.  1932396: 


203360:  - 


183  < 


1682  ....  f.  2249623:  — 
Zout  Z(M«p  etc  ,  207  879:  — 

1683  .  .  ,  ;  f.  2886520:  — 
Qolleete  Wijnen^ 


en  brandewrnen 


169194: 


Zout  Zeep  Co.  .   ,  166788;  — 


f.  2089  740 
1368378 
1684724 

2582  710 

2274  S80 
2515  085 
2383  805 
2073  705 


1941 183 :  — 


2504  066:  — 


„  2450  476: 

2457  502 : 


2672  505 :  — 


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X  3. 


99 


Transport  f.  28  994  359 :  — 

1684  .....    f.  20705^1:  — 
CoUccte  wijnen 

en  brandewijnen   ,    98989: — 
Bj  CoUeete  van 

de  turf  en  kolen    .  ^57  500:  ^ 

  f.  2  527  020 :  — 

1685   2571  122:  — 

Te  «amen:  f.  84  092  501 :  — 

N*-  Dat  er  wegens  Zont  Ztep  tn  noch  eenig  geltbetaelt 
n^ort  wenlf^ü  twelk  in  f  166  788:  niet  iub^grepen  vermits 
iiet^elve  noch  niet  ontt'angen  is. 

N*-  Dat  by  coll(*cte  van  de  wijn(3n  en  brande  wijnen  noch 
eeiiige  penningeu  ätaen  onüangen  te  werden  cn  by  gevolgü 
niet  gecomprehendeert  onder  de  neveustaende  somme  van 
f  98989:0:  — 

Ten  derden  heeft  de  Stad  Amaterdam  voldaen  aen 
't  Comptoir  Generael  van  Holland  wegens  den  20,  40  en  80ate 


by  gissingk 


1G71 

• 

.  f. 

136  057 : 

1 1372 

■ 

•  M 

79  577  : 

107:5 

• 

•  n 

45  278  : 

1674 

•  n 

79  779 

1675 

• 

•  « 

74213: 

1676 

• 

•  1» 

50864: 

1677 

• 

•  II 

81  509 

1678 

•  « 

93189 

1679 

• 

•  I» 

147  090 

1680 

« 

•  » 

147  228 

1G81 

• 

•  II 

128  197 

1082 

104  800 

1683 

106  560 

1684 

• 

88152: 

1685 

•  » 

88153. 

t  1450834: 

Te  samen: 

Ende  ten  vieiden,  heeft  de  meer  gemelte  Stad,  ab 
bov«n  gelomeert  over  't  reght  van  't  kleyn  Zegel  in  den 

Jare  1671  .  .  f.  29  101 

1672  .  .  „  19  761 

1673  .  .  „  21  559 

1674  .  .  ,  25  340 

1675  .  .  „  20  086 

1676  .  .  „  25  001 

1677  .  .  „  56  702 

1678  .  .  ^  78  592 

1679  ,.,  84094 

Summa        f.  860  296 


7 


« 


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100 


X  8. 


Transport  f. 


To" 


1680 

im 

1682 
1683 
1684 

1685 


f. 

» 

n 
n 


366  296 

84  079 

74196 
79145 
73  479 
76  368 

70  868 


BehalvLU 
Lasten  heeft 


de 
de 


{.  829  y31 
gespecificeerde  ordinaris 


640  500:  5 


16.  Apnl  1672 


snmon 

hier  voor<Mistai  ii(k'  _ 

  L^<>.m.  Stnd  Ainsterdam  noch  betaalt  de  vol- 

gende  ExtraoRl.  Lasten  als  1.  Wegen»  verscheyde  200  Penn 
en  Capif-  Leeningen  by  haer  Ed:  groot  mo:  van  ttjd  tot  tijd 
gcconsenteerty  te  weten,  op  den 
26.  Fcbruary  1672.  1.  200  Penningh 

gevensgelt  ...  f. 
2.  200  Penn.  En 
by  rcsolutie  van 
27.Aug.l672geeo- 
verteert  in  Capi- 
tale  Lceningen  te 
betalen  in  Gout 
en  Silvorwerk     .  „ 
U.July         1672  2  Capitale  Lee- 
ningen te  Ijetalen 
als  }n)vcm    .    .    .  „ 
1072  1.  rcicl    voor  a* 
1 673  Capitale  Lee- 
ningh     .    .    .    .  „ 
by  de  voorn  reso- 
lutie  was  ook  gc- 
consenteert  in 
part  van  de  Trac- 
tenio!it'Mi  daervoor 
de   Stad  betaalt 

Iiecit  n 

9.  Maert       1073  1 .  reeel,  zynde  Ca- 
pitale Leeningb  . 
15.  Jnny       1678  2  re^l  utenpra  ge- 

vcnsgelt      .    .    .  „ 
1673  1  reeel  gevensgelt 


26.  Decembr 


1853000:10:  — 


1353000:10:  — 


657987  :  9  :  4 


27  ÖüO  :  18  ;  — 
655  775:ia:  2 


S.October 
'23.  Deeembr 


1673  1  reeel  gevensgelt 
K'»«  li  wof^ons  den 
20U  IViuiingli  ge- 
heven  werdende 
van  de  Tractemen- 

Tran;s|M)rt 


1  295  308:  0 
644  035:15 
641  362  :  7 


12 
14 
8 


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z  a  101 

Transport    f.  7  274  277  :  6  :  8 

ten  der  OflFicianton 
bij  gissingh  aUo 
noch    niot  vcrrti- 

kent  i»  ....   f.      11 000:  — 

27.  Maert       1674  4  Oapitale  Lee- 

ningen *         2706001:  — 

28.  July        1674  2  Oapitale  Lee- 

ningen   .    .    .    ,   „  1853000:10:  — 
24.Decembr.  1674  2  200  Penningen 

gevensgelt   .    .  1  422208 :  8  ; — 

24.Mcy         1675  2    Capitale  Leo- 
ningen   .    .    .    .   „   1  410  089:10:  — 
20.  Deceiiii>r-  1675  2  200  Penningen 

gevensgelt  .   .  1873642  :  4 

15. July  1676  2  200  Penningen.  ,  1362  055:  7 
lO.Maert  1677  2  200  Penningen  .  »  1330  031:  7 
31..Tulv  1077  1  200  penningh  .  ,  661  033:  9 
22.Decembr.  1677  1  200  |M  nningh  .  ^  652  409:14:  0 
S.April  1678  1  2üü  ]H  iinhigh  .  „  649  697:  2:  9 
20.Augn8ti     1078  1  200  ptnningh    .    „     647170:  6:  9 

29.  Maert  1679  1  200  penningh  .  „  640  203:11:  9 
^  fdl.  Mey        1680  1  200 penningh reSel  .     6d0  000 :  — 

\U.Decembr-  1681  1  400  penningh   .  .     810000:  — 

Te  Barnen   f.224S3420  :  3:12 

Boven  t  guue  voorschreven  is,  is  nogh  in  den  Jare 
1672  op  den  16.  April  by  haer  Ed.  Groot  mo:  extra 
ordinans  geconsenieert  in  een  halve  verpondinge,  ende  by 
de  Stad  Amsterdam  over  hare  huyaen  te  sage  voor- 
schreven betaelt  f.     208  171:  — 

Ende  op  den  28.  July  des  Jacrs 
1674  is  een  trelyke  halve  \'erj)oiidinge 
geheven,  en  is  by  gevolge  duor  Amster- 
dam geiurneert  cen  gelijke  somoie  van    „     20S  171  : 

Te  Samen    f.     416  342:  — 

Somma  Totalis 

Van  d.'Verpoudiiighzedert  1670  tot  1686  „  6  016  337:  0 

Geraeene  middelen  utsupra  .    .  „34  092  501  :  0 

20,  40,  en  80^  penningh  utsupra  „  1  450834 :  0 

Van  't  kleyn  Segel  utsupra  .  ,     ^^^^1'  ~ 

  Te  samen  £42889608 

*  Oese  2  posten  zijn  by  gissingli  geaomeii  alsoo  deaelre  liogh  niet 
Tcrrekent  sijn. 

Dat  onder  het  part  van  de  Tractementen  ter  Somme  van 
f  27  356:18:  —  hier  boven  gespeciticeert,  niet  begrepen  sijn,  de  Trac- 
tementen  dewelke  by  de  Oostiodtache  Compagnie,  oy  de  admiraliteyt 
tot  Amf^terdam,  «n  bj  d'Ontfiuiger  vtsi  de  gflmene  Afiddelen  deaerStad, 
betaelt  werden. 


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102  X  3. 

Transport  f.  42  389  003 :  — 
Somma    Totalis  van    tgene    de  Stad 
Amsterdam  in  de  voorzegde  Jaren  aen 
Ordinans  Lasten  heeft  opgehracht  .    .  ,  42889603:  — 

8omma  Totalis 

Van  alle  200  pen- 
uingen  en  Capi- 
tale  Leeningen  hj 
Amsterdumbetaelt 
sedert   de  voor- 

noemde  Jaren  .  £.22  433  420:  3:12 
*/f  Verpopdingen   ,     416342:  — 

f.22849  762  :  3:12 

Ende   zal    ovor  Ordin.iris    en  Extra- 

ordinaris  Lasten,  de  sonniKi  v;ui  .  ,  .  „G5 230 365:  3:12 
N*  Dat  onder  de  vooniocnidc  «omnic  van  f.  65  239  305  :  3:12 
by  de  8Uid  AiuHtenlani  zedert  t'  begin  van  den  Jare  1671 
tot  1685  incluys,  opKebracht,  niet  begrepen  is,  't  geen  de 
Admiralitejt  binnen  de  selve  Stadt,  van  de  goede  gemeente 
van  Jaar  tot  Jaer  sedert  deselve  tijd ,  boefi  ontfangen ,  We- 
sens Gonvoyen  en  licentcn  met  de  ^/«  verbogingb ,  nüt^^en 
Last  en  Veylgelt,  t'  welk  Jaarlijs  al  een  seer  nerckelijke  soniine 
komt  te  import^ren, 

B. 

M»Mnorse  van  eciiigc  Imposteii  op  ordre  van  de  Lande 
onverpacht  gelaten,  waer  van  teu  Comptoirc  van  den  Heer 
ontlanger  de  Wilhem  penningen  zijn  ^efoumeert  als  volgt» 
Op  de  Wijnen  tot  laste  van  de  Tappen  is  boven  de  87  000  — 
VjT  Verpachtinge  nylgeloost  door  den  Commis  Jacob  van 
dampen  betaelt  op  de  voonmegde  impost  van  'tj^uir  in  gegaen 

pr'October  1679   f.     37  068:  6:  6 

door  Barent  Frits  en  Johannes  Basse  op  de 

<^Uüti  satie  Wyuen  van  den  aelven  termijn    „     78  501:19:  9 

f.  115  570:  6:  3 

door  den  Coniniies  Jacob  van  Kämpen  op 
de  Wijnen  en  tot  laste  van  de  tappers  van 
4  jaer  'ingegacn  pr«  Octobris  1680  betaelt  ,  59886:13:  6 
Door  Frita  van  Basse  op  de  quoti  satie  Wij- 
nen ingegaen  pr» Octobris  1681  betaelt  ^  „  8nnr,7:in. 

f.    148894:  3:  6 

do  1  Ion  Commies  Jacob  van  Kampen  op 
de  Wijnen  van  4  jaer  ingegaen  op  pr* 

Octobris  1081  betaelt  „     49  860:  — 

door  Frits   van  Baswe  on   de  fiuoti?«atie 

Wijnen  Ingegaen  pr«  Octi 'bris  1681  beuielt   ^     80  058:  8:  6 
Noch  door  Basse   op  de  3  voorszcgde 
imposten  van  den  Jare  1679  1680  en  1681 

betaelt   »        902;  8:  4 

f.  181720:11:10 

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X  3.  103 

Op  de  Pacht  Tan  de  Wijnen^  Tan  4  jaer 
iogegaen  pi^  Octobris  1688  is  Qeoouee- 

teerd  en  betaelt  f.  156993 

Brandewijnen   „     12  204 


f.  169197 

op  de  Pacht  van  de  Wimen  etc.  van 
4  jaer  Ingegaen   pi*  Octooris  1664  in- 

gecoUecteert  oii  betaelt  ,     93  589 

Brandewijnen   „      5  400 


T    90  yö9 

de  verhogiii^  van  't  G<^mael  voor  in- 

gaeiidc    8.  april    1680   '  vndigende  ult" 

July  1680  iö  gecoUectcn  t  lii  betaelt  .    .    „     53500:  — 

de  verhoging  von  't  Oeiaaol,  voor  een 

Jaer  ingaende  pr^  Augubti  1680  ulbupra 

gecjndleht  ult^Jnly  1681  ts  betaelt  ul  .   ,    183000:  — 

Nota  de  CoUecten  van  't  Sottt  en  voor  de 

jaren  1680,  1681,  1682  ende  1688     .  . 

Of  de  Impost  van  de  wijnen,  mee  en 

azynen  van  4  janr  ingegaen  pr*  Octobri 

1683  gecolloftecrt  en  betaelt  „    ir>(;<'93:  — 

Ol)  de  brandewijnen  als  vooren  van  'tzelvo    ^      12^04:  — 
als  voor  op  de  wynen ,  moe,  azynen  van 
't  jaer  ingegaen  pr"  Octobri  1684  .    .    .    j.     93  589 :  — 
op  de  Brandewynen  utB  5  400 :  — 


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V. 


Aktenstacke  über  die  Gründe  des  Ver&Us 

der  Seidenindustrie  und  die  Mittel,  die  zur  Hebung 
derselben  dienen  können  1774. 

(Stadtarchiv  Amsterdam  Lade  Z.  9  Nr.  8.) 


A. 

Memorie 

(onder  verbetering)  op  een  oii-eeii«zijdige  wijse^  bij  propo- 
sitie  Yoorgestelt  wordende  om,  als  eene  der  hoofdzaken  voor- 
waardig  to  dienen,  ter  Herste!,  en  raeerder  Debiet  hier  te 
T^ande,  en  op  een  geperniittecrde  Wijze  van  hier  na  eiders 
f)nytten  Lauds  der  goude  zilvere  en  Zijdefabriquen  hier  te 
Lande  wordende  gefabriceert,  dog  dit  voorstel  alleen  werdende 
gedaan,  onder  wel  uytdruckelijke  rcöerve,  vooraf,  dat  het- 
geene  de  minste  Legie,  off  benadelinghe  soude  kunnen  ope- 
reeren  (by  zo  Terre  de  xaaken  daarin  yorkomende  en  aan 
de  meerdere  kundigheid,  ter  Juyster  beoordeeling  gched  on- 
der geschikt  werdende  overgelaaten)  aan  de  Hoog  en  Wel  £d. 
Oostindisehe  Compagnie  deere  Lande,  nog  hon  Wel  Ed.  wanr 
belang,  en  interest,  in  een  off  ander  opzi^t,  aangaaiide  het 
prodiH-t,  Imniier  oostiiidiselio  Zijde  tot  liet  fabriceeren,  hier 
te  Lande  van  voornoemde  btoffeu  bcuodigdt. 

£n  dus: 

onder  de  opgemelde  voorbehoudiugh  van  in  geenerlij  wiJze 
te  zollen  benadeelen  en  indrang  veroorsaken  ter  yerkorting 
▼an  voornoemde  belang  en  intereat 

werd 

wijdci.s  nader  voorgeatelt:  off  niet  in  de  aller  eerste  en  hoofd- 
zakelijke  plaats,  ter  Herstel  en  meerdere  Debiet,  den  voors- 


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X  8. 


105 


segde fabricquen  hier  te  Lande  van  lir-t  meeste  gewicht,  en 
aanbelang  te  considereeren  soude  zijii,  00  wannetr  iiiet 
en  ondcr  de  hoog  gunstige  voorstand  Approbatie  en  goed- 
kenningh  van  zijn  doorluchtige  Hoogheid  den  Heere  Prince 
Eifrtadnouder  der  vereeade  NäLerUnden,  bijzond«r  en  denehre 
hooge  dignitoiteu  in  en  ter  zaake,  der  wel  Ed.  oostindtscbe 
Maatschappije  hier  te  lande^  en  van  die  der  verdere  Hoog 
aanzienlijke,  intcrressanten,  en  boofdpartieipanten  dien  gedagte 
O.  (y  cn  door  hun  hoog  cn  wel  Ed.  goet  gunstige  Intercessie. 
bij  den  iSoevrijne  deezer  Landen  bij  wijse  van  eene  onder 
bundeling,  raogte  worden  beraamt  en  toegetredten  ten  eind(? 
(waare  iiet  raogolijk)  ten  nutte  en  behoeften  vervuUen,  van 
d^'  finbrikanten  en  ^iidehandelaars  tot  voortsettcn  den  gem(elde) 
fabrii^uen  en  baadel  hy  den  octroije  van  welgemelde  Hoog  en 
Wel  Ed,  O  :  C  :  mogte  worden  beraamt  vastgestelt,  en  ver- 
^ndt^  alwaar  het  maar  prorisioneliik  voor  zeeker  getal  .  .  . 
Jaaren,  in  yder  dien  Jaaren  (mits  ue  gelegenheid,  ten  inkooj) 
doorde  ordres,  van  gedagto  O  :  C**-  in  de  oostinrlicn .  dooral 
4aar  gewegzaame  »luantitcijten  van  de  verscheydonen  Soorten 
van  zijde,  van  den  zijdewonn  aldaar  afkomende  ende  des- 
wcgens,  voordehg  uytvallende  recolte  der  zijde,  daartoe  be- 
kwaam  waare;  maar  eerder  nog  anders  niet)  een  seekere  vast 
geatelde  Quantiteit  in  Elk  dier  Jaaren  voor  Iiunnen  Fabrikeur 
en  Fabricquen  handel  genoe^i  /  i am  en  zulcx  van  de  diverae 
Sortimenten  van  zijde  door  hun  Hoof^  en  Wel  Eds.  ordres  telkena 
in  Yder  dier  Jaaren  uyt  de  Oost  Indien  mrt  de  Compagnies 
8cbeepen  herwaards  na  deeze  Landen  over,  cn  inkoomende 
en  dus  in  yder  Jaar  Een  Quantiteit  van  • — 

•oiuinedus  (voor  zooveel  na  geleegenheid  ende  favorable  om- 
standigheeden  als  voor  zegt  in  de  oost.  Indien  zig  daar  toe 

gunstig  op,  en  voordoende  aan  de  ordres  aldaar  daartoe  heb- 
faeade  van  gemeide  Wel  Ed.  O :  TN),  hier  te  lande  den  gedagte 
ininndsche  Fabrikeuren  en  Zijdehandelaaren  (soo  liet  doenlijk 
mögt  sijn)  pro  yder  dien  Jaaren  van  de  benodigde  Zydegoet 
günstig  te  voorzien. 

Ell  ten  tweedeii,  dat  also  bii  aldien  zulx  aan  hen  vooroot 
gunstiglijk  kuiule  en  mögt  weezen  toegestaan  of  op  een  off 
andere  wijse  Zij  Fabrikenrw  en  Zijdenandelaars  ten  einde 
als  boven  instant  mogten  koomen)  alzo  dat  er  in  allen  ge- 
Valien  successivc  met  de  herwaards  overkomste  der  gedagte 
scheepen  van  de  dus  meer  of  min  hier  to  Lande  inkoomend«^ 
Oost  Indische  Zijde  in  voornoemdc  Jaaren  ende  op  vijlingen 
publicque  vrrkoop  door  de  ordn  s  van  de  Wo]  Ed  O :  Co. 
alliier  ten  kaniere  en  bij  hun  Wel  Ed  andere  kauKi»,  dat 
dan  alleen  maar  provisioueel  vor  d»  .  .  .  .  Jaaren  de  prijzen 
tor  inkooping  voor  Ken  Fabrikeuren  en  Zijdebandelaaren  zo- 
danig  modicq  mogten  gesteh  en  geealculeert  worden  en  dus 


106 


X  3. 


ter  inkoop  aan  lien  toegestaan,  dat  ssij  alzo  Aanvankelijke  m 
beettere  appureutie  kondeii  geraaken  van  in  staat  tc  aullen 
koomen  m  het  Debiet  en  Tertier  Tan  d<*  hon  fabrieq  en> 
handel. 

En  dat  dtu  tot  dien  aankoop  Zij  fabrikeoren  en  Ztjde' 
handeiaar%  daartoe  volgens  die  vooraf  vergunde  Pnjs  calcu- 

latic  mogtcn  en  altoos  (op  yder  dicr  vcrkoopingon  binnen  de 
voornoemdo  Jaaren)  na,  en  volgens  dito  schikkin^;  en  calcu- 
latie  mogte  gehoudeu  worden  to  ziju  gepraeff k  »  rt  tot  het 
doen  van  den  Inkoop  van  alle  die  soorten  van  zijde,  bijge- 
dachte  Wel  Ed.  Oost  Indische  Comp,  en  dat  voor  oflf  met  ter 
agde  Stellingen  van  allen  buyten  Landeren  daer  toe  admiasie 
te  mögen  hebben,  des  ten  opzichten  van  d**  inkooners  onder 
den  anderen^  en  eenyder  van  hen  voorztg,  met  volle  vrijheid 
om  telkens  bij  d°  opvijling  hoger  opbot,  voor  dito  Zijde  te 
moogf^n  doen,  en  die  dnnr  voor  te  moogen  ontvHngen  also 
nieede  om  van  ydere  soon  dier  sijde,  zo  veele  quantiteyteii 
op  d"  vijlinge  te  mögen  inkoopen  als  dezelve  voor  zig  beno- 
digd  mogte  hebben.  En  mits  dat  de  iukooper,  in  cas  vai> 
weder  verkoop,  dien  zijde,  voor  die  zetve  inkoopsprijse  ^ 
(onderling  met  den  anderen  dan  staande  de  vijling  nader  te 
bepaalen),  dan  ook,  daartoe  praeferentie  quaame  te  verleenen 
aan  gedagte  hunne  meedefabriekeuren  en  handelaars  in  sijde 
alhier  te  Lande  woonagtig  boven  de  toelaating  dien  aangaande 
van  buyten  Landeren  daarvoor  «um  hen  prijs  biedende. 

Een  voorts  ten  aanzien  van  hen  f'abriekeuren  en  Zijde- 
handelaars  hier  te  Lande  gezaameutlijk  genounieu  dat  dezelve 
dufl  dan  ook  gehouden  en  verpligt  souden  sijn,  omme  met 
den  anderen  telkens  die  op  te  yijlene  partije  Ziide  bij  ge* 
melde  Wel  Ed*  O.  Co.  te  moetten  oon  dito  vooraf  daartoe  ten 
hunnen  behocven  bepaalde  prijse  tot  inkoopin^  inkoopen. 
Waar  van  den  door  een  ijeder  vas  hen,  b?j  schikking  onder 
den  anderen  telkens  die  op  vijhb'  Zijde  voor  hun  roekening 
soude  werde  geljiatten,  ten  ontvangüt,  van  en  voldoening  dien 
koopsj)rijse  aan  wel  gemeide  0.  van  alsulke  quantiteiteu 
alä  yd«  r  kooper  mögt  koomen  intekoopen, 

Maar  doa  dtiarenteegen  zo  soude  dito  fabrik euren  en 
bandelaaren  in  zijde,  bij  wijse  van  remplacement  aangemelte 
Hoog  en  Wel  Ed.  Participanten  en  geinteresseerdena 
van  en  in  meer  gemeide  O :  C\  van  het  geene  aan  hun 
Wel  Ed.,  bij  d»,  vijling  en  voorszegde  inkoop  der  zijde  in 

voorn'  onvb'   .Taare  minder  mögt  hebben  opgebragt  als 

ter  voorziening  en  vergoeding  van  hun  Wel  Kd"^  b^lnng  en 
interest  in  gedagte  O.  C"-  mogte  vercijsclit  worden,  ten  goed- 
doeuing  der  kosten  so  wegen  de  door  iiiin  Wel  Kd*  ordre» 
in  de  Oost  Indien  p'  hun  Wel  Ed'-  gestabileerde  Negotie 
Comtoore  daar  te  Lande  als  yervolgcoä  ou  deze  toere  her- 
waaide  na  deeze  Lande  voorgevallen,  met  net  Eacpireeren  Tan 


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X  3. 


107 


het  Laaste  der  gemeide  Jaaren  aan  me  te  meer  ge- 

dagte  Wel  Ed.  O.  C***  door  ydere  Fabrikear,  en  Zndchande- 
laar,  Pro  rato  van  het  gehede  moDtant  of  somma  dier  zijde 
welke  dezelve  bij  npvijb'ng  der  zijde,  by  gemelte  O.  Cv 
mögt  hebben  ingekogt,  van  yder  zulke  partij  Zijde  afsonder- 
lijk  gereekent,  Voor  eens  geeven  geldt  boven  den  inkoopsprijs 
van  d°  partij,  nog  moetten  opbrengen  en  zonder  eenig  het 
minste  mancmement  terzet  off  uijtstel  ter  Eerster  vordering  en 
aanspraak  r^-  de  ^  ordree  van  deselve  Wel  Ed,  O.  O-  aan 
dexelve  moetten  bij  wijse  van  ophoogingh  boven  den  geaccor- 
decrdo  prijfli  voldoen,  een  intereet  van  «...  per  O^'  En  dat 
Elk«  dier  Inkooperen  deswegens  vooraf  en  een  opviiling  finaal 
sonne  Weesen  afgeloopen  ter  kamere  daar  sulx  soude  werden 
gedaan,  ten  vollen  genoegen  van  Welgemelde  Wel  Ed.  O. 
O-  voor  die  te  doene  verhoogde  opbrenging,  alle  vooraf  l)ij 
den  Octroye  te  beveelen  securiteit  en  seekerstellingen  zoude 
moetten  doen  onder  aoodanige  Paenaliteid  in  cas  van  wijge- 
ring  off  nalatigheidt  als  daar  bij  mögt  worden  bevoorwaardt. 

En  OD  dien  grondsUg,  den  veitler  (voor  onderstelt  dat 
daartoeooK  ten  faveurevand^  Fabrikeuren  en  Zijdehandelaaren 
hier  te  lande  ter  respectieve  kamere  van  verknoping  van 
d*-  O.  C"'  de  bedonigdo  ordre«  uiogten  en  Waaren  gesteh) 
dat  in  cas  van  hooger  biedinge  van  prijze  voor  d"^-  Zijde,  door 
off  van  wegens  buytten  Landsche  Fabrikeuren  en  Zijdehande- 
laars  dat  dan  nog  den  Fabrikeuren  en  zijdehandelaars  hier  te 
lande  (mits  zig  binnen  aeekere  bepaalde  tijt,  vooraf  daar  toe  aan 
Een  door  meergedagte  O.  O-  te  veignnnen  ende  bepaalen)  aan  of 
terplaatse  vandeopvijling  derwegens  na  behooren  declareerende 
de  voorkeure  mögt  werden  verleent,  omme  voor  d<*  hoogef 
opgeboodene  prijzo  van  gcnr  Wel  Ed.  O.  C**-  telken^^  /iiTke 
partije  zijde  als  praefen  iitr»  TrtkoojxTs  te  moogen  overneenien^ 

Edo^  in  dat  ca.s,  dan  ook,  aan  de  andere  Zijde,  te  aan-- 
zien  van  hen  binnen  Landsche  Fabrikeuren  en  Ziidehandelaaars, 
dat  desdve  van  wegens  gemeide  Wel  Ed.  O*  O«  of  hunne 
ordres  in  het  aeekere  mogte  worden  geinformeert  dat  dien 
booger  opbot  van  prijse  tot  inkoop  der  Zijde  in  den  daat 
waarc  gedaan  door  off  voor  rdsening  van  bnyten  Landsche 
Fabrikeuren  en  Zijdehandelaars 

berustende  dua 

1^  Het  hierboven  (onder  verbetering)  voorgestelde  alleen 
op  de  navolgende  vooronderstellingen  Nanielijk: 

Dat  bij  de  opgemelte  Hooge  en  niustre  Souvrijne  deeaer 
Lande  met  welgedagte  Hoog  en  Wel  Ed.  O.  O*  de  voige- 
Btelde  zaaken  in  de  tegenwoordige  omstandigheden  goet  gun- 
stig in  Zeflexie  mogte  koomen 

2\  dat  dan  nog  (sulx  verworven  Zijde)  bove  n  lim  in 
cas  van  die  begünstigende  schikkingen  in  en  ter  zauke  als 


108 


* 


Toomielt,  die  naast  den  Velijk  niet  wcl  andern  sotide  voor 
den  inlandsclif  Fabrik furen  en  Zijdehandelaars  }iiin  wensoht 
verlangen  zoude  kennen  voldoen,  dan  onder  ceu  m  de  Natuur 
der  zaak  zelve  opgesloottene  of  iLuirvan  geaccroi sseerde  nieU 
namelijk  en  dat  de  geleegenbeid  iu  de  Oo^t  Indien,  door  de 
ordres  van  de  meei^edagte  Wel  Ed.  O.  O  aldaar  ter  in- 
kooping  van  zgde  niet  op  eenigerlij  wijse  belemmert  of  ge- 
strömt aldaar  Wierde,  door  de  Inkoop  van  Gomtoore  van 
Negotie  aldaar  gestabileert  van  wegens  de  Hooge  ordres  en 
Lastgeving  ter  bekoomingh  van  alaulke  zijde,  van  andere 
Potentaten  en  Nati(in  Encbit  er  successive  (door  de  wel  uvt- 
vallende  recolt  ii  der  zijde  in  de  Oost  Indien  boven  en  be- 
halveu  die  ook  aldaar  vor  of  wel  teu  behoeve  van  geiuelte 
O.  O*  hier  to  Lande  bekwaame  geleegenbeid  waare^  ten  be- 
kooming  der  quantiteiten,  en  Sortimenten  der  Zijde  die  volgene 
vergunninge  als  bove  gezegt^  aan  d^  Fabrikeuren  en  Zijde- 
bandelaans  hier  te  Lande  also  mogte  worden  to^gastaan. 

3\  en  ten  derden  en  Eijndelijk  dat  eens  genoomen  alles 
in  raaniere  voormelt«»f  op  andere  wij.se.  ter  liunner  beettere 
in  Staatstellinp^  ter  lierstel  en  meerder  Debiet  Imnner  voor- 
melte  iulaudsche  Fabriquun,  goetgunätiglijk  voordende  en  Zijnde 
te  beraamen,  en  vaättcstellen  dat  dan  egter  ook  nog  door  wel- 

Semeide  Illustre  Colegien  aan  hun  Fabrikeuren  en  Zijdehan- 
elaars  de  Herstelling  cn  vordere  voort  zetting  en  uytbreiding 
bnnnen  gedagte  Fabrijcquen  en  Zijde  handel  van  wegens  als 
boven  nadere  ordres  en  vergunningen  zoude  nodig  weoren 
betreffende  die  bunne  verdere  voortzetting  voor  »ooveel  de 
daar  van  voortspruyttende  meerdero  vertier  en  debiet  te 
veel  mogte  kuune  stremmcn,  liet  ordinaris  debiet  eu  vertier 
van  oostindiscbe  Stoffen  successive  door  de  liooge  ordres  als 
boven  uyt  de  oostindien  met  de  scheepen  der  O.  O-  indese 
lande  arriveerende  off  van  andere  Stoffen  uyt  andere  Landen, 
op  een  gepennitteerde  wijse  hier  te  Lande  ingevoert  en  ver- 
debiteert  werdende. 

Oratrent  welkts  derde  en  laa^te  •i;rond.stelHng  on  bet  be- 
denkelijke  daarin  in  voorgestelt  mo^'^elijk  door  verdere  antori- 
tevt  en  begünstigende  —  seliikkinge  aU  boven  ter  weder 
zijde  uuttig  als  een  statutair  lieglement  en  ordre  voor  hen 
Fabrikeuren  en  Zijdehandelaaren  waaren  te  koopen,  omtrent 
de  geruste  en  bevijligde  voortretting  hunner  Fabriquen  en 
handel  nadat  dan  voor  of  verder  uyt  booge  authoritcyt  als 
voorzegt  zij»  van  we;xen  deselve  bij  vervolg  van  lijt  f hunner 
Fabrikeuren  en  Zijdehandelaaren  fabriequen  en  liandoi  floree- 
rende  vourtf^aande)  mogte  worden  begünstigt  in  hunne  fabrie- 
quen en  Zijdehandelaaren  uyt  en  door  de  gedagte  Hooge  cn 
Illustre  Soevereiniteit  deeser  Landen  (voor  so  veel  sulx  uyt 
de  bcveelende  magt ,  dcrselve  hooge  overheyd  eu  derselver 
prudente  oordeel  mogte  worden  verstaen  en  verordineerd  ab 


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109 


Qtet  strijdende  waare  met  de  Placaatten  van  den  Landende 
ordonnantien  der  btjzondere  Steeden,  off  met  de  teactaaten  in 
t'vreerade  Mo£!^onfUiootf>n  ^omn«akt)  als  aan  hon  tot  meerder 
ecn  doorjETaander  vertier  dragt,  en  slijtiigie  mitegaders  tot 
verdere  debiteering  cn  versending  na  l)iiyten  Lands  mögt 
kunnen  en  worden  gocdgunstig  toegestaen  en  verleent  vermit» 
ook  dat  zij  inlandBche  Fabrikcureo  en  Zijdehandelaars  door 
die  also  vooitzetting,  Kunner  Fabricquen  en  Handel  (waardoor 
£en  zeer  groot  aantal  behoeftige  arbeidslieden  en  Ledig- 
gengers  hier  te  Lande  ter  ontlasting  voor  de  Diaconien  en 
|)ubTl(|ue  Godshuyscn  aan  de  kost  können  helpen)  das  niet 
soude  kimnen  liog  vermoo?**n  cenige  I^gie  off  nadeel  too  te 
brengeu  aan  hei  vertier  en  Dcbict  on  gohruyk  van  alle  van 
zijde  gewerkte  Stoffen:  die  successive  duor  de  ordre»  van  de 
nu  te  meer  voormelte  liuuge  Interessanten  van  gedagte  Wel 
Ed.  O.  O  met  haar  Companies  scheepen  herwaards  na  deae 
landen  mogten  werden  ovei^evoert  en  rakoomen. 

En  du8  werd  het  zakelijke  In  decse  Memorie  verbat:  ala 
nlleen  up  een  Neutraale  wijse  en  off  die  eenige  Nadere  over- 
weging  en  refloxjp  tot  Nat.  soude  kunnen  on  mögen  Meeri- 
t<'eren  ten  ceiiemauie  onlierroepelijk  aan  Prudeutcr  beoor- 
ilecling  in  de^en  alö  voore  vorgedragen.  —  Meit  alle  sinceriteit 
en  verschuldigde  obedientie. 

En  also  yoor  een  wijl  tijds  eens  vaet  voorondentelt  aijnde 
dat  en,  op  de  eene  off  andere  manieren  voor  de  meeigedfagte 
Fabrtkenren  en  ZijdehandelaarB  uyt  hooge  anthoritdt  en  met 
voeetaaning  als  booven  ralke  echikkingen  en  ordres  waaren 
beraamt,  waar  door  zij  in  voomoemdc  Jaaren  gcnoegsaam  voor 
hun  Fiilin'cquon  en  Hände!  van  oo^;t  indischo  Zijde,  ten  nio- 
dicfjue  prijse,  als  voonnelt,  sniult*  worden  goetgunstig  vo  i  sieii: 
Maar  daar  tegenb  ook  vast  wuarc  bepaalt  hoeveel  d"  liuoge 
Interessanten  van  d**-  O.  O  op  yder  parthye  te  verkoopene 
zijde,  zoude  moetten  nrofiteeren:  ter  goeddoening  hunner 
Inkoops  Kosten  in  de  Oost  Indien ,  en  op  de  Retoeren  voor- 
vallende,  gesteh  eens,  ten  bed  ragen  van  elke  parthij  :  pro  rato 
25  prCf-  Maar  dat  aan  Heen  Hoog  en  Wel  Ed.  Interes- 
santen d.mr  vnn  in  d"-  Jaaren  bij  den  Inkoop  van  vder  parti) 
Zijde  door  gemelte  Fabrieken  Een  en  Zijdehanaelaars  pro 
rato  bij  den  inkoopsprijs,  op  reekening  zoude  worde  betaalt 
15  prCt*"-  Do,  zoude  met  de  Expiratie  van  het  Liaaste  dien 
rmKgäe  .  •  • .  Jaaren,  door  ben  op  der  voet  als  hier  vooren 
reets  is  ten  nedergestelt,  nog  aan  wel  gern**  Hooge  en  Wel 
EL  Interessanten  in  voorssegde  O.  O-  bij  wegen  van  Remplace- 
roent,  vor  eens  elk  pro  rato  yan  zijn  in  dien  tiit  gekogte 
zijde  moetten  werden  goedgedaan  en  betaalt  10  prOto. 


JIO 


X  3. 


Aan  de  Wil  Jodele  Groot  Ächtbaare  Heeren 
Bwrptfmeegtemm  e  Begeerdm  der  Staä  AmsMUm. 

Gorvcn  zeer  Eürbiedifi^lijk  te  kennen,  de  Siiperlntendeiiten 
der  zjdu  Reederijen  dezer  Stad,  uyt  aanmerking  van  liet  groot 
en  meer  en  meer  toeneemend  verval  der  stjde  Fabricquen  en 
de  verlegging  der  zijde  Ncgotie  uyt  deeze  Stad  naar  andere 
Tlaatsen ;  dat  de  Sapplianten  met  redenen  veronderstellen  zuUu 
hoofdxakelijk  voort  te  sprayten  iiyt  het  niet  genoegzaam  aan- 
brengen  der  Jaarlyksie  vereysehte  Sortimenten  on  qnritititeit 
van  zijde  door  de  Oost  Indische  Oompagnie  dezer  landen,  dmir 
nict  togenstaandü  deselve,  volgeii-H  de  conventie  met  de  Steeden 
Haarlem  eu  Amsterdam  op  den  28.  November  1740  tot  het 
aanvoeren  van  een  veel  grootere  qaantiteit  verpligt  waare, 
aan  de  zedert  gemodereerdo  Eyssclien  en  emstige  ▼ermaniii' 
gen  der  jaarlykse,  door  Uwe  Ed.  Groot  Achtb.  daar  toe  ge- 
qualificeerden  en  die  der  Stcede  Haarlem  op  Verre  na  niet 
voldaan  heeft;  Waaromme  d«;  Stipph'antcn  sig  wenden  tot 
üwel  Ed.  Groot  Achtb.  eerbiedig  verzooktiide  dat  het  Haar 
Ed.  Groot  Achtb.  behaagen  möge,  oiii  bij  de  delibtiratien 
over  het  vernieuwen  van  het  Octroy  der  Ed,  Oost  indische 
Compagnie  de  belangen«  eener  Tak  van  Commercie  welke 
^eer^ds  groote  rijkdommen  aan  ons  Yaderland  en  Yoomamelijk 
aan  deese  Stad  aangebragt  heeft,  ja  waar  van  thans  nog  een 
groote  menigte  Ingezetenen  hun  Levens  onderhoud  verkrijgen, 
ionder  Hunner  Edele  Groot  Achtb.  vaderlyke  Protectie  te 
neemen,  cn  bot  daar  hccnen  te  wenden  dat  deselve  Maatschappij, 
door  nader  schikking  op  vorter  wijöe  verpligt  worde  <»m  zo 
niet  aan  de  bovengemelte  conventie  van  den  Jare  1740  te 
voldoen,  ten  niiusten  tot  aanbreuging  den  Jaarlykso  optei'eevene 
^sscben  van  de  daar  toe  door  Uw  Edel  Qroot  Achtb.  aan* 
gestelde  Personen  nader  verbonden  te  werden. 

Twelk  doende  etc. 

C. 

Brieff  van  een  vriend  in  aan  een  vriend  in  

over  't  verval  der  kwijnende  zijde  en  sijde  Stoffen  fabrioqnen 

^n  de  middlen  die  deselven  wMerom  soude  kunnen  opbeuren 
"voorsoverre  de  VA.  oostindische  Comp,  deren  Landen  daar* 
toe  kau  contribueereu. 

Mijiilieer 

om  aan  UEd  verlangen  te  voldoen  sal  ik  iiiijn  gcdagten 
U£d  mondeling  meedegedeelt  wegens  de  verbeetring  der 
fabric([uon  insoverre  de  oost  Ind.  Comp,  daertoe  kan  con- 
jtribneeren  met  veel  pleijsier  op  het  papier  steÜen,  ik  bedrijp 


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X  3.  III 

dan  om  direct  tar  saake  te  komen  dat  onae  fabricquen  ver- 
▼alien 

1"  door  nayver  onser  nabaaren  in  dajtsland  brafaand  en 
clders  die  ziende  onse  progrcssen  daardoor  aijn  aangespooid 

geworden  om  ons  na  te  vol«::rn 

2°  door  dien  deseltt(l(3  nabimren  de  arbeydslooneu  en 
wooninge,  vccl  gocdkoptu'  hebben  dan  wij  en  ten 

3^"  door  dat  sij  met  seer  geringen  onkuätcii  destoffasie 
-oft  zijde  die  sij  noodich  hebben^  soo  goed  kunnen  bekomen 
•dan  wij. 

Indien  wij  nu  in  Staat  sijn  dit  Laaste  te  beletten  ten 
minaten  te  sorgen  dat  wg  sterk  daaiin  voor  sijn  soo  is  er 

geen  twijfel  off  wy  souden  gelijk  voorheen  een  goed  debiet 
van  onse  gefabriceerde  zijdc  eii  zijdestoffen  bekoomen  te 
meer  als  men  considereert  dat  de  duytsche  en  vreemde  sich 
meest  op  't  versiegton  der  gefabriceerde  goederen  toeleggen 
cn  men  iu  decse  Landen  zulks  ougewoon  is,  gelijk  dus  l^aal 
synde,  onse  goedmn  noe  altboos  geprefireerd  worden  dus 
-soade  de  Twee  eerste  reedenen  van  venral  ran  selfis  opbou* 
den.  Om  daar  toe  nu  aanlijding  te  geevcn  is  reeds  door  de 
Hoogloftelijke  magistraten  der  steede  Haarlem  en  Amsterdam 
hy  't  octroyeeren  der  Edl.  oost.  Ind.  Comp,  geaorgd  dat  de- 
selre  so  ik  meen         zijde  t'  jaarlijks  mögt  aanbrengen^ 

waertoe  is  dit  nu  geschied?  is't  niet  met  oogmerken  van  de 

Ingcseetcncn  en  burgers  der  gemelde  Steeden  te  bevoorregteu 
immen  kan  Hulks  niet  ontkend  worden  niaar  w.it  niot  Itcoft 
men  cn  van  gehad?  de  oost  Ind.  maatschappij  heett  so  men 
liegt  voorge^even 

1.  dat  sij  bij  de  zijde  te  brengen  verloor 

2.  dat  onse  fabricquen  so  Teef  niet  vereisten 

3.  dat  't  dog  Toor  de  brabandersy  duytBcbers  en  andre 
natien  was  meer  dan  Toor  onse  fiibrioquen  waer  toe  dan 
-nutteloos  te  Verliesen. 

T>us  dan  heeft  deselffde  Comp,  meodojobragt  wat  sij 
goedvond  en  nooyt  i^'olioor  gegcven  aan  den  Eisch  der  tabri- 
quanten  namcntlijk  om  die  te  vervullen  oiulertusHohen  evcn 
bliifft  het  seker  dat  onse  kragt  in  de  fabricq  aliecu  bestaat 
inde  zijde  die  onse  oostind.  Comp,  meedebreng^  want  door 
den  aanval  ujt  Nederlands  Indien  bekoomen  w^  alst  waare 
zelffs  een  aijdeteelt  en  door  'tselve  de  geleegenhetd  om  teegen 
de  Italiaenen  en  andere  Natien,  die  hunnen  eygen  zijdeteelten 
hebben  te  kunnen  Stand  houden,  derhalven  blijfft  de  sorg 
van  de  gcmelde  magistraten  een  c^oede  welgepaste  sorg  een 
middel  om  veele  duysende  armen  menschen  van  den  bedelrak 
te  houden  en  in  togendcel  hun  brood  met  eere  te  doen  winnen, 
een  middel  seif»  om  door  het  welvaren  der  fabriquanten,  lÜjk- 
dom  en  Overvloed  int  Land  te  brengen,  en  dus  in  aues  tot 


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112 


X  8. 


welvaert  van  dit  goede  Land  te  voistreeken,  voorbeelden 
daar  van  zijn  genoeg  voorhanden  dat  dit  also  gebeurt  is 

wrtnt  toen  de  Ed.  ooßtiiifl.  Comp,  zwaare  partyen  zydo  aan- 
bragt,  Horeerde  de  fabriquen,  noe  veele  voornaoine  Steden 
der  maatschappij  ten  Ingeseetenen  hebben  do  ])l<>f  vriKli-  tubri- 
quen  niet  verwekt.  Jaa  zelflfs  de  Leeden  der  uustind.  Aliiat- 
schappy  hebben  en  door  gewonnen:  want  magt  van  geld  voor 
te  TOrtieren  Tan  coopiiian8cliappe&  in  ons  land  bearbydt  in 
*t  Land  körnende  soo  sijn  de  Intresten  yennindert  ende  actien 
in  sulken  hooge  waeide  gekoomen  do^ir  men  die  na  maate 
de  fabriquen  in  ons  land  sijn  vermindert,  allenskens  lieefft 
sif'H  daalcii,  knndo  nion  daarenbooven  eens  nazien  de  ami- 
boeken  lien  Steeden  Amsterdam,  T.eyden,  Ha;u*lem.  Utrecht  ja 
mooglijk  ook  Friesland  en  Nooidlidlland  men  soude  ongetwy- 
feld  vinden  dat  na  maate  de  fabricquen  sijn  aÜgenümeu  tgetal 
der  armen  oonaiderabel  ia  vermeerdert  en  de  uy^aven  veele 
tonnen  gouta  meerder  bedragen  als  te  vooren,  de  Edl.  oost 
Ind.  Comp.,  heefi  echter  ook  onder  de  aangevoerde  aeer 
billyke  rodenen  tot  klagten  waarom  ik  die  nu  eens  van  stak 
tot  stuk  s?i1  Tinfraen. 

1"  betrettende  't  verlies  off  sulks  in  der  (iaat  bestaat,  sal 
de  Comp,  best  zelff  weeten  so  men  (gelijk  niij  gesegt  is) 
40  pi*üctf>  vragt  reekeut ;  dan  gelooff  ik  outwijfelbaar  dat  en 
yerJiea  op  ia,  maar  so  men  dan  een  ü  zijde,  gerekend  op 
f.  8  vier  en  aestig  Stuy vers  per  U  vragt  rekende,  ende  aeUT  de 
vragt  eena  vocgde  bijdc  Cofiy  t.  U  :  dan  soude  de  ooatlnd. 
Comp,  verscheiden  Capitaelcn  verlies  l^den  en  daarom  so 
een  articul  absoluut  niet  nioeten  aanvocren  maar  dit  voor 
andren  vrecnide  Com] »Hernien  overlaten,  dog  ik  vertrouw  niet 
dat  er  bij  de  Ed.  Uoüt  indische  Coni]>.  aulk  een  oneveureedige 
vragt  bereekeud  word  en  pLaats  vind  duu  kan  ik  uict  be- 

trjpen,  hoe  deselve  bij  de  zijde  Verliesen  soude  daer  men  de 
^  mansche  en  Engelsehe  jaa  ook  somtydt  andere  Compagnien 
jarlyks  groote  partigen  aiet  aanbrengen  en  dat  ongcdwongen 
Honder  daar  toe  te  sijn  verplicht,  voegd  daarbij  dat  onse 
O.  I.  C.  op  Java  de  schoonste  zijde  kan  teelen  die  men 
wenscht.  Maar  eindlijk  de  vraag  is  niet  off  de  Oost  Ind. 
Comp,  winst  off  verlies  bijt  retour  den  siide  heeft  sulks  is 
bijt  aceoort  off  bij  de  uonventic  door  deselve  met  de  steede 
llmirleni  en  Amsterdam  aaugegaan  iiict  bedongen,  en  al  ver- 
loor  deselre  Comp,  daaraan  soo  is  aulka  in  geen  deelen  te 
eompareeren  bij  net  onderboud  van  wo  veel  menacben  ala  er 
door  welvaareu  en  van  annoede  bevrijd  worden.  Jaa  so  er 
meergemelde  Com))agnie  by  Tezlieat  ist'  in  alle  gevallen^ 
maar  meede  een  deel  van  de  prijs  die  zy  uytgeeft,  voor 
'tnytsluytend  Regt  om  alleen  na  de  Oostindien  te  nio,L;en 
haudelen  en  duü  besluyt  ik  dat  de  Oost.  Ind.  Comp,  soowol 
aen  cenig  ander  iugeseetene  verpligt  i»  haar  contraet  na  te 


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X  8.  m 

koomen  'tsij  'met  tsy  sonder  voordeel  '2''  de  belangende  dat 
onse  fabricquen  so  veel  niet  vereischcn  dit  is  wel  seeker  in 
de  tegenwoordige  umstandigbeden  en  lioe  minder  zijde  de 
comp,  aanbrengt  en  daartaffen  yeel  Stoffen  fonrneera  hoe 
minaer  wij  nodig  sullen  hebbe  want  dus  Taaken  de  fabric- 
quen veriooren  ende  oontante  gaan  t  I^uid  uyt:  was't  niet 
Bulk  cen  ontzaggelijke  oost  Indische  comp,  dewelk  als  een 
groot  Lidt  den  Timfitschappij  van  mgezctcnen  onse  fabricquen 
behoorden  te  begünstigen  behoorde  sij  niet  van  de  Goederen 
die  in  ons  land  jrcfabriceert  worden,  altlioos  na  de  Indien  te 
versenden,  gelijk  bij  de  oprechting  vau  iiaar  bobiteid  it»  ge- 
schied, behoorden  zij  niet  door  aanvoer  van  allen  wat  tot 
onderhoud  van  de  Ingezeetenen  dezer  Landen  (hunnen  meede- 
bürgeren  waarboven  zij  'tgeluk  hebben  tot  hun  Handel  ge- 
praediligeert  de  zijn)  strecken  konden  de  gantBche  Republiecq 
te  hclpen  gt-lukkig  nifa/iben  en  niet  te  ondemeemen  dan  'tgeene 
ZOO  wel  niet  t  algemeeu  belang  alb  met  't  Ilaaren  overeen- 
quam.  Maar  h<'huu»  wat  zal  ik  van  dit  alles  seggen  ik  geloott" 
voor  zeeker  dat  te  vooren  door  de  fabricquen  van  zijde  en 
zijdestoffen  alleen,  meer  menschen  binnen  ons  land  in  't  werk 
gehenden  en  geprospereerd  sijn  en  dus  meer  voordeel  wierd 
aangebragt  dan  thans  door  de  geheele  O.  I,  Comp,  voordeele 
weraen  aangebragt^  denyl  men  in  plaats  van  onse  gefabrioeer' 
den  goederen  te  verkoopen  deselve  integendeel  tot  groot 
nadeel  der  fabricqucTi  int>rf-ngt  en  contanten  nytvocrt,  daar 
't  nu  de  rijkdom  van  een  Land  uytmaakt  dat  er  veele  Inge- 
setenen  hun  bestaan  hebben  en  vinden  soo  blijkt  dat  »ulk 
handelen  seer  nadeelig  voor  ons  land  is,  dat  de  stotfen  die  de 
006t.  Ind.  Comp,  aanbrengt  zo  wel  als  die  van  andre  quar- 
tieren inkomen  met  een  swaare  belasting  diende  bestempeld 
te  worden,  sonder  dat  daar  sluykeriien  in  konde  plaats  vinden. 
Vorder  meen  ik  door  de  volgende  redenen  ook  te  znllen 
toonen  dat  onse  fabricquen  de  bepaalde  quantiteit  soo  niet  in 
de  tegenivoordi^e  gestelrUieid  ten  minsten  in  'tvervolg  wel 
soude  kiiiiiien  noodig  hebben. 

ten  3^  luuet  ik  op  de  reedenen  dat  de  O.  1.  Compagnie 
ook  tot  't  nut  van  de  brabander»  duytschers,  als  andere  de 
aijde  aanbrengt  deselve  Compagnie  volkomen  Justificeeren  en 
4  ia  precies  in  dit  point,  daar  ik  't  redres  meen  te  vinden. 

Toen  de  couventie  met  de  O.  L  Compagnie  is  aau^e^omn 
waaren  de  zijdestoffen  fabricquen  in  Europa  niet  Kondom 
onsf  «rr«f^nsen,  men  wist  van  fransche  en  Italiaensche  Stoffen 
die  gefabriceerd  wierden  in  Landen  daar  men  ^f^Iffs  zijde 
teelten  heefft,  en  van  geene  anderen,  dit  nu  is  \erandert, 
men  heeft  in  duy  Island  de  stofl'agie  uyt  de  zeeplaatsen  met 
weynidi  kosten  gebaald,  men  werkt  daar  goedkoper  en 
men  brengt  thans  al  de  gefabrioeerde  zijde  en  Stoffen,  van 
daar  in  ons  landy.  'tis  waar  de  inkomende  Rechten  siJn  swaar, 

fltnckmcm  (44)  19.  -  Pki^Mm.  8 


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114 


maar  die  worden  er  sekerlijk  nooprt  zo  't  behoord  van  betaald, 
daar  nu  de  stroom  verlegt  i's,  dsaaen  ook  de  bakena  ver«et  - 
te  worden,  (;n  de  £dl.  O.  I.  Comp,  klaagt  met  reeden  ao  aij 
op  de  zijde  verliest  off  weynich  wint,  dat  daarvan  de  vreem- 

delingen  soo  wo!  als  de  Ingesetenen  deses  Lands  profitecren, 
ik  sal  en  wel  gaarne  bijvocg«  n  dat  de  aelffde  vreennleliii^'^t  n 
onse  fabricijuiMi  on  nog  mct  iueordor  sehade  door  aaiuloi  n 
dan  de  Edi.  Oost.  Ind.  Cunjp.  daurbij  lijden  kan.  Oui  dit  nu 
voortekomeu  en  om  in  Staat  te  stellen  de  fabric(£uen  te  pous- 
aeeren  en  teegen  de  vreemdelingen  te  markten.  Jaa  deselve 
voor  te  Ic^gen,  was  na  niijne  geringen  gedagten  best  dat 
yder  koo]>er  van  zijdc  bij  de  OoBt  Ind.  Uomp.  booven  den 
Incoop  prijö»  vyff  schellingen  per  ü  moest  betaalen,  t<jt 
Kamptissement  'twolk  die  geenen  terug  zoude  bekomen,  die 
onder  Eede  verklaardon  wat  hij  hier  op  de  sijde  Rederyen 
dezer  Landen  verwerkten,  en  waartoo  met  ojizigt  tot  de  znde 
kopers  in  Amsterdam  (die  den  Eodt  uioeten  doen,  dat  sij  den 
atuy  ver  off  ander  halff  pr  it  die  de  aijde  Halle  is  toegestaan 
niet  zullen  frandeeren  en  geen  vala  zwart  «allen  laaten  ver* 
wen)  dien  Eedt  konde  geamplieerd  worden  onder  sulk  ocue 
päenaliteyt  dat  die  geenen  die  tccgen  deese  Eedt  haudelde 
op  't  Rigotirenst«',  als  een  mynEedig<'r  soiidon  werden  ge- 
straff oti"  op  ^('lilko  vot't  als  met  de  seop,  die  van  buytenlanda 
iiik  ^iit,  en  die  de  verwers  gebruiken,  .sooak  ook  met  anderen 
aruivuleu  bij  de  eolective  middelen  gehandeld  word. 

Door  dit  middel  dan  waaron  wij  sookerlijk  in  Staat  om 
tcgen  de  vreemdelingen  te  n^gocieeren  en  te  fabrioeeren,  en 
dat  dit  <;een  oi\gewoon  niiddel  ia,  blljkt  klaar,  door  dien  uvt 
Vrankrijky  selffi»  uyt  de  Porto  franco's  verboden  is,  de  zijie 
ongewerkt  te  vervoercn,  buyten  'alaiids  die  int  Land  geteolt 
is,  gelijk  sulks  «»ok  in  Italien  op  verschoydene  plaatson  ver- 
boden is,  en  aaii^^rtuond  hebbcnde  dat  de  zijde  van  de  iJoat. 
Ind.  Comp,  voor  om  evcii  als  een  Teelt  onses  lands  is,  soo 
is  't  Natuurlijk  dat  wij  met  mct  grootste  rc^t  deselve  sorge 
mögen  dragen  als  andren  Natien»  om  onse  armen  ingesetenen 
een  bestaan  te  verschaffen  en  tot  gelukkige  meedebnigers 
te  maaken. 

Maar  mogelijk  soude  de  Ed.  Oost.  Ind.  Comp,  daar- 
teq^ens  inbrengen,  dat  en  dan  nog  minder  pry^^en  voor  de 
zijde  ^al  koomen,  dog  daar  dit  een  suppositie  is,  soo  kan 
men  ook  t  tegendeel  supponeren  en  niet  koiit  decideercu 
dau  de  ondervindiiig,  dit  i«  ondcrtuhüchen  seeker  dat  als  er 
met  veertig  duvsent  ponden  begonnen  en  dit  Jaarliiks  met 
twintig  dnysend  ponaen  vermeeurdert  wierd,  tot  de  bepaalde 
quantiteyd  toe^  men  het  iniiistni  nsiqneeren,  en  uyt  de  Na* 
tuur  der  saaken  souden  volgen  dat  men  ider  Jaar  meer  nodig 
soude  hebben  na  maaten  t'p:ewcrkte  goed,  in  deese  landen 
moer  afftrech  soude  viudeu,  daar  en  buuven  soude  de  vreem- 


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X  3.  115 

delingei)  doch  sommige  eoorten  kopen,  ende  O.  L  Comp,  die 
5  ß  pro  U  proffiteeren  buvten  en  behalven  nog  dat  deselTO 
Comp.  Tan  ß  100000  U  Bijae  ß  150000  aoude  in  eas  krijgeti, 

die  ttj  in  knjne  pajementen  weder  uytgaaven  en  dns  aan  den 
Intrest  xncrkelijk  gewinnen.  De  Edl.  0.  I.  Comp,  kan  ook 
wanncer  de  fabricqiien  in  df*'so  Landen  floreeren  veelbeter 
Staat  op  de  prijsen  maak^^n  daii  waunecr  sc  Imar  zijde  aan 
de  vreemdelingen  raoet  verkoopen  want  deseivc  küumon  do^ 
niet  als  sij  er  hirn  voordeel  niet  hy  vinden  en  wij  waaren 
äekeriijk  dan  int  geval  van  te  moeten  kopen,  dewijl  de  zijde 
oyt  andre  Landen  voor  ons  met  so  veel  oiücofiten  beswaert 
18,  meefder  als  die  wij  hier  int  land  hebben;  ondertosschen 
moest  dit  niet  boletton  dat  alle  Ruuwe  en  ongereede  zijde 
hier  met  de  kliine  in  koomende  Regten  mogten  in  't  Land 
koomen  dewijl  ait  sopr  N'>o(lsakelijk  is  voor  stüke  fabricqiien, 
die  geen  oostindiache  üiide  vcrwerken  kunnen,  althans  »oo 
al.s  de  oostindische  zijae  thans  gesponnen  hebben  de 
EngeUc  blyken  gegcveii  dat  de  bcn^aalöche  zijde,  op  Hin 
Italiaans  bereijd  off  gesponnen»  niet  minder  goet  en  tDt  alle 
fabricqaen  dienstig  is  au  de  Itoliaanse,  iransone  en  spaanscbe 
zijde,  sooals  men .  met  moosters  door  .de  fing.  Ooet  Ind. 
Comp,  aangebragt  soude  kunnen  aantoonen. 

Hiermeede  mecn  ik  nii  aan  UEd  intentic  voldaaii  t  > 
hebben  en  ook  te  liebljen  nniigewesen  dat  door  een  genu;^ 
verlies  (^«oo  er  al  op  verlooren  word)  bij  soo  veele  welge- 
goede  Leeden  der  Edl.  Oostind.  Comp,  op  een  soo  gering 
gedeelten  hunner  aansienlijke  retouren  te  leyden,  in  dit  ons 
gezegend  Vaderland  tot  welker's  welvaart  de  oostindisobe 
Handel  is  ondernomen,  schatten  sende  worden  uytgewonnen. 
Armoe  belet,  hiyheid  te  keer  ges<^»  Kijkdom  aangebragt, 
de  Inkomste  des  lands  venneerdert  ende  Leeden  der  Ed. 
Oost.  Ind.  Comp,  selffs  m  d«'  waarde  v  in  luin  f  inds  Kijkeiijk 
schaadeloos  soude  gesteld  worden  —  ik  biijü  etc. 

D. 

Aan  de  Edhuog.  Heeren  Staaten  'slanda  vau 
Utrecht. 

Geeven  zeer  ootmoediglijk  te  kennen  de  geauthoriseerden 
van  de  zijde  en  half  zijde  faln  iKj  )>innen  dese  Stad  hoe  de 
selven  tot  hunne  gruote  smertun  zirii  en  ondervinden  tvcrvai  en 
de  kvvijnende  Stajit  der  zijdo  en  liali  zijde  fabricqiien  en  ziidc 
roederijen  deren  Landen  en  insonderheid  van  deese  prtiviiitic 
daar  nu  de  supplianten  njrt  ceekwen  zijn  ondenigt  dat  de 
beeren  Bewindbebberen  der  Oost  Ind.  Comp,  op  Nieuw  Ootroy 
zijn  versoekende. 

So  wenden  zegde  supplianten  tot  UEd.  mog.  ootmoedig 
smeekende  dat  bet  U£.  mog.  behagen  moogen  bet  daar  beeno 


116 


X  3. 


te  wenden,  dat  de  Heeren  be^mdhebberen  onder  8torke  ver- 
])ligtmgc  gebragt  werden  btjde  Vemienwing  van  him  Octroy 
van  minder  zijde  Btofi^n  zo  nict  altbans  meerder  zijde  van 
diverse  sorteeringe  mcede  te  brengen,  om  door  dit  middel, 

waar  het  doenlijk.  do  fnbricf[uen  eii  redenjen  to  doon  op- 
wakkeren,  of  ten  minstoti  in  dio  Stand  te  houden,  waar  in 


s'jaarlijks  raeterdaad  voldecd  aau  den  Eijsch,  van  de  zijde 
fabricquers  en  zijde  Beders  der  Steede  Haarleni  en  Amster- 
dam en  waartoe  Oost  Ind.  Maatschappij  pligtig  v^erbonden 
18,  door  de  conventie  op  den  28.  November  1740  met  de 

Steede  ITaurlem  en  Amsterdam  gemaakt,  dog  zeedert  den 
Jaaren  1750  heefft  do  Oost  Tiid.  Comp,  zig  aan  die  verbinte- 
üisse  wijnig  gehouden  hebbonde  de  klagten  van  de  gedeputeer- 
deus  uyt  de  zijde  tabric(|uen  en  zijde  rccdenjen  der  ^emelten 
Steeden  s'jaarfijks  daiir  overgcdaan,  zo  de  buulianten  geinfor- 
meert  zijn,  en  tot  hunneu  schaade  ondervonaen  bebben  door 
den  genn||en  aanvoer  viin  Indische  aijde  van  zodanige  sortee- 
ring  als  zij  meest  nodig  hebben  en  gebrayken  bijna  gcheel 
geen  Effect  gehadt,  de  suplianten  zegge  sulks  met  schroom. 
als  zulks  dat  in  plaats  (gelijk  onder  eerbiedige  eorectie  wel 
behoorden)  dnt  een  zoo  gepriviligeerd  Ktnblis.scment  als  is  de 
Oostind.  Cuiiij'.  dezer  landen,  nuen  zonde  kunnen  aanwendon 
wat  tot  handiiaviiig  vau  den  welvaart  der  Ncdcrlaudüche  iu- 
gczeetenen  en  bijzonder  ook  in  die  provintien,  welke  niet 
voomamentlijk  en  directelijk  in  de  buytenlandsche  Commercie 
participeeren,  doort  niet  favoriseeren  der  Inlandsche  fabricquen, 
en  't  niet  aaubrcngen  van  genoegzaame  quantiteijd  en  Sortee- 
ringe  van  Indische  Zijde  tot  Emploij  derselvcr  fabricquen  ge- 
schikt,  de  zijde  Rederijcn  en  fabricquen,  merklijk  wnrden 
benadeelt  en  nllengs  moeten  ten  grondon  gaan,  ook  mcenen  de 
suplianten  dat  de  Oont  Ind.  Comp,  tut  dit  Hcijizaam  oogmerk 
kan  medewerken ,  sonder  h«t  niinsten  nadeel  aau  de  maat- 
schappij toetebreneen  indien  de  selve  aan  de  genoemde  con- 
ventie komt  te  voldoen  en  daar  en  boven  t'laarlijks  een  goede 
quantiteijd  van  Zij<l('  <mi  Halff  Zijde  Stoffen  Laakens  en  andere 
goederen  die  in  de  Nederlanden  gefabriceert  worden  derwaarts 
versond,  met  ter  zijde  Stelling  van  Fransche.  Engeische  (»ff 
buytcn-landsche  Goederen  gelijk  de  zelven  ten  aanzeen  van 
de  g<K'deren  hier  gefabriceert  gedaan  heeft  tot  den  jare  1760. 
Eijndelijk  neemen  supplianten  de  vrijhcid  om  hier  neevens 


anten  versoek  door  kundige  Zijde-Handelaars  nader  worden 
geastrueert  ende  bedenkingen  die  daar  tegens  worden  ge- 
maakt, opgelost,  midsgaders  nnddeien  aan  de  band  gegeven, 
door  welke  de  Inlandsche  fabricquers  in  Staat  gestcld  kun- 


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X  3.  117 

nen  worden  om  t6gens  onse  nabaren  te  kuimen  markten  en 
honderden  van  ingezeetenen  aan  cen  goede  kost  winning  te 
helpen,  waaromme  »Ip  supplianten  ootmoedfg  vcrsocken,  dat 
het  üEd.  Mog  behagen  inogten  in  derzelven  deliberatie  over 
't  nieuwe  Octroy  van  de  Oost  Ind.  Conij>.  o])'t  voorgemelde  een 
vaderlijk  reguard  te  neemen,  en  der  supplianten  belangend 
ter  deeer  gelegentheid  xoveel  doenlijk  is  te  protigeeren. 

l)it  doeude  etc. 

Op  de  Gildekanier 

in  Utrecht  den  30.  July  1774. 

E. 

Aan  rb>  Edele  Groot  achtbare  Heeren  Burgemeesteren  en 
Regeerders  der  Stad  Amsterdam. 

Geeven  niet  alle  onderdanigheid  te  kennen  dp  nndergete- 
kende  alle  Fabriquanten  binnen  deeze  StJid.  in  inlandsehe 
fluweelen,  goude  en  zilvere  en  zijden  Stofien  en  gaazen  en 
verdere  Inlandsch»-  zijden  Manufacturen. 

Dat  zij  Supplianten  alle  binnen  deeae  Stad,  hun  Fabric- 
quen  exercemna^  en  daar  door  dagelijks  een  groot  aantal 
werklieden  aan  een  bestaan  helpende,  gaame  zo  tot  nitbrei- 
ding  yan  hunne  Handel  als  tot  bevordering  van  den  bloei 
hunner  Fabricqnen,  en  dus  ter  nutte  van  ben  .8upplianten  en 
veele  ingesetenen,  alles  zonde  willen  «anwenden  wat  daar  toe 
enigsints  konde  baateii ;  te  meer  indien  sulks  bnvten  ]nae- 
judice  van  iemant  anders  soiide  kunnen  worden  f^eefVeciiieert. 

Dat  dit  voornenien  en  wgmerk  hen  üupplianten  in  ge- 
dachten gebrag;t  bad,  den  handel  in  hunne  manufacturen 
merkelijk  te  kimnen  uitbreiden  Wanneer  dersdver  uit^oer 
naar  ^derlandacb  Indta  en  de  onderhorige  districten  wierd 
vrijgogeven  cn  supplianten  gepermitteert  wierd  daar  op  in 
hunne  opgemelde  Manufacturen,  een  vrijen  handel  te  mögen 
exereeeren. 

En  an^'esien  de  suiiplianten,  gcinformeert  zijn  dat  het  Octroy 
van  de  Ed.  Uost  Inffische  (Jompagnie  dee8«T  I^anden  binnen 
körte  staandc  te  expireeren,  weder  zal  worden  veruicuwt,  zo 
namen  de  supplianten  de  vrijbeid  bij  deese  Gel^gentheid  sick 
te  wenden  tot  UEd.  Groot  Ächtb.  verraekend«  dat  ÜEd.  Groot 
Achtb.  tot  beter  instandbouding  der  opgemelde  Fabricquen 
derzelven  goede  oflicien  geHeven  aantewenden  en  alsoo  te 
effectueeren  dat  de  handel  in  Tülniulscfie  fluweeh'n  i^-onden  en 
7i)ver«'  en  zijde  «toften  en  fjMazni  cn  verdere  Inlandsche 
zijde  Manulacturen  op  Neerlauds  India.  en  df  onderhorige  di- 
stricten worden   opengezet  en   vrijgegeven   onder  al  zulko 


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118 


X  a 


iK'palingen,  recognitien  en  schikkingen,  als  UEd.  (iroot  Acbtb. 
iiaar  derselven  hoogcn  Wijsheid  siülen  komen  goed  te  vindeQ 
en  te  bepaalen. 

Twelk  doende  etc. 

(W.  g,)  Dirk  Toll. 

Gerrit  Willem  Ueessen. 
Jan  Nepveu  en  Zoonen. 
Klinkhamer  en  de  Mortiera. 
Eeaye  Gilk>t 
Lainaistre  en  I.iaco8tc. 
Casparus  Minden. 
D 'Erven  Wod  Barrau. 
Meyer  en  Rootors. 
Govert  Verhaiuiue. 


F. 

Voorstel  om  met  de  £d.  aehtb.  Heeren  Bewtndhebberen 

van  de  O.  \.  C"*  wp^j^ons  de  zijde  te  applanf»eren. 

De  /ijtl«  handclafirs  zoiidon  van  alle  Eysschen  at'zien, 
ende  Jaarlvkse  Kytischen  diu?  (i<M'n<i<'  verniptigd  worden  midt 
C'*  zig  zonder  eenige  Exceptieu  Jaarlyks  verbond  aante- 
brengci). 

^  40000  bengaalsche  Zijde  gesorteeid  in 

ü    2000  A    '  I 

-  8000  B  &  H  15        .       ,  , 

-  12000  C  &  C  C  ^  ">et  slegter  aU  die  tegeu- 
.  12000  D  1  wordig  Valien. 

500  Naiupmihlie  Zijde 
-    500O  Canton  Zijde 
'    7000  Florette  Garens,  gieeorteerd  in 
«  3000  A 

-  2600  B 
.  1500  C 

0  ^  bengaals  d$  KanquinszoudedeC«-  moeten  Lereren 
al  Wae  het  dat  die  niet  ityt  Indien  quamen,  en  in  Europa 

moesten  gekogt  werden,  nadien  daarran  de  plotzelijke  rnine 
der  Fabricquen  zoudo  af  hangen  zo  den  nniivoor  failleerde; 
van  de  anderen  Soorten  zoude  het  niet  mugelijk  zijn  dit  te 
vorderen  door  dii  n  andere  Enrope^rs  geen  of  wynig  (Jantou 
Zijde  cn  gcheel  geen  Floret  aanbrengen. 

De  O.  I.  0^-  soude  buiten  het  bovenstaande  kunnen  mede- 
brengen,  so  veel  meerder,  en  van  andere  soorten  en  Letters^ 
ab  haar  Ed«  convenieerde. 


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X  a. 


110 


Tot  maintien  den  Fabricquen  fn  deeze  Provintien,  en 
op  dat  de  O.  L  O*  niet  ten  behoeven  van  vreemde  Fabricquen 
(aie  de  onse  sterk  benadeelen)  zoude  verlieren  ol*  verbinte- 
iiissen  aangaan,  zoude  ider  koper  van  zijde  e]i  florette  Garen 
by  de  O.  J.  C.  verpligt  ztjn  Doven  de  Pnjzcn  van  inkoop 
aan  de  0"  to  betaleii ,  voor  de  Zijde  5  ß  p.  on  voor  de 
florette  Gartus  3  ß  p.  ß  en  niemand  die  premij  kunneu  terug 
bekomen,  dan  die  Geenen  de  welken  bi)  solemneele  Eede  ver* 
klaarden  deeze  Zijde  en  florette  Garens  (waarvan  hij  restitntie 
der  premij  vordeme  van  wdke  balen  hij  tMaar  van  Inkoop, 
de  kaveling  en  moest  noemen)  op  de  Ziideredcri jen  binnen 
de  vercenifjde  provincien  te  hebben  vcrw'erkt  of  laten  verwer- 
ken  en  met  opzigt  tot  de  cliiiicese  zijde  die  ongcreed  tot 
Gazon  goljruikt  word  dat  de  karg  waarvan  restitutie  der  })r<"iny 
geeiöcht  word,  binnen  deeze  provintien  tot  Gaaren  m  ver- 
werkt 

En  ten  eynde  hier  omtrent  alle  Bedrog  voortekomen, 

zo  komt  mij  voor  dat  daar  de  meesten^  zo  niet  alle  kopers 
van  Zijde  in  Aniäterdam  en  Haarlem  woonagtig  zijn,  alle  de 
Zijde  en  florette  Garens  die  de  O.  I.  C.  aanbrengd  in  de  kamor 
Amsterdam  (alwaar  men  de  Zijdekopers  hH  !)estc  kf  nd)  diende 
verkogd  te  werden :  de  vragt  der  Zijde  uijt  >]>•  ecnc  kamer  du 
den  ander  wil  jlog  wijnig  zeggen  en  't  aitikel  zou  dan  van 
zo  veel  belang  niet  zijn,  dat  er  de  buitenkamert»  nadeel  bij 
zouden  hebben  of  t'  kon  met  iets  anders  gevonden  worden. 

Om  't  menigvuldig  doen  van  Eeden  te  Toorkomen,  zoude 
ider  koper  van  zijde  dewelke  bij  de  0.  1.  C.  aangebragd  is, 
zig  bij  de  Magistraat  zijner  8taa  kunnen  vervoegen  en  all- 
daar  solemneel  verklaren  met  onderwcqiing  aan  de  Strafi*e  np 
den  Meijn-Eed,  zoowel  als  Dieverij  vaii  vert^)^nvde  Goederen 
gesteld:  „dat  hy  nooyt  van  de  O.  I.  C.  de  premij  op  de 
„Zijde  en  florette  Garens  gesteld,  zal  vorderen  dan  vuii  de 
„quantitijd,  die  bij  op  de  reederijen  binnen  de  't  Vereenigde 
Provincien  zal  hebben  verwerkt  of  laten  Vorwerken:  en  met 
yyOpzigt  tot  de  Chineese  Zijde  die  ongereed  tot  Gazen  gebruijkt 
„Word,  die  binnen  't  Vereenigde  Provincien  tot  Gazen  is  ver- 
„werkt  en*  dat  deeze  Zijde  voor  zo  verre  hcni  bcwnst  is  de- 
„selve  is  die  de  C'*-  heeft  aangebragd  en  verkogt  in  zulk  Jaar 
„en  onder  zulk  een  Gart  of  X   als  hij  zal  körnen  optegeven." 

Maar  een  verklaring  op  den  Ked  bij  't  aanwaarden 
eener  functie  gelijk  raakelaar  of  andere  tot  deese  of  geene 
functien  gequiuificeerdens  zou  in  deesen  niet  geoonsidereerd 
worden. 

Bij  aldten  men  bij  de  0.  I.  O*  eenige  SuBpicien  van  On- 

trouw  omtrent  het  Eysschen  der  premij  quam  te  be«peuren 
zouden  de  kopers  kunnen  verpligt  worden  met  exbibitie  van 
hun  boeken  of  door  andere  bewijsen  te  toonen  dat  hun  Kysch 
wettig  was. 


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120  X  a. 

Evndolijk  zou  de  restitutie  der  premijea  kost  eo  schade- 
lüOS  luoctüii  geM-lii<'<len. 

Düor  deese  schikkinge  zoude  de  C"  verbeekcrd  sijn  dat 
zij  deselve  op  den  verkoop  van  de  zijde,  eenige  Schade  kwaiu 
te  lijden^  hetzelve  daarentegen  Strekke  ten  waare  nutte  Tan 
deese  Landen  en  bijsonder  van  deese  Stad,  en  van  der  ande- 
ren kant  zoude  men  versekerd  zijn  dat  der  Hollandae  Fabric* 
quen  altoos  van  ecn  voldoende  quantiteit  zijde  voorzien  soude 
worden,  die  hun  d<)'>r  lu't  t»'rug  bekomon  ran  de  Uolfisting 
C'*-  15  pc.  minder  to  staan  zoude  komeu,  als  liunne  n  ibureii, 
en  daaraoor  de  disproportie  die  tlians  in  de  Arbydslooueu  is, 
al  grooteudeels  worden  weggenomen. 


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VI. 


Keridierte  uod  vermehrte  Statuten  der  Kranken- 
kasse fdr  die  Brauergesellen  in  Leyden. 

(Vermeuwiiige  ende  Yormeerderin^e  van  de  Benrse  Toor  de 
Brouwm  Kn^gten.  Te  hejden,  Bij  Oonielis  Heeneman,  1753.) 


Artikel  1. 

Jeder  Brauergeselle  soll  verpflicht»  t  sein ,  wöchentlich 
prUcis  zum  Unterhalte  der  Ka^se,  3  Stuvvers  beizusteuern, 
ohne  einige  Wochen  vorübergehen  zu  Luiden,  und  «oll  der 
zuiu  Einsammeln  dieser  Gelder  bestimmte  Knecht  wöchentlich 
diese  8  Stuvven  in  der  Brauerei  holen  und  aus  der  Hand 
des  Altgeselle  empfangen^  welch  letsterer  dieselben  von  allen 
Gesellen  der  Brauerei,  die  zur  Kasse  gehören,  einfordern  und 
2ttr  Zeit  des  gewöhnlichen  Kommens  des  Knechts  bereit  halten 
oder  das  Geld  ^-orschie^sen  und  an  das  Komptoir  der 
BraufT  oder  an  iri^tnd  if-maud  überdrehen  soll,  bei  Strafe  von 
3  Stuyvei*s;  falls  einer  der  Oesellen  unwillig  sein  süllte,  die 
genannten  3  Stuyvers  zu  befahlen,  »o  «oll  er  zu  Gunsten  der 
Kasse  gleiche  3  Stuyvers  zahlen. 

Artikel  2. 

Sobald  Gesellen  von  einer  Brauer^  zur  anderen  Uber-' 

f^hen,  sollen  sie  jedesmal* 30  Stuyvers  an  die  Kasse  entrichten, 
f^lei^be  Zahlung  haben  die  Gesellen  zu  leisten,  die  ihre 
Brauerei  verlassen  und  nach  4  Wochen  in  dieselbe  zurück« 
kehren. 

Artikel  3. 

Ein  Irerader  Geselle,  'b^r.  von  auswärts  kommend,  feste 
Arbeit  gefunden  hat,  ^oU  nacli  14  Ta^en  zur  Kasse  zahlen 
42  iStuyvers,  aufserdem  noch  3  ötuyvers  zum  Unterhalt  und 


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X  3. 


zur  Erneuerung  der  weiTsen  Schürzen,  im  ganzen  45  Stoyvers; 
bei  Weigerung  der  Zahlung  soll  dem  Unwilligen  die  Arbeit 
durch  den  Stftdtboten  untenuigt  werden. 

Artikel  4. 

Ein  Geselle,  der  bei  seiner  Arbeit  durch  Verbrennen 
(was  Gott  verhüte),  oder  in  anderer  Weise  merklich  verletzt 
oder  mit  einer  sclnverf^n  Krmiklieit  von  Gott  heimgesucht 
wird,  sodafs  er  dadurch  arbeitsunfähig  wird,  soll  ohne  An- 
teilen der  rerson,  ob  nöti^;  hat  oder  nicht,  um  desto 
besser  die  Eintracht  zu  erhalten,  wöchentlich  aus  der  Kasse 
erhalten  2  Gulden  10  Stuyvew  oder  so  viel  mehr  oder  weni- 
ger, als  man  nach  den  Vermögensrerhältnissen  der  Kasse 
bewilligen  wird:  die  Unterstützung  soll  anlkngen  mit  der 
2.  Woche,  nachdem  er  arbeitaunikhig  geworden  und  soll  so 
lange  dauern,  als  bis  nach  Ansicht  des  Arztes  der  Patient 
wieder  arbeiten  katm,  mit  ausdrücklicher  Erklärung,  dafs 
hiervon  ausgenommen  und  auhge.schlossen  sein  sollen  alle 
Gt  . seilen,  die  durch  8chlÄgereien  aulser  der  Arbeit  verletzt 
sind. 

Artikel  5. 

Fall«  einer  der  Gesellen  stirbt  er  sei  ledi^  odw  verliei- 
ratet,  so  sollen  seine  Witwe  oder  Erben  für  die  Kosten  des 
Begräbnisses  aus  der  Kasse  eine  einmalige  Zahlung  von  15  fl. 
erhalten,  iedoch  erhalten  diese  Summe  nicht  Witwen  von 
alten  invaliden  GeseUen,  welche  w(k!hentlich  aus  der  SLasae 
eine  Unterstützung,  gleichviel  ob  sie  gesund  oder  kranke 
genossen  haben« 

Artikel  6. 

Falls  die  Frau  eines  Gesellen  stirbt  so  soll  der  Mann 
fhr  die  Kosten  des  Begräbnisses  gleichfalls  erhalten  15  d., 
so  jedoch,  daf^  zur  Deekung  dieser  Summe  alle  Mitglieder 
3  Stuyvers  auiserordeuüichen  Beitrag  zahlen. 

Artikel  7. 

Falls  einer  der  Gesellen  oder  dessen  Ehefrau  aufserhalb 
der  Stadt  begraben  wird,  ao  soll  es  der  Kasse  freistehen,  die 
GeseUen  mit  Mänteln  oder  mit  weifs^n  Schürzen  zum  Begräb- 
nis gehen  au  lassen. 

Artikel  8. 

Falls  einer  der  Gesellen  stirbt,  soll  die  Leiche  von  den 
anderen  €lesellen,  in  schwarzer  Kleidung  und  mit  weifsen 
Seliürzen,  getragen  werden  und  das  abwechselnd  von  den 
Arbeitern  der  verschiedenen  Brauereien,  und  zwar  mit  Wissen, 
und  auf  Befehl  der  derzeitigen  Au&eher  und  unter  Benach- 
richtigung der  Meister;  wer  vom  Diener  der  Kasse  benach- 


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123 


riebtigt,  nicht  erscheint^  zaMt  eine  BnfBe  von  12  Stuyvers; 
dieselbe  Bofee  erlegt^  zahlen  diejenigen,  die  ohne  gehönges 
Tnmerideid  erBchetnen;  wer  ein  solches  nicht  besitzt,  soll 
den  Diener  davon,  wenn  er  Meldung  macht,  in  Kenntnis 

setzen  oder  einen  andoron  an  seiner  statt  zu  ernennen,  voraus- 
gesetzt, dafs  dieser  Kas.s(;nmitglied ,  bei  der  gleichen  Strafe 
von  12  Stuyvers.  Falls  einer  der  Trfiirer  zu  lange  im  bterbe- 
haus  bleibt  oder  sonöt  sich  durch  Trunkenheit,  Wort  oder 
That  vergeht,  so  zahlt  er  das  eine  Mal  3,  das  andere  Mal 
Gulden. 

Artikel  9. 

Die  verstorbenen  Frauen  oder  Kinder  von  Brauergesellen, 
sollte  darum  von  den  Qesellen  ersucht  werden,  soUen  von 
den  Kussenmitgliedem  getragen  werden,  ebenso  die  liUtem^ 
Schwestern  oder  Brüder  deTselben  Gesellen,  falls  sie  bei  diesen 

wohnten,  vorausgesetst,  dafs  der  Gilde  5  Gulden  zum  miu- 

de^trn  «j^p^jihlt  werden.  Alles,  was  den  Ooscllen  filr  das 
Tragen  gezahlt  wird,  soll  in  die  Kas^^e  komuieii;  jedoch  soll 
diese  Zahlung  in  Bezug  auf  die  Frauen  und  Kinder  von  ün- 
verraögeiuluQ  nicht  notwendig  «ein  und  bei  Kindern  von  Ver- 
mögenden ebenfalls  nicht  stattfinden. 

Artikel  10. 

Kdn  neu  angekommener  Grelle  soll  Im  Falle  von  Krank- 
heit oder  Unfall  Unterstützung  aus  der  Kasse  geniefsen,  es 
sei  denn,  dafs  er  9  Monate  hintereinander  seinen  Knssenbeftrsg 
besohlt. 

Artikel  11, 

Derjenige,  der  sich  zu  einer  Zeit  gegen  diese  Verordnung 

vergangen  bat,  soll  wegen  der  deshalb  zu  erlegenden  Bufse 
auf  Verlangen  der  Aufseher  von  einem  Gerichtmliener  execu- 
tiert  werden. 

Artikel  12. 

Das  Tragen  der  Leichen  soll  durch  die  von  den  Vor- 
stehern bezeichneten  Gesellen  geschehen  und  im  Fall  der 
Verhinderung  derselben  durch  eine  andere  Person  aus  der 
gleichen  Brauerei,  die  der  Altgeselle  derselben  zu  bestimmen 
hat  Falls  der  Altgeselle  verhindert  und  selbst  beauftragt  ist, 
zu  tesgcn,  so  soll  er  jemand  anders  dazu  ersuchen,  voraus- 
gesetzt, dafs  dieser  zu  den  Kassenmitgliedem  gehört;  es  soll 
nicht  fVeistehen,  jemand  anders  dasn  zu  ersuchen,  bei  einer 
Strafe  fbr  den  Bittenden  von  80  und  für  den  Träger  von 
10  Stuyvers. 

Artikel  13. 

Alle  (relder,  diV  für  das  Tragen  von  Ijf'iohpn  der  K?issf 
gezahlt  werden,  sollen  zu  Gunsten  und  zur  Stärkung  der 


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124 


Kajsüe  Westimmt  »ein  und  wie  andere  Kassengelder  benutzt 
werden,  ohne  dafs  irgend  ein  Teil  aU  Trank  rar  die  Träger 
▼erbrancht  werden  soll.  Daher  sollen  die  VorBteher  sorgen, 
dafs  bei  Unvermögenden  ein  Trunk  Bier  für  die  Trftger  zu 
finden  sei,  die  (übrigens  sich  hierbei  nicht  zu  lange  Enthalten 
und  die  Arbeit  versäumen,  noch  viel  weniger  Tabak  raacfaen 
sollen,  bei  Strafe  von  3  Stuyvers, 

Artikel  14. 

Damit  alles  in  desto  besserer  Ordnung  befolgt  werde,  so 
soll  jährlich  der  älteste  Vorsteher  Dekan  werden  und  die 
zwei  ältesten  damuÜblgenden  Vorsteher  mit  ihm  gleichseitig 
funktionieren  und  soll  an  Stelle  des  abgehenden  Dekans  und 
des  yierten  Vorstehers  noch  swei  Vorsteher  auf  Grund  einer 
an  den  Magintrat  einzureichenden  Vorschlagsliste  von  vier  Per- 
sonen, fb'p  spätestrTis  rieht  TapTO  vor  Woihnnchton  oinp^^-reieht 
werden  sdII,  ^owiiijii  werden.  Ks  ,s«.li  ferner  der  erwähnte 
Dekan  mit  einem  Vorsteher  abwechselnd  —  jeder  Vorsteher 
einen  Monat  lang  —  in  seinem  Hause  Montags  um  6  oder 
7  Uhr  Abends  susammenkommen;  derjenige,  der  zu  spät 
kommt,  zahlt  3  Stuyvers,  wer  ganz  abwesend,  6  Stuyvers, 
Krankheit  und  entschuldigte  £ntternung  aus  der  Stadt  aus- 
genommen. Für  d'wso  wöchentliche  Beherbergung  inklusive 
Feuer  und  Licht  soll  !  r  Dekan  ans  der  Kasse  3  Gulden  er- 
halten und  bei  Ablc^nm^  der  Jahre^rechnung  4  Gulden,  alles 
in  allem  7  Gulden  und  nicht  mehr.  Und  um  zur  Ernennung 
der  erwähnten  vier  Personen  zu  gelangen,  soll  toriun  in  jeder 
Brauerei  eine  Person  von  den  Gesellen  ausgeloost  werden, 
welche  Personen  nach  der  Zahl  der  Brauereien  zusammen 
durch  Stimmenmehrheit  die  erwähnte  Ernennung  machen  sol- 
len, so  jedoch,  dafs  Vater  und  Sohn,  Bruder  und  Schwager 
niemals  zusammen  funktionieren  sollen. 

Artikel  15. 

Alle  Jalae  innerlialb  von  14  Tagen  nach  der  Wahl  der 
beiden  neuzuernenneaden  Vorsteher,  soll  der  Dekan  nebst 
den  vier  Vorstehern  des  Vorjahres  verpflichtet  sein,  den  Per- 
sonen, die  den  Vorschlag  betreffend  der  erwähnten  beiden 
neugewfthlten  Vorsteher  gemacht  haben .  auszuhändigen ,  vor- 
zulegen und  zu  wmfea  nicht  allein  das  Buch  oder  die  Bücher, 
um  zu  sehen,  wieviel  Geld  in  der  Kasse  vorhanden,  sondern 
auch,  dafs  alle  Gelder  Ubereinstimmend  mit  den  Büchern  sich 
in  der  Kiste  thatsächlich  betinden. 

Artikel  16. 

Auch  sollen  die  genannten  Aufseher  auf  Kosten  der 
Kasse  nichts  verzehren,  abgesehen  von  einer  ehrlichen  Er- 
holung alljährlich;  jedoch  sollen  dann  nicht  mehr  als  15  Gul- 


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125 


den  verzehrt  werden,  abgesehen  von  b  Stuyvera,  die  fUr  die 
wöchentlichen  ZusammeDkUnite  bestimmt  sind. 

Artikel  17. 

Die  Brauer  dieser  iStadt  sind  verpflichtet,  in  Zukuiiu 
keine  Gesellen  ansunehmen  oder  fest  anzustellen,  falls  sie 
nicht  zusagen,  sieb  nach  der  obigen  Ordnung  zu  ricliten  und 
innerhalb  14  Tagen  bekannt  machen  und  sorgen^  daCs  die 
obenerwähnten  42+3  Stuyvc  r>  bezahlt  werden,  bei  der  oben 
angedrohten  Strafe;  auch  sollen  keine  Gesellen  über  40  Jahr 
angenommi^n  werden;  falls  dies  g^c^ächieht,  dürfen  sie  in  die 
Kasse  nicht  aufgeuommeu  oder  eingeschrieben  werden. 

Artikel  18. 

An  der  Kiste,  in  der  die  Gelder  und  Bncher  aufbewahrt 
werden,  sollen  8  yerschiedene  Schltfsser  angebracht  werden, 
von  deren  Schlüsseln  der  eine  in  den  Httnden  des  Dekans, 
die  beiden  anderen  in  den  Httnden  der  zwei  ttltesten  Vor- 
steher sich  befinden  sollen. 

Artikel  19. 

Die  erwähnte  Kintc  soll  mit  Zustimmung  der  Brauer 
dieser  Stadt  auf  der  Brauerstube  aufbewahrt  werden  und 
sollen  sich  dort  auch  die  Gelder  und  alten  ßttcher  befinden, 
ausgenommen  100  Gnlden  zur  Verfügung  des  Dekans,  nebst 
einem  Buch,  in  dem  aufgezeichnet  wird,  was  der  Dekan  auf 
Grand  dieser  Verordnung  von  Zeit  zu  Zeit  zu  zahlen  hat 

xVrtikel  20. 

Die  Kiste  soll  niemals  goJiffnet  werden,  nh  in  Pif  p-en wart 
des  Dekans  und  der  beiden  iiitesten  Vt^rstelier;  im  Falle  von 
Krankheit  oder  anderweitiger  Behinderung  soll  der  Schlüssel 
au  einen  oder  beide  übrige  Vorsteher  übergeben  werden. 

Artikel  21. 

Falls  einer  der  Brauemsellen  die  Aufseher  der  Kasse 
oder  ihre  Bediensteten  mit  Worten  oder  durch  die  That  yer> 

letzt,  sei  es  in  Gegenwart  der  Beleidigten  oder  hinter  ihrem 
Rücken,  so  soll  er  vom  Dekan  und  Vorstebern  dieser  Kasse 
zu  solehen  Geldbufsen  verurteilt  werden,  als  diese  nach  Lage 
des  Falls  gutiinden  zu  bestimmen. 

Artikel  22. 

Falls  einige  Brauergcaellen  von  der  Branerei,  in  der  .sie 
arbeiten,  entlassen  und  dadureh  arbeitslos  werden,  so  sollen 
dieselben  in  der  Kasse  bleiben  können  und  falls  sie  ihren 
Wochenbeitrag  dauernd  entrichten,  dieselbe  UnterstQtzung  bei 


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126  X  3. 

Krankheit  und  fthnlichfin  Vor&Uen  geniefoeo,  al«  die  arbeiten- 
den Gesellen. 

Artikel  23. 

FalU  jemand  das  Brauei*fach  verläfat  und  «  in  anderes 
Gewerbe  ergreift,  so  soll  er  die  Freiheit  haben,  während  der 
Zeit  v^on  8  Woch^Mi  seinm  Beitrag  weiter  zu  zahlen  und  im 
Falle  er  inzwischeu  krank  wird,  so  Hdll  er  UnLcrütützung  ^e- 
niefseii;  nach  Veriaul  der  8  Wochen  t»oll  er  nicht  länger  der 
Kasse  angeh()ren. 

Artikel  24 

Falls  einer  der  Gesellen  auf  1.  2  oder  8  Monate  ans  der 
Stadt  reist  und  mit  Zustimmung  des  Meisters  einen  a&detren 

an  die  Stelle  setzt  oder  £slls  Aushttlfspersonen  an  Stelle  von 
Kranken  oder  Verletzten  arbeiten  ^  so  sollen  die  Aushtüfs* 
persouen  oder  die  Gesellen  insgesamt  den  Beitrag  dee  Ver« 
reisten  oder  Verletzten  zahlen. 

Artikel  25. 

Die.se  Verordnung  für  die  Kuöäe  soll  bis  zum  ausdrück- 
lichen Widerruf  des  Gerichts  in  Kraft  bleiben, 

Artikel  26. 

Schliefslich  soll  der  Diener  der  Kasse,  der  bei  eintreten* 
der  Vakana  in  der  Folge  von  Dekan  und  Vorstehern,  sowie 

von  den  zur  Ernennung  des  Vorstandes  befugten  Personen 
zu  wählen  ist,  wöchentlich  die  Beiträge  holen  und  für 
seine  Mühe  erhalten  alle  Woch<»n  1  :  5  : 0.  Ferner  soll  er  die 
Gesellen  zum  Hegrftlmis  autVonUrn  und  dafür  erhalten  30 
Stuvvers.  Schliefslich  soll  er  alles  thun,  was  ein  guter  und 
ehraarer  Diener  sa  leisten  verpflichtet  ist 

Gegeben  und  erneuert  dureli  die  vom  Gericht 
der  Stadt  Leyden,  den  28.  April  1740. 


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Keriehtiguag^en  und  Ergänzangeu. 

5  Z.  19     o.  1.:  8t.  dies  Bürgermeister-  «md  Scböffenaint,  das  Bflrger- 

meister-  und  SchÖffenaint. 
S.  5  Z.  26  V.  o.  L:  st.  Amter,  Amter. 

8.  11  Amn.  6  L:  st.  Köcber,  Geschichte  ron  Bnumsehweig'Haiiiiover, 

Oeschichto  von  Hannover  und  Braunschwei^. 
S.  19  Anm.  7  !  :  st.  Erdmannsdörfer,  Erdmannsdörft'er. 
8.  20.  Die  angetulirten  Zoileinnabmen  bezieben  sich  für  die  Jahre  lü27  i. 

nur  auf  den  Wavensoü. 

S.  80  Z.     V.  u.  1.:  3t.  w«'r(!(Mi,  wurden. 

S.  31  ergänze  hinter  den  Worten  „Arbeitsteilung  in  der  Werkstatt"  war. 
8.  as  Anm.  S  1.:  st  hloie,  bloei. 

S.  40  Z,  I  ▼.  o.  1.:  st  Organisationsfocttieii,  Orgaiüsationeii. 


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Picrcr'ielw  Hofbuelidrnekml.  Staflun  OdtMl  A  Co*  im  AlUntaif . 


1 


* 


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Verlag  von  DUNCKKR  &  HUMBLOT  in  Leii)zig. 


Dii.s 

englische  Arbeiterversicherungswesen. 

(lesrhichte  seiner  Kntwiekelun*i  und  Ciesety.;iobun{:. 

Von 

Wilhelm  Hasbach. 

Preis  K»  M". 

üßlißr  ma  GnmflfraEen  ki  Recits  nni  fler  Volliswiilliscliafl. 

Von 

Gustav  Sohmoller. 

1H75.   Preis  2  M.  40  Pf. 

Die  Aufgaben  der  Kulturgeschichte. 

Von 

Eberhard  Oothein. 

1S89.    Preis  1  M.  GO  Pf. 


Einleitung  in  die  Geisteswissenschaften. 

Vei-suHi  einer  Grundlegung 
für  lin»  Sluiiiuni  der  Gesollschaft  und  der  (iesoliichte. 

Von 

Wilhelm  Dilthey. 

Erster  Hand.   Preis  10  M.  HO  Pf. 

Die  klassische  Nationalökonomie. 

Vortni«  {^ehalten  von 
Lujo  Brentano. 

1S89.    Pr«i8  1  M. 

Maurer,  Geschichte  der  Markenverfassung.  (Ladeni)r.  8-  M.) "» M. 
Fronhöfe.    4  Hde.    (35V/5  M.)  19  M. 
Dorfverfassung.   2  Hde.    (I4=*r.  M.)  8'  •  M. 
Städteverfassung.    t  ImI.     vUr  r,  M.)  24  M. 
liefert  ^ 

Kerlers  Antiquariat  in  Ulm. 


l'ierAr'M'bo  iloliiuchtiruckirf  I. 


>.  Hl  j\iletii'Urj{. 


•     1  • 


ci 


Igen. 


Herausgegeben  von 

Gustav  Sclimoller. 


Band  X. 


Heft  4. 


Japans 
Volkswirtschaft  und  Staatshaushalt. 


Von 


Karl  Rathgen. 


Mit  i'iniT  K  Ii!,    von  .liij>aii. 


Verlaß  von  Üuncker  &  Humblot 

1891. 


l>i»'!*«Mn  lli'fto  int  V'itA  und  laliultsverzficluiis  für  llainl  X  luMg«*gfbt  u. 


Staats-  und  socialwlsseuschaftliche 

Forschuugeu 


herausgegeben 
▼on 

Oustar  Schmoller. 


Zehnter  Band.  Viertes  Heft 

(Der  ffftimn  Mb«  fBoAindTienigilM  HefL) 

Karl  Kathgcu,  Jupaub  Volkswirtscliatt  und  >Staatähau8halt. 


Leipzig, 

Verlag  von  Du  ucker  &  Humbio  t. 

1891. 


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A 


Japans 


Volkswirtschaft  und  Staatshaushalt. 


Von 


Karl  Rathgen. 


Mit  einer  Karte  von  Japan. 


Leipzig, 

Verlag  von  Dnncker  &  Humblot. 

1891. 


4 


Du  OWiMtenigntclit  iri»  all»  MdWM  ReAt»  ilvd  forkfealtn* 


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Vorrede. 


Der  Augen  blick,  iu  welciiem  ein  Land  zu  neuen  Vertassungs- 
formeu  übergeht,  ist  einladend,  in  oineni  Rückblick  die  bisherige 
Entwiekdung  ziuammeiiBufaneD  und  danustoUeiL.  Der  ZuBam- 
meDtritt  des  ersten  japaniscbeo  Parlaments  am  26.  Noyember 
1890  bedeutet  den  Abedilafs  der  absolutistischen  Periode,  welche 
vom  Feudalstaat  zur  konstitutionellen  Monarchie  hintlberleitete. 
Auf  dem  Untergrund  politischer  Umw.nlzung  vollzieht  sich  eine 
(Jm^estaltung  der  wirtschaftlichen  Or;^'^anisation,  welclie  n'ner  ein- 
ecbenderen  Darstellung  wohl  wert  «  rsclu'int.  Das  Interesse  an 
der  merl<würdigen  Entwickelung  de.s  Landes  der  aufgehenden 
Somie  hat  eine  stetig  wachsende  Litteratur  hervorgerufen,  in 
welcher  jedoch  die  volkswirtBchAftlichen  und  finanmellen  Ver^ 
baltnisse  bisher  eine  genügende  Würdigung  nicht  gefunden  haben. 
Von  der  Touristenlitteratur,  welche  nur  dem  Zwecke  der  Unter- 
haltung oder  der  Befriedigung  der  Autoi^eitelkeit  dient,  ist 
natürlich  ^anz  aT)7iisf'hen.  Wiihrend  ^y\v  eine  Reihe  wertvoller 
neuer  Arbeiten  über  Japan  aus  rlom  IVrriclip  der  Naturwissen- 
sehaften, der  Technik,  der  Phüologie  haben ,  sieht  e^^  auf  dem 
Gebiete  der  Staatswissenschaflen  noch  recht  dürftig  aus.  vSelbst 
Rains  vortreffÜcbes  Werk  (Japan  nach  Reisen  und  Studien 
von  J.  J,  B/OBf  zwei  Bünde,  Leipzig  1881  und  1886)  läfet  uns 
filr  die  Yolkswniscfaaf);  und  die  Fmansen  im  Stich,  so  unschätzbar 
die  Abschnitte  ttber  das  japanische  Volk,  Uber  die  Technik  der 
Gewerbe  u.  s.  w.  sind.  Das  wertlose  Machwerk  von  Van  Bu* 
ren,  L^ibor  in  Japan,  würde  ich  gar  nicht  erwähnen,  wenn 
PS  ni<'Ijt  iniiiier  wieder  angeführt  würde.  6.  Liebsciier, 
Japans  landwiri^sehaftlichc  und  allgemein  wirtschattliche  ^\'rhi^lt- 
nisse  (Jena  1SÖ2),  beschäftigt  sich  mit  der  japanischen  Volks- 
wirtschaft im  allgemeinen  und  mit  den  Finanzen  doch  nur  selir 
summarisch  und  wesentlich  von  landwirtschaftlichen  Gesichts- 

Punkten  aus.  Yeijiro  Ono,  The  Industrial  Transition  in 
apan  (Publications  of  the  American  Economic  Association,  vol. 
V  Nr.  1,  Januar  1890),  verliert  sich  nach  einem  ganz  hübschen 
Anlauf  im  Sande  der  Kritiklosigkeit  und  der  Phrase,  die  in  der 


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VI 


X  4. 


Sksherheit  ihrer  UrteUe  ein  gutes  Beispiel  von  der  Unbescheiden 


bei  die  finanziellen  Verbältnisse  in  ihrem  Zusammenhange  mit 
der  Entwertung  der  Valnta  vaid  der  Wiederaafnahme  der  Bar- 
aahlungen.   Je  mehr  dem  Verfiisser  klar  wnrde,  ein  wie  um- 

fiBSBendcs,  zum  Teil  allerdings  wirres  Material  hier  vorliege,  um 
so  mehr  entstand  in  ihm  der  Wunsch,  die  Ergebnisse  seuier 
Studien  zu  einer  einheitlicli^  n  Darstellung  zu  verarbeiten  Er 
glaubt  damit  denen  einen  Dienst  zu  erweisen,  welche  an  dem 
modernen  Japan  Anteil  nehmen.  Er  wdnseht  auch  denen,  welche 
er  im  engeren  und  weiteren  Sinne  alt»  seine  Schüler  betrachten 
darf,  eine  Gabe  zam  Abschied  danabringen,  in  der  Ho0nung, 
den  Sinn  ftlr  wissenschaAllch-kritiflche  Untenuchnng  wenigptens 
bei  einzebien  zu  sttrken. 

Sollte  die  nachfolgende  Arbeit  wesentlich  die  Qeld-  und 
Finanzzustände  darstellen,  so  schien  es  doch  nötig,  sie  auf  einer 
ziemlich  breiten  Basis  in  der  Schiiderun<x  der  staatlichen  und 
wirtbchaftlichen  Verhältnisse  überhaupt  autzubauen.  In  derartiiren 
Untersuchungen  über  \'orgänge  in  eiirojiäischen  Lftndern  kt»niien 
wir  vieles  unerwähnt  lassen  oder  nur  andeuten;  nicht  weil  es 
nnwesendich  ist,  scmdera  weil  wir  es  als  bekannt  TonuisBetsen 
dürfen.  Bei  einem  so  eigenartigen  und  wenig  bekannten  Lande, 
wie  Japmit  konnte  esne  solche  Voraussetsung  nicht  gemalt 
werden. 

Wie  weit  dr>r  \'erta-^ser  bei  seiner  Arbeit  hinter  dem  ihm 
vorscInvebenrUn  Ziele  zurückgeblieben  ist,  kann  niemand  so 
lebliaft  empfinden  a,U  er  selbst.  Nur  wer  mit  japanischem  Ma- 
terial und  japanischer  Hülfe  den  Versuch  eigener  Studien  ge- 
macht hat,  wird  ganz  wtirdigen,  welche  Schwierigkeiten  der- 
artigen Unternehmungen  entgegenstehen,  Schwierigkeiten,  die 
eine  bestiadige  Versuchtmg  sind,  entweder  die  Arbeit  gans  hin- 
zuwerfen oder  einmal  f\inf  gerade  sein  zu  lassen  nach  gut  ja]>a- 
nischer  Art«  Wissen sehaMche  Kritik  und  die  unbedingte  Achtung 
vor  der  wissenseliMttlicfien  Wahrheit  sind,  auf  dem  Gebiete  der 
Gei8te8wi8ser:'=!"bu!t  II  \veni.:;stf'r>s,  bislier  in  Japan  kaum  bekannt. 
Einer  Ära  radikaler  Umwälzungen  geht  der  historische  Sinn, 
die  liebevolle  Achtung  der  Vergangenheit  naturgemäfs  ab.  Ein 
besonderes  Hindernis  fUr  die  vorliegende  Arbeit  bot  auch  die 
aus  dem  alten  Regime  überkommene  Heimlichthuerei.  Das 
rechte  Verstnndnis  dafilr,  wie  wichtig  die  Öffentlichkeit  für  die 
Finanzen  und  den  Kredit  ist,  findet  sich  an  leitender  Stelle 
immer  noch  nicht,  wenn  es  auch  in  den  letsten  Jahren  damit 
ganz  erheblich  benser  geworden  ist.   Bei  meinen  Arbeiten  habe 


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X  4. 


711 


ich  Aiukimft  vom  FinannDiniBteriuin  der  Regel  nach  nur  über 
unwichtige  Dinge  erhalten.   Die  enudge  amtliche  UnteretÜtsung, 

der  ich  mich  zu  erfreuen  hatte,  war  die  Übersetzung  einer 
grofsen  Zahl  von  Gesetzen  durch  Studenten  auf  Koeten  der 

Universitftt. 

Die  Quellen,  auf  welchen  die  tolgenrlen  TTntei'suc Hungen 
bonihen,  sind  hauptsächlich  die  Gesetz-^ebung  und  die  amtliche 
btiitiatik.  Diese  findet  sich  in  Veröffentlichungen  einzelner  Be- 
hörden, Verwaltungsberichten,  sowie  gröiseren  Tabellenwerkeu, 
wie  de  namentlich  bia  1881  das  Ministerium  des  Lmem,  Ton 
1881  bis  1888  das  JSlinisterium  fUr  Landwirtschaft  und  Q«werbe 
henuiBsab.  Beeondere  Erwähnung  verdienen  die  Handelsstatistik 
des  Z^bureaus  (japanisch  und  englisch^  monatlich  und  jährlich, 
letztere  unter  dem  Titel  Annual  Return  of  the  Forei^rn  Trade 
ot"  the  Empire  of  Japan),  die  IWichte  des  Baiildjureaus ,  des  ' 
Kisenbalmamts ,  der  Postverwaltung.  der  Unterriehtsverwaltung 
(die  beiden  letztgeuaunteii  erscheinen  mit  gro&er  Verspätung 
auch  englisch)  u.  s.  w«,  endlich  die  Budgets  und  Schlulkrech- 
nungen  des  Staate  und  der  Besvke.  * 

£hi  grofser  Fortscln'itt  ist  es,  dafs  seit  1882  eine  Zusammen* 
&MunA;  der  Ergebnisse  aller  dieser  Berichte  in  einem  Stati- 
stischen Jahr1)ueh  (Tokei  Nenkan)  erfolgt.  Dieses  erscheint 
alljnhrlieh  im  Dezember  als  ein  statdicher  Band  in  Grofsoktav, 
dessen  tenzahl  von  078  im  ersten  Jahrgang  allmählich  bis  auf 
1030  gestiegen  ist.  Der  neueste  mir  vorliejrfnde  ist  Rand  IX 
von  Eäde  IbUU  mit  492  Tabellen,  der  nur  melir  für  das  dritte 
Buch  des  Torli^genden  Werkes  eingehender,  fUr  die  ersten 
12  Bogen  gar  nicht  benutst  werden  konnte.  AUe  Zahlenangaben» 
die  sich  im  Folgenden  finden,  sind  diesen  Statistischen  Jahr- 
bttchem  entnommen,  soweit  nicht  eine  andere  Quelle  ausdrück- 
lich angegeben  ist  oder  sich  aus  dem  Zusammenhang  selbst- 
verständlich ergiebt,  wie  z.  B  die  Handelsstatistik  oder  das 
Budget.  Citiert  ist  das  Statistiselie  Jahrbnrli  selbst  nur  in  den 
Fällen,  wo  eine  Tabelle  nieht  regelmiüsjg  \v).  «icrkehrt  oder  die 
Angabe  öich  an  einer  Stelle  hndet,  wo  man  sie  niciit  suchen 
wttrde.  Bei  der  Bemitomig  des  Statistmchen  Jahrbad»  ist  nicht 
aufter  acht  au  lassen,  dafs  es  sich  in  der  Hauptsache  um  eine 
kritiklose,  nicht  immer  geschickte  Zusammenstellung  yon  Tabellen 
handelt.  Auch  vor  Rechenfehlern  ist  man  keineswegs  sicher. 
Es  ist  aber  anzuerkennen,  dafs  in  den  letzten  Jahren  nicht  nur 
die  Quantität,  sondern  auch  die  Qualität  sich  lan^^'^sam  bessert. 

Ein  dürftiger  Auszug  aus  dem  Statistischen  Jahrbuch  er- 1 
scheint  seit  1887  japanisch  und  französisch  unter  dem  Titeil 
„Kesumc  öutdsticjue  de  l  Empire  du  Jai>on".  ) 

Neben  den  amtfichen  Quellen  ist  aie  periodisGlie  Presse  be* 
nutsty  insbesondere  die  Japan  Weekly  Mail**,  die  Wochenaus- 
gibe  einer  täglich  in  Yokohama  erscheinenden  Zeitung.  Zu  be- 
aditen  is^  £Sb  sie  —  wenn  ich  nicht  irre  seit  18ol  —  der 


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VIII 


japftniBcbeti  Regierung  ah  f,freiwUlig  gourernemeBtal«'^  Organ 
dwnt 

Im  übnLi^r!  Iiabe  icli  mu-h  mit  Citaten  «larauf  beschränkt^ 
neiH*  oder  Speeiahirbeiten  anzuführen ,  nnmentlich  die  Abhand- 
lungen ,  welcho  in  den  VeröfVentlichunpcn  der  Iwiden  ausländi- 
schen in  .Jaijaii  bestellenden  wissenachatthihen  Gesellschaften 
enthalten  sind,  den  „Mitteilungen  der  deutschen  GeselLschaft  ftXr 
Natiir-  und  Volkerkunde  Oetemens''  und  den  „Transactions  of 
the  Anatic  Society  of  Japan**.  Von  Arbeiten,  die  in  anderen 
ZeitBchriftcn  verstreut  sind,  wie  von  Dfaeertationenf  habe  ich  mich 
bontthty  aUes  Wesentlichen  habhaft  su  werden.  Doch  könnte 
mir  eines  oder  das  andere  immerhin  cntcangon  sein.  Allgemeine 
Werke  über  .Japan  habe  ich  der  ]{(  <;el  naeh  nicht  ang^Ubrt. 
Die  Mehrzald  ist  ohnehin  wis.-sensehattüeh  wertlos. 

Mit  Polemik  gegen  abweichende  Anschauungen  oder  An» 
gaben  oder  ausdrücklicher  Berichtigung  von  Irrtümern  habe  ich 
mieh  im  tdlgemeben  nicht  aufgehalten.  Ebensowenig  habe  ich  et 
für  nötig  gehalten  besonders  darauf  hinsuweisen,  wo  die  nach- 
folgende  Arbeit  durchaus  Neu«  >  oder  von  bisherigen  Anschau- 
ungen Völlig  Abweichendes  bringt.  Beides  würde  für  die  meisten 
Leser  nur  c'mr  Belftstigimg  sein.  Die  wenijren  wirklichen  Ke  nner 
japanise])('r  Verhaltnisse  werden  selbst  sehen,  wo  und  warum 
ich  von  anderen  abweiche  und  in  welchem  Falle  ich  Neues 
bringe.  Sie  werden  C6  auch  nicht  aU  L  berhebung  bezeichnen, 
wenn  ich  dem  mit  Japan  nicht  vertrauten  Leser  versichere,  dafs 
ein  sehr  groüäer  Teil  meiner  Uniterrachungen  auf  sana  unbe- 
kanntem oder  unbenutstem  Material  beruht  und  dals  auch  da, 
wo  bekannte  Dinge  zu  besprechen  waren,  eie  viel&ch  in  ein 
neues  Licht  gerückt  sind. 

Da  die  jetzt  zum  Abschlufs  gekommene  absolutistische  Pe 
riode  dargestellt  werden  sollte,   so  ist  auf  die  neueste  f^ir  den 
Keprä.s<'ntativst;uit   bestimmte  ( lest  tzi^ebun«^   grundsMtzh'eh  nicht 
nidier  eingegaiij^en,   so  aut  die  Verlassungügebeize  selber,  die 
neuen  Gemeinde-,  Beairkt-  und  Kreiaordnuiigen  u.  s.  w. 

Für  die  Schreibung  japanischer  Worte  mn  ich  dem  System 
der  Bonurji-kwai  (Gesellscnat't  tUr  lat«  inisehe  Schrift)  gefolgt. 
Die  japanischen  Mal'se  habe  ich  in  der  Hegel  beibehalten.  An- 
nähernd kann  der  deutsche  Leser  sieh  die  ihm  geläufigen  Werte 
leicht  einsetzen.  Für  den.  der  Genauigkeit  verlangt  und  selbst 
auf  die  Quellen  zurückgehen  will,  wirkt  die  Umrechnung  in  ein 
ander«  ^  Malssvstem  meinem  Empfinden  nach  nur  störend.  Zu 
bemerken  ist  auch,  dals  im  Text  wie  iu  deu  statistischen  Ta- 
bellen die  Summensablen  xuweiten  nicht  genau  mit  der  Summe 
der  Einaelposten  stimmen,  infolge  der  Abrundung  auf  ganae 
Einheiten  (Yen,  Koku,  Cho)  oder  auf  volle  Taueende. 

Die  beigegebene  Karte  soll  einmal  die  der  ganzen  amtlichen 
Statistik  zu  Grunde  liegende  Bezirkseinteilung,  dann  die  für  den 
Ackerbau  wie  iUr  die  Dichtigkeit  der  Bevölkenmg  mal^gebende 


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X  4. 


IX 


AuädehnuDg  der  tiei'er  gelegenen  Ebenen  und  Fluiäthaler  ver- 
deatiBfifaeii. 

Da  M  der  Scliüderimg  wirtschaftlicher  Ziutllode  die  per^ 
flOnfiche  Anschauung  memes  Erachtens  äufsent  wichtig  ist^  so 
bemerke  ich,  dals  ich  von  den  47  gegenwärtig  bestehendea 

VervN'altungsbezirken  Japans  32  besucht  habe ,  wenn  auch  zum 
Teil  nur  flüchtig.  Von  den  Bezirkshauptstüdten  habe  ich  20 
kennen  gelernt  Am  !)•  st« n  bekannt  sind  mir  naturgemHls  die 
mittleren  Teile  der  Hauptiusel.  Dals  icii  liier  und  da  persön- 
lichen Kindrücken  zu  allgemeine  Bedeutun«;  beigemessen  liabe, 
ist  nicht  unmöglich.  Ühedrhaupt  hin  idi  mir  ganz  klar  dartther, 
dals  meine  Aroieit  von  Irrtttmeni  nicht  frei  sein  wird«  Wer  sich 
mit  ähnlichem  Material  hefaCbt  hat,  wird  dartther  nachsichtig 
denken. 

Wo  meine  T^enrteilung  japanischer  Zustände  wesentlich  auf 


mälsig  anzuerlvennen.  Wer  aber  will  sagen,  wieviel  von  den 
eignen  Meinungen  sich  erst  auf  Grund  des  lebendigen  Ged  uilvt  n 
austausches  im  Freundeskreise  gebildet  hat?  So  ist  es  mir  eine 
liehe  Pflicht,  den  entfernten  Freunden  und  Bekannten  ftlr 
lüancfae  bewufste  und  unbewulste  Anregung  meinen  harzlichsten 
Dank  auszusprechen,  vor  allem  den  Herren  \A'eipert,  Wagener, 
Lehmann,  Kellner.  Fesca,  Chamberlain  und  Baelz. 

Meine  Arbeit  wäre  unmöglich  gewesen  ohne  die  Hülfe  und 
Mitarbeit  einer  Anzahl  meiner  ScluUer,  in  (Tster  Linie  der 
Herren  Sakatani.  Kiuehi  und  Isliizuka,  ferner  der  Herren  Naka- 
gawa,  Rume,  Ranai  und  Matsuzaki.  Ihnen  wie  allen  denen, 
die  mir  gelegentlich  Aufscbluis  auf  Erkundigungen  gegeben 
haben,  den  Herren  Nakane  und  Hanahusa,  G.  Fnkudii,  iT  Shi* 
busawa  imd  andern  wiederhole  ich  hier  meinen  Dank. 

Japaner  haben  im  allgemeinen  wenig  Neigung,  das  zu  lesen 
und  zu  beherzigen,  was  ein  Ausländer  über  sie  schreibt.  Aber 
vielleicht  veranlafst  das  im  Osten  einstweilen  noch  hochgehaltene 
Pietiitsverhältnis  des  Schülers  zum  Lelirer  doch  den  einen  oder 
den  anderen,  auf  kritischer  Grundlage  in  ernster  wissenschaft- 
licher Weise  weiter  zu  arbeiten.  Seinem  Staat  und  Volke  wuidu 
er  damit  besser  dienen  als  mit  der  unseligen  ttblichen  Leit* 
artikelBchraberei  „Wer  eine  Anlage  hat,  klug  zu  werden,  maff's 
nächst  dem  Leben  in  der  Geschichte  suchen schreibt  Goeme 
an  Johannes  von  Müller.  Die  Anlage  haben  die  Japaner. 
Mögen  sie  nun  auch  klug  werden,  nicht  durch  Schaden  und 
bittere  Erfahrung,  wie  bisher,  sondern  durch  da«  Studium  des 
eigenen  Volks-  und  Wirtschattsiebens  und  seiner  geschichtlichen 
Grundlagen. 


der  Mein  Vi  11 


Berlin,  Ostern  1891. 


K.  Bathgen. 


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Inhaltsverzeichnis. 


Vorrede.  .  .    V 

Sprachliche  Vorbemerkung  XVII 

Mafs,  Gewicht  und  Münze  in  Japan  XIX 

Einleitung   1 

Imge  Vorstellangen  Uber  Japan  L  —  Geographiseher 
Überblick  a.  *-  Liate  der  Bezirke  7. 

Efstei  Biieli*  Der  Staat» 

Erstes  Kapitel  Geschichtlicher  Rttchbliek.  Bis  zwt  Herrschaft 

der  Tokupawa   13 

Urzeit  13.  —  Berührung  mit  China  -  Erster  Versuch 
der  C'entralisation  18.  —  Zersetzung  und  Entetehung  des 
Feudalstaates  20.  —  Shogun  und  Shikken  2:1  —  Der  Re- 
stauration?» vorfttich  Go-l>Bigos  24.  —  Wiederherstellimg 
der  Keichseinlieit  2ö. 

Zweites  Kapitel   Die  Herrschaft,  der  Tokugawa   26 

nrundzf'ifrp  der  Verfassung  27.  —  Der  Kaiser  30.  —  iKe 
Lehnalürsten  32.  —  Die  &unarai  40.  —  Dfts  Volk  4L  — 
Organisation  des  Baknfti  42. 

Drittes  Kapifel.    Der  Untergang  des  Shogunats   53 

Zersetzung  der  älteren  Zustände  ö3.  —  Die  legitimistische 
Bewegung  57.  —  Die  Öfiiiung  der  Häfen  58.  —  Beginn 
der  uineren  Wirren  59.  —  Sbtmonoseld  64.  —  Das  finde 
d'^<^  shogunats  r>s'. 

Viertes  Kapitel.    Die  neue  Urdnun^   70 

Erste  Mafsre^eln  70.  —  Beseitigung  des  Feadalismos  74. 

—  Die  Organi>ntinn  von  1871  75.  —  IHe  Keimavoa  1875 
77.  —  Die  Ketorm  von  ItiüöiHö  79. 

Fünftes  Kapitel.    Die  moderne  Verwaltungsorganisation  und 

die  Kosten  der  Staatsverwaltung   82 

Der  Kaiser  .^'2.  —  Die  Gesetzgebung  82.  —  Der  Staats- 
dienst 84.  —  Die  CeutralbchurdeD  88.  —  Beamtenatatistik 
90.  —  Anstftnder  im  Staatsdienst  93.  —  Die  Bezirk»» 
Verwaltung  95.  —  Die  Krei.sverwaltung  OH.  —  Die  Ge- 
meinden 99.  —  Kommunale  Körperschaften  100.  —  Die 
Polizei  101.  —  Auswärtige  Verwaltung  102.  —  Landee- 
verteidigung  104.  —  Rechtspfle^;e  10'<  —  Unterrichts  wesen 
109.  —  Fresse  117.  —  Gesundheits-  und  Armenwesen  118. 

—  Der  Btaat  wnd  die  Volkswirtiehaft  120.  —  Eotwicke- 
lung  der  Staatsausgaben  123.  —  Charakter  des  modernen 
Staates  mid  der  modernen  Gesellschaft  124. 


XII 


X  4. 


ZweltM  B«eh.  Die  TolkswIrtMhftft. 

Seit« 

ErütCH  Kapitel.    Die  Grundlagen  des  Wirtachaftdlebeus  .... 

I.    Bevölkerang  1H'> 

n.    Die  Fiimilic   141 

III.  Die  Üeöiedeluitg  14>!> 

Das  Hans  14&  —  Stadt  und  Land  147.  —  Die  Form  der 
Nieder1a.<t3i]Dgen  151. 

IV.  Stand  und  Beruf  162 

Zweites  Kapitel    Das  HfiiuEwesen   157 

Unter  den  Tokugawa  15«  —  Die  Münz  wirren  nach  Öff- 
nung des  Landes  161.  —  Neuregelung  104.  —  (»oldpräpung 
166.  —  Silberprägung  167.  —  Papiergeld  16.s.  —  EUel- 
metallein-  und  -ausfuhr  171.  —  HeschatVenheit  des  Geld- 
umlaufes ITi*  -    Scheidonüinzcn  174.  —  Geldumlaof  176. 

Drittes  Kapitel,   iianken,  Uöreeu  und  Kredit  177 

L  Die  Nationalbaaken  177 

Erste  Mafsro^reln  177.  —  Das  fJesetz  von  187H  179.  — 
Kritik  Itii,  —  Die  Hetomi  von  l^^.i  184.  —  l>ie  Adels- 
bank  18.5.  —  Statistik  der  Nationalbaaken  186.  —  Ergeb- 
nisse  l<i>{. 

IL   Die  Shokin  (Jinko   194 

Gründung  194.  —  Krisis  und  Kckonätiuktion  VXk  —  Das 
Gesetz  von  ls^7  197.  —  Die  Geschüfte  der  Shokin  ainkol96. 

in.   Die  Nihon  (Ünko  199 

Das  Gesetz  von  18.^2  lUU.  —  Geschäftsbetrieb  202.  —  Die 
Kotenaoflgabe  207.  —  Urteil  216. 

IV.    Sonstige  Kreditanstalten  und  Vnwimdtea  216 

Privatbanken  216.  —  Pfandleiher  219.  —  Zinsfiifs  223.  — 
Sparkassen  226.  —  Versicherung  2'JS. 

V.   Die  Börsen  229 

Das  GP9Ct'/  von  1><74  betr.  die  Efl'ektenl'  irsi  ii  229.  — 
Das  Gesetz  von  1?<7.^  2^51».  —  Die  Börseneinncljiungen  232. 
—  Die  Umafttee  an  den  Börsen  285.  —  Vergebliche  Be- 
formver?uchr  t?!?7.   -  Di    M-'isbörsew  237. 

Viertes  Kapitel.   Die  Verkehräunttel  241 

Unter  dem  alten  Regime  241.  —  Laodttnfsen  242.  — 
Wagen         —   Ei-onbalinen  24.^.  —  Die  Nihon  Tetsudo 


KwHisha  249.  —  Die  Post  2.'>'>.  —  Der  Telegraph  2 


1 1 . 


Der  Paketverkehr  2"».^.  —  Die  Schiffahrt  2:»9.  —  Die 
Osaka  Shosen  Kwaisha  26*».  ^  Die  Nihon  Yusen  Kwaisha 
und  ihre  Vorläufer  2(H).  —  Schiffbau  272.  —  'IVansport- 
kosten  27o. 

Fünftes  Kapitel.   Das  Grandeigentum  276 

Landklassen  277.  —  An-fiphnunp  df*s  privaten  Grund- 
besitzes 279.  —  Natur  des  Grundeigentums  2öl.  —  Expro- 
priation 282.  —  Verpfiindang  2h8.  —  Besitswechsel  »tö. 
Grundstückspreise  —  Hauseigentum  29U.  —  Verpfän- 
dung von  H&useni  291.  —  Verteilung  des  Grundeigen» 
tums  292. 

Sechstes  Kapif  el.    Die  Landwirtschaft  296 

LaD<lwirt -('Irit'tUclie  Bevölkeruii«:  •_'!»7.  —  I.andwitt^ichaft- 
lich  benut/ie  Fläclie  299.  —  (;iörs'e  der  Betriebe  ;iU3.  — 
Ackerbansystem  .*t04.  —  Bind  Viehhaltung  :{06.  —  Pferde- 
haltun^'  :*Aix.  —  IMe  landwirtschaftliche  Prixluktion  :U0.  — 
Der  Keis  ^^U.  —  Keisverbrauch  HIO.  —  Beispreise  316.  — 
Weizen  und  Gerste  825.  —  Hirse  829.  -  Bohnen  880.  - 
Knollengewächse  u.  s.  w.  'X\2.  —  Handelsgewüchöe  '-t-^^.  — 
Zucker  .'^  I'k  —  Thne  ilH.  —  Flecht-  und  Fasorstcitte  '.m. 
Seide  'M2.  —  Ertrag  der  Landwirtschaft  Ml.  -  Keiu- 


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X  4.  JIU 

S«it« 

ertrage  '^9.  ^  Lage  de«  Banernstaad^  352.  ^  Pacht- 
wesen 8ö3. 

Siebentes  Kapitel«  Die  anderen  Zweige  der  UrproduiLtion  .  .  367 

I.  Der  Wald  357 

II.  Die  Ja^^a  'S59 

III.  Die  Fischerei  3f>0 

IV.  Die  Salzgewinnung   366 

V.    Der  Bergbau  367 

Acbtee  Kapitel.    Das  Gewerbewesen  372 

Organisation  früher  and  jetzt  .M.i.  —  Bedeutung  der  Ge- 
werbe 375.  —  Der  roodone  Staat  876.  —  Nene  Inda* 
strieen  'i^O.  —  Gewerbestatistik  381.  —  Baum  Wollspin- 
nerei 387.  —  Weberei  3bÖ.  —  Hatten,  Papier,  Leder  391. 
Kemmteehe  Industrie  392.  —  Sakebimrei  392.  —  Sbojru 
397.  —  Tabak  398.  —  Korporative  NeabilduDgen  899. 

Neuntes  K  a  pi  tel.    Der  Aufsenhanael  402 

Auiuiu^c  der  Entwickelunij  40^:$.  —  Organisation  4u5.  — 
Die  Werte  der  Aus-  und  Einfuhr  409.  —  Zusammen- 
setzung der  Ausfuhr  413.  —  Die  lanfuhr  415.  — 
Handelsplatze  418.  —  Die  Verkehrsländer  419. 

Zehntes  Kapitel.  LShne  nnd  Einkommen  421 

Geringe  Bedeutung  bezahlter  Handarbeit  4*21.  —  H  lhe 
der  Löhne  424.  —  Ergebnisse  d^  Einschätzung  zur  Lin- 
kommenstener  428. 

IMttes  Bneh.  Die  FtaiMura. 

Erstes  Kapitel.   Die  Entwickelnng  de«  Finanz wesent  in  der 

neuen  Ära  483 

1.   Erste  Nöte  484 

Die  ersten  Jahic  der  neuen  Ära  4^i4.  —  liegnm  der 
Reformen  4^^6.  —  Die  Krisis  von  1873  438.  —  Okuraas 
Anfänge  4;^9.  —  Die  Heblnfsrechnong  von  1875  442.  — 
Reformen  von  1876  444. 

n.  Die  Ablösung  der  Renten  447 

Ilirn  Not^vcndigkeit  417.  —  Freiwillige  AblQsaag  448.  — 
Die  ZvTaDgsabiösung  lb76  4ö0.  ^ 

IIL   Das  Agio  456 

B^inn  der  Entwertung  der  Valuta  -  Ausgabe  der 
Kinsatsuscheine  4'>8.  —  Die  lieitnliche  Ausgabe  von  Pa- 
pier^^eld  460.  —  Die  Entwertung  462.  —  Gründe  4613.  — 
Nlifstrauen  gegen  die  finansverwaltung  464.  —  Die 
kolation  46>f.  —  Mafsrepeln  j;egen  die  Fntwertumr  1 
—  Das  Gesetz  vom  5.  November  1880  473.  —  Okumas 
Abschied  474. 

IV,    Die  Wioderlierstellung  der  ^'aU^ta   475 

Matsnkata  47.5.  —  Die  Beachatüung  der  Mittel  476.  — 
Die  EÜnziehung  von  Papiergeld  478.  —  Die  Metall- 
rcflerve  482.  —  Das  Verschwinden  des  Agios  480.  —  Die 
Wirkunßcn  der  Kontraktion  und  <\\o  Wirt«cliaft.«ikrisi9  von 
1^^3—1  W'»  4N").  —  Aufnahme  d«;r  iiaraiiiilungen  4i>l.  — 
Weitere  Finanzreformen  494. 

Zweites  Kapitel.    Die  Finanzverwaltwag  496 

I.   Organisation  und  Etatswe^en.  496 

Verwaltuug&ürgauisation  497.  —  Etats-  und  Rechnnngs- 
we.sen  497.  —  Die  Kontrolle  503. 

iL   Die  Fonds  öOö 

Der  Reservefonds  ^o.  —  Andere  Fonds  ö08.  —  Die  De* 
pesitenkasM  510. 


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XIV  X  4. 

.Seit« 

Drittes  Kapitel.    Die  Grundsteuer  .  512 

L  0ie  Grundsteuer  tot  der  Reform  512 

Geschichte  512-  —  Der  Zustand  geeen  Ende  der  alten 
Onlnune  514.  —   ReebtUcbe  btellang  der  Grondbe* 

silzer  518. 

IL  Die  Reform  520 

Die  ersten  Vinpchläge  520.  —  r;  rundbesitzrcform  52?.  — 
Die  Konferenz  von  1873  524.  —  Gnindsteuergesetz  von 
1878  526.  —  Der  Steaererlafe  von  1877  528.  —  Das  Ver- 
fahren 529. 

UL   Die  Ergebnisse  der  Kefonu  .5:34 

Be8Citij;ung  der  Steuerfreiheiten  534.  —  Veränderung  des 
Steueraufkommens  o^}o.  -  Auderung  der  Bdastnng  5  >S. 
Der  Steucrerlafs  von  18ö9  —  Die  Kosten  der  Re- 
form 545. 

IV.   Weitere  Entwickelung  und  jetziger  ZuBtaad  der  Grundstener  546 

T>as  Oesetz  von  1H^4  und  die  Gesetze  von  IH-^^O  516.  — 
Jetziger  Zustand.  iSteuerpflicbt  547.  —  Zahlung  in  Geld 
und  iD  Keis  548.  —  Bteaertermtne  550.  —  Rtteketftnde 
5."1.  —  Exekution  55:-{.  -  Onnidstcuer  in  Okinawa  uud 
im  Hokkaido  5G6.  —  £jnnahme  aus  der  Grundsteuer  557. 
Die  Zuschläge  zur  Grundsteuer  5ö0. 

V.  Der  Hülfsfonds  562 

Das  (Jesefz  von  1880  562.  —  Seine  Wirkungen  568.  — 
Die  Umgestültung  1890  5<iÖ. 

VI.  Bedeutung  der  Gmindetetier  für  die  japanisclie  Volke- 
wirtscliaft  ....   569 

Verhältnis  der  Grundsteuer  zu  den  anderen  {Staatsein- 
nahmen 569.  >-  Die  Gmodtteaer  ehie  Steuer  Tom  Roh> 
ertrair  570.  —  Verhältnis  der  Steuer  zum  Ertrag'  571.  — 
Charakter  der  japanischen  Grundsteuer  576.  —  I>io  Steuer- 
zahlung in  (^Id  57d.  —  Verhältnis  der  Steuer  zur  ganzeu 
landwtrtschaflliehen  Produktion  580.  —  Zu  den  Boden- 
preisen 582. 

Viertes  Kapitel.   Die  anderen  Staatssteuem  586 

I.   Die  Emkommensteuer .  586 

il.   Die  n(!rg>verka»tcner   590 

m.  Die  Zölle  590 

IV.  I^e  GetrSnkeeteaera  597 

Geschichte  507.  —  Das  Gesetz  von  \f<x2  5f)!».  —  Die 
Kojisteuer  (m.  —  Ertrag  der  äakesteoer  002.  —  Ihre 
Wirkung  1503. 

y.    Die  Tabaksteuer  607 

VI.  Die  Sboynsteuer  611 

VII.  Die  Kuchensteuer  612 

Vlil.   Die  Mediauttteuer  614 

IX.  Die  Sf.Miorn  von  Produkten  des  Hokkaido  61G 

X.   Die  Wageusteuer  61ö 

XI.   Die  SchifliMteuer  620 

XII.   Die  Notensteuer  der  Nationalbanken  621 

XIII.  Die  Hörsensteuem  622 

XIV.  Steuern  vom  Viehliandel  624 

XV.    Stempelabgabeu  62.'> 

XVI.    Die  i:. -ist.  rgebühren  627 

XVli.    Gerit  iitfekosten  629 

XVIII.   Sonstige  Gebühren  6.H1 

Fünftes  Kapitel.  Niclitateuerlicbe  StaataeiDnahmen  6:^2 

I.  Post  uud  Telegraph  

II.  Die  Staafsetsenbabnen  63.> 


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X  4.  XV 

Iii.   Andere  gewerbliche  Unternehmungen  636 

IV.  Die  Fönten  688 

SechBtcs  Kapitel.   Die  KonununalfiimtiMii  641 

Geachichte  641. 

I.   Die  Bezirke  644 

Äusgulien  den  Bearke  644.  —  Einnahmen  646.  ~  Uaua> 
haltuDg^<steue^l  647.  —  Gewerbeetanem  649.  —  Das 

Fukin  bö6. 

IL  Die  OitBffeineioden  658 

Anhang  A  zum  sechsten  Kapitel.  Budget  des  Tokyo*fa 

1888/09  66;) 

Anhang  B  mm  sechst«!  Kapitel.   Budget  des  Cbiba-ken 

IsKssn  678 

biebenteg  Kapitel.   Rückblick  auf  Ausgaben.  Einnahmen  und 

das  St^ersyetem  684 

Übersicht  der  Ausgaben  684.  ~  Übersicht  der  Einnahmen 
686.  —  Entwickelung  der  SteuereiTinrihmon  O^'»  —  Stener- 
aystem  690.  —  Belastung  der  Bcvuikeruiig  mit  Steuern 
^94.  —  Beformprogramm  697.  —  Freiwillige  Beiträge  700. 
—  PersÖnlichr  I>ienste  702. 

Achtes  Kapitel.  Die  ätaatascbald  .  708 

Das  Gletehgewiebt  awiscben  Ausgaben  and  EtnnalniMn. 
Schatzscheine  703. 

L  Die  Zusammonsetztin^  der  Staatsscbuld  705 

Alte  und  Neue  JScnuld  TUö.  —  Kiusatsu- Scheine  70(5.  — 
Chitsuroku  -  Scheine  TOT.  —  Kinroku  -  Scheine  T07.  — 
Pripstprnblösungsscheine  T!»^  —  Sa tsuma- Anleihe  TO^.  ~ 
Industneanleihe  708.  —  Ei^enbahnanleihen  709.  —  Marine- 
anienie  710.  —  KonTertierungsanl^e  711.  —  Ai»wlrt%e 
AnliMhni  712. 

IL   Die  Bedeutuue  der  Staats^buld  713 

Die  Btaatss^tild  ihrem  Ursprünge  nach  713.  —  Höhe  da* 
Oesamtschuld  71-5.  —  Schuldentilgung  717.  —  Beden- 
tung  der  Schuld  für  die  japanische  Volkswirtschaft.  Ver^ 
teilung  im  Lande  T2U.  —  Die  Staatsgläubiger  722. 

Schlafs  724 

ZukimftsanflBichteD,  VertngarevisioD  und  NatiTismos  724. 


Statistische  Tabellen. 

1.  Die  Hauptinseln  mit  deu  zugehörigen  Nebeninseln  nach  Fläche 

imd  Euiwobnersahl  1887  und  1^2   731 

2.  Die  alten  Landschaften  nach  Fl&che  und  Einwohnerzahl  1887  .  732 
8.  Die  Provinzen  nach  Flüche  und  Einwohnerzahl  1887  .....  78i> 
4.  IMe  Bezirke  nach  I lache,  gesetzlicher  und  Wohnbevölkerung, 

HanshaUnngen,  Grundbesitz  und  Ackerland  1887   7.3.'» 

.5.  Staatsverwaltttnfr?an.«p:abcn  ivxo    is^f)   737 

6.  Familieuhäupter  und  Stande  1^87.  —  Anteil  der  bhizoku  am 

.  Grundbesitz   788 

7.  Öffentliche  und  Privatbanken    740 

8.  Bilanz  der  Nihon  Ginko  vom  31.  Dezember    742 

9.  Aus-  und  Einfuhr  von  Gold  und  Silber  1872—1889    743 

10.  Postämter.  Postsendungen»  Telegramme  n.  Poetspafkassen  1887  744 

11.  Versteuerte  Wagen  18*^7   746 

12.  Seesihitle  1W7   748 

18.  Steuerpflichtiger  Privatgrundbesitz,  Termeisene  Staatafotsten 

nnl  Herpluuil  l^^7   750 

14.  Laudwirtschattlicbe  Bevölkenmg  1886    752 

15.  Ernteertrag  der  wiebtigaten  FeiafirOchte  1887   754 


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16.  Eniteertrag  einiger  wichtiger  IaDdwirt8chaMi€liw£nMiiglÜM6  755 

17.  Verbreitung  der  PachtwiWhaft  1887    756 

18.  Steuerpflichtige  Handelsbetriebe  188o  757 

19.  FftbriktebeUe  1886    758 

20.  Warenaua-  und  -einfuhr  deni  ^^^  rte  nacli  is'GS-lSM)  759 

21.  Verglich  der  Ausfuhr  japauiäcber  Erzeugnisse  dem  Werte  nach 

1®3  und  1888    760 

22.  Durchschnittskurse  von  Reis  und  Silber  an  der  Böne  in  Tokyo 

1877—1885,  für  Reis^  «lloin  1s>j»;  -Issk  7^2 

23.  Grundsteuerreforin.    Gruuästeueraul  küiiiDien  vor  der  Reform, 

nach  dem  Sfttie  von  1878  ond  nach  dem  von  1877    768 

24.  Grundsteuerreform.    VermelinuriL':  mid  Verminderung  der  ver- 

messenen Fläche  und  der  Grundsteuer  nach  dem  Satze  von 

1873  nnd  1877   764 

25*  Gnmdsteucrreforiri  A  k«  r-,  Baiilnnrl  nnd  Salzgarten,  Vermeh- 
mog  und  Venniuderuug  der  vermessenen  Fläche  und  der 
Grundsteuer  nach  dem  Satze  von  1873  und  1877    765 

26.  Vennindcruii^^  der  Grundsteuer  dnieh  das  Geeets  22  vom  26. 

Auffust     766 

27.  Vergleich  der  wirklichen  Preise  von  verkauftem  Ackerland  mit 

dem  Grandsteuerwerte  1888—1886  767 

2H.  Aufkomtnen  an  Orundsteaer  mit  allen  Zuschlügen  1887/88  .  .  768 
2U.  Ertrag  sämtlicher  Steuern  (ohne  Zölle)  nach  Bezirken  1887/88  .  770 
80.  Anf  kiHnraen  an  Steneni  der  ▼ereefaieoenen  Arten  (direkte,  Ver« 
brauche-,  Vorkehrsstetieni)  in  >Staat  und  Kommunalverbfaiden 
in  den  FinanJiyahren  1880  81,  1882  83,  1884/85,  188&87   ...  772 

Register  773 


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Sprachliche  Vorbemerkung. 


über  die  Ausbpi  ache  japaoischer  Worte  hi  zu  l>enierken,  da(^ 
uach  dem  Systeme  der  Komi^i-kwai  die  Vokale  wie  un  Deutschen 
aiuznspreclMai  eind,  Our  ei  wie  langes  e,  die  Konsonanten  wie  im 
Engliachen,  also  ch  wie  tach,  di  wie  eeb,  j  wie  dach  (lehr  weich), 
s  wie  weidies  s,  y  wie  ein  ganz  leicht  tot  dem  nedifolgeiideii 
Vokal  vorgeschlagenes  i  oderj.  Entgegen  dem  System  der  Romaji* 
kwai  habe  ich  in  gebräuchlichen  Worten,  wie  Yedo,  Yen,  Yezo, 
das  y  vor  e  beibehalten.  Die  Dehnungszeichen  auf  langem  o  und 
u  sind  aus  typographischen  Gründen  wegi^elassen.  — >  Da  über  die 
Betonung  lange  Regeln  hier  nicht  gegeben  werden  können ,  genüge 
die  Bemerkung,  dals  luan  am  einfachsten  alle  Sylben,  mit  Aus- 
nahme der  stummen,  ähnlich  wie  im  FranzöeiBchen  gleichmafsig 
betont  —  Bei  Penonemiameii  fblgt  der  Rnfiiame  dem  Familini- 


Nachstehend  einige  häufig  vorkommende  jApiaische  Avsdmcke : 

Nihon:  Japan. 

Tenno :       übliche  amtliche  Be:^oichnung  des  Kaisen  von  Jajpan, 
Daijokwan:  der  Staatsrat  (bis  Ende  1885). 
Daijin :         Minister,  Kanzler. 

Bakufu:       Zeltregicruug  d.  h.  Militärregierung,  übliche  Bezeich- 
nung der  Shoguiatsregierung. 
Shogon:      „Feldherr'',  Erhstatthalter. 
Daimyo:      Tenitorialherr,  Lehmfllrst. 
Samurai:      Ritter,  Soldat 
Ronin:        herrenloser  Samurai. 

Han:  „Zatni",  Clan,  die  durch  das  Band  der  Irene  verbun- 

dene Genossenschaft  der  Lehnsleute  eines  Fürsten. 

Kwazoku:     moderne  Bezeichnung  der  Adligen. 

Shizoku:       muiierue  Bezeichnung  der  Samurai. 

Heimin:  das  gewöhnliche  YoUc  (im  Unterschiede  TOn  Kwasoka 
mid  Shisoka), 

Ken:  Begieniogshesirk,  Bepsriement»  regelm&big  mit  Be- 
sirk  übersetzt 

Fb:  hauptstädtischer  Begierongehezirk  (Tolcyo,  Kyoto» 

Osaka). 

FonohangMi  (46)  X  4.  •  Bail««&.  II 


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X  4. 


Kn:  Stadtkreis, 
Gnn :  Landkreis, 
(liiiko:  Bank. 
TetsUflo :  Eisenbahn. 
Kwaislia :  Gesellschaft. 

KinBatsu:      übliche  Bezeichuoug  des  Papiergeldes. 
8«k«:         eiD  beranacboidesy  dnidi  Gfihmiig  ans  fieia  hange- 
stolUes  Getrftnk. 
Die  folgenden  deutschen  Ausdrücke  siud  regelmäfsig  gebraucht 
zur  Wiedergabe  der  nebenstehenden  japaniachen  Aoadrficke: 


Provinz 
Bezirk  : 
Krcib  : 
Kabinett : 
Staatsrat  : 
Minister: 
Kansler: 


:1 


Chiji,  Koi. 


Beiirkshäupt 

mann,  Präfekt 

KreisbaupUnann :    Qnncho,  Kocho. 
Schulze,  Orts- 
voisteber ; 


Knni. 
Fu,  Ken. 
Kori,  Gun,  Ko. 

Naikaku. 

bis  1886:  Daijokwan;  seit  1888:  Sumitaa-in. 
bii  1885:  Kyo;  seit  1886:  Dayin. 
Dayin. 


I  Kocho»  im  alten  Beghne  KanoBhi  oder  Shoya. 


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Mafs,  Gewicht  und  Münze  in  Japan« 


Hohlmafg. 

1  Koku       10  To  =  100  Sho       1000  üo  =  180,8«  Liter 
(=  6,4827  Kub.  Sbaku). 

86  Cho    ^  8927,tT  Meter. 
60  Ken    ^    109,o»  Meter. 
6  Shaka  =      l,sj  Meter. 
10  San  0,8iia  Meter. 

FlSelienmars. 

1  Qaadratri       1555,2  Cho.    .    .  —  15,1236  Quadratkilometer. 

1  Cho  —  10  Tan  =  3000  Tsubo  —    U,s»'.mt  Hektar. 

1  ibubu  —    3,au&ä  (^uadratmetei*. 

Cfewicht 

1  Pilnü  =s  100  Ein  ^  60,io4  Kilesnunm. 

1  Ein    =s  160  Momme  =  601,o4  Gramm. 

1  Momme  =     3,7505  Gramm. 

1  Kwan  6V'4  Kin  —  1000  Momme  ^  7-<  Kilogramm. 
(Maeh  der  MaCs-  und  Gewicbtsordnoog  v.  3.  März        =  3«i6  kg.) 

Mlliue. 

1  Yen  =  100  Sen  =  1000  Rin. 
1  üoldyeu  ~  1,6  Gramm  Feiugold  ^  4,i86  Maik. 
1  SUberyen  =  24,8«i  Gramm  Feinsilber, 
nach  der  Parität  1 : 15Vs  =  4,tT  Mark, 
nach  Sichtkurs  anf  London  im  Boiehachnitt  des  Jahres: 


1874 

4,96  Mark. 

1882 

8,81  Mark. 

1875 

4,1» 

1883 

3,14 

1876 

4,oi 

1884 

3,74 

1877 

4,06 

1885 

3,5ft 

1878 

3,86 

1886 

3,34 

1879 

3,78  - 

1887 

3,23 

1880 

3,8a 

1888 

3,15 

1881 

8,78  - 

1  Ri  ^ 
1  Cho  = 
1  Ken 
1  Shakn  = 


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XX 


X  4. 


1  Papieryen  unter  Zugrundelegung  obigen  Wertes  des  Silberyen 
nach  dem  Börsenkurs  in  Tokyo  im  Durchschnitt  des  Jahr^: 
187  7    3,»8  Mark.  1882    2,43  Miirk. 

1878  3,53     -  1883  2,»« 

1879  8,0»     -  1884   8^  - 

1880  2,M     -  1885   8,S8  - 

1881  2,38  • 

Yom  1.  Januar  1886  mit  Silber  gleich. 

Wührnn^smüuze  vor  1868. 

1  Ryo  Gold  oder  Kobau. 

Seiu  Wert  in  Goldyen  war: 

lÜUO— 1695'  10,ü..4  1736—1818  5,759 

1695—1710     0,8ü6  1818—1837  5,202 

1710—1714     5,16«  1887—1858  4,a«e 

1714—1716    lO^M«  1859  8,60 

1716—1786   10,1»  1860—1867  l,8o 


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Einleitung 


I. 

Seit  Marco  Polo  die  erste  Nachricht  von  dem  goldglitnzenden 
geheimnisvollen  Reiche  Zipangu  nach  Europa  brachte,  hat  es 
eine  eigenartige  Anziehungskraft  flir  die  Kulturwelt  des  Westens 

f;ebabt.  Coiumbuä  zu^  aus,  die  dort  vermuteten  ^Schätze  zu 
olen.  Ein  halbes  JaDrhtinaeit  später  erOffiien  portugieaiache 
Abenteurer  Japan  zam  ersten  Male  dem  Verkehr  mit  Europa. 
Dorch  Handel  und  Christentum  entstehen  lebhafte  Bemeihimgon» 
Eine  japanische  Gesandtschaft  kommt  sogar  nach  Europa.  Aber 
plötzhch  scliHoCst  sicli  der  Vorhang  vor  dem  gehpimnisvollen 
Lande  wietler.  Der  Verkehr  mit  dem  Auslande  hört  fast  g-anz 
auf.  Nur  unvollstitndigc  Kunde  von  den  Zuständen  Japans 
dringt  zu  den  Völkern  des  Westens,  bis  nach  zwei  Jaltfhun- 
derten  die  Fortscbritte  des  Weltrerkdin  auch  das  ftme  Insel- 
reich  aii&  neue  erschlielseD.  Und  mm  begiebt  es  sich,  dafo 
dem  aafitnglichen  heftigen  Widerstreben  gegen  das  „Barbaren- 
tum*^ eme  „Einführung  der  westlichen  Kultur"  fol^,  die  das 
Staimen  der  Welt  erregt.  Es  ist  kein  Wunder,  flnls  v^taat  und 
Gesellschaft  des  modernen  Japan  die  allgemeine  Aulmcrksamkeit 
auf  sich  zogen.  ^lerk würdig  ist  aber  auf  den  ersten  Blick, 
daiii  bisher  so  wenig  Anstrengungen  gemacht  sind,  diese  £nt- 
wickelung  aas  sich  heraus  an  begreifen  und  im  einsehien  nach 
ihrem  wären  Werte  au  wfkrdigen.  Das  ist  um  so  anfi^iger, 
als  das,  was  uns  ttbUcbenraise  tkber  Japan  erzählt  wird,  doch 
so  gar  nicht  in  Einklang  zu  bfiDgen  ist  mit  dem,  was  wir  sonst 
tlber  die  EIntwickelung  der  menschlicfien  Gesellschaft  wiesen. 

Ein  Land .  das  nach  Jahrhundertelanger  Abschliefsung 
sich  dem  fremden  Verkehr  öffnet,  wirft  aus  diesem  Anla-sse 
plötzJicii  seine  aite  Veriaböung  ab.  In  grolsartigem  Patriotismus 
opfern  die  Fürsten  des  Landes  freiwillig  ihre  lachte  und  Privi- 
l^en.  Alles  beugt  sidi  der  Legitimität  und  ohne  Jede  eigenen 
Machtmittel  tritt  oer  SouTerftn  heryor  aus  heiQger  Abgeschlossen- 

Fonohvngan  (45)  X  4.  —  Bftttigvn.  1 


2 


X  4. 


heit  und  fUhrt  höchst  persönlich  ein  erleuclitet^  absolutem 
Kt'giinent  ein.  Der  politisciieu  Kevolution  lolgt  in  gleicher 
Plötzlielikeit  die  Umwälzung  aller  geselbchaftlichen  und  Kultur- 
TcrhttltmaBe.  Die  uxalten  Standeeunterachiede  verschwinden. 
Ebie  jahrtausendealte  Kultur  wird  plötzlich  abgestreift  und 
durdi  einige  Begierungaerlaase  die  abendlilndiBche  Kultur  ein- 

fefilhrt.  Nutaen  »ehend  von  der  Erfahrung  der  europäischen 
blinder  ist  .Tapan  im  stmdo.  die  dort  gemachten  Fehler  zu  ver- 
meiden, und  was  in  Europa  das  mühselige  Werk  von  Jalir- 
hunderten  gewesen  ist ,  das  wird  im  Lande  der  au%ehendeu 
Sonne  spielend  in  wenigen  Jahren  erreicht. 

So  ungefi&hr  ist  die  landläufige  Anschauung,  die  nicht  nur 
in  den  Köpfen  der  Touristen  spukt,  sondern  die  Jung -Japan 
sellMt  uns  mne  aufreden  möchte.  Far  den,  der  mit  der  Ent- 
wickelung  der  menschhchen  Gesellschaft  bekannt  ist,  klingt  das 
alles  höclist  sonderbar.  Sollte  wirklich  eine  Staatsverfassung 
vollständig  umgestrirzt  sein ,  weil  einiire  Hufen  dem  fremden 
Verkehr  geöffnet  wurden?  War  es  nicht  vielleicht  umgekehrt: 
die  Verfaysun«^  war  schon  im  Begriff  sich  aufzulösen  und  daher 
bei  der  damaligen  Regierung  weder  Macht  noch  Wille  das 
Land  veiächlossen  zu  halten?  Sollte  wirkUch  eine  mäohtige 
Adelsklasse  einmtttig  und  freiwillig  ihre  ganze  Machtstellung  ge- 
opfert haben  dem  Frinsip  der  I^itimität  zuliebe?  Sollte  ein 
sechzehnjähriger  Knabe,  der  in  traditioneller  Abgeschlossenheit 
zwischen  Weibern  mul  Schranzen  au%ewachsen  ist,  wirkÜofa 
plötzlieh  pin  höchstpersönliches  Re^n'ment  errichtet  haben .  wie 
wir  es  mu  von  den  bf'dt'utendsten  europäischen  Monarclien  des 
17.  und  18.  Jahrimnderia  kennen?  War  es  wirklich  eine  uralte 
Kultur,  die  beseitigt  ist,  und  wie  weit  ist  sie  überhaupt  beseitigt? 
Ist  es  denn  denkbar,  dafs  man  eine  einheimische  Kultur  ab- 
streifen und  mitteb  eini^r  Dekrete  ersetaen  kann,  vorausgesetzt, 
dal«  die  neuen  Machtoaber  überhaupt  diese  Afasicfat  gehabt 
IdttteB? 

Das  sind  Fragen,  welche  ihre  Antwort  schon  in  sich  tragen. 
Wenn  bisher  die  stfintliehe  Entwickelung  des  neuen  Japan  ein- 
gehender Prüfung  ikhIi  so  wenig  unterworfen  ist,  so  hat  das 
seinen  Grund  in  mancherlei  Schwierigkeiten.  Die  Reschatiung 
und  Sichtung  dcä  nötigen  Materiak  iät  für  den  fremden 
Beobachter  schwierig  und  mUhselig.  Den  Japanern  selbst  fehlt 
noch  ebenso  yoUstHndig  die  wissenschaftliche  Kritik  und  Genau^- 
keit,  wie  die  unbedingte  Achtung  vor  der  wissensehafyichen 
Wahrheit.  Die  in  Japan  betriebene  systematische  legitimistische 
Geschieh tsfölschung  ist  ein  groCsea  Hindemis.  Nicht  minder 
störend  und  irreführend  sind  die  i^iehtja panischen  Vant^iryriker, 
unter  denen  die  kritiklosen  Enthusiasten  vielleicht  zahlreicher, 
aber  nicht  so  gefährlich  sind  wie  die  ( ie  wissen  losen ,  die  nach 
Orden,  Gehalt  oder  Bestellungen  angeln.  Durch  bi^zahlte 
Schreiber  Stimmung  für  sich  zu  machen  hat  man  in  Japan 


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X  4. 


3 


schon  vortreffÜcli  «gelernt.  Dal»  es  daneben  niclit  an  vorein- 
genommenen und  ungerechten  Angriffen  gegen  das  neue  Japan 
guleiiit  ixat,  bedarf  kaum  der  Erwähnung. 

Die  netteste  Zeit  hat  filr  venchiedene  Teile  des  japanischen 
KttltnrlebenB  eine  Reihe  guter  ^  zum  Teil  vortreffuciier  For- 
schungen  gebracht.  Aber  gerade  für  da8  Gebiet  der  Volks- 
wirtschaft und  des  Staates  giebt  es  verhältnismäfsig  noch  wenig. 
Unc!  <loch  hat  die  Untersuchung  japainscher  Zustünde  ihren 
eigenen  Roiz.  Ks  dilrt'te  kein  anderes  civilisiertcs  Land  geben, 
welche  d(;in  geschlossenen  Ilandelsstaat"  sich  so  genähert  hat. 
Auch  heute  noch  bildet  Japan  ein  in  sich  so  geschlossenes 
Wirtschaftsgebiet,  dafs  wir  wirtschafflidie  Prozeeae  in  bemerkens- 
wert klarer  und  typischer  Form  sich  yollzieben  sehen.  Das 
Studium  japanischer  wirtBchaftilicher  Zustände  dürfte  so  nicht 
nur  individuellen  Reiz,  sondern  auch  einen  allgemein  wissen- 
schaftlichen Wert  haben.  An  Material  für  solches  Stuflittm  ist 
flir  die  Gegenwart  jeflcnf'ills  i^ein  Mangel,  wenn  man  •  s  nur 
zu  finden  weifs,  was  iiii  lit  iinin*  i  leicht  ist.  Die  iulgemle  Unter- 
suchung der  wirt^ehattliciicn,  insbebondere  finanziellen  Zustände 
dee  mäernen  Japan  ^  ist  ein  Verauch,  dieses  Material  kritisch 
SU  sichten  und  su  dner  einhdtlichen  Darstellung  susammen- 
BO&sscn.  Ist  es  dabei  VQr  aUem  auf  die  Zeit  von  18GS  bis  1889, 
von  Errichtung  der  neuen  Ordnung  bis  zur  Begründung  des 
Verfassnngsstaates  nach  europiiisrhf^m  Muster  ab;^^esehen,  so 
mu!ste  üir  die  ältere  Zeit,  soweit  möglich,  gegenübergestellt 
werden,  um  die  neuere  Entwiekelung  richtig  zu  würdir^en. 

Ehe  wir  aber  zum  Gegeuötaud  selbst  übergehen,  dürfte  es 
angemessen  sein,  einen  ganz  kurzen  Blick  auf  die  natürlichen 
Virfailtnisse  des  Landes  zu  werfen. 


IL 

Da«  japanische  Staatsgebiet  erstreckt  sich  am  <  ) st- 
rande des  asiatischen  Kontinents  über  eine  ungeheure  Aus- 
dehnung vom  24.  bis  zum  51.  nördlichen  Breitengrade,  ein 
&«tenniit6rschied  etwa  wie  der  von  Tripolis  und  Stockholm, 
und  vom  123.  bis  157.  Längengrade  (östlich  von  Greenwich). 
In  diesem  langgestreckten  AKohi|>el  nimmt  aber  das  eigentliche 
historische  Japan,  Alt  Japan,  einen  sehr  viel  kleineren  Riura 
ein.  Drei  grofse  Inseln,  getrennt  nur  durch  ein  schmales  insel- 
reiches  ilittelmecr ,  uniHäumt  von  zahlreichen  kleineren  Inseln, 
bilden  einen  verhuUnianuirsig  schmalen  Landstreifen,  der  unter 
41  ^  33 '  im  Korden  beginnend  sich  erst  in  südlicher,  etwa  vom 
35^  in  südwestlicher  Richtung  bis  mm  30.  Grad  hmsieht  und 
»wischen  dem  129.  und  142.  östlichen  Längengrade  seine  gröfste 
West  -  Ost  -  Ausdehnung  hat.  Die  weitere  Fortsetzung  bildet 
im  Ncnrden  das  Kolonialgebiet  des  Hokkaido,  Yezo  und  seit 


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4 


1873  die  ganze  Kurilenkette,  im  Suden  der  Archipel  der  Ryu- 
kyu-  (Liukiu  )  Inseln,  seit  dem  17.  Jahrhundert  Japan  tribut- 
pflichtig, aber  gleichzeitig  in  gewissen  Ik'ziehungen  zu  China, 
in  der  Neuzeit  zu  einem  iutegrierendcii  Teile  des  iauanischen 
Staates  gemacht  Von 

bewohnt,  leigt  Ryukyu  oder,  wie  es  jetzt  amtlidi  hoMf  BesirE 
Okinawa  in  wirtwifaaftlicher  Beziehung  wie  in  seiner  Verwal- 
tungBOi^ganisation  noch  mannigfache  Eigenheiten,  ist  aueh  noch 

wenig  bekannt,  so  dafs  es  bei  den  folgenden  Erörterungen  der 
Hegel  nach  unberücksichtigt  bleiben  muis.  Das  nördliche 
Kolonialgebiet  seinerseits  ist  gleichfalls  gesondert  zu  halten,  da 
es  mit  seiner  schwachen  Besiedelung,  seinen  Urwäldern  und  nur 
lialb  dmndifonchten  Einöden  in  natürlicher  wie  kultureller  Be- 
siehung sn  sehr  von  dem  ttbrigen  Lande  abweicht^. 

Von  der  Fläche  des  ganzen  japanischen  Staatsgebietes  von 
882416  Quadratkilometer  (etwa  soviel  wie  Preu'sen  mit 
Baden,  Hessen  und  Els^ils- Lothringen)  kommen  auf  das  nörd- 
liche Gebiet  nicht  weniger  als  94012  Quadratkilometer  (etwa 
Ost-  und  Wci>tpreulsen  und  Pommern  gleich),  auf  den  südlichen 
Archipel  nur  2420  (etwa  wie  Meiningeu).  Für  Altiapan  bleiben 
mithin  285  984  Quadratkilometer,  eine  Fläche  wie  rreulsen  ohne 
Ost-  und  Westpreufsen  oder  wie  das  Königreich  Italien. 

Von  den  drei  grofsen  Inseln  ist  die  gröfste  die  nördlichste, 
firttber  ohne  besonderen  Namen,  jetzt  Honshu  genannt  Auf 
sie  allein  kommen  fast  vier  Fünftel  der  Fluche  Altjapans.  Noch 
nicht  den  sechsten  Teil  der  Gröfse  der  Hauptinsel  hat  die  ihr 
zunächst  stehende  südwestliche  Insel  Kyushu  und  wieder  nur 
die  Hälfte  dieser  die  zwischen  beiden  liegende  Insel  Shikoku, 
Im  ganzen  zählt  man  524  Inseln  mit  Ausachlufs  der  un- 
bewohnten, welche  weniger  als  1  Ri  (4  km)  Umfimg  haben. 
Der  insulare  Charakter  seiet  sich  scharf  ausgeprägt  in  einem 
Verhältnis  der  Küstenentwickelung  Sur  Fläche  wie  1  zu  3V«*. 

Das  I^and  selbst  ist  erfUlIt  von  Gebirgen,  welche  aber  nur 
in  den  mitUeren  Teilen  der  Hauptinsel  bedeutende  Höhen  (über 
30(MJ  ni)  erreichen.    Die  Ebenen  des  Landes  sind  meist  von 

feringem  Umfang,  an  der  Küste  oder  dem  unteren  Laufe  der 
Itisse  sich  hinziehend.  Der  Besiedelung  und  Bebauung  des 
Landes  haben  diese  Veriiltitnisse  ihren  eigenartigen  Chsrakter 
ebenso  gegeben,  wie  sie  die  politische  Entwickelung,  die  Er- 
haltung saUreicher  kleiner  Territorien  bis  in  die  neueste  Znt, 


>  Die  Ureinwohner,  die  Ainn,  bilden  allerdings  nur  einen  kleinen 
Teil  der  Bevölkerung,  die  im  übrij^en  aus  Japanern  besteht.  Die  durch 
die  ganze  Litteratur  gehende  Behauptung,  dals  die  Urbevölkerung  rasch 
und  dauernd  abnähme,  findet  in  der  amthehen  Statistik  keine  Bcgrandong. 
Dnnaeh  wäre  ihre  Zahl  stabil,  seit  1875  bald  etwas  mehr,  bald  etwas 
weniger  als  17iw>0  betragend. 

*  Genauere  Angaben  über  Flächengehalt  der  einzelnen  Landesteiie 
siehe  in  den  asten  Tabellen  des  Anbai^. 


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X  4.  5 

bccinflufst  haben.  Die  Flüsse  sind  meist  kurz  und  fiir  den 
Binnenverkehr  nur  von  beschränktem  Wert.  Von  Binnenseen 
hixt  nur  der  Biwaaee  Bedeutung; .  Das  Klima  ist  geraiifsigt,  etwa 
dem  Italiens  entsprechend,  der  Süden  so  milde,  dals  die  Vege- 
tation einen  nilitropiflcfaen  Chankter  annhnint  Heifie  ftuchte 
Sommer  und  kttlüe,  im  grtlsteD  Teile  des  Landes  trockene 
Winter  sind  für  den  CSiarakter  der  Vegetation  imd  damit  des 
landwirtschaiUichen  Betriebes  entscheidend.  Nagasaki  hat  eine 
Durchschnittsteniperatur  im  Januar  von  beinahe  6  Grad  C,  im 
August  von  beinahe  27  Grad,  Tokyo  im  .Januar  2*,'2,  im  August 
25*  -  Grad,  Hakodate  dagegen  im  Januar  minus  3,  im  August 
21'  2  Grad.  Die  in  den  8  Jahren  1880-1887  an  den  drei 
Orten  beobachteten  absohiten  Maxima  und  Mlm'nia.  waren  in 
Nagasaki  35,7  und  ^4,»^  in  Tokyo  36,«  und  — 9,t,  in  Hakodate 
31,7  und  — 18,7.  Die  durtlischnittlicb  jährlich  gefidlene  Regen- 
menge war  in  Kagniraki  2221  mm,  in  Tokyo  1431  mm,  in 
Hakodate  998  mm.  Die  groPppn  innerhalb  Jnpans  öich  findenden 
klimatischen  Unterschiede  dürften  durch  diese  wenigen  Zahlen 
klar  werdend 

Auch  über  die  politische  Eintciiuug  des  Landes 
sind  einige  Bemerkungen  zu  besserem  Verständnis  vorauszu- 
schicken. Die  aus  dem  7.  und  8.  Jahrhundert  stammende  Ein- 
teilung hat  fikr  die  gegenwärtige  Verwaltangsorganisation  keine 
direkte  Bedeutung,  ist  aber  g^chichtlich  wie  fUr  das  praktische 
Lel>en  immer  noch  Trichtig.  Zun  riehst  Ist  das  Land  eingeteilt 
in  Provinzen,  welche  zu  neun  gi-olseu  Landschaften  vereinigt 
sind.  Davon  wird  aber  die  eine  erst  seit  der  Restauration  so 
bezeichnet,  Hokkaido,  nüixlÜche  Meeratrulse,  Yezo  und  die 
Kurilen  umfiusend.  Von  den  acht  alten  Landschaften  enthält 
die  erste  das  alte  kidserliche  Stamndand  um  Kyoto  und  Osaka, 
Kinai  (oder  gewQhnhch  Go-Kinai)  genannt.  Die  sieben  anderen 
Bezirke  heifsen  nach  koreanischem  Muster  Do,  Strafsen  oder 
Stratsenbezirke ,  weil  sie  sich  an  die  alten  Reichsstrafsen  an- 
schliefsen  Der  Tokaido,  östhche  Mcerstraise ,  begreift  den 
östlichen  Streiten  der  Haiiptinsel  an  der  Küste  von  der  Owari- 
bucht  bis  zur  Ebene  von  Tokyo.  Der  Tosando,  östliche 
Bergstral'se,  enthält  die  nördlich  davon  gelegenen  binnenlän- 
diachen  Besirke  Tom  ^wasee  an  und  den  gansen  Nordflngel 
der  HauptinseL  Die  jenen  nach  Nordwesten  vorgelagerten  Pro- 
vinsen  am  japanischen  Meere  heifsen  Hokurokndo,  Nordknd- 


<  Durch  Eiorichtnog  eines  meteorologischen  Stationsnetzes  liegt 

Scgenwärtig  eine  Fülle  von  Material  über  die  klimafipcben  V^prhnltnisse 
apans  vor.       Aufzählung  sämtlicher  amtlicher  VerötleQtlichuQgea  dar> 
Aber  in  Mittdlun^en   der  Dentsehen   Gesellsehaft  fi&r  Natur-  und 

Völkerkunde  OFtu^ieri>  V  rl^v'))  ^  Uber  die  Naturvcrhaltniase, 
Kiima  und  BoUen  und  ihre  wirtächaftlicbe  Bedeutung  vgl.  jetzt  vor 
allem  M.  Fesca,  Beiträge  zur  Kenntnis  der  japanischen  Land'd'irtschaft 
(Bsriia  1890)  8.  1-UO. 


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6 


X  4. 


strafse.  Der  WeetflUgel  der  Hanptiosol  Uldet  mit  seinem 
abhang  denSanindo  (Befgeehattenaeiteiutraree),  xdH  dem  Sttd- 
abhang  nach  dem  Binnenmeer  zu  den  Sanyodo  (BergaoDnen- 
seitenstrarse).    Die  Insel  8hikoku  mit  dem  östlich  von  ihr 

vorepringenaen  Zipfel  der  Hanptinscl  (  Provinz  Kii)  bildet  den 
Nankaiflo,  die  südliche  Mecrstralso,  Kyiisliu  den  S;iikaido, 
die  westliclie  Meerstnirse,  wo/u  ;nich  Hyukyu  gerechnet  wird. 
Die  liiäein  Tsiuüiima  und  Iki  im  jupaiuschen  Meere,  sowie  die 
Bonininseln  gehören  keiner  der  grolaen  Landadiaften  an.  (Gröfae 
und  BevölkeroDg  siehe  Anhang  Tabelle  2'.) 

Jede  Landschaft  zerfallt  in  Provinzen  (Kuni),  deren  man 
Mgenwilrtig  84  sählt  (Näheree  darüber  im  Anhang  Tabelle  8). 
Für  die  Landesverwaltimg  sind  alnr  die  Bezirke  (Fu  oder 
Ken)  mafsgebend,  von  welchen  Altjap.iTi  voti  1883  bis  1887 
43  hatte,  p^egcnvvUrtig  45.  Es  dürfte  nützlicli  boiii,  dieRc  Ikzirko 
(Einteilung  iS83  87)  mit  Angabe  der  Hauptstadt  uud  der  i'ro- 
vinzen,  aus  weichen  sie  zusammengesetzt  sind,  an  dieser  Stelle 
«km  aufaniahlen  (Genaueres  im  Anhang  Tabelle  4,  sowie 
Kap.  y  des  ersten  Buches),  da  diese  Hezirkseinteüung  allen 
späteren  Erörterungen  über  lokale  Versehiedenheiten  u.  s.  w. 
zu  Grunde  liegt.  Ich  folge  hier,  wie  sprit^r,  der  amtlichen 
Reihenfolge,  welche  zuniichst  die  drei  liauptstädtiäclien  Bezirke 
(Fu),  dann  die  Bezirke  der  vier  offenen  Häfen  Altjapans, 
schlielshch  die  übrigen  Bezirke  in  geographischen  Gruppen 
auffuhrt 


*  Die  neun  Landschaften  entsprechen  in  der  Haupteache  wirklichen, 
nfttürlich  sich  scheidenden  Teilen  des  Landes.  Es  ist  bedauerlich,  dafs 
man  för  die  amtliche  Statistik  diese  Einteilmic:  mit  entsprechenden 
kleineren  AV»woithungcn  nicht  lieber  p^nommen  hat,  statt  der  mecha- 
nischen Lintel iunff  der  Hauptinsel  in  drei  Stücke,  Nord-,  Mittel-  and 
West-Nippon,  wobei  nur  Nord-Nippon  ein  einhatliches  GI«hietlHldet,  wäh- 
rend naii>  iitlich  in  Mittel-Nippou  völlig  inkongnsrntr  B'^  tandteile  zn- 
aammengetalat  sind.  Wollte  nuu  überhaupt  eine  neue  LinteUuug  machen, 
so  nnirste  man  von  sacUiehen  Oesichtsponkten  antcehen.  Die  DnmitehBitlB- 
zahleu  (lc3  „Rdsum^  Statistit^ue  de  I'Enipire  au  Japon**  mit  der  dort 
beliebten  EinteiliniR  sind  zn  etnrm  profson  Teile  wcrtlo?.  —  Jcli  bemerke 
noch,  dafs  ich  die  Bezeichnung  ^Mitteljajmn",  ^mittlere  Bezirke  der 
Hauptinsel^  für  den  l^dßtrich  zwischeir  Tokyo  und  Kyoto  gebraaebe» 
nicht  für  das  „Chugoku"  (Sanyodo  und  äAnindo),  eine  Besdchnoag,  die 
nur  mehr  historische  Bedeutung  bat. 


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X  4. 


7 


Liste  der  Bezirke. 


Bezirk 


Haoptotadt 


Provinzen,  aoB  welcben  der 
Benrk  besteht 


A.   Hauptstädtische  Bezirke,  Fu. 


1.  Tokyo 


2.  Kyoto 


3.  Osaka  ^ 


Tokyo 


Kyoto 


Osaka 


Miuashi,  Teil 
Izu,  TcU» 

Ogasawara  (BoDininaeln) 
Yamaahiro 

Tamba,  Teil 

Settsu,  Teil 

Kawachi 

Vauiato 


B. 

4.  Kanagawa 

5.  Hyogo 


Die  Proyinsialbesirke,  Ken. 

Saganu 
Musasht,  TeÜ 


Yokohama 
Kobe 


6.  Nagasaki  Nagasaki 


7.  Nügata 


B.  Saitama 

9.  Chimma 
10.  Gfaiba 


11.  Iharaki 

12.  Tochigi 


Nügata 


Urawa 

Maebashi 
aiU 


Mito 


Settsu,  Teil 
Tamba,  Teil 

Tajima 
Harima 

Awaji 

Hizen,  Teil 
Iki 

Tsushima 

Echigo 
Sado 

^Ituashi,  TeU 
Shimosa,  Teil 

Koeoke  (Joshu) 

ShSmoaa,  Teil 
Kaztisa 
Awa  (Boeha) 

Hitachi 
Slnmosa,  Teil 

Shimotrake 


'  Nämlich  die  sogenannten  Sieben  Inseln  von  Izu. 
*  &ide  1887  wurde  die  Provinz  Yaxnato  von  Osaka  getrennt  und 
smn  Beiirk  Nara  mit  der  gleiclmamigan  Hauptstadt  gemacht 


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8 


X  4. 


Bezirk 

13.  Miye 

14.  Aicbi 
15*  Shizuoka 


17.  Shiga 

18.  Gifu 

19.  Nagano 


25.  Akita 


Hauptstadt 
Tsu 


Shizuoka 
(Sumpu) 


16.  Yamanasbi  Kohi 


Otsu 

Gifu 

Nagano 
(ZSakoji) 


20.  Miyagi  Sendai 

21.  Fuku&hiraa  Fukushima 

22.  Iwate  Morioka 

23.  Aomori  Aomori 

24.  Yamagata  Tainagata 


Akita 


26.  Fukui 

Fukui 

27.  Isbikawa 

Kanasawa 

28.  Toyama 

Toyama 

29.  Tottori 

Tottori 

30.  jShimane 

Matsuje 

Provinzen,  aus  welchen  der 
Besiik  beiteht 


lae 


11  ma 
Kü,  Teil 

Owari 
Mikawa 

»Suruga 
Totomi 
Izu.  Teil 

Kai 


Omi 

Mino 
Hida 

Sfainano 


Rikuzun,  Teil 
Iwaki,  Teil 

I  waahiro 
Iwaki,  Teil 

Kikuäiiu,  Teil 
RtkttzeD,  Teil 
Mutni,  Teil 

Muisu,  Teil 

Uaen 
Ugo,  Tefl 


Ugo,  Tdl 
Rikttchuy 

Echizen 
Wakaaa 

Kaga 

Noto 

Etchu 

Inaba 

Hoki 

Izumo 
1  wauii 
Oki 


Tal 


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X  4.  9 

Bezirk  Hauptstadt  Fiovinz<>n,  ans  welchen  der 

Bezirk  besteht 


81.  Okayama 

Okayama 

l^itchu 

Bizen 

JUiiDasaka 

82.  HiroBbima 

Hiroeluma 

Aki 

Bingo 

88.  Yamagachi 

Taroaguchi 

Suwo 

Nagato  (Choshu) 

94.  vv  aKajramA 

Wakayama 

KUi  Teil 

85.  TokushiiDa 

Toklufainia 

Awa 

86.  Ehime* 

Mateuyama 

^  I.- 
Sanaki 

o«.  Jkocbi 

Kochi 

Tosa 

ITiilriinlrfl. 

i  Mii  Irnmin 

Chikiigo 

ßuzen,  Teil 

80.  Oita 

Oite 

Bu/.en,  Teil 

All 

Tri.»  JVUlU«alJLIVlA/ 

W\{tt\ 
nigo 

42.  Miyazaki 

Miyazaki 

Hyuga,  TeÜ 

43.  Kagoahima 

KagOBhima 

Satsuma 

Oeumi 

Hyuga,  Teil 

44.  Okinawa 

Shuri 

Ryukyu 

45.  Hokkaido 

Sapporo 

1 1  Provinzen 

Von  1882  bis  1886  war  Hokkaido  in  drei  Besirke  geteUt: 
Hakodate,  Sapporo  und  Kemuro. 


1  Ende  1888  ist  die  Provinz  Sanuki  abgetrennt  und  als  Besirk 
Kagawa  mit  der  Hauptstadt  Takamatsu  errichtet 


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Erstes  Bucli. 

Der  Staat. 


Erstes  Kapitel. 

OeseUelitlicker  Mekblick.  Bis  zur  Hermkaft  der 

Tokugawa. 

Um  die  mmale  £at«nekeluiig  des  japanischen  Staatswesens 
zu.  yerstehen,  mufs  man  auf  die  Geschiente  seiner  Institutionen 
zurück treljen.  Trotz  aller  Orwaltsamkeit  des  Brucbes  mit  der 
Vergangen lieit  ist  das  um  so  notiger,  als  die  neue  Ära  mit  ein(Mii 
bewulsten  Versuch  begann,  an  die  Einrichtungen  des  Altertums 
anzuknüpfen.  Leider  ist  es  aber  bisher  recht  schwer,  in 
manchen  Besiehmigen  geradesa  qnmöglich,  einen  befriedigenden 
ÜIwrbHok  Uber  ^e  Geschichte  des  japanischen  Staats- 
wesens und  seiner  Institutionen  zu  geben.  Historische 
Kritik  ist  in  den  meisten  Beziehungen  bisher  fiwt  unbekannt. 
Die  japanische  flistorie  ist  bisher  wesendich  dürre  Annalistik 
und  Materiahenanhjtufiin!^,  Was  von  Europäern  geleistet  ist  — 
in  erster  Linie  sind  hier  B,  H,  Chamberlain  und  E.  Satow 
zu  nennen  —  verdient  unseren  lebhaften  Dank.  Aber  es  sind 
doch  bislier  nur  Ttiilti  der  Entwickelung,  welche  kW  vor  uns 
liegen.  Daswiachfln  braiten  sich  weite  Strecken  tiefen  Dunkels  aus. 

Mit  der  auch  heute  noch  oflfiriellen  Ghronokgie  und  Anna- 
listik haben  wir  hier  nichts  zu  thun.  Sie  begmnt  am  11.  Februar 
660  Yor  Christus  mit  der  Thronbesteigung  Jimmu  Tennos,  des 
Sonnenspröfslings.  Bis  zum  Jahre  400  nach  Christi  Geburt 
zählt  sie  16  Kaiser  auf,  die  also  durchschnittlich  je  66  Jahre 
regiert  haben.  Dieses  erste  Jahrtnuscnd  können  wir  dem  Gebiet 
der  Sage  und  Mythologie  ruhig  ühprla^ssen. 

Die  wichtigste  C^uelle  tiu  die  Keuiitois  altjapanischer  Zu- 
stande ist  das  erste  Werk  über  die  Oeschiehte  Japans,  das 


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14 


X  4. 


Kojiki,  vollendet  im  Jahre  712  n.  Chr.  Dieses  W  erk  ist  um 
HO  wertvoller,  ala  ea  viel  melir  Bpätcie  japanische  Werke 
M  'mtYm  kenuMier  AiuBdunflcki^g  im  ^^i^Tnenschen  Stüe. 
In  allen  späteron  Werken  wird  dieErkenntoiB  wirkUch  japanisclier 
Zustände  unendlich  erschwert  durch  den  Aufputz  chinesischer 
Gtoldinemkeit,  mit  welchem  japaniache  SohrifbteUer  die  DUrre 
einheimischer  Überlieferung  verzierten,  in  derselben  Weise,  viel 
leicht  noch  in  höhcrem  Orade,  wie  die  geistlichen  Schrittsteller 
unseres  Mittelalters  ihr  barbarisches  Lateinisch  mit  Brocken  aus 
Cäsar  und  Sallust  verschönerten.  Dies  gilt  besonders  auch  von 
dem  nur  8  Jahre  später  als  das  Kojiki  vollendeten  Kihongi. 

In  Bearag  anf  aas  Kojiki  sind  wir  in  der  glttekliehen  Lage, 
eine  genaue  Übersetzung  zu  haben  aus  der  Fc3er  B.  H.  Cham- 
berlams  mit  einer  eingehenden  kritischen  Einleitung  desselben 
Gelehrten',  welcher  "wir  im  wesentlichen  folgen.  Was  wir  auch 
von  der  iiistorischen  Olaubwürdigkeit  der  dort  überlieferten 
ältesten  Geschichte  halten  mögen,  den  ungeheuren  Wert  hat 
das  Kojiki  jedenfalls,  uns  ein  Büd  von  den  Zuständen  des 
japanischen  Volkes  zu  geben,  wie  es  dem  siegreichen  Ein- 
drmgen  des  Buddhismus  und  des  Ghinesentums  war,  etwa  im 
fUnften  Jahrhundert  unserer  Zeiti*echnung. 

Wir  finden  das  japanische  Volk  im  Besitze  der  südwest- 
lichen und  mittleren  Teile  des  japanischen  Archipels,  während 
der  Norden  der  Ilauptinsel  noch  im  unabhänLnj^en  Besitze  der 
Ureinwohner,  der  Ebisu,  der  Vorfahren  der  heiitiü:en  Ainu  war, 
welche  wir  jetzt  nur  noch  auf  Yezo,  Sachalin  und  den  Kui  ilen 
finden^.  Erat  im  Laufe  des  neunten  Jahrhunderts  hat  dich  das 
japanisehe  Reich  ttber  die  gme  Hauptinsel  abagedehnt  Woher 
daa  erobernde  japanische  Volk  in  ^uer  Vorzeit  gekommen  ist, 
,  mög^  Anthropologen  und  Sprachforscher  feststellen.  Dafs  ur- 
alte Überlieferungen  anf  Korea  deuten ,  was  an  sich  nicht  un- 
wahrscheinlich ist,  Sri  wenijrstens  erwähnt. 

Der  poKtisi  lie  Mittelpunkt  des  Volkes  lag  bereits  da,  wo  er 
jahrhundertelang  geblieb«!  ist,  in  dem  später  Go-Kinai  genannten 


'  Kojiki  or  „Records  of  Ancient  Mattere".  Supplement  to  vol.  X 
of  TransRCtionB  of  thc  Asiatir  S  >o!»>ty  «>f  Japan.  Yokonama  1882.  S.  369 
uijii  LXXV'.  —  Vgl.  aut'h  (J.  A.  1  luienz.  Die  staatliche  und  gesell* 
schailliche  Organisation  im  alten  Japan .  Mitteilungen  der  Deotsehen 
Qeseilschaft  für  Nitnr  und  Völkerkunde  Ostaeiens  Y  VH  (\xm. 

*  Ohne  mir  ein  unabhängiges  Urteil  in  diesen  Dingen  auinalsen  2u 
wollen,  schdot  mir  der  Strdt  um  die  Fra^,  ob  die  Urraiwohner  Japans 
mit  den  Ainu  identisch  sind  oder  nicht,  im  ersteren  Sinne  entschieden 
zu  sein  durch  Chamberlains  feinsinni^^c  Untersuchungen  der  japa- 
nischen Ortsaamen  anf  ihren  AinnoUrsprung  hin.  s.  Memoirs  of  Literature 
College  of  thc  Imperial  University  of  Japan  Nr.  1.    To^o  1887. 

*  EHe  verschiedenen  Hypothesen  üoer  den  Ursprung  der  Japaner 
boi  Baelz.  Die  körperlichen  Eigenschaften  der  Japaner,  in  Mitteilungen 
der  Deutscnen  OesellBchaflt  Ar  «atar*  und  Völkerkunde  Ostaaiens  lU 
334  ff. 


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X  4.  1& 

Landstrich  um  die  heutigen  Städte  Kyoto  und  Osaka  lierum. 
Hier  regierte  der  Tenno,  dem  in  losen  Formen  die  Häuptlinge 
der  anderen  Landschaften  sich  bald  mehr,  bald  weniger  unter- 
ordneten. Wir  ßnden  die  Upischen  Formen  don  Geächlechter- 
staatoa.  Der  Staat  bmht  am  dem  Yerliand  der  Sipn^  Dm  (3^ 
flchlechtäiMtipter,  die  Omi  und  Muraji,  umgeben  nna  beeofaränkea 
dm  Herrscher,  jene  anscheinend  die  Häupter  der  aas  Kyuflhu 
gekommenen  Eroberer,  letetere  die  Häupter  der  bereitB  vor  ihnen 
in  Mitteljapan  angesessenen  (übrigens  stammverwandten)  Ge- 
schlechter. Die  staatlichen  Verhältnisse  öind  unendlich  einfach, 
aber  noch  wenig  konsolidiert.  Die  Erbfolge  in  der  kaiserliclien 
Familie  ist  von  kciiitm  festen  Prinzip  beherrscht.  Nicht  einmal 
d^  Erbredit  der  De^cendenten  steht  ieät.  Imierhalb  jeder  ^ippe 
flbt  der  flJtaipdiiig  unbeacbiflnkte  Gewalt 

Die  Kultur  des  Volkee  steht  noch  auf  tieler  Stufe.  Wir 
sehen  ein  Volk,  welches  die  Schrift,  den  Kalender,  Mais»  Gewicht 
and  Münze,  alle  höhere  Technik,  die  meisten  Haustiere  und 
Kulturpflanzen  noch  nicht  besitzt  und  erst  von  seinen  vorge- 
schritteneren Naclibarn  endehnt'.  Wir  iiiidf^n  das  Eisen  in 
ziemlich  ausgedehntem  Gebrauch,  während  die  später  so  ver- 
breitete lironze  noch  unbekannt  ist.  Der  Kupferroichtum  des 
Landes  ist  angeblich  erst  seit  dem  achten  Jahrhundert  nutzbar 
gemaebt  Kebeo  dem  Ackorbau  sjpieh  Fischerei  und  Jagd  dne 
grofse  Rolle.  Der  Reisbau  scheint  lltafiBt  bekannt  au  sein, 
während  die  Erwähnung  von  Bohnen,  Hirse  und  Gerste  im 
Kojiki  von  Chamberlain  &at  interpoliert  erklürt  wird,  ebenso  die 
Erwähnung  des  Seidenwurms.  Scidcn^eug  wird  einmal  genannt. 
Es  m.*^  eine  ausländische  Kostbarkeit  gewesen  sein.  Vaup  Reihe 
Dinge,  welche  uns  mit  dem  Namen  Japans  verknüpft  erscheinen, 
sind  jenen  ältesten  Zeiten  fremd,  so  Thee,  Porzellan,  Lack, 
Fächer,  u.  s.  w.  Die  Schiffahrt  scheint  sehr  unvollkommen  zu 
sem  Wagen  werden  nicht  erwilhnt  An  die  Stelle  von  Höhlen- 
wohnungen und  Pfahlbauten  treten  allmählich  schilfgedeckte 
Holzhutten.  Die  GroCsen  des  lindes  haben  verpalUsadierte 
Zufluchtsstätten.  Das  Familienrecht  steht  auf  tiefer  Stufe. 
Familiennamen  fphlen.  Die  Anschauungen  über  das  Verhältnis 
der  Geschieciiter  sind  sehr  nifdri;;  Das  Eheband  ist  ein  ganz 
loses,  kaum  mehr  als  ein  thatÄtciiliclies  Zusammenleben,  ohne 
Form  oder  Feier  beginnend,  so  dafs  zwisch«  n  Frau,  Konkubine, 
und  Geliebter  kein  Unterschied  besteht.    Dei  Name,  mit  dem 


*  Wie  langiMiui  die  Ergebnis  wÜMenschai'iiicher  Forscbimtf  sich 
verbreiteo,  kann  man  emmsTwiedtr  daraus  eneheo,  dab  das  Ihfrichte 

Geschwätz  von  der  inelirtauseiidjUhrigen  Kultur  Japaus  noch  alltäglich 
zu  hören  ist  —  nOue's  patience  is  wom  out  bj  seeing  book  after  book 
gliblj  quote  the  Bo-callea  dates  of  earlj  Japanese  history  as  if  they  were 
solid  truth,  instead  of  being  the  merest  baphazard  guesses  and  baaslOM 
imaginations  of  a  later  age"  fß.  U.  Chamberiain,  Things  Japanese 
[London  &  Tokyo  1890j  b.  ibü). 


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16 


sie  bezeichnet  wird,  Jüngere  bchweMter**,  ist  bedeutungsvoll. 
Geschwistei^he  ist  etwaö  g&nz  Normalej>,  während  aie  später 
streng  verpönt  war.  Die  später  so  wichtige  Adoption  wird  nicht 
erwähnt.  Ebemowenig  meKWflrc%erweifle  die  SklA^era,  weiche 
in  der  Form  der  HMiaskkyerei  (Tomobe)  sicher  bestanden  het 
Die  Religion  ist  primitiv  und  unentwickelt  Die  Menschenopfer 
beim  Tode  der  Vornehmen  sind  mir  eehr  sweiMbaft^.  Das 
Strafrecht  ist  entHPtzKcli  ßTauBam 

Dianes  liai barische,  aber  begabte  \'olk  kommt  nun  in  Be- 
riilirung  mit  der  überlegenen  Kultur  Chinas.  Aus- 
geliend  von  dem  alten  Centrum  am  Zusammenflusne  des  Wei 
mit  dem  Hoangho  hatte  diese  in  immer  weiteren  Kreisen  alle 
die  Volker  etgnffen,  welche  durch  die  unwirtlichen  Hochgebifge 
und  EinOden  Imierasiens  von  dem  Rest  der  alten  Welt  abge- 
echnitlen  waren.  Ttclmisch-wirtschaftliche  Überlegenheit  einer- 
seits, ein  schon  früh  hoch  entwickeltes  Schrifttum  anderseits 
hatte  alle  näher  gelegenen  Völker  Ostnsiens  den  Chinesen  assi- 
miliert, die  femer  gelegenen  wenigstens  mit  chinesischen  Kultur- 
eleiü'  nten  durchsetzt.  Dal's  die  Japaner  von  dem  Chinesentum 
in  ilireiii  jjuliuschen  wie  geistigen  Leben  nicht  so  abluingig  ge- 
wordoi  imd  wie  andere  vOlker»  und  dais  dne  nationale  Fnt* 
entwickelung  und  Venurbeitttng  der  chinenachen  Elemente  statt- 
finden konnte,  iat  wohl  weaentlieh  der  iniolaren  AbgeachloaBen- 
heit  Japans  zu  danken. 

\\w  ihm  Eindringen  der  chinesischen  Kultur  im  einzelnen 
vor  sich  ^j:f^ü:angen  ist,  Infst  sich  bei  dpni  ^-pp^f nwUrtigen  Stande 
der  Forschung  nicht  sa^en  Vor  allein  \\issen  wir  bislier  viel 
zu  wenig  über  den  N'ernuttier  dieser  KuiturstrÖmung,  Korea. 


1  Dal»  einen  Grofsen  sein  Gefolge  im  Tode  begleitet,  ist  bei  vielen 
Völkern  vorG^ekommen.  Spuren  davon  finden  sien  iu  Japan  bis  iii^ 
17.  Jahrhundert.  Siehe  Testament  des  Ijevaau,  Kempennanna  Über- 
setzung §  73  (Kudorff  74),  wo  aber  ausdnlcklich  Ilezug  auf  chinef>ische 
Sitten  und  ernen  Ausspruch  des  Confucius  genommen  ist.  Das  Koiiki 
ensählt  aber,  dals  die  Vasallen  mit  ihrem  Herrn  lebendig  begrsDen 
Beim.  Dies  sei  initer  Sl^in  TeOBO  (97-?!)  v.  Chr.)  eingeführt,  miti  r 
Suiuin  Tenno  v.  Chr.  —  70  n.  Chr.)  wieder  abgeschafft  und  atatt 
dessen  die  Begrabung  von  Thonfiguren  (Tsuchi  nigyo)  eingeführt.  Nun 
ist  nicht  nur  letztere  Sitte  chinesisch,  sondern  auch  die  ganze  Geschichte, 
wie  sie  im  Kojiki  erziihlt  wird,  gtammt  ans  China,  vgl.  H.  A.  Giles, 
Gems  of  Chinese  literature  (1884)  S.  41.  Letzterer  Umstand  ist  meine« 
Wiesens  in  der  Didrassion  bisher  nicht  beachtet  worden.  Es  seheint 
mir  höchst  wahrpcheiiilioh ,  ihifs  mit  der  Sitte  Thonfiguren  zu  begraben 
auch  die  sie  erklärende  Erzählung  aus  China  eingeführt  ist.  Vgl. 
fibrigens  zur  Sache  Chamberlain,  Kojiki  S.  174  n.  200  und  Satow 
in  Transactions  of  the  Asiutic  Society  of  Japan  VIH  V'ß  ff.  —  Aach 
H.  V.  Siebold  in  Mitteilungen  der  JOentsdien  Geseilscbaft  iL  s.  w. 
Bd.  1  Heft  8  S.  13. 

*  lOt  den  gnuuNunen  im  Kojiki  erwähnten  Beslmfutitren  läfst  sich 
schwer  vcreinicn .  w:is  Mic]>aelis  über  da?  TiUyste  japanische  Straf- 
recht sagt.  Mitteilungen  der  Deutschen  Qesellsch«i^t  ilir  Natur-  und 
Volkerl^unde  Ostasiens  IV  358  f. 


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X  4. 


17 


Denn  von  dort,  nicht  direkt  aus  China  kam  die  Anregung.  Wir 
mtlfsten  wissen,  in  welclier  Weise  Korea  von  China  aus  civilisiert 
war,  ehe  es  zur  „Brücke"  zwischen  China  und  Jaj)an  wurde. 
His  jetzt  sind  wir  auf  Rückschlüsse  aus  dem  unvollständigen 
japanischen  Material  angewiesen  ' , 

Bei  der  Unglaub Würdigkeit  der  alten  Chronologie  Japans 
haben  die  Daten  über  Einführung  gewisser  Industrieen,  chinesischer 
Bücher  u.  s.  w.  keinen  Wert.  Zum  Beleg  diene  der  von  Cham- 
berlain  (Kojiki,  Einl.  XLIII)  hervorgehobene  Fall,  dafs  im  Jahre 
284  n.  Chr.  ein  chinesisches  Werk  (Ch'ien  Tzu  Wen)  nach  .Japan 
gebracht  worden  sein  soll,  welches  erst  zwei  Jahrhunderte  später 
geschrieben  ist.  Bei  manchen  Gewerben  und  Erfindungen  wird 
man  überhaupt  über  die  Angaben  chinesischen  Ursprungs  stutzig, 
wenn  man  z.  B.  die  Behauptung  findet,  die  Weberei  sei  zur 
Zeit  Ojin  Tennos  (270-313  n.  Chr.)  eingeftihrt,  während 
japanische  Ursagen  Weberei  und  gewebte  Gewänder  erwähnen. 
Wie  es  auch  um  diese  Daten  über  Einftlhrung  von  Ciewerben, 
von  Gewächsen  und  Haustieren  stehen  mag,  ein  merklicher  Ein- 
fluls  der  chinesischen  Kultur  fand  aicher  erst  statt  im  (befolge 
einer  anderen  geistigen  Bewegung  von  elementarer  Kraft:  der 
Bekehrung  Japans  zum  Buddhismus.  Von  Korea  her, 
wo  die  indische  Religion  im  vierten  Jahrhundert  feste  Wurzeln 
gefafst  hatte,  fand  im  sechsten  Jahrhundert  eine  lebhafte  Missions- 
thätigkeit  in  Japan  statt,  welche  am  Ende  dieses  Jahrhunderts 
zum  völligen  Siege  des  Buddhismus  ftihrte,  als  der  grolse  Prinz 
Shotoku  Taishi  fUr  die  Kaiserin  Suiko  (592—629)  regierte 
(t  621  n.  Chr.,  sein  eigentlicher  Name  war  Ümayado).  Die  all- 
emeine Annahme  des  Buddhismus  hatte  die  wichtige  Folge, 
afs  neben  die  Beziehungen  zu  Korea  nun  auch  direkter  Ver- 
kehr mit  China  selbst  trat.  Von  dieser  Zeit  an  müssen  wir  die 
Japaner  als  zum  ostasiatischen  Kulturkreis  gehörend  rechnen. 

Mit  den  religiösen  Büchern  kamen  gleichzeitig  die  chinesischen 
Gesetzbücher.  Man  wurde  bekannt  mit  dem  chinesischen  Be- 
amtenstaat, mit  chinesischem  Recht  und  Ceremoniell.  Mit  Leb- 
haftigkeit wurde  die  Einführung  chinesischer  Einrichtungen  in 
den  einfachen  Geschlechterstaat  betrieben.  Bereits  Kotoku  Tenno 
(645—654),  der  auch  als  groi'ser  Gönner  des  J^uddhismus  ge- 


Schlüssc  aus  koreanischen  Zustünden  der  Gejrenwart  sind  noch 
kanm  zulässig.  Das  gegenwärtige  Korea  hat  wenig  Eigenartige.s.  Im 
weftentlichen  ist  es  ein  ganz  verkommenes  China.  Man  ist  nach  den 
japanischen  Berichten  Uber  den  einstigen  Kulturzustand  Koreas  zu  der 
Annahme  gezwungen,  dafs  dort  friiher  die  Kultur  auf  höherer  Stufe  stand 
als  jetzt.  Ob  diese  erst  im  17.  Jahrhundert  durch  die  Einfälle  der  Japaner 
und  der  Manchus  oder  schon  um  das  Jahr  KXH)  zerstört  ist  in  den 
Kämpfen  um  die  Herstellung  des  einheitlichen  koreanischen  Reiches,  wage 
i<"h  nicht  zu  entscheiden.  Die  Vermutung  liefet  nahe,  daf»  in  diesen 
Kämpfen,  in  welchen  die  nördlichen  Stämme  siegten,  das  alte  Kulturvolk 
in  Südkorea,  welches  Japan  civilisiert  hat,  zu  Grunde  gegangen  ist. 

Forachungcn  (45)  X  4.  —  Kathgcii.  2 


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18 


nannt  wird,  fnlirt«'  chiTiesi.sclie  Vcrwaltungseinrichtimgen  ein  und 
zur  Zeit  Moimuu  Tennos  ((31^7 — 707 1  erreicht  diese  Hewe^un^ 
den  ]-l<)hepimkt  in  der  grolaeii  Gesctzg^ebung  der  Periode  Tailio. 
dem  i  aiiioryo  von  702,  einer  Nachbildung  und  wohl  zum  grorsen 
Teil  ÜbenetsuDg  dunerischer  QcseCsliCbSier  der  Tang  Dynastie 
(japen.  To)*. 

Da8  Taihoryo  —  oder  ri  I  tiger  Yororyo,  die  allein  erhaheoe 
Neuredaktion  durch  denselben  Verfasser,  Fujiwara  DO  Fuhita  ans 
der  Zeit  der  Kaiserin  Gensho  (715 — 724)  —  nait  seinen  Kommen- 
taren zeigt  einen  Beamtenstaat  nach  chinesischem 
Hu  st  er  mit  wohlgegliederter  Central-  und  Provinzialvcrwaltunn; -. 

Der  Kaiser  (Tenno,  Tenshi,  Mikado)  wird  in  drr  Regierung 
unterstützt  durcli  zwei  Behörden ,  das  J  i  n  g  i  k  w  a  u  und  das 
Daijokwan.  EnteraB,  Im  Range  höher  ttehend,  yerwaltete  die 
EultusangelegenheiteD.  Es  hat  bald  jede  Bedeutung  eingebQ&t. 
Das  Daijokwan,  eingerichtet  durch  Tenji  Tenne  (ritv2 — 1)71),  war 
die  höchste  weltliche  Behörde,  ein  Stiatsrat,  welcher  den  IVIittd- 
punkt  der  ganzen  Stiatsregierung  bildete.  Fr  bestand  aus  den 
Sanko,  den  Nagon  und  in  späterer  Zeit  den  iSangi.  Die  Sauko 
oder  drei  Kanzler  sind : 

Der  Daijo-Daijin  oder  Grofskanzlcr,  olme  besondere 
Verwaltungsgeschäfte.  Er  ist  „der  Lehrer  des  Einen  (d.  h.  des 
Kaisers)  und  das  Muster  für  Land  und  Volk**.  Das  Amt  war 
namendich  wichtig,  wenn  der  Kaiser  noch  jung  war,  und  war 
häufig  nicht  besetzt 

Der  8a-Daijin  oder  Kansler  zur  Linken.  £r  ist  der 
eigenthche  Leiter  der  Verwaltung. 

Der  U-Daijin  oder  Kanzler  zur  Hechten.  Er  unterstützt 
den  vorigen. 

Zuweilen,  aber  wie  cü  scheuit  nur,  wenn  kein  Daijo-Daijin 
vorhanden  war,  kommt  dazu  der  Nai-Daijin^ 

In  der  Uufenden  Verwaltanff  wurden  die  Sanko  unterstUtet 
von  den  Nagon,  wtfhrend  ftlr  besondere  Auftrüge  die  Sangi 


<  Einige  Notizen  Uber  dieses  merkwQrdige  Gesety.buLh  beiTarriug. 
'J'raiisaetions  of  tlio  Asiatic  Society  of  Japan  VIIl  71  i  iY.  und  bei 
Michaelis,  Mitteilungen  der  Deutschen  Geseilsciiutt  u.  s.  w. 
IV  355. 

Eiiio  kriti.mhr*  Fut»  isui  Im irj  Ics  Taihoryo  gehört  /.n  den  Aufgaben 
der  Vert'a^uugs^escliichte  Japans,  deren  Lösung  am  dringendsten  zu 
wfinscben  ist. 

*  Zorn  Folffenden  vgl.  den  Kommentar  de^  Grafen  I  to  zur  Ver- 

Ikasang,  namentlich  /w  Art.  ^.^  (S.  M")  ff.  der  t'n;rli»chen  t''bersetzung). 
Femer  W.  Dicksou,  Japan,  Kap.  I  o.  II.  Die  Bemerkungen  von 
Lc^'endre,  Progressive  Japan  8.  80  f  sind  weni^  zuveriKsaifr.  Meine 
Darstellung  beruht  wesentlicn  auf  einer  Arltnit  wHrlio  mein  danialiper 
bchülerK.  Kume  1663/04  unter  meiner  Leitung  verfafst  hat  (Manuskript). 
Von  den  Kommentaren  ist  namentlich  wichtig  der  d^  Natsuno  Kyohara. 

"  Bei  Wiederherstellung  dieses  Titda«  Anfang  1  hat  man  aus 
dem  N"ii-r>Miim  einen  Orors-Siefjelbewahrer  gemacht.  Im  Altertum  setzte 
der  Nakutaukasa-nu-Kyo  das  .Staatsaiegel  aiu  die  kaiserlichen  Krlaase. 


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X  4. 


19 


benutet  wurden.  Die  Nagon  zerfielen  m  Dai-Nagon^  Chu* 
Nagon  und  Sbo-Nagon. 

Unter  dem  Daijokwan  standen  als  Ausfbhrungsbehörden  die 
acht  Ministerien  (Sho,  bereits  um  650  von  Kotoku  Tenno  er- 
richtet), jedes  geleitet  von  einem  Kjo  und  einem  Tay  u  (Minister 
und  Vizeminister). 

Die  acht  Ministerien  und  liire  wesentlichen  Funktionen  sind : 

1,  NakatBttkaaaBho,  das  Hausministerium. 

2.  Shikibiulio,  das  chinesische  Li-pu,  Civilverwaltuug, 
Anstellungen,  Prüfungen. 

B.  Jibuslio,  das  chinesische  Li-pUy  CeremonielL 

4.  Mirobusho,  das  chinesische  Hupu,  Finanzen. 

5.  Hyobusho,  der  chin^sche  Fing  pu,  Krieff. 

6.  Gyobusho,  das  cinnesische  ilsing-pu,  Justiz.  Doch 
geriet  deren  Verw  altung  nach  einiger  Zeit  in  die  Hände 
des  Chefs  der  l-uUzei,  Kcbiishi  no  lietto. 

7.  Okurasho,  Redmungswesen  und  Gewerbe  (Maft»  Ge- 
wicht, Mttnae,  Preise  u.  a.  w.). 

8.  Kunaisho,  das  chinesische  Kung-pu.  Im  wesentlichen 
hat  es  fUr  den  Unterhalt  des  Hofes  zu  sorgen 

Zu  den  aufgezählten  Ämtern  trat  später  unter  Uda  Tcnno 
(887  —  897)  d.is  (1  rs  K  w  a  m  b  a  k  k  u  ( „Wache  der  inneren  Riegel ), 
dessen  Wichii^lj  it  daraus  hervorgeht,  dafs  der  gesamte  Verkehr 
des  Mikado  hül  dcü  übrigen  Behörden  durch  ihn  vermittelt  wurde. 
Hier  liegt  der  Anfang  zu  der  spateren  Beseitigung  aller  persön- 
lichen Regierung  dorcfa  den  Mikado.  Der  In&bw  dieses  wich- 
tigen Amtes,  das  aber  nicht  immer,  besetat  war^  hatte  gewdbnlldi 
gKicluseitig  eines  der  vier  Daijin-Ämter  inne.  IVemde  Schrift- 
steller haben  den  Kwambakku  meist  als  Regenten  bezeichnet 
Passender  ist  ^v^hl  der  von  JSatow  gebrauchte  Ausdriu'lc  (irofs- 
vezier,  Kin  wirklicher  Regent,  der  die  Ro^ierung  für  den  min* 
derjilhrigen  Kaiser  führte,  hiefs,  wie  noch  iieute,  Sessho. 

Das  Land  war  eingeteilt  in  Provinzen,  Kuni.  Doch 
wird  die  spätere  Einteilung  in  06  Provinzen  und  2  Inseln  nach 
Ito  erst  927  in  dem  Engiryo,  einer  Ergänzung  des  Taiboryo.  in 
der  Zeit  des  Kaisers  Daigo  erwtthnt.  Vorher  scheint  die  Zahl 
der  Provinzen  grOfser  gewesen  su  sein.  Die  Provinzen  wurden 
▼on  Statthaltern,  Kokiishu,  regiert,  welche  von  der  Central- 
res^iernng  nwf  zwei  bis  dni  Jahre  entsandt  wurden.  Dagegen 
scheint  die  Verwaltung  der  kleineren  Bezirke  oder  Kreise  ( Kori) 
in  den  Händen  angesehener  einheimischer  Öippcnhäupter  geblieben 
zu  sein. 

Wie  in  China  sollten  aUe  Ämter  nur  nach  Verdienst ,  nicht 
nach  Abstammung  verliehen  werden.  Als  Amtsemolument  erhielt 
jeder  Beamte  Land,  Amtsland  (Shokubun-den)  und  Bangland 


'  Die  lange  Liste  der  m  diegeii  MiniBterien  gebörigea  Beamten 
siehe  bei  W.  Diekson,  Japan  S.  74  ff. 

o  * 


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20. 


X  4. 


(I-den),  beides  liir  die  Zeit,  dals  or  Amt  und  Uang  inneliatte. 
Ebenso  wurden  Verdienste  durch  Verleihung  von  I>and  belohnt 
(^Ko-den).  riü}ien  Beamten  wurden  auch  liürige  des  Staats 
überwiesen.  Hier  sind  die  Punkte,  von  welchen  aus  die  neue 
dganiflation  raach  wieder  in  VerfiiU  geriet. 

Der  VetBuch^  einen  reinen  Beamtenstaat  zu  grttndeni  mufiite 
scbeitem  an  der  Stärke  des  QeBclüecbterverbandes  mit  seinem 
Strebfm  nacli  Erblichkeit  und  an  den  wirtsclinftlidien  Verhält- 
nissen. Ein  reiner  Beamtenstaat  in  Zeiten  prirnirivcT  Natural- 
wirtschaft war  in  Japan  ebenso  unhaltbar  wif>  in  dem  Franken- 
reich der  Karolinger.  In  beiden  Reichen  liat  sich  der  reine  Be- 
amtenstaat kein  Jahrhundert  gehalten.  In  Japan  war  zu  Anfang 
des  achten  Jahrhunderts  die  grolse  Beform  durcheeftlhrt.  Zu 
Kaiser  Sagas  Zeit  (809—823)  sehen  wir  schon  den  lieginnenden 
Ver&Il.  Die  Analogie  mit  dem  Frankenreiche  ist  in  mehr  als 
einer  Bezielnmg  überraschend.  Hier  wie  dort  eine  mächtige 
Aufwiirtsbewef:imp^  der  Kultur  m\  Oefolgc  religiöser  Missions- 
thHtigkeit.  Hier  wie  dort  Förderung  auch  d(T  materiellen  Kultur 
durch  die  Glaubensboten  ^  Hier  wie  dort  eine  vorübergehende 
Kunstblüte,  nicht  aus  einheiniischer  Krall,  sondern  durch  Heran- 
siehen  ansländiacher  Etlnetler.  Von  dieser  eigenartigen  korea- 
nischen KuDBtperiode  zeigt  noch  heute  Nara,  das  von  709 — 784 
Reichshauptstadt  war,  die  glänzenden  Reste-.  Im  frUnkischen 
wie  im  japanischen  Reiche  folgt  den  kraftvollen  Reformatoren 
ein  schwäcnlichcs  Geschlecht,  unt^r  dessen  schlaffer  Rejriening 
die  kaum  hergestellte  Centralisation  %'erloreii  geht,  Monarchen, 
von  denen  die  einen  in  mönchischer  Frömmigkeit,  die  andern  in 
lasterhaftem  Mülsiggang  die  Regierung  mehr  und  mehr  iiiren 
Gfofsen  aberlaasen.  Kotoku  Tenno  (650)  hdrte  jede  Klage  und 
Beschwerde,  die  hei  ihm  yombracht  wurde.  Em  Kasten,  um 
die  Klagen  aa£Bunehmen ,  una  eine  Glocke  ftir  die  Beschwerde- 
führer hingen  am  Palast.  Seit  Sa^  Teono  (809— B29)  hiJrte 
Kluser  mehr  die  Kinnen  selbst  an. 

Für  die  weitere  Kntwickelung  der  Zustände  sind  Onind- 
besitzverhältnisäe  wichtig.  Nacli  dem  System  des  Taihorvo  ist 
alles  Land  Eigentum  des  Kaiäers  und  wird  periodisch  zur  Nutzung 
verteilt  Doch  ist  zu  beachten,  daft  daM  immer  nur  von  „den** 
die  Rede  ist,  d.  h.  von  nassem  Feld,  Reisland.  Aufserdem  von 
Maulbeer-  und  Lackbaumpflanzungen.  Danach  mfifete  man  an- 
Ddbmen,  dals  anderea  Land  in  fniem  Privatagentom  gestanden 
hätte. 

Das  fiir  die  Menge  der  Hevölkc  l  uiig  zur  Vertü^'uiig  stehende 
Land  sollte  der  Regd  nach  alle  sechs  Jahre  in  der  Weise  ver- 

>  So  ist  8.  B.  Do-slio  ans  der  Zeit  Kotoka  Tennoe  als  BrOeken. 
batter  gefeiert 

*  Di«  koreaoiechen  Wandmalereien  in  Horii^i  bei  Nara  stehen  nach 
mdneni  beseKeidenen  KimstveKStändsIs  bock  fiber  allem,  was  japanieehe 
Malerei  je  geleistet  hat. 


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X  4. 


21 


teilt  werden,  dafs  für  jedes  männliche  FamiliengUed  von  mehr 
als  5  Jahren  2  Tan,  ftlr  jedes  weibliclie  ^  a  Tan  gegeben  werden 
sollten.  Leibeigene  des  JStaates  erhielten  den  gleichen,  Leibeigene 
Privater  ein  Drittel  Anteil.  Die  Verteilung  erfolgte  auf  Lebens- 
zeit ^  Die^ies  Land  hiefs  Kubun  den,  KuplaDteillund.  Neben 
dieser  allgemeinen  Landverteilung  steht  nun  die  bereitB  erwähnte 
Zuwebung  von  Land  an  Beamte  fUr  die  Dauer  der  Bekleidung 
▼on  Amt  und  Rang  (  Sliokubun-den  und  Lden)  ond  dieVerleihnng 
von  Verdienstland  (Ko-den)  in  vier  Klassen :  auf  immer  und  auf 
drei,  zwei  und  eine  nachfolgende  Generation.  Diese  drei  Land* 
arten,  Amt-,  Rang-  und  Verdienstland,  werden  spater  unter  dem 
gemeinsamen  Namen  JShoyen  begriffen  und  entsprechen  etwa 
dem  Bencfieium  des  fränkischen  Kelches.  Von  diesem  scheint 
die  Vüu  anderem  Lande  sciiuldige  Orundsleuer  (tJo,  fünf  Prozent 
vom  Bohertrage)  und  fVonarbeit  (Kuwayeki,  30  Tage  im  Jahr) 


Hörige  oder  freie  Zinsleute  auf  dem  Lande  gesessen  hätten,  welche 
dem  Beliehenen  einen  Teil  des  Ertrage»  ablieferten. 

Dieses  System  änderte  nun,  kaum  eingePiilirt,  seinen  Cha- 
rakter. Bei  der  Stärke  des  Geschlechts  Verbandes  wurden  alle 
wichtigen  Ämter  thatsächlich  erblich  in  den  Familien  des  Hof- 
adels, unter  welchen  die  Familie  der  Fujiwara  hervoiragte. 
Sciiou  bcit  Mitte  des  acliteu  Jahrhunderu  haben  diese  dauernd 
die  hOcfaaten  Amter  des  Kwambakkui  Sesaho  oder  DaijoDaijin 
inne  und  regieren  tfaatailohlieh  anstatt  der  Kaiser.  Es  ist  der 
Anfiuig  des  Hansmeiertttma,  welches  his  in  die  neueste  Zeit 


1  Über  weitere  Einxelhuiteu,  eventuell  vorkommende  VergröCserung 
oder  Verrin|ifei ung  der  Anteile  u.  s.  w.  siehe  Tarriag,  Laad  Provisloi» 

of  the  Taihor^ü,  in  Transactions  of  the  Asiatic  Society  of  Ja})au 
VIII  14")  ff.  Nehmen  wir  die  hentipe  japanische  DiirehgcDnittsfamilie 
von  5  Küpfeu,  mit  2  männUcbeu  uud  2  weiolicbeii  Mitgliedern  von  mehr 
als  .5  Jahren,  so  htttte  de  erlniten  3Vt  Tan  =  44  Are,  da  in  der  Periode 
Tailio  1  Tnii  8.-2r,  Are  w;ir  I'ns  ynn  Tnmng  angegebene  gröfstTe 
LaiiUmafti  iat  erat  in  der  Periode  Wado  eiiigelührt  Ende  IbÖU  kamen  im 
Durchschnitt  von  ganz  Japan  auf  eine  Ifousbahnng  etwa  58  Are  Acker- 
laad, wovon  34  Are  Keislaud. 

Es  warft  morkwurdig,  wenn  eine  solche  alle  Besitzvcrhältnieso  um- 
»türzende  Malärt^el  plütziicli  nach  ohinesisehem  Muster  eingeführt  wäre. 
>hui  laub  aanehinen,  dafs  etwas  Entsprechendes  bereits  beitaad  und  das 
T;uli<<rv()  nar  ilie  cliinesiRch  rochtlichc  Formulierung  war,  wobei  das 
Uberei^entuun  des  Kaisers  eingeschmuggelt  wurde.  Die  Vermutimg  ist 
vielleidit  nicht  sa  kfilm,  dale  die  japanischen  Aneiedler  das  Land  in 
gemeinsamen  Besitz  nahmen  und  das  Feld  perio^lisch  unter  die  Mit- 
plieder  der  jjrofsen  Sij)pen  zur  Nutzung  verteilten.  Wir  wissen,  dafs 
daä  heute  in  Korea  und  zum  Teil  iu  China  noch  besteht,  wo  die  häutig 
die  gansse  Gemeinde  uinfaMende  Sippe  das  Feld  gemeinsam  besitzt,  in 
Korea  wie  es  scheint  so^ar  teilweise  noch  gemeinsam  beliaut  (so  ist  mir 
an  Ort  und  SteUo  versichert  worden).  Periodische  Neuverteilung  des 
Feldes  unter  die  grundbf»!tsenden  Banemfiunllien  der  Gemeinde  hat  sich 
in  manchen  Gegenden  Japans  bis  in  die  allesneacste  Zdt  effimiten.  Vgl. 
imten  im  AlMchoitt  äber  die  Grundsteuer. 


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22 


X  4. 


japanischen  Vertasbungszuständen  ilir  figeiuii-tif^es  Gepr{t«re  j^ebt. 
Die  Adclsfamilien  bemächtigen  sicii  aber  iiiciit  nur  der  Ämtern 
eondern  sie  veracbaffen  sich  Anch  erblicfaen  Beute  an  jenen  LHh- 
demen,  ^e  mit  dem  Namen  Shoyen  bezeichnet  werden.  Im 
Besitz  der  Macht  dehnen  sie  das  Shoyen  immer  mehr  aus.  Um 
1100  hat  es  angeblich  neun  Zehntel  allen  Grundbesitzes  um&IsL 
Hierdurch  -wiimen  nicht  nur  die  Einkiinftf^  des  Kaisers  ge- 
schmälert, sondern  es  scheint  als  ob  die  Slioyenbesitzer  sich  eine 
Art  Immunität  gegen  die  kaiserlichen  ^Statthalter  verschafft  hlitten, 
so  dals  deren  Bedeutung  immer  geringer  wurde.  Ks  kam  dahin, 
dais  die  Statthalter  ^ar  nicht  mehr  in  die  Provinzen  gingen, 
sondern  ihre  Befugnisse  durch  Vertreter  (Mokudai)  ausübten. 
Diese  aber  nahmen  sie  unter  den  ninchtigeren  Familienhtta)>teni 
ihrer  Bezirke,  welche  auf  diese  Weise  ihrerseits  ihren  Einflufs  aus- 
dehnten. (Auch  liier  bietet  der  Westen  eine  gewisse  Analogie 
io  der  Stellunff;  de.s  Vogtes,  advocatus.)  So  liatte  der  auf  Gniud- 
besitz  beruhende  Geschlechtsverbatid  den  Bearatenstaat  völlig 
zersprengt  Die  Kaiser  aber  waren  zu  schwach  der  Auflösung 
Einhalt  zu  thun.  Häufig  safsen  Kinder  aof  dem  Thron,  regel- 
mäPsig  dankten  die  Henrscher  nach  kurzer  Regiorung  ab  und 
vrurden  Mönche,  nicht  immer  freiwittig.  Von  Saga  bis  Godaigo 
Tenno,  der  den  Versuch  einer  Re^tauratioil  der  kaiserlichen  (se- 
walt  wa^ie,  823  —  1318,  haben  43  Kaiser  auf  dem  Thron  ge- 
sessen, jeder  also  durchschnitthch  nur  11  ^  2  Jahr.  Von  diesen 
haben  23  abgedankt  und  3  sind  abgesetzt. 

Neben  jener  Entwickelung  geht  eine  zweite  nicht  minder 
wichtig  TOT  sich,  die  Entstehung  erblicher  Berufsstände,  nament- 
lich die  Aiissdieidung  eines  beniismttrsigen  SoMatenstandes,  der 
im  wesentlichen  ans  den  bOngen  Gdblgslenten  (Kenin)  der  grofeen 
jSippenhftupter  hervorgegangen  zu  sein  scheint,  eine  &hnliohe  E^nt- 
wielcclung  wie  die  der  Ministerialität  in  Europa.  Hierdurch 
wurde  es  möglich,  dals  einige  kriegstüchtige  Geschlechter  neben 
den  B^uiiwara  m«  hr  und  mehr  in  den  Vordergrund  traten,  vor 
allem  die  Talra  und  die  Minamoto.  In  den  Rriegen  und  Auf- 
ständen an  der  nördlichen  Grenze  als  Feldherren  (Shogun)  des 
Kaisers  die  Armeen  ftüirendy  haben  sie  den  Schwmnmct  ihrer 
Macht  in  den  Grenzmarken  des  Reiches,  und  währena  bisher  alle 
jananische  Geschichte  sich  um  die  Gegend  von  Kyoto  dreht, 
erhält  von  nun  an  mehr  und  mehr  das  Kwanto,  die  gröfste 
Ebene  Japans,  Bedeutnno:'.  Ks  kam  endlich  dahin,  daCs  der 
Besitz  dös  Kwanto  entscheidend  wurde  ftir  die  Hemcliaft  über 
Japan.  Die  Rivalität  der  Taira  und  Minamoto  kam  zum  otfenen 
Ausbruch  aus  Anlafs  von  Thronstreitigkeiten  1150,  und  in  den 
Wirren  des  Bttrgerkrieges  schüttelten  die  Häupter  der  grolsen 
Geschlechter  die  letsten  Beste  der  kaiserlichen  Aufticht^ewalt 


1  Schon  im  10.  Jahrinindert  yeiaoeht  ein  Tain  sich  im  Kwanto 
naabbingig  so  msehen« 


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23 


nV>.  Wer  Fäuste  hatto.  p^riff  /n.  hh  fins  dem  Kampfe  Yoritorao, 
das  Hüpupt  der  Minamoto,  ;ils  Herr  drs  l.andes  hervorging  (1185). 

Yoritomo  liel's  den  ohnraachii^^t-ji  Kaiser  mit  seiner  ohn- 
mächtigen ixütmU^nregierung  bestellen.  Er  war  zufrieden  mit 
dem  Titel  eines  Kronfeldherrn,  Sei-i-tai-shogun  („die  Bar- 
baren unterwerfender  Orofsföldherr'' ,  gewöhnlich  nur  Shogun 
genannt).  Aber  neben  die  nominell  weiter  beBtehenden  kaiaer- 
Schen  Behörden  setzte  er  seine  eigene  Oi^g^isation  ^  und  schuf 
so  den  merkwürdigen  Dualismus,  der  mit  kurzen  Unter* 
broehimiron  bis  18^58  bestanden  hat.  In  seiner  Residenz  Kama- 
kura  ernclitete  er  eine  neue  Ccntralrcgierun.: ,  das  Mandokoro. 
Neben  die  Kokushu,  die  Provinzialstattliahn-.  s.  t/.ie  er  die  8hugo, 
welche  die  Militärgewalt  und  die  i>einh'ehe  .Jusiiz  ausübten.  In 
den  Shoyen,  den  immunen  Gebieten,  setzte  er  Aufsichtsbeamte 
unter  dem  Namen  Jito  ein.  Dagegen  blieb  die  CS^ÜgerichtS' 
barkdt  den  Kokushu  und  den  Shoyen-Hennen  je      ihre  Gebiete. 

Nach  ^'aritomos  Tode  (3199)  sehen  wir  In  seinem  Hause 
gleichfalls  das  Hausmeiertum  seinen  Einzug  halten.  In  der 
IShogunwürdo  fol«:^PT(  ihm  seine  Nachkommen,  aber  die  oip^ent- 
liche  Regienui^'  fuhrt  der  ^Siiikken  (seit  1205),  der  erste 
Minister  des  »Shogun s  Diese  Würde  war  erblich  in  der  Familie 
der  iiojo.  Ein  milsgluekter  Versuch  des  Hofes  in  Kyoto,  die 
Macht  der  Hojo  zu  brechen  (1220/21)  hatte  die  FolgC;  dafs  ein 
grofser  Teil  des  Kyoto -Adels  seiner  ShoyenbeettEungen  beraubt 
und  diese  Vasallen  der  Hojo  zu  Lehen  gegeben  wurden.  Keben 
der  allgewaltigen  Stellung  der  Shikken  war  es  ziemlich  gleich- 

fültig,  wer  Shogun  war.  1219  starben  die  direkten  Nachkommen 
es  Yoritomo  nm  und  120  Jahre  lang  wurde  die  Shogunwürde 
von  Mitgliedern  des  Hauses  Jc'ujiwara  oder  kaiserlichen  Prinzen 
bekleidet. 

Über  die  inneren  Zustande  Japans  zur  Zeit  der  Shikken 
Iftist  sich  nach  dem,  was  bbher  in  europäischen  Sprachen  bekannt 

geworden  ist,  wenig  sagen.  Auf  geistig  tief  bewegte  2Mten 
entet  die  lebhafte  Sektenbildung  um  1200,  welcher  die  wichtig- 
sten buddhistischen  Sekten  Japans  ihren  Ursprung  verdanken 
(namentlich  die  Jodo-,  die  Shin-  und  die  Nichirensekte). 

Die  Tr^^nnring  der  Stände  kommt  zum  Abschlufs  durch  die 
thatige  Gesetz^^clnmg  der  Jahre  1230  bis  1290,  welche  namentlich 
die  Verhilltnisse  d»  r  ( Jok>m'n,  der  Dienstmannen  dea  Sh(^in8, 
regelt,  aber  auch  bauerliciie  Verhältnisse,  Hörigkeit  u.  s.  w.  ^. 


^  Japaner  DÜesen  die  von  Yoritomo  eingeittbrten  neuen  Kegieruiijgs* 
fbrnK»  sttoem  Miimsr  Oye  ffiromoto  soznschreiben ,  der  den  Tarn» 

geschlecht  an^^ehörte,  aber  sich  Yoritomo  anachlofs.   Er  war  der  Stamm* 

vater  der  Familie  ^fori,  der  Hfiüteren  Fürsten  von  (^'hoslm. 

'  Aug  meinem  Matenul  von  Auszügen  ucheiut  eine  iui  Laufe  d€8 
13.  Jahrhunderts  iMCh  fortschreitende  Verschärfung  der  Standesab- 
crhlirf'iinp  hervorzupehen.  So  z.  H.  wenn  die  VeräulVonuifr  If"?  r^phcr!?- 
gutes  den  üokenin  verboten,  Veräufserung  ihres  Frivatbeeitzer'  ^JieBiUs 


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24 


X  4. 


Die  neuen  Provinziaibeamten  des  tjhoj^iniats  sollten  nach  Vori- 
tomos  Absicht  ihr  Amt  nur  auf  Zeit  verwalten.  Aber  die  Richtung 
auf  Erblichkeit  der  Amter  brach  auch  liier  rasch  Ns  iech  r  durch 
und  diese  lieamteii  haben  von  vornherein  Neigung  zu  über- 
gri6fen  gezeigt.  Sdion  um  1280  muü^  den  Shn^  verboten 
weiden ,  auf  eigene  Faust  Vertreter  (Daikwan)  in  ^eiseii  und 
Ortschaften  einzusetzen,  Steuern  auasuschreiben  und  in  die  Ge- 
Bchäfte  der  Kokushu  und  Jito  einzugreifen. 

Im  Jahre  133:3  versuchte  Go-Daigo  Tenno  (Daigo  II)  die 
kaiserliche  Gewalt  h  r;aist*  llen.  Allerdings  gelang  es  die  Hojo 
zu  stürzen  und  ihre  liegieruug  zu  Kamakuni  zu  zerstören.  Aber 
der  kaiserlichen  Gewalt  erwuchs  kein  Gewinn  daraus.  Um  eine 
Reihe  der  mächtigen  FamiÜen  tur  sich  zu  gewinnen,  übertrug 
ihnen  der  Kaiser  das  Shugo- Amt  in  ihren  Proyinssen.  Unter  den 
Hojo  waren  die  Shug|o  von  der  Regierung  in  Kamakura  ab- 
hängig geblieben.  Eiese  neuen  Shugo  aber  kümmerten  sich 
wenig  um  die  Gesetze  und  Verordnungen,  welche  der  Kaiser 
gegen  ihre  Uber^jrifTe  erliefs.  Sie  filhrten  ihre  Privat fehden  und 
vergewaltigten  die  kleinrn  kaiserlichen  r.fhensleute,  die  Shoyen- 
besitzer.  um  ilire  lierrschalt  auszudeiinen.  Der  Versuch,  die 
kaistiliihe  (iewalt  wieder  aufzurichten,  endete  1838  mit  der 
Wiederlier-^tellung  des  Shoguiiats  durch  Ashika^a  Takauji.  Auch 
die  Ashikaga  machten  ihre  wichtigsten  Anhänger  su  Sbu^o. 
Diese  Militärstatthaiter  dehnten  jetat  ihre  Gewalt  nach  alten 
Seiten  aus.  Sie  bemächtigten  sich  des  letzten  Reates  unmittelbar 
kaiserlidien  Landes  und  damit  verschwinden  die  Kokushu^  die 
alten  kaiserlichen  Statthalter,  p:.*lnzlich.  Die  Shugo  unterwarfen 
s'icli  lerner  die  Shoyenbesitzun^^on ,  so  dais  auch  rlirsc  direkten 
Lehnsleute  des  Kaisers  verschwinden.  Auch  Teuipelgut  ist  ihnen 
vielfach  zum  Opfer  gefallen.  Gegen  das  Ende  der  Aühikaga- 
herrscliaft  um  1500  sind  die  Shugo  oder,  wie  sie  nun  sich  nenuen, 
Daimyo  thatsächÜch  so  gut  wie  unabhängige  lAndesherren 
in  ihren  Gebieten. 

Das  sechzehnte  Jahrhundert  ist  eine  der  trUbsten 
Perioden  japanischer  Geschichte.  Völlige  Ohnmacht  der  Central- 
regierunpr.  ncs  Kaisers  wie  des  Shop^ms  einerseits,  endlose  Fehden 
der  Landesherren  und  Kiimjife  um  die  Herrschaft  in  den  Pro- 
vinzen anderseits  zeigen  uns  einen  Zustand  völliger  Anarchie. 


vor  Errichtung  des  Shogaoats)  erlaubt  wird.  Schon  1239  wixd  aber 
Verkauf  des  Privatbesitaes  an  andere  uU  GokfMiin  verboten.  Anfaii^a 
wird  den  Gokenin  nur  die  Verpfändung  des  LeLus  verboten,  1266  aber 
aach  die  ihres  PiivatbesitMSt  da  sie  oft  dadurch  in  Not  kKineii. 

Es  scheint,  dafs  in  diesem  frühert-n  Lehn.'iwesen  der  Kitter,  wie  in 
Europa,  rf'L''elrnHfaig  ein  Lehnsgut  erhielt,  wiis  im  späteren  jiipani'^rhcn 
r.ehiis\venen  nur  vereinzelt  vorkommt.  Der  claneben  vorkommende  JMvat- 
besitz  aber  wurde  mehr  und  mehr  mit  dem  Lehnsgut  zusammengeworfen. 
Das  Gilt  selbst  wurde  anechMnend  durch  siaqiflichtij^e  ifinteraasBen 
bewirtschaftet. 


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X  4. 


25 


Hier  und  da  gelingt  es  einer  Familie,  ihre  Herrschaft  über  aus- 
gedehnte Länderstrecken  aufzurichten,  welcher  dann  zuweilen 
ebenso  plötzlicli  durch  die  Eifcröuciit  der  Nachbarn  ein  Knde 
bereitet  wird.  So  finden  wir  in  Echi^o  die  Uyesugi,  im  Kwaiito 
die  (späteren )  liojo  von  Oda  warn,  auf  dem  Westende  der  Haupt 
izuel  die  Ochi  uod  Mori,  aaf  Kyusba  die  Otomo  von  Bungo, 
die  Riuzoji  to  HIgo  und  Hizeii,  die  Shimasu  in  Satsuma.  Es 
ist  die  Zeit,  in  welcher  die  erste  Berührung  mit  Europäern  (seit 
1542)  den  kriegtUlirenden  Fürsten  Feuerwaffen,  dem  verzweifeln- 
den Volke  das  Chri.stentum  brachte.  In  dieser  Zeit  der  Not  regt 
sich  zuerst  wieder  der  Gedanke  an  die  Herstellung  einer  einheit- 
liclien  ('entralgewalt  des  ^likado.  Durch  Vermittelung  eines 
reieiien  Burgers  von  Kyou>  (Tneliiiri  Muuetisugu)  trat  seit  1559 
der  Hof  mit  Ota  Nobunaga  in  Verbindung,  dem  Herrn  von 
Owari,  der  uUe  umliegenden  Proviosen  mit  seiner  Herrschaft 
▼ereinigt  hatte  und  damals  der  mächtigste  unter  den  Landes- 
herren war.  Im  Jahre  1567  ^ab  ihm  der  Mikado  den  aas  Ina  k- 
lichen  Auftrag,  Ruhe  im  Lande  herzustellen.  Im  nächsten  Jahre 
besetzte  er  Kvoto  und  hatte  thatsücldieh  die  höchste  Gewalt  im 
Lande.  1573  wurde  der  letzte  Shogun  nm  dem  Hause  Asliikaga 
abgesetzt.  Nobunaga,  mit  dem  Amte  eines  Ü-Üaijin  bekleidet, 
suchte  gleichzeitig  das  Aüöelieu  des  Hofes  zu  heben  und  seine 
eigene  Stellung  zu  stärken.  Auf  die  Kastelle  von  Kyoto  und 
Osaka  und  auf  seme  eigene  Henschaft  im  mittleren  «fapan  ge- 
«tatst,  gelang  es  ihm,  im  gri^&ten  Teile  des  Landes  Rune  her- 
zustellen. Aber  ehe  noch  sein  Werk  irollendet  war,  fiel  er  durch 
den  Verrat  seines  Feldherrn  Akedu  Mitsuhide  1582  ^  Nobu* 
nagas  Werk  w\m  1  e  fortgesetzt  von  T o  y  o  t  o  1 1 n  T I  i  d  e  v  o  s h  i , 
dem  bedeutendsten  seiner  Fcldlierren,  einem  EtnporkoinnilinL;  uns 
niederem  blande,  der  keine  Landesherrscliaft  sein  ( it^c  ii  iiamiLe 
und  nur  auf  seine  ergebene  Armee  sich  stützen  konnte.  JJie 
Fortführung  von  Nobunagas  Pohtik,  die  kaiserUche  Gentralgewalt 
BU  Stärken,  war  ftlr  ihn  der  Weg  sur  höchsten  Macht  Bereits 
1586  wurde  der  ehemalige  Stalljunge  zum  Kwambakku  ernannt, 
ruiidi  die  Schärfe  des  Schwertes  wie  durch  kluge,  versöhnUche 
Pohtik  stellte  er  im  ganzen  Lande  die  Autorität  der  Central- 
t(»'wa1t  und  den  inneren  Frieden  her-.  Die  Landeslierren 
ficliworen  der  Kegierung  des  Kaisers  Ti  eue,  Wichtige  Ketbrmen 
wurden  in  Angriff  irenonimen.  Aber  bereits  1598  starb  Hide- 
^'Oiihi,  der  raiko-6auia,  wie  ihn  daä  Volk  nennt.  Die  Einrich- 
tung eines  Reichsregiments,  welches  die  Geschäfte  tühren  und 
die  Gewalt  in  der  Familie  Toyotomt  erhalten  sollte,  versagte 
sofort  den  Dienst.  Zwiachen  den  grofsen  Ijandesfürsten  brach 
der  Kampf  um  den  Vorrang  und  die  Nachfolge  in  der  thatsfich- 


1  Akecbi  Hitaahide  lebt  als  treuloser  Vasall  im  Volksmunde  fort 
Noch  wird  atif  lern  Koya-san  sein  Mitzgespaltener  firabstein  gezeigt. 
*  1>>Ö7  üersti^Uuog  der  Ordiiuog  auf  Kyuabu,  1590  im  Osten. 


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26 


X  4. 


liehen  Rofpenmg  des  Reiclies  aus,  ein  K.impf.  aus  welchem  nach 
der  Schlacht  von  Sekij^ahara  im  *  »ktol)er  das  Jahres  IGno 
Tokugawa  Iveyasu  (ein  8prol's  dea  Minamoto-H auses  wie 
die  Ashikaga),  cler  Mit  1590  Herr  des  Ewanto  war,  ab  Sieger 
hervorging.  Im  Beritse  der  Gewalt,  liela  er  aich  160S  ▼om 
Mikado  zum  Udaijin  (Kanzler  zor  Rechten)  und  sum  S<  i  i  tai- 
shogun  ernennen.  Seine  Kesidenz  behielt  er  im  Kwanto,  in  Yedo. 
In  der  Form  des  neu  (zum  dritten  Male)  errichtoteTi  Shogunats 
wurde  die  von  Nobunaira  und  Hideyoslii  l^egonnene  Neuordnung 
des  Staatswesens  durclif^cführt,  in  welciier  das  Lehnswosen ,  in 
seinem  innersten  Kern  f^cbrochen,  in  einer  in  ihrer  Art  genialen 
Weise  den  Anforderungen  einer  centralisierten  Staatsgewalt  an- 
gepafat  wurde.  £a  war  eine  Weiterbildung  deasen,  waa  Yori- 
tomo  aoent  enrtrebt  hatte'. 


Zweites  Kapitel 
Die  Herrschaft  der  Tokngawa. 


Vorbemerkung.  Mit  dem  Staatswesen,  wie  es  duveh  lyeyaeti 

begründet  bi?  ]'^fM  beptamlen  hat,  beschäftigen  sich  alle  allgemei- 
neren Werke  über  Japan  mehr  oder  weniger  ausführlich.  Die  Hniipt- 
quelle  tÜr  diese  Werke  ist  W.  Dickaon,  Japan.  nanientlieh  die 

Kapitel  VII  bis  X.  Trotz  vieler  lileiner  Irrtümer,  Verstümmelung  von 
Namen,  Titeln  n.  p.  w.  i-'f  es  noch  immer  ein  nützliches  Werk.  Atis 
neuester  Zeit  sind  zu  erwähnen  die  kurzen  Aufsätze  vonJ.  H.  Gnbbins, 
The  Feudal  Ssrstem  in  Japan  mid«r  the  Tokngawa  Shoguns,  in  Tmuis- 
aetions  of  the  Asiatic  Societv  of  .larKui  vol.  XV  (auch  in  der  Japan 
Weekly  Mail,  ISHl,  VIII  xti  abgedruckt i  und  von  0.  Kndorft",  Bemer- 
kungen über  die  Rechtspflege  unter  den  Tokugawa,  in  Mitteilungen  der 
Deutschen  Gesellschaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostaaens  IV  378 
(1888).  Wichtiger  n!«  die  letztgenannte  Arbeit  von  demselben 
die  Einleitung  zu  „Kamporitsu  oder  Hiakktuo,  ein  japanisches  liechts- 
bneh  ans  der  Mitte  des  vorigen  Jabifrandens*'  (1888  enehienen,  obne 
Jahreszahl  und  Dmrkortl  Das  Gesetz  pelbBf  iFt  novh  einmal  von  dem- 
selben Autor  abgedruckt  in  der  gleich  zu  erwähnenden  Tokagawa< 
Gesetzsammlung. 

Ana  dar  Oasatanebunff  der  T<^ngawa  ist  mehreres  in  europiischea 
Spntchen  enehienen:  P.  Kern  permann,  Die  Qesetae  des  lyejasa,  in 

'  IH.  Jahrhundert  ipt  diejenige  Periode  der  japanischen  Gc- 

Bchicbte,  über  welche  wir  am  besten  Bescheid  wissen,  teils  dun  h  die 
Jesuiten,  teils  durch  die  reichlich  fliefsenden  japanischen  Quellen,  ans 
welchen  dem  europäischem  Lp^.(:r  viele.»*  zugäni^ij  Ii  LTmn cht  ist.  Von 
neueren  Veröffeotlicnungen  sei  namentlich  auf  die  in  den  Bänden  der 
Asiatie  Sodety  of  Japan  ereehienenen  Arbeiten  Ton  8atow,  G-nbbina 
und  Aston  fiingewieson.  Für  die  Entwickelung  der  Verfassunfi^  seit 
Yoritomo  habe  ich  namentlich  die  gleich  zn  erwähnende  Arbeit  von 
Y.  Sakatani  benutzt. 


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27 


Mitteilungen  der  Deutöclien  (jeseUschaft  u.  s.  w.  vol.  1  Heft  1  S.  ö  und 
Heft  2^2,  1873.  (Vergl.  aaeh  in  Heft  1  S.  14  £  voin  setbeo  Ver- 
fasser die  kritieehen  Verzeiclinisse  der  Kaiser  und  Shogane  und  die 
Stammtafel  der  letzteren.)  Die  hier  übersetzlen  niid  mit  Annierkimr^en 
versehenen  Gesetze  sind  die  sogenannten  Achtzehn  Gesetze  (von  l()l-">) 
lind  das  „Testament  des  Iveyaso*',  auch  die  „hundert  Gesetze"  genannt. 
Eine  Ül»er3etzunc  derselben  Urkunde  erschien  l><14  von  J.  F.  I^owder 
unter  dem  Titel  „the  Legacj  of  lyeyasu"  u,  e.  w.  Die  bei  Dickaon 
(Japan  S.  341—269)  gegebene  Übertragung  ist  dorch  diese  beiden  Über- 
setzungen überflüssig  gemacht.  —  Umfangreiches  Material  giebt  O.  Ru- 
dorff,  Tokugawa-Gesetzsammhing,  Supplementheft  zu  Hand  V  der  Mit- 
teilungen der  Deutschen  Gesellschaft  u.  s.  w.,  1889.  Dieses  Heft  enthält 
die  Yon  Kempennann  bereits  fibefMtsten  beiden  Urkunden,  das  Testament 
in  verschiedenen  Fassungen.  Femer  die  Bukeshohatto ,  Ordnung  der 
Buke  (des  Kri^eadela,  d.  n.  der  Landesherreal  Endlich  die  Koditikation 
des  Straik«ebtB  nnd  gewisser  Teile  des  Verwnitangsreehts,  welche  sint 
ITI'i  V«  I  Ii  t^'^i  ijnnm  II  (Kajoruiten  tnid  rlessen  Erp'iiizimf^enX  Trotz 
ihres  umfassenden  Titels  enthält  die  Publikation  doch  nur  einen  Teil  der 
grandlegenden  Gesetze.  Für  das  Strairecht  dürfte  sie  in  der  That  eine 
so  ToUbtändige  Übenieht  geben,  wie  wir  sie  für  keinen  anderen  Teil  des 
japanischen  Uechts  zur  lokngawazeit  besitzen.  Nicht  so  fiir  das  Ver- 
faasungs-  und  Verwaltungsrei-nt  Vur  allem  fehlen  die  grundlegenden 
Abmachmigen  zwiseben  Mikado  und  Shogun.  Bs  fehlen  die  ausfÜhr* 
liehen  Arntsinstruktioncn  unri  !)ieTi?tri(lr>  ffir  die  I't\nmten  der  Tokugawa- 
regienuig,  welche  die  Uauptquelle  für  die  Funktionen  der  Behörden 
InKlen.  Es  fehlra  die  €kmingumi -Ordnungen  (Goningnmi  ^  Vereinigung 
von  je  5  Familienhäuptem  zu  gegenseitiger  FriedensDurgschaft)  u.  s.  w. 
Von  den  Buke  sho  Hatto  (Oronungen  des  Rriegsadels)  fehlt  da»  er.=te. 
Das  vermindert  natürlich  den  Wert  des  Gebotenen  nicht  Bedenklieher 
ist  die  vielfache  Ungenauigkeit.  —  Einige  nfitsliebe  Notisen  giebt 
6.  Appcrt,  Aiicit  ti  Japon.    Tokyo  18Ss'. 

Für  das  Folseude  stütze  ich  mich  aufser  den  gedruckten  enropaischen 
Arbetten  hanplwcblicb  auf  eine  Arbeit  über  die  „Verwalttmgsorganin- 
tion  im  alten  Regime*^,  welche  Y.  Sakatani,  der  beste  meiner  japa- 
nischen  Schüler,  gegenwärtig  Rat  im  Finanzministerium,  in  den  Jahren 
1883  und  1884  unter  metner  Leitung  verfafst  hat.  Die  Abhandlung  (23Ö 
Setten  in  Grofsquart)  bertiht  anf  dem  in  der  UniverritlltiblbUotbelc  in 
Tokyo  Vorhand onrn  ^T.Tterinl. 

Eine  Darstellung  der  allmählichen  Wandelungen  der  Verfassungs- 
suliiide  Jaoans  wSbrend  der  Zeit  der  Tolnwaw«  tentt  leider  noch  ganz. 
An  japanischem  Material  ist  ofienbar  kein  Mangel. 

Erst  nach  Abschluf?  meines  Manuskripts  erschien  <lie  Dis.'^ertation 
von  S.  Y  08  Iii  da,  Geschichtliche  Entwickelung  der  Staatsverfassung  und 
des  Lfchnwesens  von  Japan  (Haag  189<J).  Die  Arbeit  leidet  unter  dem 
Bestreben  des  Verfassers  ,  d;is  japanische  Lchnrecht  in  die  Formen  des 
deutschen  einzuzwängen,  wodurch  manches  ganz  schief  dargestellt  wird; 
MunentHeb  die  ei^^enartige  Stellung  der  Daimyos  im  japaniselien  Lebne» 
Staat  kommt  gan/  uii>:<  nügend  zum  Ausdruck.  Die  Arbeit  leidet  weiter 
durch  die  ganz  unselbsiandige  Anlehnung  an  die  in  europäischen  Sprachen 
bereits  erschienenen  Darstellungen.  Eine  luitische  Untersuchung  der 
Entstebimg  des  Lehnswesens,  namentlicb  uf  GhnUMl  des  rsicblichen  Ma- 
terialB  m  dem  13.  Jabrbnndert,  fehlt  immer  noch. 

Die  VerfaBsuogJapans,  wie  lyeyasu  sie  feststellte  und 
Mine  Nachfol^r,  nanMntlicn  sein  Enkel  lycmitsu,  sie  weiter  aus- 
bOdelen,  wira  beseichnet  durch  den  Dualismus.  Auf  der  einen 
Sdte  sehen  wir  in  priesterlichcr  Abgeschiedenheit  den  Hof  in 
Kyoto,  denen  alte  HegieningebehOrden  scheinbar  weiter  bestehen^ 


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28 


X  4. 


deren  einzige  wirkliche  Lebcnsäufserungen  aber  sich  auf  die  Ver- 
leihung vou  Raog  und  Amtätiteln  an  die  Grofsen  des  Reiches 
beschränken.  Die  alten  Ämter  sind  zu  blolsen  Titulaturen  herab- 
gesanken.  Auf  der  anderen  Seite  ateiit  der  Shof^nn,  der  that- 
■ächltche  Machthaber,  mit  seiner  Regierung,  dem  B  a  k  u  f  u  ^ ,  for- 
mell  ein  Beamter  des  Kaisers,  in  seinem  Auftrag  die  R^erung 
iiihrend,  in  Wirklichkeit  auf  seine  Hausmacht  gestützt  der  wahre 
Herr  des  Landes,  das  er  teils  direkt  durch  seine  Beamten  regiert, 
teils  durch  die  Lehnsfürsten  und  Territorialherren,  welche  unter 
weilgehender  Aufsicht  «tehen,  verwalten  liifst. 

Die  rech  tliche  G r  uudlage  iUr  die  Stellung  des  Shoguns 
ist  in  erster  Linie  das  ihm  übertragene  Amt  des  Sei-i-tai-shogun, 
welches  die  Verwaltang  aller  mOitltrisehen  und  auswärtigen  An- 
gelegenheiten in  sich  schliefst.  Daraus  folgt,  dafs  er  neben  der 
Gesetzgebung  für  seine  Hauslunde  ein  gewisses  Gesetigebungs- 
recht  nir  (\m  ««n'/e  Reich  ausübt,  nfimlich  einmal  in  solchen 
Din/^en,  welche  die  Beziehungen  zum  AuslaTide  betreffen  (Verbot 
das  Land  zu  verlassen .  Verbot  des  Chri8tenumj.>,  Verbot  grofse 
iSchifi'e  zu  bauen,  Beiehl  auf  fremde  SchiÜ'e  zu  schiefsen),  dann  in 
Angelegenheiten  des  Krimadels,  der  Buke  (d.  h.  der  Temtorial* 
herren)  Der  Shogun  ist  &b  Haupt  der  Dairoyos  Ton  Amts  wegen 
und  mfolgedessen  auch  von  Amts  wegen  höchster  Richter  in  Krimi- 
nalsachen wie  in  solchen  Dingen,  für  welche  der  einzelne  Daimyo 
nic!it  kompetent  ist  (Orenzstreitigkeiten  etc.).  Aulserdem  aber 
regelt  er  den  ganzen  kaiserUchen  Haushalt  und  die  Angelegenheiten 
des  Hofadels.  Dies  kann  aus  dem  Shogim-Aint  niclit  folgen,  aucli 
liieht  aud  dem   Daijin-Amt,  welches  jedem  iSho^uu  verheben 

wurde  (der  Regel  nach  das  des  Udaijiii,  auwdlen  auch  das  des 
Kaidaijin).  Diese  Machtbefugnis  beruht  vielmehr  auf  ausdrück- 
lichen Abmachungen  des  Ijeyasu  mit  dem  Hofe  und  ansdrOck- 
lichem  Auftrag  an  den  erstgenannten'. 

I  )ie  t  h  a  t  H  ä  c  Ii  1  i  c  Ii  e  C,  r  n  n  d  1  a  g  e  der  Stellung  d^  Sho- 
guns  beruht  auf  seiner  eigenen  H  ausmacht  und  meinen  Vasallen, 
lyeyasu  war  teils  durch  Hideyoahi ,  teils  nacli  dcs-^^en  Tode  aus 
eigener  Kralt  1  enitorialiicrr  uusgedelinter  Gebiete  in  Mitteljapan 
geworden.   Vor  allem  gehörten  ihm  die  Provinzen  des  Kwanto 


*  Bakufu     /eltregierang^  Militari eperung. 

*  Diese  Abmachungen  und,  soweit  ich  Mhen  ksm,  den  auslän- 
dischen Darstellern  des  Sliogunatf  völüi:  fntL'Hngcn.  In  welchem  Um- 
fange diese  Ahmachangen  noch  vurhaudeu  siuü.  habe  ich  nicht  ermitteln 
können.  Die  ersten  datieren  woM  aus  der  Zeit  der  Verleihung  des 
Sho;,'uiiatntcs.  Bckatint  gcwonlen  sind  mir  1.  eine  Verordnunjj;  des  Sho- 
ffuus  in  ö  Artikehi  über  die  Ptliehten  der  Kuge,  des  Hofadels,  vom  18. 
des  ().  Monats  ir>12,  worin  es  heifst  „dies  ist  durch  Übereinkunft  fest- 
gflStellf^,  unil  L*.  über  die  <  )nlnun;u'  des  Hofes  und  des  Hofadels  ein  Ver- 
trag in  17  Artikeln  im  7.  Mouat  l*il4  pereichuet  vom  Hofadligen  Niio, 
dem  .Shogun  Hidetada  und  dem  Hliogun  iyeyasu.  Eine  Folge  dieser 
Abmachungon  sind  dann  die  ▼en  Kempermann  TeKöffenttiebten  aoge- 
Dannten  Achtsehn  Gosetae. 


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(Sagaini.  Mii*?ashi,  Kozuko,  Sliimotsuke,  Slnmosa,  Kazusa,  Äwa), 
sowie  die  weatlich  angrenzenden  (Ivai,  Snrugji,  Totomi  und 
Mikawa).  Aber  wie  innerhalb  dieser  Provinzen  manche  Teile 
wieder  an  Vasallen  verliehen  waren,  so  hatte  der  Shogun  Be- 
sttsim^n  Uber  das  gansse  Land  ventreat,  yielfiich  als  Ritterldien 
an  seine  Gefolgsleute  (Hatamoto)  ausgethan,  namentlich  in  den 
mittleren  Teilen  der  Hauptinsel  und  im  Norden  von  Kyushu. 
Wichtig  ihrer  Ooldber^^wcrke  wegen  war  die  Insel  8ado,  als 
Verbannungsort  die  ^sieben  Inseln  von  Idzti".  Endlich  standen 
eine.  Reihe  von  Städten  wegen  besontierer  Wichtigkeit  unter  der 
Verwaltung  des  Sboguns.  Sie  waren  sozusagen  als  Reichsstädte 
anzusehen,  eine  Einrichtung,  die  von  flideyoshi  stammt.  Solche 
Stlldte  waren  vor  allem  im  mittleren  Japan  Kyoto  selbst  und 
die  benachbarten  Orte  Otsu,  Fushimi  und  Nara,  femer  Osaka 
(seit  1615),  Sakai  und  Hyogo,  sowie  die  heilige  Stadt  Yamada 
in  Ise,  endlich  auf  Kyushu  Nagasaki,  als  wichtiger  und  später 
einziger  Platz  flir  den  Verkehr  mit  dem  AuslanHe  sehen  1590 
durch  Hideyoshi  von  der  Provinz  Hizen  abgetrennt.  Die  Be- 
deutung der  direkten  Tokugawaherrschaft  geht  daraus  hervor, 
dals  von  der  Kokudaka  (dem  geschätzten  grundsteuerpHiehtigen 
Ertntf  der  Felder)  mehr  als  ein  Drittel  auf  die  Shogimatsllinder 
en1fid^(vgl.  S.  36  Anmerkung). 

Die  Macht  des  Shogunhauses  beruhte  ahn-  fimer  darauf, 
dafs  von  den  Territorialherren  ein  grofser  Teil  Vasallen  der 
Tokugavva  WMren,  die  Fudai  (wArfiber  gleich  mehr),  unter  welclien 
wieder  eine  ganze  Anzahl  Mitglieder  der  Tokugawa  -  Familie 
waren.    Bei  den  übrigen  I>andesherreii  aber  wurde  eifrig  darlU>er 

Sewacht,  dals  sie  nicht  zu  mächtig  wurden,  sich  nicht  verbün- 
elen  u.  s,  w.  Im  Gegenaats  su  den  Zeiten  der  Adbikaga  mit 
ihr«r  Bildung  ttbermäimtiger  Landeshemschaften  ist  die  Toku- 
gawa-Beglening  ein  geradezu  raffiniertes  Beispiel  ftlr  das  Divide 
et  impera. 

Für  Japans  innere  E  n  t  w  i  c  k  e  I  u  n  g  ist  die  Herrschaft 
der  Tokugawa  -  Shogune  von  nnen^llicher  nedeutung  gewesen. 
.Sie  ^'nhen  nach  endlosen  Wirren  und  Kämpfen  dem  unglUek- 
licheu  L«in<le  Frieden  und  Kuhe.  Nach  der  Eroberung  von 
Osaka  (1(515)  und  der  Überwältigung  des  Christenanfstandes 
f 1637)  hat  mehr  ab  swei  Jahrhunderte  kein  Krieff  oder  Aufttand 
die  Ruhe  des  Landes  gestört.  „Der  lange  Friede  heiCit  beeeich« 
nenderweise  diese  Periode  im  Volksmunde.  Das  mufste  vordlem 
der  materiellen  Kultur  zu  gute  kommen,  nnsere  Kenntnis  rler 
inneren  Zustände  Japans  ist  noeh  nieht  ausgedehnt  genug,  um 
dies  ganz  zu  würdigen,  aber  viele  Symptome  lassen  es  deutlich 
erkennen.  Die  Seidenkultur,  eine  Jer  wichtigsten  C^uellen  des 
Wohlstandee,  hat  erst  in  dieser  Zeit  sich  wirklich  entwickelt 
Nodi  an  Kflmpleni  Zeit,  Ende  des  17.  Jahrhunderts,  filhrt  Japan 
Rohseide  ein.  Ebenso  hat  die  Baumwollkultur  sich  erst  seit 
dieser  Zeit  ausgedehnt  PorzeUan  und  feine  Fayencen  sind  erst 


80 


seit  dem  17.  Jahrhundert  in  Japan  hergestellt  u.  8.  w.  Von 
dem,  was  wir  heute  an  der  japaniscben  Industrie  bewundern» 
gebt  nur  weniges  vor  1600  zurück.  Im  alkemeinen  darf  man 
aus  dem  sunebmenden  Luxus  wohl  auf  watfsenden  WoUslniid 

achliefsrn. 

Ebensowenig  Zweifel  kann  an  der  ^.'fmtigen  Weiterent- 
wickeluiig  sein.  Krst  seit  dieser  Zeit  dtirtti  n  «iie  Einwirkiinjscen 
der  chinesischen  ri)ilü.->ophie  und  ( ^elehrsiinikeit  lici  iiii  l  aU^eraein 
gewesen  sein.  \\  ie  lyeyasu  selbst  den  liucLdruck  I^Qiörderte, 
Manuskripte  sammelte  und  wobl  die  erste  grOfsere  Bibüodiek  in 
Japan  snsammenbracbte,  bat  uns  Satow  in  seinem  AufmtBe 
„History  of  Printing  in  Japan**  (Transactions  As.  Soc.  of 
Japan  X  48  ff.)  erzählt.  Über  die  Verfeinerung  der  Sprache 
dürfte  das  Urteil  eines  Kenners  wie  Ciianiberlain  ausschlaggebend 
sein  ri  ransactions  VIII  278)*.  Im  ganzen  ist  es  wohl  kaum 
übertrieben,  wenn  wir  sagen,  daf»  alle  h()here  Kuliur  .lapans 
ein  Erzeugnis  des  „langen  Friedens" ,  der  Jiegierung  der  Toku- 
gawa  ist*. 

Betrachten  wir  die  Verfiusung  Japans  unter  den  Tokugawa 
Im  ein^faien  etwas  nüher,  so  ist  suerst  die  Stellung  des  S  ho- 
guns  und  seiner  Regierung  (des  Bakufu)  sum  Mikadc» 

au  besprechen. 

Der  Kai.ser  ist  der  höchste  Herrscher  des  Landes,  der 
VeiTnittler  mit  dem  liinnnel®.  Aber  er  lebt  in  unnahbarer  Ab- 
geschlossenheit in  seinem  Palaste  in  Kyoto,  umgeben  von  seinem 
alten  Hofadel,  beaufsichtigt,  wenn  auch  in  den  ehrerbietigsten 
Formen,  von  den  Beamten  des  Shoguns,  unfithif  in  die  Oesimäfte 
des  Landes  einzugreifen,  abgeschnitten  vom  Verkehr  mit  den 
Fürsten  des  Landes.  Nicht  nur  wurden  genaue  Vorschriften  ftir 
die  Kuge  (Hofadligen)  erhissen,  sondern  sogar  Hir  den  Kaiser 
wnnh'n  in  der  oben  erwähnten  Abmachung  von  KU  4  Schnitt  imd 
Ir  arbe  der  Ocwänder,  ja  die  Bücher  festj^esetzt.  die  er  le.sen  6n\\e, 
damit  er  die  Lehren  der  alten  Weisen  kennen  lerne  und  so 
Frieden  und  Wohiiaiirt  des  lieiche»  bewahre. 

Wohl  ernannte  der  Kaiser  den  Shogun,  aber  das  war  rein 
formell.  £r  erteilte  Rang  und  Titel,  aber  auch  darin  war  er 


1  Dafs  (las  Volksthoatcr  mit  seiner  treti'liohen  bchauspielkumt  erst 
dieser  Zeit  eutstamtnt,  sei  uebeuher  erwähnt. 

Gegenüber  den  landläufigen  Ausoliaiiun^en  von  dem  Alter  japa- 
nischer Kultur  iat  es  nötig  di-'s  auBdräcklich  /u  betonen.  Die  Japaner 
haben  nicht  Jahrtausende  utili  gestanden,  eoodem  in  wenigen  Jalu-bun- 
derten  eine  eigenartige  hochstehende  Kultur  entwickelt 

"  j-Mifsr^it  die  Krnte,  so  liegt  das  darin,  dafs  die  Rc^Morun^  des 
Kaisers  den  Vorschriften  der  Weisen  nicht  entspricht,"  Testaiueut  dob 
lyevaau,  Art  Ö8  der  von  Hakatani  benutzten  Handschrift,  entsprechend 
89  bei  Kempermann,  90  bei  Rudorff. 


X  4. 


31 


von  den  Regulativen  «li^s  !liaknfu  abliilngig,  ftlr  Hof-  wie  Krie^s- 
adel.  Nicht  einmal  mit  Bitten  sr>llte  man  sich  an  den  IIot'wej]^*m 
höheren  K^tng:e.s  und  Titels  wemlrii'.  Dals  der  Mikado  gCNvis^e 
ceremonielie  Handlungen  vornahm,  z.  B.  Gesandte  zu  gewLsseu 
Festen  und  Tempeln  schickte,  hatte  keine  praktische  Bedeutung. 
Das  einzige,  was  er  ohne  Erlaubnis  thun  konnte,  war  abzudanken 
und  seinen  Nachfolger  z.u  bezeichnen,  wa.s  lyeyasii  aiLsdriicklich 
anerkannte,  als  er  1<)1U  h»  i  <\^-r  Abdankung  Go^Yoisei  Tenno.^ 
um  Rat  getragt  wurde,  Starb  der  Kaiser,  oTine  dafs  ein  Nach- 
fol2'rr  bestimmt  war,  sollte  die  Niflif^l.'^o  cbirfh  die  kaiserlichen 
Minister  in  ( Jemeinschat't  mit  dem  liakum  uebtimmt  werden. 

Die  Aufsicht  über  den  Hof  wurde  in  der  Weise  durchgeluiu  i, 
dals  gewisse  Hofbeamte  gleichzeitig  im  Dienste  des  Bakui'u 
standen^  nämlich  die  dem  Kwambakku  unterstehenden  Giso  und 
die  aus  diesen  entnommenen  Tenso.  Beide  Arten  von  Beamten 
erhielten  ihr  Gehalt  vom  Bakufu  und  die  Tenso  sehworen  sogar 
dem  Shogun  den  Treueid.  Die  aul'seren  Geschnüe  des  Hofes, 
Vermögensverwaltung,  Bewachung  u.  s.  w.  besort^ten  2  Beaint(; 
<les  Bakufu,  die  Kinritsuki,  die  dem  Shoshidai ,  dem  Statthalter 
des  Shoguns  in  Kyoto,  unterstanden  und  die  nötige  Kxekutiv- 
mannscliaft  zur  Verfügung  hatten. 

Dem  Unterhalt  des  kaiserlichen  Hofes  diente  die  Grund- 
steuer von  gewissen  Ländereien  in  der  Gegend  von  Kyoto,  welche 
als  direktes  Ejkiserland  galten,  im  ganzen  20<)0m  Koku  Reis,  wo- 
von nach  dem  citierten  Erlafs  von  l«»8t)  10  000  für  die  laufenden 
An-L'fiben  ausreichen  mulsten.  Dazu  kam  einf  kloinr  I 'innahme 
au  Gebühren  für  Titel-  und  Rfinj^v<TloiI)MTiL:<  u.  Auisseiunientliche 
Ausgaben,  für  Thronbesteigung,  Verniaiilung .  Beerdigung  des 
Kaisers,  Bauten  im  Palast  u.  dgl.,  trug  das  Bakufu.  Unter  üm- 
Btünden  wurden  auch  die  Daimyos  hierzu  herai^g«  zogen. 

Das  erwähnte  direkte  Ejiiserknd  verwaltete  ein  vom  Bakufu 
ernannter  Daikwan  in  derselben  Weise  wie  in  dem  Shogunge- 
biete  (siehe  unten). 

Ks  ist  I  if  hst  beachtenswert,  dafs  in  aller  dieser  Beschninkt- 
heit  der  Mikado  doch  seine  Stellung  w\t  fallen  äiilserlichen  Khren 
( [endest rauer  bei  seinem  Tode  u.  s.  u  .  i  überhaupt  behalten  hat. 
Daik  an  »eine  Beseitiguiig  gedacht  ist,  unterliegt  wohl  keinem 
Zweifel  Danuf  deutet  die  Annahme  gewisser  Ausdrücke  durch 
den  Shogon,  welche  nur  der  Mikado  brauchte  (z.  B.  des  Wortes 


'  Ho  lUr  den  Krie^sadel  die  „Adit/t-'lm  ^JcM^'t/««-  Art.  10.  V*;!.  einen 
Krlals  des  RliOf^uii8  an  ItakurH  JSuwoiH»kMnii  von  lr>;!<i,  VII  1:5:  „Dtn- knisor- 
licbe  Hof  ist  darauf  hiiizuweiscu,  dafs  er  Titel  und  Hang  an  den  Kriegs- 
adel nur  dorch  die  Binde  dee  Shoguns  verleihen  soU.*^  Vgl.  auch  einen 
Krlafs  des  Hakufu  von  !(»T4:  „Di  r  H<>f  soll  keine  P«*titinnon  vmm  Tempt  ln 


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32 


X  4. 


Chin  für  „Ich").  Später  wurde  das  wieder  aufgegeben.  Darauf 
deutet,  daft  die  Snogixne  sich  gelegendidi  KOnig  (O)  nennen 
liel'sen  (geschah  leit  dem  8.  Sbogune  nicht  mehr),  dafs  einzebe 
Scbriftsteller  anfingen  den  Mikado  „Kaiser  von  Yamashiro**  ^  ni 

nennen.  Zu  lyernitsii  (3.  Sho^am)  Zeit  soll  wirklich  erwogen 
sein,  den  Mikado  zu  beseitigen  und  ihn  zum  erblichen  Uber- 
priester der  Daijingu  in  Ise  zu  machen.  Der  Grund,  dais  solche 
(iedanken  zu  nichts  gefiihrt  haben,  ist  wohl  weniger  in  der 
ehrfurchtsvollen  Scheu  vor  der  Majestät  des  Mikado  zu  suchen 
als  darin,  dafs  die  kraftvollen  Grttnder  des  Staatsweaens  der 
Tokngawa  glaubten,  dalli  rie  den  Mikado  völlig  in  ihrer  Gewalt 
hätten  und  sich  des  ihm  noch  anhaftenden  Prestiges  fUr  ihre 
eigenen  Zwecke  bedienen  wollten.  Das  haben  jene  bedeutenden 
Männer  nicht  erwartet,  dafs  einst  schlaffe  Nachfolger  die  Gewsdt 
ihren  Iliiulcn  entsinken  und  die  Person  des  Kaisers  in  die 
Hände  temdlicher  AdcLslkktionen  fallen  lassen  könnten. 

Der  zweite  wichtige  Tunkt  ist  das  Verhältnis  desiSho- 
j;uns  au  den  Territorialherren,  dem  Eriegsadel  (Buke — 
im  Gegensata  au  Kuge,  Ho&del).  Wie  aebon  gesagt,  war  der 
Sbogun  ala  Bokher  das  Haupt  des  Eriegeadeb.  Die  Territorial- 
herren  wurden  gewöhnlich  Daimyos  genannt  („grofser  Name" 
cm  Name,  der  eigentlich  nur  den  gröfseren  unter  ihnen  zustand. 
\'or  lyeyasu  Zeit  wurden  nach  ihrer  Bedeutung  drei  Herren 
unterschieden:  die  Kokushu,  welche  mindestens  eine  ganze 
Provinz  beherrschten-,  die  li)^  oöhu,  die  anderen  Daimvos,  welche 
ein  Gebiet  yon  mehr  ab  100  000  Koku  (Ernteertrag)  hatten, 
und  die  Josbu,  SchlolsheiTen,  welche  eigentlich  nicht  Daimyo, 
sondern  Shomyo  („kleiner  Käme'')  hieiaen.  Diese  Unterschiede 
sind  aber  rechdich  kaum  von  Bedeutung  gewesen.  Die  Zahl 
aller  r>f\imvos  hat  in  der  Tokii2:awnzf')t  etwa  260 — 270  betragen, 
davon  wann  alx  r  die  meisten  nur  Scliiofsherren.  Nur  etwa  50 
hatten  ein  <  Tel)tet  von  100  000  Koku  und  darüber  (1862  nach 
der  Liste  von  l>ickson  53^).  Die  kleinsten  Gebiete  hatten  nur 
10  000  Koku  Ertrag  und  aolcber  Zwerggebiete  gab  es  1862  nicht 
weniger  ala  48  und  etwa  120  weitere  natten  noch  nicht  50000 
Koku,  80  dafs  ungefidu*  100  Tenritorialherren  von  einiger  Be- 
deutung bleiben. 

Reelitlich  wie  politisch  wichtif^  ist  ein  anderer  Unterschied 
unter  den  Landesherren,  welchen  Ijeyasu  teststellte.  Der  Shogun 
war  als  solcher  das  Haupt  aller  Daimvos.  aber  von  diesen  waren 
eine  Anzahl  aufserdem  Vasallen  des  Tokugawa  1  lauscs.  waren 
die,  welche  lyeyasu  beim  letzten  Entscheidungskampfe  als  ihren 

'  Yaroashiro  ist  die  kleine  Provinz,  in  welcher  Kyoto  liog^t 
*  Seit  wann  die  Lohnsflirsten  diesen  Titel  der  alten  kaiserlichen 
Statthalter  annahmen,  ist  nicht  klar.   Jedentalls  erst,  uachUem  während 
der  Athlkagaseit  das  alte  Amt  m  Grunde  gegangen  ist,  vgl.  oben  &  24. 

Wi  Tin  man  den  offenbaren  Dradrfebler  llOOO  Statt  110000  beim 
Daimjo  von  äakura  berücksichtigt. 


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X  4.  SS 

Führer  anerkannt  hatten.  Sie  hielsen  Fudai.  Alle  anderen 
Landesherren  bleiben  Tozama.  Die  huhen  Amter  im  BakiUu 
wurden  auatohlierdieh  mit  IVidat-Daimyoe  beietet  Füdiii 
waren  saUrdoher  alt  die  Tosania,  das  nidit  direkt  unter  dem 
Bakufu  stehende  Landesgebiet  war  a1>er  ziemlich  zu  gleichen 
Trilrn  auf  beide  Arten  von  Daimyos  verteilt.  Nach  iJicksons 
Liste  kommen  nnt  Ii  P)'  rflck>i('htipir.i^  einiger  Druckfehler  18G2 
anf  die  IGO  Fudai  r[\n<\  'J  tnuijou  Koku ,  aüf  die  100  Tn7?iTiia 
ruiiil  '^300  000  Koku.  Vun  den  Fudai  waren  23  nicht  nur 
Vasallen,  sondern  aucii  Mitglieder  des  Tokugawa- Hauses  (Kamon) 
und  unter  diesen  nehmen  drei  wieder  eine  besondere  Stellang 
ein  und  werden  gewöhnlich  nicht  mit  unter  die  Fudai,  sondern 
als  Gosanke  filr  sich  ;^'erechnet.  Es  sind  die  Fairsten  von  Owari, 
Kü  und  A[ito.  von  drei  Söhnen  des  Xjejasu  abstammend  \  Beim 
Ans^ii  i  Im  n  d^^r  TT'tnptlinic  des  Hauses  sMltf  aus  den  erstgenannten 
U  i'lt  11  Hiiusem  der  Tinrr«  Shogun  2T»Tiüiimien  wrrd^n,  während 
düi  Fun^t  von  Mito  als  Vice  (Fukuj  -Shogun  (Ui  ständige  Rit- 
geber  und  \'ertreter  des  Shoguns  sein  sollte,  als  solcher  auch 
ttst  unnntarbrocben  in  Yedo  residierte.  B!s  ist  vielleicht  dieser 
Stellung  des  Hauses  Mito  sussuschrdben ,  dafs  zwischen  dem 
Shogun  und  seinen  Verwandten  von  ^lito  fast  immer  eine  ge- 
wisse  Spannung  bestanden  hat.  Zum  Sturze  der  Tokugawa- 
Herrschaft  hat  keine  Familie  so  beigrtmppn  als  die  von  Mito. 
Als  mit  lyetsugu,  dem  siebenten  Shonin;  an-  dem  Hause  Toku- 
gawa, die  Hünptlinie  ausstarb,  shul  ihm  öicb<-ii  weitere  »Shogune 
aus  dem  Üauoe  Kii  gefolgt.  DtT  15.  (letzte)  Shogun  war  aus 
dem  Hiause  Mito,  war  aber  von  dem  gleich  au  ^wähnenden 
Fkinaen  von  Hitotsubashi  adoptiert.  Die  Go-san-ke  werden 
übrigens  unter  dem  Namen  Go-ichi-inon  auch  zusanimengefarst 
mit  drei  anderen  Linien  des  Hauses  Tokugawa,  welche  keine 
Lnndrslii  ri si'haften  hatten,  den  Go-san  kyo;  den  Prinzen  von 
Hitotsub^ishi,  von  Tayasu  und  von  Shimizu. 

Das  Prinzip  der  Machtverteilung,  nuf  weleliesj  ^^ich  dio  Herr- 
schaft der  Tokugawa  stützte,  ist  also  klar  erK«  iHulich.  \  uii  dem 
Reichsgebiet  war  mehr  als  ein  Drittel  der  Kokudaka  nneh  direkte» 
Henfsciaftsgebiet  der  Shogune.  Von  dem  Ecst  kam  die  Hälfte 
auf  Verwandte  und  VasaUen  des  Tokugawa-Hauses'.  Solange 
dies  Haus  in  sich  einig  dastand,  hatte  also  selbst  eine  Vereinigung 
der  Dairnyos  wenig  Aussicht  auf  Erfolg.  Dals  aber  auch  eine 
solche  A'ereinigung  nicht  stattfinden  konnte,  wurde  einerseits 
durch  die  terräoriale  Verteilung  der  Landesherrschaften ,  ander- 


>  Aneh  die  FBnten  von  Eehixen,  gl^ehfidlt  von  «bem  Sohne  des 

lyerjraau  stammend,  wtirden  regelmafsic  nicht  mit  mitor  die  Ftidai  ge- 
rechnet Ebenso  die  von  Aizu  (von  Hidetada  stammend).  Eb  bleilMni 
also  18  Kamon  nnd  137  Fodai  übrig.  (Nach  der  von  Diekion  mit» 
geleilten  Liste  von  1862.) 

'  IMvon  wieder  ein  Drittel  anf  Verwandte,  zwei  Drittel  auf  Vasallen. 

Forschtuig«li  (45)  X  4.  —  BAtbg«ii.  3 


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X  4. 


seits  durch  eine  Reihe  von  Vorschriften  für  die  Daimvos  erstrebt, 
welche  von  kraftvoller  Hand  durchgeführt  jeden  Versuch  des 
Wideratandes  unmöglich  machen  muifiten*. 


*  Zum  Verständnis  der  Machtverteilung  wj«-  der  politisclicn  \'or- 
g&nge  gegen  Ende  der  Tokuf^awaherrschaft  dürfte  es  nicht  ilbei-tiüdsig 
sein,  die  wiclitigsten  Lundeäherrschaften  mit  ihrer  Kokudaka  und  den 
regierenden  Familien  aufsnaihlen.  Ei  aind  mm  Bsde  der  Tokngawa- 
bemcbaft  nach  der  GhTöfae  geoidnet: 


Kaga 

Satsuma 

Sendu 

Owaxi 

Kii 

Hiffp 

CUknieD 

Aki 

Choshu 

Hi/.oii 

Mito 

Omi 

Inaba 

Tau 

Echizen 
Biaen 


.Xosa. 
Aisn* 

Chikugo 

AkiU 

Morioka 


1 022  700  Koka,  FunOie  Maeda, 

770  800  -  -  S.ymazu,  Shoxi  no  Daibn, 

62Ö600  -  -  Date, 

619500  •  '  Tokugaw«, 

555000  -  -  Tokugawa, 

540000  -  -  Hosokawa, 

520000  •  Kvroda, 

426  000  •  -  Aeano, 

369  000  •  •  Mori.  Daizen  no  Daibu, 

:i57  000  -  -  NaBeehima, 

HoOOOO  -  -  Tokugawa, 

H50  000  •  -  Ii,  Kamen  no  Kand, 

325000  -  -  Ikeda, 

823900  •  •  Tode, 

:V21MKM)  -  •  Matsudaiia, 

315200  -  •  Ikeda, 

257900  •  HaehiMika, 

242000  -  -  Yamanouclii. 

2^0  000  -  -  HatMidaira  (Uo«hma), 

210  00(J  -  -  Arima, 

'205800  -  -  Satake  (luaprOngUch  in  IfitoX 

200000  •  -  Nambo. 


Bei  dieser  Gelegenheit  möge  die  Einschiebung  einiger  kritischer 
Bemerkungen  über  die  Zahl  der  Daimyos  gestattet  sein.  Durcli  Er- 
richtung von  Zweigiiuien,  durch  Aussterben  solcher  Linien,  durch  andere 
Verteilung  der  Geniete  der  Fürsten  haben  rieb  die  Zahlen  von  Zeit  m 
Zeit  ein  wenig  geJindert.  Doch  haben  sie  im  ganzen  nur  wenig  ge- 
schwankt Gubbins  giebt  für  das  17.  Jahrhundert  die  Zahl  4^  (a.  a.  O. 
▼erdrackt  in  292),  ein  in  meinem  Beaits  befindliches  „Staatobandbaeh'' 
(Bukan)  von  l^ör»  giebt  267,  eins  von  lsr,7  hat  27.?,  du  von  Dickaon 
Ub^^tzte  von  isti'j  bat  2()6,  eines  von  lö71  (unmittelbar  vor  Auf  hebong 
der  Territorialherrschaften,  von  den  anderen  natnigemMfs  sehr  abweichen^ 
meines  Wissens  das  letzte  erschienene)  hat  2HI.  Nach  Rein  (I  369) 
hätte  eine  Liste  von  l>«i2  2")*).  Wenn  wirklich  eine  solche  Liste  vor- 
handen ist,  so  ist  sie  iedeufalls  unbrauchbar,  was  schon  aus  der  Zahl  von 
96  Koknshudaimyos  hervorgeht,  die  sich  dort  finden  soU.  Die  Usten 
stimmen  insofern  nicht  übereiii,  als  einige  Daimvos  in  manchen  Listen 
fehlen,  in  anderen  enthalten  sind.  Ks  sind  das  die  Fuyo  oder  Fuzoku- 
Daimvos,  einige  kleine  Landedierren,  welehe  in  einem  AbliKngigkeits> 
Verhältnis  zu  den  profsen  LandesfUrstcn  standen.  Ebenso  ist  die  Ein- 
teilung in  ilen  vcrbchiedeuen  Listen  etwas  abweichend,  namentlich  wer 
als  Kokushu-Daini)  o  gerechnet  wird  nnd  wer  nicht.  Das  ist  weiter  nicht 
merkwürdig,  da  diese  Venrzeichnissc  (liukau)  nicht  etwa  amtliehe  8tasla> 
handblicher  sind .  wie  einige  Schriftsteller  anzunehmen  ?cheinen,  sondern 
private  Veröft'entlichungen,  wie  schon  die  aufserst  ehrlurchtsvoUen  Aua- 
dri&eke  (On-Daimyo,  Go-Fudai  u.  s.  w.)  hätten  zeigen  solleo.  Diese  nüüi- 
lieben  kleinen  Bächer  geben  Namen  und  Titel  jedes  Daimyos,  sefai  Alter, 


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85 


Die  Daimyos  regierten  innerlmlb  ihrer  Gebiete  unter 
aUgemeiner  Obemufsicht  des  liakufu,  welches  gegen  Mil'sregierung 
einschritt.    Die  Daimyoö  luitten  die  Ge6ctzgebuDgä>  und  die 

sein  AVappeu,  seine  Feldzeichen  (d.  h.  die  Form  der  über  die  Speerspitxen 
gestülpten  Hüllen  aus  H0I2,  Federn,  Tuch),  die  Kokudaka.  die  Kntff  nmng 
seiner  öchlorastadt  von  ^'edo,  seine  Residenz  in  Ycdo,  deu  Tribut  an  den 
Shogun  u.  8.  "w.  an.  Sie  enthalten  fenier  die  Besetzung  der  hohen  Ämter  im 
Baknfn  und  ähnllchp  Notizen.  Die  von  Dickson  übersetzte  Liste  giebt 
die  3  Gosanke,  18  Kokushu  (die  von  üein  I  371  angeführten;,  ^  To- 
aama,  18  Kamen  «od  137  andere  IVtchd.  Die  meisten  Onkan  der  spfttercai 
Tokugawazeit  geben  aber  21  Kokushu,  indem  sie  d*  n  Fiidai  Todo  von 
Tbu  und  die  Kamon  von  Tsuyama  (100000  Koka)  und  Izumo(Matäue  — 
186  000  Koku)  zu  den  Kokushu  zählen.   Die  21  Kokushu  sind  1.  die  8 

frofsen  Kokushu,  die  Fürsten  von  Kaga,  Satsuma  und  Sendai,  2.  die  14 
leineron  Kokn«hu,  die  Fürsten  von  Higo,  Chikuzen,  Chikugo.  Hizen, 
Chosiiu,  Aki,  iiizen,  Inaba^  Awa,  Tosa,  Tsu,  Yonezawa  (loUüiX)  Koku). 
Namba  nnd  Aktta,  3.  die  vier  neuen  oder  uneigentlicben  (jun)  Kokushu, 
Tsuynma,  Izumn,  Krhizon  tinr!  Aizu.  Die  Jun-Kokn^Vm  Binrl  snnitlich 
Verwandte  des  Tokugawa-iiauses  und  sind  alle  erst  nach  der  Kou^oli- 
dieranff  des  Sbognnats  dai«h  die  Eroberung  von  Osaka  (1615)  gegründet 
(nämlicl)  in  der  angpcebencn  Reihenfolge  IHIK»,  16."l^,  102:1,  UWAl  während 
alle  anderen  Hcrrscltafteu  vorher  begründet  sind,  iilinige  rechnen  auch 
iSo  von  Tsushima  (100  000  Koku)  zu  den  Kokushu. 

Über  die  Zanl  der  Oaimyos  nach  jetziger  amtlicher  Anschauung 
giebt  die  Reorganisation  des  Adels  (  l^^'  i,  Juni)  ATif^elilufs.  Aus  der 
Liste  von  van  de  Polder,  La  Pairie  Japonaise.  Yokoliama  1885,  ergiebt 
sieb,  dafs  als  zum  Adel  gehörig  anerkannt  sind:  196  Hofadlige  und  283 
vom  Kriegsadel.  Von  Irfzteren  aind  aber  abzusetzen,  um  dif  Z;ihl 
der  Daimyos  zu  erhalten,  nämUch  das  Haupt  der  Tokugawa-FamiÜe  (jetzt 
Fürst  KoX  ein  Sbimazn  von  Satsoma,  davon  dieser  ftouie  «wrf  m  Flinten 
gemacht  wurden,  der  ehemalige  „König"  von  Ryukyu,  jetzt  Man|uis  (Ko) 
Sliotai,  die  drei  Tokugawa-Prinzen  Hitotsubashi,  Tayjiau  und  Shimizu 
(jetzt  Grafen,  Haku)  und  7  Barone  (Dan),  welche  von  ihren  Familien  erst 
seit  der  Reatanration  abgezweigt  sind.  Es  bleiben  also  270  als  adlig 
anerkannte  ehemalige  Daimyo-Geschlrf^hter,  welche  1884  noch  bestanden. 
Das  stimmt  mit  den  von  mir  durchgezählten  Bukans  (267  und  27:1)  im 
wesentlichen. 

Die  Kokudaka  f  Jt  r  :;e8chätzte  Ernteertrag  jedes  Gebietes)  nach  der 
Diclcsonschen  Liste  siebt  rund  1670UUUO  Koku  für  alle  Daim^ate  nach 
Bevicbtiguiig  einiger  Drack-  oder  Lmefebler;  der  seblinunste  ist  bei  den 
Date  von  Sendai,  wo  325  600  statt  625600  Koku  steht.  Diesen  Fehler 
h.it  Rein  bereits  verbespsert.  Die  übrigen  Fehler  schleppen  sieh  aber  seit 
Dicköouß  iiuch  weiter,  sind  jedoch  meiist  nicht  von  grofser  ikdeutung. 
ErwfthBcnswcrt  ist  nur  Satsuma,  wo  es  770000  sUtt  710000  Koku 
heifsen  murs,  ferner  Hotta  (Sakura)  mit  110h<m\  uicht  1!  üOO  und 
Okobo  (Odawara)  nüt  113000,  nicht  153000.  Zu  der  oben  mitgeteilten 
Kokndaka  aller  Fütsten  ndt  mehr  als  200000  Koku  ist  ni  bemerken, 
dar?  die  Angabe«  fiir  dir'  Mncfln  Vi^n  Kaga  etwri-  Ir.v mkcn.  docli  ist 
die  durch  fast  alle  europäischen  Bücher  sich  schleppende  Dicksonsche 
Zahl  1027000  wohl  verlesen  oder  verdniekt  ftir  1022700,  wie  die 
von  mir  selbst  eingesehenen  Bukan  übereinstimmend  haben.  Dieselbe 
Zahl  hat  Satnwr  und  Hawes'  Handbook  for  Truvcllri^  in  Central  and 
Northern  Japan  2.  ed.  S.  300.  Dieses  Buch  ist  überhaupt  eine  wahre 
Fundgrube  wertvoller  und  zuverlässiger  historischer  Notizen. 

Was  Rudorfl'  in  seinem  Anf-afz  ,Ti.l itapflege  unter  den  Tokugawa", 
Mitteilungen  der  Deutscheu  lieeellachatt  u.  s.  w.  IV  381,  über  die 
Daimyoe  sagt^  ist  wenig  förderlieh.  Die  Hast,  andere  m  kritisieren,  fShrt 
ihn  selbst  in  IrrtUiaer,  wenn  er  8.  B.  in  Beins  (gere6bter  wftre  gewesen, 

3* 


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86 


X  4. 


Jiuticgewalti  die  HÜitKr-  und  Gml^erwaltung  ibrer  Gebiete. 
Ihre  allgemeineo  Pflichten  gegen  die  Centraw^erung  wurden 
in  den  so^nannten  Bukeehohatto ,  Ordnungen  des  Kriegs- 
adok,  von  Sl>n<riin  ft^s^estellt  V   wie  sie  schon  von  Yoti- 

toxno»  Minister  Uye  Hir^inoto  erlä.Hsen  sein  sollen. 

Vor  allem  wurde  ihnen  der  Vorkehr  mit  dem  Auslände, 
ebeuiio  Privattehden,  Verschwörungen,  der  liau  von  Burgeu 
u.  8.  w.  yerboten.  EheieUiefiHuig  luid  Ad<^<m  wv  an  Qoieh- 
n^gu^g  gebunden.  Sie  durften  Tefle  ibree  Gebietee  an  ihre 
eigenen  Vasallen,  aber  nie  an  andere  Daimyos  au  Lehen  geben. 
Die  eigenartigste  Mafsregely  die  Daimyos  in  Gehorsam  m  halten, 


Dickflon  tn  nennen)  AnfssiUtluog  der  Kokashn^Dafanyos  die  von  GubUns 

genannten  Mito  und  Oshu,  (lage;j;eu  bei  Gubbins  Satake  und  Matsudaira  von 
Äizu  vennirst     Gubbins  Anpabon  beziehen  sich  auf  den  Anfang  der  Toku- 

Siwaherrschaft.  Damals  salben  die  Satake  in  Mito.  Ah  lyeyasu  diese 
onsehaft  einem  seiner  S^hne  gab.  erhielten  die  Satake  eine  Rokoshu- 
Herrschaft  in  Dewn,  <\cin  heutigen  Akitaken.  Ouliu  und  Aizn  !«it  »»her 
einfach  dieselbe  lierrscltaft.  Diese  hat  übriffeos  in  der  Tokugawazeit 
den  Daimjro  gewediaelt.  Anfangs  M  dort  die  Fsaailie  Kato  mit  400000 
Koku  l>i<'Po  wunle  aber  abgesetzt  und  die  verkleinerte  Ilrnvcliuft  von 
23UIK>U  Koku  erhielt  die  mit  den  Tokugmwa  Terwandte  Familie  üoshina, 
die  sich  auch  Matsudaira  nennt. 

i^her  die  Titulatur  der  Daimyos  siehe  die  klare  Auseimmdenetzong 
von  (rubbios  a.  a.  O.  I  Iber  die  Gröfse  der  Rokndaka,  d.  h.  des  in  Koku 
Kcis  Keschätzteu  Geaamternteertrages  des  Landes,  nach  welchem  die 
öffentlichen  Lasten  bemessen  waren,  sei  hier  noch  bemerkt,  dafs  die  üb- 
liche Angabe  von  gut  2^  Millionen  Koku  (davon  20  Milünnrn  für  die 
Daim^or,  6  Millionen  dir  den  Shoguu)  mit  den  wirklich  b^laubigten 
Zahlen  rar  die  ältere  Zeit  ganz  und  gar  nicht  stimmt.  Nach  den  mir 
von  Prof.  Sbigeno  gütifist  gemachten  Mitteilungen  sind  wirklich  gut  be- 

Cdet  nur  vier  Zahlen,  niimlich  fUr  150^^  185707^0  Koku  (nach  anderer 
le  18009  04;^).  Dabei  fehlen  Iki  und  Tsushima.  Um  1690  waren  es 
25910074  Koku.  Es  fehlt  Tsushima.  1750  waren  es  25786895  Koku. 
Es  fehlt  Matt<umae  (Yezo)  und  Tsub])ima.  FTulHch  18:^2  305.')8917  Koku. 
Diese  Zahl  umfafst  sanz  Japan  eiuscblierslich  Kjukyu.  Ziehen  wir  toq 
letsterer  Zabl  die  18700000  Sokn  der  Dsinajale  sb«  so  bleiben  etwa 
ll^nenitO  Koku  für  die  an  den  Kai.ser  steuernden  Gelirtr,  die  Tempel- 
£Üter  und  die  Üesitzungen  des  »Shoguns.  Letztere  hätten  also  10 — 11 
Millionen  Koku  betragen,  wovon  aber  ein  Teil  an  die  gröfseren  Hata- 
moto  zu  Lehen  ausgethan  war.  Nach  dem  amtlichen  Bericht  über  die 
Grandsteuerreform  h&tte  die  Kokudaka  :>,0  l;i5206  Koku  betragen. 

Als  die  Feudaieinrichtungen  1871  abgeschatlt  wurden,  betrug  die  Koku- 
daka nach  dnem  Bericht  des  Finanzministers  Okuma  mnd  82905000  Koku. 

*  Siehe  d'w^r  in  Rudorff,  Tokugawa-Ge8Ct2sammluiTg,  wn  nbrr 
der  eiste  rudimentäre  Ansatz  zu  diesen  Ordnungen  fehlt  ich  lasse  ihn 
anr  VervoUstftndigung  hier  folgen: 

1.  Alle  von  den  verschiedenen  Shogunen  seit  der  Zeit  des  Udaisho 
(Yoritomo)  erUssenen  Gesetze  sollen  befolgt  werden.  Auch  die 
von  der  Ke^erung  geänderten  und  neu  erlassenen. 

2.  Ihr  sollt  niemandem,  der  die  Qesetzc  verletzt  oder  die  Befehle 
des  Shoguns  mifsachtet,  in  eurem  Gebiet  Zuflucht  crnwnhren. 

3.  Ihr  sollt  keinen,  der  des  Aufruhrs  oder  Mordes  beschuldigt  ist,  in 
eurem  Dienste  bebalteii. 

Wird  eine  dieser  Vorfichriften  verletzt,  so  soll  die  Sache  antST- 
sucht  und  streng  bestraft  werden.   1610.  12.  des  4.  Monats. 


X  4. 


87 


war  das  Sankinkotai,  die  Ejnrichtung,  dafs  die  Fürsten  ab- 
wecbaelnd  ein  Jahr  um  das  andere  in  Yedo  und  in  ihren  Pro- 
vinzen residieren,  und  in  Zusammenhang  damit,  dafs  ihre  Frauen 
und  Kinder  dauernd  in  Yedo  wohnen  mul'sten.  Die  Kosten  des 
Hin-  und  Herziehens  und  der  Hot'haltuiigen  in  ^'edo  war<'n 
eine  der  schwersten  l-^sten,  welclio  auf  den  Daiuiyos  ruliten 
und  ein  Hauptgrund  für  ihre  ewige  Finanznot*.  Zur  Zeit  des 
aflÜBil  SliognnB  (Yoshimone  1717—1745)  wurde  auf  kurse  Zeit 
^  Beridensnffidit  in  Yedo  ennftCsigt  gegen  eine  Steuer  von 
ein  Prozent  der  Kokudaka.  Aushoben  wurde  sie  erst  in  den 
Zeiten  des  Vertalls  der  Tokugawa-Macht. 

Von  sonstigen  Leistunj^en  clor  Daimyos  ist  zu  erwähnen 
vor  allem  die  Stellung  von  Tvn])\)vn  im  Falle  eines  Auff^ebotes, 
deren  Zahl  auf  Grund  der  Kokudaka  in  einer  Matrikel  von 
1632.  H.  17  festgestellt  war.  Beispielsw  eiöe  hatte  ein  Dainiyo 
Ton  10000  Koku  zu  stellen  10  Reiter,  80  Speertrftger,  10  B^n- 
aohütBen,,20  Bttcfaaenaohtttzen;  ein  Daimjo  von  100000  £>ku 
Btafile  170  Reiter,  150  Spe^träger,  60  Bogenachfitsen ,  850 
Bfkcbsenacbtltzen  u.  s.  w.^.  Die  DairnjOB  hatten  femer  den 
regelmäfsigen  Wachdienst  in  Yedo  und  an  anderen  wichtigen 
Punkten  zu  versehen.  Weiter  mufsten  sie  re^^  hnälsit^r,.,!  Trihut 
zahlen  bei  der  Ankunft  in  ^  edo,  zu  bestimuUen  J^'esten  und 
alluionatlieli.  Der  Tribut  beüUind  teils  in  Geld,  teils  in  der 
Jahreszeit  entsprechenden  Produkten  ihres  Gebiets,  Fiscben,  Seide, 
QewllaünfiiMl  Stoffen,  Pferden  u.  a.  w.  DafUr  erhielten  sie  bei 

Sewiasett  Geiegenbeiten  GegoDtteachenke  des  Shoguna*.  Aucb 
en  hohen  Beamten  dea  Bakura  waren  regeknäfsige  genau  fest- 
stehende Geschenke  zu  machen,  ebenso  gewissen  Tempeln  (z,  B, 
den  Grabtempcln  in  Nikko,  dem  Confuciustenipel  von  Seido  in 
Yedo).  Dazu  kamen  Geschenke  bei  aulserordentliehcn  (!el<'<;cn- 
heiten,  bei  der  Kinsetzunp^  eines  neuen  Slio^uns,  l)ei  seiner  Hoch- 
zeit u.  8.  w. ,  oft  auch  ohne  iiulseren  Ankfä,  nur  um  sich  sein 
Wohlwollen  au  sichern.  Dafür  erhielten  die  Daimyoa  allerdings 
bei  besonderen  ündtlekifilllen  auch  Untersttttsungen  vom  Shogun. 

Fürsten,  welche  wegen  Mifsregierung  oder  Ungehorsam  ge- 
straft werden  sollten,  wiu*den  gelegenth(  Ii  besondere  Dienste  auf- 
edogt,  Kanal-  und  Featungsbiuiten  oder  dei^gl.^. 

>  Über  die  Höfe  der  Fürst  en  in  Yedo,  die  sogenannten  Yaähikis, 
und  die  über  deren  Ban  o.  s.  w.  erlassenen  minutiösen  Vorschriften  siehe 
den  hühächen  Aufsatz  von  Mc(^Iatchie,  The  Feudal  Msnsioiti  of  Yedo, 
Tnuuacüona  As.  Soc  of  J.  Vll  157  ff. 

*  8.  Yoshida  selBt  (a.  a.  O.  8.  HS)  das  Datom  der  Matrikel  auf 
1649.  Offenbar  handelt  es  eich  am  eine  Wiederholung,  vielleicht  Erwei- 
tamtfc  des  Gesetzes  von 

*  Über  diese  genau  festgestellten  gegeuscitiKeu  Leistungen  und 
Verpflichtungen,  auch  über  den  Wach-  nnd  Feoeimenst  in  Yedo  u.  s.  w. 
gjAea  die  Bukan  Aufschlufs. 

*  So,  am  ein  paar  aans  bekannte  Beupiele  zu  neoneu,  die  Her- 
staUong  des  tiefen  DnmnSelieB  nriaohen  YoshiBia  und  Sorogadai  in 
If^iß^ßltSß^If'^^i'ß''^  des  Forts  in  Kaaagawa. 


S8 


X  4. 


Mehr  den  Charakter  von  Ehrenleistungen  hatte  es,  wenn 
einzeluen  Daimyos  besondere  Pflichten  oblapren.  So  hatte  der 
Fürst  von  Tsushima  (Soj  die  Beziehungm  zu  I\ore;t  /.ii  unter- 
halt!  n ,  öf'it  man  der  Kosten  wegeu  die  koreanischen  Gt-sindi- 
scliatteu  nicht  mehr  nach  Yedo  kommen  lieis.  Er  erhielt  daliir 
eine  Dotation  von  12000  Rjo. 

Die  Einnahmen  der  Daimyoe  bestanden  aus  derGhnind- 
■teuer,  neben  welcher  aUerlei  Gewerbesteuern,  Gebühren,  Ein- 
nahmen von  Waid-,  Berg-  und  Heideland  u.  dergl.  keine  grofae 
Rolle  spielten.  Wichtig  waren  die  wirtschaftlichen  Unterneh- 
nmuLren  der  Daimvos  Solche  wurden  weniger  direkt  von  der 
Regierung  beirieben  als  von  ihr  durcli  Privilegien  (Monopol.') 
und  Darlehen  unterstutzt.  Die  Vorschüsse  wurden  in  den  l^ro- 
dukten  zurückgezahlt^  oft  auch  der  Vertrieb  der  Produkte  tiber- 
himpt  durob  das  Handebamt  (Kokusan  kata)  der  Daimyos  über 
nommen.  Jeder  Daimyo  hatte  in  Osaka  einen  Agenten  (Gojo* 
tatsu),  weloher  den  Verkauf  des  Steuer-Reises  und  der  Landespro- 
dukte, sowie  den  Einkauf  der  Produkte  anderer  Gegenden  für 
den  riaimyo,  seine  Geldgeschjifte  u  a.  w  besorgtet  Belc finine 
Beispiele  aurch  Unterstützung  der  Landesherrschaf):  geschatiener 
Industneen  sind  z.  B.  die  Kerzenfabrikation  in  Aizu,  die  Baum- 
wollweberei in  Uarima,  die  Papierindustrie  in  Tosa  u.  s.  w. 

Neben  diesen  «ndentiicben  Annahmen  wurden  auDserordentlicke 
flüssig  gemacht,  abgesehen  von  den  erwähnten  Unterstütsungen 
durch  den  Shogun,  so  namentlich  das  Goyokin,  eine  Art  Vermögens- 
steuer zur  Deckung  aufserordentlicher  Bedüriiiisse,  welche  mehrfjich 
der  Anlals  zu  Bauemaufstiinden  frcwesen  ist.  Anleihen  waren 
nicht  selten,  teils  bei  Kaufh  uti  n  ,  iianicntHrh  in  Osaka,  teils  bei 
Tempeln,  unter  Unisuuidcn  auch  beim  Bakufu,  gegen  Verpfän- 
dung von  Gebietsteilen.  Eine  eigene  Form  war  der  Verkauf 
iron  Seisreoten,  welche  mit  gewissen  Eäirenreohteo  (Schwerttiagen, 
Fuhren  eines  Familiennamens  —  Bauern  und  Kaufleute  hatten 
gewöhnlich  keinen  Familiennamen  —  und  dergl.)  verbunden 
waren.  Schuldenmachen  durch  Ausgabe  von  Papiergeld  war 
wohl  bekannt^'.  7m  Anfang'  des  »ehtzehnten  Jahrhunderts  war 
bereits  das  japanische  (ieldweseii  dun  h  übermälsige  Papierans- 
gabe  arg  gestört,  so  dafs  der  0  Shogun  (lyenobu  1700  —1713; 
alles  Papiergeld  verbot.  Seit  1730  wurde  es  wieder  zugelassen, 
war  aber  mnnea  15—25  Jahren  wieder  emsn^eben.  G^gen 
Ende  des  Bakufu  nehm  es  gana  überhand.  Beim  Zusammen- 


*  Anefa  die  Anftiwe  des  Wechselverkehn  in  Ja])Hu  ttamiDeii  aus 

dem  Gcschäfltsbetriebe  (uescr  Agenten,  die  angesehene  Kaufleute  waren. 

Kein  Tapierpeld  Äw\  ait?  gcpi'ii  IVponioning  von  Edelmetall 
oder  Reis  ausge;.;('benc'n  Noten.  Duucbfii  komuien  auch  einfache  An- 
weisungen aufHeis,  Fi-*cli  u.  dpi.  vor,  wie  sie  auch  heute  im  japanischeo 
Geschäftsverkohr  üblich  sind.  Papiergeld  soll  nacli  rh?n«'«it;r!irm  Muster 
zuerst  von  Godaigo  Tenuo  um  13ii3  ausgegeben  sein.  Daü  liakutu  selbst 
hat  nie  I^piergeld  ausgegeben. 


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X  4. 


39 


brnob  des  alten  B^me  scbätsle  man  die  umlaufende  Noten- 
menge  auf  etwa  30  Millionen  Ryo,  welche  von  224  verschiedenen 

Landesherren  ausgegeben  waren  (darunter  14  Hatamoto).  Im 
Jahre  1871  sind  noch  etwa  fUr  25  Millionen  Yen  solcher  Terri- 
torialzettel festgestellt  worden.  Auf  der  gleichen  Stufe  wie 
Papiergeld  stehen  die  eisernen  Münzen  der  B  urüteii  vun  Sendai'. 
All  solches  Kreditgeld  sollte  nur  in  dem  Gebiet  des  betreffenden 
TtsiriUii'ialherpen  umlaufen. 

üm  den  ünterschied  der  Stellnn^^  der  Daimyos  unter  den 
Tokugawa  gegen  die  in  der  24eit  vor  llideyoahi  und  gegen  die  der 
Landesherren  im  spliteren  deutschen  Reiche  richtig  zu  erkennen, 
ist  endlich  einer  sehr  eigenttindichen  Mafsregel  zu  gedenken, 
des  Kunigriy»-*  nrler  G  pV>i  <  tstausches.  In  Japa-i  wir«  in 
Europa  wurd"  ilmch  FeloiHu  das  Lohen  verwirkt.  Hei  gerinu«  tfii 
Vergehen  uucr  Mil'swirtschaft  aber  kannte  das  japanische  iiecht 
eine  Art  Strafversetzu^.  Der  zu  bestrafende  Daimyo  erhielt 
eine  unbedeutendere  Hemchaft.  Irgend  ein  anderer  FfUrst 
eriiieit  mr  Belohnung  einen  so  verfö^bar  gewordenen  Zuwachs 
Bu  aeinem  Gebiet.  Bei  den  Fudai-Daimyos  kam  die  Wrsetzung 
auch  aus  rein  politiechea  Giünden  vor,  um  den  Territorialhemi 
mit  seinf>Tn  Mrliit  t  nu  ht  zu  sehr  verwachsen  zu  lassop  Da 
eine  Vorset/ uti^c  ii;iittii;  noch  weitere  VerscliiebnnL'-^'n  nötig  machte, 
war  eb  Jedeöiual  «iu  auch  für  die  Unterthanen  hoelist  lästiges  Ver- 
fahren^. Nichts  aber  ist  so  geeignet  als  diese  Einrichtung,  um 
klar  an  machen,  daJs  in  der  Tokugawazeit  die  Fürsten  in  Ik- 
sog  auf  ibr  mbiet  nichts  anderes  waren  als  Statthalter 
mti^aehr  weitgehenden  Befugnissen. 

War  durch  die  centrahstische  Bewegung  seit  dem  Fiul'  des 
16.  Jahrhunderts  die  territoriale  Grundlage  des  Lehensverbandes 


^  Ein  eigentümliches  üeldäurrogat  waren  auch  eine  Art  Zäblmarken 
statt  dss  unhandlichen  Kupfergeldes,  welche  hei  Zahlungen  benutzt  und 
an  den  Kassen  gegen  die  entqwechende  Zahl  Kapfenntlaxen,  s.  fi.  100 
MoD,  eingelöst  wurden. 

*  Ober  die  Ausfahning  des  Kanigaye  gab  es  sehr  eingehende  Be- 
stjmmnngcu.  Das  VerfahieB  wurde  geleitet  von  Komnusaaren  des  Bakufa 
mit  der  nötisen  Exekutivmannfrliaft,  um  Widerstand  m  verhindena.  Die 
Bewachung  Tester  Funkte  übernahmen  andere  Daimyos.  Der  abziehende 
Ftint  dnrtte  seinen  Sduits  nnd  seine  Vorrftte  an  Reis  and  Kriei^erät 
mit  mch  nehmen,  nn?:zcnnTnmen  Falle  schTrcrer  Verschuldung.  Die  Va- 
asUen  des  abziehenden  Fürsten  hatten  in  10—30  Tagen  das  Gebiet  zu 
ilmnen.  Doch  konnte  kleinen  Gefolgsleuten  erlaubt  werden  sn  bidben. 
Wötere  Bestimmungen  regelten  das  Verikbren  betr.  SteuerrUckstände, 
Vorschüsse  von  Saatout,  Schulden  ete.  —  Für  den  europäischen  Leser 
ist  es  vielldcht  nicht  überÜüasig  zu  bemerken,  dafs  Absetzung  von 
Itbsten  sw  Tokugawazeit  durchaus  nicht  selten  war,  selbflt  bei  wtkat 
jS^rnfften  Herren.  Von  Daimyns  mit  100  000  Koku  und  darnbpr  wfrdf^n 
gewöhnlich  9  Fälle  von  Absetzung  citiert  (VgL  Japan  Weekly  Mail 
1882  6. 174.)  —  Eine  mildere  sehr  bfafisre  Form  des  Einsebreitsns  der  Oen- 
tralrepcning  war.  dnfs  der  FÜrst  abosuketi  and  die  Begienmg  srineoi 
Nachfolge/  überlassen  mufste. 


40 


im  wesentlichen  zerstört,  so  war  um  so  stärker  das  p^rsOH" 
liehe  Band  der  Vasallität  erhalten,  dtis  Trenverhsitnie 
zwischen  dem  Feudalherrn  und  seinen  Rittern,  den  Samurais 
(Shi,  13ushi)^  Der  japanische  Ritterstand  geht  hervor  aus  den 
hörigen  Gefolgsleuten,  wie  bei  um  aus  den  Minibterialen.  In 
den  bewegten  Zeiten  des  Mittelalters  hat  er  sich  daim  natürlich 
vantlirkt  aus  anderen  Elementen  der  Bevölkerung. 

Das  Band  der  Treue,  das  den  Samurai  an  seinen  Herrn 
bindet,  ist  das  denkbar  stärkste.  Im  Dienste  des  Herrn  hat  das 
Leben  keinen  AA'ert.  Wie  filr  die  eigenen  Eltern,  ist  auch  ftir 
den  Herrn  Blutrache  zu  nehmen  det<  nffolgsmanns  Pflicht. 
Der  Herr  mit  seinen  Vasallen  bildet  eine  engverbundein  Ge- 
nossenüchait  mit  gegenseitiger  Verantwortlichkeit,  den  Han 
(wörtlich  Zaun,  von  europäischen  Schriftstellem  meist  mit  Gan 
ftbersetat)'.  Das  Band,  aas  den  Vasallen  an  den  Herrn  iemAt, 
ist  jedodi  nicht  unlOebar.  Der  Samurai  kann  aus  oeinem 
Dienst  ans-  und  in  den  eines  andern  eintreten  oder  auch  gans 
aus  dem  Samuraistande  ausscheiden. 

Der  gesamte  Staats-  und  Kriegsdienst  wird  von  den  Samu- 
rais besorgt.  Nur  an  der  sich  autonom  entwickelnde  n  aber  an 
sich  nicht  sehr  bedeutenden  Gemeindeverwaltung  hat  auch  tlaa 
gewölmliche  Volk  Anteil.  Höhere  d.  h.  chinesische  Bildui^ 
ist  der  Regel  nach  nur  im  Samurasstande  au  finden.  Noch 
mehr  als  bei  der  Stellung  der  Daimyos  fehlt  bei  den  Samurais 
die  territoriale  Grundlage,  wie  sie  in  Europa  sich  ausgebildet 
hat  und  wovon  Anfilnge  auch  in  Japan  bestiinden  haben.  Nur 
in  einzelnen  Öffnenden  kam  es  vor,  dafs  gewöhnliche  Samurais 
mit  (.Irundbi  .sitz  belehnt  waren,  so  namentiu'h  in  SatÄuma.  Die 
Regel  war,  «ials  der  Sanmrai  eine  Reisreiit<  erhielt,  deren  Erb- 
lichkeit nicht  immer  ohne  weiteres  feststand.  Dagegen  erhielten 
in  den  grOfseren  Han  die  Häunter  der  wichtii^Bten  Vasallen* 
&milien  Lichensherrschaften,  wekme  oft  gröfser  waren  als  kleine 
Daimyate.  Für  diese  grofsen  Herren  war  die  Bezeichnung  Baishin 
Ubhch  (Doppelvasall  d.  h.  Aftervasall).  Die  höchsten  Verwaltungs- 
ämter waren  in  diesen  Familien  wenn  nicht  reclitlich,  so  doch 
thatsiichlich  erbhch.  Für  die  nach  diesen  an  Wichtij^keit  kom- 
111»  tidt-n  Amter  bt-ätaiid  insot'ern  eine  gewisse  Erbliclikeit ,  nN 
deren  Träger  regelmülsig  aus  einem  bestimmten  Kreise  von  h  a.- 
milien  entnommen  wurden.  Neben  diesen  in  ^ten  Verhaltnusen 
lebenden  grölseren  Vasallen  stand  die  Blasse  der  Samurai,  unter 
welcher  man  sich  nidit  etwa  eben  niederen  Adel  im  eoropMischen 


'  Auch  iu  Japan  bestand  wie  iu  Europa  die  Aoadehnung  des  Kitter- 
begrift'ee  aul  alle  hiiheren  Stiirnle.  Auch  ner  Fürst  ist  wie  bei  uus  ein 
Bitter  in  diesem  Sinne.  Saiiiumt  i»t,  bo  kaua  uiaii  dann  sagen,  der, 
welcher  zwei  Schwerter  trägt 

^  Der  Hau  Imt  seinen  Namen  der  Regel  nacli  von  dem  Gebiet. 
E»  ist.  aber  ungenau,  die  Landeshenschaft,  das  Daimjat  als  solches,  Hau 
so  aenaea 


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41 


Sinne  vonidlen  darf*.  Es 

eine  zu  ihrem  Unterhalt  eben  ausreichende  Eeiäration  erhielten, 
und  .  wenn  taß  Dif^nst  hatten,  der  Regel  nach  zu  t\lnf  in 
einer  Kaminer  der  Kasernen  lagen,  welche  die  Aufsenseite  des 
Yashiki  (AdelsliMi  ihres  Herren  bildeten,  während  ihre  Fram  ii 
und  Töchter  durch  rücken,  iSeidcn haspeln  und  iihnhche  Beschai- 
tigungen  daä  dürftige  Einkommen  der  Familie  etwas  erhöhten-. 
Dilhielt  der  Samunustand  die  Oebildeten  des  Landes,  so  enthielt 
er  in  dies^Mi  niederen  Schichten  auch  viel  rohes,  sieh  überhebendes, 
fiuikiizendes  Volk,  über  dessen  schlierslieht s  Schicksal  in  der 
neuen  Ära  von  unwissenden  Fremden  viel  ebenso  überflfissige 
wie  wohlfeile  Sympathie  versehwendet  ist. 

Ganz  ausserhalb  des  Lehen Verbandes  stand  die  misera  con- 
tribuens  pleha,  das  gemeine  \  ulk  (Heimin),  in  die  drei 
Stände  dei*  Bauern,  Handwerker  und  Kaufleute  zerfallend,  unter 
wilehfitt  noch  die  unehrlichen  Leute  (Dirnen,  Schauspieler» 
Tinieimnai)  und  die  Eta  (Unrme,  sie  waren  Schinder^  Gerber 
u.  8.  w.)  standen.  Abg<fseben  von  den  letztgenannten  bestand 
übrigens  keine  streng  ka.stenmälsige  Abschhefsung  der  Stände. 
Die  Erbhchk*  it  allf-r  Herule  war  niclit  rod  theh  notwendig,  son- 
dern eine  natur^^cmiU's  nu^  den  Verli  ihuissen  folgenrlo  Sitte. 
Arzte,  Lehrer,  Musiker.  Maier  u.  s.  w..  weiche  TUchtigi  -  1  idteten, 
hatten  eine  angesehene  sociale  Stellung.  Ks  war  aucii  Lomen 
AUS  den  unteren  Ständen  möglich,  durch  Kauf  in  den  Samurai- 
almicl  m  kommen^  ebenso  durch  Adoption. 

Aber  der  Lehnsverband  selbst  ging  das  gewöhnliebe  Volk 
aidito  an.  Die  Vasallentreue  wurde  vom  gemeinen  Mann  nicht 
erwartet,  und  sie  vorkam,  wird  sie  als  etwas  Besonderes 
hrrrofgeliohr  ii  '  1  )ars  ein  Bau»  r  nrnndV/fsitz  in  f  inem  anderen 
l>ti!iny;it  .  mit  hin  Pflichten  gegen  z.wei  i'errilunallierren  hatte, 
ncar  liiclilb  Soiu;uu>,    (Ein  solcher  Bauer  hiels  Kushi-isiii.) 

\jhGf  die  Einzelheiten  der  Verwaltungsorganisation  in  den  Dai- 
mjaten  Ist  bisher  nicht  viel  veröffentlicht  worden'^.  Im  einzel- 
nen,' anheinen  viele  Besonderheiten  bestanden  zu  haben.  Im 
grotai  und  ganaen  aber  durften  die  Grundzttge  der  Shogunats- 


'  Nach  japanischen  VorstellungeiJ  gehören  zum  Adel  nur  der  alte 
fiofodel  von  Kyoto  und  die  BrIbitos  ua  Krisgasdel,  im  Baoge  unter 
jenen  stehend. 

'  Von  Öiö428  Feraonen,  deren  Renten  1877  zwangsweise  abeelöst 
wnidoD«  besogSD  127 184  eine  Jahr^ente  von  weniger  us  25  Ten  Geld- 
wert, 175154  eiro  sriche  von  25  bis  100  Yen  CJcl  Iwert 

'  Man  kaufte  den  Namen  mitsamt  der  lieute  und  dem  eventuell 
daout  verbundenen  Amt.  Ursprünglich  verboten,  scheint  das  tmt  etwa 
1700  vorzukommen.  Auch  Adoption  von  Kindern  aus  unteren  Ständen 
war  ursprünglich  verboten,  später  aber  etwas  ganz  Gewöhnliches.  Eine 
Beihe  der  tüc  htigsten  Beamten  des  Bakuhi  gegen  £ude  der  Tokugawa- 
faerrschaft  soll  dieses  Ursprungs  gewesen  sein. 

*  Vergl.  im  Drama  von  den  IT  Ii  niin  den  treuen  Kaufmann. 

^'  Vergl.  Übrigens  die  angefüiirte  Unisertatiou  von  S.  Yoahtda. 


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42 


nttiening  auch  in  don  Territorien  iiberan  wif  <^(>rk ehren,  nament- 
lich das  Prinzip,  gewöhnlich  die  Entsciieidun*;  in  die  Hand 
mehrerer  Beamter  zu  legen.  An  der  Spitze  stand  r^elmälsig 
ein  Staatsrat,  dessen  Mitglieder  Karo  hiel'sen. 

Wir  lubeD  oben  nar  kun  die  aUgemeiDe  Stellung  des 
S h  ogu n  8  geBeichnet  £b  ist  Doch  auHBufÜhreD,  viw  seine  eige ne 
Herrschaft  oiganisiert  war. 

Wie  jeder  Daimyo,  so  hatte  der  Shogun  seine  Gefolgs- 
leute, die  Sfimnrai.  Die  Grofsen  unter  diesen,  die  den 
Namen  Hatauiuto  tulirten,  hatten  Lehensherm-haften  iraTokugawa- 
^ebiet  bis  zu  9!M>'.i  Koku  liinauf,  so  dafs  z\vis(  Im  ii  ihnen  und 
den  kleinen  L  utiui  Uaiinyos  eigentlich  uur  eiu  Kaug unterschied 
bestand.  Ein  Teil  der  Hatamotos  hatte  ledoeb  nur  Reisrenten 
bis  sa  300  Koka  herab.  Die  höheren  fieamtm  des  Shoguns, 
soweit  es  nicht  Fudai-Daimyos  waren,  wurden  den  Hatamotos  ent* 
nommen.  Nach  Gubbins  hatte  es  anfangs  etwa  2000  Hatamoto 
geg^eben.  Im  Jahre  1799  wird  ihro  Zahl  auf  5193  angegeben. 
(Kach  einer  freundlichen  Mitteihing  von  Protessor  Shigeno.) 

Nach  ihnen  kamen  die  Gokenin,  Dienstmannen  des  Shop:iins, 
(nach  Gubbins  5000),  schliel'slich  die  gewöhnlichen  Soldaten 
u.  s.  w.  (ashigaru,  sotsa).  Die  ganse  Mifitttrinaicht  des  Shogun» 
wird  regelmärsig  auf  80000  Hann  angegeben,  wahrend  das  Auf- 
gebot mr  das  ganze  Reich  zusammengenommen  547000  Mann 
mit  25  500  Pferden  und  3G  000  Gewehren  betragen  haben  soll.  Die 
Zahl  ist  wahrscheinlich  viol  zu  hoch,  dn  dio  Zahl  der  Familien- 
häupter (h  r  Samurai  zu  Ende  der  Tokugawazeit  auf  etwa  400000 
anzuselilagen  ist^  Ist  jene  Zahl  richtig,  so  wären  verhältnis- 
mfifsig  die  Kriegsleistungen  der  Han  ganz  erheblich  grölser  ge- 
wesen ab  die  des  Bakum. 

Die  Einnahmen  des  Baknib  bestanden  vor  allem  in  der 
Grundsteuer  von  dem  eigenen  Gebiet.  Näheres  ttber  die  Grund- 
steuer unter  den  Tokugawa  folgt  bei  der  Erörtenmg  dieser  Steuer. 
Femer  gab  es  verschiedenerlei  Steuern  und  Gebühren  von  Ge- 
werben, namentlich  die  Abgaben  der  Gilden  (Myoga-kin)*. 
Verwandter  Natur  waren  die  Einnahmen  aus  gewissen  Mono« 


*  Um  1870  zur  Zeit  sehr  starker  Anspannun^^  der  militärischen 
Leistungen  wurde  in  der  Satsumaherrschnft  fWe  Zahl  der  i:»oldaten  auf 
25  Oüö  angegeben,  während  an  60  000  »Saniuraifamilien  vorbanden  waren. 

«  8o  sahlte  die  ScbÜFeigilde  hi  Yedo  jSlirlich  10200  liyo.  Über 
das  Gilderwcsen  in  Jajian  fhesoiidors  bekannt  sind  die  Reishändlergilde 
von  Osaka,  die  J^^schh&ndleigildc  in  Yedo  u.  s.  w.)  ist  leider  bisher  sehr 
wenig  verOlfentlicht.  Soweit  ich  sehen  kann,  dienten  ne  wesentUch 
steoerlicben  und  polizeilicben  Zwecken,  z.  B.  znr  Beaufeichtigmig  dea 
wichtiircn  Reishandeb.  Der  ihnen,  wie  uiiFor^n  ZUnRen,  eigene  refigiöge 
Charakter  scheint  mir  nichts  Wcsentliciicä  zu  sein.  Wo  jede  BeschÄf- 
tiffung  ihren  Heiligen  oder  Gott,  ilire  Kapelle  oder  Tempel  hat,  ist  es 
seibstverstlindlich.  dafs  in  einer  Güdo  von  BrnifsgenOMen  gfwnfina^haft. 
liehe  gottesdienstliche  Handlungen  sich  ausbilden. 


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43 


polen  (SalE>,  Koreaniecher  Ginseng,  Shu,  die  rote  Stempelfarbe 
ans  Zinnober),  sowie  von  dem  Handel  mit  Hollfindem  nnd  Chi- 
nesen in  Nagasaki.    In  aufserordentlichen  Notfkllcii  worde  die 

oben  fS.  38)  erwähnte  VfTmögenssteuer ,  Ooyokin,  aufgele'^t. 
Dazu  kamen  die  bereits  erwähnten  Zahlungen  der  Landesherren 
(Daimyos  wie  mit  Herrschaften  belehnter  Hatamotos),  teils  Tri- 
but, teils  Zinsen  tiir  vom  iiakulü  geliehene  Summen.  Wichtig 
waren  endlich  die  Einnahmen  aus  den  Bergwerken,  wlihrena 
die  Ton  Wald-,  Berg-  und  Heideland  wohl  keine  grofse  Bolle 
spielten. 

In  den  letzten  schwierigen  Zeiten  ist  auch  häufig  Geld  ge- 
liehen worden.  Papiergeld  hat  das  Bnknfn  nie  an^^gegeben,  aber 
ein  ebenso  schlimmes  Aushülfsmittel  war  die  ötters  wiederholte 
Geldverschlechteninp^.  Der  Ryo  (resp.  Koban)  ist  in  der  Tolcu- 
gawazeit  (1600 — 18G7>  von  10,oc  auf  l,8o  Goldyen  zurückge- 
gangen (ein  Goldjen  =  1,6  gr  fein).  Schon  tot  der  Störung 
der  OeMverhldtniBee  durch  ErOffiinng  des  Landes  war  er  auf  4,8t 
Goldyen  gesunken. 

Der  Hauptleil  der  Einnahme  bestand  in  Reu  und  wurde 
als  solelipr  wieder  zu  Gehultem  tmd  Renten  verwendet.  Geld- 
ausgabeii  w  iren  im  wesentlichen  nur  nötig  ftir  den  Haushalt 
des  Sliogun^  und  flir  aufserordentliche  Ausgaben.  Da  grofse 
öffentliche  Arbeiten  möglichst  den  Daimyoa  aufgelegt  wurden, 
waren  das  m&at  Ausgaben  für  Feierlichkeiten.  Einige  der 
kostsnieligsten  derselb«!  winden  in  sMterer  Zeit  gewffhnfich 
unterlassen ,  namentlich  die  feierlichen  Besuche  des  Shogune  in 
Kyoto  und  in  Nikko.  Die  Finanzwirtschaft  war  der  schwächste 
Punkt  der  Tokufcawa- Herrschaft  In  spMterrr  Zeit  war  die  Onld 
not  chronisch,  schon  e!ie  die  (  Htnung  der  Häfen  mit  ihren  l^'olgen 
das  Leiden  zum  akuten  AiKsl>ruch  brachte*.  Einen  genauen 
Überblick  über  die  Finanzijige  des  Bakufu  mit  den  bisher  be- 
kannten Materialien  zu  geben  ist  unmöglich.  Eine  Art  Budget 
für  1770— -1774  eetet  die  jührllchen  r^mäleigen  Geldauigaben 
auf  nmd  550000  Gbldyen  (in  heutige  MflnM  umgerechnet)  an, 
wovon  fast  •/s  auf  den  Haushalt  kommen.  Es  war  das  eine 
Herabsetzung:^  der  bisherigen  Ausgabe.  Doch  ist  der  Uberschhig 
kaum  ganz  vollat<indig.  1  'her  die  atis  den  letzten  Jahren  des 
Bakutii  dor  neuen  Ära  überkommene  Erbschaft  wird  weiterhin 
misfulirhciier  zu  sprechen  sein. 

*  Diese  Einnalime  ist  vielleicht  richtiger  unter  (üp  vnn  Heu  Gild^ 
am  stellen.  Der  balzhandel  durfte  nur  von  ciuer  beschninkten  Zahl  mit 
cBcaem  PrivUefpain  Terachener  HKndler  lietrieben  wei-den ,  welche  dafSr 
^'PT\-i?='c  Snmmeii  zu  zahlnn  hnttm.  Drr  '^nlzhandel  scheint  seit  sehr 
alter  Zdt  staatlich  ger^elt  gewesen  zu  sein,  angeblich  schon  vor  dem- 
Bkrauikiira-Sboginmt 

2  Bezeichnend  scheint  mir,  wie  vom  5.  Shogun  an  die  Grabmüler 
der  Shogune  immer  beschddener  worden,  nach  dem  Glanxe,  der  für  die 
drei  ersten  entfaltet  war. 


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44 


Die  Ämter  unter  dem  Bakufu  wurden  ausschliefslich  mit 
Vasalien  der  Tokugawa  besetzt,  die  höheren  mit  Fudai-Daimyos, 
die  anderen  mit  den  i  igenon  Gefolgsleuten.  Die  Amter,  wenig- 
stens die  höheren,  waren  nicht  reclitlicli  erblich,  thatsächlich  aber 
wurde  jedes  höhere  Amt  nur  den  JVlit^üedern  gewisser  Familien 

fegeben.  Bet  niederen  Ämtam  dagwn  acheint  in  manchen 
'iUlen  die  £rblicfakeit  wirklich  211m  &chtagrandaate  geworden 
SU  aein. 

Der  Vasall  besais  seine  Herrschaft  oder  bezog  seine  Rente, 
gleichviel  ob  er  ein  Amt  verwaltete  oder  nicht.  Diejenigen, 
welche  kein  Amt  hatten,  mufsten  antiinglich  bei  Bedarf  Arbeiter 
zu  öffentlichen  Bauien  stellen  (wovon  sie  Kobushin  hiefscn). 
Später  wurde  ihnen  eine  Steuer  aufgelegt.  Die  ganze  Einriclitun^^ 
wurde  in  ihre  endgttltjge  Form  gebracht  unter  dem  achten  Shogun, 
Yoehimune  (1717 — 1745).  Die  Kobushüi-VaMUen  bildeten  eine 
Art  Genossenschaft,  Kobushingumi,  in  welche  namentlich  TOn 
ihrem  Amt  disciplinarisch  entfernte  oder  unfUhige  Vasallen  ver- 
setzt wurden.  Ein  besonderer  (1  ehalt  wurde  nur  bei  einzelnen 
Ämtern  gegeben.  Dies  macht'»  Sdiwierigkeiten  bei  Verwendung 
kleinerer  tüclitiircr  Kittcr  in  wieiitigeren  Stellungen.  Man  half 
bicii  auiaiigb  mit  Zulagen  iin  Einzelialie.  Aber  1722  wurde 
durch  den  ebengenannten  Shogun  Yoehimune  ftr  jedes  Amt  ein 
bestimmtee  Konmal  -  Einkommen  ÜMtgesetst  War  die  eigene 
Rente  des  su  dem  Amte  Enuumten  geringer  als  dieses  Noimal- 
einkommen,  so  erhielt  er  auf  die  Dauer  der  Amtsführung  den 
Unterschied.  Erhebliche  Einnalimen  hatten  viele  Beamte  aus 
Geschenken ,  welche  zuweilen  emc  ganz  legitime  und  gesetzlich 
geregelte  Einnahme  waren,  so  die  Geschenke  der  Dainiyos  an 
die  Mitglieder  des  Staatsrats.    Unsere  europäischen  \  urstellungen 

Uber  mbeo  und  Annehmon  von  Gesdienken  haben  ja  andi 
heute  noch  in  Japan  nicht  Geltung. 

Ganz  eigenartig  ist  nun^  dafs  bei  Besetzung  eines  Amtes 
durdi  einen  Territorialherm  auch  dessen  Vasallen  mit  beteiligt 
waren.  Mit  ihrer  Hlllfe  führte  er  sein  Amt.  Ftir  schlechte 
Amtäfiihrung  durch  einen  solchen  Herrn  wuiden  ohne  weiteres 
auch  dessen  eigene  Minister  verantwortlich  gemacht'. 

An  der  Spitze  der  Staatsverwaltung  stand  das  Goroju 
(Rat  der  Alten),  meist  aus  fünf  Mitgliedern  bestehmd,  vm 
welchen  dner  &  laufenden  Geschäfte  immer  auf  einen  Monat 
fbhrle.  Die  Mi^lieder  werden  den  Fudai-Daimyos  entnommen  und 
zwar  regelmäisig  nur  bestimmten  Häusern,  wdche  schon  in  Mikawa 
d,  h.  vor  1589  Vasallen  der  Tokugawa  gewesen  waren  und  daher 
Roshin ,  „alte  Vasallen'^  hiefsen  -'.  Die  Mitglieder  des  Goroju 
selbst  werden  regelmäfsig  Kosiiin  genannt   Sie  hatten  täglich 


'  Man  kann  von  Japanern  die  Ansicht  hürcn,  das  Amt  sei  eigent- 
lich uicht  dem  Daunyo  Belbdt,  doudeni  dem  Hau  alä  solchem  gegeben. 
•  SinnloB  ist  die  Übenetsn^  ,^te  Verwandte". 


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X  4.  45 

Sitzung  im  Palast  unter  Vorsitz  des  Shogims  <fAhst.  War  der 
Shogun  minderiuhri^  oder  sonst  die  Zeiten  schwieri^^  so  trat  au 
die  Spitze  ein  vuu  der  ir  amiiie  bestellter  Regent,  der  Tairo,  meist 
der  «rölsten  Fbdai-Familie,  den  ü  von  Hikone  (Omi)  entnommen. 

Unter  dem  Ooroju,  and  zu  seiner  UntmtQtzung,  stand  ein 
sweitee  KoBcg,  die  Wakadoshiyori,  0  an  der  Zahl,  von 
welchen  immer  einer  die  laufenden  Geschäfte  auf  einen  Monat 
führte.  Es  w^ren  Fudai  oder  irrol'so  Hatamoto.  Das  Amt  lintte 
ursprünglich  (es  hicfs  damals  Kokuninshni)  geringe  Bedeutung 
und  wurde  1650  aufgehoben,  aber  bereits  1661  unter  dem 
späteren  Namen  wieder  hergestellt.  Den  Wakadoshiyori  lag 
namentlich  die  Anfiucbt  Uber  die  unteren  VerwaltuDgäinstanzen 
ob.   Einer  oder  swei  leiteten  seit  1697  die  Finanzverwaltung. 

Die  eigentliche  ausfllhrende  Verwaltung  fülirten  die  Sam- 
bttgyo,  die  drei  hohen  Bugyo-Kollegien  ^  der  Jisha  Bugyo,  der 
Kanjo-Bufryo  und  der  Machi-Bugj'o  von  Yedo.  Am  Ende  der 
Toku<(a\va-TTf  rrsrhaft  gab  es  noch  ein  viertos  hohes  Bug}'0-Amt 
für  auswärti«ie  Angelegenheiten-.  Mit  Fudai  -  Daimyos  besetzt 
waren  nur  die  Ämter  der  Jisha-ßugyo.  Das  Amt  war  ein 
hochangesehenes  und  in  |;ewi88em  Grade  von  dem  Goroju  unab- 
htagig.  Es  gab  flinf  Jisha-Bu^o,  ▼on  welchen  immer  einer 
einen  Monat  lang  die  laufenden  Geschäfte  flihrte.  Ihre  Aufgabe 
war,  wie  der  Name  sagt,  die  Verwaltung  von  allen  Tempel- 
anfrelegenheiten  ^.  Aufserdem  waren  die  vier,  welche  niclit  den 
lanfoTinrn  Dienst  hatten,  Mitglieder  des  höchsten  Gerichts  fllyo- 
joshoj.  Der  Kanjo-Bu^yo  (Rechnungs-Bugyo  —  das  Anil  ist 
1641  geschaffen)  gab  es  ebenfalls  fünf.  Von  diesen  hatten  zwei 
die  Finanzverwaltung,  zwei  waren  Mitglieder  des  höchsten  Ge- 
richts. Sie  wechselten  jährlich  in  dieser  Stellung ^  Einer,  wie 
es  scheint,  einer  der  richterlichen  Kanio-Bug>'o,  Uberwachte  gleich- 
seitig gemein^hafUtch  mit  einem  Ometsukc  das  Landstrafsen- 
Wesen  (Dochu-f3ugyo,  früher  vielleicht  ein  bcsondere-s  Amt).  Ans 
den  sehr  aiisfVilirliclien  Verordnungen  über  den  Sti'ali^f  iivfrkehr 
giebt  einen  Auszug  Dickson,  Japan  S.  307 — 315.  Die  Kanjo-Bugyo 


*  Bugyo  =  Chef  einer  Hohörde.  Eis  srab  alle  inöglidien  fiogyos 
vom  verBchiedensteo  Rang.  In-pführend  ist  Kudorffs  t^lu  rsetzang  von 
Sam-Bugyo  mit  „Drei  Mtoner-Kolleg".  Mit  Sam-Bugyu  werden  die  oben 
genannten  drei  Behörden  bexeicuiet,  deren  jede  ans  mebisron  Mit» 
^rüpcipni  bestnnd.  —  Über  die  Kompetenz  der  einaelnen  Beamten  gehen 
die  scfhr  aiisfliiirhehen  Amtseide  Aufschlufs. 

*  Bndorff,  Rechtspflege  S.  868.  ftthrt  all  hohe  BugyoÄmter  noch 
die  SeIeuü-  Bagyo  an,  welche  in  Wirknchkdt  mit  einer  ganzen  Reihe 
Änderer  ßugyo  unter  die  Kanjo* Bagyo  gehörten,  und  Kobujo-Bugyo. 
Das  Kobuio  war  gar  kfine  Verwaltunesbebdrde,  sondern  eine  Kriegsschule 
rar  Einfabning  de»  *  iir  maiKchen  Bfuitilrweseiw.  FBr  die  neue  Afoiine 
gab  e«  dam!i!H  nih  il  < TunkMU- Bugyo. 

*  Dieustiustruktion  vom  11.  VII.  5.  Jahr  Kambun,  1665. 

*  Dienstinetniktion  res  1762,  IL  4. 


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48 


X  4. 


Unter  der  Au&icht  des  Daikwan  standen  die  Ortsge- 
meinden, Dorftchafieii  und  StralMngememden  in  den  Stlldten. 
An  deren  Spitsee  stand  ein  Schulze,  der  venchiedene  Namen 
führte,  aber  meist  Nannshi  oder  Sh<nra  genannt  wurde.  Dtm 
Amt  wurde  zuweilen  von  einigen  Familien  der  Reihe  nach  ver- 
waltet, häufig  war  es  erblich.  Im  Kwanto  wurde  von  dem 
Shogun  Yoshimune  (1717 — 1745,  dem  mehrfach  erwähnten  Reor- 
ganisator  der  Verwaltung)  die  Erblichkeit  abgeschaflfl.  Hier  wurde 
dann  der  Nanuähi  gewählt  und  vom  Daikwan  bestätigt.  Der 
Hiansbi  hatte  aof  Ordnung  in  der  Gemeinde  sn  halten,  die 
Steuern  m  erheben,  die  Volks-  und  StenemKister  sn  ftlfaren, 
war  Schiedsrichter  bei  Streitigkeiten  u.  t.  w.  £  erhielt  gewöhn- 
lich einige  Sack  Reis  als  Qenalt  und  war  fttr  seinen  Besitz  bis 
zu  gewissor  Höhe  (im  Kwanto  20  Koku  Ertrag)  steuorfroi.  hatte 
auch  gelegentlich  andere  Privilegien  Der  Nannshi  wurde  unter- 
stützt von  den  Kumigashira,  wclehr  von  den  Bauern  gewählt 
wurden  und  der  Bestätigung  nicht  bedurften.  Meist  waren  es 
wohl  vier  oder  fün£  £ine  wichtige  Perm  war  endfieh  der 
Hjakushodai,  BmemTertreter,  der  grOftte  Grundberiteer  der 
Gemeinde;  in  greisen  Dörfern  gab  es  wohl  auch  zwei  oder  drei 
Er  hatte  die  Interessen  der  Bauemaohaft  wahmmehmeni  nament- 
lich bei  Gemeindeumlagen.  In  manchen  Gegenden  soll  der 
Hyakushodni  gewählt  sein. 

Zwischen  Nanushi  und  Daikwan  stand  früher,  wie  es  scheint 
allgemein,  ein  erblicher  Beamter,  der  eine  Anzahl  Dorischaften 
beaufsichtig  und  verschiedene  Namen  Rihrte  (0-shoya,  Wari- 
moto,  Kendan  ete.).  Im  Tokugawa-Gebiet  wurde  das  Amt  vom 
Shogun  Yoshimnne  abgeschafft.  In  den  Daimyaten  hat  es  Mk 
▼ielfiich  bis  in  die  Neuzeit  erhalten. 

Innerhalb  der  Gemeinde  waren  immer  iUnf  Familien  zu 
einem  Goningumi  unter  cwom  Hangashira  vereinigt  zu  gegen- 
seitiger Bürgschaft  des  Wohlverhaltens,  eine  der  eigentümlichsten 
japanischen  Polizei-Einrichtungen ,  an  die  Friedensbürgschaft  in 
England  zur  Normannenzeit  erinnernd  (vgl.  Gneist,  Englische 
Venusungägeaohichte  8.  150  f.).  Das  Ooninguminio  (Fflnf- 
MannerVereina-Ofdnung)  und  der  jahrlich  von  den  IGtgliedeni 
darauf  abzulegende  und  zu  untmieeebde  Eid  enthält  sowohl 
Strafrecht  als  Gemeindever&esungaredit  und  MoiahorMhriAea'. 

)  So  igt  mir  in  Izu  erzählt,  dals  die  Scbolsen  aosKhUefidich  bo- 
recbtif(t  waren,  äake  zu  Bt  henkeu. 

*  Um  eine  Vorstellung^  von  der  umfanenden  Natur  des  Gk>niiignini 
zu  geben,  lasse  ich  hior  die  ersten  drei  Artikel  des  Eides  folgen  (nach 
der  Überaetzanff  von  äakata&i,  entnommeii  Chibo  hau  rei  rokiL  voL  VII). 

I.  Alle  Wslier  gegebenen  Gesetse  wollen  wir  stroig  befolgen  nnd 
keine  Verbote  verletzen.  Wir  wollen  ein  Goningumi  bilden  von  .5  Häu- 
sern, die  nahe  beieinander  liegen.  Wir  wollen  in  unsere  nenossenschaft 
nicht  nur  Bauern  (d.  h.  Grundbesitzer),  sondern  auch  ^igari*"  und  „mi- 
suMMni'*  (beritslose  Bauern)  aufnehmen.  Wir  weiden  aar  das  Betragen 
unserer  Fkanen  und  Kinder  and  sogar  nnserer  Kaeehte  and  Migd» 


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X  4. 


49 


Es  f^ab  16  S  t  a d  t T> e r ]c  '  Tnit  eigener  Organisation  unter 
tleTii  Hakufu  und  gloichurtige  Einrichtungen  landen  sich  auf  der 
IisHcl  Sado.  Die  HJ  Stitdte  waren  Yedo,  Kyoto,  Oj»aka,  Fushimi, 
Nara,  Sakai,  H^'ogo,  Nagasaki,  Yaniada^  Kanagawa,  IJraga, 
Shumokaf  Kofu,  Nikko^  Niigata  und  Hakodate.  Im  einzelnen 
z<-igten  die  ESnrichtungen  an  den  ▼erachiedenen  Orten  erheb- 
liche Abweichungen. 

In  Yedo  (1589  von  lyeyasu  zu  seiner  Residenz  erhoben, 
die  Biurg  ist  H^C)  von  Ota  Dokwan  erbaut)  wurde  die  Stadt- 
verwaltun*?  von  den  bereit«  erwilhntt  n  Machi  Rugyo  (S.  46)  ge- 
führt, doch  ist  zu  beachten,  dafs  ihnen  Vashikiland.  d  h.  die 
vom  Kriegerstand  bewohnten  Quartiere,  und  'i  einpelgebiet  nicht 
unterstanden.  Ursprünglich  gab  es  drei  dieser  StadtliaupÜeute, 
seit  Yoflhinnme  (dem  achten  Shogun)  nur  zwei,  einen  nbr  den 
Novden,  einen  für  den  Süden.  In  den  emseinen  Strafoenbeztrken 
(Strafsengemeinden)  wählten  die  Grundbesitzer,  wie  in  den  Land- 

femeinden,  einen  Nanushi  und  Kumigashira.  ThaisRchlich  aollen 
ie  Nanushi  so  gut  wie  erblicli  t^pwesen  sein.  Die  Nanushi  wur- 
den beaufsichtigt  von  drei  ^laehi  Toshiyori  ( Stadt/lltesten),  deren 
Amt  erblich  war.  Sie  sind  die  bürjrerlichen  Beistande  der  Machi- 
ßugyo,  die  natürlich  aulserdem  ihr  Burciiupersonal  und  Poliziäten  zu 
Pferd  (Yoriki)  und  za  Fufs  (Doahin)  hatten,  wie  alle  diese  Beamten. 
Ihre  eigene  Verwaltmigsorganisatien  hatten  die  zehn  mfsen 
KaufknannsgHden.  Die  geringen  Gemeindeauegahen  flir  Wege- 


achten.  Sollte  dnrch  unsere  Nachlässigkeit  em  Verbrechen  vorkommen, 

W)  soll  die  fTenossenschaft  verantwortlich  ne'm.  Sollte  einer  die  Regeln 
der  Genossenschaft  verletzen,  so  werden  wir  das  der  Obrigkeit  anzeigen. 

II.  Den  Eltern  gehorsam  und  den  Herren  treo  zu  adn,  ist  jeder- 
manns Pflicht.  Aiter  sollte  ehi<  r  bp.^onden  gehofsma  and  txea  sein»  so 
wollen  wir  das  den  Üehörden  anzeigen. 

ni.  Sollte  einer  in  der  GenoesenBchaft  sich  nicht  gut  anlRlhren  und 
nachlässig  in  seinem  Beruf  sein,  so  sollen  ihn  der  Hangashira  und  die 
an« leren  (Jenossen  ermahnen,  dafe  er  sich  bessere.  Ist  er  dann  rigcn- 
sjrmi<;  und  hört  nicht  auf  unseren  Kat,  so  werden  wir  das  dem  Nanushi 
und  den  Kwni^ashira  berichteji.  Wir  wollen  in  Liebe  zusammenleben 
mit  Eltern  und  KiTidern,  Cleschwisten)  inid  allen  aiuiem  Verwamlten. 
Wir  wollen  Freundschaft  halten  mit  den  Bauern  unserer  Genossenschaft 
nnd  der  anderen  Oenoasensehaflen  ond  wolioi  niehts  thvn,  was  unfreund- 
lich ist.  Die  weclisel.seitige  Pflicht  des  Oouingumi  ist  tiefer  als  die  der 
Familie  und  wir  fünf  Genossen  wollen  uns  gegenseitig  helfen  in  Not. 
Be^ht  ein  Genosse  der  fünf  Hänser  etwas  Ungesetzliches,  so  wollen  wir 
fBw  Genossen  alle  eleichmäfsi^  die  Verantwortung  tragen. 

Hangashira  bedeutet  den.  der  an  der  Spitze  besiegelt,  nämlich  den 
Eid.  Die  Einriciitung  der  Goninguuu  ist  sehr  alt  Sie  wird  in  der  Gesetz- 
gebong  der  Hojo  im  IH.  Jahrhundert  berdts  erwfthnt  In  Japan  bat  sie 
nur  ftir  das  i^ew  Ijuli*  Ik  Volk  bestanden.  Sie  soll  aus  Chinn  ^fammen 
and  dort  in  einem  der  Feudaletaaten  zur  Zeit  der  Chau-  Map.  Shu)  Dynastie 
exacef^rt  sein  als  nntente  Abteilung  einer  das  ganze  Volk  nmfosaenden 
mUit&rischen  Einteilung.   (Chaudynastie  1122— 2.jS  v.  Chr.) 

*  Dabei  ist  Shimoda  nicht  mit  gerechnet,  wo  Stadthauptleute  nur 
in  der  kurasen  Zeit  bestanden  haben,  als  der  amerikanische  Vertreter  dort 
residierte. 

For««hiiiic«ii  (4&)  X  4.  —  Balligen.  4 


50 


X  4. 


Wesen,  Terapelfcste  imü  Bezahlung  der  < n'mein(l('b<'aiiiten  wurden 
durch  eine  Koniawari  güuannte  unbedeutende  Undage  aufgebraelit, 
die  nach  Länge  der  Iluusfront  und  Gunst  der  Lage  berechnet 
war.  WoblhaDOQde  llbemahmen  frdwiUig  Ziuchlüge,  welche  mit 
der  Zeit  einen  ganz  festen  Charakter  annahmen.  Aufserdem 
war  es  „Sitte",  cL  h.  notwendig,  dals  jeder  Haushalt  den  Be- 
amten zu  Neujahr  Geschenke  inachte.  Die  Einaellieiten  der 
Stadtverwaltung  erscheinen  ziemlich  verwickelt,  namentlieh  in 
folge  des  Ineinanderspielens  d(r  Stadtbehörden,  Vaöhiki-lierren, 
Teni|jelbchörden  u.  b.  w.  Allein  über  die  Feuerwehr,  die  einer- 
seits von  1 2  nicht  im  Amt  befindlichen  Daimyos,  anderseitB  von 
gewissen  Qilden  (Sdiiffer,  Handw^er)  versehen  wurde,  Heise 
sich  eine  ganze  Abhandlung  schreiben.  Die  Einrichtung  der 
Goningumi  bestand  in  den  Stödten  ebenso  wie  auf  dem  Lande* 

Nächst  Yedo  war  Kyoto  der  wichtigste  Punkt  des  Reiches, 
da  08  der  Sitz  des  Hofes  (v<rl.  auch  oben  8.  31)  und  in  g:e- 
wsser  Weise  doch  immer  der  Mittelpunkt  war.  Hier  residierte 
daher  in  der  J^»ur^  des  Shogims  ein  .sehr  hoher  Ik-amter,  ein 
Fudai-Daimyü  von  oU  OUi>  Koku,  der  Shoshidai ' .  Kr  wai-  nicht 
bloCs  Statthalter  für  Kyoto  selbst,  sondern  seiner  Jurisdiktion 
unterstand  die  ganze  (legend,  insbesondere  aufter  d^  beiden 
Machi-Bugyo  von  Kyoto  auch  die  Bugjo  von  Nara  und  F ushimi 
und  Wold  auch  der  Daikwan  von  Otsu.  In  aulserordentlichett 
Fällen  hatte  er  das  Olierkoramando  über  den  p:anzen  f  >ten 
Japans.  In  der  Stadt  Kyoto  selbst  besorgten  die  \  erwaltuiig 
zwei  Machi  -  Uu;^yo  .  einer  im  Werten  .  einer  im  Osten. 
Sie  hatten  1500  Koku  lümg  uud  einen  Gehali  von  (>0U  ivoku. 
Unter  ihnen  standen  als  Gemeindebeamte  die  Otoshi  ban  und 
Machi-Toshiyori  als  Vorsteher  der  StraTsengemeinden.  Die  Ge> 
meindeuralage  hiefis  hier  Kenyaku.  Es  war  eine  sehr  alte  ursprüng- 
lich ^deiche  Steuer  auf  dem  Hause,  welche  mit  der  Zeit  sehr 
ungleich  geworden  war,  aber  wegen  der  rioringftigigkeit  des 
Betr.i^:^es  nicht  al«  drückend  empfanden  wurde.  Die  gleiche 
Steuer  bestand  in  Osaka,  Nara  und  anderwilrt-. 

hl  Oaaka,  dem  wichtigsten  IIandcl8|>latze  Japans  und  einer 
stai^ken  Burg,  safs  dn  Statthalter  in  ähnlicher  Stellung  wie  der 
▼on  Kyoto,  der  Jodai  (Burgvogt),  ein  Hann  von  10  000  Koku. 
Auch  er  hatte  Gerichtsbarkeit  über  einen  ausgedehnten  Bezirk. 
Ihm  unterstanden  die  beiden  Machi-Bugyo  von  Osaka  und  der 
Bug^  o  von  Sakai.  Die  beiden  Stadthauptleute  von  Osaka,  einer 
für  den  <  )steu,  einer  für  den  Westen,  hatten  gleichen  Ran«^  wie 
die  von  Kyoto.  Unter  ihnen  standen  1 1  erbliehe  So  roBhivori 
(Ober-Alteste) ,  welche  die  Gemeindevorsteher,  Machi-Toahiyori, 

'  Art.  4  soincs  Diensteides  zei^^t  seine  bedeutende  Slel]ini<x:  .  Im 
10161*6586  des  Shoguos  werde  ich  über  alles,  wurabcr  ich  eigener  ÄDsirht 
bin^  den  Boshin  berichten»  selbst  über  einen  Befebl  des  Snognne,  wenn 
ich  ihn  für  ungeeignet  balte.'' 


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X  4. 


51 


aus  angesehenen  Grandbemteern  ernannten.  Diese  aber  liatten 
alle  Bedeutung  verloren  neben  den  erblichen  Chodai  (Gemeinde- 
yertretem),  orienbar  dem  städtischen  Gegenstück  zum  ländlichen 
Hyakushodai. 

In  Shizuoka  iSumpu),  der  Residenz  des  Shogiins  lyeyasu, 
nachdem  er  seinem  Sohne  ilidetadu  die  Geschäfte  übertragen 
hatte,  eals  gleichüdk  ein  Jodai,  da  es  ein  mflitärisch  wichtiger 
Platz  war.  Unter  ihm  standen  Maehi-Bugyo.  In  Eofn  waren 
zwei  Kimban  von  gleichem  Range  wie  aic  Maohi-Bugyo  von 
Yedo.  In  allen  anderen  bereits  genannten  Städten  waren  Bugyo 
in  verseiiiedener  Zahl  (1  — 5);  am  wiehtijjrston  waren  flio  beiden 
Bugvo  von  Nagasaki,  HaUinioto  von  lüUU  Koku  liaug  mit  4420 
Sack  Kei»  y-^-  I7ti8  Koku)  Gehalt'  * 

Einige  Worte  mögen  schliefslich  über  die  Justizver- 
waltung hier  ihren  Platz  finden.  Alle  Civilklagen  mufsten 
mt  vor  die  GemeindevorBteher  (Nanushi)  gebracht  werden,  welche 
die  Sache  zu  vermitteln  suchten.  Die  mdsten  Prosesae  wurden 
auf  diese  Weise  im  Keime  erstickt,  was  auch  von  oben  her 
möglichst  unterstlitzt  wurde.  Die  gewöhnlichen  Richter  waren 
die  Daikwan  und  die  ^^^■^'0  der  St<idt(••^  Für  die  den  Statt- 
liaiteiii  in  Kyoto  und  Osaka  unterstehenden  Gebiete  bestanden 
jedoeli  1  »«  sondere  Be^itimmungen.  Dort  kamen  alle  Sachen  vor 
die  Maciii-Bugyos  von  Kyoto  bezw.  Osaka,  mit  Ausnaiime  von 
Biandstiftung,  Raub  und  Mord  in  den  Provinzen  Yamato  und 
Iznmi,  welche  von  den  Bug}  08  von  Nara  bezw,  Sakm  abge- 
urteilt  wurden. 

Das  höchste  Gericht  des  liakufu  war  das  Hyojosho  (Be- 
ratungsamt,  der  Rat),  llistoriscli  läfst  es  sich  auf  Yoritomo  zu- 
riu-kfiihren ,  seine  spatere  Form  datiert  von  1<'>'35  (](^.  des  11. 
Wonats).  Anfangt!  sscheinen  die  hohen  Beamten  des  Baknfu  jeder 
für  bicli  Juriädiktion  in  «einen  Angelegenheiten  gehabt  zu  haben. 
Um  die  daraus  fokenden  Schwierigkeiten  zu  yermeiden,  pflegten 
sie  bei  einem  Hadii-Bugyo  oder  einem  der  Roshin  zusammen* 
zukommen,  woraus  das  Gericht  in  seiner  späteren  Form  ent- 
standen ist.  Die  genauen  I  nstruktioDen,  die  bekannt  sind,  stammen 
aus  dem  Anfang  der  Kegierung  des  Shoguns  Yoshimunc  (seit 
1717).  Das  Ocricht  war  besetzt  mit  den  oben  erwähnten  Sam- 
Bugyo  und  regeiiualsig  einem  Ometsuke  und  einem  Metsuke. 


<  So  in  späterer  Zeit.  Kndc  den  17.  JuhrhondertB ,  als  Kämpfer  dort 
war,  gab  08  drei  Riiiryf».  die  höheren  Raus  linttrn. 

-  Obiger  kurzer  Ddratellune  der  Proviuzial-  und  Lokal  Verwaltung 
sind  aaTser  Sakatanis  Arb^t  auch  mfilndliehe  Erkundigungen  m  Orande 
pflegt.  Die  Notizen  Aber  Osaka  zum  Teil  aus  einem  Artikel  des  .Choya 
Isiitmbun'^  über  Oemeindeverwaltung  unter  den  Tokugawa.  in  „Japan 
Weekly  Mail-  1— XI  fiO. 

*  Nur  der  l>iigyo  der  heiligen  Stadt  Yatnada  war  in  der  Exekution 
schwerer  Kriminaistrafen  besehiänkt. 

4* 


52 


Einmal  im  Monat  wolinte  »-in  Kosliin  der  Sitzung  bei.  Das 
Hyojosho  entschied  im  wP8rntli<-hen  solche  Dinp:e.  tiir  welche 
Territorial-  und  Provinzialgenciitc  nicht  iiompetcnt  wai-eii .  weil 
die  Parteien  verschiedenen  Gebieten  bezw.  Jurisdiktionen  ange- 
hörten. Bei  der  nicht  systematischen  Kompetenzabgrenzung  jener 
Zeiteo  hatten  ttbrigens  die  beim  Hyojosho  eingebnchten  Kuimi 
]ijta6g  den  Ohamkter  von  Verwaltung^bcschwerden.  Namenweh 
konnten  aolche  erhoben  werden  durch  ICinworfen  einer  Klage  in 
den  vor  dem  Hyojosho  aufgestellten  Klagekasten  (Sojo-bako), 
was  jedoch  nur  nem  gewöhnlichen  Volk  prl-iubt  war'.  AnfHng- 
lich  soll  der  Shogun  den  Kasten  selbst  geoMiiet  haben.  Es  war 
übrigens  eine  uralte  Einrichtun}^ ,  die  schon  im  7.  Jahrhundert 
nach  chinesischem  Vorbild  eingeführt  war  ^. 

DisciplbaFangelegenheiten  der  Beamten^  Erbstreitigkeiten  der 
Daimyos  und  Ähnliches  entschied  nicht  das  Hyojosho,  sondern 
das  Öoroju,  über  weniger  wichtige  PeiBOnen  wohl  auch  em 
Roshin  mit  den  Wakadoshiyori.  Ometsuke  waren  dabei  stets 
zupep^n,  unter  Umstünden  .lueh  andere  Beamte^.  In  dem  in 
Japan  jedermann  bekannten  8treit  um  die  Erhschnft  von  8endai 
(1070)  z.  B.  leitete  das  Vorverfahren  der  Koshin  Itakura,  die 
Hauptverhaiidluu^^  iund  vor  versiimmeltem  Goroiu  im  Mause  des 
Roähin  Sakai  (Utanokami)  statt.  Die  Entscheidung  (Joi,  Wille 
des  Shoguns)  wurde  verkündet  in  einer  Sitzung  aller  Boshin, 
Ometsuke  und  Bugyo.  In  einem  anderen  bekannten  Ptoeeis  gegen 
den  Kanjo- Bugyo  Matsudaira  Idsumt  no  Kami  (1784)  waren 
beschäftigt  der  Koshin  Ota  Bingo  no  Kami,  die  Wakadoabiyori 
und  zwei  Ometsuke*. 

Der  Shogun  hatte  anfangs  selbst  der  Regel  nach  zu  (iericht 
gesessen.  Schon  I yemitsu  ,  der  dritte  Shogun ,  erklärte  das  ftir 
imdurchfUhrbar.  Nur  bei  Untersuchung  scljwerer  Verbrechen 
wollte  er  selbst  sitaen.  Doch  wurde  diese  pereOnliehe  Teilnahme 
—  die  Siisungen  fisinden  dann  im  Parke  des  Shognns  statt  — 
immer  seltener.  Seit  Ende  des  17.  Jahrhunderts  dürfte  der  Shogun 
in  diesen  Sitzungen  nicht  mehr  den  Vorsita  geführt,  sondern  nur 
mehr  zugehört  haben 

1  Aach  die  Statthalter  von  Kyoto  nnd  Osaka  hatten  solche  Klage- 
kasten. 

-  Niiher  atit  die  EinrHhpitmi  der  Kcchtepflepc  ninzugehon  wtirdo 
hier  zu  weit  tülire«.    xVleine  Absicht,  längere  von  Y.  Sakataui  für  mich 

Semschte  Auszöge  ans  der  girorsen  Gesetzsammlung  (Kajnnvttcni  des 
.  hoguns  Yoshimune  anhangflweifn  m  veröflfentlicheu,  ist  jetzt  uberfhisgi^ 

gemacht  durch  Rudorffs  Übersetzung  des  ganzen  Werkes,  auf  welche 
er  Leser  yenriesen  sei. 

'  Auch  im  Ilyojoslio  hahen  trotz  f^t'^onteiliper  frcst'tzlicli'  r  He- 
Stimmung  oft  andere  Uf^noite  den  Sitzungen  beigewohnt,  so  zu  ilirer  Be- 
lehmiig  Provinxial-ßugyos  und  Professoren  des  Daigaku  (Hochschule). 

*  Sakatani  hat  eine  Reihe  derartiger  Fälle  gesammelt  In  «nem 
Prnr.ors  gegen  untergeordnete  Beamte  des  Kanjo -Bogjo-Sho  eafe  ein 
i{o?hui  mit  den  Kaojü-Qimmijaku. 

Als  letzter  Fall,  in  welchem  der  Shogun  selbst  dem  Gericht  vor- 


X  4. 


53 


Auf  dem  ^^'e^^e  der  Informationseinholung  konnten  aber 
auch  später  noch  Fragen  zur  Entscheidung  des  Shoguns  kommen, 
doch  soll  er  regelmflfsig  die  \'or8cliläge  des  Goroiu  bestätigt 
haben.  Wie  der  selbstherrUchste  der  Shogune,  lyeiuitsu,  seine 
Stellung  auffal'ste,  zeiet  sein  Ausspruch:  „Die  Vasallen  sollen 
nach  dem  OeaeCs  entwäädeii,  der  Herr  nach  Billigkeit*. 


Drittes  Kapitel. 
Der  Untergang  des  Shoganats« 

So  war  das  liegimeut  bescl»alien,  welches  Japau  eine  mehr 
JÜB  sMrdbundertiährige  angestörte  innere  Ruhe  eab|  ein  bis  dahin  tüf 
Japan  und  wohl  für  die  meirten  Länder  nidit  dagewesener  Zu* 

•tand.  Er  beruhte  auf  einer  straff  organisierten  Militärr^erung, 
auf  einer  kunstvoUen  Balancierung  der  Macht  der  Fürsten  durcn 
Ausnutzung  der  natur^emäfs  gegebenen  Kleinstaaterei ,  auf  d(T 
Unteroi-dnun^^  aller  Leben sverhiiltnisse  unter  strenge  JSitte  u;i(I 
Zucht,  welclie  durch  einen  starren  Ehrenkod^x  die  höheren 
^Stände  ebenso  band,  wie  sie  das  gewöhnliclie  Volk  in  demütiger 
Unterwar6gkeit  ^ielt,  gesttttst  auf  das  Prinzip  gegensatiger 
Veiantwortttchkeit,  welches  1ms  in  die  leixten  Konsequenseo  Mann 
und  Weib,  Vater  und  Kinder,  Hemd  und  Diener,  Nachbarn  und 
Oemeindegenossen  füreinander  verantwortlich  machte.  Er  be- 
ruhte auf  einer  halb  socialistischen  Regelung  der  Wirtschafts- 


«afs,  liWt  ein  Prozefs  wegen  dzies  Vennchs,  die  Erbfolge  im  Fttrstentum 

Takata  in  Echi^o  rechtswidrit^  zu  ändern.  In  der  Darstellung  des  Falles 
bei  Rudorft  (den  ich  uuf  den  Fall  aufmerksam  gemacht  liatte),  Rechts- 
pflege S.  'Xif<,  ist  nicht  nur  der  Fall.  soiuIlm-ii  sofin&r  ein  Teil  der  Nauion 
uonchtig  mitgeteilt.  Der  Fürst  Mit8uiia<^'a  von  Takata  in  Eehigo  hatte 
keinen  Sohn.  Die  ineistcu  VasaHcn  wünschten  seinen  jüngeren  Bruder 
Nagayoshi  zum  Nachfolger  eingesetzt  zu  sehen.  Der  Karo  Opiri  Mima- 
saka  setste  es  aber  deren,  dafs  dn  «mtfemterer  Verwandter,  Tsunaktuii, 
der  geistesschwach  gewesen  sein  «oll.  znin  Krbrn  erklärt  wurde.  Naea* 
yoshi  unterstützt  von  dem  Rat  Ogita  Öhime  wandte  sich  beschwerae- 
tUfarend  an  das  Bakufu,  doch  wurde  die  Sache  durch  Oguris  Einflnfs 
jahrelang  verschleppt,  bis  der  Shogun  Tsunayoshi  eingriff  (1680),  nach- 
dem in  "Kchigo  Unnihen  ausgebrochen  waren.  In  Gegenwart  der  Go- 
sanke,  des  Goroju,  der  Wakadoshiyori ,  Sam-Bugjo ,  Ömetsuke  uud  an- 
derer Beamter  wurde  der  Prozefs  verhandelt  und  vom  Shogun  seibat 
entschieden.  Dieser  erklärte  bezeichnenderweise  alle  Beteiligten  für 
Bcbttldig.  Oguri  und  sein  Sohn  wurden  verurteilt,  sich  selbst  zu  töten, 
AUteimaga  nach  lyo,  Nagayosbi  und  Qgita  Shime  nach  der  Insel  Ha* 
«bijo  verlManL 


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54 


X  4. 


vprlifiltiiisse,  die  mit  ihrf  r  Natiirahvirt«c!i;(ft  und  unentwickeltem 
Verkehr  in  vielen  I5ezieiiungen  an  uuarv  Mittelalter  erinnert,  aber 
auch  vieles  Eigenartige  bietet,  mit  i^uxus^esetzen  und  l*reistaxen, 
mit  Koalition« verboten  gegen  die  Arbeiter  wie  gegen  Verkäufer 
von  Waren,  Verbot  des  Äufkaiift  und  Begelnog  des  Zwischen- 
handeb,  mit  Strorsenzwang  und  Stapelrechten ,  kor  jenem  Be- 
streben jeden  bei  dem  Seinen  in  den  hergebrachten  Verhnltniäsea 
zu  erhalten,  das  auch  in  unserem  Zunftwesen  eine  solche  KoUe 
spielt.  Über  allem  aber  steht  die  Sorge  um  die  Ern.'ihrung.  den 
Reis,  der  zugleich  das  liauptobjekt  der  Finanzwirtöchatt  ist,  eine 
Ftirsorue,  die  sieli  in  der  grofsartigen  Speicherverwaltung  einer- 
beiis,  in  der  lieeiuduasung  von  Produktion  und  Koubum  ander- 
seits zeigt,  mit  dem  Verbot,  Reisfelder  zu  anderen  Zwecken  zu 
verwenden,  mit  Ermahnungen,  nicht  zuviel  Rds  zu  Sake  zu  vet- 
brauen,  u.  s.  w. 

Es  war  bei  aller  Strenge  und  gelegentlichen  \\'i]lkttr  doch 
im  ganzen  ein  vätirliche^i ,  wohlwollendes  Regiment,  nnmentlieh 
in  den  direkten  Herrschaften  der  Tokugawa  und  in  den  grolsen 
Dainiyaten,  während  in  den  kleinen  Herrschaften  der  Druck 
allerdings  zuweilen  unerträglich  wurde. 

Aus  unserer  Darstellung  geht  hervor^  dais  die  \'orstelluDg, 
dafs  die  Herrschaft  der  Tokugawa  sich  sofort  so  gestaltet  hätte, 
wie  man  sie  später  kennen  lernte,  irrig  ist.  Erst  unter  dem 
dritten  Shogun  Ijemitsu  (1623 — 1651)  kam  der  Bau  zu  einem 
gcvvissen  Abschlufs'.  Einige  der  eigenartigsten  Einrichtungen 
st-nmmrn  aus  seiner  Zeit,  vor  allem  die  sirmire  Absperrung 
gegen  das  Ausland.  Aber  schon  gegen  das  Ende  tlebseiben  Jahr- 
hunderte befend  sich  das  neue  StiUiL^wesen  in  groi'öen  Schwierig- 
keiten. Die  Finanzen  waren  in  völliger  Unordnung.  Anläute 
zu  Befonnen,  die  der  Staatsmann  Inaba  Masanori  Mino  no  Kaqii 
anregte,  blieben  in  den  An&ngen  stecken.  Mit  dem  Prinzen 
Yoshimune  vonKii,  der  nach  Aussterben  der  Hauptlinie  1716 
von  der  Familie  zum  Shogun  erwählt  wurde,  begann  eine  Reihe 
wichtiger  Retbrinen,  die  grofs^o  Geseizsanindung  (Kfijonuten) 
wurde  in  Angriti'  genommen ,  die  Uerichtsvortassung  retorniiert, 
da«  Gthaitswesen  und  die  Lokalverwaltung  neu  geregelt  und 
die  Finanzen  in  Ordnung  gebracht.  Konnte  er  die  Verschlech- 
terung des  Geldes  nicht  hindern,  so  hat  er  es  doch  wieder  auf 
eine  festere  Basis  gebracht,  auf  welcher  es  sich  bis  1818  halten 
konnte. 

Aber  auch  diese  Reformen  haben  eine  Entwickelung  nicht 
gehemmt,  welche  immer  und  immer  wieder  die  politische  Oigani- 

'  Noch  lü'ül  brachte  die  Ven^bwunin^  des  Manibashi  Cbuya  die 
Tokugawahemcliaft  enistUch  in  Gefabr.  Die  unerwartete  Milde,  welche 

die  HepieruD^^  .i;«';xen  viele  hocli^^tohrndf  Pcr.'^iin«'!) .  die  koinniomittiert 
wareu,  walteu  iiefs,  wird  von  den  iiolläudem  der  Unsicherheit  zu;.'e- 
flchriebcu,  welche  in  den  höclisten  Kreisen  Uber  den  Bestand  der  Hegieruu^ 
henschtet 


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55 


sation  Japans  zersetzt  hat:  das  Zurücktreten  des  persönlichon 
AnieiKs  des  ITerrschenden  an  der  Regionmg.  Oeraae  das  Sho- 
gunat  beruhte  wesentHeh  auf  der  Tüchtigkeit  der  Shogune.  Wie 
durch  ceremonielle  Isoherun^;  und  Verweichlichung  die  Kaiser  in 
der  Ausübung  der  Herrschaft  durch  ihren  Hotadel  und  später 
durch  die  Shogmic,  wie  dic^e  wieder  durch  die  Shikkcu  ersetzt 
waren,  so  sehen  wir  auch  die  Tokugawa-Shogune  aUmähUch 
die  Gcachäfte  mehr  und  mehr  ihren  honen  Beamten  überlassen. 
Und  die  hohen  Beamten  überliefi>en  wieder  die  Einzeihcit<^n  ihren 
Vasallen  und  Linter^: ebenen.  Vor  allem  in  der  Keehtepflege 
ftdirte  da.s  zu  ar^en  Mil'sstiinden.  l)ie  lange  Kegierimg  des  |»raeht- 
liebenden  elften  Shoguns  lyenari  ( 1  71^7  —  1  s;57 )  erscheint  als 
die  eigentliche  Zeit  der  V'erlottcning,  wie  auch  seine  Verschwen- 
dung die  nie  glänzenden  Finanzen  de.>5  StaaLäweseus  arg  schwächte. 
Die  flchlafle  Anwendung  der  klug  zur  Beherrschune^  der  Landes- 
fbraten  ansgedachten  Kontroilmalkregehi  (namentlich  der  Ver- 
setBong)  liels  nach  und  nach  die  Schwäche  der  Centrairegierung 
erkennen. 

Almlicli  war  es  in  den  Dainiyafen.  Die  Daimvos  si  lbst 
wjfrf»n  jeder  wirkhelien  Thiitigkeit  cntwr>hnt,  in  den  meisten  Herr- 
sehalp  n  w^r-^n  nKor  -nfeh  die  Karo  (die  Minister)  zu  vornelime 
Herren  geworden  sich  selbst  anzustrengen.  Erziehung,  Weiber, 
Sjike  hatten  die  meisten  Mitglieder  der  höchsten  Stände  unfkhig 
zu  Ernsterem  als  schöngeistiger  Patronage  von  Kunst  und  Litte- 
ratur  gemacht  In  den  Han  wie  im  ßakufd  herrschte  in  Wahr- 
heit die  mittlere  Beamtenschaft,  die  alten  Regierangsformen  waren 
hohler  Schein.  Arger  noch  als  im  Hakufu  war  die  Finanznot 
in  den  Han.  von  welchen  viele  unter  den  Folgen  der  Papiergeld- 
wirtöcliaft  litten  Um  1784  war  es  schon  einmal  so  weit,  dafs 
die  Kaiifleutc  in  ( )saka  selbst  ge^^  n  die  Garantie  des  liakufu 
den  Daimvos  nicht  mehr  Geld  liehen'.  Zum  Teil  war  die  tinan- 
meUe  Schwache  der  DaimTOs  beabsichtigte  Folge  der  Politik  des 
Bakufu.  Die  fieisen  nach  Yedo  und  zurück  mit  ^rofsem  Ge- 
folge, die  doppelte  Hofhaltung  in  Yedo  und  in  der  eigenen  Resi- 
denz, die  groisen  öffentlichen  Bauten,  die  ihnen  aufgelegt  wurden, 
bildeten  eine  schwere  Last.  Vielfac  h  war  die  Finanznot  aber 
auch  durch  übermfüsigen  Aufwand  v»T.seimldet,  auch  durch  voll<s- 
wirtschaftlicbc  (^u^^s^bereien ,  Versuche  mit  irgend  weichen 


'  Die  Regierung  verfiel  (Imnals  auf  einen  Plan,  um  i  n  naiinvos 
autizuhelfen  und  den  selbst  dabei  eine  ii^Dahme  ssu  versciiaüeu.  Die 
Machi-  Uugyo  von  Osaka  flollten  von  den  grofsen  dorti^n  Kaofleaten  eine 
entsprechende  Summe  verlanji:en.  Aus  diesem  Fonds  sollte  den  Daiinyos 
6eld  fjceliehen  werden.  Das  Bakafu  garantierte  Rückzahlung  und  sollte 
dafür  ein  Hiebintel  der  Zinsen  erhalten.  Der  Plan  scheiterte  an  der 
Weigemng  der  Kautlt-utc,  die  lieber  das  Siebentel  der  Zinsen  olme 
weiteres  zahhm  als  das  Geld  horgeV"^!!  wcillten.  .\neh  der  ^^'T^^u^■ll, 
änen  Darlebnsfonds  durch  eine  Zwan^^t^aulieihe  zu  bescbaHen,  wurde  nicht 
durehgeAihTt 


56 


wunderbaren  UntemeliinuD-AeQ  (Handelsmonopolen  u.  derglj  aus 
zwei  mal  zwei  tünt'  zu  machen,  Experimente,  die  Bchliei'älich 
reg^mälaig  dem  Balgeber  ebenso  acfaleeht  belumeii  wie  der 
hmdeafilraUicheo  Kaaae.  Dab  alleiD  genügt  aber  nicht)  die  ewige 
Finansnot  der  Unn  wie  des  Bakufa  su  erklüren. 

Der  Grund  ist  wohl  tiefer  zu  suchen  in  der  allmählichen 
Umgestaltung;  der  wirtsch.iftliclien  Verhältnisse  in  der  lanf:^en 
Fritidenszcit.  Wie  in  Kurop«!  am  Ausgang  des  Mittelulters  wuclis 
die  Bevölkerun«;  Mit  der  Ausdehnung  des  Ackcrlande.s  bei 
uDveräuderter  Tecbuik  «liegen  die  Produktionskosten,  je  mehr 
schlechteres  Land  in  Angriff  genommen  wurde.  Mit  der  grOlseren 
Entwickelung  yod  Bbmael  and  Industrie  entstand  ein  gröfseres 
Bedürfnis  nach  Geldeinnahmen  statt  der  Naturaleinnahmen ,  die 
Qeldwirtschaft  fing  an  immer  nötiger  zu  werden,  während  der 
ganze  Staat.sbau  auf  einfache  naturalwirtschaftliche  Verhältnisse 
ziii^'e-elinitten  war.  Wie  in  Kuropa,  machte  dieser  l'bergang 
endiose  Schwierigkeiten.  Man  fühlte  die  Symptome,  aber  kannte 
den  Grund  nicht.  Man  experimentierte  am  MUnzwe^en  herum, 
ohne  doch  den  sich  immer  wiederholenden  Klagen  über  Knapp- 
heit des  Geldumlaufes  abhelfen  au  können.  Gegen  1850  lief 
im  8ttden  und  Westen  eigentlich  nur  noch  Papiergeld  um.  Wo 
es  Metallgeld  gab,  wurde  es  immer  schlechter,  nicht  blofs  durch 
die  Malisregeln  der  Regierung,  sondern  auch  dadurcli,  dafs  die 
bei  der  unvollkommenen  Technik  sehr  ungleichen  Münzen  aus- 
gesucht wurden  und  nur  die  leichten  im  Umlauf  bHeben. 

Dazu  kommt  ein  Weiteres.  Mit  der  Bevölkerung  nalmicn 
auch  die  Samurais  zu.  Den  Landesherren  wurde  es  immer 
schwerer,  alle  die  Leute  durchauRlttem,  die  der  BegeL  nach 
weiter  nichts  gelernt  hatten,  auf  jeden  Gelderwerb  verBchtltch 
herabsahen.  Vielfach  waren  sie  dazu  schlielslich  nicht  mehr  im 
Stande.  Die  Zahl  der  herrenlosen  Samurais  (Bonin)  nahm  su, 
ein  gefahrliches,  unbotmiilsiges  Element.  Kurz  nach  Öffinung 
der  Hafen  traten  .sie  schon  in  ganzen  Händen  auf. 

Auderaeitii  sahen  bei  der  Ki'blicljk*  it  aller  höhenn  Amter 
gerade  die  Strebsamen  unter  den  kleinen  Samurais  den  \\'cg 
zu  höheren  Stellungen  sogut  wie  eanz  verschlossen.  Für  ihre 
zunehmende  geistige  Bildung  fand  sich  kdn  genügendes  Feld 
der  Bethätigung.  NamentUch  aus  diesen  Kreisen  sind  die  trei> 
benden  Elemente  der  Umwälzung  hervoi^Qgaogen.  Sie  haben 
in  Japan  eine  ähnliche  Rolle  gespielt  wie  im  modernen  Europa 
der  gebildete  Bürgerstand ,  fimlich  mit  dem  gewaltigen  Unter- 

'  siehe  das  Cicat  auB  japaiiisflier  QuelJe  ho]  Adams,  History  of 
Japan  I  lö4:  .,SeU  dieser  Zeit  trieben  sich  zahlreiche  Schwertträger 
niederer  Horte  im  Lande  umher  und  versprachen  grofse  Thaten".  yg\. 
auch  (lif  f^p^-efTnung  des  Kegenten  von  Satsuma  im  Frühling  18G2  mit 
einer  groiseu  Baude  von  Konins  in  Uimeji.  In  deu  Jahren  lb62  und  ItiGii 
stand  Kyoto  seitweise  unter  einer  voUstKndigeD  äcbreelcenBheiisehsIt 
dieser  gesetsloaen  lisnden. 


.  k,  1.  ^  .  y  Google 


X  4. 


57 


ächied,  dal-  sie,  ohne  festen  Besitz,  nichts  zu  verlicrcu  iiattea 
und  äicii  mit  um  so  gröfserer  RUcksichtslotiigkeit  in  die  politische 
Agitation  stttraen  konnten.  Sie  vor  allem  waren  es,  welche,  mit 
4len  bestehendeD  Verhllltiuaaen  ansufirieden,  die  Verbtiidung  der 
Daimyate  mit  dem  Hof  in  Kyoto  zu  W^e  bnushten  und  so  der 
Mifsstimmung  in  den  Daimyaten  den  ffinterigrand  weiter  poU- 
tiacher  Ideen  und  populärer  Schlagworte  gaben. 

WfUirfnrl  namHch  die  materielle  Macht  des  ShoguDc-its 
ziu-ückging,  vollzog  aich  eine  andere  zunächst  rein  ideelle  litte- 
rariäclie  Bewegung.  Gegenüber  dem  Zerkall  des  Landes  in  eine 
Anzahl  thatsächlich  unabhängiger  Gebiete  am  Anfang  des  sech- 
aehnten  Jahrhunderts  hatte  &b  Werk  des  Nobonaga,  des  Hlde- 
yoshi  und  des  lye^asu  die  Hersteihmg  der  Beichseinheit  be- 
deutet: dieser  folgte  nun  eine  litterarische  Strömung,  welche  sich 
,  der  eigenen  nationalen  nichtchinesischcn  litterarischen  Denkmäler 
erijinfrtc.  Es  ist  wohl  kein  Zufall,  dafs  der  Absperrung  des 
Lund  1-  naeh  auisen  eine  fTeistesströmung  folgte,  welche  unter 
der  auöluudischen  6chieht  von  chinesischer  Litteratur  und  bud- 
dhistischer Moral  die  nationalen  Altertümer  hervorzugraben,  die 
Shintordigion  und  die  alte  Poesie  zu  beleben  suchte  ^  Da  aber 
stand  Ubwall  im  Mittelpunkt  der  Rdigion  wie  der  Litteratur 
das  alte  legitime  Kaiserhaus,  der  Sonnensprols,  dessen  Nachkomme 
im  Palast  in  Kyoto  von  feierlichem  Ceremoniell  umgeben  lebte, 
nominell  noch  immer  der  Souverän  des  Landes.  Das  waren 
litterarische  Studien  /jmächst  ohne  politischen  Beigeschmack,  am 
eifngslen  gefordert  gerade  von  Mitgliedern  der  Familie  Toku- 
gawa.    Aber  mit  der  Zeit  äufserten  diese  Studien  doch  auch 

Sraktiscbe  Wirkungen.  Ihnen  ist  es  wohl  zuzuschrdben,  wenn 
er  Shogun  Ypahimune  manche  Gebräuche  an  sdnem  llofe  ab- 
stdlte,  welche  der  schuldigen  Achtung  vor  dem  Mikado  nicht 
entsprachen  (z.  B.  Tnigen  gewisser  Kleidung,  Gebrauch  von 
gewissen  Redewendungen  betreffend  die  e'vjyne  Herrschaft).  Es 
konnte  nicht  ausbleiben.  daCs  VertiKulir  gezogen  wurden 
zwischen  der  theore tischen  und  dvr  wirklieiien  Bedeulung  des 
Mikado.  So  enti^tand  eine  liichtung,  welche  mehr  und  mehr 
die  Herrschaft  der  Tokugawa  als  eine  Usurpation  ansah.  Dais 
namentlich  in  den  gröfseren  Landesherrscbaften  des  Südens,  welche 
stets  nur  widerwillig  die  Aufsicht  des  Bakufu  über  sich  ergehen 
liefsen,  solche  Theorieen  rasch  beliebt  wurden,  ist  leicht  verstfind 
lieh.  Ich  bin  nicht  in  der  Lage,  aus  eigenen  Studien  zu  dem 
wenigen  in  der  europäischen  Litteratur  bisher  über  das  Ent- 
stehen dieser  legitimistischen  Strömung  Bekannten  etwas  hin/Ai- 
zuiugen.  Es  ibt  bemerkenswert,  dals  bereits  1787  Motoori,  der 
bedeutendste  dieser  Shmto-Gelehrten ,  das  alte  Regime  angriff, 


'  Vprl  Satow,  The  Revival  of  Pore  »hinto,  in  Tnuuaetions  of  the 

As.  Soc.  oi  J.  III  Nr.  1,  Appendix. 


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68 


X  4. 


dal*8  1836  eine  Schritt  eines  andenn  Hauptes  dicker  Sclmle, 
Hirata,  aua  politiachen  Gründen  verboten  wurde,  dalk  überliaupt 
seit  etwa  1820  pofitucbe  Proaesse  wegen  Angriffen  gegen  dw 
Bakttfu  aich  mehrten.  Die  ganze  japanische  G^eschidite  wurde 
im  legitimistischen  Sinne  rekonstruiert.  Vor  allem  wird  dem 
durch  dt  ri  Fürsten  von  Alito  Mitsukuni  (1628  —  1700),  den  be- 
rühmten Mito  Koinon,  begonnenen  groCsen  Geschichtswerk  Dai- 
nihonöhi  greiser  Kintluls  in  dieser  Richtung  zugeschrieben.  Aus 
späterer  Zeit  ist  wegen  des  grofsen  KinHusses,  den  es  j»"eUbt  hat 
und  noch  übt,  das  Geschichtswerk  NihoD  Gwaishi  von  iiiii 
Sanyo  (1827  erschienen)  zu  nennen.  Das  Merkwttrdi^te  an 
dieser  Bewegung  ist,  dals  sie  ihre  wichtigste  Sttttse  in  einem  der 
Zweige  des  Hauses  Tokugawa  selbst,  dem  Hause  Mito  fand.  Der 
Fürst  Nariaki  von  Mito  (seit  182^^)  wurde  schlieÜBlich  dem  Ba- 
kufu  so  verdächtig,  dals  er  1814  in  Haft  genommen  und  erst 
bei  Ankunft  der  Amerikaner  lb.')3  daraus  entlassen  wurde. 
Dieser  zweideutigen  Gestalt  wird  nachher  noch  Erwähnung  zu 
thun  sein. 

So  war  das  feste  Gefüge,  das  die  Tokueawa  errichtet^ 
schon  bedenklich  gelockert,  als  die  Ankunft  &r  Amerikaner 

und  die  Öffnung  mehrerer  Häfen  fiir  den  fremden  Handel  d^ 
Stein  ins  Rollen  brachte,  der  den  alten  Bau  zerschmettern 
sollte. 

Ms  würde  hier  zu  weit  führen,  die  ( iesehiehte  der  der  Öffnung 
der  Hafen  f(^lgenden  Jahre  im  einzelnen  darzustellen.  Nur  die 
lur  die  St^tatsentwiekelung  wesentlichen  Züge  sind  herauszuhebend 

Die  öffiiun^  iapaniBieher  Btt&n  für  fremden  Verkehr  wäre 
nach  der  Entwickelnng  der  modernen  Verkehrsmittel  jedenfalls  not- 
wendig geworden.  Immer  häufiger  wurden  die  zuf;inigen  oder  ab- 
sichtlichen Berührungen  mit  dem  Auslande.  Durch  die  Holländer 
in  Nagasaki  verbre  itete  sieh  einige  Kenntni^^  von  den  wirklichen 
Zustanden  der  Aulsenwelt.  Namentlich  seit  an  der  kalifornisehen 
Küste  feiedelung  und  Verkehr  sich  entwiekelten ,  war  die  Ab- 
sperrung nicht  mehr  haltbar.  Aber  der  Zeitpunkt  der  Ankunft 
der  Fremden  war  ein  für  die  weitere  Entwickelung  unglücklicher. 
Unmittelbar  nachdem  der  amerikanische  KonmiMore  Perr^  am 
Eingang  der  Bucht  von  Yedo  erschienen  war  und  seine  Wieder 
kehr  im  nächsten  Frühjahr  zur  Eröffnung  der  Verhandlungen 
versprochen  hatte^  starb  der  Shogun  lyeyoshi,  der  zwöi^  Toku- 


'  Eioe  kurze  öberKichtliche  DarateliuDg  giebt  Hein,  Janan  I 
41s.  Das  Hauptwerk  ist  F.  O.  Adams,  The  Hietory  ot  Jajmu. 
2  Bände  London  1874  lö,  welches  die  Zeit  von  1N>»— 1871  bchaudelt. 
Vgl.  aueh  W.  Black,  Young  Japan.  2  Bftnde  1880/81,  mit  vielen  be- 
inerkeiihwertcii  Noti/eii,  das  voiiSiitow  Ubereetzte  Kiii8ei  Shiriaku.  flii? 
Berichte  über  die  Expeditionen  der  westlichen  Mächte,  namentlich  den 
von  Berg  erstatteten  über  die  preufsische  Expedition  nach  Ostaaien. 
Manche  bemerkenswerten  Züge  in  der  Biogniphie  des  U*Daijin  Iwakura, 
ins  Französische  Ubenefa&t  von  L.  van  de  Polder,  Yokohama  18d5w 


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X  4.  59 

gawM-Shogun,  am  2o.  August  1853.  Di«*  durrii  moksc  Extraau.i- 
gaben  ohnehin  geschwächte  Ötaatskabde  wurde  tlurcli  den  Thron- 
wechsel wie  durch  die  kriegerischen  Vorbereitungen,  die  man 
zur  Abwehr  der  Fremden  traf,  ganz  geleert;  Ubmies  war  seit 
1845  eine  schlechte  Ernte  der  anderen  gefolgt  In  den  Ver- 
trägen, die  man  nicht  ganz  abzulehnen  wagte  und  die  am 
31.  Miins  1854  mit  den  Vereinigten  ^^taaten ,  im  s(»lben  .Talu'e 
mit  ( irolsbritannien.  h^55  mit  Ku Island  ab;,'eselilo8«en  wurden, 
hatte  man  den  fremden  Machten  nicht  weiter  viel  eingeräumt, 
im  wesentlichen  nur,  da!s  ihre  Schifte  in  einigen  Häfen  (Shinioda, 
Hakodate,  Kagasakij  Proviant  einnehmen  und  Wai'en  verkaulen 
durften.  Die  Niederlaasong  fremder  Eauflente  in  den  Httfen 
war  nicht  gestattet.  Auch  entwickelte  sich  zunächst  kern  nen- 
I  :  I  s werter  Handelsverkehr.  Die  Amerikan e  i  I  itten  sich  auch 
Zulassung  eines  Agenten  in  Shimoda  ausbedungen«  Den 
Holländern  gelang  es  ]85()  durch  einen  Vertrag  ihrer  Stellung 
in  N?ii?rtFr>ki  einen  würdigeren  (."iiarakter  zu  geben  K  \\  i<'htiger 
als  (he  V  erträge  selbst  war  die  \\  irkung,  welche  ihr  Abschhits 
im  Lande  hervorriet.  \\  ie  schwacli  ^sieh  das  Hakul'u  tiihlte,  geht 
am  bestem  daraus  hervor,  dafs  es  mit  den  grolseu  LandestUrstcu 
und  mit  dem  Hof  in  Kyoto  in  Verbindung  trat  und  diesem  die\ 
Notwendigkeit,  die  Verträge  abzuseliHefsen,  klarzumachen  \ 
suchte,  <  I  j^eich  der  Shogun  zum  Abscblufs  Yon  Verträgen  mit  { 
dem  Auslande  unzweifelhaft  befugt  war,  ebenso  wie  die  alte 
Absperrung  atif  Anordnungen  der  Sli  '^nne  beruhte.  as  aber 
noch  bczeiehnt^iider  war  für  die  Lage:  der  Hof  in  Kyoto  wagte 
zu  widersprechen.  Der  Shogun  möge  thun .  wa«  er  für  unver- 
meidlich halte,  aber  der  Hof  sei  dageg{;n.  Der  innere  A\'ider- 
sranch  des  Dualismas  kam  hier  zum  Aosbruch.  Sowie  das 
Bsknfo  nicht  mehr  unbedingt  herrschte,  sowie  der  Hof  eine 
eigene  Meinung  aussprechen  kormte,  ^var  das  Shogunat  zu  Ende. 
Hatte  der  Hof  keine  eigenen  Machtmittel,  so  waren  die  groCst  n 
Lande*<h<^rren  bereit,  sie  ihm  zu  leihen,  um  unter  der  Fahne  der 
kaiserlichen  Autorität  die  verbalste  Ilerrschait  in  Vedo  zu 
stürzen.  Eine  Reihe  der  wichtigsten  l'ürsten  gaben  offen  ihre 
Mifsbilhgung  zu  erkennen.  Sollte  das  Bakufu  nicht  ohne 
weitere»  sosammenbrechen ,  war  es  unbedingt  nötig,  die  Zflgel 
scharf  «länriehen.  Es  wurde  ein  JTaiio  (Regent)  ernaxmt»  Ii,, 
der  Fürst  von  Hiko|i&.(Omi),  der  grOfste  der  f\idal,  der  sofort 
lläfeiegeln  ergriff,  um  in  Kyoto  wie  gegen  die  Fürsten  energisch 
einzuschreiten  (1S5Ö).  Es  war  die  hin  hste  Zeit,  denn  schon  war 
der  Hn*'mit  <"inigcn  der  FUi-sten,  namentlich  ''-"  m  von  Mito,  heindieii 
in.  Vcrbmduog.    lu  diesem  kritischen  Moment  eriblgteu  zwei 

'  Sämtliflic  Vprtr-iir'*  Japans  mit  dem  Auslände  sind  in  einer  aiut- 
iichen  Saoimiuug  verüticuiiieht:  Treaties  and  Conventions  between  the 
Empire  of  Japan  aod  other  Powers  etc.  Letste  Au^be  Tokyo  1x84. 


wichtige  Ereignisse:  der  Slio^'un  Iv^mdn  ötiirb  am  15.  August, 
Q^Q^  Erben  zu  hinteriaüscn,  und  lias  Hakuiu  gab^dem  Dräugea 
der  fremden  flüchte  auf  Abscbiuls  eigentlicher  Handdsvertiige 
und  ZiilaBanng  diplomatiicber  Vertreter  in  Yedo  nach.  Zum 
VarstÜndnis  des  Ietztei*en  Vorganges  muls  man  sich  erinnern^ 
dafs  gmde  damals  Eiogland  und  Frankreich  in  Verwickelungen 
mit  China  geraten  waren  und  beträchtliche  Streitkräfte  in  Ost- 
nsirn  zusammenzogen,  wovon  das  Hakufu  natürlicl)  Kenntnis 
hatte.  Ende  1^*57  war  Kanton  b^scbosst-n  und  ersttlrmt,  im 
Frühling  1858  Tientain  besetzt  und  den  Chinesen  ein  neuer 
Vertrag  abgezwungen.  Dem  amenkanischen  Generalkonsul 
Harris»  aeit  1856  in  SUmoda  residierand,  gelang  es  am  2*J.  Juli 
1858  miter  dem  Eindruck  dieser  Nachrichten,  den  neuen  Han- 
delsYerirag  abzuschliefsen.  Ihm  folgten  am  18.  August  die  Nieder- 
lande,  am  19,  August  Rufsland,  am  2().  August  England  durch 
seinen  Oberkommissar  ftlr  Ostasien  Lord  Klgin,  der  ^um  ersten 
Male  eine  wu'klieh  bedeutende  eurojjUisehc  Slreitmaciit  den 
Japanern  zeigte;  am  9.  November  folgte  Frankreich.  Es  sind 
die  Vertrüge,  welche  im  wesentliclien  bis  jetzt  m  Kruit  siud, 
durch  welche  eine  Anzahl  Häfen  und  StMdte  dem  iremdea 
Handel  geOfihet  werden  sollten,  nämlich  die  Häfen  Kauagaw^ 
(an  dessen  Stelle  tiiatsächlioh  Yokohama  trat),  Nagasaki  und 
Hakodate  am  1.  Juli  1859,  Nügata  oder  ein  entsprechender 
Platz  am  1.  Januar  lH(»n,  Hyogo  am  1.  Januar  18t>'^  und  die 
Stfldt«'  Yi'Ao  nm  1.  .lanuar  l>^o2  und  Osaka  am  I.Januar  1868.  — 
rbrigeus  sei  gleich  hier  bemerkt,  dafs  der  Vertrag  mit  Preulsen 
vom  24.  Januar  18(31,  der  mit  Italien  voui  25.  August  iBtiö, 
der  mit  (Österreich- Ungarn  (der  letzte  mit  einem  europäischen 
Staate  abgcsdüossene)  yom  18.  Oktober  18ü9  daäert 

Mitten  in  den  Abschlnfs  der  Verträge  fiel  der  Tod  des 
Shoguns,  am  15.  August  1858,  nach  nur  eintägiger  Krankheit. 
Der  Verdacht  lag  nahe,  dals  sein  Tod  von  denen  herbeigeftlhrt 
war,  wek'lie  den  Verträgen  feindHch  waren,  um  so  den  Absehluls 
zu  verhindern,  bei  der  Festigkeit  des  Regenten  allerdings  ein 
vergeblicher  Versuch.  lyesada  hinterlieis  keine  Sülnie.  Von 
seinen  zahlreichen  Brüdern  lebte  nur  noch  einer  ^  der  aber  aus 
der  Familie  heraus  in  die  Nebenlinie  von  Hitotsubashi  adoptiert 
war  und  seinerseits  einen  Prinsen  Ton  Mito,  Yoshinobu  (Keiki), 
den  siebenten  Sohn  des  bernts  genannten  Nariaki  von  Mito, 
adoptiert  hatte.  Diesen  jungen  Prinzen  von  Hitotsubashi  wUnsehte 
eine  mächtige  Partei  zum  Shogun  ernannt  zu  sehen ,  vor  allem 
sein  leiblicher  Vater,  der  alte  Fürst  von  Mito,  aber  auch  die 
Fürsten  von  Uwari,  Echizen,  Satsuma,  vSendai.  Hizen,  Tosa  und 
andere.  Der  Kegent  Ii  dagegen  bestund  darauf,  dals  der  «Shogun 
dem  seit  dem  achten  iShogun  r^erenden  Hause  Kii  entnommen 
werden  mUsse,  und  setste  durch,  da(s  ein  awölQäbriger  Knabe, 
Yoshinofi  von  Kü,  unter  dem  Namen  lyemochi  als  Sncgun  pro- 


X  4. 


61 


klamiert  wurdet  Für  ihn  führte  Ii  als  Tairo  die  Regierung. 
Er  griff  nun  mit  eisenier  Hand  durch.  Eine  Anzahl  groCser 
Fürsten  (Owari,  Echizen,  Toaa  und  üwajima)  mulsten  abdanken 
und  die  Regierung  ihren  Nachfolgern  übergeben,  andere  erhielten 
Hausarrest  in  iliren  Yasiiikis.  Der  alte  Fürst  von  Mito.  dessen 
Verkehr  mit  dem  Hofe  entdeckt  wurde  uod  der  durch  den  plötz- 
lichen Tod  des  Shoguns  und  sein  Bestreben »  den  eigenen  Sohn 
an  dessen  Stelle  su  bringen ,  in  sehr  schiefem  Lichte  erschien, 
wurde  in  engem  Gewahrsam  gehalten.  Die  Gegner  des  R^enten 
am  Hofe  in  Kyoto  wurden  verhaftet,  die  Führer  zum  Todp  vfr- 
urteilt.  Noeli  einmal  .schien  die  Stellung  de«  Bakufu  gesicliert 
zu  sein.  Da  wurde  der  Regent  am  Moriren  des  24.  März  IHliO  i 
am  Sakurada-Thor  der  Burg  zu  Vedo  vou  Ronins  aus  Mito  / 
ermofdet  Ee  war  die  erste  in  der  langen  Reihe  von  Blutthaten, 
durch  welche  legitiniistascher  Nativismus  der  neuesten  Geschichte 
Japans  ein  so  eigenartiges  Geprüge  gegeben  hat  Ks  war  der 
Ausdruck  eines  Fanatismus,  dessen  Fortleben  noch  1889  die 
Ermordung  eines  Ministers,  die  Verstümmelung  eines  zweiten  / 
beniesen  hat.  Es  ist  vielleicht  nicht  ülx  i  tlüssig,  daraul  In'nzu- 
weisen,  dals  das,  was  Ii  gethan  hat  und  weshalb  sein  Andenken 
geschmäht  wird,  durchaus  deni  geltenden  Verfessungsrecht  ent- 
sprach, sowohl  die  E^tsefaetdung  Uber  die  JBSrbfolge  wie  die 
strenge  Unterdrückung  der  Zettelungen  der  Ho^Mirtei.  £m  Un- 
dOck  f^ir  das  Bakufii  aber  war,  dais  durch  sem  Voigehen  das 
fiaus  der  Tokugawa  ganz  in  sich  uneins  geworden  war. 

Die  Aufregung  getren  das  Bakufu  wegen  Öfftiung  der  Häfen 
kam  nicht  zur  Ruhe.    8ie  wurde  genährt  durch  wirtschaftliche 
Vorgänirc,  welche  gjinz  direkt  die  Folge  des  fremden  Handels 
waren,  numlich  ein  allgemeines  Steigen  der  Produkteupreisc  und 
eine  vOUige  Verwirrung  der  ohnehin  schon  wenig  befiiedigenden 
Wtthningsverhftltnisee.   Als  nilnilich  die  fremden  Kaufleute  am 
1.  Juli  1859  ins  Land  kamen,  fimden  sie  ein  von  dem  in  der 
übrigen  Welt  herrschenden  völlig  abweichendes  Wertverhnltnis 
zwischen   Silber   und  Gold.     Zu   der    FinriTT/kunsfstücken  der 
Tokugawa  hatte  eine  allmählich  immer  stärkere  Wert  Steigerung 
der  Sübermünzen  gehört.  Um  1640  soll  nach  neueren  japanischen 
Berichten  das  V\  ertverhältnis  etwa  1  zu  13     gewesen  sein,  was 
aber  mit  den  Angaboi  der  Holländer  nicht  r&Ski  stimmt  Nach 
diesen  mufs  man  annehmen,  dafs  es  im  17.  Jahrhundert  zwischen 
1  zu  8  und  1  zu  12  geschwankt  hat.    Um  1800  war  bei  der 
Ausmünznng  das  Verhältnis  1  sn  8^  2.    Die  Rop:u  rung  hatte 
dann  das  Sil  hör  immer  höher  angesetzt.    Seit  etwa  1830  stand 
es  auf  5  gegen  l  Gold^   Nun  enthielten  die  Verträge  die  Be- 

»  lyemochn  Vater  war  tbrigens  aer  filtote  von  deo  noch  lebenden 
Söhnen  des  elften  Shoguns  and  dotch  Adoption  Haupt  der  in  ivu 
regierenden  Linie  geworaen.  j  -  u* 

«  In  dem  späteren  Goldycii  (l,r.  gr  fein  =  4,im  Mark)  »"«Sf^^***^" 
hatte  Tor  1850  der  Goldkofaan  (l^o)  einoi  Wert  tob  4,si  Yen.   Bin  Kyo  war 


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62 


X  4. 


stinivniing.  dai's  ein  Jahr  iang  nach  Eröflnung  jedes  liatens  die 
japanische  Kegierung  den  Fn  niden  für  ihr  Gäd  —  Oold  gegen 
Gold,  Silber  gegen  Silber  —  gegen  das  gleiche  Gewicht  japanisches 
Geld  liefern  werde.  Das  eab  eine  ganz  einzige  Gelegenheit^ 
ungeheure  Oewinne  zu  machen.  Die  Fremden  tauschten  gegen 
ihre  SilberdoUars  silberne  BustUcke  ein  und  kauften  mit  diesen 
Goldkobans.  welche  in  grofaen  Mengen  ausgefiihrt  wurden.  Ein 
einfaehes  nochenexempel  ans  den  nnten  gegebenen  Zahlen  zeigt, 
daiß  diese--  fiffehüft  200  Prozent  Gewinn  abwart",  wovon  nur 
die  'i'ranäportk  i.sten  der  eingiführten  SilberdoUars  und  der  aua- 
gelidirten  Kubans  abgingen.  Ein  wirkUcher  Warenhandel, 
namenilioh  Elnftthr  ,  kam  im  ersten  Jahre  überhaupt  nicht  zu 
Stande.  Die  wirklich  ausgefilhrto  Goldmenge  ist  nicht  bekannt. 
I^ie  ernsthaften  Schätzungen  gehen  auf  höchstens  eine  Million 
Kobans  Bereits  im  November  1859  wurde  der  Geldwechsel 
ftir  die  fremden  Kauflente  eingestellt.  Aber  die  bisherige  Wert- 
relation war  unhaltbar.  Nach  einigen  unbedentenden  und  nutz- 
losen Malsregeln  entschlola  jnan  sieh  anfangs  ISiiu  zu  einer 
gewaltigen  Änderung  und  Herstellung  des  in  der  übrigen  Welt 

f eltenden  Verhältnisses,  nicht  durch  entsprechende  Bewertung 
er  Silbermünzen,  sondern  durch  Herabsetzung  des  Goldiyo  auf 
beinahe  ein  Drittel  seines  bisherigen  (lelialtt^s^  Dieser  neue 
kleine  Ryo  war  aber  gesetzliches  Zahlungsmittel  fear  alle  alten 
auf  Ryo  laufendi'n  Forderungen:  eine  Seisaehthie,  wie  sie  wohl 
selten  vorgekommen  i.st.  P.ine  weitere  Störung  der  Münzver- 
hiümisse  entstand  durch  die  allerdings  %'erbotene,  aber  thatsächlich 
geübte  Ausfuhr  von  Kuptenniinüen  nach  China,  welche  gleich- 
falls durch  die  UbermäCsige  Bewertung  der  Silbermünzen  lohnend 
war.  Die  kleinen  Kupfermünzen  wurden  dadurch  sdten  und 
stiegen  im  Werte. 

Zu  all  diesem  kam  noch  eine  wirkliche  Steigerung  der 
Preise  für  solclie  Waren,  welche  die  fremden  Kauflente  zu  erheb- 
lich höheren  Preisen  einkauften .  als  bisher  im  Lande  üblich 
waren,  namentlich  fiir  Seide,  von  weleher  in  der  Saison  18«50*il 
bereits  510  000  kg  ausgeführt  wurden,  und  für  iiaumwoUe,  deren 
infolge  den  amerikanischen  Secessionskriegc.^  rasch  steigender 
Preb  zeitweise  eine  starke  Ausfuhr  veranlafste  (1863/64  §6465 
Ballen). 

Es  bedarf  keiner  Ausführung,  dals  dieser  Umsturz  aller 

bisher  gewohnten  Währungs-  und  Preisvdh.iltnisse  str»rend  in 
das  ganze  wirtsehaftHche  Loben  eingriti"  und  namentlich  die  aut 
ein  l&jtcä  Einkommen  angewiesenen  »Samurais  hart  traf.   In  einer 


Lileich  vier  8ilber-Bu.   Ein  Bustück  halte  oixkon  Wert  von  0,»«  Yen,  vier 
liM  <Ml,^r  ein  I'-  >   il^^n  waren  l,a«  Yen.    Fiir  diese  Silb<  rmr»iiire  erhielt 
man  iolgüch  ein  (Joiddlück  von  4,at  Yen  Wert.   Nach  Harris  wäre  der 
Eoban  =  4,44  DoUarB,  der  Bu     0,«i  Dollar  gewesen. 
■  Vgl.  Nftheres  unten  im  Kapitel  Mfinzwesen. 


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X  4. 


63 


olmehin  politisch  aufgeregten  Zeit  wurde  so  die  Unzufriedenh^t 

der  maisgebenden  Klasse  der  Oesellschaft  noch  vermehrt. 

>iach  Iis  Tode  schien  eine  Zeit  l-mt^  noch  die  Autorität  de,s 
Bakut'u  gesichert  zu  sein.  8ein  Gci^uer,  der  alte  Fürst  von 
Mito,  starb.  Der  junge  8hogun  wurde  mit  einer  Seliw(\ster  <l(!.s 
Mikado  vci-mählt.  Aber  jede  Festigkeit  lehlte.  Der  uiidcheiueüd 
bedcatendale  der  leitenden  Männer,  Ando,  zog  sich  nach  einem 
Hordanfiill,  bei  dem  er  schwer  verwundet  wurde,  von  den  Qte- 
schiilu'u  zurück  (M;u  18«)2).  und  um  dieselbe  Zeit  sehlugen  der 
Hof  in  Kyoto  und  die  südlichen  Landes! icrren,  oflr«  rl  v-  von  der 
in  Yedo  herrseliendeu  Schwiklie  und  ljnschlii>^iiikeit  unterrichtet, 
eine  unabliiinijijLre  Richtung  o'm ,  wie  .sie  seit  .lalu  liunderten  in  ^ 
Japan  un^^rli  rt  war.  Der  Kegent  von  Satsunia  und  der  Fürst  . 
von  Cliaduu  trafen  sich  in  Kyoto  und  vereinigten  sich  mit  dem 
iHofe  cBhin^  daCs  die  Politik  des  Bakufu  geändert,  dala  das  Land 
geBcbloBsen  werden  müsse.  Die  noch  lebenden  Gegner  Iis  wurden 
amnestiert.  Ini  >  Dinner  erseliien  als  Gesandter  des  Kaisers  der 
Adlige  Ohara,  lie^^leitet  von  (h'in  Kegenten  von  Satsunia,  Shimaza 
♦Saburo,  in  Yedo  mit  drr  Autforderung  an  (l<-n  Siiognu,  nach 
Kyoto  zu  kommen,  luii  mit  dem  Adel  und  thn  Landestursten 
festzustellen,  wie  man  die  iJarharen  nieder  .lustreiben  könnt;. 
Ende  Jidi  1802  versprach  der  Sho^un,  er  werde  dem  Hetehl  des 
;  Kaisers  nachkommen.  Auch  wurde,  wie  der  Kaiser  gewünscht, 
^  juu^e  Hitotmibashi  zum  Vormund^  der  alte  Fürst  von  Echizen 
{den  Ii  gezwungen  hatte,  abzudanken)  zum  Hauptratgeber  der 
Rogienmg  gemacht.  Vod  dieser  Unterwcrtimg  unter  den  lioi' 
an,  mtlfs  nifin  sagen,  war  die  bislierige  Reü;iei'uniJ;sform  tbatsüch- 
lich  zeröt<)rt.  Der  Sho^un  war  nichts  n^elir  ;ils  ein  besonders  ' 
mäelitiger  Lande.sfur.-it.  der  unter  Lc^itun;:;  des  Hofes  <lie  (lesehilfte 
führte.  Der  8ehwer|)unlct  la;^-  niclit  melu'  in  \  edo .  .soiulern  im 
Kaiscrsehlols  zu  Kjoto,  wo  der  Ti^inu  (lic  Lande^tmvsteu ,  äcine  ? 
Vasallen,  um  sich  versammelte.  Im  November  1862  wurde  den  »  t 
Fürsten  erlaabt,  ihre  Frauen  und  Kinder  aus  Yedo  in  ihre  eigenen 
Herrschaften  zu  bringen,  und  chis  Sankinkotiii,  die  Re.sidenzpllicht 
in  Ye*to  (vgL  S,  37),  ganz,  bedeutend  gemildert.  Die  Herrlich- 
keit des  »Shogunats  näherte  sich  ihrem  Ende.  \\  egen  der  allge- 
meinen Geldnot  wurden  die  gegenseitigen  (iesehenke  des  Slio- 
giins  und  der  D;iimyos  .ibgesc halft,  das  vorgeschrieljene  Gefolge 
vereinfacht.  Die  Aufregung  im  Land*-  unter  den  Samui'aiü  aber 
wuchs.  Mörderische  AuMle  auf  iVemde  wie  im  Verdacht  der 
SVemdenireandKchkeit  stehende  Japaner  mehrten  sich,  und  der 
B^ierung  wurde  es  immer  schwerer  ^  dagegen  vorzugeh^.  Im 
Winter  1862/d3  sanimelte  sich  eme  steigende  Zahl  von  Fürsten 
in  Kyoto,  namentlich  waren  alle  gröfseren  Daimyos  aus  dem 
^den  und  Westen  versammelt,  imd  auf  erneu! es  Drangen  des 
Hofes  ging  im  Frühling  /.nnüchst  der  Regent  Hitotsubashi,  dann 
der  junge  Shogim  selb.st  naeh  Kyoto,  wo  die  Austreibung  der 
Barbai'en  bescldossen  werden  sollte.    Eineu  ^ewiäaen  Erfolg  in 


.  y  1.  ^  .  y  Google 


64 


X  4. 


dieser  Riclitimg  hatte  das  Bakutu  Ix-reits  erreicht,  da  die  fremden 
Miiclite  in  den  Aufschub  der  Ötihung  weiterer  Häten  bih  zum 
1.  Januar  18()H  gewilligt  hatten. 

Der  Hof  emuicipierte  eich  nun  -volbtündig  von  «Uen  bis* 
herigen  Fessdn.  Der  Besuch  des  Sh^guns  war  ttogewöhnlich, 
die  Versammlung  der  Daunvos  war  gegen  alles  bisher  geltende 
Becht,  jetet  wurde  auch  äui»erlich  die  Unabhängigkeit  des  Kai- 
/sers  ge7<"!frt.  indem  er  das  Seliloff?  vorliel's.  um  in  einem  Tempel 
'  fUr  den  Ki  iolg  der  Barbarenaustreibunrc  zu  beten  ,  ein  Kmgnis. 
das  einen  un«ceheuren  Kindruck  im  Lande  machte.  Die  Daimyo«» 
wurden  in  ihre  Gebiete  geschickt,  um  die  nötigen  kriegerischen 
Vorbereitungen  EU  treffen,  und  der  25.  Juni  1868  als  der  Tag 
festgetietei,  an  welchem  die  Barbarenaustreibiing  beginnen  sötte. 
Während  dem  Shogun  nicht  erlaubt  wurde,  Kyoto  zu  verlassen 
—  man  sieht,  wie  die  Rollen  vertauscht  waren  —  kehrte  Hitotsu- 
bashi  nach  Yedo  znrfick  und  meldete  sofort,  es  sei  völlig  unmög- 
lieh,  die  Fremden  zu  vertreiben.  Den  fremden  Vertretern  aber 
stellte  das  Bakufu  am  24.  Juni  folgende  Mitteilung  zu :  der 
Shogun  liabe  Befehl  vom  Mikado  erhalten,  die  geöfftieten  Hafen 
zu  schliefsen  und  die  fremden  zu  entfernen,  da  die  Nation  keinen 
Veskehr  mit  ihnen  wOnsche.  Weiteres  sei  mttndlicher  Besprechiuig 
vorbehalten.  Es  ist  wohl  nicht  au  beaweifeln,  dals  die  Regierung 
in  Yedo  sich  von  diesem  Schritte  keinen  Erfolg  weiter  versprach 
und  nur  den  Befehlen  des  Kaisers  auf  diese  W  eise  formell  nach- 
komm eri  wolltet  Auch  wurde  die  Note  am  12.  November 
zurUckgeno  m  m  en . 

Am  andern  Ende  Japans  al)er  führte  der  Versuch  de,s  Ilotes, 
die  Poluik  des  Landes  zu  lenken,  zu  argen  Verwiekelungen. 
Der  FOrst  von  Gboshu  fiifste  den  Befehl  des  Kaisers,  die  Bar- 
baren am  25.  Jnni  auszutreiben ,  der  ihm  in  aller  Form  durch 
das  Bakufu  übermittelt  war,  in  bittcrem  Ernste  auf  und  liefs 
von  diesem  Tage  an  jedes  europäisch  gebaute  Schiff,  das  sich 
seinem  rJebiete  nftherte,  besehiefsrn,  so  dafs  die  Strafse  von 
Shimonoseki  auf  geraume  Zeit  dem  fremden  Verkehr  geschlossen 
war,  was  zu  dem  nachher  noch  zu  beapreciienden  bewaftueten 
Eingreifen  der  fremden  Mächte  fülirte.  Inzwischen  kam  es  aber 
zu  einem  emsthaften  Zusammenstoß  zwischen  einer  der  Mächte, 
England,  und  dem  mächtigsten  der  sttdlichen  Fttrsten,  dem  von 
Satsuma.  Als  der  Regent  dieser  Herrschaft  im  September  1862 
von  Yedo  nach  Kyoto  zurückging,  stiefs  sein  Zug  unweit  Yoko- 
hama auf  eine  spazierenreitende  englische  Gesellschaft;,  \^'egen 
einer  angeblichen  Etiketleverletaimg  wurde  diese  von  den  Ge- 


^  Es  ist  besdchnend,  daft  10  Tage  spXter  dem  englischen  Gesehafts- 

träger  eiin:  Entschuldigungsnote  wegen  verachiodenei*  vorgekomm«Mier 
Gcwaltthaten  iil>errcicht  wurde,  die  mit  dem  Ausdrncko  der  HoÖnung 
sclilofe,  dafn  nichts  wieder  vnrkommen  möge,  was  den  Abbruch  der  Be- 
ziehnnges  beider  Linder  venmlassen  könne.  Adams  I  280. 


X  4, 


65 


folgslf^nt  'n  Sntsumus  angejn^'ffen .  ein  gewisser  Richardson  zu- 
sammongehaiu  n,  einitre  andere  verletzt.  Der  eiijj^lisehe  Vertreter 
forderte  vergelx-iis  hicrfiir  (Tenu^tliuung  vom  ßakiifu.  Eine 
rJeldentscbädigung  für  die  (Jpler  wurde  allerdings  im  Juni  1863 
gezahlt  Die  Mörder  su  strafen  erklärte  das  Bakii^  sich  aul'ser 
Stande  So  wurde  schHeMch  ein  englisches  Geschwader  nach 
Satauma  geschickt,  um  Qenugthnnng  direkt  zu  verlangen,  was 
halb.,  infolge  von  Mifsverständnissen  zur  Beschiel'sung  der  dortigen 
Hauptstadt  Kagosliima  tührte  (15.  Au;;ust  18()3).  Das  Ereignis 
war  wichtig;  in  seinen  Folgen.  Es  zeigte  dem  stolzen  iSatsuma- 
Ilan,  wie  rei  lit  das  r»akufu  hatte,  wenn  es  die  Unmöglichkeit 
behauptete,  mit  den  jetzigen  Machtmitteln  die  Freniden  aiiszu- 
üeiben.  Eb  legte  gleiciizL-itig  einen  der  wichtigsten  Gegner  des 
Bakufu  lahm,  ja  veraDlafste  ihn  zeitweise  zu  dessen  Unterstfitzung 
Dieses  benutzte  die  Gelegenheit  zu  einem  glücklichen  Schaclizug 
in  dem  Intriguenspiel ,  das  am  Hof  in  Kyoto  fortdauerte, 
gelang  den  anderen  Hauptgegner,  den  Choshu-llan,  aus  Kyoto 
zu  verdrangen,  und  mit  den  Chosliu-Lcuten  flolü  ii  die  Fülirer 
der  dem  Hakufu  feindlielien  Hotiidligen,  8anjo  iSaneyenhi  und 
sieben  andere  aus  Kyoto  AU  nun  zu  Anfang  1864  auch  noeh 
Satsuma  mit  Cho^hu  in  offene  Feindseligkeiten  geriet,  war  das 
Bakufu  zeitweise  wieder  ganz  Herr  der  ligß*  Bei  einem  erneuten 
Besuch  des  Shoguns  und  Hitotsuhasbis  in  Kyoto  milsbilh'|te  der 
Kaiser  die  Gewaltakte  Ohoshus  gegen  die  fremden  Schiffe  (28. 
Februar  1864).  Der  Shogun  erhielt  Befehl,  Choshu  zu  Steafen, 
die  Schliefsnng  d(^r  Hrifen  solle  zu  gelegener  Zeit  vorgenommen 
werdf"T\  Ein  Verisueh  des  C'hoslni-Han ,  verstfirkt  dun-l-  zahl- 
'•«■i<nht;  Jionin«  Kyoto  zu  iiberrum})pln  und  aicli  der  Person  des 
Kaisers  mit  (lewalt  zu  bemächtigen  (20.  August),  schlug  fehl. 
1^  war  die  letzte  Gelegenheit,  die  Stellung  des  Bakufu  zu  stärken 
und  auf  etwas  veränderter  Grundlage  wieder  herzustellen.  Es 
kam  zn  einer  neuen  Abmachung  mit  dem  Hofe,  wonach  der 
Shogon  selbst  sow  ie  jeder  Dairoyo  vom  Kaiser  persönlich  belehnt 
WBitfen  sollte  Die  Daimyoa  sollten  dem  Kaiser  jährlich  Produkte 
ihrer  Provinzen  darbringen  (wie  bisher  dem  Sliogun).  Die  Hata- 
motos  des  Shoguns  sollten  den  Kaisi  r[Kd  ist  bewachen  u.  s.  W. 
Alles  dieses  aber  lidn'tc  zu  keinem  dauernden  Verhältnis.  Das 
ungeschickte  Eingreilln  der  vier  koalierten  Mächte  England, 
Amerika,  B^rankracb  und  Holland,  welche  gerade  in  diesem 
Augenblicke  sich  anschickten,  die  von  Ghoehu  gesperrte  Shimo- 
]iO0äd*Sfcra(Be  mit  Gewalt  zu  öffnen,  verdarb  dem  Bakufu  das 
ganze  Koncept.  \'er;^'ebens  baten  die  Vertreter  des  Bakufu  am 
Aufschub  des  Angriffs,  versprachen  .sogar  die  Fremden  nra  Bei- 
stand bittrri  yn  wollen,  wenn  der  Shoguu  nicht  allein  mit  Choshu 
fertijf  '  t  rd'  :  vergebens  wiesen  sie  darauf  hin,  dafs  die  fremden - 
feindlichen  Duamten  in  Yedo  entlassen  seien  (Juli  18(>4).  Der 
djes^jyjglischen_  Vertreters  Alcock  sah  in  allem  nur 
enchleppungsversuGhe.    Er  rifs  seine  Kollegen  mit 

Fomlniiig«!!  (4S)  X  4.  —  Bathsen.  5 


66 


X  4. 


fort.  Anfang  September  z<'r«t  rt'-  das  vereinigte  Gescliwncier 
die  Befesti^^ungen  von  SKiraonoseivi.  Der  Fürst  von  Choshn  imilsie 
vej'sprecheu,  die  iStrulse  nicht  wieder  zu  sperren  und  eine  erlieb- 
liche Entschädigung  zu  zahlen,  eme  Verfulichtuiig,  welche  dann 
die  Regierung  in  Yedo  auf  sich  nahm  und  deren  Betrag  in  der 
öogenanntcn  Shimonoseki-Konvention  (2'2.  '  Maol^er  1864)  auf 
3  Millionen  Dollars  festgesetzt  wurde.  Durch  die  Höhe  der  Summe 
wollten  di<'  Vertreter  der  vier  beieilif^n  Mächte  das  Bakufu 
ver  inlassen  .  statt  der  Zahlung  einen  weiteren  Vertra^^shafen  zu 
ötlnen,  was  im  Vertrage  vorgesehen  war,  woraut  es  »ich  aber 
nicht  einliei's. 

Die  Shimonoaeki- Äflkire  hatte  weittragende  Wirkungen. 
Nach  aufsen  hin  vor  allem  <tie  Erkenntnis  der  fremden  Mä^te, 
dalis  der  wirkliche  Herr  des  Landen  jetzt  in  Kyoto  zu  suchen 
sei  und  dafs  daher,  um  Bestand  zu  haben ,  die  Vertrüge  vom 
Mikado  bestittigt  weiden  müfsteii.  Nichts  zeigt  besser,  wie  sehr 
das  Bakufu  die  wirkliche  Leitung  der  1  )in<xe  und  damit  sich 
seihst  autgcgeben  hatte,  dal'ö  e.s  selbst  die  Bestätigung  durch 
den  Mikado  dringend  vviuusehte.  Durcli  die  Bemühungen  Hitotsu- 
basliiä  im  Zusammenbang  mit  einer  Flottendemonstration  von 
Osaka  erfolgte  diese  achliefslich  am  23.  November  1865.  Eine 
wdtere  Folge  der  Verhandlungen  war  die  Tarifkonvention  von 
Yedo  vom  25.  Juni  186(>,  auf  welcher  die  Zölle  bis  heute 
beruhen. 

Wichtif^er  noch  war,  dals  die  innere  Uni;;estaltung  durch 
jene  Vorgänge    beschleunigt    wurde.     Die  Zaiiiung  der  Ent- 
BchUdigung*  zu  einer  Zeit,  alb  tiir  neue  Kriegsschiffe,  Kanonen, 
Gewehre  u.  s.  w.  schwere  Ausgaben  zu  machen  waren,  ver- 
Bchlechterte  die  Finanzlage  noch  mehr.    Der  Choshu  erteilte 
Denkzettel  machte  einen  tiefen  l^indruck.    Wie  im  Jahre  vorher 
Satsuma,  erkannte  imn  auch  Choshu  die  Unmöglichkeit,  die 
Fremden  mit  Gewalt  zu  vertreiben,  die  Notwendigkeit,  die  tech- 
nischen und  militfirischen  Vorzüge  der  Fremden  sich  zu  eigen  zu 
machen.     Vor  allem  aber  zeigten  die   Vorgange  d^r  httzien 
Zeit  einigen  vorgeschrittenen  klaren  Köpfen  die  Kotwt  iuiigkeit 
nationaler  Einheit  und  einer  centralisierten  Regierung.  Bisher 
hatte  in  Satsuma  wie  in  Ghoehu  nur  der  Gedanke  an  Stmrz  der 
Tokugawa  geherrscht,  um  sich  selbst  an  deren  Stelle  zu  setzen, 
ein  neues  Shogunat  zu  gründen.    Daraus  folgte  aber  auch  die 
Eifersucht  der  Han  untereinander  und  das  war  die  Stärke  des 
Bakufu.    Wir  sahen .  wie  dieses  gerade  dadurch  neue  Kraft  er- 
hielt, dal«  Satäuma  in  seiner  AbneitrunLr  iretrcn  (Choshu  sich  ihm 
wieder  geniihert  hatte.    Das  Bakuiu  erwi»  >  «jeli  iintahig,  fremde 
Eingriffe,  wie  die  Beschiefsungcn  von  Ivagoshima  und  Shimono- 

'  It^ihi  sind  44U  ÜOU  Mex.  Dollars  gezahlt  wegen  der  Uicliardsonsacbc, 
1660/66  1.500000  Hex.  Dollarn  von  der  Shimonoseki-fintschftdigung.  Die 
fibrigen  IVt  HiUionen  sind  eist  1874  bezahlt. 


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X  4. 


67 


fccki,  die  Besetzung  Yokohamas  durch  fremde  Truppen,  zu  ver- 
Lindern.  Die  Erkenntnis  braeh  sich  mehr  und  mehr  Bahn,  dafs 
die  Zersplitterung  der  Hauptgrund  nationaler  »Schwäche  sei.  Die 
Schlagnorte  von  der  Autoritiit  de^j  Kaisers,  die  bisher  nur  der 
Deckmantel  iür  die  Sonderbeotrebungen  jedes  Han  gewesen 
waren,  erhielten  jetst  einen  wirklichen  Inhalt.  Das  Kational- 
getlihl  siegte  Über  den  LokalpatriotiBmus,  wenn  auch  die  künf- 
tig«-n  Sieger  nicht  gesonnen  waren»  sich  selbst  bei  der  Verteilung 
der  Beute  zu  vergessen. 

In  Clioshu  hatte  nach  dem  verunglückten  Putsch  gegen 
Kyoto  und  der  Niederhige  von  Shimonoseki  die  Bakufu-Partei 
die  Oberhand  gewonnen.  Die  Feinde  des  Bakufu.  deren  man 
habhaft  werden  konnte,  wurden  hingerichtet  ^  Aber  ein  ge- 
wisser Tftkasugi,.  ein  begabter  Mann,  der  erste  in  den  Daimyaton, 
welcher  Truppen  nach  europitischer  Art  einezentierte,  erhob  die 
Fahne  des  Aufstands  im  Frühling  1865  von  neuem  und  wart* 
die  Gegner  aus  dem  Lande.  Gleichzeitig  trat  Satsuma  heimlich 
mit  den  Aufständischen  in  Verbindunjr.  geleitet  von  jenen  Ideen 
nationaler  Kinheit,  die  bei  dieser  Gelegenlieit  zuerst  bemerklich 
wurden.  Die  Annäherung  wurde  vor  allem  betrieben  von  einem 
Satsumaner,  der  grofsen  Eiullul's  auf  seine  Landsleute  hatte,  einem 
Feind  des  Bakufu,  dem  später  viel  genannten  Saigo  Takamori. 
Als  der  Shogun  im  Frühling  1866  bedeutende  Streitkräfte  sm- 
sammenzog,  um  Choshu  zu  unterwerfen,  weigerte  Satsuma  sich^ 
Truppen  zu  stellen.  Die  naeli  neuer  Art  (mit  Gewehren)  be- 
waffneten Aufständischen  schlugen  die  mit  Rüstung,  Speer  und 
Schwert  bewehrten  Sliogun-Trup])*^?!,  worauf  viele  Daimyos  ihre 
Kontingente  zurückzogen,  um  ab/.uwarten.  was  nun  kommen 
würde.  Mitten  in  Schwierigkeiten  aller  Art  starb  in  Osaka  der 
junge  Shogun  am  lU.  September  1800,  plötzlich  wie  seine  Vor- 
gänger'. HHolaubashi,  der  thateflchlich  schon  im  Mittelpunkt 
aller  Geschäfte  stand,  wurde  zum  Shoffun  ernannt.  Mit  Gnoshu 
wurde  ein  vorläufiger  Friede  abgcscldossen  Der  Krieg  hatte 
alle  Kassen  und  V'orräte  erschöpft,  der  aufständische  Han  war 
nicht  unterworfen.  Die  grofsen  Oaimyate  kümmerten  sich  kaum 
mehr  um  die  Befehle  des  Bakufu. 

1  )erneiia.Shogiin,  Keiki,  wie  er  gewöhnlich  genannt  wird  (chine- 
sische Aussprache  von  Vosiiinobu)  nml's  sich  klar  darüber  gewesen  ^ 
aeim  dafs  die  idteBMponmgsfmi  nicht  länger  haltbar  war.  Hatte  sie 
doch  schon  in  den  letzten  Jahren  völlig  ihren  Charakter  verändert. 

1  Die  PartdkSmpfe  jener  Zeit  hatten  einen  sehr  blutig^Mi  Charakter. 
Der  Resie^i^te  hatte  keine  Hoft'nung  auf  (iuade.  Auch  in  an  loreu  Teilen 
Japans  herrechte  um  dkse  Zeit  Bürgerkrieg,  niinientlich.  in  Mito.  So  war 
einer  meiner  Zuhörer,  damals  <nn  Säugling,  der  einzige  Überlebende  einer 
zaUreicheu  Familie.  Alle  si  ine  Verwanote  waren  getötet,  er  selbst  ans 
Barmherzigkeit  von  oinorn  Priester  grofs  gezogen. 

*  Das  Datum  steht  nicht  ganz  f(^t,  da  der  Tod  verheimlicht  wurde. 
Nach  Black  wäre  der  Shogun  schon  am  29.  Augnst  geatoxben. 

.->* 


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68 


Das  Shogunat  war  thatsächlicli  eine  Exekutivbehörde  geworden  ^ 
A^er  CS  sclieint.  mIs  ob  Keiki  mk  seinen  Ratgebern  geglaubt 
habe,  sie  könnten  allmillilich  eine  veniiidorte  Staatsform  her- 
stellen, in  welcher  die  l  okup:awa  durch  ihre  grofse  Hausmaoht 
eine  hervorragende  Stellung  einnehmen  würden,  wenn  auch  in 
anderer  Farm  als  bisher.  Solche  Absichten  wurden  erleichtert 
dixrch  den  Tod  des  Kaisers  Komei  am  30.  Januar  1867.  Ihm 
folgte  ein  Hj&hriger  Knabe,  der  jetsdge  Kaiser  I^futsuhito,  so 
dafs  die  Einsetzung  eines  Regenten  nfiti^  war.  Dieser  aber,  der 
v5a-Daijin  Nijo,  wnr  ein  Freund  des  liikutu  Drr  Shogun  hielt 
sich  dauernd  in  Kyoto  odor  Osaka  auf.  Die  <  )pposition  der 
siUlwestliclicn  Lnndaeliattcn  wurde  aber  immer  hcttigcr.  Eine 
1  iauptbeöch werde  war  jetzt  nicht  mehr  die  Zulassung  der 
Fremden,  sondern  —  so  gründlich  hatten  sich  die  Zdten  geändert 
—  die  Beschränkung  des  fremden  Handels  auf  dem  Bakufu 
unterstehende  Städte,  welches  auf  Ii  s(j  A\'eise  allen  Gewinn  allein 
für  sich  zöge.  Im  Oktober  1807  törderte  d«p  frühere  Fürst  von 
Tosa  den  Shojrnn  auf,  <l!''  RofjnVrnnpi:  nied«  rzule^^en  - .  und 
am  \h  N  o  V e m  b  e  r  gab  K  e i  k  i  d  i  e  i  Ii  m  a  n  v e  r  t  r  a  u  t  o 
Gewalt  dem  Kaiser  zurück  Die  Daimyos  sollten  ver- 
Siimmelt  werden,  um  eine  neue  Verfassung  festzustellen.  In- 
zwischen sollte  Keiki  im  £inyerstftndniB  mit  einigen  Daimjos 
die  Geschalte  weiter  führen.  Über  den  inneren  Zusammenhang 
der  Ereignisse  jener  Zeit  ist  bis  heute  nichts  bekannt.  .Sind  doch 
sefir  viele  der  Betcili^iten  noch  am  Leben,  zum  Teil  noch  in 
hohen  St<»llungen  bei  Hofe  odt  r  in  der  Staatsverwaltung.  Dafs 
Kciki,  der  Nai  Daijin ,  wie  er  jetzt  genannt  wurde  (er  wnr  mit 
diesem  Amt  seit  dem  Oktober  oekleidet),  die  Absicht  hatte,  sich 
aller  (iewalt  zu  entaulsern.  ist  nicht  anzunehmen.  Er  zog  von 
verschiedenen  ISeiten  Truppen  an  sich,  aus  seinem  eigenen  Ge- 
biete wie  von  treuen  Daimyos,  namentlich  von  Aizu  und 
Kuwana.  Aber  die  Gegner  waren  nicht  minder  rtthrig  und 
verstärkten  heimlich  ihre  Kräfte,  namentlich  aus  Satsuma.  Die 
jungen  Miinncr,  welche  nicht  dem  Namen  nach,  aber  that^ilehlieh 
die  grofsen  Hau  leiteten,  standen  im  Einverständnis  mit  einer 
starken  Partei  bei  Hofe.  Durch  einen  offenbar  lange  vorbereiteten 
Staatsstreich  gelang  es  ihnen,  am  '^.  Januar  1868  sich  de» 
jungen  Kaisers  zu  bemächtigen.  An  diesem  Tage  wurden 
plütsKch  die  Aizu-Wachen  an  den  Thoren  des  Palastes  von 
Truppen  aus  Satsuma,  Tosa, 'Aki,  Owari  und  Echizen [verdrängt^ 
der  Regent  enHassen,  die  dein  Bakufu  freundlichen  Hofadeligen 


'  So  wurde  dio  am  1.  Januar  voizuiichmciuJe  (»ttnunp  von 

Uyoi^o  und  Osaka  für  die  Fremden  durch  kaiserlichen  Erlafs  genehmigt 
(Juni  l^<i7). 

-  Nach  der  „Biographie  de  Iwakoura"  wäre  die  eigentliche  An- 
regung von  diesem  und  dem  Satsumanei'  Komatsu  ausg^angen.  \'gl. 
die  Anmorknng  unten  8*  74. 


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X  4.  69 

m»  dem  PaUst  gewiesen.  Am  nächsten  Tage  erschien  ein 
Kaiserlicher  Erlafs,  durch  welclicu  d&a  Bakufu,  das  Kwambakku- 

Amt  und  die  Amter,  durch  welclie  das  ßakut'u  den  Hof  beauf- 
ßiehti^te,  die  O'iso  und  Tenso  (S.  31),  aufgehoben  und  neue 
provisorische  Central behörden  eingerichtet  wurden.  Die  Absicht 
wurdt.'  angekündigt,  /u  der  alten  Staatslorni  der  Kegierung  durcli 
den  Kaiser  zuriickzukeiirea.  Das  Hans  Mori  von  Oliosliu  wurde 
in  aüf  Titel  und  li^ii*en  wieder  eingesetzt;  Truipen  aus  Uliushu^ 
dia  also  schon  in  der  Nähe  gewesen  sein  müssen,  verstärkten 
die  neuen  Machthaber  in  Kyoto.  Fja  scheint,  ab  ob  Keiki  sU' 
niielnt  einen  Kampf  in  Kyoto  seilest  hahe  vn  ::,  iden  wollen. 
Vielleelit  füldte  er  sieli  zu  schwach^  da  seine  li.iuptmaeht  in 
Osaka  lag.  Im-  erklärte  iti  einer  FingalM-  an  tlen  Hof,  er  werde 
dem  iinii  (f'rülier)  gegebenen  liet'elil  gcnuils  die  Verwaltnng 
t^iln'en,  bis  ein  Kat  aller  Fürsten  ülx  r  die  /ukiinllige  Staat.>forin 
cntselieide,  und  veidicfs  am  0.  Jaiiuai'  mit  aciucm  ganzen  Au- 
haus Kyoto.  Wollte  er  wirklich  die  Herrschaft  behaupten,  so 
war  das  räi  yerhängnisvoHer  Schritt^.  Denn  es  war  klar,  dafs 
die  neuen  Maelithancr  nieht  gesonnen  Avaren.  freiwillig  ihre 
günstige  Stellung  auiziigel)en.  Zum  Kampfe  um  Kyoto  mu&te 
es  also  auf  alle  l'^'alle  kdinnien,  wmn  sieli  auch  die  Parteien 
zunäciist  beobaclitoten.  (.Gewaltsame  ZusammensiiUsr  von  Satsu- 
nic'vnern  mit  Stnitkriilten  des  I'akutu  lin  ^'edo  und  in  der 
Osaka-Buelit)  vermehrten  die  grgenöeitige  .Spannimg.  In  Kyoto 
machte  man  zuniichät  einen  \  ersuch,  den  Ex-Shoguu  zu  bewegen, 
och  der  neuen  Ordnung  gutwillig  zu  ttigen,  was  um  so  wtinschens- 
wertar  war,  als  den  neuen  Machthabem  alle  Mittel  »ur  Führung 
cler  Regierung  fehlten.  1  )ie  ehemaligen  Fürsten  von  <^>wari  und 
ikihizen  (Mitglieder  de«  'lokugawaTlauses,  aber  AnliMnger  der 
neuen  (>rdrnnig)  forderten  Keiki  auf,  naeh  Ky(4o  /.u  kommen 
und    als   (Jitei   ( Staatsrat i     -     vgl.    S.    72  in   die  neue 

Regierung  zu  treten.  Keiki  versjHaeh  zu  komnu  ii,  sehiekte  aber 
zuniielLSt  öcine  Armee  vorwärts,  der  die  sudlieheu  Truppen,  die 
unmittelbar  vor  Kyoto  yersclianzt  lagen,  bc^Teiflicherweise  den 
Durcblars  verweigerten.  Am  27.  Januar  kam  es  aum  Gefecht 
bei  Fushimi.  Von  d«  n  Tokugawa- Truppen  ohne  Knergie  ge- 
^thrt»  endeten  die  Kämpfe  am  :)<)  .  als  auf  den^  linken  FlUeel 
der  Han  von  Tsu  (des  zweitgrül'st«  n  Fud.ii  Dainiyosi  zu  (len 
Südleuten  überging.  Ncxh  am  selben  Abend  riiumte  der  Kx- 
Shogun  Osaka  und  Holl  selb.st  auf  einem  seiner  Dampfer  nach 
Yedo.  Am  5.  Februar  folgte  das  Absetzungsdekret  gegen 
Keiki  und  alle  seine  Anhänger,  die  lur  iiebellen  erklart  wurden. 
Am  8.  Febmar  wurde  der  etwas  mehr  als  fünfzehnjährige  Kaiser 
Unat  grolsjubrig  erklärt  und  tlbemabm  persönlich  die  Regierung. 
Der  Aiu^ang  des  Kampfes  war  entscnieden.    Das  Maupt  der 


)  Ganz  unverstAiKlH«  Ii  i.-t  uatnentlich  die  KäumuDg  des  Nijo,  der 
festen  Btug  der  Sliogune  in  Kyoto. 


70 


X  4. 


Toktigawa  gab  die  Partie  :n\f.  l>en  anrückenden  kawerlichen 
Truppen  wurden  die  Kastelle  von  .Shizuoka  (Sunipui  und  Vedo 
(26.  April)  überliefert.  Kciki  zog  sich  ins  PrivatleU^n  zurück. 
Ein  Kmd,  ein  Sohn  des  Prinzen  von  Taya^u^  Kamenoeuke 
(lyesato)  wurde  zum  Huuut  des  Tokugawa-Han  ernannt,  als  ein 
Daimyo  von  700000  Kokn.  Viele  der  Oefolgeleute  wurden  in 
den  neuen  Staatsdienst  ttbernonimen.  An  dem  endgültigen  Er- 
gebnis änderte  es  nichts  mehr,  dafs  unter  den  Anhängern  des 
Tokugawa- Hauses  der  Widerstand  gegen  die  neue  Ordnung  noch 
einmal  hell  aufloderte,  d.ifs  es  in  Yedo  selbst  am  \.  .luli  zum 
Gefecht  kam,  dafs  ein  \  i  rsiu  ii  gemacht  wurde,  einen  Gegen- 
kaiser aufzustellen,  dalk  Aizu  hartnäckigen  Widerstand  leistete^ 
der  erst  am  6.  November  mit  der  Kapitulation  der  Buig  von 
Wakamatsu  endete.  Wie  ein  Satyrspiel  nach  dem  tragischen 
Fall  des  Tokugawa- Hauses  erscheint  der  Schlafs  des  \N'ider- 
standes:  Die  Flucht  der  Shogunflotte  (4.  Oktober),  welche  sich 
Yezos   bemächtigte,    wo    am  27.  .Tantiar  18(j9  die  Republik 

f)roklamiert  wurde.    Am  26.  Juni  war  die  rejRiblikanische  Herr- 
ichkeit  zu  Ende.    Dan  ganze  japanische  Keicii  gehorchte  der 
neuen  Regierung. 


Viertes  Kapitel. 
Die  neue  Ordnnni!:. 

W^er  war  die  neue  Regierung?  Dal's  es  eine  loyale 
Fiktion  war,  von  der  persönlichen  Regierung  durch  den  Kaiser 
zu  sprechen,  der,  im  Paläste  aufgewachsen,  beim  Sturze  des 

Shogunata  im  l»»,  Lebensjahre  stand  (er  ist  am  3.  November 
1852  geboren),  bedarf  keines  Beweises,  l'afs  von  den  Terri- 
torialherren und  ihren  Karos  (Staatsruten )  die  allermeisten  in 
Verweichlichung-  und  Unkunde  der  (Jeschiitte  dahinlebten,  ist 
schon  gesiigt.  Niu*  einige  der  Fürsten  hatten  in  Wahrheit  per- 
sönlichen Anteil  an  der  politischen  Bewegung  gcliabt,  so  der 
Regent  von  Satsnma  (Shimasu  Saburo)  und  die  1859  von  dem 
Regenten  Ii  zur  Abdankung  gezwungenen  Fürsten  von  Echizen,. 
Tosa  und  Uwajima.  Auch  von  den  Karos  sind  nur  einaelne 
hervorgetreten.  Von  dem  Hofadel  hatten  sich  ( inige  als  unver- 
söhnliche Gegner  des  Rnkiifu  j_'^ezeigt ,  namentlich  die  beiden 
ietzt  in  den  V^^nlergrund  trcu^ndcn  ^Sanjo  und  Iwakura.  Die 
eigentlich  Treibenden  aber  waren  eine  Anzahl  von  Samurai  der 
südlichen  Landschaften,  meist  den  mittlt^ren  Beamtcnfamilien 
angehörig,  meist  noch  junge  Männer.  Als  Führer  sind  yor 
allem  zu  nennen  Saigo,  Okubo,  Komatsu,  Kuroda  aus  Satsuma» 


.  y  1.  ^  .  y  Google 


71 


Ki<lo  und  Hirozawa,  später  auch  Ito,  Inouye  und  Yamagata  au» 
Cboghu,  Okuma  und  Soejima  aus  Hizon,  S.qsfiki.  Ooto  und 
Ita^T^i  aus  To^a.  Die  genannten  vier  Ilan  mit  einigen  Adligen 
bildeten  die  neue  Regierung  und  bilden  sie  Iii»  .lul'  den  heuligen 
Tag,  wobei  Tosa  und  Hizen  mehr  und  uiebr  in  den  Hintergrund 
getreten  sind.  Die  bedeutendsten  unter  den  genannten  Männern 
fldidnen  Rido^  Okubo  und  Iwakura  gewesen  ku  sein.  Ändere 
japanische  Han  sind  unter  den  wirklicn  flihrenden  Männern  der 
Neuzeit  nicht  verti-eten.  Von  VaeaJlen  der  Tokugawa  hiiben 
nur  zwei  (Katsn  und  Enonioto)  eine  gewisse  liedeutung  erlangt. 

Die  Aufgabe,  der  sich  diese  Miinner  gegen U beistanden, 
war  keine  leiehte.  Wold  kam  ihnen  zu  Blatten,  dalk  sie  die 
geheiligte  Autorität  des  Kaisers  auszuüben  hatten,  dals  durch 
die  frei%villige  Unterwerfung  den  Tokugawa  -  Hauses  die  ganze 
alte  Maschine,  das  er&hrene  Perttonal  der  mittleren  und  unteren 
Beamten  des  BakttAi,  als  brauchbai*er  8t;imm  tUr  die  Bureaus 
ttbemomnien  werden  konnte,  dafs  durch  eine  Erziehung  von 
zwei  Jalirliunderten  das  gewöhnliche  Volk  von  einer  Geftigigkeit 
und  ( »rdnungsHebc  ist  wie  kaum  ein  zweites  auf  der  Welt. 
Aber  materielle  Kralte  standen  dem  Kaiser  nicht  zur  Verfügung. 
Er  hatte  weder  Soldaten  noch  Einkünfte.  Er  hatte  zunächst 
keine  anderen  Machtmittel  als  die,  welche  die  sUdh'chen  Han 
ihm  zur  Verfügung  stellten.  Durch  Übernahme  der  vom  6a> 
kutu  direkt  verwalteten  Gebiete  in  kaiserliche  Verwaltung  änderte 
sieh  das  etwas.  Aber  auf  die  neu  iv  '  1  tranzösiseliem  X'orbild 
einexerzierten  Bakufu- Soldaten  war  doch  noch  kein  Verlal's  und 
die  Kassen  lU  fl  Vorratshäuser  des  Bakufu  waren  sogut  wie 
leer.  Die  geringen  Einnahmen  aus  Steuern  und  Zöllen  waren 
ein  Tropien  auf  den  heifsen  Stein  der  Bedürfnisse  der  neuen 
Verwaltung.  Die  siegreichen  Landschaften  konnten  wohl  Truppen 
zum  Schutze  der  neuen  Ordnung  stellen.  Gkld  hatten  sie  selbst 
nicht  80  mulste  man  auf  die  Zukunft  hoffen  und  einstweilen 
mit  Papiergeld  zahlen  '  War  das  gewöhnliche  Volk  leicht  zu 
lenken,  so  machte  der  Samuraistand  um  so  grölsere  Schwierig- 
keiten. Ein  Teil  hatte  eben  erst  unter  den  Waft'en  gegen  die 
neue  Kegierung  gestanden  und  eine  Zeit  lang  durfte  man  wohl 
zweifeln,  ob  die  gegen  sie  geübte  Milde  ihren  Zweck  erreichen 
würde.  Von  denen  aber,  welche  auf  seiten  der  Regierung  standen, 
liatte  eine  grofse  Zahl  in  der  HersteUung  d^  Kaisermacht  nur 
den  ersten  Teil  des  Programms  gesehen.  Den  zweiten  Teil 
sollte  die  Austreibung  der  Fremden,  der  „hilfslichen  Harbaren" 
Ulden.    Namentlich  unter  den  Shimpei,  den  als  kaiserlichen 

'  In  der  ersten  Finanz periode,  21.  Januar  Ixos  hin  11.  Februar  K^(>9, 
lifttte  man  ^uv  Deckung  einer  Ausgabe  von  :tO '»Oo  OOU  Yen  2009000  Y«a 
au9  der  (Mun  istcner,  721000  Yen  von  }27  (hm)  Yen  von  sonstigen 

Steuern.  Aus  den  Kassen  des  Sbogune  und  der  Dainijos  kamen  nur 
«%:)00O  Yen  ein. 


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72 


X  4. 


Soldutcn  verwendeten  Kouin  banden,  wareu  solche  Absichten  ver- 
breitet. In  den  malsgebenden  Kreisen  dagegen  war  der  Ge- 
danke an  gewaltsame  Fremdenaustreibung  Yöllif?  aufgegeben. 
Durch  kaiserlidie  Proklamationen  und  unerbittliche  Strenge 
schritt  man  jetzt  gegen  diesen  Geiat  ein  Aber  das  Feuer,  das 
man  lang  genährt,  war  so  rasch  nicht  zu  ersticken.  In  poHtischcn 
Morden,  denen  unter  anderen  Ilirozawa  Thoehn)  zum  Opfer 
fiel,  und  Verscliwörungeu  trat  der  nativi.stisclie  Fanutisums  zu 
Tage,  der  statt  der  gehoäten  Auööcbeiduug  aileö  Fremden  eine 
täglich  zunehmende  Nachahmung  und  Benutzung  fremder  Er 
findungen  und  Einrichtungen  sehen  mufste. 

So  war  aus  den  verscliiedensten  Gründen  die  neue  Regierung 
zunächst  auf  schwaclie  Fuiae  gestellt  und  sie  selbst  war  nur 
eine  Koalition  von  Landsmannschatten,  die  bis  vor  kurzem  eifer- 
süchtig odei-  \\  eiii<^stcn8  fremd  sich  gcf^ennlx^r^cstandcn  IwHt^n. 
Jeden  Augenblick  konnte  die  Eifersucht  wietlcr  trwaclicn.  Isi 
doch  das  gegenseitige  Milstrauen  nie  ganz,  gcbchwundrii.  Seit 
am  Ende  des  Jahres  187u  Iwakura  nach  Öatsuma  reiste  und 
dann  ttber  Chosbu  und  Tosa  zurückkehrte^  bis  auf  den  heutigen 
Tag,  kann  man  sagen,  hat  die  gaose  höhere  Politik  in  Japan 
nur  darin  bestanden,  in  inmier  neuen  Kombinationen  das  Gleick- 
gewicht  zwischen  den  herrschenden  L^indsmannschaften  su  er» 
halten  und  ihr  Zusammenarbeiten  zu  eriüö-j^Hchcn. 

Die  n.'lcli>4te  und  gröfste  Anfpibc;  mulste  sein,  ilein  SUiat 
eine  Vertabsung  und  Verwaltung  zu  geben,  welche  den 
zerfallenen  FeudaUsmus  ersetzen  konnU^;.  Nach  dem  Staatssueich 
vom  3.  Januar  1868  war  an  die  Spitze  der  Verwaltung  ein 
kaiserlicher  Prinz,  Arisugawa,  unter  dem  Titel  Sosai  (General- 
Statthalter  oder  Verwalter)  gestellt,  unterstützt  von  zwei  Fukii- 
Sosai  (Fuku  Vice),  den  Hofadligen  Sanjo  und  Iwakura.  Den 
Sosai  sollten  zur  Srite  stehen  eine  Anzafd  (JiT<'i.  Staatsrfite.  die 
dem  hohen  llof-  odi  r  Kriegsadei  zu  entneliiiien  waren.  Sie 
wurden  unterstützt  von  Katen  (Sanyo),  welche  unter  (h.Ti  von 
den  Daimyos  bezeichneten  geeigneten  i'ersonen  (Choabi^  ausge- 
wählt wurden.  Bereits  im  Juni  18Ü8  wurde  dieser  erste  Vonsuch 
auljgegebcn  und  ein  Staatsrat  (Gyoseikwan)  mit  fUnf  Abtailungea 
(Kwan)  geschaffen,  im  Sommer  I8ü9  (15.  Aug.)  kam  man  im 
wesentUciien  auf  die  alte  Ori;anisation  des  Jahrhunderts 
(S.  10)  zurück.  Für  geistliche  Anm'lo.ironheiten  wurde  ein 
hoher  Hat  (Jinp^ikw.-m *  erriclitot.  Neben  ihm  ein  Staatsrat, 
I'aijokwuu,  iUö  Centmlbeh(vrde  für  alle  wultiicben  An^^elegen- 
beiten,  bestehend  aus  dem  Sa-  und  U-Daijin,  den  Kanzlern  zur 
Linken  und  mr  Rechten,  dner  Anzahl  Nagons  und  Sangi. 
Unter  dem  Staatsrat  standen  sechs  Ministerien  (Sho)  ^ 

'  l»egetzt  war  zuiiiichät  nur  das  Amt  des*  U-Daijin  mit  Saiijo,  Dai-Xa- 
eons  waren  die  Huladligcn  Iwakura  und  Tokudaiji  und  der  cbemalig« 
l>aiinyu  vou  Uizen,  Nabeshiuia.  Sangi  waren  Ükubo  aus  .Satäuma,  Soje- 
jima  und  Okttma  aus  Husen,  Uiiozawa  und  Kido  ans  Cboshu,  Saaaki 
8QS  Tosa. 


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X  4.  7S 

Von  vornhereiu  bestand  die  Absicht,  da&  alle  einflursreichen 
Elemente  im  Süuite  gehört  werden  sollten.  Bereits  im  vorigen 
Abschnitt  ist  erwähnt,  d.ilp  Anfang  18(38  eine  Versammlung  von 
Daimyos  gehalten  werden  äoiite,  um  über  die  kimftige  iStaats- 
form  zu  heraton.  Neben  die  Daimyos  schnlM-n  die  neuen  Macht- 
haber eine  V'^eräamuiluni^"  von  Notabelu  (Koshi;,  von  welchen 
aus  den  Hao  ttber  400000  Koku  je  drei,  aus  den  Han  von 
100000--400000  Koku  je  zwei,  aus  den  kldneren  je  einer  ent- 
sendet werden  soUte.  Am  6.  April  18(58  trat  die.se  Keiehs Ver- 
sammlung /.usannnen  und  vor  ihr  wurden  in  der  leierHehen 
Form  eines  Kidcs  des  Kaisers  die  (irundsiitzc  der  neuen  Regie- 
rung verkiuidd  I)anaeh  sollte  über  aUe  staatlielien  ^la  'sregehi 
die  öffentliche  Meinung  betragt  werden  Hoch  und  niedrig  (d.  h. 
li^rieruiig  und  Volk)  ^ülllen  einmütigtu  6iune«i  handeln.  Civil- 
und  MUitiIrregteruDg  sollten  nicht  lAnger  getrennt  sein.  Die 
unciviUsierten  Bräuche  alter  Zeit  sollten  abgeschafft  und  Unpar- 
teificbkttt  und  ( M-reehtigkeit  zur  <irundlage  gemacht  werden. 
Wissen  und  Bildung  sollte  Wf  it  luid  hn  it  aut'^esu'  lu  wei-den.  um 
das  K(  ich  siclierzustellen  l)ie>  ist  der  kaisei-liclie  i'^id  ,  auf 
Grund  dess(jn  später  die  J'jntiiiu-ung  einer  Volksvertfetung  so 
dringend  verlangt  wurde.  Als  eine  Art  Verrreiungskori)er  galt 
zunuchät  die  Vei'Simimlung  (üiji -inj  der  erwähnten  Notabchi.  ^ie 
wurde  zweimal  nach  Yedo  einberufen,  im  Frilhling  1860  und  im 
Sommer  1370,  erwies  sich  aber  als  so  reaktionär  und  so  unge« 
eignet,  der  B^ieruu^  mit  |naktischem  Rat  zur  S(;ite  zu  stehen, 
daiis  dieser  erste  N'ersuch  mit  einer- ständischen  \'olksvertretung 
(oder  richtiger  V^ertretung  des  ^muraistandes)  nicht  wieder- 
holt wurde. 

Ein  weiterer  Sehritt  der  neu(  n  Maehthal)er  war,  den  ]\ais<  r 
aus  der  reaktionäj'cu  Luit  von  Kyoto  zu  euüerneu  und  die  lie- 

fiermig  dahin  zu  verlegen,  wo  sie  thatsächlich  seit  Jatu*- 
anderten  gewesen  war,  nach  Yedo.   Den  Anstois  gab  eine 

iJenkschrift  Okubos  über  die  Notw  endiukeit  ftlr  <len  Kaise  r  aus 
der  Verboi  _    lieit  hervorzutreten      im  A\>ni  und  Mju  war  der 

"Kaiser  in  <  »saka,  im  Nov»  ndj(  r  ging  er  zu  einem  ersten  Be.-uch 
nach  Yedo,  das  bereits  vorher  den  Namen  Tokyo,  ., (Jsthaupt- 
.stadt",  erhalten  }iatl<'.  Im  danuai'  isdli  zurüek;:(kehrt.  um  sieh 
in  Kyoto  zu  vermählen,  verlieli  ei-  am  ib.  April  eudgultii^  die 
alte  Hauptstadt.   Sitz  d^  Regierung  war  fortan  Tokyo. 

'  liifoifie  des  i.'etlränfrtcn  ehiiietsischen  Stils  stimmt  nicht  eine  der 
vielen  l  bers*etzungen  mit  der  anderen  überein.  Obige  Inhaltsangabe  auf 
Gmnd  mehrerer  von  meinen  Schttlem  angefertigter  voneinander  unab- 
htoigif?er  1  '!if'rsetzun;.'nn. 

^  Line  i.' bersetzung  des  tiir  den  Umschwung  aufserordentlich  be- 
zeidmeiiden  Schriftstücks  bei  Black.  Young  Japan  II  184  ff.  Okubo 
wagte  Jsonäehst  nur  Osaka  als  Regierungssitz  vorzuschlagen.  Iwakura 
ging  wdter  und  riet  zur  Verlegnng  der  Heaidenz  nach  Y^o. 


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74 


X  4. 


Kurz  vorher  war  ein  Sehiitt  von  niil'serordentlicher  Trag- 
weite erfolgt:  die  l'ürNton  boten  freiwillig  an.  ihre 
Herrschaften  dem  Kaiser  z u r ü e iv z u g e b e o !  Am  5.  Mai 
18i>9  wurde  eine  Denkschrift  der  FUrsten  von  Satsuina,  Choshu^ 
'  To«a  und  HisBon  TorOlfeiitlichty  in  welcher  in  gewundenen  cfaine- 
Bischen  Wendungen  die  Notwendigkeit  der  Centraliflation  der  Re- 
gierung betont  und  die  „Steuer-  und  BeTölkernngBÜsten''  (d.  h. 
die  Vei'ualtung)  dem  Kaiser  mir  Verfiigung  gestellt  wurden*. 
Den  kitenden  Daimyos  folgten  rasch  die  übrigen  (nach  Adams 
waren  rs  zusammen  241  >  Die  kleine  Minorität,  die  sich  dem 
Schritte  nieht  ansehlü  >,  wurde  nicht  weiter  befragt.  L>al>  die 
l'etitionen  nur  der  l'  urin  nach  von  den  Daimyos,  tliatöäehlieh 
▼on  den  neuen  Macbthabem  ausgingen «  braucht  kaum  hervorge  - 
hoben zu  werden.  Das  Anerbieten  der  Fürsten  wurde  ange- 
nommen, eine  Neuorganisation  in  Auasicht  gestellt.  (Instweilen 
aber  die  bisherigen  Landesherren  unter  dem  Titel  Chihanji  ala 
Statthalter  in  ihren  Gebieten  belassen.  Im  Laufe  des  Jahres 
wurden  die  Zügel  allmHhlicli  etwas  starker  angezogen,  etwas 
Gleiehni;il"8i;;keit  in  die  Verwaltungsorganitjation  jrebraeht.  die 
Anstellung  der  höheren  lieaniten  in  den  l'erritorien  der  Be- 
stätigung durch  die  Centralregicrung  unterworfen,  endlich  eine 
Scheidung  zwiachen  den  Priyateinnahmen  der  bisherigen  Landes- 
herren und  den  öffentlichen  Einnahmen  ihrer  Gebiete  eingeführt, 
indem  ein  Zehntel  der  bisherigen  Einnahmen  als  Einkommen  des 
Daimyos  pdt.  von  den  anderen  neun  Zehnteln  die  Kosten  der 
Verwaltun^^  l»e.stntten  und  fUr  l  borscliuls,  soweit  vorhanden,  in 
die  Staatskasse  geliefert  werden  sollte.  Dafs  dies  nur  ein  ber- 
gangszustand  sein  konnte,  war  klar.  Die  M.ischine  arbeitete 
schwerfällig  und  teuer.  Bis  zum  Sommer  1871  war  man  in 
Tokyo  mit  den  Vorbereitungen  fertig.  Verschiedene  Chihanji 
wurden  veranlai'st,  den  Kaiser  zu  bitten,  ihre  (  Jebiete  in  direkt 
Ton  der  kaiserlichen  Regierung  verwaltete  Bezirke  (Ken)  um- 


'  Da*»  merkwürdige  Schriftstiirk,  das  wohi  von  Kido  vertai»t  let, 
ist  mehrünch  abgedruckt«  so  bei,^  Adams  II  181  ff.  in  einer  (^bet' 
»etzniirr  von  Mifford.  Eine  noue  I  bcrsptzuti;.'  hat  Guhbins  im  Anhange 
2um  Ucportf  on  Taxation.  —  Mau  hat  oft  iu  der  Abdankung  der  Daiuiyofl 
eine  That  erhabener  VaterhindsUcbe  sehen  wollen.  ThatBftchlioh  war  sie 
nur  eiu  Heweis  für  die  völlige,  in  Japau  spricKwortliche  Verkommenheit 
des  ganzen  .Standes.  Wie  Rclir  pic  willenlose  .Marionetten  wan*n  to\<^ 
z.  13.  die  Erzählung  in  »Irr  „Biographie  de  Iwukuura"  J>.  4'-'  über  den 
Hergang  bei  der  Abdankiiii-x  dos  Sliofriinß.  I>ana(h  hätte  diofler.  ehe  er 
dem  Kaiser  sriiu^  Dcukechrift  ciniticlitc ,  in  •iiu'r  \'er?ain;n'nii'j:  v.tn 
DaimvoH  Beine  Abdeicht  auseiuaudergeFetzt.  Von  diesen  habe  keiner  zu 
antworten  |?ewagt ,  woranf  der  Sateuniaoer  Koniatsu  und  der  Toeaner 
finto  das  Wort  rr^inlb  n  iiikI  drn  Sliogun  in  seinem  Enfscblufs  bestärkt 
hätteu.  Auf  die  Freiwilligkeit  der  endgültigen  Abdankung  1871  wirft 
auch  eine  Stelle  anf  8.  62  der  auKet'Uhrteii  ISchrift  ein  sonderbares  L<icht, 
wonach  viele  Daimyos  alle  Mittel  Bitten  u.  8.  w.,  angewandt  bitten,  um 
in  ihren  Stellungen  beiaasen  xu  werden. 


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X  4, 


75 


zuwandeln.  Die  Daimvos  mit  ihren  f^milien  wurden  nach 
Tokyo  berufen.  Am  17.  August  wurde  eine  gute  Gelegenheit 
benutzt,  dem  binhcrigen  Liandeeherm  in  Chikuzen  die  Verwaltung 
SU  entziehen  und  statt  seiner  einen  kaiserlichen  Prinzen  zu 

ernennen.  Der  Versuch  gelang  ohne  Schwierigkeit.  Am 
2^^.  Augu?*t  folgte  der  Inkonische  ErlalV :  „Die  Han  sind  ab- 
geschafft. Statt  ihrer  werden  Ken  errichtet".  An 
die  Stelle  der  FeutlaliieiTen  traten  kaiserliche  PrUfekten.  l)ie 
bisherigen  Daimyos,  welche  schon  seit  1869  mit  dem  alten  Hof- 
adel zu  dem  Stande  der  ^Kwazoku*^  vereinigt  waren,  mufstcn 
mit  ihren  Familien  fortan  in  Tokyo  residieren.  Das  ganze  Land 
wurde  in  75  Bezirke  (3  Fu,  hauptstädtische,  und  72  Ken,  pro- 
vinziale  Bezirke)  geteilt,  wobei  zum  Teil  die  Provinzialeinteilung 
der  alten  Z*Mt  wieder  benutzt  wurde.  \*<>n  den  grofsen  Daiuiy- 
aten  blieben  nur  einige  unverändert  nlaruntcr  namentlich  Choslui). 
Übrigens  wurde  die  Zahl  der  Bezirke  bald  verringert. 

Uleichzeiiig  mit  dieser  grundlegenden  Umgestaltung  wurden 
aach  die  Gentraibehörden  wieder  verfindert  und  erhielten 
nun  die  Form,  welche  sie  im  wesentlichen  bb  Ende  1885  be- 
halten haben  (Juli  und  August  1871).  Das  Daijo-Daijin  Amt 
wurde  wieder  hergestellt  und  Sanjo  übertragen.  Ivvakura  wurde 
U-Daijin.  Ihxs  Amt  des  Sa-I)aijin  blieb  einstweilen  unbesi  tzt'. 
Das  Dni-Nagon-Amt  versehwand  Die  vier  herrschenden  Lands- 
mannschaften wurden  in  der  Regierung  vertreten  je  durch  einen 
Sangi,  Saigo,  Kido,  Itagaki  und  Okuma.  Dieser  Staatsrat  hiels 
Sei 'in  (etwa  Haupt-Haus),  das  bisherige  Daijokwan,  ein  Name, 
der  übrigens  bald  Mrieder  eingeführt  wurde.  Als  ausführende 
Behörde  stand  neben  ihm  das  U-in  (rechtes  Haus),  der  Minister- 
rat, in  welchem  die  Chefs  (Kyo)  der  Ministerien  safsen.  \on 
diesen  gab  es  nunmehr  neun.  Kyobusho  oder  Kultusministerium 
(vorher  Jinp'sho,  ]87<^  auf^'chobenK  Gwaimusho  auswärtige 
Angelegenheiten,  Okurasno  Finanzen,  Rikugnnsho  Krieg, 
Kaigunsho  Marine,  M o ni  b  u s h o  Unterricht,  K o b u s h o  öffent- 
liche Arbeiten,  Shihosho  Justiz,  Kunaisho  kaiserliches  Haus. 
Zu  diesen  kam  1873  dasNaimusho,  Ministerium  des  Innern,  und 
1 88 1  das  N  0 s  h  0  m  u  s  h  0,  das  Ai r  Landwirtschaft  und  (bewerbe  -. 
Bereits  im  Mni  1873  wurde  die  Trennimg  des  leitenden  Staats- 
rates vom  Ministerium  als  unprnktij^eh  aufgegeben,  .leder  der 
nun  zahlreicheren  San^i  ü))ernahni  ein  Minister-Amt  (Kyo).  Seit 
dieser  Zeit  kam  der  Ausdruck  Naikaku,  Kabinett,  aut.  ISur 
erw&bnt  sei,  dafs  1880  ein  Versuch  gemacht  wurde,  die  Trennung 
▼on  San^i-  und  Minister-Amt  wieder  einzuführen,  aber  1881 
bereits  die  vorige  Einriditung  wieder  hergestellt  ward*. 

'  Sp-itoT  ist  es  von  Shimnzu  Saburo,  dem  früheren  Kegeaten  von 
Satöuiua,  und  dem  kaiserljchen  Prinzen  Avisugawa  verwaltet. 

«  Aufsenlom  hestand  von  1h71-1ns2  das  Kaitakttshi,  Kolonialamt, 
fOr  die  Verwaltung  der  nördliclicn  Gebiete. 

»  Um  den  Geseticent würfen,  die  v<«i  den  Minbterieu  vorgelegt  \vur- 


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76 


X  4. 


Endlich  ^^al•de  1S71  eilio  diitt«'  ii'iii  bt-ratciidu  Ut-liordr 
sclmfren,  da«  8h- in  (Unke»  Hau»/.    Zu  iigciid  welcher  Dedeu- 
tung  bat  68  diM  Körperschaft  nie  gebracht,  auch  nicht  nach 
ihrer  1875  erfolgten  Umwandlung  in  das  Genro  in  (Haus  der 
Alten,  Senat  —  1890,  20.  Okt.  aufgehoben). 

Seit  dieser  Zeit  war  der  Bestand  des  neu»  n  Ixt^^iraents  gesichert 
Der  Foudnlstaat  war  \  '^7\  b«'>flti;?t,  in  seiner  Moraehheit  so  vollstiln 
dig  zuöainniengebroclicii.  da's  an  eine  \\  icderherstellung  früherer 
Zustilnd«'  kein  Mensch  mehr  ernsthait  denken  konnte.  Bei  der 
vorzunehmenden  Lniguitaiiung  von  Staat  und  (iesellsehaft  konnte 
ein  Streit  nur  entstehen  um  das  Mehr  oder  Minder,  nicht  mehr 
darum,  ob  refoimiert  werden  sollte.  Der  Volksgeist  nahm  mit 
gro  kr  Lebhaftigkeit  die  neue  Gedankenwelt  auf,  die  ilim  plötz- 
lich im  Westen  au  feegangen  war.  Wenn  man  unter  deren  Ein- 
tlul's  auf  aUen  Gebieten  zu  reformieren  begann,  so  war  es  nicht 
hlindf^  Npueritn^s  nnd  N:ichahnninp;ssncht.  was  dazu  trieb,  wie 
mancher  treinde  Beurteiler  gi meint  hat,  sondern  die  bittere  Not- 
wendigkeit, da.-5,  was  man  zerstört  hatte,  witxler  aufzubauen  und 
eine  nationale  Einheit  herzustellen,  wie  Japan  sie  bisher  nicht 
gekannt  hatte.  Dals  dabei  Fehler  und  Irrtümer  vorkamen,  dafs 
viel  Geld  und  Kraft  unnOts  vergeudet  ist,  dafs  die  Sieger  vor 
allem  fiir  sieh  selbst  soi^n,  wer  woUto  sich  darüber  wundern. 
£r>ta unlieb  wäre  es,  wenn  es  anders  gewesen.  Man  raufs  nicht 
glauben,  dafs  die  neuen  Machthaber  nun  plinmilfsi^r  nach  ;::rofsen 
«genialen  Gedanken  das  Reformwerk  in  Angriff  genommen  hätten. 
Kkige,  gewandte,  ehrgeizige  Mimiier  waren  eine  ganze  Anzahl 
vorhanden.  Neben  ihnen  traten  anfangs,  wie  woiil  uberall  in 
revolutionären  Zeiten,  die  bornierten  Dogmati  ker  melir  als  billig 
hervor,  die  Leute,  welche  nie  mehr  als  eine  Idee  fiissen  können 
und  die  noch  heute  eine  schwere  Gefahr  für  die  nihige  Knt- 
wickelung  Japans  bilden.  Aber  nach  einem  wirklich  gro!"sen 
Geist,  der  die  Lage  beherr.seht  und  der  Zeit  seinen  Stempel  auf- 
gedrückt hiitle ,  wird  man  vergebens  in  der  neusten  Oescln'chte 
Japans  sueiicn.  Man  trieb  mit  der  .*^tröniung  und  war  Iroh .  in 
den  oft  erdriu  kenden  Scln\  iei  igkcilen  des  Augenblicks  den  Kopf 
oben  zu  beludten.  Aber,  was  doch  schlie  slich  die  Hauptsache 
war,  man  behielt  ihn  oben.  Japans  Geschicke  werden  heute 
unter  völlig  veränderten  YorhUltnissen  im  wesenüichen  von  den- 
selben Milnnem  geleitet,  welche  in  dem  Zusammen brudi 
kühn  ^enug  waren,  die  Zügel  zu  ei^eifen.  llire  Zalil  ist 
Ireilicli  zusammengeschmolzen.    Der  unpraktischen  Itadikalen 


den,  ebe  bessere  DurcliberattiDff  ta  nehem,  wurde  im  Febmar  1880  das 
Amt  des  Kyo  von  der  Kangiatelliing  getrennt,  mit  Ausuahmc  d(Hi  Am- 
wärtipen  MiniHtennms.  Im  Daijokwttn  wurden  0  Abteilungen  gebildet 
zur  Bcaiifaic)iti|j;uiig  der  Verwaltung,  l^ie  Einrichtung  war  so  .>H:hwer- 
ftUlig,  dafs  sie  im  Oktober  l.'^sl  wieder  abgeschabt  und  zur  Vorlei-atung 
von  OesetsentwOffen  ein  besonderer  i^taatsrst  (Sanji-in)  gebildet  wurde. 


X  4.  77 

iutiedigte  man  sich  schon  1873  75,  als  Saigo,  Eto,  Itagaki,  Goto, 
Sovejima  sich  aus  dem  Kabinett  zurückzogen.  Eto  und  Älaebara 
haben  auf  dem  Schafott,  Saigo  mit  seinen  Freunden  auf  dem 
Schlachtfelde  als  RebeHeo  geendet ,  Hirozawa  und  Okubo  sind 
ermordet,  Kido  und  Iwakura  sind  natürlichen  Todes  gestorben. 

An  Inneren  Gefahrf-n  Imt  es  der  neuen  Rc^L^ierunL:  nieht  ^^t»- 
ieUt.  Keine  besomlrrc  Hede u tu n^^  hatten  die  kleinen  Anfst.inrle 
der  Hauern,  hier  und  du  unterstiitzt  von  vi^rkonininnen  Satnurais, 
die  meist  dia*ch  willkiirhchr  M:irsre;iiln  der  neuen,  iioeh  uniie- 
sehiekten  Heamten  veraidafst  wairn.  Solehe  lokale  Aufstünde 
der  Haueru,  die  mit  Hambu^^öpceron  uud  Matten  bann  ein  vor  dik> 
Amt  ziehen  und  Abhttlfe  ihrer  Beschwerden  verlangen,  sind  in 
Japan  zu  allen  Zeiten  und  noch  in  den  letzten  Jahren  vorge- 
kommen. In  den  .lahren  1.^7'  jIb  1873  freilieli  waren  solehe 
ünrulien  bedenkiieh  häufig.  Sehlinimer  w;iren  die  rein  politischen 
Kebellionen,  Etos  Aiiftstand  in  Saga  K^Tl,  der  in  KuuKimoto  und 
der  in  Cijoslni  l^Td,  endlieh  der  in  Sat.-'Uina  1>^77.  Die  drei 
erstgenannten  wurden  raseh  niedcr;;escida;L:en.  aber  der  Sntrsunia- 
kn'eg  dauerte  vom  Februar  bis  September  und  zwang  die 
Kegierung  zu  gewaltigen  Anstren^^un^en  '.  Seiner  Verhängnis- 
raien  Einwirkung  auf  die  1  i.nanzlage  werden  wir  weiterhin 
mehrfach  ^  gedenken  haben  Aufsere  flreignisse,  welche  ;;leieh- 
fclls  auf  die  Finanzen  eing>'wirl;t  haben,  waren  die  I*'x]iedition 
nach  Formo.sa,  l>i71-,  und  die  verschiedenen  Verwickelungen 
mit  Korea,  1875  7r.,  18SL>  nnd  1SH4  <^r>. 

K«  'VMrde  zu  weit  fuhren,  dem  f»an<i'  der  inneren  I'<)litik 
im  einzelnen  zu  tolgen  Nur  die  Hauptziige  der  \'ert"assung.>- 
entwiekelung  ^eien  geöchildert.  Es  ist  sehon  darauf  hingedeutet, 
dafs  bereits  su  Anfang  des  neuen  Kegimcs  ^die  Hegierung  nach 
der  OflRentlk^en  Meinung*^,  Volksvertretung  und  Volksrechte  dem 
neu<'n  Oeßchlecht  als  wünschenswerte  Ziele  vor^^eliwebten.  Der 
kai.serlieliö  Eki  ▼OH  1868  machte,  wenn  auch  in  sehr  unbestimmter 
Form.  Verspreclumgen  in  diesem  Sinne  Die  Ideen  de«  euro- 
paiselien  Liberalismus  fanden  rasche  V«^rbreitung  in  einzelnen 
Kreisen  des  Samurai- Standes,  iler  S  h  i  z  o  k  u,  wie  si(^  jetzt  iiielsen. 
Schon  am  17.  .lanuar  1^<74  reichten  eine  Anzahl  bekanut'T 
Miüincr^  diurunter  die  erst  vor  einem  Vierteljahr  (27.  Okt.  1873) 
ans  dem  B^alunett  ausgeschiedenen  Soejima,  Ooto,  Itagaki  und 
Eto,  dem  Sa  in  eine  Denkschrift  ein,  in  wdcher  die  KintVdnung 
eines  Parlaments  b<'ftirwortet  wurde  Die  rasche  Entwickelung 
dieser  Ideen  ist  nicht  so  merkwindi;j; .  wie  es  zuniiehst  scheinen 
ttOchle.   Die  Kevoiution  war  nicht  von  einzelneu  Mäunern  ge- 


J»  Mne  Danteltnnjar  davon  giebt  Monneey.  The  Satsuma  War, 

WSsId  fn*ilicli  vieles  uiclit  steht,  \v;is  man  ■wissen  möchte. 

-  House,  Fonnosfi  ist  mit  derselhfn  \'()rsicht  aufzunelnncu  vtie 
aUe  Produkte  diciiCö  vcrbiiiscueu  lUbulistcu  ,  Kiigosliiuia,  öhiuionoseki), 
WpfuSmlm  ist  als  die  Japaner. 


78 


X  4, 


macht,  sondern  von  einer  Klasse,  von  den  Shizoku.  Es  war 
begreiflich,  dals  jetzt  auch  die  ganze  Klasse  iliren  Anteil  haben 
wollte  an  der  Leitung  der  Qescliäite,  denn  mit  Amtern  konnte 
man  doch  auch  bei  grofeer  Freigebigkeit  nur  einen  kleine  Teil 
bdobnen.  Und  ger^e  unter  den  kleineren,  jüngeren  Beamten, 
die  rasch  einige  Brocken  der  neuen  politischen  W^heit  aus  dem 
Weaten  aufgeselmappt  hatten,  war  die  R^enmg  „nach  der  öffent- 
lichen Meinung:''  ein  ersehntes  Ideal,  dessen  N'erwirkHclmng  jedem 
den  Zugaug  zu  Einthals  und  Ueiehtum  öffnen  würde.  Wenn 
man  aber  die  Entscheidung  dureh  die  öffentlielie  Meinung  ver- 
langte, HO  hatten  die  Agitatoren  doch  nur  die  Meinung  der 
ShSoku  im  Sinne,  die  auch  in  der  jetet  entstehaiden  Prease 
sogut  wie  allein  vertreten  waren.  An  das  gewöhnliche  Volk 
dachte  noch  niemand. 

Das  Ergebnis  dieser  ersten  lief orrabe wegung  war, 
dafs  im  M.Mrr  Ü^V^  eine  VerfasHung  beratende  Kommission,  be- 
stehend aus  Okubo,  Ito,  Kido  und  lüigaki  eingesetzt  wurde. 
Die  Voröchliige  dieser  Kommission  wurden  am  14.  April  1875 
durch  eine  Kaiserliche  Prokiamation  zum  Gesetz  erhoben.  Es 
waren  drei  Mafsr^ek.  Erstens  wurde  unter  dem  Namen  Dai- 
S hin- in  ein  oboster  Gerichtshof  geschahen  und  damit  die 
Ti'ennung  von  Rechtspflege  und  Verwaltung  angebahnt.  Zweitens 
wurde  unter  dem  Kamen  Genro-in  (Senat)  ein  Beratnngs- 
körper  ,i:e.«?ehaffen,  der  über  ( u  set/i  ntwürte  und  andere  von  der 
Kegierung  vorgelegte  Malsrep^ln  beraten  sollte.  Das  (ienro  in 
war  nur  das  etwas  um^j:estaltetc  bisherige  Sa-in  und  hat  ebeiiMj- 
wenig  wie  dieses  u'gend  eine  bedeutendere  Wirksamkeit  aus- 
geübt. Es  wurde  allmählich  nicht  viel  anderes  als  ein  ehren- 
voller Ruheplatz  fllr  filtere  höhere  Beamte,  die  anderweit  nicht 
mehr  zu  verwerten  waren.  Die  dritte  Mafsregel  war  die  Schaffung 
des  Chiho-Kwan-Kwaigi,  Versammlung  der  Lokal beamten. 
Aueli  dies  war  keine  ixnnz  neue  Einrichtung,  da  >chon  seit 
einifj,en  Jahren  die  Hauptbcaniten  der  Hezirksregierungon  ice- 
legentlich  versammelt  wurden,  um  der  R«  *:;ierung  über  praktische 
Fragen  Aufschluls  zu  geben  und  sich  selbst  über  die  Absichten 
der  Regierung  su  unterrichten.  Dies  wurde  nunmehr  in  eine 
gesetslich  geregelte  Form  gebracht.  —  Die  bestehende  Behörden' 
oi^anisation  wurde  einer  durchgehenden  Revision  unterworfen 
und  im  Finanz^  namentlich  dem  Budgetwesen  wichtige  Keue- 
runcr-  n  i^.  riofTen,  welche  sp-tter  zu  besprechen  sein  werden. 

i\in  zweiter  wichtiger  Schritt  war  die  Einführung;  ge- 
wählter B  c  z  i  r  k  s  V  < •  r  t  r  e  t  u  n  y:  •  •  n  durch  Gesetz  vom  22.  Juli 
1878.  Als  Muster  luitten  otlenbar  die  französischen  Conseils 
G^n«»raux  vorgeschwebt.  Das  aktive  Waldrecht  wurde  an  einen 
Census  von  mnf  Yen,  das  passive  an  einen  solchen  von  sehn 
Yen  gebunden.  Die  Bezirkstage  viUhlen  ihre  Vorsitasenden 
selbst  und  haben  euien  ständigen  Ausschufs  sur  Besorgung  ibr^ 
Angelegenheiten.   Die  Bezirkstage  sollten  namentlich  das  Budget 


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79 


der  Bezirke  votieren,  was  um  so  wichtiger  war,  als  in  den 
nächsten  Jahren  eine  Reihe  von  Staatsausgaben  auf  die  Bezirke 
abgewälzt  wurdo.  hn  Zusammenhang  damit  wurde  auch  die 
Verwahuugsorganisation  der  Bezirke,  Kreise  und  Gemeinden 
einer  Revision  unterworfen. 

Mit  der  Einrichtung  der  Besirkstage  waren  aber  die,  welche 
fitr  Einführung  einer  Volksvertretung  amtierten,  nicht  su  be- 
firbdigen.  Im  Gegenteil  wuchs  jetzt  die  Bewegung  und  die 
neuen  Bezirkst^ige  schlössen  sich  ihr  vielfiu^  an.  Die  Aufre^^ung 
wurde  gcniihrt  durch  ls>Jl  entstandene  Gerüchtt^  über  dii  Le- 
absichti;:tc  V^erscldeu  lcrung  erheblicher  Teile  des  Staatsver- 
TOögens  (sniiiilicher  vom  Kolonialamt  begründeter  Unter- 
nehmungen; an  einige  Freunde  der  Regierung.  Am  12.  Ok- 
iober 1881  erscliien  eine  Kaiserliche  rroklamation, 
in  welcher  erklärt  wurde,  dafs  seit  lan^r  Zeit  die  Absicht  be- 
standen habe,  allmählich  eine  konstitutionelle  Regierung  einzu- 
führen. Zur  Vollendung  der  b^nnenen  Reformen  solle  1890 
Volksvertretung  eingerichtet  werden.  Sehliefslieh 
wurde  vor  Übereilung  und  gewaltsamen  Änderungen  <i,e warnt. 
Die  damalige  Reorganisation  der  Ministerial Verfassung  i>t  bereits 
erwähnt.  Von  den  vier  Mitgliedern  der  1875  er  Vertiassungs- 
kommisflion  war  Kido  1877  gestorben,  Okubo  1878  von  politischen 
Fanatikern  ermordet,  Soejima  hatte  sich  vom  politischen  Leben 
zurückgezogen  So  tiel  dem  einagen  noch  in  der  Regierung 
thätigen,  Ito,  die  Vorbereitung  der  Verfassungseinriclitungen  zu, 
was  zu  einer  völligen  Umgestaltung  der  Cen  tralbe  h  ei  r  d  >  n 
im  Dezember  188."»  t'ührte.  Am  22.  diesem  Monats  wurde 
das  Daijokwan  aufgehoben  und  statt  dessen  ein  Ministerium 
(>iaikaku)  eingerichtet  unter  einem  leitenden  Ministerpräsideuten 
(Sori-Daijin)  bestehend  aus  den  neun  Ministem  (wdchc  sämtlich 
den  Titel  Daijin  erhielten)  des  Äufseren;  des  Inneren,  der 
Finanzen,  des  Kriegs,  der  Marine,  der  Justiz,  des  Unterrichts, 
tiir  Lindwirtschaft  und  Gewerbe  und  flir  Vörkehrswesen.  Das 
Äiinisterium  rlrr  öffentlichen  Arbeiten  wurde  aufgehoben.  Der 
Hausminister  wurde  ein  Hofljeamter  ohne  .Sitz  im  Kabinett. 
Die  Zwecke  und  Ziele  der  lieform  wurden  in  drei  wichtigen 
Kundgebungen  auseinandergesetzt:  einer  Denkscluilt  des  bis- 
herigen Daijo- Daijin  Fürsten  Sanjo,  einer  Kaiserlichen  Prokla- 
mation vom  23.  Dezember  und  dnem  ausführlichen  Begierunp> 
Programm  des  neuen  Ministerpräsidenten  Orufen  Ito^  Als 
Ziele  wurden  aufgestellt:  klarere  Verantwortlichkeit  der  einzelnen 
Verwfdtiingschefs  und  Reform  des  Staatsdienstes  durch  Be- 
schränkung der  /mIjI  dor  Beamten,  durch  Kinfiihrung  von  Staats- 
prüfungen und  bessere  ii^^elung  des  Ansteil ungswesens,  ISpairsam* 

^  Im  Jahrf  1sh4  hatte  eine  Neuorganisation  des  Adels  stattgefunden, 
bei  welcher  C telegenheit  auch  die  neuen  Machthaber  Adelstitel  er- 
hielttti. 


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80 


keit,  Verniindeiung  der  \  lelschreiberei  u.  s.  w.  Zur  Aubfiiiirung 
dieser  GrundsMtze  folgte  dann  eine  Reihe  von  Anordnungen  und 
Reformen,  die  hier  nicht  einzeln  aufzuzählen  sind.  Die  Organi- 
satioD  der  Centralbeh5rden  wurde  1888  (h  Mal)  yerYoUständigt 
durch  Ehrrichtung  eines  Staatsrats  (Sumitsu-in)  als  Heirat  des 
Kaisen  neben  dem  Kabinett.  Die  KrOnung  dieser  Reformgeseta- 
gebung  war  die  Verkündigung  einer  Repräsentatiy- 
rf'i sstmg  Mm  11.  Februar  1881^,  welche  im  Jahre  1890 
in  Kraft  getreten  ist'. 

In  den  reichlich  zwanzip^  Jalm-n  weklK;  öoit  Errichtung  der 
neuen  Ordnung  verflosbcn  öind,  hat  bich  in  Staat  und  Oej^ell- 
Bchaft  eine  gewaltige  Umwandlung  vollzogen,  die  ia  mit  mehr 
oder  weniger  Orttndlidikeit  von  europäischen  Beobachtern  oft 
geschildert  ist.  Zwei  Dinge  scheinen  mir  dabei  hftufig  nicht 
genügend  beachtet  au  sein:  einmal,  dafs  bei  diesen  Reformen 
doch  sehr  viel  mehr  an  hrstolicnde  Einiichtungen  ange- 
knüpft ist.  als  anf  den  er.sfcn  Augenblick  scheinen  möchte  T'nd 
zweitens  ist  es  iihlieh,  die  neuen  lieformen  ohne  weiteres  den 
Münnern  <ier  neuen  Ära  als  Verdienst  anzurechmen.  Vielfach 
haben  diese  aber  nur  fortgesetzt  oder  ausgeführt,  was  unter  dem 
Bakufh  bereits  begonnen  oder  geplant  war'. 

Man  mtl&te  das  gesamte  öffentliche  und  em  gutes  StUck 
des  privaten  Lebens  (wenigstens  der  höheren  Stände)  eingehend 
«childern,  wollte  man  die  Ausdehnung  und  Tragweite 
der  Umgestaltung  Japans  erschöpfend  darstellen,  eine  Auf- 
gabe, welcher  meine  Kralle  nicht  gewaelisen  sind.  Der  Tech- 
niker, der  Jurist,  der  ^Soldat,  der  Padngog  nmfs  das  jeder  auf 
seinem  Gebiete  thun.  Docii  sei  wegen  ilires  Einflusses  aut  die 
Finanaen  des  Landes  auf  die  HauptzUge  hingewiesen.  Am 
wdtesten  hat  sich  begreiflicherweise  die  fiinfllhrung  rein  techni* 
scher  Eli^ndungen  und  Einrichtungen  erstreckt,  welche  mehr  oder 
weniger  mechani.sch  gehandhabt  werden  können,  Schiffe,  Eisen- 
bahnen, Telegra|)hie  und  Post,  Gas  und  elektrisches  Lieht, 
moderne  Feuerwatl'en  u  s.  w.  Aber  selbst  wenn  man  es  nicht 
gewollt  hUtte.  mulstc  die  tremdr  Technik  weitere  Reformen  nach 
sich  ziehen.  Die  motlernen  \'crkehrsiiutte!  griffen  tief  in  alle 
Lebensverhältnisse  ein,  Regelung  der  Münz-  imd  Bankverhält- 
nisse  stand  in  naher  Beaiehung  daau.   Das  notwendige  Httlfs- 


'  Uber  den  Rjilimen  unserer  Untpr-M(  lmr>;r  hnmu'?  frcheti  ilie  -^:ihl- 
rcichen  AiiUenuigcD  in  Gesetzgebung  iinil  VCi  ualünit; ,  welclie  d«»  Jahr 
l^^^u  gebracht  hat  Sie  sind  der  Anfang  (>in<^r  neuen  Periode,  der  des 
Verfapsmi£r^stnat(     für  welchen  ihre  Wirksamkeit  berechnet  ist. 

^  So  die  Anstellung  fremder  Lehrer,  die  Kinführang  europäischer 
Fecbtwdse,  die  Anla^  der  grofsen  Docks  und  des  Krienhafeiu  in 
\n!c(i«uka,  selbst  mannigfache  Änderungen  im  gesdligcn  Verkehr  mit 
Fremden.   Die  Miinzreform,   die  Einführunp:  von  Eisenbahn  tmd  Tele- 

fraph,  die  Errichtung  dauernder  Vertretungen  im  Auslande  waren  bereits 
eschloMen,  die  Keformbedürftigkeit  der  Gnmdsteuer  erkannt  u.  s.  w. 


81 


mittel  der  Erlernung  fremder  Sprachen  rückte  plf5tzlich  die  ganze 
Fülle  europäischer  Wissensehaft  und  Litteratur  in  den  OrsTchts- 
kreis  eines  von  Natur  begabten  und  aulgeweckten  Volkes.  Die 
ciiiDesitiche  Piiiiosopiiie  und  Wisaenschaft  versagte  gegenüber 
den  neuen  Bedürfnissen.  Zunttchst  hielten  die  diiekt  nützliclien 
Wiflaeii8diaft«n.  wie  Medizin  und  Chemie,  ihren  Eineiig ,  aber 
nnttafhalteam  drängten  wie  die  praktischen  Bedüitnisse,  so  dfts 
Besti-eben,  es  dem  Wetzten  gleich  zu  thun,  zur  allgemeineren 
Förderung  der  Wissenschaften,  de.s  Unter richtswesens.  Die  zwin- 
gen ^  Not  fUhrte  zur  Finanzrefonn .  N  "i^restaitunir  des  Steuer- 
weöeii»,  Regelung  df»r  Staatsschuld.  Eintjuliraug  geordneter  Hudget- 
verhaltnisse.  \\  irkliches  li(!dürfuis  und  der  Wunsch,  die  Konsular 
gerichtbbarkeit  im  ei-eneu  Gebiete  loa  zu  werden,  tuhrte  zu 
einer  noch  nicht  abgeschlossenen  Justisreform ,  1871  mit  dem 
Strafrecht  beginnende  Auf  dem  Gebiett^  des  Heerwesens  zeigte 
flieh  rasch,  dal's  die  durch  die  fremde  Bewaffnung  und  Taktik 
erfordert«'  DiscipHn  und  Einexerzierung  mit  <len  Lebcns;^ewoliu- 
heiten  und  Anseliauungen  des  bisherigen  SoUlttnistarides  nicht 
in  Einklang  zu  britigen  war  Nicht  ein  tief  angelegter  politischer 
Plan,  sondern  die  einfache  N<itu  endigkeit  tuhrte  zur  Einführung 
einer  allgemeinen  Kekrutieruüg  uach  europäischem  Muster  (lS72j. 
Mit  der  lileuorganiaation  fiel  auch  die  gaiize  Grundlage  der  bis- 
herigen ständttchen  Gliederung  der  Öesellachaft.  Die  bisher 
Unreinen,  Ausgestolsenen  wurden  dem  gewöhnlichen  Volke 
gleichgestellt".  I)ie  Privilegien  der  Shizoku  machten  die 
grö!kfr>n  Schwierigkeiten.  l)cr  Fortbe7ii_:  Üirer  Kenten  war  eine 
schwere  liclastung  des  .Stfuitssiickels,  Dei  innere  Grund  fiir  die 
Kentenzahlung,  die  Leistun;^  von  \'erwaltungs-  und  Kriegsdiensten, 
war  weggelallen.  Aber  anderseits  konnte  man  einem  zahlreiclien 
und  wehrhaften  Stande,  der  eben  die  Rerolution  gemacht  hatte^ 
dem  die  neuen  Machthaber  selbst  angehörten,  welcher  der  Trifger 
der  Bildung  im  Volke  war,  nicht  plötzlich  die  Subaistenz mittel 
ent/i' nen.  Man  erlaubte  ihnen,  beliebige  Berufe  zu  ergnifen, 
die  Schwerter  abzulegen  (  l*~^^7!  f  ihrr«  Kenten  in  eine  allerdings 
wenii;  vorteilhafte  Kapitalabtindung  umzuwMndeln  (IST.i).  Dann 
verbot  uian  das  Schwerttragen  ganz  ll  870 1  und  löste  scldi<'rslich 
(August  I87G)  die  silmtlichen  Kenleu,  auch  die  des  Adels 
(der  Kwaaoku),  zwangweiae  ab.  Wie  gefilhrlieh  das  Untemeh* 
men  war,  zeigt  der  unmittelbar  darauf  erfolgende  Ausbruch  des 
grol'sen  Aufstmdes  in  Satsnma.  Wie  in  Litteratur  und  Sprache, 
Kleidung  und  Gebräuchen,  sittlichen  und  religiösen  Anschauungen 


^  Vpl.  Lo  1 1 r  >r il ,  Suinnitury  nf  tho  Jaji;iii<'Me  Pcii.il  Coiic«,  Traiir:- 
Hctiuna  of  tiie  Aa.  Soc.  >*i'  Japiui  V  2  (lb77>  mui  Kudoitf,  licchlH- 
ptlege  in  Japsn  hi  der  gef^enwärtifi^en  Periode,  Mitteilangeii  der  lieut- 
achen  Gesellschaft  u.  s.  w.  IV  423  ff.  (l^'^'H).  Auch  dii;  in  <!  rase  Iben 
Tokugiiwa-(.ietiet/t*aniiulimg  itn  Vorwort  angeiübrte  Litteratur. 

-  September  1.^71.  Angeblich  waren  es  rund  .'380000  Köpfe  (Bio- 
giaplne  de  Iwakoora  ^  64X 

Fonohungen  (45)  X  4.  —  lUthtMi.  6 


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82 


X  4. 


die  Uurserliche  Berühning  mit  der  westlichen  Kuliui  aliiualilich 
zu  einer  tieferen  Einwirkung  aich  umwandeltj  ein  Bildungsprozei's, 
dar  ktnm  «nt  recht  begonnen  htA^  das  wiid  in  Zukimn  eineB 
der  merkwürdigsten  Kapitel  in  der  Koltuiigeeebichte  des  Men- 
acbengeschleclites  bilden.  Ob  die  Entwickeinng  2a  dnem  lebeoe- 
vollen  Neuen ;  ob  su  einer  traurigen  E^rikatur  des  Westens 
fljlirfn  wird,  (Irs  mit  Sicherheit  vorauszuentsclipirlen,  wird  auch 
ein  warmer  Freund  von  Volk  und  Land  nicht  wagen.  Dafs 
d;is  Alte  unwiederbringlich  dem  Untergange  geweiht  ist.  wird 
man  in  vielen  StUcken  mit  Recht  bälagen.  Zu  andern  ibt 
es  nicht 


FOnftes  Kapitel. 

Die  Hederae  VerwaltEiigsor^aiiiMlieii  und  die 

Kosten  der  Staatsyerwaltuiig. 

Vorbemerkung.  Für  die  Yerfa^ungs-  und  VerwiUtimgäorffaui« 
sation  ist  die  Hauptqaelle  die  Gesetzgebung.   Einiges  tod  Braeimiii^ 

findet  sich  in  Graf  Ito.s  Kommentar  zur  Verfiigsung,  ferner  in  verschie- 
denen amtliehen  VcrDÜentliebungen ,  die  bei  Gelegenheit  der  grofsen 
Weltausstellongen  erechienen  (Philadelphia,  Paris),  dem  vom  Haasmini- 
sterinm  hecattqgegebenen  Heftchen :  The  Empire  of  Jajmn  (1881)  u.  .8.  w. 
Die  allgemeinen  Deschreibenden  Werke  geben  meist  einen  knrzpn  l'^ber- 
blick,  der  mehr  oder  weniger  fragmentarisch  ist.  Zu  erwähnen  ist  auch 
Le  Ondre,  Progreesive  Japan.  New  York  und  Yokohama  1878.  Ffir  die 
neuesten  Einrichtungen  ist  die  Tagespn  >  r>  h^rnnzuziehen,  natfirücVi  mit 
Vorsiebt.  Von  den  zahlreichen  {»negyrischen  DarsteUunaen  der  jetzigen 
ZnstKnde  ist  eine  der  besten  der  iron  dem  bald  daram  in  japanische 
Dien.Hte  getretenen  Obersten  Pa  Im  er  in  der  British  Qnarterly  Review  V>^^2 
verofFent lichte  Aufsatz:  Reeent  Japanese  Progress.  —  Zu  don  fftlt^enden 
Mitteilungen  Uber  Ausgaben  de«  Staaten  für  verschiedene  Zwecke  sei 
bemerkt,  dafs  es  meist  unmöglich  ist,  vor  das  am  1.  Juli  1875  beginnende 
Finanzjahr  zurückzugelien.  Von  l'^To  bis  isSö  lief  die  EtafeqMriode  VOm 
1.  Juli  bis  :M).  Juni,  seit         vom  I.  April  bis  'M.  Mätz. 

Wenn  auf  den  folircnden  Seiten  der  Versuch  gemacht 
werden  soll,  die  staatliche  Organisation  des  modernen  Japan  zu 
schildern ,  so  kann  es  sich  nur  um  eine  Darstellung  der  wich- 
tigsten Zii^i  iiandeln.  Den  beständigen  Änderungen  und  V'er- 
scliiebungeu  der  neuen  Organisation  im  einzelnen  nachzugehen, 
wttrde  eine  sehr  umfimgreiäef  durdi  die  fremdartige,  oft  wecb- 
sekide  Nomenklatur  der  Ämter  erschwerte  Erörterung  Teriangen, 
welche  auf  aUgemeines  Interesse  docli  nicht  rechnen  könnte. 
Die  ersten  zehn  Jahre  nach  der  grofscn  Neuordnung  von  1871 
zpfvj^fn  vielfach  ein  ziemlich  unsicheres  Hin-  und  Hertasten.  Erst 
seit  etwa  1881  ist  etwas  mehr  zielbewulstes  Leben  in  die  Kcform- 


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X  4. 


88 


arbeit  gekommen.   EiDea  ist  aber  hervorzuheben,  weil  eB  nur 

zu  leicht  fibf'i^chen  wird,  dafs  viele  in  der  riesetzgebung  uns 
als  ATideraiigen  oder  Neubütlunj^^cn  erscheinende  Mrii'sregein  doch 
in  der  Hauptsache  nur  Änderungen  von  Namen  sind.  Wie  im 
voiigen  Kapitel  schon  ausgetUltrt,  sind  die  folgenden  Jahre  als 
die  Hauptstofen  der  £ntwi(£elung  zu  betrachten:  1871  72,  1875, 
1880/81,  1885/86. 

Das  Haapt  des  Staates  ist  der  Kaiser  (Tenno,  Tenshi, 
von  Fremden  meist  Mikado  genannt).  Ein  besonderes  kaiser- 
liches HausverTn?5p;on  giebt  es  ursprünglich  nicht.  Erst  seit  der 
Verfiii^f^iniL^'sstaat  in  Aussicht  stand,  sind,  um  die  Krone  von  der 
Volksvertretung  unabhängig  zu  raachen,  gewisse  Teile  des  iStaats- 
vermögens  als  Krongut  ausgesondert  Der  genaue  Betrag  ist 
nicht  bekannt.  Die  Hauptbestandteile  sind  einerseits  der  ziem- 
lich eAebÜche  Aktienbeeits,  mit  wehshem  der  Staat  sich  an  der 
GrOndung  verschiedener  groimr  Unteniehmungen  betoligt  hatte 
(Staatsbank,  Shokin-Bunk,  Posldampfei^gesellschaft),  anderseits 
Immobilien ,  nämlich  die  Gold-  und  Silbergruben  von  Sado  und 
Ikuno  und  au^edehnte  Waldungen,  angeblich  Uber  GOO  000  Cho. 
Im  übrigen  werden  die  Kosten  der  kaiserlichen  Hofhaltung 
jährlich  im  nötigen  Betrage  auf  den  Etat  gesetzt.  Für  unge- 
wöhnliche Au^aben,  wie  den  Palastbau  m  TükyO;  fruiier  auch 

ftor  Bensen  des  KaiserSf  rind  besondere  Posten  im  ExtraorcBnarinm 
des  Budgets  angesetat  worden.  Die  ordentliche  Anigabe  betrag 

1875  76  erst  933  000  Yen,  bis  1879/80  war  sie  auf  1  343  000 
Yen  gestiegen,  hob  sich  1881/82  auf  1  900000,  1882  83  auf 
2184  000  Yen.  Dann  stiej?  sio  wieder  langsamer  bis  1887/88 
auf  2  500  000  Yen  und  wurde  im  Budget  f\lr  1889/90  mit 
3  Millionen  eingesetzt,  weiche  Hühe  sie  wohl  in  Zukunft  bei- 
behalten wird. 

Die  Gese  t  z g eb ung  steht  dem  Kaiser  an.  Die  Ausdrücke 
Ibr  Oeselse,  Verordnungen  a.  s.  w.  sind  erst  durch  die  kaiserliche 

Verordnung  Nr.  1  vom  26.  Februar  1880  gleichmäfsig  festgestellt. 
Vorher  finuen  wir  eine  ganze  Reihe  ziemlich  antOTBchiedalos  ge^ 
brauchter  Ausdrücke  (Ho,  Ritsu,  Rf^i  llitsurei,  Jorei,  Kisoku, 
gewöhnlich  Futatsu,  etwa  .J)ekrf't"  oder  „Erlafs'')  Eineneigen- 
artigen  Charakter  hatten  die  kaiserlichen  Proklamationen  (Go- 
satasho  Fukoku).  Diese  dienten  teils  zur  Bekanntmachung  allge- 
meiner R^erungsgrundaKtzc  (so  die  erwähnten  Proklamationen 
Tom  U.  April  1875,  Tom  12.  Oktober  1881,  vom  22.  Dezember 
1885)^  oder  zur  Einführung  wichtiger  neuer  Gesetae  (so  Tom 
28.  J>eaembcr  1872,  betr.  Einitlhrung  der  allgmeinen  Wehr- 
pflicht;  die  Proklamationen,  betr.  die  Grundsteuer,  von  1873 
und  1877). 

In  den  ersten  Jahren  wurden  Dekrete  sowohl  vom  iataatsrat 
als  den  Ministern  als  den  Provinzialbelu)rden  erlassen.  Ein 
Unterschied  zwischen  Bestimmungen  für  das  Publikum  und  nur 
an  die  Beamten  gerichteten  Verfügungen  bestand  nicht.  Seit 

6* 


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84 


1873  (18.  Juiij  wurde  etwas  bessere  Ordnung  in  diese  Dinge 
gebracht,  namentlich  aber  durch  Nr.  94  vom  10.  JSüveniber  1881. 
Die  Gesetze  erbchieneu  nun  al»  Erlasse  des  Staatsrats  mit  der 
PuUikationsfonneL:  „Bekannt  gegeben  auf  Befehl  Sr.  Majettät 
des  Kaisers'^,  gezeichnet  vom  Daijo-Daijin  (Qrorakaosler),  gegenge- 
zeichnet vom  betreflRmdcn  Fachminister^.  Seit  dem  Gesetze  von 
1881  sind  das  Kabinett,  die  Minislier  und  die  Bezirkshauptleute 
(Chiji,  Rei)  auf  Erlals  von  Ausfiihrungs-  und  solcfion  Verordnungen 
beschrankt,  zu  welchen  sie  durch  Gesetz  erniaclitifxt  sind,  nam*^nt- 
lich  Polizeiverordnun^en.  Die  Verordnung  vom  26.  Februar 
188r)  unterscheidet  Gesetze  (Horituui  und  kaiserliche  Veiord- 
Dungen  (Chokturei).  Ein  wirklicher  UnterBcbied  zwischen  beiden 
ist  natttrUch  ent  entstanden  durch  Inkrafttreten  der  VerfaBsung, 
welche  au  ^Gesetzen*^  Zustimmung  des  Liindtages  fordert.  Ge- 
setze und  Verordnungen  werden  veröffentlicht  mit  einer  ein- 
leitenden Formel.  Diese  enthiilt  die  Sanktion  und  den  Publi- 
kationsbefehl ,  ist  mit  Untersclirift  und  Siegel  des  Kaisers  ver- 
sehen und  vom  Ministerpräsidenten  und  dem  zuständigen  Minister 
gegengezeichnet.  Verordnungen  (Meirei)  d^  Kabinetts  erläfst 
der  Ministerpräsident,  Miniäteriid  ,  Bezirks-  und  Kreis  Verordnungen 
der  belreflfonde  Verwaltungschef'. 

Seit  1872  werden  Oesetae  und  Verordnungen  mit  durch 
das  Jahr  durchlaufenden  I^ummem  beadchnet  und  vielftch  ein- 
fiicfa  nach  diesen  dtiert. 

In  einer  absoluten  Monarchie  ist  von  besonderer  Wichtigkeit 
die  Refreluiig  des  Staatsdienstes,  l^hor  den  Eintritt  in 
den  St^iatsdienst  gab  es  lange  Zeit  hindurch  keuie  Bestimmungen. 
Thatsächlich  herrschte  ausschliefslich  Patronage.  Vor  allem 
waren  es  die  Sieger  aus  dem  Süden,  welche  die  Ämter  mit  ihren 
Freunden  und  Anhängern  füllten.  Doch  konnte  man  Im  niederen 
und  Tnittler(>n  SUiatsdienst  die  Erfahrung  der  bisherigen  Beamten 
begreiflicherweise  nicht  ganz  entbehren^.  Erst  Ende  1884  wurden 
ftir  die  Richter  Anstellung  und  wissensehaftliche  Krfordernisse 
gesetzlieh  geregelt.  Das  Heformprogranim  Itos  vom  Dezember 
18S5  nahm  <He  Einführung  von  Sta^itspilifungen  in  Aussieht. 
Diese  sind  daim  durch  eine  Reihe  von  \  erordnungen  des  Jahres 
1887,  mit  Gesetzeskraft  vom  Januar  1888  an,  ins  Leben  gerufen. 
Für  die  von  uns  zu  betrachtende  Periode  kommt  diese  Neu- 


'  Bis  1881  waren  die  (besetze  nur  vom  Daijci -  Daijin  p^ezeithrn't. 
Die  Veröffentlichungsfoiinel  war  einfach:  Obiges  wird  bekannt  cegebeu. 

^  Die  Befugnis  der  Minister  zum  Erlafs  von  Polizei  Strafveroranangeo 
ist  1890  aufgehoben.  Für  die  Zaknnfl  vgl.  auch  Qeaets  97  vom  6.  Ok- 
tober im. 

*  Nach  einer  Übersieht  für  Ende  1888,  welche  die  aus  der  Stuli- 

kasse  Besolilung  beziehenden  aktiven  Beamten  umfafst,  mit  Ausnahme 
der  Kreisbcjimten.  Unteroffiziere,  Polizisten,  Getänpnisaufseher,  waren 
vorhiandeu:  höchste  Beamte  (^Chokunin)  24^%  mittlere  (öonin)  7510,  untere 
(Hannin)  25522.  £b  waren  hdinatsbereeht^ 


.  y  1.  ^  .  y  Google 


höchste 

mittlere 

iliftlere 

141 

977 

13 

608 

1  ü72 

17 

411 

1317 

4 

332 

862 

11 

990 

960 

5 

259 

57T 

X  4.  85 

r^elong  um  so  weniger  in  Betracht,  als  bis  Ende  1892  Erleich- 
terangen  und  AusnabmeD  sulilssig  sind  ^  —  Wie  die  AostdluDg. 

im  BesEurk 

Tokyo 

Yu  14 1  agu c h  i  (  Gl  1  o sh u  - 1  i  ii  1 1 ) 
Kngosbiina  ( Satsuma-UaD) 
Slil/uokii  (Tükugawa-Han) 
Nagasaki  und  Saea  (Hisen 

IfRn) 
Korlii  1 'rM.-"-;i- !  fan: 
In  Kyuehu,  Cho&hu  und  'iom. 

msaramen  (etwa  18  ^/o  der 

Einwohner  Japans  enthal* 

ttndi  d5=:=2a<'/o  23.j3  =  31"'o  60e!6=«24«;« 

Im  übrigen  Japan  ohne  To- 
kyo (mit  dMir  vierikclieD 
EiMwobnenaüil  der  ▼oiigen 

Gruppe)  47     19  "/o   4  2ö0  «=  57  «/o  lÖ  517  =  61  <>>o. 

von  de»  141  bdehaten  Beamten  aus  Tokjo-Fb  siiid  98  Kwazoku, 
Ton  welchen  eine  erhebliche  Anzahl  aus  den  Südlandschaften  stammt. 
Audi  Hüllst  sind  Beamte  fludlicber  Abknnft  in  Tokyo  in  riemUcber  Zahl 
beiuatttberechtigt. 

Eine  entspraelwnde  Oberridit  für  Ende  1nS3  vor  den  A  j*  Iserhe- 
bongen  und  daner  noch  bedeutsamer  ergiebt  für  den  gröfsten  Teil  aller 
Beamten  (einschUeishch  Diener) 

bttebste       mittlere  niedere  Beamte 

und  Diener 

im  Lande  Idö  4  706  90317 

davon  heimatsberechtigt  im 

Bearke  Tokyo  46  10  367 

Yamaprichi  23  514  3  229 

Kagütihima  29  391  3  755 

Nagasaki  und  Safla  10  227  2  688 

Kochi  11  211  1852 

Shizuoka  7  295  3250 

Kyoshtt,  Choshu  vnd  Tosa 

ausammen  79  =  50'>o    17 13  =-360/0     18  454  — 20  »'o 

Übriges  Japan  ohne  Tokyo     'M\     21".,    l» 540  =  5:3««     61 4Wj  BS«© 

Der  vorwiegende  luoilufs  von  Chosbu  (Yamatfuchi)  und  Satsuma 
(Kagoshima),  der  Sat-Cbo« Vereinigung ,  wie  man  in  Tokyo  sagt,  ergiebt 
sich  vollständig  erst,  wenn  man  die  leitenden  Staatsmänner  nach  ihrem 
Einflus^^e  wägt  und  die  Bcsetzunf?  der  leitenden  Stellen  in  bestimmten 
Zweigen  de^  Staatsdienstes  (Anneo,  Marin(\  Polizei)  verfolgt.  Z.  Ü.  war 
1890  die  Generalität  folgendermafrieti  /uHammcngesetzt : 

Generäle  :?,  davon  J  k  tis.  ilir  lip  f'rinzen,  1  aus  Choshu. 

Generallieutcnan ti>  VJ,  davon  43  aus  Choshu,  7  aus  Satsuma. 

Generalmajore  27,  davon  10  ans  Choshu,  5  ans  Salaama. 

Übricons  wird  die  Identifizierung  der  Männer,  welelie  in  I  i  K'  x  olii- 
tion  eine  Uolie  gespielt  haben,  einigermafsen  ersehwert  durch  die  vielfach 
vorgenommenen  Namensänderungen.  So  hiefs,  um  nur  einige  der  be- 
kanntesten zu  nennen.  Saigo  liikamofi  frtther  Saigo  Kidiinosuke,  Ito 
Hirobumi  hiefs  Ito  Shiiüi'^uke,  Inouye  Kaoru  hiefs  Inouve  Bunda.  Der 
spatere  langjährige  Präsident  des  höchsten  Gerichts  Tamano  Uobumi 
aaitnte  sich,  naehdem  er  das  IMestei^ewand  abgeworfen,  Tamamatsa 

Mis^Hwo  U.  8.  w. 

>  lune  weitere  Einschränkung  bilden  die  Kaiser!.  Verordnungen  9 
und  10  vom  4.  Februar  1890 ,  wonach  Kreishanptleute  (Gnncbo,  Kuebo) 


.  yui.u  .  l  y  Google 


86 


so  liegt  die  Entlassung  der  Beamten  bis  jetzt  ganz  in  der  Hand 
der  betreffenden  Vorgesetzten. 

Alle  i3eamte  wurden  bei  der  Neuorganisation  des  Staates 
In  drei  Onule  geleilt,  Chokuniiiy  die  hOdisten  Beamten  (Es- 
ceUensen),  Sonin  nnd'Hannin*.  Bei  der  Reform  Ton  1886 
wurden  von  den  ersteren  noch  die  8h innin  abgesondert,  daa 
sind  die  Minister  und  ihnen  Gleichgestellte^.  Die  Chokunin 
ernennt  der  Kaiser.  Sie  zerfallen  in  zwei  (früher  drei)  Klassen. 
Die  Sonin  ernannte  früher  das  Daijokwan,  seit  lö8ü  dor  Kaiser 
auf  Vorschlag  des  Ministerpräsidenten.  Sie  zerfallen  in  sech* 
(früher  vier)  Klassen.  Die  Hannin  werden  vom  Chef  der  betreflFen- 
den  Behörde  ernannt  tmd  nerfidlen  in  lehn  früher  aeht)  Klamn. 
Da  die  swei  untersten  Kkaaen  der  Sonin  und  die  nwei  oberatan  der 
Hannin  einander  gleichstehen,  giebt  es  thatsächlich  17  Rang- 
klamen,  welche  auch  dir  die  Höhe  des  Gehalts  entKheidend  sind. 

Bei  jedem  Grade  giebt  es  noch  Beamte,  die  zu  keiner  Klasse 

fehören.  Endlich  giebt  es  Beamte  „ohne  Rang^  (Togwai: 
'olizisten,  GefUngniswiirter  u.  s.  w.).  2^hlreich  ist  die  Zahl  der 
„auf  Zeit  Beschättigten^'  (Yatoi) ,  welche  nicht  zu  den  Beamten 
gehören^. 

Über  die  allgememen  Pflicfaten  der  Beamten  ergingen  1876 
Bestimmungen  (Nr.  34  und  85  vom  14.  April),  von  welchen 
Ito  in  seinem  Reform prognunme  selbst  sagte,  dafs  sie  nur  un- 
vollkommen durchgeftihrt  seien.  T^ber  die  wichtige  Frage,  in- 
wieweit Beamte  private  Geschäfte  betreiben ,  an  Aktiengesell- 
scliaüen  u.  s.  w.  sich  beteiligen  dürfen,  waren  schon  1881  (Nr. 
27  und  28  vom  6.  Mai)  genauer  gefafste  Bestimmungen  er- 
gangen, neues  allgemeines  Gesetz  wurde  1887  (29.  Juli, 
jNr.  89)  eriaasen.  Die  Regelung  des  Disciplinarverfthrens  steht 
aber  einttweilen  noch  aus.  Die  Gehaltsvernaltnisse,  an  welchen 
viel  herumgeflndert  ist,  sind  für  die  Civilbeamten  188(>  neu  ge- 
i«gelt.  Danach  beträgt  das  Gehalt  der  Chokunin  3500—5000  Yen. 

Für  Sonin  beträgt  es 

in  der  ersten  Klasse  2600  -3000  Yen 
-    -  zweiten    -     2000-2400  - 
.    -  dritten     -     1400-1800  - 


und  Poiizeüuspektoren  auch  ohne  Prüfang  augesteüt  werden  können, 
wenn  sie  berats  fSnf  Jabre  im  Staatsdienste  besw.  als  Poliiistefi  ^tig 

gewesen  sind. 

>  Die  senanuten  drei  Grade  (und  20  Klassen)  wurden  am  2U.  des 
8.  Monats  1869  eingefSlirt  für  die,  welehe  Hofhmg  hatten.  Die  spKtere 

Einteilung  ist  bei  der  grofsen  Verwaltungsrefonn  vom  August  1871  ein- 
einpoführt.  Die  jetzige  Regelung  durch  Kaiscrl.  Verordnungen  Nr.  6 
vom  17.  März  und  Nr.  :{ü  vom  April  Lss»;.  Für  die  Zukunft  kummt 
auch  Kaiserl.  Verordnung.  ;i7  vom  L'l'.  Miin:  1S90  in  lietraeht. 

'  in  den  foi^^cnden  rbersirhten  über  die  Zahl  der  Beamten  mit  deD 
Chokunin  cueauunenfferechnet,  wie  in  der  amtlichen  Statistik. 

*  Unter  diese  Kategorie  fallen  die  sSmtlieben  in  Japan  aagttrteUteik 
Audünder. 


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X  4 


87 


in  der  vierten  Klasse  1000 — 1200  Yen, 

-  -  fünften     -       700—  900  - 

-  -  sechsten    -       400—  600  - 
Für  Haniun  beträgt  es 

in  der  enten  Kkaae  720—900  Yen, 

-  -    zweiten   -  600 

-  -    dritten    -  540 

und  so  fort  in  ]Vlr>r  KIa.<^-?r  f>0  Yen  weniger  bis  sur  nennten  mit 
180  Yen  und  il<r  zehnten  mit  1  14  Yen' 

Bei  Obokunin  und  Sonin  sind  die  Gehälter  der  Be- 
amten des  diplomatischen  und  Konsulatsdienstes,  der  Richter, 
Staatsanwälte,  Lehrer,  Ingenieure  etc.  besonders  festgetictzt. 

Verwtsnng  in  «ne  höhere  Kbuae  soU  bd  Ghoknnin  und 
Sonin  immer,  nur  nach  filn9ttbriger,  bei  Hannin  1. — 5.  Klasse 
nach  vierjähriger,  6. — 10.  Klasse  nach  dreifftbri^er  Dienstzeit 
erfolgen^.  Über  die  Qehälter  in  der  Armee  vergleiche  S.  107, 
Pensionen,  welche  früher  nicht  bestfinden,  aufser  im  Falle  be- 
sonderer Verleihung  fiir  Verdienste,  sind  allgemein  eingeführt 
18Ö4  (Nr.  1  vom  4.  Januar).  Die  Pensionsberechtigunf^'^  Ix  i^'nnt 
danach  nach  15  Dienstjahren  ujit  einem  Viertel  des  Geiiaitä  und 
fltdgit  mit  jedem  wetteren  Dienstiahre  um  ^/im  som  Maxi- 
mnm  von  emem  Drittel  des  Oehalts,  welchee  also  mit  35  Diensl- 
jahreti  erreicht  wird*.  Die  Ausgabe  für  Peniionen  mule  natur- 
gemttfs  im  allgemeinen  steigen.  Fllr  persönlich  verliehene  wie 
iMenstpensioneTi  wnrrlen  1!^S0*^1  2!i3  700  Yen  ausgegeben, 
IRR?  88  392800  Yen.  Im  Etiit  für  L^89  90  waren  473000  Yen 
angesetzt,  immerliin  noch  eine  sehr  malsige  Summe. 

Entsprechend  unserer  Stellung  zur  Disposition  ist  die  1886 
eingeführte  Einrichtung  (Uishoku),  dals  bei  Organisationsver- 
ttncrarungen  entlassenen  Beamten  drei  Jahre  lang  ein  Drittel 
ihres  bisherigen  Gehaltes  gezahlt  wird.  Ende  1888  gab  es  3070 
solcher  Beamter  mit  fast  450000  Yen  Dispositionsgehalt  ^.  Im 
Etat  für  1889  90  waren  dagegen  nur  203800  Yen  für  diesen 
Posten  einfrp*^tellt. 

Beim  Tode  eines  Beamten  erhalten  die  Hinterbliebenen  von 


I  Die  Kaiserl.  Verordnungen  87  vom  22.  März  lb90  hat  die  Abstafang 
der  Hanningchälter  etwas  gefindeft,  aber  innerhalb  der  bisherigeii  Qrensen 
von  144  und  900  Yen  jährlich. 

*  In  Znkmift  ist  das  alles  diureh  die  Verofdnuns  36  und  37  vom 
22.  Mftrz  1890  etwas  geändert.  Namentlieb  sind  die  Fristen  für  das  Auf- 
steigen in  höhere  Stufen  verkürzt. 

■  Das  Pensionsgesetz  ist  revidiert  durch  Gesetz  4;>  vom  20.  Juni  1890. 
Danach  steigt  die  Pen«on  bis  zum  40.  Diene^ahre,  so  dafs  ihr  Höchst' 
betrag  ®*/«4o  des  üehalt'*?  f^rreicht,  was  immer  noch  recht  licscheiden  ist. 

*  Nämlich  7  Chukuuiu  mit  durchschnittlich  1644  Yen  Wartegeld, 
498  Sonin  (3S0  Yen)  und  2567  Hannin  (100  Yen).  In  den  Zahlen  rind 
aber  auc  h  ttne  Ansahl  auf  knne  Zeit  mit  vollem  Odialt  inr  Di^ontion 
Gestellte. 


88 


X  4. 


Chokunb  und  Soniu  ein  Drittel»  tod  Haanm  ein  Viertal  des 
Gehalts. 


Eine  eigenartige  Belastung  des  Beamtenstandes  bildet  die 
im  Jahre  IS^>4  (  I  August)  eingefllhrte  Verpflichtung  der  Be- 
amten mit  100  Yen  monadichen  Gehalts  und  darüber  ein  oder 
mehrere  i Pferde  zu  halten.  Die  Einrichtung  ist  im  Interesse  der 
Remontierung  der  Armee  getrofien. 

Die  ganze  Verwaltung  des  Staates  läuft  zusammen  in 
dem  Kabmett,  welches  Ende  1885  an  Stelle  des  Stnatsrato  ge- 
treten ist.  An  seiner  Spitze  steht  der  Jdinisterprästdent 
(Sori-Daijin,  9600  Yen  Gehalt),  regelmäfsig  ohne  Portefeuille.  Er 
vermittelt  den  Geschäftsverkehr  mit  dem  Kais^  und  ist  be- 
rechtigt, bei  allen  Immediatvorträgen  der  Minister  zw^f^f^n  zu 
sein.  Im  Kabinett  sitzen  die  neun  iStaatsministcr  (Daijin, 
Gehalt  6U0i)  Yen).  Jeder  Minister  wird  unterstützt  und  ver- 
treten von  einem  V  i  c  e  m  i  u  i  s  t  e  r  oder  Unterstaatssekretar  ( J  i- 
kwan,  Chokuninrang,  Gehalt  4000-5000  Yenj,  während  es  vor 
1886  littufig  einen  ersten  und  einen  Bweiten  Vicemhiister  g^b. 
Jeder  Minister  hat  zwei  Privatsekretäre  (Sonin)  Jedes  Mini- 
sterium zerfällt  in  eine  Anzahl  AbteUungen  (Kyoku),  je  unter 
einem  Direktor  (Cho,  Soninrang,  1800- 3« )00  Yen  Gehalt  — 
seit  1890  hat  er  eventuell  Chokuninrang)  und  dem  nönVcn 
Bureaupersonal  (Hanninrang).  Wichtige  Abteilungen  haben  einen 
Vieedirektor  Zur  Unterstützung  des  Ministers  wie  der  Abtei- 
lungen dienen  eine  Anzahl  Sekretäre  und  liäte  (Shokikwan  und 
Sanjikwan,  Soninrang,  900— 2000  Yen  Gehalt  Endlich  sind  in 
jedem  Ministerium  eme  Anzahl  Techniker  und  neuerdings  einige 
im  Vorbereitungsdienst  befindliche  Beamte  (Shiho),  die  im  wesent- 
liehen  unseren  Assessoren  entsprechen. 

Der  Geschäftskreis  der  meisten  Ministerien  und  noch  häu- 
tiger diu  Anordnung  der  Ausgaben  im  Etat  ist  so  oft  geändert, 
dafs  es  ganz  unmöglii'h  ist.  die  Au8;4aben  der  einzelnen  Ministe- 
rieu  aut  längere  Zeit  hinaus  zu  vergleichen.    \'on  1873  bis  1885 


des  Innern,  der  Finanzen,  des  Kriegs,  der  Marine,  der  Justis, 

des  Unterrichts,  der  öffentlichen  Arbeiten.  Aus  letstgenannt^in 
und  den  Ministerien  des  Innern  und  der  f^anzen  wurde  1881 
ein  Ministerium  ftlr  Landwirtschafi  und  Gewerbe  losgelöst.  Hm 
der  Refonn  im  Dezembrr  1885  wurde  das  Arbeitsminiateriuiu 
ganz  aufgehoben  und  seine  (rei^chäfte  verteilt,  dagegen  ein  Mini- 
sterium de«  Verkeiirswesens  iür  Schiffahrtssachen ,  Post  und 
Telegraphic  neu  gebildet  FUr  Eisenbahnwesen  wurde  ein  un- 
abhängiges Amt  gebildet,  welches  dem  Kabmett  direkt  untersteilt 
wurde  (Direktor  &000  Yen  Gehalt)  ^   Ebenso  untersteht  das 

t  Dnreh  KaiscrI.  Veioidnaiig  198  vom  5.  September  1890  hat  das 
Eisenbahnamt  seine  Sonderstell uug  wieder  verloren  and  ist  dem  Ifini- 
steriom  des  Inneren  auteisteUt  worden. 


.  y  1.  ^  .  y  Google 


X  4. 


89 


Ordensarat  und  das  Süitistisclie  Amt  (li^-^l  im  Minlstenum  des 
iDnern  gcächaffen)  (Iliu  Kabinett  unmittelbar. 

Zur  Beratung  von  Geaetzeniwürten  und  zur  Entgegennahme 
von  Petitionen  bestand  neben  dem  Kabinett  seit  1 875  das  G  e  n  r  o  - 
in,  der  Senat  (das  froheve  Sa-in)  unter  ebem  IVttaidenten  (5000 
Yen  Oehalt)  und  60--80  Senatoren  (ChokuninV  Diese  Behörde, 
welche  nur  gering^e  Dienste  geleistet  hat,  ist  durch  Inkrafttreten 
der  Verfassung  Überflüssig  und  am  20.  (Jktober  1890  aufgehoben 
worden.  Zur  Vorbereitung  von  Gesetzentwürfen  hat  man  sich 
teils  ei;j:en8  zusanimen^esetzter  Kommissionen  bedient,  tcil.s  aber 
noch  aufser  dem  Genre  m  dauernde  Behörden  geschaffen,  nament- 
lich 1881  das  JSanji-in,  an  dessen  Steile  Ende  1885  das  iiosei- 
kyaka  getreten  ist  Ei  tmterstebt  dem  Kabinette  Als  hOehster 
Beirat  des  Kaisers  ist  am  L  Hai  1888  ein  Staatsrat  (Su> 
mitsu-in )  ins  Leben  gerufen-,  mit  einem  eigenen  Vorsitzenden 
(0000  Yen)  und  V'iceprJlsidenten  (5000  Yen),  welchem  die  kaiser- 
lichen Prinzen,  die  Minister,  der  Nai-Daijin''  und  eine  Anzahl 
Staatsrntf^  (4500  Yen)  angehören*.  Als  hohe  Behörde,  bislier 
dem  Kabinett  untergeordnet,  seit  1889  in  Ähnlich  unabhängiger 
Stellung  wie  die  preufsische  Oberrechnungskai umer,  ist  endUch 
Bu  nennen  der  Rechnungshof  (Kwaikeikenza-in),  der  1880 
(5.  März)  erricbtei  ist,  wilhrend  Im»  dahin  nur  im  I^Wnsmini* 
Stenum  eine  Rechnungsabteilung  bestand  (Vorsitzender  4500  Yen 
Gehalt).  Für  vorUbei^bcnde  Zwecke  wurde  nach  Aufhebung 
des  Arbeitsministeriums  ein  ßauamt  eingerichtet. 

Die  Ausgabe  fUr  das  Kabinett  und  die  ihm  direkt  unter- 
stehenden Behörden  betrug  lb75  T(5  520000  Yen,  sank  bis  1877  78 
auf  376(100  Yen  und  war  bis  1884  85,  dem  Jahre  vor  der  Re- 
form, auf  ü54 000  Yen  gestiegen.  Nach  der  Reform  1880/87  be- 
trug sie  —  mH  Aunohiiils  des  Eisenbahnamts  —  053000  Yen! 
Im  Etat  ftr  18S9/00  sind  6^1 000  Yen  angeeetet,  wovon  92440 
Yen  auf  den  Rechnungshof  kommen.  Dazu  sind  noch  18708  Yen 
fUr  das  Eisen bahnamt  bu  zählen^.  Das  neue  Sumitsu  in  er- 
acheint  mit  111081  Yen. 

Hifi  Ausgabe  für  das  Oenro-in  betrug  im  ersten  Jahre  sei- 
nes Beistehen«  1875'7ü  21OOU0  Yen,  1877  78  140000  Yen.  Seit- 


*  Reorganisiert  durch  Kaiserl.  Verordnung  !M  vom  11.  Juni  1890. 

*  lieorganisiert  durch  Kaiserl.  Verordnung  voui  7.  Oktober  1890. 

■  Dieser  alte  'IMtel  bezeichnet  seit  Dezember  1885  einen  hohen  Hof- 
brn mtcn,  rlfr  nie  Grofsjeiegelbcwahrer  auch  für  Staatsangelegenheiten  eine 
gewiaee  tortnelle  Bedeutung  hat  (bOOO  Yen  Gehalt,  ebensoviel  der  llaus- 
minifltflr). 

*  Jenseits  des  von  uns  zu  betrachtenden  Zeitabschnitts  liegt  lier 
Verwaltungsgerichtshof,  der  von  der  Verfassung  und  verschiedenen 
neuen  Verwaltungsgesetzen  vorgesehen  und  durch  Gesetz  4Ö  vom  28.  Juni 
1890  errichtet  worden  ist  Soweit  bisher  eine  Verwaltangsgeiiehtsbarisflit 
besfcsnd,  wTirde  sie  vom  Sanji-in  bezw.  HosoikyoUn  wahrgenommen. 

^  Zu  beachten  ist,  dafs  die  Gehälter  der  Fachmiuister  auf  dem  Etat 
ihiSB  Mmisteriiiini,  nicht  auf  dem  des  Kabinetts  stehen. 


90 


dem  iät  sie  uuaufbiirlich  gestiegen  bis  auf  289 000  Yen  im  Jahre 
1887  88. 

Uber  die  den  einzelnen  Centraibehörden  angehöngen  Beamten 
und  ihr  darchsclimtlliclieB  Gehalt  giebt  fblgoide  Tabelle  Auf- 
echlttfs. 


Ötaatabeam te   in  den  Crntraibehörden  und  ihr 
Durchschnittsgehalt,  Ende  1888. 


Chokn- 
tun 

Souiü 

iiannin 

Ange- 
stellte 
ohne 
Grad 

Zahl  aller  JJeamten 
und  Angestellten 

Summe  aller 
gezahlten  Gehtilter 
Ven 

Kabinett 
StAatärat 
Min«   d.  Ans- 

W  tu  VI^Cll 

Min.  d.  Inneren 
Min.  d.  Finan- 
zen 

Min.  d.  Kriegs 
Min.  d.  Marine 
Min.  d.  .)usti/. 
Min  d.  Unter- 
richts 

Min.  d.  Land- 
wirtschaft u. 
G  wfrbe 

Min.  d.  Ver- 
kehrs 

Senat 

Bauarnt 

EiseotMÜmamt 

>s 

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S3 

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*^ 

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4 
14 

14 

•) 

•> 

•JÜ 
14 
is 

4 

•) 

•} 

s] 

1 

5620 
4G4.H 

524  1 
5000 

4750 
3045 
4:V22 

4(J2ü 

525o 
5250 

:;;{o5 



.'>00o 

50 

G7 

99 

:i517 
972 
1720 

279 

119 

107 
5 
10 
37 

1907 
1527 

2132 

löia 

15^7 

550 
.s;n 
071 

10t  13> 

1092 

050 
1521 
13;  50 
1311 

2m7 
10 

124 

ino 

7  !>40 
2  434 
2363 

293 

1  I6ü 

5  024 
40 
1.^ 
227 

394 
354 

002 
:'.47 

:M0 
S3 
201 
225 

352 

207 
100 

Iis 

379 

00 
0 

52 
1  :J44 

1  327 
3;i7 
627 

3:«2 

453 

572 

2  579 

44 
23 
739 

105 
192 

303 
103 

is;) 
170 
154 
83 

205 
9S 

ist; 
257 
158 

437 
37 

273 
1076 

2  ;M4 
1 1  823 
4  047 
7  459 

1029 

1  S73 

S012 
179 
51 
1004 

246  45ft 
Ö0aö8 

340  776 
4110d6 

721  368 
2  762  :m 
1459  74a 
2038764 

511 116> 

4^i>6:i 

052  092 
300  516 

2G  ~m 

255948 

27 

i;{2 

Os-J 

51-.' 

1  557 

456  OOO 

Zusammen 

214 

3940 

7210 

717 

221740 

150 

12  437 

117 

42  001 

10  998  67:i 

Zu  beachten  ist  bei  diesen  Zahlen,  dai«  die  Beamten  der 

aUgemoineTi  Landcsverwaltonp^  in  Bezirken  und  Kreisen  fehlen. 
I'hpr  diese  folgen  weiter  unten  näficre  MittP!lunü^en.  Ferner 
sind  nicht  angegeben  die  iH  tricbsbeüiiiten  der  Ki><  nliahnen.  In 
der  Unterrichtöverwaltuiig  iat  darauf  auliuerksaiu  zu  machen, 
dafs  deren  Last  überwiegend  auf  Berken  und  Gemeinden  ruht 
Dagegen  ist  in  den  Zahfen  fkir  die  Miniatenen  des  Kriegs,  der 
Marine,  der  Jnstis  und  dea  Verkehrs  die  ganze  Masse  der  ihnen 
unterstehenden  Beamten  bezw.  Offiziere  enthalten.  Im  Ministerium 
des  Inneni  fehlen  die  Pohcdmannachaften;  von  der  Gtefilngnia- 


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X  4. 


91 


Verwaltung  sind  nur  die  Zahlen  der  in  den  Zuchthäusern,  nicht 
aber  der  in  den  Bezirksgefängnissen  Angestellten  ge^-'eben.  Im 
Hansminifiterium  fehlen  die  weiblichen  Beamten.   l>ie  ätaatUcb 

besoldeten  8hintoprie«ter  fehlen  gleichfalls. 

Aua  dieaeu  Diugen  erklären  bich  auch  die  so  äelu'  veräciiie- 

denen  DiiiducfanittnaUen  fibr  den  Qehalt  der  mittleren  und 
niederen  Beamten. 

Die  Zahl  namentlich  der  höheren  und  mittleren  Beamten 
hat  sieh  ständig  vermehrt,  beaonders  durch  die  Mafsregeln  der 

letzten  Jahre,  die  Änderungen  in  der  \'erwaltung  der  Besirkei 
in  der  Justiz  und  durch  die  Veniiehrung  des  Heeres, 

Die  folgende  kleine  Tabelle  möge  das  zeigen,  wobei  djiran 
zu  erinnern  ist,  dal's  1870  die  erste  grolse  Reorganisation  der 
Verwaltung  beendet  war^  1885.86  die  zweite  stat&nd. 

Zahl  der  Beamten  der  drei  Grade  187(3  —  1888. 


Ende  des 
Jahres 

Chokmiin 

Sonin 

1876 

HS 

2632 

20  702 

1878 

86 

3  386 

19  386 

1880 

116 

3581 

22  424 

1882 

146 

4352 

25  790 

1884 

178 

5162 

ai  140 

1886 

217 

6180 

88804 

1888 

242 

8007 

34416 

Da  unsere  Darstellung  der  finanziellen  Verhllltniaie  nament- 
lich der  letzten  Hälfte  dieser  Periode  gilt,  so  dürfte  ein  etwas 
eingehenderer  Vei^leich  der  Zahlen  1882  und  1888  einiges 
Interesse  bieten. 

Die  Zahl  der  Uliokunin  stieg  von  Ende  1882  bis  Ende 
1888  von  146  auf  242.  Von  dieser  Zunahme  kommen  allein 
auf  das  Genro-in  41,  aut  das  Hausministerium  19,  auf  die  Be- 
nirksverwaltang  24,  auf  die  Justiz  7.  Das  alte  Daijokwna  zählte 
22  Ghoktmin,  denen  entsprechen  letzt  das  Kahlnett  mit  13  und 
der  Staatant  mit  14.  Die  im  Jahre  1882  vorhandenen  Ohoku- 
nin  erhidten  jährlich  645000,  die  Ende  1888  vorhandenen 
962000  Yen  Gelialt,  eine  Steigerung  um  die  Hälfte  in  (5  Jahren. 

N(Jch  stärker  vermehrten  sich  die  Sonin.  Es  gab  Ende 
1882  4.H52  Sonin,  Ende  1888  aber  waren  es  8007.  Hieran 
waren  beteiligt  die  Justizverwaltung  mit  je  400  und  1726,  die 
Bezirks-  und  Ki-eis Verwaltung  mit  156  und  82bi,  die  Armee  mit 
2517  und  3517.  die  Marine  mit  583  und  972.  Auf  diese  vier 
Zweige  kam  also  ftst  die  ganze  Zunahme  (3387  yon  3655). 
Die  diesen  Beamten  au  aahlenden  Oebillter  wuchsen  von  3340000 


.  y  1.  ^  .  y  Google 


92 


X  4. 


auf  5  008  000  Yen,  eine  Vermebritng  um  mehr  als  drei  Viertel  in 

nur  sechs  Jahren. 

Vcrhiiltnisniäiöig  viel  geringer  war  die  Zunahme  der  idannin, 
nämlich  von  25790  auf  3441(5  in  dem  angegebenen  Zeitraum. 
Daran  war  beteiligt  die  Bezirks-  und  Kreisverwaliung  je  mit  7845 
und  11691  Beamten,  die  Armee  mit  Ü707  und  7940,  dteMnrine 
mit  1632  und  2434.  In  der  JustisTer waltung  ging  infol^ 
der  starken  Vermehrung  der  Soninstellen  die  Zahl  der  Hannm 
etwas  zurück,  von  2413  auf  23(j3.  Die  diesen  Beamten  zu 
zahlenden  Gehälter  stiegen  von  5400000  auf  6010000  Yen, 
also  nur  um  ein  Neuntel. 

Diese  Zahlen  zeigen,  wie  einerseits  die  Verwaltungsreformen 
anderseits  die  Vermehrung  der  bewaffneten  Macht  einen  erheb- 
lichen dauernden  Mehraufwand  veranlasBeny  der  jedoch  nicht 
auaschHefiflieh  wirklicher  Venuehrung  der  Beamten,  sondern  zum 
Teil  dem  Umstände  suEUSchreiben  ist,  dafs  in  der  CivilverwiiU 
tung  vielfach  Stellen  von  Angestellten  ohne  Rang  in  eigentliche 
Beanitenstellcn  umgewandelt  sind 

Zur  Würdigung  der  Änderungen,  weiche  der  grofsen  Retbrm 
vom  Dezenrher  1885  folgten,  möge  schlieislich  die  folgende  Zu- 
sammenstellung beitragen. 


Civil-  und  Militärbeamte  der  drei  Grade 
Ende  1885  und  1888  und  die  Summe  des  an  sie  su 
sahlenden  Jahresgehalts. 


Zahl  am  Ende  dea 
Jahres 

Qehalt  am  finde  des 
Jahres 

1888 

CivUvwwaltujig 

Aimse 

Marine 

9823 
2485 

10788 
2798 

Yen 

2067876 
769006 

Yen 

2  430  780 
110$  452 

ztuammen 

B8412 

42000 

11 757 166 

i2eoefi6i 

Zur  Erläuterung  ist  hinzu7,ufUgen ,  da&  in  vorstehender 
Tabelle  die  Beamten  des  Hausministeriums  ganz  weggelassen 
sind.  VVeniger  ins  Gewicht  M\%t  dafs  von  den  aeehs  Minium  etc., 
welche  militärischen  Hang  hatten,  der  Kriegs-  und  der  Marine- 
minister  bei  der  Armee  und  Marine  eingesetzt  sind,  dageL'en  die 
andern  drei  (ienerale  und  eit:  Admiral  in  der  „Oivilverwaltiing" 
gezählt  sind.  Wie  man  sielit,  sind  an  der  grofsen  Zunahme 
des  Aufwandes  Air  Beamtenbesoldungen  in  neuerer  Zeit  gerade 
die  letzten  Reformjahre  am  wenigsten  beteiligt. 


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X  4. 


Bereits  oben  ist  dai;iut  hingewiesen,  dal's  einer  wichtigen 
Kategorie  vom  ^Staate  Angestellter  Beamteneigenschalt  nicht  zu- 
komuit;  den  in  Diensten  des  japanischen  Staates  stehenden 
FremdeD.  Als  Ratgeber  bei  den  gesetzgebenden  Behörden,  als 
Lehrer  der  jimgen  Be&mteDseneraäoiiy  &  technische  Leiter  von 
BetriebeuntemehmuDgeii  hahen  rie  eine  grofse  Bedeutung  für 
die  Organisation  des  neuen  Staatswesens,  aber  nur  indirekt. 
Direkte  Ausfiihrung,  die  Leitung  der  Oeschatte,  haben  die 
japanischen  Beamten  sich  stets  vorbehahen .  ein  Grundsatz, 
der  begreithch  ist,  dessen  Durchführung  aber  den  sachvur- 
stiincligeren  Fremden  oft  halb  zur  Verzweiflung  bringt.  ICs 
wild  in  späterer  Zeit  schwierig  sein,  der  stillen  Thätigkeit  dieser 
fremden  Katgeber  geredit  su  werden.  Die  Männer,  welche  neue 
tedmische  Ver&hren  eingeführt»  GesetEentwOrfe  gemacht,  die 
Schulen  oi^nisiert.  wissenschaftliche  Sammlungen  angelegt,  das 
Eisenbahnnetz  traciert  haben  u.  s.  w.  u.  e.  w.  —  wer  apricht 
van  ihnen  noch  nach  omi^ren  Jahren? 

Im  Anfang  der  neuen  Ani  war  die  Zahl  der  im  Dienst 
des  japaniseiien  Staiites  stehenden  Fremden  ziemlich  eriieblich. 
Zu  Ende  1872,  dem  ersten  Jahre,  ftir  welche»  mir  Zahlen  vor- 
liegen, waren  es  bereits  369  und  in  den  Jahren  1874  und  1875 
wurde  mit  524  und  527  EOpfen  der  Höhepunkt  erreicht  Von 
da  an  sank  die  Zahl  stetig,  teib  aus  Erspamngrttnden,  teils  weil 
man  soweit  war  oder  zu  sein  ghiubte»  dafe  man  fremde  Htilfe 
entbehren  konnte.  Der  tiefste  Stind  war  Ende  1883  erreicht 
mit  nur  mehr  132  Köpfen.  Von  da  an  stiep;  die  Zahl  bis  Ende 
1887  wieder  auf  195.  An  (behalt  erliielten  diöse  Fremden  im 
Jahre  1872  1005660  Yen,  was  1H74  auf  1:^532  Yen  stieg, 
bis  itSo  auf  450  504  Yen  fiel  und  Ende  1887  wieder  040  020  Yen 
hdrug. 

Die  Fremden  sind  in  nachstehende  Kategorieen  eingeteilt. 
Es  gab 

1874  188$  1887 
Lehrer  und  Professoren     151       44  81 

Techniker  213       29  56 

Verwaltungsbeamte  08       40  52 

Handwerker  27        ^  l  ß 

Sonstige  65         5  J 

Von  den  fremden  Angestellten  gehörten  zum  Kessort  des 

1883  1887 

."5t;uiteratö  (Kabinetts)  4  20* 

Hausministeriums  —  8 

Ministeriums  des  Auswürtigen  *         24  27 

>  Der  grofse  Zuwachs  durch  Uotentellung  des  ESsenbaluuunts  unter 

das  Kabln«  tt 

Darunter  die  Walilkouöuin  in  Europa  und  Amerika,  21, 
1887:  12. 


94 


X  4. 


MiDistcriiiiiiä  des  loDern  8  11 

der  Fiiuumn  7  5 

des  Kri^  8  9 

der  Marine  14  18 

der  Justiz  4  2 

des  UnterrichtB  28  35 
^r  Landwirtschaft 

und  Gewerbe  10  6 

des  Verkehrs  —  18 

der  QffBDd.  Arbeiten  88  — 

der  BesürkncgieruDgea  4  39 

Der  Nalioiialltftt  tmcb,  webhe  ja  in  manchen  Beriefaungen 
ein  besondere«  Interasie  bietet»  waren 

1874    1888  1887 

Britten  280  65  76 

Amerikaner  ■  48  16  37 

Franzosen  110  7  11 

Deutsche  39  21  43 

Holländer  14  5  6 

Sonstige  2  33  18  22 

Da  die  Höho  di-ö  Gtlialt^  eine  ungeft4lire  Vorstellung  von 
der  Bedeutung  der  SteUung  giebt,  so  mögen  hierüber  einige 
Angaben  fbr  1887  folgen. 

Es  erhielten  monatlk^: 

500  Yen  und     200-500  Yen     unter  200  Yen 


daifibor 

Britten 

11 

36 

29 

Dentsche 

7 

30 

6 

Amerikaner 

2 

15 

20 

Franzosen 

3 

5 

8 

HollUnder 

2 

3 

1 

Sonstige 

1 

4 

17 

isnmunnit 

m  26 

93 

76 

Wie  man  sieht,  wiegen  in  atten  drei  Abteilungen  die 
Britten  vor.  Die  DentBohen  kommen  ihnen  in  der  höchsten 
nnd  mittleren  nahe,  während  sie  an  der  niedrigsten  Abteilung 
nur  schwach  beteiligt  sind.    In  dieser  haben  die  Amerikaner  die 

Bweite  Stelle  fMissionslehrcr !). 

Kach  den  angegebenen  Kategorieen  der  Verwendung  waren 
1887: 


'  r>ie  Amerikaner  hatten  schon  1878  mit  58  den  Höheponktt  ebenso 

die  Holländer  mit  19. 

'  Damnter  9  Italiener  (Höhepunkt)»  4  Belgier,  4  Chinedeu,  2  Oster- 
leicher. 


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X  4. 


95 


Lehrer 

Tecbmker 

VerwaltmuBsbeiunte 

andere 

Hrittrn 

25 

31 

19 

1 

Deutsche 

19 

14 

9 

1 

Amerikaner 

25 

1 

11 

FraDzo^D 

7 

1 

3 

HoUttpcler 

1 

4 

1 

SoDBtige 

4 

5 

 9^ 

4 

zusammen  81 

55 

52 

6 

Gegenwäriig  durite  bei  alleo  Kategorieen  wieder  eiae  Ab- 
nahme stattfinden.  Aa&et  Spfachlehrem  and  einigen  Tec^iikeni 
werden  die  „fremden  Angestdlten"  woM  in  einer  nahen  Zuktmft 
fast  ganz  verschwinden  und  durch  das  heranwachaende  ^on 
ihnen  und  im  Auslände  ausgebildete  GescUedit  ersetzt  werden, 
eine  Entwickehmg,  auf  deren  Beschleunigung  die  verKshiedensten 
Ursachen  hinwirken. 

Für  die  Zwecke  der  allgemeinen  Landesverwal- 
tung  wurden,  wie  ohen  envrthnt,  nach  Aufhebung  der  Landes- 
herrschaftcn  75  Bezirke  gebildet,  närahch  drei  hauptstädtische 
Bezirke  (Fu)  und  72  Landbezirke  (Ken).  WesentHche  Hnler- 
scliiede  der  Or^aui^tion  besteiieu  zwischen  beiden  Arten  nicht. 
Die  Berariubilaung  erfolgte  unter  Zugrundelegung  der  alten 
Kokudaka.  Jeder  Bestrk  um&fete  der  Regel  nach  ein  Gebiet 
Ton  200000  bis  000000  Koku.  Der  kleinste  Bezirk  war 
Sado  (Aikawa-ken)  mit  130000  Koku,  der  gröfste  der  Tama- 
guchi-ken  (CJhosliu  und  Suwo,  die  Herrschaft  der  Mori)  mit 
890000  Koku^  in  den  ersten  Jahren  war  diese  He^irksein- 
teilung  in  ständiger  Umbildung  begriffen.  Bei  der  Kleinheit 
vieler  Bezirke  war  die  Verwaltung  übermä&ig  kostspielig.  Nach- 
dem schon  yerschiedene  kleinere  Bezirke  mit  anderen  verschmolzen 
waren,  wurde  am  21.  August  1876  die  Zahl  der  Besirke  auf 
$8  vermindert.  Die  nördliäen  Eolonialgebiete  ( Hokkaido :  Yezo 
und  Kurilen)  fielen  nicht  in  diese  Einteilung.  Ebenso  die  Ryu- 
kyu-Inseln,  welche  erst  1H79  als  Okinawa-ken  organisiert  sind - 
Allmählich  zeigte  sich,  dals  die  1876  «gebildeten  Bezirke  zum 
Teil  doch  zu  ausgedehnt  seien.  Durch  neue  Teilungen  kam  man 
bis  zum  Mai  1883  auf  43  Bezirke  für  Altjapan  ^.    Seitdem  sind 


*  Line  genaue  Übersicht  dieser  Bezirkseinteilung  in  J  apan  VVeekly 
Mail,  1872.  S.  180  ff. 

-  T>as  ..Köiiiu'f' i<'h'*  Ryukyu,  früher  in  gewisser  AMiänEi-iL'knit  vom 
Fürstentum  Satsuum,  wurde  187H  zu  eineui  »Hau*'  gemacht.  In  dea 
Jahren  1875/76  erst  wurden  japaotadie  VerwaltangBänrichtmifilien  ein- 

feführt,  schlierslich  im  Jahre  18(9  die  ganze  Inselgruppe  zum  Okinawa- 
nn  freuiacht  (Dekret  14  vom  4.  April).  FHe  VerwaltungBorffanisation  ist 
auch  jetzt  noch  abweichend.  Viele  iSteuer-  und  andere  Verwaltimcs- 
gwetze  finden  keine  Anwendung  auf  Okinawa.  Die  Kosten  der  Bezirks- 
verwaltung trägt  die  Staatpkat<se.  Eltenso  übr^jaM  auf  den  Wüm  Tokjo* 
fa  gehörigen  Bonin-lnseln  (Ogasawarashima). 

*  Bein,  Japan  1  18  mid  Karte  giebt  die  ESateilnng  ron  1876. 


96 


X  4. 


nur  noch  Ende  1687  und  188S  je  eine  ^Jtuteilung  vorgenommen.  Im 
Arolsen  und  ganzen  dürfte  aber  seit  1883  die  liesirkfleinteiluiig 
ft8Mehen^  Mit  der  althi«toriecheii  EinteilnDg  in  Provinsen 
(Kttni),  deren  es  in  Altjapftti  73  giebt,  stimmt  die  Bezirksein- 
teilung nicht  immer  zusammen.  In  22  Bezirken  decken  sich 
die  Grenzen  mit  denen  von  ein  bis  drei  Provinzen,  in  den  28 
anderen  sind  Teile  von  Provinzen  enthalten.  Auf  diese»  Weise 
sind  1  r>  Proviir/(  n  zerschnitten,  meist  in  der  Gegend  von  Tokyo, 
Kyoto  lind  im  Norden.  lVj;l.  die  Einleitung  S.  7 — 0.)  Die 
Bezirke  haben  meist  eine  (irölbe  von  etwa  4000  bis  8000 
Quadmtkilomeleri  entsprechen  also  den  franaOsisdien  Deparle* 
menta.  Über  10000  Qiuidratkilemeter  hinaus  gehen  einige  der 
mittleren  Bergbezirke  und  nördlichen  Bezirke,  im  ganzen  sechs. 
Abnorm  klein  ist  der  Bezirk  Tokyo  mit  nur  805  Quadrttfe- 
kilonietern.  Die  Bevölkerung  eines  Bezirkes  bewegt  meist 
zwischen  oOlHlOO  und  1  200000  In  drei  Bezirken  betrügt  sie 
jetzt  1'  >  Million  imd  mehr  (Tok^o-,  Hjogo  und  ^iigata,  vor 
der  Teilung  auch  Eliinie;'^. 

An  der  Spitze  jedes  Bezirkes^  steht  ein  Besirkshauptmann 
oder  Präfekt,  Chiji,  ein  Titel«  der  bis  1886  nur  den  PMlakten 
der  3  Fü  ankam ,  wtthrend  die  der  Ken  Bei  hielseD.  Er  ftihrt 
nach  Anweisnng  der  Minister  die  gesamte  innere  nnd  Steuer- 


üer  1887  erachiensne  Atlss  von  Japan  von  Haseenstein  giebt  die 
Emteilung  um  1880. 

*  Irn  Jahre  1H76  wurden  gebildet:  die  drei  Fu  Tnkvc».  Kyoto, 
<>8aka  und  die  folgenden  Ken:  auf  Kvushu  Kagoshima,  KuniHtnato,  Xa- 
gai^aki,  Fukiioka  und  Oita;  anf  Shikoku  Kocbi  und  Eh^e;  im  Werten 
der  Hauptinbcl  (Chugoku)  Yamamichi,  Hiroshima,  Okayama,  Shiniatio;  im 
mittleren  Teile  Hyogo,  Sakai,  Wakayama,  Miye,  Shifla^  an  der  äiidoet- 
kttst«^  Aiehi,  Shtzuokii,  Ksnapiwa,  Chiba.  Saitsnia,  Tbaraki:  die  inliln- 
discluMi  Htrulx  zirke  (Jifu,  Shiiiano.  Yamanashi,  Gumma,  Tochipi;  an  dor 
Westküste  bhiknwa.  Niigata;  im  Norde«  Fukushima,  Miyngi,  Yamaitata, 
Iwatp,  Akita,  Aomori.  Im  Jahre  1?<H1  wurde  der  Sakai-kfu  zu  Osaka-fu 
geschlafen,  von  den  unvernünftig^  lang  gestreckten  Bezirken  Shimane 
und  Khime  die  Ken  Toltori  und  Tukublimm  abgetrennt,  ferner  FuVui 
von  Sluga.  1883  wurde  von  Nagasaki  äaga,  von  Kagoshima  Miyai^iiki 
und  von  bhikawa  Toyama  getrennt  Ebde  18B7  ist  Osaka  •In  wieder 
vernugcjf  um  den  Xura  kon  und  Kndi'  l'<ss  von  Hliitn»*  »»iu  /^vt■it^•r 
Uesirk,  Ka^awa,  abgelöst.  Vjh  bind  also  jetzt  auf  Kyusbu  7,  auf  Shikoku 
4.  auf  der  Hauptinael  34  Bezirke.    Bei  den  volkreichen  and  ausgedehnten 


Im  Hokkaidu  (Ye/,o  und  Kurilen)  machte  miin  l^^^i  dci)  ntv'In  Glichen 
Versuch,  drei  Bezirke  einzurichten,  llakodute,  .Saupon»  und  Neumru.  was 
aber  Anfang  l^s6  wieder  aufgegeben  wurde.  Der  ilokkaido>cho  bildet 
jetst  einen  Brzirk  n  it  abweichender  Verwaltungsorganisation. 

*  d.  h.  die  wirkliche  Wohnbevölkerung.  Die  rechtliche  Bevölkerung 
betrSfft  nnr  1 100000. 

^  Wcifore  Ein/.<lh(>iten  in  den  Tabellen  im  Anhang.  Nützliche 
Zusammenstellungen  aus  den  japanischen  Quellen  giebt  Whitney,  Die- 
tionary  of  the  pnncipal  Koada,  Chief- Towns  and  Villagea  of  Japan.  1889. 

♦  Vgl.  die  Gesetze  20M  von  1875,  32  und  35  von  1878  und  jetst 
namenUich  Gssetse  54  nnd  65  vom  12.  Juli 


Bezirken 


vielleicht  angel  •  t  acht. 


X  4c  . 


97 


yenraHoiig.  Der  BeBbksluiiiptiDaQn  kt  Ghokonin  oder  Sonin 
erster  KlaMe  (bis  1886  wurde  er  nach  neanjftliriger  Amteftlhnuig 
Cbokaimi)V  Sein  Gehalt  beträgt  im  ersteren  Falle  4000—4500» 
im  letzteren  3000  —  3500  Yen.  Früher  fing  er  mit  2400  Yen 
an  und  stieg  alle  drei  Jahre  um  dOO  Yen  Ins  zum  Maximum 
von  4200  Yen. 

Der  Bezirkslian})tmann  wird  unterstützt  von  zwei  Sekretiren 
(vor  1886  meist  nur  einem),  Öonin  zweiter  Kiasae  und  darunter, 
von  welchen  der  filtere  ihn  in  Verhindemn^Bßlllen  Tertritt  und 
welche  gldchzeitig  Direktoren  zweier  Abteilangen  sind.  Die 
Bezirksregietrang  (Fucho,  Kencho)  serfiillt  in  vier  Abteilungen. 
Die  erste  unter  einem  Bezirkssekretär  beaoigt  alle  Kommunal* 
angelegcnheiten  der  Bezirke  und  Ot^meinden,  cinschlierslieh  der 
Komninnalbesteuerung ,  ferner  Landwirtseliaftß  ,  (icwerbe-  und 
Hnndeissachen  und  allea,  was  isonst  nidit  untergebracht  ist 
(namentlich  auch  Angelegenheiten  der  Ausländer).  Der  zweiten 
Abteilung  unter  dem  anderen  Sekretär  unterstehen  die  öffentlichen 
Arbeiten,  Unterrichts-,  Gesnndheits-,  Qe&ngniswesen,  Militär« 
angelegenheiten,  Rechnungswesen  und  Geachäne  der  Staatsschnl- 
den  Verwaltung.  Die  dritte  Abteilung  unter  einem  Steuerdirektor 
(Sonin  vierter  Klasse  und  darunter)  verwaltet  alle  Steuersachen, 
mit  Ausnahme  der  Zölk\  Die  vierte  Abteilung  unter  einem 
Polizeidirektor  (Ober  Inspektor,  Sonin  ftinften  Hradps  nnd  d;\r- 
UDter)  besorgt  die  Polizeiverwaltun^'-  im  ausgedeliiit«  >tca  ^iune. 
Im  Bezirke  Tokyo  ist  die  Polizei  Verwaltung  ^anz  von  der  Be- 
zirksregierung  getrennt  und  wird,  Ähnlich  wie  in  Paris,  von 
einer  Polizeiprilfektur  (Eeishicho)  besorgt,  deren  Chef  (Keishi' 
gokwan)  dem  Bezirkshauptmann  ^eichsteht.  ^lit  Genehmigung 
des  Ministers  des  Innern  kann  ein  Bezirksbaumeister  an- 
gestellt werden  -.  Während  über  die  Anstellun^^  Entljxssung  und 
Disciplinarsachen  von  Sonin- Peamten  das  Kabinett  entscheidet, 
sind  die  Hannin-Bföimtcn  ganz  vom  Chiii  abhängi«^.  Da  in  den 
meisten  Bezirken  nur  10 — 20  Sonin,  dagegen  150—400  Ilan- 
nin  sind  (abgesehen  von  Polizisten,  GeiUngniswärtera,  Spital- 
Wärtern,  Schnllehrem,  Kreisbeamten),  to  ereiebt  sich  daraus  die 
grofse  persdnÜche  Macht  der  BezirkahauptTeute.  In  sämtlichen 
Pezirksregierungen  (inkl.  Hokkaidocho  und  PolizeiprUfektur  in 
Tokyo)  waren  Knde  1888  angestellt  21)  Chokunin  (Durchschnitts- 
gehalt  gut  ?<'f)ii  Yen),  828  Sonin  (Durehaehnittsgehalt  gut  900 
Yen)  und  llÜUl  Hannin  (Durchschnittsgehalt  knapp  220  Yen), 
femer  5ü(i2  Angestellte  ohne  liang  (Dnrchsclinittsgehult  10  )  Yen  ), 
zusammen  18110  Beamte  und  Angestellte  mit  einer  Gelialts- 


1  End*>  1VSS  n  irrn  27  von  45  Bcjurkshaiiptleoten  Chokunin,  darunter 
23  mit  4000  Yen  Ueliait. 

*  Ende  1888  gab  es  solche  von  Soninrang  erst  in  zehn  Bezirken 
mit  600-1100  Yen  Gebalt   Ingenieare  von  iumninrang  waren  in  27 

Bezirken  angestellt. 

ForichuDgeti  (45)  X  4.  —  Kaihgen.  7 


.  y  1.  ^  .  y  Google 


98 


Bumme  von  4  Ol  5  848  Yen  im  Jahre.  Dazu  kommt  die  ganze 
8char  von  26044  Polizeibearaten  (Durchschnittsgehalt  93  Yen, 
Gesamtaufwand  2492  916  Yen),  10098  unteren  Geftingnisbeamten 
(Durchschnittegehalt  84  Yen,  zusammen  839  800  Yen),  13918 
Kreisbeamteu  (Durchschnittsgehalt  135  Yen,  zusammen  1879200 
Ten)  a.  b.  w. 

Die  B«irke  waren  firtther,  seit  1871,  in  ttne  memltche 
Zahl  von  Ämtern  geteilt,  welche  nach  ihrer  Gröfse  grofee 
und  kleine  Ku  hiefsen.     An  der  Spitze  stand  ein  Beamter, 

der  anfanfrs  Koolio.  sf^it  1872  Kucho  hiofs.  Im  Jahre  1878 
wurde  diese  Oi>::uii>ation  umgestaltet  und  auf  die  althistoriache 
Kreidcinteihmg  zurückgegriffen  (Nr.  17  vom  22.  Juli  1S7S). 
Danach  zerfallt  jeder  Bezirk  in  eine  Anzahl  Kreise  und  zwar 
werden  unterKshieden  Stadtkreise  (Ku),  welche  nur  eine  Stadt 
oder  einen  Teil  einer  Stadt  nmfaesen,  und  Londkreiae  (Kori,  Oun). 
Stadtkreise  giebt  es  in  Altjapan  35.  Davon  kommen  auf 
die  Stadt  Tokjro  15,  4  auf  die  Stadt  Osaka,  2  auf  K^oto, 
14  auf  ebensoviel  einzelne  Städte.  Landkreise  giebt  es  /ITV 
Die  Zahl  der  Kreise  in  den  einzelnen  l»ezirkcn  ist  sehr 
v(!rßchieden ,  von  5  im  Toyama-  bis  34  im  Hyogo  ken.  Nicht 
ii  Kreis  hat  ein  Kreisamt.  Vielfach  sind  zwei  kleine  Land- 
ise  unter  einem  Amt  (Gun-yakusho)  vereinigt,  so  dafs  die 
Zahl  aller  Ämter  Ende  1887  in  Altjapan  548  betrug.  Das 
Amt8gel)iet  eines  solche  Kreisamts  hat  durchschnittlich  etwa 
70000  Einwohner.  Doch  bestehen  je  nach  der  Dichtigkeit  der 
Bevölk«^rung  ziemliche  Unterschiede.  So  ist  im  Miyazaki-  und 
im  Yamanashi-ken  der  Dtirchschnitt  unter  50  000.  in  Toyama 
hsi  150000.   Die  Extreme  .sind  16000  und  lOn-iuO  Einwohner. 

An  der  Spitze  des  Kreisanits  steht  der  Kreishauptmann 
(Kucho,  Guncho).  Er  ist  Souiu  4.  Klasse  imd  darunter  (Gehalt 
also  600—1200  Yen  —  Durchschnittsgehalt  Ende  1888  der 
Kttcho  lOOo  Yen,  der  Guncho  640  Yen)  Bis  1886  war  er 
Hannin.  Er  ist  wesentlich  ansBlhrendes  und  übenvachendes  HiÜ^ 
organ  des  Bezirkshauptmanns,  nach  Art  des  französischen  Unter- 

f)r^ifekten.  Jedoch  geht  in  neuef^tfr  Zeit  die  Richtung  mehr  da- 
lin,  die  Bedeutung  de«  Amtes  zu  lieben.  Der  Kreishauptmann 
kann  Poh'zcivcrordnungen  erlassen,  hat  aber  nicht  eigene  Gewalt, 
sondern  iimiä  die  Polizei  zur  Hiilfelcistung  requirieren.   In  jedem, 

Eidse  besteht  ein  Erdspoliseilmreaa  unter  einem  Inspektor 
(Keibu,  PoliseUieutenant),  der  dem  Poliseidirektor  des  Bienrks 
untersteht.  Im  Kreise  werden  nach  Bedarf  ZwdgbtireauB  ge- 
bildet unter  einem  Inspektor  oder  Wachtmeister. 

Auf  entlegenen  Inseln  kann  von  der  Kreiseinrichtung  ab- 

>  Der  Hokktido  ist  io  2  Stadt-  nnd  88  Landkicbe  geteilt,  so  dafo 
es  Im  ganzen  :n  Stadt-  und  805  Landkreise  siebt  Im  OkinuwH-ken 
besteht  Keine  Kreisetotetlong.  —  Kreisimter  giebt  ee  im  Hokkaido  23. 


I 

I 

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X4. 


99 


gewichen  und  ein  Inselgottymeor  (Sonm  3.  KksBe  oder  deninter) 

ttngesetzt  werden  * . 

Der  Kreis  zortaÜt  in  Gemeindebezirke ,  deren  Vorstolier 
seit  1872  Kocho  heilsen.  Meist  sind  es  aiig(\sehene  Einwohner 
der  Gemeinde.  Bis  1878  vom  Bezirkshauptmann  ernannt,  sollten 
sie  dann  „wenn  möglich"  gewählt  und  nur  bestätigt  werden. 
Duieh  Eriafs  41  ^om  7.  Hai  1884  wurde  wieder  Emennimg 
ODgeflihrt,  wozu  von  den  Gemeiiideiiiilgliedeni  drei  Ins  ftlnf 
Kandidaten  ▼oigeichlagen  werden  konnten,  während  die  neue 
Gkmeindeordnung  von  1888  zur  Wahl  zurückgekehrt  ist.  Die 
japanischen  OrtssemeindoTi  sind  aufsorordentlich  klein,  gröfsore 
Ortschaften  bestehen  regelmä  sig  fiiis  einer  Anzahl  von  Gemeinden, 
die  vielfach  mir  eine  Stral'se  uiiiiassen.  Die  Namen  „Stadf^ 
(Cho,  Maciüj  und  „Dorf''  (Son,  Mura)  liaben  nur  historische  Be- 
deutung. Die  ZaM  dieser  Eleingemeinden  beträgt  rund  70000. 
Altiapan  hatte  Ende  1 887  11 807  Cho  und  57  892  Son.  Mehr  und 
mehr  hat  man  kleine  Gemeinden  unter  einem  OrtSTorsteheramt 
(Kocho-yakuba)  vereinigt.  In  den  Stadtkreisen  wurden  di^ 
Amter  überhaupt  allmählich  abgeschafft  und  ihre  Geschütze  den 
Ku-Yakushos  übertragen.  Die  übrigen  Kocho  - Amter  wurden 
Stork  vermindert,  namenüich  in  liro  sem  Umfange  1884.  So  hat 
der  Bezirk  Tokyo  1371  Cho  und  o54  Son,  aber  innerhalb  der 
Stadtkreise  gar  keine,  unter  den  5  Landkreisämtern  Ende  1887 
nur  146  Koeho-Amter.  Von  diesen  gab  es  in  gans  Japan 
(anfter  Okinawa)  Anfang  1882  noch  30070  mit  durchschnitt' 
lieh  1219  Einwohnern,  Ende  1887  nur  mehr  11377  mit  durch- 
schnittlich 3400  Einwohnern.  Das  sind  also  schon  ziemlich 
grofse  Samtgemeinden  in  der  Art  der  rheinischen  Bürger- 
meistereien, in  den  einzelnen  Bezirken  schwankt  die  Durch- 
schnittszahl meist  zwischen  2000  und  4000,  geht  aber  in  mehreren 
Bezirken  noch  über  die^e  Zahl  hinaus. 

Der  Kocho  erldelt  hühsr  Gehalt,  doch  selten  melir  als  20 
Ten  (so  1888  nur  152  Kocho),  im  Durchschnitt  10  Ten  den 
Monat.  Der  Kocho  hat  als  Ilauptfbnktion  die  Erhebung  der  direkten 
Steuern  und  die  Führung  der  Bievölkerungs-  und  Civilstandsregtf>ter 
zu  besorgen,  ist  auch  Schiedsmann  und  thatsächlich  der  Regel  nach 
die  allgemeine  Vrrtrnuenspersou,  namentlich  auf  dem  Lande. 
Poliseigewalt  hat  er  nicht 


>  So  had  ich  1886  auf  Tsushima  (zu  Nagasiki^keD  gehörig)  ein 
Inselgonvemement,  statt  der  frühor  vorhandeD.  gewesenen  vier  Krds« 
fimter. 

•  Früher  ftthrte  er  auch  das  Orandboch  (d.  h.  ein  Berater  der 

Kgenttimer,  der  Verkäufe  und  Verpniiidun^eiO.  Eifrenartifx  japanisch 
klingen  die  neatinunungen  iu  dem  f?ezirkaverwaltun<^is^08etz  von  lö7b 
(Nr.  32),  dafa  er  berichten  soll  äber  bemerkenswerte  Fälle  kindlicher  Liebe, 
weiblicher  Tugend  und  Wohlthätigkeit  Er  toll  Abdriteke  der  Stempel 
sftmtlieher  Snwoliner  aufbewahren. 

7* 


.  y  i.u  .  l  y  Google 


100 


Die  EntWickelung  der  Staatsausgaben  fUr  die  Bezirks  und 
Kreisverwaltung  ftir  ein«*  längere  Reibe  von  Jahren  festzustellen, 
ist  mit  völliger  Genauigkeit  wegen  der  viellachen  Änderungen 
nicht  möglich.  Die  Ausgaben  dee  Staats  flir  und  seine  Zu- 
sdiQsse  ZOT  Bearksyerwaltung  haben  snsammen  in  den  l^ten 
Jahren  sich  awischen  neun  und  elf  Millionen  Yen  bewegt* 
(Weiteres  unten  in  dem  Absclinitt  über  die  Bezirksfinanzen.) 

Gemeinde  und  Bezirk,  nicht  aber  der  Kreis,  sind  kom- 
nninnle  Körperschatten  mit  eigenem  Vermögen,  Biidpct.  Steuer- 
wesen. I)och  finden  die  neueren  tSelbstverwaltuuListiiinch- 
tungen  nur  auf  Altjapan  Anwendung,  nicht  aut  Hokkaidi^ 
und  Okinawa.  In  den  Bezirken  entschied  über  diese  Dinge 
ursprunglich  der  Beairkshauptmann  aliein.  Wie  schon  ausgeführt, 
war  es  ein  wichtiger  Schritt  in  der  Verfassungsreform,  ms  man 
1878,  nach  Vorberatung  durch  die  IVäfekten Versammlung,  durch 
Gesetz  Nr.  18  vom  22.  Juli  (ergänzt  durch  Nr.  15  und  18  vom 
8.  April  188(1)  den  Bezirken  eine  gewählte  Vertretung  gewährte. 
Diese  Bezirkstage  (Fu-Kenkwai)  sollten  j.Hhrlicli  den  Etat  des 
Bezirks  feststellen,  soweit  er  sieh  auf  die  ik-zirks-steuern  und  die 
daraus  zu  besti'eitendeu  Ausgabeu  bezog.  Im  Lauie  der  Zeit 
ist  dk  gesamte  Finanzverwaltang  der  &Kirke  unter  ihre  Kon- 
trolle gebracht  In  jedem  Kreise  werden  bis  au  filnf  Bestrks- 
vertretem  gewählt.  Das  Wahlrecht  haben  männliche  grofsjährige 
(d.  h.  mehr  als  20  Jahr  alte)  heimatsberechtigte  Einwohner  des 
Kreises,  welche  im  Bezirke  mindestens  fünf  Yen  St.ontspjund- 
steuer  zahlen,  ausgenommen  im  Bankerott  Uetindliehe  und  zu 
längeren  Freiheitssirafen  verurteilt  Gewesene,  \\ählbar  sind 
Einwohner  des  Bezirks,  welche  mindestens  10  Yen  Grundsteuer 
Bahlen,  älter  als  25  Jahre  sind  und  mindestens  drei  Jahre  im 
Bezirke  gewohnt  haben;  ausgenommen  sind  dieselben  Personen 
wie  oben  und  Staatsbeamte,  Triester  und  (seit  1882)  MiHtHr- 
personen.  Die  Walil  erfolgt  aaf  4  Jahre.  Alle  zwei  Jahre  wird 
die  Versammlung  zur  Hälfte  orncnert     Seit  werd»  n  auch 

Stellvertreter  gewählt.  Die  jährlielien  Sessionen  8oll*Mt  T.-ifre 
nicht  überschreiten.  Die  Versannnlun^aMi  wählen  iiire  i'nusidentcn 
selbst.  iSie  können  vom  Mini.ster  des  Innern  vertagt  oder  auf- 
gelöst werden.  In  Bezirken  mit  Stadtkreisen  kann  der  Bezirks- 
tag in  zwei  Abteilungen  oder  Kurien  getrennt  werden,  eine'fiir 
die  Stadt-  und  eine  für  die  Landkreise.  Zur  Besorgung  laufen- 
der Geschäfte  und  Vorbereitung  der  Beratungen  ernennen  die 
Bezirkstage  st;indi«;e  Ausschüsse,  deren  Mitglieder  Diäten  erhalten. 
Nach  der  Statistik  fiir  Knde  1^87  schwankt  die  Alnirliederzahl 
der  Bezirkötage  in  den  einzelnen  Bezirken  zwischen  Z'l  imd  02, 
die  der  ständigen  Ausschüsse  zwischen  5  und  12.  Wahlberech- 
tigte gab  es  1  488  107,  S'  s  Prozent  der  Ikivölkerung,  waiireud 
es  1881  1  809  610,  5  Prozent  der  Bevölkerung  waren.  In  Tokyo 
waren  1887  nur  1  Vs  Prozent  der  Bevölkerung  wahlbmcbtigt,  in 


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lOX 


Fukushima  ood  Sbiga  6,4  Prozent    Wählbar  waren  1887 

802  975  Personen,  2,08  Prozent  der  BevölkeroDg,  1881  waren 
es  879  347,  2.43  Proront.  In  Tokyo  waren  mir  0,59  Pro?:pnt 
der  Bevülkerunj  Nvahlbar,  in  Shiga  4,1*)  Prozent.  Es  wird 
übrigens  behauptf  t.  daf?«  die  Hostimmungen  über  den  Census  der 
Wählbaren  vieli'acii  uiugungen  werden. 

In  den  Oemehideii  Wurden  dandndeversammhingen  1876 
eingerichtet^  hM  als  Ventammlung  aller  Familienhäupter,  bald 
als  gewählte  Vertretung.  Die  VerBammlung  setst  den  Citat  der 
Gemeinde  fest. 

Bei  der  bisherigen  Kleinheit  und  Peistnnp'8imffi1iip:koit  der 
japanischen  Gemeinden  hat  sich  die  Kommuualverwaltung  nicht 
recht  entwickeln  können.  Da  der  Kieiö  ein  Koramunal verband 
nicht  ist,  so  müssen  in  manchen  Beziehungen  die  Bezirke  statt 
der  Gemeinden  eintreten  (so  namentlich  blÄer  in  Tokyo).  Wo 
das  nicht  der  Fall  ist,  blieb  dem  Votuntarismus  ein  wdtes 
Feld.  Vielerlei  wird  durch  freiwillige  ßeitiilge  gemacht,  denen 
sich  aber  der  einzelne  kaum  entziehen  kann.  Älanclies  besorgen 
einzelne  Korporationen,  so  namentlich  in  den  offenen  HfUen  die 
der  Ausfuhr-  und  EinfuhrhündkT" ,  welche  sogar  zu  diesem 
Zwecke  die  Umsätze  bei  dem  Ein-  und  Austulirliandel  l)esteuern 
(in  Yokohama  mit  3  vom  Tausend).  In  neuster  Zeit  suchen 
Aktiengesellschaften  die  Unföhigkeit  der  Gemeinden,  ftir 
OfiisnUiche  Bedfirfoisae,  wie  Gas,  Wasser  u.  s.  w.,  zu  sorgen, 
auszubeuten.  In  allen  solchen  Dingen  wird  eine  wesent- 
liche Besserung  eintreten  durch  die  neuen  Gemeindeordnungen 
von  1888,  welche  seit  dem  1.  April  1889  allmählich  in  Kraft 
treten.  Durch  diese  änd<  rt  sich  auch  das  oben  über  die  Be- 
amten der  Gemeinden  unci  der  Stadtkreise  Gesagte  in  manchen 
I^inkten  erheblich.  In  den  Rahaien  unserer  Untersuclmng  fUllt 
das  aber  zeitlich  ebensowenig  wie  die  1890  erlassenen  neuen 
Besirtcs-  ond  Kreisordnungen. 

Oben  ist  der  Exekutivmannschaften  der  Po  Ii  sei  gedacht 
Über  diese  sei  noch  bemerkt,  dafs  es  in  Japan  nur  Staatspolisd, 
kfine  Ortspolizei  giebt.  Ende  1888  gab  es  2883  Inspektoren 
und  25197  Mann.  1882  waren  es  erst  2220  Inspektoren  und 
22932  Mann  (187ü:  18273  Mann).  Der  Zuwachs  an  Mann- 
bcliaftcn  lüt  ganz  den  Provinzen  zu  gute  gekommen,  denn  im 
Bezirke  der  Polizeipräfektur  Tokyo  waren  1882  3500  Mann, 
1888  3182  Mann.  In  den  Übrigen  Bezirken  liegen  je  nach  der 
GrOfse  200—700  Mann,  in  Osaka  1834,  in  Kjülo  1005,  in  Hjogo 
957.  Die  Pohzisten  sollen  überwiegend  dem  Shizoku-Stande  ange- 
hören (Zahlen  liegen  mir  nicht  darüber  vor).  Militärisch  ausgebildet 
sind  die  allermeisten  nicht.  Dagegen  besteht  neben  dieser  allge- 
meinen Pohzei  seit  in  Tokyo,  neuerdinirs  auch  in  einigen 
anderen  grofsen  Garnlsonstädten .  eine  militärisch  ausgebildete 
Gendarmerie,  welche  zum  Kessort  des  Kriegsministeriums  gehört 


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102 


X  4. 


Der  äiUsere  Anlals  für  ihre  Bildung  waren  bedenkliehe  Rciljereien 
und  Schlägereien  zwischen  Soldaten  und  Polizei.  Ende  1887 
sftUte  ne  1471  Offiziere  und  MannacliftfteD,  davon  302  in  Osaka, 
1030  in  Tokyo. 

Über  die  Ausgaben  für  die  Poliiei  gdien  die  Cbernditeii  bis 
1872  aurttck.   Danach  betragen  ne 


1872 

602  000  Yen 

1873 

1  389  815 

1900000  - 

18  7t) 

2  504  000  - 

1870  7/ 

8  089  000  - 

1877  78 

4  372  000  - 

1878/79 

4  653  ()0(  >  - 

1879  80 

4  553  000  - 

1880.81 

4  751  000  - 

1881/82 

5 101 000  - 

1882/83 

5  728000  - 

1883/84 

r.  ^>3C)  000  • 

1884'85 

5906  000  • 

1885  «♦> 

5551000  - 

(9  Monate) 

188087 

5  178  000  - 

1887  88 

5  289  000  - 

Von  don  Kosten  trug  anfangs  der  Staj\t  die  grölseru ,  seit 
18öl  aie  kleinere  Hillfte,  1887  1  749  000  Yen.  Die  Kosten  der 
Sitten-  und  eines  Teils  der  Geheimpolizei  werden  aus  der  Pro- 
Btitaiionflsteaer  (Fakm)  der  Bezirke  beetritten.  Der  Staat  trügt 
die  Kneten  der  Polizeipräfektur  in  Tokyo.  Von  eonstigen  Pofi- 
zeik  jstcn  trug  der  Staat  von  1881  bis  1889  im  Bezim  Tokyo 
eechs  Zehntel,  in  anderen  Bezirken  drei  Dreizehntel  ^ 

Von  den  elTi7dnen  Vcrwaltnngszweigen  siammt  rlio  aus- 
wärtige Verwultnnp:  schon  aus  den  Tagen  des  Jiakufu. 
doch  sind  dauenide  Vertretungen  im  Aiiähmde  erst  unter  der 
neuen  Regierung  ins  Leben  gerufen,  während  vorher  nur  Special- 
gesandtscbaften  ins  Ausland  gingen.  Im  Jahre  1873  gab 
es  8  GeaandtKhaften,  seit  1880  sind  es  9  (in  London, 
Berlin,  Paris,  Wien,  Petersburg,  Rom,  Washington,  Peking, 
S<tal  [Korea],  zeitweise  auch  im  Haag).  Die  Gesandten  in 
Europa  erhalten,  wenn  verheiratet,  ungeflithr  14  000  Yen  jährlich. 
Zu  den  GeÄandtschafton  crehörten  aulser  dm  ^lissionschefe 

44  Beamte  (davon  13  in  Korea).   Konsulatsposten  gab  es  lb73 


'  Infolge  Kaiserl.  Verordnung  61  vom  6.  August  1^  imd  Kabinetts« 
Verordnung'  12  vom  7.  August  i^t  vom  1.  April  l'-^^'O  an  der  Vprtrilnnjr«- 
malsstab  ein  anderer.  Die  Proötitutionssteuer  wird  in  die  übrigeu  Bexirks- 
einnahmeD  einaeieliloeien  und  der  Staat  trägt  von  den  Poliseikeeten  in 
Tokyo  vier  Zefmtel,  in  anderen  Beiirken  ein  Seehstel. 


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108 


vier,  1888  21,  nämlich  1  Generalkonsul  (Hawai),  9  Konsuln, 
1  Handelsagenten,  ^  Vicekonsuln,  2  Konsul-itRverwoser.  Za 
diesen  kamen  70  andere  Beamte  (davon  51  m  Korea,  meist  Poli- 
zisten).  Aul'serdem  gab  es  14  Walilkonsuln  fremder  Nationalität. 

Die  Gesandtschatten  im  Auslände  haben  l'ur  Japan  nicht 
blojk  die  Bedeutung  diplomatisober  Vertretungen.  Sie  sind  ein 
widitigeB  Mittel  gewesen  und  sind  es  noch,  nm  japanisclie  Be- 
amte  mit  dem  Auslände  bekannt  zu  machen.  Aus  diesem  Ghrunde 
ist  auch  der  Personenwechsel  ein  sehr  rascher,  um  mös^lichst 
viele  dieses  Vorteils  teilhaftig  zu  machen.  Di(^  Cresandtscnaften 
fuhren  auch  die  Aufsicht  über  eine  weitere  wichtige  Kategorie 
von  Personen,  die  von  der  Regierung  zum  Zwecke  des  ?Stu- 
diums  entsendeten  Personen.  Während  man  damit  antanga 
ziemlich  phmlos  verfuhr,  ist  man  mehr  und  mehr  dazu  Uber- 
gegangen,  ausgesuchte  junge  Leute,  wekshe  bereits  eine  genügende 
Vorbereitung  erhalten  natten,  zu  entsenden.  Auch  in  der  Aus« 
wähl  der  Lilnder  ist  man  vorsichtiger  geworden.  Die  grofscn 
europäisclien  Kulturstaaten  sind  immer  mehr  an  die  Stäle  di-s 
anlangs  vorwiegenden  Amerika  getreten. 

l)ie  Zahl  der  zu  Studien  von  der  Regierung  aus- 
geschickten Personen  war  1877  (das  früheste  Jahr,  für 
welches  ich  zuverhlssige  Angaben  finde)  80,  war  bis  1885  auf 
86  gesunken  und  bebug  ^de  1887  wieder  61.  Von  diesen 
waren  ausgeschickt  vom  Kri^ministeriam  1877  12,  1887  26; 
vom  Marineministerium  1877  40,  1887  10;  vom  Unterrichts- 
ministerium 1877  19,  1887  18;  vom  Justizministerium  1877  9, 
IRR?  7.  Im  Jahre  1887  waren  von  den  61  Entsendeten  28  in 
iJeutschland  (davon  11  v(»u  der  ünterrichtsverwaltung,  10  von 
der  Armee,  7  von  der  Justiz),  19  in  Frankreich  (14  von  der 
Armee,  4  von  der  Marine),  9  in  England,  3  in  Amerika,  je  einer 
in  Italiim  nnd  in  Rußland.  Der  Staat  hatte  dadurch  eine  Aus< 
gäbe  von  etwas  ttber  79000  Yen*. 

Übrigens  sei  hier  nebenher  erwähnt,  dafs  die  auf  Privat- 
kosten im  Auslande  zu  Zwecken  von  Studien  sich  auf- 
haltenden Personon  1880  bis  188;i  2(HJ — 300  betrußjen,  darunter 
etwa  20  weüjlichen  Geschlechts.  Bis  Ende  1885  stiegen  sie 
aber  plötzlich  auf  89€>  Personen,  offenbar  eine  Wirkung'  des 
neuen  strengeren  Wehrgesetzes  vom  Dezember  1883,  welches 
toidie  Fssmen  von  der  Wdirpflicht  frahela.  Die  Studien  waren 
offenbar  vielfiMih  Vorwand,  wie  schon  die  Zahl  von  179  „Stu- 
denten" In  China  und  51  in  Korea  zeigt.  Auf  das  nake  ge- 
l^gtene  Amerika  kommen  454,  auf  Deutsehland  75,  England  57, 
FrankreiGh  31. 


*  Obiges  aas  der  Statistik  der  Ünterrichtsverwaltung.  Eine  Tabelle 
über  di<>  Jajpaner  im  Auslände  1880—85  giebt  erheblich  höhere  Zahlen, 
188')  1t  >  Personen.  Sie  enthält  wohl  alle  auch  vorfibeigehsnd  za 
bpeciaizwecken  ins  Aualand  geschickten  Personen. 


104 


Die  Ausgabe  für  die  Verwaltung  der  auswärtigen  Ange- 
legenheitea  spiegelt  die  yencbiedenen  Anläufe  su  ▼ennehrter 
SnMrsamkdt  in  der  Staatarerwsltung  wieder.    Im  Flnansjabr 

1875  76  betrug  sie  rund  646  000  Yen  und  stieg  bis  1880  81  auf 
1  140000  Yen.  Die  Sparsamkeitspolitik  dieser  Zeit  verringerte 
die  Ausgabe  lür  18S1  82  auf  (iTO  000  Yen.  die  dann  bis  1884  85 
wieder  langsam  bis  785  000  Yen  stieg.  Die  Reform  von  1885  8(5 
brachte  sie  dann  bis  18^7  88  wieder  herunter  auf  710<m)0  Yen 
(124  000  Yen  weniger  als  der  Etat).  Der  Etat  liir  lb89  1»0  iiat 
856  000  Yen. 

Mit  der  Verwaltung  der  auswürtigen  Angelegenheiten  steht 
die  Landesverteidigung  in  naher  Beziehung ^ 

ist  schon  gesagt  worden,  dafs  die  Unmöglichkeit,  den 
erblichen  Soldatenstand  der  für  die  europäische  Fechtweise  nötigen 
Zucht  zu  unterwerfen,  ^lazu  führte,  nach  europäischem  Muster 
eine  allgemeine  Rekrutierung  einzuftiliren.  Am  28.  Dezember 
1872  kündigte  eine  kaiserliche  Proklamation  die  Rück  kein-  zum 
Altertum  an,  in  welchem  jeder  Mann  K?oldat  und  der  Kaiser  in 
Person  Oberfeldherr  gewesen  sei.  Wie  sehr  die  Regierung  sich 
der  Schwierigkeit  bewu&t  war^  eine  so  einschneidende  MalsreeeL 
durchzuführen,  seigt  die  Thntsache,  dafs  die  kaiserliche  Proua- 
mation  von  einer  ausflihrlichen  Erläutenmg  durch  das  Daijokwan 
begleitet  und  das  Armeegesetz  triioheirei)  selbst  mit  einer 
lan«:en  Kinieitung  versehen  war.  >^ae!i  «lip^fiu  fresetz  begann 
die  Dienstpflicht  mit  dem  20.  Lebentj  il  i  '  und  umfalste  drei 
Jahre  Dienst  bei  der  Fahne  und  je  zwei  .Jahre  bei  der  ersten 
und  zweiten  Reserve.  Aufserdem  sollten  alle  Munner  von  17 
bis  40  JahrsD  zum  Landsturm  gehören.  Die  Ausnahmen  von 
der  Dienstpflicht  waren  sehr  zahlreich  und  auch  von  den  Dienst* 
Pflichtigen  wurde  nur  ein  kleiner  Teil  gebraucht,  da  aus  ünan- 
ziellcn  Gründen  die  neue  Armee  wenig  zahlreich  war:  3880  Mann 
Garde  und  31  G8ü  Mann  Linie  im  Frieden,  46  350  Mann  auf 
Kriegsiii  fs. 

Im  Frühjahr  187B  mirde  die  neue  Annee  organisiert.  Dafs 
sie  sich  1877  mich  kaum  vierjährigem  Restehen  uu  Kampfe  gegen 
die  aufstftndtschen  Satsumaner  nicht  sonderlich  bewährte,  kann  kaum 
wundernehmen.  Das  Anneegesetz  wurde  bald  revidiert  (1 875, 1879, 
1883, 1889  Januar  21,  Kr.  1 ),  wesentlich  im  Sinne  der  Verminderung 
der  Befreiungen^  und  der  Verlängerung  der  Dienstpflicht  Seit 


'  Die  einzige  von  eint  ia  Fachniauu  herrühieiidt;  mir  bckaunt  ge- 
woideiif  DaTBtelTtmg  der  neueren  Armee verliältnisse  (immer  abgesehen 
▼on  Touristcuurteileu  wie  z.  B.  von  Knollys)  ist  die  von  E.  de  Vil- 
laret.  l>ai  Nippon.  Paris  lüb^.  S  100—173,  auch  8.334-343.  Auf  die 
Schürte  seines  Ürtdls  scheint  die  Art,  wie  die  französische  Mission  Ifili- 
tsire  18ns  zu  Elnde  kam,  nicht  ganz  oline  Einflufs  geblieben  zu  sein. 

Z.  B.  waren  l!S72  älteste  Söhne  und  Kr})';;)1ine  überhaupt  frei, 
1879  nur  mehr  solche  von  Vätern  über  .">Ü  Jahren,  1883  solcne  von 
Vftteni  über  60  Jahren;  1889  fohlt  die  ganse  Bestimmung. 


.  y  1.  ^  .  y  Google 


X4 


105 


dem  Gesetz  von  1883  ist  die  DienstpHieht  auf  12  Jahre  ausge- 
dehnt, davon  drei  bei  der  Fahne,  vier  in  der  Reserve,  ftinf  in 
der  Landwehr.  Die  Landstumipflieht  vom  17.  bis  40.  Jahre 
besteht  unverändert  fort.  Die  Erlaubnis,  dafs  ein  zum  aktiven 
Di^t  Ausgeloster  sich  firdkaufen  konnte  (geg^en  Zahlung  von 
270  Ten,  Uofis  für  Friedennseit  von  135  Yen),  ist  1883  alise- 
schafit'.  Das  neuste  Gesetz  von  1889  hat  gründlich  mit  Sen 
Befreiungen  au^erdumt  und  dafUr  die  Einrichtung  der  Einjähiig- 
Freiwilligen  eingeführt  (natürlich  mit  rot-weilsen  Schnüren). 

Die  Bestimmungen  über  die  Dienstpflicht  gelten  jetzt  auch 
itU*  die  Marine.  Doch  deckt  diese  ihren  Bedarf  noch  zu  einem 
grofsen  Teile  durcli  freiwillig  Eintretende. 

Bei  dem  vcrhiütnismäl'sig  geringen  Bedarf  an  iickruten  iat 
die  Zahl  der  wirklich  Ausgebobenen  nur  ein  geriiuKr  Fkoient- 
satB  der  das  dienstnilicbtige  Aiter  Erreichenden.  Die  Zahl  der 
letzteren  bat  Ton  1877  bis  1887  zwischen  250000  und  350000 
sich  bewegt  Von  diesen  sind  zu  aktivem  Dienste  nie  mehr  als 
7  Prozent  ausgehoben. 

Die  8tüi"ke  der  Armee  blieb  antiiugs  ziemlich  gleichmälsig 
auf  der  ursprünglicli  in  Aussicht  genommenen  Zalil  stehen.  Seit 
1883  jedoch  ist  sie  rasch  vermehrt.  Die  Gesamtstärke  an 
Offizieren  und  Mannschaften  betrug  am  Ende  jedes  Jahres: 


1877 

3433Ö 

1879 

37105 

1881 

37820 

1883 

38425 

1884 

41382 

1885 

43517 

1886 

47  585 

1887 

55551 

Die  Zabl  der  Reserve  hat  sieb  anfiings  natttriicb  nur  lang- 
sam vermehrt.    E.s  gab 

Ende  1882     55137  Mann  Reserve   20352  Mann  Landwehr 

Ende  1887    101  273     -         -        44939  - 

Es  waren  also  Ende  1887  trotz  der  geringen  Anspannung 
der  Dienstpflicht  immerhin  bereits  208000  Mann  an  gedienUiU 
dieuatpiiichtigen  Leuten  vorhanden,  während  es  Ende  1882  noch 
nicht  120000  waren.  Von  jener  Zabl  waren  1887  3810  Offiziere 
nnd  8154  UnterdlfiBiere,  wovon  auf  Reserve  und  Landwehr  nur 
190  Offiziere  und  957  Unteroffiziere  kamen. 

Das  Offiziercorps  in  seinen  älteren  Teilen  besteht  aus  den 
von  den  frllheron  Landeakontingenten  übernommenen  Offizieren 
und  solchen,  die  in  den  ersten  wirren  Jahren  naeh  Gutdünken 
aui  militärische  Posten  gestellt  wurden.    Die  jüngeren  Offiziere 


>  Es  war  wenig  Gebrauch  davon  gemacht,  1879:  23  Fälle,  1880  bis 
1888:  437—562  FlQle. 


106 


X  4. 


sollen  im  Prinzip  aus  der  nach  dem  ülustcr  von  St.  C^r  ge- 
gründeten (Jffizierschule  hervorgehen.  Doch  ist  es  bisher  immer 
noch  nötig  gewesen,  auch  auf  die  UnterofBziere  zurüokzugreifeDy 
um  die  vorhjuidenen  Lücken  nuszuftOlen. 

Zur  Heranbildung  yon  Unteroffisleran  besteht  eine  Unter^ 
ofBraerschule,  Kyododan^  wdehe  fiwt  den  ganzen  Bedarf  decken 
■oU  (1887  1417  Schüler). 

Über  die  Organisation  der  Armee  bin  ich  nicht  in  der  Lage, 
eine  eingehende  Darstellung  zu  geben.  Sie  imtersteht  dem 
Kriegsininister  nicht  blofs  in  Verwaltungs  sondern  auch  in 
Kommandoangelegenheiten.  Doch  steht  neben  dem  Kriegs- 
ininisterium  ein  unabhängiges  Generalinspektorat.  Die  Armee 
sflvfidlt  in  folgende  Abteilungen: 

Garde-Dmnon,        0£Sziere  und  Mannachaften  5490  m.  £nde 


1887 

1.  Division,  Tokyo         -        -  -  8674 

2.  Division,  Sendai         •       *  •  8563 
8.  Division,  Nn^^oya         -         •  - 

4.  Division,  Osaka  -        -  •  8298 

5.  Division,  Hiroshima     -        -  •  6867 

6.  Division,  Kumamoto  -  -  -  7113 
Kolonialmiliz»  -  -  -  1327 
Gendamerie               -       •  -  1882 

Nach  Truppengattungen  serfid  ne  zur  aelbea  Zeit  in: 
Divisionskommandos  78  Mann 

InCuiteric  (4  Garde-,  24  Linienregimenter)  46212 
Kavallerie  598 
Artillerie  (7  Regimenter  zu  36  Geschützen)  4274 
Pioniere  1 677  - 

Train  1 330  - 

Muaik  (bei  der  Garde)  50 
Gendannen  1 332 


zusammen    55  551  Mann 

Verhaituiamäibi^  scimeller  noch  als  bei  dem  Landheer  war 
die  Zunahme  bei  aer  Marine.  Dieie  hatte  an  OfiSzteren  und 
Ifaimschaften  zu  Ende  dea  Jabrea 


1879 

4923  Mann 

1881 

5326  - 

1883 

5715  . 

18S4 

6790  - 

1885 

8326  - 

1886 

9601  - 

1887 

10693  - 

Die  MamiBehalltea  kamen  früher  ganz  überwieigend  ans  dem 
Süden  (Kyuahu,  Sbikoku,  Yamaguchi,  Hircnhima),  wo  auch  die 


>  Ang«tiedelte  Soldaten  in  Ytto,  7.  Oiviaioiisbeiiik. 


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X  4. 


107 


mlnsten  Offiziere  lier8t;immen.  Durch  den  gestiegenen  Bedarf 
ist  iiuiii  ueuerdings  gezwungen,  aucii  die  Westküste  stark  her- 
aaniBialMii.  Der  XiTordcik  Ist  fiut  gar  nicht  beteiligt 

Die  ZM  der  Kriegsschiffe  ist  von  1884  bis  1887  nur 
von  27  auf  33  gestiegen,  die  der  G^eschütie  nur  von  155  auf 
156,  aber  das  Deplacement  stieg  von  zusammen  30690  auf 
44  607  Tonnen,  die  Zahl  der  Pferf^ckriitte  von  22  045  auf 
42287,  woraus  sich  eine  erhebliche  Verbesserung  und  Ver- 
Stärkung  des  Materials  ergiebt. 

iJie  Ausgabe  für  Heer  und  Marine  zeigt  entsprechend  der 
angedeuteten  EntwickelunK  eine  stetige  Zunahme.  Im  ersten 
Jimre  nach  Übernahme  der  gesamten  Verwaltung  durch  die 
Centralre^ierung,  1872,  betrug  sie  rund  Millionen  Yen,  1874 
10,4  Milhonen. 

Dann  entwickelte  sie  sich  in  folgender  Weise: 


Heer  Yen 
6960  000 
6415  000 

7  767  000 

8  435  000 
8209000 
8588000 
9891000 

10  619000 
9606000 

12  004000 

11  843000 
11689000  Ord. 

1 368000  Estraord. 
12097000  Ord. 


1875  76 
1878  79 
187980 
1880,81 
1881/82 
1882/88 

1883  84 

1884  85 

1885  m 
(9  Monate) 

1886  87 

1887  88 

1888  89 
(Budget) 
1889/90 

(Bu^t)     \    1273000  Extraord. 

Die  ordentliche  Ausgabe  Air  die  Landesverteidigung  hat  sich 
also  in  14  Jahren  etwa  verdoppelt  Im  Finanzjahre  1^75  76 
betrug  sie  17  Procent,  l^si'  OO  27  Prozent  der  ordentlichen 
Staatsausgabe.  Ein  Durchbcimittsaui'wand  von  mehr  als  200  Yen 
pro  Kopf  der  Landai  uiee  ist  bei  japanischen  Preis verliultnisaen 
durchaus  nicht  gering. 

Die  Gehaltsrerfaaltnisse  sind  ^Dlgendermalsen  geregelt: 


Marine  Yen 
2  826000 

2  817000 

3  080  000 
3156000 
3015000 
3160000 
3  095  000 
3193  000 
2635000 

8  036  000 
10  755  000 
5ÖG1000  Ord. 
5496000  Extraord. 
5596000  Ord. 
1544000  Extraord. 


General 

G^eralUeatenant 

Qenerahnajor 

Oberst 

Oberstlieutenant 

Major 
Hauptmann 
Lieutenant 
Fähnrich 


6000  Yen 
4200  - 

8600  - 
2250-2350 
1650—1750 
1050—1150 
600-  700 
340—  470 
300—  372 


Yen 


.  y  1.  ^  .  y  Google 


108  X  4. 

Die  Gehälter  sind  hc^hrr  bei  der  Oarde  als  bei  der  Lime^ 
auch  nach  Waffengattungen  verschieden,  am  niedrigsten  bei  der 
Infanterie,  über  welcher  Kavallerie  und  Train,  dann  Artillerie, 
Pioniere  und  schlielslich  der  Stab  stehen ' .  —  Das  Gleiche  gilt 
von  der  Löhnung  der  UntcroiBzierc  und  Gemeinen.  Die  monat- 
liche LohniiDg  betrigt  fdr 

Fddwebel  6,6»— Si»«  Yen 

4,80 — (5^11 


Unteroffiziere  3,47 — 5,oi  - 
Gefreite  2,65 — 3,5o  - 

Mannschaften        l,2i — 2,8i  - 

Spiclleute  erhalten  etwas  höhere  Löhnung.  Für  Verpflegung 
und  Putzzeu!::;  wird  kein  Abzug  gemarlit.  Beides  wird  ganz 
umsonst  geüetert  Die  iJihnung  ist  also  bei  sonstigen  japanischen 
Lolui Verhältnissen  recht  hoch*. 

Eine  von  der  übrigen  Verwaltung  getrennte  Rechtspflege 
ist  durchaus  ein  Ihrodukt  der  Neusdt^.  Eine  unseren  west- 
lichen Anschauungen  einigermafisen  entsprechende  Justizorgani- 
sation wurde  erst  1875/76  ins  Leben  gerufen.  Doch  ist  die 
Trennung  von  Justiz  und  Verwaltung  auch  jetzt  noch  niclit 
völli^^  durchgeft\hrt.  Es  bestehen  gegenwärtig  im  giinzen  i303 
Gericlitöbch Orden ,  nämlich  das  Daishinin  als  KaBsationshof,  7 
Appellhöfe  (Koso  in),  99  Gerichte  „(Tster  Instanz"*  (Land{rerichte 
und  Zweiggerichte  dieser),  194  „Friedensgerichte"  (Amtsgcriciitej 
und  2  Specialgerichte  Mr  Okinawa^ken  und  die  Bonin-Iiiseln. 
Dagegen  gab  es  1876  erat  144  Gerichtsbehörden.  Das  zu  den 
Gerichten  gehörige  Personal  yermehrte  nch  in  folgender  Weise: 

1876  1881  1887 

Richter  und  Httifsrichter          466  986  1269 

Staatsanwidte  und  Gehulfen  219  422 

Unterpersonal                      294(3  2546  3363 

Wie  man  sieht,  hat  sich  das  Verhältnis  der  höheren  zu  den 
unteren  Beamten  alhnithlich  verschoben  zu  Gtmsten  der  ei-stcren. 
Keuerdings  hat  sich  auch  die  Zahl  derGeliüIfcn  zu  der  der  ordent- 
heben  Richter  und  Staatsanwälte  günstiger  gestaltet 

Es  gab 

1885  1887 
ordentliche  Hichtei'  288  930 

Hlllfsrichter  969  883 

Staatsanwälte  115  271 

StaatsanwaltsgehtUfen      295  127 

'  Von  obigen  Sätzen  sind  also  die  niedrigsten  fiir  Liuieninfantrric 
ottiziere,  die  höchsten  für  Gardeartillerie-  und  Fionieroftiziere  und  btab. 
'  Polizisten  erhalten  keine  Verpflegung  und  4—8  Yen  monatlieb. 

^  Vgl.  über  diesen  Gegenstand  den  Anfsiitz  von  0.  Kudorff,  Die 
Bechteptiege  in  Japan  in  der  gegenwärtigen  Periode,  in  Mitteilungea  der 
Deutschen  GeselUcliaft     s.  w.  IV  423  —440  (IS^i). 


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109 


Bei  diesen  für  kontinental-europäische  Verhältniase  immer 
noch  sehr  geringen  Zahlen  ist  aber  zu  beacliten,  dals  ome  ^unz 
bedeutende  Zahl  von  Strafsachen  durch  die  PoHzei  erlcclit^t  ^vird. 

Im  Zusammenhang  mit  der  angedeuteten  Entwickeiung  steht 
die  Zunaiiine  der  Ausgaben  für  die  Justizverwaltung,  welche  in 
14  Jahren  nch  verdrei&cfat  haben.   Sie  betrugen 


1875/76 

1112000  Yen 

1879/80 

1S45000  • 

1880/81 

1780000  - 

1882  83 

2  070  000  . 

1 884  85 

2  267  000  - 

188087 

2  547000  - 

1887/88 

2855000  - 

1 888  89 

3202000  - 

(Budget) 

1889/90 

3452000  - 

(Budget) 

Dazu  kommt  dann  noch  die  bedeutende  Ausgabe  für  Ge- 
fängniaie,  welche  rieh  srit  1876  yeraechafiusht  hat   Sie  betrug 

187d  77  670000  Yen 

1878  79  1338000  . 

1880  81  2190000  - 

1882  83  3  21001  H>  - 

1884  85  3  800  001  >  • 

1887  88  3  042  0(10  - 

In  den  letzten  Budgets  ist  sie  etwas  niedriger  angesetzt. 
Von  der  Ausgabe  wird  seit  1881  der  groftiere  Teil  von  den 
Besirken  getragen.  Auf  diese  kamen  1887/88  3438000  Yen, 
auf  den  Staat  nur  504000  Yen. 

Die  Aufgabe  Air  Justiz,  Gefängnisse  und  Polizei 
ist  zusammen  von  5144455  Yen  im  Jahre  J  876  77  auf 
1208(3  080  Yen  im  Jahre  1887  88  gewachs<'n,  kommt  -iho  der 
Ausgabe  für  dir  Landarmee  gleich.  Mehr  als  die  Hiilfte  der 
letztgeuannten  iSumme  f<>M77814  Yen)  liegt  auf  den  I>cziiken. 

Wohl  auf  keinem  (icbiete  der  Verwaltung  ist  so  viel  herum 
experimentiert  worden  als  auf  dem  der  Unterrichtsyer- 
waltung'.  Die  Notwendigkdt  zu  sparen,  um  die  öffentlichen 
Mittel  auf  die  dringendsten  Bedürtnisse  zu  verwenden,  hat 
namentlich  die  Ausgaben  für  Schulwesen  stark  eingeschrttnkt. 

Ein  öffendiches  Schulwesen  ist  in  Japan  nicht  erst  unter 
dem  neiK?n  Regime  entstanden.  Die  Elenieiitarschulen  (Terakoya) 
waren   allerdings  Privatschulen.    Dagegen   würden   von  der 


*  Vgl.  die  sahireichen  Berichte  des  Untarichtsministeriums.  Für 

di«'  rilfrrr  Zoit  namentlich  den  für  die  AusstollnTit'  in  !^hiladc!jphia  ge- 
schriebenen Bericht  „An  Outline  History  of  Japanese  iklucation^.  New 
Yoik  1876. 


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110 


Tokugawa-Regiening  wie  von  den  gröfsercn  Territorialherren 
höhere  Schulen  tlür  den  SamuraistÄnd  unterh?}lt<  n,  in  welchen 
chinesische  T^itteratur  und  Philosophie  getrieben  wurde.  In 
Yedo  beölaiid  eine  Art  Universität,  1630  als  PnVatanstalt  mit 
Staatsunteratützung  gegründet,  am  Ende  des  18.  Jahrhunderts 
in  eine  mne  Staateanetalt  yerwandelt  Gegen  daa  Ende  des 
Sfaognnats  £ng  europäiache  Wiaaenachaft  und  littefator  an  einen 
immer  wachsenden  Raum  einzunehmen.  Schon  1856  wurde  in 
Yedo  eine  Anstalt  zur  „Prüfung  barbarischer  Schriften**  gegründet, 
der  erste  Keim  der  jetzigen  t^nivorsität.  Ihr  folgte  1858  die 
erste  „curopilische  Medizinschulc"  in  Yedo,  1861  eine  zweite  in 
Nagasaki,  1863  eine  Schule  für  fremde  Sprachen  ebendaselbst. 
Andere  Schulen  folgten. 

In  den  eraten  Zdten  der  neuen  Regierung  kam  man  Uber 
scliOne  Grundatttae  nicht  hinaua.  Fttr  Aoabilc  lung  von  Arsten 
und  Dolmetadiem  folgte  man  der  schon  geOffheten  Bahn.  Erat 
1872  kam  man,  nachdem  1870  das  Unterrichtsmmisterium  er- 
richtet wnr,  um  einen  wichtigen  Schritt  vorwärts  und  stellte  ein 
unter  dem  Einfltifs  nmerikanisclier  und  europäischer  Ideen 
stehendes  System  des  ötTciitlichcn  Unternchtswesenü  fest.  Die 
Gemeinden  wurden  veranlal^t,  Volksseliulen  zu  errichten,  wobei 
man  sicli  in  der  Hauptsache  zunächst  mit  Umwandlung  der  bis- 
herigen Pri^atschnlen  in  Gemeindescfaulen  begnügte.  Uie  Haupt- 
achwierigkeit  maefate,  dafs  man  keine  Lehrer  nattc.  Man  er- 
richtete also  Seminare,  Normalschulen,  die  erste  1872  in  Tokyo, 
und  hatte  1874  bereits  52.  Für  das  mittlere  Schulwesen  knüpfte 
man  an  die  bisherigen  chinesischen  Schulen  an,  indem  man  ihren 
Lehrplan  etwas  ump'estaltete. 

Aus  der  alten  Spraehsehule  in  Tokyo  erwuchs  allmählich 
eine  liöhcre  Lehranstalt,  in  welcher  Jurisprudenz,  Piiilosophie, 
Naturwiasenflchafton  und  Technologie  gelehrt  wurden.  Die  medi- 
ziniache  Akademie  wurde  weiter  entwickelt  Aufaerdem  hatten 
die  einzelnen  Fachministerien  dea  Krie^  der  Marine,  der  ttffent- 
licben  Arbeiten,  der  Justiz,  ihre  eigenen  Specialschulen. 

Auf  die  ununterbrochenen  Änaernn|[^en  in  der  Organisation 
dea  Schulwesens  soll  lii^r  nilher  nicht  eingegangen  werden.  Ks 
genüge  hervorzuheben,  da 's  man  im  Eifer  des  Schulengrüudens 
und  Organisierens  die  zur  Verftigun^  stehenden  Mittel  über- 
schätzt hatte.  Zuerst  schränkte  der  Staat  seine  Leistungen  ein 
und  wälate  daa  ßanze  mittlere  Schulweaen  auf  die  Bezurke,  in 
welchen  raach  gleichfalls  eine  Beschränkung  eintrat.  Doch  dttrfte 
der  Rückgang  in  der  Zahl  der  Schulen  im  allgemeiiien  von 
verbesserter  LeistungsfHhigkeit  der  verbleibenden  Anstalten  be- 
gleitet gewesen  sf  in.  In  den  Volksschulen  wnr  es  nicht  so  sehr 
die  Zahl  der  Schulen ,  die  übertrieben  war.  nls  doren  innere 
Organisation,  da  man  unter  dem  Eindufs  amenkanitc  li»  r  Rit^ebcr 
eine  Ubermäfsige  Zahl  von  Klassen  eingerichtet  hatte.  Trotz 
der  geringen  Benhlung  der  Lehrer  waren  die  SchuUaatra  der 


X  4. 


III 


Gemeinden  deslialb  sehr  erheblich.    Doch  hat  man  sich  erst 
1885  zur  Abhülfe  entschlossen,  wie  die  nacbfolgendea  Zahlen 
Beigen,  in  sehr  entschiedener  Weise. 
Eß  war  die  Zahl 

der  Volks-       davon     der  Lehrer  der  Schüler 

schulen       öffentliche  Knaben  Mädchen 


1874  21  068 

1879  28025 

1884  29  283 

1887  25  522 


18712 
20710 
28701 
24939 


? 

71046 
97316 
56886 


1303300 
1 727  422 
2219375 
1912524 


421807 
607  048 
1013851 
800  287  >. 


Der  Schulbesuch  ist,  wie  inuu  ^ielit,  erhebUcb  gewachsen, 
doch  ist  das  Verbttltnk  snr  Zahl  der  «ohulpflichtigeii  Kinder 
hnmer  noch  nicht  besonders  gOnstig.  Im  schulpflichtigen  Alter 

(6—14  Jahre)  standen  1887  6740929  Kinder,  von  wehshen 
3  033 1 1 6  die  Schule  besuchten,  also  45  Prozent.  Die  neuere 
Zeit  hat  geringe  Fortschritte  in  dieser  Richtung  gebracht,  denri 
1878  waren  es  —  allerdings  bei  etwas  laxerer  Kegisterfuhruiig 
—  bereits  mehr  als  il  Prozent^.  Bei  Knaben  ist  der  Schul- 
besuch mehr  als  doppelt  so  gut  als  bei  Mädchen,  da  von  crsteren 
gut  60,  von  letzteren  nur  gut  28  Prozent  die  Schule  besnditeD. 
Diese  Zahlen  bedeuten  natürlich  nicht,  dafs  nun  55  Pkx>sent  der 
Bevölkerung  olme  jede  Schulbildung  heranwächst  Eine  grofse 
Zahl  von  Kindern  besucht  die  Schule  wohl,  aber  nur  einige 
Jahre  lang.  Jeden fn]ls  gehört  aber  die  ^teinung,  als  ob  in  Japan 
jeder  Mensch  lesen  und  schreiben  könnte,  in  die  Kategorie  der 
Touristen- Urteile.  Der  Schulbesuch  der  Knaben  ist  im  gröfsten 
Teile  des  Landes  ziemlich  gleich  stark,  abgesehen  von  dem  sehr 
un^nstigen  Okinawa-ken  mit  nur  IV  ä  Prozent  der  schul- 
pflichtigen Knaben.  Dann  folgt  sofort  Tokushima  mit  48 
Fktnent.  Merkwürdigerweise  ist  der  nitchst  ungünstige  Bezirk 
mit  50^/9  Prozent  der  von  Tokyo.  Am  günstigsten  ist  Miyagi 
mit  mehr  als  78  Prozent  (demnftchst  Nagano  mit  77,  Tshikawa 
mit  74,  Toyama  mit  7.^).  Beim  Schulbesuch  der  Müdchen  be- 
stehen sehr  erhebliclie  Unterschiede.  Nächst  Okinawa,  wo  nur 
1,6  Prozent  der  Mlidchen  die  Schule  besuchen,  steht  Kagoshima 
mit  uur  7V4  IVozenL  Die  günstigsten  Verhältnisse  hat  Tovama 
mit  52  Pnmmt  In  Tokyo  steht  der  Scfanibesuch  der  Madchen 
mit  Uber  43  Prozent  dem  der  Knaben  ziemlich  nahe. 

Während  die  Volksschule  im  wesentlichen  Gemeindelast 
isty  wird  das  mittlere  Schulwesen  von  den  Bezirken  getragen. 


'  Der  starke  Rückgaii^  iu  der  Schülerzahl  ist  zum  Teil  F<»lge  ge- 
BSneKr  Erhebung  des  wirklichen  Schulbesuches,  während  in  den 
früheren  Zahlen  vielfecb  Kinder  eathdtea  siiid,  welche  die  Schule  nicht 
mehr  besuchten. 

*  Naeh  der  firOheien  Art  dsr  Eifaeboug  zdcte  1884  beinahe  S8 
Pkosent  Sehulbeneh,  gut  69  Pkoeent  Knaben,  35  msent  MIdcbea. 


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112 


Die  Zahl  der  gewöliiilichen  Mittelschulen,  der  Lehrer  und 
Schüler  spiegelt  die  oben  angedeutete  Entwickclung  scharf 
wider.  Der  Höhepunkt  war  1879  mit  784  Schulen,  welche  bis 
1887  auf  48  zurückgingen.  Von  diesen  waren  43  Bezirks-  und 
5  PrivatBchulen.  Die  Zahl  der  Lehrer  Terringerte  sieh  im  an- 
gegebenen Zeiteaum  von  1691  auf  561,  die  der  Schüler  von 
97  281  auf  10177.  Die  meisten  Bezirke  hatten  nur  mehr  eine 
Mittelschule,  in  drei  Bezirken  war  gar  keine. 

Die  Normalscliulen  hatten  ihren  Höhepunkt  1^7<S  mit  101 
Anstalten  nnd  gingen  bis  1887  auf  45  zurück,  wahrend  die  Zahl 
der  Lehrer  von  728  auf  557,  die  der  Schuler  von  7458  auf 
4754  sank. 

An  höheren  Madehenschulen  gab  ee  1887  sechs  BeiifluF- 
und  11  Priyatsditüen  mit  zusammen  122  Lehrern  und  2229 

Schülerinnen. 

Endlich  unterlüelten  Bezirke  and  Gemeinden  noch  71 
sonsti^^e  Fachschulen  u.  8.  w.  mit  467  Lehrern  und  6S64 

Schülern. 

Die  Gesamtausgabe  ftir  die  öffentlichen  Schulen  der  Be- 
zirke und  Gemeinden  betrug: 

1877  5  364  872  Yen 

1880  68810^5  - 

1883  10  832393  - 

1887  7461898  - 

Die  Ausgabe,  auf  den  Kopf  der  Schüler  berechnet,  betrug 
1880  2,98  Yen,  1883  3,a.i  Yen,  1887  nur  mehr  2,77  Yen.  Von 
der  Ausgabe  wurden  durch  Schulgelder  gedeckt  1883  520681 
Yen,  dagegen  1887  1  465367  Yen.  Die  Einnahmen  aus  dem 
Schulvermögen  sanken  in  der  angegebenen  Zeit  von  1  089  758 
Yen  auf  472  587  Yen.  Von  der  aus  den  Bezirks-  und  Gemeinde- 
einnahmen zu  deckenden  Summe  kam  etwa  vier  Fünftel  auf  die 
Gemeinden  ,  ein  Fünftel  auf  die  Bezirke.  Fünf  Sechstel  der 
ganzen  Ausgabe  wurde  durch  die  Volksschulen  veninlafst.  Der 
Wert  des  Schulvennögena  wurde  auf  17(365000  Yen  geschätzt 
(1883  23573000),  Davon  waren  aber  nutzbringende  läipitaliea 
nur  5 610000  Yen,  1883  noch  0560000  Yen.  Dieaee  Vereehren 
der  Kapitalien  zeigt  am  deudichsten,  wie  wUnscheaswert  es  vom 
rein  finanziellen  Standpunkt  war,  die  Ausgaben  herab-  und  die 
Schulgelder  hinaufzusetzen'.  r>icse  Verhältnisse  machen  es  auch 
erklärlich,  dals  auf  eine  wirkliche  I  Mirchfnhrung  der  allgemeinen 
Schulptlicht  nicht  ernsthafter  hin^^ewirkt  wird,  da  eine  Verdoppe- 
lung des  Schulbesuches  ja  notwendig  eine  ganz  bedeutende  V  er- 
mehrung  der  Schullast  bedeuten  würde.   Hat  man  doch  togar 


'  Sie  wurden  von  l!S86  auf  10^57  beinahe  verdoppelt.  Das  Schul- 
geld betrug  in  Volksschulen  1887  im  Durchschnitt  de»  ganzen  Landes 
monatlush  il,t  Sea. 


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113 


die  nach  ensliacfa-amerikanUchem  Muster  eingerichteten  Ortsaus- 
icbttose  zur  Kontrolle  des  Schulbesuchs  wieder  aufgehoben.  Aua 
anderen  Gesichtspunkten  sind  die  getroffenen  Mafsregeln  aller- 
dings bedenklich,  nainentHch  der  Kückrranu;^  des  mittleren  Schul- 
wesens. Erfreulicher  ist,  dal's  es  durch  die  neueren  Reformen  mög- 
lich war,  die  Gehaltsverhiiltnisae  der  Lehrer  etwas  zu  verbessern. 
Das  Durchschnittsgehalt  alier  Bezirka-  und  Gemeindelehrer  stieg 
1883  bis  1888  ^00  68  auf  77  Yen  jtthrlich,  während  gleichseitig 
die  Preiae  der  wichtigsten  Bedlirfoisse  herabgingen.  Das  Gefaafi 
aller  Bezirkslehrer  stieg  von  277  auf  300  Yen  durchschnittlich, 
das  aller  Genieindelehrer  von  gut  G3  auf  etwa  71  Yen.  Immer- 
hin •  rliielt  aiicli  lö87  ein  ordentlicher  Elementarlelirer  im  Durch- 
schnitt des  ganzen  Landes  nur  lOö  Yen  jährlich,  im  Bezirk  des 
höchsten  Durehschnittä,  Miyagi  IHO  Yen,  in  Tokyo  136  Yen, 
dagegen  in  Shimane  nur  ÖO,  in  Fukui  gut  72  Yen.  Die  vor- 
kommenden Grenzsätze  fUr  Minimal  und  Maximalgchälter  sind 
14,40  Yen  (!)  in  Hiroshima  und  5^  Yen  in  Miyagi.  Der  durch- 
schnitdiche  Maximalgehalt  ist  rund  323,  der  durchschmtitiche 
Minimalgehalt  57V  a  Yen^ 

Staatsschulen  giebt  es  gegenwärtig  im  wesentlichen 
nur  tUr  höhere  wissenschaith'che  und  Fachbildung,  nämlich: 

die  Universität,  18bO— 1886  aus  verscbiedenen  höheren 

Lehranstalten  zusammengeschmolzen, 
die  höliere  Norm  al schule, 

sechs  höhere  Mittelschulen,  den  Oberklassen  einer 
Bealschule  mtsprechend,  das  verbindende  Glied  zwischen  den 
Mittelschulen  und  der  Üniversität^ 

die  höhere  Handelsschule, 
die  Gewerbeschule  in  Tokyo, 
die  höhere  M  ä  d  chenschule, 
die  Musi  k s c liu  1  e, 
die  Ta  u  bs  tu  m  m  enanstalt, 
die  K  u  n  s  1 8  c  h  u  1  e   seit  1 888). 

Diese  Anstalten  stehen  unter  dem  LJnterrichtsroinisteriuni. 

Dazu  kommt  die  Akademie  für  Land  -  und  Forstwirt- 
schaft unter  dem  Ministerium  fiir  Larui Wirtschaft  und  Ge- 
werbe (1890  mit  der  Universität  vereinigt^  und  die  Land- 
wirtschaftliche Akademie  des  Hokkaideamtes,  eine 
Seemanns-  und  eine  Telegraphenschule  unter  dem 
Verkehrsministerium ,  sowie  10  Lehranstalten  des  Kriegs-  und 
4  des  Marineministeriums'. 


'  IHe  aagef&hrten  Zahlen  beziehen  sich  nicht  auf  die  ordentlichen 
Lehrerinnen  deron  DurchAchaittsgelialt  sich  für  das  gaose  Laad  lütil 
auf  rund  lo4  Yen  berechnet. 

^  Daneben  sind  noch  die  beiden  Adelaaehtden  für  Knaben  und 
Mädchen  Tintt  r  rir m  nau^mirii^terium  zu  nennen,  mit  65  einheimiaeben 
und  5  au8luiKii8cheii  Li  In* m  und  721;}  Schülern. 

Forschung«!!  (,46j  X  4.  —  iutiigen.  6 


114 


X  4. 


Fast  alle  diese  UnterrichtsaTistalten  liegen  in  oder  bei  Tokyo. 
Die  Zahl  der  an  ihnen  beschäftigten  Lehrer  war  1105,  aufser- 
dem  59  AuslSnder.  Die  Zahl  aller  Schüler  und  Schülerinnen 
betrug  7224.  Auf  das  Unterrichtsiiiinisterium  allein  kommen 
davon  332  Lehrkräfte  und  40  Ausländer  und  3392  Schüler. 

Die  Ausgabe  für  diese  StaatsaDBtalten  betni|^  1887  853900 
Yen^  wovon  auf  das  UnUnTichtsmimBterinin  allem  583662  Yen 
fieleD.  Ein  Vergleich  mit  früheren  Jahren  wird  durch  die  vielen 
Oiganisationsveränderungen  erschwert.  Wie  sehr  aber  der  Staat 
seine  direkten  Leistungen  auf  diesem  (Tebiete  eingeschränkt  hat, 
ergeben  folgende  Zahlen  über  die  Ausgaben  der  staatlichen  Un- 
terrichtsanstaiten: 

1880  81       1439000  Yen, 
1881/82      1133000  - 
1884/85      1  730000  - 

1886  87       1021000    -  » 
1887/88        854000  - 

Lefairetdier  sind  die  Obersicbten  über  die  Ausgaben  des 
UnterrichtsminisleriumB.   Sie  zeigen  folgende  Bewegung: 

187&76  1744000  Yen, 

1876/77  1  695000  - 

1877  78  1  164  000  - 

18M)81  1  177000  • 

1881/82  896000  - 

1884/85  962000  - 

1886/S7  888000  - 

1 887/88  1  11 8  000  -    (Etat  888  000) 

1889/90 

(Budget)  1048000  - 

Auf  daa  Budget  der  UnterrichtsverwaitLiiig  haben  die  ver- 
achiedenen  Anläufe  aur  ^enamkdt  jedesmal  ihre  unmittelbare 
Wirkung  geübt,  so  1877  (Satsama-Aufttuid),  1881,  1886.  Dafs 
man  dieses  starke  Sparen  gerade  an  der  höheren  und  mittleren 
Bildung  bethätigt,  ist  nicht  unbedenklich.  Aber  anderseits  ist 
zu  be-ichten,  daCs  im  Gegensatz  zu  landläufigen  Meinungen  der 
Drang  zu  höherer  Bildung,  naeli  dem  Andrang  zu  den  Lehran- 
stalten bemessen,  durchaus  nicht  grofs  ist.  In  den  Stünden,  aus 
welchen  die  studierende  Jugend  hervorgeht,  fehlt  es  ebensosehr 
an  Geldmitteln  wie  an  Ausdauer  aum  Erwerb  einer  wklicb 
wissenscbaftlichen  Bildung.  Man  bedenke,  dals  an  der  einzigen 
Uniwsität  des  Landes  1887  nicht  mehr  als  863  Studenten  und 
darunter  197  Stipendiaten  waren.  Die  Ausgabe  des  Staates  für 
diese  wenigen  Beeueher  der  staatlichen  Lehnnstalten  ist  Terbttlt- 


1  Dieser  plötsUehe  Rückgang  beruht  jedoch  zum  Teil  auf  anderer 
Anfetellung  der  Attsgabea  bei  Knega*  und  Matineschiiieii. 


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X  4. 


115 


nismlüjng  hoch.  Es  itt  daher  begreiflich^  dafs  der  Wmmch  eu 
sparen  sicli  gerade  auf  diesem  Gebiete  gelt^d  macht.  Es  ist 
ganz  auffiilli^',  wie  wenige  Besucher  der  höheren  Lehranstalten 

ans  bemittelteren  Verhältnissen  hervorgehen.  Mit  Ausnahme 
der  Mediziner  sind  fast  alle  Studenten  ganz  arm.  Ys  zeigt  sich 
hier  ein  Krebsschaden  des  bisherigen  Systemes  der  Patronage. 
Wozu  den  langen  Weg  einer  mUbsaraen,  vieljährigen  Berufs- 
bildung wählen,  wenn  man  auch  ohnedem  zu  Amt  und  Würden 
kommt!  Nnr  wer  arm  und  ohne  Beziehungen  ist,  hat  es  nötig, 
nd)  eine  höhere  Bildung  anzueignen.  Für  die  Zukunft  des 
Landes  und  namentlich  seines  Beamten-Standes  bildet  der  Mangel 
an  wirklich  höher  gebildeten  I^euten  eine  ernste  Schwierigkeit. 
Das  bei  uns  so  mächtig  wirkende  P^rzichungsmittel  der  Sta?!t«- 
prüfungen,  der  strengen  Anforderungen  an  fVie  l^'^nifsvorbereitung 
fehlte  bislier  ganz.  Kis  die  jetzigen  bchw^Mjiica  Anfange  des 
Prtlfiingsweäeüb  aut  weitere  Kreise  wirken,  wird  wohl  noch  ge- 
raume Zeit  vei^gehen.  Ebenso  fehlt  bisher  der  Zwang  der  Sitte, 
welche  z.  B.  in  England  den  Besuch  der  höheren  BUdungsan- 
stalten  vom  Gentleman  verlangt.  So  sehen  wir  in  Japan,  dals 
die  bescheidenen  Anforderungen  der  staadichen  Lehranstalten  an 
\'orbereitunp:en  und  Studienzeit'  noch  zu  hoch  sind,  dafs  grofse 
Mengen  junger  Leute  sieh  mit  der  ganz  un^^enügenden  Halbbil- 
dung begnü;tren  ,  welche  sie  dureh  kurzen  Besuch  von  Privat- 
schulen aufßciinappcn,  welche  in  Bezug  auf  DiscipHn,  Pünktlich- 
keit, regelmäfsigcn  Besuch  ^  Qualifikation  der  Lehrer  auch  den 
beseheidensten  Anrorttchen  nicht  genügen  können.  Wir  sehen 
die  wunderliche  Erscheinung,  dafs  auf  dem  Gebiete  des 
elementaren  Schulwesens  die  Privatschulen  immer  mehr  ver- 
schwinden (1879  noch  1315,  1887  583),  dafs  dag^en  Privat- 
anstalten, welclr»  'm^'c  blich  eine  wissenschaftliche  Bildung  geben, 
in  erstaunlicher  Zahl  vorhanden  sind.  Deren  gab  es  1887  45  als 
Fachschulen  anerkannte  und  1709  sonstige  Privatschulen  (aufser 
den  10  als  Mittelschulen  anerkannten  IVivatanstalten,  wovon  11 
fOir  Mildchen).  Die  Schalerzahl  in  diesen  Anstalten  war  8398 
In  den  anerkannten  und  79458  in  den  anderen  Schulen.  Unter 
diesen  Anstalten  waren  unter  anderen  17  Rechtsschulcn  mit 
7742  Schülern  (1882  erst  10  mit  1128  Schtliem),  während  die 
juristische  Fakultilt  nur  218  Studenten  hatte.  Selbst  ftir  das 
Stti'^inm  der  Medizin  gab  es  neben  der  Fakultät  mit  348  Stu- 
denten und  20  Bezirksschul«  n  mit  2760  Studenten  noch  7  Privat- 
schulen mit  771  Schülern  dast  unverändert  gegen  1882).  Die 
Leistungen  fast  aller  Privatschulen  sind  überaus  traurig^,  was 


'  Der  Universitätskursus  dauert  drei ,  fliv  Mediziner  vier  .Jahre. 
Vorhergehen  fünf  Jahre  auf  der  höheren  Mittelschule,  welche  im  14. 
Ins  19.  XebeDeJfthre  absolviert  werden. 

*  Das  GesH^te  gilt  von  der  grofsen  Menge  der  Anstalten.  Selbst- 
▼erständlieh  giebt  es  einaelne  tüchtige  Attsoahinen,  wie  die  Schule  des 

8» 


.  y  1.  ^  .  y  Google 


X  4. 


schon  durch  den  ununterbrochenen  Schüler  Wechsel  bewirkt  wer- 
den rauia.  Die  oberHächHche  Halbbildung,  Hand  in  Hand  mit 
einer  geradezu  naiven  Lberhebung,  wird  durch  diesic  Zustände 
in  bedauerlichster  Weise  gefördert  ^  Zum  Teil  ist  diese  früh- 
reife, unpFaktiacbe»  hohle  Oetstesrichtung  ein  Erzeugnis  der 
Übergangszeit.  In  der  Hauptsache  «teckt  sie  aber  doim  tief  im 
japanischen  Nationalcharakter  und  httngt  damit  zusammen,  da(s 
es  überhaupt  wenig  wirklich  gebildete  Menschen  im  japanischen 
Volke  giebt.  Ebenso  wie  in  wirtschaftlicher  Beziehung  ist  es  in 
geistiger:  der  Unterschied  der  St^inde  ist  viel  geringer  als  bei 
uns.  Wie  es  keine  hungernden  Fruit  tarier,  aber  auch  fast  keine 
reichen  Leute  giebt,  so  ist  die  Masse  des  Volkes  an  Gesittung, 
(Ordnungsliebe,  Höflichkeit,  Rücksicht,  Reinlichkeit  u.  s.  w.) 
wohl  unseren  niederen  Ständen  überlegen,  aber  die  höheren 
Stände  stehen  tief  unter  dem  Nireau  unserer  gebildeten  Klopsen. 
Zu  dem  Europäer,  der  ^bewaffnet  ist  mit  der  ganzen  Bildung 
seines  Jahrhunderts**,  wird  man  in  Japan  nur  selten  ein  Ana- 
logen finden. 

An  sonstigen  öffentlichen  Veranstaltnn^'en  des  Bildungs- 
wei>ens  sind  zu  nennen  Bibliotheken  und  einige  Museen. 
Das  Bibliothekswesen  ist  noch  sehr  wenig  entwickät.  Es  gab 
1887  nur  16  dem  Publikum  zuglingliche  Bibhotheken  mit  zu- 
sammen 72011  japanischen  und  chinesischen  und  65197  euro- 
päischen Werken.    Vier  dieser  Bibliotheken  hatten  noch  nicht 


Vermos  für  Doutsche  Wissenschaft  in  Tokyo,  die  I>)8hi8ha  in  Kyoto. 
Ein  typisrhcM  Heispiel  für  dl«'  Art,  die  ich  im  Sinne  habe,  ist  die  be- 
kannteste dieser  ISckuien.  das  Keio  Gijiku  in  Tokyo.  Der  „wissenschaft- 
liche" Unterricht.  Völkerrecht,  Nationalökonomie  u.  s  w  ,  vor  ISjShri^en 
Knaben  besteht  darin,  <l:ifs  di  r  Lehrer  ein  „'J'ext  bonk "  vculir^r  nicht 
etwa  erklärt  — ,  was  dann  auswendig  gelernt  wird ,  ein  überhaupt  in 
Japan  noch  sehr  beliebtes  Verfiihren,  halb  ans  der  alten  chinenschen 
Praxis,  halb  von  den  amerikanischen  Vorbildern  stammend.  Diese  Schule 
hatte  z.  H.  um  Iss'J  Si  an  tausend  Schüler,  ISSÖ  S(>  nur  dreihundert, 
li<t<l  i^.ü  wieder  etwa  neunhundert.  Der  Zu-  und  Abganc  von  .Schülern 
in  solchen  Anstalten  ^ebt  luiunterbrochen  das  ganze  Jahr  durch.  Die 
Lehrer  rekrutieren  t^if  ti  nip  den  ältesten  Schülern. 

*  In  einem  vortrell  liehen  Au^tzo  ühcr  „Japanese  l^8ychoh)cy'*  io 
der  Japan  Weekly  Mail  (lss«l,  XII  400  ff.)  heilst  es  unter  anderem: 
-Kein  Land  enthält  solrhc  Mengen  von  Politikern  im  Knabenalter  wie 

Japan   Nur  in  Japan  liudet  man  junge  Männer,  die  keck  ffenug 

Bind,  ergrauten  Staatsmianem  eine  Vorieean^  sni  halten  fiber  die  Lettnng* 

der  auswärtigen  Politik   Ks  giebt   wenig  Länder,  hi  weUlicn 

Männer  ohne  praktische  Kenntnis  des  Staatslcbens  so  leicht  in  den  Kuf 
tiefer  Weisheit  kommen  können  durch  geschicktes  Theorctisieren." 

Ein  anderer  guter  Beobachter  (Japan  Weekly  Mail  188<>  V  129) 
nennt  als  Haupthindprnis  für  den  Fortschritt  des  mittleren  Schulwesens 
in  Japan:  „die  Indolenz  vieler,  wenn  nicht  der  meisten  Lehrer,  eine 
hohle  Selbetgefiilligkeit  auf  seifen  der  Schüler,  in  vielen  Pftllen ,  eine 
übertriebene  Nationulcitelkoit  auf  beiden  Soitm.  ♦•In  fM^füIil  der  Ol>cr- 
legenbeit,  das  auf  Tiu-litK  ab  auf  einigen  oberflächlichen  Kenntnissen  be- 
bernht,  die  nicht  genügen  würden,  um  auch  nur  eine  Schale  Heb  zu 
verdienen'*. 


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117 


1000  Werke.  Dabei  zeigen  die  Zahlen  einen  erheblichen  Rück- 
pang^,  da  IHR 4  noch  25  Bibliothok^n  mit  zusammen  ITit^RTS 
Werken  angeführt  werden.  Eine  grolse  öffentliche  Nation;iIhi- 
bliothek  fehlt  immer  noch.  Einiere  gröisere  Hibliotln  kfn  i^'md 
dem  Publikum  nicht  asu^äiiglich,  so  melirere  früher  von  JJaimyos 
snsammengebnushte  und  für  earopäiache  Btteher  die  erhebliche 
Bibliothek  des  Eabinetts.  —  Das  Theater  ist  aosschlielslieh  der 
privaten  Unternehmung  überlassen. 

Früher  übte  das  Unterrichtsministerium  die  Aufsicht  ttber 
das  Prefs wegen,  doch  ist  dies  ^y\h\  auf  r]n^  Ministerium  des 
Innern  übergegangen.  Bedeutsam  ist  in  den  Preisgesetzen  (187r> 
und  1887)  nainentlich,  dal'a  eine  Druckschrift,  um  gegen  Nach- 
druck gesciiützt  zu  werden,  vor  dein  Erseheinen  angemeldet  und 
registriert  werden  mufs.  Es  dürfte  in  diesem  Znsammenhang 
einiges  Interesse  haben,  die  Hauptzahlen  Uber  die  geistige 
Produktion  Japans  zu  erhalten. 

Die  Zahl  der  veröflfentlichten  Originalwerke  sehwankt  von  ' 
1881—1887  zwischen  2100  und  2000.    Im  letztgenannten  Jahre 
betrug  sie  2753.     Daneben   wurd<n  522^<   SainmcKverke,  Ü92 
Übersetzungen  und  875  Holzschnittwerke  herausgegeben 

Neben  der  wie  man  sieht  recht  erheblichen  Bücherprüduktioti 
ist  die  Veröffentlichung  periodischer  Druckschriften  durchaus 
nicht  so  rsach  entwickelt»  wie  roan  nach  den  Äufserun^n  man- 
cher Touristen  glauben  sollte.  Die  ersten  An&nge  des  Zeitungs- 
wesens ^en  in  das  Jahr  1868.  Regelmäl'sig  tiiglich  erscheinende 
Zeitungen  gab  es  aber  erst  seit  1872.  Bis  Ende  1881  war  die 
Zahl  der  Zeitungen  und  Zeitschriften  zusammen  auf  253  ange- 
wachsen. Infolge  des  strengen  Gesetzes  über  die  Zeitungs- 
presse von  1583  (die  vorhergeilenden  waren  von  1873  und  1875) 
war  am  Ende  dieses  Jahres  die  Zahl  nur  mehr  199.  Sie  stieg 
dann  aber  raadi  auf 

269  ssu  Ende  1884 

321  -  -  1885 
402  -  -  1886 
470  -     -  1887 

Von  letzteren  waren  aber  nicht  weniger  als  133  nicht  Eum 

Öffentlichen  Verkauf,  sondern  nur  zur  Verteilung  an  Vereinsmit- 
glieder bestimmt.  (Solche  Zeitschriften  bnucben  keine  Kaution 
zu  hinterlegen.)  Nicht  weniger  als  191  Zt  itungen  und  Zeit- 
schriften erschienen  allein  im  Bezirk^  Tokyo.  31  in  Osaka,  19 
in  Kyoto  ^  in  diesen  drei  Bezirken  aLsu  mehr  als  die  Hälfte  und 
der  Zahl  der  erschienenen  Nummern  nach  drei  Viertel. 

Wie  ephemer  ein  grolser  Teil  dieser  VerOfientlichunsen  ist, 
aei^  die  Tliatsache»  dafs  s.  B.  Im  Jahre  1887  279  Zeitungen 
und  Zeitschriften  neu  begründet  wurden,  aber  211  wieder  ein- 
gingen .  bei  einoiii  Bestand  Fon  40^  am  Anfang  und  470  am 
tichiusse  des  Jahres. 


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118 


X  4. 


Daa  G esundheitb Wesen ,  dem  Mmibterium  des  Innern 
unteretehend,  fiült  mit  seinen  Ausgaben  im  wesenttichen  auf  die 
Bemrke  und  Oemeiiiden«   Die  Ausgabe  der  Benrke  belief  sich 

in  dem  seit  1879  niedrigsten  Jahre  1884  85  auf  322  900  Yen, 
in  den  Cholerajahren  1879  80  auf  547  600  Yen,  1882  83  auf 
628  700  Yen,  1886  87  auf  1  7r,0  700  Yen.  Die  Ausgabe  der  Ge- 
meinden bewegte  sich  in  der  gleichen  Zeit  zwischen  439  000  Yen 
(1879  80)  und  794  000  Yen  (1882  83)  und  704  000  Yen  ( 1886/87). 

Von  diesen  Ausgaben  entßlllt  ein  groiscr  Teil  auf  die  öflfent- 
lichen  Krankenhäuser.  Die  Zahl  dieser  Anstalten  betrug  1887 
224  neben  292  Privat-Krankenhäuflcrn.  Die  Enpuungstendensen 
der  letzten  Jahre  haben  sich  auch  hier  gehend  genucht,  denn 
Ende  1883  gab  es  359  öffentliche  Krankenhäuser  neben  297 
Privatanstidten. 

Die  Zahl  der  eingeschriolienfm  Arzte  \var  Ende  1887  40  879, 
der  Apotheker  0878,  der  ikUaminen  29  863.  Die  Zahl  der 
beiden  letztgenannten  Kategorieen  nimmt  von  Jahr  zu  Jalu'  zu, 
die  der  Arzte  ist  dagegen  ziemlich  stabil,  reichlich  ein  Arzt  auf 
1000  £iDwohner  (^eoau  l,u8).  Die  Ektreme  in  der  VarwHrgung 
der  BeirOlkening  mit  Ärzten  bieten  die  Bestrke  emerseits  Ishikawa 
(l,«t),  anderseitB  Aomori  (0,48).  Im  allgememen  ist  die  Ver- 
sorgung schwächer  in  Mittel-  und  Nordjapan,  am  höchsten  an 
der  Westküste  und  auf  Kyushu.  Abnorm  sind  die  Verhältniese 
im  Okinawa-ken^ 

Eün  Vervvaltungsgebiet,  welches  in  unserer  europÄischen  Ge- 
sellschaft mit  ilirer  Isolierung  des  Individuums  steigenden  Auf- 
wand eiforderty  das  Armen  wesen,  fehlt  in  Japan,  man  könnte 
sagen,  &8t  ganz.  Das  Familienband  und  der  nachbarliche  Ver- 
band sind  in  Japan  von  einer  Stärke,  dais  ftufserst  wenige  Per- 
sonen (öffentlicher  UntentUtxung  bedürftig  werden.  Im  Oegensats 


*  Angeblich  nur  ^^l  Arzte.  10  Apotheker  und  2  Hebammen. 

•  Ich  mufs  es  selbütversUtnUlich  Lierufeneren  überlassen,  die  gesuud- 
hettUchen  VerhUItnisee  Japans  damutellen.  Nicht  unterlaasen  kann  ich 
aber,  darauf  aufmerkBam  zu  machen,  daf-  dl.  an^^führliche  Statistik  der 
Todesursachen,  wie  sie  das  btatistischc  Jahrbuch  und  nach  ihm  das 
„R^nm^  Htatistique''  geben,  doch  einigermafsen  bedenklich  ist  Mir  ist 
unerfindlich,  wie  man  in  der  Lage  sein  will,  im  ganzen  I^ando  bi>  in 
die  entferntesten  Winkel  die  wirknchen  Todesursachen  festzustellen,  so 
dafs  auf  000000—950000  Todesf&Ue  nur  einige  l  ausend  Kalle  kämen,  in 
welchen  die  Ursache  unbekannt  ist.  Prüfung  der  Zahlen  för  die  einzelnen 
Bezirke  macht  die  Sache  noch  verdächtiger,  wenn  z.  B.  gerade  in  ent- 
legenen, zurückgebliebenen  Gegenden  fast  in  keinem  Falle  die  Ursache 
unbekamit  ist.  Die  Bedenken  gegen  diese  Statistik  werden  von  metnen 
bisherigen  mpdizinischen  Kollegen  an  der  UniverHität  völlij-  pntcüt 

Verwaltuugsrechtlich  interessant  ist,  dafs  man  die  Pockeniuipfungi 
die  man  bereits  1824  durch  Siebold  kennen  lernte,  seit  1876  (Oesetz  vom 
12.  April)  zwangsweise  durchführt.  Vgl.  darüber  den  Aufsatz  von  Georts, 
JsDMi  Weekly  Mail  1879  S.  757  fi.  Gegenwärtig  gilt  Gesetz  H4  vom 
9.  NoYCmber  1885.  Ke  Zahl  der  vorgenommenen  Impfungen  betn^  von 
I87ß  bis  1883  jährlich  zwischen  1  und  2  Millionen  und  ist  bis  188?  ftuf 
4435000  gestiegen.  Die  Lymphe  wird  vom  Staat  geliefert 


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119 


zu  anderen  a.siatischen  Ländern  ist  der  Bettel  verhältnismärsig 
selten  ^  die  Ausgabe  aus  öffentlichen  Mitteln  sehr  unbedeutend. 
Im  ^Igemeinen  handelt  es  sich  um  Irr-  und  Bl&dsinnige,  Krüppel, 
Qieiie^  kleine  Kinder ,  welche  kttne  Angehörige  haben,  uet 
Anfmoid  des  Staates  für  solche  Personen  im  Jahre  1887  war 
83618  Yen,  wovon  14  968  Yen  für  4752  verlassene  Einder% 
der  Rest  ftir  15  109  andere  Personen  Aufserdem  j^aben  die 
Bezirke  von  Altjapan  1887  88  71  029  Yen,  die  Gemeinden 
38  166  Yen  iur  Armenpflege  aus.  Von  den  iiezirken  kam  allein 
auf  Tokyo  ein  Drittel.  Zu  dieser  Ausgabe  von  insgesamt  rund 
193  000  Yen  kommen  aber  noch  die  LInterstUtzuugeu  aus 
dem  landwirtachaftlichen  HttlMmds»  der  nnten  im  Znsammen- 
liaag  mit  der  Grundsteuer  näher  an  besprechen  ist.  Dieser 
seit  1880  durch  eine  Staatsdotation  und  Grundsteuerzuschläge 
gebildete  Fonds  dient  zur  Unterstützung  der  landwirtschaftHchen 
Bevölkerung  im  Falle  von  Notständen,  welche  durch  Elementar- 
ereignisse herbeigetüiirt  fiind.  Die  derart  gezahlten  Unterstütz! mf^en 
haben  in  den  letzten  Jaliren  rund  6<  )0  QUO  Yen  jährlich  betiagcn, 
(1887  582  960  Yen),  nachdem  sie  188485  eine  Höhe  von 
982000  Yen  ermcht  iiatten*.  Die  aus  öflfonllichen  Mitteb  ge- 
sahlten  Untersttttaungen  haben  «ich  also  in  den  leisten  Jahren 
zusammen  auf  rund  700  000  bis  1  ISO 000  Yen  belaufen^  2—8 
Sen  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung. 

In  Tokyo  mit  «einer  p^rofsen  fluktuicrcruk  n  Bevölkerung 
macht  sich  das  Bedürlnis  ausgedehnterer  Fürsorge  tiir  dm  Armen 
neuerdings  immer  mehr  geltend.  Einstweilen  hilft  man  sich  auf 
dem  Wege  des  Yoluntarismui»  durch,  mit  \\  ohlthäiigkeitsspitälem 
u.  dergl.  Doch  wird  in  Tokyo  luerst  das  Bedfirfiiis  nach  einer 
Annenpflege  im  europäischen  Sinne  entstehen.  In  Tokyo  bestehen 
folgende  Öffentliche  Wohlthätigkeitsanstalten. 

Das  Yoikuin,  im  Februar  1873  errichtet,  dotiert  mit  alten 
Woblthätigkettsfonds,  welche  bis  auf  das  Jahr  1791  aurUckgehen^ 


^  Aus  den  ersten  Jahren  nach  öffnuiur  dt;r  Hut'eu  berichten  fremde 
Beobachter  einstiimiiig  fiber  die  grofse  Zuil  von  B^em.  Diese  hatte 
ihren  Grund  wohl  in  den  damaligen  Notständen.  ITbrigens  sieht  man 
auch  heute  noch  in  der  nächsten  Umgebung  dex  offenen  Häfen  mehr 
Bettler  als  weiter  im  luuem. 

*  Gegen  1000  weitere  Kinder  wurden  gsas  umsonst  Ton  PrfTst- 
funilien  erzogen. 

*  Die  ans  dem  UtÜfstouds  gewährten  Darlehen  zur  Bezaiiluog  der 
Qffimdslener  mnd  in  diese  Zahlen  nicht  dageschlossen. 


Nimlkh 

Btmtt 

Bezirke  eiuschL 

Qemeinden 

Vamammn 

Hülfsfonds 

1882 

71089 

343290 

45189 

459  568 

1888 

62707 

566584 

44468 

678709 

18«4 

47  7S1 

1025  680 

65  725 

1  139  186 

72  107 

703 163 

60465 

8:35  735 

1886 

83415 

660261 

43498 

777  174 

1887 

a'u.18 

653  989 

38166 

775773 

»  Vgl.  Japsn  Weeklj  Mail  1877  &  826  ff. 


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120 


X  4. 


£i  ist  ein  Spital  ihr  Krüppel  nod  Bfestliafte  iowie  vorluseoe 

Kinder.  Der  Bestand  am  Schlufs  der  letzten  Jahre  bew^te 
sich  zwischen  100  und  150  Köpfen,  wovon  20—40  Kinder.  Die 
jfihrlicho  Ausgabe  beträgt  gut  4000  Yen,  dae  SliftungevennQgen 
Ende  IBbB  fast  100  000  Yen. 

lebhafter  Protektion  liatte  sich  in  den  letzten  Jahren  das 
Jikeiin  zu  erft^uen,  ein  Armenspital,  mit  einem  Krankenbeetnnd 
am  E2nde  der  letzten  Jahre  von  40—50  Köpfen,  einer  Ausgabe 
▼on  gut  8000  Ten  und  dnem  StiftungirermOgen  Ende  1888  von 
fiul  70  000  Yen. 

FUr  Blinde  und  Taubstumme  besteht  eine  staatlich  unter- 
stützte Anstalt  (K  ummr.  ain).  Im  ßezirksirrenhaus  von 
Tokyo  waren  Ende  1888  124  nicbtsahlende  Patienten  neben  61 
zahlenden. 

Eine  ausgedehnte  Wohlthätigkeit  üben  die  christlichen  Mis- 
sionsgesellschaften ^ 

Das  Verhältnis  der  Staatsverwaltung  zurVolka- 
wir tschaft  ist  später  im  einaeben  darzustellen.    Doch  Ist 

schon  hier  auf  einige  GrundzUge  liinzuweisen.  Der  moderne 
Staat  hat  die  in  den  Ländern  des  A\'esten8  üblichen  allgemeinen 
Fördernngsmittel  der  Volkswirtschaft  auch  in  JajiMn  o^iTirrf führt. 
So  ist  duix-h  eine  Keihe  von  gesetzlichen  Mafsrep  In  I  i-  l  l  i  cber- 
recht  geschützt  worden-.  Auf  dem  Gebiete  deri  t- Lliiii«chen 
Unterrichtswesens  ist  manches  geschehen,  doch  fehlen  inedrige 
teehmache  Schulen  in  diesem  Lande  ausschlielslieher  Klembelriebe 
noch  fast  ganz.  Man  hat  die  Beschickung  ausländiröher  Aus- 
stdlungen  in  die  Hand  genommen  und  Ausstellungen  im  Inlande 
veranstahet,  teils  lokaler  Art,  teils  SpecialaiiBstellungen,  teils  all- 
gemeine  Nationalausstellun^en  (1^77,  T^si,  isoni 

Man  hat  auch ,  um  den  Hehördcn  mehr  Fühlung  mit  den 
praktischen  liedürfnissen  zu  öchatlV-n,  allerlei  \' ersuche  mit  wirt- 
schaftlichen WrLretungskörpern  gemacht,  im  allgemeinen  mit 
wenig  Erfolg.  NamentUch  der  Errichtung  eines  besonderen 
Ministeriums  für  Landwirtschaft  und  Gewerbe  (Nr.  25  vom 


'  Bei  einem  Besuch  in  den  beiden  in  Tokyo  befindlichen  Noiinen- 
kioätem  im  ^k)^lmer  Itmd  fand  ich  im  nOrpbeiinat^  zusammen  rund  300 
kldee  Mädchen,  von  welchen  nur  mr  etnielne  dne  Klemigkeit  fae- 
BSliit  wird. 

*  Ge^fenwärtie  geltende  Gesetze: 
Gegen  Nachdruck,  Kaiserl.  Verordnung  77  vom  28.  Dezember  1887 
wesentiiclK  ii  Wiederholung  des  Gc-*t  t/,es  l'Xi  vom  .S.  September  1875). 
G^en  unbefugte  dramatiftrlie  oder  musikalische  AufföhningeD,  &wserL 

Verordnung  78  vom  gleichen  Datum. 
Qeffen  Nachbildung  von  Photographieen ,  KMserl.  Verordnung  79  vom 
pleici)«_'ii  I'rttuiu. 

Patent-,  MuuUir-  und  Markenschutz,  Kaiserl*  Verordnung  64,  öd,  vom 

20.  Deaember  1888. 
Patentboraiii,  KaiserL  Verotdirang  7d  von  1887  und  87  von  1888. 


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X  4. 


121 


7.  Aprii  1881)  folgte  ein  lebhafter  Anlauf.  Ein  Volkswirt- 
ßchattsrat  wurde  errichtet  (Nr.  44  vom  selben  Jahre ).  der  unter 
Vorsitz  des  Miniöters  aus  höheren  Beamten  dieses  und  anderer 
Ministerien  bntaiid^  in  drei  Abtdlun^n  &kt  Landwirtschaft, 
Handel  und  Industrie.  Für  jeden  Beeirk  wurden  entsprechende 
beratende  Versammlungen  eingeführt  (23.  Mai  1881),  unter  Vor- 
sits  des  Bezirkshauptmanns,  welcher  die  Mitglieder  unter  hervor- 
ragenden Lnndwirten,  Kaufleuten  nnd  Oewerbtreiben^en  ernennen 
sollte.  Dasselbe  Gesetz  erlaubte  in  Stadtkreisen  (Ku)  entspre- 
chende von  den  Interessenten  gewählte  K arumeru  zu  errichten. 
Für  die  Tliatigkeit  dif^r  wohl  nach  französischem  Muster  ein- 
geillhrten  Organisation  fehlten  in  der  Hauptsache  die  Voraus- 
setmngen.  Der  VolkswirkschafWrat  wurde  schon  durch  Nr.  14 
yom  2.  Miirz  1882  suspendiert,  als  Uberflüssig  neben  dem  Sanji-in 
(errichtet  Oktober  1881,  abgeschafft  Dezember  1885).  Nr.  10 
vom  l(i.  Mai  188;>  hob  dann  die  ganze  bisherige  Organisation 
auf,  am  gleichen  Tap^e  aber  (Nr.  13)  wurde  Vorsorge  getrotFen 
fllr  Errichtung  beraten«!*  r  Körperschaften  in  den  Bezirken,  die 
Einzelheiten  den  Bezirkbliauptleuten  überlassen.  Für  einzelne 
Gemeinden  können  freiwillig  oder  auf  Anordnung  des  Bezirks- 
hauptmauns  beratende  Ausflcnllsse  gebildet  werden.  Diese  Han- 
dels* oder  Handels-  und  Gewerbekammem  ^  setzen  sich  in  der 
Hauptsache  zusammen  aus  Vertretern  der  Handelsgilden  und 
fihnlielier  Korporationen ,  wohl  auch  grofser  einzelner  Unter- 
nehmungen (in  Tokyo  z.  B.  der  Nihon  Tetsudo,  der  Pferde- 
bahn, der  Naikoku  Tsuim  Kwaisha  u.  s.  w,). 

Die  Zahl  solcher  Kainmem  war  1881  20,  im  Jahre  1887 
84,  davon  16  Handels-  und  18  Handels-  und  Gewerbekammem. 
Die  meisten  hatten  1887  nur  einige  Sitzungen  gehalten,  nur  4 
mehr  als  12  Sitsungen  im  Jahre.  Aulser  diesen  34  Kammern 
bestanden  noch  11  weitere,  welche  aber  im  Laufe  des  Jahres 
Oberhaupt  kein  Lebenszeichen  von  sich  gegeben  hatten.  Was 
von  den  Berichten  dieser  Kammern  in  die  Öffentlichkeit  drin^^ 
ist  meist  recht  bf^leutirngslos.  Für  eine  gedeihliche  ^^'i^ksaInke^t 
fehlt  es  noch  zu  selir  an  gebildeten  Elementen  im  üntemehmer- 
stand. 

Das  moderne  Staatswesen  hat  aber  weiter  sehr  direkt  in  die 
wirtschafUicbe  E^twickelung  Angegriffen.  Staatliche  Leitung  wirt- 
BchaMcher  Unternehmungen  war  etwas  in  Japan  Altgewohntes« 
Als  man  nun  mit  der  Aufsenwelt  bekannt  wurde,  als  der  begreifliche 

Wunsch  erwachte  ,  der  wirtschaftliche!!  Entwickelung  des  Occi- 
dents  nachzustreben,  da  war  bei  dem  Jb'ehlen  groiser  Oewerb- 


'  Damals  ist  auch  das  Statistiache  Baresn  (Tokei-in)  errichtet,  Nr.  43 

vom  30.  Mai  1881. 

*  Sie  heifsen  jetzt  meist  Sbokwid  oder  Shokokwai,  früher  Shoho- 

kwaipi-^i  1  nder  Kwnnfryn  shimonkwai.  In  Zukunft  regelt  dkl  VerfaXlt* 
niflae  der  Handelskammern  Qesetz  81  vom  11.  September  1890. 


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122 


X  4. 


treibendei'  und  Kaufleute  uichtö  natürlicher,  alä  dals  der  Staat 
selbet  ab  Unteniehmfir  aufbat  Der  Staat  führte  die  modernen 
Verkehrsinittel  eb,  er  errichtete  Fabriken,  fUhrte  in  den  Berg- 
werken vollkommenere  Betriebsformen  ein,  er  beteiligte  sich  sogar 
an  der  Ausfuhr  japanischer  Paukte.  Wo  er  nicht  selbst  han- 
dcltc ,  suchte  er  namentlicli  in  neuerer  Zeit  die  fehlende  private 
Initiative  durch  Privilegien,  Subventionen,  Zinsengarantieen  aller 
Art  zu  erwecken,  wovon  im  nächsten  Buche  eingehender  zu 
liandeln  i^ein  wird. 

Die  japanische  R^erung  ist  wegen  dieser  PolHik  of^  and 
lebhafi  angegrifien.  ist  auch  gar  nicht  su  leugnen,  dais 
viel  Anfechtbares  vorgekommen  ist.  Die  Beamten  hatten  viel- 
fach die  nötigen  Fachkenntnisse  ebensowenig  als  die  Privatleute. 
An  manches  unvernünftige,  unüberlegte  Unternehmen  sind  grofse 
J^inumcn  vorsclnvendet.  Vieles  ist  unzweekmälsig  geleitet.  Den 
fremden  Technikern  und  Ratgebern  gab  man  selten  den  nötigen 
Einfluls  auf  die  Durchf^ihrung.  Manches  räudige  Schaf  ist, 
namentlich  anfangs,  auch  unter  den  Fremden  gewesen,  Da(s 
BegünstigunfT  und  private  Vortefle  eine  ungebtthniche  Rolle  ge- 
spielt hMien,  daft  viele  Malsregeln  nur  das  Mittel  sum  Zweck 
der  Versorgung  von  Anhängern  gewesen  smd»  dafs  man  oft  zu 
rasch  oben  hinaus  wollte,  keine  Geduld  f\\r  solide  Fortschritte 
im  kleinen  hatte,  alles  das  kann  nur  der  blinde  Panepyriker 
in  Abrede  stellen  K  Aber  trotz  aller  Mifsgriffe  und  \'erscliwen- 
dimg  ^  kommt  man  bei  unbe&ngener  Beobachtung  doch  zu  dem 


'  In  einer  Denkschrift  von  Anfang  18^1,  in  welcher  die  Minister 
der  Finanzen  und  dos  Innern,  Oknma  und  Ito,  die  Errichtung  des  neuen 
Ministeriums  für  Landwirtschaft  und  Gewerbe  vorachlugen,  heifst  es  über 
die  bis  dahin  mit  TolkswirtschaftUchcn  Angelegenheiten  befafsten  ver- 
schiedenen Bureaus:  „Wir  finden,  dafs  die  Zwecke,  für  welche  sie  er- 
richtet wurden )  nämlich  systematische  K^ein  für  die  Ennunii^rung  und 
den  Schnts  von  Landwirtschaft  nnd  Gewerbe  aufsustelleii  und  diese 
Erwerbszweige  zu  n'irdern,  xu  nebensächlichen  Dingen  geworden  sind. 
IHese  Behörden  haben  in  vielen  Fällen  die  angemessenen  Grenzen  der 
Förderung  und  des  Schutzes  äberscbritten  und  selbst  Gewerbe  betrieben 
oder  einigen  privilegierten  Personen  Kapital  vorgeschossen  and  so  die 

(andern)  Landwirte  und  Gewerbetreibenden  beeinträchtigt   We 

Bureaus  sind  dadurch  wider  ihre  Absicht  in  eine  beoHucrliche  Kon« 
knrrenz  mit  Privatleuten  getreten  u.  s.  w  ^  —  Diese  Denkschrift  kam 
anscheinend  durch  eine  Indiskrf  tion  in  die  Presse  iNiehi  Nichi  Shimbun 
14.  April  1881.  b.  Japau  Gazette  Fortnightly  äummar/  iasi  6.  257)  und 
erregte  grofses  Aafsenen. 

-  Uiis  unglücklichste  Experluientiorfeld  bat  das  nördliche  Kolonial- 
gebiet abgegeben,  der  Hokkaido,  von  1869—1882  unter  einer  eigenen 
Kolonialbehördc,  dem  Kaitakushi.  Dieses  erhielt  zu  seiner  Verfügung 
die  eigenen  Einoalunen  iler  Insel  und  anfangs  ^ne  Summe  von  2^  MilJi- 
onen  Yen,  dann  von  Ende  1872  an  auf  10  Jahre  einen  Fonds  von  10 
Miilionen  Yen  zur  iiebung  des  abgesehen  von  seinen  südlichen  Teilen 
fast  unbewohnten  Gebiets.  Dss  Kaitakoshi  liat  vom  SeptemW  1869  bis 
Frühjahr  1^^2  nach  den  Abrnchuungen  21 130000  Yen  au9;^-egeben.  Doch 
diiriten  noch  weitere  Summen  in  einzelnen  anderen  Posten  decken.  Das 


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123 


Ergebni'^,  dafs  die  meisten  in  Angrilf  genommenen  Untern eliiiiungen 
teik  wuuaclieubwert,  teils  geradezu  nötig  waren.  Hat  man  z.  ß. 
einen  grofien  Reeder  nneebllhilich  belustigt,  so  lat  xmui  docb 
«a  onem  hoch  entwiekelteD  Dampiachtffiiverkehr  swischen  AÜeii 
wichtigen  Pünktsn  des  Landes  unter  nationaler  Flagge  gekommen, 
der  zwar  etwas  kostspielig,  aber  im  ganaen  fUr  die  Bedürfnisse 
des  Landes  genügend  ist. 

Vieles  von  dem,  was  die  Kegierun^j;  in  Gang  prebracht  liat 
und  nach  Lf^e  der  Din^c  allein  in  (lang  bringen  konnte,  ent- 
wickelt sich  jetzt  allmählich  in  ganz  befriedigender  Weise.  Diese 
Entwickelung  würde  schon  eher  eingetreten  sdn,  wenn  nicht  die 
nngltIcUlcben  Wilfarungsverhftltnisse  und  die  Agiospekulation 
längere  Zdt  allen  soliden  Untemehmtingsgeist  lahm  gele^  htttten. 
Was  die  Begünstigung  einzelner  grober  Banquiers  und  Speku- 
lanten betrifft,  so  darf  man  nicht  vergessen,  dafs  der  Einfluls  dieser 
Leute  ganz  natTirpf  mäls  war,  wo  so  wpni<j:  iTrölsere  rintcM-nf^hmer 
▼orhandeo  waren,  bei  welchen  sicii  die  Kegicrung  Kats  erholen 
konnte.  Benutzten  diese  wenigen  ihre  Stellung  zu  ihrer  und 
ihrer  Freunde  Bereicherung,  so  wiederholte  sich  in  Japan  nur, 
was  man  zu  Aniang  der  kapitalistischen  Periode  in  allen  Lltn- 
dem  er&hren  hat,  in  welchen  nicht  ein  hochgebildetes  und  durch- 
aus ehroihaftes  Beamtentum  dem  Widerstand  leistete. 

Die  Ansfllhningen  dieses  Abschnittes  dürften  genfipon, 
wenigstens  einen  ungefähren  tJberblick  über  das  moderne  ^Sta^Us- 
wesen  zu  geben ,  welche»  aus  dem  Umsturz  der  alten  ( )rdnung 
hervorgegangen  ist.  Über  die  wirtschaftliche  und  die  Finanz- 
Verwaltung  wird  In  dm  raftteren  Abschnitten  nfther  zu  sprechen 
sdn.  Eine  ergänzende  Übersteht  zu  den  einseinen  Angaben 
ttber  die  Entwickelung  der  Staatsaasgaben  biete  fol- 
gende Tabelle,  in  welcher  die  eigentlichen  Verwaltungsausgaben 
neben  die  fUr  die  Staatssolinld ,  für  Dotationen  fkais.  Haus, 
Renten,  Pensionen,  Hulfsfonds)  und  alles  andere  gestellt  sind. 
Bei  der  wechselnden  Anordnung  der  Budgets  tmd  Staatsrech- 
nuDgen  sind  allerdings  die  einzelnen  Jahre  nicht  streng  vergleieh- 


Anfanp  l'-^^i  eingerichtete  Hnlcksiidcamt  gicbt  jährlich  reichlich  2  Milli- 
onen Yea  aus.  Die  eigenen  Fabriken  u.  s.  w.,  welche  aus  dem  Uokkaido 
in  kurzer  Frist  ein  neues  Amerika  machen  sollten,  sind  nenerdings  fast 
alle  an  Aktiaigesellschaften  und  Fkiratuntemebmer  flir  geringen  Preis 
verSufsert,  zam  Teil  mit  Zins^rantie  des  Staates.  Trotz  aller  Aufwen- 
dungen hatte  der  üokkaido  Lnde  1887  erst  239  ><i>i}  dauenide  Einwohner 
(gesetzliche  BevöUkenuig)  und  eine  Wohnbevölkerung  von  826  614  Köpfen 
auf  einer  Fläche  so  ^rofs  wie  Bayern  itnd  Württemberg.  Die  Zahl  der 
^nwanderer  betriigt  im  Durchschnitt  der  Jahre  1872  bis  1887  noch  nicht 
GOOO  Köpfe  iftbriieh.  An  Ackerland  war  nur  wenig  über  80000  Cbo 
vorhanden.  Trotz  der  weiten  Fläche  noch  ganz  unberührten  Landes 
erzeugt  die  Kolonie  immer  noch  nicht  den  eigenen  Bedarf  an  Ackerbau- 
Produkten. 


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124 


bar,  namentlich  seit  etwas  besser  wiffler  das  Budget 

1889/90.  Die  kein  ganzes  Jalir  umfassenden  Finanzperioden 
(1.  Januar  bis  30.  Juni  1875  und  1.  Juli  1885  bi«  31.  März 
1886)  sind  weggelassen  ^ 


Ausgaben  des  japanischen  Staates  1873«— 1890 

in  lOUO  Yen. 


Finanz- 
jahr 

FBr  Central-, 

IJezirksbcliür- 
den  und 
Polizt'i 

Für  die 

Staats- 

schuld 

Für  Dota- 
tionen (bis 
1884  ohne 
Hausmini^te- 
rium) 

Für  80n-Jti<;e 
Zwecke 

men 

1 

A 

4 

1 

n 

1^71 

1^7»;  77 
lö77/7ö 
1878/79 

1>:7^<  >0 

sl 

1 8-^6 '87 
1887/88 

24  ".SO 
27  4n7 

;i2:i^-.H 

31  •"''•2 

25856 

2s  7i  t:, 

2s  r.:,  j 
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ca.  44312 
ea.  46  906 

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4537 
4  715 

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4  o:'.;j 
5oU2 
6780 
7  2<t:? 
51*:;". 
s7«.( 

U  221» 
iL':;*;.-, 

10  ä7^ 
ca.   6  769 
ca.  3647 

iV2  ^70 
S2  270 

m  2m 

48426 
60941 

n(t  :ns 

»■-:!  141 
7 1  4<)0 
7:;  4sl 
s:!  1(>7 

7K  WA 

82  618 
79  688 

Budget 
1889/90 

ca.  40  707 

22  254 

5  284 

ca.  Qdbl 

7Öd96 

Die  Verwal  tiingsorganisa  tion  Japans  ist  der  der 
europäischen  Staaten  in  ganz  wesentlichen  Beziehungen 
ttholtcD  geworden.  Aber  freilich  ist  davon  vieles  nur  äufiwrhdi. 
Vieles  steht  nur  auf  dem  Papier.  In  Wahrheit  findet  man  bei 
genauerer  PrUfong  mehr  Anklänge  an  die  frühere  Zeit,  als  mao 
Bunächst  erwartet. 

Der  Kaiser  ist  in  der  Ausübung  der  Herrschaft  m^^hr  und 
mehr  in  Hon  Vordergrund  gerückt  worden.  Aber  thatsächlich 
regieren  doeii  die  Minister.  Das  Shoguuat  i.^t  abg€«chafll.  Aber 
das  persönliche  Regiment  des  Kaisers  ist  nicht  viel  mehr  als 
eine  Theorie.  Die  wirkliche  Gewalt  ist  In  den  Händen  einer 
kleinen  Gruppe  von  Männern  aus  den  Sttdlandschaften,  namentlidi 


'  Eine  etwas  abweichende  Übersicht  Uber  die  Zusaoiinensetzuug 
der  jährlichen  Ausgabe  für  Staatsverwaltung  nach  den  Statistischen 
JahroOehem  siebe  Anhang  Tabelle  5. 


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X  4.  125 

8at^i1ln1a  imri  Choshu.  Da.s  Bakufii  der  Nordleute  ist  ersetzt 
durch  (l;t8  Kabinett  auB  dem  Süden 

An  die  Stelle  der  feudalen,  auf  die  Kei.ssteuern  der  Bauern 
begrtindeten  Verwaltungborganibatiou  iöt  ein  absoluter  Staat  ge- 
treten, rein  auf  die  Grundlase  der  Gddwirtschaft  geteilt,  mit 
besoldeten  Bero&beamten.  Aber  hierfür  fehlt  in  der  Uaaptaache 
noch  ein  wichtiges  Oement:  die  Berufs vorbereitUDg.  LHe  Zu* 
sammensetsung  der  Beamtenächaft  richtet  sieh  im  wesent- 
lichen nach  den  jdten  Orundsätzen  der  Landsmannschaft,  des 
persönlichen  SchutzvtThiUtnisses.  Wie  unter  dem  Bakuiu  die 
Fudai-l  )aimyo8  in  der  Amtsftihrung  durch  ihre  Samurais  unter- 
stützt wurden,  60  Itat  heute  jeder  hohe  Beamte  seine  Klientel 
von  Landsleuten  und  Schützlingen,  die  mit  ihm  in  die  Beliürdca 
ein-  und  aus  ihnen  aussieben.  Dafs  diese  Klientel  in  der 
politischen  Presse  eine  wichtige  Rolle  spielt ,  ist  freilich  du 
Erzeugnis  der  Neuzeit.  Ganz  naturgemäfs  ist  es,  dafs  in  der 
Beamtenscliaft  dieselben  StÄnde  sieh  finden  wie  bisher.  In  der 
bereits  benutzten  Zusammenstellung  über  die  persönlichen  Ver- 
hältnisse der  Beamten  (S.  85)  finden  wir,  dals  Ende  ls88  von 
den  Staatöljeamten  2o3  Adlige,  22339  Shizoku  (Siinmrai)  und 
10(598  Heimin  ( ^Lcewöhnliches  Volk)  waren.  Die  Adligen  sind 
einerseits  die  neugeadelten  Machthaber,  anderseits  der  alte  Hof- 
adel von  Kyoto  (namentlich  im  Hausministerium).  Von  den  ehe* 
maligen  Daimyos  sind  nur  einzehie  politisch  thätig.  Unter  den 
höchsten  Beamten,  den  Chokunin,  waren  nur  14  Heimin  neben 
95  Adligen  und  131  Shizoku  (1882  erst  2  Heimin).  T^nter  den 
mittleren  Beamten,  den  Sonin,  waren  nur  I5.'J3  Heimin  neben 
5S»)4  Shizoku  und  III  Adligen  (1882  erst  5t)3),  und  selbst 
unter  den  unteren  Beamten  überwiegen  die  Shizoku  stark,  näm- 
lich IG 844  neben  33  Adligen  und  {^39  Heimio. 

Setzt  sich  also  die  Beamtenschaft  noch  in  vielen  Besiehungen 
nach  den  Grundsätzen  des  alten  Regimes  zusammen,  so  muls 
ihre  Brauchbarkeit  darunter  erheblich  leiden  Die  Beamten  der 
alten  Schule,  vortrefflich  in  der  Routine  und  in  einfachen  Vir- 
hältnissen,  stehen  gegenüber  neuen  Erscheinungen  ratlos  da. 
Der  jungen  Generation  aber  fehlt  ebenso  die  Erfahrung  der 
alten  i  raktiker  wie  die  wissenschaftliche  Beherrschung  der 
neuen  Probleme.  Auch  Über  den  Fleifs  der  jungen  Leute,  wenn 
sie  erst  emmal  ein  Ämtchen  errungen  haben,  wird  vielmch  ge- 
kkgt  In  diesen  Beziehungen  sind  die  Verhältnisse  in  der  Neuzeit 
eher  schlechter  als  unter  der  alten  Ordnung.  Daher  denn  eine 
groise  ^hwer^igkeit  und  Umständlichkeit  im  Verwaltongs- 


>  Die  ZuBammensetzunp  des  ersten  „Kabinetts"  S.  69  Anm.  Von 

den  10  Miiiistern,  welche  18s0  bei  Erlafs  der  Verlassang  im  Ainte  waren, 
stammten  5  aus  Satsumn  fKuroda,  Saitro,  Matsukftta,  Oyarria.  ^foHi. 
aus  Choshu  (Ito,  Inouje,  Yainada),  eint^r  aus  Hizen  (Okuum  ,  einer  war  ein 
TekogawavsMll  (Eaomotoji 


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126 


gang,  dilettantisches  Vielreglementiereii  und  Yielschreiberci  und 
Anstellung  zahllo  rr  Beamter,  ^e  wenig  leisten  ^    Von  Zeit  tu 

Zeit  kommt  ein  Druck  von  oben  auf  SparsfiTiikpit  und  fiilirt  zu 
plötzlicher  Entlassung  vieler  Beamter  (namentlich  1877,  l^Sl, 
1886j,  von  denen  die  meisten  aber  nach  kurzer  Zeit  wieder 
Unterkommen  finden,  wenn  aucii  bei  geringerem  Gehalt. 

Eine  weitere  Folge  dieser  Zustände  ist  die  gro!8e  Schwierie- 
kdt  Reformen  im  Geschäftsgang  durchzusetzen.  Die  „sourae 
rdsistance  des  bureaux"  ist,  wenn  irgendwo,  in  Japan  au  Hause. 
Zu  jeder  gröfseren  Änderung  ist  daher  immer  ein  besonderer 
Aufwand  von  Energie  nötig,  der  dann  oft  ebenso  schnell,  wie  er 
gr>knmnien  ist,  erlahmt.  Daher  das  Kuck  weise,  Stofswei^^e  in  der 
neue&ten  Kntwickelung  Japan»,  in  der  Perioden  fast  rieberhaft 
überstürzter  Reformen  mit  solchen  des  Stillstandes  abwechseln. 
Der  oft  so  auffallende  V\  iderspruch  zwischen  Wollen  und  Können 
hat  seinen  Grund  m  der  Qualität  der  Masse  des  Beamtenstandes. 

JSine  leicht  Tentttndliche,  wenn  audi  bedauerlidie  ¥o\^ß  der 
Neuordnung  ist  eine  wd^ehende  Gentralisation,  wie  sie 
früher  unl&kannt  war.  Sei  der  Unerfahrenheit  der  meisten 
Bcfimten  und  der  politischen  Unsicherheit  der  Zustande  suchte 
man  möglichst  viel  von  Tokyo  aus  direkt  zu  re;]:;eln.  Hand  in 
Hand  damit  oreht  eine  wirtschattliche  und  finanzielle  Centralisation 
in  Tokyo,  welche  die  Provinzen  zu  Gunsten  der  ilaupUtadt  aus- 
saugt. Von  den  Staatsausgaben  wird  ein  ganz  auuerordentlich 
greiser  Teil  in  Tdkjo  ausgegeben,  erheblich  mehr  als  früher, 
wo  in  jeder  Landeshemchaft  eine  Regierung  safs  ^.  Die  Daimyoe 
hielten  früher  wenigirtens  die  UältYe  der  Zeit  in  ihren  Gebieten 
Hof.  Jetzt  müssen  sie  dauernd  in  Tokyo  wolmen.  Wie  jn^mf^ 
die  Anziehungskraft  des  politischen  Centrums  auch  aut  nicht 
staatliche  Anstalten  ist,  nia'jr  man  daraus  entnehmen,  daik  die 
grolse  PostdampfergeselUciuiü  (}^ihon  Yuscn  Kwaisha)  ilu^n 
bitz  in  Tokyo  hat,  obgleich  dieses  für  ihre  Schiffe  gar  nicht  zu- 
giinglicb  ist  Von  den  in  Japan  bestehenden  Aktienbanken 
haben  die  in  Tokyo  errichteten  mehr  als  die  Hälfte  dea  Kapi- 
tals tt.  8.  w. 

In  dem  Verhältnis  der  Masse  des  Volkes  zur 
Regierung  hat  sich  bisher  noch  nicht  viel  p^eändert.  Von 
altei*8  ist  man  an  stiiatliche  Bevormundung  gewöhnt®.  Selbst- 
thätigkeit  ist  wenig  entwickelt.  In  den  meisten  Dingen  wartet 
man  auf  die  Initiative  von  oben.  Keine  gröfsere  wirtschafdiche 
Unternehmung  der  Neuzeit  ist  rein  privaten  Ursprungs.  Erst 


>  In  der  Kasse  der  Univenität  habe  ich  1882  24  Beamte  ge«fthlt. 

'  Es  ist  schwer  zu  sftfjen,  wieviel  von  der  Staiit5aiisp;}il)t'  direkt  in 
Tokyo  zur  Verausgabung  kommt.  Von  den  Zinseu  der  ^taataachold  z.  B. 
wurde  1887/88  ftst  genau  <fie  Hftlfte  in  Tokyo  ausgezahlt. 

'  Wie  weit  die  Bureaukratie  geht,  kann  man  daraus  ersehen,  dafs 

noch  nach  fin»Mii  ixnnz  nouen  Gesetze  fl^^^Tt  akademische  Grade  nicht 
von  der  üniveriitut,  soudeni  vom  Uuteniciitäminister  verliehen  werden. 


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127 


in  den  letzten  Jahren  wird  eine  Änderung  in  dieser  Hinridit 
bemerklich.  In  seiner  Fügsamkeit  und  Ordnunesliebe,  der 
ruhigen  UnterorJnung  unter  die  vätcrliclie  Polizei  nat  das  ge- 
wöhnliche Volk  in  Japan  vielleicht  nicht  seinesgleichen  in  der 
Welt.  Dem  moch  rnen  Europäer  kommt  der  Verkehr  der  Hg 
hörden  mit  dem  Publikum  oit  unnötig  schroff  und  rücksichtslos 
TOT.  Uba  Will  oft  acheinen,  ab  ob  berechtigte  und  wohlerworbene 
Interessen  und  Rechte  nicht  immar  genügend  Ton  der  Ver- 
waltung beachtet  wttrden.  Die  Jajjaner  selbst  empfinden  jeden- 
falls solche  Dinge  nicht  in  der  \Vei8e  wie  wir  mit  unserem 
weitgehenden  Schutze  des  Individuums.  Unser  Streben  nach 
Rechtskontrollen  der  \  er  waltung  ist  den  Japanern  einstweilen 
noch  ziemlieh  unverständlich.  Da!s  aber  auch  die  japanische 
Verwaltung  sehr  viel  humaner  geworden  ist,  ala  sie  unter  dem 
alten  Regime  war,  mui's  durchaus  anerkannt  werden.  Nicht 
snCwr  acht  an  lassen  ist  eine  EiTBchebung,  die  man  jetat  ebenso 
findet,  wie  sie  vor  der  Revolution  allgemein  gewesen  zu  sein 
scheint,  dafs  nämlich  Qesetae  anscheinend  drakonischer  oder  der 
Willkür  jeden  Spielraum  lassender  Art  in  der  Wirklichkeit  sich 
gar  nicht  so  schlimm  ausnehmen  infolge  der  freundlichen,  ia 
oft  schlaffen  Anwendung.  Man  verwaltet  milde,  aber  hat  die 
Mittel  jederzeit  in  der  Hand,  aufs  schärfste  durchzugreifen.  Nichts 
ist  vielleicht  bezeichnender,  auch  ftlr  die  moderne  japanische 
YerwaltaDg^esetzgebung,  ab  dals  sich  scbUefslich  fast  ftberall 
irgend  ein  mnterthttrchen  findet,  durdi  welches  der  Herr  Minister 
jede  ^^  illkfir  wieder  einführen  könnte.  Das  geschieht  ja  in  der 
Kegel  nicht,  aber  es  ist  möglich.  Die  ungleichraäfsige  Anwendung 
der  strengen  Gesetzgebuntr  vi  rstarkt  don  Eindruck  des  Launischen, 
des  Stofsweisen  der  Bewegung,  den  ieii  bereits  hervorhob. 

Ist  die  Masse  des  japanischen  Volkes  aufserordentlieh  leicht 
regierlich,  so  fehlt  es  doch  nicht  au  unruhigen  Elementen, 
welobe  au  Zeiten  dem  öfiSentlidien  BVieden  gefkhriich  werden 
können.  Unter  den  Ursachen  der  Revolution  fbhrte  ich  oben 
(S.  55)  an  7  dafs  aus  dem  Samurai-Stande  heraus  die  Unzu- 
friedenheit mit  der  eigenen  Lage  Umsturztendenzen  erzeugte. 
Diese  Bew^ung  ist  nuvh  heilte  nicht  zu  Ende,  Die  damaligen 
Führer  sind  hochgekommen,  smd  jetzt  die  Vertreter  von  Ordnung 
und  Ruhe.  Aber  um  das  zu  werden,  mufsten  sie  manclien  Ge- 
nossen abschütteln.  Und  hinter  diesen  steht  ein  neuer  junger 
Nachwuchs,  unanlneden,  brodos,  erfllllt  teils  mit  erschnappten 
Brocken  von  fremdem  Radikalismus,  mehr  noch  mit  nattvistUMaiem 
Fanatismus,  als  politische  Wa^  auch  den  Meuchelmord  nicht 
▼erachtend.  Vor  dreifsig  Jahren  nannte  man  sie  Ronin,  heut- 
zutage Soshi  (Schüler)  ^  Auf  den  ersten  Blick  erscheint  es 
überraschend,  dafs  diese  Elemente  eine  besondere  poHtische  Ge- 
fahr für  eine  Regierung  sein  sollten,  die  im  Besitze  aller  Macht- 


^  Aber  mit  dem  Nebensiiine  des  Appells  an  die  Uewalt 


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128 


mittel  eines  ffrofsen,  bisher  absolut  regierten  Staates  ist.  Gerade  * 
hier  zeigt  üicii  aber  die  Schwäche  der  bestehenden  Gewalten. 
Die  jetzigen  Machthaber  bilden  nicht  eine  feste,  allgewohnte 
Regierung.  Sie  sind  Emporkömmlioge  ohne  rechtes  Prestige  der 
Autorititt,  die  Tor  25  Jahren  meiBt  Dicht  viel  anders  äs  die 
jetst  bedenklicheD  £3emente  waren.  Sie  sind  dne  Koalition  ver- 
schiedener LandsmannschafteOy  die  sich  gegenseitig  mit  Eifersucht 
bewachen,  in  der  stetigen  Angst  von  den  Genossen  übers  Ohr 
gehauen  zu  werden.  Und  eiuHicli:  sie  sind  »gegenwärtig  im 
Besitze  der  Machtmittel.  Aber  die  Frage  ist,  wie  sieher  dieser 
Besitz  ist,  ob  vor  allem  die  Diseiplin  der  jungen  Armee  derart 
ist,  dais  die  Regierung  sich  ganz  unbedingt  auf  sie  verlassen 
kann.  So  sehen  wir  die  dgentttmlicbe  Erscheinung,  daik  die 
Regierung  gerade  in  Zeiten  grober  Errang  von  dem  gansen 
aus  £uropa  entlehnten  Rüstzeug  der  Prefs-,  Vereins  etc^  Geiela- 
gebong  nur  schlaffen  Gebrauch  macht,  dal's  sie  die  unbequemsten 
(Jegner  lieber  zu  sieh  herüberzieht  als  yerniclitct.  Dals  das 
Herübernehinen  der  ILinptgegner  in  gute  Aüiter  ein  gefährlielx's 
Spiel  unil  eine  Beloiinung  auf  lästige  Opposition  bedeutet,  ist 
Wühl  nicht  zu  leugnen.  Die  Zeche  bezahlen  hier,  wie  überall, 
die  Kleinen,  welche  man  fafet,  nachdem  das  Strohfeuer  der  Auf- 
regung ausgebrannt  Ut  Die  Vorgänge  der  Jahre  1881/82, 
1887,  1889  werden  dem,  welcher  mit  der  neuesten  Entwickelung 
der  Dinge  in  Japan  |^auer  bekannt  ist,  das  Gesa;ito  illustrieren. 

Ich  habe  zu  zeigen  gesucht,  dafs  trotz  aller  Neubildungen 
der  Geist  des  neuen  Staatswesens  so  sehr  verschieden  nielit  ist 
von  dem  alten,  wi»«  man  nach  den  äulseren  Formen  ^hiubeu 
koiHilc.  Eine  ainiere  Frage  aber  ist  e<i,  ob  dieser  Zustind  bleiben 
wird.  Wenn  ich  die  gegenwärtige  Entwickeluiig  recht  ver- 
stehe« so  kann  weder  die  bisherige  MachtvBrteilung  unt^  den 
Ständen  noch  die  Vorherrschaft  der  südlichen  Landschaften  sich 
Ian;;e  melir  halten.  Die  neuen  Institutionen  rütteln  das  ganze 
Volk  zu  sehr  durcheinander,  als  daia  das  bleiben  könnte.  jSohon 
jetzt  stammt  der  junge  Nachwuchs  fies  Beamtentums  aus  dem 
gaü'/eii  Lande.  Konniieii  die  Sudleute  durch  Protektion  einstweilen 
rascher  vorwärts,  ><>  kommt  den  anderen  für  die  Zuiiunt't  zu 
statten,  dals  die  Not  sie  jetzt  zu  fleilsigerem  Arbeiten  und 
grölserer  Anstrengung  zwin^.  Der  gegenwärtige  Zustand  wird 
die  Ftthrer  aus  den  Revolutionaaeiten  nicht  ttberdauem. 

Ebenso  bahnt  sich  teils  unter  dem  Drucke  der  wirtschaft- 
lichen Verhältnisse,  teils  unter  dem  Einflüsse  der  Selbstyerwaltun|;, 
der  Wehr-  und  Schulpflicht  fuv  neue  Ständebildung  an,  die 
unserer  modernen  euro)»äiselien  ( iesellsehaft  immer  ähnhclier 
werden  wird ,  nicht  mehr  sieh  i:riindend  auf  das  Prinzip  der 
Erblichkeit,  sondern  auf  Besitz  und  Erwerbt    Die  Verachtung 


^  Wo  hei  Ueu  Wahlcu  zum  l^fzirkätag  et}  wirklich  zu  Wahlkämpfen 
kommt,  wie  s.  Ü.  in  Osaka,  finden  wir  seboa  seit  einif^en  Jahren  gsns 


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X  4. 


129 


der  Gebildetan  gegen  Gelderwerb  ist  raach  im  SchwiDdeo  be- 

grift'en,  ja  man  könnte  saffen  ganz  verschwunden,  wenn  man 
nur  die  Verhältnisse  der  Hauptstadt  in  Betracht  ziehen  dürfte. 

Die  llnibildung  des  Staatswesens  mul«  sich  vollenden  durch 
die  Einführung  der  Kepräscn  tati  vveriasb  ung.  Das 
am  11.  Februar  1889  feierliou  verkündete  Grund^Ksetz,  das  mit 
der  £r5ffiiung  des  Reichstags  am  25.  Noyember  1890  in  Kraft  ge- 
treten ist,  fuhrt  eine  Volksvertretung  ein  mit  zwei  Häusern,  einem 
Oberhaus,  bestehend  aus  Vertretern  des  AdeJa,  der  Höchatbeatenerten 
und  durch  kaiserliches  Vertrauen  Berufenen,  und  einem  gewählten 
Unterhaufi.  l>as  Wahlrctht  ist  auf  die  gleiche  Grundlaf^e  ge- 
stellt wie  bei  den  Bezirkstagen ,  die  Zahlung  direkter  Staats- 
steuern,  aber  mit  einem  erheblich  iiöheien  Ceusus,  nämlich  15 
Yen  jährliche  Steuer  für  aktives  wie  passives  Wahlrecht.  Das 
bedeutet  lüao  eine  neue  Veratürkung  der  eben  berttlirten  Ten- 
deneen.  Die  kaiserliche  Pdtfogative  tat  auraerordenifich  stark 
erhalten  durch  ein  weit  ausgedehntes  Verordnungsrecht  dea 
Kaisers  und  dadurch,  dafs  Organisation  und  Friedensstärke  des 
Heeres  und  der  Flotte  wie  die  Organisation  der  Civil  Verwaltung 
und  die  Gehälter  aller  Beamten  seiner  alleinigen  Kntscheidung 
vorbehalten  sind  Auf  die  Fest8(?tzung  des  Budgets  erhält  der 
Keichstag  nur  eine  beschränkte  Eiiiwirkung.  Die  lunrichtung 
der  Wahlen  macht  Beeinfluaaung  aulaerordentHch  leicht.  Die 
Verhandlungen  der  Kammern  aelbat  werden  unter  aehr  direktem 
Einflufs  der  Regierung  stehen. 

Die  Regierung  hat  also  Vorsorge  getroffen,  sich  eine  starke 
Stellung  zu  erhalten,  ist  der  starke  Wille  imd  die  Thatkraft, 
das  wirklich  zu  thun,  nicht  vorhanden,  dann  wird  die  grofse 
Vereinigung  von  Machtbefugnissen  in  der  iiand  der  jeweih't^en 
K^ieruug  denn  darauf  kommt  die  kaiäerliche  Prärogative 
hinana  —  au  einer  Anwendung  dea  pariamentariachen  Systeme 
fthren,  welche  die  romanischen  Staaten  noch  in  den  Schatten  atellt 

Die  Kntwickehuig  der  öffentlichen  Zustande  mufs  schliels- 
lieh  abhängen  von  den  sittlichen  Kräften,  die  in  der  Oe- 
aellschaft  herrpchen  Bisher  ruht  das  Oef^i^e  auf  dem  Ptii(  hten- 
system  der  cliine^ischen  Morallelirc  und  der  feudalen  Loyalität 
gegen  Kaiser  unti  Herrn  EÜne  Jalurhunderte  dauernde  Erziehung 
eines  Volkes  ist  nichi  iu  wenigen  Jahren  auszulöschen.  Das 
alte  Sjatem  wuzzelt  noch  ti^  im  Volktf;dst  Auf  ihm  beruht 
die  LeiehtreeMriichkeit  dea  Landea^.  Aber  das  alte  System  ist 
bis  in  die  Tiefen  erschüttert.  Jede  Revolution  bedeutet  eine 
Lockerung  der  Autorität.   Jn  Japan  aber  hat  man  nicht  nur 


mudcrnc  Intcressentengegensät/c:  Grundbesitzer  und  Kaufleute,  erstcre 
die  kleinen  Leute,  letetere  die  Keicbeo,  die  sich  wegen  ESnrichtntig  und 
Verteilonfl;  der  H.r"-t«'umin^  befehden. 

'  Imb  fat&iistiscbe  Hiiinehmen  gegebener  Thatsacben,  das  die 
Japaner  mit  aUen  Asiaten  gemein  haben,  spielt  dabei  natüdich  auch  mit. 
Forvdrangvn  (4S)  X  4.  —  K*Uig«B.  9 


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130 


X4. 


die  Form  (leg  St4\ates  uragestürzt,  sondern  das  ganze  geistige 
und  wirtschattlieln  Leben  revolutioniert.  Die  chinesische  Philo- 
sophie hat  den  Kreiiit  verloren  Die  Loyalität  wird  durclilöchert 
duvch  den  Gmndsats^  dafB  dem  Sieger  die  Beute  gehört  Und 
was  tritt  «n  cUe  SteUe  des  Alten,  das  snsammenoricht?  Man 
Dach  den  Frttchten  der  euiopKiachen  Kultorwetty  die  doch 
im  Osten  keine  Wurzeln  geschlagen  hat  Man  gerät  in  den 
Strudel  dci'  in  Eiirop-i  ich  bekämpfen  1  er.  ^V^ltans('llamlngen 
des  theolo^Bchen  und  des  natru  \\  is-en«rhattiiehen  Zeiüilt«  rs,  ohne 
die  Tragweite  und  die  Gründ«;  dieser  JStrömungen  zu  vi  latohen. 
Die  Vorgeschrittenen  stehen  aul  dem  uaiveu  Standpunkt  der 
AudTkläningsperiode»  in  den  FortMhritten  des  Katarerkenneps 
auch  ohne  weiteres  Fortechritte  des  geistigen  und  sitdichen  Lebens 
BU  sehen.  Der  Kultus  der  platten  Nützlichkeit,  im  Ghinesentum 
schon  tief  begründet,  wird  diux:h  diese  Geistesrichttmg,  durdi 
den  Einflufs  des  benachbarten  Amerika  mächti;^  p:efördert.  Auf 
politischem  (xebiet  findet  die  Theorie  des  modernen  Liberalismus, 
diu  6o  viel  von  den  Reeiit^'n ,  so  wenig  von  den  Pflichten  de^* 
einzelnen  zu  sagen  weii's,  offene  Ohren  ^  Das  alles  hat  nicht 
hlols  theoretische  Bedeutung,  sondern  setst  sich  bereits  merklidi 
in  Fhms  um.  Wie  ungeheuer  wichtig  ist  a.  B.  In  der  Staats- 
präzis  der  Grundsats  der  diinesischen  Horal  yon  d(  r  Unterord- 
nung der  Jungen  unter  die  Alten  gewesen.  Aber  jetzt  ist  das 
Wissf-n  der  Alten  in  Milsachtunj^  Die  Jungen  haben  die  6'emden 
Sprachen  gelernt  und  schöpfen  direkt  aus  dem  Quell  der  Weis- 
heit Klirwürdige  alte  Herren  voll  praktischer  Erfahrung  sieht 
man  von  Müchbäilen  sich  Iklelu-ung  holen.  Die  Natur  solcher 
Belehrung  hat  nun  aUerdbfiis  mit  sich  gebracht,  daCs  es  in  diefer 
Beaiehung  doch  schon  wieder  besser  geworden  ist  Aber  immer 
hat  das  Verhältnis  awisdien  älteren  und  jüngeren  Leuten  vielftcfa 
einen  Charakter  angenommeUi  der  Bedenken  erregen  mufa  -  und 
selbst  von  vielen  Jupanem  als  schwere  Oefahr  erkannt  ist  Auch 
in  anderen  Ik-ziehnngen  ist  ein  Rückgang  der  Höfh'clikeit,  der 
guten  bitten  unverkennbar.  Wie  ein  grofser  13e\v[uidrr(  r  und 
unzweifelhafter  Kenner  Japans,  der  Redacteur  der  „Japan  Mail", 
Brinkley,  einmal  gesa^  hat:  die  Restauration  hat  an  die  Stelle 
der  Honnanieren  die  des  Lagers  gesetzt. 

Die  Erschüttenmg  des  moralischen  GefUges  der  Gesdlschaft 
hat  in  einem  Staatsweeen,  welches  auch  nach  Einführung  der 
Volksvertretung  im  wesentlichen  ein  Beamtenstaat  bleiben  wird, 
besondere  Bedeutung,  soweit  sie  die  Klassen  berührt,  aus  wek^ien 


<  Es  ist  beadchnend,  dafs,  wie  in  Eoropa,  die  WortC&hrw  solcher 
Ideen  (z.  B,  fHiknzawa)  die  Ertoiluug  von  wirklichen  Rechte  am  liebsten 
auf  die  dgene  Klaese  bcschrüuken  vrürden  und  die  neuen  Einrichtungen 
der  Sdbstrerwaltnn^,  die  den  Bürger  und  Bauer  am  Rc^mcnt  teilnehmen 
UUst,  nur  ungern  senen. 

*  Vgl.  B.  116  Annu  1. 


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X  4.  m 

der  Steotadienst  sich  ergänzt   Diese  habe  ich  im  Vorstehenden 

▼or  allem  im  Auge  gehabt.  Eb  wäre  merkwürdig,  wenn  die 
angedeuteten  Erscncinungen  nicht  auf  den  Staatsdienst  rUck- 
wirkten.  Auch  ein  Optimist  wird  nicht  behaupten,  dals  durch- 
weg Disciplin  und  Oranung  derart  sind .  dafs  sie  auch  schwere 
Stürme  überdauern.  Militär-  und  Verwaltungsgesctze  hat  man 
in  den  letzten  Jahren  viel£Ekcb  unter  Benutzung  deutscher,  specieli 
ureuiflischer  Muster  erlassen.  Ob  man  dabei  gentigend  beachtet 
tat,  dafs  hier  die  strenge  Zucht  des  <yffi^nitiebien  Dienstes  fiblt, 
welche  in  Preufsen  das  Ergebnis  von  swei  Jahibnnderlen  ist^ 
wird  die  Erfahrung  lehren. 

Ein  peinlicher  Gegenstand  kann  dabei  nicht  Ubei'gangen 
werden,  die  Integrität  iui  J^eamtenstande.  Man  glaube  nicht 
etwa,  dafs  nach  dem  Muster  uns  im  Osten  näher  Hegender  ab 
tioluter  Staaten  von  den  Beamten  direkt  gestohlen  würde.  Im 
Geflontefl.  Direkte  Eingriffe  In  das  ttffsnfliche  Vermögen  sind 
in  Japan  vielleicht  seltener  ab  in  manchen  earopttischen  Staaten 
Aber  nicht  abzuleugnen  ist,  dals  man  in  Japan  von  alters  her 
sehr  wenig  empfindlich  dagegen  ist,  dals  Beamte  Geschenke  oder 
Vorteile  erhalten  oder  sieb  ilsre  Stellung  sonstwie  (durch  Be- 
teiligung, geschickte  Spekulationen  in  Grundstucken  oder  Wert- 
papieren etc.)  zu  nutze  machen.  Ob  das  unter  dem  neuen  Re- 
j^ime  zugenommen  liat,  wird  schwer  zu  tjutaciieiden  sein.  Wahr- 
scheinlicS  ist  es.  Ebenso  schwer  ist  es,  etwas  Bestimmtes 
darüber  zu  sagend,  ob  solche  unschöne  Dinge  in  Japan  häufiger 
▼orkommen  als  in  den  meisten  anderen  Ländern.  Mir  ist  es 
immer  bezeichnend  gewesen,  dafe  eigentlich  nur  Engländer  und 
Deiit8che  sich  mifsbiiligend  (iber  solche  Vorkommnisse  äufserten, 
wenn  sie  zufällig  einmal  zn  1  age  kamen. 

Eine  bedenkliche  Vorbcdeutunp:  hat  es  für  kommende  Zu- 
stünde, dals  neuerdingä  auch  in  den  Selbstverwaltuiigskörper* 
adialten  Anaeicheii  vtm  Eoeraptita  bemerklidi  werden.  Der 
Krebsschaden  europäischer  Freisyeriiältnisse,  die  Korruption  der 
politischen  Presse  dnrdi  die  GeldmUchte,  ist  gleichfalls  in  den 
letzten  Jahren  bei  verschiedenen  Gelegenheiten  in  bedenklicher 
Weise  zu  Tage  »treten.  Auch  abgeselipn  davon ,  ist  der  Ein- 
tiuls,  welchen  durch  die  Prasse  ein  halbgebildetes  Litteratentum 
auf  die  noch  unerzogene  öffentliche  Meinung  ausübt,  höchst  be- 
dauerUch.  Mau  mula  diese  ebenso  selbstgefälligen  wie  oberfläch- 
lichen Gesellen  kennen  gelernt  haben,  um  die  Ge&hrlichkeit 
dieser  Art  yon  Halbbildung  ganz  zu  wttrd^en. 

Von  den  idealen  Krämn  des  politischen  Lebens  hat  keine 
sokhe  Bedeutung  im  modernen  Japan  als  ein  glühender  Patrio- 


'  Wegen  „Amtsvtiljrecheu  uii'l  Vergehen  gegen  das  Vermögen" 
wurden  verurteilt  ICtöü  177  Pentouen,  1887  131. 

*  a.  B.  Torteilhafle  Ai^Infe  oder  Verkäufe  von  Landhäusern  etc. 

9* 


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'  132 


X  4. 


tismus.    Steckt  darin  auch  vielleicht  noch  mehr  als  andor^värts  »nn 

Sites  Stück  nationaler  Eitelkeit,  so  ist  ee  doch  p'm  vf  rsolmender 
ug  in  dem  nicht  sehr  beinedigenden  Bilde  des  sittlu  hen  Cha- 
rakters von  Jungjapan.  Dem  Fremden  ist  seine  Wüj-diguug 
firdHcb  etwas  erschwert  durch  eine  Begleiterscheinung,  eine 
aufieiordeatlich  starke  nationale  und  Rusenabneigung  gegen 
Fremde,  die  in  der  Masse  des  Volkes  wohl  selten,  im  Shizoku- 
■tande  dagegen  £ut  ausnahmslos  besteht  ^  Welches  auch  die 
inneren  Gefahren  sein  mögen,  denen  die  politiscite  Fjntwickelung 
Japans  zutreibt,  p:egen  äufserc  Angriße  hat  es  einen  stärkeren 
Schutz  als  m  seiner  insularen  Lage  in  der  unzweifelhaiten  Vater- 
landsliebe seiner  höheren  Stände. 


'  Touristen  und  solche,  die  Jananer  nur  im  Auslande  kennen  ge- 
lernt haben,  werden  über  diese  Gefühle  durcli  die  wohlthuende  japanische 
Höflichkeit  (die  leider  auch  in  der  Abnahme  ist)  getäuscht.  In  der  Prease 
werden  zuweilen  die  fremdenfeindlichen  Gefunle  doch  bemerkbar,  und 
nicht  blolV  m  aufgeregten  Zeiten  (wie  im  Herbst  1889)  oder  in  kleinen 
fanatischen  Blätteni,  sondern  in  leitenden  Organen.  Hierfür  ein  Beispiel 
von  vielen:  In  einem  Artikel  des  „Jiji  Shimpo*,  der  Zeitung  Fuku- 
zawas,  eines  Mannes,  der  viel  zum  nikumtuorden  des  Auslandes  iu 
Japan  gethan  bat,  hcifst  es  am  Ende  eincö  Artikels  über  die  von  Eqg- 
Iftndem  ausgeübte  Bedrückung  anderer  Völker:  „Einen  heif^en  WwiM 
haben  wir,  dafs  auch  wir  in  die  Lage  kommen,  un8ere  Bedrücker  n 
bedrücken,  und  so  in  späteren  Zeiten  das  Monopol  der  Unterdrückung 
übel-  die  ^nze  Welt  ausüben  mögen"  (Japan  Wedtly  Mail  1^<82  S.  395. 
Ähnliche  Geilanken  aus  derselben  Zeitung  a.  a.  O.  1882  S.  i  JfkH).  Man 
hat  gegen  die  Allgen  - iulicit  der  PVetnacnfeindschaft  in  den  höhereu 
Ständen  eingewendet,  dafö  sie  mit  der  Annahme  fremder  Einrichtungen 
und  Bitten  nnd  der  BescbKftigung  von  Fremden  im  'Wlderspmeh  stehen 
Der  Einwand  scbeint  mii  iinlogiseh  zu  !*ein.  Jeder  Japaner  von  etwas 
Bildung  weifs,  wie  sehr  wir  ihnen  überleben  sind.  Um  diepen  Vorsprung 
einsubolen,  ist  man  bei  der  Fremde  in  die  Lehre  gegangen.  Es  ist  nicht 
■ehr  schmeicbelbaft  für  mis,  dafs  gerade  diejenigen ,  welche  euronäisches 
Wissen  am  meisten  sich  angeeignet  haben,  in  sehr  vielen  Fällen  die 
heftigsten  Frerodenfeinde  sind.  Bei  der  Agitation  gegen  Otlhung  de» 
Landes  im  Sommer  1889  waren  die  jüngeren  japanisenen  Professoren  der 
Universität  Rufer  im  Streit.  Die  Grüntie  i^olcher  eigentümlichen  Ersc  hei- 
nungen zu  analysieren  würde  über  den  Kabmw  dieser  Untersuchung 
hinausgehen. 


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Zweites  BucL 

Die  Yolkswlrtschaft. 


Erstes  Kapitel 
Orundlageii  des  Wirtsehaftslebeiis. 


I.  Die  Bevdlkerung. 

Die  Bevölkerung  Japans^  ist  im  VerhftltniB  vor  Aus- 
df'hnrinü:  des  Landes  recht  borteutend,  namentlich  wfnn  man  die 
nur  schwach  besiedelten  Kolonialgebiete  im  Norden  unberück- 
sichtigt hUsi,  aul  welche  ein  Viertel  des  Staatsgebietes,  aber  noch 
mciit  ein  Prozent  der  Bevölkerung  kommt.  Die  Zahl  der  Be- 
TOlkeniiig,  wie  m»  aich  tm  den  Volkflitmtaro  (Koseki)  ergiebt 
—  eine  eigentliche  Velkasählnng  irt  biBner  in  Japan  niclit  vor- 
genonunen  —  f  wird  angegeben 

Anfimg  1872  anf  88110825 

1875  .  33  997  449 

1880  -  35  929  060 

1885  -  37  868  987 

1886  -  38  151  217 
Ende    1886  -  38  507  177 

1887  -  39  069  691 

Diese  Zahlen  beziehen  sich  auf  die  gesetzliche  Bevöl- 
kerung,  d.  h*  jeder  ist  gezählt  am  Orte  seines  gesetzlichen 

1  Über  japanische  Bevölkerangsstatistik  dnd  mir  anr  die  beiden 

folgenden  Arbeiten  bekannt:  P.  Mayet,  Japanische  Hevölkerwngsstatißtik, 
ein  Vortrag  aus  dem  Jahre  1Ö82,  abgedruckt  in  Miitcüungen  der  Deut* 
sdien  QesellMliam  Ar  NatOf^  und  Vöikeikunde  OstasieDS  IV  245-264. 
Eine  cninutr«  l*rüfung  auf  Grund  des  neuen  Materials  bis  1'^"^"  habe  ich 
dann  versucht  in  derselben  Zeitschrift:  K.  Kathgen,  Ergcbuisse  der 
aintiicben  Bevölkerungsstatistik  In  Japan,  a.  a.  0.  IV  322—340,  mit  ö 
Tabellen  und  einer  Karte.  In  den  letzten  Jahrgängen  des  Statistischen 
Jahrbu'  >is  fiSr  Japan  zeichnet  sieh  der  Abschnitt  Uber  Bevölkerungs- 
statistik vor  den  übrigen  Teilen  aus  durch  einen  Anaatz  zu  ehrlicher, 
enutliafter  Kritik. 


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136 


X  4. 


Domizils.  Die  Zäliium^  der  Wohnbevölkerung,  derer,  die 
thatslicblicb  an  einem  Orte  wohnen,  eigiebt  etwas  höhere  Zahlen, 

«M.mlv*li 

Anfang  1885  37  975  060  Emwohner 

Kncle     1887  39  510146 

Es  iVngt  sicli  nun,  welclie  Gonnnip:koit  diesen  Zahlen  zu- 
kommt. Im  allgemeinen  darf'  man  die  Zahlen  wohl  für  richtig 
halten.  Mehr  und  mehr  bind  die  Eintragungen  vervollständigt 
imd  die  Zahl  der  nicht  eingeschriebenen  Erwachsenen  kann  nur 
mehr  gering  sein  ^  Die  wichtigsten  Fehlerquellen  sind  einerseits 
^  versptttete  Anmeldmig  Qeborten,  so  dals  aus  diesem 
Grunde  die  Zahlen  zu  niedrig  sind,  andeneits  mehrere  Um- 
st'tnde.  welche  sie  zu  hoch  ersclieinen  lassen.  Namentlich  sind 
Doppeiointragungen  anscheinend  nicht  selten,  indem  bei  V^er- 
legung  des  Domizils  die  Löschung  ,'im  alten  Ort  nicht  oder 
wenigstens  nicht  rechtzeitig  erfolgt.  Ebenso  wird  bei  Heiraten 
nach  anderen  Orten  die  junge  Frau  nicht  immer  an  ihrem  alten 
Domizil  gelöscht.  Ferner  geschieht  die  Löschung  von  Personen, 
die  nicht  in  ihrem  gesetsKchen  Wohnsitz  veratorben  sind,  noch 
nnveiUständig.  Endlich  werden  Personen,  deren  Aufenthalt  unbe- 
kannt ist  und  von  welchen  die  meisten  entn^eder  tot  oder  ander- 
wärts eingetiagra  sein  werden,  bis  zum  80.  Lebensjahre  in  den 
Registern  geftlhrt.  Wie  grofs  nun  die  aus  diesen  verschiedenen 
Gründen  entstehenden  Irrtümer  sein  mögen,  iäist  sieh  nicht  sa^L^en. 
Für  die  früheren  Jahre,  etwa  bis  1880,  sind  die  Zalden  siciier 
zu  niedrig.  Gegenwärtig  sind  sie  vielleicht  etwas  zu  hoch,  wenig- 
stens die  der  Wohnbevmkerung. 

Der  Unterschied  zwischen  den  Zahlen  der  gesetzlichen  und 
der  Wohnbevölkerung  ist  in  den  meisten  Bezirken  nicht  sehr 
erheblich.  (\  gl.  Tab.  4,  Spalte  6  und  8.)  Nur  in  den  Be- 
zirken mit  schnell  wachsenden  crT*orsen  Stiidten  ist  die  Wohn- 
bevölkerung erheblich  gröl'ser,  namentlich  in  Tokyo,  Osaka  und 
Kanagnwa.  Ebenso  ist  es  in  dem  Kolonialgebiet  des  Hokkaido. 
Li  der  giüi'seu  Mehrzahl  der  Bezirke  dag^en  ist  die  Wohn- 
bevölkerung ein  wenig  geringer  als  die  geaetuiche,  die  natlliliche 
Folge  der  Anziehungskraft  von  Städten  wie  Tokyo,  Osaka, 
Yokohama  und  Kobe.  Diese  2jahlen  deuten  darauf  hin,  dafs 
die  durch  die  neue  Ordnung  hergestellte  Freizügigkeit  doch  schon 
in  ziemlichem  Grade  zu  Verse]] iebungen  der  Bevölkerung  fiihrt, 
wie  das  auch  die  thatsäcldiche  Beobachtung  zeigt.  Dafs  dns 
zunächst  vor  allem  die  Shizoku,  demnächst  Kaufleute  und  Hand- 
werker und  erst  sehr  wenig  die  bäuerliche  Bevölkerung  betiillt, 

ist  natuxgemäls.  Mit  weiterer  iiSntfiütuttg  wird  die  Fabrikindostrie 
diese  Entwiokelung  noch  bescUeimigen.   Das  Hauptkontingent 


'  Im  Jahie  1887  wurden  immerhin  noch  17347  iiiclit  dngetrageue 
Vagabund  I  II  ermittelt.  Die  meiitsn  nachtrlglichen  Beg^trlsrnngea  be> 
trenen  Kinder. 


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X  4. 


187 


der  in  die  grolsen  Suidte  Ziehenden  wird  aber  natinyemJilb  durch 
<iie  nähere  Nachbarschaft  geliefert,  selbst  in  Tokyo  und  (.)saka. 
Ein  Vergleich  der  Bevölkerungszahlen  mit  der  Fläche  crgiebt 
sehr  erhäfiofae  Dichtigkeit  der  BeyOlkerung,  selbst 
mit  Einrechnung  der  nlSrdhchen  Gebiete  102  Einwohner  auf 
den  Quadratkilometer.  Hir  Altjapan  allein  aber  134  Einwobno', 
erheblich  mehr  als  in  den  gröl'seren  euro))äi<chen  Staaten ,  aas- 
genommra  Kngland.  fn  dm  einzelnen  Teilen  des  Lunde-s  ist  aller- 
dings die  Bevölkerungsdit  liiiprkeit  aufHerordf^ntlich  verschieflon  ' 
Schon  zwischen  den  eiazciuLU  iieairken  liudeii  wir  sehr  giolae 
Unterschiede.  Der  spät  besiedelte  Norden  hat  eine  Dichtigkeit, 
weleb«  der  der  noradeutscbeo  Regierongsbesirke  gleiclikommt 
•0  in  Iwate  47,  im  Aomori  57,  in  Akita  58,  in  Fakushima  68 
Einwohner  auf  den  Quadratkilometer.  Water  nach  dem  Süden 
winl  die  Bevölkerung  immer  dichter,  wenn  sie  auch  in  den 
£r*dnr2ip:'~Ti  In]rirtd)tf^^irk<'Ti  von  ^Httelhon-<hn  -ir}]  -niflii  y.u  unge- 
wobidiciiea  Zahlen  eriiebt.  In  den  Knscl irücn  imd  dn;  I\.iusten- 
strichen  dagegen  drängen  sich  aidkeiuidiiuliclt«;  Vulkbiuengen 
zusammen,  auch  da,  wo  grölsere  Städte  ganz  leiden,  wie  in  Sai- 
tama  mit  854,  ™  ^hiba  mit  232»  in  Ehime  mit  223  Einwohnern 
auf  den  Qoadnitkilometer.  Erst  die  wlrtschalfUich  wenig  ent- 
wickelten abseits  gel^enen  Bezirke  des  Südens  zeigen  wieder 
niedrigere  Verhältniszanlen,  Kochi  ^<>.  Kagoshima  104,  Mij^azaki 
fo^ar  nur  53  Einwolmcr  auf  der.  ( ^'u.idnitküonir'ter.  Wie  en*i 
ln'i  vorherrschender  Naturalwirfsf'lKilt  und  aus.sc'lilii'r>l!chem  Klein- 
betrieb EinwoltHcizahl  und  Ausdihauu^  dva  Ackerlandes  zu- 
sammenhängen, zeigt  ein  flüchtiger  BÜck  auf  die  Spalten  7  und  11 
d«  Tabelle  4  des  Anhangs.  Übenül  drängt  sich  oie  dichteste  Be- 
Tläkeraag  in  den  Ebenen,  den  Flulsthttlem,  an  der  Küste,  wäh- 
rend im  gebu^juen  Binnenlande  weit«  St r  rücken  nur  eine  spttrliche 
Bevdlkerung  aumiweisen  liaben.  Sclion  He  Provinzen  innerhalb 
d<  Ä  I  Iben  Bezirks  zeigen  gelegentlich  scharte  Gegensätze*  8o 
habeD  die  Bozirke 

Kyoto   188  Einwohner  auf  den  ^uadratküouieter 
Hyogo  174         -         -  - 

Für  die  gauz  oder  teilweise  in  ihnen  enthaltenen  Brovinzen 
steilen  sich  aber  die  Zahlen  folgendcrmalseu : 

Im  Süden:  Awaji  332 
SetlBU  (mit  Osaka  und 

Kobe-Hyogo)  030 
Harima  100 
Binnenland:  Yamashiro  (mit  Kyoto)  420 
l^imba  103 
liordwestkUste:  l  anno  145 
  Tajima  71 

1  Vel  in  meinem  angeführten  Aufaats  das  Kartogrsnun,  wslehes 
die  IMefatigkeit  ia  öwk  sinsänen  Besirken  Tstsaschsulicht 


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138 


X  4. 


In  dem  westlich  angrenzenden  Okayama-ken  (168  Kinw.  auf 
den  qkm)  sind  es  in  der  binnenländischen  Provinz  i^limaäaka 
93,  in  Bizen  253.   Im  Bezirke  Gifci  (88)  hat  die  Fhmnz  Mino 
128  Einw.  tmi  den  akm,  Hida,  die  unwirtlichste  FMmnz  Jajpans, 
nur  28.    Der  Bezirk  Aichi  als  Ganzes  hat  298  Einw,  am  den 

?km,  die  Pkovinz  Owari  aber  543,  die  Provinz  Hikawa  177. 
n  den  übrigen  Bezirken  sind  (\)p  Abweichungen  der  Provinzen 
vom  Bezirksmirehschnitt  nicht  von  Bedeutung".  Eine  Berechnung 
nach  Kreisen  würde  wolil  im  ^nzen  Lande  sehr  scbroÜe  Uegen- 
sätze  in  unmittelbarer  Nachbarscliaft  zeigen. 

Qanz  abweichend  von  den  Verhältnissen  Altjapans  ist  die 
Benedelong  im  Hokkndo.  weldier  ganz  unerikaotsäie  Yeriiiilt- 
niflsahlen  seigt,  noch  nicht  3  oder,  wenn  man  die  WohnbevOK 
keniDg  SU  Grunde  legt,  nicht  4  Einwohner  auf  den  Quadrat- 
kilometer. Aber  auch  hier  bestehen  erhebliche  Unterschiede. 
Die  Provinz  Oshima,  d.  h.  die  schon  läng^  besiedelte  südliche 
Halbinsel  von  Yezo,  hat  schon  25  Einw.  auf  den  qkm^  auf 
Ghishima  (Kurilen)  kommt  erst  auf  24  qkm  ein  Mensch. 

Der  Zuwachs  der  Bevölkerung  ist,  bei  mangelnder 
Ein-  und  Auswanderung,  rein  die  Folge  des  VerhältniBses  dier 
Geburt*-  und  Todesfldle.  Wie  groJs  der  Zuwaefas  in  früheren 
Zeiten  gewesen  sein  mag,  dtuile  schwer  ftstaustellen  sem.  FOr 
die  vereinzelten  Notizen  über  die  Bevölkerungszahl  vor  der  neuen 
Ära  fehlt  mir  jeder  Anhalt  zu  kritischer  WfinHirung;.  Es  scheint 
aber,  als  ob  die  Zuwachsrate  in  der  Neuzeit  zugenommen  hatte^ 
was  nach  Beseitigung  der  engen  Gebundenheit  aller  w irisch aft- 
liehen  Verhältnisse  ja  auch  an  sich  wahrscheinlich  ist.  Die  amt- 
lichen Zahlen  der  Geburts-  und  Tedesfldle  «eigen  ein  ^ns  «n^- 
fidlend  niedriges  Verhältnis  war  Bevölkerung,  nei  den  Geburten 
24—27,  bei  den  TodesMen  17—24  auf  1000  der  Bevölkerung. 
Diese  Zahlen  bleiben  aber  siimtlich  hinter  der  Wirklichkeit  zurttok, 
namentlich  die  ficr  Geburten.  Die  Natalität  beträgt  wahrsc?iein 
lieh  nicht  weniger  als  31 — 32  auf  1000  der  Bevölkerung,  die 
Mortalität  21 — 22  auf  1000,  abgesehen  von  Jalir.  n  mit  g^fsen 
Epidemicen,  wie  1885  86  ^    ImVeigleicli  mit  europäischen  Lan- 


'  In  mmnnm  angeftihrten  Aufsatz  wagte  ich  die  C.  burtoiifre  luonz 
erst  auf  rund  fM)  zu  schützen.  Nach  dem  seitdetn  er^c-bieneuea  Material 
ist  die  obige  Schätzuug  immer  noch  eher  sn  niedrig  als  xa  hoch.  Es 
wuiden  1865        1866  1887 

Lebend  Gcburteu  angemeldet  1024574  1050617  1058 IS7 

Von   den  lsx{\   nachträglich  Bfigi- 

strierteu  waren  jgeborcn  G7  4H'i\  — 

VoB  den  1887  naiditrSglieh  Regi- 
strierten waren  geboren  27  020      40  364 

Also  ermittelte  Geburten  1  119  077   1  0909S1 

Dazu  kommen,  aurser  den  noc  h  riicht  Kiiif:otrn<Tencn,  die  wahnchflin» 
lieh  sehr  zahlreichen  vor  der  Eintragung  Ver»turbi;nen. 


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X  4.  m 

dern  crgiclit  (Lia  eine  mittlere  Geburteiitrequenz  und  eine  selir 
günstige  Mortalität,  ao  dulä  der  natürliche  Bevölkerungszuwachs 
reeht  erheblich  ist,  etwa  ein  Prozent,  abgesehen  von  Epidemie- 
jähren.^ 

Ein-  und  Auswanderung  kommt,  wie  gesagt,  kaum  in 
Betracht    Die  Zahl  der  in  Japan  lebenden  Ausländer  ist  sehr 

unbedeutend,  nach  den  amtlichen  Zahlen  Ende  1887  nur  7560 
Personen .  wobei  allerdings  Frauen  und  Kinder  nicht  ganz  voll- 
ständig ermittelt  sind.    Darunter  waren 

Clnnesen  4209 
Britten  1421 
Amerikaner  711 
Deutsche  4G7 
iVMURwen  267 
Portugiesen  99 
Holländer  79. 

Von  den  7560  Andttndeni  sollen  gewesen  sein: 

Zu  den  Gesandtschaften  und 

Konsulaten  gehörig  103  Penooen 

im  japanischen  Staatsdienst  172 
in  japanischen  Privatdiensten  393 

Kaufleute  und  sonstige  6892 
(wobei  alle  Frauen  und  Kinder) 

Die  Zahl  der  ins  Ausland  gehenden  Japaner  int  trotz  der 
dichten  Bevölkerung  noeli  sehr  p;^erin^.  Einfj  eigentliche  Aus- 
wanderung ist  es  auch  kaum  zu  nennen,  da  alle  die  Absicht 
haben,  wiederzukommen.  Wirtschaftlich  von  Bedeutung  sind 
nur  die  kaufmännischen  Niederlassungen  in  Korea  und  China, 
die  überwiegend  yom  Süden  aus  bevwert  smdy  und  neuerdiitts 
die  Anwerbung  landwirtschaftlicher  Arbeiter  mt  Hawai,  weläe 
meist  aus  Bezirken  an  der  Inland-See  kommen.  Nach  der  ami- 
lichen StatisülL  hätten  im  Auslande  sich  aufgehalten: 

Ende  1880        5443  Japaner 
Ende  1883        7  725  - 
Ende  1885  11580 
Für  weitere  Jahre  sind  mir  nur  die  Zahl  der  jährlich  aua- 
gefertiß^en  und.  zurückgegebenen  Pässe  bekannt.    Die  Difierenz 
ergiebt,  dal's  sich  nach  dieser  Berechnung  Ende  1887  bereits 
etwa  17200  Japsner  im  Auslande  aufeefaaiten  hätten.  Auf  die 
wichtigsten  Länoer  TerteÜt  sich  das  Ibteendennarsen: 

1888      188S  1887 

Koiea  4003      4521  &771 

China  1747      2112  2562 

Hawaii  ?        1949  4521 


*  Nach  einer  ZeitongsnoUz  wärea  Ende  1869  in  Hawai  8öÖ6  jspa- 
nisebe  UntsrthSDen  gewesen. 


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140 


1885 

1887 

vereinigte  Staaten 
Ruiflland 

555 

1090 

1748 

m 

667 

868 

Grorsbritanmen  und  Ldand 

193 

488 

399 

Frankreich 

141 

170 

232 

Deutschland 

89 

147 

223 

U.  8.  W. 

I Tnter  den  11580  Japanern,  welche  F^nde  1885  im  Aus- 
lände öich  aufhielten,  belianden  sich  2]-^\  Personen  weiblichen 
Geschlechts.  Uber  den  Zweck  ilneu  Auientliultea  reap.  ihre 
Bciicliiiftigung  wird  angegeben,  dals  darunter  waren: 


im  Stiiatsdienat 

874  Personen 

studienhalber  auf  iStaatako^lcn 

143 

studienhalber  andere* 

896 

Kauflente 

2750 

Fischer 

39 

Handwerker  und  Induttrielle 

444 

Arbeiter  und  Diener 

8547 

Hoisende 

42 

Soiiötige 

2845 

Man  darf  wohl  annehmen,  dafs  die  Zahl  der  \n>  Aasland 
gehenden  Japaner  fortfahren  wird,  verhältniärnüfsig  ra^cii  zuzu- 
nehmen, während  eine  erheUiefae  Vcrmdining  der  Ausländer  in 
Japan,  anch  wenn  daa  Land  demnHohat  geOffiiet  werden  sollte» 
wenig  wähl  cheinlich  ist. 

Innerlialb  der  japanischen  Bevölkming  finden  wir  ein  Ver* 
fa  ä  1 1  n  i  H  der  Geschlechter,  welches  von  dem  uns  in  Europa 
gelttuHgen  abweicht,  nilmlich  ein  ziemlich  crhebHclies  Vorwiegen 
der  Männer.  Auf  lOUO  männliche  kanK  ii  in  den  letzten  Jahren 
980  weibliche  Personen,  liei  geringer  Kmdersterblichkeit  werden 
die  im  deichen  Veriifiltnis  wie  bä  uns  Uberwiegenden  männ- 
lichen Neugeborenen  weniger  stark  decimiert  Auswanderung 
und  get^hriiche  Gewerbe,  welche  in  Europa  die  erwachsene 
männliche  Bevölkerung  yerringem,  äufsern  bisher  wenig  Einfluli). 
So  ist  es  an  sich  nicht  unwahrscheinlicii.  dafs  ein  social  soviel 
l^nstigeres  Verhältnis  zwischen  der  Zahl  der  Männer  und  der 


1  Nach  der  1889  anfgehobeaen  Bestimmung;  des  MflitiigeMtses 

von  18H3  waren  Personen,  woldu-  studienhalber  ins  Au-latuI  ii:in^»^Ti. 
militärfrei.  2um  Zwecke  des  Studiums  auf  eigene  Kosten  wurden  an 
männliche  Penonen  Anslaadspässe  erteilt: 

1891   10      188S  46      1885  266      1887  S68 

Von  den  368  Pässen  von  1887  waren  JüO  für  die  Vereiuitfttu  Staaten. 
83  flir  China,  29  Ar  OeDteeblaitd,  U  Ar  Korea,  je  12  für  Ikirland  und 

Frankreich.    Im  Jahre  1884  gingen  sogar  OH  nneti  China  und  37  nach 

Kor»^a  „«tiHiienbalber",  dn;refro!i  nacli  Aiiiprika  und  4^1  nach  Deutsch- 
land.   Vgl.  üben  in  Abscimitt  über  die  auswärtige  Verwaltung  8.  103. 


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141 


Frauen  besteht.  Doch  dürfte  in  Wahrheit  das  Übergewicht  der 
Männer  nicht  ganz  so  grofs  sein,  da  eine  Hauptfehlerquelle  in 
den  Volkszahlen,  die  Doppcleintraffungen,  wohl  überwiegend  die 
Männer  trifft.  Das  wira  auch  dadurch  wahrscheinlich,  dal*» 
die  Zahlen  eine  Abnahme  des  Übergewichtes  zeigen.  Im  Jahre 
1880  kamen  auf  1000  Männer  noch  068  Frauen,  1886/87  980. 
Das  wird  femer  dadurch  wahrecheuilich)  dafs  bei  den  h5hecen 
Ständen,  bei  denen  die  Eintragungen  genauer  sein  dürften  als 
beim  gewöhnlichen  Volke,  der  Anteil  des  weiblichen  Geschlechtes 
stärker  ist;  1887  kamen  bei  den  Shizoku '  auf  1000  ^länner 
994  Frauen.  Nach  den  allgemeinen  Zahlen  ist  das  Übergewicht 
der  Männer  bis  Liegen  das  50.  Lebensjahr  erheblich  und  erst 
vom  57. — 58.  Jahre  überwiegen  die  Frauen  endgültig. 

Der  Altersanfbau  der  BeFttlkerung  wdcht  von  mittleren 
europfiiachen  Verbtthnusen  nicht  ab^  da  der  nicht  sehe  hohen 
Geburteofisguenz  eine  sehr  mälsige  Kindersterblichkeit  gegen- 
ül)äiiteht!  Machen  wir  die  übUche  Unterscheidung  prodtUctiver 
und  unproduktiver  Altersklassen,  indem  wir  zu  den  ersteren 
die  Personen  von  unter  15  und  über  70  Lebensjahren  rechnen,  so 
geholten  1887  nach  den  amtlichen  2^1en  von  je  1000  Einwohnern 
zu  den 

Personen  unter  15  Jahren  885 
über  70     -  80 

dagegen  an  den 

Personen  von  15 — 70  Jahren  635 
Japanfselien  >>itten  entspricht  aber  diese  Einteilnn^  nieht, 
da  bei  der  ganzen  Masse  der  Bevölkeninp-  der  Beginn  produktiver 
Thiltigkeit  und  noeh  melir  ihr  Ende  früher  anzusetzen  ist.  Die 
Alterakiasse  50 — 70  Jahre,  in  welcher  schon  eine  grolse  Zahl 
Ton  Peraonoi  eich  auf  daa  AltenteQ  amrOckgezo^n  hat  tmd 
wirtschaftlich  wenig  leistet  (namentlich  benn  stärkeren 

Geschlecht)  enthält  139  von  je  1000  Einwohnern,  die  Alten- 
klasse 10—15  Jahre  105  von  je  1000. 


II.  Die  Familie. 

Die  natürliehen  Thatsachen  der  Gliederung  der  Bevölkerung 
tindeu  ihren  rechthchen  und  sittlichen  wie  wirtschaftlichen  Aus- 
druck in  der  Familie'.  Schon  im  ersten  Tdle  dieser  Unter- 
sndning  ist  mehr&ch  darauf  hingewiesen,  welche  Bedeutung  und 


'  Die  Kwazoku  kommen  bei  ihrer  genügen  Zahl  nicht  in  Betracht, 
1793  Männer  und  2023  Fi-auen. 

*  VgLdie  vortreffliche  Untersuchung  von  H.  Weipert,  Japanisches 
Familien-  und  Erbrecht,  in  Mitteilungen  der  Deutschen  Ge«pllR<  haft  u.  s.  w. 
Ostasiens  V  83—140  (1890),  wo  auch  die  ältere  Litteratur  augctührt  idt. 
Anf  die  Eh»elheHen  kann  nstOilieh  hier  aieht  eingegangen  werden. 


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142 


X  4. 


8tiirke  auch  heute  nocli  der  i  amilienverlmnd  in  der  japanisciien 
Geöcllfichaft  hat.  Die  japanische  Faniiiie  beruht  auf  der 
Hausherrschaft  des  Paterfamilias.  Hat  die  neueste  Ent- 
wiokeliiDg  seine  strafreofatliehe  Verantwortung  fHkr  die  FamOien* 
Mitglieder  beseitigt,  flo  besteht  seine  privatrechtliche  und  wiit* 
schaftliche  Stellung  an  der  Spitze  der  Familie  ungesohwächt 
fort.  Wie  er  die  alleinige  Verftigung  über  das  Familienvermögen 
hat,  ebenso  liegt  ihm  auch  die  Fürsorge  tlir  den  Unterlialt  der 
Famihe  ob.  TnatsMchlich  hat  das  auch  für  das  »fl«  nüiche  Kecht 
wichtige  Folgen,  da  er  iik  Träger  des  Familienvermögens  auch 
der  Trftger  der  Steuerlast  und  damit  wieder  der  Träger  politischer 
Stiminreebte  n.  s.  w.  !il  Die  Stdlong  des  Faroilienhanplea  be- 
rakt  auf  einer  strengen  Durchführung  des  Primogenitur- 
systems,  des  alleinigen  Erbrechtes  eines  Sohnes,  aufweichen 
mit  allen  Rechten  alle  Lasten  übergehen.  Das  ist  so  in  allen 
Klassen  der  Hevftlkerung.  Dio  Strenge  dieses  Systems  wird 
aber  thatsächlich  wieder  gemildert  teils  durch  die  Begründung 
von  Nebenhiiuiiem  für  die  jüngeren  Söhne,  teils  durch  deren 
Versorgung  auf  dem  Wege  der  Adoption  in  andere  Familien. 
Der  Stllrke  des  FamOienTerbendes  entspricht  die  FÜnoif;e  ftr 
die  Erhaltung  der  FamOie,  welche  durch  die  Anwendung  der 
Adoption  in  weitgehendem  Malse  gesichert  wird.  Der  dritte 
bemerkenswerte  Cnarakterzug  der  japanischen  Familie  ist  das 
Inkyotum,  das  Zurückziehen  auf  das  Altenteil.  Das  Familien - 
liaupt  legt  die  Hausherrsehaft  oft  in  verlulltnismursig  jungen 
Jalireu  nieder  und  übergiebt  die  Hau6herrö<.'hart  dem  Erbsohn. 
Diese  bei  uns  nur  in  bäuerlichen  Kreiöen  bestehende  Sitte  wird 
in  Japan  in  ailen  Ständen  gettbt  und  ist  auch  rein  wnrtsdiaftttch 
▼on  groAer  Bedeutung.  Dais  es  das  Ideal  eieenthch  jeden 
Japaners  ist,  sich  raUgtiohst  bald  von  Arbeit  und  Verantwordich- 
keit  zurückzuziehen  zu  genügsam  beschaulichem  Dasein,  scheint 
mir  einer  der  wichtigsten  Züge  ftir  die  wirtschaftliclio  Tharakte- 
ristik  des  japanischen  Volkes.  Rs  ist  begreiflich,  dals  eifrige 
Reformer  diese  Denkart  als  ein  schweres  Hindernis  wirtschan- 
licher  Fortentwickeiun^  beklagen,  ebenso  wie  sie  in  der  unbe- 
dingten Unterstttlsung  des  einseinen  durch  das  Eamilienhaupt 
ein  Hindernis  für  die  Ent&ltung  yon  Thatkraft  und  selbst- 
bewufster  Verantwortlichkeit  sehen.  Ebenso  unverkennbar  ist 
es  aber,  dafs  man  io  der  Fürsorge  des  Familienhauptes  filr  die 
Glieder  imd  in  der  Ehrfurcht  vor  dem  Alter  die  Grundlagen  der 
bestehenden  ( iesellschaftsordnung  angi*eift. 

Es  wilre  nun  irrig,  wenn  man  aus  der  rechtlichen  und  sitt- 
lichen Kraft  des  Familienverbiindcb  auf  eine  wirtschaftliche  Gre- 
stahnng  sehlielsen  woUte,  wie  man  sie  sieh  bei  patriarchalischen 
Zuständen  vorzustellen  pflegt,  dals  ntfndich  die  Familie  als  wirt- 
schaftliohe  Produktionsein  lieit  in  grofsen  HausgemdusohaAeQ 
Eusammengehaltcn  wird,  wie  vielfach  bei  den  Slaven,  Chinesen  und 
—  wie  es  scheint  — *  auch  Koreanern.   Während  in  China  die 


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148 


gleiche  Erbteilung  unter  den  Söhnen  diese  vielfacli  veranlafst,  in 
einer  Wirtschaft  beisammenzubleiben',  so  hat  in  Japan  die  Pri- 
mogeniturordnung  dazu  geführt,  die  jüngeren  Söhne  und  Brüder 
als  Häupter  yon  Nebenhänsem  möglichst  abzuspalten  und  wirt- 
schaftlich selbständig  zu  machen.  So  finden  wir  durchschnitdicii 
•eine  nemlicli  geringe  GrOfse  der  Hauehaltnngen,  nicht 
Tiel  gv^iaer  als  in  I)6nlBch]and.  Ende  1887  wurden  unter  gut 
30  Anllionen  Einwohner  8056514  Familienhäupter  gezählt,  so 
dals  auf  ein  Familienhaupt  3,«  andere  im  Dm^  haehnitt  kommen 
Von  den  FaTTillir'nliHuptem,  waren  124  444  —  5,a  Prozent  — 
weibiicheii  G<  s(  iileclits,  An  lang  ib82  erst  4,7  Prozent  Die 
ZabI  dfr  wiiklicl)  vorlmüdeuen  einzelnen  H.HUshaltunsfen  ist  ge- 
riiigei-,  Eiide  1887:  7  771  39Ö  liauahahuugen  (die  Zahlen  für 
4ie  Benrke  siehe  in  Tab.  4);  das  aind  5,«8  Etfpfe  der  Wolm- 
berOlkarang  darcfascbnitdich  auf  eine  HaushaltunR,  5.08  Kopie 
der  flesetznchen  BeTOlkenin*;  Die  Zalil  der  Hauanaltupgen 
vermelirt  sich  langsamer  als  die  Zalil  der  Bevölkerung,  so  dafs 
die  Durchschnittsgröl'pf  einer  Haushaltunfr  im  WacliRon  ist  An- 
fang 1882  erst  4,83  Kopte  der  gesetzlichen  Bevölkerung.  Zum 
Teil  erklärt  sich  das  durch  die  oben  erwähnte  nachträgliche  Er- 
miUtlüüH  noch  nicht  eingetragener  Famiiienglieder.  Immerhin 
ist  die  kngsame  Zunahme  der  Haushaltungen  auffiLUig  gegen* 
über  der  Zunahme  der  Bevölkerung  wie  der  FamüienhAupter. 
In  den  sechs  Jahren  von  Anfimg  1882  Ina  Ende  1887  wuchs 
die  Zahl  der 

Familioiihau];!«  r  um  4,0*^*0 

fesetzlichPTi  Bevölkerung  -  6,6  ^io 
laushahungen  -    2,i  °/o 

Die  Durchschnittsgröfse  der  Haiisha]tunc:en  ist  ziemlich  ver- 
si'ln'eden.  In  den  grolsatädtischen  Bezirken  mit  vielen  Einzel- 
hau s  halt;  mgen  junger  Männer  ist  der  Durchschnitt  erheblich 
niedriger,  am  niedrigsten  in  Tokyo  mit  4,23  Köpfen  (Woiiiibe- 
TOlkerung).  Im  Ubrken  besteht  ein  bemerkenswerter  Unter* 
acbied  swischen  dem  Sttden  und  Norden.  Im  Nofden  sind  die 
Haushaltungen  durchschnittlich  gröfser,  so  namentlich  in  Aomori 
(6,88),  Akita  (5,7 1),  Iwate  (5,»8),  Miyagi  (6,58),  Yamagata  (6,86), 
Fukushimn  fr>,.-).  Tochigi  (6,.'t;\  Saitama  (5,'mO.  Ibaraki  '5,t0. 
Alle  anderen  Beziilce  blribcn  unter  5,ö.  Dagegen  bleiben  alle 
Bezirke  des  Südens  und  VV  e^tens  (vom  Biwa-See  an)  mehr  oder 
weniger  erheblich  unter  5  Köpfen  zurück,  ausgenommen  Toku- 
shhna  und  die  Nordhälfte  von  Kjushu  (Fukuoka,  Oita,  Nagasaki, 


*  Vcl.  die  höchst  dankenswerte  Zusammenstellung  „Pape«  on 
Teuure  of  Land  in  China"  in  Journal  of  the  China  Brauch  of  the  Roval 
Afliatic  Society  vol.  XXIII.   N.  8.  Nr.  2  S.  57—183  (1888). 

*  Bei  den  Shi'oku  ist  das  ^''orl^ältnis  niedriger,  nur  Dagegen 
I»,»  bei  den  Kwazoku,  welche  Mebeuhäuser  ohne  Eruaubnis  nicht  begründen 
kSfluien« 


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144 


Saga).  Am  niedrigsten  ist  Kochi  mit  4,4 1.  Zum  Teil  dtlrfW 
Vencyedenheit  mit  der  Zahl  der  voriumdenen  Sinaokufii^ 
miUen  zueammenhängen,  da  diese  dnrduKshmtllich  kleiner  za  seia 
scheinen  als  die  ttbngcn  FainifieiL  Doch  genügt  das  allein 
nicht  zur  Erklärung.  Es  dürfte  aucli  mit  Vcrscliiedenheit  der 
Sitten  und  Zustände  der  bäuerlichen  BeTtflkerung  in  Zusammen- 
hang stehen 

Mit  der  üblichen  Begründung  von  Nebenhäusem  und  der 
Verbreitung  der  Adoption  hängt  auch  susanmien,  dals  die 
DorcUlIhruiig  des  PrimogemtunyetemeB  nicht  eine  weitgehende 
Ehelon^keit  zur  Fol^  Ml  Fit  daa  Eheweaen  läfst  uns  aller- 
dmgs  die  Statistik  emiffennalaen  im  Stiche.  Die  Statistik  der 
Eheschliefsungen  ist  sogut  wie  wertlos,  da  sie  sich  natur- 
ireiiiHls  Tiur  auf  die  im  Laufe  jedes  Jalures  erfolgten  Eintrfigungen 
bczielit,  diese  aber  vielfacli  verspätet,  zum  Teil  gar  nicht  er- 
folgen. InfolgedeHsen  verlieren  auch  die  Zahlen  der  als  ver- 
heiratet Nachgewieseneu  an  Bedeutung.  Doch  haben  aie  immer^ 
hin  den  Wert  yon  Minimaliahien.  Die  Zahl  der  wirkUch  in  der 
Ehe  Lebenden  mufa  gröfser  sein.  Zu  Ende  1887  werden  unter 
etwas  über  39  Millionen  Einwohnern  14G93340  als  verheiratet 
nachgewiesen»  das  sind  37(5  von  ie  1000.  Von  den  verheirateten 
Männern  waren  64092  noch  nicht  20  Jahre  alt  Mnnner  über 
20  Jahre  ^ab  es  11425487,  Davon  waren  als  verheiratet  ein- 
getragen 7-82578  oder  <)37  von  je  1000.  Das  erscheint  nicht 
besonders  viel  —  in  Deutschland  waren  es  1885  036  — ,  aber 
ea  ist  an  wiederiiolen:  die  Zahl  der  whrklich  in  der  Ehe  Leben- 
den ist  gröfier.  Die  Zahl  der  aJa  verheimtet  eingetragenen 
Männer  überwiegt  schon  in  der  Altersklaase  25—30  Jahre  Uber 
die  der  Unverheirateten.  Erst  in  der  Altersklasse  75 — 80  Jahre 
uberwiegen  wieder  die  KielitverlM  irateten.  Von  den  verheirateten 
Frauen  waren  6868  unter  15  Jahren.  Frauen  über  15  Jahre 
gab  es  iiberliaupt  1 2  <S67  4.')').  Davon  waren  als  vtjrheiratet  ein- 
getragen 7  339802  oder  570  von  ie  1000  2.  Öelbbt  ditau  ^lim- 
malzanlen  aeigen  das  gttnet^  Zahlenverhältnii  der  Qe8<^leehter. 
Schon  in  der  AlterBklarae  20 — 2h  Jahre  Überwiegen  die  als  ver- 
heiratet eingetragenen  Frauen  übf;r  die  Unverhenrateten,  dagegen 
wieder  von  der  Altersklasse  60 — Ö5  Jahre  an  die  Nichtverneira- 
tpten  (Witwen!).  Von  den  FrRuen  im  Alter  von  25—45  Jahroi 
waren  772  von  je  10(M)  al«  verlieiratet  eingetragen. 

t'lx'r  dio  im  I>an(le  in  dieser  Hinsicht  herrsebenden  Ver- 
schiedenheiten giebt  nur  eine  Tabelle  der  eingetragenen  ver- 


'  So  cUe  gröfseren  Hanshaltungen  des  Nordens  mit  der  spätem» 
B«'!*i»'»lelun^'  und  ^'cnnprercn  Dichtiffkeit  der  üevölkerunp,  geringerer 
Viehhaltung  bei  gröfserem  Umfange  der  Wirtschaften  u.  s.  w.  Vgl.  auch 
ipnteD  den  Abschnitt  Landwirteehaft 

^  In  !>•  utsdiland  waren  1885  von  den  mehr  als  Secbaeliqjlhiigai 
nar  523  verheiratet. 


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X4. 


145 


heirateten  Paare  Aufechlul's.  Während  es  deren,  wie  wir 
sahen,  auf  1000  Einwohner  188  gab,  war  üire  Zalil  in  Osaka 
nur  156,  in  Tokyo  168,  in  Ilokkaido  sogar  nur  153,  dagegen 
223  in  Iwate,  218  in  Chiba.  So  lange  aber  in  der  Regel- 
märsigkeit  der  Eintragungen  ei'hebliche  Unterschiede  beä Lehen, 
sind  wdtare  SchlUase  mu  den  Zahlen  kaum  solttssig. 


III.  Di«  BMieilolung. 

Die  Art,  wie  ein  Volk  wohnt,  i.st  ein  bedeutsam! r  Ausdruck 
seiner  socialen  imd  wii Ischaitlichen  V' orhaltnisse V  Das  japa- 
nische Ha  uü  and  seine  Ein ricli tuug  sind  in  ihrer  Ein* 
&ddie!t  em  Ansdrnck  der  Genügsamkeit  wie  des  geringen  Wohl- 
standes der  Bewohner.  Das  japanische  Haus  ist  etn  leichtbeweg' 
lieber  Holzbau,  ein  schweres  Dach  auf  Pfeileni,  welche  ohne 
Verbindung  auf  den  untergelegten  Steinen  ruhen.  Zwischen  den 
Pfeilern  nur  wenige  feste  Wände,  sonst  nur  b^wogliche  Schiebe- 
wände, die  dünnen  Brettchen  der  Wände  und  der  Decken, 
die  vorherrschenden  Sti'oh-  und  Schindeldächer,  der  wenige 
Hausrat  m  den  kaiden  Räumen,  alles  zeigt  den  geringen 
Kapitalaufwand  flir  die  Befriedigung^  des  Wohnbedürfnisses. 
Bei  den  Wohlhabenden  darf  num  sich  atlerdings  durch  den 
Schein  nicht  täuschen  lassen.  Die  anscheinende  Einfachheit  ist 
dann  gelegentlich  nur  die  Form,  hinter  welcher  sich  grofser 
Aulwand  durch  Benutzung  feiner  ausgesuchter  Hölzer  verbirgt. 
Nur  in  den  }!<«hereu  Ständen  linden  wir  auch  die  Abgeschlossen- 
heit der  \\  ohnuEg,  welche  mau  in  Europa  unwillkürlich  mit 
orientalischen  Gewohnheiten  verkntipft.  Auch  hier  geht  sie  aber 
nie  so  weit  wie  etwa  in  China.  Hat  der  Japaner  doch  auch 
nie  seane  Frau  in  der  Weise  eingesperrt  wie  aer  Chinese.  Bei 
der  Masse  der  Bevölkerung  aber  enihOUt  das  offene  Haus  das 
Privatleben  in  einer  Weise,  welche  uns  nördlichen  Europttem 
zunächst  erstaunlich  ist. 

So  billig  das  gewöhnliche  japanische  Haus  ist,  so  ver- 
gänglich ist  es.  Den  Reiz  unserer  alten  Städte  wii^  man 
in  Japan  vergebens  suchen.  Das  eintönige  Grau  endloser 
niedriger    iiäuseri'ciben    mit    grauen    Dächern    und  grauen 

*  Über  das  iapaiusehe  Hans  und  seine  innere  Einrichtung,  wcsent* 

lieh  vom  torlmisf Th  ii  und  kunst;j;f» werblichen  Standjuinkt  aus,  verbreitet 
sich  in  eingeheudster  Weise  E.  Morse,  Japanese  Homes  and  their 
SoROundings,  London  1886,  mit  mhlreiehen  ADbUdnngen.  IMe  Anlage 

der  An«iedelunffaii  wird  auch  von  ihm  kurz  abgctban.    I)ie  immer  noch 

anschwellende  Masse  dor  Reifebeschreibuneen  ist  auch  in  diesf^r  Hinsicht, 
wo  auch  der  tiiichtigst«!  lieisende  selieu  könnte,  unglaublich  btumpf  uud 

j>a  ich  für  die  folgenden  Hcliildoninpen  meist  unf  die  eigene  An- 
schauung beschränkt  bin,  mache  ich  darauf  aufmerksam,  dafs  der  äüden 
Japans  niir  nur  unvollkominen  beksimt  ist 

ForMhimg«n  (4&)  X  4.  -  Bathgeu.  10 


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146 


WrtndoT)  wird  nur  hier  und  da  von  mächtigen  Tempeid :1c!iom 
überrai;t.  Steinbauten  sind  Neuerungen  der  allerletzt«  n  Zeit. 
An  muööivcn  (iebUuden  gab  ei?  bisher  nur  die  feuersicheren  Vor- 
niLüiiüuser  (Kura,  von  den  Fremden  Godow n  genannt),  mit 
dicken  Lehmwäoden.  Auch  die  SchlOeaer  der  Grouen  bestanden 
bisher  aus  Hob  und  Papier  und  an  der  kaieertichen  Residenz 
in  Ky  1  ist  nichts  betnerkenswert,  als  dafs  der  Kaiser  in  so 
einfachen  Räumen  lebte. 

Die  Re^rel  ist,  dafs  jede  Familie  ein  H.nia  bewohnt,  meist 
dab  eij^ene.  Das  ist  um  so  Icicliter  möglich,  als  die  l'auart 
ennögliclit  liat,  dafs  Haus-  und  (Grundeigentum  getrennt  «ein 
können.  Abgesehen  von  den  Wuimungen  der  kleinen  Pächter 
bat  sich  ein  elgentikshes  Hietswesen  bisher  nor  in  den 
ffroften  Städten  entwickdt  In  den  wohlhabenderen  Klassen 
durfte  aber  auch  hier  häufiger  als  Miete  eines  Hauses  Padit 
des  Grundstückes  auf  längere  Zeit  und  Ekrichtumz  eines 
eigenen  FTauacs  sein  Dagegen  wolint  die  Masse  der  kleinen 
Leute,  iL-iTTiPTitlich  in  Tokyo,  Yokohama.  ( )saka  etc.,  zur  Miete. 
Dir  Miels] iirisc  öind  im  Verhältnis  zum  Iliiuserwertf  r<K:ht  liocli, 
wa»  Mcli  wesentlich  aus  der  grofseu  Feuersgefahr  und  ra-srlicn 
Vergänglichkeit  erklärt.  Bei  dem  geringen  Wohnungsbedtirfnis 
des  Japaners  nimmt  aber  die  Miete  nur  einen  TerhätnismlÜsig 
kleinen  Teil  des  Einkommens  in  Anspruch,  tmd  swar,  soweit 
mttne  Üirkundigungen  reichen,  abweichend  von  europäischen  Ver- 
hältnissen eine  gleiclimäfsige  Quote  bei  Wohlhabenaercn  wie  bei 
Ärmeren  In  Tokyo  geben  nuch  7fifdrf  iehen  Erkundigungen 
mittlere  und  kleine  Beamte.  Ka  itl  utc,  Handwerker,  Arbeiter 
durchweg  etwa  ein  Zelmtei  ihre»  Emkommens  für  Miete  aus. 
Jn  den  Arbeiterquarticreu  wohnt  die  Bevölkerung  in  Tokyo  wie 
in  Yokohama  sehr  dtti-ftig  und  zusammengedrängt  Eine  Familie 
von  4—7  Köpfen  hat  selten  mehr  als  3—4  Matten ,  d.  h.  einen 
Baum  von  1,80  Meter  Breite  und  2,70—3,60  Meter  Tiefe.  Da 
aber  die  Häuser  sich  nicht  in  die  Höhe  ausdehnen  und  fast  nie 
mehr  als  einen  Oberstock  haben,  ist  die  Saelie  sanitilr  nicht  so 
Hchlimm,  als  sie  zuerst  scheinen  möchte.  Scldimmer  ist  der  in 
solchen  Quartieren  herrschende  Schmutz.  Der  Mietszins  wird 
bei  ganz  kleinen  Wolmungen  wöciientlich ,  bei  grölseren  monat- 
lich entriditet 

Das  Bauernhaus  pHegt  gröiser  au  sein,  als  die  Hsuser  in 
den  Städten;  namentlich  die  Seidengegenden  zeichnen  sich  durch 
Umfang  der  Gebäude  aus.  Ein  ob^^  Stockwerk  fehlt  meist, 
abgesehen  von  den  ^^'irt8h^iu8cm.  Dom  Vieh,  wenn  es  vorlianden, 
dient  ein  halboffener  Scliuppcn  als  Unterkunft.  Nur  die  wohl- 
habenderen Bauern  resp.  GrundbcajiUer  haben  ein  feuerfestes 
Vorratshaus  neben  dem  Wohnhaus.    Oröfsere  Scheunen  fehlen. 

Da  die  Häuser  sich  nicht  in  die  Höhe  ausdehnen,  ist  trotz 
des  geringen  Baumbedlirfnisses  der  meisten  Japaner  die  von 
Baugrundstucken  dngenoromene  iltiche  Terhilltnismttrsig  beden- 


I 

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X  4. 


147 


tend,  4,7  Are  per  HanshaltUDg  im  Durchschuitt  des  ganzen 
Landen,  Im  Norden  und  Osten  der  HaTi])tin8el  sowie  im  Süden 
von  Kyiishu  ist  das  Verhältnis  der  Bauiandflächo  zur  Zahl  der 
Hau.shaltuTigen  sehr  viel  höher  als  in  den  übrigen  Land^teilen, 
HUI  höciistcn  in  Tochigi  mit  10^6  Are  durchschnittlich  auf  eine 
Haushaltung. 

Japan  ist  k&n  Land  der  Städte.  Weder  sind  volkreidie 
Anaiedelangen  häufig,  noch  tragen  sie  in  der  Regel  einen  be- 
aonders  stadtartigen  Charakter  Die  historische  Bezeichnung 
«ines  Ortes  als  vStadt  oder  Dort'  ^neht  über  die  thatsM (  bliche  Be- 
deuhincr  keinen  Aufischlul's.  über  die  Gröraenklassen  japanischer 
Ortscliatten  giebt  es  eine  Anzahl  Angaben.  Die  Vergleiehbar- 
keit  verschiedener  Jahre  ist  aber  völlig  aufgeiioben  durch  den 
Umstand,  dafs  die  Zablen  in  frfUieren  Jahren  sieh  auf  die 
gesetzliche»  seit  1886  aber  auf  die  Wohnbevölkerung  bestehen. 

Danach  hätte  es  der  gesetalichen  Bevölkerung  nach  gegeben : 

1877  1884 


Orte  mit  mehr  als 

100000  Einwohnern 

5 

5 

•     -   50001  bis 

100000 

6 

6 

-     -   30001  bis 

50000 

17 

17 

-     -    10001  bis 

30000 

81 

09 

oUül  bis 

lüOOO 

? 

17ö 

-     .     2000  bis 

5000 

? 

416 

Auf  Ende  1886  besieht  sich  folgende  Zusammenttellung 

nach  OröfsenUassen  der  Wohnbevölkenmg,  welcher  ich  ver- 
gleichswdse  die  Zahlen  für  Frankreich  (mit  fast  gleicher  Be- 
völkerungssahl)  beifüge.   Es  gab  1886 

Japan  Fiaokreieh 
Orte  mit  mehr  als    100  000  Einwohnern      4  11 

-  -  50001  bis  lOOOOO         -  8  19 

-  -  30001  bis  50000         •  15  24 

-  .  10001  bis  80000        -         n->  1^0 

susammen  140  284 

211 
340 
347 

-  606 

zusammen  1644 
Für  die  gröfsten  Stiidte  werden  fUr  Ende  1886  und  1887 
folgende  Zahlen  angegeben: 

1886  1887 

Tokyo        1  1 2 1  883   1  1 65  048  (1889 :  1 377  285) » 
Osaka  ;^()1094      432  005 

Kyoto  245675  264559 


>  Dabei  ein  Zuwachs  von  etwa  20000  dnrch  Veiliid«ning  der  Stadt- 
gfenie.  10« 


Daau: 

-  -  5001  bis  10000 

-  -  8001  bis  5  000 

-  -  2001  bis  3  000 
•  -  1001  bis  2000 


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148 


X  4. 


Nagoya 

Kanazawa 

Yokohama 

Hiroshima 
Kobe 

Sendai 
Tokushinm 
Wakayam.i 
Toyama 


1886 

1314i>2 
97653 
89545 

81914 
80446 

61709 
57  456 
54868 
53556 


1887 

149  756 
96689 
115012 

84094 
103969 
71517 
59857 
56495 


51914 

Manche  die&er  Zuhlenveränderungen  dürften  auf  Bericliti- 
guDg  der  Register  zurUckzulllhren  sein.  Eine  sehr  starke  Volka- 
Termehnmg  in  Tokyo,  Osaka,  Yokohama  und  Kobe  ist  an 
aich  aber  nnsweit'elhaft  vorhanden  ^ 

Trots  starker  Zunahme  der  Bevölkerung  der  grofsen  Stildte 
wohnten  Ende  1886  doch  immer  noch  nicht  ganz  12  Prozent 
der  Bevölkerung  in  StiUlten  mit  mehr  aln  10000  Einwolin»'m 
und  4,6  Prozent  in  Städten  mit  mehr  als  100000  Einwi^lnn  rn. 

In  ganz  Japan  kamen  1886  auf  je  1000  Quadratkilometer 
4.8  Ortschaften  mit  mehr  als  lOUO  Einwohnern,  in  Altjapan 
afiem  5,7,  dagegen  in  den  Benrken  Tokyo  24,  Osaka  15,  in 
Saitama,  Miye  und  Okayama  12,  in  Saga  11,  in  Eanagawa, 
Hyogo  und  Ohiba  10,  anderseits  in  Iwate,  Kochi,  Miyazaki, 
Okinawa  und  Ilokkaido  -2  und  weniger.  Wie  dünn  f^es^tet  die 
gröfseren  Ortschaften  sind ,  kann  man  daraus  ersehen,  dals  von 
den  45  Bezirken  in  8  nur  je  eine  Stadt  von  mehr  als  10  000 
Einwohnern  war,  in  weiteren  11  Bezirken  nur  je  zwei  aolol  er 
Städte.  Die  meisteu,  nämlich  je  8,  liatten  Obaka  und  Hiroshima. 
Osaka  war  auch  der  einsige  Beeiik  mit  awei  Stildten  von  mehr 
als  SO 000  Einwohnern  (nämlich  Osaka  aelbet  und  Sakai  mit 
44015  Einwohnern). 

Der  geringen  Zahl  grol'ser  Ortschaften  entspricht  der  ge- 
rinp^e  TT?iter<('liit'd  von  St^dt  und  Land.  Vs  :\a  bei  uns  historisch 
die  Städte  in  ihrer  Eigenart  geechafien  hat,  die  rechtliche  Be- 


>  Die  älteren  Zahlen,  welche  sich  auf  die  gesetsliche  BevÖlkemng 
beziehen,  also  nicht  veigleichbar  sind,  waren 

1877  iss-t 

Tok>  ü         :m  28a  (?)  902  isi? 
Oiaka  284105 

Kyoto  229  HlO  2.V.  40:5 

Naggya        l:i')715  120  890 

Kanazawa  108263  104  H20 
riiroahima  7ö  7<jO  77  :{40 
Yokohama  (>4Mi:{  70  019 
Tokutelüma  'ü  mi  fiO.Ml 
Wakayama  i;2  197  '»o  .^74 
Sendai           '>Jit74  .>j:{21 

Toyama        40  473  50417 


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149 


jschrttnkung  von  Handwerk  und  Marktverkehr  auf  die  Stadt, 
liat  in  Japan  ebenso  gefehlt  wie  die  örtliche  EinschÜpfsMüg 
durch  Wall  und  Graben,  während  z.  B.  China  gerade;^ u  ein 
t}^pisi  tu  s  Land  der  ummauerten  Stitdte  isu  Japan  hat  in  iuäto- 
riöcher  Zeit  keine  freuide  iuvasion  erfahren  *  I 

Das  Handigerk  findet  «ich  in  Japan  überall  auf  dem  Lande 
serstreut,  t«l8  ftlr  den  bkaien  Beaarf,  teils  in  hausindustri- 
dUcr  Organiaation  für  den  grOfeeren  Markt  arbeitend.  Dafs  sich 
Aach  atme  rechtliche  Gebote  und  Verbote  das  Handwerk  nielir 
in  den  grofsen  Ortschaften  zusammendrängt,  ist  selbatverstöndlieh. 
P  <8  Wesen  der  japanischen  Städte  ist,  dalH  sie  naturgemäfs  den 
Markt  ftlr  ihre  Umgebung  bilden,  die  kleinen  lokalen  Mittel- 

S unkte  für  die  bäuerliche  Umgebung,  wo  die  Händler  wohnen, 
ie  dem  Bauer  seine  Produkte  abkaufen,  wo  der  Bauer  die 
wenigen  Dinge,  welche  er  nicht  selbst  erseugt,  einkauft,  wo  die 
zaliUosen  Hausierer,  welche  das  Land  durchraehen,  sich  mit 
\A'aren  versehen.  Unter  besonderen  Umständen  entwickeln  sich 
solche  Orte  dann  wohl  zu  r^röfseren  Umsehlagspliitzen,  teils  durch 
die  günstige  \'erk(4irs]airn,  to^]^^  durch  das  \  orLandensein  eines 
starken  örtlichen  l\oiisuni8.  60  sind  Wallfalu-tsstadte  wie  Yamada 
in  Ise  oder  Zenkoji  (Nagano)  durch  den  regelmäfsigen  starken 
Zuflul's  von  Pilgern  entstanden.  So  haben  die  Residenzen  der 
Territorialherren  mit  ihrem  Hofstaat  und  ihren  Verwaltungsbe- 
hörden zur  fjit Wickelung  der  Stildte  beigetragen.  So  ist  es  noch 
heute  mit  den  Bezirkshauptstftdten ,  wo  Kencho  (Regierung), 
Landgerielit  und  Bezirksgefangnis.  Hospital,  Normalsehuk'  und 
Mittelschule,  zuweilen  auch  (larnisonen.  einen  Mittelpunkt  stär- 
keren Konsums  bilden.  Die  Hesurgung  der  vStaatskassengt^häfte 
führt  zur  Gründung  einer  Natiouaibank.  I  )ie  ^rülseren  Kauf- 
leute ziehen  sich  dahin.  Hier  werden  die  ersten  Versuche  ge- 
macht, Fabriken  zu  gründen.  Hier  erscheint  das  Amtsblatt  und 
die  poHtische  Zeitung  des  Bezirks.  Bei  der  leichten  Bauart  der 
Häuser  können  dann  solche  Orte  ebenso  rasch  wachsen  wie  ab- 
nehmen, wenn  solche  äufseren  Umstände  sich  verändern  -.  Solche 
Städte  mögen  zuweilen  ihre  ureprünglichc  Bedeutung  wesentlich 
militärischen  Grtinden  verdanken  (Siiizuoka).  Uberwiegend  sind 
aber  wolil  die  Kastelle  den  Städten  gefolgt,  welche  durch  gün- 
stige Verkehrslage  gröfsere  wirtschaftHcne  Bedeutung  erlangt 
kaben.  Vid&ch  sind  es  gute  Hilfen ,  welche  einem  rlatase  wa 
Bedeutung  yerholfen  haben.  Wie  in  Enrojia  finden  wir  auch 
in  Japan,  dafs  die  alten  Hafenstädte  mdst  nicht  direkt  am  Meere 
liegen y  sondern  etwas  einwärts»  an  den  fUr  kleine  Sohifie  su- 


'  Die  UmwalluD^  vou  Kyoto  im  Jahre  1590  durch  Toyotomo 
Hidcyoshi  ist  das  emsige  mir  am  Japan  bekannt  gewoidene  Beispiel.     ^  ^ 

*  Die  aus  äherfm  Zeiten  hrrichtctm  ungeheuren  Einwohnerzahlen 
einzelner  Städte  sind  freilich  ebeu&u wenig  oder  noch  weniger  b^laubigt 
als  die  gelegeutUdiea  Kodsen  miserer  mittelalterUeheD  ChTonistsn. 


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150 


gänglichen  FlttBsen,  so  vor  allem  Japans  alter  Oentralmarkt^ 
Osaka,  so  Nacroyn  nvi<\  Hiroshima,  Niigata  und  Cho.shi,  Waka- 
\ama.  Kochi  und  vich  andt  rf*,  wie  ein  Blick  auf  jede  p-röfsere 
Karte  zeigt.  Sehr  häutig  hiiden  wir  dann  ein  besonderes  Hat'en- 
stadtchen  der  gröfseren  St^idt  vorgelagert,  woliin  »ich  dann  in 
der  Neuzeit  mit  der  Verwendung  gröfiserer  Schififo  der  Verkehr 
rieht  Wo  wichtige  Stfldte  direkt  am  Meere  liegen,  da  Bbunmt 
ihre  Bedeutung  entweder  aus  neuerer  Zeit,  wie  bei  NagMaki, 
Hakodate,  Yokohama,  Hobe,  Yokkaichi,  oder  hat  ihren  Grund  meist 
in  besonderen  Umständen,  so  bei  Shimonoseki  in  der  schwie- 
rifren  Schiffahrt  durcli  die  Mf^Tenge,  wo  oft  Hunderte  von  Schiffen 
liegen  und  auf  die  Durchfahrt  wallten.  Im  Rinnenlande  finden 
wir  regehuUlsig  au  den  Ausgängen  der  Bergthäler  in  die  weitere 
Ebene  wichtige  Umschlu^spLitze,  wie  das  an  dem  ganzen  Hcrg- 
nmd,  der  die  Tokyo- Bboie  umsänrnt,  besonders  deutlich  ist 
(Odawara,  Hachoji,  Takasaki,  Maebashi  u.  s.  w.).  Ebenso  finden 
wir  in  kleineren  Ebenen  regelmäTsig  einen  wirtschaftlich  ^vie 
militJJriach  beherrschenden  Centraipunkt,  so  Kofu.  Matsunioto 
(Nf^ano),  Toyania,  Sendai.  >\'akamat8a,  Yonezawa,  Vamaj^ata 
u.  s.  w.    Ich  sagte,  die  SUidte  sind  im  wesentlichen  die  Markt- 

?lfltze  für  ihre  fjmgcbung.  Doch  mul's  man  sich  auch  hier  vor 
Jbcrtragung  europäischer  Vorstellungen  htiten.  Jahrmärkte  und 
Messen  von  Bedeutung  scheinen  in  Japan  nie  bestanden  an  haben. 
Der  fremde  Kaufmann,  der  mit  seinen  Warenballen  das  Land 
durchzieht,  der  Karawanenliandel,  der  die  groisen  Messen  des 
europäischen  und  asiatischen  Festlandes  hervorgcnifen  iuit,  ist 
der  japanischen  Handelscntwickelung  fremd  geblieben'  Bei 
grofsen  Tcnipeltesten  sehen  wir  wohl  allerlei  Händler  mit  Kosen- 
kränzen, Andenken,  Efswaren,  auch  Gaukler  mid  ilhnlicheü 
fisdurendes  Volk  sich  versammeln.  Ein  eigentlicher  Waren handel 
aber  scheint  sich  daran  niiigends  geknüpft  zu  haben. 

Auch  der  Wochenmarkt  hat  anderen  Cbai^kter  als  bei  uns. 
Es  ist  nicht  sowohl  der  Fh»duxent  als  der  Händler,  der  dort 
sitzt  und  seinerseits  wieder  an  den  Hausierer  verkauft.  Diese 
Hausierer  aiehen  daim  durch  die  Stadt  und  schreien  ihre 
Ware  aus*.  Der  Bauer,  der  Oemü-  '  u.  s.  w.  zur  Stadt  bringt, 
verkauft  an  den  Händler  oder  an  fe.>tc  Kunden,  von  welchen 
er  dann  wohl  als  Bezahlung  DUnger  eintauscht,  lu  grolseu 
Städten  sind  von  Wichtigkeit  ihr  die  den  Tag  ttber  arbeitende 
Bevölkerung  die  abendUcben  Erammttrkte,  welche  einen  wesent- 
lichen Zug  im  Bilde  japanische  Stralsenlehens  bilden  und  sieb 


^  Auch  der  Greosverkehr,  der  vielfach  Messen  geschaö'eu  hat  (wie 
bis  rot  karseni  die  jährliche  Nene  an  der  chineflitch- koreanischen 

Grenae). 

*  Der  Verkauf  von  Lebeusmitteln ,  wie  Fischen,  Obst  u.  s.  w.,  ge- 
sclüeht  vielfach  auf  dem  W^e  der  Versteigerung  und  ineibt  sehr  früh 
am  Ifofgsn. 


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X  4. 


151 


Yiel&ch  an  die  klemen^  regelinäfsig  an  bestimmten  Tagen  wieder- 
kehrenden  Tempdfeste  anschliefBen*. 

In  der  äufseren  Anordnung  japanischer  Stedelungen  scheint 

auf  den  ersten  Eindruck  dir-  Form  des  Strafsendorfes  vor- 
zuherrschen  und  zwar,  wie  Rielil  es  nennt,  des  ..echten  Strafsen- 
dorfes",  des  Dorfes,  das  der  Stra  sc  nachzieht,  wie  man  es  jeden 
Tag  bei  Verlegunp^  oder  Neuanla^e  einer  Landstrafse  sehen 
kann.  Die  leichte  Bauart  des  japanischen  Hauses,  das  nicht  fest 
mit  dem  Orande  verwachsen  ist,  das  gelegentlich  auf  Wuhsen 
eesetKt  und  an  eine  andere  Stelle  geschoben  wird,  hat  zur  Folge^ 
dafs  die  Ortsanlage  der  Landstrafse  folgt  und  jene  endlosen 
HÄuserreihen  zeigt,  welche  in  dichtbevölkerten  Küstengegenden 
oft  £ast  ohne  Unterbrechung  auf  lange  Strecken  sicli  fortsetzen^ 
einen  Ort  mit  dem  andern  verhindfcnd.  Wtihrend  aher  der 
fltichtige  Tourist  eine  andere  Lori'anlagc  kaum  kennen  lernt, 
stolöt  man,  sowie  man  die  gröfseren  Stralsenzüge  vcrlalst.  auf 
gaD2  andere  Dorfanlagen,  bei  welchen  sich  swei  Typen 
nntersdieiden  hissen.  Im  Hügel-  und  Bei^land  herrscht  die 
völlig  regellose  zerstreute  Anlage.  Jedes  Bauernhaus  liegt  ftir 
sich,  oft  von  Brlumen  und  Hambuspflanzungen  umgeben,  die 
gröfseren  nauernliöfe  wohl  mit  dichter,  lebendiger  Hocke  ein- 
gehegt und  einem  Galgenthor  verschlossen.  Die  Ansiedelung 
folgt  den  l'häleru,  dem  Wasser,  ab(i'  der  zum  Keisland  sich 
eignende  mittlere  Teil  des  Thaies  bleibt  frei.  Die  Bauernhäuser 
umrahmen  es  an  die  Böschungen  der  Thalränder  gelehnt  Die 
aerstreuteste  Dor&nlage  zeigen  die  Seidengegenden  mit  ihren 
Maulbeerpflanzungen.  Die  ganz  entgegengesetzte  Anlage  finden 
wir  in  den  kleinen  Ebenen  des  Südens  und  Westens,  wo  die 
Bauernhiiuser  in  kleinen  dichtpedrJIngten  Grupjten  auf  Er- 
höhungen mitten  im  Reisfelde  stehen.  Gelegentlich  erweitern 
sich  solche  Gruppen  zu  ganzen  geschlossenen  Dörfern  (so  bei 
Osaka).  Doch  ist  das  selten.  Soweit  meine  eigene  Anschauung 
reicht,  herrscht,  abgesehen  von  den  Strafaendörfern,  die  zerstreute 
Anlage  vor,  wo  niät  besondere  Umstünde  zu  eng  geschlossener 
Anlage  um  einen  gemeinsamen  Mittelpunkt  führen,  wie  in  Wall- 
&hrtsor(en  und  den  zahlreichen  Badeorten. 

In  der  Mitte  stehen  die  Fischerdörfer,  die  sich  meist  lang 
am  Strande  hinziehen,  zuweilen  völlig  in  das  Straisendorf  über- 
gehend. ?5ind  jene  zerstreuten  Ortscliaften  raeist  reine  Bauem- 
dorter,  so  hat  das  StralseiRlorf  schon  mehr  stadtischen  Charakter 
mit  seinen  W  irts-  und  Ershäusern,  mit  Handwerkern  und  ge- 
kgentltdien  Kramläden  und  geht  durch  unmerkliche  Abstufimgen 
in  das  Landstttdtchen  ttber.  Bei  den  kleinen  Sttfdten  herrscht 
noch  ganz  überwiegend  diese  Form,  und  wo  einlebe  Keben* 


'  Auf  solche  rege  1  in a feigen  Krammärkts  denten  Ortmamen.  wie 
Yokkairlii:  „ViertcD-Tft-- Markt",  Mikkaichi  iL  s.  w  Üljriirrnp  sind  Orts- 
namen auf  „markt"  nicht  liäufig,  was  auch  beseiciiuenU  »ein  dürfte. 


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152 


X  4. 


straben  sich  finden,  trinken  sie  ihr  Vorliandonaein  meist  den  in 
die  Landstralöe  einmundt'ndon  Nebenweg*  ii.  Es  ist  bezeichnend, 
dal'ö  am  Nakasendo,  der  nördliclien  von  i  okyo  nach  ivjutu  durch 
das  Gebilde  fübrenden  Landstrafsc,  bei  einer  Länge  von  520  km 
nur  Bwei  Stttdte*  Uegen  mit  mehr  ak  einer  StralM.  Wird  doch 
auch  für  eine  Stadlgemeinde  dasselbe  Wort  gebraucht  wie  (Hr 
eine  Strafse  (Clio).  Tjpiseh,  wie  bei  den  kleinen  Landstädten, 
ist  auch  die  Anlage  der  gröfseren  Städte.  Nur  selten  bietet  sich 
ein  wirklich  individnollcres  Städtebild,  wie  Yamada  in  Ise. 
Malstrebend  ist  daü  Kastell,  das  in  helierrschender  Lage,  etwa 
mit  lieuulzung  einer  Anhöhe,  über  die  Stadt  sicli  erhebt^.  An 
das  Kastell  schliefst  sich  ein  weiterer  uuiwuUttir  iiezirk,  in  dem 
der  Fürst  oder  der  Statthalter  des  Shoeuns  residierte  und  die 
Beamten  und  Soldaten  wohnten.  Aufsenialb  der  Wfllle  erstreekt 
sich  die  (  leschäftsstadt,  wo  der  ßtlrgersmaDn  wohnt,  diis  Kastell 
auf  zwei  bis  drei  Seiten,  fast  nie  ganz  umfassend,  auch  hier 
wieder  dem  Zug  der  Lanilstrafser)  folgend,  welcli*  stets  aulser- 
lialb  des  nmwallten  Px-zirks  bleiben.  Vor  der  neuen  Ordnung 
müssen  solclie  Schlu  sstiidte  sehr  viel  stattlicher  ausgttsehen  haben 
als  gegenwärtig.  Meibt  ^tcileli  von  den  Kastellen  nur  noch  die 
Walle  und  die  Fundamente  d^  mflehtigen  Tborgebaude.  Das 
Innere  liegt  wttst  oder  ist  in  einen  staubigen  Ezercieridats  um- 
gewandelt oder  enthält  die  im  trosdosen  Hauk.istenstil  errichteten 
amtlichen  Gebäude.  Eine  solche  Stadt  ;;leicht  der  andern.  Das 
einzige  Eigenartige  sind  die  Tempclanlagen.  Hier  und  da  h  n 
man  auch  wohl  einen  Garten  der  alten  Fürsten  in  einen  iiübschen 
örientlichen  Park  umgewandelt.  Auch  Tokyo  und  Osaka  zeigen 
dieselbe  Grundatilage.  Die  Au.sdehuuu;;  der  kanaldurcbzogeuen 
Oeschäfiastadt,  die  GrOfse  des  Kastells^  in  Tokyo  die  weitlfiufieen 
Gartenquartiere  der  Wohlhabenderen  und  der  Beamten,  bilden 
die  wesentlichen  rnterschddungsmerkmale  von  den  kleineren 
Schloisstädten.  Kyoto  dag^n  hat  unzweiielhaft  einen  eigen- 
artigen Charakter,  wie  er  auch  seinen  Bewohnern  nachgesagt  mrd. 


IV.  Stand  und  Beruf. 

Die  feudale  (Tcselkchaftsordnun^j,-  berulite  in  Japan  ^vie 
anderwärts,  auf  der  Erstarrung  der  Berufsklassen  zu  erblichen 
Ötiinden.  Die  neue  Ordnung  hat  die  rechtliche  ^Sonderung  der 
Stände  durchbrochen.  Hat  der  übrigens  wenig  zahlreiche  Ä  d  e  1 
—  Ende  1887  gab  es  588  adlige  FamilienbUupter  —  noch  eine 
reohtfidie  Sonderstellung,  so  ist  beim  ttbrigen  Volke  der  moderne 


>  Takasaki  und  Fukushima. 

*  Hochragende  maleriaeh  telegene  Bürgen,  wie  za  Hikone  am  Biwa- 
See  nnd  au  Matauyaoia  (Ehim^  smd  Mlteo. 


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X  4.  158 

Orundsatz  der  Gleichheit  vor  dem  Gesetze  eingeführt  Wie  es 
keine  TTnehrlichen  und  AnssfestofspTien  mehr  giebt.  so  hat  auch 
de-r  fetiind  der  8liizoku  seine  Vorrechte  allmählicli  eingebüfst^ 
Zwar  wird  bei  allen  möglichen  Gelegenheiten  immer  noch  fest- 
eestelit,  wes  Standes  der  Betretl'eude  iöt.  Aber  rechtlich  i&t  d&s 
Bedeutungslos  geworden.  Es  ist  schon  jetit  nicht  selten,  dftfs 
nicht  memr  festsuslellen  ist,  bu  weldiem  Stande  jemand  gehört. 
So  erklärt  es  sicli^  dafs  die  Zahl  der  als  Shisokn  in  den  Volks- 
registem  Eingetragenen  sich  ftst  nicht  Termehrt,  mithin  im  Ver- 
hultnis  zur  ganzen  }^jrvr)lkenmg  sich  vermindert.  Antani::  1^^B2 
wurde  die  Zahl  der  Siiizoku  auf  1  931  824  angegeben,  das  waren 
auf  je  100  000  der  gesotzlichcn  Bevölkerung  r>2(>4.  Sechs  .Jahre 
später,  Ende  1887,  waren  sie  nur  aui'  lii54Gü9  angewachsen, 
nur  mehr  5003  unter  je  100000  Einwohnern.  Noch  mehr  aU 
der  Unterschied  der  Sbtsoku  ^egen  die  Heimin  verwischen  sich 
die  Unterschiede  unter  diesen  selbst  Wo  zubeetimmten  Zwecken 
die  Scheidung  in  die  alten  drei  Stände  der  Bauern,  Handwerker 
und  Kauflcute  noch  gemacht  wird,  wird  die  vierte  Abteilung 
„sonstige"  immer  zrihlrHcher 

Milder  recjttliehen  Beseitigunü'  der  Stiindeäunterschiede sind  sie 
selbstverstäncilicli  nicht  auch  that.>achlieh  verschwunden.  Nicht 
nur  Sitten  und  Umgangsformen  behaupten  sich.  Das  thatsüch- 
liche  Übergewicht  höherer  Bildung  giebt  dem  Shisoku  eine  her- 
vorragendere Stellung.  Unter  den  Beamten  bis  m  den  Polizisten 
hinunter  finden  wir  überwiegend  Shizoku  und  besonders  in  den 
höheren  Stellungen.  Aber  der  Anteil  der  Heimin  ist  doch  un- 
zweifelhaft im  Wachsen  Wird  die  Armee  unter  der  ganzen 
Bevölkerung  rekrutiert  so  sind  nicht  nur  die  Offiziere,  sondern 
auch  die  Unteroffiziere  meist  Shizoku.  Die  geistige  und  politische 
Ftihruüg  im  Volke  ist  in  den  alten  Händen  gebUeben,  auch 
unter  neuen  Formen.  So  sind  in  den  Bezirkstagen  fast  Überall 
unter  den  Mitgliedern  unverhJdtnismärsig  viele  Shisoku.  Wo  sie 
einigermafsen  sahireich  wohnen,  sind  auch  nur  wenig  Heimin  in 
den  Besirkstagen.       waren  beispielsweise  1887 

Shiaoku  Heimm 


wahlberechtigt  573      1 1 440 

wählbar  218  6116 

Besirkstagsmitglieder  1 B  54 

wahlbcreditigt  8  694       25  025 

wäldbar  4882  9021 

Bezirkstagsmitglieder  32  3 

So  hat  es  aucli  heute  noch  ein  gewisses  Intere.sse,  die  Ver- 
teilung der  Shizoku  ins  Auge  zu  fassen,  da  sie  auf  die  Macht- 


in Tokyo 

in  Kagoshima 


»  Noch  daa  StrafiL,'p-^otzbuoh  von  1^7173,  bis  l^^l  in  Kraft,  be- 
handelt den  bbizoku  anders  als  den  iieimiu,  den  gemeinen  Mann. 
*  YgL  die  Zahlen  oben  &  125. 


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verhMltnisse  im  Lande  wie  auf  manche  Interessengegensätze 
zwischen  den  verschiedenen  LandeateileD  einiges  Liclit  wirf^. 
Da  sehen  wir,  dafs  die  Shizoku  im  ganzen  T.ande  etwa  5  Prr  zi  nt 
der  Bevölkerung  ausmachen,  in  Kyushu  aber  12,6  Prozent,  und 
zwar  in  der  alten  Satsumaherrschaft  bis  zu  18  Prozent  m 
Miyazaki  und  24  Prozent  in  Kagoshinia  steigend.  Die  Provinz 
Hizen  hat  im  Bezirk  Saga  15  Prozent  und  11  in  Nagasaki. 
Yamagncbi  (das  Oioslraland)  hat  7,?,  Kochi  (Fh>TiiiK  Tosa) 
7,1  PSozeni  Die  vier  herrschenden  Landschaften  haben  also 
eine  stark  überdurchschnittliche  ShizokubevDlkerung.  Im  Norden 
stehen  über  dem  Durchschnitt  nur  Tokyo  mit  9,4  und  Yamagata 
mit  7,5  Prozent.  Die  11  Prozent  im  Hokkaido  sind  wohl  Uber- 
wieirend  Beamte,  zum  Teil  aber  auch  Koluniht«  n.  Dafs  in 
Nkinawa  über  27  Prozent  der  Bevölkerung  bluzoku  sind,  ist 
für  die  inneren  japanischen  Verhältnisfie  weniger  wichtig.  Die 
geringste  Zahl  von  Sbisoktt  findet  nch  in  den  mittleren  Teilen 
der  Hauptinael,  wo  in  Yamanashi  unter  1000  Einwohnern  nur 
6  Shisoku  sind. 

Mehr  als  die  rechtliche  Gleichstellung  hat  die  Lage  de« 
Shiznknstandea  verändert  und  wird  sie  in  Zukunft  noch  mehr 
verändern  —  die  Umw.'tUung  in  ihrer  wirtschaftHclien  Lage. 
An  die  Stelle  ihrer  alten  RentenbezUge.  welche  ihnen  ein  sicheres, 
wenn  auch  meist  sehr  bescheidenes  Einkommen  gewahrten,  ist 
eine  Abfindung  in  Slaataschuldacheinen  getreten^,  deren  Zinsen 
für  die  meisten  aum  Leben  nicht  hinreichten.  Wer  als  Beamter 
nicht  unterkam,  mufste  zusehen,  wie  er  sonst  etwas  verdienen 
konnte.  Viele  verkauften  ihre  Ablösungsscheine,  nadidem  der 
Verkauf  freigegeben  w  ir  (September  1878),  um  mit  dem  Erlös 
irgend  ein  Gescheit  anzufangen.  Wohl  die  meisten  haben  in 
ihrem  Mangel  an  Gesehäftskenntnissen  ihr  Kapital  dabei  cinge- 
büföt.  Manche  sind  Handwerker  geworden.  So  sollen  unter  den 
Badidntckem  viele  verarmte  Shizoku  sein.  Viele  haben  sich 
dem  Ackerbau  zugewandt,  was  in  manchen  Gegenden,  wie  dem 
südlichen  Kyushu,  ohnehin  Sitte  war.  Mehrfacli  hat  man  auf 
bisher  unbebautem  Lande  Kolonicen  gegründet.  Da!'s  der  Erfolg 
nieht  immer  günstig  war,  kann  bei  der  ünerf  direnheit  der  Leute 
nicht  wundernehmen  ^.  Wie  sieh  diese  Dinge  zahleomäfsig 
verhalten,  ist  schwer  zu  sagen.  Über  die  Zahl  der  Gnmdbesitzer 
unter  den  Shizoku  giebt  einen  gewissen  Aufschluis  die  Statistik 
der  zu  den  Bezirkstagen  Wahlberechtigten.  Unter  den  Grund- 
besitaem,  welche  5  Yen  Grundsteuer  aahlen,  gab  es  Ende  1887 
59202  Shiaoku,  während  die  Zahl  ihrer  Familienhäupter  425960 


I  Die  Jslinzelheitou  vgl.  unteo  im  ersten  Kapitel  des  dritten  Buches. 
*  Von  swei  mir  bekaniit  gewordenen  gröfseren  Kolonien  von 
Shizoku  sah  die  eine  auf  der  Hara  westlich  von  MotomiTa  (Fukushima) 

•/iemlich  trngtlo'»  an«,  'lie  ftiidcre.  Mombetsii  im  Hnkkaido  an  der  Ynikan- 
bucht,  iiat  sich  dank  der  /.uckcrrübenkultur  gut  entwickelt. 


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betrag.   Grundbesitser,  welche  mehr  ak  10  Yen  Steuer  zahlen, 

fab  es  3592(3  von  Shlsoknetand.    Seit  1S82  hatte  die  Zahl 
er  Zehn-Yen-MUnner  zugenommen,  die  der  Fünf- Yen-Männer 
a>>L'pnommeD.    (Nttheree  yergleicbe  im  Kapitel  GrundbeeitB, 

am  Ende.) 

Durch  die  veränderten  rechtlichen  und  wirtschafthchen  Ver- 
hältnisse, durch  das  Eindringen  der  europäisch-amerikanischen 
modernen  Ideen  bahnt  sich  allmählich  eine  Umgestaltung 
der  GeselUchaftsordnung  an,  welche  sich  der  Elassen- 

g^emng  unserer  modernen  Gesellschaft  nähert  Der  «nfluls- 
reichste  Stand  kt  das  Beamtentum,  welches  einstweilen  noch  die 
Mehrzahl  der  tüchtigsten  oder  wenigstens  thfttie:8ten  Kiemente  in 
sich  aufsaugt  Eng  dnmit  zusammen  hiingen  din  mrlfror!  frcu-n 
Bpruf'e  (kr  Arzte,  Kechtsan walte,  Litteraten.  Daneben  längt  aber 
an  der  grofse  Besitz  sich  geltend  zu  machen.  Nicht  so  sehr  der 
^öfsere  Grundbesitz,  denn  der  ist  selten,  als  das  ganz  moderne 
Kapital.  Die  Scbafiung  einer  verzinslichen  Staatsschuld,  die  Ent- 
stehung der  Aktienunternchmungen  hat  das  Wertpapier  ins  Leben 
gerufen  und  damit  den  Kapitalisten,  den  Banqmer,  den  Speku- 
lanten. War  vor  zwnn/.ig  Jahren  noch  der  Kaufmann  ein  tief 
unter  df  n\  Samurai  stehendes  Geschöpf,  so  k;\nn  in m  lieutf^  dem 
erfolgreichen  Nouveau  Riehe  in  den  8aIons  <lt  r  Minister  begegnen. 
Eö  fehlt  8chon  jetzt  nicht  an  Beispielen ,  dai»  die  Ilücksicht  auf 
diese  Kreise  einen  bedenklichen  Einflufe  auf  die  Malsregeln  der 
B^erung  ttbt  Kichts  z«gt  wohl  mehr  die  Wandelung  der 
Anschauungen  über  Reichtum,  als  dafs  die  VeHassung  den 
Höchstbesteuerten  jedes  Bezirks  ein  Vorschlagsrecht  zum  künf- 
tigen Oberfiaus  giebt  und  sie  so  auf  eine  Stufe  mit  dem  Adel 
stellt  Zahlreich  sind  freilich  die  reichen  Leute  in  Japan  noch 
nicht.  Unser  grofser  Fabrikant  fehlt  so  gut  wie  ganz,  denn  die 
AnfHnge  der  Grofsindustrie  treten  liast  durchweg  in  der  Unter- 
nehmungsform der  Aktiengesellschaft  auf.  Die  Direktoren  der 
Gesellschaften  sind  bisher  ganz  Überwiegend  aus  dem  Beamten- 
stand hervorgegangen,  und  wie  in  den  Staatsbehörden  finden  whr 
an  der  Spitze  der  wichtigeren  Gesellschaften  die  Shizoku  der 
südlichen  Landschaften,  häutig  aber  auch  alte  Tokugawa- Vasallen. 
Gar  keine  thätige  Kolle  in  diesen  modernen  höheren  Klasson 
spielt  der  Adel,  natürlich  abgesehen  von  den  neu  in  den  Adels- 
stand erhobenen  Führern  des  Shizoknstandes. 

Die  Masse  dcü  Volkes  lebt  in  kleinen  bescheidenen  Ver- 
hältnlssen  mit  verhältntsmäisig  geringen  Vermögensunterschieden. 
Bei  weitem  Überwiegen  die  Bauern.  Fast  dm  Viertel  der  Be- 
völkerung beschäftigen  sich  im  Haupt-  oder  Nebenberuf  mit 
Landwirtschaft ^  Äoer  grofse  Landwu-te  giebt  es  nicht,  nicht 
einmal,  was  bei  uns  mittlere  Bauern  sein  wtürden.  Es  giebt  fiwt 


^  Niherai  ontsn  im  Eingang  des  Kapitels  LaadwiitMliaft. 


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X  4. 


keine  FriWikanten ,  nur  Ilnnd  w^rkor.  Es  g'iebt  wenig  grolfle 
Kaufleute,  aber  ein  '^awz  überm  iisit;  zahlreiches  Krämertum. 

Die  alten  Sclir uikcn  des  wiriödiaftlichen  Lelx^ns  sind  be- 
Beitigt.  Der  Bauer  hat  mcht  nur  völlige  Freizügigkeit  für  seine 
Person  erhalten,  sondern  auch  die  unbeschränkte  Verfügung  über 
Bern  kleines  Beritstnm.  Die  alte  korporative  Organisattcm  von 
Handel  und  Gewerbe  ist  gefallen.  Aber  nicht  selten  ist  das  doch 
nur  dem  Recht  nach  so.  Thatsächlich  hat  die  Sitte  vieles  von 
der  alten  Organisation  erhalten.  Wo  die  Sitte  im  socialen  Leben 
iiorh  eine  so  ungeheure  Maclit  ausübt,  da  regelt  sie  vieles,  was 
anderwärts  schon  den  staatlichen  Rechtszwang  fordern  würde. 
Wo  grofse  sociale  Gleichheit  im  üelben  Berufe  besteht,  das  rück- 
sichtslose Vorwärtsdrängen  des  einzelnen  noch  fast  unbekannt 
ist.  jeder  genau  lebt  und  handelt  wie  der  andere,  da  erhalten 
aicn  korporatiTe  Oi^nisationen  nicht  nur,  sie  Inlaen  sieb  auch 
ganz  naturgemäfs  wieder  neu.  Es  ist  interessant  zu  sehen,  wie 
vielfach  die  Masse  der  kleinen  Produzenten  das  Bedürfnis  fllhlt, 
sieh  korporativ  zusammenzuschliefsen,  wo  genieinsame  Interessen 
vorhanden  sind.  Und  die  Staatngewalt  zeigt  sich  sehr  bereit, 
Bolclie  Vereinigungen  zu  schützen  und  mit  Zwang^rechten 
auszustatten.  So  ist  die  Salzproduktion  durch  ein  Kartell 
in  gans  durchdachter  Weise  geordnet  So  sind  in  mehreren 
£xpor1;gewerbeD ,  nameniBch  der  Theo-  und  Seidenproduktbn 
zur  Ausfuhr,  korporative  Bildungen  entstanden,  deren  Zweck  ist, 
die  Ausfuhr  geOilschter  oder  verdorbener  Ware  zu  verhindern. 
Sicher  ohne  jede  Kenntnis  unserer  älteren  Einrichtnnjon  der 
Warenschan  etc.  dnreli  die  Züntte,  hat  die  Natur  der  Dinge  zu 
den  gleiclien  Einriehtungen  geiiihrt.  Wo  zahlreiche  kleine  Pro- 
duzenten für  die  Ausfuhr  uibeitcn,  kann  die  Gewissenioaigkeit 
eincdiier  den  gansen  Ruf  der  Wai«  verderben.  Daher  sucht 
die  Vereinigung  durch  ihre  Au&icfatsoTgane  gelklschte  oder  ver* 
dorbene  Ware  zu  fassen,  welche  dann  vernichtet  wird.  Solche 
Gilden  (Kumiai)  zur  Wahrung  gemeinsamer  Interessen  bestehen 
(iberwi(^end  im  Export-  und  ImpnrtlKindel ,  wo  die  fremden 
Kaufleute  in  den  offenen  Häfen  schon  mehr  als  einmal  das 
stmmme  Zusammenhalten  der  japanischen  Händler  unangenehm 
empfunden  haben ' . 

Im  Handwerk  haben  korporative  Oi^ganisationen  wirtschaft- 
licher Natur  wenig  Einflufs.  Aber  An^ze  verschiedener  Art 
sind  vorhanden,  und  gerade  in  den  Anfiln^n  modemer  Groß- 
industrie zeigt  aicfa  von  vornherein  eine  stanEe  Neigung  zu  kor- 
porativem Zusammensehlufs,  wie  das  a.  B.  in  der  BaumwoU- 
Spinnerei  schon  verwirklicht  ist. 

'  Das  bekannteste  Beispiel  solcher  gelej^entlichen  Störungen  des 
Verkehrs  war  die  ^ddenschlat  ht"  von  1<S^1  in  Yokohaam,  welche  vier 
Monate  lang  doii  panzen  Scidcnhandel  lähmte,  übrifrons  niclit  mit  dem 
Siege  der  japanischen  Händler  endete.  Im  übrigen  vgl.  über  die  neuen 
Gilden  tmlen  das  Kapitel  Geworbewesen  am  Ende. 


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157 


Ks  würe  eine  höchst  dankenswerte  Aufgabe,  wenn  ein  Kenner 
japanischer  Geschicfite  und  japanischen  Lebens  es  unternehmen 
wollte,  den  Wandkingen  nuclizugehen ,  welche  im  neuen  Japan 
die  Aubchauungen  tiber  Beruf  und  Erwerb  durchmachen.  Welch 
ein  Kontrast  zwischen  der  früher  in  den  höheren  Ständen  herr- 
schenden Vemchtiing  des  Gelderwerbs  als  solchen  and  der  jetzt 
▼<m  angesehenen  Zeitungen,  wie  ,,Jiji  Shimno'*,  betriebenen  An- 
preisung des  Gelderwerbens  als  höchsten  Leoenszwecks,  und  das  . 
ohne  jcdeä  Anstandsraäntelchen .  wie  es  in  Europa  doch  noch 
fUr  nötig  gehalten  wird.  Welch  ein  Kontrast,  wenn  vor  20 
Jahren  der  Schauspieler  ein  unehrlicher  Mann  war  und  vor 
kurzem  der  MiniBtcrpriisident  Graf  Ito  die  zwei  ^n'öfsten  Mimen 
Japaoö  zu  sich  einlud,  um  die  Rivalen  zu  versöhnen;  wenn 
vor  knrzem  keine  anstilndi^  Frau  ins  Theater  ging  und  jetzt 
die  Schauspieler  vor  dem  kaiseriichen  Hofe  auftreten. 

In  wunderlicher  Weise  mischen  sich  solche  neueste  Ideen 
mit  Vorstellungen  der  alten  Zeit,  ein  höchst  laxer  und  ein  höchst 
sensitiver  Ehrbegriff  oft  in  derselben  Pereon.  Und  neben  den 
modernsten  Kechtsformen  stehen  manche  durchaus  mittehdterliche 
Lebensgewohnheiten,  neben  Repräsentativverfas8unj2:  und  Selbst- 
verwaltung das  Ivlientenwesen ,  neben  Disku^^sionen  Uber  Aut- 
hebung der  Bordelle  die  aUgemeine  Verbreitung  des  Konkubinats. 


Zweites  Kapitel. 
Das  Munzwesen. 

\'oi  bcinßrkung.  Für  die  Geschichte  des  japanischen  Mtfns* 
wes«iiä  ist  die  Hauptquelle  eiu  Bericht,  der  unter  dem  Titel  „Histoiy  of 
Japanese  Cnirency*  1886  in  der  „Japan  Weekly  Mail"  in  englischer 
Übersetzung'  verüfrentlirht  ist  (VI  2Ht5.  m  ^i.  511.  57(5).    Man  ver- 

gleiche  ferner  J.  8criba,  ISemerkungen  über  japatuache  Gold-  und 
ilbermüncen ,  in  Mitteilungen  der  Deutschen  OeseUBchaft  u.  s.  w.  Ost- 
ariens  III  39l' tl'.  {\><H'.\).  Bramsens  Notes  on  Japanese  Coins  im  selben 
Bande  sind  leider  Fraj^ment  peblipiben.  Historische  Notizen  in  der  älteren 
Litteratur  über  den  holläudischeii  Handel,  namentlich  bei  Lauts,  Japan 
(Amsterdam  ls47).  Über  die  Münzwirren  nach  otVnung  des  Landes 
snrecheTi  alle  Werke  über  jene  Zeit,  so  der  Bericht  der  Freufsißclien 
Expedition  nach  Ostasien,  Bd.1  u.11  passiro,  bes.  I  278  u.  II  am  aus- 
fillurHchsten  Pompe  van  Meerdervoort,  Vijf  Jaren  in  Japan  (Leiden 
\\  r,4  fF,  und  von  Siebold,  Open  IJrieven  uit  Jaj  aii  Desima  18<>1), 
I.  u.  II.  Brief.  —  Eine  wunderliche  iSamuilung  von  Zeitungsartikeln,  Be- 
richten u.  s.  w.  aus  den  Jahren  187ö— 1882  enthält  der  anonym  heians- 
gegebene  Band  „The  Currency  of  Japan",  Yokohama  1882,  eme  nur  mit 
äufperster  Vorsicht  zu  benutzende  Quelle.  Seit  Bestehen  der  MHnze  in 
Osaka  erscheinen  jährliche  Berichte  über  deren  Thädgkeit  (vgl.  z.  B. 
den  eisten  sehr  ansfHhrtiehen  Bericht  in  Japan  WeeUylftaa  1878  S.70). 


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158 


X  4. 


Die  bei  lUsprcchting  des  Anfaeobandelfl  m  namenden  Quellen 

kommen  L'lni<  hfall3  in  iJetracht. 

Nach  Abächlul's  meines  Mauuskriptos  ersc-hieii  die  Dissertation  von 
J.  T.  Kussaka,  Die  japanische  Geldwesen,  Berlin  18^K).  Daa  Scfanftehfln 

ist  nicht  frei  von  recht  qTobon  Irrtörneni.  Intprep^art  i«t,  was  t»s  Uber 
die  ältesten  Versuche,  gemüuzteä  Geld  in  Japan  einzuführen,  mitteilt. 

IKe  WfthrungBeinheit  des  alten  Japan  war  der  Ry  o  Gold'. 
Ein  Ryo  (chinesisch  Leang,  ThcI)  ist  ursprünglich  der  sechzehnte 
Toil  eines  Kin  (Pfund),  also  ursprilnglich  etwa  38,6  Gramm. 
Als  Ivevasii  um  IhiMi  die  Ruhe  im  Lande  ht  rstellte,  ordnete  er 
auch  daa  3iunzwesen.  Der  als  Goldmünz«-  p-j)r.i^^tc  Kvo,  Koban. 
wog  4,7f.  Mommc  (17,88  gr,  das  wirkliche  Durchschmtlöge wicht 
etwas  geringer  wegen  Anasochena  der  schwereren  MUnten  und 
Abnutzung),  wovon  857  Teile  Oold,  143  Teile  Silber  waren. 
Ein  Ryo  zerfiel  in  4  Bu  oder  )  6  Shu  (Gold,  spüter  auch  Silber). 
Ein  ßu  war  gleich  1000  Kupfermünzen  (Mon,  (Jash),  welche 
anf-^n^'s  aus  China  kamen  (Firaku  Tstiho^,  seit  163(>  auch  im 
Laude  geprügt  wurden.  I)tr  ;ilt»'  Kolnm  von  1600  (Keicho 
Koban)  hatte  einen  Wert  von  10,, ,„4.'  Gohlyen  42.!!'*  Mark, 
ein  Eiraku  war  also  etwas  hber  eiiKu  Piennig.  Die  Folge  dieser 
hohen  Bewertung  war,  dafa  die  Eiraku-M Unzen  in  grolsen  Mengen 
aus  China  eingeftihrt  wurden,  während  gleichzeitig  Portugieaen 
und  Holländer  crlieblielu'  Mengen  von  Gold  und  SilW  ansrührten. 
Bei^eitB  1ö41  verbot  die  japanische  Regierung  die  Au^tuhr  von 
Silber,  welches  damals  in  verhjiltnisniUfsig  gerinp^en  Mengen  im 
Laude  erzeugt  wurde.  Die  Goldaustuhr  dauerte  fort  bis  fj^^p:' n  Ende 
des  17.  Jahrhunderts.  Von  da  an  war  sie  nieiit  mein  lohnend '-. 
Nach  den  japanischen  MUnzberichten  wären  von  1601  -1695 


^  Es  ist  vielleicht  nifht  überflüssig  daran  zu  erinneni,  dafs  das 
eigentliche  Wer tmafs  der  Koku  Reis  war.  Um  die  Mitte  dm  19.  Jahr* 
bunderts  setzte  man  im  allgi  m  einen  1  Koku  gleich  1  Ryo. 

•  Uber  die  Gold-  und  Silbcraustuhr  in  den  ersten  anderthalb  Jafar> 
hunderten  nach  Ankunft  der  Fremden  sili!<'|i|tt  sich  durch  die  ganxe 
Litteratur  eine  \utix  von  Gecrts  iTrantyiciions  As.  Soc.  of  Japan  IV 
92%  sie  habe  rund  103  Millionen  Pfund  Sterlini?  betragen.  Die  Angabe 
ist  völlig  hnltlos  und  unzweifelhaft  stark  fiborfrifbt  n.  Von  der  Summn 
sollen  auf  die  Dortugieaischo  Ausfuhr  bi)  oOO  Ooo  £  Sterling  gekommen  sein, 
meist  Oold.  Betreflb  der  Ausfbbr  der  Portugiesen  haben  wir  aber  nur  vom 
Handebneid  eingegebene  ganz  vag<^  Angaben  Uber  ihre  ungeheuren  Ge- 
winne, 80  hol  Kämpf  f  r  Ii  1*^,  die  Portu^zicfcu  hätten  jährlich  300  Toimen 
Goldes  au&''efiihrt ,  eine  Angabe,  die  gar  keinen  kriti-^chen  Wert  hat. 
Ebenso  sind  die  Zahlen  über  die  holländiwhe  Aiisl'uhr  >  Millionen 
£  Silber,  15  482  250  £  Gold  -  willkürlich.  Hie  sind  wulil  nur  die  Um- 
rechnung einer  alten  japanischen  Angabe,  dafs  die  Uulläuder  im  17.  Jahr- 
hundert 112  Millionen  Taels  Silber  nnd  6  192900  8tUck  Kobana  ans- 
geführt  hätten.  Kiir  die  Zeit  der  erlaubten  Silbemu.^fulir  liiitte  das  jähr- 
lich 3-4  Millionen  Taels  Silber  ausgemacht,  wfthnnil  z  H.  von  1H41 
gesagt  wird,  es  sei  ein  besonders  gutes  Jahr  gewesen  und  es  seien  an 
14W(Htn  Taeh  Silber  ausgeftihrt  (Kämpfer  II  103,  vgl.  mit  107).  Die 
KobfUüiu.sfuhr  wurde  von  ini'i— ir.f).".  etwa  70  ^0  000  Stück  jährlich  be- 
tragen haben.    Nach  den  Berichten  der  Holländer  aber  scheint  die  Gold- 


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14  727  000  Kobans  (151  Millionen  Ooldyen)  geprägt.  Wieviel 
davon  altes  Gold,  wieviel  Neupiüduktiun  war,  läi'st  üich  uicht 
«agen,  ebearaowenig,  wieviel  dayoD  aiiueflllirt  ist  Es  ist  oben 
IQ  anderem  ZiunmmenhaDge  (I.  Buch,  Kap.  8)  davon  die  Kede 
gewesen,  wie  gegen  Ende  des  17.  Jahriiunderts  Finansen  und 
^fünzweaen  in  Unordnung  waren.  Um  sich  aus  der  Verlegen- 
heit zu  7if^liPn ,  nahm  man  die  Klagen  über  OflflknnppluM't 
und  die  angebliche  ungeheure  Ausfuhr  durch  die  Fremden  zum 
Vorwand  und  pri.trte  seit  UiOr.  die  Kyos  um.  8ie  behielten  das 
alte  Gewicht,  bcataudcn  aber  aus  nur  564  Teilen  Gold  und  i:!2 
Teilen  Silber  (Genroku-Koban).  Der  Wert  war  nur  6,865  Goldyen 
(28,78  Mark).  Obgleich  sehr  viele  alte  Kobans  thesaturiert  sein 
sollen  (  was  llbrigens  verboten  wurde),  sind  von  1695 — 1710  aus 
alten  Kobans  geprngt  1 0  527  000  Ryo  (also  beinahe  die  Hälfte 
der  seit  H)<)0  geprägten i,  aufserdem  neucreprägt  8  4U9  000  Stüek. 
Bereits  1710  trat  (ine  neue  Vorschleclitcrung  ein.  Der  Gold- 
gehalt wurde  wieder  stark  erhöht  (834  Teile),  aber  die  Münze 
so  verkleinert,  dais  der  VV'ert  nur  mehr  5,iö6  Goldyen  (21,616 
Mark)  war.  Diese  Münze  blieb  nur  vier  Jahre,  innerhalb  welcher 
aber  aus  den  eingerufenen  älteren  Kobans  1 1  515  500  der  neuen 
Kenji  Kobans  gepriigt  wurden.    In  den  Daimyaten  begann  gleich - 


nung  des  Geldwesens  in  Angriff  genommen,  zunächst  der  alte 
Koban  von  IH'm)  wiedfT  iiepragt  (nur  213  500  vStüek),  seit  1716 
ein  noch  feinerer  (Hii?  I  i  ilt  (;old)  im  Werte  von  10,iir>  Goldyen 
(42,88  3Iark),  der  Kyoliu  Kuban,  von  welchem  bis  1736  8  280  000 
8tUck  gcmlüizt  sind.  In  diesem  Jahre,  1736.  kam  es  aber,  an- 
geblich wegen  Abnahme  der  Gold-  und  Silberproduktion  und 
zunehmender  Thosaurierung ,  aufs  neue  zur  ESnrufung  der  alten 
und  V(  I  sehlechterang  der  neuen  Münze.  Dieser  Gembun*  Koban 
wog  3,47  Momme  und  hatte  nur  635  Teile  Gold;  der  Wert  war 
5,75«  Goldyen  (24,n  Mark).  Von  dieser  Münze,  die  bis  1818 
unverändert  blieb,  «ind  17  430  000  Rvo  geprägt.  Tm  18.  Jahr- 
hundert nahm  auch  die  Prägung  von  »Silber  zu,  antangs  in  der 
biö  daiiiu  üblichen  Form  gestempelter  kleiner  Barren,  welche 
im  Verkehr  verwogen  wimlen,  seit  1772  auch  in  der  Form 
regdmttCsiger  Münzen  von  fast  reinem  Silber  (970—980  finn). 
Seit  1769  wurde  den  Holländeni  erlaubt,  geringe  Mengen  ein- 
zuführen. 

Im  Jahre  1818  wurde  der  Gembun-Koban  durch  Verringerung 


auefuhr  nur  kurze  Zeit  (etwa  1660  —  1672)  wir!: Ii  Ii  Lröfseren  Umfang  aii- 
lienommcn  zu  haben,  Höbepunkt  166ö  mit  114  000  Ötüvk,  1672  wird  als 
Desonders  gutes  Jahr  mit  einer  Attsfiihr  von  69  207  Koban  hervorgebobaa. 
(Lauts  S.  224  u.  228).  Aus  seiner  Zeit  berichtet  Kämpfer  (II  117  f.), 
die  Aupfniir  von  Kobans  sei  seit  der  starken  Besehränkimg  de^:  hollän- 
dischen Handels  im  Jahre  lü72  nicht  mehr  so  lohnend,  man  nohinc  seit- 
dem nor  etliche  tausend  Stück  jährlich  mit,  die  übrigens  nach  Lauts 
immer  noch  an  25  Proient  (V)  Gewinn  gegd>en  hftttra,  Mher  beinahe  100. 


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160 


X  4. 


des  Goldgehalts  auf  einen  Wert  Ton  5y«M  Goldyen  hemnleiige- 

bracht,  16  062  000  R^o  umgeprägt  Bald  danu2^  1832,  begann 
die  bedenkliche  Praxis,  die  kleineren  Goldmünzen,  statt  wie  bis- 
her vollwertig,  zu  einem  erheblich  geringeren  inneren  Werte  aus- 
zugebon,  die  goldenen  Nishu  (2  Shu,  der  achte  Teil  eines  Ryo), 
deren  wirklicher  Wert  nur  0,36  Goldyen  war  (bei  einem  Nenn- 
wert von  0,(i6  bis  1837,  .später  von  0,55).  Bis  1858  sind  von 
dieser  gewinnbringenden  Goldmünze,  die  nur  298  Teile  Gold  ent- 
hielty  12883700  Ryo  geprägt.  Herdts  1837  yerschlechterte  man 
auch  den  Koban  aoft  neue,  der  nun  bei  einem  Gewicht  von  2,99 
Momme  (11,232  gr)  568  Teile  Gold  enthielt  und  4,86«  Goldyen 
(18,87  Mark)  wert  war.  Von  den  neuen  Goldmünzen  sind  bis 
185H  8  120  450  Ryo  p  prägt.  Gleichzeitig  nahmen  die  Silbor- 
prügiingcn  immer  mehr  zu.  Von  1818 — 1837  sind  ftir  16  600  OOO 
Ryo  Ein-  und  Zweishu  StUeke.  von  1837—1854  ftir  10  729  000 
Ryo  Bustücke  geprügt,  aul'serdeui  in  der  ersten  Periode  gegen 
850000  kg,  in  der  sweiten  gegea  680000  kg  gestempeltea 
BarrensOber  ausgegeben,  Übrigens  von  immer  geringerer  Femheit 
(zuletzt  nur  ein  Viertel).  Bei  der  Silberprügnng  war  dabei  daa 
Silber  im  \'erhältni8  zu  Gold  immer  höher  angesetzt  worden 
(vj^l.  obe'n  Ö,  61).  Seit  etwa  18:U»  betrug;  die  Wertrelation 
l  zu  5.  Der  hohe  Gewinn ,  den  die  Re^^ierun^^  dabei  niaclite, 
erklärt  zum  Teil  die  starke  Vermehrung  der  Silb<  raus{)rii^uii^en. 
In  den  eil"  Jahren  1832 — 1842  allein  sollen  an  den  verschiedenen 
MOnzoperAtlonen  7558  000  Ryo  .yerdient"  sein.  Doch  scheint 
mir  ans  der  angedeuteten  Entwickeinng  doch  auch  hervorzugehen, 
dafs  neben  dem  Wunsche,  durch  Geld  Verschlechterung  Uber 
momentane  Geldverle^^enheiten  wegzuhelfen,  thatsächUch  der  vor- 
handene Münz-vorrat  ftlr  die  wachsende  wirtschaftliche  Ent- 
wickelung  zu  klein  war  und  dies  sieh  in  Verteuemnp:  des  Ui  Ides 
äufserte.  Schon  zu  einer  Zeit,  als  das  Land  noch  vom  fremden 
Verkehr  so  gut  wie  abgeschnitten  war,  erschien  die  Goldwährung 
unhaltbar.  Neben  das  in  ungenügender  Menge  vorhandene  Gk»la 
trat  mehr  und  mehr  Silber.  Ältere  Leute  ▼ersichem,  dals  die 
grttiseren  Goldmünzen  im  Verkehr  um  die  Mitte  des  Jahiiiunderts 
nur  wenig  vorkamen.  Die  häufigen  Verschlechterungen  enier- 
seits,  das  Steigen  des  Geldwerts  anderseits  mufsten  die  Neijrung 
zum  Thcsanrieren  erheblich  verstUrken  Thatsiichlich  vollzog 
sich  also  seiion  vor  der  Ankunft  der  l^Vcnideii  der  Übergang  zur 
vorwiegenden  Benutzung  von  Silber  als  Münzmetall,  ein  bime- 
tallisches System  mit  künsthch  tlborhöhtem  Silberwerte,  wie  es 
in  dem  isolierten  Handelsstaate,  den  Japan  darsteUts,  durchfikhr- 
bar  war,  wozu  wir  aber  ein  gewisses  Analogon  doch  auch  heute 
in  den  Ländern  der  „hinkenden**  Doppelwährung,  namentlich 
in  der  Lateinischen  Union  sehen. 

Im  .Jahre  1841^  schätzten  die  Finanzbeamten  der  Regierung 
in  Yedo  den  Geldundauf  an  Gold-  und  Silbermünzeii  auf  gut 
27  MilUonen  Ryo  (g^en  120  Millionen  Yenj,  auiser  etwa 


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161 


850  000  kg  gestempelten  Silbers,  wohl  eher  zu  niedrig  als  zu 
liocli.  Dabei  ist  zn  Deichten,  dals  in  einem  erheblichen  Teile  des 
Landes  überhaupt  kein  Metallgeld  (aul'ser  Kupfrrmlinzen)  um- 
lief, sondern  nur  Papier.  Die  Anfange  des  PapicrEcides  in  Japan 
gehen  ziemlich  weit  zurück,  auf  den  Kaiser  (Jodaigo,  der  sich 
auf  diesem  Wege  die  Mittel  zum  Sturze  der  Rezierung  in 
Kmnakiira  beacbm  haben  soll  (1886).  Unter  der  Tokugawa- 
Henrschaft  wird  der  Fürst  ▼on  Echizen,  Matsudatra  Tadamasa, 
als  der  erste  genannt,  welcher  in  der  Periode  Kwambnn  (1661 
bis  1672)  mit  Erlaubnis  der  Centrairegierung  Papier  ausgaben 
habe.  Um  1700  wurde  die  Ausgabe  von  Papiergeld  f^anz  ver- 
boten, jedoch  1730  wieder  gestattet,  wenn  es  binnen  15  bis  25 
Jahren  je  n.u  h  der  (_>röl'se  des  Daimyats  -  wieder  eingezogen 
würde.  Die  verscixiedenen  Versuche  späterer  Zeit  (1755,  1759, 
1836),  die  Notenausgabe  eiDsaschrflaken,  haben  wenig  gentttat 
Ii  den  Daunyaten  des  Südens  und  Westens  war  um  1850  nur 
mehr  Papier  zu  sehen. 

So  standen  die  Dinge,  als  im  Juli  1859  die  Häfen  dem 
fremden  Verkehr  geöffnet  wurden  Nur  widerstreben rl  hatte 
man  den  fremden  Unterhändlern  bewühgt,  dafs  man  den  fremden 
Kaufleuten  für  ihre  Geschäfte  Gold-  und  Silbermünzen  dem 
Gewichte  nach  umtauschen  und  die  Ausiulii  von  Silber  und 
€K>ld)  ^mllnst  und  ungemttnzt,  zulassen  werde;  Zunldnt  glaubte 
man  sush  durch  Kunststücke  im  alten  Stile  helfen  au  können, 
indem  man  eine  eigene  SÜbermttnse  prägte,  welche  im  Verkehr 
mit  «len  fremden  Kauf  leuten  gebraucht  werden  sollte,  eine  Münze, 
soviel  wog  wie  ein  hnlhor  Silberdollar  (Mexikaniseher 
Tiiister),  nicht  ganz  soviel  wert  war  und  die  man  „Ni-Shu" 
(2  Shu  =  V  2  Bn)  stempelte.  Damit  wäre  ein  Dollar  gleich  einem 
Bu  (ichibu)  gewesen,  während  der  wirklich  geprägte  Bu  nur 
etwa  85  Gents  wert  war.  Gleichzeitig  wurde  der  Goldkoban 
aufs  neue  verschlechtert  und  auf  den  Wert  von  Syfto  Goldjen 
herabgesetzt  ^  Hätten  sich  die  Fremden  dem  Plane  gefUgt,  so 
war  der  MetallbesitB  des  Landes  geschtttst,  denn  in  QoB  er- 
hielt der  Fremde  fUr  vier  Dollar  einen  neuen  Koban,  der  nicht 
dreiundeinhalb  Dollar  wert  war ,  in  Silber  erhielt  er  tür 
einen  Dollar  zwei  Ni-Shu-StUcke,  die  nur  etwa  90  Cents  Wert 
hatten.  Die  Fremden  hätten  also  an  den  mitgebrachten  mexi- 
kanischen Piastern  nur  verlieren  können.  Die  fremden  Kauf- 
leute aber  waren  kerne  gefugigen  demütigen  Weeen,  wie  die 
iapanisehen  HJtndler.  Sie  bestanden  auf  ihrem  Schein  und  ver- 
langten {\Xr  ihre  DoUan  wirkliche  im  Lande  gangbare  Silber* 
mUnzen,  Bustttcke^  von  wekihen  die  älteren  0,841  (Soldyen  wert 


>  Der  Ansei-Kobau  wiegt  2,298  Momme  (8,ei  gr),  hat  550  Teile  Grold, 

4  Teile  Silber.  Dtp  :i1tereii  Tempo-Koban  wuriäen  einperufen  und  fUr 
llKj  alte  107  neue  gezahlt,  während  in  Wahrheit  100  alte  gleich  124,u 
neuen  Koban  wsvsa« 

FoncbuDgen  (tf)  X  4.  -  lUtiweQ.  11 


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162 


X4. 


und  fast  reinos  Silber  (991  Teile)  waren.  Die  seit  1859  ge- 
prägten waren  803  fein  und  0,8i2  Yen  wert.  Auf  einen  mexi- 
kanischen Dollar  gingen  von  diesen  lUi.  Vier  solcher  Bu- 
stücke, also  V  4  bis  P/3  Dollar,  waren  nun  in  .lapan  gleich  einem 
Kobun,  von  denen  die  älteren  4,3-,  die  neuen  3,5o  Goldyen  (bei- 
nahe ebenBoykle  Dollars)  wert  wajreo.  In  dem  Eifer«  Koban 
za  kanfen,  boten  die  Fremden  bald  ein  Aufgeld,  so  dafs  bald 
6  und  8  Bu  für  den  Koban  geboten  wurden.  Aueli  so  blieb 
das  Geschäft  ausserordentlich  gewinnbringend  Die  japanische 
Regierung  aber,  die  mit  Schrecken  preise  Mengen  Gold  aus  dem 
Lande  gehen  sah.  erklärte  bereit  im  November  1850,  dals  sie 
sicli  iia  den  Vertrag  nicht  mehr  binde,  und  stellte  den  Wechsel 
ein.  Die  direkte  Bedeutung  der  vielbesprochenen  Koban- Ausfuhr 
kann  so  sehr  grofs  nicht  gewesen  san.  IlUn  bedenke,  daft  sie 
nur  vier  Monate  lang  möglich  war.  Die  höchsten  Schttteungen 
ruhiger  Beobachter  gehen  auf  eine  Million  StQok|  rund  Tier 
Millionen  Yen  ^  Auf  die  grofsen,  indirekten  Wirkungen  jener 
Vorgiln^^e  habe  ich  oben  (S.  62)  Hiifmerksam  gemacht,  wo 
auch  sehon  erwiümt  ist,  dafs  die  hohe  Bewertunt:  des  Silbers 
auch  die,  allerdings  nicht  erlaubte,  Ausfulu*  von  KuptermUnzen 
nach  China  iuhucaJ  niachte. 

Anfimg  1860  gingman  unter  dem  Drucke  der  Umstände 
zu  einem  ganx  neuen  Währunf^nrerhAltnis  fAier,  indem  man  neue 

Goldmtlnaen  unter  den  alten  Namen,  aber  von  viel  geringerem 
Gewichte  ausgab,  so  da&  swischen  den  Bustücken  von  1859 
und  den  neuen  Koban  ein  ertverhältnis  von  etwa  1  zu  15 
her^'estellt  wurde.  Der  neue  Ryo  (Manen  -  Koban) ,  574  Teile 
Gold,  i),sH5  Momme  (3,8i  gr)  ^iciiwer,  liatte  einen  Wert  von  1 ,30 
Goldycn  (5,44  Mark),  viei*  Bustücke  einen  solchen  von  1,26 
Goldyen.  Die  filteren  Qembun^Koban  (5,7«i  Yen)  sollten  3  Ryo 
2V's  Bu,  die  neueren  Ansei -Eoban  (3,5o  Yen)  2  Ryo  2'v4 
Bu   gelten.     Alle    alten    Zahlungsverpflichtungen    auf  Ryo 


waltsam  eine  solcbe  Schuldenabwülzung  war,  so  hatte  man  nun 
vVf  ni^^stens  ein  der  übrigen  Welt  äimliches  Wertverh.tltnis  Ohne 
erliebliche  Stönin^en  wäre  man,  nachdem  der  erste  iStulis  über- 
wunden war,  allmählich  zu  der  im  übrigen  Osuisien  herrschenden 
ausschlierslicben  SUberwährung  gekommen^.    So  ruhig  sollten 


'  Japanisc'herscits  ist  die  Sache  stets  stark  riberlrioben.  Ob  ili»' 
Behauptung,  dafs  in  Hongkong  Hustücke  gemacht  und  nach  Japan  ge- 
bracht seieD,  riebtig  ist,  kaim  man  wohl  b«swdfeln.  —  BeseSchnend  Ist 
flbrigens,  dals  in  dem  erwähntt  ii  japaniachen  I?i'riclit  ..IHstoiy  of  Japanese 
Currency^  der  Versuch,  die  Fremden  mit  dem  grofsen  Zweisbü-btück  sn  be- 
schwindeln, totgeschwiegen  wird. 

^  In  den  gcöfiiieten  Häfen  benutzte  man  mexikanisehe  Dollars.  Da 
diese  im  Lando  niPTPHTid,  die  japanische  Kegierung  auch  nur  mit  erln-b- 
lichem  Diskont  annaiim,  galten  sie  lange  Zeit  nur  2  Bu  und  haben  erst 
allmählich  ihreo  wirklichen  Wert  (von  %u  Bu)  erreicht 


konnten  in  dem  neuen  kleinen 


werden.   So  ge- 


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X  4. 


163 


«ch  aber  die  Dinge  nicht  entwickelii.  Zunächst  sachte  man  an 
•der  neaen  OoldmUnse  eineii  weiteren  Gewinn  zu  machen,  indem 
man  in  noch  ausgedehnterem  Mafse  als  bisher  unterwertige 

kleinere  Goldmünzen  ausprägte,  den  bertiditi/^^ten  Kibu-Kin 
(Gold-Zweibu),  der  statt  0,t,-.  nur  O.r.4  Goldyen  wert  war.  In 
<ler  drängenden  Not  der  nächsten  Jalire  verschlechterte  man  ihn 
aber  heimlich  noch,  ebenso  auch  die  silbernen  Bustücke,  so 
dafo  die  Verwirrang  immer  mehr  zunahm.  In  der  Tarifkon* 
▼ention  von  Yedo  (1866,  S.  66)  setzten  die  beteiligten  fremden 
Vertreter  das  Versprechen  einer  gründlichen  Neuregelung  der 
Mttnzverhältnisse  durch.  Doch  sdite  es  unter  der  alten  Regierung: 
zur  Ausfuhrung  nicht  mehr  kommen  Von  1860  bis  1807  sind 
an  neuen  Goldmünzen  53240576  Ryo  geprMgt,  von  1859  bis 
18G7  an  neuen  Silbermünzen  28  4^0  900  Ryo 

Als  die  alte  R^erung  zuaauuueD brach,  stieg  die  Verwirrung 
auf  den  Gipfel.  Die  neue  Re;;terung  selbst  prägte  bis  zum 
Man  1869  unterwichttges  Geld  (8680000  Kyo  Nibu-Kin, 
2240000  Rjo  SilbemiUnzen),  und  eine  Rohe  von  Daimyos  fingen 
nun  auch  an,  sich  dieses  Mittels  zu  bedienen,  waa  iimen  erst  im 
Oktober  1800  unter8afj;t  wurde  und  auch  dann  nur  mit  mäfsigem 
ErfoffTC.  Wieviel  überhaupt  damals  geprägt  ist,  läfst  sich  nicht 
fesibtellen.  Natürlich  tielen  aie  verdächtigen  Münzen  und  schwankten 
stark  iui  Wert.  Zeitweise  fiel  der  Bukurs  auf  450  für  100 
Dollars  (statt  31  Ij.  Auf  die  dringenden  Vorstellungen  der 
fremden  Vertreter  stellte  man  die  eigene  Ausmttnzung  ein,  suchte 
die  echten  von  den  „fidschen"  (d.  h.  von  den  Daimjos  ge* 
eehlagenen)  durch  Stempelung  der  Pakete  gesondert  zu  halten 
und  cntschlofs  sich  schliefslich  (27.  August  1869)  alle  im  Besitz 
von  Freiii»1<'n  befindliehen  Nibri-Kin  e!n/ul(5sen.  Teils  durch  die 
Erötinun;::  der  neuen  Münze.  t(  i!s  (Imrli  flic  Ausgabe  des  neuen 
Staats) »apier^jeldes  sind  dann  die  allen  (told-  und  SilbermUnzen 
verhältnismalfeig  rasch  aus  dem  Verkehr  gebracht. 

Vor  Neuregelung  der  Mttnsverhältnisse  scbätstedie  Rcfi;ierun£r 
die  Hohe  des  Geldumlaufs  auf  04  Millionen  Byo  Gold  und 
50  Millionen  Ryo  Silber,  susammen  etwa  148  Millionen  Yen, 
wovon  aber  sehr  viel  unterwertig  gewesen  ist.  Femer  etwa 
6  Millionen  Yen  Kupfer,  Bronze.  Eisengeld  f  ricl  zu  niedrig)  und 
etwa  30  Millionen  Ryo  Papiergeld  der  Dainiyate  etc.  (210 
Daimyos,  14  Hatamotos.  auch  bereits  12  der  neuen  Verwaltungs- 
bezirke hatten  Noten  ausgegeben)'.  Dazu  kam  dann  das  neue 
PiujK  igeld  der  kaiserlichen  Regierung  (bis  Eode  1871  55*  s 
MiÜioneD  Yen). 


'  Im  Nordpn  waron  nur  unbedeutende  BetrSge  aus^eprcben  fm  Au^dt 
1871  hatten  5  Han  mehr  als  eine  Million  Yen  auss'U'hfn,  au  der  Spitze 
Hjgo  mit  1943000,  dann  Kaga,  Choehn,  Awa  und  Rii.  Eine  balbo  bis 


164 


X  4. 


Bereits  1868  beschlof»  die  neue   Regierung ,   ein  gans 

neues  Münzsystora  nach  fremdem  Muster  einzAifiihren,  aocb 
kam  man  über  allgemeine  Versprechungen  bis  Ende  18(5!'  nicht 
hinaus.  I  )a  endh'ch  wurde  di»- Errichtung  einer  Münze  i[i  Osaka 
in  Angriß'  geiiomiaen  und  die  GrundzUge  de«  neuen  3iuu/.isystem» 
veröffeutlicht  (Dezember).  Das  wesentliche  darin  war,  dalii  man 
höchst  vemflnftiger  Weise  den  In  sans  Ostaaien  als  HandeU- 
müDze  geltenden  mexikanischen  Silberdolüur  unter  dem  Namen 
Yen  au  Onmde  legte^  eingeteilt  in  100  Sen  und  1000  Rin,  der 
zu  10  fein  im  Oewicht  von  410  grains  troy  ausgeprägt  werden 
f*o\\te.  Fernr  r  sollten  bilberscheidemünzen  zu  ^'  n»  fein,  Kupfer- 
münzen und  tioldraünzen  geprägt  werden.  l)ie  letzteren  (10 
Yen  =  248  grains)  sollten  aber  nicht  Couranimünze  sein.  Man 
ging  also  entschlossen  zu  der  Japans  Handelöverhältnissen  einzig 
entsprechenden  Süberwahrung  Uber.  Hierin  dürfte  wohl  der 
Einnufs  der  damals  in  nahen  JBesiehungen  amr  R^erung  stehen- 
dea.  Oriental  Banking  Corporation  zu  erkennen  sero,  der  ältesten 
und  damals  einflufsreichsten  der  englischen  Überseebanken.  Im 
November  1^70  fin^  die  neue  MUnze  unter  der  Leitung  tüchtiger 
englischer  Angestellter  an  zu  arbeiten.  Aber  kaum  war  .««ie 
im  (rang,  als  man  plötzlich  den  bisherigen  Plan  umwart  und 
bescblofä,  die  Goldwährung  einzuführen.  Es  ist  richtig,  dals 
Japan  nnprttnelich  Goldwtthrung  gehabt  hatte.  Wir  hab^  aber 
gelehen,  dab  »hoD  ,»r^öW  der  H«f«n  immer  mehr 
Silber  in  Umlauf  kam,  dals  auch  die  (ioldmUnzen  zum  Teil  aus 
Silber  bestanden,  die  grofsen  zu  V'a  bis  ^2,  die  kleinen  zu  ^  4. 
Seit  öf?Tmnir  (h'v  H-ifen  war  ftir  die  franze  internationale  wirt- 
schaftliche Stellung  .'  i{)  ins  das  Silber  mafsgebend  geworden  und 
erhebliche  Mengen  bilber  waren  allmählich  in  das  Land  einjT-c- 
drungen.  (Bis  18(58  war  die  Warenausl'uhr  erheblich  giöfscr  als 
die  Ebifuhr.)  Selbst  wenn  gesunde  Währungsverhllttnisee  be- 
standen hätten,  wäre  die  Aofirechterhaltung  einer  in  Ostaeien  iso* 
lierten  Goldwährung  kaum  möglich  gewesen.  Die  einheimieche 
l'roduktion  von  Gold  wie  Silber  war  zu  unbedeutend,  um  emst- 
haft nach  irgend  einer  Seite  ins  Gewicht  zu  fallen.  So  wurde 
man  durch  die  ün^visscnlieit  ;mi<  rikanischer  Katgeber  und  die 
eigene  kindliche  GrolHmannssneht  verftthrt  sich  durch  Einftihrung 
der  Goldwälurung  als  vorgeschrittener  Kulturstaat  zu  dokumen- 
tieren. Im  Mai  1871  ^  wurde  also  die  Silberwährunff  atifgegeben 
und  das  Zwanzigyen-Stttck  von  30  gr  Feingold  aur  Wäh* 
rungsmttnze  erhoben.  Silbeiyen  sollten  nur  aiS  Verlangen  ge- 
prägt werden  und  nur  dem  auswärtigen  Handd  und  der  Zoll- 


eine  Million  Stauden  noch  bei  ^  Han  aus,  Tosa,  Satsuma,  Hizen,  Aki, 
Echizen,  Clukasen,  Tsu.  Busen  und  Inabk.  rat  alle  Oenamiten  waten 
Hauptgegner  des  JBakufn! 

'  Den  unmittelbaren  Anetofä  gab  eine  Denkschrift  des  damaligen 
sweiten  Viee-Fi&aaaiiunisten  B.  Ito  Tom  18.  Januar  1871, 


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X  4. 


165 


Zahlung  dieneri;  im  (Ibrigen  nicht  gesetzliches  Zahlungsmittel 
sein.  Bei  den  Zöllen  wurden  100  Silberyen  —  101  Goldyen 
cresetzt.  Die  sofort  von  dvn  fremden  Banken  erhobenen  Vorstellungen 
wHicn  nicht  im  stände  ein  Experiment  zu  verhindeni,  welches 
■den  japanischen  Staat  viel  Geld  gekostet  hat  und  niemals  wirk< 
lieh  zar  Durchfilhrung  gekommen  ist. 

Am  27.  Juni  1871  wurde  bekannt  gemacht,  daÜB  vom 
2.  August  an  Gold  und  Silber  vom  Publikum  zur  Ausmttnzung 
angenommen  werde.  Im  Volke  b^egncte  die  neue  Münze 
groisem  Mil'strauen,  was  nach  den  früheren  Erfahrungen  bei 
Miinzänderungen  und  der  ganz  ungewohnten  Form  des  Geldeö  * 
wohl  begreiflich  ist.  Die  Absicht  der  Regierung  war,  binnen 
10  Jaln-en  250  Millionen  Yen  zu  prägen^,  was  man  als  den 
Bedarf  ansah.  Die  alten  kleinen  BronzemUnzen  liefe  man  in 
der  Hauptaacbe  im  Verkehr.  Die  übrigen  alten  Münzen  und 
das  Papieif^eld  der  Daimyate  wurde  nicht  sowohl  durch  die 
neuen  Münzen  als  durch  das  Staatspapiergeld  der  neuen  Regie- 
rung verdränf];!.  Bis  auf  den  heuti'^'rii  Tag  lUuft  von  dem  neuen 
Oelde  wirklich  um  nur  Scheideuiünze,  aus  Kupfir  und  Silber. 
Statt  der  giölseren  Münzen  findet  man  im  Umlauf  ausschlielshch 
Papier,  Staatspapiergeld,  Nationalbauknoten,  ueuerdiugs  die  Sil- 
bemoten  der  Reichsbank.  Die  neuen  groben  Silber-  und  die 
Goldmünzen  sind  teils  ausgeftlhrt^  teils  uegen  sie  im  Barschatz 
•der  Reichsbank.    Manches  ist  wohl  auch  thesauriert. 

Die  Ausgabe  des  Papiergeldes  wird  eingehender  in  anderem 
Zusammenbar!<r  gewürdigt.  Hier  nur  kurz  die  Thatsachen  im 
Zusammenhang  mit  der  Entwickelung  dfs  Münzwesens.  Teils 
um  die  eiprenen  licdürfnisse  in  den  ersten  ungeordneten  Jahren 
zu  d^kcn,  tciU  um  die  von  den  Daimyateii  ausgegebenen  2s^oten 
zu  beseitigen,  wurde  Staatspapiergeld  ausgegeben,  welches  ESnde 
1872  den  höchsten  Betrsg  YOn  99360554  Yen  erreichte  (wovon 
ein  Vierth  zur  Einziehung  der  Han»Noten).  Bis  zum  30.  Juni 
1876  hatte  man  das  um  ein  wenig  vermindert,  auf  94054731 
Y"Ti.  Die  AusninnTümg  von  Gold  hatte  nvm  inzwischen  kräftig 
m  die  Hand  genommen,  allein  1872  und  1873  waren  jjut 
44  Millionen  Goldyen  geprägt  wonlen.  Das  Tempo  li'-rs  aber 
rasch  nach.  Im  Finanzjahr  1875  7()  prägte  man  nur  mehr 
382  000  Yen.  Bis  zum  30.  Juni  1876  sind  im  ganzen  nur 
Ausgabe  gelangt  rund  50600000  Qoldyen.   Dagegen  sind  an 


'  Die  neuon jMiinzen  f^ind  in  Form  und  Herstellungsart  ganz  den 
europaiacheii  gleich.  Die  alten  Japanischen  gröfseren  Goldmiinxen  sind 
länL'lu  li  mnd,  die  kleineren  und  die  Silbermünzen  länglich  viereckig, 
Kupfer-  etc.  Miin?:en  teils  länglich,  teil?  n-nd,  mit  einem  Loch  in  der 
Witte,  um  sie  ftuizureihen  zu  ^tr&ogen'  von  bestiminter  Münzenzahl. 

■  TbatsSohlieh  sind  bis  zum  31.  MSn  1888  gut  161  Uniiooea 


166  X  4. 

Gold  ausgeführt  von  1872—1876 '  nach  der  Zollsmiwük  2900U  (  M  h> 
Yen  in  Gold,  denen  eine  Einfuhr  ron  nur  2  700  000  Yen  gegen- 
übersteht, während  die  Produktion  dieser  5  Jahre  zusammen 
sicher  eine  Hillüoii  nicht  erreicht  hat  In  dem  Malse,  wie  der 
Regierung  das  Gold  zum  Prilgen  aiugiDg  und  das  gepiügt» 
Gold  vcrschwandi  mulstelhr  klar  werden,  dals  die  Durchf\lhining 
der  Goldwährung,  während  man  in  der  Papierwirtschaft  .stt'ckte, 
uniimolicli  war.  Vom  1.  Juli  1870  bis  zum  ^1  März  1889 
bind  nur  melir  rund  100000  Yen  L'-eniünztcs  iTold  zur  Aus- 
gabe gelangt,  welches  meist  auf  Privatrechnung  geprägt  war. 
Der  Abdufs  von  Gold  auA  dem  Lande  wurde  dagegen  durch  die 
gleich  wa  erwälmende  Vermehmng  papierener  Umlaufeinittel  nodi 
befördert.  Die  12  Jahre  1877  bis  1888'  teilen  sich  angemessen 
in  drei  Perioden.  1877 — 1880:  Vermehrung  des  Notenumlaa% 
1881—1884:  Geld krisis,  1885-1888;  Auftiahme  der  Barzah- 
lungen Die  Aus  und  Einfuhr  imd  die  einheimische  Produk- 
tion von  Gold  verläuft  dann  folgendermafsen  in  runden  Zahlca 
in  Yen: 

Ausfuhr       Einfulir'  Produktion 

1.  Periode     ^1 400000     1  115000       ca.    750  UOO 

2.  Periode  5990000  1  890000  ca.  800000 
^.Periode      1890000    4  280000      ca.  1025000 

Für  die  ganxe  betracfatele  Periode  wttrden  ndi  also  die  Zahlen 
80  stellen: 

(bis  Är.8«9)  ^«'^«0«« 

Einfuhr     )  1872  9995  000  - 

Produktion}  bis  3  500000  - 

Ausfuhr     I  1888  58620000  - 

Goldreserve 

der  Reichsbank  14752000  - 
(4.  Januar  1889) 


>  Leider  giebt  es  vor  1872  nicht  einmal  Zollbausangaben  über  die 
Aus-  und  Ehifttlir  vod  Edelmetatleii,  die  doch  u  euigstens  einen  gewissen 
Anhalt  bieten,  ao  nnvollkoiiimeii  de  namentlicli  für  die  frühere  Zeit  sein 
mögen. 

*  Die  Ein-  und  Ausfiihr  des  Jnhres  1889  bleibt  lüer  unberfiGksiclitigt, 

um  mit  der  An^^niunzung  möglichst  gleiche  Zeiträume  soaSlDniensaBteUen. 
Die  Zahlen  für  If^/^JJ  in  der  Anmerkung  zu  8.  170. 

•  Die  Zollstatistik  ergiebt  niedrigere  Ziffern,  da  sie  den  \'erkehr  mit 
Korea  erst  Beit  dem  Febnuii  1<H4  berücksichtigt.  Aus  den  Statistischen 
Jahrbüchern  (namentlich  Vlll  '.'i-^t  l>t  die  koreanische  Kintuhr  seit  1879 
oben  mit  eingerechnet.  Diese  Zaltleo  sind  allerdings  wieder  etwas  zu  hoch» 
da  sie  den  Wert  der  Einfuhr  aus  Korea  in  japanischer  LandeswXlining, 
d.  h.  Papier,  angeben.  Doch  dürfte  das  durch  die  nicht  kl  irirrte 
Einfuhr  von  Golustaub  miudesteus  au^^lichen  werden,  l-ür  die  Jahre 
1877  und  1878  habe  ieh  Angaben  Uber  oen  Vericehr  mit  Korea  —  der 
Handelsvertrag  zwischen  Korea  und  Japan  stammt  von  1876  —  nicht 
erhalten  können.   Sehr  bedeutend  dürfte  er  nicht  gewesen  aein. 


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167 


Aiilsordoin  warder  Staatsachatz  im  Besitz  von  GoMvorritten, 
deren  Betrag  nicht  genau  bekannt  ist  ca.  Ii)  MiUionen  Yen?) 
und  welche  seitdem  wohl  ganz  der  Reichsbank  verkauft  sind. 

Machen  die  Zahlen  auf  grofse  Genauigkeit  keinen  Anspruch, 
80  atiminen  äe  doch  leidlich  zusammen 

Dem  Fiasko  der  Goldwährung  folgte  ein  zweites  ebenso  un- 
vernünftiges Projekt,  gleichfalls  auf  anirrikanische  Einflüsterungen 
znrückc;enend  In  den  Vereinirrton  St mten  Itatte  man  1873  .*in- 
getangen ,  eine  silberne  Hainleisniiui/.L'  z.u  schlagen,  den  Tr.ide- 
l>oliar,  der  mit  einem  Hewielit  von  420  grains  eine  Kleinigkeit 
schwerer  als  der  mexikuniriche  Piaster  ausgeprägt  wurde.  In 
Japan  &fete  man  den  kühnen  Plan,  dnaem  Beispid  au  folgen 
(Mära  1875).  Vollaog  sich  in  den  offenen  Hafen  aller  Handels- 
verkehr aunchliefslich  auf  der  Basis  von  8ill>er,  so  wollte  man 
doch  den  mexikanischen  Piaster,  dessen  Vorherrschen  man  als 
eine  Art  Demütigung  ansah,  verdrJlngen,  indem  man  eine  besse  re 
schwerere  Münze  an  seine  Stelle  setzte,  den  Trade  Dollar  von 
420  grains.  Der  Krfol^  war  -so,  wie  alle  Sachvei^ständigen  vor- 
hersagten. Der  Trade-Dollar  wurde  von  den  chinesischen  Geld- 
wechslem  schleunigst  aufgekauft  und  eingeschmolzen,  während 
der  mexikanische  Piaster  ungestört  seine  Herrschaft  behauptete. 
Noch  im  Mai  187-  besetze  12  und  13  v  mi  27  Mai)  machte 
man  einen  leisten  Versuch,  den  neuen  Trade-Dollar  zur  Herr- 
schaft zu  bringen ,  indem  man  ihn  zum  gesetzlichen  Zahlungs- 
mittel gleich  dem  Ooldyen  erhob,  ül)^leieli  er  durch  die  fort- 
schreitende Elitwertung  des  Silbers  auf  dem  Weltmärkte  damals 
bereits  einen  geringeren  internationalen  Wert  liatte  als  der  Gold- 
jen. Da  im  Lande  weder  Goldyen  noch  Trade-  Dollars  umliefen, 
sondern  ausschliefslich  Papier,  welches  gerade  damals  anfing  sich 
zu  entwerten,  so  half  die  Ma(sregel  dem  Trade-Dollar  weiter 
nichts,  und  bereits  am  26.  NoTemher  1878  (Oesetz  Nr.  35)  gab 
man  den  fremden  RatsehlMgen  nach  und  nahm  die  Prilgung  des 
dem  Mexikaner  gleichen  Silberyen  wieder  auf.  Von  den,  übri- 
gens spurlos  verschwundenen,  Trade- Dollars  hatte  man  zusammen 
nur  30;>0  638  Stück  in  Umlaut  gebracht.  .Jener  Krlals  vom  Mai 
1878,  ohne  Folgen  für  den  Tradc-Dollar-Traum .  hat  aber  in 
anderer  Richtung  eine  groise  Bedeutung.  Der  Silberyen  war 
ak  gesetaliches  Zanlungsmittei  dem  Goldyen  gleichge* 
stellt^  mit  anderen  Worten:  man  war  zum  Bimetallismos  Uber- 
gegangen. Da  man  das  Gold  nicht  halten  konnte,  war  das 
tliatsMchlich  gleichbedeutend  mit  dem  (Übergang  zur  Silberwährung. 
A\  egen  der  Papiergeldwirtschaft  hatte  das  zunächst  nur  tlieore- 
tiache  Bedeutung.    Aber  es  mulste  praktisch  aufscrordentiich 


I  \vjp  rrrofi  dpi-  nicht  ganz  unerhehliche  (ioMverbniucli  lu  der  japa- 
nischen Kuuätiuiiuätne  ist,  kann  ich  nicht  angeben.  In  dem  gröldercn 
Tdl  der  in  Betracht  kommenden  Zelt  dürfte  er  aus  altem  Material 
gedeckt  sein. 


168 


X  4. 


wichtig  werden,  sobald  man  aur  Aofbahme  der  BarzaliungcD 
ttbergeben  wollte.  Es  ist  eme  gans  sonderbare  Erschemung,  dab 
die  grofse  I  jedeutuDg  des  damals  erfolgen  Schrittes  nicht  die  geringste 
Aufinerksamkeit  erweckt  hat,  ja  dais  er  marsgebenden  Finanz^ 

beamten  in  seiner  Tragweite  nichf  kl^r  gewesen  zu  sein  scheint. 

Thatsächlich  hatte  man  zunäciist  genug  zu  schafieu  mit  (]rn\ 
Papiergeld.  "Wie  erwähnt,  liefen  davon  1876  nach  amtlicher 
Angabe  94  Millionen  Yen  um.  Im  Jahre  darauf,  Februar  1877, 
bnä  der  grofiie  Au&tand  in  Satsuma  ans.  Zur  Deckung  der 
Kosten  war  man  genötigt,  auft  neue  Papier  aussugeben.  An- 
fang 1878  wurde  bekannt  gemacht,  dafs  (I<  r  Papiemmiauf  um 
27  Millionen  Yen  vermehrt  sei.  Thatsächlich  sind  aber  um  jene 
Zelt  gut  22  Millionen  mehr  ausgegeben*.  An  Staatspapiergeld 
waren  also  im  Umlauf  thatsächlicli  gegen  144  Millionen,  offiziell 
121  Millionen  Yen.  Aber  nicht  genug  damit,  erfolgte  seit  1871 
die  Ausgabe  von  Nation  albanknoten.  In  Staatspapiergeld 
einlöslich,  durch  Staatsschuldscheine  gedeckt,  bedeuteten  sie  eine 
rdne  Vermehrung  des  in  Metall  uneinlösfidien  Papiers.  Es  ist 
die  bedenklichste  Mafsregel  in  der  Wfthrungspolitik  der  neuen 
Regierung,  noch  einmal  eine  mifsverstttndliche  Befolgung  amerika- 
nischer \  orbilder.  Den  Höhepunkt  erreichte  diese  Notenausgabe 
am  30.  Jnni  IBöO  mit  3441^000  Yen,  so  dafs  1^80  lOO  bis 
170  Millionen  Yen  Papier  umliefen.  Das  ungeheure  Agio  auf 
Metall  zeigte  rasch  die  Gefahr,  in  der  man  sich  beland,  und 
führte  zu  einer  Finanzpolitik,  in  welcher  jahrelang  der  ganze 
Schwerpunkt  in  der  Beseitigung  der  ttbennärsigen  Papierausgabe 
lag.  </Ü8  am  1.  Juli  1885  der  Parikurs  so  gut  wie  hergestellt 
wai^  so  daft  man  zum  1.  Januar  1886  die  Aufiiahme  der  Bar- 
zahlungen ankündigen  konnte,  war  die  heimliche  Papierausgabo 


an  Natiomdbankiifiten  noch  30V  2  Millionen  im  Umlauf,  man  stand 
also  immer  n  ^  h  um  26  Millionen  ungiin8tjß;er  da  als  nach  den 
amtlichen  Angaben  von  1876.  Bis  zum  1.  Jauuar  1889  iät  dann 
die  Menge  des  Staatspapieigeldee  auf  46679000.  die  der  National- 
banknoten auf  27679000  aurackgegangen',  nicnt  mehr  die  HAlfke 
des  Bestandes  von  1880. 

Als  die  Begienmg  erklärte,  vom  I.  Januar  1886  das  von 
ihr  ausgegebene  Papi'Tgeld  mit  Silber  einlösen  zu  wollen,  7.ncr 
si<'  die  Konsequenzen  der  1878  theoretisch  erfolgten  OlcichstdUmg 
des  Öilbeiyen  mit  dem  Goldyen  als  gesetzliches  Zahlungsmittel^. 


'  Vgl.  unten  im  dritten  Buch  den  dritten  Abschnitt  dos  ersten  Kapitels. 
Es  if?t  tiictit  ^oMflu  bekannt,  in  welcher  Zeit  die  heiinlidie  Ausgabe  er- 
folgte.   In  der  Hauptsache  entfällt  sie  wohl  auf  die  Jahre  1577  und  1878. 

■  Am  1.  Januar  1890  betrugen  die  betreffendoi  Posten  noeh 
40913  0:i'>  Yen  und  2()7:VV'ii-  Yen.  zusammen  al=o  r>7  6'>2240  Yen. 

*  Nach  den  Notierungen  auf  der  Börse  in  Tokyo  war  für  100 
Silbeiyen: 


waren  noch  beinahe  OO  Millionen, 


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X  4. 


169 


Thatsächlicli  hat  Japan  seitdem  Silberwiilinmg.  Damit  tritt  das 
♦Silber  in  den  Vordergrund  der  Betrachtungen. 

An  SUbcrmunzen  sind  ausgegeben  von  1870  bis  zum 
30.  Juni  1878  (also  bis  zur  Entscheidung  über  die  Währung) 

26  399  000  Yen, 

TOn  da  an  bis  zum  30.  Juni  1885  (Erreichen  des  Parikurses) 

28  020  000  Yen, 

Ton  da  au  bis  zum  31.  März  1889 

34  65(3  000  Yen. 
Das  mnd  zusammen  89075000  Yen. 
DayoQ  sind 

Trade-DoUars      3  057  000  Yen 
Eunren-Staoke  61895000  - 
SeheidemOnse    24124000  - 

Von  der  ganzen  Summe  aind  wieder  eingezogen  3  774  000  Yen, 
ohne  dafs  gwagt  würoi  wieviel  davon  auf  die  einsetnen  Ärtan 
Münzen  kommt  Oberwiegend  dürfien  ee  Scheidemünzen  sdn. 
Es  bleiben  an  ausgegebenen  Silbermfinzcn  rund  85300000  Yen, 

wovon  ;^'egen  21  MiiUonen  Scheidemünze, 

Vor  1872  ist  unzweitehiait  sehr  \nel  mehr  Silber  eingeführt 
als  auögetuhrt^  Teilen  wir  die  spätere  Zeit  in  die  gleichen 
Perioden  wie  bei  der  Goldausfuhr,  so  ergeben  die  amtlichen 
Zahlen  folgendes,  freilich  wohl  sehr  unvoUstttndiges  Bild. 

Aoalnbr  iSnfuhr  Produktion 

1872-1876  19 038 OOU  Yen  18 645 000  Yen  ca.  1200000  (?)  Yen 
1877--1880  22311000  -   10121000  -  ca.  1600000 

1881  1884  14151000  -  19060000  -  ca.2750OO0 
1885—1888  81 420  000    -    30  091  000    -   ca.  4  350  000 

Fttr  die  ganze  Periode  stellen  sich  also  die  amtlichen  Zahlen 
f otgendermalsen : 

Durchschnitts-   der  Sichtkura  auf 


Amerika 

90,M  Goldven 

88,70  $  Gold 

1^80 

93.04 

90,68     -  - 

89,«   -  - 

1881 

92,a» 

1882 

9l,«i   -  - 

1883 

88,94  - 

1884 

yi,'.2 

88,M    -  - 

i8a5 

86,«T 

84,1«   -  • 

80,w 

78,8Ä   -  - 

76,M 

1888 

75,76 

74,i4  - 

Ooldven  kommen  nur  in  gaas  geringen  Mengen  an  die  fiöise.  Kiiis 

auf  Amerika  in  früheren  Jahren  war  1874:  lOl^t;  1875:  08»yo;  1876: 

1877:  96,1«;  1878:  91,7». 

>  Allerdings  mit  Ausnahme  der  Jahre  der  grofeen  Reiseinfuhr  1869 
and  1870,  in  welchen  wohl  nidit  nur  Gold,  sondern  anch  Silber  ans- 
geföhrt  sein  dürfte. 


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170  X  4. 

PräguDgcn  {hiä  31.  Marz  1889)        85  30001)0  Yen 


Einfuhr 
Ftodnktion 
Ausfuhr 


1872  72  917000 

bis  ca.  9900000 


1888  86920000  - 

Silberreserve  der  BeicliBlMUik 
(4.  Januar  1889)  30271000  - 


^  Die  Zahlen  Uber  Aus-  und  EiDfulir  sind  für  die  früheren  Jahre 
wahrseheiiiUeh  viel  m  niedrig.   Die  Ton  den  englischen  Konanlaten  mit 

Hülfe  der  fremden  Banken  und  Kaufit  nie  gepanunelt^n  l>Htnn  wcii  !irn 
bis  \filk}  erheblich  ab  von  den  amtlichen  ^hlen»  entfernen  sich  dano 
aber  nicht  mehr  allzuweit 

Der  Wert  der  geaainten  EdelmetaUaiuftihr  betrag 

nach  der  Zoll-  nach  den  cngH-chen 
Statistik  Konsulatäangaben 

1872—1876      40y;iöO00  Yen         52  971  000  $ 
Der  Wert  der  Einfuhr  war 

1872-187(5      !»  105  000  -  31941000  - 

Die  Mehrauafiihr  demnach 

24  533  000  -  21036000  • 

In  diesem  Schlufscrgebnis  weichen  alao  bade  Btatistiken  nicht  sehr  er- 
heblieh voneinander  ab.  Leider  trennen  die  englischen  Rorichte  Gold 
und  Silber  nicht,  was  nach  den  auseinandergesetzten  Währungsverhält- 
nissen  unbedingt  nötig  ist. 

Von  1S72— IS78  ergeben  beide  Zahlenreitien  fiwt  die  Reiche  Hehf^ 
ausfuhr.  -10  192  000  Yen  und  4«'0«1  Ooo  $. 

Von  1877 — 1880  betrug  die  Edclmetallein-  und  -ausfuhr  nach  beiden 
Quellen 

Ausfuhr  43  771  000  Yen   47  650  000  9 
Einfuhr   112^6  000   -      11506000  - 
Die  Mehrausfuhr  betrug  aläo 

32535000  Yen  36146000  - 
In  d.  r  <;anzen  Zeit  von  1872— 1»68  sind  nach  der  ZoUetatistili  an 
Edelmetallen  überhaupt 

(einschl.  Verkehr  mit 
Korea  seit  1879; 

ausgeführt  14.5  540  000  Yen 
eingeführt    80  042  000  •    (82  912  000  Yen) 
also  mehr  aasgefBbrt  65498000  •    (02628000  •  ) 
Im  Statistischen  Jahrbuch  (VII [  304)  ist  die  ganze  Summe  auf 
Silberwertc  umgerechnet^  was  folgende  Zahlen  evgiebt  (einschl.  Edelmetall-' 
verkehr  mit  Korea  seit  1879) 

Ausfuhr  149  023  000  Yen 
Einfuhr     89  121  000  . 
also  Mehrausfuhr   .*)9  9i>2<hmi  - 

Von  der  MehrauBtuhr  cuttailen  reichlich  drei  Viertel  auf  Gold,  knapp 
ein  Viertel  auf  das  eigentliehe  Wähnm^^metall  Silber  (bei  Beräcksaäi- 
tigDiifr  von  1889  sopir  nur  etwa  ein  Zelinf  1,  nämlich  5"a  Million). 

Da  die  An^beu  über  die  AusmUnzungen  mir  nur  bis  «im  31.  März 
1889  vorliegen,  ist  die  Ein-  und  Anafiihr  des  Jahres  1889  in  den  vorlier- 
gehenrlen  Au.<ift!hningen  weggelassen.  Sie  wird  In  der  Handelastatistik 
fblgeudermafsen  angegeben : 

Gold  Mi  her  Zusammen 

Einfuhr         749  924  Yen    13  423;;2J  Yen    14  173  246  Yen 
Ausfuhr        268  009   -        4  920  Vjo    -        518,^529  - 
Mehxeinfahr  481915  -       8502802  -       8984  717  - 


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X  4. 


171 


Die  vorstehenden  Austuhrun^en  zeigen,  da(s  der  aus- 
wärtige Edelmetall  Verkehr  in  einem  sehr  hohen  Ver- 
hältnis zum  Wftrenbandei  steht,  z.  B.  1876  19  Millionen  Yen 
gegen  51  iMülionen  Yen  Warenein-  und  -ausliibr,  wie  37  zu 
100,  1888  noch  16Va  Millionen  gecen  130  Millionen,  wie  13  zu 
100.  Bis  zu  einem  gewissen  Grade  liegt  das  in  der  Natur  der 
Verhältnisse,  da  ftir  die  Abwickelung  der  Zahlungen  im  aus- 
wärtigen Handel  Japans  Kredit  und  Arbitrage  noch  eine  ver- 
bältnismäfsig  geringe  Rolle  spielen.  Der  Handel  zwischen  den 
in  den  offenen  Plätzen  wolinenden  fremden  KHuHeutcn  und  den 
einheimischen  Produzenten  und  Händlern  erfolgt  der  Kegel  nach 
nur  Mtf  der  Basis  barer  Zahlung.  Das  hat  dann  die  Folge,  dafs 
in  den  Zeiten,  in  welchen  die  fremden  Kaufleate  mehr  kaufen 
(nach  der  Seiden-  und  Theeemte,  also  im  Sommer  und  Herbst), 
sie  grofse  Mengen  Silber  brauchen,  so  dafs  Silber  aus  dem  Aus- 
Unde  (China)  eingeführt  wird.  Allmählich  kommt  das  Silber 
dann  als  Zalibmf^  tUr  fremde  Importe  in  die  tretiulen  Banken 
zurück  uiul  wird  wieder  uusgetlilirt.  So  sind  »elbst  in  den 
Zeiten  der  rapierUbertiutung  die  olleneu  Plätze  stets  Inseln  d^ 
Bartgeldverkehrs  geblieben,  als  ob  sie  Ausland  wären.  Zu  be* 
achten  ist  femer,  dafs  Zahlungsausgleichung  durch  Arbitrage 
in  Wertpapieren  völlig  fehlt  Japan  nimmt  Keine  ausländischen 
Wertpapiere  auf  und  japanische  \t  ertpapiere  sind  teils  überhaupt 
an  Fremde  nicht  verftufserbar,  soweit  sie  dfis  aber  sind,  doch 
fllr  den  internationalen  Vorkehr  wenig  brauchbar,  da  sie  auf 
Landeswälirun^%  Papier  eventuell  Silber,  lauten. 

Doch  genügt  dies  allein  nicht,  die  verbältnismälsig  so  grolsen 
Hin-  und  Herschiebunfen  Ton  Edelmetidlinassen  zu  erklaren* 
Sie  sind  selbstverständlich  hauptsächlich  durch  die  inlttndisdien 
Wähmngsverhftltnissc  verursacht.  Dabei  ist  nun  ein  doppelter 
Frozefs  zu  unterscheiden. 

Einmal  das  Verschwinden  des  Goldes ,  weil  thatsächlich 
Silber  die  Grundlage  des  japanischen  Wiihrungsweöens  geworden 
ist,  fiir  den  auswMrtijien  Handel  schon  immer,  neuerdings  auch 
für  die  inländische  \  aiuta.  Für  Japan  ist  Gold  zur  Ware  ge- 
worden, wie  Silber  fUr  England  und  Deutschland.  Je  mehr  auf 
dem  Weltmärkte  Gold  Im  Verhältnis  zu  Silber  an  Wert  gewann, 
desto  mehr  floft  das  Gold  dorthin,  wo  Nachfrage  danach  war. 
Der  VoiKttng  wurde  erleichtert  durch  das  Vorhan d  ii sein  des 
PÄpiergelaes,  welches  den  Bedarf  an  Umlaufsmitteln  befriedigte. 

Der  Abfluls  des  Goldes  war  also  unvermeidlich,  wenn  er 
sich  auch  ohne  die  Papierwirtscliaft  wahrst  lieinlich  langsamer 
vollzogen  haben  würde.    Der  r^elmäfsige  Import  von  gut  einer 


Die  grofse  Silbereiufohr  war  die  Folge  der  VaiutaoperatiooeQ  der 
Ke^ierung,  welehe  ihre  im  Auslaode  gesammelten  MeUdlrMervsn  bemti> 
sog.  Das  Jahr  1890  wird  wieder  eine  Mebiaiufohr  seigen. 


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172 


X  4. 


Million  Yen  Gold  in  den  letzten  Jahron  hat  seine  V>esonderen 
Gründe.  Kr  besteht  last  ganz  in  koreani.-ichem  Goiil>t:iub,  wo- 
mit Korea,  in  Ermangelung  anderer  Waren,  seine  Eiuluhr  be- 
zahlt. Die  geringe  gegenwärtige  ESnfuhr  und  Produktioii  TOn 
Gold  bleibt  in  der  Haupitaaohe  im  Lande,  infolge  der  Be- 
mühungen der  Rcichsbank,  ihre  Reserve  zum  Teil  in  Gold  an« 
Eolegen  (Ende  1889  bereits  25  Millionen  Yen). 

Das  zweite  Moment  ist  in  der  Auspfabe  und  Wiedereinziehung 
des  Papiergeldes  zu  suchen.  I)ureh  die  Notenausgabe  wurde 
das  Hartgeld  übcrtiüssig.  Aus  unseren  Zusammenstellungen  er- 
hellt, wie  in  der  ersten  Periode  1872  7 ü  vor  allem  das  Gold 
verschwindet^  während  beim  Silber  die  Einfuhr  doch  einen  er- 
heblichen Teil  der  Ausliilir  deckt  Aber  auch  das  Silber  halt 
sich  nicht  ira  Verkehr,  als  1877  80  die  grofse  Vermehrung  des 
Papiers  erfolgt  ^  Die  Jahre  1881  bis  1885  sind  die  Zeiten  der 
Umkelir  zur  elirlielien  Arbeit  um  Wiederherstellung  der  Valuta, 
die  an  anderer  Stelle  eingehender  geacliildert  ist  Die  Folge  ist 
das  Überwiegen  der  Silbereinfuhr  über  die  Ausfuhr*,  während 
der  Goldabflufs  sich  erschfipft  hat.  Mit  Aufnahme  der  Bar- 
zahlungen beginnt  der  Kampf  um  die  Metallreserve,  wobei  die 
Ausfuhr  etwas  ül»er  die  Bänfuhr  ttborwiegt  (1886—1888  um 
4*/s  Millionen).  Diese  geringe  Differena  ist  aber  die  Folge  gans 
bedeutender  ein-  und  ausgeführter  Summen  (nämlich  rund  23 
und  27^  -'  Millionen),  deren  Grol'se  die  Folge  der  von  der 
"Regierung  befolgten  Politik  ist,  Tratten  auf  Euro})a  (re^p. 
Amerika)  durch  die  halbstaatliche  Shokin-Bank  aufkaufen  zu 
lassen,  um  so  einerseits  die  Regieruugszahluogen  im  Auslände 
zu  bewirken,  anderseits  Metall  im  Auslande  zu  kaufen.  Die 
Eimeseen  der  firemden  Kaufleute  aber  vermitteln  die  fremden 
Banken  in  den  offenen  Plätsen.  In  deren  Gewölben  also 
sammeln  sich  die  flir  Importe  gezahlten  Silberyen  an.  Da  diese 
Banken  sie  filr  den  Ankauf  von  Tratten  nicht  verwenden  können 
(da  die  8hokin-Rank  bessere  Bedingungen  giebt),  so  verschiffen 
sie  die  Münzen  nach  China  und  Singapore,  ^\■ällrend  gleichzeitig 
die  Regierung  die  Barren  importiert,  um  neue  Münzen  zu  prägen. 
Im  Jahre  1889  ist  diese  eigentümliche  Politik  nicht  im  alten 
Umfange  fortgesetzt   (Vgl.  unten  das  Kapitel  Bankwesen) 

£in  weiterer  Punkt  dabei  ist,  dafs  bei  der  gegenwSrtigen 
Beschaffenheit  des  Geldumlaufes  der  Verkenr  gar  niclit 
in  der  Lage  isti  das  gemttnste  Geld  im  Lande  festauhaiten.  Ich 


'  Die  MehrauBfuhr  von  Silber  steigt  von  1877—1879  von  1200000 

auf  5 ft'«'  *HH>  Yen! 

-  Näuiiich  Ton  18>'l— 1884  4  630  000  Yen.  Schürfer  tritt  der  Zu- 
sammenhang henror,  wenn  wir  die  Jahre  1882 — 188ö.  die  Jahre  des 
stetig  sich  bessernden  Papierwerteti.  /.ns^iüiTnpnfüsflen :  Ausfuhr  1_'';71('<>0 
Yen,  Einfuhr  23  862000  Yen,  MehremUhr  112U00O0  Yen,  währeud 
1877—1881,  in  den  Jahien  dee  Leiehtsbns,  die  MehrsuBfahr  15Vs  Brdfioneii 
betragen  Im/Ue, 


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173 


erwähnte  bereits,  dals  auch  jetzt  noch  ausschU^lshch  Zettel  um- 
laufen (iibgtat  hen  von  Scheidemünze).  Zu  dem  nocli  v  t  Ii  iiiucih  ii, 
seit  dem  1.  Januar  I88ü  in  ^Silber  einlösbareu  JStMaiöijapier;iehl 
und  den  NatiönalbaiiknoteD  sind  die  ^leichfallB  in  SUoer  cinlö^i- 
baren  Zettel  der  1882  gegründeten  Reiebsbank  getreten.  Diese 
Noten  sind  rasch  Tennehrt  worden.  Am  1.  Juli  \SS^>  erat 
3800000  Yen,  waren  es  am  1.  April  1887  bereits  36  30000O  Yen, 
am  31.  Dezember  I^^O  71  'J*>7  005  Yen.  An  sich  ist  das  Zwischen- 
schiebi^Ti  fM*n«^r  «tn;i!li(  hm  n  [itralen  Zettelbmik  zwischen  die  Finanz- 
Verwaltung  und  den  Gcklumlauf  (die  .SttiUunf^  der  Bank  ist  im 
dritten  Abschnitt  des  nächsten  Kapitels  näher  gewui-digt)  ein  durcli- 
«ot  xit^itfger  Schritt  gewesen.  In  der  Sorge  um  den  Baraiiatz 
der  Bank  bat  man  aber  eine  Stückelung  der  Noten  voivenommen, 
welche  nicht  unbedenklich  ist.  Zwei  I  h  Ittel  der  Notenmenge 
besteht  nämlich  aas  fSnyen-Zetteln,  Audi  von  dem  übrigen 
Papier  besteht  einc^  grofse  Mcn^re  aus  kleinen  Noten,  so  dals 
diese  den  ganzen  X'erkehr  criidlen,  dn^  unbequeme  harte  Geld 
ruhig  in  der  Hank  bk^bt'.  Wie  aus  der  unten«t*^^*hfnden  Über- 
sieht folgt,  sind  63  Prozent  alles  vorhandenen  I'apiers  Zeichen 
von  2  Yen  und  darunter  (nämlich  von  insgesamt  136530Ö21>  Yen 
85481812  Yen),  weitere  23  Prozent  Fttnfyen-Noten  (nämlich 
80981822  Yen).  lh\s  ist  eine  Zusanmn  tzung  des  Papier- 
umlaufs, die  es  vollständig  unmöglich  macht,  dafs  Courantmunze 
im  Umhiuf  bleibe.  Soweit  sie  nicht  zur  Bank  zurückflielst.  wird 
^in  nTi=?7f»rulirt.  Es  ist  der  wundeste  l^nnkt  d^^  iapnnischen 
ijreld Weyens,  dals  es  ganz  auf  d^r  verhaltnismalsig  kleinen  iirund- 
lage  des  Barsehatzes  der  Bank  rulit,  welcher  aus  dem  Geld- 
umlaufe d^  Landes  keine  lieserveu  heranziehen  kann.  In 
anderam  Znaammenbang  sind  diese  Dinge  weiterhin  m  würben. 

Beeeichnend  ist,  Avie  sich  die  Anschauungen  über  die  ^el- 
metslUmsfuhr  gettndert  haben.  Fiiiher  wurde  der  Vorgang  in 
Japan  mit  einer  merkwürdigen  Erbitterung  l)csnrochen.  An  dem 
T^nheil  sei  die  un2:'instige  Handelsbilanz  schula.  Der  au^^vf^tige 
Handel  wurde  wie  ein  bösartiges,  gefilhrliches  Wesen  angi  aciien, 
und  selbst  in  den  Aufserungen  liocfistehender  Staatsmllnner 
(vgL  die  Rede  Iwakuras  im  Adelsklub,  August  1880,  Currency 
of  Ja|»n  S.  194)^  mehr  noch  in  der  Presse,  erfuhren  die  ab- 
ceCfaansten  alten  Bekannten  der  HandelsbOanztheorie  eine  frOh- 
uehe  WiederbdebuDg  im  fernen  Osten. 

*  Am  Bl.  Januar  l^-^O  waren  in  Yen 

iStaatspapier  National  baakuoten  fieicbsbankaoten 

Appointß  unter 

1  Yen            s  0;f )  47^  — 

1  Yen                 24  Sil  (»7:5  *)774:.*(7  40468129 

2  -                       Ü24  00a  ■      1407^2  — 

5    .                  575B467  15041885  10182020 

10 -100  Ten          7086065  1246800  11784820 


46566066  27529774  62434969 


174 


NeuerdiDgä  hat  sich  das  ganz  geiindert.  Autoritative  Äulae- 
rungen,  z.  B.  des  MuiistorprSBuieDteD  Ito,  gingen  dahin,  dafii 
man  gegen  die  AuBfbhr  der  Sflbenren  nichts  einzuwenden  habe, 
solange  man  genügend  Barren  zu  ihrem  l^rsatze  einführen  kttnne. 
Ks  ist  seit  langer  Zeit  eine  japanische  I.ioblingsidee  gewesen, 
sich  als  Vormacht  im  Osten  zu  fühlen.  Das  hofft  man  auf  wirt- 
schafllicheni  Oebiete  zu  fördern,  wenn  der  Yen  dir  Unndelsniilnze 
des  Ostens  würde  So  erfreulich  aus  äütiietischcn  Gründen  die 
Verdrängung^  dua  iiäfslichen  Mexikaners  durch  den  hüböclien 
Silberyeo  wäre,  au  gering  acheint  mir  die  wirtschaftliche  Bedeu- 
tung dea  Phinea  zu  aein.  Die  geringe  einheimiache  Silberpro- 
duklion  braucht  keine  Erleichterung  dea  Abflusses.  Ea  käme 
nur  darauf  hinaus,  dafs  Japan  die  PrHgungs-  und  Transportkosten 
i\\r  das  im  Ost^n  umlaufende  SillxTgeld  trüee.  Welclien  Vorteil 
man  sich  davon  verspricht,  ist  nicht  reclit  klar.  Offenbar  glaubt 
man  mit  dem  (lepräge  der  MUnzen  die  Herröchafit  de^  Geld- 
niaikti;^  im  UaLcn  zu  erringen.  Aber  neben  Shanghai  und 
Hongkong  wird  Yokohama  noch  lange  em  Plata  zweiten  Rangea 
bleiMn.  Der  Silberyen  iat  in  8ingapore  geaetaltchea  Zahlungs- 
mittd.  An  der  chineaischen  Küste  kommt  er  nur  hmgaara  auf 
gegen  den  Mexikaner.  Sachlich  hat  das  einen  gewiaaen  Ghnmd 
darin,  dafs  aus  Mexiko  we^i^rn  seines  Silberreichtums  ein  stets 
ungestörter  Bezug  der  Handelsnuinze  zu  erwarten  ist,  worauf 
man  bei  Japan  nicht  in  dieser  Weise  reclmen  kann.  Ferner 
stöfst  die  i[*^inlidirung  des  Silberyen  auf  den  konservativen  Wider- 
stand der  Chinesen  und  der  Engländer.  Die  chiuesiscben  Qeld- 
Wechsler,  Makler^  Gompradorea  etc.  haben  ein  direktea  Intereaae 
daran,  den  unerfreulichen  Zuatand  der  WAhrungsverhältnisse  an 
der  chinesischen  Küste  aufrechtzuerhalten.  Bei  den  Ekighlndern 
herrseht  ein  unausrottbares  Mifstrauen  gep^n  die  Zuverlässigkeit 
der  japanischen  Ansmünzungen.  Durch  Entlassung  des  ganzen 
ausländischen  (englischen)  an  der  Münze  angestellten  Personals 
hat  dieses  Mifstrauen  weitere  Nahrung  erhalten.  Ilaben  doch 
sogar  iu  Yokohama  die  fremden  Bauken  erst  1879  sich  zur 
Annahme  von  Sflberyen  atatt  mexilumiacher  DoUara  veratanden. 
Übrigena  iat  ea  nicht  mehr  als  billig,  heryorsuheben,  dafe  in  dt^ 
gansen  Münzverwaltüng  seit  1871  eine  Tendenz  zur  Verschlech- 
terung der  Münzen  nie  bemerkbar  geworden  ist.  Die  japanische 
Rpirienin<?  ist  .sicher  aufgeklärt  genugi  Versuche  in  aoldier  Rich- 
tuog  nicht  zu  machen. 

Kinige  Worte  schliel'slich  über  die  S  c  h  e  i  d  e  m  ü  n  zen.  MU' 
Münzen  unter  einem  Yen  sind  JScheidem Unzen  und  unterwertig 
ausgeprägt.  Die  ailbemen  entsprechen  im  Gewicht  dem  Yen, 
haben  aber  nur  800  Teile  Feingehalt  Ea  giebt  Stucke  von  50, 
20,  10  und  5  Sen;  die  letatgenannten  von  unbequemer  Kleinheit^ 
werden  aber  eingeeogen  und  aeit  £nde  1888  durch  NickelmttnMn 

*  Kleiner  ab  das  deutsche  rilberD«  2«vaD»gpfenQig.StQck. 


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X  4. 


175 


ersetzt.  Der  Umlauf  an  silbernen  Scheidemünzen  hat  rasch  zu- 
genommen mit  der  Verminderung  der  ganz  kleinen  Zettel.  Von 
diesen  waren  in  Umlauf 

•Scheine  von  am  1.  Juli  1881  am  31.  .lanuar  l^'^H 
10  8en             6ii76  030  Yen  478  169  Yen' 

20   -  8  267  7  Ki    -  3  737  522  - 

50   •  2^       -^^^  ^  Ö20  787^  j 

zusammen  25  553  691  Yen  8  030  478  Yen 

Von  den  ausgegebenen  rund  21  000  000  \^en  Scheidemünze 
in  Silber  sind  erhebliche  Mengen  ausgeführt.  fSie  laufen  in  allen 
ostasiatischen  Häfen  um^.  Auch  Kupfergeld  (namenthch  altes) 
iat  zeitwei>>c  ausgeführt  worden. 

Ans  Kupfer  werden  Stücke  Ton  2  und  1  Sen»  von  5  uod 
1  Bm  geprägt  Bis  zum  31.  März  1889  nnd  filr  12  418  051  Yen 
anflgegeben.  Die  kleinste  Einheit,  ein  Tausendstel  des  Y'^en, 
knapp  ein  Drittel  Pfennig,  ist  ftlr  die  Bedürfnisse  des  Verkehrs 
durchaus  nicht  7m  kMn.  Das  Volk  teilt  den  Rin  sogar  noch 
in  10  Mon  ein.  Dadurch,  dafs  alte  l'untzehnmon-8tücke  noch  im 
Umlauf  sind,  ist  wenigstens  die  Halbierung  d«3  Rin  aucli  prak- 
tisch möglich.  Die  neuen  Kupfermünzen  sind  der  wenigst  be- 
fiMdigendeTeÜ  des  japanuchen  Oddamlauft.  ZonJicbat  hat  man 
dem  System  sdiebe  die  Kupfermttnaen  anteranander  in  ein  ihrem 
Nominalwert  entsprechendes  Gewichta^verhiiltniB  gebracht^  so  dafs 
ein  Rin  wklich  der  sehnte  Teil  eines  Sen  ist.  Infolgedessen 
sind  die  Ejiniin-Stiieke  unvernünftig  klein  ^  nnä  vöIIt^' unp^eeip^net 
fUr  den  täglichen  \  er  kehr.  Einstweilen  hat  man  slIu  wenige  aus- 
geprägt und  die  alten  Ein-,  Einundeinhalb-  und  Zweirin-Stücke 
im  Umlaufe  gelassen^.  Für  den  Bedarf  der  niedei-eu  Stande 
sind  diese  Imnen  Httnaen  gana  imentbehilieb.  In  diesen 
Kkssen  ▼oDaieht  sich  ttberbaupt  der  Qeldumsata  ttberwi^nd 
in  Form  yon  Knpfeigeld.  Daror  ist  aber  die  alte  Form  der 
Münzen  viel  geeigneter,  die  man  auf  eine  Schnur  ziehen  und  so 
leicht  zäMen,  aufheben  und  transportieren  kann.  In  dem  l^e- 
streben,  nur  ja  ganz  .,wc8thch"  zu  erscheinen,  hat  man  die 
unpraktische  enropjnscho  Form  nichtdurehlöcherter  Kiq  ti  r münzen 
eingeführt;  was  praktii>ch  direkt  ein  Rückscluritt  war.  (Jegen- 


'  Seit  1.  Juli  I>s7  einJ  cli«^  ZrliiiHcn-Scheinc  eingenifen. 
Ein  Teil  davon  wird  auch  nie  zurückkehren,  da  die  hühschea 
Münzen  in  China  (z.  B.  in  den  Provinzen  Fokien  und  Kwangtung)  viel 
als  ächnmek  verwendet  und  umgearbeitet  werden.  Konkurrenz  ent- 
steht neuerdings  in  den  chinesischen  Häfen  den  japanischen  Scheide- 
münzen durch  die  vennehrte  Ausgabe  in  Hongkong,  1880— 18^U  ca. 
3  7  MilUonen  Dollar,  wovon  ea.  8  Millionen  in  den  Jahren  1886—1889 
(Vcrwaltungsberichte  des  Gouverneurs  von  Hongkong). 

^  GröTse  und  IMcke  des  deutschen  silbernen  Zwanzigpfeuuig-Ötuckeä. 

«  Die  mit  eiaein  Werte  von  8  Rin  anfangs  in  VeSkehr  ßeUMenea 
oUoDgeo  Tempo-Sen  sind  neaeidingB  «ngengen. 


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176 


wärtig  scheint  man  uDächliissig  zu  sem  und  hilft  sich  mit  den 
alten  Mttoasen  durch.  Irgendwie  soUte  man  jedenfiük  diQ8e8> 
Illuster  benatsen 

An  den  Schetdemünsen  hat  der  japanische  Staat  recht  erheb- 
liche Gewinne  gemacht,  die  aber  mit  der  Einnahme  aus  dem 
Schla^:;sc}i:it7;  und  allerlei  sonstigen  gewerblichen  Einnahmen  der 
Münze  in  Osiika  (Schwofelsäuretabrikation  etc.)  zusammen  ver- 
rechnet sind.  Nach  dcui  letzten  liericlit  des  Direktors  der  Münze 
war  vom  Anfang  (November  1870)  bis  zum  31.  Miirz  lö8ü  die 
Summe  alter  EimiahmeD  15  309  078  Ten,  der  Ausgaben  7  285  698 
Ten,  mithin  die  Remeinnahme  8  023  875  Ten. 

Ein  Versuch,  die  im  Lande  befindliche  Geldmenge  zu 
Bchätsen,  ist  begreif licherweiee  nur  Innerhalb  erheblidier  fBUer- 
grennen  möglich.  Unter  Berücksichtigung  der  Daten  und  Scbftt- 
zimgen  über  den  früheren  EMelmetaUvorrat,  Einfuhr,  Produktion 
und  Ausfuhr  glaube  ich  niclit  weit  irre  zu  gehen,  wenn  ich  f^ir 
1^89  90  den  Vorrat  an  Gold  auf  rund  30,  den  an  Silber  auf 
^egen  <i5  Millionen  Yen  ansclilage.  Von  dem  Golde  sind  fünf 
Sechstel  in  der  Reichsbank,  von  dem  Silber  knanp  die  Hälfie-. 
Von  dem  übrigen  Silber  rechne  ich  10 — 15  Millionen  auf  die 
Staatdousen,  5  MilHonen  auf  die  Ubr^^  o£^tlichen  Banken*, 
10—15  Millionen  auf  das  Publikum  (hat  nur  Scheidemtlnae). 

Der  gesamte  wirkliche  Geldumlauf^  zu  Anfang  1889 
würde  sich  in  runden  Summen  l>erechnen  auf  130  Millionen 
Papier,  20  Millionen  Silber,  20  Millionen  (?i  Kupfer  oder  zu- 
sammen 170  Millionen  Y  en  Auch  die  höciiste  zulässige  Schätzung 
würde  200  Millionen  nicht  erreichen.  Der  Geldumlauf  würde 
mithin  4  biä  5  Yen  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung  betragen^ 
der  EdebnetallTorrat  gut  2  Yen. 


*  Dafs  die  technischen  Schwierigkeiten,  solche  durchlöcherte  Milnze» 
zu  prägen,  nicht  so  sehr  grofs  sind,  zei^n  die  neuen  sauber  geprägten 
Casn  ans  der  Münze  in  Caaton. 

-  Von  dem  Baukschatz  besteht  ein  Teil  ans  Harren. 

^  Sie  hatten  am  31.  Dezember  lbÖ7  5  600  000  Yen  aemünztes  Geld 
in  Kasse,  einsebnefiiBeh  Kopfer,  anfserdem  7860000  YeD  Papiergeld 
und  4690  000  Yen  Reichsbanknoten. 

*  Wobei  die  zur  Deckung  von  Noten  dienenden  Fonds  selbstver- 
btäudiich  nicht  in  Rechnung  gestellt  werden  dürfen. 


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X  4. 


177 


Drittes  Kapitel 
Banken,  Birsen  nnd  Kredit. 

Vorbemerkung.  Die  folgende,  wegen  ihrer  Wichtigkeit  für  das 
gesamte  Finanzwesen  etwas  ausführliche  Oarf^tcIIurif^  des  japanischen 
Bankwesens  beruht ,  soweit  sie  die  Thatsacben  betrilVt,  fast  ausschÜefs- 
lieh  auf  amtliehen  Qaellen:  den  Gesetzen  nnd  Verordomigen,  Hcrichten 
des  FinanzministPriums.  dru  Jahresbeiicliten  des  Hankbiiro-nip  im  Fiunnz- 
ministerium,  namentlich  dem  sechsten,  der  die  Kelorm  der  >»ationalbankeii, 
die  Rekonstraktion  der  Shokin  Ginko  nnd  die  Gründung  der  Nihon  Ginko 
bespricht;  ferner  den  Ooschäftsberichten  der  Nihon  Ginko  (Flalbjahres- 
benchte,  daneben  für  und  ISJ^'J  Jahresberichte)*,  endlich  der  all- 

gemeinen Statistik  in  den  Statistischen  Jahrbüchern.  Was  die  Tages- 
preBM  Uber  das  iapanisehe  Bankwesen  gebracht  hat,  war  TieUach  un- 
geoaa  und  Irrefliorend. 


I.  Die  Nationalbanken. 

öffentliche  durch  Staatqgesels  geregelte  Banken  waren  dem 
ahen  Rei^me  iremd.  Ebenso wcni^^  ^ab  es  Zettelbanken, 
während  sie  in  China,  wohl  wesentlich  infolge  der  mangelhaften 
Entwickelung  des  Münzwesenf«,  schon  lange  eine  wichtige  Stellung 
im  Verkehrsleben  haben.  Private  I^anqnicrHrmen  hatten  sich 
dagegen  im  Anschlufs  an  die  alte  halbstaaüiche  Oi^anisation  des 
GrolshandeU  in  Osaka  entwickelt,  wo  Häuser,  wie  Ono,  Konoike, 
Mitsiiii  bedeutende  Kredit-  and  Geldgeachäfle  vennittelteD.  Duidi 
die  tinrubigeii  Zeiten  der  Umwälsun^  wurde  aller  Kredit  schwer 
erschüttert.  Das  Mtlmswcsen  war  m  arger  Verwirrung.  Die 
Abschaffung  der  alten  Handelsgilden  schadete  dem  Kredit  der 
alten  Kaufmannshliusfr.  Die  neu  dem  Handel  sich  zuwendenden 
Elem*'nte  hatten  überhaupt  keinen  Kredit.  Die  Banquiers  in 
Osaka  gaben  teils  das  Bankgeschäft  überhaupt  auf,  teils  sciirnnkten 
sie  es  wesentlich  ein.  Geschäfte  vollzogen  sich  nur  gegeu  ßar- 
saUung.  Allgemein  war  die  Klage  aber  Muigel  an  Umlauft- 
mittein.  Um  Uber  diese  Geld-  und  KreditiErieis  hinwegzuhelfen, 
rief  die  Regierung  eine  Bank  ins  Leben,  die  Kawase  Kwaisha 
(WechselgeseUachaft),  welche  vom  Staate  mit  Geldmitteln  ver- 
sehen wurde.  Die  Bank  hat  m  Staat  eine  ^leriLr«'  f  -f  ld  ge- 
kostet ^  ohne  grofsen  Nutzen  zu  stiften.  Man  Nv  ir  inzwischen 
etwas  bekannter  geworden  mit  den  Bank  einrieh  tungen  der  Fremden 
und  verfiel  auf  das  amerikanische  Muster  der  National- 
ban k  en.   Durch  Deponierung  von  Staatsschuldscheinen  gedeckte 


'  Die  Abrechnung  1808  bis  30.  Juni  187.)  weist  764  ^76  Yen  Aus- 
gaben für  Abwickelung  der  Geschäfte  der  Kawase  Kwaisha  nach.  Das 
ist  aber  noch  nicht  der  ganse  Betrag. 

F«ncbuDg«ii  (49>)  X  4.  —  Batiig«n.  12 


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178 


X  4. 


Banknoten  sollten  (^as  sonst  unter  den  damaligen  Umständen 
kaum  zu  bescbatiende  Betriebskapital  liefern.  Im  Jahre  1872 
erschien  das  von  den  damaligen  Leitern  des  Finanzwesens 
Inouje  und  Sbibusawa  verankiate  erste  Kationalbankgesets. 
Da  es  schon  nach  vier  JaJiren  durch  anderes  enetst  wurde» 
so  genüge  es,  die  HauptbestimmuDgeD  heiroizuheben.  Gerade 
damals  fing  die  Finanzverwaltung  an,  in  Gold  rückzahlbare  und 
mit  6  Prozent  verzinsliche  Schuld scfioinc  (  Kinsatsu-Scheine)  in  Aiis- 
tauscli  c:cp:f'n  PajM't  rir^eld  niisziii^f  Ijcii.  Die  zu  gründenden  Nationai- 
banken  soiiten  sechs  Zehntel  iiires  Kapitals  in  Form  dieser  Kinsatsu- 
bondä  beim  Finanzminiäterium  hinterlegen  und  dafür  den  gleichen 
Betrag  in  Banknoten  erhalten.  L>ie  anderen  vier  Zehntel  sollten 
als  iMotendeckuug  in  Edelmetall  Torhanden  sein,  so  daPs  die 
Metalldeckung  der  Noten  zwei  Drittel  betrug,  was  die  stete  Ein- 
lifsbarkeit  der  Noten  wolil  sichern  konnte.  Den  Banken  wurde 
vorgeschrieben,  dafs  sie  Zinsen,  Diskont  etc.  so  niedrig  wie 
möglich  halten  sollten.  Zur  Aufsicht  wurde  im  Finanzministerium 
ein  Bankbureau  errichtet.  Auf  dieser  ^Tnindl  ice  traten  in  den 
nächsten  Jahren,  wesentlich  aus  kaufniäiiiiihclu  ii  Kreisen  liervor- 
hend,  vier  ISationalbanken  ins  Leben,  die  Erste  und  Fünite 
Tokyo,  die  Zweite  in  Yokoliania,  die  Vierte  in  Kiigata,  mit 
einem  Kapital  von  zusammen  3650000  Ten.  Die  Noten  dieser 
Banken  vermochten  gegenüber  dem  gesetzlichen  Zalilungsmittelt 
dem  Staatspapiergeld,  nicht  in  den  Verkehr  einzudringen.  Die 
Entwickclung  ging  dem  neuen  T^fiter  des  Finanzwesens 
Okuma  711  langsam.  Als  im  Winter  1^74  auf  1875  eine  neue 
Kreditkriöib  ausbrach,  durch  den  Zusammensturz  der  beiden 
aroisen  Banktirmen  Ono  und  8himada  t^November  und 
Dezember  1874)  S  ftilste  er,  wie  es  scheint,  den  Gedanken,  die 
Banken  müfsten  ▼mnehrt  werden,  „um  dem  Ifangel  an  um- 
laufendem Kapital  und  der  allgemeinen  Gleldklemme  abzuhelfen*^ 
(so  Okuma  selbst  in  seinem  grofsen  Bericht  vom  November  1880, 
Kap.  IV).  Fr  beselilofs,  das  Nationalbankwcscn  neu  zu  regeln 
una  dabei  7A\r\  FHci^nn  mit  einer  Klappe  zu  schlaLirn,  indf  m 
durch  die  Gründung  der  Banken  gleichzeitig  dem  öhizokust  aide, 
der  bisherigen  Soldaten-  und  Bcamtenklasse,  ein  Vorteil  zuge- 
wendet werden  sollte.  Am  5.  August  1876  nämlich  erschien 
das  Gesetz  Uber  die  zwangsweise  Ablösung  der  Renten  des 
Adels  und  der  Shizoku  durch  5  bis  7prozentige  Staatsschuld- 
Scheine  (vgl*  die  Einzelheiten  im  zweiten  Abschnitt  dee  ersten 


'  Ale  im  November  1874  die  Onogumi  mit  7  MilUouen  PasiiTen 
zu«ainmonbra(h ,  rifs  aie  eine  Reihe  anderer  Häuser  mit  Die  Finanz- 
Verwaltung  griö  ein  und  regelte  die  Abwickelung.  Die  Gläubiger  er- 
hielten 55  Prosent.  Der  Staat  selbst  verlor  beS  der  Onogi^ini  752  881  Ten, 
bei  der  Shimadu^xuiiii  212  759  Yen  (so  die  Abrechnunf]:  für  lS'n^7.').  Er 
Ubcnialim  aus  dem  erateren  Bankerott  aufserdem  Bergwerke  für  27:tOOO  Yen. 
ÜUrigtius  setzte  der  Staat  1875  auch  bei  einer  anderen  Gesellschaft  der 
Tosluda  Shinden  Umetate  Rwalsba  873000  Yen  za. 


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X  4. 


179 


Kapitels  des  dritten  Buches).  Die  Zinsen,  welche  die  Ab- 
gelö'itpn  nunmehr  erhielten,  waren  nur  hei  d^n  kleinsten  Renten- 
eniptiingern  der  bisherigen  Einnahme  beinahe  gleicli ,  im  all- 
gemeinen orheblich  niedriger.  Zu  einiger  Aus^leiuhunjii:  sollten 
die  ntiueu  National bankcn  dienen.  Okuma  selbst  Bagte  darüber 
(a.  a.  O.):  „Der  Soldatenstand  war,  auraer  den  ihm  unter  dem 
alten  Regime  zukommenden  Funktionen,  unbekannt  mit  den 
gewöhnlichen  Mitteln,  sdnen  Lebensunterhalt  zu  verdienen. 
Plötzlich  dieser  Funktionen  enthoben,  war  er  sehr  in  Oefahr, 
in  Dürftigkeit  und  Not  zu  versinken,  wenn  nicht  irgend  ein 
Krwerb  für  seine  Angehörigen  gelündi  ii  werden  konnte.  In  der 
Absicht,  ein  Mittel  zu  finden,  durch  welches  der  S^^Matenstand 
seine  Ablösungsscheine  tür  seinen  LebensunteriiaU  verwenden 
konnte,  ....  nahm  die  Regierung  einen  Plan  an,  wekfaer 
einen  doppelten  Vorteil  gewähren  sollte  und  dessen  Grand- 
läge  war,  den  Soldatenstand  Nationalbanken  errichten  zu 
lassen,  welche  durch  die  Ablösungsscheine  fundiert  werden 
sollten!  Durch  flifsf  Mafsregel  hoffte  man,  dem  Soldaten- 
stande einen  ^^'e,l^  zur  Verbesserun«:  seines  Lebensunterhaltes 
zu  öti'nen,  Avährend  gleiclizeitig  der  Geldmarkt  erleichtert  würde." 

Sclion  einige  Tage  vor  dem  Ablüöuugsgesetz,  am  1 .  August 
1876,  ersclüen  das  Gesetz  Kr.  106,  wäches  das  bisherige 
Nationalbankgesetz  ToUstHndi^  umgestaltete.  Es  war  eine 
der  Terhangnisvousten  Malsregeln  m  der  neuesten  Geschichte 
Japans. 

!>i'^  Orimdzikge  des  Gesetzes^  lassen  sich  wie  fblgt  zu- 
sammenbissen : 

Gründung  und  Statut  jeder  Nationalbauk  sind  vom  Finanz- 
iii iuister  zu  genehmigen.  Die  Genelimigung  erfolgt  auf  die  Zeit 
von  zwanzig  Jahren,  nach  deren  Abiauf  der  Bank  gestattet 
werden  kann,  als  Privatbank  weiter  zu  bestehen,  jedoch  ohne 
Recht  der  Notenausgabe.  Der  Direktor  und  der  aus  mindestens 
fünf  Mitgliedern  bestehende  Aufsichtsrat  wird  vom  ßezirkshaupt- 
mann  durch  schriftliclien  Eid  auf  das  Gesetz  verpflicfit^t 

Das  Kapital  der  Hanken  soll  mindestens  lOOniMi  ^'m  bp- 
tragon,  in  Orten  mit  mehr  uls  lOO(MM)  Ein>\<);jn(  rn  mmdcätens 
20fM)0<)  Yen  (nach  dem  früheren  Geset/e  öOuuuü  Yen).  Doch 
kaim  ausnahmsweise  auch  die  Errichtung  kleinerer  Banken 
mit  ndndeetens  50000  Yen  Kapital  gestattet  werden.  (That- 
sttchlich  ist  in  mehr  als  einem  Viertd  aller  FäUe  die  Ausnahme 
zugelassen.)  Die  Bank  erhält  vom  Finanzministerium  Banknoten 
im  Betrage  von  80  Prozent  ihres  Kapitals.   Dafür  muTs  sie  beim 

1  Das  Gesetz  geht  in  seinen  112  Artikeln  sehr  ins  Detail.  Die 
AasflÜtrongsverordiittDg  des  Dsijokwan  (f>6  Artikel)  enthftlt  im  weaent* 
liehen  nur  üinschreilningen  der  Gesetzepbestimmungen ,  anfsordem  allr' 
Fonnulare  nud  ein  Musterstatut  in  34  Artikeln.  —  Übrigens  sei  schon 
hier  darauf  hingewiesen,  daCs  das  Gesetz  duich  die  NoTeMe  vom  5.  Mai 
.  1888  in  einigen  wesentlichen  .Punkten  mngestaltet  ist 

12* 


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180 


Finanzministerium  den  gleichen  Betrag  in  zinstrnL'^f^'nflrn  Strvnts- 
papieren  hinterlegen  Nach  dem  Kur»  der  Papiere  wird  das 
Depositum  vermehrt  udt  r  vermindert.  Kin  \  iertel  des  Hetra^es 
der  Notenausgabe  (also  die  übrigen  20  Prozent  de.s  Kapitals) 
soll  die  Bank  als  Notendeckung  in  Landeswährung  halten,  d.  h. 
thatBtfchlich  in  Papiergeld*  Da  die  Banknoten  überdies  sam 
gesetzlichen  Zahlungsmittel  erhoben  wurden  -  Verweigerung 
der  Annahme  ist  strafbar  — ,  so  ist  zwischen  ihnen  und  dem 
Staatspapiergcld  praktisch  kein  Unterschied.  Höelistens  die 
Hälfte  cfer  Banknoten  .soll  aus  Zetteln  unter  fünf  Yen  bestehen. 

Die  Aktien  lauten  auf  den  Namen.  Sie  sind  in  8tilcken 
von  100,  50  oder  25  Yen  auszugeben  (nacli  dem  alten  Gesetz 
nur  100  Yen).  Die  Aktionäre  haften  nur  i\lr  den  Betrag  der  Aktien, 
jedoch  nicht  nnbedmgt.  Das  Gesetz  sagt  das  nnr  für  den  Fall 
der  Liquidation  und  bestimmt:. ist  die  Bank  nnfidug^  IhreNoten, 
Wechsel  und  Schtildverspreehen  (promissory  notes)  einsalDsen 
oder  die  Depositen  auszuzahlen,  so  sollen  die  Aktionäre  pro  rata 
ihrer  Aktien  diese  Verpfliclüimgen  eriUllen.  Die  Bank  soll  ihnen 
daß  baldmöglichst  zurllckzalilen 

Eine  Reihe  von  Bestimmungen  soll  die  Solidität  der  (^e- 
sehäftsilihrung  sichern.  Der  Geschäftsbetrieb  darf  nicht  erotTnet 
werden,  ehe  50  Prozent  des  Kapitab  eingezahlt  sind.  Als  Auf- 
gabe der  Banken  wird  nachdrücklich  das  Betreiben  von  Bank- 
gcschäf^en  bezeichnet.  Auf  Kauf  und  Verkauf  von  Staatspapieren 
sollen  sie  sich  nicht  beschränken.   £s  ist  ihnen  rerboten: 

Cieschäfie  in  Grundbesitz  zu  machen, 

Fabriken  oder  andere  industrielle  Unternehmungen  m. 

betreiben  f 

eigene  Noten  oder  Aktien  zu  beleihen, 

mit  ausländischen  Hanken  Geschäfte  zu  machen  ohne 
Erlaubnis  des  Fiuauzmiuisters  (I), 

einer  Person  mehr  als  sehn  Procent  des  Kapitals  ssu 
leihen, 

mehr  als  die  gesetzlich  erlaubten  Zinsen  zu  nehmen 
(vor  Erlals  des  Zinsenbeschrfinkungsgesetzes  von  1877 
10  Prozent,  seitdem  für  Summen  tiber  I(M)0  Yen  12  Prozent, 
darunter  15,  unter  100  Yen  20  Prozent). 

Vom  iietrage  der  Depositen  ist  ein  Viert«!  für  die  Rück- 
zahlung stets  bereit  /.u  halten,  wovon  aber  wieder  ein  Zehntel  in 
Staatspapieren  angelegt  sein  darl'. 

Gegen  Spekulationsgeschäfte  der  Bankbeamten  auf  eigene 
Rechnung  ricntet  sich  die  schhiffe  Bestimmung^  der  Finanz- 
minister  kOnne,  wenn  nötig,  die  Entlassung  des  Beamten  an- 
ordnen. 

'  Au8  den  beiil<ii  Artikeln  \¥J  und  (51  ergiebt  sich  il  wunder- 
hclie  Kuasequeuz,  dulä  die  Aktionäre  haften,  solange  die  iiaiik  solvent 
ist,  und  durch  Bankerott  der  Bank  ihrer  Verpfliebtaiig  entledigt  werden. 


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X  4. 


181 


Auf'stt'llung  der  Bilanz  und  (Gewinnverteilung  erfolgt  halb- 
jährlicii  (  wie  übrigeoB  bei  ia&t  allen  japftoischeo  ^werbe- 
gesellscliafton). 

Die  ( leächatiütuhruQg  wird  duTch  Inspektoren  des  FiDanz- 
ministers  beaufsichtigt. 

Der  G-rundgedanke  war  alao,  die  Shizoku  sollten  dch 
sanmmenthun ,  die  ab  Ablfleung  erhaltenen  Bonds  hinterlegen, 

Avofllr  sie  den  Markt^'ert  in  Banknoten  erhidtenf  und  damit 
Bankgeschäfte  treiben.  Sie  braueliten  sich  nur  ein  Viertel  der 
"Noten  in  PapierL-^eld  zu  vcrscliafFen  und  hatten  den  Rest,  (iO  Pro- 
zent des  Isominaikapitals  gleich  drei  Viertel  der  hinterlej^ten 
A\'ertpapiere,  zu  freier  Verfügung.  Wenn  die  Bank  damit  uiclit 
^ir  zu  ungeschickt  wirtschaftete,  konnte  auf  diese  Weise  die 
Einnahme  der  Abgelösten  leicht  yerdoppclt  werden.  Die  ver- 
fbgharen  Koten  wurden  vielfach  trotz  des  Verbotes  zu  einem 
erheblichen  Teile  wieder  zum  Ankauf  von  Staatspanieren  ver^ 
wendet  ^  Gegenüber  der  Verleilmng  des  Noten privilegs  an  die 
Banken  hat  (Vv  durch  Nr.  29  vom  28.  September  1878  eingeftlhrte 
Notensteuei'  von  7  auf  das  Tausend  kaum  eine  Bedeutunp:. 

Es  ist  kein  Wunder,  dafs  die  Nationalbanken  aufschössen 
wie  die  Pilze.  Zu  den  vier  Banken,  welche  uuch  dem  ersten 
Gesets  begründet  waren  und  zu  denen  1876  noch  die  Dritte 
Bank  (Tokyo)  kam,  traten  1877  21  neue  Banken,  1878  69, 
1879  58,  so  dafs  Ende  1879  bereits  153  Nationalbanken  be- 
standen, mit  einem  Aktienkapital  von  40  616  063  Yen  und  einer 
Noten ausf^alie  von  i331H)5  2S2  Yen  Alle  zusammen  verteilten 
sie  in  diesem  Jahre  als  Dividende  4Ü1U423  Yen  oder  11,87 
Prozent. 

Den  Zweck,  den  Inhabern  der  Rcntenablösungsscheine  einen 
weiteren  VorteQ  znasawoDden,  hatte  also  die  R^erung  erreicht. 
Allerdings  war  der  Vorteil  nicht  immer  in  die  Hände  derer  ge- 
raten, welchen  er  zugedacht  war,  nämlich  der  Abgelösten.  Yim 
den  Aktien  waren  Ende  1880  (früliere  Nach  Weisungen  sind  mir 
nicht  Iv'kannt)  im  Besitz  der  Adligen  (Kwazoku)  Prozent, 
der  Sliizoku  Sl  Prozent  also  melir  als  ein  Viertel  in  den  H.iiidi  n 
an<lerer.  Das  Verhältnis  hat  sich  zu  Ungunsten  der  Shizoku 
im  Laufe  der  Zeit  noch  erheblich  verschlechtert.  Ende  1887 
hatten  sie  nur  mehr  22  Proasent  A&r  Aktien  im  Besitz,  während 
der  Anteil  des  Adds  fast  nnireriUidert  ist  Über  dn  Drittel  der 
Aktien  ist  jetzt  im  Beritse  anderer'. 


^  Anfang  Dezember  1Ö78  berechnete  Bukka  Shimpo,  die  beste 
japadsebe  Huidelazeitiiiw,  dafs  nach  dem  damaUgen  Knis  man  durch 

Gründung  einer  Bank,  Hinterlegung  und  einfachen  Wiederankauf  sieben- 

Srozentiß-or  Ablösuiigsscheine  14  Prozent  j&brlichberauswirtachaftea  kOnoe. 
apan  Weekl>'  Mail  187Ö  S.  1328  f. 
*  IXe  abwlQtsD  Zahlen  sind: 


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182 


Auch  einen  ^vf  iteren  dam-ii-^  nicht  offen  ein;;estandenen  Zwr  ck 
hat  die  Regierung  erreicht,  einen  erhebHchen  Teil  der  plötzlich 
in  so  irrofser  Menire  ^'PÄchaffenen  Stiatspapiere  vom  Markte  tern- 
zuluilten.  Der  iVeis^sturz  der  Papiere  wäre  ohnedem  wohl  noch 
stttrker  geworden,  als  er  wirklich  war,  und  die  Regierung  hfttt» 
noch  gröfsere  AnstranguDgen  machen  müssen,  um  die  Korse  za 
halten.  Auch  so  hat  sie  es  nicht  verhindern  können,  dafs  das 
Hauptpapier,  die  sieben|srozentigea  Ablösungsscheine,  auf  etwa 
(50  henmterf^ingon. 

Aber  um  welchen  Preis  sind  di«      Krioige  erkauft! 

Die  Zahl  der  geschaffenen  H.iiiken  jring  zunächst  über 
jedes  ßedurlhis  hinaus.  Ihre  Zahl  war  an  sich  grois  und  daneben 
oesfanden  die  alten  privaten  Bankgeschäfte  in  Osaka  und  ander- 
wärts  doch  meist  noch  fort  Die  Zahl  von  153,  welche  Ende 
1Ö79  erreicht  war,  hat  sich  denn  auch  nicht  erhalten.  Durch 
Bchliefsung  und  Verschmelzung  ist  die  Zahl  bis  Elnde  1887  auf 
loG  zurückgegangen  und  hat  sich  seitdem  noch  weiter  vermin- 
dert. Hei  der  .Scliwieri^keit,  in  der  alle  diese  Banken  waren, 
Beschäftigung  für  ihr  Kapital  zu  linden .  Helsen  sie  sich  auf 
allerlei  gewagte  Dinge  ein  und  trugen  öu  zur  Vermehrung  des 
Spekulationsfiebers  der  Jahre  1878  bis  1881  hd. 

Den  neuen  Bankunteraehmem  fehlte  meist  auch  jede  Er- 
fahrung.  Die  ersten  fUnf  Banken  waren  wesentlich  aus  dem 
Kaufmannsstande  hervoigegangen.  Die  anderen  Banken  sollten 
ja  aber  gerade  dem  Shi/.okusümde  dienen.  Direktoren  und  Ver- 
walttinf^srilte  hatten  der  Kegel  nach  gar  keine  Kenntnisse  vom 
BaDk^2;eschäft.  Es  ist  bezeiehnend,  dafs  1878  die  l)e/-irksregie- 
rungen  angewiesen  wurden,  ein  Bureau  zur  Beautejiclitigung  der 
Kationalbanken  einzurichten  und  mit  zwei  bis  drei  Beamten  zu 
besetzen  (dmien  Fachkenntnisse  doch  woU  auch  der  B^gel  nach 
fehlten),  da  die  Bankdirektionen  mit  dem  Bankgeachttft  unbe> 
kannt  seien.  So  sind  denn  auch  viele  Banken  durch  ge0thr- 
Kche  Spekulationen.  Vetternwirtschaft,  TJnc^eachicklichkeit  in  arge 
Schwierigkeiten  geraten.  Manche  Banken  haben  liquidieren 
müssen  (2  im  Jahre  1882,  2  im  Jahre  1883)*.  Andere  haben 
keine  oder  geringe  Dividenden  ß;egeben,  obgleich  die  liinterlegien 
Staatspapiere  doch  immer  eine  gewisse  Dividende  sicherstälen 
sollten. 

Diese  Müsstttnde  sind  aber  unbedeutend  im  Vergleich  mit 
der  Verschlechterung  des  Banksystems  des  Landes 

Kwazoku    18  C27  6ö0  Yen    18  744  375  Yen 
Shisoka     13340750  •       9756600  - 
Hdinin      11072700  -       15795125  - 

zusHmtnon    1^041  100  Yen    44  20«  1(X)  Yen 
'  Die  amtliche  Statistik  reicht  bis  1HS7.    Nac}»  die^^or  Zfit  ist  eine 
Bank  im  August  1888,  eine  weitere  im  Januar  1ö',>0  geschlossen,  die 
entere  aber  im  Mai  1889  wieder  eröffnet 


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18a 


überhaupt  und  mit  der  unheilvollen  Vermehrung  des  Papier- 
geld es.  Das  ;uiierlkanische  Nationalbankprinzip  dor  Hinter- 
legung von  Staat s|)apier('ii  nis  Siolierlioit  für  Banknoten  ist  an 
Bicn  niclit  frei  von  Bedenken.  Aber  aucli  auf  dieser  Gnindlage 
war  daö  (Jesetz  von  lb7ö  ein  böser  Rückschritt  gegen  das  von 
1872,  indem  es  den  Einlöbung^jtoudis  statt  aus  EdelmetaJl  aua 
Panicrgeld  znsammeiiaetete.  Nachdem  man  einmal  diesen  Schritt 
geman  hatte,  war  es  auch  gleichgültig,  dafs  der  Fonda  von  swd 
Tirittel  auf  ein  Viertel  der  Notenausgabe  herabgesetzt  wurde. 
Die  Notcrii  waren  gesetzbche«  Zaiilungsmittel  wie  Striata] »apier 
und  niemand  Iiatte  ein  Interesse  daran,  sie  gegen  die  staatHcben 
Zi.'tle!  T»?nz!itauselien.  Und  hier  liegt  der  Hauptpunkt.  l)ie  Aus- 
gabe Noten  war  nieiits  anderes  als  eine  Vernieliruiii:  dea 
umlautenden  Papiergeldea.  Sie  traf  -/usamnien  mit  einer  Ver- 
mehrung des  ausgegebenen  Staatspapieres  um  rund  50  Millionen ' 
Yen,  wesentlich  infolge  des  groiaen  Aufttandes  in  Satsuma  im 
^  '  re  t877.  Dazu  kam  nun  eine  Mehrausgabe  an  neuen  National- 
bankneten 

1870  von   2  31'J01>8  Yen 
1877    -    10S44r)24  - 
187S    -    11  974  880  - 
187l>    -     8  825  880  - 
1880  432  789  - 

zusammen    von  34  398  071  Yen 

Es  kann  keinem  Zweifel  unterliegen,  dafs  diese  überflUssii^'r 
Vermehrung  des  Papiergeldes  sehr  dazu  beigetragen  hat,  zuerst 
die  Agiotage  und  später  die  schweren  durch  die  Wiederherstellung 
des  Gddwertes  Terursacfaten  Leiden  der  Volkswirtschaft  m  yer* 
schlimmem.  Die  Ausgabe  des  Staatspapiergeldes  war  in  der 
Hauptsache  doch  eine  staatliche  Notwendigkeit  Die  Scliafüing 
der  Nationalbanknoten  diente  nur  dem  Zwecke,  den  Shizoku 
einen  moiiieTitanen  Vorteil  zuzuwenden.  Es  war  der  Orundzug 
der  Okumaschen  Politik:  „Kleine  Vorteile  für  den  Augenblick. 
Apres  nous  le  d^luirc." 

Sowie  die  Wirkungen  des  Gesetzes  in  der  Entstehung  zaUi- 
reicher  kleiner  Banken  sich  zeigten,  erhoben  sich  warnende 
Stimmen ,  nicht  blofs  unter  Fremden ,  sondern  auch  in  der  ein- 
heimischen Presse  (so  namentlich  im  Bukka  Shimpo,  Ende  1878). 
Die  Regierung  lenkte  allmählich  ein.  Schon  am  1 2.  Dezember  1877 
(St.  63)  war  klargestellt,  was  im  Gesetz  zweifelhaft  war.  dafs 
der  Finanzmini*'t«T  die  Genehnu'gung  zur  Erriehtung  von  National- 
banken auch  v(  r>;(^an  könne.  Am  2.  März  1^78  (Nr.  5)  ercing 
die  wichtige  B' Stimmung,  dafs  der  Finanzminister  bei  Geneh- 
migung neuer  Banken  die  Ausgabe  einer  geringeren  Notenmenge 

^  Soviel,  wenn  wir  annehmen,  dafs  die  heinüiehe  FHpieraiisgabe 
ganz  in  diese  Zeit  fällt 


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184 


X  4. 


als  der  gesetzlich  erlaubton  80  Prozent  zur  I?o(5ingung  machen 
könne.  Das  ist  dann  auch  in  manchen  Fällen  geschehen. 
Schliefslich  wurden  weitere  Banken  überhaupt  nicht  mehr  ge- 
nehmigt. Die  letzten  Koncessionen  stammen,  soweit  ich  sehe, 
aud  dem  Dezember  1879. 

Aber  ent  nach  Okumas  Sturz  (Oktober  1881)  wurden  die 
durch  dieKationalbaaken  TenirBachten  Milsstllnde  eneigisdier  ange- 
&&t.  Zunächst  wurde  die  Qeschäfisf^hrung  der  Banken  einer  ge- 
saueren  Prüfung  unterworfen,  was  zu  der  erwähnten  Schliefsung 
von  vier  Banken  fUhrte  (mit  7Uöammen  680  000  Yen  Kajiitil). 
Wichtiger  war  die  Novelle  vom  5.  Mai  1883  7Aim  Baiikg«  setz  \ 
Neben  Verschärfung  der  Bestimmungen  über  Liquidation  (cvyiit. 
auf  Anordnung  des  Finunzmin Itters  wegen  tlbertretuni;  des  Ge- 
setzen,  Uberöchuldung,  Veilust  von  mehr  als  der  Hälfte  deü 

Kapitals)  wurde  vor  aUem  die  Verminderung  der  Banknoten  in 
Angriff  genommen.  Die  Banken  hatten  ihren  Einittoungsfonds 
der  1882  gegründeten  Reiehsbank  (Nihon  Ginko,  von  welcher 
unten  mehr)  abzugeben  und  ferner  jährlich  aus  ihrem  Gewinne 
2*  2  Prozent  der  Notenausgabe  einzuzahlen.  Diese  (Felder  legt 
die  Reichsbank  in  zinstragenden  Staatspapieren  an  und  venvendet 
den  Zinsenertrag  zur  Einziehung  von  Natioualbanknoteu.  Der 
der  Staatsbank  ü  bergebene  Einlösung-sfonds  betrug  7  405  220 
Yen.  Durch  die  Zahlungen  der  National bankeu  (jahrlich  reich- 
lich 900  000  Yen)  ist  er  bis  sum  Sl.  Dezember  1889  auf 
13705793  Yen  angewachsen.  Der  Nominalbetrag  der  dafür 
angeschafften  Staatspapiere  war  1 5  702  550  Yen.  Der  Umlauf 
der  Nationalbanknoten  hat  sich  vermindert  von  34161  270  Yen 
am  Ende  des  Jahres  1882  auf  2(3  78'. l  205  Yen  zu  Ende  18^9-. 
Aulserdem  hatte  die  Staatsbank  463  607  Yen  Zinsen  in  Hand 
zur  Tilgung.  Die  Abnahme  betrug  lH8ö  rund  875  000  Yen, 
1889  985  000  Yen.  Die  Absicht  bei  dieser  Einrichtung  ist,  dafs 
bis  zum  Ablaufe  der  Koncessionen  der  Banken  (1896 — 99)  die 
Noten  soweit  yermindert  sein  sollen,  dafs  sie  mit  dem  SinlOstmgs- 
fonds,  der  bis  dahin  auf  mehr  als  20  Millionen  Yen  gewachMo 
sein  wird,  ganz  aus  dem  Verkehr  ge/.ogen  werden  können. 
Dieses  Ziel  wird  man  auch  ohne  Schwierigkeit  erreichen  Die 
praktische  Durelifiilirung  wird  sich  ohne  jede  StöninL''  *^1es  Geld- 
marktes leicht  vollzieheu,  indem  die  Rriclisbank  die  im  Kiu- 
lOsungsfonds  befindlichen  Staatspapiere  iiberninnnt  und  dafür  die 
Nationalbanknoten  durch  ihre  eigenen  in  ^ilber  einlösbaren  Zettel 
ersetzt^. 


'  .UisfülirunpverordnuMg  vom  Mai. 
Dabei  ist  aber  eine  Jiufserordcntlichc  Verminderung:  von    '  i  *  1 000  Yen 
bei  der  15.  Bank  im  Jahre  ltiö;{i54.  —  Am  iSchiusse  des  Fiuau^abres, 
1.  April  1890,  war  die  Notenmetige  26391H77  Yen. 

^  y<j:\.  unten  aucli  die  Hestimmuni^cn  des  Gesetses  YOm  31.  Juli  16B8» 
betrvft'ead  die  Notenau^be  der  KeictiBbaiik. 


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185 


Die  beiiu  KinanzminiDterium  als  Sicherheit  fUr  die  Noten 
hinterlegten  8t;iatspapiere  werden  nach  Mafsgabe  der  ^otentügung 
den  Banken  zurückp^cgeben. 

Unter  den  Nationalbanken  nimmt  die  Fünfzehnte,  die 
sogenannte  Adeiabauk,  durch  ihr  Kapital  eine  besonders 
hervorragende  Stellang  em.  Ihre  Qeechichto  ist  so  eigenartig, 
dafe  es  Bich  yeriohnt,  mr  besondere  Aufmerksamkeit  so  aäenken. 

Nachdem  die  Gesetze  über  AblOsung  der  Renten  und  Er- 
nchtimg  der  Nationalbanken  erschienen  waren,  bemühte  skdi  der 
U-Daijin  Iwakurn .  die  Kwazoku  (den  Adel)  zu  bewegen,  ihre 
Abl<>Nnngsscheine  zur  (iründunir  einer  groisen  Nationalbank  zu- 
8aiiunenzulei;en.  Hie  Bank  sollte  sich  gewerbhcheu  Uuter- 
nelimungen  zuwenden,  namentUcii  der  Erbauung  von  Eisen- 
hahnen.  Darüber  brach  der  Aufstand  in  Satsuma  aus,  dessen 
nolae  Kosten  nur  mit  Papier  bestritten  werden  konnten.  Die 
Begierang  scheute  sich,  eine  grofse  Vermehrung  des  Staatspapier- 
geldes vorsunehmen  (was  sie  schliefslich  docli  thun  mulste).  So 
verfiel  man  auf  den  Plan,  mit  den  Ablösungsscheincn,  welche  die 
Kwazoku  vom  Staate  erhielten,  eine  Nationalbank  mit  einem 
Kapital  von  17  826100  Yen  zu  eirunden  (Mai  1877).  Bei  dieser 
Bi4nk  lieh  nun  der  Staat  15  Millionen  Yen.  Die  Bank  hatte 
freilich  auch  nichts  zu  verleihen  als  die  eben  vom  Staate  erhal- 
tenen Nationalbanknoten.  Der  Staat  gab  also  der  Bank  auf  die 
Sicherheit  seiner  eigenen  Staatsschuldscheine  die  Noten  und  lieh 
sie  dann  selbst  wieder  gegen  Zahlung  von  Zinsen.  Direkt 
Staatspapiergeld  auszugeben  wäre  billiger  gewesen.  Die  neue 
Bank,  ihrer  Nummer  nach  die  ftinfzennte,  erhielt  eine  Reihe 
besonderer  Privilesjien.  Sie  war  auf  30  Jahre  koncessioniert.  Ihre 
Notenausgabe  war  nicht  auf  80  Prozent  des  Kapitals  beschränkt, 
was  nur  14  260  880  Yen  ergeben  hätte,  sondern  beti  ug  noch 
240)000  Yen  mehr.  So  behielt  die  Bank  doch  noch  1660880 
Ten  in  der  Hand,  nachdem  sie  dem  Staate  15  IfSBonen  bis  zum 
Jahre  1890  geliehen  gegen  nur  5  Prozent  Zinsen.  Daftlr  brauchte 
die  Bank  fUr  diese  15  Millionen  einen  Einlösungsfonds  statt  von 
7r>n  000  Yen  nur  von  750  OOO  Yen  zu  lialten.  Auch  die 
hinterlegten  Staatspapiere  brauchten  nicht  den  vollen  Marktwert 
zu  haben.  Kin  gewisser  Miuimalkurs  wurde  als  Grenze  des 
Sinkens  angeuoiumen. 

Die  Bankreform  von  188B  hat  nun  diese  Fri^ilegien  sämt- 
Iksk  besettifft  Die  Koncessionsdauer  ist  auf  20  Jahre  herabge- 
setzt wie  Det  den  anderen  Banken.  Die  hinterlegten  Papiere 
müssen  den  ToUen  Marktwert  haben.  Die  aufserordentliche 
Notenausgabe  von  2  400  000  Yen  war  einzuziehen .  der  Ein- 
lösungsfonds auf  das  gesetzliehe  Viertel  der  Notenausgabe  zu 
erhöhen.  Um  der  Bank  diesen  plötzlichen  Autwand  von  fast 
fUnf  Millionen  Yen  zu  ermöglichen,  ziihlte  der  Staat  im  Sommer 
und  Herbst  1883  5  Millionen  von  der  Anleihe  zurück.   Um  der 


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X  4. 


Bank  ein  Äquivalent  fUr  die  Aufhebung  der  Privilegien  zu  geben 
und  ihre  Einnalmun  nicht  zu  schädigen,  wurde  für  die  ver- 
bleibenden 10  Millionen  des  Anlehens  d(  r  Zinsfufs  von  5  auf 
7V»  Prozent  erliuht,  so  dal«  die  Zinsenleistung  des  Staate?!  nach 
wie  vor  750  000  Yen  jährlich  betrügt.  Die  Bank  besorgt  die 
Geldangelegenheiten  der  Adligen,  hat  aher  im  ganzen  wenig 
Geachäne,  namentlich  im  Vergleich  zu  dem  ungeheuren  Nominal- 
betrag ihres  ^Kapitals".  In  den  meisten  Jahren  erreichte  der 
Umsatz,  die  Summe  aller  Operationen,  noch  nicht  den  doppelten 
Betrag  des  Kapitids.  Die  Dividende  beträgt  regclmäfsig  11  —  12 
Prozent.  Der  Notenumlauf  betrup:  Ende  1887  noch  12  853822 
Yen,  eine  Verminderung  um  mehr  als  3  800  000  Yen. 

Betrachten  wir  die  allgemeine  Entwickelung  der 
X  a  t  i  0  n  u  1 L»  a  u  k  e  u  an  der  Hand  der  amtlichen  Statistik,  welche 
bis  Ende  1887  reicht,  etwas  näher,  so  finden  wir,  dals  die  Zahl 
der  Banken  von  153  im  Jahra  1879  Ins  1887  auf  136  zurttck« 
gegangen  ist.  Vier  fonken  sind  geschlossen,  dreizehn  mit  n  leren 
Banken  verschmolzen.  Da^e^^en  hat  sich  die  Zahl  der  Neln  n- 
stellcn  dieser  Banken  von  82  auf  13  i  vermehrt,  so  daCs  di<  Zahl 
der  dem  Publikum  zur  Verfügung  stehenden  (Jouiptoire  von  235 
auf  -70  gewachsen  ist.  Doch  hatten  überhaupt  nur  54  Banken 
Nebenstellen.  Die  meisten  Nebenstellen,  nJimlich  14,  hat  die 
Erste  Kationalbank.  Mehrere  Banken  haben  Nebenstellen  in 
Korea,  Shanghai  nnd  Tientsin.  Mit  Europa  und  Amerika  in 
direktem  Vencehr  steht  meines  Wissens  nur  die  Erste  National- 
bank. Obgleich  einige  Banken  verschwunden  sind,  andere  ihr 
Kapital  yermindert  haben,  ist  doch  im  ganzen  das  Kapital  lang- 
Sfira  aber  dauernd  gewachsen ,  abgesehen  von  einem  kleinen 
Rückgang  1885  8n  Von  40'>l!'H)ü3  Yen  im  Jahre  187U  und 
43  041  100  Yen  Ende  1880  ist  es  bis  Ende  18R7  auf  45  838  851 
Yen  gestiegen.  Die  Kapitalerhölnmgim  namentlich  des  Jahres 
1887  (1  702  751  Yen  bei  14  Banken,  gegen  eine  Verminderung 
um  280000  Yen  bei  2  Banken)  sind  aber  bedeutsam,  weil  es 
sich  im  Q^gensata  m  den  früheren  Nengründungen  um  wirkliche 
£inxahlung  von  r^ddkapitalien  handelt. 

Die  grofse  Menge  der  Nationalbanken  sind  ganz  kleine 
Anstalten.  Srhen  w'r  von  der  Adelsbank  ab,  so  hatten  135 
Banken  ein  Kapital  von  nur  28  012  751  Yen,  durchschnittlich 
also  wenit;  mehr  als  200  000  Y^en.  Ein  greiseres  Kapital  haben 
nur  die  Erste  und  die  Dritte,  nftmlich  2  250  0(JO  Yen  (bis  Api-il 
1887  1  500  000)  und  1  000  000  Yen.  Beide  Banken  sind  in 
Tokyo.  Ihnen  folgen  die  110.  in  Shimonoseki  mit  600  000  Yen, 
die  39.  in  Maebashi  mit  525000  Ten  (vor  1887  350  000),  die 
74.  in  Yokohama  mit  516  000  Yen  (vor  1887  400  000),  die  2.  in 
Yokohama  und  die  13.  in  Osaka  mit  je  500  000  Yen.  Von  300  000 


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187 


biB  430  000  Yen »  hatten  23  Banken,  weniger  ab  300  000,  aber 
mindestens  100  000  Yen.  7*  >  Banken.  35  hatten  ein  Kapital  von 
5U0UO  bis  95  000  Yen,  davon  18  nur  je  Kmmh»  Yen.  Im  Jahre 
1^^81  hatten  noch  42  von  14b  Banken  weni^^er  als  lOO  OOOYen 
Kiiuitid.  Von  dem  Kapitide  kam  1887  auf  den  Bezirk  Tokyo 
menr  als  die  Hälfte.    Es  ^^ab  nämlich 

in  Tokyo       15  Nationalbanken  mit  24 100 100  Yen  Kapital 

-  /{^'^'^V  -  -  2820000  - 
(ohne  2sara) 

.  Isii^^atii  6  -  -  1  428125  - 

-  Kanagawa  3  -  -  1  210  000  - 

-  Fukusliima  5  -  -  830  000  -  - 

-  Gumma  3  -  *  805000  - 

-  Nagano  4  -  -  760000  •  • 

-  Sbunoka  8  -  -  750000  -  - 

Die  Summe  des  Kapitals  betrug  in  jedem  der  anderen 
Bezirke  weniger  ida  7(mmm)()  Yen.  In  12  Bezirken  (einschl. 
Nara)  war  nur  je  eine  Bank  ilomiziliert 

Nach  dem  Gesetze  soUiede  Bank  aus  ihrem  Gewimie  erneu 
Reservefonda  ansammelii.  Filr  aUe  Banken  suaanunen  ist  er  ge* 
stiegen  bis  Ende  1880  auf  1  525  107  Yen,  bis  Ende  1882  auf 
3  047  581  Yen,  bis  Ende  1885  auf  4  018  063  Yen,  bis  Ende 
1887  auf  4  657  176  Yen.  Gegen  die  Zeit  bis  Ende  lSfi2  ist  also 
die  Zunahme  erheblich  langsnnicr  f^eworden.  Bei  vielen  Banken 
ist  er  auch  jetzt  noch  reelit  unbedeutend.  Doch  betrug  er  1887 
bei  16  Banken  20  Prozent  des  Kapitals  und  mehr,  bei  39  weiteren 
Banken  10-20  Prozent.     Bei  der  iliöten  belief  er  sich  auf 

700000  Yen,  bei  der  Fdn&ehnten  auf  1040000  Yen. 

Die  von  den  Banken  besorgten  Geschäfte  sind  nun  viel&ch 
sehr  beschränkter  Natur,  wie  Mi  der  ktlnstlichen  Sdiafifbng  so 
zahlreicher  Geldinstitute  kaum  anders  zu  erwarten  ist.  Die  all- 
gemeine Statistik  giebt  an,  das  Wievielfache  des  Kapitals  sämt- 
liche Umsätze  der  Banken,  Eingilnge  und  Ausgänge,  betragen. 
Sie  waren  für  alle  Banken  zusammengenommen 

1880  das  3iJ  lache 
1882    -    50  - 

1885  -    48  . 

1886  -   58  - 

1887  -   62  - 


*  Das  Kapital  der  119.  Bank  ist  .Xnfaiv  1^*'0  von  4iiO(K)0  nuf 
1  000  000  Yen  erhöht  Sie  gehört  ganz  der  Mitsu  Bisbi-Ucsellschaft  (d.  h. 
der  Funilie  Iwaaaki). 


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188 


Deuten  ilie  Zahlen  auch  auf  einen  8«*hwriclien  Verkehr,  so 
zeigen  sie  doch  seit  der  Depression  von  l  ^HT)  eine  merkh'che 
Zunahme.  Doch  war  auch  1887  nur  bei  4  Banken  der  Umsatz 
CToliaer  als  das  2UUfacheS  ebenso  wie  1885.  Dagegen  war  bei  14 
&mken  (gegen  8  l  J.  1885)  der  UmntB  das  150— 200&flliey 
bei  20  Banken  (gegen  15  i.  J.  1885)  der  Umsate  das  100  bis 
150fiiche.  Anderseits  blieb  der  Umsatz  hinter  dem  Zehnfachen 
zurück  he\  11  Banken  (gegen  15  i.  J.  1885)  und  war  das  lf> 
V>is  2'» fachte  bei  18  Banken  (gegen  22  i.  .T.  lsS5).  I^ezoiehnend 
tui  das  ^^anze  Nationalbanksysteni  ist,  dals  von  den  11  Banken, 
deren  Umsatz  das  lofaclio  des  Kapitells  noch  nicht  erreichte, 
allerdings  2  keine  Dividende  gaben,  aber  eine  5,  eine  b  und 
die  7  Vorigen  10 — 12  Prozent.  Die  hierbei  befindliche  15.  Bank 
mit  ihrem  grofaen  Kapital  und  unbedeutenden  Unufttzen  (1887: 
266  auf  100  des  Kapitals)  drückt  die  Durchschnitte  &üt  daa 
ganze  Land  wie  besonders  für  den  Bezirk  Tokyo  .  in  welchem 
infolgedessen  die  UmsUtze  1887  nur  das  108  fache  betragen  haben 
trotz  Uinrechnung  der  Staatsbank.  Das  fcjtatistisclie  Bureau  hat 
eine  Berechnung  der  Umsätze  der  Nationalbanken  für  die  ein- 
zelnen Bezirke  zusammengestellt,  in  welcher  nach  nicht  ganz 
klaren  Prinzipien  jedem  Bezirk  die  dort  errichteten  Zweiganstalten 
Bugerechnet  sind.  Danach  wäre  der  Umsatz  für  Tokyo  das 
116&che  gewesen  (1885  das  108&che),  fllr  Osaka  das  163 feche 
(1885  das  123  fache). 

Die  Geschäfte  dfr  Nationalbanken  wiirdcn  noch  erheblicli 
inibedeutender  sein,  wenn  nicht  ein  Teil  dpr  Stantskassengeschäfte 
durch  ihre  Jllinde  gmge.  \  om  Dcpositeuverkehr  z.  B.  kam 
auf  die  Rechnung  der  Staatskassen  1887  ein  \  icrtel,  in  deu 
Jahren  vorher  mehr  als  ein  Drittel.  Im  allgemeinen  dürftegegen 
ein  Drittel  aller  Umsfitee  auf  Rechnung  der  Offendidien  änen 
kommen. 

Das  Hauptgeschüft  der  Nationalbanken  mit  Privaten  besteht 

in  Gewährung  von  Darlehen,  fa.st  ausnahmslos  gegen  Pfand 
(Seide,  Thee  u.  s.  w.).  Von  knapp  '^00  Millionen  Yen  im  Jnliro 
]s:^7  gewährter  Darlehen  kam  fin  Jh  ittel  auf  Tokyo,  ein  Sechstel 
aui  Osaka,  dann  folgen  Kanaguua,  liyogo  und  die  Seitlenbezirke 
Fukushima,  Nagano,  Gumma  u.  s.  w.  Über  die  Entwickeluug 
der  Zahlen  von  ISSO-^ISS?  siehe  die  folgende  Tabelle.  Wie 
man  Mkt,  stand  1887  immer  noch  hinter  den  Jahren  1881  und 
1882,  der  Zeit  der  Agiotage,  zurück. 


I  Bei  der  12.,  Tovams,  das  254fache, 

-  -  1(>0.,  Tokjo,      -  252  - 

-  -      1.,      -  -  m  ' 

-  '   84.,  Osaka,      -  214  • 

Bei  der  Ersten  war  1886,  vor  der  Kapitalerhöhang  tun  die  HSlfte, 
der  Umsatz  fast  das  400fiu!he. 


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189 


Darlelieo  der  Natioualbauken  im  Jahre  1887 

in  1000  Yen. 


GewOhnfiche  Darlehen 

an  den  Staat 
an  Privftte 


Geliehen   BesUiud  am  Ende 
des  Jahr« 


10625  10  296 1 
104  322      86  749 


im  Eontokorrentverkebr 


84415 


zusammen    114  948       47  045 


8122 


zusammen    190363      55  107 


■n  den  Staat 

an  Private 

1887 

10025 

188  738 

1886 

10759 

150  313 

1885 

10899 

137  284 

1884 

10650 

156  405 

1883 

15540 

150  049 

15  695 

180  311 

1881 

16689 

194  146 

1880 

15489 

147  484 

Der  Wechaelverkehr,  an  welchen  wir  sunSchet  bei  dem 

Bankwesen  denken,  ist  wenig  entwickelt.  Unser  gewöhnlicher 
kanftnünniacher  Wechsel  kommt  im  inländischen  Verkehr  nur 
gnn7  wenig  vor.  Doch  Ijoflicnon  sich  die  Ranken  im  Verkehr 
untereinander  wolil  dieser  Formen.  I'agegcn  kauten  die  Hanken 
allerlei  andere  Handelspapiere,  vermitteln   einen  ziemlich  aus- 

fedehnten  Anweisungsverkehr,  beleihen  Ladeacheine  u.  s.  w. 
>er  Gesamtanuatz  in  solchen  Wertschriflen  aller  Art  (mit  Ein- 
rechnmig  von  OheoksX  Eingänge  und  Ausgilnge  sueammen- 
ffenommen,  betrug  1887  nicht  ganz  352  Millionen  Yen.  Die 
Zahlen  ftir  die  Vorjahre  sind  nicht  genau  vergleieldjar.  Sie  be- 
laufen sich  auf  rimd  288  Millionen  fUr  1882,  289  MiUionen  fUr 
1885. 

Auch  der  Depositen  verkehr  ist  verliültnisnialsig  unbe- 
deutend, aber  nach  dem  prolsen  Rückgang  bis  1885  erheblich 
im  Steigen,  wenn  man  von  den  Stautägeldern  absieht,  und  1887 
höfaer  all  im  bisher  bedeutendsten  Jahn  1882.  Näheres  scigt 
die  folgende  Tabelle. 


*  Uaaptaächlich  die  Zehiuniilionen- Anleihe  bei  der  15.  Nationalbank. 


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190 


X  4 


Depositen  bei  den  Nationalbanken  im  Jahre  188  7 

in  lOOO  Yen. 

Deponiert  Bestand  am  Ende 
des  Jahres 


▼om  Staat  102110 

▼on  Primaten  313730 

davon :  Koatokonent  2^3  644 

fef«te  17  2:31 

unter  besonderen  Bedingungen  49  068 

flir  AnweiauDgen  18  788 

Summe  415840 


6630 
25081 

11 

7  104 
5  934 
5S5 

31 711 


vom  Staat 

von  Privaten 

1887 

102110 

313  730 

1886 

187062 

260  608 

1885 

157408 

214  356 

1884 

146369 

236  57t) 

1883 

167943 

24(1  193 

1882 

141885 

282  691 

1881 

25  508 

264  230 

1880 

18997 

209  437 

Von  den  unter  ^besonderen  Bedingungen"  deponierten  Geldern 
haben  einige  ein  besonderes  Interesse.  Eine  Anzahl  National- 
banken haben  nämlich  Sparkaaaenabteilungen  enicht^  mit  ins- 
gesamt 130  Zahlstellen  (eine  tn  Korea  eingeschloasen).  Nur 

in  2  Bezirken  fehlen  sie  ganz.  Der  ZinsfUfs  bewegt  sich  zwischen 
3  und  5,6  Prozent.  Im  Jahre  1887  wurden  4303776  Yen  ein- 
gelegt; der  Bestunl  -xm  Ende  des  Jahres  w  n-  1  727908  Yen, 
welche  3912H  Kinlf;i;ern  gehörten.  Zwei  Fu 1 1 Ii  1  der  Gelder 
und  faät  ein  Drittel  der  Einleger  kam  aul'  tUe  drei  liesidenz- 
bezirke. 

Die  Nationalbanken  haben  einen  recht  erheblichen  Besitz 
an  Staats])apieren,  auch  abgesehen  Ton  den  ala  l^cherheit  fttr 
die  Noten  hinterlegten  Effekten.  Der  Nominalbetrag  der  von 
ihnen  verkauften  und  ihnen  gehörigen  Papiere  war 


1881 
1882 
1883 
1884 
1885 
1886 
1887 


verk Hilft  im  LAufe 
des  Jahres 

Yen 

8  (»49  425 
(3 IKS  /  462 
10522095 
12989542 
10779627 
13266121 
10341 710 


hinterlegto 
Papiere 

Yen 
52624570 
53(176000 
43609080 
42605780 
41998210 
36360045 
35191260 


wa  freier  Ver- 

fügung 
am  £nde  des  Jahres 

Ti'en 

130(32150 
131lt(i7!f6 
22812415 
25098375 
26022441 
81724170 
31028657 


tosammen 
Besits 


Yen 

65(380720 
66  266  796 
06421495 
67704155 
68020651 
68  084215 
66219917 


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191 


Wie  nnmontlich  die  Spalte  des  jährlich  verkauften  Be- 
trages ergiebt,  haben  die  Nationalbanken  nicht  nur  einen  im- 
▼erliältnisnmiöigen  Teil  ihreb  Vermögens  in  Staatspapieren  liegen, 
flondem  sie  treiben  auch  Geschäfte  in  Effekten.  Wie  die 
NachweiBiiogen  der  in  den  einzeben  Jahren  erworbenen  und 
Terftufserten  Effekten  zeigen,  waren  die  Banken  bei  der  Zeichnung 
neuer  Anleihen  a«t  1884  (Naknsendo-,  Marineanleihe)  und  bei 
der  Konvertlenmp:  stark  beteiligt.  Die  bei  der  lieichsbank  hinter- 
legf'M),  zur  Einlösung  der  Banknoten  bestimmten  Effekten  sirid 
übrigens  in  obigen  Zahlen  nicht  einbegriffen.  Es  waren  Ende 
1887  nominal  13  71G10U  Yen. 

Die  allgemeine  Statistik  giebt  leider  keine  Zusammen- 
stellung aller  Aktiven  und  Fasdyen  der  Nationalbanken.  Der 
Eassenbestand  am  Ende  jedes  Jahres  zogt  {bigende  Entwickelung: 


Mfinse 

Papi  flr  LT '^Ul 

Kfichsbank- 

Sttmme 

(eiuschl.  Nutiüual- 

noten,  ein- 
ISebar 

banknoten) 

Yen 

Yen 

Yen 

Yen 

1880 

1926581 

9380615 

11307196 

1881 

1571617 

11592851 

13164468 

1882 

1762484 

12669113 

14  431  507 

1883 

1031816 

11666034 

lL?t'>07  850 

1884 

003529 

8252411 

0  215  040 

1885 

1  »)38  607 

11386945 

476920 

13502  472 

1886 

1620665 

9421993 

3  320  928 

14363586 

1887 

1  728  732 

7  760  845 

4073H43 

13563520 

Die  von  den  Banken  gemachten  Gewinne  und  verteilten 
Dividenden  für  alle  Banken  zusammengerechnet  betrugen  im 
Xhurchschnitt  iedes  Jahres  (Gewinnberechnung  und  Dividenden- 
verteflung  findet  halbjährlich  statt): 


auf  100  des  Kapitals 


Gewina  Dii^dende 

1877  6,T0  5,80 

1878  10,00  8,ss 

1879  13,82  11,87 

1880  15,82  12,.,5 

1881  16,77  1Ö,15 

1882  17,18  13,60 
1888  14,79  12,(0 

1884  Idyoa  11,00 

1885  13,00  11,57 

1886  13,4T  11,86 

1887  14,04  10,70 


Das  Aufsteigen  wirtschaftlicher  Tbätigkeit  bis  zum  Höhe- 
punkte des  Jahras  1882  und  der  EinBufs  der  darauf  folgenden 


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192 


X  4. 


wirtschaftiichen  Krise  epiegelt  sich  ui  den  Zahlen  deutlich 
wider.  Das  Sinken  des  Zinsfufaes  iniblge  der  Krisis  liat  auch 
ciu  lascheres  Wiederansteigen  verhindert,  doch  zeigt  der  öewinn- 
satB  fttr  1887  wieder  einige  Zunahme,  wenn  er  auch  hinter  dem 
der  Jahre  1880—1883  surttckblieb.  In  den  Jahren  1882  mit  143 
Kationalhanken,  1885  mit  139,  1887  mit  136  Banken  verteilten 

1882  1885  1887 

kone  Dividende           2  Banken      5  Banken  2  BaokeD 

weniger  als  10  Prozent    7      -        23      -  40  - 

10  bis  unter  15  Prozent  50      -         91       -  86  - 

15  Prozent  und  mehr    78       -         20       -  R  - 

Die  höchste  vorgekommene  Dividende  in  dem  betrefi'eudeo 

Jahre  war  19,<>r.<^  o  (1882),  18^  <>  (1885)  U»"  i 

Rs  ist  beincrkcuswert,  wie  die  aufserordentlicli  hohen  Divi- 
denden seltener  geworden  sind,  auch  in  dem  sonst  ertbl^Toiclii  n 
Jahre  1887,  und  wie  die  Banken  mit  mäisigen  Dividenden  sich 
▼crmehren.  Offenbar  hatten  auch  1887  noch  viele  Banken  an 
vorhergegangenen  Schäden  zu  leiden. 

Um  einzelne  der  wichtigeren  Banken  hervorzuheben,  t» 
gaben  Prozent  Dividende: 

1882    1885  188(3  1887  1888 

die     1.  National-Bank   18      18     18     17  10 

2.  -  19,95    17     17     19  20 

3.  -  10,10    10     10     10  10 

-  4.         -  17,5     15     14,5  13,42  14 

-  5.         -  16       13     12,6  12  12 

-  13.         -  12      11     10      9  9,4 

-  15.         -  12      11,6  11     11  11 

-  110.         -  15      12     12     12  12 

Die  Höhe  der  Dividenden  erscheint  zunächst  überrasehend, 
namentlich,  wenn  man  bedenkt,  dafs  der  Umsatz  bei  den  meisten 
Banken  ein  sehr  bescheidener  ist.  Tiiatsächlich  erklärt  sie  sich 
zu  einem  sehr  Arolsen  Teile  höchst  einlach.  Die  Ranken  haben 
zunächst  die  Zinsen  der  als  Notengarantie  lunLerlegten  Papiere 
als  reine  Einnahme.  Dazu  kommen  dann  die  Zinsen  der  übrigen 
iu  i  Ii  rem  Bcbitze  befindlichen  Staatspapiere.  Wie  wichtig  daa 
ist,  möge  eine  Berechnung  der  Zinsen  von  den  am  Ende  zweier 
Jahre  vorhandenen  Papieren  zeigen. 

1882  in  Yen   1887  in  Yen 

Der  gesamte  Reingewinn  der  Banken 

betrag  7576909      6  526826 

Die  Zinseneinnahme  von  Staatspapieren 

betrug  3965501  3836857 

(dabei  von  den  als  Notengarantie  hinter- 
legten Papieren  3082421       2003  356) 

Dazu  ist  zu  reclmen  die  Verzinsung 
der  bei  der  15.  Bank  gemachten 

Satsnmaanleihe  750000  750000 

Zusammen  Zinsen   4715501  '4586857 


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X  4.  193 

Das  sind  vom  AIvtien  Kapital  10,6«%  10,oi"/o 

Dagegen  war  der  Keine^owinn  17,i8%  14,24°/o 

die  Dividende  13,öo'^/o  10,i»<*/« 

Fast  die  pnze  Dividende  des  Jahres  1887  kam  abo  im 
Durchachnitt  aller  Banken  von  Zinsen  der  Staatsschuld.  Diese 

Zahlen  zeigen,  wie  gerinti^  hei  einer  sehr  grofsen  Zahl  von  Banken 
die  F^innahme  aus  dem  wirklichen  liankproscfnift  sein  mufs  und 
wie  überflüssig,'  volkswirtschattlicli  .seiu'  vi<  Ic  (ier  Banken  sind. 

Das  führt  uns  denn  zu  der  allgemeinen  Beurt«  ilung 
des  Nationalbank  Wesen  s.  Das  Oesetz  vom  1.  Aui,'ust  1876 
mit  seiner  Tendenz,  das  Bankwesen  des  Laudts  einem  rein 
politischen  Nebenzwecke^  der  Unterstützung  des  alten  Soldaten- 
standes, dienstbar  tu  maeben,  war  einer  der  ärgsten  Fehler  der 
modernen  Wirtschaftspolitik  Japans.  Die  leichtfertige  Vermehrung 
des  umlaufenden  Papiergeldes  hat  sich  bitter  gerächt  in  der  be- 
schleunigten Entwertung  der  Währung.  Weder  bestand  ein 
Bedürfnis  ftlr  viel*'  dieser  Banken,  noch  waren  deren  T.eiter  für 
ihre  iStellungen  geeignet  Durch  unkluge  Kreditgcwalirung  liaben 
sie  in  den  Jahren  der  Agiotage  die  leichtsinnige  Spekulation  in 
Seide,  Thee,  Keis,  wie  in  i'apiergeld  befördert 

Fjnen  wesentlichen  Nutzen  haben  sie  in  ihrer  Qesamtheit 
nur  dadurch  iUr  den  Staat  gehabt,  dals  sie  das  Mittel  waren, 
einen  erbeblichen  Teil  der  neu  geschaffenen  Staatsacfauldacheine 
feslsnhalten.  Für  die  Staatskassenverwaltung  sind  sie  glelcb&Us 
nützlich  gewesen.  Auch  das  ist  nicht  an  yerkennen,  dafs  einzelne 
der  Banken,  wie  die  Erste,  die  Zweite  und  einige  andere,  wirklich 
zur  Entwickelung  d*  s  Kreditwesens  ^ei^'etraj^^en  liabcn  und  als 
nützliche  volkswirtschaftliche  Anstalten  zu  betracliten  sind.  Das 
hätte  .sich  aber  auf  Grund  des  alten  (ie.set'/e.s  von  l!^72  auch 
entwickelt  Allmählich  hat  sich  manches  gebessert.  Die  Leiter 
der  Bauken  haben  einige  Erfahrung  gewonnen^  obgleidi  man 
noch  nicht  llberall  zu  viel  Zutrauen  haben  dar£  Die  Banken, 
weldie  ftlr  ihre  Fonds  keine  genügende  Verwendung  haben,  wie 
der  grolse  Besita  an  Staatspapieren  zeigt,  scheinen  1887/89  in 
die  Gründung  von  allerlei  gewerblichen  Gesellschaften,  vielfach 
in  bedenklicher  W(  i-p,  verflochten  zu  sein.  Schon  die  Personal- 
union, welclie  z.  P>.  die  Ei-ste  und  die  Zweite  Naüonalbank 
durch  ihre  Präsidenten,  E.  Shibusawa  und  Z.  Hara,  mit  einer 
ganzen  Reihe  anderer  Unternehmungen  verknüpft,  ist  nicht  un- 
bedenklich. 

Die  allmähliche  X'erminderung  der  Überaabl  der  Banken 
scheint  sich  nicht  in  dem  anfönghchen  Tenapo  fortBUsetsen.  Vji« 
die  Neugrttndune  aablraicber  kleiner  Privatbanken  in  d«i  wtot«» 
Jahron  «eigt  scheinen  viele  kleine  Banken  einstweilen  den  yer- 
kel»«gewohnheiten  mehr  zu  entsprechen  ala  wenige  starke  kJanJten 
mit  zahlreichen  Filialen. 

ForMhttogftii  {4R)  X  4.     IUthg«n.  1^ 


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194 


X  4. 


In  den  Jahren  1896  bis  1899  laufen  die  KonoesBione»  der 
Nationalbanken  ab.  Die  Noten  sind  bis  dahin  eingecogen  und 
dk  Banken  auf  ihre  eigenen  HUlfiMioeUen  angewieBen.   Eb  ist 

anzunehmen,  dala  die  meistin  Banken  versuchen  werden,  ihre 
Geschäfte  fortzusct^pn .  Denjenigen,  welche  vernünftig  geleitet 
und  durch  Ansammlung  von  Reserven  gekräftigt  sind,  wird  das 
Wühl  auch  geHngen.  Wenn  eine  Anzahl  der  schwächeren  Banken 
sich  auflöst,  so  wird  das  für  die  japanische  Volkswirtschaft  kein 


Störungen  des  Geldmarktes  sich  vollzieht  Die  Adelsbank  wird 
einer  vollständigen  Umwandlung  bedürfen,  wenn  der  Staat  ihr 
die  10  Millionen  Yen  der  Satsuma- Anleihe  surttckaahlt 


II.  Die  Shokln  Ginko  (Hartgeld-Bank,  Specie-Bank). 

Der  japanischen  Besizebungcn ,  den  „direkten**  answttr- 
tigen  Handel  in  die  eigenen  Hände  zu  bekommen ,  ist  in 
anderem  Zusammenliange  zu  gedenken  ( vergl.  das  neunte  Kapitel 

dieses  I^uehes).  Die  fremden  in  den  offenen  Häfen  erriehteten 
Bankfilialen  —  die  ersten  Afrenturen  englischer  Kolonialbanken 
stanmien  schon  aus  dem  Frühjahr  1803  —  hat  das  neue  Ja^ian 
nie  gerne  gesehen.  Schon  1872  bei  den  Unterhandlungen  we-en 
der  zweiten  ausländiöcheu  Anlcilie  suchte  die  Regierung,  aller- 
dings vergeblich^  ihre  Hfllfe  zu  umgehen.  Der  Gedanke  lag 
nahoy  eine  einhdmiBche  Konkurrenzbank  fUr  die  BedUrfiiisse  des 
Aufsenhandels  zu  gründen.  Die  Nationalbanken  mit  ihrer  Papier- 
grundlage eigneten  sich  dafUr  nicht.  Dazu  kam  eine  zweite  £r- 
wügung.  Die  Regierung  brauchte  für  ihre  Zahlungen  im  Aus- 
lande Edelmetall.  Versuche,  dieses  o<ler  Wechsel  in  Yokohama 
diixikt  zu  kaufen,  führten  regelmiilsig  zu  lebhaften  Kursschwan- 
kungen. Die  Regierung  verschaflle  sich  daher  das  Edelmetall 
in  der  Weise,  dafi  sie  Keis,  später  auch  Seide  auf  eigene  Rech- 
nung Tefschifiie  und  in  Europa  durch  Agenten  verkamen  liefii^. 
Auch  die  Operationen  der  Ex]>ortge6^8chaften  dienten  dem 
gleichen  Zwecke.  Um  in  allen  diesen  Dingen  unabhängig  zu 
worden,  war  eine  eigene  Exportbank  '.vtinschenswert,  welche 
nach  mancherlei  Erwa^amgen  im  Jahre  1879  beschlossen  und 
im  PVbrimr  IRRO  in  Yokohama  unter  dem  Namen  Shokin 
Ginko,  Hartgeld-Bank,  englisch  als  »Specie-Bank"  bekannt, 

'  Dift  ^>rs.■lliffunc  von  Produkten  auf  Rechnung  der  Finanzver- 
waltung hat,  wenn  ich  nicht  irre,  vnti  1^77—18x4  regelmUfsig  stHtt- 
gefunden.  Authentische  Mitteilungen  sind  über  diese  Vorgänge  nie  ver- 
öft'entlicht.    Dafs  es  1^77  geschehen  sei,  sagte  der  Viceminister  Matsukata 


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195 


eröffiiet  wurde.  Das  Kapital  sollte  in  Silber  aufgebracht  werden, 
der  Staat  1  MillioD,  die  privaten  Aktionftre  2  Millionen  Yen  her- 
geben, der  Staat  auf  seine  Aktien  eine  i^eringere  Dividende 
erhalten.  Die  erste  Schwierigkeit  war,  dals  das  Publikum  nur 
für  400  000  Yen  Metallaktien  autuahiii.  Nun  wurde  erlaubt, 
die  übrigen  1600000  Yen  in  Papier  aa&abi*iQgen.  Damit 
wurden  Kinaatsnacheine^  gekauft  tmd  auf  diese»  P&ad  vom 
Finanzministerium  Silber  geliehen.  Der  Staat  gab  wohl  auch 
weiterhin  der  Bank  Vorscntisse.  Die  zweite  Schwierigkeit  war, 
in  das  Bankircschäft  hin fM*n zukommen,  da  die  fremden  Kaufleute 
natur^'eraäfe  ihre  Verbindungen  mit  den  fremden  J>anken  auf- 
rechterhielten. Welcher  fremde  Kaufmann  hutte  auch  damals 
in  den  Tagen  der  tollsten  Agiotage  Zutrauen  zu  einer  japauiaclien 
Bank  gehabt  So  war  die  l^kiu  Oinko  darauf  angewiesen, 
mit  den  einhdmischen  GeseUschaften  &r  direkten  Export  au 
arbeiten.  Die  Flrodttzenten  Im  Lande  erhielten  auf  Thee  und 
Seide  Vorschüsse,  natürlich  in  Papiergeld,  wof\ir  sie  sich  ver- 
pflielite'ten ,  durch  Vermittclunpc  dieser  Gesellschaften  zu  expor- 
tieren. Die  Metalleinnalimen  im  Auslande  erhielt  dann  die  I^ank 
als  Zahlung:  für  ihre  Vurschüsse.  So  ^^elang  es  ihr,  für  die 
Regierung  Metall  zusammen  zubekommen,  das  Geschäft  schien 
zu  blühen  und  die  Aktien  stiegen  auf  133.  Nun  acheint  aber 
daa  Ausfuhrgeschäft  nicht  sehr  ▼orrichtig  gefUhrt  su  sein.  Schon 
im  April  lo82  war  die  Bank  In  Sohwieiigkeitcn  wegen  £Sn- 
ziehung  ihrer  Vorschüsse  und  gegen  das  Ende  des  Jahres  in 
wirklieh  ^>rdr;irt<Tter  Lap^e.  Genau  ^y\e  die  Dinge  standen,  ist 
im  Publikum  nicht  bekannt  geworden.  Ah^  die  Aktien  stark 
tielen.  kaufte  die  FinanzverwalUing  eine  gröiseie  .Ntenge  auf  und 
im  April  1883  wurde  die  Bank  rekonstruiert.  Das 
Kapital  der  Bank  wurde  in  Papier  umgewandelt.  Dadurch  ge- 
king  es,  das  Kapital  schembar  auf  der  alten  Hohe  au  erhalten, 
wfthrend  man  den  Wertuntenchied  zwischen  Silber  und  Papier 
zur  Abschreibung  der  uneinbringlichen  Forderungen  gegen  die 
Exportgesellschaften  verwendete.  Im  Sommer  1883  ging  die 
umgestaltete  Bank  nioder  an  da^<  Auslandsgeschäft  heran.  Ein 
glücklicher  Umstand  begünstigte  ihre  Bemühungen,  in  das  regel- 
mäfsige  Geschäft  hineinzukommen.  Um  dieselbe  Zeit  nämlich 
entstand  bei  den  europäischen  Banken  eine  Geldklemme,  die 
Ml  \m  cum  Herbst  nodi  steigerte  (grofse  Seidenausfuhr).  Die 
Shokin  Ginko  kam  anfangs  den  fremden  Konkurrenten  au  Hülfe, 
indem  sie  Bank  Wechsel  kaufte.  Bald  aber  kam  man  auf  den 
ganz  richtigen  Gedanken,  nicht  die  Tratten  der  IJankcn,  sondern 
nie  der  Exporteure  selbst  zu  kaufen  und  zwar,  um  sie  anzu- 
sehen, zu  etwas  vorteilhafteren  Bedingungen,  als  die  fremden 


'  Die  Kinsatsubonds  sind  zur  Einlösung  von  Papiergekl  ausgegeben 
uud  m  Metall  mit  6  Prozent  verzinslich  und  rückzahlbar,  die  älteren  in 
Gold,  die  sp&teren  in  Silber. 

13* 


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196 


X  4. 


Banken  isehcn  konnton.  Die  Pol<^e  dieses  jahrelang  fortgesetzten 
Verfahrens  war,  dals  das  giinzc  Bankgeschäft  in  zwei  Teile  zer- 
fiel, nie  europUischen  Banken  fuhren  fort ,  die  Importe  zu 
tiuauzieren.  Um  das  der  bhokin  Ginko  zu  überlassen,  fehlte 
und  Wt  hellte  noch  das  Zutmieii.  DieM  da^en  vermittfllfte 
die  Tratten  fUr  die  Exporte.  So  sammelten  sidi  die  ZaUong^ 
i\ir  die  Importe  bei  oen  europäischen  Banken  in  Japan,  die 
Zahlungen  Air  Exporte  bei  den  Agenturen  der  Sfaokm  Ginko 
im  Auslände.  Die  TlegieruTi<?  ur^t}  die  P>ank  erreichten  den 
Zweck,  über  sehr  erhebliehe  Ed«  liiicuilimengen  im  Auslande  Ver- 
in^uTiff  zu  erhalten.  Beide  haben  dabei  grofse  Gewinne  dadurch 
gemacht,  dais  der  iSüberpreis  andauernd  sank,  während  giolsc 
Summen  in  Gold  in  Europa  lagen.  fVeilich  stand  dem  gegen- 
über der  NachteOt  dafs  die  fremden  Banken  in  Japan  daa  Silber» 
welches  sich  bei  ihnen  ansammelte  und  welches  sie  fiir  den  An- 
kauf von  Tratten  nicht  verwenden  konnten,  wegschickten.  So 
ergab  sicli  die  Folge,  dafs  der  japanische  Aul'senhandel  mit  einem 
ganz  imvcrlüiltnismnrr^igen  Aufwand  von  Kdelmetiül  linan7,{ert 
ist,  indem  die  Kegieining  Silberbarren  einführte,  die  tremden 
Banken  die  geprägten  Yen  ausführten.  Den  Höhepunkt  eiTeichte 
das  im  Jahre  1887.  Seit  dem  Frühling  1888  wurden  diese 
Operationen  eingeschrftnkt  und  die  im  Anshinde  aur  Verfügung 
der  Regierung  stehenden  Summen  mehr  und  mehr  nach  Japan 
gezogen,  eine  Operation,  welche  im  Frühjahr  18B9  in  der  Haupt- 
sache beendet  sein  dürfte.  Allmählich  ist  es  in  den  letzten 
Zeiten  der  Shokin  Ginko  aneli  c:elnngenj  an  der  Beleihung  von 
Importen  einen  Anteil  zu  gewinnen. 

Die  Entwickelung  der  Shokin  Ginko  ist  noch  durch  ein 
weiteres  Ereignis  begünstigt  worden,  die  Zahlungseinstellung  der 
Oriental  Banking  Corporation  im  Jahre  1884.  Mit  dieser  früher 
bedeutendsten  der  englischen  Eolonialbanken  hatte  die  Regierung 
ältere  Beziehungen,  welche  nicht  ganz  g^Ost  werden  konnten. 
Namentlich  besorgte  sie  den  Dienst  der  auswärtip:?  n  Schuld. 
Nach  ihrem  Ziinjinimenbrurh  wurden  diese  rtpseliäfte  (kr  Shokin 
Ginko  übertragen,  weshalb  au(  Ii  deren  Londoner  Agentur  im 
Herbst  1884  zu  einer  Nebensteile  erlioben  wurde.  In  Lyon, 
San  Fraucißco  mid  New  York  bestehen  Agenturen,  in  Kobe  eine 
Nebenstelle. 

Im  April  1887  wurde  das  Kapital  der  Bank  erhobt  Im 

Zusammenhang  mit  der  allgemeinen  Spekulations-  und  Emisfliona- 
thätigkeit  dieser  Zeit,  welche  die  Aktien  der  Bank  auf  eine 
aufsevordentliche  Hölic  getrieben  hatte.  Die  Verdoppelung  da 
Aktien  war  ein  gutes  Geschäft  fllr  die  Aktionäre.  Zugleich  war 
eine  Xerstärkung  der  eigenen  h'onds  wünschenswert,  da  die 
Zurückziehung  eines  greisen  Teils  der  Staatsdepositen,  mit  welchen 
die  Bank  arbeitele^  Torauszusehen  war.  Übrigens  ist  auf  die 
neuen  Aktien  nur  die  Hälfte  eingezahlt,  die  Einmiung  der  anderen 
Httlfte  vertagt,  da  inawischen  der  Geldmarkt  adhr  viel  weniger 


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X  4. 


197 


willig  geworden  war.    Ea  war  wohl  eine  Bedingung  fUr  die 

Erlau ])m*s  der  Verdoppeln  h  l*',  dafs  von  da  an  die  im  Staatsbesitz 
befiiidliclien  Aktien  die  gleiche  Dividende  erhielten  wie  die  übrigen 
Aktien ,  was  hia  dahin  nicht  der  Fall  war.  Ferner  <;ingen 
damals  diese  Aktien  in  dix&  i£.igentum  dcä  kai^^eriicben  Hauses 
ttber. 

Auf  Qrund  dieMr  neuen  Verliältnine  wurde  die  ganae 
Stellung  der  Sbokin  Qinko  durch  eine  neue  Eaueriiche  Ver- 
ordnung geregelt  (Nr.  29  yom  6.  Juli  1887,  etwas  geändert 
durch  Kr.  10  vom  3.  Februar  1^^801  !)anach  ist  die  gesets* 
liebe  Stellung  der  Shokin  Ginko  folgende: 

Das  Privileg  der  Bank  lilutt  20  Jahre  vom  28.  Februar  1880 
tOkf  kann  aber  verlängert  werden.  Das  Kapital  beträgt  ü  Millionen 
Yen  in  60000  auf  den  Namen  lautenden  Aktien  \  welche  übrigens, 
wie  durchweg  in  Japan  der  Fall,  von  Auslttndem  nicht  erworben 
werden  können.  Die  Aktionäre  haften  nur  für  den  Betrag  ihrer 
Aktien.  Genehmigung  reep.  Bestätigung  des  Finanvministers  tat 
erforderhch : 

1.  zur  Errichtung  und  AufhehuQg   von  Nebenatellen  und 

Agenturen. 

2.  zum  Betrieb  von  Geschäften  in  ausländischem  Geide  oder 
Effekten. 

3.  zur  Verteilung  der  Dividende. 

4.  zur  Wahl  des  FrttsideDten,  der  gleichzeitig  Direktor  bei 
der  Reichabank  (Nihon.  Oinko)  sein  dar£   Der  Minister 

kann  den  Vicepräsidenten  der  Beichsbank  gleidueitig  tum 

Prttsidentcn  der  Shokin  (Jinko  ernennen. 

5.  zur  Wahl  der  übrigen  ]\Iitglieder  des  Direktoriums  (min- 
destens vier  —  Zusatz  von  1880). 

Die  Bank  soll  Grundbesitz  nicht  erwerben ,  ihre  ein^oncn 
Aktien  nur  kaufen  oder  beleilim ,  wenn  der  JSchuldncr  keine 
andere  Deckung  bat.  Täglich  fallige  Depositen  müssen  zu  einem 
Viertel  bar  gedeckt  sein.  Vom  Gewinn  sind  10  Prozent  zur 
Büdung  des  Reserreibnds  zu  verwenden.  Der  Minister  kann 
die  Bank  schliefsen,  wenn  mehr  als  die  Hälfte  des  Kapitals  ver- 
loren ist  Er  kann  sie  jederzeit  durch  einen  Regientngskom- 
missar  revidieren  lassen,  kann  auch  jede  Mafsr^el,  welelic  er 
f^r  unangemessen  hält,  verbieten |  eventuell  Neuwahl  des  Direk- 
toriums anordnen. 

Die  Stiiatsaufsicht  geht,  wie  man  sieht,  soweit,  dafs  man 
die  Bank  im  wesentUchen  als  eine  Staatsbank  mit  Privatkapital 
bezeichnen  kann. 

Auf  den  mehrfadi  erörterten  Vorschlag ,  die  Shokin  Ginko 
mit  der  Beichsbank  ganz  zu  verschmelzen,  hat  man  sieh  ver* 


^  Davon  ist  die  Hälfte  nur  halb  eiugezahlt,  das  Kapital  also  in 
Wahibeit  4  600000  Yen. 


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X  4. 


nlinftigerweise  niclit  ein^^elasspn.  Oio  TJoschfifte  einer  Bank, 
welche  den  auswärtigen  Handel  tinaiizieri ,  eignen  sich  nicht  tiir 
die  (  't-ntralbank  eines  Landeü,  deren  Autgabe  in  erster  Linie 
Kegelung  der  Landeswährung  ist.  Jedoch  hat  die  8hokin  Ginko 
es  erreiclit,  dal's  die  Nihon  Ginko  ihr  zu  Htüfe  gekommen  ist, 
um  ihr  die  Fondß  fUr  ihr  Wechselgesdiftft  zu  beschaffen.  Bis 
1889  waren  diese  durch  die  grofsen  Operationen  der  Begternng 
zur  Beschaffung  von  Edelmetall  geli^ert  worden.  Die  Bank 
hatte  sehr  bedeutende  Staatsdepositen  in  Händen  für  sehr  nie- 
drigen Zins  (angeblich  nur  2  Prozent).  Narlidem  nun  diese 
Staatsdefjositen  bedeutend  vermindert  sind,  der  Bank  auch  die 
Erlaubiim  zur  Notenausgabe  (tranz  mit  Recht)  verweigert  ist,  hat 
sieh  im  Oktober  iHbi»  die  Siaattjbank  l>ereit  erkliirt,  Auslands- 
Wechsel  der  Shokin  Ginko  bis  zum  Betri^e  von  10  Millionen 
Yen  EU  diskontieren.  So  finden  wir  in  &r  BtktnK  der  Baak 
folgende  Verschiebung  der  Posten: 

Ende  1888  Ende  1889 

Depositen  16  203  000  Yen     10  240  000  Yen 

Andere  Verbtndiiehkeiten    5115  000    •       18065  000  - 

Die  bisherigen  greisen  Gewinne  der  Bank  sind  durch  diese 
Änderung  der  \  erhaitnibse  allerdings  einigermafsen  beschrankt*. 

Der  Reingewinn  und  die  iSvidende  der  Shokin  Ginko 
haben  sich  fol^ndermaCben  entwickelt': 

Reingewiim  Dividende 

der  Privataktieu    der  Staatsaktieo 

1880  185  000  Yen        4,5%  3,7»  ^  o 

1881  aiaooo  -        8,5-  6  - 

1882  293  000  -  8,5  -  6  - 

1883  379000  •  11,5  -  6  - 

1884  551 000  -  15,5  -  7  • 

188:>  1  339  000  -  10    -  8  - 

1886  1009U00  -  16    -  8  - 


IbbT    1  217  000   -  17  % 

1888    1  472  000    -  20  - 

1S81>      850  000    -  16  - 

Zu  dem  grolsen  Rückgang  des  r4e\vinnes  1880  hat,  auch 
beigetragen ,  dals  in  den  früiieren  .lahren  durch  den  dauernden 
Rückgang  des  iSilberpreises  greise  Ciewinne  an  dem  in  London 
liegenden  Golddepositum  der  Regierung  genuicht  sind,  während 
1889  dies  nicht  nur  wegfiel,  sondern  auch  bei  dem  Wechsel- 


*  Die  übermärsig  verwohnten  Aktionäre  haben  denn  auch  ihrem 
Mifsverpiügen  in  der  Prease  lebhaften  Aiudruck  gegeben. 

^  Die  Tantiemen  eind.  wie  bei  allen  japanisches  ünteroehmungen^ 
»ehr  hoch,  liiiOOO  Yen,  ^9;  b'jm  Yen. 


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geschäft  zieiiilH-}i<'  \'prhi8tf»  eingetreten  sind,  weil  fl-is  im  Herbst 
reeelinäfsig  ein  tretende  Steigen  des  Silberureises  über  das  gewöhn- 
liche Mais  hinausging.  Die  heftigen  Schwankungen  des  Silber- 
preises  und  infolgcdeäsen  des  Wechselkuraeä  auf  Europa  und 
Amerika  haben  auf  die  Li^  der  Bank  im  Jahre  1890  sehr 
ungOsstig  eingewirkt  und  ihr  erhebliche  Verluste  verurBacfat 
Um  die  Dividende  auf  der  Höhe  von  lö  Prozent  za  erhalten^ 
mursten  fUr  das  erste  Semester  140000  Yen  der  Kesenre  ent- 
nommen werden. 

Wie  wichtig  die  Sliokin  Ginko  filr  die  Regelung  der  inter- 
nationalen Zalilungabiliinz  Japans  geworden  ist,  kann  man  aus 
einer  Mitteilung  des  bisherigen  Prllsidenten  R.  llara  entnehmen .  die 
er  bd  Vorlegung  des  Geschttfisberichts  filr  das  zweite  Hiübjahr 
1889  machte»  Danach  waren  1889  auf  Exporte  23  240  000  Yen, 
auf  Importe  20890000  Yen  geliehen. 

Einen  gewissen  Anhalt  ftir  die  Gestaltung  der  GeschUfte 
der  Shokin  (iinko  in  den  letzten  Jahren  giebt  die  folgende 
Übersicht  der  Hanptposten  in  den  Seniesterbilanzen.  Hedaiier- 
lich  ist,  dala  di»'se  seit  Miide  18H7  iioeh  weniger  Einblick  in  die 
wirkliche  Lage  der  Baak  gestatten  als  vorher.  Man  ist  ver- 
sucht,  diese  Änderung  in  Verbindung  an  bringen  mit  der  hef- 
tigen Kritik  des  Vembrens  der  Biuik  durch  die  P^ümo  im 
Jahre  1887. 

(Siehe  Tabelle  &  200.) 


III.  Die  Nihon  Ginko  (Reicbsbank). 

Wesentlich  im  Zusammenhange  mit  den  Mafsregek  zur 
Wiederherstellung  der  Valuta  steht  die  Begründung  einer  cen- 
tralen Staatsbank.  Im  Sommer  1881  legten  die  Minister 
Okuma  und  Ito  die  Grundsttge  iUr  dne  solche  Anstalt  in  einer 

Denkschrift  nieder.  Diese  Grundzüge  fanden  dann  gesetzlicln» 
Gestalt  durch  Nr.  32  vom  27.  Juni  lbH2  über  die  Nihon 
Ginko,  wie  die  iStantsbank  nach  dem  Muster  analoger  Institute 
in  Europa  getauft  w  urde. 

Das  Gesetz  bestimmt,  daCs  die  Bank  ihren  Sitz  in  Tokyo 
und  Nebenstdlen  und  Agenturen  in  jeder  Beairkshauptstadt  und 
an  anderen  wichtigen  Plätnen  haben  solle.  Als  Agenturen  wie  als 
Korrespondenten  können  andere  Banken  benutzt  werden,  stets 
unter  Genehmigung  des  Finanzministers.  Das  Privileg  der  Bank 
läuft  30  Jahre  nach  Erüfinung  des  Beti  iebes  ab,  kann  aber  ver- 
längert werden.  Das  Kapital  soll  1«)  Millionen  Yen  in  50  00(» 
Anteilen  betragen.  Die  Aktien  lauten  auf  Namen  und  können 
von  Aualändern  nicht  erworben  werden.  Um  Aktionär  zu  wer- 
den, ist  Cl^dimigung  des  Finanaministers  erfbfderlich  (!).  Ist 
ErweiteruQg  der  Oesääfte  wünschenswert ,  so  sollen  die  Fonds 
snnächst  durch  Volleinzahlnng  der  Aktien  bescbafil  werden 


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201 


Cmeret  war  Halbeinzahlung  in  Aussicht  genommen).  Vom 
Keingewinn  ist  mindestens  ein  Zehntel  f^r  den  Reservefonds  zu 
verwenden.    Die  Bank  soll  folgende  Geschäfte  betreiben: 

«•  Diakontierang  und  Kauf  von  Schatzscheinen,  Wechseln 

11.  s.  w. 

b.  Kauf  und  \  erkauf  von  Gold  und  Silber. 

c.  Beleiliung  von  Edelmetall. 

d.  Inkaiiäo  von  Wechseln  u.  dgl.  für  andere  Banken  u.  s.  w. 

e.  Annahme  von  Depositen. 

f.  Beleihung  tod  Staatspapieren^  Schatascfaeinen  und  staatlich 
sarantieiten  EfFekten.  Der  Bebag  solcher  Darlehen  sowie 
der  Zinssata  (auch  Diskont  wird  vom  Direktorium  fest- 
gesetzt und  vom  Finanzminister  genehmigt. 

Die  Bank  soll  die  Staatskaaaengeschttfle  führen,  soweit  die 

Finanzverwaltung  dessen  bedarf. 

Die  Bank  wird  Hanknoten  ausgeben  unter  den  spttter  zu 
r^elnden  Bedin;^uni^f  n. 

Sie  darf  Wechsel  und  Checka  ausgeben. 

Mit  Genehmigung:^  des  Finanzministers  darf  sie  Staatspapiere 
kaufen  und  verkaufen.  Andere  als  die  angeführten  Geüohäfte 
soll  die  Bank  nicht  betreiben,  msbesondere  nicht  Immobilien 
oder  Aktien  belahen^  Geschäfte  in  eigenen  Aktien  machen,  sich 
an  industriellen  Unternehmungen  beteiligen,  Grundbesitz  er* 
werben. 

An  der  Spitze  der  Bank  steht  ein  l^ankdirektorinm ,  be- 
stehend aus  (lern  Pr.lsidenten  und  Vicepräsidenten ,  welche  auf 
5  Jahre  vom  Minister  ernannt  werden,  4  Verwaltungsräten  (Riji) 
und  3 — 5  Direktoren  (ICanji),  vorgeschlagen  von  der  General- 
versammlung, ernannt  vom  Minister  ^ 

Die  Qeschaftsfilhrung  der  Bank  unterliegt  der  Aufrusht  des 
Finanzministers,  der  auch  jede  Mafsregel  untersagen  kann.  Dem 
Minister  sind  wenigstens  monatlich  einmal  Buchte  Uber  die 
Lage  der  Bank  einzureichen.  Die  Statuten  der  Bank  bedttifen 
der  Bestätigung. 

Die  Reichsbank  war  also  im  wesentlichen  bestinmit ,  ein  [ 
Httlfsorgan  der  Finanzverwaltung  zu  sein.    Das  Privatkapital 

wunle  zur  Beteilipjung  herangezogen,  aber  die  Hlilftf  des  Aktien- 
kapitals übernahm  der  Staat,  der  sich  mit  einer  ;LCcnn^oren 
Dividende  bcgntlgte.  Die  andere  Hälfte  von  nominal  ö  uuo  000 
Yen,  thatsächhch  2  50ÜUOU,  im  Publikum  unterzulirin;;en ,  hat 
einige  ^lühe  gemacht.  Nach  den  in  den  Jahres  berichten  ver- 
OflbnÜichten  Listen  der  Aktionftre  gehören  diese  überwiegend 
dem  grofsen  Kauftnanns-  und  Banquierstande  an.    Die  Aktien 


<  Das  Amt  des  ViceprfisideDteD  ist  bisher  regelm&Tsig  nicht  besetzt. 
Ende  1889  bestand  das  Direktofium  ans  den  Prilaidenten,  3  Biji  nnd 
8  &aajL 


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202 


X  4. 


des  Staates  sind  1885  auf  das  kaiserliche  Hausvermögen  über- 
tragen.  Der  T Unterschied  in  dem  Dividendenbezug  ist  1887  bei 
Geleirrriheit  der  Kripitalserhöhung  beseitigt. 

Am  lU.  Oktober  1882  begann  die  i»»ihon  iiinko  ihre  zu- 
nächst wesentlich  vorbereitende  Thätigkeit.  Die  feierliche  Er- 
öffnung erfolgte  am  28.  April  1883.  Unmittelbar  darauf 
wurden  der  Bank  wesentiidbe  Teile  der  Staatskaaaenyerwaltuog 
und  die  Einziehung  der  Nationalbanknoten  (S.  184)  Uber' 
tragen.  Die  Ausgabe  von  in  Silber  einlösbaren  Banknoten  vom 
1.  Juli  1884  ab  wurde  durch  Gesetz  Nr.  18  vom  26.  Mai  1884 
eingeführt,  welches  später  durch  die  Kaiserlichen  Verordnun^r^n 
Nr.  59  vom  31.  Juli  1888  und  Nr.  34  vom  16.  Mai  18^0 
wesentUch  erweitert  ist. 

Im  Laufe  des  Jahres  1884  war  dub  Kapital  zur  Hälfte  ein- 
gezahlt. Der  Aufschwung  der  Geschäfte  seit  1886  veranlafste 
im  Jahre  1887  die  Verdoppelung  des  Kapitak,  nicht 
durch  Volleinzahlung,  entsprechend  §  9  des  Bankgesetses,  son- 
dern indem  jeder  Besitzer  einer  alten  Aktie  eine  neue  erhielt^ 
die  gleichfalls  nur  halb  eingezahlt  war.  Die  Aktionäre  haben 
bei  dem  hohen  Kurs  der  Aktien  ein  schönes  Geschäft  gemacht, 
aber  das  Verfahren  ist  jedenfalls  eine  bedenkliche  Beteiligung 
an  dem  damaligen  Gründungs-  und  Kmissionstreiben.  Doch  hat 
man  die  Gelt^enheit  wenigstens  zu  einer  bedeutenden  Verstär- 
kung des  Res^efonds  benutzt.  Das  Kapital  beträgt  jetzt  also 
nominell  20^  thatsttcUich  10  Millionen  Yen.  Der  Reservefonds 
ist  bis  Anfang  1890  auf  4940000  Yen  gestiegen. 

Die  ßank  hat  nur  eine  eigene  Nebenstelle  eröffnet,  in 
Osaka.  Dagegen  bedient  sie  sich  für  ihre  Oesehüfte  im  Lande, 
namentlich  ftir  die  Staatskassenverwaltun;.:,  zahlreielier  bestehen- 
der Firmen  als  Agenturen  und  Korrespondenten.  Darunter  sind 
eine  grofse  Zahl  von  Nationalbanken.  l  'bcrhaupt  ist  die  Reichs- 
bank für  die  beatelienden  Jianken  nicht,  wie  aniungs  in  Inter- 
eseentenkreisen  gefiirditet  wurde,  ein  ttberlegener  Konkurrenty 
sondern  vielmehr  dne  Stfitse  und  ein  Rückhalt  geworden.  Neuer- 
dings ist  die  Zahl  der  Agenturen  und  Korrespondenten  etwas 
verringert  worden.  Die  Bilanz  vom  31.  Dezember  1889  erwähnt 
abei'  immer  noch  ^02  Agenturen  und  119  Korrespondenten. 

Bei  der  grolsen  Bedeutung  der  Bank  für  die  japanische 
Finanzverwaltung  wie  für  das  ganze  Währun^s-  und  Kredit 
wesen  des  LAndes  dürfte  eine  etwas  nilhere  Betraehtung  ihres 
Geschäftsbetriebes  angemestsen  sein,  namciitiicii  seit  der  Au&ahme 
der  Barsahlungen  am  1.  Januar  1886,  seit  welcher  Zeit  sie  in 
ihre  eigentliche  Funktion  der  Regelung  des  Geld*  und  Wftfarungs- 
Wesens  allmülilich  einrückt. 

Die  Bank  veröden tlicht  am  Schlüsse  jedes  Semesters  einen 
Geschäftsbericht,  der  die  Bilanz  und  die  Bewegung  in  den  ein- 
zelneu Konten  enthält  (Bestand  am  Anfang,  Zugang,  Abgang, 


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X  4. 


203 


Rert,  aber  keine  Angaben  ttber  Maximal-  und  Mimnialbeetand). 

Seit  1888  nnd  die  Halbjahrsberichte  verkürzt,  wofür  ein  atu- 
fllhrlicherer  Geschäftsbericht  fUr  jede«  Kalenderjahr  YerOffimlficht 
wird,    \^''^ihrend  die  allgemeine  Lage  der  Bank  nur  aus  den 

halbjährlichen  Bilanzen  eraichtli^li  \\ir'l,  fiat  man  i^l^h  ^rit  19*^^> 
wenigstens  ent^^fhlof^fs^n ,  Wocheubericltii  nhpv  dcii  Jietrag  der 
umlaufenden  BauLiiokii  und  di*^  '/n^ariinw  t/ung  der  Noten- 
deckung zu  veröffentlichen .  was  imüiuriiiii  »cljon  ein  ForUcimtt 
ist  (erster  Wochenbericht  für  den  11.  August  1888.  Das 
Formniar  s.  S,  210).  Die  wichtigsten  Posten  der  halbjährlichen 
Bilanaen  von  1886 — 1889  sind  auf  umstehender  Tabelle 
zusaniniengestellt ,  unter  Weglassung  des  ungefähr  balanzieren* 
den  Kontos  für  Einziehung  der  Nationalbanknoten  und  Ver- 
einfaclniTi^  K^pitalkontos,    welche.-^  in   ärv  l'ilanz  in  '^t 

Form  erscheint:  aui  der  J^i^'sivseite:  Nomiiialk;!]  it  il  20000o'm> 
Yen,  auf  der  AkiiN -f^ite:  iiocli  niclit  eingezahlt  iouuOOOO  Yen. 
Die  Summen  der  Liiiauz  erscheinen  dadurch  reichUch  hoch.  Für 
die  genaue  Form  der  Bilanz  folgt  ein  Beispiel  im  Anhang. 

(Siehe  Tabelle  8.  204.) 

Schon  das  Anschwellen  der  Bilanzsummen  von  Jahr  zu 
Jahr  zeigt  die  steigende  Bedeutung  der  Bnnk.  Auf  der  Passiv- 
seite ist  das  hauptsächlich  der  Zunahme  des  Notenumlaufs  zu- 
zuschreiben, auf  der  Aktivseite  der  Vermehrung  der  als  Noten- 
deckung dienenden  Barren  und  Staatspapiere  einerseits,  der  Zu- 
nahme der  ForderuDgen  gegen  Private  andereeits.  Der  Kaasen- 
bestand,  der  bis  Ende  1886  xasch  und  stark  gewachsen  war, 
hat  sich  seitdem  wenig  ▼erSndert.  Im  ersten  Jahre  noch  weniger 
als  3  Millionen  Yen,  erreichte  er  im  Sommer  1884  die  Summe 
von  3  124  000  Yen.  Die  weitere  Entwickelung  ze^^t  die  um- 
stehende Tabelle,  welche  nnci]  die  Zimahine  des  Barrenvorrates 
und  die  SuTtmie  des  iiklelmetalibestandes  (einschL  Silberscheide- 
münzcnj  augiebi. 

(Siehe  Tabelle  S.  205.) 

Die  Änderungen  in  der  Zusammensetzung  des  Kiussen- 
bestandes  sind  bemerkenswert.    Erst  Ende  1885  tiberwog  Mttnae 
das  Papiergeld,  das  Ende  1889  k«ne  5  Pkosent  mehr  betrug. 
Noch  1886  war  in  dem  MOnzbestande  dne  unyerhältnismäfmge 
Menge  Scheidemttnie.   Bildet  sdion  das  Papiergeld  keinen  er- 
wünschten Bestandteil  der  Kasse,  so  gehört  ein  anderer  Posten 
eigentlich  überhaupt  nicht  hinein,  ri;indich  Anweisungen.  Checks, 
Wertschriften  anden  i-  Art,  mittels  welclier  die  Bank  ßütort  über 
die  betreffenden  Suiunien  ^  erl  ügen  zu  können  behauptet.  ^Namentlich 
1887  liatte  dieser  Bestandteil  der  Kasse  eine  unerfreuliche  Höhe. 


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206 


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Dafs  seit  l'^'-T  die  Einyen-Stücke,  die  Wftlirungsmünze  cV'.s  Landes, 
sich  nicht  vermehrt  haben  und  eher  etwas  zurückgegangen  sind,  ist 
auch  nicht  selir  günstig.  Immerhin  bildeten  sie  Ende  1889  über 
91  Prüzent  de»  Kaasenbeötaüdeö,  gegen  noch  nicht  75  Prozent 
der  sehr  viel  kleineren  Kasse  im  Sommer  1886.  Auf  die  groise 
Zunahme  des  Edelmetalls  in  Barren  ist  weiter  nnten  bä  Be- 
spreohuDg  der  Notendeckmig  näher  einzugehen. 

Der  Gesamtumsatz  der  Staatsbank,  alle  Eingänge  und 
Au^Hnge  zusammengerechnet,  ist  in  gans  bemerkenswerter  Weise 
gestiegen : 

von   882  Millionen  Yen  im  Jahre  1885 
auf  1688      -         -     -      -  18S6 
2577      -         -     -      -  1887 
2791      -         ...  1888 
2766      .         .     -      .  1889 

Erst  1889  also  braclite  einen  geringen  Kückgang.  Dabei 
ist  aber  nicht  aulser  acht  zu  lastien,  daiä  LSbT  die  grolse  Kapit&l- 
vergrölseraog  Stattfond.  Hehr  als  neun  Zehntel  der  Umsätze 
kommt  auf  das  Hauptcomptoir  in  Tokyo. 

Schon  die  oben  mitgeteilten  Zahlen  der  Bilanz  zeigen  die 
grofse  Wichtigkeit  des  Staatskassengeschäftes  für  die  Nihon 
riinko  Das  Depositengeschaft  flor  Bank  bi-schränkt  sich  fast 
^anz  auf"  den  Verk^'hr  mit  der  Staatskasse  und  ebenso  ist  es 
mit  dem  An^veisun^^svc^kehr.  Depositen  Privater  sind  pranz  un- 
bedeutend und  haben  sich  sogar  in  der  letzten  Zeit  noch  etwas 
▼ermindert   Im  Kontokorrent  sind  von  Privaten  eingeasahlt 

1886  12  2U2<H>()  Yen 

1887  12954UU0  - 

1888  17  275000  - 

1889  10375000  - 

Der  Bestand  war  Ende  1889  184656  Yen,  an  sonstigen 
Depositen  58153  Yen. 

Ist  das  Paaslvgescliftft  mit  Privaten  mu»  unbedeutend^  so 
hat  sidi  dagegen  asm  Aktivgeschäft,  die  Gewährung  von  Dar- 
lehen und  Diäontierung  von  Handelspapieren  stark  entwickelt. 
Die  Foi-derungen  gegen  Private  haben  sich  von  Ende  1886 
(7571  000  Yen)  bis  Ende  18S0  fa.st  vcrvierfaclit  (  2*H)40U(i(t  Yen  ). 
Die  letztgenannte  iSumme  setzte  sich  in  ihren  Uauptposten  zu- 
sammen aus 

Darlehen  16390400  Yen 

Darlehen  ..auf  feste  Zeit**  681585  - 
Diskontierte  Papiere  5363268  - 

Auslftndisclie  Wechsel        6598736  - 

Der  letztgenannte  Posten  erscheint  in  diesem  AusweiJ'e  zura 
ersten  Maie«        sind  Wechsel  auf  Ein-  und  Ausfulirenf  welche 


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der  Shokin  Ginko  abgekauft  sind*.  Im  ganzen  sind  mit  Eiii- 
rechnung  von <> 982 000  Yen  Aiislandswwlisprn  ^  fur37()9<H)ni)  Yen 
nandelspapicT»-  im  Jahre  IcS.'^iJ  diskontiert.  Von  den  Inland- 
papieren  sind  nur  ein  kleiner  Bruchteil  ei;j:enthche  VA  rchsel. 
Klein,  wie  die  Beträge  aind,  zeigen  »ie  doch  ein  alhnahiiches 
Entstehen  der  Ekreditwirtachaft.  Dafs  der  Bedarf  danach  mehr 
und  mehr  gefühlt  wird^  zeigt  die  Thatsache,  dafa  fiir  weitere 
8720000  Yen  Gesaohe  um  Diskontierung  h&  der  Bank  ein» 
gingen,  die  als  mangelhaft  zurückgewiesen  werden  mufsten. 
Darlehen  an  Private  wurden  1889  76300000  Yen  bewilligt. 

Die  „Privaten'',  mit  welchen  die  Bank  verkehrt,  dürften 
ganz  überwiegend  die  bestellenden  Banken  sein.  Dies  bewirkt 
auch,  dafs  trotz  der  verhältnisviiHlsifr  ixerin^^en  Umsntze  der  von 
der  btaatabauk  festgesetzte  Ziubiuls  selion  einen  ganz  bedeutenden 
£inflii(8  auf  den  Geldmarkt  ausübt,  dem  die  übrigen  Banken 
folgen. 

Für  die  Staataschuldenverwaltong  hat  sich  die  Errichtung 
der  Reichsbank  besonders  bequem  erwiesen.  Nicht  nur»  dafs  sie 
den  laufenden  Dienst  der  Zinsenzahlung  u.  s.  w.  erleichtert. 
Auch  für  die  Auflegung  neuer  Anleihen  und  ftir  die  Konver- 
tierung der  älteren  hoch  verzinslichen  Schulden  ist  ihre  Ver- 
mittelung  nützlich.  Bei  der  Einlösnnfr  des  Staatspapier- 
geldes ist  sie  als  Hülfäor^au  thätig.  Im  Zuäammeniiang  dumil 
steht  die  Einnehung  der  Nationalfaanknoteuy  welche  oboi  S.  184 
beschrieben  ist.  Diese  liegt  ganz  in  den  HAnden  der  Reichs- 
bank,  welche  den  Tilgungsfonds  verwaltety  die  Zahlungen  der 
Nationalbanken  in  Staatspapieren  anlegt  und  fiir  den  EStrag  an 
Zinsen  Nationalbanknoten  ans  dem  Verkehr  zieht 

Mehr  und  mefir  tritt  aber  als  wiehtifrste  Aufgabe  der  Staats- 
bank die  Ke^'elun;^  des  Geldundaufö  durch  die  Ausgabe  von 
Banknoten  in  den  Vorder^.'nind.  Das  künstliche  Gebäude 
der  japanischen  Widirung  beruht  wesentlich  und  m  Zukunft 
ganz  auf  der  Kotenausgabe  der  Nihon  Ginko  und  deren  Deckung. 

In  den  oflenen  Hä&i  hatten  schon  immer  die  fremden  Banken 
zur  Erleichterung  des  Geldverkehrs  Noten  ausgegeben.  Die  ersten 
Jahre  der  neuen  Ordnung  sahen  auch  mehrere  Versuche  japa* 
nischer  !>anken  damit  in  Konkurrenz  zu  treten  (Kawase  Kwaisna, 
Mitsui  Bank).  Schon  1S'71  (Krlafs  vom  4.  des  4  Monats)  sah 
sich  die  Regierung  genötigt,  ge;j;en  unautorisierte  Notenausgabe 
einzuschreiten.  Um  den  tremden  Banken  aber  das  Feld  nicht 
allein  zu  überlassen,  wurde  1878  (Nr.  100  vom  24.  September) 
der  Zweiten  Nationalbank  in  Yokohama  die  Aufgabe  von  Silber- 

'  Das  bcreita  erwähnte,  im  Oktol)Pr  I^nO  cretroffcne  Arrangement, 
dals  die  Nihon  Ginko  der  SUokin  Giiiko  bis  zu  10  Millionen  Ven  Handeis- 
trechiel  diakoatiere,  gab  flbrigens  den  Anlaf»  mr  Abdankotig  des  bis- 
herigen Präsidenten  i'  r  Xili  u  Ginko. 

»5451060  len  lür  Exporte,  15;10  977  Yen  für  Importe. 


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208 


dollaruoten  bis  zum  Betr?ige  von  1500000  Dollars  übertragnen. 
Die  umlautende  Mengte  sollte  in  baren  Dollars  voll  gedeckt  sein, 
aulserdem  als  Sicherheit  ein  Drittel  in  Staatäpapieren  oder  Grimd- 
bedtxtiteb  beim  FixiaDsmiiustorittm  hintan^  werden.  Sehr 
gjN^h  ist  der  Undanf  nidit  geworden  und  dorne  sdten  melir  als 
einige  hunderttausend  DoUan  betragen  Iiabcn.  Übrigens  ist  die 
TOUige  Einziehung  dieser  Noten  am  4.  Mai  1885  angeordnet. 

Wie  erwähnt,  wurde  die  Ausgabe  von  jederzeit  in  Silber 
einzulösenden  Banknoten  der  Kihon  Ginko  zunächst  durch  Gesetz 
vom  26.  Mai  18iS4  geregelt.  Über  den  wichtigsten  i^inkt,  die 
Noteudeckungy  war  nichts  gesagt,  als  dafs  die  Bank  lur  „au- 
gemenene  Deckung'*  au  somn  nabe.  Über  den  Betrag  der 
umlaufenden  Noten  sollten  tS^die  und  monatliche  Ausweise  dem 
Finanzminister  vorgelegt  werden.  Veröffentlichung  von  Aua- 
weisen war  nicht  vorgesehen.  Die  einzige  Information  für  das 
Publikum  enthielten  die  halbjiibrUchen  Geseliiiftsberichte.  Die 
Deckung  bestand  danach  tv-ih  in  Metall,  teils  in  Staatspapieren, 
Schatzscheinen  und  Sclmlls  In  inrn  d<T  Staatskassen  Verwaltung. 
Die  Noten,  welche  gebetzliclic  Zalilkraft  erhielten,  kamen  nur 
langsam  in  Umlauf,  solange  das  Papiergeld  noch  Disagio  hatte. 
Am  80.  Juni  1885  waren  es  erst  ä  801 830  Yen.  Erst  nach 
Aufnahme  der  Baraahlungen  entwickelte  sich  die  Notenausgabe 
rasch.   Es  war 

der  wirkliche  Umlauf  (li*^  Mctalldeckung 
in  1000  Yen     in  lim  Yen  in  ^/o  des 


Umlaafs 

am  30.  .iutii  1880 

18376 

10497 

57 

-   31.  Dez.  1886 

39026 

23053 

61 

-   30.  Juni  1887 

39541 

24049 

61 

-   31.  Dez.  1887 

53235 

80703 

58 

.   30.  Juni  1888 

49178 

28064 

57 

-   31.  Dez.  1888 

62  my 

44367 

70 

-    29.  Juni  1889 

61339 

43455 

71 

-    31.  Dez.  1889 

74297 

53158 

72 

Während  vom  80. 

Juni  1885 

bis  Ende  1889 

das  Staats- 

Papiergeld  um  48  9<")8()(K)  Yen,  die  Nationalbanknoten  um 
3ö4üU00  Yen,  zubammen  also  um  52814000  Yen  abgenommen 
haben,  stieg  der  Banknotenumlauf  der  Nihon  Gmko  um 
70496000  Yen. 

Bei  einem  Vergldch  der  Metalldcckung  mit  der  Notenmenge 
^t  sofort  die  Besserung  dieses  Verhältnisses  in  der  aweiten 
Hfilftc  des  Jahres  1S88  auf.  Das  war  die  Fol^^e  d^r  Ziisiltze  zu 
dem,  wie  wir  salien,  ganz  unbefricfligenden  Gesetze  von  1884, 
welche  durch  die  kaiserliche  Verordnung  59  vom  31.  Juli  1888 
ins  Leben  traten.  Die  Verordnung  regelte  vor  allem  die  Grund- 
sätze der  Notendeckung  in  folgender  Weise. 

Die  Noten  sind  in  Barren  und  Münne  toII  su  decken. 
Über  die  Metalldeckung  hinaus  darf  die  Bank  aber  fUr  70 


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X4. 


209 


Millionen  Yen  Noten  ausgeben ,  welche  durch  Staatepapiere» 
Schutzscheine  y   Schuldscheine  der  Finanzverwalttmgf  sonstige 

sichere  Schuldscheine  und  Wechsel  zu  docken  sind.  l Über- 
schreitung dos  nicht  metallisch  gedeckten  Kontingents  i^t  mit 
Erlaubnis  des  Finanzministers  zulässig  gegen  Zahlung  einer 
Nütensteuer  fUr  den  überschiefsonden  Betrag,  welche  der  Finanz- 
minister testsetzti  die  aber  nicht  weniger  als  5  Prozent  be- 
tragen loll'. 

VoD  der  metalUich  nicht  gedeckten  Bteuerfireien  Summe  von 
70  Millionen  sollten  27  Millionen  als  Ersatz  &at  die  einzuziehenden 
Nationalbanknoten  dienen,  welche  ttbrigens  erst  Ende  August 
1889  auf  (licson  Retrag  vennindert  waren.  Weitere  22  Milh'onen 
sollten  zum  Ersatz  für  ungedecktes  Staatspapiergeld  dienen. 
Der  Umlauf  an  Staatspapiergeld  war  nämlich  um  diese  Zeit 
rund  52  Millionen  Yen.  Davon  waren  gut  8  Millionen  Zettel 
von  10—50  Sen.  Diese  sollen  aus  den  Mitteln  des  laufenden 
Budgets  getilgt  werden.  Gegen  die  ttbrigen  44  Millionen  hatte 
der  Staat  einen  EinlOsungefonds  von  22  Millionen.  Den  Rest 
▼on  22  Millionen  leiht  die  Bank  dem  Staate'.  Die  Ver- 
zinsung dieses  Darlehns  mit  zwei  Prozent  bis  zum  Jahre  1897^ 
welche  1888  in  Aussicht  genommen  war,  ist  durch  die  Novelle 
von  1890  beseitigt. 

Das  steueHreie,  metallisch  niclit  gedeckte  Noten kontingeut 
betrug  also  zunächst  21  Millionen  Yen,  entsprechend  dem  bei 
Erlafs  des  Gesetzes  metallisch  nicht  gedeckten  Umlauf.  Erst 
1899  wird  der  volle  Betrag  erreidit  und  dann  als  Papleneiehen 
nur  noch  die  einlSsbare  Note  der  Beichsbaok  in  Umlauf  sein. 

Diese  im  August  1888  erfolgte  Regelung  des  Notenumlaufs 
ist  bereits  am  IG.  Mai  1890  abgeändert.  Eine  zeitweise  Geld- 
kl(^ime  führte  zu  einer  ÜberHehreitung  df's  steuerfreien  Noten- 
kontingents  (8.  Marz  bis  5.  Aprilj,  die  aber  im  Maximum  nicht 
mehr  als  500000  Yen  betrug.    Durch  die  Geldknappheit,  her- 


veranlalst  gesehen,  das  steuerfreie,  metallisdi  nicht  gedeckte 
Eontmsent  um  15  Millionen  zu  erhöhen.  &  ist  das  dn  be> 

denklicher  Schritt,  der  schon  im  Sommer  1890  zu  einer  gro&en 
Schwächung  der  Metallreserve  und  zu  einer  ungunstigeren  Noten - 
deckung  geiführt  hat    Vom  17.  Mai  bis  18.  Oktober  sank  die 


'  Die  Eintiilirunp:  dieser  ministeriellen  Vei-fugungjgewalt  wurde  mir 
mit  grorsem  Stolze  als  eine  Verbesserunc  des  deutschen  MustWfB  der  Ein- 
richtung einer  derartigen  N  itr n^tf  ufn-  Lezeichnet  Ein  Europäer  wird 
nicht  ganz  der  gleichen  Meinung  sinn.  Dais  5  Frozent  in  Japan  bei  dem 
an  rieb  hemchenden  Zinsfiifs  wt  Bank  (6—10  Proaent,  je  nach  Art  der 
Ges<-häfte)  noch  schwa'clicr  wirken  wflrden  als  in  Deotachlsnd,  bedarf 
keiner  besonderen  Ausfühiuiii;. 

*  Der  Gedanke,  ein  Darlehen  an  den  Staat  zur  Grundlage  der 
Notenausgabe  (als  Äquivalent  dafür)  zu  machen,  natürlich  nach  bekannten 
Oiglisch-^nzÖsischen  Mustern.  —  Du  Darlehen  erfolgte  im  NoTember  1890. 
Forsehungeo  (45)  X  4.  -  Ratlig«n.  14 


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210  X  4. 

Metalldeckang  von  51458000  auf  43805000  Yen,  von  79  auf 

68  Prozent  des  Notenumlaufs» 

Ein  weiterer  Fortachritt,  den  die  Verordnung  vom  31.  Juli 
1888  brachte,  war  die  regelmäfslge  Veröflfentlichung  von  Wochen- 
auMwoisen  im  Kwampo  (Staatsanzeiger)  Uber  die  NotenauBgabe. 
Als  Beispiele  setze  ich  den  ersten  Ausweis  Tom  11.  August  1888 
und  den  vom  11.  Januar  1890  hierher. 

Banknoten  in  der  am  11.  August  endenden  Woche. 

Koten  deckuDg  Yen  Noten 

Goldmünzen  und  Barren      1  U6  777 
Sübermünzen  und  Barren  31  090  167      Betrag  der 

Staatspapiere   13  559  938 

Schatzscheine     ....  2570Ü0Ü 
Schuldiicheinc  der  Sttuite- 

kasse  4  Uol  847 

Schuldscheine     ....  — 

Handelspapiere  .    .    .   ,  —   


HaupLsuuime  53  015  729  53  015  729 

Ausgegebene  Noten  53  015  729  Yen 

Noten  in  Haaden  der  Hank        709  719  - 

Noten  in  Umlauf  52  30ü  010  Yen 

14.  August  1888. 

Banknoten  in  der  am  11.  Januar  endenden  Woche. 

Notendeckung  Yen  Noten 

Goldmünzen  und  I^arren .   25  550  722 
SübermOnaen  und  Barren  32106912     ^^^trag  der 

Summe  57  657  684    ^"^^^^i'"'? 9  356  987 

Staatspapiere   15886450        ^"^^^  ^93o6987 

Schatzscheine     ....  — 
Schuldscheine  der  Staats- 

^rhuldscheiiie      ....  4732182 

liaudeLipapierc  .    ,    .         1  100  721   

Hauptsumme  79  356  987  79  356  987 

Aus-e-ebene  Noten  79  350  987  Yen 

Noten  in  Händen  der  Bank      6  251  392  - 


Noten  in  Umlauf  73  1<  »5  595  Yen 

Umlauf  der  Vorwoche  74119  309  - 

Unterschied      1 018  774  Yen 

14.  Januar  1890. 


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211 


ESn  Vergleich  der  beiden  Ausweise  zeigt  bei  der  Noten* 
dedamg  eine  sehr  starke  Zanahme  des  Goldes»  fiut  gMis  hl  der 

Form  von  Barren.  Das  Gold  ist  von  der  Finanzverwaltung  im 
Laufe  der  Jahre  im  Reservefonds  angesammelt.  Da  es  in  den 
Stiiatafonds  nach  Goldyen  verrechnet  war,  von  der  Bank  natür- 
lich nach  dem  Silbemiaiktwerte  gekauft  ist,  so  liat  sich  dabei 
ein  hübscher  Gewinn  t\ir  den  staatlicheii  ^  Reservefonds"^  ei^eben 
(angeblich  7  MillKmen  Yen).  Keaerüngs  ist  auch  em  starker  Rück- 
gang des  Silbervorrates  eingetreten,  n.  B.  am  18.  Oktober  1^0 
auf  18  870  000  Yen  gegen  24  995  000  Yen  Gold  Ob  für  die 
auf  Silber  fundierte  und  ihre  Noten  in  Silber  einlösende  Bank 
eine  Zusammensetzung  des  Mf  tallschatzes  wünschenswert  ist,  bei 
welcher  die  Hülfte  *  aus  einem  andern  als  dem  VVährungsmetiJl 
beisteht,  scheint  mir  doch  höclist  zweifelhaft.  Für  die  Noten- 
deckung und  Einlösun^^  haben  die  Goldbarren  kaum  eine  andere 
tfaatslk^cfae  Bedeutung  als  gute  Wechsel  auf  das  Audand.  Fttr 
die  Bank  erfbUt  ein  gewisser  Geldvorrat  wohl  auch  nodi  den 
Zweck,  eine  Art  Versicherung  gegen  die  Schwankungen  des 
Gold-Silberwertverhältnisses  filr  vorkommende  Operationen  mit 
dem  Auslande  daiv.n stellen.  Immerhin  scheint  mir  für  die  Bank 
die  Vermehrung  des  Silberschatze.s  wichtiger  zu  sein  als  die  des 
Goldes.  Sollte  die  doManhäufung  auf  das  Fortbestehen  der 
Chimäre  einer  Goldwährung  deuten,  so  wäre  das  allerdings  be- 
dauerlich. Wie  der  Wert  des  Goldes  berechnet  wird,  ob  nach 
dem  Ansehaffongspreis  oder  nach  dem  augenblickitchen  Bfarkt- 
wert  in  Silber,  ist  nicht  klar.  Es  scbttnt  fast^  als  ob  erateres 
der  Fall  wäre,  denn  eine  Berechnung  nach  Goldyen,  trotz  der 
Silberbasis  der  Bank,  darf  man  doch  wohl  kaum  annehmen 

Was  flie  nichtmetnllische  Deckung  der  Noten  betrifit,  so 
lie^^t  hier  die  Selnv  lerigkeit  vor,  dafs  Deekungsmittel,  wie  sie 
gebunden  Gnintlsiitzen  europäischer  Bankpolitik  entsprechen, 
namentlich  Wechsel,  nicht  oder  fast  nicht  vorhanden  sind.  So 
hat  man  eine  Notendeckung  eingefllhrt,  welche  nur  wenig  be> 
friedigen  kann.  Den  Hauptteil  bilden  Staatspapiere,  welche  also 
gerade  im  Augenblick  des  Bedarf  einer  raschen  Verstärkung 
aes  Barfonds,  im  Momente  einer  Panik,  nur  mit  i^rol'sem  Verlust 
oder  i^-.'ir  nicht  veräufsert  werden  könnten  Km  •  wirklich  ge- 
sunde Deckung-  ist  da»  nicht.  Eigentlich  bilden  eine  wirklich 
liquide  Deckun^j^  ^ff^en  einen  Anstunu  nur  die  Silbermtinzen, 
Silberbarren  sind  ganz  unbedeutend.    In  dieser  Beziehung  hat 


1  Vom  12.— 26.  Oktober  1889  waiea  mehr  als  46  Prosent  des  Metall- 
echatses  Gold. 

*  Vom  3.  Mai  bis  7.  Jtmt  1890  wird  der  Goldvorrat  ffleichmSfiüg 

auf  24  305  247  Yen  angegeben,  obgleich  der  Sichtkurs  auf  London  für 
Silberyen  in  dieser  Zeit  von  '\  sh.  4  d.  auf  3  sh.  4'/a  d.  stie^.  — 
Von  dem  Steigen  des  Silberwerte»  seit  der  zweiten  Hälfte  18^9  ist  in 
den  AoBweifleii  der  Bank  nidita  bemerkbar. 

14» 


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212 


X  4. 


iioh  die  Kotendeckung  der  Bank  genideKa  verschlechtert  Bis 
zum  November  1888  war  der  Silberschatz  mehr  als  die  Hälfte 
des  Notenumlaufes,  seit  dem  iSommer  1889  blieb  er  meist  dahinter 
zurück  und  war  im  Herbst  1890  wenig  mehr  als  ein  Viertel. 
Allerdings  ist  zu  V>eachten,  dafs  sonstige  tä^?Hch  fällige  Verbind- 
lichkeiten fast  nur  aus  dem  Gutliaben  des  Staates  sdbst  beätehen. 
Friyatdepodtoii  machen  biaher  ftat  keine  Anaprtdie  an  den 
Bflmkschate. 

£b  hängt  wohl  mit  dieser  Schwäche  des  Barschatzes  zu- 
sammen, dafs  man  die  Banknoten  möglichst  im  kleinen  Verkehr 
zu  halten  sucht,  indem  man  eine  Stückelung  der  Zettel  anwendet, 
wobei  zwei  Drittel  der  Summe  aus  Einyen  -  Scheinen  besteht 
(▼gl.  oben  im  Kapitel  Münzwesen  S.  173  —  die  Berichte  der 
Bank  enthalten  keine  Mitteilung  über  die  Stückelung  der  Noten). 
Um  die  Lage  richtig  zu  wQrdigen,  miüs  man  bedenken, 
neben  den  Silbernoten  der  ReicbsDank  noch  die  ganz  unge- 
deckten Nationalbanknoten  und  das  nur  ungenügend  gedeckte 
Staatspapiergeld  umläuft*.  Indem  der  ganze  Verkehr  mit  kleinen 
Zetteln  erftlllt  ist,  bleibt  das  ja  viel  unbequemere  harte  Geld  in 
den  Banken ,  d.  h.  aufser  den  beiden  staatlichen  Banken  den 
fremden  Banken.  Diese  aber  ftUiren  das,  was  sie  nicht  brauchen, 
aus.  Aulserliaib  der  blaate»-  und  liunkiunds  giebt  es  keiu  Courant- 
^d  im,  Lande.  Jede  Mfl^ichkeit^  ans  dem  Verkehr  henuia  die 
Fonds  der  Bank  su  Btärken,  8.  B.  durch  Diskonterhöhungen, 
fehlt.  In  ruhigen,  gewöhnlichen  Zeiten  ist  d;i.s  alles  unbedenklich. 
Aber  mit  den  ruhigen  Zeiten  darf  scUielslich  eine  Oentralbank 
nicht  rechTHMi. 

Unter  diesen  Umständen  hat  es  ein  besonderes  Intei-esse, 
wie  groi's  gegenwHrtig  die  zur  Uniwecliselung  gegen  Silber  prä- 
sentierte Notenmeüge  ist.    Es  sind 


Noten  lur  Einlösung  gegen 
Silber  präsentiert 

1887   39  n43  443  Yen 

1R88  37(^0--1^17  - 
1889    23iy0i>ö3  - 


gegen  Einlieferung  von  Silber 

Noten  einp^etatischt 

32  921  483  Yen 

8  t  'or.  f  >r>r>  . 

■     23  1ÜÖU54  - 


TrotB  der  Zunahme  des  Notenumlaufs  hat  sich  also  die 
Einlösung?  der  Noten  vermindert  2.  Die  Abnahme  kommt  aus- 
Hchliolslich  auf  die  Einlösungsstelle  bei  der  Shokin  Ginko  in 
Yokohama,  aut'  welche  1888  neun  Zehntel,  1889  fast  acht  Zehntel 


1  Ende  MXns  1890,  am  Schlafs  des  letzten  für  uns  in  Betiaclit 

kommenden  f^nanzjahres .  «rfind  einem  Papicnimlnnf  von  im  gansen 
1H6,5  Millionen  Yen  eine  l>ei  kung  gegenüber  von  iu  Miiiionen  Yen  im 
Einlösungsfonds  der  Regierung  uud  ein  Barscfaats  der  Bank  von  29,s 
Millionen  Silber,  neben  zö.ii  ^Iillioncn  Gold. 

^  Zu  einem  grofsen  Teile  dürfte  das  der  fjnschiibikiing  der  IrUheren 
IMflkonIpolitik  der  Shokin  Oinko  snsuschreiben  sein. 


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X  4.  213 

der  Einl($8U]igen  kamen.  Gkmz  geringfUgig  sind  die  Einli^suneen 
in  To^o  ond  andi  in  Osaka  wenig  oedeatend.  Die  ZaUen 
waren  hr  1889 

Noten  zur  Einlösung  g^en  gegen  Einliefening  von  Silber 
Silber  prteeDttert  Noten  eingetaiueht 

Tokyo  004  319  ieu  3  028  797  Yen 

Osaka       4408644  *  3030468  - 

Yokohama  18 188  620  •  17108  789  - 

Nur  an  diesen  drei  Orten  werden  die  Noten  eingelöst.  Da- 
g^en  hat  Eobe,  der  aweitwiehtigste  Hafenplatz,  keine  EinlOevngs^ 
stelle.  Da  in  Kobe  die  fSnfnhren  grö&er  sind  ab  die  Ausfobren, 
also  Zahlungen  nach  aulsen  notwendig  werden,  so  hat  die  Un- 

mögliclikeit ,  die  Noten  am  Ort  einzulösen,  nicht  nur  bittere 
Klagen  hervorfrerufen,  sondern  auch  vcranlafst,  dafs  i^el^fentiich 
Disagio  auf  die  Noten  bis  zu  B  per  Mille  entstanden  ist. 

Die  Zeit,  seit  weldior  die  Wochenausweise  veröffentlicht 
werden,  iat  noch  zu  kurz,  um  aus  der  Bewegung  des  Noteu- 
mnLin&  weitgehende  Schlüsse  zu  ziehen.  Aber  schon  jetzt  ist 
der  Zusammenhang  mit  der  allgememen  wirtschafillchen  Lage, 
namentlich  das  Anschwellen .  gegen  das  Ende  des  Jahres,  die 
starke  Abnahme  im  Frühjahr  unverkennbar  ^ 

Der  hauptsächlich  für  die  Xotendeckun^  Verwendung  fin- 
dende Besitz  der  Nihon  Ginko  an  Staate] »fipief^n  ist  rocht  erheb- 
lich. Bis  18S7  nalim  er  raach  zu  und  hat  bich  nach  kurzem 
Rückgange  1889  wieder  vermelirt.  In  der  Bilanz  für  den  31. 
Dezember  1889  ist  er  mit  16  678  668  Yen  angeführt  Das 
war  der  Anschaffungspreis.  £!s  war 

der  A nachaffungspreia  der  Nominalwert 

fbr  veorzinslidie  8taats- 

schuldschdne  16  439921  Yen  16687365  Yen 

für  unTeninsliche  238  747    >        1 292  875  - 


zusammen    16  678  608  Yen      17  080  240  Yen 

Die  Einnahmen  der  Bank  aus  den  Zinsen  machen  fnst  die 
Ilalfte  der  ganzen  Keineinnahme  aus.  Wie  sich  die  verzinslichen 
Papiere  zusammensetzen,  iöt  im  Geschäftsbericht  nicht  gesagt, 
aber  in  deooi  Statistischen  Jahrbttcfaem,  soweit  diese  reichen,  an- 
gegeben. Der  Hauptpoeteo  waren  danach  Einsatsoscheine  (sechs* 
]nrozentig,  in  Metall  zu  verzinsen  nnd  einzulösen,  zur  Tilgiing 
Ton  Papiergeld  ausgegeben),  von  welchen  mehr  als  die  Hälfte 
im  Besitz  der  Bank  war.  S^liatzscheine  sm(\  m  erheblichen 
Beträgen,  bis  zu  5  Milliouen  Yen  im  Besitz  der  Bank  gewesen, 
Ende  1889  aber  kein  einziger. 


'  Fiitspreclioiid  clor  Bewe^ng  des  Agios  wftbrend  des  Zwangs- 
kuxses,  das  im  Winter  stieg,  im  Frulyahr  fiel. 


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214 


X  4. 


Die  Bank  hat  im  Verliältiiis  zu  ihrem  Umsatz  hedeutende 
Gewinne  xu  veneicbnen.  Der  Bdngewinn  war 

1883  259369  Yen 

1884  623  695  - 

1885  675  333  - 

1886  762 122  - 

1887  1  303  998  - 

1888  2  042  696  - 

1889  2  146  457  - 

Id  den  beiden  letzten  Jahren  war  das  Verhältnis  der  Ein* 
nahmen  und  Angaben  folgendes: 

EiniMhiiie  Awgsbe  Gfewino 

Yen           Yen  Yen 

1888    1 .  Semester   1  556  976  515  456  1  041  520 

1888  2.  Semester    1  568  347  567  170  1  001  176 

1889  1.  Semester  1  492  634  44:^  436  1  049  108 
1889   2.  Semester   1  665  907  568  648  1  097  259 

Die  ans  dem  Gewinn  verteilte  Dividende  betrug  auf 

Staateaktieo       Andere  Aktien 

1883  6«  o  10  "  o 

1884  5,6 "  0  9,17  0/0 

1885  6  «/o  10  ^0 

1886  7  0^  0  10  o/o 
1887^  —  11,50/0 

1888  -  13  «/o 

1889  —  13,5  ^'/o 

Bei  der  Gewinnverteilung  ist  man  im  ganzen  recht  yor- 
sichtig  gewesen  und  hat  jährlich  starke  Buckligen  Torgenommeo, 
auch  bedeutende  Betrüge  auf  neue  Rechnung  vorgetragen.  Die 
Gewinn verteOuog  erfolgt  halbjährlich.    Der  Rdngewinn,  die 

Dividendenreservc  und  der  Vortrag  werden  zusammengerechnet 
und  davon  rlie  Abschreibungen  auf  Gebäude  und  Inventar  abge- 
zogen, seit  l^nde  1889  auch  die  Abschreibung  auf  Banknoten- 
anfertigungskoiito.  Der  Kest  ist  die  zu  verteilende  Summe. 
Davon  erhalten  die  Aktionäre  6  Prozent  statu tenmäiäige  Divi- 
dende. Von  dem  dann  verbleibenden  Best  gehen  mindestens 
10  Prozent  zum  Bessrvefonds.  Im  übrigen  erklärt  die  folgende 
Übersiclit  über  die  Gewinnverteilung  in  den  Jahren  1 886 — 1889 
sich  selbst.  Auffallend  sind ,  wie  bei  allen  japanischen  Aktien* 
gesellscliaflen,  die  hohen  Tantiemen  der  Beamten  (in  den  letaten 
Semestern  mehr  als  das  Doppelte  der  Gehälter). 


1  18S7  ist  der  Unterschied  der  Vetsinstiog  aufgehoben,  diu  Aktien 
des  StastB  aand  aof  das  kaiBerlich«  Haasvefmi^en  ttbertrsgeD. 


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X  4. 


215 


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216 


X  4. 


A\i6  den  vorätehenden  AusRihrungen  ergiebt  sich,  dais  die 
Nihon  Ginko  sieh  stetig  und  kräftig  entwickelt  hat  Durch 
ihre  NotenauagAhe  ist  ne  der  wicht^pste  Faktor  der  Begelang 

des  Gekluiiilaufes  geworden.  Auch  mdem  eie  die  zeitweise  be- 
deutenden Bestände  der  Staatdkassenverwaltung  durch  ihr  Da- 
zwischentreten dem  Wirtschaftäkörpcr  crhiilt,  wirkt  '^io  aus- 
gleichend auf  den  Geldumlauf.  l>ei  dieser  f*entralen  Stellung 
wäre  aber  eine  weitere  innere  Stärkun«::  ihrer  Verhältnisse  wün- 
schenswert, welche  einht weilen  unruhigen  Zeiten,  Krieg,  wirtschaft- 
licheu  Krisen  nicht  gewachsen  erscheinen.  Die  ziemlich  zweckioäe 
Anhäufung  von  Gdd  sollte  nicht  fortgeaetet  und  alle  Energie 
auf  die  Vermehrung  der  silbemeD  YenstOcke  gerichtet  werden. 
Der  grofse  Besitz  an  Staatspapieren  wäre  zu  veningero  Bei 
dem  Mangel  an  inländischen  Wechseln  sollten  solche  auf  das 
Anslniid  in  ^^röfserer  Menge  gehalten  werden  und  nicht  bloft 
auf  (iie  entfernten  cnropäischen  und  amerikanischen  Plätze,  auf 
welche  jetzt  die  Autmerksamkeit  hauptsiichhch  gerichtet  zu  sein 
scheint,  sondern  man  sollte  einen  Teil  der  nicht  metallischen 
Notendeckung  in  sicheren  Bankwechseln  auf  benachbarte  Silber- 
plätze anlegen,  Shanghai  und  Hongkong  mit  ihren  bedeutenden 
Öilberreserven.  Vor  allem  aber  darf  die  Verbesserung  des 
inneren  Geldumlaufes  keinen  Augenblick  aulser  Augen  gelassen 
werden.  Es  mufs  dahin  gewirkt  werden,  dafs  im  Lande  wieder 
Metall  umläuft  und  zwar  CourantmUnze,  nicht  blofs  Scheidemünze, 
wie  <i:egenwärti- .  Das  ist  aber  unmf5;rlich,  solange  dor  ,i:'nnze 
Verkehr  mit  k lernen  Zetteln  au.s^^etiillt  ist.  Die  Bank  lauis  auf- 
hören i^^iiiveu  Scheine  auszugeben  und  gleichzeitig  mit  Ver- 
stärkung ibrer  Silberreserve  die  Einyen-Scheine  allmählich  durch 
gröfiere  Zettel  ersetzen. 

Em  solches  Programm  ist  ohne  Opfer  freilich  nicht  durch- 
zuführen, und  ich  habe  den  Eindruck,  als  ob  man  in  Japan 
solche  Ansichten  sehr  ungern  höre.  Aber  die  Rttoksioht  auf 
hohe  Dividenden  und  Tantiemen  sollte  doch  tlir  eine  p;Torse 
Centrall»ank  erst  an  letzter  Stelle  stehen.  Die  erste  Aufgabe  der 
Bank  ist  Regelung  der  Währung.  Diese  Aufgabe  hat  man  mit 
Erfolg  in  Angriä:  genommen,  aber  zu  Ende  gefUhrt  ist  sie 
noch  nicht 

IV.  Sonstige  Kreditanstalton  und  Verwandtes. 

Neben  den  öffentlichen  Banken,  den  beiden  ütaatlichen  und 
den  Natioualbanken,  giebt  es  eine  ziemliche  Anzahl  privater 
Bankanstalten  und  Gesellschaften,  welche  Bankgescliäfte  machen. 

*  Die  früher  regeimärsig  wiederkehrenden  Störungen  des  Geld- 
märkte» durch  die  Zahlung  der  Grundsteuer  sind  jetzt  verBchwnnden. 
wozu  allerdings  auch  die  zweckmafeigere  Anordnung  der  Steaerteruuue 
b^etiagen  hat.  Vgl.  unteo  im  Kapitel  Gnuidsteaer. 


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217 


Von  solchen  i'ri%  atbanken  flehen  manche  auf  alte  Zeit  zurück, 
so  die  Mitsui  Bank  in  Tokyo,  der  Familie  Mitsui  ^'chöri^'.  deren 
Fihalen  und  Agenturen  man  im  ganzen  Lande  trifift,  Konoike 
in  Osaka  und  andere.  Die  amtUobe  Statistik  giebt  die  Zahl  der 
Frivfttbanken  und  deren  Kamtal  an  sowie  die  Zahl  der  Gesell- 
schaften  (Rwaisha),  welche  Bankgeschäfte  betreiben:  Wechsel-, 
Diskont-,  Geldverleih-,  Depoeiteiigeecfaäfte  u.  s.  w.  £Ke  Zahlen 
iUr  beide  dnd: 

Banken  BankäbuUche  Geseilschaften 


Zahl 

Kapital 

Zahl 

Kapital 

Yen 

Yen 

1883 

207 

20487900 

572 

12071831 

1885 

218 

18758  750 

744 

15397982 

1886 

220 

17  959025 

748 

15391304 

1887 

221 

18  896061 

741 

15117676 

Ende  1887  wird  für  die  Bezirke  Nara,  Iwate,  Akita, 
Hiroshima,  Yamaguchi,  Kochi  keine  einzige  derartige  Aiieitait 
ao^efllhrt,  für  die  Beairke  Miye,  Okinawa  und  Hokkauio  nur 
je  eine  Beide  Arten  von  Kreditanetalten  nuaminengerecfanet, 
finden  wir  die  grOCste  Zahl  in  folgenden  Beairken,  dem  Kapital 
nach  geordnet: 

Tokyo         20  Anstalten  mit  4858000  Yen  Kapital 
Shizuoka       79      -         -   3  .'20  081  - 
Niipata  78       -  -    3  122  855  - 

Kanagawa     61       -  -    2  3:33  003  - 

Na^-ano        131       -  -    2  0G0G34  - 

Yamanuahi  76  -  -  1874995  - 
Osaka  23      -         •    1712420  - 

Saitama       35      •         -   1170605  - 

In  allen  anderen  Besuken  blieb  das  Gesamtkapital  unter 
einer  MilUoD. 

Wie  die  Zahlen  zeigen,  handelt  es  sich  überwiegend  um 
Kreditanstalten  mit  sehr  geringem  Kapital.  1887  kamen  im  Durch' 
schnitt  des  ganzen  Landes  auf  oine  HaTik  nur  85  500,  auf  eine 
andere  Kreditanstilt  nur  20  400  Yen  Kapital.  In  vielen  Bezirken 
ist  das  durchschnittliche  Kapital  noch  erheblich  geringer. 

Unter  den  51  Privataktienbanken,  deren  ].iividende  für  die 
zweite  Hälfte  des  Jahres  1889  die  wichtigste  Handelszeitung  m 
Tokyo/ Shogyo  Sfaimpo  (firüher  Bnkka  Shimpo),  mitteilte,  waren 
nnr  aeht  mit  einem  Kapital  von  200000  Yen  und  darüber, 
darunter  eine  mit  450  ODO  Yen  (Kakegawa-Bank,  Shizuoka-ken) 
und  eine  mit  400000  Yen  (Kyoritsubank  in  Osaka).  Manche 
▼on  den  Privatbanken  sind  Spfirbanken,  denen  eine  schärfere 
Aufsicht  im  Interesse  Am  so  wenig  entwickelten  Sparkassen- 
wesens dringend  zu  wünschen  ist^ 

1  ESne  denttwe  Bank  war  die  Maroja  Ginko»  deran  ZuBammen- 
brueh  im  Jahie  Im  Tiele  Angehöfige  der  gebUdetea,  wenig  bemittelten 


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218 


X  4. 


Auch  rein  schwindelhafte  VorgUn^^e  bat  die  kurze  japanische 
Bankgeschichte  schon  zu  verzeichnen,  „Vulkübanken",  welche 
unsinnige  Zinsen  fUr  die  Einlagen  gaben  und  ans  den  neuen 
Einladen  bestritten,  solange  die  Sache  m  halten  war. 

Hypothekenbanken  y  welche  hti  den  landwirtachafdichen 
Besitgverhldtniaien  Japans  hOchflAens  für  die  grofsen  Suidte  Be- 
deutung haben  würden,  fehlen  und  den  auf  ihre  Einführung 
gerichteten  Projekten  kann  man  keine  Verwirklichung  wllnschen. 
Auch  mit  (Vedit  Mobilicrs  ist  Japan  bisher  verschont  geblieben. 
Doch  tauclien  ilerarti^'e  PlUne  (die  erste  aar  bekaunt  gewordene 
Erwähnung  in  der  Presse  stammt  aus  dem  Jahre  1878)  mit 
grofser  Hartnäckigkeit  immer  wieder  auf  und  sind  in  den  letzten 
Jahren  sehr  ernsthaft  erwogen.  SoUte  der  Plan  einer  groiseii 
halbstaathchen  Industriebank  verwirklieht  werden,  so  kommt 
natttrUch  alles  auf  die  Art  ihrer  Leitung  an.  Wie  die  DiQge 
in  Japan  liegen,  kann  man  ein  derartiges  Unternehmen  nur  mit 
gemischten  (Gefühlen  begrtifsen*. 

Die  japanische  Statistik  bezieht  sich  nicht  »uif  die  tlir  den 
auswftrtig:en  Handel  Japans  öo  wichtigen  Filialen  und  Agenturen 
eurojKUöclier  Baliken  in  den  offenen  Haten,  unter  welchen  seit 
dem  Niedergang  der  Oriental  Banking  Corporation  die  bekannte 
Hongkong  and  Shanghai  Banking  Corporation  die  leitende  Stellung 
einnimmt  ^. 

Diese  Bank,  welche  im  Unterschied  von  den  übrigen  fremden 
Banken  ihren  Sitz  im  Osten  hat,  nämlich  in  Hongkong,  wurde 
am  1.  Milrz  1805  eröffnet.  In  den  2')  Jahren  ihres  Bestehens 
bis  Ende  1889,  hat  sie  durchschnittlich  fast  12  Prozent  Di\idende 
verteilt  und  einen  Reservefonds  von  4  600000  Dollai  ö  angesjimmelt. 
Der  Beirag  der  Depositen  war  liLnde  1881)  über  89  Millionen 

Klasst'n  ciDpfindlich  traf  Durch  z  v,  i  Gesetze  vom  23.  August  1890 
worden  von  an  Privatbanken  und  äparbanken  staatlicher  Aa£wcht 
unterworfen. 

>  iBs  ist  interessant  zu  sehen,  M'ie  jeder  alte  europäische  Schwindel 
in  Japan  wenigstens  vorülK^rEr'^hcnd  auftaucht.  So  kamen  (1*^8;^  wenn 
ich  nicht  irre)  eine  Anzahl  Grundbesitzer  bei  der  Kegierung  ein  um 
Kooseanoiiiemiig  einer  Bank,  welche  gegen  die  Sicberteit  von  Onind- 
besitztiteln  Noten  ausgeben  sollte. 

>  Vgl.  über  das  ausländische  Bankgeschäft  in  Japan  meinen  kleinen 
Aufsatz  „Der  deutsche  Handel  in  Ostsrien",  Jahrb.  flir  Gesetzgebung, 
Verwaltung  und  Volkiwirtschaft,  N.  F.,  Bd.  IX  1885.8.  m  ff.,  und  den  Auf- 
satz von  A.  H.  Exner  „Gründung  einer  deutschen  Übersecbank  in  Japan", 
in  dessen  Broschüre  ^Die  Einnahwequelleu  und  der  Kredit  Chinas'^.  Berlin 
1887.  S.  60  ff.  Gegenüber  Exners  ablehnendem  Standpunkt  dürfte  darauf 
hinzuweisen  sein,  dafs  die  ihn  vor  allem  lirstimmonde  Bankpolittk  der 
Shokin  Ginko  auf  die  Dauer  nicht  auär^htzuerhalfen  war  und  ein* 
geschi^nkt  ist.  Dafs  eine  dentsehe  Bank  filr  Japan  allein  nicht  rentieren 
würde,  ist  aufgor  Frage.  Dagegen  scheint  mir  höchst  erstrebenswert, 
dafs  die  neue  deutsch  asiatisclip  Bünk,  wenn  sie  erst  in  China  festen  Fufs 

fefafst  hat,  auch  in  Yokohama  und  Kobe  Agenturen  und  mit  der  Zeit 
ttialen  eirichte. 


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X  4.  Zi9 

Dollars,  bei  einem  eingf  zahlte  u  Kapital  von  7500000  Dollars, 
welches  1890  auf  10  ^lillionen  erhöht  ist.  Der  Banknoten- 
umlauf war  nur  wenig  tiber  6  Millionen,  der  Kassenbeatand 
13766227  Dollan.  Sie  bat  aalser  ihreD  Comptoimi  in  Hongkong 
und  Shanghai  m  Asien  15  Filialen  nnd  Agenttaren,  davon  swei 
in  Japan,  femer  zwei  in  den  Vereinigten  Staaten,  je  eine  in 
London,  Lyon  und  Hamburg. 


Wie  die  japanischen  Banken  das  Hauptgeschäft  mit  Be- 
leihung von  Waren  und  neuerdings  von  Wertpapieren  machen, 
so  ist  fUr  den  kleinen  Kredit  die  Verpfändung  von  Sieber* 
beiten  die  Regel. 

Über  die  Verpfilndunff  von  GrundbesitK  und  Httnsem  ist 
unten  in  dem  vom  Grundbesitz  handelnden  Kapitel  I^äheree  zu 
finden  Ea  ist  dort  ausgeführt,  dafs  in  Jap?in  auch  bei  Immobilifir- 
besitz  offenbar  die  Verpßindung  lür  Bedtirfnisse  des  kurzfristigen 
Kredit«  dient.  Die  Verpfändung  von  Mobihen  als  Sicherheit 
für  Darlehen  ist  ^auz  ailgemdn  üblich,  um  in  Zeit  von  Not 
sowie  bei  Familienereignissen  und  filr  Festlichkeiten  u.  s.  w. 
bares  Geld  zu  besebaTOn.  Wie  häufig  das  im  allgemeinen  ge- 
schieht, entzieht  sich  natfirlich  der  Kenntnis.  Über  die  ge- 
werblichen Pfandleiber  und  ihre  Geschäfte  wissen 
wir  aber  etwas  eingehender  Bescheid,  da  das  gewerbliche  Leihen 
auf  Pfänder  im  Interesse  der  Kriminalpolizei  anter  scharfer  Auf- 
sicht steht. 

Nach  dem  Gesetz  0  vom  25.  März  1884  bedarf  ein  Pfand- 
leiher einer  Koncession  der  Bezirksregierung  (in  Tokyo  Polizei- 
präfektor).  Über  alle  Verpfilndungen  muis  er  dn  obrigkeitlich 
paginiert^  und  gestempeltes  Register  führen,  welches  die  wesent- 
ncben  Thatsachen  klar  ersichtlidi  macht  Bei  \'erpfkndang  ge- 
wisser l)inge  oder  durch  gewisse  Personen  sind  Bürgen  er- 
forderlicli.  Erscheint  die  Verptändung  verdächtig,  so  ist  sofort 
heimlich  der  Polizei  Anzeige  zu  erstatten.  Der  Verkauf  ver- 
fallener Pliinder  ist  fünf  Tage  vorher  der  Polizei  anzuzeigen, 
l'ber  solche  Verkäufe  ist  ein  besonderes  Register  zu  führen. 
Die  Polizei  Iiat  die  Befugnis  iederzeit  den  Geschäftsbetrieb  zu 
revidieren.  Die  Bezirks&hOrae  kann  weitere  besondere  Be- 
stimmungen erlassen,  wovon  dem  Minister  des  Innern  Kenntnis 
an  geben  ist. 

Diese  scharfen  gesetzlichen  Bestimmungen  scheinen  zunächst 

einen  sehr  heilsamen  Einflufs  auf  die  Zahl  der  koncession ierten 
gewerblichen  Pfandleiher  ausgeübt  zu  haben.  Sie  wird  in  der 
Gewerbestatistik  angegeben  tur  die  Jahre  1882  bis  18ö4 
auf  mehr  als  3b  000  \  dagegen  1885  (Juni)  nur  mehr  auf 

>  Die  Zahlen  nnd  nicht  für  alle  Bezirke  mitgeteilt. 


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220 


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25  224  ^  Spatere  Zahlen  sind  mir  nicht  bekannt.  Die  Abnahme  Ist 
besonders  m  den  Bezirken^  welche  nördlich  und  westlich  Tokyo 
benachbart  sind,  bedeutend  gewem.  Die  Zahl  der  E4andleiher 
ist  ^ring  in  der  Nordspitse  und  an  der  Westkflite  von  Honsha 
aowie  im  Süden  Ton  Kyushu;  die  niedrigsten  Bezirke  sind  1885 
Aomori  mit  41  und  Miyazaki  mit  <34  P£uidleihem.  AuCserordent- 
lich  zahlreich  sind  sie,  aufscr  in  Tokyo  und  Osaka,  noch  in 
Aichig  rhjba  und  Ibaraki-.  In  jenen  erstgenannten  entlegenen, 
wirtschaftlich  weniger  entwickelten  l'rovinzen  spielt  wohl  das 
Darlehen  der  Freundschaft  und  Nachbarschaft  noch  eine  erheblich 
l^rölsere  Rolle  ab  das  gewerbliche.  Umgekehrt  ist  es  natürlich 
m  den  groiton  Sittdten.  Ans  den  Registam  der  Pfandleiber 
sind  für  die  Jabre  1883  bis  1886  einige  snsammenfiusende  Er- 
gebnisse für  den  "jröfsten  Teil  des  Landes  veröffentlicht  (Stat. 
Jahrb.  VI  406,  Vfl  409).  Das  Geaamteigebnis  dieser  Pfand - 
leibstatistik  war  nun  folgendes: 


Zalil 
der 

Zahl 
der 

Pfänder,  1000  Stück 
int  Lanfe  des  Jahres 

1000  Yen 

A 

Bezirke 

Pfand- 
leiher 

be- 
liehen 

einge- 
hst 

ver- 

ge- 
liehen 

zurück- 
gezahlt 

ver- 

fidlen 

29 

18  921 

22  839 

l.'..-,75 

4011 

21  984 

16  029 

3  907 

1884 

39 

2;^  76G 

23  322 

15  087 

5391 

U  4(37 

5  796 

188') 

41 

24  724 

28  842 

20153 

5  092 

24  846 

16  9.54 

4  415 

1886 

40 

24  910 

29960 

21071 

41$5 

25410 

19014 

4572 

1884 

22  936 

22641 

15228 

5276 

21895 

14062 

5685 

1885 

21  527 

24  027 

16  698 

4  388 

20  4^30 

139.54 

3899 

=5j=  »,  > 

21  993 

25  2U0 

18  0.53 

3  070 

18  310    13  950 

t 

c  i 

3121 

*  Yamanashi  fehlt  mit  etwa  500  Pfimdlethenn ,  deren  SSaU  «ch  ans 

andern  Daten  erg^ebt. 

*  Die  Zahlen  sind  Das  sind  auf  je  1000  Hausbal« 

tungen  des  betr.  Bezirks 

für  Tokyo     1771  5»» 

Osaka      12.58  3,s 

Aichi       1327  4,a 

Chiba     1625  7,«. 

Ibaraki  -  j 
Die  hohe  Zahl  für  Hiroshima  (261)9)  steht  in  völligem  Widerspruch 

mit  den  Vorjahren  (1882:  622)  wie  mit  der  gleich  zu  besprecheudeu 
Pfaadleihsta&tik. 


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X  4. 


221 


In  den  vorstehenden  Zahlen  fehlen  1885  und  1886  aufaer 
Okinawa  und  Hokkaido  in  beiden  Jahren  die  Beasiike  ShigA 
und  Miyazaki,  1880  auch  Tottori.  Flir  ganz  Altjapan  werden 
die  Zahlen  um  1  1*  _»  Prozent  im  Jahre  1885,  um  2  3  Prozent 
im  Jahre  1880  höher  nnzusetzen  sein.  —  Bei  der  zweiten  Hulfte 
der  Übersicht  fehlen  auistr  den  genannten  noch  Osaka,  Yamagata, 
Ishikawa  und  Fukuoka. 

Die  Zahlen  zeigen,  daia  tob  der  Verpiändung  ein  sehr 
häufiger  Gebranch  gemacht  wird.  Anf  eine  Haushaltcmg  kommen 
im  IXirchschnitt  des  Landes  mehr  als  3  Verpilindnngen  jährlidi. 
Der  Durchschnittswert  der  verpfändeten  Gegenstände  mufs  sehr 
gering  sein,  da  die  darauf  geliehene  Summe  im  Durchsclmitt 
hinter  einem  Yen  zurückbleibt.  Das  Fehlen  irgend  welchen 
wertvollen  Mobiiiars  bei  der  Haustinru  htung  der  unteren  St;intle 
zeigt  sich  hier  deutlich ^  Der  K  ickgang  des  Dunlist.  Imitts- 
betraget»  der  auf  einen  G^cutstaiid  geliehenen  Fiandäumme 
bei  den  36  Bezirken  von  97  Sen  im  Jahre  1884  anf  73  Sen 
un  Jahre  1886  ist  aus  dem  steten  Steigen  der  Valuta  bis 
Ende  1885  und  daher  sinkenden  Preisen  aller  Gebrauchsgegen* 
stände  leidit  erklärlich.  Dies  hat  zur  Folee,  dals  einer  zu- 
nehmenden Zahl  von  Verpfändungen  eine  Abnahme  der  Pfand- 
summe gegenübersteht.  Auffallersner  ist,  dafs  die  Verpftindungen 
noch  IHHO  gegentiber  den  schlimmen  Jahren  1884  und  1885 
der  Zalil  nach  gewachsen  sind.  1  )ie  Besserung  der  wirtschaftlichen 
Lage  scheint  in  den  weiteren  Kreisen  der  kleinen  Leute  sich  nur 
langsam  filhlbar  gemacht  zu  haben«  Deutlich  sichtbar  ist  aber 
die  Besserung  der  Verhilltnisse  seit  dem  No^ahre  1884  in  der 
Zunahme  der  Einlösungen  und  vor  allem  in  der  starken  Ver- 
minderung  der  Zahl  verfellener  Pfänder.  Die  Einlösungen  ver- 
hielten sicli  zu  der  Zahl  der  verfaUenen  P^der  und  den  darauf 
geliehenen  Summen: 

die  Zahl  die  Pfimdsumnie 

1884  wie  100  :  35      wie  100  :  41 

1885  •   100  :  26       -   100  :  28 

1886  .   100  :  20       -   100  :  22 

Immerhin  zeigt  auch  1880  noch  ein  recht  ungünstiges  Ver- 
hältnis der  Einlösungen. 

Bemerkenswert  ist  auch  das  Verhältms  der  Zahl  der  Pfimd- 

leiher  zu  der  Zahl  <l(  r  abgeschlossenen  Geschäfte.  Durchschnittlidi 
kommen  auf  einen  Pfandleiher  wenig  mehr  als  1000  Beleihungen 
und  noch  nicht  1000  Yen  verliehener  Gelder.  Die  Zahlen  ent- 
halten ganz  offenbar  sehr  viele  PtiEUidleiher.  welche  fhVscs  Ge- 
schäft nur  nebenher  betreiben,  wie  auch  thatsächlich  Althandler, 


1  Bdm  KOnigl.  Leihamt  in  BerUn  ist  der  Dorehsclmittsbetrag  für 
ein  Pfiuid  etwa  20  Mark. 


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222 


X  4. 


aber  auch  sooät  Kaulleute,  aiii  dem  Laode  auch  wohlhabeude 
Oiundbesitzer,  Gastwirte  u.  s.  w.  Q^üd  vo-leiheD.  Die  grolsen 
fOr  China  chankteristiBclien  Leihhfluser  und  ansera  Ofi^tlichen 
Leihanstalten  fehlen  in  Japan. 

Prtif^  man  die  Zahlen  Rir  die  einz^en  Bezirke,  so  finden 
sich  vereinzelt  Ergebnisse,  welche  ziemlich  unwahrscheinlich  sind. 
Tni  all|^meinen  entspredien  sie  ahrr  Aem  rrpsanitbilde.  In 
df'ti  Z;ili!pn  der  Pfandleiber  rinden  sich  inniuhcrlui  auffallende 
Schwankungen.  Auch  sthnmen  sie  mit  der  (Tcwerbestatistik 
nicht  immer  recht  überein.  Anscheinend  schwanken  die  Auf- 
£u8ungen  darüber,  wer  als  gewerblicher  P&ndleiher  anzu- 
flehen sei. 

Zwischen  den  Beurken  bestehen  sehr  erhebliche  Untfir* 
achiede.  Vergleicht  man  die  Zahl  der  Veqpfändungen  mit  der 
der  überhaupt  vorhandenen  Haushaltungen,  so  steht  weit  an  der 

Spitze  Tokyo,  ]^^C}  mit  etwa  1 4  Ver|)flindungen  durchschnittlich 
pro    Haushaltung,    dem    Kanjigawa   mit    10,    H^'ogo   mit  7, 


Zahlen  finden  sich  naturgemäls  ila,  wo  wenige  gewerbsmäfsige 
Pfsuidleiher  vcnrhaiiden  flind,  im  ^forden  und  dä  meisten  £^ 
lirkeo  der  WestkOsle,  eowie  im  Süden  Ton  Kyosha,  auliMrdem 

in  den  inländischen  Bezirken  Shiga,  Oifu  und  Nagano.  Der 
Durchschnittswert  der  PfHnder  war  gleichfalls  ziemlich  Tei*8chieden. 
Auffallend  ist,  dafs  die  Bezirke  mit  den  höchsten  und  die  mit 
den  niedrigsten  Durchschnittspreisen  ziemlieh  n^<wii1o8HeTie  Gruppen 
bilden.  Während  der  I>andesdurch8clmitt  IbHti  b7  ben  war, 
war  er  hfVher  als  ein  Yen,  nufser  in  ()8aka,  das  mit  2,44  Yen 
au  der  Spitze  .stand,  in  Tokyo,  Kanugawa,  Yamauashi,  (iumma, 
Kaenno,  Niieata  mid  Jahikawa.  Dagegen  war  er  niedriger  als 
45  Sen  in  Tokiiahima,  Wakajama,  Hvogo,  Okayama,  Yamagachi 
und  Shimane  (nur  35  Sen).  Während  im  allgemeinen  die 
Zahl  der  Verpfändungen  im  Lande  angenommen  hat,  sind  in 
manchen  Bezirken  die  Verimderungen  sehr  gering,  ja  in  mehreren 
ist  die  Zahl  erheblich  zurückdrängen,  so  in  Kyoto.  K;in?if]!;?ivv;i. 
Ibaraki,  in  Akita,  Yamagata,  Toyama  und  Fukiii,  in  Hiroshima, 
Wakayama  und  Kochi,  in  allen  Bezirken  von  Kyushu,  deren 
Zahlen  vorli^en. 

Gana  auralUg  ist,  wie  yenchieden  daa  Verhältnis  der  ein- 
l^lOaten  au  den  ▼erfiülenen  Piändem  in  den  einzdnen  Benrken 
ist.  Im  Jahr«  1^R(5  war  in  den  günstigsten  und  ungünstigsten 
Beairkeii  das  Verhältnis  der  £inlösangen  aum  Ver^: 


bei  der  Zahl  der  fiaiider   bei  den  1  landsummeii 


in  Aiehi  wie  100  :  0  wie  100  :  10 

-  (i.lu  -    100  :  8  -    100  :  12 

-  Tochigi  -    100  :  10  -    100  :  13 

-  Ishikawa  -   100  :  11  -   100  :  8 


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X  4. 


223 


bei  der  Zahl  der  PfÜnder  bei  den  FfuidMunmen 

Dagegen 

in  Tovama     wie  100  :  74  wie  100  :  68 

-  Mi^agi  -  100  :  54  -  100  :  59 
.  Emnamoto  -   tOO  :  dO  •   100  :  30 

-  Kyoto        -    100  :  29  -    100  :  43 

Zum  Schlui'ü  durfte  es  lehiTeich  sein,  iUr  den  absolut  an  der 
Sintee  aller  stehenden  Beaurk  Tokyo  die  sämtlichen  Zahlen  ftlr 
die  Jahre  1888  bis  1886  mitsateileii: 

Pfandleihstatiftik  fttr  den  Bezirk  Tokyo. 


•3 


Pfänder,  1000 

Stück  im  Laufe 
iU'ü  Jahres 


^  I 


IHandsummen, 
10(K»  Yen 


a 

«0  0) 


1  - 


•  a 


=  .  rr  OJ 

tj  «  M 


I 


1Ö84 
1885 
1886 


1  f):>.< 
1 

1319 
1293 


771  I  :»{il7 


3881 
4S69 
4211 


3244 
8513 
3643 


694 
795 
819 


4942 
4875 
4267 


3851 
4178 
3850 


!i07 

17050) 
980 
762 


Yen 

1,« 
1,«« 

1,01 


2il 
21 
22 
22 


Es  dürüte  in  diesem  Zusammenhange  angemessen  sein,  über 
die  Höhe  dee  in  Japan  herrschenden  Zintfufses  einige  Worte 
einztdllgeD. 

Im  Verkehr  der  gröfseren  Banken  ist  der  Zinsluls  in 
neuerar  Zeit  erheblich  aurüokgegangen.  In  den  ersten  Jahren 
der  neuen  Ordnung  verlangte  die  damals  bedeutendste  Hank, 
die  Mitsui-Rank,  für  l  ^arlclien  von  10  000  Yen  und  mehr  gegen 
Sicherheit  13,5  14  Trozent'.  Mehr  als  die  Entwickelunp:  des 
Bankwesens  hat  die  Lähmung  der  wirtschaftlichen  Tliätigkeit 
seit  1882  den  Zins  herabgedrUckt^  der  für  derartige  Darlehen 
1883  in  Tokyo  immer  noch  10  Plroeent  war,  in  den  Provinzen 
btther.  Seit  Erdffirang  der  Nihon  Ginko  haben  wir  in  den  Be- 
richten dieser  Bank  ein  genaues  Material  über  die  Entwickelung 
des  Bankzinsinfses,  und  zwar  ist  malsgebend  der  fUr  Darlehen 
gef^n  Sicherheit.  Diskont  steht  meist  gleich,  in  den  hnzten 
Jahren  eine  Spur  niedriger.  Der  Zinsfufs  der  anderen  i^anken 
folgt  im  wesentlichen  den  Sätzen  der  Nihon  Ginko  mit  12 
Prozent  Erhöhung  Uber  den  Tokyosatz  dieser  Bank.  In  den 
Provinzen  verlangt  auch  sie  ctwaä  mehr. 


1  Okumas  Bericht  „DreizehD  Jahre  l;Hnanzpuiitik'  Kap.  lY. 


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X  4. 


Im  Durchschnitt  jedes  Semestera  berechnet  sich  der  Bank- 
zinsiuis  danach  wie  folgt: 

1883,  2.  Semester      8,t  Prozent 

1884,  1.      -  8»sft  - 

1884,  2.      -  8,87  - 

1885,  1,      -  8,92 

1885,  2.      -  7,21  - 

1886,  1.      -  6,46  - 

1886,  2.  -  5,49  - 
I887y  1.  •  5,64 

1887,  2.  -  5,18  - 

1888,  1.  -  5,9« 

1888,  2.      -  6,59  • 

1889,  1.  .  6,88  - 
1889,  2.       -  6,88  - 

Die  Zahlen  zeigen  bis  zum  Sommer  1886  ein  fast  r^el- 
mäfsigea  Sinken.    Der  tiefste  Stmd  im  Juli  1886  mit 

4,h  Prozent  eireicht.  Im  Zusaninu  nhang  mit  der  mehr  und 
mehr  wachsenden  Spekulation  und  Gründung  neuer  gewerblicher 
Unternehmungen  stieg  dann  der  Sats.  In  den  letzten  Monaten 
TOn  1889  stand  er  wieder  dauernd  auf  7,  wie  Anfang  1886. 

Eifaeblich  geringer  ist  gegenwärtig  die  Verzinsung,  welche 
Staatspapiere  gewähren.  Nehmen  wir  als  Typus  f\ir  die  fiilheren 
Jahre  die  siebenprozentigen  Rentenablösungsscheine,  welche  seit 
dem  September  1878  veräul'serlich  waren,  so  stellte  sich  im  .T:ilirfs- 
durchschnitt  deren  Kurs  in  Tokyo  und  folglich  die  Verzinsung 
foigenderniafsen : 

.  1879  Kurs  80,ki  Verzinsung   8,c.>  Prozent 

1880  -  71,81  -  1>,;^ 

1881  -  69,41.  -  10,üi 

1882  -  73,«H  -  9,64 

1883  -  84,18  -  8,3i 

1884  92,«  -  7,M 

1885  -     96,«9  -  7,M 

1886  -    107,71  6,M' 

Nachdem  der  Kurs  Ende  1885  dauernd  100  Überschritten 
hatte,  ist  wegen  der  Gefahr  der  Auslosung  al  pari  der  Satl 
nicht  mehr  mafsf^'cbcnd.  Der  niedrif^stc  überhaupt  an  einem 
Ultimo  oder  Medio  erreichte  Stand  war  am  15.  Poznuber  1880 
mit  til,(;u,  einer  Verzinsung  mit  11,86  l^rozent  eni sprechend,  der 
hociistc  110,15  am  15.  Juni  1886,  einer  Verzinsung:  mit  6,8»  ent- 
sprechend. —  Schon  zu  Anfang  1880  überschritten  auch  die 
sechsprozentigen  Papiere  das  Pari  und  bald  darauf  die  ftlnf* 
prozentigen,  so  da(s  der  Staat  die  Konvertierung  der  mehr  als 
ninfprozentigen  Schuld  in  Angriff  nahm.  Seit  1887  ist  der 
Kurs  der  illnfprozentigen  Papiere  der  mafsgebende,  welche 
dauernd  etwas  Uber  pari  atanden,  so  dals  der  Zins,  den  der 


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X  4.  225 

Suat  /II  zahlen  hatte,  mVht  5  Prozent  betrug.  £rst  Kode  1889 
gingt  [1  M*  ( twa.s  unter  pari. 

Ganz  an<ler.s  wird  das  Bild  allerdings,  wenn  wir  in  den 
kleineren  gewölinüchen  Kreditverkehr  hineingehen,  wo  wir  auch 
heate  noch  gans  anlkerordentlich  hohe  Zinssätze  antreffen.  Zwar 
ist  durch  Geeetz  66  vom  11.  September  1877  eine  Maximal- 
grenze  flir  vertragsniftCnge  Zinsen  geeetzt  von  12  Prozent  ftir 
Beträge  von  1000  Yen  und  darttber,  von  15  Ph»ent  ilir  Be- 
tr^ige  von  lOo  bis  1000  Yen,  und  von  20  Prozent  für  Summen 
unter  100  Yen.  Die  N'erabredung  höherer  Zinsen  ist  ungültig*. 
Aber  thatsiiehlich  isf  da<  <etz  wirkungslos.  Hei  Verptänduno- 
von  gewöhnlichem  Jlauöiat  ist  auch  heute  noch  Zins  von 
86  bis  42  Prozent  nichts  UngewöliiiÜLlies.  Für  »mistige  gute 
Pftnder  ▼erlangen  P&ndleiher  in  Tokyo  üir  Summen  unter 
10  Yen  24^80  Prozent,  für  Summen  von  10—100  Yen  18—24 
PjncMsent,  für  Summen  über  100  Yen  15—20  Prozent.  Nach 
derselben  Quelle  (ein  Aufsatz  im  Jiji  Shimpo,  übersetzt  in  Japan 
Weekly  Maü  1888  X  100)  wttie  der  übliche  Zinssatz  in 

Darlehen 

unter  1000  lOOO-  10  000  über  10000 

Yen  Yen  Yen 

gegen  Hypotheken       15°  o  und  lO^o  und  10"/o 

aut  Grimd  besitz        S'^/o  Kommission  V 

KüUHuisöion 

^Mi^^H^^MH^^^^w^ta.  >K— ^^^^^^^^^^^^^^^ 
^ ^^^^^^^^^^^^^^^^^ 

gegen  Hypotheken       15**o  und  12*^  0  und 

auf  Iläusrr  6—  7"  u  Kommission   3,5—4**  o  Kommission. 

Ene  amtiiche  Zusammenstellung  des  in  den  <  inzeinen  J3e- 
zirken  durchselmittlieh  herrsdienden  Zinsfulses  für  den  Dezember 
1887  (Stat.  Jalulj  \U1  438  ff.),  der  leider  ^iir  keine  An- 
gabe Uber  den  Ursprung  der  Zahlen  beigegeben  ist,  ergiebt  filr 
den  Durchschnitt  oer  Bezirke  folgende  Sfttse  (Okinawa  fehlt 
dtirchw^) 

Dttrieben^  I.nmVinrd  Hypothek 

ÜBtt  den  Tag      vüu  btaats-  '  auf 
und  100  Yen 
%  p.  a. 

lur  10000  Yen  und  darüber  2,r,  Sen  —   9, 125 
•     5000—10000  Yen      2,?   *  =  9,8B6 

-  1000—  5000    -        2,»   -   =  10,m 

500—  1000  Yen  3,s  -  =11,68 
100—    500    -       3,T   -  =13,81 

-  weniger  als  100  Yen     4f9  •  —  15,6m 

1  (jresetzlicbe  Zinsen  sind  durch  das  gleiche  (besetz  aaf  6  Prozent 
festgesetst 

-  NiigatH.  SaitHtna,  ('.\U\  fehlen  «xanz,  Chiba  bis  auf  die  letate  Zeile. 

^  Ks  felileu  Tokyo,  ibaraki,  Akita. 
ForKchutti^i'U  (4.V  X  4.  —  Kathgvn.  16 


papieren 

Grand- 

Stücke  ' 

Prozent 

Prozent 

jährlich 

jährlich 

V 

8,t 

7,8 

9,8 

8,8 

10,8 

9,8 

n.i 

10,8 

12,7 

12,« 

14,8 

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226 


Diese  Slitzc  sind  niedriger,  als  die  oben  angeiuhrtiMi.  immer- 
hin sind  sie  an  sich  hoch.  Der  hohe  Zinssatz  für  Hypnihcken 
namentlich  steht  m  merkwürdigem  Verhältnis  zu  dem  Kurs  der 
Steatepapiere,  aber  auch  som  Lombard. 

Welchen  Wert  diese  Zahlen  haben,  mOcbte  ich  dahingestellt 
sein  lassen.  Ein  Vergleich  der  einzelnen  Bezirke  «giebt  sehr 
sonderbare  Unterschiede.  Es  ist  allerdings  ganz  einleuchtend, 
dafs  der  Zinsfufs  in  Osaka,  Aichi  verhältnismärsig  niedrig,  in 
manchen  Bezirken  im  Norden  und  an  der  Westküste  hocli  an- 
g^eben  wird.  Verdächtig  ist  aber,  dalis  mehrfach  benachbarte 
und  in  ganz  älinlichen  wirtaclialtlichen  Verhftltni.ssen  befindliche 
Bezirke  so  gar  vei'ächiedene  Zinssatze  haben  sollen,  wenn  z.  B. 
bei  Hypotiicien  der  ZinflfiiTs  in  Eanagawa  bc^  hoch,  in  Shizuoka 
sehr  niedrig  ist,  oder  in  Tottori  zum  Teil  doppelt  so  hoch  als 
in  Shimane.  Dafs  der  Lonibard-Zinsfufs  in  Osaka  sehr  viel 
niedriger  sein  sollte  als  in  7'okyO|  ist  bei  dem  leUiaften  Geld- 
y erkehr  zwischen  beiden  Plätzen  auch  kaom  wahrBchelnUch'. 


Es  ist  bereits  erwähnt,  dals  eine  Anzahl  National-  und 
rrivatl)aukeD  auch  als  »Sparkaaseu  fungieren.  Die  erste  und 
wichtigste  Sparkasse  des  Landes  aber  ist  die  Postsparkasse. 
Durch  Gesete  185  rom  23.  Dezember  1874  ins  Leben  gerufen» 
hatte  sie  Ende  1875  22  Zahlstellen.  Diese  wurden  dann  jährlich 
um  100  bis  200  vermehrt,  bis  sie  Ende  1884  die  Zahl  1469 
erreicht  hatten.  Das  nächste  Jahr  brachte  eine  plötzliche  Ver- 
mehrung h')^  Muf  433H,  \v<>lcho  dann  aber  teilweise  wieder  rück- 
gängig gemacht  wurde.  Ende  ^9,97  wan-n  es  'A0C)7.  Von  der 
neuen  Einrichtung  wui'de  anfanj^^s  ein  sehr  Ijc^tiiranktt  r  (  M'])r.iueli 
gemacht.  Teils  war  die  Bevölkerung  an  derartige  Anataitcn 
nicht  gewöhnt,  teils  war  der  ZmaftUs,  6  Prozent,  so  tief  unter 
dem  Iwdestlblichenf  dafs  die  Sparkasse  wenig  lockte  gegenüber 
sonst  möglichen  Anlagen.  Ein  wichtiges  Hindernis  endlich,  das 
fintdauernd  wirkt,  sind  die  umständlichen  Formalitäten  und  der 
ungeschickte  Geschäftsbetrieb,  der  das  Publikum  fernhält,  statt 
dafs  man  din  Saclio  möglichst  leicht  und  bequem  machte.  Auf 
alle  Erkundigungen  erhält  man  von  Dienstboten ,  Hand- 
werkern u.  .s.  w.  die  ganz  ständige  Ant\v(n*t,  man  möge  das 
Qeld  nicht  einlegen,  da  es  so  sehr  umständlich  sei,  es  wieder 
herauszubekommen.  Das  erste  Jahr  des  Gesdiäfbbetriebes, 
1875,  scUob  mit  1843  Sparern  und  15224  Ten  Einlagen. 
Sieboi  Jahre  später,  Ende  I082,  war  man  erst  auf  46211  Sparer 
und  1058224  Yen  Einlagen  gekommen,  auf  1000  Einwohner 
1.S5  Sparer  und  2S,8s  Yen  EinTagen,   Von  da  an  beschleunigte 


»  Für  Summen  über  lU  0(H>  Yen  in  Tokyo  M,4,  in  Osaka  "i,?.  Prozent. 


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X  4. 


227 


sich  die  Entwickelung  doch  etwas  mehr.  Der  Stillstand  im  Ge- 
schäfts! oben,  der  18b3  begann,  auch  eine  zeitweise  Erhöhung 
dcä  Zinstuises,  1882  auf  7,  1883  auf  7,8  Trozenty  üeisen  die 
Zahlen  rascher  ansteigen 

1883  auf  87014  Sparer  mit  2298502  Yen  EiiJagen 

1884  -  141 202      -       .     5260  484  - 

1885  -  293297  -  -  9  <  150  255  - 
1^86  -  490337  -  -  15462054  - 
lö87  -  568849  -  -  18218  282  - 
1888»  -  665822      -      -   19  756  482  - 

Seit  dem  starken  Steigen  des  Kurses  der  Staatspapiere  ist 
auch  der  Zinsfufs  bei  der  oparkasee  mehr&ch  herabgesetzt,  bis 
auf  4,2  Prozent. 

Die  rasche  Zunahme  ist  seit  1887,  nach  Wiederbelebung 
des  Geschäfts,  einigermafkcn  ins  Stocken  gekommen.  Die  Summe 
der  Neueinlagen  (einschliefslich  zugeschriebener  Zinsen)  war  18ö0 
am  hOcbaten  mit  13051044  Yen,  aber  1887  11577894  Yen, 
1888  nur  10753685  Yen.  Dagegea  stiegen  die  RUck- 
zaUungen  von  6639245  Yen  auf  9208465  Yen.  Die  Zahl 
der  neu  eintretenden  Sparer  war  1887  und  1888  geringer 


Rürkzcthhingen  sogar  erheblich  höher  dir  Kmzahiuogen  (auf 
Tokyo  allein  kamen  1887  27  Prozent  der  Ein-  und  37  Pro- 
zent der  Auszahlungen).  Im  Bezirk  Osaka  (mit  12  Prozent 
aller  Ein-  und  Auszahlungen)  war  der  Zuwachs  nur  unbedeu- 
tend. Diese  rückläufige  Bewegung  scheint  sich  1889  noch  fort- 
geaetat  zu  haben',  finmerbin  ist  der  Fortschritt  yon  1882  bis 
1887  ▼erfaältnismäfsig  recht  bedeutend.  Auf  1000  Einwohner 
kamen  nunmehr  schon  14,6u  Spai^r  und  460,v8  Yen  Einlagen. 
Die  durchschnittliche  Höhe  der  Einlage  auf  oinen  Sparer  war 
von  22j'.o  Yen  auf  :^2j02  Yen  gestiegen.  Auffällig  ist,  wie  grofs 
die  KUckzahlungen  im  Verhältnis  zu  den  Einzahlungen  sind. 
Nur  in  den  Jahren  1883  bis  1885  waren  sie  weniger  als  die 
Hälfte  der  Einzahlungen,  1886  wieder  wie  frUlier  mehr  als  die 
Hulfte,  1887  drei  Viertel,  1888  secfas  Siebentel   Wie  wenig  die 


^  Nach  Zeitungsnotizen  wäre  lijide  1889  die  Zahl  der  Spftver 
7Ü2  000,  die  Summe  der  Einlagen  20  420  000  Yen  gewesen. 

^  Der  Bestand  der  Spareinlagen  liat  Ende  1S8<)  20,4  Millionen  kaum 
überschritlrn .  %vährend  die  Zalil  der  Sparor  Tun  li  /.iemlich  zugenommen 
bat.  Ofl'enbar  sind  in  der  Zeit  von  iö87  —  l.'^v^U  intulge  der  lebhailen 
SpdraJation  die  grofsen  Depositen  berausgezogen ,  wtfbrend  die  gans 
kleinen  üjrspamiBse  sich  weiUr  vennehren.  Das  wäre  im  ganzen  keine 
ung'ünstige  Entwickelung.  Die  durchschnittliche  Höhe  der  Einlage  eines 
Sparers  wäre  nach  den  initgeteilteo  Zahlen  auf  20,8  Yen  zurückge- 
gangen. 


als  im 


Tra  Bezirk  Tokvo  waren  die 


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228 


I^^nutzung  der  Sparkasse  in  die  Volkssitten  eingedruDgcn  ist, 
ergiebt  .sich  noch  mehr  ab  aus  den  vorigen  Zahlen  aus  der  grolsen 
Zahl  von  Sparern,  welche  alljährlich  ganz  ausscheiden : 

Es  traten  neu  ein     Es  traten  ganz  aus 


23032 

10395 

lbö4 

84097 

29909 

1885 

204148 

Ö2053 

1886 

298921 

101 881 

1887 

197628 

119116 

1888 

217604 

120681 

Bemerkenswert  ist  auch,  wie  die  BeDutEong  der  Sparkaaie 

bisher  nur  in  einigen  grofsen  Städten  häufig  ist.  Es  kamen  von 
je  100  aller  Neueinlagen  (ohne  Zinseo)  des  betreffenden  Jahres 
auf  die  Besirke 


1882 

1884 

1886 

1887 

1888 

Tokyo 

62 

44 

31 

27 

24 

Osaka 

10 

11 

12 

12 

11 

Kyoto 

5 

5 

4 

4 

5 

Aiciii 

2,5 

7 

6 

7 

6 

Die  Zahlen  zeigen  aber  doch  auch,  dal's  das  Sparen  im 
Lande  sich  neuerdings  aligemeiner  verbreitet.  Noch  1884  kamen 
Bwei  Drittel  aller  Nenehäigen  auf  die  ykr  Besirke  mit  den 
ertf&ten  Städten  des  Landes,  1888  nicht  mehr  die  Hälfte.  Im 
Jahre  1884  wurden  in  6  Bezirken  mehr  als  100000  Yen  neu 
eingezahlt,  im  Jahre  1886  in  28  Bezirken,  1887  in  32,  1888  in 
31  Bezirken. 

Die  in  die  l'ostt^parknsse  eingezahlten  Depositon  wurtlen 
friUu  1  als  besonderer  Fonds  im  Finanzministciium  verwaltet  und 
dort  in  Staatspapiercn  angelegt.  Seit  Erö{iimn^  der  Depositen* 
kasse  am  1.  Juh  1885  wurden  sie  dieser  zugetuhrt^ 


Das  Versicherungswesen  ist  in  Jauan  noch  in  den 
Anfingen,  natürlich  abgoiehen  von  dem  GescMft  ausländischer 
See-,  Feuei^  und  Lebensreracherungsgesellscbaften  in  den  oflenen 
Häfen  und  Plätaen.  In  Tokyo  besteht  seit  1879  eme  eui'- 
heimische  Seeversicherun^rsgesellschaft  mit  an&ngHch 
60(>OnH  Yen,  seit  1880  DmiOoiiO  Yen  Kapital,  welche  jjlhrlich 
9  —  11  Prozent  Dividende  verteilt  Ferner  besteht  seit  1881  in 
Tokyo  die  ^leiji  Lebens  Versicherungsgesellschaft 
mit  lOlHKJO  Yen  Kapital,  welche  re^olmärsig  lU  Prozent  Dividende 
verteilt.  Im  Juli  1889  waren  bei  ihr  5356  Personen  lüi'  ein 
Kapital  von  2745300  Yen  yersichert^  aulsecdem  in  1041  Fällen 


>  Di(^  Verhältnis^«-  der  Postsparkatae  tmd  jeUt  geregelt  durch 

Gesetz  o:i  vom  12.  August  lb90. 


V 


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X  4. 


229 


Erziehungsgelder  im  Betrage  von  358  900  Yen.  Von  jenen 
5356  Versicherten  kamen  auf  die  Provin7  Musaahi  (Tokyo, 
YokobamiL)  allein  IKtO,  auf  Settsu  (Osaka,  Kobe)  640.  Dem 
Berufe  nach  waren  cUriuiier:  Kaufleute  und  Bank-  etc.  Beamte 
2274;  Beamte  (auiser  I/ehreruj  1081,  dagegen  Landleute  nur 
164,  Gewerbetratbeade  340. 

Das  nnd  noch  recht  bescheidene  Anfange,  aber  beide  Ge> 
eelbohaften  eind  doch  in  gedeihlicher  £ntwickeldng  b^grifoi. 
Über  einige  neue  in  den  allerletzten  Jahren  gegründete  Ver- 
sicherungsgesellflchaften,  namentlich  die  erste  einheimische  Feuer- 
versich crungsanstalt,  ist  mir  Näheres  nicht  bekannt.  Jeflen  falls 
beweist  ihre  Gründung,  dafs  der  Gedanke  der  Versicherun;;  an- 
fangt sicli  zu  verbreiten  Für  die  Versicherung^  gegen  Feuers- 
geiabr  iat  frcihcii  nur  ein  geringeü  Arbeitsfeld  vorhanden.  Die 
Sanart  japaniaeher  Hftüaer  bringt  ein  so  grofses  Risiko  mit  sich, 
dafs  die  Frümien  eine  absdureckende  H(Uie  haben  mfl&ten. 


V.  Die  Börsen. 

Im  Zusammenhang  mit  den  in  diesem  Kapitel  besprochenen 
KreditanhUilten  ist  endlich  der  Börsen  zu  i£edeDken^ 

Hit  der  früher  in  Japin  unbekannten  Schaffung  einer  Staats- 
achuld  in  Form  Ton  Obligationen  seit  dem  Jahre  1873,  mit  der 
Begründung  von  Gesellschaften  auf  der  Grün  dl  c  übertragbarer 
Aktien  entstand  das  Bedürfnis  nach  einem  Markt  fUr  solche 
Wertpapiere,  wo  namentlich  die  mit  den  neuen  Obligationen  ab- 

fefundonen  Sta;it3gläubiger  Alinelimer  für  ihr«-  Sciteine  finden 
önnten.  Mit  ottenbarer  Anlehnung  an  amerikanische  Muster 
wurde  1874,  durch  Gesetz  107  vom  13.  Oktober,  ein  erster 
Versuch  gemacht,  „die  bisher  fehlende  Regelung  de»  Verkehrs 
in  Wertpapieren'*  durch  JSmehtung  von  BOnen  (Kabushiki 
torihiki  jo),  zunächst  in  Tokyo  und  Osaka,  herbeiBufUbren. 
Das  fremde  Muster  zeigt  sich  am  deatüchsten  darin,  dafs  als 
Gegenstände  des  Handels  an  den  Börsen  auch  allerlei  Wert- 
papiere aufgezählt  sind,  welche  damals,  und  zum  Teil  noch  hent^, 
m  Japan  gar  nicht  vorkameui  nämlich  neben  iStaatspapieren  und 


*  Ein  Vortrag  von  P.  Hayet  aus  dem  Januar  18^1  ttbor  ,,Die 

japaiiiscbe  Geld-  und  EfTcktcnhöi'se'^,  in  Mitteilungen  der  Deutschm 
( i esellst  liaft  u.  b.  w.  ()8ta!*ii'n.s  üd.  VfHeft  41'  S.  1  -',),  lioschiiftigt  sich  im 
weaentlichen  nur  mit  dem  Statut  Utjr  Effektcuboise  in  Osaka,  das  auf 
dem  Gesetze  von  1878  beruht  Ich  bin  pers^'mlich  bekannt  mit  den  bei- 
den jetzt  wichtigsten  Börsen  .Japans,  der  Effekten-  und  der  Reisbürse  in 
Tokyo,  dereu  Geschattsbetricb  näher  kennen  zu  lernen  mir  Ifi^Sü  durch 
die  GeraUif^keit  der  damaligen  Prftside&ten  beider  Anstalten  Kono  (jetet 
Mitglied  des  SnmitsQ-in)  und  T.  Aoki  (inzwisehen  verstorben)  erleichtert 
wurde. 


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230 


Aktien  staatlich  genehmigter  Anstalten  auch  staatlich  anerkannte 
tibertragbare  Schuldscheine,  Aktien  und  Obligationen  von  Eisen- 
bahn-. Dampfschiffahrt-,  Telegraphen-  (!),  Gas-,  Waaser-,  Berg- 
werks^^esellschaften  u.  s.  w.  Die  Schwierigkeit  war  nun,  wer 
die  Börsengebttude  errichten  und  tUr  den  Verkehr  darin  verant- 
wortlich aein  soUtey  da  die  alte  Haodelsorgaoisation  Ternichtet 
war.  So  half  man  sich  durch  Scfaaflmig  von  AktiengeseUedialleii, 
welche  den  Btffsenhetrieb  tibemehmen  sollten,  unter  Aufsicht  des 
Finanzminiäters,  an  dessen  Stelle  1875  der  Minister  des  Innern 
trat,  um  1878  wieder  durch  den  Finanzminister,  1H81  durch 
den  Minister  ftir  Landwirtschaft  und  Gewerbe  ersetzt  zu  werden. 
Die  Aktionäre  sollten  unter  .sich  einen  Verwaltungsrat  (Kimoiri) 
und  aus  diesem  einen  Präsidenten  und  Vicepräsidenten  wählen. 
Geschäfte  an  der  Börse  abzuschliefsen  war  den  „Mitgliedern** 
Torbehalten*  Das  sollten  in  erster  Urne  Aktionare  mit  mehr 
als  5  Aktien  sein.  Doch  konnten  au  ^Uitgtiedem"  auch  andere 
Personen  vom  Vorstand  ernannt  werden,  wenn  sie  500  Yen 
(den  Betnig  TOn  5  Aktien)  hinterlegten  und  drei  Büfgen 
beibrachten.  Die  „Mitglieder"  sollten  Geschäfte  privatim 
aul'serhalb  der  Börse  nicht  ahschliefsen.  Sie  waren  in  (lenossen- 
sehaften  von  je  ftinf  eingeteilt,  welche  solidarisch  ftireinander 
hafteten.  —  Der  Grundgedanke  dieses  ersten  Börsengesetzes 
war  also  offenbar  der,  aus  den  Personen,  welche  Börsengeschäfte 
triehen,  d.  h.  für  eigene  oder  fremde  Bechnane  Wcartpapiere 
kauften  und  verkanften,  eine  Genossenschaft  an  bilden,  der  man 
di<  Form  einer  Aktiengesellschaft  gab,  um  aus  dem  Aktien- 
kapital einerseits  die  Gebäude  zu  beschaffen,  anderseits  eine  bei 
der  Regienmg  zu  hinterlegende  Kaution,  nämlich  zwei  Drittel 
des  Aktienkapitals.  Für  ihre  Unkosten  durfte  die  Oesellachaft 
1 — 2  vom  Tausend  der  geschlossenen  (leschäfte  erheben. 

War  schon  in  dem  Gesetz  von  1874  dieser  Grundgedanke 
der  Börse  als  einer  Effektenhändlergenossenschaft  nicht  rein  durch- 
geführt,  so  wnrde  er  in  der  Folge  gans  Terlassen.  Das  Beis> 
bOrsengeseta  von  1876  (von  welchem  unten  mehr)  und  nach  ihm 
das  aweite  EflfektenbOrsengesetz,  Nr.  8  vom  4.  Mai  1878,  liefiben 
den  Zusammenhang  zwischen  Börsenhändlern  und  Aktionären 
ganz  fallen.  Es  heifst  nur  mehr,  dafs  auch  Aktionäre  Händler 
oder,  wie  die  bisherigen  „Mitglieder"  nun  lieil'sen,  Makler  sein 
dürfen.  Thatsächlich  haben,  in  Tokyo  wenigstens,  gegenwärtig 
Aktionäre  und  I^Iakler  gar  nichts  miteinander  gemein.  Die 
Aktien  sind  in  den  Händen  von  Kapitalisten,  welche  die  fetten 
Dividenden  einstreichen,  die  Makler  sind  mdst  arme  Teufel,  d»» 
mit  der  Kraft  ihrer  Langen  und  Ellbogen  mtüisam  ihr  Brot 
▼erdienen.  Die  Börsengesellsehaft  ist  nunmehr  eine  reine  Er- 
werbsgesellschaft, welcher  das  Börsengebäude  gehört  und  deren 
Vorstand  und  Beamte  <len  Verkehr  an  der  Börse  leiten  und 
beaufsichtigf'n.  Datur  erliebt  sie  von  jetlem  Geschiift  eine  Ge- 
bühr, die  vom  Kassengeschäft  eins  vom  Tausend,  von  Tcrmin- 


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X  4. 


231 


mcbäften  zwei  vom  Tausend  nicht  Uberschreiten  solP.  Die 
Bestimmungen  üh^^v  dh^  Kaution  (zwei  Drittel  des  Kapitals) 
blieben  unverändert.  J)ic  IvoDut  s.sion  sollte  immer  nur  auf  fünf 
Jahre  erteilt  werden.  Im  Vorstande  fiel  der  Vicepräsident  weg. 
Der  Vorstand  erhielt  die  Kntßcheidung  über  Meinungsverschieden- 
beiteo  swiachen  deo  Maklern,  namentlich  darüber,  ob  die  ver- 
tragnnjliBigeii  Verpflksbtungen  erlUlt  meai,  ob  „Kontraktbraoh*^ 
vorliege,  ebenao  über  die  Ztüawong  von  Wertpapieren  zum 
Verkehr  auf  der  Börse  oder  deren  Auflsehluls  ,  endlich 
über  die  Zulassung  der  Makler,  die  dem  Vorstande  nicht 
angehören  dtlrfen.  Die  Makler  haben  eine  angemessene" 
Sicherheit  zu  hinterlegen,  welche  1880  (Nr.  20  vom  15.  April) 
tUr  EfFektenmakler  auf  mindestens  200  Yen,  für  Makler  in 
Gold-  und  Silbergeld  auf  mindestens  1000  Yen  festgesetzt  wurde. 
Davelbe  Gesetz  machte  die  Zulassung  als  Makler  von  der  £r- 
laubnis  des  FinansminiBten  abhöngig  und  forderte  fiür  die  Wahl 
des  BOraenprllsidenten  Bestätigung  durdi  den  Flnansminister'. 
GeschSfte  an  der  Börse  werden  nur  von  den  zugelassenen 
Maklern  und  stets  im  eigenen  Namen  abgeschlossen.  Für  die 
Zulassung  ist  eine  Gebühr  von  r^O  Yen  zu  zahlen  (Nr.  28  vom 
(3.  August  1883).  Die  Zahl  der  Makler  ist  begrenzt,  übrigens 
mehriach  geändert. 

Das  Gesetz  von  1878  war  viel  klarer  abgefafst  als  duä  seiir 
weitaehweifige  von  1874.  Als  Gegenstand  des  Börsenverkehrs 
waren  jetzt  nur  japanische  Staatspapiere  und  Aktien  koncessio- 
niearter  Gesellschaften  bezeichnet^.  Aufscrdem  erlaubte  Nr.  37 
vom  22.  September  1879  „zeitweise"  auch  Geschllfte  in  Papier- 

feld  resp.  Gold-  und  Silbergeld.  Nach  Herstellung  des  Pari- 
urses ist  dies  durch  Nr.  vom  28.  November  1*^8'  am 
1.  Januar  1880,  dem  Beiginn  der  Einiüsbarkeit  des  Papiergeldes, 
wieder  aufgehoben. 

Durch  das  Gesetz  von  1878  ist  also  eine  Erwerbsgesell- 
schaft  dahin  privil^ert,  dals  der  Verkehr  mit  Wertpapieren  in 
ihren  Räumen  sich  Tollziehen  muls  und  ihr  davon  eine  Gebtthr 
entrichtet  wird.  Je  lebhafter  die  Spekulation,  desto  vorteil- 
ha^r  ist  es  f\ir  die  Gesellschaft.  Der  Vorstand  dieser  selben 
Gesellschaft  aber,  bestehend  aus  Aktionären  mit  mindestens  30 
Aktien  im  Besitz,  überdies  durch  Tantiemen  an  der  Höhe  der 


*  Diese  Beetimmung  ist  durch  Nr.  37  vom  28.  November  1885  dafam 
geändert,  dafs  eine  angemessene  Gebühr  erhoben  werden  soll  mit 
Genchmigang  der  Minister  für  Liandwurtacbaft  und  Gewerbe  und  der 

Finanzen. 

Diese  VerBchftrfimgen  des  Gesetzes  traten  ein  infolge  der  tollen 
Agiotage  jener  Zeit. 

'Aach  Mr.  vom  23.  Dezember  1880  kann  der  Finanzminister 
aneh  die  Zaltamg  von  Aktien  anderer  Gesellschaften,  welche  keine 
gefitbrlichen  Geschifte  betreiben,  anordnen. 


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232 


X  4. 


Umelltze  interessiert,  sollte  die  Aufsiclit  iilicr  den  Börsenverkehr 
ausüben.  Bui  einer  derartig  verfehiteu  iiliurichtung  war  es  nun 
nicht  merkwürdig,  data  die  Regienmg  ihrerseiü^  wieder  dem 
Vorstande  nicht  traute  und  die  Börse  diurch  die  Polizei  iiber- 
wacheD  liefe.  Eb  ist  mehr  ab  dniiial  vorgekommeD,  dah  die 
überwachende  Polisei  wegeo  ▼ermuteter  Geaetzeirerietiuiig  die 
ganae  BttmaverBainmlung  verbafiet  und  gefeeselt  ahgefilhrt  hat, 
namentlich  auf  der  BeiaMne. 

Der  Verkehr  an  der  Börse  beruht  auf  der  aus  Amerika 
übernommenen  Einrielitunf]^  des  „ciillin^  stoeks".  Die  Absehlüsse 
erfolgen  fast  ausscblielslich  i>er  ultimo  und  zwar  auf  die  drei 
nächsten  Monatsschlüsse'.  Auf  erhöhter  Tribüne  sitzt  ein  \'or- 
standsmitglied;  i-echts  und  links  von  ihm  hocken  zwei  Börsen- 
aeikretäre.  Vor  der  TribOne  in  dem  fiflneoflaal  drängen  aksh 
die  Makler.  Ein  Beamter  der  Börse  ruft  den  Namen  des  au 
handebden  Wertpapic  res  auf  und  den  An&ngskurs.  Erfolgen 
zu  diesem  keine  Abschlüsse,  so  geht  er  je  nach  der  Lage  herauf 
oder  herunter  nnt  dem  Kurs.  Wer  zu  dem  ausgerufenen  Kurs 
kauten  oder  v«  rkmifm  will,  rutt  die  Zahl  der  Stücke,  die  er 
giebt  oder  nimmt,  Li  in  anderer  Makler  in  die  Hände  klatscht 
als  Zeichen  der  Annalime  der  Offerte.  Die  Börsensekretäre 
notieren  Zahl  der  Stücke  und  Namen  der  Makler  (thatsachlich 
nur  ein  abcpekttrstes  Zeichen)  fUr  jeden  Abschluls  auf  einem 
boBonderen  Blatte  des  Protokolls.  Jeder  Kqfb,  zu  dem  ein  Ab- 
schlufs  erfolgt  tst,  wird  sofort  von  Dienern  mit  groisen  Zeidten 
auf  eine  lange  schwarze  Tafel  geschrieben  und  diese  an  der 
Wand  des  Saales  auf^eliHngt,  sf)  rlnf^  ein  Rliek  sofort  alle  vor- 
gekommenen Kurse  zeigt.  Ist  in  dem  EÜ'^kt  weni|(  Verkehr,  so 
vollzieht  sich  das  ganz  gemächlieli.  Kommt  man  aber  zu  den 
eigentlichen  Spekulationspapieren,  so  wird,  namentlich  wenn  die 
Kurse  stark  schwanken,  die  Scene  bewegter.  Joder  Makler 
sucht  sich  dicht  an  die  Tribüne  lu  drüngen  und  die  anderen  au 
tiberschreien.  Die  Abschlttsse  folgen  einander  so  rasdi,  dafs 
man  kaum  begreift*  wie  die  Sekretäre  folgen  können.  Doch 
sollen  Irrtümer  selten  sein.  Das  Geschrei  und  Gedränge  ist 
derart,  dafs  man  an  eine  Prügelei  glauben  würde,  wenn  nicht 
dio  f^leiehgiiltif^e  IVIiene  des  Vorsitzenden  und  der  Polizisten 
wäre.  Zu  Zeiten  ist  es  allerdin^^  schon  vorgekommen,  dafs  aller 
Verkehr  unmöglich  und  die  Börse  geschlossen  wurde.  Erfolgen 
zum  nächsten  Ultimo  in  dem  betreffenden  Papier  keine  Ab- 
schlüsse mehr,  kommt  der  übernächste,  dann  der  dritte  Ultimo 
an  die  Reihe.  Ist  die  ganze  Liste  verlesen,  so  lOst  sich  der 
Knäuel  erschöpft  auf  und  die  Makler  vergleichen  ihre  Notiaen 


^  Das  Oesetss  von  1874  kannte  auch  einen  Medio. 


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X  4. 


283 


mit  dem  Protokoll  der  Bor^ensekretÄre.  Inzwischen  laufen  die 
Teh^e^amme  von  den  anderen  Börsen  über  die  dortigon  Kurse 
ein  und  nach  einer  Stunde  folgt  die  zweite  Verlesung,  gegen 
Mittag  die  dritte.  Die  wichtigsten  Abschlüsse  pflegen  in  der 
zweiten  Verlesung  zu  erfolgen.  Um  eine  gewisse  Garantie  dafür 
wa  mhaikta,  dals  die  Tennin-Abechlüsse  wirklich  em  emsthaites 
GeflchUft  vermittelii  aollen,  mnis  nach  Sdilds  der  BOney  in 
Tokyo  bis  vier  Ubr  nachmittagB,  ein  Angeld  im  Bweau  der 
Börse  hinterlegt  werden.  Das  6öi:scngefletz  bestimmt,  dals  es 
mindestens  ö  Prozent  des  Preises  sein  sollen.  Das  Börsenstatut 
in  Tokyo  verlangt  sogar  15  Prozent.  Das  liat  mm.  wie  die 
Ertahrung  gezeigt  hat,  das  DifFerenzspicl  nicht  verhindert.  Aber 
es  ist  wohl  die  Ursache  dafür,  dal's  di<'  «-inzelnen  Abschlüjsae 
über  eine  merkwürdig  geringe  Stückzaiil  lauten,  meist  nur  2 — 4 
Stttck.  Die  Vennntnng  liegt  nahe,  dals  die  Makler  tbatsächlich 
eine  grOfsere  StUckzablumsetseny  als  sie  angeben,  and  so  aneh 
Bl^engebuhr  und  Steuer  vermeiden.  Die  bei  demselben  Makler 
eingehenden  Aufträge,  zu  kaufen  und  xa  verkaufen,  kann  er  ja 
ohnehin  ohne  Benützung  der  Börse  ausgucken  bis  auf  me 
Differenz. 

Neben  dem  Teriningeschäft  sind  die  meisten  andern  bei  uns 
ühlidien  Börsengesciiälte,  namentlich  das  Pi  iiinit  ngeijchnft  nicht 
bekannt  Dals  ein  Makler  in  die  \'cruüiclituüg  eines  anderen 
eintritt^  wird  als  besonderes  Börsengescnäft  nicht  angesehen  (ist 
daher  auch  steueHiei).  Vom  Report-  und  Deportgeschäft 
scheinen  wenigstens  Anftnge  vorhanden  zu  sein. 

Auf  Grund  des  Gesetzes  von  1878  wurden  die  Börsen  von 
Tokyo  und  Osaka  rekonstruiert  und  im  Sommer  (1.  .Tuni  und 
15.  August)  1S78  neu  eröffnet.  Daneben  wurde  am  1:^.  Februar 
1H7!>  (Nr.  S)  die  Errichtung  einer  Börse  nur  für  Kauf  und  Ver- 
kaut von  Mexikanischen  Dollars  in  Yokohama  gestattet.  Gleich- 
zeitig mit  den  beiden  andern  Börsen  wurden  aueh  für  diese  am 
22.  September  1879  (Nr.  38)  Geschäfte  in  Paniergeld  gestattet 
Das  bereiis  erwtthnte  Geseta  20  vom  15.  Apnl  1880  stellte  die 
BOrae  von  Yokohama  den  bdden  anderen  ganz  gleich.  In 
Kobe  hat  eine  Effektenbörse  nur  ganz  kurze  Zeit  bestanden. 
(1884/85).  ^Veitere  derartige  Anstalten  sind  1885  in  Kyoto, 
1886  in  Nagoya  errichtet. 

Oas  Knpitil  der  Börscngesellschafkcn,  anfangs  je  200000  Yen. 
hat  dicöe  Höiie  nur  mehr  in  Tokyo.  Bei  den  vier  anderen 
Börsen  betrügt  es  100000  Yen.  Über  die  Lage  der  einzelüeii 
GleMÜschaftoi  im  Jahre  1887  veigleiche  die  umstehende 
Tabelle^  welche  auch  die  Summen  fUr  das  schlechteste  und  fttr 
das  beste  frohere  Jahr  enthalt. 


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284  X  4 


Japanische  Eftektcnbürscngetjellschaften  1887. 


Ort 

•O 

— -i^ 

Kapital 
Yen 

t 

O  c  ^ 

«  .C  >H 

Wh 

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a 

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£  in 

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a 

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Dividende 
Prozent 

1 

2 

•  » 

4 

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7 

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Kyoto  .... 

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26 

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Vokohama .   .  . 

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7  i?*  ""' 

Bei  den  5  üöraeii 

löb7  zuBammen 

•214  o.V„> 

;iU)4<;4 

4:iit 

1884  bei  4  Bötmo 

171 

115  096 

um 

7<»  1J7 

1882  bei  3  Bönen 

V 

81000 

? 

? 

868277 

66,t 

Die  Bekonstraktion  der  BOnen  fiel  suaanunen  mit  dem 
B^nn  der  Agiota^.    Nun  war  allerdings  das  Dififerensspid 

auf  die  Börsen  nicht  beschränkt.  Aber  hier  trat  es  zahlen- 
mäfsig  erfaßbar  zu  Tagr.  Neben  dem  Papiergelde  eingriff  die 
Spekulation  auch  andere  Effekten.  Wie  auf  europäischen  Börsen 
die  Spekulation  ganz  bestimmte  einzelne  Papiere  sich  heraussucht, 
80  wurde  auch  in  Japan  ein  leitendes  ^[»ekulation.setlekt  ein- 
geführt, die  sieben  prozentl  osen  Rentenabln.snngsscheiiie.  Von  ver- 
schiedenen Staatöpapiereu  waren  diese  aui  zahh'eichsten  vorhanden, 
für  gut  108  Millionen  Yen,  mehr  ab  die  Hdfte  aller  veninslichflii 
StaateschuldBoheitte.  Außerdem  war  dieses  Papier  von  Tom- 
herein  in  schwachen  Händen,  welche  sich  vidfiMm  dieser  Scheine 
rasch  entledigten.  In  allen  anderen  Stnatspapieren  wie  in  Aktien 
waren  lange  Zeit  die  T'msätze  ganz  unbedeutend,  in  Tokyo  bis 
is^o  nur  1—2  Prozent  aller  Umsätze,  in  Osaka  l^TO  RO  etwas 
bedeutender,  aber  von  85  kaum  erwähnenswert,  ebenso 

in  Yokohama,  In  Papiergeld  und  7prozentigen  Renten.scheinen 
dagegen  waren  die  Umsätze  bald  gauz  auiserord entlieh  hoch, 
womt  man  bedenken  mnla^  dafs  die  wiiUich  abgeschloasenai 
Gesehfifte  erheblich  grölser  gewesen  sdn  werden  als  die  an  den 
Börsen  yerzeichneten.  Dabei  Uber  wogen  in  Tokyo  stets  die 
Abschlüsse  in  Rentonscheinen,  in  Yokohama  die  in  Papier, 
während  in  Osaka  nur  1882  und  1883  die  Valutigeschäfte 
den  Hauptplatz  einnahmen.  Die  Zahlen  würden  noch  f^jölser 
sein,  wenn  nicht  die  Börsen  niehrfad»  zeitweise  geschlossen  ge- 
wesen wären  oder  nicht,  wie  in  Vokoliama  1883  84,  die  Makler 


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X  4. 


285 


wegen  der  hohen  Börsensteuer  den  Geschttfbbetrieb  auf  der 
Börse  eingestellt  gehabt  hätten.  Die  Umsätze  an  den  BOnen 
entwickelten  sich  in  den  bits  1885  vorwiegenden  GeschAften  in 
Millionen  Yen  folgendermalsen : 

Tokyo  Osaka  Yokohama 

7*^'oige  Renten-  Gold-  und  T"*  oige  Heuten-  Gold-und  7°  uige  Renten-  Gold- und 


Bcheine 

Silbergeld 

echeine 

Silbergeld 

scheine 

Silbergeld 

1879  89 

21 

25 

12 

167 

1880  196 

34 

22 

47 

8 

80 

1881  218 

107 

1 

379 

1882  68 

1 

61 

207 

467 

1888  54 

0 

24 

72 

184 

1884  25 

15 

0 

1885  18 

4 

9 

1 

0 

2 

1886  17 

25 

0 

1887  0 

1 

0 

AU  Höhepunkt  der  Spekulation  treten  deutlich  die  Jahre 
1880 — 82  hervor.  Wie  sehr  die  Umsätze  in  Rentenschein en 
spekulativer  Natur  waren,  zeigen  namentlich  die  Zahlen  der 
Börse  in  Tokyo.  Besonders  auffällig  ist  der  Rückgang  in  den 
letzten  Jahren:  1887  nur  mehr  160000  Yen.  i^twas  mag  dazu 
die  1887  begonnene  Konvertierung  der  Staatsschuld,  welche 
made  dieses  Papier  zuerst  in  Angriff  nabm,  beigetragen  haben. 
Die  Hauptsache  ist  aber,  dars  die  Spekulanten  etwas  viel  Inter- 
essanteres als  die  doch  nur  in  mäfsigen  Grenzen  schwankenden 
Staatspapiere  gefunden  haben,  das  Aktienwesen.  Wie  seit  1886 
die  Gründung  von  Aktiengesellsrhaften  in  Flor  kam,  so  auch 
die  Spekulation  in  den  neuen  Eft'ekten. 

Die  Umsätze  in  Aktien  betrugen  in  Millionen  Yen  an  den 
einzelnen  Börsen: 


Tokyo 

Ußaka 

Yokohama 

Kyoto 

1884 

6,0 

0,0 

0,0 
0,0 

1885 

3,6 

0,0 

0,0 

1886 

39,4 

0.. 

3,0 

1887 

72,0 

36,t 

1,' 

18,v 

0,0 
2,1 

Mit  der  Zunahme  in  den  letzten  beiden  Jaiiren  vergleiche 
man  oben  die  Abnahme  bei  den  Bentensdieinfln.  Der  rein 
spektdative  Cbarskter  dieser  Börsenapecztionen  wird  dadurch 
klar  werden.  An  allen  Btaen  zusammengenommen  wurden  in 
Millionen  Yen  umgesetzt: 

7^/oige  Rentenscheine 
Andere  »Staatspapiere 

Banknictif  n 
Andere  Aktien 
Silber-  und  (joidmünzen 


1882 

1887 

129,6 

1,0 

0,0 

0,2 

0.1 

5,3 

0,6 

125,7 

«>74,2 

804,5 

132,1 

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236 


X  4. 


Die  völlige  Umwandlung  des  Hörsenverkehrd  in  den  letzte 
Jahren  kann  wohl  nielit  deutlicher  gezeigt  werden. 

Die  liörsengesell. sc  hatten  liaben  aus  den  Gebühren  vom 
Börbenverkehr  ganz  unmaibi^c  Einnahmen  gehabt,  im  Jahre 
1887  aUem  524516  Yen,  während  die  Äiugaben  214052  Yen 
betragen,  da^on  allein  in  Tolqro  136845  Yen^  Der  Rein- 
gewinn betrug  mithin  310464  Yen,  52  FhKBent  des  Kapitals  der 
Gesellschafkoj  während  der  Staat  aus  der  Steaer  1887/88  nur 
97757  Yen  einnahm.   Die  verteilte  Dividende  war 


in  Tokyo 

-  Osaka 

-  Yolcohama 

-  Kyoto 

-  Nagoya 


1887 
77,s  Prosent 
45 
25,6 

26 

7,2  - 


fttthece  höchste 
1886  Dividende 

55   Prozent   85  Plrosent  (1881) 
15       •        77      -  (1882) 
6,B     -      110      -  (1882) 

9,6  - 

1,»  . 


In  den  neun  Jahren  big  1887 

liaben  an  Dividende 
verteilt 

Tokyo         277,6  Prozent 
Osaka  2d3,s 
Yokohama  354 


und  hatten  lHül  einen 
Beservefonds  von 

40000  Yen 
17900  - 


Die  hOcheten  Reingewinne  früherer  Jahre  finden  wir  1881 
mit  311710  Yen  und  1882  mit  368277  Yen.  Von  1879  bis 
1887  Bind  mehr  ab  Vk  Millionen  Yen  an  Dividenden  an  die 
BOrsengesellschaften  vei  tcilt,  man  darf  sagen  itlr  ao  gut  wie 

keine  Gegenleistung,  eine  Besteuerung  des  Verkehrs  zu  Gunsten 
der  Aktionäre-.  Die  Aktien  der  Börsengesellschatten  s'md  denn 
auch  gesuchte  Papiere  geworden  und  liegen  überwiegend  in 
einHufsreichen  H;tnden.  Der  Kurs  der  Aktien  der  Tokyo- Börse 
z,  B.  war  lÖ7ü  durciibciimtdich  24G,  1881  fast  200,  von  1882 
bis  1885  hielt  er  wAi  zwieohen  170  und  190,  stie^  1886  auf 
341  und  war  1887  trotz  der  ungeheuren  Dividende  nur  302 
wegen  der  drohenden  ßOraenreform  und  dea  hevoretehenden 


*  Die  Ausgaben  werden  veranlafst  durch  das  Heer  von  Sekretären, 
Reehnunffsbeamtea  u.  s.  w.  IMe  scheuneuartigen  Baracken,  welche  als 
Börsengeoäude  benutit  werden,  kSunen  giofse  Atugaben  nicht  ver> 
anlaswen, 

*  Auch  1HS8  und  1889  haben  bei  der  fortdauernden  Spekuiutiou  in 
Aktien  nach  den  Notiaen  der  Handelsseittiiigen  grofse  Dividendeii  ge> 
bracht,  nämlich  für 

Tokyo  62 '»/o,  C;J% 

Osaka    -       48%     -  UVo. 

Danach  sind  also  in  elf  Jahren  in  Tokyo  392,&,  in  Osaka  325,s  Prozent 
Dividende  vnrtcilt.  im  jährlichen  Diucnschnitt  also  in  Tokyo  rast  Sd,  in 
Osaka  fast  liü  Prozent. 


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X  4. 


237 


Ablaufs  der  zweiten  Konoeesionsperiode  ^ .  Bis  1882  lag  wenigstens 
die  B^lrsonstener  -  mif  der  Einnahme*  der  Börsen 2:p^<ellschaflen 
(ein  Zehntel;,  ilnde  1882  war  der  Kiniluls  der  Aktionäre  so 
^ols,  dafs  bei  der  beabsichtigten  Kriiöhung  der  Steuer  diese 
ganz  auf  die  Makler  gewalzt  wuide,  während  die  Aktionäre 
alier  Steaer  ledig  wurden. 

£me  Beform  der  ganz  unbefriedigenden  BörMosostftnde 
nSro  fermdl  leicht  zu  ennOglichen  gewesen,  da  alle  Börsen  nur 
auf  5  Jahre  koncessioniert  find.  Was  man  an  ihre  Stelle  setsen 
sollte,  war  freilich  schwer  zu  sagen.  Dies  und  das  Interesse 
der  Aktionäre  wirkten  zusammen,  dnfs  nach  Ablnuf  der  ersten 
Periode  1882  83  lle  Ivoncessionen  ohne  weiteres  erneuert  wurden, 
l^och  188i>  wurde  eine  neue  Börse  für  Nagoya  zugelassen. 
Schliefslich  wurde  aber  doch  beschlosöen  eine  gründliche  Relbrm 
der  Börse  ▼orzonehmen.  Gesetz  11  vom  14.  Mai  1887  enthielt 
eine  Nenre^ung  des  gesamten  BOrsenweeens.  Das  nicht  ge- 
lade  geschickt  gefafste  Gesetz  erregte  einen  Sturm  der  fiSt- 
rUstimg  hd  den  Aktionllren  der  bestehenden  Blirsen,  welche  aus 
der  einmaligen  Erneuerung  der  Koncessionen  einen  Anspruch 
auf  weitere  Verlüngerung  ableiteten.  ist  bezeichnend,  dafs 
ohne  eine  cinzii^^e  Ausnahme  die  Presse  dif>  Partei  der  Aktionäre 
nalim  und  dals  im  September  1888  besL'hlosscTi  ^v^^(^  .  das  neue 
GeöcLz  aoile  nicht  in  Krait  treten.  Siimtiiciie  lioröenpriviicgien 
Warden  bis  1891  verlängert  und  inswisehen  soll  eine  neue 
Begehug  studiert  werden.  War  es  auch  nicht  water  schade  um 
das  neue  Gesetz,  in  welchem  man  sich  um  einige  der  wichtigsten 
Dinge  ganz  herumgedrückt  hatte^  so  zeigt  der  Vorgang  doch 
eine  beklagenswerte  Schwäche  der  Regierung  gegenüber  den 
Interessen  der  neuen  Geldmäcbte,  die  auch  sonst  vielfEMsh  her- 
vortritt. 

Die  l»*  absichtigte  Reform  öoU  nicht  nur  die  Fvffekten-  sondern 
auch  die  Keisbörtse  (Beisho-gwaisho)  treilen.  Der  Reisliandel 
hat  in  Japan  hd  seiner  Wichtigkeit  stets  unter  Aufincht  ge- 
standen. Es  seheint,  als  ob  die  unter  Leitung  der  Beudiändler- 
gildflii  in  Osaka  gehaltenen  regelmäfsigen  Versteigierttngen  bereits 

*  Am  1').  April  war  der  Kurs  noch  405,  am  15.  Juii  2,^6,  am  Ende 
des  Jahres  t.>>0,  im  Mai  188U  wieder  Uber  :^0.  —  Überhaapt  schwankt 
der  Kurs  der  Börseoaktien  aurserordentlich.  £r  war  am 

30.  JuU  1885  l'f) 

15.  Juni  1886  425 

29.  November  1886  ,332 
15.  März  1887  405 

15.  Juli  1887  2:^ 

30.  Mai  1888  306 

16.  Juli  1888  270 
15.  April  :M9 
2>^.  Februar  1S9(I  2Ai\ 

*  Vgl.  über  diese  unten  im  dritten  Bache  Kap.  4,  Xlll. 


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238 


einen  bOnenartigen  Chankter  getragen  hätten^.  Als  in  der 

Revolution  die  alte  Organisation  zu  Grunde  ging,  scheint  das 
BedOrfuB  nach  einer  R^elung  des  Rdehandels  dringend  fUhlbar 

geworden  zu  sein.  Sclion  cm  Erlai's  vom  2.  des  G.  Xfonats  186*» 
verspricht  eine  solche.  Gegen  Aufkfinten  von  Reis  und  Termin- 
geschäfte in  Produkten  sind  in  den  ersten  Jahren  der  neuen 
Ordnung  eine  ganze  Reihe  von  Verboten  ergangen.  Schon  der 
Krlafs  138  vom  Dezember  1874  scheint  sich  auf  die  beabsichtigte 
Einrichttmg  von  Rebbönen  su  beeteben.  Doch  erfoU;te  die 
Regelung  erat  durch  Nr.  105  vom  1.  Augiut  1876.  Za  dem 
ziemlich  kuraen  Gesetz  gehört  eine  lange  Ausführungsverordnung 
dea  Ministers  des  Innern  (Nr.  20  vom  gleichen  Datam).  Die 
wesentlichen  7Jvjq  dor  Einrichtung  sind  die  ^deichen  wie  in  den\ 
Opspt7e  von  1S7^  iiber  die  Effektenbörse.  Das  Kapital  soll 
mindestens  3UUUÜ  Yen  betra^^en.  Die  Vorstandsuiit^lirdcr 
mtissen  mind^tens  je  10  Aktien  besitzen.  Die  vom  Vorsüiiide 
zuzulassenden  Makler  sollen  mindestens  100  ien  als  Sicherheit 
hinterlegen.  Die  Gebühr  der  BOrsengeseUschaft  betrogt  nicht 
Uber  ein  Prosent  des  FreiaeB.  Die  Ueaefaftfte  lind^  wie  dort, 
sofort  AM  eri\illende  oder  Termingeachilfle  auf  einen  der  nächsten 
drei  MonatsscblUsse.  Betont  wird,  es  mUsse  wirkliche  Liefening 
erfolgen  !  also  Verbot  des  Differenzspiels) ;  docli  kann  ein  Makler 
seine  \'erpfln  litungen  aut  einen  anderen  übertragen  oder  den 
verkauften  Reis  zurückkaufen.  Ahwt  irlu-nd  ist,  dafs  der  Makler 
zwar  Geschäfte  in  eigenem  Namen  al)sciüieföen  darf,  aber  auch 
in  fremdem  Namen,  der  dann  anzugeben  ist,  abschliefsen  k^um. 
Daa  nach  AbschlnlB  bei  der  Börse  au  hinterlcigende  Angeld  soll 
mtndeatens  ein  Zehntel  des  Preiaes  betragen. 

Die  Oeschitfte  vollziehen  sich  in  lUinlicber  Weise  wie  an 
der  EffektenbttrBe ,  indem  der  Preis  ausgerufen  wird  und  die 
Makler  dann  zu  diesem  Preise  abschliefsen.  In  Tokyo  wird 
auf  diese  Weise  nur  eine  .Sorte  Reis  gehandelt,  Bushu  (oder 
Musashi,  die  Provinz,  in  welcher  Tokyo  lie»rt)  mittlerer  Qualität 
Wird  eine  andere  Sorte  oder  Qualitiit  geliefert,  so  wird  der  ent- 
sprechende Preis  auf  Grund  jenes  Börsenpreises  nach  bestimmten 
von  der  BOrsenverwaltung  featgesetzten  VerhültnisBahlen  be- 
rechnet«  Auf  den  anderen  BOFsen  soll  ea  ähnlksh  aein. 

Die  Lage  der  Reisbörsen  im  Jahre  1887  aeigt  die  folgende 
Tabelle.  Nächst  1884  war  dieses  das  ungünstigste  Geschäft»- 
faltr,  Zum  Vergleich  sind  die  firgebnisae  des  besten  Jahres, 
iöiü,  beigefügt 

*  Über  die  Ori^lMiion  des  fielshandels  la  früherer  Zeit  habe  ich 
trotz  vieler  Erkuiuhgungen  imtnnr  nur  sehr  unbootimmte  lückeuhafte 
Auskauft  erlialtcn,  abgesehen  vou  einigen  uligeineiii  bekannten  That- 
■sehen. 


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X  4. 


239 


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240 


Nach  Erials  des  BörsoTigesetzes  wurden  14  Reiabörsi  n  i^^e- 
gründet,  davon  zwei  in  1  Okyo,  welche  seit  1883  verschmolzen 
sind.  Im  Jahre  1887  wan  n  es  16,  die  drei  bedeutendsten  sind 
die  von  Tokyo,  Osaka  und  Akamagaseki  (Shimonoseki).  Die 
durch  ne  Teniuttelteii  Umsätae  waren  in  Millknien  Koka 


HUI  aiieu  ixjrscii 

X  UK  j  U 

/itjt  iiuiasiisciu 

1079 

OA 

7,8 

IQ  f  O 

Ol, 4 

14,4 

1879 

115,7 

40,1 

23,6 

9,7 

1880 

38.8 

16,2 

6,0 

2 

1881 

19,8 

8fO 

1882 

25,6 

6,8 

5,. 

0,9 

1883 

11,7 

2,« 

2.1 

0,t 

1884 

11,7 

2,9 

2,7 

1.» 

1885 

11,8 

3,8 

0,. 

1886 

18,4 

5,9 

3,. 

1887 

10,8 

2.» 

2,1 

l,t 

1888 

10,« 

2,1 

2^ 

1,. 

Üuä  Verhältnis  der  Einnahmen  zu  den  Au^aben  war  im 

aUgemcinmi  ^  angemesseneres  ak  bei  den  EffisktenbOnen, 
1887  :  228836  Yen  Eamahmen  bei  183848  Yen  Auigaben, 
allerdings  im  Jahre  1879  :  708045  Yen  Einnahmeii  gegen 
441 922  Yen  Ausgaben. 

Seit  Nachlassen  der  p-ofsen  Reisspckiilation  infolge  der 
Apn'oTage  sind  die  Oowinue  der  Börsengesellschaften  im  all- 
gemeinen mäfsig  gewesen.  Die  meisten  kleinen  Börsen  geben 
nur  geringe  Dividenden.  An  den  gröfserc  n  liörsen  sind  aller- 
dings die  Dividenden  recht  bedeutend,  wenn  auch  nicht  ganz  so 
unmilsig  wie  bd  den  Eflfokteoböieen.  Der  Gewinn  wir  anf 
100  des  Kapitals 


in  Tokyo  Osaka  Akamagaseki 
(Sakigaraebo) 

1878  36  15  7 

1^^79  71  3(1,51  15,8 

lb8U  47,6  10,..5  4fO 

1881  19  9,46  — 

1882  .M,57  31,79  6,58 

1883  19,15  9,64  9,78 

1884  10,04  10,iT  15,87 

1885  17,57  9,01  13,*8 

1886  34,88  Dividende  18,»i  Dividende  23,8«  Dividende 

1887  8,88  7,5  14,51  11,86        14,56  13,5 

1888  7,41  5  8,08  8       17,7       15,5  > 


*  l^iach  den  Notisen  der  Han«lrl  ^«'itun^^on  war  die  Dividende  in 

Tokyo    l).-aka  AkaiiiagaBeki 
1889      2tJ,%  l!»..-. 
Im  letzff^enannteii  .Talir»'  war  die  Uöhi'  der  Dividendfn  tr^üz  der  un- 
geheuren Hausaeepekuiauon  iu  der  zweiten  H&lfte  den  Jahres  zuzu- 


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241 


Der  Gewinn  alJer  Börsen  von  1877  bis  1887  beträgt  zu- 
sammen rund  1()70000  Yen,  also  im  Jahresdurchschnitt  beinahe 
100  000  Yen  auf  ein  Kapital  von  500000—600000  Yen. 

Den  Rückgang  der  Umaätie  auf  den  Btaen  illustriert  auch 
die  Vennindening  in  der  Zahl  der  Hakler,  die  tod  1501  im 
Jahre  1879  bis  1887  auf  283  zurückgegangen  ist  Über  Reis- 
preise und  Verwandtes  ist  unten  in  den  Abschnitten  tlber  Land- 
wirtschaft und  Grundsteuer  weiteres  au  finden« 


Viertes  Kapitel 

Die  Verkehrsmittel. 

Das  Verkehrswesen  des  alten  Japan  war  wenig  entwickelt. 
Aus  politischen  wie  wirtschaftlichen  Gründen  fand  ein  erheblicher 
Warenvf  t  kf  hr  zwischen  den  einzelnen  Landesteilen  nicht  statt. 
Im  Binnenlunde  verbot  er  sich  schon  durcii  die  hohen  Trans- 
portkosten, denn  meist  vollzog  er  sich  auf  dem  Rücken  von 
racktieren  oder  yon  Menschen.  Kur  in  der  Ebene  gab  es  Last' 
karren,  aber  auch  diese  nur  in  geringer  Zahl  Übefdies  war 
der  Landverkehr  an  bestimmte  Strafsen  gebunden  und  der 
Warenzug  mehr  nach  politischen  als  verkehrstechnischen  Gründen 
L'^regelt.  Der  Seeverkehr  war  an  die  l?m;c:sfnnon  einheimischen 
JSchitfe  gebunden,  die  vor  der  Ankunft  der  Fr(  luden  eine  gewisse 
Gröfse  nicht  überschreiten  durften.  Entwickelter  war  der 
Personenverkehr,  gefördert  durch  die  Hofreisen  der  Landesfüi-sten 
und  Beamten  von  und  nach  Yedo,  wie  durch  die  allgemeine 
Sitte  der  Wallfahrten  nach  berühmten  Tempeln  und  Bergen. 
Alles,  was  sich  hierauf  bezog,  war  eingehend  geregelt,  Pafsweeen 
und  Straisenpolizeiy  Wirtshäuser  und  fiordelle,  Stellung  von 
Trägem  und  Ordnung  der  Fähren  n.  s.  w.  Für  den  Nach- 
richten verkehr  hatte  die  Regierung  einen  Kurierdienst  entlang 
den  Hanptätrafaenzügen,  der  schon  zur  Zeit  der  EinlUhrung 
chinesischer  Einrichtungen  durch  Kotoku  Tenno  (Mitte  des  7. 
Jahrh.)  nach  chine^iiücheni  Muster  organisiert  war.  Später  in 
VerMl  geraten,  ist  diese  Staatspost  schon  von  den  Vorgängern 
der  Tokugawas  Nobunuga  und  Hidejoshi  wiederhergestellt 
worden.   I)ie  Daimyos  hatten  ihren  eigenen  Kurierdienst.  Fttr 


schteiheo.  F8r  das  zweite  Bemetter  betrag      INvidoide  pro  anno  nMm- 

lich  in  Tokyo  40,  in  Osaka  HO.  in  Akamagaseki  39  Prozent.  —  Die 
Aktien  der  HeiRbörse  in  Osaka  standen  beiapielsweiBe  im  Durcbschoitt 

des  Jahres  l-sTj  aui  '.^Ü,  lö«7  auf  1«^. 

Fondrangen  (45)  X  4.  —  Rsthgen.  16 


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242 


Pri^eute  wurde  bald  nach  1615  auf  dem  Tokaido  von  Tedo 

nach  Kyoto  und  Osaka  eine  monatHch  dreimalige  Briefbeatellimg 
durcli  eine  halbstaatliche  Anstalt  eingeführt  (Tokaido  sando 
hikyaku).  Um  l<i70  gründeten  dio  Kauflciite  von  Yedo  und 
Kyoto  eine  eigene  Botenanstalt  i  Shoninmachi  hikyaku)  ziemlich 
primitiver  Natur  —  die  Briete  wurden  an  bestimintcn  Strafsen- 
ecken  niedergelegt,  wo  der  Adressat  sie  sich  holte  und  wohin 
auch  die  zu  befördernden  Briefe  gelegt  wurden.  In  diesem 
JiArhundert  beforderte  die  Anstalt  auch  Gddaendnngen.  Wie 
weit  sokshe  Botenanstalten  anderwärts  verbreitet,  waren,  ist  nicht 
klu*^.  Die  politischen  und  wirtschafUtehen  Änderungen  der 
Neuzeit  haben  eine  aufserordentliche  Umwälzung  auf  diesen  Ge- 
bietcn  des  wirtschaftlichen  Lebens  hen'orgebracht.  Die  hoch- 
entwickelte Technik  dos  Westens,  der  man  sich  plötzlich  gegen- 
übersali,  beeilte  man  sich  nachzujihmen  und  einzuiühren,  ohne 
dafs  man  sich  immer  über  die  wirtschaftlichen  Voraussetzungen 
eanz  klar  gewesen  wäre.  Gleich  in  den  ersten  Jahren  folgte 
dem  WegiaU  der  alten  Verkehrsbeschrünkungen  die  Einricbtimg 
der  Post,  der  Bau  von  Telegraphen  und  der  ersten  kuraen 
Eisenbahnlinien.  Langsamer  erwachte  das  rechte  Verständnis 
für  Hebung  des  inländische  Wegewesens.  Bei  der  insularen 
Lage  des  Landes  war  es  naturgemäls,  dafs  man  d'T  Srliiffahii: 
besondere  Autnu  rksamkeit  zuwendete  durch  l^x  toimung  und 
Beleuchtung  der  Küste,  (hirch  Förderung  der  Eiiituhrung  fremd- 
gebauter Schiffe,  (jJründung  von  Schiffahrtsgeselkchafteu  mit 
ötaatshUlfe,  durch  Ftlrsoree  für  Erziehung  und  Prüfung  von 
einheimischen  OfBsieran  und  Maschinisten  fUr  die  fremden  l^hiffis. 
Wie  diese  Dinge  sich  im  einzelnen  entwickelt  haben,  soll  im 
Folgenden  kura  dargestellt  werden. 

Was  Bau  und  Unterhalt  der  binnenländischen 
Verkeil rsstrafHcn  betriflFfc,  so  sind  die.se.  gonolil  Limdstralsen 
uh  Wa ssprwoi,'p,  in  erster  Linie  von  den  koummnalen  Kür|>er- 
ßi  li  iilen,  iiezirk  und  Gemeinde,  zu  erhalten.  Nur  t\ir  grül'sere 
und  koätspieligüre  Unternehmungen  giebt  der  JStaat  Subventionen, 
deren  Betrag  von  Jahr  zu  Jahr  sehr  geschwankt  hat  Auch 
die  Bezirke  tiberlassen  den  Wegebaa  tiberwiegend  den  Ge- 
meinden und  geben  je  nach  den  Umstfindmi  dieaen  Subventioneii. 
An&ng  1889  waren  in  Japan  nur  2051  Ri  (rund  8000  km) 
Staatsstralsen  und  6757  Ri  (rund  27000  km)  Bezirksstrafsoi. 
Welche  iStrecko  davon  fahrbar  ist.  wird  in  der  Tabelle  nicht 
^esajü^t.  Dafs  aber  die  Lfinge  der  <  ini<i;^prmars€n  fahrbaren 
Stralsen  in  neuerer  Zeit  erheblich  zugenommen  hat,  ist  cnne 
Thatsache,  die  sieh  dem  Reisenden  ebenso  bemerklich  macht 
wie  die  Zunahme  der  Brucken.  Dafs  dabei  techuisch  viel  ver- 
sehen wird,  dafs  neue  Böschungen  mit  Vorliebe  abrutschen,  dals 


*  Obige  Notizen  hat  Herr  bhisuka  für  mich  aus  dem  amtÜchen 
Werke  Eilutei  Shiko  (das  Postwesen)  ausgesogen. 


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243 


die  Wt  ;^'(  oft  in  schauderhaftem  Zustande  sind,  das  ist  allerdings 
gleich lalls  nicht  zu  leugnen. 

Für  die  acht  Finanzjahre  1879  bis  1887  ist  eine  Zusammen- 
steUung  des  gesamten  Geldaufwandes  filr  öfeidicfae  Banten  an 
Flttssen^  Wegen,  Brucken^  Häfen,  Deichen,  Waaserleitangen  n.s,  w. 
veröffentlicht.   Danach  sind  verwendet: 

für  Flüsse        flir  Wege      fSr  Brucken  Uberhaupt 

1879/80  1  978960  Yen  1 451 082  Yen  573907  Yen  6 III  846  Yen 

1880  81  30S0405  -  ir.22G96  -  673500    -   5708877  - 

1881  82  2500323  -  2253  781  -  782507  -  8030277  - 
18^2  83  3669936  -  2248646  -  846416  -  9455943  - 
1^^384  3110994  -  3090526  -  780226  -  9250069  - 
ib.s4  85  3220UO3  -  2625749  -  797  586  -  OIOHQOO  - 
18sr,  8(;  4240916  -  2741978  -  968  520.-  10182136  - 
(9  Monate) 

1886/87  3  523769  -  3255686  •  912320  -  10208214  - 

In  wie  ausgedehntem  Malse  beim  Wegebau  Arbeit  der  Ge- 
meindemitglieder  verwendet  ist^  Ittlst  sich  nicht  sagen.  That- 
sllchlich  geschieht  ea  in  grolsem  Umfange.  Von  jenen  Oesamt- 
summen wurden,  wenn  man  verschiedene  Deckungsmittel  (wie 
Beiträge  u.  dgl.)  beiseite  iäfsty  getragen 

vom  Staate  von  den  Bezirken  von  denGomelnden 

1879 80  1  471  102  Yen  1338512  Y«i  3211  270  Yen 

188081  2277  595   -  1506865   •  3  570  777  - 

1881/82  338466    -  2866695    -  4498  078  - 

1882  83  739  3:.:j    -  3735  262    -  4659  517  - 

1883  84  1034  957    -  3207  502    -  4  405  986  - 

1884  85  1245215  -  3480446  -  3  798  514  - 
1885/86  2156126  -  3897456  -  3493375  - 
1886/87  1  808736  -  4084154  -  3405112  • 

Die  Anfwendtmgen  fUr  diese  Zwecke  sind,  wie  man  aieht^ 
fUr  japanische  Verhältnisse  recht  erheblich,  rund  9  Prozent  aller 
Staats-)  Bezirks-  und  Gemeindeausgaben  zusammengenommen. 

Für  die  Ausdehnung  des  Netzes  fahrbarer  Wege  und  des 
zunehmenden  Verkehrs  giebt  den  besten  Mafsstab  die  Zunahme 
der  Wai.'cn.  Infolge  der  Wagensteuer  ist  es  möglich,  seit  1875 
die  Zahlen  der  auf  Rädern  ruhenden  Hetorderung.smittel  für  ganz 
Japan  mit  Ausnahme  des  Okinawa-ken  genau  zu  verfolgen.  An 
erster  Stelle  darf  man  das  eigenartige  nationale  Vehikel  nennen, 
die  Jinrikisha,  eine  xweirSdrige  Droschke  ftlr  1—2  Personen 
und  gewöhnlich  von  einem  Mann  gezogen.  Das  Fahraeug,  das  erst 
1871au%ekomnien  sein  soll,  hat  sich  rasch  Uber  das  ganze  Land  und 
neuerdings  nach  den  chinesischen  Häfen  und  bis  Singapore  und 
Ceylon  Terhreitet^   Die  Zahl  der  Jinrikishas  betrug  1875  bereita 


1  AoB  Japan  werden  jährlich  einige  tausend  StUck  auageführt 

16* 


Üigui/eo  by  LiOOgle 


244 


X  4.  * 


tost  114000  .Stück  und  stieg  bis  1880  auf  160000.  Vüd  da  an 
bis  1885  bat  sich  die  Gesamtzahl  kaum  verändert  zwischen 
160  000  und  170  000  gehalten  und  ent  1886  inader  migenoiiimeiL 
Fdr  dM  Wmterbalbiabr  1887/88  wird  die  Zahl  mf  190819 
angaben.  Sie  tina  naturgeiniUs  namentlich  zahlreich  in  Be- 
zirken mit  grol'sen  Städten.  Tokyo  allein  hatte  38998,  Osaka 
(ohne  Nara)  17145.  Verhältnismäfsig  wenige  giebt  es  in  den 
zurückgebliebeneren  Bezirken  des  Nordens  und  Südens.  So 
hatten  damals  wenitror  als  1000  .linrikishas  die  Bezirke  Iwate 
und  Äoniori  sowie  Hokkaido  im  Norden,  Koehi,  Miyazaki  und 
Kagoshiiim  im  .Süden,  aul'serdem  das  gebirgige  Yumanashi.  Die 
Jinrikiaha  haben  übrigens  darchans  nicht  Obenül  gleichmärsig 
Bugenommen.  Jn  einer  Anzahl  von  Bezirken  sind  sie  im  Bttok* 

fiug^  verdittngt  teils  durch  die  Eisenbahn,  teils  durch  mn 
feraen  gezogene  Wagen,  und  erscheinen  so  als  eine  Art  Über^ 
gangsstadium  zu  vollkommeneren  Transportmitteln. 

Der  W.igen  gehört  zuweilen  dem  JinrikishainMnn,  häufi«^er 
einem  Unternehmer,  der  %Helleieht  noch  selbst  die  Karre  zieht 
und  der  die  Steuer  bezalJt.  Der  Jiiiriki.>hamann  entrichtet  ihm 
für  den  Wagen  monatlich  eine  feste  Summe,  ist  auch  oft  in 
Kost  und  Wohnung  bei  dem  Unternehmer  ^ 

Wie  fOr  die  Peraonenbefbrderung  ist  auch  fUr  die  Lasten» 
bewegung  dhr  Handkarren  das  Hauptfahrzeog.  Die  Zahl 
dieser  ist  aber  noch  viel  rascher  gewachsen.  Im  Jahre  1875 
gab  es  ihrer  nicht  viel  mehr  als  Jinrikishas,  nämlich  115680. 
Sclion  1881  waren  sie  doppelt,  Ende  1887  dreimal  so  zahlreich, 
nämlich  575184  Stück.  v\  eniger  als  1000  g  iii  es  zu  dieser 
Zeit  noch  in  Iwate,  Kochi,  Miyazaki  und  Kagosiiima.  Zwischen 
1000  und  3000  gab  es  in  Nagasaki,  Oita,  Shiraane,  Tottori, 
Akit%  Aomori  nnd  Hokkaido,  dagegen  etwas  über  60000  in 
Tokyo  und  fiist  50000  in  Aichi. 

Der  Ochsenkarren  findet  nur  eine  sehr  beschränkte 
Anwendung.  1875  gab  es  1707  Stück,  1887:  6929.  Von 
dieser  Zahl  kamen  auf  Osaka  2085,  Hyogo  2071,  Kagoshima 
678,  Miyazaki  379.  In  neun  Bezirken  war  kein  einziger  ver- 
steuert. 

Die  Verwendung  von  Pferden  zum  a  g  e  n  z  i  e  h  e  n  hat 
neuerdings  ras<.'h  zuM^nommen.  Aber  iiiimcr  handelt  es  sich  noch 
um  recht  kleine  2«a&len.  Von  Pferdoi  gezogene  Lastwagen  und 
Karren  gab  es  1875  erst  45,  1879:  III,  1883  :  4969,  1887: 
14987.  Zur  Personenbeförderung  dient  in  greisen  St  idten  und 
auf  ebenen  Landstrafsen  eine  Art  Omnibus.  Deren  Zahl  war 
1875  :  319,  1879:  1254,  1883:  ^184,  1887:  2215.   Dalk  die 


1  Die  Zahl  der  polisdiich  koDcesdoDierten  Unternehmer  nnd  Kulis 

wird  für  Ende  T^^^T  auf  :N4  angegeben,  wobei  die  Bezirke  Nagasaki 
und  Tokushima  fehlen.  Auf  Tokyo  allein  kummen  davon  83  700,  auf 
Osaka  (ohne  Nara)  15^02,  auf  Kanagawa  11639. 


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X  4. 


245 


Zahl  Mk  nicht  weiter  vmaxhtt,  ist  warn  Teil  dem  Umstände  zu 
danken,  dafo  die  Polixei  diese  lebensgefilhiliclien  Marterinstramente 

schärfer  beaufsichtig^;,  zum  Teil  der  Ausdehnung  der  Eisenbahnen. 
Die  Verbreitung  der  Pferdewagen  ist  noch  ganz  ungleich.  Mehr 
als  1000  hatten  1887  nur  Tokyo,  Kanagawa,  Saitama,  Gumma, 
Ibaraki,  Tochigi,  Fukushiraa  und  Hokkaido,  Keinen  einzigen 
Pferdewagen  hatten  die  ftinf  südlichen  Bezirke  von  Kyushu  (die 
beiden  anderen  dortigen  Bezirke  Oita  nur  110,  Fukuoka  82). 
Auf  Shikoku  gab  es  nur  in  Kochi  Pferdewagen  und  auch  da 
nur  G.  Auf  der  Hanptinsel  sind  sie  an  der  WesdcOste  nnd 
überall  weadidi  von  der  Owaribndit  selten. 

Vergleicht  man,  um  einen  wirklichen  MaÜsstab  fUr  die  Ver- 
kehrsentwickelung  zu  haben,  die  Zahl  aller  auf  Rädern  laufenden 
Fahrzeuge  mit  der  der  Einwohner  und  mit  der  Fläche,  so  finden 
wir,  dafs  1887  in  ganz  Japan  (ohne  Okinawa)  auf  100  Quadrat- 
kilometer 208  Fahrzeuge  kommen,  in  Tokyo  aber  12569,  in 
Osaka  (ohne  Nara)  3148,  in  Aichi  \2h\  in  Kanagawa  1208,  in 
Saitama  838,  in  Kyoto  558,  in  Fukuoka  551,  in  Miye  507, 
dagegen  im  Hokkaiao  4,  in  Iwate  13,  in  Aomori  28,  in  Akita 
39,  in  Shimane  28,  in  Kochi  24,  in  Oita  71,  in  Kagoshnna  23, 
in  Miyazaki  15.  Nicht  ganz  so  grols  sind  die  Gegensätze  beim 
Veivleich  mit  der  Einwohnerzahl.  Auf  1000  Einwohner  kamen 
in  Japan  20,  in  Tokyo  G7,  in  Kfigoshima  2.  Aber  auch  liier 
stehen  die  Bezirke  im  Norden,  W  esten  und  ÖUden  (auagenonuuen 
Fukuoka)  unter  dem  Durchschnitt. 


Der  Bau  der  ersten  Eisenbahn',  von  Tokyo  nach 
Yokohama,  wurde  Yoa  der  Regierung  1870  mit  Hülfe  cnglisdier 
Ingenieure  begonnen,  und  im  Mai  1872  konnte  der  Verkehr  er- 
öfifoet  werden.     Es   war  der  erste  Versucli.     Das  in  London 

feliehene  Kapital  war  hoch  zu  verzinsen  (9  Prozent  bei  einem 
imissionskurs  von  08),  die  Baukosten  bei  dem  Mangel  an  Er- 
fahrung verliäUnismälsig  hoch.  Trotzdem  verzinst  die  Bahn 
schon  seit  Jahren  (genauer  seit  1880)  ihr  Kapital  reichlich. 
Dieser  ersten  korsen  Linie  (29  km)  folgte  im  Mai  1874  die 
ErOffiinng  einer  Bahn  von  Kobe  nach  Osaka,  welche  alhnäUich 
bis  Kyoto  und  Otsu  am  Biwa-See  verlängert  wurde.  Dazu  ge- 
sellte sich  seit  1880  eine  kurze  Bahn  im  Hokkaido,  welche  die 
Hauptstadt  Sapporo  und  die  Kohlengrube  von  Poronai  mit  dem 
Hafen  Otaru  verbindet,  und  seit  1882  eine  kurze  Strecke  zur 


>  IXe  Eotwiekelang  des  EtoenbahnwesenB  ist  in  den  Konralar^ 

berichten  stets  aufmerksam  verfolgt.  Einen  aiisführlithen  Bericht  hat 
namentlich  der  englische  Legationasekretär  Le  Poer  Trench  zusammen- 
gestellt (Japan  Weekly  Mail  1885  IV  356).  Die  Hauptquelle  sind  die 
jlhilfelien  Verwaltiiogsberichte  des  BaeBbatmamtes. 


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240 


X  4. 


Verbindusg  von  Tauruga  an  der  Wes^llBte  mit  dem  Biwasee. 
Doch  rttokte  die  Ausdehnung  langsam  genug  vorwSrts.  Mitte 
1875  hatte  man  gut  60  km  Linien,  Mitte  1880  erst  160,  Mitte 

1882  erst  280  km.  Verschiedene  Ori'mde  wirkten  dazu  mit, 
ein  schnelleres  Tempo  und  namentlich  fUe  ^'erbindung  der  beiden 
Hauptstädte  zu  verhindern.  Die  Re^itruii^^  war  abgeneigt  sich 
auf  weitaußsehende  groise  Kapitalankgen  einzulassen.  Yor  neuen 
auswärtigen  Anleihen  scheute  man  zuriick.  Inländische  Anleihen 
aber  versprachen  auch  wenig  Erfolg,  nachdem  man  1878  die 
^.Anleihe  cur  FOidening  von  Induelrieen"  secbsprozentig  sum 
Kurse  von  80  nur  milhsam  hatte  unterbringen  können.  Femer 
war  man  sich  Uber  Beibelialtung  des  Staatsbahnsystems  unklar. 

Im  FHihjahr  1875  war  man  im  Begriff  die  Staats- 
bahnen ganz  uitzugeben.  Die  Tokyo — Yokohama-Ralm  wurde 
einer  Gesellschalt  verkauft,  welche  auch  schon  die  erste  l^ate 
des  Preises  entrichtet  hatte,  als  1877  die  ganze  Sache  wieder 
rtlckgängig  gemacht  wurde'.  Die  Befürworter  dieses  Planes 
erUi&ten,  der  Staat  mtU»e  seine  bestehenden  (bereits  rentierenden) 
Linien  verkaufen,  mit  dem  ErlOs  neue  Bahnen  bauen  imd  diese; 
wenn  in  Or  lnung  gebracht»  wieder  verkaufen  u.  8.  w.  Neben 
diesem  naiven  Plünderungsversuch  taudite  ein  anderer  Plan  ao^ 
eine  grofse  npsellschaft  zu  gründen,  welche  eine  Bahn  von  Tokyo 
nach  Norden  bfvuen  sollte.  Fiir  diesen  Gedanken  suchte 
namentlich  der  U-Daijin  Iwakura  die  Adligen  zu  erwärmen,  und 
im  Jahre  1881  endhch  kam  die  Gesellschaft  nach  langen  Muhen 
zu  Stande,  die  unter  dem  Namen  „Nihon  Tetsudo  Kwaisha^ 
(Japanische  Eisenbahngesellschaft)  den  Bau  einer  Eisenbalm  von 
Tokyo  nach  Aomori  übernahm^.  Der  Hauptinhalt  der  ftkr  die 
Gesellschaft  überaus  vorteilhaften  Koncesaionsurkunde  vom 
5.  November  1881  war,  dafe  der  Staat  ftir  jede  der  5  Sektionen 
ftir  das  eingezahlte  Kapital  8  Prozent  Zinsen  irarantierte ,  fllr 
die  drei  Sektionen  bis  Sendai  von  fler  lunzahking  an  bis 
10  Jahre  nach  der  Vollendung  jeder  Sektion,  auf  ir>  Jahre  tur 
die  beiden  nördlicheren  Sektionen.  Von  einer  Rückzahlung  der 
Staatszoschttsse  aus  grolseren  Gewinnen  war  keine  Rede. 

So  war  man  an  einer  Frivatbahn  gekommen,  wdche  seit 

1883  allmählich  ihre  ersten  Strecken  eHKBnete.  Bald  daruif, 
Ende  1883,  trat  auch  die  Regierung  mit  neuen  Eisenbahnplänen 
auf,  zur  Verbindung  der  beiden  Hauptstädte  mittels  einer  durch 
die  Gebirge  Mitteljapans  führenden  Bahn  (Nakas endo  bahn). 


>  Vgl.  die  ErlKaterungen  des  Ffnumninfet«»  stir  ScblorsrechnuDg 

der  Jahre  I>7"  7r.  und  187<>  77  und  zum  Voranscblag  für  187879.  Über 
den  Vorfiang  im  einzelnen  ist  meines  Wissens  authentisch  nichts  weiter 
veröü'enthcht.  Der  Verkaufspreis  scheint  Millionen  Yen  in  7  Jahr  er- 
raten betragen  za  haben. 

*  Das  koncessioniertc  Kapital  betrug  20  Millionen  Y<     wovon  aber 
nur  IG  Millionen  nötig  werden  infolge  mbung  des  Geldwertes. 


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X  4. 


247 


Das  einzige  ▼onuanchtUcb  sehr  rentable  Stück  der  Lmie^  die 
Strecke  durch  die  Ebene  nordwestlich  von  Tokyo,  hatte  man 
der  Nihon  Tetsudo  Kwaisha  Überlassen.  An  diese  sollte  die  Bahn 
in  Takasaki  anschliel'sen  und  in  der  Hauptsache  dem  Nakasendo» 

der  alten  Gebirgsstrafso,  bis  zum  Biwn-Sce  folgen.  FlUgclbahneTi 
sollton  nordwestlicli  von  Tokyo  Dach  der  Westküste,  südöstlich 
vom  Jhiiwn-See  nach  isatioya  sich  anschliel'sen.  Die  verschiedenen 
Anschlui'sflügel  bei  lakasaki,  bei  Naoetsu  an  der  Westküste 
(Niigata-kenj,  am  Biwa-See,  bei  Nagoya  wurden  1884  in  Aiigritr 
trenommen«  die  Mittel  durch  eine  grofse  innere  aiebenproaentige 
Anleihe  von  20  Millionen  Yen  flüssig  gemacht.  Aber  ehe  man 
zu  einem  rechten  Ergebnis  irgendwo  gekomm>?n  war,  wurde  im 
Sommer  1886  plötzlich  das  mittlere  Hauptstüek  der  Nakasendo- 
bahn  a\{{iJ:r'V^f'))eT\  und  statt  dessen  T>eschlosscn,  die  Küste  entlanj^ 
von  Yokohama  nach  Nagoya  zu  bauen  (Tokaidohahn),  wns  im 
zweifelhaft  sehr  viel  billiger  war'.  Wie  diese  Sinnei^äuderung 
plötzHch  entstanden  ist  —  denn  irgend  welche  neuen  Thatsachen 
lagen  nicht  vor  —  ist  bisher  unbekannt.  Ab  der  Entschluls 
gefafst  wurde,  hatte  man  860  km  Staatsbahnen  im  Betrieb^ 
anfaerdem  220  km  Priyatbahnen. 

Um  dieselbe  Zeit  entstand  nach  Aufnahme  derBaraahlungen 
ein  ^profscs  Gründungs-  und  Spekulationsfieber.  Eisenbahn- 
projekte sehossen  plötzlich  überall  auf.  Offenbar  ohne  sieh 
irgendwie  klar  zu  sein  über  die  grundlegenden  Fragen,  liels  sich 
die  Regierung  treiben  und  genehmigte  ein  Prqiekt  einer  Privat- 
baiui  nach  dem  anderen,  sich  darauf  beschrankend,  ganz  unge- 
sunden Unternehmungen  die  Genehmigung  zu  versagen.  Die 
ganz  planlose  Haltung  der  Begiening  hinsiätlicb  des  Eigentams 
an  den  Eisenbahnen  weckte  bald  auch  die  Begehrlichkeit  der 
Privatspekulation  nach  den  Linien  des  8tu\tes,  und  im  Jahre 
1889  wurde  sehr  ernsthaft  der  Verkauf  der  Staatsbahnen  an 
dne  grolse  Priva^esellsehaft  erörtert. 

Die  allgemeine  I.nc:''  des  Eisenbahnbaues  war  im  Herbst 
1889  die  folgende.  In  der  Mitte  der  Ilauptinsel  von  1  okyo  bis  Kobe 
herrscht  die  btaatsbalm  mit  ihrer  Hauptlinie  Tokyo — Yokohama — 
Shizuoka — Nagoya— Kyoto  -  Osaka— Kobe,  605  km.  Vier  kurze 
AnBcblaTabahnen,  nach  dem  Kriegshafen  Yokosukai  nach  Taketoyo 
(sttdÜch  Kagoya),  nach  Tsiuruga  und  nach  Otsu,  haben  zusammen 
eine  Lftnge  von  88  km.  Ganz  in  der  Luft  hängt  die  Bahn  von 
Takasaki  nach  Naoetsu  an  der  Westküste.  In  ihr  fehlt  der  noch 
gar  nicht  in  Anfrriff  genommene  T^bergang  Wher  den  Usuipafs 
(etwa  24  km).  Die  vohen  leten  Sti  cken  haben  eine  Länge  von 
177  km.    Endlich  ist  im  Hokkaido  die  schon  seit  1880  ver- 


>  Sehon  Anfang  der  70er  Jalire  war  diese  Linie  geplastf  aber  wieder 
aufgegeben,  wie  es  seheint,  aus  militärischen  Gründen. 


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248  X  4. 


pachtete  und  inswucfaeti  rerkaufte  Temiya — ^Poroiud-Balm  tob 

92  kmV  Abgesehen  von  letzterer  sind  «ko  etwa  870  km 
Staatsbahnen  im  Betrieb.  Mit  der  einen  erwähnten  Ausnahme 
sind  aber  keine  weiteren  Strecken  im  Bau  oder  in  Ausaicht 

genommen  ^. 

Dagegen    war  die  EnUvickelung   der  Phvatbahnen  am 

15.  September  18>^9  tblgende; 

Nördlich  von  Tokyo 

im  Betrieb   im  Bau  traciert 

Nihon  T(  tsuil(j  Kwaisha  465  km  385  km     —  km 

Ryomo  Tetöudu  Kwaisha  53    -      31    -       —  - 

(am  Nordobtrand  der  Tokyoebene) 
Mite  Tetsudo  Kwaisha  67   -      —   -      —  - 

(▼om  Kreusungspunkt  der  beiden 

vorigen  nach  Mito) 
Kobu  Tetsiido  Kwaiaha  37   -      —   -       6  - 

(Tokyo — Hachoji) 

s  wischen  Nagoya  und  Osaka 

Hankai  Tetsudo  Kwaisha  10  •      —   •      —  - 

(Osaka  -Sakai) 

Kwansei  leti^udo  Kwaisha  —   •      79   •     43  - 

(von  Yokkaichi  nach  Westen  und 

Süden) 

Osaka  Tetsudo  Kwaisha  16    -        8    -      35  - 

(von  Osaka  nach  Osten) 


'  Diese  Bahn  ist  gebaut,  um  die  Hauptstadt  .Sapporo  und  die 
Kohlengrube  von  Poronat  mit  dem  Meere  zu  verbinden.  Seit  1^2  war 
ne  in  ganzer  Länge  im  Verkehr.    Infolge  des  ^amerikanischen*  Baa- 

s^stems  waren  jährlich  so  profse  Reparaturen  nötig,  dafe  in  den  vier 

I  inanzjahrcn  von  l'*'^^  bis  H^H  die  Kinnahmen  um  hii-t  .V2(MH)0  Yen 
iiiiitcr  den  Anagabcii  zturöckblieben.  Auch  die  Poronaigrubc  lieferte  nur 
in  einzelnen  Jahren  Überschüsse.  Im  Jahre  188r>  trat  der  bisherige 
Direktor  d<  r  ^Truhen  und  Eisenbalm Verwaltung  'l's.  MuratA  ans  dem 
Staatsdienst  und  überuabm,  mit  einigen  anderen  zu  einer  Gesellscbaft  — 
Hokuynsha  vereinigt^  auf  15  Jahre  den  Verkaaf  der  Kohlen  und  den 
Betrieb  der  Eisenbahn  pe;^en  eine  Pacht  von  r)(M)()  Yen.  Unter  der  neuen 
Vrrwaltnnpj  (des  bisherigen  Direktors)  lieferte  die  Bahn  IW? Hh  bereits 
einen  i'bcrsehufa  von  ;W500  Yen.  Am  18.  November  1889  wurde  eine 
Hokkaido- Kohlen*  und  Eiscnbahngesellschaft  koncessioniert ,  weichein 
enpren  Bexiehungen  aar  Nihon  Tetsudo  Kv, ni  h  i  «teht.  Die  Oe.«iellsehaft 
übernimmt  die  Eisenbahn  und  die  Kohlengruben  und  bringt  sie  durch 
eine  neue  Bahn  nach  Sfiden  mit  dem  Hafen  Mnroran  in  verlrindnng. 
Das  Eisenbahnkapital  von  .->  Millionen  Yen  garantiert   d  r  Staat  auf 

II  Jahre  mit  ö  Prozent.  Die  Gesellschaft  bezahlt  dem  ^)t;iate,  Zeitungs- 
nachrichten zufolge  (Shog^o  Shimpo) ,  für  die  Gruben  104  000  Yen ,  für 
die  bereits  im  Betrieb  befindliche  Bahn  (Baukosten  V'2  Millionen  Yen) 
240  000  Yen  in  zehn  Jahresraten.  Die  bisherige  Paehterin,  die  Uoktt- 
^ha.,  ist  von  der  neuen  Gesellschaft  mit  ^ioOuuu  Yen  abgefunden. 

'  Der  Staat  m&fste  denn  die  lanie  Naoetsa— Nügata  in  LSage  von 
ISO  km  bauen,  wie  m  beldligtea  Krdsra  gewOnscht  wird. 


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X  4. 


249 


Westlioli  von  Eobe 
Sanyo  Tetsado  Kwaisha 


(vmi  Robe  nach  Shimonoaeki) 


53  km  163  km  272  km 


Auf  Shikoku 

Mätbuy  ama  ^Mttäugahama 
Haragame — Kotohira 


7  - 
16  - 


Auf  Kyushu 
Kjushu  Tetäudo  Kwaisha 


—    -     112    -    320  - 


susammen   724  km  778  km  682  km 


AuJwrdem  waren  von  8  verBcfaiedencn  anderen  Gesell- 
schaften zusammen  544  km   in  der  Tracienl^g^    Mit  den 

Staatsbahnen  waren  also  1686  km  Eisenbahnen  im  Betrieb  (gegen 
970  km  am  Bl  März  1888  nnrl  705  km  am  31.  März  1887). 
Die  Privatbaünen  werden  bald  die  ötaatsbahnen  an  Ausdehnung 
übertreffen.  Sind  auch  unter  jenen  eine  Anzahl  kleiner  un- 
wichtiger Bahnen  rein  lokaler  Kutur,  so  ist  man  doch  in 
einen  wenig  erfreulichen  Zustand  geraten,  indem  die  wich- 
tigen Fertsetzungen  der  Hauptlinie  nach  Norden  und  Westen 
in  der  Hand  von  Privatbahngesellschaften  sidi  befinden.  Sehr 
bedenklich  ist  das  im  allgemdnen  einstweilen  insofern  nich^ 
als  die  Privatbahnen  bei  Bau  und  Betrieb  weitgehender  Staats- 
aufsicht unterlieirrn ,  ja  zum  grolsen  Teil  von  der  Stnatsbahn- 
verwaltung  für  Rechnung  der  Privatgesellschaften  gebaut  sind^. 
Der  wesentliche  Unterschied  ist  bisher  nur,  dafs  die  Dividenden 
in  die  Tasche  der  Aktionäre  statt  in  die  Staatskasse  flielsen. 
Angesichts  der  Sehwttdie  aber,  welche  die  Regierung  schon  jetet 


^rderung  dieser  durch  die  Bildung  di  r  PriyatbahnseMUschaftan 


Privatgesellschaften  kann  bisher  nur  die  N  i  h  o  n  T  e  t  s  n  d  o 
Kwaisha  auf  eine  längere  Hetriebszeit  /urückHplien.  Bei  ihr 
wird  das  Ergebnis  nocli  besonders  merkwürdig  durch  die  Staats- 
garantie und  deren  bereits  erwähnte  eigenartige  für  jede  Sektion 
getrennte  Berechnung.  Die  Koacessionsurkunde  bestimmte  aufser- 
dem,  daA  ^e  fUr  die  Eisenbahn  nötigen  Staatsländereien  |>acht- 
frei  QberhiBsen  werden  sollten*.  Sem  Monate  nach  der  Über^ 
gäbe  der  Koncessionsurkunde  sollte  der  Bau  beginnen  und  binnen 
7  Jahren  vollendet  sein.  Das  Privileg  ist  auf  99  Jahre  erteilti 
jedoch  kann  der  Staat  vom  1.  Januar  1032  an  das  ganze  Eigen- 


'  Dazu  kommen  dann  noch  gut  200  km  der  am  18.  November  1889 
koDcessioDierten  Hokkaido  •  Kohlen- und  Eisenbahngesellsclmft.  Am  '1. 
August  1890  waren  Frivatbahnen  im  Betrieb  1080  km ,  im  Bau  üTO  km, 
traciert  ca.  1700  km. 

^  Die  Verfailtnisse  der  Privateisenbaluien  regelt  Oesetz  12  vom 
17.  Mai  1887. 

'  Später  kooeessionierten  Baboen  werden  sie  so  ^angemesseaen 
Pkttsen**  verkauft,  a  das  dtierte  Gesetz  §  15. 


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250 


tum  der  Gesellschaft  übernehmen  gegen  Zahlung  ^des  Wertes 
der  Aktien''  (Nominalbetrag  oder  Kmwert?)^ 

Das  Ergebnis  der  eigentümlichen  Oarantieberechnung  ist, 
dafs  der  »Staat  erhebliche  Zuschüsse  zahlt  und  dabei  die  Divi- 
dende bedeutend  mehr  als  8^0  betragt.  Für  die  neuumonat- 
liche  Periode  vom  1.  Juli  1887  bis  31.  Mnrz  1888  war  der 
Reingewinn  (pro  annoj  auf  der  1.  Sekiiou  (Tokyo  — Maebasliil 
17,48^/0,  auf  der  2.  Sektion  (Omiya— Shirakawa)  18,8  <^/o,  auf 
der  3.  Sektion  (Shirakawa— Shiogama)  nur  1,s8®/o.  Der  Staat 
mnlsfaL  um  kierfUr  8  ^/o  voll  zu  machen,  169  096  Yen  zuzahlen, 
aufserdem  8245  Yen  fUr  die  noch  im  Bau  befindliche  4.  nnd 
5.  Sektion.  Die  Gesellschaft;  bezahlte  infolgedessen  0,!i  **'o 
Dividende  Der  eigene  Gewinn  hätte  ausgereicht ,  8  *^  o  aus- 
zuzahlen und  noch  26  735  Yen  auf  nüchste  Rechnung  vorzu- 
tragen. Im  vorherf^ehenden  Geschäftsjahre  1 88 (  >  87  hätte  eine 
hprozentige  Verzinsung  des  am  Schlüsse  des  Jahres  eingezahlt 
eeweaenen  Eapitak  einen  Staatsauaohu&  Ton  178887  Yen  er- 
fordert Dieser  betrug  aber  230445  Yen,  rund  52000  Yen 
mehr.  Die  Emrichtang  ist,  wie  man  aieht,  höchst  vorteilhaft  flir 
die  Aktionäre.  Von  1882  bis  zum  31.  März  1888  hat  der 
Staat  an  die  (»esellschaft  bereits  868  484  Yen  Zuschüsse  p^ezahlt, 
ohne  fiir  Erstattung  aus  den  mit  völliger  Sicherheit  immer  mehr 
wachsenden  Überschüssen  der  ersten  Sektionen  irgendwie  Vor- 
sorge zu  treffen.  Sogar  die  gute  Gelegenheit,  dafs  die  Gesell- 
schatt  die  Bauzeit  von  7  Jahren  nicht  innegehalten  hat,  ist  nicht 
benutat  worden,  mn  die  Stellung  des  Staates  etwas  au  Terbessem*. 
Die  Bauaeit  ist  ein&ch  bis  1890  erstreckt. 

Eine  derartig  VerBcfaleudenmg  von  Staatsoeldem  ist  bei 
den  späteren  Phratbahnen  nicht  wieder  voi^ekommen.  Die 
einzige  von  den  oben  genannten  Ciesellschaften .  welche  eine 
Zinsgarantie  erhalten  hat,  ist  die  Kyushubahn,  und  sie  h<.'V\e(  sicli 
auf  nur  vier  Prozent,  Die  Zinsgarantie  ist  jeiloch,  noch  t  he  sie 
in  Kraft;  trat,  in  eine  feste  Subvention  per  Meile  umj^ewandclt, 
Kiue  gleiche  Unterstützung  wird  den  neuen  Strecken  der  Sanyo- 
bahn sagewandt  Dagegen  hat  die  neue  Gesellschaft  im  Hok- 
kaido  wieder  eine  Zinsganintie  erlangt 

Die  japanischen  Eisenbahnen  haben  sämtlich  eine  ziemlich 
schmale  Spur,  8  Fuft  6  Zoll  englisch  fca.  l,on  m).  Sie  sind 
fast  durchweg  eingeleisig.  Am  31.  März  1888  war  die  Länge 
der  Linien  rund  !»7'>  km,  die  der  Geleise  lllU  km  Die  Aus- 
rüstung mit  Betriebsmitteln  ist  mäisig  imd  wird  mit  zunehmen- 

*  Andere  Bahnen,  wenn  die  •  Koncession  nichts  andeieä  be^^timmt, 
nach  25  Jahren  ni  dnem  Prdse,  der  dem  Dorebadinittspreis  der  Aktien 

in  den  letzten  •»  Jahren  vor  dem  Kaufe  entapricht 

-  Fiir  (las  Soimiipr'^f'master  \Hü{)  12  Prozent  (pro  annoK 

3  Nucli  dem  Woniaut  der  Koucessionäurkuude  konnte  der  StHat 

das  Eigentum  der  Gesellschaft  In  diesem  Falle  einer  anderen  GeseUsehaft 

fibertr^en. 


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X  4. 


251 


der  Ausdehnung  der  Linien  yerhttltnismälaig  immer  geringer. 
Am  81.  Mlln  1888  waren  Torbanden  auf  je  100  km 

auf  den  StBatsbahnen'  auf  der  Nibon  TetBodo^ 
Lokomotiren       12  5 
Peraonenwagen    66  23 
Qtlterwagen      218  73 

Von  insgesamt  zurückgelegten  Strecken  kamen  1887  88  auf 
den  Staatsbahnen  auf  eine  Xokomotiye  fiut  37  000  km,  auf  der 
Nibon  Tetsudo  etwas  mehr  als  31000  km  (im  Jahr  also  gut 
41000  km). 

Im  gleichen  Jahre  beförderten  die  Staatsbahnen  ^  6001  389 
Personen,  die  Nilion  Tetsudo  !"^:^^lil35  (aufs  Jahr  bcreclinet 
rund  1  785  000),  die  kleine  Osaka-Sakai  l^ahn  1  1  94(}  Personen. 
Im  Jahre  1S82  83  beförderten  die  Staatsbalinen  bei  selir  viel 
geringerer  Länge  bereits  ü  072  780  Personen.  Das  Gewicht  der 
beförderten  Waren  war  1887/88  auf  den  Staatsbahnen  573773 
metr.  Tonnen,  «uf  der  Nibon  Tetsudo  145575  Tonnen  (aufs 
Jahr  berechnet  194000),  auf  der  Osaka -Sakai-Babn  27  Tonnen. 
Die  Einnahmen  betrogen  im  selben  Jahr 

aus  dem  Per*  ans  dem  Güter-  aus  anderen 

sonenverkehr       verkehr  Quellen 

bei  den  Süiatsbahnen        1  297  307  Yen  486  986  Yen  59  1 70  Yen 

-  der  Nibon  Tetsudo  485  236  -  352096  -  27445  - 
.    -    Osaka-Sakai-Balni   43142    -  247    -      —  - 

Das  Verhältnis  der  Linnahmen  zu  den  Ausgaben  war 

Einnahme         Auppabe  ilberschufs 
bei  den  Steatsbalmen     1  843  463  Yen  788  1 80  Yen  1  055  283  Yen 

-  der  Nihon  Tetsudo    864  777  -^  276232    -      588  545  - 

-  -  Osaka-Sakai-Bahn45  711    -*    19728    -        25986  - 

Di*  AiHir^iben  waren  also  bei  den  Staatsbahnen  und  der 
(Jsiika—Sakai-Bahn  rund  43  Prozent,  bei  der  Nihon  Tetsudo  32 
Prozent  der  Einnahmen. 

Das  Anlagekapital  der  in  Betrieb  befindlidien  Strecken 
betrug 

bei  den  Staatsbabnen      19075  407  Yen, 

-  der  Nihon  Tetsudo      8  018182  - 

-  -   Osaka— Sakai-ßahn  350211  - 

^  Dio  Jährlirheii  Vorwaltuii^^sberichte  des  Eisenbahuamtes  berück- 
sichtigeii  die  Kiseubahu  im  llokkaido  nicht,  geben  auch  vielfach  nur  vor- 
lünfige  Zahlen.  Ich  folge,  soweit  möglich,  den  geuauer  durchgearbei- 
teten Angaben  des  Statistisclieii  Jnhrhurhs.  -  Bei  allen  fnlrrenden  Zahlen 
über  die  Nihon  Tetsudo  ist  der  &torende  Umstand  /m  bcaciiten,  dafe  das 
KeehDunggjahr  1887/88  nur  9  Monate  hatte  (Juli  1887  bis  M&rz  1888). 

-  Liiu^e  Ende  des  Jahfes  Staatabahnen  490  km,  Nibon  Tetsudo 
470  km,  Osaka — äakai  b  km. 

*  Ohne  den  Garautiezuschufs  des  Staates. 

*  Mit  £iDieehnung  einer  aaderweiten  Einnahme  von  2219  Yen. 


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252 


X  4. 


Danach  hinten  im  angegebenen  Jahre  die  drei  Gruppen  ihr 
Kapital  verzinst  mit  5,6  Prozent,  d,i  Prozent^  und  7,6  Prozent. 
Diese  Aufstellungen  sind  aber  anfechtbar«  Beim  Anlagekapital 
fehlt  der  Wert  der  benutzten  Staatsländereien ,  der  bei  einigen 
Linien  erheblich  ins  Gewicht  fallen  würde.  Bei  den  ülteren 
Staatsbahnstrecken  ist  die  ganze  Aufstellung  ungenau.  Bei  den 
Staatöbahnen  ist  natürlich  nicht  aufser  acht  zu  lassen,  dafs  darin 
eine  Anzahl  bis  dahin  zusammenhangsloser  Linien  stecken,  die 
einstweilen  eine  Rente  kaum  abwerfen.  Nadi  dem  Verwahongs- 
bericht  des  EieenbahnamtB  ▼erainate  atdi  das  Anlagekapital  der 
einsehen  Linien  wie  folgt: 

Tokyo  — Yokohama  14,4  o 

Kobe— Otsu  5,1  o 

Tsuniga— Taketoyo  2,9  »/o 

Takasaki — ^Yokogawa  7,i  ^/o 

Naoetsu — Sekiyamm  3,2  '*/o 

Yokohama — Kozu  6,»  ^/o 

Dazu  kommt  die  Linie  Temi/a -  Poromd  mit  2,8  Prozent,  nach- 
dem sie  vier  Jahre  lang  mit  Verlust  betrieben  war. 

Mit  der  sdtdem  erfolgten  völligen  Ausbildunf  des  Staats* 
bahnsystems  niUssen  die  finnabmen  sich  steigend  gttnstig  ent* 
wickeln,  wie  auch  aus  den  neueren  TorIäu%en  Ausweisen  her^ 
vorgeht. 

Eine  eingehendere  Hetrachtung  der  Eisenbahnatatistik  aeigt 
^nige  bemerken .s werte  Erjicheinungen. 

Zunächst  ist  auffHllig,  wieviel  wichtiger  bisher  der  Per- 
sonenverkehr ist  als  der  Güterverkehr.  Zwei  Drittel  aller  Eisen- 
babneinnahmen  stammen  aus  dem  Personenverkehr.  Zum  Tefl 
hat  das  seinen  Grund  darin,  dafs  manche  fjsenbahnstrecken 
direkt  unter  r  Konkurrenz  billiger  Wasserfi-acht  leide  n  Auf 
der  Strecke  Tokyo  —  Yokohama ,  zwischen  der  Hauptstadt  und 
dem  forsten  Hafenplatz  des  Landes,  findet  ein  ganz  Dcdeutendcr 
Warenverkelir  statt  Aber  die  Einnahme  vom  (liitertranaport 
war  1887  88  nur  ein  Siebentel  der  Bruttoeinnahme,  die  be- 
förderte Warenmenge  noch  nicht  103000  t.  Der  Wasserweg, 
der  es  möglich  macht,  auf  den  Kanälen  die  Warenlager  im 
Heraen  der  Hauptstadt  au  erreidien,  wird  hier  stets  bevoraugt 
werden.  Auf  den  Linien,  welche  si(»i  von  der  Ktlste  entfenien, 
sehen  wir  denn  auch,  aafs  der  Güterverkehr  einen  gröfseren 
Anteil  an  den  Einnahmen  hat,  auf  der  Kobe — Otsu -Linie  ein 
Viertel,  auf  der  Nihon  Tetsudo  sogar  zwei  Frinftcl  der  Einnahmen 
liefert  Immerhin  ist  aber  auch  hier  das  Interesse  am  Personen- 
verkehr nocli  vorwiegend.  Der  Grund  liegt  in  der  wirtsehaft- 
iiclien  Entwickelung.    Bei  der  noch  weit  herrschenden  Natural- 


t  In  9  U onaten  S,b  Pkozeot 


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X  4. 


253 


Wirtschaft  werden  Waren  in  grölkeren  ^len^en  für  entferntere 
Märkte  noch  wenig  produziert.  Es  giebt  einstweilen  noch  nicht 
▼id  wa  tnniiKirtiemi.  Ent  aUmählidi  muJs  sich  die  Produktum 
den  durch  oie  Elsenbahn  gegebenen  neuen  Absatsquellen  an- 

{)a88en,  allmählich  die  durch  verbesserte  Verkehrsmitfeet  ermög- 
ichte  ttrtliche  Arbeitsteilung  durchfuhren.  Der  Personenverkehr 
dagegen  entwickelt  sich  bei  der  Dichtigkeit  der  Bevölkerung, 
bei  ihrer  BewegÜchkeit  urifl  Reiselust  viel  ^clineller.  Tn  Europa 
ist  der  Hergang  bei  KintVilirung  der  Eisenbahnen  analog  ge- 
wesen. Das  Verhältnis  vrrschiebt  sich ,  wenn  auch  lani^-sam, 
doch  etwät»  zu  Ungunsten  des  Personenverkelu'S.  Dieser  braulite 
auf  den  Staatsbabnen  (ohne  die  Hokkaidobahn)  ^  1881/82  noch 
fi»t  80  Proaent  aller  Einnahmen,  1887/88  nur  71  Fkt>zent  Auf 
derTokohama — ^Tokyo- Linie  sank  die  Ph>zentzahl  von  85  auf 
78  Prozent,  auf  der  »trecke  Eobe— Otsu  von  77  auf  73  Prozent 
Die  beförderte  Warenmenge  ist  auf  beiden  Linien  erheblich  ge- 
stiegen, während  die  Zahl  der  beförderten  Personen  erst  jetzt 
wieder  allmählieh  der  zur  A^nozeit  bereits  errdchten  Höhe  sich 
nShert^.  Hier  ist  also  das  aiimaiüiche  Vordringen  der  Verkehrs- 
wiitschaft  erkenntlich. 

Ein  sw^ter  Pnnkti  weldier  auf  die  Yermögensvarhxltnisse 
em  gewisses  Licht  wirft,  ist  das  Vorwiegen  der  Passagiere  dritter 
Klasse  (eine  vierte  Klasse  giebt  es  nicht)  über  die  in  höheren 
Klassen,  welches  in  Japan  noch  sütrker  ist  als  in  den  meisten 
anderen  Ländern.  Von  allen  beförderten  Passagieren  fuhren 
1H87  88  auf  den  Stiatsbahncn  (ohne  die  Hokkaido  Bahn,  welche 
wesentlich  nur  1.  und  2.  Klasse  hat)  in  der  ersten  Klasse  nur 
0,7,  in  der  zweiten  7,i  Prozent  aller  beförderten  Peraonen,  also 
Uber  92  Prozent  in  der  dritten,  in  diesem  Jahi*e  war  aber  der 
Anteil  der  orstsn  und  sweiten  Klasse  grOfser  als  in  iigend  dn^ 
vorhergehenden  Jahre*.  In  dem  bereits  angeführten  Jahre 
1881  82  fuhren  erster  nur  0,4,  zweiter  Klasse  nur  5  Fkozent 
aller  Passsgiere.  Ohne  die  Linie  Tokyo — Yokohama  würden 
di&se  Sätze  noch  erheblich  niedriger  sein.  Auf  den  bdden 
Uauptlinien  waren  es  1887/88: 


>  Auf  dieser  Kohlenbabn  kommt  nur  Vi— dar  Einnahmen  ans 

asm  Personenverkehr. 

*  Aof  beiden  Linien  worden  befördert 

lbÖl/{^2  iman\)  (voriaufiges  Ergebnis) 

Penooen  5332318  5801030 
Waren        192  920  Tons  (euglisch)    371  ni  "  Tons. 

Das  Eisenbahnamt  bedient  sich  sondorbarerweise  nnd  pecen  alle 
japaiiißchc  Sitte  englischen  Mafses  und  Gewichts  in  seinen  Berichten. 

*  Wohl  die  Fol^^e  der  Herabsetzunc;  der  Fahrgelder  um  rund  ein 
Sechstel  fiir  die  dritte,  aber  ein  Viertel  für  die  zweite  und  die  erste 
Kiasee  am  1.  Juli  1887  anter  Abschaffung  der  beschränkt  für  1.  und 
2,  Klasse  bestebeaden  ÄetearbiUets.  Eine  sweite  allgemeine  EnDäfsigung 
nm  ein  FOnftd  eifolgte  am  1.  Juli  1889. 


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254 


1.  Kl.    2.  Kl    3.  Kl. 

Tokyo    Vükoliama  1,2«  o    11,5*' o  87,3% 
Kobe-Otau  O,»«  o     5,ö"  o    94*^  0 

Der  dritte  Punkt  ist  der  aulserordentliche  Einfluls,  welchen 
die  wirtschaftliche  Krise  auf  den  Eisen balm verkehr  gehabt  hat. 
Von  der  ersten  Zeit  der  Erötfnuiig  uu  hatten  die  lirutto-Ein- 
nahmffli  der  Staalsbahneii  'wie  die  Übencbttue  8ich  »seh  eat- 
wickelt  Die  letsteren  erreichten  den  Höhepunkt  in  dem  Haupt- 
jahie  des  Agioschwindek  1881  82  mit  1 036  394  Yen.  Von  1883 
an  lanken  sie  rasch  und  erreichten  den  tiefet^  Stand  in  dem 
Notjahr  188.").  Da  das  Etatsjalir  1885  8(5  nur  neun  Monate  hat, 
ist  der  Verirlrich  erschwert.  Die  l'borschüssc  dieser  Finanz- 
periode betrugen  453  89U  *  Yen,  auf  ein  ganzes  Jahr  berechnet  wären 
das  60.5  000  Yen  fj:ewesen  trotz  inzwischen  erfolgter  Ausdehnung 
der  Linien.  Auch  nach  der  Neubelebung  des  Geschäftslebens 
ist  der  fimhera  Übenchals  1887/88  mit  1 021 749  Yen  noch  nicht 
eneicht  nnd  erst  1888/89  mit  1346226  Yen  (nach  dem  Bericht 
des  Eisenbahnamts)  überschritten,  nachdem  die  Lfinge  d«^s  Netzes 
auf  beinahe  das  3 V' 2  fache  gestiegen  ist  Noch  aulbllender  wird 
diese  Bew^ung  bei  der  Betrachtung  einzelner  Linien.  Tokvo^ 
Yokohama  hatte  die  höchste  Reineinnahme  schon  18S<>  81  mit 
313008  Yen  und  den  tiefsten  8t^md  1882  83  mit  256  757  Yen. 
Seitdem  sind  die  Zahlen  wieder  gestiegen  auf  411  018  Y'en 
1887  88  und  413449  Yen  1888/89.  Dagegen  zeigt  Kobe— Otsu 
eine  Tiel  heftigere  Schwankung.  Das  Mazimom  war  1881/82  mit 
724520  Yen  Reineinnahme.  Diese  sank  dann  nnimterbrochen 
bis  1 886  2.  Das  Finanzjahr  1 886  87  hatte  nur  mehr  205 139  Yen 
Überschul's^  der  dann  in  den  beiden  folgende  Jahren  auf 
405260  Y^'en  und  525  201  Yen  gestiegen  ist,  immer  erst  zwei 
Drittel  des  18S1  82  erzielten.  Die  Zahl  der  betorderten  Personen 
sank  von  3  573  098  im  Jahre  1881  82  auf  1499305  im  Jalu-c 
1886  87  und  stieg  bis  1888/89  wieder  auf  2853008.  Die  Zahlen 
bestätigen,  was  auch  aus  anderen  Gründen  wahrscheinlich  ist, 
dais  £e8e  centralen  Ckcpenden  durch  die  wirtschaftliche  Kiisis 
besonderB  stark  in  Mitteidensdiaft  gezogen  sind,  was  durch 
allerlei  nattlriicheUngltIcksfillle,  Dum(1883),  Überschwemmungen 
und  Stürme^  noch  verstärkt  wurde. 

hn  ganzen  betraclitet  haben  die  japaniachen  Eisenbahnen 
bisher  bei  ihrer  geringen  Ausdehnung  k<  ine  bedeutende  Rolle  im 
japanischen  wirtjäfehaftlichen  Leben  ge»pii  lt.  Durch  die  neuste 
Entwickelung  wird  sieli  da.s  einigcrmaTsen  ändern,  da  nach 
Vollendung  der  in  Augiiff  genommenen  Strecken  allein  die 
Haupttnsel  2600  km  äsenbahn  haben  und  in  ihrer  ganaen 

^  Den  Verlust  bei  der  Uokkaidobahii  nicht  eingerechnet. 
•  1885/86,  Bean  Monate,  hatte  212046  Yen  ÜbencbufB,   wss  auf 
ds8  Jahr  nind  282700  Yen  ergeben  würde. 


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255 


LSnge  von  einer  Stammlinie  durclizogen  sein  wird.  Docli  werden 
in  Japan  bei  der  langgestreckten  Gestalt  seiner  Inselu  die  Ei^eu- 
bflimeQ  m»  «leb  nur  amittbeiiid  die  wiriadMfiliohe  Bedeutung 
erreicheD,  welche  de  m  komtineutalen  lündern  haben.  Die 

Ofientliche  Meinung  scheint  sich  darüber  in  Japan  gegenwärtig 
mancherlei  Täuschungen  hinzugeben.  Wie  militäriflch  ^refährlicn 
es  ist.  dafs  die  Hauptverbindungslinien  auf  weite  Strecken 
schutzlos  die  Küste  entlang  ziehen,  dal's  die  grofsen  Eisenbahn- 
brlicken  der  Tokaidolinie  fast  alle  im  Schufsbereich  jedes  be- 
liebigen Kjicgssfliiiies  sich  bcluulcii ,  das  leuchtet  auch  dem 
militärischen  Laien  ein.  Die  bchwache  Aui^stattuu^  mit  Betriebs- 
mittefai  ist  wirtsdiafttich  ebenso  bedenklich  wie  näititrisch. 


Ancreref^^t  dm  h  die  europäischen  Posten  nahm  die  neue 
liegionin^  im  J  ilire  1870  die  Umgestaltung  des  staatlichen 
Kurierdienstes  in  eine  dem  Publikum  zugängliche  öffentliche 
Verkehrsanatjilt  in  Angriff,  welche  aber  erst  1872  eine  etwas 
ausgedehntere  Organisation  erhielt  ^  War  doch  die  ganze  Länge 
der  Poslkune  1871  erst  1660  km  su  Land  und  15  Seemei&i 
auf  dem  Meere  mit  179  Postämtern  und  566000  Postsendungen. 
Im  Jahre  1875  hatten  di(^  Postkurse  schon  eine  Länge  von  bei- 
nahe  30000  km  und  7235  Seemeilen,  die  Zahl  der  Postämter 
betrug  3502.  Bis  1J^82  stiegen  sie  dann  weiter  auf  r,520  bei 
einer  Thinge  der  Postkurse  von  55  000  km  und  14100 
Seemeilen.  Es  scheint,  als  ob  man  damit  dem  Hedtirfnia 
vomusgeeilt  sei.  Die  allgemeinen  Sparsamkeitstendenzen  jener 
Zeit  wurden  bei  der  Post  noch  verstärkt  durch  das  plötz- 
liche Erscheinen  eines  offisidl  niemals  wirklich  aufgeklärten 
Deficits  der  Postverwaltung.  Die  Folge  war,  dafs  man  sich 
nicht  unerheblich  einschränkte.  Die  Postkurse  hatten  1887  nur 
mehr  eine  Länge  von  48000  km  und  12880  Seemeilen  und  die 
Zahl  der  Postämter  war  sogar  auf  3921  bescluänkt,  woneben 
600  P)ricfaTinaluue.stellen  traten.  Gleichzeitig  wurde  die  Zahl 
der  Briefmarkenverkaufsbtellen  von  18  853  im  Jahre  1882  auf 
24  378,  die  Zahl  der  Briefkasten  von  18436  auf  28  904  ver- 
mehrt. 

In  der  Zahl  der  auljrogebenen  Postsendungen  spiegelt  sich 
die  Bewegung  entsprechend  wieder.    Von  1872  bis  1878  betrug 

die  jährliche  Zunahme  6  —9  Millionen  Stück.  Von  1878  bis 
1882y  in  der  Zeit  des  Papieigeld schwindeis,  stieg  die  jährliche  Zu- 
nahme auf  10—10  Millionen  Stücl:  1882  wurden  beinahe  100 
Millionen  btUck  befördert.   Dann  wurde  der  Zuwachs  erheblich 


'  Briefmsrken  wnxden  1871,  Postkarteo  1873  eingeführt  Das  jetst 
geltende  Postgesets  datiert  von  1882,  revidiert  1869. 


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256 


langsamer,  im  Jahre  l^sri  hatte  man  erst  115^2  Millionen  er- 
reicht. Der  erneute  Auföchwun^  des  Wirtschaftslebens  zeigte 
sich  1886  mit  beinahe  122  Miiiionen,  1887  mit  1.37  257  266 
Stück.  Im  Vergleich  mit  der  BevölkerirngssBabl  ist  das  immer 
noch  wenig  genug,  3Vs  Stttdc  auf  den  Kopf  der  BevOlkerone'. 

Ein  Vergleich  der  Postämter  mit  der  Fläche  dee  Landes 
ergiebt  auf  1000  Quadratkilometer  nur  10  Postämter.  Mehr 
als  30  Postämter  haben  auf  dieser  Fläche  die  Bezirke  Tokyo 
(im  kränzen  31)  und  Osaka  (ohne  Nara,  im  s^-anzen  57),  20 — 30 
nur  die  Bezirke  Chiba,  Aichi,  Nara,  Nagasaki  und  Kumaraoto. 
Am  geringsten  ist  die  Zahl  verhaltnisniärsig,  aufser  dem  Hokkaido 
mit  nur  einem  Amt  aut'  1000  qkm,  im  Norden  in  Aouiori, 
Iwate  und  Akita,  in  Nagano^  und  im  SUden  in  Miyaraki  und 
Okinawa,  welche  sämtlich  unter  dem  Landesdurchschnitt  stehen. 

Ver^eicht  man  1887  die  Zahl  der  im  Inland  beförderten 
Pestsendungen  mit  der  Zahl  der  Einwohner  nach  Bezirken,  so 
ragt  weit  über  den  Landesdurchschnitt  von  3,5  Tokyo  mit  23,8. 
Ihm  folgt  Osaka  mit  nur  9,i,  Hokkaido  mit  H.s,  Kanagawa  mit 
6,1  nnd  Kyoto  mit  6,(1  Clenau  den  Landesdurchschnitt  hat 
Shic^a  Alle  anderen  Im  Bezirke  stehen  darunter,  am  tiefsten 
Okmawa  mit  0,2,  isara  mit  0,4,  Kagoshima  mit  l.i.  Miyazaki 
und  Iwate  mit  1,4.  Alle  anderen  haben  mehr  als  1,a.  —  Auf 
Tokyo  aUein  kommt  mehr  als  ein  Vierte!  aller  Poststücke^  mehr 
als  ein  Fünfid  aller  Briefe  und  Postkarten,  über  die  Hälfte 
aller  Zeitungen,  beinahe  ein  Viertel  aller  Einnahmen:  ein 
Zeichen  der  grolsen  Centralisation  geistiger  vaad  wirtschaftlicher 
Interessen  in  der  Hauptst^idt. 

Unter  den  13()()r)5ü0O  inländischen  Postsendungen  des  Jalu  es 
1887  waren  50  95(;0(  )0  gewöhnliche  Briefe,  5ö  628(100  Postkarten, 
18248000  Zeitungen  u.  s.  w.,  2935000  eingeschriebene  Sen- 
dungen u.  8.  w.  Auffallend  ist  hierbei  das  in  diesem  Jahre  zum 
enten  Male  hervorgetretene  Überwiegen  der  Postkarten  über  die 
gewöhnlichen  Briefe,  während  ihre  Zahl  1878  noch  nicht  ein 
hicbentel  der  Briefe  betrug.  In  diesen  zehn  Jahren  hat  sich  die 
Zahl  der  Briefe  noch  nicht  verdoppelt  (von  1884  —  1886  ging 
sie  zurück),  die  Zahl  der  Postkarten  ist  ülbI  auf  das  15&che 
gesti^en. 

Der  Kreis  der  von  der  Post  i)esorgtcn  Geschälte  tat  be- 
grenzt. Auliser  der  gewöhnlichen  Biiefpost  fiir  Briefe  und  Di*uck- 
eachen '  beschränkt  sie  sich  auf  Vermittelung  von  Postanweisungen 
und  den  Poetsparkassendienst    Der  letztere  ist  im  vorigen 


'  Mittelstellung  zwisch^  Kul'äUud  und  Oriechenland  im  Jahre 
»  Die  Zahl   stieg  1888  auf  fiut  159  Millionen  Stfick  (4  auf  den 
Kopf). 

-  Un-er  ZoitiinL'-aVionncmrnt  durch  die  i'ost  war  peplant,  ist  aber 
nicht  zur  .-^Ubiulimug  gekoiiiineii.    Kbei)t>o  ljii;her  die  Puketpoet. 


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X  4. 


257 


Eapitd  besprochen.  Der  Poatanweisimgsverkehr  ist  ▼^hsltnb- 
XDilistg  nnbedeutend.  Er  erreichte  Beinen  eräten  Höhepunkt  mit 
62.',  242  Stück  ausgezahlter  Postanweisungen  über  9124573  Yen 
im  Jahre  1882,  sank  darauf  bis  1884  (G  850  988  Yen)  und  stieg 

daruiit'  bis  1&87  auf  1432r>9f»  Stück  und  lo<»013;i8  Yen.  Der 
Dienst  ist  so  schwert^illig  und  rücksichtslos  gegen  das  Publikum, 
dalk  dieser  Verk»^lir  sieh  nicht  sondcrlicl»  entwickeln  kann. 

Überhaupt  kaiui  ich  dem  von  luauchen  leiten  der  japanischen 
Postverwaltaug  gespendeten  groOMn  Lobe  nicht  beipfficntra.  DaXk 
die  Ton  fremden  Angestellten  ungerichtete  Bridpost  gans  be- 
friedigend ar>)citet,  seheint  mir  kein  so  besonderes  Verdienst. 
Alles,  was  über  die  alltiiglichste  Routine  liinausgeht,  wird  hcKihBt 
schwerfalh'g  und  ohne  jede  Hücksiclit  auf  die  Zeit  des  Publikums 
behandelt,  ein  Unist^md,  der  auch  der  Kntwickelung  der  Post- 
äparkasse  hinderlich  ist. 

I  )ie  Anfänge  des  Telegra})hen  gehen  auf  das  Jalir  lst;9 
zurück.  Im  Jahre  Ib^Tl  hatte  man  l'U  km  Linie  im  Betrieb  mit 
8  Hanpt-  und  Ne'benUmtem  und  beförderte  19448  Td^gramme. 
Die  weitere  Entwickelung  war': 

1877  78  1882  83  .1887 

Haupt- u Uli  Nebenämter      117  224  220 

Länge  der  Linien        "  4560  km  8190  km       10100  km 

Länge  der  Drähte       11500  hm  22099  km  27470km 

Zahl  der  Telegramme  802236  St.  2811629  St.   2489136  St 

Za  den  211  Haupt-  und  15  Nebenämtern  des  Jahres  1887 
treten  aber  DOch  20  Postämter  mit  Telegraphen  dienst  und  2&4 
Telephonämter.  Trotsdem  ist  die  Zahl  der  Stationen  im  Ver- 
hältnis zur  Ausdehnung  der  Linien  aufFallend  gering  und  noch 
gerin;: er  die  Zahl  der  Telegramme,  Rechnen  wir  alle  Arten 
von  Ämtern  (.')0(i|,  so  gi*4)T  das  erst  1  Station  auf  765  Quadrat- 
kilometer und  78  00(1  Einwohner.  Auf  1000  qkni  kommen  erst 
2,7  km  Linie,  auf  lOO  Einwohner  5,-  Telegramme-.  Die  wirt- 
schaftliche Krisis  hat  die  Benutzung  des  Telegraphen  erheblich 
▼ermindert.  Die  Zahl  der  Privattelegramme  allein  oetrug  1882/83 
(HöhejpuDkt)^  2680094  und  sank  bis  1886  auf  2131254,  um 
erst  1887  wieder  etwas  zu  steigen,  nämlich  auf  2  246  847,  beaw. 
2471881  im  Jahre  1888.  neben  210239  amtlichen  Telegrammen. 

Von  den  1887  im  inländischen  Verkehr  aufgegebenen  Tele- 
grammen kamen  17  Prozent  auf  den  Bezirk  Tokyo  (20  Pro- 
zent der  Gebuhren),  12  Prozent  aul  Osaka,  9  Prozent  auf  den 
Hokkaido,  8  Prozent  auf  Kanagawa,  5  Prozent  auf  Hyogo,  auf 
die  übrigen  41  Bezirke  also  weniger  als  die  Hälfte. 


'  Die  Zahlen  .<ind  seit  für  das  Kaiendeijahr,  vorher  für  das 
Finanzjahr  mitgcteiit 

'  Letzteres  aar  halb  soviel  als  1885  im  europttisdiea  Bulsland. 
*  Der  Telegraph  wurde  voa  den  Börseiuipieleni  stark  benutzt. 

Forachnngen  (45)  X  4.  —  Rattigen.  17 


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258 


Seit  Anfang  1880  ist  die  Verwaltun^r  'I^t  Tpl^aphcn,  die 
bis  dahin  selbsWnHjrr  ^y^y^  mit  der  Postverwaltunir  im  MinL^tei  lum 
des  Verkehrswesens  vereinigt.  Für  die  Beurteilun^i  der  Zu»t-inde 
hat  dies  den  Nacliteil,  dals  seitdem  diia  Verhältnis  der  Ein* 
naiiiueu  zu  den  Ausgaben  nicht  zu  erkennen  ist,  auch  nicht 
für  beide  Verwaltungen  ziuammengeDommeDy  da  das  Verkehn- 
mlniaterium  auch  die  Angelegenbeiteii  der  Seeschlffiihrt  verwaltet 

Bei  der  Post  tlbertraien  nach  den  RechnungsabschltlflseEi  tod 
1879  bis  1882  die  Einnahmen  die  Ausgabe.  Ob  sich  das 
wirklicli  so  verhalten  liat,  ist  IragUch  In  allen  anderen  Jahren 
waren  die  Ausgaben  grölser  als  die  Kinnahmen',  l'eim  Tele- 
graphen waren  von  1879  bis  188r>  die  ijnnahnien  aus  den  Ue- 
bilhren  nm  ein  geringes  höher  al»  die  Ausgaben.  Dafs  gegen- 
wärtig die  Einnahmen  beider  Verwaltungen  erhebliche  Überschüsse 
liefern,  Ut  nicht  ansunehmen.  Es  nt  wahracheinlichi  dais  aie  sich 
besten&lls  ungefthr  im  Gleichgewicht  befinden*. 


Die  Post  besorgt  wie  erwltlmt  keine  Pakete.  Fttr  den 
Paketverkebr  sorgen  Privatgesdlschaften  ^  namentlich  die 
Naikoku  Tsonn  Kwaisha.  Sie  ist  entstanden  aus  einer 
Verschmelzung  der  älteren  Transportgesellschaften  (Hikyaku 
Toiya  K.),  welche  sich  im  Mai  1872  zur  Rikuun  Moto  Kwaisha 
vereinigten.  Im  Fehrunr  1  ^7r>  wurde  die  Gesellschaft  reorganisiert; 
sie  erhöhte  ihr  Kapital  aut  2U0000  Yen  und  nahm  den  jetzigeu 
Kamen  an.  Das  Kapital  wurde  1867  auf  lOOüOuO  Yen  (in 
lOUOO  Aktien)  erhöht,  wovon  bis  Ende  1888  520000  Yen  ein- 
gezahlt waren.  Die  G^llschaft  hat  seit  1878  regelmäisig 
10—13  PhMBent  Dividende  gegeben,  1887  18  Prozent.  1888  U 
Prozent.  Der  Reservefonds  betiftgt  gut  1 40  ODO  Ten.  Ende  1 888 
hatte  die  Gesellschaft  12  Haupt-  und  38  Nebenstellen  mit  zahl- 
reichen Agenturen.  Die  Zahl  der  befönlerten  Pakete  war  1888: 
82t>G708  Stück  im  Gewicht  von  807^7000  )  kg  (1R87:  485O104 
Stück,  108G9G000  kg).  Die  Gesellschaft  besorg  ferner  Geld- 
anweisungen. Die  Summe  der  verniitteltt  n  Zahlungen  betrug 
1887:  115^0590  Yen  (also  mehr  als  bei  der  Post),  1888: 
13356207  Yen'.   Endlich  Termittelt  die  Gesellschaft  auf  einigen 


*  Das  unvollständige  Finanzjahr  188-5.8^  uuberiicküichtigt  gelas^eu. 

*  Na«h  dem  Abecblufs  fttr  1887/88  war  die  Einnahme  der  Post 

2ßß:n>40  Von,  die  dor  Telopraphenverwaltiing  720 '_M:'  Veu,  /nsammt'u 
.H392  8V>  Yen.  Doch  war  die  Fosteinnahme  abnorm,  weil  die  Wieder- 
vwrkftafer  von  Rriefmarken  wegen  bevorstehender  Herabsetzung  des  ihnen 
anstehenden  Kabatts  von  7  auf  5  Prozent  ungewöhnliche  Nlen^en  von 
Rricfinarken  kauften,  l^'w  presamtp  Ausgabe  des  Verkehrsmimateriumä 
war  ;>Gl>y2;>^J  Yen,  wobei  aufoer  Post  und  Telegraphie  alle  Schift'ahrts- 
sachen  sind. 

*  1^^*^^  hat  sich  der  Betrieb  der  Tsuun  Kwai-ba  noch  erheblich 
veigrüfsert,  der  Anweisungsverkebr  allein  auf  beinahe  32  Millionen  Yen. 


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X  4. 


259 


Strecken  dfm  PassniriVi  v«  rkobr  auf  den  kleinen  KUstendampfcm. 
Sie  betürderie  auf  diese  W*  i>e  1888:  464317  Personen,  im 
Vorjahr  heinahe  ebenaoviele JJie  Einnahmen  betrugen  1888: 
828  224  Veu,  die  Ausgaben  7G2099  Yen.  Der  Dicust  der 
Tamm  Kwaisha  ist  etwa»  langsam  und  schwer^ig^  aber  durch- 
aus zuveiiasaig. 

Übrigens  ist  sie  nur  die  wichtigste,  nicht  die  einzige  der- 
artige Unternehmung  in  Japan.  Die  bedeutendste  nach  ihr 
dürfte  das  dem  groisen  Kuufuiannshanse  Mitsui  ziigehorondo 
Speditionsgeschäft  sein,  ül)pr  woldies  mir  alx-r  nähere  Angaben 
fehlen.  Nach  einer  etwas  w  underlichen  T  abelle  des  Statistischen 
Jahrbuches  (^\  III  308)  hätte  es  in  ganz  Japan  (ohne  Oki- 
nuwa)  1887  13630  ^.Landtransportgeschäfte''  gegeben,  welche 
301 723  Mensdien,  122838  Pferde^  13243  Stiere,  205866  Wagen 
und  Karren,  1946  Sänften  und-  11535  Schlitten  beschäi^gton. 
Was  dabei  aber  als  „Transportgeschäft'*  angesehen  ist,  wird  nicht 
klar  und  scheint  auch,  nach  den  Unterächieden  in  den  Zahlen 
2U  urteilen,  in  den  einzehien  Bezirken  sehr  verschieden  au^e&fst 
zu  sein. 


Die  Schiffahrt^  hat  für  Japan  in  seiner  inbuiaren  Luge 
besondere  Bedeutung.  Herrscht  den  Zahlen  nach  immer  noch 
das  schwerfilUige,  einheimische,  an  die  Kttste  gebundene  Fahr- 
zeug, das  man  sich  gewöhnt  hat  Juoke  zu  nennen,  obgleich  es 

von  der  chinesischen  Junke  doch  ziemlich  abweicht,  so  macht 
sich  daneben  das  Schitf  „westlicher  Form" ,  das  Dampfschiflf 
wie  das  fremde  Segelschiff  doch  mehr  und  mehr  geltend.  r>er 
Personenverkehr  ist  ganz  auf  das  I  )anipf;schitr  iibergc;^^angcn. 
Aber  audi  für  den  Frachtverkt.hr,  namentlich  flir  wertvolle 
Fracht,  wird  das  fi-enide  Scliiff  immer  wichtiger. 

Die  Entwickelung  der  Handelsflotte  im  einzelnen  hat  sich 
folgendennalsen  YoUzogen. 

Die  2aihi  der  Jonken^  war  davon  ttber  500  Roku  grots 

Zahl        Gehalt,  Koku      /lunl      Gebalt,  Koku 

1872  18640      3312281       1485  1186368 

1873  226dd      3835402      1534      1  201398 


'  I  I»  ili  uipr  ist  in  Japan  die  Vfiinitt  l  un^  in  diesen  Dingen  üblich. 
BilletM  tür  Dauipfschiffe  wie  für  Theater  und  uiidcre  äehenswürdigkeiteu 
kauft  man  der  Regel  nach  duich  Vermitteluntf  der  Restaurants,  für 
welche  das  Geschäft  eine  wichtige  Einnahme  bildet. 

*  9^0  pchen  z.  Ii.  Packereien  von  Napifaki  nach  Tokyo  nicht  direkt, 
sondern  erst  nach  Osaka,  wo  sie  umspediert  werden. 

*  Sehr  fragmcntariflche  geschichtliehe  Notizen  in  einem  Aufsatze 
▼On  Bonar,  in  Transactions  of  tlie  As.  Soc  of  Japan  XV  l<i-*>  \-'>. 

*  d.  h.  Seefahrzeuge  von  mehr  als  ."»v»  Kuku  Kaum.  —  Die  Grölse 
der  Junken  wird  noch  der  Gröfse  des  Laderaums  in  Koku  (180  l)  be- 
stimmt. Den  VcorfaUtnissen  durfte  es  entsprechen,  wenn  man  10  Koku  = 
1  Tonne  setzt,  wie  die  Statistik  dea  Zollamts  that,  obgleich  der  Koka 
dabei  etwas  zu  niedrig  erscheint 

17  • 


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260 


X  4. 


Die  Zahl  der  Junken  war  davon  über  ■'><•«)  Koku  groCa 


Zahl 

Gehalt,  Koku 

Zahl 

Gebaitf  Koka 

1877 

18904 

3251425 

1311 

1040  519 

1878 

19135 

3333400 

1412 

1  128140 

1882 

17309 

2928 701 

1288 

990771 

1888 

10149 

2655763 

1121 

847614 

1886 

16757 

2786818 

1152 

879210 

1887 

17194 

2851247 

1138 

869213 

Im  letztgenannteii  Jahre  waren  daninler  von  50  bis  100 

Koku  9142  Stück  mit  052820  Koku  Raum,  also  ▼om  100  bis 
500  Koku  0919  Stück  mit  1329214  Koku  Raum.  • 

Wie  mau  sieht,  haben  die  .Tunken  sich  vermindert,  nher 
doch  ist  ihre  Zahl  noch  iniraer  recht  grofs  und  besonders  auf- 
fällig ist,  dafs  sie  seit  dem  tiefsten  Stand  dos  Jahres  1883  sieh 
wieder  vermehrt  haben.  Es  scheint,  als  ob  in  den  Zeiten  der 
Kot  die  Nachfrage  nach  ganz  billiger  Frachtgelegenheit  söge- 
hätte.  Gegenüber  der  BiUigkeit  kam  der  Zeitverlust 
nicht  in  Betracht.  Um  dem  entgegenzuwirken,  hat  die 
Regierung  nicht  nur  1883  die  Steuern  auf  Schiffe  ja})anischer 
Bauart  erhöht,  sondern  sogar  den  Bau  von  Junken  über  500 
Koku  ganz  verboten  (Nr.  16  vom  8.  Juli  1885,  in  Kraft  vom 
1.  Januar  1888). 

Dafs  es  1S87  aufserdem  .")45iiü4  writ(  rc  steuerpflichtige 
Fahriseuge  gab  (Seebote  unter  50  Koku  und  B'lulsfahrzeuge, 
tamtHch  ab^  3  ken^5,u  Meter  lang)  gegen  427235  Im  Jahre 
1882,  Bei  nebenher  erwähnt^. 

Bemerkenswert  ist,  dafs  die  Abnahme  der  Junken  durchaus 
nicht  gleichmäfsig  in  allen  Landesteilen  stattgefunden  hat.  Ein 
Verg:leicli  der  Zahlen  für  1^81  ^^2  mit  denen  der  letzten  Jahre 
zeigt,  dafs  in  I*.ezirken  mit  off  ner,  c:(  talirlieher  Küste  die  Junkeu 
rasch  abnehmen.  In  den  zehn  ützirken  der  Westküste  von 
Honshu  (ohne  Hyopro\  von  Aoniori  bis  Shiinane,  war  der  Oehait 
der  dort  beheimateten  Junken  fast  820000  Koku,  1887  knapp 
402000.  Dagegen  in  ffeachtttsten  Kttolengewmwem  war  die  Zu- 
nahme nicht  unerheblida,  «o  in  den  drei  Besirken  um  die  Tokvo- 
bucht,  80  namentlich  in  der  Inlandaee  Auf  die  Bezirke  Oiakai 
Hyogo,  Okayama,  Hiroshima,  Yamaguchi,  Ehime  und  Oita  ent- 
fiekn  1881  83  Prozent  aller  Junken  dem  Räume  nach,  in  den 
letzten  Ja'.ren  45  Prozent,  damals  1090000  Koku,  1887: 
12791HJU  Koku. 

Die  Zahl  der  steuerpflichtigen  Schifle  europäischer  Form 
hat  sich  folgendennafsen  entwickelt: 


'    \;it'-t  nlrin  I^)Otc  /nm  \*cri,mn:.'cn ,  .^Gondeln"  kciimle  m.'^n 

au  beüleu  übcrsetzeu.  Dafs  davon  907  nach  Osaka  gehörten,  wird  jeder 
venteben,  der  einmal  dort  an  einem  schönen  i^ommerabend  das  Leben 
anf  dem  Flusse  gesehen  bat. 


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261 


Dampfer  Sogelscliiffe 


Zahl 

Tonnen- 

Pferde- 

Zahl 

Tonnen- 

gebalt 

krktte 

gehalt 

1873 

110 

26088 

7904 

36 

8483 

1876 

159 

40248 

11680 

51 

8  79U 

1879 

199 

42  763 

12  623 

174 

27551 

1882 

344 

42107 

13111 

432 

49094 

1885 

461 

59613 

15417 

509 

52643 

1887 

486 

72322 

16641 

798 

60975 

Im  Jahre  1887  Terteilten  sich  diese  Schiffe  auf  folgende 
Ofö&enklaflsen : 

Dampfer  SegelKhiffe 


Zahl 

Tonnen - 

Pferde« 

ZaU 

Tonnen - 

gehalt 

knifte 

gehalt 

unter 

50 

Tonnen  272 

4  431 

3346 

383 

11459 

50- 

■100 

91 

6550 

2213 

309 

22195 

100- 

500 

81 

18823 

4  151 

103 

25298 

aher 

500 

42 

42518 

6931 

3 

2023 

Die  2^hlen  sind  hIJchst  lehrreich.  Die  grö&eren  Dampfer 
haben  sich  nidcweise  vennehrt,  jedesmal  durch  einen  yon  der 
Regierung  gegebenen  Anstois.  Die  erste  Periode  1874/77  war 
die  Zeit  der  Foniiosa-Expedttion  und  der  Aufstände  im  Süden. 
Der  Staat  kaufte  Transportdampfer  und  entledigte  sicli  ihrer 
wieder  zu  Oiinston  cler  stMatlich  geförderten  Mitsu  Bisiii  Oe- 
sdlschaft.  Im  Jaiiro  1^78  gab  es  32  Dainpter  von  mehr  als 
500  Tonnen,  mit  2bö5ö  Tonnen  Gehalt.  Bis  1S83  sank  ihre 
Zahl  auf  22  mit  20379  Tonnen  Gehalt.  Die  staatüclie  (  irundung 
einer  neuen  grolsen  Dampfei^gesellschaft  (vgl.  unten)  gab  dann 
den  zweiten  Anstois,  der  bis  1 887  die  Zunahme  auf  die  angegebene 
Zahl  von  42  mit  42518  Tonnen  Gehalt  bewirkte. 

Gans  anders  vollzog  sich  die  Entwickelune  bei  den  kleinen 
Dampfern  und  den,  wie  die  Zahlen  zeigen,  durchweg  kleinen 
Scp:(  IschiflTen.  Sehen  wir  dort  den  äufseren  Anstofs  der  Beerierung, 
Bo  finflen  wir  liier  eine  allmähliche^  dem  vorhandenen  Verkehrs- 
hrd  int  Iiis  i  olgende  Entwich  elun^.  Bei  den  DainpfschifFen  wachst 
namentlich  die  Zahl  der  ganz  kleineu  Dampfer  von  weniger  als 
100  Tonnen«  wdche  an  den  gesebatsten  Teilen  der  Koste  in 
erster  lim'e  tei  Personenverkehr  dienen.  Die  Zahl  der  Dampfer 
Bwischen  100  und  500  Tonnen  wuchs  von  1878  bis  1882  nur 
von  42  auf  47,  seitdem  etwas  schneller  bis  auf  8i  im  Jahre 
1887.  Dagegen  stiVf^en  die  p^anz  kleinen  Dampfer  von  weniger 
als  100  Tonnen  von  J21  im  Jahre  1H78  auf  275  im  Jahre  1882 
und  303  im  Jahre  1887.  Die  Zahl  der  fi*emdgebauten  Segel- 
schiffe stieg  nur  ganz  langsam  bis  1877  (75  Stück)  und 
wuchs  rasch  bis  1882  (432).  Dann  trat  ein  kleiner  Rückschlag 
ein  bis  1884  (402),  dem  aber  dne  noch '  schnellere  Zunahme 
folgte.    Diese  Zunahme  beschrankt  sich  jedoch  ganz  auf  die 


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262 


X  4. 


Schiffe  tmter  100  Tonnen,  die  kleinen  Schoner,  die  man  Uberall 
jetzt  an  der  Küste  sieht,  die  jeden  kleinen  Hafen  anlaufen 
können,  um  die  geringen  zu  verschiffenden  Warenracnrrf^n  auf- 
zAinoliTnen.  Für  grölsere  Segelschiffe  besteht  kein  Bedarf.  Die 
Segelr^t  hiliV"  von  mein-  als  liH)  Tonnen  liaben  sich  seit  dem  Jnhre 
1882  von  126  mit  einem  Gesaiutgehait  von  31058  Tonnen  auf 
104  mit  27321  Tannen  Termmdert*  Die  bis  zu  100  Tonnen 
dagegen  stiegen  in  der  gleichen  Zeit  von  309  mit  18  036  Tonnen 
auf  002  mit  33654  Tonnen. 

Während  von  den  42  Dampfern  mit  mehr  als  500  Tonnen 
39  nach  Tokyo  gehören  (Sitz  der  grofsen  Kihon  Yusen  Kwaisha), 
sind  von  den  mittleren  (100-500  Tonnen)  fast  die  Hälfte  (38) 
und  von  d(  n  kleinen  (  unter  100  Tonnen)  54  in  Osaka  zu  Hause, 
von  wo  aus  die  Fahrt  in  der  Inlandsee  betrieben  wird.  Die 
drei  Bezirke  an  der  Tokyobuclit  mit  den  einmündeudeu  schiff- 
baren flUssen  hatten  19  von  den  mittleren  und  109  von  den 
kldnen  Dampfschiffen,  Nagasaki  4  mittlere  und  25  kleine,  Shiga 
mit  dem  Biwasee  3  mitüere  und  24  kleine.  Für  die  Segel- 
schiffalirt  steht  Nagasaki  an  der  Spitae  mit  13  210  Tonnen.  Ihm 
folgen  Osaka  mit  9750  Tonnen,  Tokyo  mit  1>3()0  Tonnen,  Hyoj/o 
mit  T'.'IO  Tonnen,  llokkaido  mit  Tonnen  und  Aichi  nn't 

3501  Tonnen.  Ganz  ohne  Schiffe  fremder  Bauart  war  1887 
kein  einziger  von  dr-n  an  die  Küste  stoisenden  Bezirken,  aber 
auch  schon  1882  waren  es  nur  zwei. 

Die  Statistik  des  Schiffahrts verkehre  in  den 
einzelnen  Httfen  des  Landes  liegt  ziemlich  im  argen.  Das 
Zollamt  ▼erOfientlicht  in  seiner  Handelnstatistik  den  direkten 
Schifisverkebr  mit  dem  Auslande  und  den  Verkehr  zwischen 
den  offenen  Iiiifen.  Bei  letzterem  sind  aber  von  japanischen 
S(  Iiiifen  nur  die  im  auswärtigen  Handel  besehHftigten  einge- 
sriilossen.  Uber  den  Verkehr  Japanischer  Schiffe,  die  im  Binnen- 
handel beschäftigt  sind,  giebt  die  allgemeine  Statistik  und  das 
Tabellen  werk  des  Ministeriums  für  Landwuischaft  und  Gewerbe 
Übersichten  der  mit  Ladung  angekommenen  und  abgegangenen 
Schiffe,  wenn  dei'  Wert  (nttmiich  der  angekommenen  und  abge- 
gangenen Waren)  gröfser  als  100000  Yen  ist,  Die  Angaben 
beziehen  sich  auf  etwa  100 — 170  Seeplätze  und  60  Plätze  an 
Flflssen  und  Seen.  Dv-  Zahlen  .sind  aber  auch  so  noch  un- 
sicher und  unvollständig.  ^^'iehtige  litten  fehlen  ganz. 
Z.  B.  ist  fiir  den  Bezirk  Tokyo  nur  der  \  1 1  k»  hr  auf  der  lieede 
von  Shinagawa  angegeben,  der  von  Tokyo  selbst  feldt  und  1B87 
fehlt  auch  Shinagawa.  Für  das  Jahr  1887  sind  aufserdem  nur 
die  Summen  aller  Hfite  eines  Bezirkes  ▼erOffentlicbt,  was  die 
TabeUe  iHkr  weitere  Untersuchimgen  vollends  unbrauchbar  macht. 

Versuchen  wir  es,  die  Zahlen  iUr  1885  bis  1887  in  ihren 
Hauptergebnissen  zusamraenzn>t<'llen,  so  ist  also  zu  beachten^ 
dals  die  unter  1  und  2  gegebenen  Zahlen  vollstMiidiL''  ^ind  Die 
dabei  vorkommenden  Junken  sind  unter  die  SegelschiÜe  ge- 


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268 


rechnet.  Die  Zahlen  unter  3  beziehen  «ich  nur  auf  Schiffe  mit 
Ladung  und  sind  unvollständig.  Durchweg  sind  10  Koku  = 
1  Tonne  gesetzt  ^ 

{^ieh&  Tabelle  Seite  2tA.) 

Wie  wenig  Wert  auch  die  Zahlen  unter  3  im  einselnen 
haben  mOgen,  so  sind  iie  doch  immerhin  geei^et  eine  Vor- 
stellung von  der  fiedeutang  des  Seeverkehrs  an  den  japanischen 
Küsten  zu  geben.  Nicht  verfressen  darf  man  natürlich,  dafs 
jedes  8chifF  auf  jeder  Keise  eben&ovielmal  gezählt  ist,  als  es  in 
die  Übersicht  aufgenominene  H.Ifen  berührt  hat,  was  namentlich 
die  ungeheuren  Zahlen  tiir  den  Oanipfschiffsverkehr  crkliirt. 

\  on  einzelnen  Hüten  stellt  an  der  Spitze  Shiuiüüubcki  mit 
setnem  grofsen  Durchgangsverkehr  mit  1767000  Tonnen  an- 
gekommener Schiffe  im  Jahre  1886.  Ihm  folgt  Kobe  mit 
1458000  Tonnen,  wobei  noch  zu  beachten  ist,  dafs  das  un- 
mittelbar benachbarte  Hyogo  757000  Tonnen  Eingang  hatte. 
An  dritter  Stelle  kommt  NaL':a8aki  mit  1207000  Tonnen,  an 
vierter  Yokoham  i  mit  1  047ihh)  Tonnen,  an  fVmtter  Hakodate 
mit  517  000  Tonnen,  Von  anderen  bedeutenden  Häfen  sei 
Tadotsu,  der  Mittelj)unkt  des  Inlandseeverkehrs.  genannt  mit 
308000  Tonnen  und  Yokkaichi,  der  llaupthafen  der  Owari bucht, 
mit  235000  Tonnen. 

Die  amtli'li  Statistik  weist  auch  tiir  den  Wassertrans- 
port die  Zahl  der  <  iesellschafiten,  welche  das  Frachtgeschäft 
betreiben,  nach-  Auf  Flüsiaen  und  Binnenseen  betrieben  das 
Geschäft  danach  (iö  Gesellschaften,  zusammen  mit  emem  Kapital 
von  990496  Yen,  82  Damp&chi£fen  von  2622  Tonnen  nnd 
1087  Schifien  japanischer  Bauart  Gana  anders  nehmen  sich 
die  Zahlen  für  den  Seeverkehr  aus.  Die  Zahl  der  Gesellschaften 
war  63,  ihr  Kapital  14426460  Yen.  ihre  Schiffe  202  Dampfer 
von  84007  Tonnen  2,  224  Sc^^rlscliifh'  von  8572  Tonnen  und 
191  .Tunken  von  15  00.')  Tonnen.  Aber  auch  von  diesen  Ge-  * 
Bcll.scliattrn  sind  die  meisten  reelit  unbedeutend.  Von  dem 
K.'ijjital  kuiimien  auf  eine  Gesellschaft  1 1  Miiiiunen,  auf  eine 
andere  1350000  Yen,  so  dafs  fUr  die  Übrigen  61  Gesellscbaften 
nur  2076460  Yen  übrigbleiben.  Jene  beiden  grofsen  Gesell- 
schaften sind  dieNihon  Yusen  Kwaisha  (Japanische  Post- 
Bchiffahrtsgesellschaft)  und  die  Osaka  Shosen  Kwaisha 


^  Die  Zahlen  unter  1  und  2  aus  der  Handelsstatistik,  die  unter  '6 
fiir  1885  Statist  Jahrb.  VI  221  ff.,  fitr  1886  gtatiitisehe  Tabellen  des 

Ministeriams  für  Landwirtschaft  und  Gewerbe  Bd.  TIT.  Handel,  S.  1  1!  , 
für  1S87  Statist.  Jalub.  VIII  ff.  isv."  enthält  auch  Flufs-  und 
Binnenhäfen,  für  manche  Häfen  nur  die  Zahh^n  für  6  Monate. 

•  Die  Tonnenxahl  bei  den  einzelnen  Fraihtposellschaften  ist  regel- 
Diärdig  höhoT  als  die  versteuerte  Tnnnenzahl.  Währrnd  letztere  sich 
auf  den  Nettoraum  bezieht,  dürften  ersteres  Bruttotounen  sein. 


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264 


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X  4. 


265 


(Osaka- Kaut'tahrteigesellschaft).  Jene  beherrscht  den  gesamten 
grofsen  D;ini))f8cliiftsvcrkelir,  diese  den  Verkehr  von  O&ika  ans 
nach  Westen  und  Stidt^n.  Ks  dürfte  sich  verlohnen,  beiden, 
aber  namentHch  der  erstgenannten  in  ihrer  höchst  bezeichnenden 
Entstehungsgeschichte,  etwas  näherzutreten. 

Die  Osaka  Shosen  Kwaisha  ist  im  Mai  1884  aua  der 
YenchmelsuDg  mehrerer  der  kleinen  Qesdkchaften  entstanden, 
welche  von  Osaka  aus  den  Verkehr  kleiner  Dampfer,  namentlich 
in  der  Inlandsee,  besorgten.  Am  Ende  ihres  ersten  Geschäfts- 
jahres (1884)  hatte  sie  96  Sehitfe  mit  10583  Tonnen  Gehalt. 
Sie  hat  sich  dann  der  kleinsten  Schiffe  nllTnlOdifh  cntledi«;!  und 
besala  i'^de  1888  nur  mehr  55  Schiflfe  mit  HU^2  Tonnen,  eine 
Steigerung  der  Durchschnittsgröfse  von  1 1 0  auf  1 47  Tonnen. 
Hauptsächlich  dient  sie  dem  Personenverkehr,  welcfier  die  grölsere 
Hälfte  der  Einnahmen  bringt.    Diese  betrugen  nftralich 

vom  Personen verkelir     vom  (lüterveikelir 

1B85  539  184  Yen  370  809  Yen 

1887  451139    -  407123  - 

1888  417915    •  376891  - 

Die  Zahl  der  beförderten  Personen  sti^  in  d^  angegebenen 
Jahren  Ton  506758  auf  745315.  Von  den  beförderten  Waren 
wird  nnr  die  Stückzahl  angegeben^  die  wenig  Wert  hat.  Sie 
«tieg  von  2031090  auf  3500  459. 

Das  Kapital  der  Gesellschaft,  anfhnglieh  1  l^v^QOO  Yen,  ist 
1880  auf  l.^nOdOO  Yen  vermehrt  Bis  Ende  1888  war  ein 
üeservefonds  von  280025  Yen  angi^ammelt.    Es  betrugen 

die  Einnahmen  die  Ausgaben  die  Dividende 

1885      945173  Yen  808  599  Yen        5,7»"  o 

1887  907  089    -  686425    -  7,^»  o 

1888  850028    -  775  508    -  0 

Die  (Jeüellschatt  war  anfangs  ganz  unabhängig  vom  »Staat, 
hat  aber  1887  einen  Subventionsvertrag  abgescldossen,  wonach 
aie  von  1888  ab  auf  8  Jahre  eine  jährliche  Subvention  von 
50000  Yen  erhtfit  Daftlr  ttbemimmt  sie  die  Postbeibrdemng 
nach  einer  Ansahl  von  H^en  des  Südens,  yerpflichtet  sich  ihre 
Flotte  auf  13000  Tonnen  au  bringen,  ihre  neuen  Dampfer  und 
die  anzustellenden  Offiziere  vom  Verkehrsministerium  genehmigen 
zu  lasson.  ihre  F^iieher  der  Kontrolle  zu  unterwerfen  und  be- 
stimmte »Sinnmen  für  Abschreibung  und  Uberweisung  an  Ver- 
sicherungs-  und  Repamturfonds  zu  verwenden.  Die  >nbvention 
erscheint  verhftltnisinjlfsig  niedrig,  wenn  man  bedenkt,  dals  die 
Oeseilschaft  Hir  Beförderung  von  Poststücken  schon  vordem  Uber 
5000  Yen  im  Jahre  einnahm. 

Die  Gesellschaft  erhielt  aber  aufserdem  vom  Staate  ein  in 
ftinf  Jahren  rUckaahlbares  Darlehen  von  150000  Yen.  Einer 
Notiz  in  der  gewöhnhch  gut  unterrichteten  Handelszeitung 
Shogyo  Shimpo  zufolge  wäre  nach  Zahlung  von  29744  Yen 


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266 


X  4. 


der  Hest  der  Schuld  erlassen.  Di*-  i !  >  sdlscliatt  li;^t  weder  tiir 
lbH8  noch  i\lr  1889  Dividende  vem  ili.  Die  Vergrtiiserung  und 
VerbcaseruDg  der  Flotte  ibt  inzwischen  in  Anmifi  genommen. 

Die  Yargetehtcbte  der  Yusen  Kwaisha  ist  ein  gaxuees 
Stück  neuster  japanischer  Geschichte  Als  die  Regierung  1871 
die  Ilan  abschnüle,  ttbemahm  sie  mit  deren  sonstigem  Eigentum 
auch  eine  Anzahl  von  Dampftchiffen.  In  ihrem  Bestreben,  den 
\'crkehr  zu  f()rdern,  id)erf,'ab  sie  diese  ??chitfe  mitsamt  dem  Be- 
triebskapital einer  zu  diesem  Zwecke  eegründeten  ^Postdarapf- 
schittaiirtögeselischalt'*.  Mangel  an  Erlanrung  wie  nn  Elirlichkeit 
liefsen  aber  die  (lesellschatt  nicht  zum  (iedeilieu  kommen.  Da- 
gegen machte  sich  bald  in  scharfer  Konkurrenz  mit  iiu  ein 
kleines  ganz  unabhängiges  Unternehmen  bemerklich,  welches  der 
Tosaner  Iwasaki  Yataro  1869  mit  ein  paar  Schiefen  seinei 
Han  begründet  hatte.  Als  nun  1874  der  Staat  genötigt  war 
fllr  die  Forraosa-Expedition  13  Schifie  an  kaufen  (i&r  insgesamt 
147t)  80t)  Dollars),  wurde  rliesem  onergisolien  und  praktischen 
Manne  die  Verwaltung  dieser  Flotte  übertragnen.  Nach  Ii<  en<^i2:mi2' 
der  Expedition  entstand  die  FVage,  was  man  nun  um  den 
Schiffen  machen  solle.  Da  gab  im  Sommer  IBTo  der  iMiniater 
des  Innern  Ukubo  zuerst  die  Parole  aus,  Japans  Verkehrswesen 
mtlsse  vom  Auslande  unabhüngi^^  gemacht  werden,  eine  starke 
nationale  Gesellschaft  und  eine  Seemannsschule  seien  dasu  nötig. 
Seit  1870  betrieb  die  PaciHc  Mail  S.  S.  Company  im  Anschluß 
an  ihre  gi'ofse  Linie  San  Francisco— Yokohama — Hongkong  eine 
Zweiprlinie  Yokohama  Kobe  NnL^asaki  Shanghai.  Diese  Unie 
beschlofs  rnnn  durch  Konkurren/  tu  verdrangen. 

Iwasaki  gründete  die  Mitsu  i^ishi  Kwaisha  ^ Drei-Rauten- 
Gesellsclialt,  nach  den  drei  stemartig  zusammengestellten  \  ier- 
ecken  in  ilirer  Flagge),  d.  h.  er  nanute  sich  so,  um  das  Er- 
fordernis einer  nationalen  „OeseHschaft"  zu  erfllUen.  Die 
Mitsu  ßishi  Gesellschaft  ist  nie  etwas  anderes  gewesen  ab  IwasakL 
Die  Gesellschaft  —  oder  Iwasaki  —  erhielt  nun  zu  ihren  11 
alten  kleinen  Schiffen  die  13  Expeditions- Dampfer  „  lastenfrei 
wie  da»  Privileg  vom  15  September  1875  sagte,  und  800000  Yen 
Betriebskapital,  von  denen  das  Privileg  schwieg.  Einige  Tage 
darauf  (2').  September)  erliielt  sie  noch  die  is  Fahrzeuge  der 
inzwischen  ganz  zusammengebrochenen  „rosttlampfschiliahrts- 
geseUschatit'',  welche  der  Staat  dieser  geschenkt  hatte  und  nun 
m  825000  Yen  zurückkaufte'.   In  diesem  Zusammenhange  sei 

'  Über  die  VorgKnee  bis  zur  OrnrnhiiiL'  1  r  Kvoilo  Uiiyu  Kwiiisha 
liegt  das  authentische  Material  vor  iu  /.wti  Dtakschiiitcu  vou  1^1.', 
einer  Beschwerde  von  Iwaeaki  Ysnosnke,  dem  Brader  des  Gründe,  s  der 

.Mitau  Bishi  Gesellschaft,  und  der  Antwort  des  Ministerilling  ftir  Land- 
wirtscliaft  und  <  lewerbe  Sie  «iiv<l  in  dif  Tagespresse  fjeraten  und  2.  B. 
abgedruckt  in  Japan  Weekly  Mail         S.  1104  0*.  und  1211  ff. 

2  Anscheinend  der  Betrag,  welchen  die  gleichfalls  staatliche  Wecbsel- 
bank  (Ka  vn-c  Kwaisha)  vorgestreckt  hatte  und  durch  dessen  Rück- 
forderung die  Postdampfschitfahrtsgesellschatt  zu  Falle  gebracht  wurde. 


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267 


gleich  erwähnt,  dafs  die  Pacific  Mail  S.  S.  C.  der  Konkurrens 
bald  ein  Ende  machte,  indem  sie  ihre  ganze  Linie,  4  Schiffe, 
2  Hnlks,  Speicher  u.  s  w.  der  Mitsn  Bislii  Gesellschaft  ftlr 
HtinniMi  1  »ollars  anbot.  Der  Staat  üeli  Iwasaki,  ;uif  Betreiben 
Ukubo^i  und  des  Fiiianzniiiiistcio  Ukuma,  diese  ^aiiiiiK*.  Kndlich 
wurden  1877,  um  die  Transportmittel  währeml  iles  Satsuma- 
Aufstandes  um  10  Schiffe  zu  vermehren,  der  Mitsu  Bishi  Gesell- 
acluift  700000  Yen  yom  Staate  geKeheo,  wMbreiid  de  aiu  dgenen 
Mitteln  380000  Yen  verwendete. 

Die  der  Gesellschaft  vom  Staate  ttbei^ebenen  Dampfer 
sollten  nach  dem  Wortlaut  des  Privilegs  „ak  Eigentum  der 
( iesi  llsciirtft  angesehen",  aber  olme  (ienehmi^niüs^  nielit  verkauft 
und  verptandet  werden  und  bei  Auflösung  der  Gesellschaft  an 
den  Stallt  zurückfallen.  Die  Regienin«j:  behauptete  später  — ■ 
nachdem  sie  mit  Iwasaki  zerfallen  war  ,  da?^  habe  nur  bedeuten 
aolien,  da&  die  Gesellschaft  die  Dampfer  auf  15  Jahre,  die 
Daaer  dei  Privilegs,  benutsen  solle. 

Das  VeiliältDts  wurde  aber  dadurch  kompUaiert,  dafa  nach- 
triiglich  Iwasaki  „als  Anerkenntnis  für  obige  Übertragtmg**  der 
Staatskasse  eine  Summe  von  1  200  000  Yen  in  50  Jahresraten 
zu  zahlen  übernahm.  Die  Absicht  Iwasaki«  und  des  Finanr- 
ministers  Okuma  scheint  dabei  gewesen  zu  sein,  erstereni  das 
unbedingte  Verlügungsreelit  rosp.  Eigentum  an  den  Schiften  zu 
verschaffen,  worauf  auch  der  Umstand  deutet,  dal's  in  der  Kon- 
oeasionsurkande  alle  Ausdracke,  wie  ^^lasteiOTeie*'  Übertragung 
an  die  M.  B.  Gesdlscbaft,  getilgt  wurden.  Später  hat  aber  die 
Regierang  behauptet,  die  in  50  Jahren  su  leistenden  Zahlungen 
Iwasakis  hätten  nur  ein  ^Anerkenntnis**  Air  das  auf  15  Jahre 
erteilte  Privileg  sein  sollen  Im  ganzen  hatte  die  M.  B.  Gesell- 
schaft dem  Staate  1590  000  Dollars  und  1829940  Yen  in  10. 
12,  14.  15  und  50  .laliren  zu  zahlen  und  zum  Teil  mit  2,  3  und 
5  Prozent  zu  verzinsen.  Die  jährlichen  Zuliluiigen  an  den  Staat 
beliefen  bich  aul  ^ui  270000  Yen.  Dagegen  erhielt  die  Oesell- 
Bchaft  filr  ihre  aent  Hauptoostlinien  Subventiimen ,  ursprünglich 
250000,  später  275000  Yen.  Aus  aUen  diesen  verwickelten 
Schuld-  und  Subventionsverhältnissen  ergiebt  sieb  also  die  auf- 
fiülige  Thatsache,  dafs  Iwasaki  ungefähr  ebenaovid  Subvention 
erhielt,  wie  er  Zahlungen  an  den  Staat  zu  machen  hatte.  Mit 
anderen  Worten:  Iwasaki  hatte  die  Schiffe  umsonst  in  Gebnnic  h 
und  war  dafür  verpflichtet,  gewisse  Linien  zu  befahren,  wjilirend 
die  Schuld  an  den  Stiuit  sich  von  selbst  verminderte  (bis  Ende 
1882  um  1  ioOOOO  Yen). 

Bemerkenswert  ist  aufberdem,  dafs  die  Gesellschaft  eine 
Schale  war  Heranbildung  von  Kapitflnen  und  Steuerleuten  er- 
richten und  daau  jährlich  eine  staatliche  Beihülfe  von  15000  Yen 
erhalten  sollte.   Endlich  war  der  QeseUsohaft  verboten ,  andere 

Geschäfte  zu  betreiben. 

Die  Gesellfichaft  betrieb  nun  wohl  keine  anderen  Cieschäüte, 


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268 


X  4. 


desto  mehr  abfr  Herr  Iwasaki.  Ein  thfitiger,  kühner  Geschäfts- 
mann, der  einzige,  der  in  Japan  die  Dienste  von  Analfindern 
wirklich  7ai  bentitzen  ver!>Utii(ien  hat,  indem  er  iluit  ii  voll,  s  \  vr- 
traiien  aclienkte,  war  er  gleichzeitig  gut  befreundet  mit  dem 
Fiaanzminiater  Okuma,  und  wer  im  Rohr  sitzt,  hat  gut  Pfeifen 
schneiden.  Er  gründete  eine  eigene  Bank,  erwarb  Kupfergruben, 
sowie  1881  die  wichtigste  Kohlengrube  Japans,  Takasbima^ 
und  steckte  in  jeder  grölseren  Unternehmung,  war  Hauptaktionär 
der  Tokyo  -  Effektenbörse ,  der  Shokin  Ginko ,  der  Boyeki  Sho- 
kwai  (Gesellschaft  ftir  flirekten  Handel),  der  Seeversicherimgs- 
eesellschaft.  dor  Kilion  Tetsudo  Kwaisha  u  s.  w.  I)as  thatsäcb- 
liche  Monopol  de»  grölseren  Küstenverkelirs  machte  sich  also 
bezahlt.  Besorgte  die  Gesellschaft  ihren  'JVansportdienst  ganz 
ordentlich,  so  war  doch  nicht  in  Abrede  zu  stellen,  dafs  seit 
1877  cur  Emenerung  der  Flotte  nichts  geschah,  da(s  durch 
Schiff  brach,  Umwandlnng  in  Hulks  u.  s.  w.  bis  1882  Id  Schiflb 
in  Abgang  gekommen  und  nicht  ersetzt  waren.  Der  Regierung 
war  d<'is  alles  selbstverständlich  wohl  bekannt. 

!tii  Oktober  18^*1  stfir/te  Okuraa  und  schied  aus  der  Re- 
glerun;^^  Unmittelbar  darauf  begannen  die  An;^^riffe  gegen  die 
Mitsu  Bishi  (Gesellschaft*.  Ks  wurde  klar,  dafs  jetzt  die  Re- 
gierung der  iiauptgegner  war.  Iwasaki  war  der  reichste  Mann 
Japans  geworden,  &  war  der  Freund  des  mttchtigen  nun- 
mehrigen  Oppositionsführers  Okuma,  sein  Bruder  Iwasaki  Yano- 
suke  der  Sihwiegersohn  des  radikalen  Parteiftihrers  Goto; 
Iwasakis  beherrschende  Stellung  im  Verkehrswesen  des  Landes 
war  unbequem.  Jetzt  entdeckte  die  Regierung  auf  einmal,  dafe 
da  doch  zu  viele  Unregelmalsi^keiten  vorkämen,  dafs  die  Mitsu 
Bishi  G^Hillschaft  gar  kei?^*^  (Tesellsehaft,  sondern  Herr  Iwasaki 
sei,  dfifs  dieser  sein  Kapitell  zu  allerlei  ilim  gar  m'clit  erlaubten 
Gesciiaften  verwende,  statt  die  Flotte  zu  verbessern  man 
bedenke,  dals  die  Unimehmungen  znm  Teil  vom  Staate  selbst 
oder  mit  staatlicher  Oenehmigung  an  Iwasaki  Terkauft  waren!  — 
Schon  während  des  A  tf  tandes  von  1877  habe  er  ungebtthr- 
liehen  Nutzen  aus  der  Not  der  Regierung  gezogen.  Er  bediene 
sich  auch  zu  viel  fremder  Angestellter^.  Die  Kegiernng  sei  in 
ihrem  Recht,  wenn  sie  das  ganzr  Privileg  mitsamt  den  Schiffen 
zurücknähme.  In  ihrer  Milde  liegnügte  sie  sich  mit  einer 
Revision  dea  Privilegs  (28.  Februar  1882),  welche  die  Aulsicht 
verschärfte  und  namentlich  jährliche  Hinterlegung  von  190000 
Yen  verlangte  mm  Bau  und  Kauf  neuer  oder  Umbau  alter 


^  Takashima  war  bis  dahin  von  dem  bekanotea  Goto  Shojiro  be- 
ti-icben,  deco  Schwiegervater  des  Jüngeren  Iwa^^aki. 

*  Heftiger  Aufsatz  in  Kdzai  Zassbi,  Dezember  1881. 

^  Alle  diese  Be^chwordpn  in  der  litierfen  Denkschrift  los  Ministe- 
riums für  Landwirtschaft  und  Gewerbe.  Selbstverständlich  waren  die 
Schläge  auf  den  Sack  Iwasaki  für  Okama  bestimmt. 


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X  4. 


269 


Schiffe.  Der  Tonnengehalt  der  Flotte  sollte  nicht  unter  22000 
Tonnen  sinken  und  nllmählich  erhöht  werden. 

iJaneben  aber  zei^'te  die  Hegierung  plötzlich  grolse  Ab- 
neigung gegen  das  beotduude  Monopol  einer  Gesellschait  und 
bemühte  sich  um  die  Gründung  einer  Konkurrenzgeäellächatt, 
die,  aus  der  Versclunelzung  dreier  ganz  unbedeutender  Gesell- 
Schäften  entstehend,  den  Namen  K^odo  Unyu  Kwaisha  („Union'*) 
erhielt  und  am  20.  Juli  1882  ins  Leben  trat.  Das  Kapital  sollte 
3  Millionen  Yen  betragai ,  wovon  der  Staat  1 300  000  Yen  her- 
gab. Für  diese  Summe  sollten  Schiffe ,  die  auch  zu  Kriegs- 
zwecken verwendbar  würen .  hergestellt  werden.  Im  ganzen 
sollten  lür  Dampfschiffe  2  3U()U(M)  verwendet  werden  u.  s.  w. 
Der  Anteil  des  Stallte«  war  nur  mit  2  Prozent  zu  verzinsen. 
Fttr  staatliche  Aufeicht  war  genügend  gesorgt,  Präsident  und 
ViceprttsideDt  wurden  znnlldist  Ton  der  Regierung  ernannt  Die 
im  Herbst  1882  aufgelegten  Aktien  wurden  angeblich  bedeutend 
flbeneichnet  und  daher  das  Kapital  verdoppelt,  d.  h.  zunächst 
der  Staatsbeitrag.  Tliatsächlich  war  die  Begeisterung  des 
Publikums  nicht  besonders.  Aus  dem  ersten  Oeschäitsbericht 
der  L'nvu  Kwaisha  vom  Mai  188:^  erpib  sich,  dafs  vom  August 
1882  bis  zum  27.  April  1883  von  :U(MMion  Yen  nur  2ln7(t50 
Yen  ..gezeichnet'  waren.  Diese  Zahl  scheint  aber  472i-»35  Yen, 
den  Wert  der  von  den  drei  kleinen  OesellschaRen  eingebrachten 
Schifie  n.  s.  w.,  einsuschKelsen. 

Im  Jahre  1884  kamen  allmählich  die  neuen  Schiffe  der 
Unvu  Kwaisha  aus  Europa  an,  und  es  entwickelte  sich  ein 
gewaltiger  Konkurrenzkampf*  zwischen  der  neuen  und  der 
alten  (Teaellschaft  mit  dem  regelmiiislgen  Ende  der  freien  Kon- 
kurrenz bei  dcrarlifron  Unternehmun<;en :  Fusion.  Die  Regierung 
hatte  im  Sommer  1885  ihre  Erörterungen  über  die  Schädlichkeit 
der  Monopoluntemehnmngen  wieder  vergessen  und  bemühte  sich, 
die  beiden  Oesellschaüen  su  vereinigen,  was  endlich  am  25.  Sep* 
tember  1885  zum  Abechlufs  kam.  Die  neue  Gesellschaft  selbst, 
die  NihoD  Y'^usen  Kwaisha,  datiert  vom  29.  September. 
Dm  Gesellschaftskapital  wurd(^  auf  1 1  Millionen  Yen  festgesetzt, 
wovon  5  Millionen  auf  die  Mitsu  BL-^hi ,  (>  Millionen  auf  die 
Unyu  Kwaisha  kamen,  dabei  2(>»»()()(M)  Yen  Beteiljt^im^'  des 
Staates.  Aufserdem  sollten  ersterer  543  418  Yen,  letzterer 
526340  Yen  bar  in  5  bis  10  Jahren  bezahlt  und  bis  dahin  mit 


'  Wie  mae  M  nlekrankheit  verbreitete  sich  die  Dampferkoiikurreiis 
ul>*»r  (las  panze  Laiui.  Da  war  kein  elender  FlnfsdamptVr,  der  nicht  von 
einem  Koukurrenten  Doch  unterboten  wäre.  Auf  den  Flufadamptern  von 
Nügata  anfwürts  konnte  man  im  Juli  1885  eine  ganse  Tsmeise  Ar 
emen  Sen  machen.  Im  Aut::u«'t  l^^^-^  bin  ich  in  der  Inlaudsee  rast  Uberall 
für  den  vierten  Teil  der  üblichen  Treiso  gefahren,  von  Shimonoseki  nach 
Kobe  1.  Klasse  mit  japanischer  Verptlegnug  fiir  1  Yen  25  Sen.  Bei  den 
klebten  Dampfern  war  das  Ende  meist  JBaäcerott  der  einen  Partei. 


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270 


7  Prozent  verzinst  Avtrden.  Auf  15  Jahre  versprach  der  Staat, 
wenn  iler  ..(itwiim  der  (ioscilsehaft  acht  Prozent  nicht  erreiche, 
den  Untcrf«thied  beizusteuern.  Ferner  war  bestimmt,  dalb  vom 
Überschufr  der  Einnahmen  Uber  die  Ausgaben  erat  die  fiül^gen 
Zins-  und  Kapitalbetrfige  zu  bettreiten  und  femer  an  Abeclurei- 
bungen  und  für  Versicherungs-  und  Reparaturfbnds  zusammen 
22  Prosent  des  Wertes  der  Bchi£k  abzusetzen  seien.  Der  Best 
war  der  an  die  Aktionäre  zu  vorteilende  Reinf2:ewinn.  Die 
Gesellschaft  wurde  verptiicbtet  zur  Be&hrung  einer  Anzahl  auf* 
gezählt<-r  l'oätlinicn. 

I  ifT  ganze  V' organg  und  die  einzelnen  Bestimmungen  waren 
höchst  aut'fUlUg.  Die  Schifl'e  (^darunter  viele  ganz  alte)  stan- 
den mit  7  MiUionen  Yen  zu  Buch*.  Für  die  AbachreibungeD 
allein  mufsten  also  zunttcbst  1540000  Yen  rerdient  werden, 
dazu  die  Verzinsung  und  Absahlung  der  Schuld  an  die  beiden 
alten  OeseUschafien,  mit  der  man  »ieli  belastet  hatte.  Die  Yuaen 
Kwaisha  mufste  also  mindestens  1  700  000  Yen  verdienen,  ehe 
sie  aus  eigenem  Tiewinn  Dividende  verteilen  konnte.  Dal's  der 
Wert  der  bcliiflfe  zu  hoch  an^cnonnueji  sei,  iöt  spüter  unverblümt 
zugestanden.  Die  Summe  von  4  Millionen  Yen  für  daö  sonstige 
Eigentum  der  alten  QeseUschat  ten  erscheint  geradezu  unvernünftig. 
Das  Aktienkapital  war,  wie  man  in  Amerika  sm^,  staw 
„▼erwttssert**.  Fflr  diese  yerwttsserten  Aktien  aber  hatte  man 
auf  15  Jahre  eine  Garantie  für  acht  Prozent  erlangt*.  Acht 
Prozent  Dividende  würde  man  im  allgemeinen  erwarten. 
Aber  am  Ende  des  ersten  ( Icschilftrijahrcs  erechien  eine  andere 
Interpretation:  acht  Prozent  Rcin«T;<'winü  nach  Deckung  aller 
statuten^cmiilsen  Abschreibungen  habe  der  Staat  garantiert. 
Das  erste  Jahr  der  neuen  GciicUschaft  (Oktober  1885  bis  Sep- 
tember 188G)  Schlots  mit  490000  Yen  Überschufs  der  Einnahmen 
Aber  die  Ausgaben.  Der  Staat  hätte  mithin  nach  dieser  Auf- 
fassung auber  der  gansen  Dividende  von  880000  Yen  noch 
Aber  eine  Million  sur  Dotierung  der  verschiedenen  Fonds  zu- 
schieisen  mttssen.  Es  ist  fUr  die  japanische  Presse  bezeichnend, 
dals  sie  zum  gr^fsten  Teil  die  Partei  der  Aktionäre  erj2:nff. 
Nach  Innren  Verhandlungi-n  zwischen  Staat  und  ricsellschatt  kam 
im  iierbst  1887  ein  neues  Abkommeu  zu  stände.  Der  Staat 
versprach  auf  lo  Jahre  nach  der  Gründung  der  Gesellschaft 
jährlich  eine  teste  Subvention  von  880  000  Yen  (~  8  Prozent 
des  Kapitals).  Wievid  die  Gesellschaft  auf  die  verschiedenen 
Konten  abschreiben  und  in  Res«ve  stellen  wollte,  blieb  ihr  Über- 
lassen.  Zur  Begründung  liefii  die  R^erung  oflßnös  erklären. 


1  Am  3u.  Oktober  i6Hd  nach  bedeutenden  Absebreibuogen  und 
Beseitigung  alter  sowie  Ankauf  nener  Schiffs  7273516  Yen. 

^  Die  damals  verbreiteten  Gerüchte  über  nngelieuro  Bestechungen 
bei  Gelegenheit  dor  Fn^ionsverhanrllungen  IsMen  nch  aus  einlcufihteiideii 
Gründen  weder  be weisen  noch  widerlegen. 


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X  4. 


271 


sie  habe  sich  für  verpflichtet  gehakten,  niclit  nur  rlie  acht  Prozent 
Dividende,  sondern  auch  die  Abscln-eibungen  etc.  zu  übernehmen. 
Sie  habe  also  acht  Prozent  licingcwiiiii  im  Sinne  der  Statuten 
garantiert.  Zwar  sei  das  keine  rechtliche  Verbindlichkeit, 
aber  eine  moralische,  denn  die  Aktionäre  hätten  es  so  autgeialat ! 
Gegenttber  dieser  Verp6icbtung  komme  der  Staat  immer  noch 
am  besten  bei  dem  neuen  Abkommen  einer  festen  Subvention  weg. 

l  ^en  Aktionttren  ist  es  also  gelungen,  erst  das  Kapital  in 
fiktiver  Höhe  anzusetzen  und  dann  auf  diesen  fiktiven  Wert  eine 
Subvention  von  8  Prozent  zu  erhalten.  Diese  wird  sich  auf 
10  Prozent  erhöhen,  wenn  eine  w»  it'^re  Malsregel  duichgetiihrt 
ist,  die  Verminderung  des  Kaj  if  ils  auf  8  800ÖO0  Yen,  da  man 
jetzt,  wo  die  Aktionäre  kein  iuteresse  mehr  daran  haben, 
zugiebt,  dafe  1 1  Millionen  dem  wirklichen  Sachverhalt  nicht  ent- 
sprechen. Man  erinnert  sich,  dafs  der  Staat  mit  2  600 000  Yen, 
die  er  semerseits  wirklich  hergegeben  hat,  an  der  Gesdlsohaft  be- 
teiligt war.  Diese  Aktien  sind  1887  vom  Staat  auf  daskaiser' 
liehe  Hausvermögen  übertragen.  Von  diesen  Aktien  sollen  für 
156550'!  Yen  in  sechs  Jahresraten  der  Gesellschaft  zum  Nominal- 
wert zurück- c:f  i:eben  werden,  wahrend  zur  selben  Zeit  der  Kurs 
der  Aktien  mrhr  als  50  Prozent  iiber  pari  stand.  Wie  die 
Kapitalvernnnderung  um  die  tibrigen  (3Ö4  50O  Ven  bewirkt  werden 
soll,  ist  nicht  gesagt  worden. 

Fttr  den  ganzen  Hergang  ist  wohl  nichts  beseichnender,  als 
dals  die  eben  noch  in  Not  befindliche  Oesellscbaft,  die  nur  die 
garantierten  8  Prozent  Dividende  gegeben  hatte,  im  Oktober  1888 
auf  einmal  12  Prozent  verteilen  konnte  ^  und  ebensoviel  1889. 
Unmittelbar  nach  jenem  Abkommen  von  1887  kündigte  der 
Vorstand  in  einer  Generalversammlung  rin.  :\u(  Prozent  Divi- 
dende könne  man  von  jetzt  ab  mit  Siclieriieit  recimcn. 

Der  Staat  zalilt  also  gegenwärtig  eine  feste  Subvention  von 
880  000  Yen,  woftir  er  einen  regelmäisigen  Post-  und  Frachtdienst 
swiscben  den  Haupthäien  des  Landes,  mit  Wladiwostok,  Korea, 
Shanghai,  Chefu  und  Tientsin  hat.  Die  Schiefe  stehen  zur  Ver- 
fügung des  Staates  fUr  seine  Bedürfnisse,  namentlich  sind  die 
neugebauten  Schiff  /inn  Teil  als  Kreuzer  ftir  den  Kriegsfall 
verwendbar.  Die  Gesellschaft  steht  völlig  unter  Anf^i^  lit  dos 
Verkehrsministers.  welcher  die  Beschlüsse  der  Oeneralversamm- 
lunsr,  die  TaritV«,  den  Ankaufund  Verkaii)  von  Schiffen  genehmigt, 
eventuell  den  Ankauf  von  Schiffen  anordnet.  So  sind  z.  Ii.  über 
die  BesteUung  mehrerer  neuer  Schiffe  1887  88  die  Aktionäre 
überhaupt  nicht  befimgt  worden.  Die  Gesellschaft  ist  in  allen 
wesenlUchen  Dingen,  ebenso  wie  die  Tetsudo  Kwaisha  und  die 
Reichsbank  (Nihon  Oinko),  dn  Staatsuntemehmen ,  in  welchem 
den  Aktionären  nur  die  weniger  stolze  als  behagliche  RoUe  zu* 
kommty  die  Dividende  in  £mpfang  zu  nehmen. 


^  Aufserdem  12Ö000  Yen  Tantiemen,  1889  :  80  000  Yen. 


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272 


X  4. 


Über  die  Lt  istun^en  der  Xihon  ^'usen  Kwaisha  sei  bemerkt, 
dafs  sie  im  Herbst  188H  öu  iJampfer  und  5  Se^ol.sciiitte  mit  zu- 
sammen 69506  Tonnen  hattet  in  dem  damals  abgelaufenen 
GMchattäiühre  beforderte  sie  291874  Personen  und  1212650 
Tonnen  Waren  (Vorjalur  262  702  Personen  nnd  1 044479  Tonnen). 
Die  Einnahme  aus  dem  Personenverkehr  betrug  1 024409  Yen  und 
1  008  644  Yen  im  Jahre  1889,  die  aus  dem  Warenverkehr  3  285479 
Yen  und  3484452  Yen  im  Jahre  1889.  Die  Gesamteinnahme 
(einschl.  Subvention)  betrug  5617918  Y^en  und  5940905  Yen 
im  Jahre  188!'.  Die  Betriebsausgaben  (einschl.  Verluste  und 
Reparaturen)  vvaieu  3Ü27  744  und  3  721871  Yen  1889.  Die 
Schuld  an  die  alten  Gesellschaften  war  vollständig  abgeuagen^. 
Yersicherungs-  und  Reparoturfonds  waren  1888  auf  822602  Yen, 
1889  auf  1 154917  Yen  angewachsen.  Selbst  ohne  Subvention 
betrug  deriWngewinn  1888  rund  600000  Yen,  fast  5'  2  Prozent 
des  verwässerten  KapitJils,  1889:  545000  Yen.  Die  Gröfse  der 
Opfer  des  Staates  für  die  Gesellschaft  erscheint  unter  diesen 
Umständen  doch  etwa«  unverhaltniamäftig. 

Die  Verwendung  von  Schiffen  fremder  Bauart  hat  natur- 
gemäfs  dasu  geführt,  dafs  Werften  errichtet  aind,  auf  welchen 
niclit  nur  Reparaturen,  sondern  auch  Neubauten  von  Schiflen 
AuegeDlhrt  we  rden.    Mit  der  Errichtung  von  Werften  und  Er« 

bauung  von  Docks  gpn<r  der  Stmit  voran,  was  mit  Rüeksiclit  anf 
die  Krie{;;8mannc  schon  unter  der  Tokuf^awn  Rf  fricniiig  begonnen 
war.  In  Nagasaki  und  dem  Kriegaiiaten  Vokosuka  (in  der 
Tokyo- Bucht )  sind  grol'se  Trockendocks  angelegt,  welche  für  die 
ganze  ^vchitlahrt  des  Ostens  wichtig  geworden  sind.  Die  Docks 
und  Werften  von  Nagasaki  sind  1884  an  die  Mitsu  Bishi  Ge- 
sellschaft (Iwasaki)  verkauft'.  Eine  Schifisbauanstalt  in  Hyogo 
ist  1886  einem  gewissen  Kawasaki  verkauft  und  von  diesem 
finde  1889  „gegründet''  worden^  Dage|;en  hat  der  Staat  in  Kohe 
eine  neuo  SchifTsbauaii stielt  (von  emem  Fremden  angclegti, 
Oiioliuiiia,  erworben.  Neben  diesen  Anstalter!  staatliclieii  Ursprungs 
sind  auch  eine  Anzahl  rein  privater  Unteruehmungen  entstanden 


»  Buchwert  6  7()9482  Yen. 

-  In  drei  Jahrt-n  statt  in  "—10,  wie  in  Aii<.<icht  |L:rnominoii.  Sn- 
lange  die  Schuld  beätaud,  durften  nur  &•  Vrozeut  Dividende  vorteilt  werden. 
Die  TSflche  Abcafalang  trug  nstflrlicb  daan  bei»  datch  Vennebmng  der 
au^'enblick liehen  Ausgaben  die  hoben  Forderungen  gegen  den  Staat 
nach  auf^cn  zu  begründen. 

•  Nach  Abgabo  ihrer  Duaii'ferlinien  betreibt  diese  sogenannte 
Gesellschaft  auft^er  den  genannten  Docks  Bergbau,  Koblenexport  (som 
Teil  in  eii^onen  S'  liitTen),  Bank^a'sihäft«^  n  s.  w. 

*  Nacii  Angaben  des  jjhogyo  Shimpo  (Japan  Herald  2U.  Januar  iJ^UOj 
h%tte  die  Anlage  den  Staat  $80000  Yen  gekostet  Kawaaaki  sollte 
l^fMifH)  ^'r  ii  in  /cliii  Jahresraten  dafür  be/ahfeu.  bis  Ende  l^^"!t  liiitfc  «r 
aber  nur  •'»♦»ou  Yen  bezablt.  Tin  diese  Zoit  verkaufte  er  die  Anstalt  für 
600  (K)0  Yen  an  die  „Japanische  Giefsereigesellscbaft". 


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X  4. 


273 


(in  Tokyo,  Osaka  u.  s.  w. ).  Bisher  sind  iibt  r wiegend  ganz  kleine 
Schiffe  gebaut.  Die  gröiseren  Schifte  sind  aua  dem  Auälande  ge- 
kauft worden.  In  auemeaesteii  Zeiten  hat  aber  die  inUbidladie 
Sduffiibaaera  erhebliche  Fertechritte  gemacht,  nachdem  sie  ron 
1884  bis  1887  ziemlicli  daraiedeigelegen  hatte.  Nach  der  amt- 
liehen  Statistik  sind  in  Japan  gemuit 

Dampfechitfe  ^egeUchiife 


Zahl 

Tonnen 

Zahl 

Tonnen 

1870  bis  1879: 

99 

8120 

134 

13483 

1880  -  1888: 

137 

10585 

362 

31373 

1884  -  1887: 

64 

5435 

81 

7928 

1888: 

26 

2696 

18 

1348. 

Endlich  sei  erwfthnty  dals  fbr  Anlage  von  Leuchttürmen, 
Seezeichen  u.  s.  w.  von  1868  bis  zum  81.  März  1888  1  384000 
Yen  ausgegeben  sind  und  dafs  die  jfthrliclien  l^ntrrhaltungskosten 
reichlich  60000  Yen  betragen  (1887/88  07187  Yen). 


Aus  dem  g^enwärtigen  Zustande  der  Landwege  folgt  eine 
ziemliche  Hohe  £r  Transportkosten^  welche  es  unmöglich 
macht  y  Fh)dukte,  weldie  m  Verhältnis  zu  ihrem  Werte  um- 
fiuDgreieh  sind ,  auf  llingere  Strecken  zu  befördern.  Wir  sehen 
denn  auch,  dafs  Produkte  wie  Seide  mit  ihrem  hohen  speciBschcn 
Werte  gerade  in  den  binnenlttndiachen  Bezirken  henroigebrscht 
werden. 

Im  aligemeinen  fordern  japanische  Transpurigosellschaiten 
gegenwärtig  für  eine  Last  von  40  Kwamme  =  15U  kg  für  den 
Ri  per  Karre  un^efkhr  9  Scn,  per  Packtier  10  Sen.  Das  macht 
ftlr  den  Tonnenkilometer  15  und  16,7  Sen.  Qröfsere  Sendungen 
stellen  sich  durch  besondere  Abmachungen  etwas  billiger.  Doch 
bleibt  das  immer  eine  Höhe,  welche  den  Transport  der  meisten 
landwirtschaftlichen  Produkte  auf  gröfsere  Entfernungen  unmöglich 
m;i()it.  Ein  Kokn  Rci'^  ^v\rrrf  r^ernde  jenen  Eirihfitssatz  von  40 
Kwamme.  Mit  der  Karre  ^Mirüe  also  ein  Transport  von  nur 
30  Ri  (120  km)  zu  obigem  6atze  schon  die  Hälfte  eines  ^larkt 
preises  von  5  Yen  40  Sen  erreichen.  (Vgl.  was  unten  über  die 
Beispreise  gesagt  ist,  S.  316  ff.) 

Viel  hoher,  auf  das  Vierfache  des  für  Packtiere  üblidien, 
stellt  sich  der  Preis,  wo  Träger  angewendet  werden  müssen. 
Der  Satz  fiir  die  Last  von  7  Kwamme  (26,25  kg)  ist  ftlr  den 
Ri  etwa  7  Sen  =  66,7  Sen  flir  den  Tonnenkilometer. 

"Die  Ki Renbahnfracht  ist  gegenüber  den  p:pwö]inliehen 
Landt'rachtcn  eine  erhebliche  Verbesserung,  ahn-  docii  nicht  so, 
dals  nicht  aut  kürzere  Strecken  bei  guten  Wegen  die  gewöhnliche 
Karrenfracht  noch  immer  konkurrierte,  da  bei  ihr  die  Expeditionö-, 
die  An-  und  Abrollkosten  wegfallen. 

FofMbungen  (45)  X  4.  —  lUtl^K«».  18 


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274 


X  4. 


Die  BVachtBätse  beim  Euenbafanverkehr  sind  überdies  nicht 

besonders  nif^^ng.  Nchmf^n  wir  B.  (^loii  Tarif  der  ftlr  den 
Güterverkehr  wichtigsten  l^aiin,  der  Nihon  Tetsudo  Kwaisba. 
Danach  sind  alle  Wnren  in  fünf  Klassen  geteilt,  welche  folgende 
Sätze  per  Tonnenkiiomi  tfr  ber^ahlen : 

L  von    i'okyo  2,i  8en 

nach  Tokyo  1,5  Sen 

II.  von    Tokyo  3,i  Sen 

nach  Tokyo  2,i  Sen 

III.  von  Tokyo  4^f  Sen 
nach  Tokyo  3,1  Sen 

IV.  5,«  Sen 

V.  6,8  Sen 

Auf  die  einzelnen  Ekasen  sind  die  Waren  in  der  Haupt- 
aache  nach  ihrem  Werte  verteilt,  doch  ist  dabei  manches  Auf- 
fallende. In  der  untersten  Klasse,  deren  ]  Vaclttsatz  von  Tokjro 
landeinwärts  immer  noch  das  Dreifache  des  deutsehen  Pfennig- 
tarifes  *  beträ<j:t,  aus  dpTn  Tvmdr  nach  Tokyo  mehr  als  das 
Doppelte,  bctiudun  sich  iieis,  Dohnen,  KartotFeln.  Erze,  Roh- 
metalle  (aber  nicht  Kupfer  und  Zinn),  Cement,  unbearbeitetes 
Nutzholz  (roh  behauenes  aber  schon  in  der  zweiten),  Brennholz 
nur  in  Mengen  Ton  mehr  ak  drei  Tons,  Steinkohlen  (wMhrend 
HoIskoUen  in  der  sweiten  sind),  Sab,  auiyienderweifle  auch 
Zucker  u.  s.  w.  In  der  höchsten  Klasse  (6,8  Sen  —  20  Pfennig) 
sind  namentlich  Seide,  Cocons,  8eidenato£fe,  feinere  Möbel, 
Porzellan,  Fensterglas,  Medizinen  u.  s.  w.  und  alle  nicht 
deklarierten  Waren.  Viel'«  wichtig'e  Rohstoffe  sind  in  der  zweiten 
Kl;isse.  80  Hanf,  Hiiute,  Kupfer,  Wachs,  Tabaköblatter.  unreine 
>iuiuuwolle,  während  gereinigte  ßaumwollc  in  der  dritten  Klasse 
ist.  Dagegen  wird  Baumwollgarn  bilhger  gefahren,  in  der 
aweiten,  Haumwollzwim  in  der  ^tten,  importierter  in  der  vierten. 
BaumwoUatoffe  sind  in  der  dritten,  andere  Stoffe  in  der  vierten 
Klasse.  Bier  in  Flaechen  ist  nur  in  der  zweiten,  A\'ein  in  der 
vierten  Klasse,  Miso  und  Shoyu  (BohnenprHparate)  sind  in  der 
zweiten,  Sake  in  der  dritten  Klaaso  (teurer  als  Bier).  Getrockneter 
und  gesalzener  Fisch  sind  in  der  zweiten,  fi:ischer  irisch  dagegen 
in  der  vierten. 

Viel  System  ist,  wie  man  sieht,  in  dem  Tarif  nicht  und  fUr 
viele  Waren  sind  die  Tranniortkosten  verhttltnismäfsig  hoch. 
Allerdings  ist  su  beachten,  dam  bei  grOlseren  Sendungen  Rabatte 
g^eben  werden,  wovon  aber  im  Tarif  nichts  steht 

Auch  die  Seetransportkosten  sind  nicht  so  niedrig,  als 
man  bei  dem  grofaen  Seeverkehr  erwarten  mitchte.    Zu  der 


1  Per   i  onueDkilometer   2,3  Pfeuoig,    während  2,t  Sen  ffe^ea  7 
Pfeimig  betittgt. 


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275 


grolMD  Frachtiahrt  ins  Aosland  stehen  sie  in  aufifUlligem  Oegen- 
satz,  was  seinen  Grund  wesentlich  in  mangelnder  Slonkuneiii 

hat.  Alle  gröfsere  Dampfschiffalirt  ist  ja,  wie  wir  sahen,  von 
der  staatlich  unterstützten  Yusen  Rwaisha  monopolisiert,  gegen 
welche  kleinere  isolierte  Unternehmungen  nicht  aufkommen 
küDnen.  Die  Küstenschiffahrt  ist  aber  der  japanischen  Flagge 
yorbehaUen.  Die  klemeo  KUstendampfer  dienen,  wie  erwähnt, 
fiberwiegend  dem  PerBOnenverkehr. 

Eb  war  8.  B.  1888  TOn  Nagasaki  nach  Shanghai  (475  See- 
meilen) die  Dampferfracht  per  Ton  3  Yen,  nach  Shimonoseki 
(157  Seemeilen)  2  Yen  50  ben.  Sie  war  von  Yokohama  nach 
Shanghai  (1010  Seemeilen)  6  Yen,  dagegen  nach  dem  auf  dem 
Wege  liegenden  Shimonoseki  (50(3  Meilen)  7  Yen  10  Sen,  nach 
Kii^ata  (  Meilen)  7  Yen  30  Sen,  naeh  Otaru  (810  Meilen  — 
Endpimkt  der  Hokkaido-Bahn)  8  Yen  30  Sen.  Kach  Nafa  auf 
Rjukyu  (1035  Meilen)  war  die  Fracht  12  Y'en  80  Sen,  d.  h. 
soviel  wie  nadi  London  oder  Hamburg.  Im  allgemeinen  waren 
die  Dampferfraohien  von  Yokohama  imd  Kobe  aus  etwa  1  Sen 
per  Ton  und  Meile,  von  Nagasaki  und  Kiigata  etwas,  von 
Hakodate  aus  erheblich  höher,  z.  B.  nach  den  drei  wichtigsten 
anderen  lliifen  des  Hokkaido:  nach  Otiru  (221  Meilen)  4 — 5  Yen, 
nacli  Muroran  (79  Meilen,  geringer  Verkehr)  3,8o — 4  Y''en,  nach 
Kemuio  (295  Meilen)  4, so — 5, ho  Yen.  Die  hohe  Fracht  vom 
Hokknido  aus  ist  ein  allgemeiner  Gegenstand  der  Klage  unter 
den  Interessenten  ^ 

Mit  europäisch  gebautem  Segelschiff  sind  die  Frachten  schon 
erheblich  nieariger,  meist  um  ein  Drittel  bis  ein  Yiertd,  auweilett 
um  die  Hälfte.  Wieder  um  &n  Fünftel  bis  ein  Drittel  biilwer 
als  diese  ist  der  Traneport  per  Junke.  Doch  ist  zuweilen  der 
Unterschied  nur  gering-. 

Dafs  in  Ja] »an  nishcr  der  Personenverkehr  eine  grülöere 
Ausbildung  erfahren  luit  als  der  \\'aren verkehr,  zeij^t  sich  auch 
darin,  dal's  die  Fa  Ii  r preise  für  Personen  verhältnismälsig 
nicht  hoch  sind.  Die  rassagepreise  auf  den  Schiffen  sind  meist 
niedru[,  aUerdings  bei  einem  nach  euroiAischen  Begrifien  an- 
elanbuoh  geringen  Grade  Ton  Bequemlichkeit.  Auf  den  Eisen- 
oidmen  war  der  Fahrpreis  dritter  Klasse  bis  1887  rund  1  Sen 
für  den  Kilometer,  jetzt  kaum  mehr  ^  a  Sen  (1  Sen  die  englische 
Meile).   Zu  beachten  ist,  dais  es  Betourbillets  nicht  giebt.  Die 


>  Anch  die  Landfiraeht  ist  im  Hokkaido  unverhältnianUUvg  hoch. 
*  IJcispielsweiso  war  nach  den  aiü^iiilirlichen  Zusnmmenstellunffeu 
des  Ministehams  tur  Landwirtschaft  und  Gewerbe  lüfil  die  Fracht  für 
100  Koku  Reis  (15  Tonnen)  von  Halcata  (Faknoka-ken),  eben  der  wich- 
tigsten Reisausfuhrpl&tse,  naeh 
Osaka  oder  Kobe 

per  Dampfer  2ö  Yen,  per  Segelschiff  18,9  Yen,  per  Juuke  1-"»  Yen, 
Nsffuaki 

per  Dampfer  IS  •      *        •       10,»  -     •      •      10  - 

18* 


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276 


zweite  Klasse  kostet  das  Doppelte,  die  erate  das  Drafiiohe  der 

dritten  Klasse 

Verhältuismalaig  billig  ist  auch  die  Beförderung  mit  den 
omnibusartigen  Wapren  fNoriai-basha),  in  denen  man  von  2*  2 
bis  7  iSen  für  dcia  Iii  (4  kmj  bezahlt.  Freiiioli  ist  das  \  ergnügen 
einer  aolchen  Fahrt  gerioff*  Teurer  ist  die  Beförderung  in  der 
Jinrikisha.  Naeh  den  amtlichfln  Erhehungen  war  der  Pkeis  1887 
fttr  den  Ei  im  Durchschnitt  des  Landes  5,9  Sen,  wolil  etwas  an 
niedrig ^  Das  Briefporto,  schon  seit  1873  ohne  Unterschied 
der  Entfernung,  scheint  mit  2  Sen  ziemlich  niedrig  zn  sein. 
Dieser  Satz  wird  aber  für  je  7,5  gr  erhoben,  so  dals  ein  Brief 
von  10  gr  schon  4  Sen,  von  150  gr  40  Sen  kostet.  Die  Postkarte 
kostet  nur  1  8en^.  Der  Telegraphentarif  ist  mehrfach  geändert. 
Gegenwärtig  wird  die  Zahl  der  Silben  (Kana-Zeielienj  zu.  Grunde 
^^t,  bei  der  japanischen  Art  su  schrdben  em  gans  praktisches 


Fünftes  Kapitel. 
Das  Grundeigeutum. 

Vorbcinerkting.  Was  bisher  in  europiü^ch'^n  Sprachen  Uber 
japauischeu  Grundbesitz,  namentlicb  das  Immobiiiarrecht ^  veröffentlicht 
18t,  sind  nur  Bruehstttcke,  so  der  Anhang;  zu  Gubbins  Report  on 
Tnxafliiii  ^Landtrnr.rr-  fl^^:^)  und  die  Notizen  in  Radorffs  Auf-atz 
„Die  KecbtspHeKe  in  Japan  in  der  gegenwärtigen  Periode",  Mitteilungen 
der  Deutschen  Gesellschaft  fBr  Natnr-  und  VöIR erkunde  Ostasiens  Bd.  IV 
Heft  40  S.  44v'  f  -  In  diesem  Kapitel  soll  nur  der  f^pponwürtigc  thatsäch- 
liche  Znstand  behandelt  werden.  Auf  die  privatrechtliche  F>flr^tellung 
kann  ebensowenig alt»  auf  die  Geschichte  des  Grundeigentums  ein^e- 

fangen  werden.  Über  letztere  vcl.  Tarring,  Landprovisions  of  tne 
'aiho  Ryo,  Transactioim  <>f  the  Asiatic  Sucietj-  of  Japan  Vlll  1  1^  ff., 
und  H.  VVeipert,  Japanisches  Familien-  und  Erbrecht,  in  Mitteiiuujgeo 
der  Deotsehen  Geselticbaft  ete.  Bd.  V  Heft  4H.  namentlich  S.  121 H  —  Vgl. 
Midi  oben  die  Bemerkungen  im  ersten  Kapitel  des  ersten  Buches  S.  17  f. 
und  b^Ronders  weiter  unten  den  ecateti  und  sweitea  Abecbnitt  des 
Kapitels  Grundsteuer. 

Erst  nach  Äbschlufs  meines  Manuskriptes  kam  mir  zu  Gesicht  die 
pjücirfnttnn  von  J,  Ota-Nitobe  -Uber  den  japanischen  Grundbesitz, 
deutseu  Verteilung  und  landwirtschaftliche  Verwertung"  (Berlin  1090). 
Der  i^eschiehtliGhe  ÜberhUck  ist  ganz  oberflächlich,  etwas  beaaer  dSe 
statistische  Darstellung  der  heutigen  Verhältnisse,  im  wesentiichen  ein 
bunter  unkiitiacher  Auszug  aus  dem  Statistischen  Jahrbuch. 


I  Die  Preise,  welche  der  ansUadische  Tourist  bezahlt,  amd  natllr- 
lieh  nicht  unerhe1)lich  höher. 

'  Vor  1^  gab  es  sogar  Stadtpostkcurten  zu  6  Rin. 


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X  4.  277 

Der  Leser  möge  sich  erinnern .  dafa  ein  Cho  ungefähr  ebpneo  grofs 
ist  wie  ein  Hektar,  genauer  120  Cho  =119  Hektar.  Em  Quadratri 
bat  1555,t  Cho. 

Im  wesentlic  hen  shid  die  Zahlen  für  ISiSG  zu  Gründe  rri  le^rt.  da 
mir  manche  NacUweiaungeQ  nur  bis  zu  diesem  Jahre  voriageu  und  da 
in  den  folgvoden  Jahren  die  1886  begonnenen  Keuvenneesungen  des 
Ackerlandes  allerlei  Verschiebungen  hervorrufen.  Für  die  Landesteile 
untereinander  werden  die  Zahlen  ent  wieder  von  1889  an  Tergleichbar. 

Die  rechtliche  Regeluug  der  Verhältnisse  des  Grundbesitzes 
iit  biahfir  so  gut  ivie  «uMshlioftlksh  aufl  GrOndfln  der  Fuianz- 
TerwaltoBg  erfoJgt,  stttckweuey  je  nach  praktnchen  Bedfirfiiiaaeii. 

Der  gegenwärtige  Zustai;d  ist  kurz  der  folgende: 

Aller  Grund  und  Boden  zerfKllt  in  öffentliches  und  privatee 
Land  (Gesetz  120  vom  7.  November  1874,  durch  welches 
Kr.  114  vom  März  1B73  abgeändert  wurde). 

Öffenti  ich  es  Land  zerfkllt  in  vier  Klassen: 

■ 

I,  Zahlt  weder  Staats-  noch  Gemeindesteuern. 

a.  Kaiserlicher  Palastgrund; 

b.  Heiligee  Land  (Ise-Tempel,  Kaiserliche  Giftlm*,  Staat»* 

tempel,  Bezirkstempel,  andere  nicht  in  PrivatbesitB 
befindliche  Tempel  [gemeint  sind  durchw^  Sfalnto- 
HeiligtUmerj); 

n.  Zahlt  keine  Staats^  aber  Gemeindesteuern. 

a.  Palastgrund  kaiserlicher  Prinzen; 

b.  Land,  weiches  den  Zwecken  der  Verwaltung  dient 
(ftlr  alle  staatlichen  Verwaltungsgebäude!  fUr  Heer- 
und  Marineverwaltung  etc.),  und  vom  Staat  zu  öffent- 
licher Benutanng  heigegebenes  Land; 

III«    Zahlt  weder  Staats-  noch  Gemeindesteuern. 

a.  Berg,  Wald,  Moor,  SUmpfe,  Seen,  Fluisbetten,  Deiche, 
Stralsen,  bebautes  Land,  welches  nicht  in  Privat- 
eigentum steht : 

b.  Land  der  Eisenbahnen; 

c.  Land,  auf  dem  TelegraphensUmgen  stehen; 

d.  Land,  auf  dem  Leuenttürme  stehen; 

e.  Geschichtlich  berühmte  Plfttae;  öffantliehe  Parks; 

f.  Land,  an  weldiem  das  Privateigentum  verloren  ge- 

;^^angen  ist; 

g.  Tempel  (buddh.),  Pagoden  und  Gräber,  die  nicht  in 

Privateip  Titum  stehen; 

h.  Kichtplätze. 

IV.  Zahlt  kerne  Staats-,  aber  Gemeindesteuern. 

Nicht  in  Privateigentum  befindliches  Land,  welches 


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278 


öffentlichen  Zwecken  dient,  für  Tempel  Schulen, 
Kranken-  und  Armenhäuser. 

Privates  Land  serfidlt  m  swd  Klafleen: 

1.    Zahlt  Staats-  und  Ciemeindesteuem. 

a.  Alles  mitzHare  Privateigenttuii ; 

b.  Land  in  «gemeinsamem  Eigentum,  welches  öffentlichen 
oder  gemeinsamen  Zwecken  dient,  Schulen,  Kranken- 
häuser, Tempel,  Grasland  u.  s.  w. 

IL  2ahlt  weder  Staate-  noch  GemeiDdeeteaero. 

a.  Gemetndetempel ; 

b.  Brunnen,   Wa»ierleitungen,  Absogekanlile  etc.  in 

Privateigentum; 
e.  Öffenttiime 

(Als  dritte,  steuerfreie,  Klasse  findet  man  audi  Bßgräbnis- 
plAtM  angegeboi,  die  in  Privatsigeotum  stehen.) 

Über  die  unter  die  einzelnen  KUssen  feilende  Flüche  giebt 
die  japanische  Statistik  keinen  ganz  vollständigen  Au&oiifaiw. 

Klasse  I  des  öffentlichen  Landes  umfärbte  Ende  1881 
13744  Cho,  dagegen  Ende  1886  44829  Cho.  Davon  kamen 
auf  kaiserliche  Gräber  334,  auf  Shinto- Heiligtümer  12920  Cho, 
auf  kaiserhchen  Besitz  31  575  Cho.  Der  Zuwachs  in  dieser 
Klasse  kam  fast  ganz  auf  letztere  Abteilung,  welche  1883  erst 
1303  Cho  enthielt.  In  den  Jahren  1 888/89  ist  der  kaiserliche  Besitz 
noch  erheblich  vermehrt  worden,  namentlicli  durch  Über- 
tragungen von  Staatseigentum  an  das  kaiserliche  Hausver- 
mOgen ,  insbesondere  die  Gruben  Sado  und  Ikuno  und  Forsten 
im  Umfange  von  1  800000  Cho. 

Klasse  II  enthielt  Ende  1881  1 6  897  Cho,  Ende  1886  dagegen 
33  31 7  Cho.  Hiervon  kamen  nur  29  Cho  auf  den  Besitz  der  Prinzen^ 
der  gnnze  Hest  auf  das  Verwaltungs zwecken  dienende  Tjind. 

Von  Klasse  III  ist  nur  die  Fläche  der  Staatsforsten  genauer 
bekannt.  1881  waren  es  5  259183  Cho,  1886  5635  527  Cho, 
1887  6893880  Cho.  Die  Abteilungen  b— h  dieser  Klasse  sollen 
1881  5197,  1883  6403  Cho  betragen  haben. 

FUr  Klasse  IV  werden  lür  mi  206  Cho,  1883  280  Cbo 
angegeWn. 

Der  dem  Umfange  nach  genauer  bekannte  Teil  des  Öffent- 
lichen Landes  hätte  mithin  1881   5  295  226  Cho,  1886  etwa 

5  720  00n  Phn,  18S7  »-twa  7020  000  Cho  betrn<jen.  fAulserdem 
werden  als  unbt  l)aiit«ia  und  Bergland  für  Ende  18«6  11  894880  Cho 
angegeben,  davon  in  Altjapan  2611390  Cho.) 


'  In  welcher  Weise  hieiToo  KUuse  III  g  UDterscbiedea  wird,  ist 
sieht  klar. 


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X  4. 


279 


Priviitlaiid  hat  zus^miraen  Ende  1886  13107  2:U  Cho, 
Ende  1887  i3od4  7ü/  Ulio  betragen*.  Wieviel  davou  aui  da:* 
nutzbare  Eigentum  äeat  Ortsgemebdoi  komm^  mkhm  mit  dn- 
begriffea  ist,  wird  nimnds  angegeben. 

Die  Fläche  des  ramtlandes  hat  sich  in  den  letzten  Jahrcci 
nicht  unbeträchtlich  ycrinchrt,  da  .sie  Knde  1881  (nach  Beendigung 
der  Grundsteuerreform)  auf  117r>2  01M3  Clio  angegeben  wurde. 
Dir  Vrrmehrun^  ist  zum  Teil  dem  Verkauf  von  Staats- 
iaudei'  it  n.  znm  Teil  besserer  Venne.ssung  zuzusch reihen.  Trotz- 
dem tiiiichL  iUe  angegehene  Fläche  die  Wirklichkeit  nicht. 
Infolge  des  bei  der  Grundüteuerrelbrm  beobachteten  \'er- 
fthraw  aind  die  Flfichen  hat  durchweg  etwas  ra  niedr^ 
angegeben,  am  wenigsten  bei  Bauland  (Halugnmdstücke), 
am  meiste  bei  Wald-  und  Grasland.  Wie  git^fs  doTchschnitdich 
der  Fehler  ist,  läfet  sich  natürlich  nicht  genauer  angeben.  Nach 
der  Meinung  des  japanischen  Statistischen  lJureaus  soll  er  etwa 
10  Prozent  betraj^^en.  Zu  beuehtf  n  ist  auch,  dafs  jenf  Zahlen 
das  7fMtwei«e  odor  dHuemd  steuert rcie  im  Privateigentum  be- 
üiiJiiche  I^iitl  uiclii  umfassen.  Aber  selbst  wenn  wir  dieses 
alles  berücksichtigen,  so  ergiebt  sich,  dais  immer  noch  weniger 
ab  40  Ihmsent  der  Flüche  des  I^iidea  In  Privatei^tiim  stehen 
durften,  bei  einem  so  dicht  besiedelten  Lande  gewiCi  eine  merk- 
wflrdwe  Erscheinung. 

von  der  im  Privateigentum  stehenden  steuerpflichtigen  Flttche 

war 

Ackerknd  1881  37  Prozent  1886  35  Prozent 

Bauland  -       8       -        -  2*/8 

(Hausgrundstücke ) 

Wald-  und  Grasland      -     59       -  -62 

Absolut  liabeu  alle  Eaudarteu  zugenommen,  Wald-  und 
Grasland  aber  sehr  viel  schneller  als  die  anderen  Arten. 

Der  Ende  1886  im  Privateurantam  stehende  steuerpflichtige 
Grundbesitz  serfiel  in  folgende  nJassen: 


>  Die  Dachgewiesene  Fläche  war  zusammen  in  runden  Zahlen  1886: 
Verinp«H*  nos  üfff-ntliches  Land  o  720  000  Cho  davon  in  Altjapan  5  T2()  OOO 
Berg-  und  Ödland  llöÜÖOOü  -      -      •        -  'iOluuüO 

Steuerbares  PHvatisiid        1.^197000  -      -     -       -      13 170000 

30812  000  Cho  21500000 

Japan  sollte  haben  rand  davon  Al^apan 

38560000  Cho  29 140000  Oho. 

TV'.'  Millionen  Cho  sind  also  nicht  naclipewiescn  (£Mt  ganz  auf  Alt- 
japan entfallend),  wovon  auf  Wege,  Wassertliichen  etc.  doch  nur  ein 
Teil  kommen  kann.  Die  Fläche  des  Privatlandef»  ist  allerdings  za 
niedric;.  Aber  selbst  wenn  wir  den  Fehler  auf  10  l'n  /c  tit  ansetzen,  so 
sind  (trts  immer  erst  l:iO()MO  Clio  Tlazu  kommt  der  steuerfreie  Privat- 
gnu^d besitz.  Die  auf  Okinawa-keu  bezüglichen  Angaben  sind  nuch 
Tolli^  ungenügend.  —  Nach  der  nur  auf  einen  des  Ackerlandes  er- 
streckten Grundsteuerre?inon  betrug  der  steuerpflichtige  Gmndbesita  Ende 
im  13810606  Cho. 


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280 


X  i. 


RoiBland  (Ta) 
Trru  kenfeld  (Hata) 
Bauland  (Hausgruiid- 

Stacke) 
Salzgärten 
Wald 

GfuHmd  (oder  Heide, 

Hara,  Gcnja) 
Sonstiges* 


HsvAn  in 

IUI*  CUJOUI  OVBWC«^ 

uittrl  VAU 

o  ß.f;?  208  fiho 

6  Ovfi  wiav 

1       fiHT»  151  Y« 

1904216  - 

1881222  • 

2658^361  • 

:i.V^960  - 

135  976  176  - 

'i  .V>6  - 

1407  471  - 

7  25a4«7  - 

7  2öl69<?  - 

24  292  225  - 

1003  652  - 

1003104  - 

2  3(52  606  - 

17  M7  - 

16  168  - 

zusammen    13  197  2:M  Cho    13  lö3  720  Cho   1 645  738  713  Yen 

In  der  Verbreitung  des  privaten  Grandeigentiims  bestehoi 
zwischen  den  verschicclenen  Lundesteilen  ganz  auffallende  Unter- 
schiede. Die  amtlicht*  Statistik  gicbt  eine  Übersicht,  wieviel  Cho 
von  jeder  Landart  des  stouerpfliclttif^pn  Privatlandes  auf  den 
Quadratri  kamen.    Ein  C^uadratri  hat  1555,2  Cho. 

Im  Durchschnitte  von  ganz  Japan  kamen  danach  Ende  1886 
auf  den  Quadratri  532  Cho  PriTatuuid.  SchfieTst  man  aber  den 
0U1S  dUnn  benedeiten  Hokkaido  aus,  der  last  ein  Viertel  der 
fiftche  des  Landes  darstellt  und  in  welchem  noch  nicht  3  Cho 
steuerbares  Privatland  auf  den  Quadratri  kommen,  so  sind  fUr  das 
übrige  Land  705  Cho  auf  den  Quadratri  vorhandt  n  (45  Prozent). 
Man  solltf  aber  auch,  was  die  amtliche  Statistik  nicht  thut, 
Okinawa  ken  (Hyukyii)  ausschliefsen,  wo  bei  einer  Bevölkerung 
von  870000  Einwohnern  nur  12016  Cho  steuerpflichtigea  Land 
nachgewiesen  sind.  Für  Altjapan  wUrden  wir  dann  710  Cho 
auf  Senk  Quadratri  erhallen.  Thatsichlich  steht  also  wahrscheinlich 
die  knappe  Hftlf^e  der  Fläche  des  Landes  in  Privateigentum. 
Auch  innerhalb  Altjapans  bestehen  aber  ganz  erhebliche  Unter- 
schiede. Am  ausgedehntesten  ist  das  Privateigentum  im  Bezirke 
Kanagawa,  wo  es  10^0  Cho  auf  den  Quadratri  betragt  (70 
)*rozont).  Mehr  als  loun  Cho  hnttcn  aufserdem  nur  noch  Ehime 
(1065),  Gifu  (1030),  ( )kayama  (1027),  Chiba  (1016)  und 
Shimane  (1007).  Mehr  als  900  Cho  haben  die  Bezirke  Saitama, 
liyogo,  Hiroshima,  Shizuoka,  Tokyo  und  Miye, 

Anderseits  haben  vier  Bezirke  weniger  als  400  und  ftnf 
weitere  Beeirke  weniger  als  500  Cho,  nltmlich  Miyazaki  (847^ 
22  Proaent),  Aomori  (353),  Akita  (376),  Yamanashi  (398), 
Kagoshima  (447),  Kumamoto  (454),  Yamagata  (459),  Fukushima 
(462)  und  Oita  (482).   Im  wesentlichen  ist  das  also  die  Nord- 


1  Enthält  Heilquellen,  der  Binsenzncht  dienende  Teiche,  Tirocken- 

pl&tze  für  Seetang  u.  a.  m. 

^  Daa  ist  Japan  ohne  Uokkaido  und  Kyukyu  (Okinawa).  Anfier^ 
dem  mnd  aber  noeh  die  7  Inseln  von  Isn  «nweacblosBen. 

'  „Steuert' er ist  der  Mafsstab  für  <lie  Auflegung  der  Grundsfeuer, 
welche  2'';;  Prozent  des  Steuerwertes  beträgt.  Naliercs  siehe  in  dem 
Kapitel  über  die  Grundsteuer.  Dort  auch  weitere  Augubeu  über  den 
Bteoerpflichtigen  Ghnndbesits. 


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^4. 


281 


BcHtze  der  Hauptmst4  und  die  Südosthälfte  von  Kyushu.  Die 
Vermutung  liegt  freilich  nahe,  dafs  gerade  in  diesen  entlegensten 
Besirken  auch  die  Vermessung  am  ungenausten  sein  dürfte. 
Machen  wir  eine  gleiche  Berechnung  für  &  fbnf  Teile,  in  welche 
das  B4samö  Stattstique  Al^apan  xeriegt,  so  erhalten  wir 
fidgende  ZaUen: 


Da  die  Unterschiede  hauptsächlich  bei  dem  l^esitze  von  Wald- 
und  Grasland  sieh  linden,  so  wäre  es  sehr  wohl  möglich,  dals 
ein  Teil  der  grofsen  Verschiedenheit  mvli  darÄUs  erklärt,  dafs  bei 
der  Auseinandersetzung  über  die  Trennung  von  Staats-  und  Qe- 
meindelttndereien  dieser  Art  in  yerschiedenen  G^nden  in  ver- 
echiedeDer  Weite  Terfahren  ist.  ist  leicht  denkbar,  dai's  Lftn- 
deraen,  welche  von  den  Bauern  zum  Grasholen  u.  dgl.  benutst 
werden,  in  manchen  Gegenden  für  Staatsbesitz,  in  anderen  ftir 
Gemeindebesitz,  d.  h.  also  steuerbares  Privatland  erklart  sind  ^ 

Das  Reeht,  welches  dem  (  JrundeigentUmer  in  Japan  an  dem 
„Privatland^  zusteht,  ist  das  des  wirklichen  freien  Eigen- 
tums, nachdem  alle  früheren  Bcächnin klingen  des  Üesitzes  und 
der  Benutzung  in  den  Jahren  1868—1872  abgeschafi^ dnd.  Fttr 
VeränlBerung,  Verpfilndung,  Teilung  u.  b.  w.  besteht  ToNstKndige 
Freiheit.  Übertragung  des  Eigentums  und  Verpfkndun^  eifo^ 
durch  Eintragung  m  das  öffentliche  Grundbuch  oder  Lfindregister, 
welches  von  den  Friedensgerichten  ( (^hiiinsaibansho  —  in  Zukunft 
Kii!*ail)an?»ho)  geführt  wird  We^cn  der  verhaltnismnfsi^  g^erin^cn 
ZjUiI  (lirscr  Uenclite  —  etwa  2UÜ  —  und  da  die  Parteien  per- 
hünlit  li  t  rscheinen  müssen,  kann  die  liegistertüiirung  in  entlegenen 
Orten  der  Gemeindebehörde  übertragen  werden.  Nicht  einge- 
tragene Verkäufe,  Schenkungen,  Verpfkndungen  sind  Dritten 
gegenüber  ungültig  (G^Mts  vom  11.  August  1886,  in  Kraft 
vom  1.  Februar  1887.  Auf  die  privatrechtliche  Konstruktion 
und  Natur  dieser  Einrichtungen  ist  hier  nicht  einzugehen).  Bis- 
her war  aufserdem  der  Besitztitel  (Chiken)  zu  übertragen.  Durch 
Gesetz  Nr  13  vom  22  Murz  1880  sind  aber  die  Besitztitel  ab- 
gesciiaflt  und  hahrn  nur  mehr  die  Bedeutung  von  Kataster-Aus- 
zügen ivgl.  kaiö.      rordnung  39  vom  gleichen  Datum). 

In  einer  Beziehung  bestand  bisher  aus  KUckaichlea  der  lie- 
stenerung,  welche  übrigens  auch  dem  eben  erwähnten  Register- 
geseta  im  Grunde  liegen,  eine  bemerkenswerte  Beschränkung  des 


'  Etwa«  Eingehendes  über  diese  Auseinandersrt/nnir  /u  «'rfHhren. 
bält  sehr  schwer.  Mir  scheint  nach  meinen  unvoilkouinieneu  iulorma- 
tionen,  da(s  man  dabei  nemlicb  legellos  und  wülkfirlieh  T<»g^gi]ig«i  ist 


Nordnihon 

Mittelnihon 
^^*estnillon 

Shikoku 


514  Oho 

809  - 
894  - 
943  - 

518  - 


4 

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2B2 


freien  I^oniitzungsn^chtes  durch  den  Eigen tiimer.  Nämlich  eine 
derartige  ^Luderung  der  Benutzung  bisher  steuerfreien  Grund- 
bentaeSy  dals  er  ab  iteuerpflichtig  angeeehem  werdam  malkto»  be- 
deute yoriieriger  Genefanugung  durch  dia  Be&rkar^eniqg.  D»- 
selbe  war  der  Fall,  wenn  Land  urbar  gemacht  werden  Milte  ^. 
Durch  die  Novelle  zum  Grundsteueigeeetz  (Nr.  30)  vom  20.  Not. 
1889  ist  aber  an  Stelle  der  vorherigen  Genehmigung:  das  Er- 
fordernis vorber?<j^or  Anzeige  getreten.  Bei  Land,  diis  durch  ver- 
änderte Benutzung  in  eine  andere  Steuerklasse  übergeht,  ist 
gleichfalls  Anzeige  an  die  Bezirksregierung  zu  macheni  mit  der 
Bitte  um  Neueinschätzung. 

Eine  andere  Bescbxttnkung  der  Verfügungsfreiheit  ut  dagegen 
nea  eingeführt  durch  das  QeaetE  vom  28.  April  1886  Uber  die 
Errichtung  von  Fanülien-FideikoiiUDisaen}  welche  den  Häuptern 
von  Adelsfamilien  gestattet  ist.  Ausgedehnter  Gebrauch  scheint 
davon  bisher  nicht  gemacht  zu  sein,  wie  überhaupt  der  Adel  im 
aUgemeinen  keinen  erheblichen  Grundbesitz  hat  (vgl.  den  bchluls 
dieses  Kapitels). 

I  ber  Exproprnition  von  Grundbesitz  für  öHentiiciie 
Zwecke  bestimmte  bisher  das  Gesetz  132  vom  28.  Juli  1H75, 
dais  über  die  Notwendigkeit  der  Expropriation  nach  Bericht  der 
betreffenden  Behörden  das  Daijokwan  entscheide  und  dais  als 
EntschAdigung  der  Im  Besitatitel  enthaltene  Grundsteuerwert  au 
zahlen  sei.  Sei  aber  der  wirkliche  Wert  ein  anderer,  so  solle 
der  Preis  zwischen  beiden  Ptoteien  Tereinbart  werden.  Sei 
Übereinstimmung  nicht  zu  erzielen,  so  ernenne  jede  Seite  einen 
Mnschätzer,  auf  Grund  drren  Ont^ichten  das  Ministerium  des 
Innern  entscheidet.  Die  Ent-schadigung  f^ir  Pflanzen  und  (n  baude 
sei  in  gloiclier  Weise  festzustellen.  Diedes  alle  Kutsdicidung 
der  Regierung  vorbehaltende  Gesetz  ist  jetzt  b^boitigt  durch 
Gesetz  19  vom  30.  JuU  1889,  welches  In  41  Paragraphen  die 
Expropriation  im  wesentlichen  nach  pfeufBischem  Muster  regelt 
Wenn  danach  der  Eigentümer  den  angebotenen  Preis  ablennt, 
so  entscheidet  der  ständige  Ausschufs  des  Bezirkstages  unter 
Vorsitz  des  Präfckteu.  Der  Ausschufs  entsclieidet  erstens  dar- 
über, ob  das  Grundstürk  zu  expropriieren  i<T,  zweitens  über  die 
Hohe  der  Entschädigung.  Gegen  die  erstere  Entscheidung  kann 
binnen  7  Tagen  boirn  Miniskr  des  Innern  Beschwerde  eingelegt 
werden.  Gegen  die  Höhe  der  Entschädigung  können  binnen 
drei  Monaten  die  Givilfferichte  angerufen  werden. 

Das^  Eigentumsrecmt  des  Grundbesitzers  erstreckt  sich  nicht 
auf  die  im  Boden  enthaltenen  nutzbaren  Mineralien^  soweit 
diese  dem  Bergregal  unterwoden  sind. 

Die  Verpfändung  von  Grundstücken  war  georegelt 

*  Oder,  genauer  gesprochen,  wenn  Wald-,  Gradaod  u.  dgL  in  Acker-, 
BanUnd  oder  iSalsgartan  mngewaadelt  werden  soUle. 


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X  4. 


283 


durch  Gesetz  18  vom  17.  Januar  1873.  Das  Gesetz  kannte 
zwei  Formen  der  Verpftlndung:  mit  Ubergabe  des  Besitztitels 
(Shichiire),  d.  h.  also  Besitzübortragiing,  und  ohne  solche  f  Kakürc, 
Hypothek ).  Die  Grundsteuer  trägt  der  Pfandinhaber.  Wenn  binnen 
drei  Jahren  die  Schuld  nicht  getilgt  ist,  kann  der  besitzende  Pfand- 
gläubiger Übertragung  des  Eigenturas  fordern.  Beide  Arten  von 
Verpfändung  sind  vom  Schulzen  zu  registrieren ,  doch  gestattete 
durch  Verfügung  vom  29.  Api  il  1875  das  Daijokwan  die  Über- 
gabe des  Besitztitels  als  Sicherheit  auch  ohne  Eintragung.  Durch 
das  bereits  erwähnte  Register^^^esetz  von  1886  wurde  aber  durch- 
weg Registrierung  im  (irundbuch  vorgeschrieben.  Thatsächlich 
sollen  sich  jedoch  die  Leute,  um  sich  der  Registergebühr  zu  ent- 
ziehen, der  Regel  nach  weiter  mit  der  blofsen  l'bergabe  des  Be- 
sitztitels begnügt  haben.  Dies  soll  ein  Hauptgrund  für  die  1889 
erfolgte  Abschaffung  der  Besitztitel  sein. 

Die  Statistik  der  Verpfändungen  hat  mithin  nur 
den  Wert  von  Mininialzahlcn,  da  sie  natürlich  nur  den  Betrag 
der  eingetragenen  Verj)fändungen  angiebt.  Immerhin  bietet  sie 
auch  manches  Beachtungswerte.  Sie  ist  veröffentlicht  für  die 
Jahre  1883  bis  1886,  bezieht  sich  also  nur  auf  die  Zeit  vor 
Inkrafttreten  des  neuen  Registergesetzes.  Die  Statistik  umfafst 
den  Wertbetrag  der  Neueintragungen,  Löschungen  und  des  Be- 
standes am  Ende  des  Jahres  und  die  Summen  der  Gnmdsteuer- 
werte  der  verpfjlndeten  Grundstücke,  leider  aber  weder  die  Flächen 
noch  die  Landarten,  auf  welche  sich  die  Verpthndung  bezieht. 
Auch  sagt  sie  nichts  über  die  Grölse  der  einzelnen  Verpfändungen. 
Sie  bezieht  sich  nur  auf  Altjapan,  giebt  aber  auch  f\lr  dieses  nur 
1884  den  Nachweis  f\ir  alle  43  Bezirke.  Dagegen  umfafst 
sie  1883  nur  33  Bezirke,  1885  40  Bezirke',  1886  26  Bezirke. 
Für  25  Bezirke  liegen  gleichmäfsige  Nachweise  von  1884  bis 
1886  vor. 

In  den  sämtlichen  Bezirken,  für  welche  Zahlen  gegeben  sind, 
waren  verpfändet  zu  Ende  des  Jahres 

Grundstücke  im  Steuerwerte  von    für  eine  Pfandaumnie  von 


1883  170087694  Yen  156936384  Yen 

1884  268145501    -  233100696  - 

1885  241420028    -  192114293  - 

1886  167104  472    -  125  284  502  - 

In  25  vergleichbaren  Bezirken  waren  die  Summen 

1884  135507614  Yen  123763415  Yen 

1885  147994108    -  119761941  - 

1886  152317  955    -  116309900  - 


Diese  Zahlen  ergeben  also  für  die  verpfändeten  Grimdstücke 
und  die  Pfandsummen  gerade  die  umgekehrte  Bewegung.  Während 


'  Die  drei  fehlenden  Bezirke  sind  Kanagawa,  Saitama  und  iShiga. 


Digitizea 


284 


X  4. 


die  verpfändeten  Grundstücke  dem  Steuerwerte  nach  r^ich  uni 
feist  12V2  Prozent  vermehrten,  nahmen  die  Pfandaumiiien  um 
beinahe  6* '2  Prozent  ab.  Letztere  waren  vom  Grandsteuerwert 
Ende  1884  über  Ül  Prozent,  Ende  1880  nur  76  Prozent.  Bei 
den  Neoemtragungen  jedes  Jahre«  war  die  P&ndsumme  Yom 
GmndBteaenrerte 

1883:  92  PhHseot 

1884:  89 
1885:  67 
1886:  66  - 

Der  Rückgang  der  wirklichen  Werte  der  Gnindetttcke  gegenüber 
den  Grunasteuerwerten  in  den  genannten  Jahren  infolge  der 
WerterhöJumg  der  Landeswährung  und  der  wirtschaftiichen  Krisis 
kommt  in  diesen  Zahlen  ebenso  zum  Ausdruck  wie  in  den  nach* 
her  zu  besprechenden  Kaulpreisen. 

Aus  den  mitgeteilten  Zahlen  geht  schon  eines  hervor,  dafs  von 
der  Veipföndung  des  Grundbesitzes  in  Japan  bereits  ein  recht 
ausgedehnter  GeDrauch  gemacht  wird.  Von  dem  gesamten  Grund- 
besitze waren  dem  Steuerwerte  nach  in  Altjapan  £nde  1884  16,8 
Prozent  als  verpfändet  eingetragen,  Ende  1885  in  den  bekannten 
40  Bezirken  16,o  Prozent  Die  wirkliche  VerpfUndung  ist  er- 
heblicli  ausgedehnter.  Wie  grols  sie  ist,  lälst  sich  nicht  einmal 
vermuten. 

Sehen  wir  uns  die  Belastung  des  Grundbesitzes  mit  cin- 
getrajj^enen  Pfandsehuldcn  nach  Bezirken  nn.  so  finden  wir  sehr 
erhebliche  Unterschiede.  Von  dem  Grundbesitze  waren,  dem 
Steaerwerte  nach,  in  manchen  Gebenden  nur  unbedeutende  Teile 
verpfiindet.  In  Iwate  2.  B.  Ende  1886  nur  8  Phnsent  Das 
Jahr  vorher  allerdings  9  Prozent  IHe  eingetragenen  Verpfim- 
dungen  waren  im  allgemeinen  am  seltensten  Im  Norden  und 
der  Südhälfte  von  Kyushu,  am  stärksten  in  den  Bezirken  um 
die  Inlandsee,  in  Fiiknoka  über  ein  Drittpl,  in  Oiti,  Okayama, 
Ehime,  auch  ShiiUMne  und  l  ottori  nicht  viel  weniger.  Etwa  ein 
Viertel  ist  es  in  1  okushima.  Wakayama,  Kyoto,  Miye,  auch  in 
Yamanashi  und  Kanagasva.  Da  man  aber  nicht  weils,  ob  die 
Unterschiede  mehr  die  Folge  wirklich  häufiger  oder  seltener  vor- 
kommender Verpfilndung  oder  nur  hftufigerer  Eintragung  der  Ver- 
p&ndung  sind,  so  kann  man  aus  den  Zahlen  nicht  weitgehende 
Schlüsse  sieben.  Bei  einem  Vergleich  mit  der  Häufigkeit  des 
Verkaufs  von  Grundbesitz  findet  sich,  dafs  unter  den  hierbei 
stark  beteiligten  I?ezirken  sich  eine  Reihe  der  obengen-innten  Be- 
zirk«' liMitfifjfT  Verpfandung  gleiehfdls  finden.  Es  sind  aber  aucli 
Bezirke  dai  unter,  in  weichen  die  eingetragene  Summe  der  Ver- 
pfändungeii  verhältnisraäfsig  gering  ist. 

Aus  dem  gleichen  Grunde  muls  man  vorsichtig  sein  mit 
Schlüssen  aus  der  Ab-  oder  Zunahme  des  mit  Pfandsehulden 
behafteten  Grundbesitzes.  In  manchen  Bezirken  schwanken  die 


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X  4. 


285 


Zahlen  von  Jahr  zu  Jahr  in  so  auffälliger  Weise,  dafs  höchst 
wahrscheinlich  Zufälligkeiten  die  Häufigkeit  der  Eintragungen 
beeinflussen.  Immerhin  mag  erw;i}mt  werden,  dafs  nach  diesen 
Zahlen  der  verpfHndete  Grundbesitz  sich  stark  vermehrt  hätte 
in  Tochigi,  Kyoto,  Okayama,  Hiroshima,  Tükuöliiaia  und  Eliime, 
D^^en  hätte  er  erheblich  abgenommen  in  2viigata,  Osaka,  Aiclii 
und  Kumamota. 

Um  die  Höhe  der  Vef8cfaiildi]D|^  bet  veipfitndetem  Grund- 
besitz  zu  beurteilen,  darf  man  naftttrhch  nicht  die  Steuerwerte  su 
Gnmde  legen.  Man  mttlate  von  den  wirklichen  Preisen  aus- 
geher».  Im  allgemeinen  sclifMnt  die  Reloihung  ziemlich  hoch  zu 
sein,  drei  Viertel  bis  vier  Fünftel  und  mehr  vom  wirklichen 
Werte  des  Grunds tuckes. 

Sehr  bemerkenswert  scheint  mir,  dafs  die  Verschuldung  des 
Grundbesitzes  nur  zu  einem  Teile  eine  dauernde  ist.  Ein  ganz 
erheblieher  Teil  der  Verpftodungen  erfolgt  anscheinend  nur  auf 
ganz  kurae  Fristen,  wie  sich  aus  dem  Yerlillltiua  der  Keuein- 
tragungen  zu  dem  Bestände  ergiebt. 


£nde  1884   128763415  Yen      1885  64517377  Yen 

.    188r,    119  7(;iP41    -         1886  55955968  - 
-     1886   116309900  - 

Die  Neueintragungen  wfthrend  dea  Jahres  machen  also  etwa 
^  die  Hälfte  der  am  Ende  des  Jahres  vorhandenen  Pfiindsumme 
aus!    Das  deutet  auf  Verhältnisse,  die  mit  unserem  mitteleuro- 
päise]ien  Hypothekarkredit  lier/lich  wenig  gemein  haben.  Die  Ver- 

StUndung  des  Grimdbesitzes  erfolgt  anscheinend  nicht  so  sehr,  um 
auemde  Bedürfnisse  zu  befriedigen,  sondern  um  dem  kurzen 
Kredit  für  laufende  ßedtlrfnisse  zu  dienen,  aul  dem  Lande,  um 
das  Geld  Air  Steuern,  fUr  den  Ankauf  von  Dünger  u.  dgl.  auf- 
subringen,  in  der  Staudt^  um  das  Rohmaterial  des  Handwerkers, 
die  Waren  des  Kaufmanns  zu  beschaffen,  wohl  auch  um  bar 
Geld  fUr  Festlichkeiten  u.  dgl.  zu  erhalten.  Dafs  die  Verpfiln- 
dung  des  Grundbesitzes  nicht  das  beste  Mittel  ist,  um  derai-tige 
Kreditbedürfnisse  ?u  befriedigen,  bedarf  wohl  keiner  Hervor- 
hebung. Die  Kreditverl lahiiiäse  Japans  sind  aber  so,  dal's  der 
kleine  Mann  Kredit  zu  iialbwegs  annehmbaren  Bedingungen  nur 
gegen  derartige  Sicherheit  erliält. 

Eine  entsprechende  Überaidit,  wie  über  die  Verp&ndungen, 
giebt  es  Uber  die  Verkäufe  ron  Grundbesita^  woraus 
eanenseita  tiber  die  thatsächliche  Mobilisierung  des  Gnmdbesitzes, 
andeneita  über  die  Preise  der  Grundstücke  manchea  Beachtens- 
werte zu  entnehmen  ist.  Auch  diese  Übersichten  geben  nicht 
die  Fläche,  sondern  nur  dio  St^uerwerte  der  verkauften  Grund- 
stücke und  die  daiür  gezahlten  Preise.  Die  Grundstücke  sind 


der  Bestand 
der  FfAndscbaldeD 


Neneintragungen 
wXlixeod  des  Jahres 


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28G 


X4. 


dabei  in  drei  Klaasea  eingeteilt,  Ackerland,  Wald  und  anderes 
Land.  Leider  stod  die  Üoeniohten  fSkr  Altjapan  nur  für  1884 
ToOrtündig  und  auch  hier  ist  der  Besirk  Osaka  besser  abBusetaen. 

1883  sind  die  Zahlen  aus  33  von  den  43  Bezirken  milgeleilty 
1885  aus  42  Bezirken  (es  fehlt  nur  Shiga),  1886  aus  29  Be- 
zirken. Trotz  dieser  Mängel  giebt  die  Statistik  der  Liandverkiiufc 
dooli  ein  höchst  schätzenswerte?!  Matprial,  welches  immer  noch 
erlicblich  wertvoller  ist  als  die  eiiizehieu  Angaben,  die  einem 
aui  Reisen  hier  und  da  über  den  für  Grundstücke  gesahlten 
Preis  gemacht  werden. 

Die  Summe  der  verzeichneten  Landverkäuie  betrug : 

1883  56228  458  Yen  mit  einem  Steaerwerte  von  46123669  Yen 

1884  81528  704   -  -  -    75  372427  - 

1885  84  197085    ...  .  .    82218602  - 

1886  62  438  018    -      -       -  -  -    50  054072  - 

Die  Wertfiummc  ftir  1^84,  in  weichem  Jahre  ganz  Altjapan 
einbezogen  ist,  betragt  4,>i  Prozent  des  Steuer  wertes  des  Grund- 
besitzes überhaupt.  Ks  wechselt  also  in  Japan  alijiihrlich  doch 
schon  ein  nicht  imbeträchtlicher  Teil  des  Grundbesitzes  durch 
Verkanf  den  Besitzer.  Und  dieser  FrosentsatB  ist  im  Steigen. 
In  den  28  Bezirken,  Aber  welche  Zahlen  für  die  drei  Jahre  1884 
bis  1886  gieiohmäisig  vorhanden  sind^,  waren  die  entsprechenden 
Summen : 

1884  55  687  732  Yen  FmB    50  586 168  Yen  Wert 

1885  54  080  649    -       -        51898427  - 
l^>-'6     58578879    -      -       58467444  • 

Wechselten  1884  etwa  4,8  Pros»nt  des  Landes  dem  Steuer- 
werte nach  den  Besitzer,       waren  es  1886  schon  5,i  Prozent. 

Diese  Zahlen  bedeuten,  dals  durchschnittlich  in  etwa  20  Jahren 
der  ganze  (iruudbesitz  eine  Eiu'ontumsveränderun^^  crf; ihren 
würde.  Man  sielit.  wie  gering  die  Stabilität  der  Beöitzverhiiltnisse 
in  Japan  geworden  ist.  Mau  darf  aber  nicht  vergessen,  dalis 
in  diesen  Durchschnitten  die  städtischen  HausgrundstUcke  ein- 
begriffen sind. 

Auf  die  drei  angegebenen  Klassen  Terteilten  sich  diese 
Sununen  folgendermaisen. 

Ackerlaad  wurde  Terkanft: 

1883  für  46151505  Yen  im  Steuerwert  von  416*19  287  Yen 

1884  -  68136084    .    -         -         -    68973147  - 

1885  -  65305245    -    -         -         -   70460765  - 

1886  -  45558789    -    -        -         -   51523565  - 


^  In  clor  amtlkbeu  Statistik  sind  2f>  Bezirke  anpo^'cben.  Die  Zahlen 
tlir  Osaka  -  fa  aiud  aber  thatsächlicb  nicht  vergleichbar  und  daher  ab» 
sosetzen. 


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287 


In  ganz  Altjapan  ohne  Osaka-fii  wechselten  1884  4,<j  Pro- 
zent des  Ackerlanctes  durch  Verkauf  den  EijLcenttlmer,  bis  1886 
dürfte  das  auf  5  Prozent  angewachsen  sein.  Für  27  veigieiob- 
bare  liezirke''  waren  die  Zahlen  fol*?ende: 

1884  Preis  4539()817  Yen,  Wert  45470729  Yen 
lRRr>     .    43317  861     -       -     461^00  345  - 
Ibbü     -    44681394    -      -     46607434  - 

Wald  wurde  verkauft: 

1883  fUr  4098575  Yen  Im  Steuerwerte  von  158S695  Yen 

1884  -    5  174  781     -    -         -  -    1888  041  - 

1885  -    5  591746    -    -         -  -    191 G 108  - 

1886  -   3747366    -    -        -  -   1333693  - 

Dem  Werte  nach  war  das  1884  8^  6  Procent  der  Waldflfiohe 

und  ist  bis  1886  gtinz  unbedeutend  gewachj^rn. 

Die  Klasse  ..Anderes  Ijand**  enthalt  als  la^t  ausselilieiklichon 
Bestandteil  das  Hauland  (nämlich  einen  Steuerwert  von  nind 
126150000  Yen  unter  128900000  Yen  iUr  Altjapan  ohne  Osaka). 
Hier  war  die  Knt Wickelung  die  folgende: 

Es  wurde  verkauft: 

1883  für  5978  318  Yen  im  Steuerwerte  von  2890  687  Yen 

1884  -     7914r)63    -    -         -  -    4  507828  - 

1885  -     8953  764    -     -  -  -    4703077  - 

1886  -    11653130    ...  -   4885770  - 

Von  dem  überhaupt  vorhandenen  Steuerwert  wurden  1884 
verkauft  3,5  Prozent,  bis  188()  vermehrte  sich  das  aber  bis  auf 
6,2  Prozent,  Bauland  zeigt  also  das  etwas  überraschende  Er- 
gebnis, dafs  es  anfangs  verhJiltnisraftfsig  weniger  verkauft  wurde 
als  Ackerland.  Dagegen  wuchs  die  Häutigkeit  dei*  Veräufserung 
rasch  mit  der  Bessmmg  der  wvtaofaalffiehen  VeriilUtnisee  im 
Jahre  1886. 

In  den  vergldchbaren  27  Besvken  war  die  Bewegung  die 
folgende: 

1884  Fim  6034156  Yen    Steaerwert  3368218  Yen 

1885  -      6591384   -  -        3167050  - 

1886  .     10981867   -  -        4298444  - 
Untersuchen  wir,  wie  weit  die  Mobilisienmg  des  Grundbesitzes 

in  den  einzelnen  Bezirken  vorgeschrittt  n  ist,  so  linden  wir,  dafs 
im  allgemeinen  der  dichter  bosiodelte  Stlden  in  dieser  Richtung 
viel  unruhiger,  beweglicher  erscheint    Dem  Steuerwerte  nach 


*  Da  im  Fukm-ken  die  Unterscheidung  iji  K  l  isten  nicht  durch- 
geführt bt,  sondern  ntir  die  Geaamtaumme  ausgeben,  ist  auch  dieser 
Bczii*  von  der  Vergleiehiuig  awsnebfie&eD.  v  endetchnng  irt  nur  fllr 
27.  nicht  fUr  29  Besirke  möglich,  wie  die  amtlicfae  Statttik  glauben 
macht.  Vgl.  voiige  Anmeiining. 


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288  X  4. 

wurden  im  allgemeinen  Durchöchnitte  von  dem  Ackerlandc  vpr- 
kauft  etwa  5  Prozent.  Erheblich  dahinter  blieben  zurück 
namentlich  Iwate,  Niigata,  Fukiii,  Chiba  und  Aichi.  Erheblich 
über  dem  Durchschnitt  standen  1883  Kochi  mit  9,3  Prozent, 
1884  Toktuhlma  mit  8,  Kumamoto  mit  7,?,  Saga  mit  0,5  Pro- 
Beut,  1885  TokuBhima  und  Okayama  mit  7,s,  Komamoto  mit 
7,  Hu-oshima  mit  6,7,  Hyogo  mit  6,6,  Fnkuoka  mit  6,4  Ptosent, 
1886  Tokushtma  mit  8,  Osaka  mit  7,  Aomori  mit  6,7,  Yamagftta 
mit  6,6,  Okayama  mit  6,8,  Hiroshima  mit  6,i  Prozent. 

Im  letztgenannten  Jahre  standen  dfen  6  Prozent  nahe  auch 
Oita,  Ehime,  Wakayama,  Miye,  Vamana«hi,  Gumma,  Toyama, 
Miyagi  etc. 

In  manchen  Gegenden  hat  also  die  Beweglichkeit  schon 
einen  bedenklich  zu  nennenden  Charakter  angenommen,  wobei 
jedoch  immer  zu  beachten  ist,  dafs  luer  offinil>ar  die  wirt- 
schaftliche Erisis  von  1883/85  sich  äulsert  Von  den  Berirken^ 
fUr  welche  die  Zahlen  vollstündig  vorlic^^,  wechselten  in  den 
Jahren  1B8S/86  den  Besitzer  dem  Werte  nach  von  dem  Ackerland 

in  Tokushima  20  Prozent 

•  Kumamoto  24,5 

-  Ehime  23 

•  Saga  und 
Fukuoka  22 

-  liiroahima  21,4 

-  Aomori  20,4 

In  den  drei  Jahren  1883/85  warm  es: 

in  Kochi         19  Frozemt 
1884/86  in  Okayama  19,7 
-  Yamagata  17 

In  Osaka  und  Hyogo,  wo  die  Zahlen  nur  unvollständig 
mitgeteilt  sind,  mufs  der  Prozentsatz  gleichfalls  sehr  hoch  sein. 

Die  für  „Anderes  Land"  d  h.  wesentlich  Rauland  nach- 
gewiesenen Summen  fallen  natliiiich  in  der  IlanpUache  auf  die 
Bezirke  mit  grofsen,  in  lebhafterer  Entwiekclung  begriffenen 
Städten.  Von  dem  Erlös»  von  11053130  Yen  (bei  einem  Steuer- 
wert von  48Ö5770  Yen)  von  Yerkäufen  „Anderen  Landes'*  in 
28  Bezurken  im  Jahre  1886  kam  anf  die  Bezvke  Tokyo, 
^nagawa  und  Osaka  allein  die  Summe  von  7764039  Yen  bei 
einem  Steuerwerte  von  2  291 424  Yen.  In  Tokyo  sind  von 
1883-1886  für  11  040962  Yen  in  diese  Klasse  gehörige  Grund- 
sttlcke  verkauft,  dem  Steuerwerte  (von  8  935  752  \en)  nach 
genau  ein  Drittel  dea  Baulandes,  welches  eigentlich  allein 
in  Betracht  koniint.  Etwas  mehr  als  die  Hälfte  dieser 
Summe  kam  alieiu  auf  das  Jahr  1886.  1>(  sitz  Wechsel  bei 
einem  Sechstel  iüler  BaugrundstUcke  in    einem    Jahre  ^  ist 

I  Thatsächlich  den  Besitzer  gew<'chs<;U  haben  natürlich  weniger 
Grundstücke,  da  mehrfache  Verkauft'  dciiselben  Gnuidstttcket  im  selMB 
Jahre  nicht  selten  gewesen  sein  dürften. 


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X  4. 


289 


wohl  ein  deutliches  Zeichen  der  Heberhuften  Spekulation  jenes 
Jahres.  Alle  anderen  Bezirke  lileiben  weit  hinter  Tokyo  ziirtlck. 
1886  weclis*-]tpn  dem  Steuerwerie  nach  von  allen  Bauirrundstlickeii 
den  Beöiizcr:  in  löhikawa  9  Prozent,  in  Hiroaliima  undlvunagawa 
8  Prozeoty  m  Okayama  7,  in  Osaka  und  Tokuabima  6  Prozent, 
Auch  hier  findet  Bich  die  ^fsere  Bew^ltchkeit  hauptsächlich 
im  Süden  und  Westen.  Von  BezirkeOi  welche  188(5  in  der 
Statistik  fehlen,  hatten  in  den  Vorjahren  auch  Fukui  und  Hyogo 
verhÄltnisiii.i'si;^  hohe  Zahlen, 

Diese  Statistik  p*'Ht  auch  die  Möglichkeit  zu  einer  Schätzung 
der  durchschnittlichen  Höhe  der  G  r  u  n  d  s  t  ii  e  k  s  p  r  e  i  s  e ,  freilich 
in  engen  (irenzen  Wie  schon  gesa«^^  enthält  die  Statistik  keine 
Angaben  über  die  verkauften  i'liichen,  sondern  die  Steuer- 
sohAtsungswerte.  Wir  können  aber  die  gesahlten  Flrabe  mit  den 
Gnmdsteuerwerten  vergleichen,  welche  durchschnittlich  für  die 
Flächeneinheit  angegeben  sind.  Wir  würden  dann  die  durcli- 
schnittlich  gezahlten  l'ri  ise  erhalten,  wenn  die  verkauften  Qrund« 
stücke  duiThsohnittlieh  den  gleiciicn  wirklichen  und  Steuerwcrt 
hätten  wie  die  im  Lande  oder  Bezirk  überhaupt  vorhandenen. 
Das  wird  nun  kaum  der  Fall  sein.  Wahrseheinlich  werden 
wenigstens  bei  Ackerland  die  verkauften  (^ruiidstucke  vielfach 
hinter  dem  wirklichen  Durchschnittswerte  zurückbleiben.  Denn 
unter  den  Verkäufen  dürfte  eine  grofse  Zahl  sein,  in  welchen 
der  Bauer  durch  andauernde  Not  und  Ungläcksfillle  oder  durch 
Nachlä.ssigkeit  zum  Verkaufe  gt  zwimgen  ist.  Dann  werden  aber 
die  Grundstttcke  meist  durch  schlechte  Wirtschaft,  ungenügende 
Düngung  u  s.  w.  unter  den  ortsüblichen  ^^^rklichen  Wert  her- 
untergebracht sein.  Vielfach  dürfte  auch  der  wirklich  gezahlte 
Preis  schwer  festzustellen  und  hituhg,  der  Stempelabgaben  wegen, 
zu  niedrig  angegeben  sein.  Das  wird  namentlich  in  den  zahl- 
reichen Fällen  oft  vorkommen,  in  welchen  der  Pfandgläubiger 
den  Grundhesita  des  Schuldners  an  Zahlnngs  Statt  ülmimmt. 
Immerhin  geben  die  Zahlen  ein  gewisses  Bild  der  Grund- 


dais  diese  Durchschnittspreise  hinter  den  wirklichen  Durchschnitts- 
werten wohl  etwas  zurückbleiben  werden. 

Für  das  ganze  Land  weicht  die  Berechnung  von  der 
Wirklichkeit  noch  insofern  etwas  ab,  als  wir  Zahlen  über  <lie 
Verkaufe  nicht  au6  dem  ganzen  Laude  liaben.  Doch  wird  das 
einen  sehr  grofsen  Unterschied  nicht  machen.  Beim  Ackerland 
endlich  müssen  wir  annehmen,  dafs  sich  der  wirkliche  zum 
Steuerwert  bei  beiden  Arten  Ackerland,  Ta  und  Hata,  gleich 
verhält,  während  wahrscheinli  li  beim  Trockenfeld  das  Wert^ 
Verhältnis  etwas  höher  ist  Beim  Ackerland  sank  von  Anfang 
1888  bis  Ende  1886  der  Steuerwert  von  464  auf  458  Yen  fUr 


>  Vgl.  auch  unten  im  Kapitel  über  die  Grundsteoer  den  letzten 

Abschnitt. 

Fofitohuiigeii  (15)  X  4.  -    Kuthgin.  19 


Stückspreise  in  Japan,  wenn 


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290 


X  4. 


den  Cho  ReiBUmd  nnd  Ton  148  auf  141         für  den  Che 

Trockenföld.  Der  wirklich  erzielte  Preis  war  188S  III  Prozent 
des  SteuerWCTtea.  1884  99  Prozent,  1885  93  Prozent,  1886  88 
Prozent.  Danacn  wäre  der  durchschnittUcbe  Preis  gewesen  für 
den  Cho: 

Reißlaud  Tro».  keufeld 

1883  514  Yen  159  Yen 

1884  456    -  141  - 

1885  428  -  131  - 
188G  404     -  123  . 

Stellen  wir  eine  entsprechende  Rechnung  für  die  Bezirke 
mit  höchsten  und  niedrigsten  QrundstUckspreisen  an,  so  finden 
wir  1886  die  höchsten  Preise 

für  den  Gho       für  den  Cho 
Bdsiand  Trockeofdd 

in  Tokyo  mit     1052  Yen      (242  Yen) 
in  Kyoto  mit     (560  Yen)       261  Yen 

dagegen  die  uiedrigsteu  Preise 

in  Kagoshima  mit  162  Yen       36  Von 
in  Miyazaki     mit  202     -        47  - 
iu  Aomori       mit  103     -         37  - 

Die  Zahlen  fttr  Tokyo  stehen  natürlich  unter  dem  eigen- 
ariigcn  Einflulb  der  Grolöstadt,  ihrCö  stetigen  Wachsens  und  des 
daraus  folgenden  Ankauft  von  Feldern  fUr  Zwecke  der  Bau- 
spekul&tiott.  in  dem  unmittelbar  benachbarten  rein  ackerbauenden 
»utama-ken  beispielsweise  stellte  sich  das  \'erhültm8  auf  623  Yen 
{Ur  den  Oho  Beialand  und  168  Yen  fUr  den  Cho  Trockenfeld, 
im  Kanagawa-ken  auf  693  und  176  Yen. 

Tm  allgemeinen  kann  nir^n  aus  dem  vorlinndenen  Material 
schiieisen,  dal's  aitL;esrhen  von  den  angeführten  Ii«  zirken  extremer 
Preise  der  Clio  Ackerland  um  1880  durchschnittlich  bezahlt 
wurde  mit  20Ü  bis  300  Yen  iiir  Reisland  uod  70  biü  150  Yen 
für  Trockenfeld  im  Norden,  dagegen  iu  der  Mitte  von  der 
Tokyo-  sur  OBaka-Bucht  mit  400  bia  700  Yen  für  Reisland  und 
150  bis  250  Y'en  Rlr  Trockenfeld,  im  Südwesten  endlich  mit 
280  bis  450  Yen  tiu-  Reisland  und  80  bis  170  Yen  flir  Trocken- 
feld. Seitdem  sind  die  Preise  im  allgemeinen  etwas  höher  ge- 
worden, namentlich  in  den  industriell  entwickelteren  Gregenden 
und  da.  wo  der  Eisenbahnbau  Fortschritte  gemacht  hat. 

Eigenartig  nach  europäischen  Begriffen  i-^t,  <! als  Grundeigentum 
und  Ha n  eigentum  getrennt  und  nanienüieh  in  den  grölscren 
Städten  \viik!ich  hJlufig  in  verschiedenen  Händen  sind.  Der 
HauÄeigeutuLüer  iiat  den  Grund  und  Boden  gewöhnÜch  auf  15 
bis  30  Jahre  gepachtet.  Die  Häuser  werden  als  Sache  für  sich 
▼erkauft  tmd  verpfiUkdet  (beides  geregelt  1875,  dann  durdi  das 
BegtBter-GeBetz  von  1886).    Aus  der  japanischen  Bauart  der 


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X  4. 


291 


Hätuer  erklärt  sich  das  übrigena  einfiich  genug.  Als  BSnheit 
der  BerecLnung  der  Häusergrölse  dient  die  Grundfläche  jedes 
Stockwerks  ausgedrückt  in  Tsubo  (Quadratklafler,  6  japanische 

Fnfs  im  Geviert,  gleich  zwei  Matten,  wie  sie  in  allon  j!ij)-inischen 
Häusern  den  Fulsbodeu  bedecken.  8^  4  Quadratmeter).  Für  die 
Jahre  18ö3  hin  188t>  giebt  es  gleichfalls  eine  nicht  ganz  voll- 
standige  Statistik  der  registrierten  Verkäufe  und  Ver- 
pfändungen von  Häusern.  Die  Übersicht  bezieht  sich 
1883  auf  32  Bezirke,  1884  auf  42,  1885  auf  40,  1886  auf  26 
von  den  43  Bezirken  Altjapans*. 

In  diesen  Beairken  wurden  verkauft  Häuser  mit  einer 
Fläche  von 

1883  4  837009  Tsubo  für  den  P^is  von  11  881 687  Yen 

1884  8403854    14  ^71  966  - 

7  841828    18  174  510  - 

1886   5871094    9067  203  * 

Von  18S4-1886  sind  Zahlen  gleichmttfsig  fär  24  Bezirke 
mitgeteilt  In  diesen  war  Fläehe  und  Preis 

1884  4479768  Tsubo  9078556  Yen,  per  Tsubo  2,os  Yen 

1885  4321  754     -     S418  7G0   -      -      -     l,w  • 

1886  5  332285     -     8218872   -      -      -     1,5«  - 

Die  Bezirke  mit  greisen  Städten  ragen  natttrUch  unter  den 
andern  hervor.  Im  Jahre  1886  s.  B.  waren  die  betreffenden 
Zahlen  in  den  Bezirken 

Tokyo     1004971  Tsubo  8021375  Yen,  per  Tsubo  8,01  Yen 


Kyoto  155937  -  557623  -  -  -  3,58  - 

Osaka  429  287  -  809  557  -  -  -  l,Bft  - 

Aichi  255  016  -  418  851  -  -  -  1,64  - 

Ishikawa  179977  -  260254  -  -  -  1,45  - 

Okavama  395395  -  218  881  -  -  -  0,55  - 

Hiroshima  161849  -  335038  -  -  -  2,o7  - 

Ehime  352  030  -  308982  -  -  •  1,03  - 
a,  s.  w. 


Für  Kanagawa  und  Hvogo,  welche  in  den  Vorjahren  sehr 
hohe  Ziffern  zeigten,  fehlen  die  Angaben  für  1886.  Den  stärksten 
O^ensata  bildet  Satsuma: 

Kagoshima  10745  Tsubo,  31  699  Yen,  per  Tsubo  2,m  Yen. 
In  dem  durclrschnittlichen  Rückgang  der  Preise  per  Tsubo 
zeigt  .sicfi  d(  r  Kinäuis  der  Währungsverhältnisse  und  der  groiaen 

wirtschatthclien  Krise. 

MerkwürdiiT  ist  bei  der  verfänglichen  Natur  japanischer 
Häuser,  dafs  sie  in  ziemlicher  Ausdehnung  verpfäudct  werden. 
Die  Statistik  giebt  nur  die  Summen  an,  niefat  die  Zahl  der  Häuser. 

i  1884  fehlt  nur  BÜyaaaki,  1885  Kanagawa,  Saitama  \md  Shiga. 

Id* 


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292 


X  4. 


Der  Leser,  welcher  Japan  nicht  kennt,  möge  beachten,  daCs  der 
Geldwert  der  gewöhnliehrn  Hfiuser  ein  sehr  gerinr^er  ist. 

Für  alle  Bezirke,  mü'  w(  Iche  die  Zahlen  sich  beziehen,  war 
die  Ptandsumme  am  Ende  des  Jahres 

30214  10()  Yen 
löö-i       4M818  37G  - 

1885  34733480  - 

1886  25284  733  - 

In  den  vergleichbaren  Iii  Bezirken  liai  sich  der  Bestand 
wenig  gelindert  ^wahrend  die  Wrschuldung  der  Grundbesitzer 
sich  anscheinend  vermehrt  hat) : 

Ende  1884      23832940  Yen 

-  1885       24  500395  - 

-  1  222  888  - 

Die  Verpftindunu«  n  Hcliciiien  vielfach  nur  auf  ganz  kurze 
Zeit  zu  erfolgen,  woiil  als  ^Sicherheit  im  Laufe  ge«cbäfUicher 
Transaktionen. 

Die  HaaptnuDmeD  entfidlen  xutürlieh  wieder  aaf  die  Bezirke 
mit  grofeea  Städten,  z.  B.  Ende  1886  auf 

Tokyo  4  789176  Yen 

Kyoto  1041884  • 

Osaka  3881138  - 

Aichi  1386642  - 

Ishikawa  1084987  - 

Aufflerdem  iat  bemerkenswert 

Ehime  mit  2470387  Yen 

Fokaoka  -  1816550  - 

l^agano  -  1133225  - 
Okayama    -  1094930  - 

Unter  den  Bezirken^  fdr  welche  1886  die  Angaben  fehlen, 

sind  auch  Miye  und  Gifu  bemerkenswert.  Das  entgegengcsetste 
Extrem  ist  wieder  Kagoshiraa  mit  nur  120869  Yen.  Überhaupt 
pchriTit  lliJufigkeit  des  Verkaufs  und  der  Verp&ndung  von 
Häusern  Hand  in  Hand  zu  gehen. 

Der  Wert  der  mitgeteilten  Zahlen  leidet  natürlich  darunter, 
dafs  es  an  Mitteln  fehlt,  Fläche  und  Wert  der  vorhandenen 
Häuser  genauer  zu  schätzen. 

Die  Zahl  der  steuerpflichtigen  Grundeigeu- 
tttmer  ist  nicht  genau  bekannt.  Der  Bericht  Uber  die  Grund- 
Steuerreform  giebt  an,  dafs  bei  der  Reform  6035637  Steuer« 
Pflichtige  Eigentümer  von  Acker-  und  Bauland  ermittelt  seien, 
was  Mr  die  Person  durchschnittlich  einen  Besitz  von  niir  ficht 
Zehntel  Cho  ergeben  wurde.  Jene  Zalil  ist  aber  viel  zu  gro's, 
da  alle  diejenigen,  welche  in  mehr  als  einer  Gemeinde  Grund- 
besitz haben,  in  jeder  Gemeinde  gezahlt  sind.    Da  in  Japan 


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X  4. 


293 


r^golmä&ig  nnr  das  FamilienhanDt  als  Gkrundeigentttmer  vor- 
kommt, so  kann  man  die  Zahl  der  Hanshaltniigsvorstände  mit 
der  der  EigentHmer  direkt  vergleichen.  Am  1.  Januar  1881 
war  die  Zahl  der  ersteren  rund  7300000.    Es  w«ren  mithin  bei- 

rahr-  davf^n  < 'rnnfV  ii^entümer  gewesen.    W  ie  unmöglich 

iiiuse  Zahl  der  Grundeigti  iiinicr  ist,  ergiebt  sich  schon  daraus,  dal's 
in  vier  von  den  dainj^l-  1  icotehenden  Bezirken  die  Zahl  der 
Üjgentüiiirr  grulser  war  als  die  der  liaiiühaltungsvorstände und 
in  drei  aoderen  Bezirken'  beinahe  gleich  grold.  Weni^  nützen 
auch  die  Angaben  der  Agrarstatutik,  wonach  £hide  1886 
8121075  Haushaltungen  vorhanden  gewesen  wären,  welche 
Landwirtschaft  auf  eigenem  Grund  und  Hoden  betrieben,  davon 
»wei  Drittel  im  Hauptberuf.  Diese  Zahl  stimmt  wenig  zn>ammen 
mit  einer  Frlu  lrnng  von  1883  84,  wonnoli  in  '^^^  von  den  43  Be- 
zirken Altjapans  1 701  4m1  llaushaltungen  ti  n  aiii  eigenem, 
167Ü435  auf  eigenem  und  zugepaehtetem  iiuden  ge wirtschaftet 
hätten,  das  wjiren  3  377  830  landwirtschaftliche  Eigentümer,  in 
ganz  Japan  also  etwa  4V2  MilHon, 

Elbensowenig  wissen  wir  leider  Uber  die  Oröfsenverhältnisse 
des  japanischen  Grundbesitzes.  Den  einsigen  mir  bekannten 
AnLalt  bieten  die  Listen  der  für  die  Be/.irkstage  wählbaren  und 
wahlberechtigten  Personen,  deren  QualiHkation  von  einem  Census 
im  ersten  Falle  von  10  Yen,  im  letzten  Falle  von  '>  Yen  Grund- 
steuer abhängt.    (Bezieht  sieh  gleichfalls  nur  auf  Altjapan.) 

Mehr  als  10  Yen  Grundsteuer  zahlten  1886 

000100  Personen. 

Mehr  als  5  Yen  Grundsteuer  zahlten  188li 

Vor  188«^  ist  nur  die  Zahl  der  wirklieli  Wählbaren  und  Wahl- 
berechtigten mitgeteilt  Seit  1881  hat  diese  ständig  abgenommen. 
Es  waren 

wählbar  wahlberechtigt 

1881  879347  1809610 
1886    809880  1531952 

Sichere  Sc  hlüsse  lassen  sich  auö  diesen  Zahlen  kaum  ziehen. 
Offenbar  zahlen  mehr  als  die  H^ilfte  der  japanischen  Grund- 
eigentümer w  eniger  als  5  Yen  Steuer,  haben  mit  anderen  ^Vorten 
einen  Besitz  von  noch  nicht  200  Yen  Steuerwert.  Dafa  es  wenige 
Personen  mit  grOfaerem  Besitze  giebt,  ist  im  allgemeinen  bekannt. 


'  Nämlich 

Saitama     174  200  Familienhäupter,  204  083  Grundeigentümer 
Gamma     124000  -  126  713 

Hiroabima  259  100  -  508n:^2  (!) 

Oita  133  800  -  173  700 

*  Ibaraki,  Yamanashi  und  i  okuähima  mit  zusammen  372300  Fami- 
UenhKnptein  und  802720  Grundbedtsem. 


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294 


X  4. 


Die  Zahl  städtisclirr  Kapitalisten  (Kaufleute,  Beamte),  welche 
Grundbesitz  erwerben  und  verpachten ,  dürfte  sich  ziemlich  ver- 
mehrt haben.  Die  Ausdehnung  der  Pachtwirt^ehalt  in  manchen 
Gegenden  Japans  deulet  darauf  ebeui^o  hin  wie  die  Abnahme 
der  Zahl  der  Eigentttmer  von  5—10  Yen  Steaeriebtuiig.  Die 
Vermindenme  der  Zahl  der  etwas  grOiseren  Qrundbesitser  scheint 
mir  mehr  auf  Koncentration  wie  auf  Zersplitterung  des  Besttsses 
hinzudeuten  ^  Die  Zahl  der  Personen,  welche  mehr  als  5  besw. 
10  Yen  (irundsteuer  bezahlen,  ist  aber  nicht  ganz  gleiehmälVif^ 
i'iber  das  Land  verteilt.  Die  Zahl  derer,  welche  fünf  Yen  und 
mehr  Grundsteuer  zahlten ,  war  Ende  1886  im  Durchschnitt 
von  ganz  Altjapan  1,8«  "o  der  Bevölkerung,  die  der  Zehnyen- 
zahlcr  2,37  ^  o.  Über  diesem  Durchschnitt  euinden  erhebUch 
Fokushima  mit  6,8«  und  3,8»  ®/o,  Shiga  mit  6,55  und  4,8s  "/o, 
Miyazaki  mit  6,50  tmd  8^ ss  ^/e,  Saga  mit  6,n  and  3^t  ^/o,  Miye 
mit  6,f4  und  4,ii  •/o,  Okayama  mit  6,09,  aber  nur  2,3«  ^  0  u.  s.  w. 
Am  entgegengesetzten  Ende  stellt,  abgesehen  von  Tokyo  mit  nur 
1,88  un(T  0,75*^  0,  Yamanashi  mit  2,«(i  und  1,58*^  0,  Na;^a.saki  mit 
2,7« ''o  und  1,07^0,  Niigatn  mit  2,s.%  und  1,73"  0,  Yamaguchi  mit 
o,<i;i  und  1,80^  0,  Ehime  mit  3.-m  und  1,58*^  0,  Tokushima  mit  3,44 
und  l,7u"  o.  AufTallend  sind  Toyama  mit  3,8o  und  2.4;»'^'o  auf 
stärkere  Koncentrierung,  Kagoshima  mit  4,7c  und  1,69  auf  gröfäere 
ZendBttemng  deutend. 

Die  Statistik  derer,  welche  5  und  10  Yen  Grundsteuer  zahlen, 
ist  noch  von  einem  weiteren  Gesichtspunkte  aus  beachtenswert 
Sie  unterscheidet  nämlich  die  betr.  Steuersahlcr  nach  den  drei 
.Ständen  der  Kwazoku,  Shizoku  und  Heimin  und  erlaubt  daher 
ein  gewisses  TJrteil  über  die  Intensitlit,  mit  welcher  die  höheren 
Stände  am  Grundbejsitz  beteili<^t  sind. 

Mehr  als  fünf  Yen  zahlten  nur  290  Kwazoku,  mehr  als 
zehn  Yen  nur  209,  während  es  533  Familienhäupter  in  diesem 
Stande  gab.  Die  von  euronBischen  YerhUltDissen  so  abweichende 
sociale  Stellung  des  Adels  erhidt  dadurdi  ihre  eigene  Be- 
leuchtung. 

Von  Shizoku  gab  es  (ohne  Okinawa  und  llokkaido)  398  554 
Familienhnupter,  aber  nur  ^2  788  zalilten  5  Yen  und  nur  34602 
zahlten  1  <)  Yen  Grundsteuer  und  darüber,  also  knapp  10  und  O^  'o 
der  Geaamtzalil  der  Familienhiiupter  und  nur  4  "  0  der  betreffenden 
Steuerzahler,  wniuend  die  Shizoku  gut  5"o  der  Bevölkerung 
ausmachen.  Im  gröfsten  Teile  des  Landes  ist  jedoch  der  Ant^ul 
der  Shizoku  sehr  viel  niedriger.   Von  jenen  grundbesitzenden 


>  Man  darf  nicht  aurser  acht  iaaaea,  dafs  das  Frimogenitursjstem 
das  Erbrecht  aller  Klassen  der  Bevölkenme  behemcht,  wo  Zenplitte* 
rung  durch  Erbteilang  nicht  vorkommt,  allerdings  sowdlen  durch  Aus- 
stattODg  jüogerer  ^hne  bei  Lebseiten  des  Vaters. 


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X  4.  29S 

Shizoku  kommen  ziemlich  genau  zwei  Drittel  allein  auf  Kyushu 
und  die  Bezirke  Vamaguehi  und  Kochi  (nUmlich  41  7üü  und 
22  465;  in  Kagoshima  allein  waren  es  13146  und  5185).  In 
diesen  südlichen  Gegenden  sind  die  Shizoku  nicht  nur  an  sich 
in  giöfserer  Zahl  vorhandw,  sondern  nur  dort  beschäftigen  sie 
sich  seit  alters  in  grf^fserer  Zahl  mit  Landwirtscliaft. 

Über  einige  durch  besonders  hohen  oder  geringen  Anteil 
der  Slnzokn  bemerkenswerte  Bezirke  giebt  folgende  Zusammen- 
stellung AufBcblufs. 


Anteil  der  Shizoku  am  Grundbesitz  in  einigen 

Bezirken. 


• 

Besirk 

Es  waren  Shuokv 

unter  je  hundert  Grand- 
btsitzem,  welche  an 
(iruudsteuer  zahlten 

Von  je  hundert 
FamiliennKuptern  der 
im  Bezirk  nnsäsaigeQ 

Shizoku  zahlten 
Grandstener 

mehr  als 

'  Yon 

ii,'-lir  als 

1"    \  rn 

mehr  ab 

"i  Yen 

mehr  als 

10  Yen 

Kogoebima    .  . 

29 

35 

27 

11 

Miyazaki   .  .  . 

19 

19 

16 

KttDuunoto .  .  . 

10 

13 

35 

21 

Saga  *  «  *  .  . 

16 

18 

31 

21 

Nagasaki   .  .  . 

22 

29 

22 

14 

Faknoka   .  .  . 

7 

8 

21 

15 

Ysmagitelii    .  . 

9 

11 

16 

9 

Kochi  .... 

9 

l:J 

20 

15 

Yamana?hi     .  . 

0,4 

0,4 

i:^ 

7 

Kanagawa .   .  . 

Toyama.  .  .  . 

0,t 

0.« 

1,» 

1 

Für  die  Beurteilung  der  ganzen  neueren  Geschichte  Japans 
durften  diese  Zahlen  l^reieh  sein.  Die  grolse  Umwälsung  des 
Staatswesens  ist  von  den  Shiaoku  der  Gegenden  gemacht,  in 
welchen  sie  durch  Ackerbau  und  Grundbäitz  eine  gesicherte 

!«ociale  Stellnng  einnahmen,  (t^bor  den  Kinflufs  dieser  Verhält- 
nisse auf  die  ?>nifi!'sigung  der  Grundsteuer  vgl.  im  betr.  Kapitel 
den  dritten  Abschnitt.; 


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296 


Vergleicht  man  schliefalich  bei  den  Heimin  die  Zahl  der 
etwas  grölseren  Grundbesitzer  mit  der  der  Familienhäupter,  so 
zeigt  sich,  dafs  von  diesen  22 ^  o  mehr  als  fünf,  12 ^/o  mehr  aU 
zehn  Yen  Grundsteuer  zalilten. 

Alle  Stände  zusammengenommen  ergiebt  sich,  b  i  dem 
ungeheuren  Überwiegen  der  Heimin,  fUr  die  7815  613  Familien- 
häupter Al^apans  fast  das  gleiche  Verhältnis,  nämlich  21  und 
12^/0  (genauer  21,i6  und  ll,58^o)^ 


Sechstes  Kapitel. 
Die  Landwirtsckait. 


Vorbemerkuug.  Über  die  japanische  Laad  Wirtschaft  ^iebt  es 
bereits  eine  ganze  Reihe  von  Arbeiten  —  soweit  «ie  brauchbar  sind  und 
BÜr  bekannt,  fast  ausschlicfslicli  in  deutschef  Sprache.  Den  ersten  über- 
echwenglich  auerkennenden  Darstellungen  von  Maron  (Ännalen  der 
Landwirtschaft  18(32)  und  Sjraki  (in  Scherzers  Bericht  ülxer  die 
österrdehiseh  -angariacbe  Expedition  nach  Ostesien  1868—1871,  Anhanir 
S.  17") — w^'H)  ist  eine  sehr  viel  nüchternere,  kritische  Auffassung  gefdlpr. 
Zu  erwähnen  sind  namentlich:  G.  Liebscher,  Japans  landwirtscliah- 
liehe  und  allgemeinwirtschaftlidie  Verhältnisse,  Jena  1882.  M.  Fesca, 
Die  landwirtschaftlichen  Verhältnisse  der  Kai^i^vinz  in  Beziehung  zu 
denen  de^*  japanisclien  Tteirbes,  in  „Mittcilunp^en  der  Deutschen  Gesell- 
schaft für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasieus-  IV  10^—182.  1806.  — 
Derselbe,  Amtlicher  Beriebt  Ober  die  landwirtedisflllehen  VerhXltnisse 
Japans  und  die  Kolonisation  Hokkaidos.  Tok^o  1887.  —  Von  demselben 
Verfasser  ist  im  Herbst  is'.Mi  der  Anfang  eines  umfangreicheren  Werkes 
über  die  natürlichen  und  wirtschaftlichen  Verhältnisse  der  japanischen 
Landwirtschaft  erschienen:  Heitriigc  zur  Kenntnis  der  japanischen  Land- 
wirtschaft. I.  Allgemeiner  Teil.  Mit  3  Karten.  Berlin  1890.  Daau  ein 
Atlas  mit  23  Karten. 

Zu  erwähnen  ist  ferner  das  eben  erschienene  Werkeben  von  U.  g  g  e  r  t , 
Land  Reform  in  Japan.  Speciallv  based  on  the  develoi)uient  of  credit 
assoriatioiis  Tokyo  1800.  —  Wenig  Bedeutung  hat  K.  Nagai,  Di«^ 
Land^virt^<.hilll  Japans,  Dresden  1887.  —  Der  in  Reins  vortreÖlichein 
Werke  (  Jaj)an  II  '^-'Mö)  der  Land>  und  Forstwirtschaft  gewidmete  aus- 
fuhrliclie  Al>-r!niitt  i^t  mehr  Tinturwi^scusclinftHchen  als  volk;iwirt3chaft- 
lichen  Inhalts.  Die  agrikuiturchenüschen  Untersuchungen,  namentlich 
die  sahlrdcheu  Aibeiten  von  O.  Kellner,  enthalten  manches  auch 
yolkswirtschaftlieb  Wichtige.  In  den  öfter  angeführten  Uitteihingen  der 


>  Fui  die  Wahlen  zum  Abgeordnetenhause  ist  das  Wahlrecht  au 
einen  Gensos  von  mindestens  15  Yen  direkter  Stenern  geknüpft.  Da 

hierbei  Grund-  und  Einkommensteuer  /usammengereclinet  werden  ,  sind 
die  Zahlen  der  Wahlberechtigten  mit  den  oben  angeführten  nicht  ver- 
gleichbar. Es  waren  bei  den  ersten  Wahlen  von  18i)ü  453  895  Wahl- 
Berechtigte  voihandeo. 


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X  4. 


297 


Deutschen  Gc3eII?chaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ostasiens  finden  sich 
Tielc  zerstreute  Notizen,  namcutiicb  auch  io  deo  Protokollen  der  iSitznogs» 
"berichte. 

^'gl.  auch  unten  das  die  Grundsteuer  behandelnde  Kapitel,  nament- 
lich den  eechiiten  Abachnilt. 

Im  Mittt  Ipimkt  des  japanischen  Wirtsciiaftislebens  steht  die 
Landwirtscbatt  und  zwar  die  Landwirtschafl  im  engsten  tShma, 
da  Viehzucht  und  Viehhaltung  in  Japan  eine  ganz  untergeordnete 
Rolle  spielen. 

Wie  von  der  Besteuerung  zwei  Drittel  auf  die  Grundsteuer 
komm^  wie  die  Ausfuhr  zu  zwei  Dritteln  aus  landwirtschaftlichen 
Err.eii Ibissen  besteht,  so  l^^-^chftftigt  die  Landwirtschaft  auch  die 
Älchrzahl  der  Bevölkerung.  Eine  Bcruftstatistik  besitzt  Japan, 
abgesehen  von  einigen  älteren  ganz  verunglückten  und  mit  Recht 
auljgcgebenen  Versuchen,  nicht.  Man  hat  aber  neuerdings  mehr- 
fach versucht,  die  Zahl  der  landwirtschaftlichen  Bc; 
▼dlkerung  festzustellen.  Die  mir  vorliegenden  Tabellen  be« 
ziehen  nch  einerseits  auf  die  Jahre  1883/84%  anderseits  auf 
Ende  1886*.  Die  erste  Erhebung  hat  einigermafsen  brauchbare 
Ergebnisse  nur  ftlr  etwa  30  Bezirke  (von  47)  geliefert.  Au'ser- 
dem  sind  aber  diese  Bezirke  nicht  in  allen  Tabellen  die  gleichen. 
Dagegen  bringt  die  einzige  mir  bekannte  Tabelle  Uber  die  Er- 
hebung von  1886  Ergebnisse  für  das  ganze  Land. 

Mau  findet  mehrfach  auch  in  der  fremdsprachigen  Litteratur 
Angaben  aus  früheren  Jahren  Uber  die  Zahl  der  mit  Land- 
wirtschaft;  beschäftigten  Personen,  welche  danach  nicht  ganz  die 
Hälfte  der  Bevölkerung  betragen  sollen.  Die  Zahl  ist  auffidlend. 
Soll  sie  alle  diesem  Berufe  Angehörigen,  einschliefslich  der  Kinder, 
umfassen^  so  ist  sie  fUr  ein  so  Uber  wiegend  ackerbauendes  Land 
offenbar  zu  niedrig,  wenn  wir  bedenken,  dafs  in  Deutschland 
gegen  4?.  in  i'^rankreieh  gegen  4'.*,  in  Ostermch  etwa  55  Prozent 
der  Bevölkerung  zu  diesem  Berufe  gehören.  Soll  die  Zahl  nur 
die  Erwerbsthfltigen  umfassen,  so  ist  sie  wieder  unverhaltnismäfsig 
hoch.  Die  Erhebung  von  1883  84  giebt  fiir  30  Bezirke  mit 
25892  000  Einwohnern  15616211  Personen,  welche  im  Haupt- 
und  Nebenberuf  in  der  Landwirtschaft  thätig  sind  (für  zwei  Be- 
zirke fehlen  jedoch  die  im  Nebenberuf  in  der  Landwirtschaft 
Thätigen).  Das  sind  gut  60  Prozent  der  Bevölkerung.  Im 
Hauptberuf  .allein  wjtren  in  29  Bezirken  (in  einem  Bezirk  ist 
die  Trennung  nieht  durchgeführt)  etwa  40  Prozent  der  Bevölk<v 
rung  zur  Landwii-tschaft  zu  reclmen.  Wer  aber  ziu'  landwirt- 
schaftlichen Bevölkerung  gehört,  das  scheint  nicht  einheitlich 
festgestellt  zu  sein,  wie  sich  aus  dem  Veigleich  der  Zahl  der 
Personen  mit  der  der  Haushaltungen  eigiebt.  Eine  Haushaltung 
hat  in  Japan  durchschnittlich  gegen  5  Hi^lieder.   G^egen  ein 


>  Stot.  Jahrbuch  V      ff.,  VI  TS  ff. 

>  Stat.  Jahrimeh  Vil  76  f. 


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298 


X  4. 


Viertel  der  Bevölkerung  ist  noch  nicht  10  Jahre  alt,  zu  den 
Erwerbstliätigeu  aUo  nur  ausnaliins weise  zu  rechnen. 

Wir  finden  dementöpiecliend.  dalö  in  eiui^en  Bezirken  bei 
den  Landwirtschaft  als  Hauptberuf  Treibenden  etwas  Uber  3 
Köpfe  auf  die  Haushaltung  kommen,  am  wenigsten  in  Shiga: 
3,10,  wälirend  in  diesem  Bezirke  die  Haushaltung  überhaupt 
durehschnittlich  4,50  Köpfe  zUhlt.  In  einer  ganzen  Reihe  anderer 
Bezirke  kommt  aber  auf  die  landwirtschaftliche  Haushaltung  bei- 
nahe (V\o  ijleiche  oder  gar  eine  gröfsere*  Kopfzahl  wie  auf  die 
Haushaitungen  überhaupt.  Mit  anderen  Worten:  in  diesen  Be- 
zirken sind  alle  Familicnangeliürigen  gezählt.  Die  Angaben  über 
die  Kopfzahl  der  landwirtschaftlichen  Bevölkerung  sind  daher^ 
da  unglcicbmäfsige  Dinge  zusammengezählt  sind,  überhaupt  nicht 
KU  brauchen.  Dagegen  glaube  ich,  dafs  die  Ober  die  landwirt- 
schaftlichen Haushaltungen  veröflfentlichten  Zahlen  geeignet  sind, 
ein  annähernd  richtiges  Bild  der  Bedeutung  des  landwirtschaft* 
Uchen  Berufes  zu  geben,  wobei  ich  daran  erinnere,  erstens,  dafs 
Japan  nur  ganz  kleine  Betriebe  kennt,  und  zwoitens.  da!s  der 
Fainilienverband ,  die  Haushaltung  in  Japan ,  nocli  eine  ganz 
andere  rechtliche  wie  wirtschaftliche  Bedeutung  hat  al.^i  hei  uns*. 

Nach  der  Erhebung  von  1 883  84  betrieben  in  29  Bezirken 
gut  t50  l^rozcnt  aller  Haushaltungen  die  Landwirtschaft  als  Haupt- 
beruf, in  Haupt-  und  Kebenbmf  ausammen  gegen  71  Pkt»ent 
(oder  genauer  etwa  72  IVoaent,  da  in  zwei  B^irken  die  Neben- 
berufe fehlen).  Die  das  ganze  Land  umfassende  Erhebung  von 
Ende  1880  bestätigt  das  letztere  Gesamtergebnis,  indem  sie  unter 
7  747115  überhaupt  vorhandenen  Haushaltungen  5 18  040  Haus- 
haltungen naehweist.  welehe  als  Haupt-  oder  Nebenberuf  Land- 
wirtschaft treiben,  das  sind  71^4  Prozent,  ein  Verhältnis,  welches 
durchaus  nicht  überraschend  hoch  erscheinen  kann^.  Die  Ab- 
greuzuiig  zwischen  Haupt-  und  Nebenbenit  tjcheuU  aber  diesmal 
nach  anderen  Grundsätzen  erfolgt  zu  sein  als  frtther.  Landwirt- 
schaft soll  Hauptberuf  nur  in  3689852  Haushaltungen  geweeen 
sein,  das  sind  46^/8  Prozent  aller  Haushaltungen  Uberhaupt  Bd 
der  grofsen  Unsicherheit  der  Abgrenzung  zwischen  Haupt-  und 
Nebenberuf,  welche  in  den  kleinen  japanischen  Lebensverhält- 
nissen noch  grölser  sein  dürfte  als  anderwärts,  vAcho  ich  es  vor, 
mich  auf  die  Betrachtung  der  (tesamt/ahlen  tür  Haupt-  und 
Nebenberufe  zu  beschränkeu.    Wenn  wir,  soweit  das  möglich 


'  So  in  Kt^zirkfii  FulNii^hiina  und  Nacriuo.  In  erstcrem  hat  die 
Haushaltung  überhaupt  durchachnittUcb  0,o3,  aie  mit  Landwirtschaft  be- 
gi:häftigte  Köpfe. 

3  Die  für  IXH:\S4  ▼erftffentliclite  Statistik  der  laudwirtschaftüchen 
Hotriebe  in  M  Bezirken  stimmt  vielfach  mit  der  der  hunl^^■irt8chafll!^h♦'n 
Haushaltungen  überein,  hat  aber  auch  einige  sehr  merkwürdige  Posten, 
so  FViknoka-ken  mit  424  291  Betrieben,  wfthrend  nur  220  250  Hsushaltuiigsii 
überhaupt  vnrhandni  naron. 

^  Nach  Abzug  dee  Uokkaido  sind  es  71,e4  Prozent. 


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X  4. 


299 


ist,  die  früheren  mit  äon  Zalilen  von  l>^Sö  in  den  einzelnen  Be- 
zirken vergleichen,  so  finden  wir  nirgends  so  erhebHche  Ab- 
weicliun;:en,  dafs  sie  durch  verbesserte  li>hebuDg  sich  nicht  leicht 
erklärten. 

Wenn  wir  von  dem  Ilokkaido  mit  seinen  anormalen  Ver- 
hältnissen absehen^  in  welchem  nur  23  Prozent  dar  Haushal- 
tungen Landwirtschaft  betreiben»  so  fidlen  naturgemäfs  solche 
Bezirke  auf,  in  welchen  eine  grofse  Stadt  das  Verhältnis  stark 

boeinflufst.  So  gehörten  in  Tokyo -fu  nur  12,i  Prozent  der 
Haushaltungen  zur  Landwirtschaft,  in  Osaka  4(^.3.  in  Kyoto 
49,1  Prozent.  In  Ishikawa  (mit  Kana/nva)  wan  n  es  in 
Aichi  (mit  Nagoya)  66,8  IVozent.  Zwischen  tiU  und  70  Prozent 
liatten  noch  die  Bezirke  Toyania  (63),  Hyogo  (65),  Kanagawa 
(65),  Wakayama  (66)  und  Kochi  (66),  von  denen  die  vier  ersten 
eine  Stadt  Ton  mehr  als  50000  Einwohnern  enthalten.  Unter 
dem  Landesdurchschnitt  standen  aufserdem  nur  noch  Miyagi 


hilltnis  der  Landwirtschaft  Treibenden  bestand  in  folgenden  Be- 
zirken: 91,05  Prozent  in  Yamanashi  (60  im  Hauptberuf),  00,  r 
in  Miyazaki  (65),  90,4«  in  Kap-oshinia  (58),  90,22  in  Ibaraki 
(68).  Sehr  hoch  sind  noch  Fuku.shinia  (mit  88.^),  Saitama  (88,rj), 
Nagano  (88,o),  Iwate  (87,4),  Okinawa  (87 ),  Oita  (85,3),  Gumma 
(85,3).  Von  diesen  11  Bezirken  liegen  4  entlegen  im  Süden, 
von  den  7  nördlichen  haben  5  kerne  Seeverbmdung,  die  baden 
anderen  keine  nennenswerten  Häfen  ^.  Ofienbar  zeigt  sich  hier 
der  Einflufe  der  Verkehrsverhttltnisse  bei  vorherrschender  Haus- 
wirtschaft. Je  schwieriger  die  Transportverhältnisse,  um  so  gröfser 
die  Anzahl  der  Ifnn^lialtungen,  welche  iliren  Bedarf  an  T^f^bens- 
mittoln  im  we^f  iitlirhcn  selbst  hervorbringen,  desto  wniigcr  ent- 
wickelt die  Arbt  iifttt'ilung.  Die  nichtgenannten  2(  >  I^i  zirke  stehen 
liber  dem  Landesdurchschnitt,  haben  aber  weniger  als  85  Prozent 
landwirtschaftlicher  Haushaltungen. 

Wir  finden  also  in  Japan  durchweg,  dafe  von  der  ohnehin 
sehr  dichte  Bevölkerung  ein  sehr  grofser  Teil  ganz  oder  teil- 
weise sicli  mit  LAndwirtschaft  beschäftigt.  Um  so  überraschender 
ist  es  ftir  den  europäischen  Beobachter,  dafs  nur  ein  verhMltnis- 
mäfsig  kleiner  Teil  der  Fläche  des  Landes  direkt  in 
landwirtschaftlicher  Benutzung  'iteht  Für  ganz  Japan 
mit  einer  Fläche  von  rund  38V' 2  Million  Cho  wurden  Ende  1887 
nur  4698626  Cho  Ackerland  nachgewiesen,  nämlicli  2  701515 
Cho  nasses  Feld  (Reisland,  Ta)  und  1997111  Cho  Th)dcenfeld 
(Hata).  Indessen  ist  mit  diesen  Zahlen  nicht  'viel  anzu&nj^n. 
Einmal  mufs  man  das  Kolonialgebiet  des  Hokkaido  mit  semen 


^  Sechs  der  l?e/irke  (Yauanashi,  Sailama,  Guinma,  Xatjano,  Ibaraki, 
Fukushima)  bilden  eine  geschlossene  Gruppe;  das  von  ihnen  uinfafste 
Tochigi  hat  auch  mehr  als  80  Prozent  Innd wirtschaftlicher  Haushaltungen. 
Der  an  Nagaao  anstofsende  gleicbialls  binnenitndische  Gifa- ken  liat 
8a  Prozent. 


(mit  Sendai).  Akita  und  Fukui. 


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800 


X  4, 


abnormen  Verhitltnbsen  weglassen.  Dann  mu&  man  den  Okinawa- 
ken  ausscliliefsen,  wo  für  eine  Bevölkerung  von  angeblich  379000 

Menschen  (87  Prozent  aller  Haushaltiinfron  sollen  sich  mit  Land- 
wirtscliatt  befassen)  nur  3723 Clio  nasses  und  8304 Cho  trockenes 
Feld  nachgewiesen  öiud. 

Beschränkt  man  sich  mit  Ausschlufs  dieser  Bezirke  auf  Alt- 
jiipuu,  so  findet  man  1887  l>ei  einer  Fläche  des  Landes  von 
28 887 000  Oho  4669745  Gho  AckerLind  angegeben,  davon 
2696289  Gho  nasses  und  1973456  Oho  trockenes  Feld.  Das 
sind  nur  16,2  Prozent  der  Fläche  des  Landes.  Ein  wenig 
▼erändert  sich  dieses  Verhältnis  allerdings  bei  genauerer  Prüfung. 
Die  angeführte  Zahl  bezieht  sich  auf  das  stenerpflichtige  in  Privat- 
eigentum etehoüflc  T/nid.  In  8t,"ifit^fi;;enlum  bctindlii-hes  Acker- 
land hat  allerdings  nur  eine  ganz  geringe  Ausdehnung::.  Eijyent- 
Kche  Doni.inengüter  giebt  es  nicht.  Unter  den  von  der  Forst- 
verwaltung verpachteten  Grundstücken  wurden  1887  4190  Gho 
Ackerland  und  18  200  Gho  Rodland  aufgeführt.  Wichtiger  ist  der 
stenerfireie  Frivatgrundbesits,  nfimlich  neugerodetes  Land  und  das 
sogenannte  Arechi,  durch  Unfölle  verwüstetes,  aber  wieder  beban- 
bares  Land.  Die  gegenwärtige  Ausdehnung  beider  Landarten 
ist  mir  nicht  bekannt.  Bei  der  Grundsteuerreform  wurden  158216 
Gho  festgestellt  Der  gröfste  Teil  dieser  Fläche  ist  in  Benutzung 
und  ertragsfähig,  wenn  auch  niciit  in  ganz  normaler  Weise. 
Ferner  durfte  von  den  Hausgrundstücken  ein  Teil  auch  der  Ge- 
mUseproduktion  u.  dgl.  dienen.  Endlich  ist  wohl  zu  beachten, 
dafs  die  zum  Zwecke  der  Steuereinschätzung  gemachten  Ei- 
hebungen  Uber  die  Ausdehnung  des  Grundbesitzes  durchweg 
etwas  SU  niedrige  Resultate  geliefert  haben.  Aber  selbst  wenn 
wir  alles  dies  berücksichtigen,  stellt  sich  die  landwirtschaftlich 
direkt  benutzte  Flüche  doch  höchstens  auf  20  Prozent  der 
Fläche  von  Altjapan.  In  diesem  Verhiiltnis  zeigt  sich  einmal  die 
g(>birgige  Natur  des  Landen.  Anderseits  aber  ist  es  die  Folge  des 
eigenartigen  Systems  der  Landwirtschaft,  der  so  geringen  Vieh- 
haltung, welche  den  Anbau  von  Futterpflanzen  u.  s.  w.  niclit 
nötig  maciit.  Es  ist  aucli  die  Folge  der  klimatischen  Verhält- 
nisse, welche  es  erlauben,  dafs  auf  einem  erheblichen  Teil  des 
Ackerlandes  mehrere  Ernten  im  Jahre  erzielt  werden  können. 
Wie  wichtig  namentlich  der  letztere  Punkt  ist,  zeigt  sich  in  der 
noch  zu  besprechenden  Durchschnitts^röfse  der  bäuerlichen  Wirt- 
scliaften  im  Süden  und  im  Norden  des  Landes. 

Zu  beacht«  n  ist  auch,  wie  noch  zu  erörtern,  dals  diese  land- 
wirtschaftlich' (iirekt  benutzte  Fläche  sozusagen  auf  Kosten  der 
übrigen  Flache  lebt  durch  die  andauernde  Zufuhr  von  Dünffstoff 
vom  Wald-  und  Grasland  her.  I  ndii-ekt  dienen  also  auch  die  anderen 
nicht  direkt  benutzten  Flächen  der  Landwirtschaft  (und  ebenso 
das  Meer  durch  den  Fischouano). 

Die  Zahlen  ttber  den  Umfang  des  steuerpflichtigen  Qrund* 
besitzes  zeigen  eine  langsame  Zunahme  des  Ackerlandes.  Mitte 


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301 


1881  war  seine  Ausdehnung  ^ei  ]^<>enciignng  der  Grundsteuer- 
reform auf  4492  841  Cho  Ii  s  i^estellt.  Ftir  dasselbe  Gebiet, 
Altjauan  ohne  Idzu-Inseln,  betru«,'  er  Ende  18b7  ]<  1(37 ^>05  Cho, 
eine  Vermehrung  um  172064  Oho  oder  nicht  ganz  vier  Prozent 
in  6^  2  Jahren.  Wieivid  davon  wirkÜGher  Zuwachs  ist,  läfst  sich 
Bohwer  sagen.  Die  Zunahme  der  Zahlen  fifllt  fast  ganz  in  die  Jahre 
1886  und  1887  und  ist  wohl  der  1885  in  Angriff  genommenen 
teilweisen  Revision  der  Grundsteuer  vom  Ackerland  zuzuschreiben, 
welche  bis  Ende  1889  die  Zahl  auf  5027  270  Cho  brachte. 

Prüfen  wir  die  Verteilung  des  steuerpflichtiirm  Ackerlandes 
auf  die  einzelne  n  Bezirke,  so  finden  wir  zicmln  1h  Vpr>^(  lileden- 
heiten.  Im  Durchschnitt  von  ganz  Altjapaii  kommen  nacli  den 
amtlichen  Zahlen  1880  aui  den  C^uadratri  (zu  1555,3  Cho)  245 
Cho  Ackerland,  ntmikh  143,6  Cho  nasses  and  101,6  Cho  trockenes 
Feld  (£kide  1887:  145,4  Cho  nasses  und  106,4  trockenes  Fdd)^ 
Über  diesen  Durchschnitt  weit  hinaus  hebt  sich  die  Tokyo-Ebene 
mit  den  Bezirken  Tokyo  mit  663  Cho  auf  den  Qtiadratri,  Saitama 
616  Cho,  Chiba  524  Cho,  Ibaraki  456  Cho,  Kanagawa  443  Cho. 
Unter  den  nördlichen  Gegenden  zeichnet  sieh  nur  Toyama  ans 
mit  (V'v  fruchtbaren  Ebene  von  Etchu  mit  328  Cho.  Mehr  nach 
Westen  ist  der  Aichi-ken  mit  482  Cho.  welcher  die  Ebene  von  Uwari 
eiuschliel'bt,  und  O^aka  i:  u  mit  345  Cho  bemerkenswert.  Der 
Nordwesten  von  Kjnshu  endlich  mit  den  gutbebaaten  Pkwinzen 
Hiseo,  Chikusen,  Ohikngo  hat  in  Saga  422  Cho,  in  Fukuoka 
400,  in  Nagasaki  358  Cho  anf  den  QuadratrL  Erheblicher  Uber 
den  Liandesdurchschnitt  ragen  noch  Niigata,  Shiga,  Eln'me  und 
Kumamoto  mit  280 — 300  Cho.  Am  geringsten  ist  die  Ausdehnung 
das  Ackerlandes  im  Norden,  wo  Iwate  nur  148  Tho,  Aomori 
und  Akita  175  Cho,  Fukushima  178  und  Yama<(ata  193  Cho 
auf  den  Quadratri  hat.  Eine  zweite  Gruppe  gerin^^er  Ausdehnung 
bilden  die  Oebirtisgegenden  Yamanashi  mit  182  Cho,  Nagano  mit 
168  Cho  und  Gifii,  zu  welchem  die  öde  Proras  Hida  gehört,  mit 
140  Cho.  In  diesem  an  unterster  Stelle  stehenden  Beairke  sind  also 
nur  neun  Prozent  der  Flüche  Ackerland.  Eine  dritte  Gruppe  bilden 
Shimane  und  Tottori  an  der  Westküste  mit  183  und  184  Cho, 
eine  vierte  die  Bezirke  Wakayama  mit  148,  Tokiishima  mit  181, 
Kochi  mit  10('>  Cho  auf  den  Quadratri.  Tief  steht  endlich  auf 
Kyushu  der  Miyazaki-ken  (Provinz  Hyugaj  mit  nur  16U  Cho^ 

1  Durch  die  bis  1889  erfolgte  teilweise  NeuvenncBSung  des  Acker- 

landes  erliölien  sich  die  oben  mitgeteilten  Zahlen  durchwecr,  b^'^^(lnde^8  im 

Süden  und  für  das  TrockenfeM.         kamen  nunmehr  aut"  den  Quadratri 

in  ganz  Japan  112  Cho  nasses  und  y2  Cho  trockenes  Feld,  in  Aitjapan 

148  und  123  Cho. 

-  Die  ungeschickte  r.mppicnuif;  dev  Bezirke  im  Resum^  Statistiqne 

giebt  kein  Bild  der  vorhaudcnen  Gegensätze.    Die  entsprechende  he- 

TechnoDg  giebt  fttr 

Nordnihon    104  Cho,  Shikoku  220  Cho, 

Mittehiihon  2H9    -  Kjushu  280  - 

Westuihon   221  - 

Ackerland  aaf  den  Quadratri. 


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302 


X  4. 


Die  Verhältnisse  sind  aber  ziemlich  verschieden,  wenn  wir 
das  nasse  und  das  trockene  Feld  flir  sich  betrachten.  Von  nassein 
Felde  (Ta)  waren  im  Durchschnitt  des  Lnrifles  vorhanden  knapp 
144  Cho  auf  den  Quadrati'i.  Da^^egen  waren  die  Kxtremp  in 
den  Bezirkj>durcli8chnitten*  5o  und  811  Cho.  Au  der  6pitze  mit 
mehr  als  200  Cho  stehen  im  vveseutUchen  die  gleichen  Bezirke 
wie  IVu*  Ackerland  tiberhaupt,  Tokyo  (276),  Saitama  (248), 
Chiba  (811)  und  Ibaraki  (212),  Toyama  (284),  Aidii  (276j, 
Osaka  (264)  und  Shiga  (244),  im  Süden  Fukuoka  (305)  und  Saga 
(306).  Diesen  schliefsen  sich  Niigata,  Ishikawa  und  Ehimc  mit 
180—200  an.  Dagegen  haben  weniger  als  100  Cho  Reisfeld  Iwate 
(55)  und  Aomori  (92)  im  Norden,  Yamanashi  (Ck,),  Oumraa  (72), 
Nagano  (77)  und  Oitii  (".>2)  in  den  mittleren  Teilen,  auf  Sliikoku 
Tokushima  (87)  und  Kochi  (80;,  aufKyushu  Miyazaki  (72)  und 
Kagoshima  (80)*. 

Isoch  gröfser  öind  die  Gegensätze  bei  trockenem  Felde  mit 
41  und  393  Cho  auf  den  Quadratri,  wahrend  der  Landesdurch* 
schnitt  für  Altjapan  nicht  gans  102  Oho  ist  Nur  15  Yon  43 
Bezirken  stehen  liber  diesem  Durchschnitt,  am  höchsten  Tokyo 
mit  393  Cho,  dem  sich  Saitama  mit  367,  Kanagawa  mit  319, 
Chiba  mit  214,  Ibaraki  mit  244  Cho  anschlief "sen.  Mit  den  be- 
nachbarten Oumnia  (mit  171),  Tochigi  (mit  138)  und  Vnnianashi 
(mit  117)  bilden  die  genannten  Bezirke  eine  geschlossene  Gruppe. 
Auf  der  Hauptinsel  ist  aufserdem  nur  Aichi  mit  ISo  Cho,  auf 
Shikoku  Ehime  mit  113  Cho  zu  bemerken.  Dagegen  stehen  5 
von  den  7  Bezirken  EyushoB  über  dem  Durchschnitt:  Nagasaki 
mit  218,  Kagosbima  mit  200,  Kumamoto  mit  160,  Saga  mit 
116,  Oita  mit  106  Cho,  und  auch  die  beiden  anderen  Besirke 
haben  vergleichsweise  hohe  Zahlen  (Fukuoka  95,  Miyazaki  88). 

Von  den  28  untci-durchselmittlicben  Bezirken  haben  zehn 
noch  nicht  einmal  00  Clio  troekencs  Feld.  Von  diesen  liegen 
zwei  im  Norden,  Akita  mit  4t)  und  ^'aniagat  i  mit  ,ib  (.'ho.  Die 
anderen  bilden  eine  /iemlieh  zusammenhangende  Gruppe  in  Mittel- 
imd  Westjapan:  'I  <»}  ;ima  (11),  (»ifii  (48),  Fukui  (44),  Shiga  (42), 
Kyoto  (54),  Hyo^o  (-iüj,  Tottori  (44)  und  Wakavama  (41)-. 

Sehr  bemerkenswert  ist,  wie  die  Ausdehnung  des  Ackeriandea 
infolge  der  allgemein  herrschenden  Klein-  und  Hauswirtschaft 
in  engster  Beaiehung  zur  Dichtigkeit  der  Bevölkerung  steht. 


*  E8  wareu  18SG  in  Nordnihon 

121  Clio, 

dagegen  l^^J 

124  Cho 

Mitte  Inibon 

m  - 

lG:i  - 

Westnihon 

160  - 

172  - 

Shikoku 

122  - 

125  - 

Kyuflhu 

137  - 

150  - 

*  £b  waren  1886  in  Nordnihon 

73  Cho, 

dagegen  1889 

79  Cho 

UittelnihoD 

m  - 

145  - 

Westnihon 

Gl  - 

75  - 

Shikoku 

98  . 

168  • 

Kyushn 

143  - 

192  " 

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X  4. 


303 


Im  DurchBchnitt  von  ganz  Altjapan  kommen  auf  100  Einwohner 

11,88  Cho  Ackerland.  In  keinem  Bezirk  wird  das  Doppelte 
dieser  Zahl  erreicht ,  in  keinem  Bezirke  aufser  Tokyo-fu  oleibt 
das  Verhältnis  hinter  der  Hälfte  dieser  Zahl  zurück.  Doch  ist 
im  allgemeinen  in  Bezirken  mit  dünnerer  Bevölkenuiij:  etwas 
mehr  Ackerland  im  Verhältnis  zur  Einwohnerzahl  vorhanden 
als  in  denen  mit  dichter  Bevölkerung.  Die  nörtllichen  Bezirke 
der  I  lauptinsel,  von  der  Tokyo- Kbene  angctaugen,  haben  (aulser 
Kiigata)  äimiUch  mehr  Ackeiiand  auf  100  Emwohner,  als  der 
Landeadurchachnitt  beträgt.  Am  höchsten  stehen  Iwate  mit  20j4 
Oho,  Aomori  mit  20,65  Cho,  Akita  mit  20,i8  Cho  auf  100  Ein- 
wohner. In  den  meisten  Bezirken  westlich  von  Tokyo  und  um 
die  Inlandsee  licrum  steht  das  Verhältnis  unter  dem  Landesdurch- 
schnitt, steigt  aber  wieder  auf  der  Südhälfte  von  Shikokn  und 
Kyushu  erheblich  darüber.  Hier  steiit  das  Verhiiltnis  des  Acker- 
landes zur  Bevölkerung  am  höchsten  in  Miyazaki  mit  19,7©  Cho 
auf  100  Einwohner.    In  Kagoshima  sind  es  17,»a  Cho. 

Ober  die  G^rOfse  der  landwirtschaftlichen  Be- 
triebe fehlt  es  meines  Wissens  an  Erhebungen.  Im  allgemeinen 
wissen  wir  nur,  dafs  grofso  und  mittlere  Betriebe  im  europäischen 
Sinne  vollständig  fehlen.  Es  giebt  nur  ganz  kleine  Betriebe. 
Eine  Wirt.schaft  von  5  Che  gilt  schon  filr  etwas  besonders  Gro&es. 
In  der  ]{c;^q\  wirtscliaf'tet  der  japanische  Bauer  ohne  Gesinde, 
fast  oiine  Vieh.  Die  Familie  selbst  bewirtschaftet  allein  das 
Bauerngut,  Dies  ist  aber  der  Regel  nach  so  klein,  dafs  nul  t 
nur  eine  verhältnismäi'tiig  groise  Menge  Arbeit  auf  die  Bebauung 
der  Felder  verwendet  werden  kann,  sondern  dafs  die  Miljglieder 
der  Familie  noch  Eiemliche  Zeit  zar  Verfügung  haben,  die  teils 
auf  die  weitere  Verarbeitung  der  landwirtschaftlichen  Produkte 
verwendet  wird  (Seide,  Indigo,  Tabak  etc.),  teils  auf  Neben- 
beschäftigungen aller  Art  im  Transportgewerbe,  im  BergbatJ, 
auf  Fischerei,  Jagd',  Wall-  und  sonstige  Lohnarbeit,  und  vor 
allem  die  zahlreichen  Hausindustrieen ,  Weberei.  StrohÜCL  Iii«  rei, 
j'üpiermaclierei  u.  s,  w.  Vieltaeh  sind  die  Bauern  gezwuiigen 
ihre  Zeit  in  solcher  Weise  nutzbar  zu  niucheu,  da  sie  vou  dem 
Ertrage  ihrer  Landwvtschaft  nicht  leben  k5nnen, 

SteDen  wir  in  Ermangelung  anderer  Daten  die  Durchschnitts- 
gröfse  der  landwirtschaftlichen  Betriebe  durch  Vergleich  der  Zahl 
der  landwirtschaftlichen  Haushaltungen  mit  der  Fläche  des  Ackere 
landes  fest,  so  kommen  wir  zu  Zahlen,  die  nach  europäischen 
Begriffen  erstaunlich  gering  sind.  Diese  Durchschnittszahlen 
haben  in  Japan  grölsere  wirkliche  Bedeutung,  als  das  der  Fall 
in  Europa  sein  wiürde,  weil  es  eben,  wie  gesagt,  nur  kleine  Wirt- 


*  Jagdscheine  ITir  gewerbsmärslpoii  Beti  n  Ii  der  Jagd  wurden  erteilt 
im  Finanzjahr  18öl  i$2:  »0  700.  Seitdem  ist  die  Zahl  von  Jahr  zu  Jahr 
snvUckgegangen  his  auf  41 257  im  Finanisjahr  1886'87. 


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304 


Schäften  giebt,  l>as  vermindert  auch  die  Bedeutung  des  stören- 
den ümstandes,  dafs  wir  bei  der  Unsicherheit  der  Abgrenzung 
von  Haupt-  und  Nebenberuf  iiuupt-  und  Nebenbetriebe  aU 
gleichwertig  einsetzen  müssen. 

Beschränken  wir  uns  wieder  auf  Altjapan,  so  finden  wir, 
dals  nach  den  ftkr  Ende  1886  veröffentlichten  Zahlen  durchschnitt- 
lich auf  eine  bäuerliche  Haushaltung  noch  nicht  ein  Hektar  kam : 
8,8  Tan,  nämlich  4,^  Tan  Reisfeld  und  3,4  Tan  Trockenfeld. 
Die  Durchschnittsgrölke  in  den  Bezirken  ist  aber  cinigcrmafsen 
verschieden.  Nach  Norden  nimmt  die  Durclischnittsgrü.'se  der 
Wirtscliaiten  mehr  und  mehr  zu,  im  mittleren  und  wcstliclien 
Japan  dagegen  ist  sie  unterdurch.schnittlich,  steigt  aber  in  Koehi 
und  dem  »Süden  von  Kyubbu  wieder  über  den  Durchschnitt.  ICa 
zeigt  sich  also  tSm  Kbnuches  Bild  wie  ftlr  das  eben  bespfochene 
Verhältnis  des  Ackerlandes  zur  Zahl  der  Bev^ilkemng  Qberhaupt. 
»Sehen  wir  die  Bezirke  et^vas  genauer  an ,  so  finden  wir  an  dtr 
Kords^itze  der  Hauptinsel  Aomori  mit  17,6  Tan,  ihm  folgt  Akita 
mit  lb,2  Tan,  Iwate  14,i  Tan,  Miyagi  15,4  Tan.  Dann  steigt 
es  nach  Süden  zu  weiter  ab:  Yamagata  12, s  Tan,  Fukushinia 
11,5  Tan,  Tochigi  12,5,  Ibaraki  11,4.  Daim  folgen  Niigata  mit 
10,8,  Saitama  mit  10,6,  Chiba  mit  10,4,  dann  Toyania  mit 
Gumma  und  Kanagawa  mit  9,i.  Von  hier  an  westhch  binkt 
der  Bezirksdurchschnitt  überall  unter  den  des  Landes  und  wird 
am  niedrigsten  an  den  kHmatisch  begimstiglen  Ufern  der  In* 
landsee:  Okayama  6,o  Tan,  Hiroshima  Tan,  Yamaguchi  5,8  Tan, 
Ehime  5,7  Tan,  Tokushima  5,8  Tan  und  in  dem  gegenüber- 
liegenden Wakayama  5,8  Tan. 

Vhcr  dem  Landesdurchschnitt  stehen  dann  wieder  Kochi  und 
,Saga  mit  8,»  Tan,  Kagoshima  mit  0,i  Tan  und  Miyazaki  mit 
10,7  'i'an.  Wie  sich  das  dann  im  einzelnen  wieder  auf  nasr^es  und 
trockenes  Feld  verteilt,  ist  aus  der  Tabelle  im  Anhang  ersichtlich. 
Die  Möglichkeit  nur  eine  oder  mehrere  Ernten  im  Jahre  zu  er- 
sielen  hat  anscheinend  einen  mafs^benden  Einflufe  auf  die  Giötse 
der  japanischen  bäuerlichen  Wirtschaft  Im  Norden  ist  die 
Miniroalfiäche  einer  noch  betriebsftihigen  bäuerlichen  ^^' Ii  tschaft 
offenbar  gröfser  als  im  Süden:  ein  Fingerzeig  filr  die  Koloni- 
sation in  dem  noch  nördliclieren  Hokkaido'. 

Es  ist  sclion  mehrfach  auf  das  in  Japan  bestehende  eigen- 
artige Bewirtschaftungssystem  hmgewiesen.  Es  ist 
cliarakicrisiert  durch  den  geringen  Umfang  der  ^^'irts(.•llaft ,  die 
intensive  Verwendung  von  Arbeit,  den  geringen  Autwand  von 
Kapital.  Bei  der  geringon  Viehhaltung  und  der  vorwiegen* 
den  Bedeutung  der  eigwaiügen  Reiskultur  bietet  ein  Vergleich 

i  Zu  beachten  ist  auch,  d&Ts  die  durcbschnittliche  Kopfsabi  per 
Haashaltong  Im  Neiden  gröfser  ist  als  im  Sdden.  Ende  1866  im  Landes- 
durchschnitt  5,oi,  dagegen  in  Aomori  6,3e,  Miyagi  0,ao,  Yamagata  6,2», 
Iwate  ö.M,  Fakushinia  ö,m,  Akita  b^^i,  Tochigi  6,10,  Ibaraki       a.  s.  w. 


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X  4. 


305 


mit  den  im  mittleren  Europa  üblichen  Wirtschaftsdysteraen  einige 
Scliwierigkeit.  Die  gröf&te  Analogie  besteht  mit  der  Einfeld- 
Wirtschaft  mit  ewip-pr  Weide.  !  /i;  r-nt<  rinr  ^^egrenzte  Acker- 
fläche, die  ununtrrl  i  M'  !i(;n  bebnut  winl,  aiiiUrttaeiis  ausgetK-hnte 
Strecken  von  \\'.il<i  und  Grasland,  welche  allerdings  nur  aius- 
nalimsweise  alb  ^^  cide,  aber  doch  der  Aul'rechterhaltung  der  Be- 
baniing  des  Ackerlandes  dadurch  dienen,  dafs  von  dort  Diiug- 
stoflfo  zum  TeO  als  Grttndüngnng,  zum  Teil  in  der  Form  von 
Asche  auf  das  Feld  gebracht  werden.  Atif  dem  Trockenfeldt 
soweit  es  nicht  dauernde  Anlagen  trttgt.  wie  Maulbeerbaum^ 
Iheestniucher .  Papierbastpflanzen ,  lierrscht  eine  Art  Frucht- 
weclisel.  der  bei  genügend  vorband  nrTi:  Plinp  r  in  freie  Wirt- 
>c')k!*"t  überseht.  Im  nassen  Feld  dagegen  wird  Jahr  fiir  Jahr 
Kei«  gebaut,  wo  das  Klima  und  die  BewjisserungsverhJdtnisse 
eä  erlauben  allerdingö  au  Wechsel  mit  einer  anderen  Kultur, 
welche  vor  dem  Auspflanzen  des  jungen  Reises  geemtet  werden 
kann,  Gerste,  Bohnen.  Raps  etc.  Die  ununterbrochene  Benutzung 
des  Bodens  macht  unausgesetzte  regelmäfsige  Düngung  not- 
wendig ^  Die  Diingerbeschaflung  ist  bei  dem  japanischen  Acker- 
bausystem die  (Grundfrage,  von  welcher  die  Ausdehnung  der 
anbaufähigi  n  Flache  abhftngt.  Daher  finden  wir  auch  bei  dichter 
lievölkcruiiL:  (  no  irröisere  Ausdehnung  des  Ackerlandes  als  bei 
dünner.  Bei<l<  >  \rikt  wecli.^«.löeitig  aufeinander  Den  Diin^icr 
bilden,  bei  der  geringen  \'iehhaltung ,  in  erster  Linie  menseh- 
liche  Fäkalien.  Die  iSorgbumkeit  bei  Sammluni'  und  Vor- 
bereitUDg  derselben,  die  meiner  Erfahnmg  nach  noch  weiter  geht 
als  in  dnina,  ist  oft  genug  geschildert  worden«  Aber  auch  sonst 
werden  alle  1  >llng8toft'e  sorgOdtig  gesammelt  und  verwendet, 
Oras  und  Laob  aus  r]i  m  Wald-  und  Grasland,  ^trohascbe,  Öl- 
kuchen und  andere  Abfallprodukte  {z.  H.  von  der  Seidenzucht), 
gebrannter  Kalk  und  besonders  auch  Fischdiinger,  ein  tiir  <lie 
Landwirtschaft  wie  die  Fischerei  gleich  wichtiges  Produkt. 
GegenülxT  der  oft  geäufserten  Bewunderung  der  japanischen 
Düngerwirtöchaft  ist  doch  darauf  aufmerksam  zu  machen ,  dafs 
die  andauernde  Ausbeutung  des  Wald-  und  Graslandes  zq 
Gunsten  des  Ackerlandes  nicht  unbedenklich  ist  und  in  manchen 
Gegenden  namentlich  Mittelja])ar:-  m  hon  zu  arger  Entblölsung 
der  Berghänge  gefidirt  hat  Die  Technik  der  japanischen  Land- 
^^^rt8chaft  mit  ihrer  Spaten-  resp.  Hackkultur.  ihrem  Stufen-  oder 
Reihenbau,  ihren  unvollkommenen  Gerät'  n  u.  s  w.,  deren  Dar- 
stellung ich  Berufeneren  überlasse,  beruht  durchweg  auf  arbeits- 
intensiver Kleinkultur,  auf  der  sorgsamen  Behandlung  des  Kh'inen, 
Einzelnen,  welche  der  grundlegende  Charakterzug  des  japanischen 
Geeistes  hier  ebenso  ist  wie  in  der  Industrie,  in  der  Kunst,  in 
den  Sitten. 


^  Auch  der  dauernden  Manlbeet',  Thee-  ete.  Aolagen. 

Fonohungen  (4^  X  4.  —  fUthgcn.  20 


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806 


Per  wichtigste  Unterechied  der  japanischen  von  der  euro- 
äißchen  Landwirtschaft  liegt  wohl  in  der  geringen  Bedeutung 
er  Viehhaltung.  Bishir  dienten  Pterde  wie  lündvieh  im 
wesentlichen  zum  Transport,  überwiegend  ala  Pncktiere,  weniger 
als  Zugtiere  *.  Zur  Milch-  und  Fleischproduktlou  dienen  sie  erst 
in  allerneuester  Zeit.  Schweine  giebt  es  sehr  wenige  ^  ^  an 
Schafen^  Ziegen,  Esetn,  Mattltieren  nur  die  paar  Tiere  in  den 
offenen  PlAtzen,  ^n  ganz  wesentlicher  Unterachied  von  China. 
Hühnerzucht  zur  Eierproduktion  ist  in  der  Nähe  der  grOlaeran 
Orte  ziemlich  entwickelt.  Enten  und  Tauben  giebt  es  wenig. 
fTänse  Rind  selten.  Die  Bienenzueht  hat  nur  auf  Shikoku  einige 
Bedeutung. 

Was  die  R  i  n  d  v  i  e  h  h  a  1 1  u  u  g  betritl'i,  so  giebt  die  Statistik 
ftlr  1878  1  080414  Stück  an.  Bis  1882  waren  dieseauf  1  159750 
Stück  angewachsen  und  sanken  dann  hv^  1887  aul'  1 020222 
Stück,  woTon  71258  unter  2  Jahr  alt  waren.  Die  Zahlen  be- 
sieben  sich  auf  Japan  ohne  den  Okinawa-ken.  Die  Richtigkeit 
der  Zahlen  vorausgesetzt,  wäre  also  der  Viehstand  in  Rinf  JimreQ 
um  rund  140000  Stück  zurtickgegangen  Der  Ktlckgang  ver- 
teilt sich  auf  das  ganze  Land  mit  unbedeutenden  Ausnahmen'*. 
Ist  die  Rindvjolih'iltung  im  ganzen  nnbediMitcnd,  i.st  doch  sehr 
beaciitenswert,  dais  sie  in  den  einzelnen  Landesteilen  sehr  ungleich 


ist.    Es  waren  vorhanden  188ü 

auf  1000  auf  100 

Stock  Einwohner  Qiudnitkiloiiieter 

in  Nordnihon           48200  8,a  ül,6 

-  Mittebihon         90790  6,i  95,8 

-  Westnihon  466  6  3d  52,5  870,« 
.  Shikoku           108  743  39,8  597,6 

-  Kyushu            309203  55,«  750.5 

-  ganz  Altjapan  1023575  27»o  357,» 


'  Vou  Pferdeu  gezogeue  steuerpflichtige  Wagcu  und  Karreu  gab 
€8  im  Finanzjahr  187.'>'76  erat  864.  18S0  81  1792.  188-5'H6  10  52«.  188889 
bereits  21  201.  Oehseakarveti  gab  es  in  den  gleichen  Jahren  1707,  310d, 
Ö94U  und  miO. 

*  Für  Ende  1887  ist  zum  erstenmal  dne  Statistik  der  Seh w ein e- 

haltung  veröffontHcht  worden.  Diinarh  li.'itte  »'s  damals  41  904  Stück 
gegeben  (davon  lM  1  K)  weiblich».  Okinawa  ist  nicht  eingeschlossen.  Es 
gao  Schweine  nur  in  iO  von  den  44  Bezirken,  und  nur  in  14  Uexirken 
mehr  als  loo.  An  der  Spitze  steht  Kagoshima  mit  26  642  Schweinen, 
ihm  folf?t  r!iih;i  mit  O'!  ^,  Nagasaki  mit  21M',  Tokyo  mit  l'»»'*'  Stück. 
Die  Zucht  dürite  ganz  Überwiegend  dem  Verbrauch  der  in  den  otleneii 
Hftfen  lebenden  Framden,  namentKeh  der  Chinesen,  und  d^  VerpvoTian- 
tierung  der  Schifte  dienen.  Nur  in  Kagoshima  wird  Sehwwnefleiach  voa 
der  Bev'flk'^runp:  selbst  in  einigem  Umfange  genossen. 

*  Ea  hatten  Nii^ata,  Kanagawa,  Tocbigi,  Miyagi  und  der  Hokkaido 
dne  gans  tmbedentende  Zunahme. 


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X  4 


307 


Dagegen  kamen  z.  B.  in  Deutachland  1883  auf  100  Qua- 
dratkilometer 2920  Stitok  Rindvieh  und  auf  1000  Einwohner 

845  Stuck. 

Je  weiter  nach  Norden,  desto  p^erin-er  ist  die  Viehhaltuni,'. 
Man  ist  versucht,  das  auf  die  Hemmung  der  Viehzucht  durch 
das  Fleisehverbot  des  Buddhismus  zurückzuführen,  denn  die 
Gegenden  ganz  geringer  Viehiialtung  sind  meist  erst  bei  und 
nach  Einführung  des  Buddhiamus  besiedelt  Am  unbedeutendsten 
ist  die  Viehhaltung  übngeoB  nicht  gana  im  Norden ,  sondern  in 
inlSiidischcn  Bezirken  m  der  Nähe  von  Tokyo.  So  kamen  auf 
100  Quadratkilometer  in  Ibaraki  noch  nicht  2  Stück  Rindvieh,  in 
Gumma  3,  in  Saitama  und  Tocbigi  5,  in  Yamanashi  14  ^  Auch 
in  dem  viehreicheren  Südwesten  kommen  dor)i  nur  in  frinf  Be- 
zirken mehr  als  1000  Stück  Vieh  auf  lOü  C^uadratkiiometer, 
nämlich  in  Nagasaki  1557,  in  Okayama  1234,  in  Oitu  1126, 
in  Yamaguclji  lOOö  und  in  Ehime  1U49.  Auch  die  Zahlen  für 
Westnibon  und  Kyushu  geben  ein  niedrigeres  Verhältnis  zur  Ein- 
wolmeraaU  als  in  irgend  einem  sttdeuropfiischen  Staate. 

Die  Zusammensetzung  des  Viehstandes  ist  eine  eigentttm« 
Hche.   Es  waren  nämlich 

weiblich  männlich' 

Kälber  und  Jungvieh  bis  zu  2  Jahren  41  351  29007 
mehr  als  2  Jahr  altes  Vieh  556753  392211 

Das  ist  sowohl  ein  ganz  abweichendes  Verhältnis  d^  Ge- 
schlechter als  &n  sehr  geringer  Anteil  des  jungen  Viehs  im  Ver- 
gleich mit  europäischen  Zahlen.  Das  Vieh  unter  2  Jahren  war 
nur  7^0  der  Gesamtzahl,  in  Deutschland  war  es  1883  3P  j^o. 
Unter  dem  mehr  als  ^wf^jährigen  Vieh  waren  in  Deut.se!iland 
über  So*' 0  Kühe,  in  Japan  mir  59 "  o.  In  })f'iden  Beziehungen 
zeigt  sich  der  geringe  Entwiclvelungsgrad  der  jajianisehen  Vieh- 
wirtsciialt.  Die  Einführung  europäischen  resp.  amerikanischen 
Viehs  hat  EablenmäCsig  daa  Vienstand  wenig  bedudufat  Zu 
Ende  1887  waren  nur  S626  Stflck  von  fremder  Basse  und  9579 
Stuck  Halbblut.  Über  die  Benutzung  des  Viehs  macht  die 
Statistik  für  1887  folgende  Angaben: 

landwirtBchafUick  benutates  Vieh  951046  Stttck 

Zugneh  u.  dgl.  32183  • 

Zuchtvieh  (davon  mehr  als  ein  Vierth  Bullen)  32185 
Milchkühe  5808  • 

Wie  unbedeutend  der  Milchyerbrauch  noch  in  Japan  ist, 
aeigt  die  letzte  Zahl  aulserordentlich  scharf.   Im  Jahre  1886 


'  In  12  weiteren  Bezirken  kamen  weniger  als  100  Stück  auf  100 
nadiatkilometer:  Ksnsgawa,  Aschi,  Gifn,  Nagano,  Fäkal,  Toyama 
Ugata,  Yamagata,  Fnknshinui,  Miysfp,  AklCa  ona  Aomori. 

20* 


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808 


kamen  von  4244  Milchkühen  auf  Tokyo  1044,  auf  Osaka  229, 
auf  Kanagawa  212,  auf  Hyogo  293,  auf  Nagasaki  152,  auf 
Aichi  181,  auf  Yamac^uta  198  ^ 

Wichtiger  als  der  Milchverbmuch  verspricht  der  Fleisch- 
verbrauch für  die  japanische  Viehzucht  zu  werden.  Nach  der 
amtlichen  Statistik  wurden  1878  30  742  ötück  Rindvieh  ge- 
BcUachte^  bis  1883  war  die  Zahl  erat  auf  38684  gewachsen,  stieg 
dann  aber  rasch  auf  90722  im  Jahre  1884,  116068  im  Jahre 
1885  und  130476  im  Jahre  1886,  war  1887  indes  nur  105673. 
Wahrscheinlich  ist  übrigens  der  Sprung  kein  so  pkMalicher 
und  nur  die  Erhebung  vollstündiger  gewesen.  An  dem 
Fleischverbrauch  sind  alle  Bezirke  beteiligt,  doch  ragen  einige 
Bezirke  erheblich  über  die  andern  hinaus,  so  IPiRO  Tokyo  mit 
1'0090  Stück,  Ilirosliima  mit  18707  Stück,  Osaka  mit  14  579 
Stück,  Hyogo  mit  10005  Stück,  Kanagawa  mit  9454  Stuck. 
Auf  diese  ranf  Bezirke  allein  kommt  also  erheblich  mehr 
als  die  Hfttfte  des  geschlachteten  Viehs  (72  83^).  Die  angeftihrte 
Agrarstatistik  (S.  407)  berechnet  einen  jährlichen  Fleisch- 
▼  erbrauch  pro  Kopf  der  Bevölkerung  von  3,o98  kg  in  Tokyo, 
von  3,041  kg  in  Hiroshima,  von  2,22  kg  in  Kanagawa;  Ton 
l,'86rt  kg  in  Osaka,  von  l^g  in  ITvogo.  femer  von  l.ajo  kg  in 
Kyoto.  In  keinem  anderen  Bezirke  wurfle  ein  Verbrauch  von 
nur  1  kg  erreicht^.  Für  weitere  Ausdehnung  des  Fleischver- 
brauches ist  also  Raum  genug  vorlianden.  Für  die  Rentabilitiit 
und  Hebung  der  Viehzucht  und  damit  der  Landwirtschaft  wäre 
aber  eine  wettere  Steigerung  des  Fleischverbrauches  sehr  wünschens- 
wert Nebenher  sei  ttbi^ens  erwtthnt,  dals  neuerdings  auch 
Pferdefleisch  verzehrt  wird.  Für  1886  werden  aus  vier  Bezirken 
(Shiga,  Gifu,  Nagano,  Ishikawa^  3062  geschlachtete  Pferde  nach- 
gewiesen  (Af^rarstatistik  a.  a.  O.  S.  410). 

Die  P  f  e  r  d  e  h  a  1 1  u  n  g  ist  in  Japan  etwas  ausgedehnter  als 
die  von  Rindvieh,  wenn  auch  im  Vergleich  mit  Europa  die 
Zahlen  keine  hohen  sind.  Im  Jahre  1878  sollf^n  1540  588  Pferde 
voriiuüden  gewesen  scm,  \6S\  hatten  sie  sich  aut  1  (347  484  ver- 
melurt,  doch  sank  die  Zahl  bis  1886  wieder  auf  1 537 104  (1887: 
1587606).  Okinawa  ist  hierin  nicht  mthalten.  Eine  ent- 
sprechende  Berechnung  wie  f\lr  die  lUndviehhaltung  eigiebt 
folgendes  Bild.   £s  gab  Pferde  1886: 

auf  1000        auf  100 
Stück       Einwohner  Quadratkilometer 

in  Nordnihon  4761.S7  82,*  608,7 
-  MitiehiihQn        440628         29,«  464,s 


^  Diese  Zahlen  aus  der  Viehstatistik  in  Band  III  der  vom  Ministe« 
riam  für  Landwirtschaft  und  Hewerhe  herausgegebenen  Tabellen  (JSosho* 
mosho  Tokei  hvo),  Agrarstatistik  8.  371—392. 

•  In  11  Berken  betrflgt  er  Va— 1  kg,  in  den  27  ttbrigen  noch 
weniger  bis  hinab  sn  19  Gramm  in  Saitama. 


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X  4. 


809 


auf  1000        auf  lOU 
Stück        EiDWühner  Quadratkilomet^ 

in  W  eÄtnihon  69025  7,a  128,« 

-  Shikoku  7i):U)8  27,«  419,4 

-  Kyushu  4;32ö31  77,8  1050 

'  Artjapan         1494689         S9,t  522,t 

Die  Zahl  der  Pferde  im  Hokkaido,  42  415,  ist  nicht  be- 
deutend im  \'erhältniä  zur  i  läciie,  dagegen  recht  erheblich  im 
Veriiftltn»  stur  Bevölkerung,  nftmlk^  198  anf  1009  der  Wehn- 
bevdlkeran^y  ein  Verhältnis  wie  heispiebweise  in  Schleswig-Hol- 
stein. Auf  100  Quadratkilometer  kamen  1883  in  Deutschland 
650  Pferde,  in  Ostpreiüsen  1040,  in  Meiningen  210.  Die  Ver- 
teilung im  Lande  ist  etwa  umgekehrt  wie  ftlr  das  Rindvieh, 
abgesehen  von  Kynshu,  wo  sowohl  dio  Rindvieh-  als  die  Pferde- 
haltung be(leulen(i  ist.  Sehen  wir  uns  die  einzelnen  Bezirke 
etwas  näher  an,  so  finden  wir  in  einer  geschlossenen  Gruppe  von 
iUuf  Bezirken  weniger  a.U  100  Pferde  auf  100  Quadratkilometer, 
nämlich  17  in  Wakai  rama,  18  in  Osaka,  19  in  Kyoto,  39  in 
Shiga,  73  in  Mive.  Niedrig  sind  die  Zahlen  auch  in  dem  an« 
grenzenden  Teil  der  Westküste,  in  Fükui,  Hyogo,  Tottoii,  Shimane, 
auch  in  Okayama  und  Hiroshima.  Die  höchsten  Zahlen  hat 
auf  Kyushu  Knm.'nnoto  mit  1548  und  Kagoshinia  un't  1109  Stück 
auf  Quadratkilometer,  Miyazaki  und  Fukuoka  haben  über 
900  ötuck,  Saga  und  Oita  mehr  als  jjtUck.  In  den  nörd- 
licheren Teilen  stehen  am  höchsten  Ciiiba  mit  1064  und  Ibaraki 
mit  1049  Stück  auf  UK)  Quadratkilometer,  mehr  als  800  Stück 
haben  Miyam  und  TochigL  Im  Verhältnis  zur  Ebwohnerzahl 
ist  die  Pferdehaltung  am  bedeutendsten  in  Iwate,  Fokushima, 
Aomori  und  Akita  im  Norden,  in  Kagoshima  und  Rumamoto 
im  Süden,  welche  alle  mehr  als  100  Pferde  auf  1000  Einwohner 
haben.  Die  Zusammensetzung  des  Pferdestandes  nach  Alter  und 
Geschlecht  war  folgende 

Pferde  unter  zwei  Jahren    36  975  weiblich    32  456  männlich 

Pferde  über  zwei  Jahren    793  2^2       -       074  421 
Pferde  fremder  Kasse  wurden  nm*  54  gezählt,  halbbiutige  2533. 

Der  Verwendung  nach  wurden  benutzt 

fUr  landwirtscbaftUohe  Zwecke    1 288933  Stttck 
anderweit  tarn  Transport  u.  dgL  154612 
zur  Zucht  93  459  - 

(worunter   17413  Hengste), 

Von  den  als  Zuchtpferde  angegebenen  k( mmen  allon  auf 
Iwate  (mit  dem  Nambudistrikt)  27270,  auf  Fukushima  14109, 
auf  Mi  Vagi  13588  Stück,  zusammen  fiwt  60  Prozent  der 
samtzahl. 

Eine  der  Rindvieh-  wie  Pferdezucht  gleichmftlsig  zu  gute 
kommende  vermehrte  Nutzung  hat  die  Neuzeit  durch  die  wach- 


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310 


sende  Nadifrage  nach  Leder  erzeugt,  namentlich  dureh  die  Ein- 
führung der  europäischen  Fufsbekleidung.  Japan  deckt  gegen- 
wÄrtig  seinen  Bedarf  an  Hauten  und  Leder  noch  niclit  selhtit. 
Im  Jahre  1888  wurden  eingefiihrt  10914  Doppclcentner  Häute 
und  24226  Doppeloentner  Leder  im  Werte  yon  Buiammen 
1098177  Ten,  ausgcmhrt  nur  3746  Doppelcentner  Häute  und 
68  Doppelcentner  Leder  im  Werte  von  zusammen  65120  Yen*. 

Üwr  den  Besitz  an  Vieh  in  den  landwirtschaftlichen  Be- 
trieber giebt  die  Statistik  gar  keine  Auskunft.  Da  auf  5  450  000 
bäuerliclie  llausiialtungen  an  landwirtKehaftlich  iM-nntzTom  Vieh 
nur  1288933  Pferde  und  961  332  Stück  lündvieh  konmien,  so 
darf  man  wohl  annehmen,  dais  mindestens  zwei  Drittel  aller 
ländlichen  Hauahaltungen  überhaupt  kein  Vieh  besitzen. 

Am  allem  dem  Qesagten  geht  alio  hmor,  dais  in  der 
landwirtschaftlicheD  Pk*oduktion  die  JSnseognisse  der  Viehzucht  mne 
sehr  geringe  Rolle  spielen,  wobei  auch  nicht  aufser  acht  su 
lassen  ist,  dals  der  ^  ert  der  Pferde  wie  des  Rindviehs  in  Japan 
ein  sehr  geringer  ist.  Mehr  noch  als  in  den  meisten  Ländern 
Europas  liegt  der  Schwerpunkt  der  landwirtschaftlichen  Produktion 
in  den  Erzeugnissen  des  Feldes.  Dazu  kommt  dann 
nocii  die  wichtige  Seidenk ult  ir. 

Um  die  Hülfsquellen  Japans  beurteilen  zu  können,  sind  also 
▼or  allem  iene  zu  hesprechen  an  der  Hand  der  ftir  jedes  Jahr 
▼ertffentlicnten  Erntestatistik.  Diese  hat  alleraings  den 
Kachteih  dafs  die  Angaben  der  Regel  nach  etwas  au  niedrig 
sind.  Man  ist  jedoch  oestrebt  die  Erhebungen  zu  verbes^^ern. 
Das  starke  Steigen  der  meisten  Zahlen  in  den  Jahren  1885 — 1887 
ist  zu  einem  grofsen  Teil  dieser  verbesserten  Erhebung  zuzu- 
schreiben. Doch  hat  wohl  auch  eine  wirkliche  Zunahme  statt- 
gefunden. Die  ^Vitterungsve^hältni^<se  in  den  genannten  Jaliren 
waren  günstige,  die  Ernten  reichlich.  In  manchen  Beziehungen 
haben  vielleicht  auch  Verbesserungen  der  Kultur  mitgewirkt. 
Zu  beachten  ist,  dals  in  der  Emtestatisäk  Okinawa  ken  stets 
ausgeschlossen  ist*. 


'  übrigens  war  Einfuhr  wie  Ausfuhr  von  HÄuten  niedricer 

als  iii  irtjend  eiuein  Jahre  seit  1H83  infolge  gewisser  Mafsregeln  aer 
koreanischen  Reffierung.  Die  Einfuhr  war  »her  immer  ffröfser  aU  die 
Ausfabr.  Dio  irröfsten  Zahlen  hat  Is^H  mit  1",  7.*»!)  D.  C.  Kinfulir  imrl 
13485  D.  ü.  Ausfuhr.  Die  Ledereinfuhr  dagegen  ist  regelinaisig  jse- 
wachsen.  1888  betrag  sie  erst  9919  D.  C.  von  Hinten  werden  meist 
koreanisch«»  Kin  hliäute  eingefiihrt,  Rofshfiute  ausgefUhrt.  SohUsder 
kommt  mei^t  uns  Amerika,  anderes  Lnder  nns  r>«tindien. 

*  Die  mir  vorliegende  Emtestatiatik  rciclit  für  Hol»,  (Gerate  und  Weisen 
bis  IK*^'.».  für  die  niristen  anderen  Produkte  bii»  1^>^7.  Der  beneren 
Vergleicliharkeit  halber  lege  ich  dcsliHlb  der  f  lp^cnJi n  '/ti'^fimmPTiSitenwng 
aueo  für  lieis,  Gerste  imd  Weizen  vorzugsweise  die  Zahlen  für  zu 
Grande.  Man  kannte  dagegen  einwenden,  daft  dieses  als  ein  beaondeis 
gutes  Enitejahr  ni('l]t  mafsgebend  »ein  dfirfte.  Nun  sind  aber  sämtliche 
Brntesogaben  der  K«gel  naeb  eu  niedrig.  Ich  glaube  daher,  dafo  man 


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X  4. 


311 


Die  wichtigste  Feldfrucht  Japans  ist  der  Reis. 
Seiner  Kultur  dient  mehr  als  die  Hälfte  des  Ackerlandes.  Von  der 
Feldarbeii  de^  r>auern  l'ällt  ein  wesentlicher  und  mühseliger  Teil 
auf  den  Keisbau.  Keis  wird  fast  nur  im  nassen  Felde  gezogen. 
Mit  Bergreiä,  der  Auf  nicht  berieeeltem  Fdde  gezogenen  Varietät, 
waren  m  den  leteteii  Jahren  nur  tmbedeatende  Fttchen  bestellt, 
zwischen  20000  und  40000  Che,  1887  waren  es  29571  mit 
einem  Ertrag  yon  223271  Koku.  Das  kommt  neben  den  Ge- 
samtzahlen kaum  m  Betracht.  Irg(  nd  welche  Bedeutung  hat  er 
nur  für  die  Bezirke  um  Tokyo  und  die  Siidhiilfte  von  Kyushu. 
In  7  von  den  13  Bezirken  AJtjapans  wurde  Bergreis  1^87  über- 
haupt nicht  angebaut,  in  23  Bezirken  brachte  er  noch  nicht 
tausend  Koku. 

Der  SumpfireiB  serfilHt  in  swei  Arten,  den  gewöhnlichen 
Reis  and  den  Klebreis.  Auf  diesen  kamen  1887  nur  8^4 
ProEent  der  angebauten  Flnche  und  7^  4  Prozent  der  geemteten 
Menge.    Beim  gewöhnlichen  Reis  endlich  werden  drei  Varietäten 

unterschieden,  Frühreis,  Mittelreis  und  SpUtreis.  Unter  diesen 
war  1887  die  anj^ebaute  Fläche  mit  21,  43  und  80  Prozent  und 
die  Erntemenge  mit  IP,  44  und  37  Prozent  verteilt. 

Betrachten  wir  die  Zahlen  der  Reisprod  ii  ktion  als 
Ganzes,  so  hnden  wir  zuniichst,  dals  die  bebaute  Flache  seit  der 
Zeit,  dafs  es  eine  geordnete  Agrarstatistik  giebt,  1878,  langsam 
aber  stetig  sugienonimen  bat  Die  Vermebrung  ist  aber  mehr 
scheinbar  als  wirklicb,  da  die  Angaben  der  ßauena  ttber  be- 
scbltdigte  und  verwüstete  Felder,  welebe  vielfacli  Uberlrieben 
waren,  jetzt  sehitrfer  geprüft  werden.  Die  Emtemenge  und 
Fläche  soll  betragen  haben: 


1878 

25282540  Koku' 

2489765  Cbo 

1879 

32418924  - 

2  541661  - 

1680 

31359  326  - 

2  502  460  - 

1881 

29  97 1383  - 

2  564  1 26  - 

1882 

30692327  - 

2  580  255  - 

1883 

30671492  - 

2579544  - 

1884 

26349883  - 

2605721  - 

1885 

S41&8169  - 

2611987  - 

1886 

37191424  - 

2618015  - 

1887 

::*M>99199 

2  037069  - 

1888 

30  (54.Ö  583  - 

2  685  987  - 

1889 

007  'y(^C> 

2  726  539  - 

Sind  die  Zal 

len  aiuii  iiiclit  c^anz  genau,  so  spiegeln 

im  allgemeinen   die  Keiiientoige   guter  und  schlechter  Jalu^ 


nüt  den  Zahlen  für  ein  gutee  Jabr  den  wirkHohen  Darcbechnittszahlsa 
sin  nftchsten  kommt.  Die  Reisemtc  wird  ?p\f  Juhren  von  pachverstiln- 
digen  Japanern  auf  40  Millionen  Koku  geschätzt  Für  las?  aber  giebt 
die  Statistik  89999199  Koka. 

^  Alle  Zahlen  beziehen  uch  auf  Gemmai,  angetcbSlteB  Reit.  Der 
Verlust  dorch  das  Sch&len  betrügt  ein  Zehntel. 


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812 


X  4. 


wider  187^,  188182  und  1S84  sind  als  Jahre  schlechter 
Ernten  b»  katint.  Während  von  der  guten  Ernte  lies  Jahres 
1888  in  den  Zahlen  nichts  zu  merken  ist,  treten  die  guten  Jahre 
3879  und  188-V88  deutlich  hervor.  Die  in  den  einzelnen 
Gegenden  geeratete  Menge  hängt  ab  einmal  ▼im  der  Aaedebnung 
des  naBsen  Feldes,  welche  wieder  dne  Folge  der  BodeDgestaltong 
ist,  anderseits  von  der  Fruditbarkeit.  Der  E>trag  von  der 
gleichen  Fläche  ist  in  den  verschiedenen  Teilen  Japans  aufser- 
ordentlich  verschieden.  Die  grtfiaten  abioluten  Mengen  lieferten 
folgende  Bezirke: 

1888  1887  1886  1885 

Koku  Koku  Koka  Koka 

Kiigata  2 182  208  2184542  2  289831  1852622 

Hyogo  173*5582  1  94G817  1407749  1  721  840 

Fukuoka  1  797  968  1 692  500  1  61 1  443  1  44 1 884 

Osaka»  1  482222  1618395  1  341855  1  278908 

Toyama  1421055  1517486  1645  631  1  074285 

Chiba  1439821  1343830  1  266  727  1  590745 

Ehime'  1135^68  1  261688  989776  1  173078 

Aichi  1  164862  1243062  1442192  1119384 

Okayama  1222074  1  285692  848987  1  060108 

Fdciishima  1  195098  1  219987  1 181621  1 059525 

xMiye  1141706  1206634  1  183477  994496 

Akita  950291  1202  699  1  311470  1  119652 

Shiga  1  187167  1  1 90  340  1  1 73  085  992  624 

Yamagata  102854U  1155163  1185525  1U83821 

Nagano  071953'  1126173  1139885  795555 

alle  anderen  Bezirke 
weniger  als  1100000  Koku. 

Die  geringste  Reisproduktion  hatten    1887  auiser 
Hokkaido  (nur  20648  Koku)  und  Tokyo  die  bergigen 
Yamanasbi,  Nagasaki  und  Gumma. 

Hei  der  verschiedenen  Gröfse  der  Besirke  geben  diese 
Zahlen  aber  keinen  rechten  Begriff  von  der  Bedeutung  der 
einzelnen  Gegenden  tilr  den  Reisbau.    Bei  einem  Vergleicli  der 

Flflclio  jedes  Bezirks  mh  der  Erntemoncrr'  im  Jahre  1887  tritt 
bei  eiueui  Landeödurclisehnitt  für  Aitjapan  von  2150  Koku  auf 
den  Quadratri''  an  die  Spitze  Toyaui.'i  mit  r)705  Koku,  dem  4»ich 
das  benachbarie  isiiikasva  mit  3318  Koku  aiibchiieial.   Die  nächst- 


em 


'  Auf  die  itM  November  1887  erfolgte  1  filuii^^  des  Osaka-lu  ui 
Osaka-fu  und  Nara-keu  uehine  ich  keine  liuckeicht,  um  die  Verjgleidibü' 
keit  zu  f  rhniten.  Ebenso  nicht  auf  die  £iide  1^  erfolgte  Aotrannung 
des  Kaj^Hwa-keu  vom  £)bime>ken. 

«  Lngcwdbniich  hoch  188^  noch  Yamsguchi  mit  1829189  Koku. 

^  1000  Koku  aaf  den  Quadiatri  =  lir  hl  (rund  9700  kg)  auf  den 
Quadratkilometer. 


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318 


bedeutende  Gruppe  bilden  Sa^a  mit  5378  Koku  und  Fukuoka. 
mit  5322  Koku,  In  den  mittleren  Gebieten  hat  Osaka  im  alten 
Umfiintre  5105  Koku,  ohne  Nara  aber  8937,  Shiga  4014,  Hyogo 
3495  Koku.  f  r  iir  letzteres  wird  der  Hezirksdurchschnitt  durch 
die  geringe  i'ruduktion  der  Provinz  lajima  an  der  Westküste 
gedrückt)  Aich!  hat  3946  (die  Provinz  Owari  allein  7188), 
Miye  8270  Koku.  Endlich  im  Ostea  hat  Chiba  4122,  Tokyo 
3603,  Saitama  3387  Koku.  Im  Yerhältnia  sur  Flüche  lehr 
geringe  Reisproduktion  finden  wir  im  ttufsersten  Norden,  wo 
Iwate  nur  543,  Aomori  1004  Koku  auf  den  Quadratri  erzeugte, 
sowie  im  Süden  init  783  Koku  in  Kagoshima,  984  in  Miy  i7;iki, 
1060  m  Kochi.  endiicli  in  den  gebir^^i^en  Mittelbezirken  Gumma 
mit  952,  Yauianashi  mit  955,  Nagano  mit  1319  und  Gifu  mit 
1335  Koku.  in  letztgenanntem  Bezirke  hat  die  Provinz  Mino 
-einen  Ertrag  von  2052,  Hida  aber  nur  von  256  Koku. 

Wichtiger  vom  landwirtBchaftÜchen  Standpunkte  aus  ist  ein 
Veiigleich  der  Erntemenge  mit  der  bebauten  Fläche.  Der  Ertrag 
Tom  Cho  war  bei  gewöhnlichem  Sump&eis  im  Durchschnitt  der 
Jahre  1886  und  1887  in  ganz  Japan  (immer  ohne  Okinawa) 
14,8  Koku  (2220  kg),  das  sind  26,86  hl  vom  Hektar,  Bei  Kleb- 
reis war  der  Durchschnittsortrag  etwas  niedriger,  14,2  Koku, 
beim  Bergreia  nur  ß.r  Koku.  1^  schränken  wir  uns  auf  den 
gewüiiülichen  Sumpfreiä,  üü  tiudeii  wir  nach  ucu  iJurchsjchnittä- 
zahlen  von  1886  und  1887  drei  Gruupen  hoher  Durchschuitts- 
•ertrilge  von  mehr  als  16  Koku  vom  Cno  (29  U  vom  Hektar): 
Yor  allem  im  Nordwesten  Tojrama  (21,5  Koku  —  39  hl  vom 
Hektar),  dem  sich  Ishikawa  (18,2  Koku)  und  Nagano  (17,4 
Koku)  anschliefsen.  Eine  zweite  Gruppe  umfal'st  den  mittleren 
Teil  der  Hauptinsel:  Shiga  (19,7  Koku),  Kyoto  (16,2  Koku), 
Hyogo  (1(3,7  Koku),  Osaka  (18,8  Koku),  Wakayama  (17,8  Koku), 
und  Aliye  nfi,3  Koku).  Die  dritte  Gruppe  liegt  im  Süden  mit 
den  4  Bezirken  Yamagiichi  (19,4  Koku),  Fukuoka  (I7,a  Koku), 
Saga  (16,5  Koku),  Kumamoto  (16,8  Koku). 

GeriDCO  Durcbsdmittserträge  (unter  18  Koku)  ei^eben  da^ 
£egen  auf  &yu8hu  die  B^irke  Kagoshima  (8,«  Koku),  Miyazaki 
(11,6  Koku)  und  Nagasaki  (11,8  Koku),  femer  Kochi  (11,6  Koku) 
und  Hiroshima  (12  Koku).  Auch  die  benachbarten  Shimane, 
Okavama  und  Tokusliima  stehen  unter  dem  Durchschnitt. 
Nördlich  und  östlich  von  Tökyo  stehen  alle  Bezirke  der  Haupt- 
insel unter  dem  Durchsei) nitt,  ausgenommen  Yamagata,  am 
niedrigsten  Iwate  (10  Koku),  Aomori  (12,i  Koku)  und  Akita 
(12,0  Koku).  Dabei  ist  noch  daran  zu  denken,  dais  der  Anbau 
TOD  Winterfrucht  auf  dem  Reisiblde  im  Norden  sehr  viel  seltener 
m(fg|Bch  ist  als  in  den  Bezirken  des  Westens  und  Sudens. 

Die  wirklichen  Unterschiede  in  dem  Ertrage  der  Reisfelder 
sind  natürlich  sehr  viel  gröfser  als  diese  Bezirksdurchschnitte. 
Doch  genügen  dieselben,  um  eine  für  unsere  Zwecke  aus- 
reichend Übersicht  zu  geben.   Nur  ia  den  wenigen  Bezirken, 


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314 


X  4. 


welche  ^ranz  verschit'denartige  Provinzon  iimfiissen,  wird  das 
Bild  durch  die  Bezirksdurchschnitte  ein  in-iges.  Das  ist  der 
Fall  in  Kyoto,  Hyofro,  Shimane,  Gifu  und  Ehime.  Zur  Er- 
gänzung obiger  Angaben  und  der  Emtetabelle  im  Anhaug  tilge 
ich  ttir  diese  Bezirke  die  Durchschnitte  der  Provinzen  und 
Brovinsteile  &r  gewöhnlichen  Sumpfreit  im  Jahre  1887  dn. 

Der  LandesdurchBchnitt  war  1887  15,s  Eoku  Ernte  vom 
Cho.   Er  betrug 

im  Bezirk  nämlich  in  der  Provinz 


Kyoto  17,4  Eoku:       Yamashiro  21,i  Koka 

Taniba  (Teil)  16 

Tango  13,5 

Hyogo  19,8  Koku:       Settsu  (Teil)  19,7  - 

Tnmbn  (Teil)  15,1  - 

Tajima  14,o 

Harirna  20,6 

Awaji  23,8 

Shimane  16,s  Koku:     Izumo  18,5 

Iwami  12,8 

Oki  12,7 

Ehime  16,i  Koku:       Sanuki  18,4 

lyo  14,4  - 

Grift!  15,1  Koku:         Mino  15,4  - 

Hida  12,8  - 


Bemerkenswert  sind  namentlich  die  viel  niedrigeren  Ertrüge 
der  Teile  von  Kyoto  und  Hyogo,  welche  an  der  Westküste  liegen« 

Vrr^^lcichen  wir  die  Enitemenge  mit  der  Bevölkerungszahl, 
80  giebt  das  einen  gewissen  Anlialt  daflir.  welche  Bezirke  erheb- 
lichere Mengen  Reis  an  andere  (xi  tulen  res}),  zur  Ausfuhr  ab- 
geben können.  Im  Jahre  1887  war  die  Zahl  der  geernteten  Koku 
und  die  der  Einwohner  Japans  ungefähr  gleich.  In  24  von  44 
Bezirken  war  die  Kokazahl  grOfser  als  die  ISnwohnenahl  und 
swar  in  12  Beasorken  um  200000  und  mehr,  in  5  weiteren  Be- 
zirken imi  100000  bis  200000.  Jene  12  Berarke  waren:  im 
Nordwesten  Niigata  mit  540000  und  Toyama  mit  800000, 
im  Norden  Fukushima  mit  350000,  Miyagi  mit  400000,  Yama- 
gata  m\t  4:^0  ono,  Akhn  mit  550  0()().  Auf  der  Hauptinsel  sind 
dann  noch  zu  erwähnen;  Chiba  mit  200  000,  Miye  mitSlOiXH), 
Sh\^ti  mit  540000  und  Hyogo  mit  470  000.  Im  Süden  endlkh 
linden  wir  Fukuoka  mit  530000  und  »Saga  nut  330000. 

Der  Reis  ist  bekanntlich,  wie  bei  uns  das  Brot,  das  Haupt- 
nahrungsmittel in  Japan,  namentlich  der  wohlhabendeien  und 
der  städtischen  Bevtukerung,  während  von  der  ärmeren  Land- 
bevölkerung Qerste,  Wasen  und  Hirse  teils  mit  Reis  gemisditi 
teils  statt  seiner  genossen  werden.   Will  man  untersuchen,  wie- 


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X  4. 


815 


viel  Reis  ftlr  direkten  Verbrauch  zur  Verfiigwng  steht,  so  sind 
drei  Dinp:e  von  der  Erntemen^'e  abzuziehen :  das  Saatgut,  der 
bei  der  Sakebrauerei  verwendete  Reis  und  der  Überschufs  der 
Ausfuhr  über  die  Einfuhr.  Nehmen  wir  an,  dafs  für  einen  ( 'ho 
Reisfeld  Oji  Kuku  Saatgut  uötig  sei,  so  giebt  das  für  dat»  ganze 
Land  einen  Bedarf  von  mnd  1 800000  Koku.  In  der  gewerbs- 
mäfingen  ßake&brikation  ut  der  Bdsverbraucb  von  1879  bis  1885 
von  beinahe  5  MilBonen  Koku  anf  knapp  2  Millionen  gesunken, 
seitdem  aber  wieder  gestiegen.  Dazu  kommt  noch  beinahe  eine 
halbe  MiUion  in  der  Hausbrauerei  (nicht  gewerbsmäfsigen  Her- 
stellung). Man  kann  die  ftlr  Sake  verbrauchte  Menge  also  auf 
etwa  3  Millionen  Koku  an8chlac:en.  'Vgl.  unt^  die  Abschnitte 
über  die  Öakesteuer  und  die  Sakeindustrie.) 


£infttbr  und  Ausfuhr  von  Reis  in  Japan 
von  1868  —  1889  in  Pikul  k  60  kg. 


Jahr 

Ebfohr 

Anrftihr 

Überschufs  der 
Ausfuhr 

1 

2 

3 

4 

186S 

209  772 

—209  772 

1869 

1  «20  718 

—  1620  718 

1«70 

5377  108 

—5377  10» 

1871 

419579 

—419579 

1872 

1878 

19  093 

m  518 

145  420 

1874 

11  750 

140  790 

129040 

1875 

10  280 

? 

y 

1876 

280 

469  500 

469  270 

1877 

110 

1042  200 

1042090 

1878 

83000 

1990420 

1^57420 

1879 

184  38.5 

1:^5  972 

1  ••«7 

mo 

430193 

68  271 

— 3«1  ««2 

1881 

166  841 

106  561 

—60  280 

1882 

13  977 

6.W  949 

6:^972 

lM«r5 

41 

435  102 

405  :mi 

18H4 

5ö51 

1  137  U54 

1  131203 

1885 

295988 

817778 

21788 

1886 

9  815 

1  887  3:^1 

1373  516 

1887 

898  217 

822  999 

1888 

12  177 

3313383 

3301  206 

1889 

51737 

3277129 

3225392 

Anmerknng.  Die  Zahlen  Bind  in  einigen  Jahren  fUr  die  Einfuhr 
etwas  höher  als  in  der  (Statistik  der  Zollvrrwaltinig,  da  die^e  erst  se^t 
1884  den  Handel  mit  Korea  einschUefsL   In  den  Jahien  1880  und  1881 


kamen  von  dort  gröfsere  Mengen  Heis. 

Die  Ausfuhr  von  Reis  hat  erst  in  den  letzten  Jahren 
dne  gröfeere  Bedeutung  gewonnen.  Zu  Zeiten  ist  die  Einfuhr 
grölaer  ^reweaen  als  die  Aust'ulir.  Die  grofse  Ausfuhr  1^77  78 
ist  die  l*'olge  der  chinesischen  Hungersnot   Das  Anwachsen  der 


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316 


X  4. 


Einfuhr  über  die  Ausfuhr  1880  war  durch  die  hohen  Preise  in  Japan 
veranlafst  Die  gute  Ernte  von  1888  und  die  darauttoigenden 
niedrigen  Preise  helseii  die  Reisausfuhr  des  nÄchsten  Jahres 
ziemlich  ansteigen,  doch  hielten  sich  1885  Einfuhr  und  Aus- 
fuhr die  Wage  infolge  teihi  der  geringen  Ernte  von  1884, 
ieilB  der  BefUrcbtungen  ftr  die  neue  Erote,  weiche  die  Preiae 


losigkeit  dieser  Besorgnisse.  Die  Einten  von  1885  bis  1888 
waren  gut  und  brachten  in  den  entsprechenden  Jahren  1886  bis 
IKHI*  ein  verhältnismiifsig  starkes  Anwachsen  der  Reisausfulir  zu- 
wege. Im  Diirehschniit  der  vier  Jahre  wurden  2  217  705  Pikul 
jährlich  ausgetulirt.  Den  Koku  Reis  zu  2*  a  Pikul  (15U  kg) 
angenommen  wären  das  noch  nicht  89<i00()  Koku  und  auch  das 
höchste  Jahr,  1888,  allein  genommen,  hatte  nur  eine  Ausfuhr 
Ton  rund  1300000  Koku.  Das  iet  immer  noch  weniger  als 
der  Minderverbranch  cur  Sake&brikation  in  den  letzten  Jahren. 
Dieser  aUein  genügt,  um  die  Zunahme  der  Ausfuhr  zu  erUflreo. 
Der  ungttnstige  Aufl&U  der  Ernte  von  1880  Iiat  nicht  nur  der 
Ausfuhr  ein  Ende  gemacht,  sondern  auch  18V")  die  Einfuhr  be- 
trilchtlicher  Mengen  voti  'Reh  bewirkt',  Nelinien  wir  an,  dafs 
die  Reisaust'uhr  hi  \  guten  Ernten  12<M)(MlO  Koku  (3  Millionen 
Pikul)  betraa"en  kann,  so  würden  von  der  ganzen  Krntemenge 
etwa  <*)  Millionen  Koku  abzusetzen  sein,  nämlich  1800000  rar 
Saatgut,  3  Millionen  iUr  Sake  und  1200000  zur  Ausfuhr.  Bei 
einer  Produktion  von  rund  40  Millionen  Koku,  was  meiner  Mei* 
nung  nach  gegenwärtig  dner  guten  Mittelernte  entspricht  blieben 
also  iU  Millionen  Koku  zum  Verbrauch  ttbrig^,  das  sind  etwa 
1 60  Liter  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung«  wohlgemerkt  Gemmai, 
ungesehalter  Reis.  Der  Verhist  beim  Schälen  wird  allii^omoin  als 
ein  Zt'linU'l  betraehtet.  Ks  würden  also  auf  den  Kopt  der  Be- 
völkerung 114  Liter  j^esehiilter  Reis  kommen  oder  rund  kg. 

Der  Reiüpreis  hat  für  die  japanische  Volkn Wirtschaft  eine 
ganz  aufserordendiche  Bedeutung,  gröfser  als  in  unserer  viel- 
seitigen europMiachen  Produktion  der  Preis  irgend  eines  etnseben 
Produktea.  INe  Reisemte  stellt  dem  Werte  nach  mehr  ak  die 
Hälfte  der  jahrlichen  Undwirtachaftlichen  Produktion  dar.  Der 


■  in  der  ersten  Jahreshälfte  bereit«  1  72»  OUU  Pikul. 

*  Das  ist  allerdings  erheblich  mdir,  als  man  im  Anscblufs  an  die 

Erntcstatistik  gewöhnlich  annitiimt.  Der  Durchschnitt  der  zelin  Jahre 
1879— l^ss  orpiebt  nur  :^n4ÖO00  Koku.  Dafs  diese  Zahl  aber  hinter 
der  WirklichkeU  Kurttckbleibt,  zeig:t  die  letzte  Zeit,  in  welcher  der 
Ernte  des  Jahres  1SH9  von  an  »tili  lionen  Koku  vollständige  Nntpreise 
folgten,  die  durch  die  wüste  ReiBspekulnti  in  allein  nicht  erklärt  werden, 
bei  unserer  Annahme  über  die  Gröftie  einer  Mittelernte  aber  verständ- 
lich rind. 

*  Da(s  davon  2 — 8  Millionen  Koku  in  der  Form  von  Kuchen  vet" 
7(>hrt  werdet),  ist  für  uusereu  Zweck  gleichgültig,  mag  aber  hier  neben« 


her  Erwiilmuug  finden. 


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817 


Reis  ist  flir  die  meisten  Bauern  und  Grundbesitzer  (denn  die 
Pacht  wird  der  Biogel  nach  in  Reb  besahlt)  dasjenige  f^ugnis, 
dessen  Erlös  bar  Ueld  sor  BeaaUung  der  Stenem  und  anderer 

Dinge  in  die  Wirtschaft  Imngt  Bei  der  Höhe  der  im  wesent- 
lichen feststehenden  Orundateuem  haben  die  8chwankun<^en  des 
Pff^ises  dieses  liauptniaH^tri  i>duktes  eine  ebenso  grofae  Bedeutung 
tiir  fVr.  Produzenten  wie  rür  denjeni^'e!)  Teil  der  Konsumenten, 
weleiitii  seine  Nahrung  nicht  naturalwirtschai'tlich  selbst  fT?;«^ngt, 
sondern  zu  kauten  hat.  namentlich  also  die  stiidti^cho  i'.  \\»lKe- 
rung.  So  iai  es  begreiflich,  dais  der  Reispreis  in  allnu  Ivreisen 
der  fieTölkeruttg  mit  Äafmerkaamkeit  verfolgt  wird.  Über- 
raschend ist  für  den  mit  europAischen  Verhftltnlssen  Bekannten, 
wie  die  Grofspreise  nnmittdbar  auf  den  Detailhandel  zurück- 
wirken (was  übrif^ens  nicht  blofs  Ijeim  Keis  der  Fall  ist).  Seinen 
(irund  hat  das  wohl  zum  Teil  darin,  dafs  beim  Reis  der  Weg 
vom  Grofshandcl  zum  V<  iv.ehr  <Mn  sehr  viel  kürzerer  ist  als 
z,  H  bf  im  Rr^t  1  )c'r  Reis  ist  nur  zu  schiilen ,  in  dem  1  )etail' 
preis  .^tt'ckl  aUo  imr  ein  verhältnism.ilsig  kleiner  Zuschlag  an 
Löhnen  u.  s.  w.  zum  (»rosprcis,  welcher  beim  Brot  einen  so 
^Lebüchen  und  nur  langsam  sich  ändernden  Teil  des  Detail- 
Preises  hildet.  £in  anderer  Grund  scheint  mir  aber  auch  in 
der  G^taittmg  des  japanischen  Handels  zu  liegen ,  der  scharfen 
Konkurrenz  der  kleinen^  mit  geringem  Gewinn  sich  begntigenden 
Detailhändler  einerseits,  anderseits,  Avenn  der  Ausdruck  erlaubt 
ist,  in  der  Kleinheit  des  Grofsliandels.  /wischen  Grofs-  und 
Kleinljand'  l  br>steht  kein  grofscr  (liegen^  t/.  die  Uuisäta^  beziehen 
sich  fast  immer  nur  auf  sehr  kleine  iM  i.gen. 

Die  Grofspreise ,  welche  sich  auf  unj^eschälten  Reis 
(Gemniai)  beziehen,  werden  seit  Untergang  der  alten  Reis- 
gilden auf  den  Reisb&ra^  notiert  ^  welche,  adt  1876  errichtet» 
1887  hl  16  Städten  bestanden  (vgl  oben  S.  237  ff.).  Aufser- 
dem  werden  seit  der  Grundsteuerreform  die  Pi*eise  in  einer 
groisen  Zahl  von  Marktorten  von  den  Behörden  regehnÄiiaig 
notiert  und  bekannt  gemacht,  auch  Durchschnittszahlen  daraus 
für  siimtlich*^  l^ezirke  veröllenrlicht In  Tokvo  sind  die  Hörseji- 
preise  rf^'i^t  li;!  rn«]^  ^Iwms  nv'dn.^er  als  dit;  amtlich  festgestellten 
Preibc  UUciiUii  haiulek  ca  -i>  h  um  QualiUitsunterschiede.  Die 
Detailpreise  erfahrt  das  Pubhkiiui  m  sehr  zweckmtilsiger  Weise, 
indem  die  Händler  greise  Tafoln  auahfingen  oder  in  Geftfsen 
mit  den  betreffenden  Reisproben  selbst  aufstellen,  auf  welchen  an- 


'  Aus  älterer  Zeit  sind  die  FrciHr-  <\pv  HeiBpilden  in  Osaka  peit  1597 
erhalten,  für  die  erste  Zeit  etwa«  uuvoilkouiuiener,  von  1622  an  fehlen 
im  17.  Jahrhundert  noch  19  Jahre,  von  1701  an  fehlen  nur  5  Jnhre. 
Seit  l^^r^O  8ind  die  tnonatlichen  DurchschnittspiciM  Teröffentlicht.  S.  Tokei 
Zasshi  Nr.  30  iS.  62  und  Nr.  07  12. 


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318 


geschrieben  iat,  wieviel  geschälter  Reis  fUr  eiDeo  Yen  gegeben 
wird. 

Da  die  Reiaernte  im  Oktobei  und  November  stattfindet, 
darf  mau  nicht,  wie  zuweilen  geschieht^  die  Preise  uud  die  Ernte 
dee  eleicheD  Kalenderjahres  ziuammensteUoi. 

Die  Bewegung  der  japanischen  Rcispreise  in  neuerer  Zeit 
ist  nun  sehr  erheblich  gestört  durch  die  zeitweise  Entwertung 
des  Papiergeldes  und  die  ganze  ^'^erwirru^g  der  Währungsver- 
hältnisse. Erst  mit  der  am  1.  Januar  1880  erfolgten  Aufhalnue 
der  Rarzahlungen  ist  mau  nach  25jähriger  Unordnung  zu  ge- 
regelten N'erhfiTtnissen  und  einer  stabilen  VVahrung  zurückgekehrt. 

Im  allgemeinen  stehen  die  Reispreise  gegenwärtig  iiuiier 
als  zu  Anfang  der  neuen  Ära.  Dan  Steigen  der  Preise  hat  aber 
nicht  so  sehr  in  d&i  von  alten  her  bestdienden  central  gel^^en 
MarktplätEen,  wie  Osaka  und  Tokyo,  stattgefunden,  ab  in  den 
entlegeneren  Gegenden.  In  jenen  sind  die  Preise  jetet  nicht  viel 
höher  als  vor  15^ — 20  Jahren.  Dagegen  im  Norden,  an  der 
Westküste,  zum  Teil  auch  im  SUden  sind  die  Preise  seitdem 
gestiegen  Die  Preise  jener  entlegeneren  Bezirke  liaben  sich 
denen  der  Haiijjtvinkehrs-  und  Konsumscentren  mehr  ^entlhert, 
das  Preisniveau  ist  gleichmäiisiger  geworden.  Das  ist  die  Folge 
teiLs  des  X^erschwindens  der  alten  Absperrung  einer  Landschaft 
gegen  die  andre  und  der  Entwickelung  des  \'erkehrs  im  Lande 
unter  dem  Binfluase  namentlich  der  yerbesaerten  Tranaportmiltel 
und  Verkehrswege.  Es  ist  zum  Teil  eine  Folge  der  honen  Rdb- 
preise  in  der  Zeit  der  Entwertung  des  Papiergeldee.  Dem  raschen 
{Steigen  der  Keispreise  folgten  die  Transportkosten  so  schnell 
nielit  nach.  Damit  ^<^ar  es  möglich ,  den  Reis  auf  sehr  viel 
weitere  Strf»ckpii  z"i  transportieren  als  fiiiher.  Auch  entlegenen 
Provinzen  wurden  dadurch  die  gi'Olsen  Markte  zuuaiii^lich.  Nach- 
dem die  Preise  wit-der  sanken,  wurden  die  neu  angeknüpften 
Beziehungen  möglichst  aufrechterhalten ,  wozu  die  drückende 
Kot  die  Qrundbesitaer  swang. 

Betrachten  wur  zunächst  die  zeitliche  £ntwickelung  der  Rda- 
preise  im  allgemeinen^  so  ist  der  aus  Anlaiii  der  Orundsteuer- 
rcform  eraiitielte  DurchschnittapreiB  der  Jahre  1870 — 1874  ftlr 
das  ganze  Land  gewesen  4,i85  Yen.  Die  weitere  Entwickelung 
zeigt  die  folgende  Tabellcj  welche  in  Spalte  2  die  Landesdurch- 
schnittspreise, in  Spalte  4  die  Tokyo  l')orsenpreise  tllr  den  Koku 
ungeschälten  Reis  £rie])t.  Ftir  188u  i,-,t  die  Zahl  aus  anderen 
Quellen  ergänzt  (Uandrlsötatiütik  des  Noshomushu  iil  141), 
da  fUr  5  Monate  kein  Börsenkurs  notiert  ist.  Um  die  Papier- 
geldschwankuDgen  zu  eliminieren,  sind  die  Beispreise  1877^1885 
in  Sflber  umgerechnet 


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819 


Preise  in  Papier  und  Silber  i n  J a p a n  u n d  in  Tokyo 
fUr  den  Koku  ungeschälten  Heis,  1875  —  1889. 


■ 

1 

■  1 

Jabr 

im 
Landes- 
durebsehnitt 

In  Sin)er 
nach  Tokyo- 
BOnenkurB 
umgerecbiidt 

Keispreis 
an  der  Börse 
in  Tokjro 

Preis 
für  loo  Yen 

s]r(,.-i 

an  uer  iiuiäo 
in  Tokyo 

HcispreiB 
in  Tokyo 
in  ^ber 

isTn 

Yen 

4,86 

4,w 
7,00 
9,00 

7,40 

5.50 

4.T1 

5,14 
4,71 

4,  :.T 

5,  -* 

Yen 

Yen 

Yen 

1877 
1878 
1B79 
1880 
1881 
1882 

1884 

4i0« 

4,  TT 

5,00 
6,st 

5,  M 
4,Tt 
4,06 

4, «8 

5,1t 
5,os 

(10,«o) 

9,M 
7,M 
5,M 

5,08 

5,r,6 

5,10 
5,01 

103,« 
109,« 
121,1 
147.7 
170,4 
157,0 
126,B 

105,<. 
lüO 

4|«4 
5,4» 

7.1. 

5,M»> 
5,01 

4,T0 

4.  n1 

5,  «4 

Zur  Erklärung  der  Zahlen  ist  zu  bemerken,  dals  1875  un- 
gewöhnlich  holn*  Preise  hatto,  wnhr«^nf1  1^7r>  nnd  1877  untor  dem 
KinHufs  n'iclier  Ernten  standen  Merkwürdig  ist.  dal's  der  grolse 
Aufstand  des  letzteren  Jahres  in  den  Reispreisen  sich  gar  nicht 
flililhar  macht  l^briprens  fehlen  die  aut'stiindischen  Bezirke  (Ka- 
goshinia  und  Miyazaki;  iiir  dieses  Jahr  in  dem  Landesdurch- 
sehiiHt  Von  18/8  an  wird  die  Änderung  des  Wertes  der  Landes- 
währnng  bemerkbar.  Aber  anoh  wenn  wir  den  Papierpreis  in 
Silber  umrechnen,  ist  bis  1880  ein  sehr  starkes  Steigen  bemerk- 
Hch.  Zunächst  ist  das  der  japanischen  Mitsernte  von  1878  und 
der  chinesischen  Hungersnot  zuzuschreiben.   Aber  1879  brachte 


*■  Der  durchschnittliche  Wert  des  ausgeführten  Reises  betrug  für 
den  Kokn 

R,,r.  Silberyen      1885   6,o3  Silbeiyen 
1X82   6,M        -  18Ö6  0.00 

1883  5,to       •  1887  6.n  - 

1884  4»i»       -  1888  5^00  • 


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320 


X  4. 


eine  reiclie  Eiiitt  urif!  doch  stiegen  die  Preise  weiter.  Hier  üe^ 
direkt  die  Einwirkung  der  ( Jeldentwertung  vor.  Das  Sinken 
des  Papiers  und  J> teilen  des  Keis^  entfachte  eine  ganz  tolle 
Spekulation,  olle  Bauern^  Händler,  Beamte  spekulierten  auf 
wdtereg  FaÜeD  des  PapiergeldeB.  Der  Reis  worde  vom  Markte 
TOrttckgehaken.  Gleicbzeitig  aber  wuchs  die  Kachfinage  mit  der 
durch  den  fiktiven  Wohlstand  der  Infiationszett  gesteigerten 
Konsumkraft.  Die  Sake&brikation  wuchs  ganz  ungeheuer 
(1877  78  knapp  3  Millionen  Kokii ,  1>^7R70  fast  4  MilHonen, 
1870  80  5200  000  Koku)  und  damit  der  \'erbrnue]i  von  Keis 
hiertlir.  Im  September  1879  war  der  Reisprtis  in  Tokyo  in 
Silber  berechnet  bereits  auf  7,s7  Yen  gestiegen.  Die  gute  Ernte 
drückte  ihn  dann  allerdings  stark  lierunter  bis  auf  5,vu  Yen  im 
DaidMchnitt  des  Januar  1880.  stieg  darauf  wieder  etwas,  stand 
aber  im  Durchschnitt  des  April  immer  erst  auf  6,i«  Yen  Silber. 
Dann  flammte  aber  die  Spekulation  wüster  auf  als  je.  Dafs  die 
Begiening  die  Reisbörse  schlofs  (12.  April),  scheint  die  Sache 
nur  verschlimmert  zu  haben.  Im  Mai  war  der  Durchschnitts- 
preis in  Silber  berechnet  7,8c  Yen.  im  August  b,a«  Ven  Der 
nerannahenden  Ernte  und  der  steigenden  Einfuhr  gegenüber 
waren  solche  I'reisc  nicht  zu  halten  1881,  das  Jahr  der  tiefsten 
Geldentwertung,  zeigt  wieder,  in  Silber  berechnet,  viel  normalere 
Verhältnisse  des  Reisprdses.  Je  mehr  von  da  an  der  Geldwerl 
sich  hob)  desto  schtfrifer  wurde  bei  der  allg  eu  1  emen  Depmsioii 
und  KonsumunfMiigkeit  der  Druck  auf  die  Reispreise.  Die 
reichliche  Ernte  von  1888  verstärkte  noch  das  Angebot  Im 
Januar  1884  kostete  der  Koku  Reis  an  der  Börse  in  Tokyo  in 
Siliifr  nur  4  Yen,  ein  TVei^,  der  seit  dem  Friilding  lH7r>  nicht 
vori^ckoHiinen  war.  In  nianciien  Gegenden  stand  der  Durch- 
schnittspreis in  Papier  tiefer  als  in  dem  Durchschnitt  von  1870 
bis  1874.  Die  Ernte  von  1884  war  schlecht.  Dazu  entstanden  im 
Dezember  Wirren  in  Korea,  welche  auch  Verwickelungen  mit 
Oiina  SU  brinsen  drohten.  Im  Apiil  1885  stand  der  Keispreis 
in  Tokyo  wiecfor  auf  betnahe  6  Yen  Silber.  Oberschwemmungen 
im  Anfang  des  Sommers  gaben  den  Vorwand  zu  weiteren 
Haussespekulationen,  die  durch  eine  ganz  unglaublich  takt- 
lose Proklamation  der  Regierung  imterstützt  wnroen,  worin  ein 
grolser  Emteausfail  vorhergesagt  wurde  ^    Wieder  war  es  der 


*  Es  ist  schwer,  sieh  des  Oedankeos  ara  entseblagen ,  dafs  die  Re* 

gieriiiig  iHc  Haus«e:5|H'kuIati(»n  begünstigen  wollte,  vielleicht  in  der  Ab- 
picht, den  schwer  leuieiulen  (Jruiidl)eBitzern  zu  Hillfe  zu  kommen.  Dafs 
nach  einigen  IJber&cbwcmiiiungcu  im  Juli  kein  Mensch  in  .lajuin  den 
Ausfall  der  Keisemte  vorbersaf,'en  kann,  h'cgt  auf  der  Hand.  Die  Hausse 
von  18><9  erfreute  sieh  l'K  iehfalls  ler  Svmpathie  hochstehender  Persön- 
lichkeiten. BemerkeDs^vert  ist,  dafs  regeimä&ig  der  August  mit  eeinon 
StDimen  and  unregelrnüfsigem  Wett«r  <üe  HauBSflepeknlation  hervorbringt, 

so  1875,  im,  im,  m9. 


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X  4. 


321 


Augiist,  in  welchem  das  Maximum  mit  (kdo  Yen  erreicht  wurde.  ' 
Der  hohe  iVeis  zog  ziemhclie  Mengen  Reis  aus  China  auf 
den  Kobe-Markt.  Die  reiche  Ernte  von  1885  setzte  dem  Treiben 
ein  Ende.  Die  Tokyopreise  sind  dann  aUmählich  auf  das  Niveau 
von  etwa  5  Yeo  hmDgegan^eu,  das  earst  dnrdi  eme  dem  Ma- 
növer y<m  1885  ähnliche  PrauBtreiberd  im  Sommer  1889  wieder 
verlassen  ist.  Im  Zusammenhang  mit  der  schlechten  Ernte  von 
1889  hat  der  Winter  1889/90  ganz  unerhört  hohe  Preise  gehabt. 

Die  Kalenderjahre  geben  übrigens  kein  so  deutliches  Bild 
der  Preir-?)rwt'>rrynjr  als  die  Erntejahre,  da  in  den  letzten  Monaten 
des  Jahr«j^i  die  Preitse  bereits  von  der  neuen  Ernte  bestimmt 
werden.  Für  Tokyo  lasse  ich  die  cnt'^prechenden  Berechnungen 
folgen,  wobei  ich  den  Anfang  des  Emtcjahres  auf  den  1.  Oktober 
setse,  weil  dann  der  Ernteertrag  schon  ziemlich  zn  tkhersehen  ht 


Amtlich  erhobene  Durchschnittspreise  in  Tokyo 
für  den  KoUu  Reis  1873—1  88  7. 


Im  E>iit«iahr 

Im  iküleuue^jaur 

(1.  Oktober  bis  90.  September) 

1 

2 

3 

4 

Yen 

Yen  Pajner 

Yen  ȟber 

1873 

(Jan.— Sept.  lb7Ü) 

4,5« 

1^74 

1^7:; 

1875 

6,M 

1874 

187« 

4,99 

1875 

5,40 

1877 

5,18 

1876 

4,90 

4,ts 

1878 

6»M 

1877 

5,t« 

5,s» 

1879 

8,M 

1878 

7,40 

6,» 

1880 

10,M 

1879 

9,80 

7,0s 

1881 

10»«t 

1880 

10,<« 

6,M 

1882 

1881 

9,ss 

5,t« 

7,«8 

'•.HO 

IQ04 

♦>,4<i 

ISS, 

6,8» 

ISS7 

lö&ö 

5,18 

5,tB 

[im 

4»«J 

(Oktbr.— Dez.  Iöö7) 

4,M 

4,90 

Nach  den  durchsclinittliehen  Monatspreiseii  l;<7o-  isx?  in  der 
HaiidclagtHtistik  des  No3homu.sho  III  141.  Spalte  ist  nach  den  ent- 
aprechenden  Silbcrpreison  an  der  Tok^oborse  beroclinct, 

F«mcbungi.'i)  (45i  X  4.      Kuthgcu.  21 


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322 


In  Osaka,  dem  anderen  Mittelpunkt  des  japanischeD  lieis- 
Landels,  war  die  Bewegung  der  Preise  ganz  parallel  der  in 
Tokyo.    Doch  waren  die  dortigen  Preise  r^gebm&ig 
niedriger  als  in  Tokyo.   Seit  etwa  1883  besteht  fast  kein  Unter* 
sdiied  zwischen  beiden  Orten. 

Eine  ungefähre  Vorstellung  der  Bedeutung  der  einzelnen 
Marktorte  für  den  Reisliandel  geben  die  Umsätze  an  den  Reis- 
börsen, welclie  ich  für  die  iviclitigsteu  Platze  in  den  beiden 
Jahren  der  groi'bc^n  Spekulation  und  den  Jakren  1886  und  1S87 
folgen  lasse  {in  lUOO  Koku). 


1878 

1879 

1880 

1887 

120407 

115652 

18446 

10271 

24223 

40114 

5802 

2703 

31  3»i8 

23  004 

3923 

2401 

10770 

7047 

512 

189 

14359 

9080 

1  048 

1 145 

4021 

5315 

1 090 

077 

116(59 

6507 

684 

288 

6881 

6680 

831 

221 

3714 

3435 

347 

04 

1  80< ) 

1 527 

584 

410 

2  805 

3448 

050 

255 

)  095 

4  000 

595 

511 

721 

505 

Umsatz  an 
allen  Börsen 

davon  in  Tokyo 

in  <^>saka 
in  Hyo^o 
in  »Shinionoseki 
in  Nagoya  (Aichig 
^  Kyoto 

in  Kuwana  (Miye) 
in  Matauyama  (Ehime) 
in  Otsu  (Shiga) 

in  Niijratii 

n  Künazawa  (Isliikawa 
u  Uakata  (Fukuokaj  —  — 

Die  amtlich  notierten  Mittelpreise  sind  in  den  yerschiedenen 
Qegenden  des  Landes  trots  der  erfolgten  Annäherung  immerhin 
noch  recht  verschieden,  was  sich  wohl  nur  zum  Teil  durch 
Qualitätsunterschiede  erklärt.    Die  Transportverhältnisse  müssen 

naturgemäls  einen  starken  Einfluis  überall  da  üben,  wo  Produktion 
und  Konsumtion  sich  nicht  in  nächster  Nachbarschaft  vollziehen. 
UberdurchöchnittHelie  Preise  hat  abgesehen  vom  Hokkaido  der 
ganze  Landstrich  von  der  Tokyoebene  bis  zur  Gegend  von 
Kyoto,  die  nördlich  davon  gelegenen  binnenländischen  Bezirke 
eingeschlossen.  Tokyo  mit  seinem  grolsen  Verbrauch  hftlt 
namentlich  die  Preise  in  seiner  ganzen  Umgegend  hoch.  Am 
höchsten  steht  dauernd  Gunmia  (1880:  0,5i>  Yen  bei  einem 
Landesdurchschnitt  von  5,14  Yen,  1885:  7,4s  Yen  bei  einem 
Landesdurchschnitt  von  5.^r,  Yen,  1S84:  5, na  Yen  gegenübt^ 
4,71  Yen  LandosrlnrchschnittJ  mit  seiner  geringen  lieisproduktion, 
aber  staiken  Konsumfähigkeit  infolge  der  Seidenzucht'.  Auch 
Y'amanashi,  wo  ähnliche  Verhältnisse  vorliegen,  hat  regelmälsig 


^  VieUeicbt  spielen  die  stark  besuchten  Badeorte  desBestikes  auch 
eine  gewisse  Rolle.  —  Wenn  durch  T^ej^en  die  Verbiadmig  mit  Tocslugi- 
keu  gestört  ist,  steigen  in  Guoima  sofort  die  Preise. 


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X  4.  323 

aebr  Lohe  Preise  (ISbO;  6,83  Yen).  Alle  um  die  bezeiclinete 
Gegend  herum  peripher  liegenden  Bezirke  haben  dauernd  unter- 
durchBchnittliche  Preise:  der  Norden  ▼om  Faktuhima-kea  an, 
die  gans»  Westküste  und  die  Westspitze  der  Haupttnael  von 
Hyogo  an,  sowie  Slükoku  und  KyuHhu.  Die  niedrigsten  Preise 
bat  auf  der  einen  Seite  der  Süden  von  Kjushu.  So  hatte  18S6, 
bei  einem  Durelischniltäpreia  des  ^'■.•;nrf»n  T  rt'^f^s  von  '>,u  ^  en, 
Miyazaki  als  Dezirksdurehschnitt  4,f.<  \an,  Kagosliinia  4,4s 
Yen ,  Kinnanioto  t,r.;t  Yen.  Sehr  niedrige  Preise  liat  .mder- 
seits  die  VV'eitküäte  der  Haupiinsel,  deren  grolbcr  Heisprodukiion 
nach  den  G^enden  der  hohen  Preise  nur  schlechte  Verbindunga- 
Sur  Vmigung  stehen»  die  zu  Wasser  weit  und  gefiihriiGfay 
ZVL  Lande  höchst  kost^pieh^  sind.  So  war  der  Besirksdurch- 
öchniits preis  in  demselben  Jahre  1886  in  Tottori  4,5t  Yen,  in 
I.shikawa  4,-.i  Yen,  in  Toyama  4,4s  Yen,  in  Niigata  4,-.i  Yen, 
in  Yauiap;ata  4,4n  \vn,  in  Akita  gar  nur  4,us  Yen,  (K^r  niedrigste 
Durchschnitt  der  Tabelh-,  \)vn  niedrigst!  n  Preis  hatte  1885 
jUliikawa,  in  rriihereii  Jahren  meist  Y'amagata. 

Wie  sehr  die  Preise  selbst  mit'  kurze  Kntternungen  ver- 
«jcbiedeu  sind,  oÜeubar  wesentlich  iutolge  der  Verkehrs  Verhältnisse, 
der  hohen  Kosten  namentlich  des  Landtran^rtes,  mögen  eini<^e 
Zahlen  erläutern,  welche  ich  der  vom  Ministerium  filr  Land- 
wirtschaft iiod  Gewerbe  veröfVentlichten  Übersicht  der  Preise 
wichtiger  Handelsartikel  in  einer  Anzahl  von  SUidten  entnehmet 
Sie  zeigen,  wie  in  Orten  in  unirünstiger  Lage  die  Preise  je  nach- 
dem ungewöhnlich  hoch  oder  ungewöhnlich  nirdri^'  sind.  In 
der  Stadt  Akita  war  der  Durchschnittspreis  iKS7  4,o.>  Yen:  in 
dem  an  der  Landstralse  ^ht  km  landeinwärts  gelegenen  Omagarl 
dagegen  nur  3,a2  Yen.  Im  Jahre  1H8(3  war  der  Unterschied 
noch  grölser:  4,as  Yen  nnd  3,4o  Yen.  Im  Iwate  ken  kostete  der 
Beis  in  der  Hafenstadt  Hiyako  1887  4,t»  Yen,  in  der  binncn- 
ländischen  Hauptstadt  Morioka  nur  4,is  Yen  (Entfernung  anf  der 
Bezirks-strafse  l(t8  km).  In  Pukushima  war  der  Preis  1887 
5,3:,  Yen,  in  \V;ikamat8U  i  i  selben  Bezirk  4,10  Yen,  1886  an 
den  brifli  rt  <>rtf  n  und  4, 31»  Yen.    Beide  StJldte  liegen  im 

Biniiriilutid.  in  loyaiiia,  der  Hauptstadt  des  reisreiehen  Ktehu, 
kostete   der  Ueis  durchschnittlich  Yen  (niedrigster 

Preis  3,-5  Yen),  Von  hier  nach  Takayama,  dem  Haiiptort  des 
gebirgigen  Hida  (GUu-ken),  sind  weniger  als  90  km.  Aber  der 
BeiBpre»  betrug  dort  6,1s  Yen  (niedriester  Ftm  6,08  Yen).  In 
den  Städten  'ßikata  (Niigata  ken)  und  Nagano,  kerne  70  KUo- 
mtler  voneinander  entfernt,  waren  L^8l)  die  Preise  fast  gleich,  4.:.t 
Yen  und  4,7!»  Yen,  1887  aber  h.-ü  und  '),.->•.  Yen.  Im  Miyazaki* 
k«n  kostete  der  Koku  18B7  im  südlichen  Hyuga  in  der  binnen- 


'  Tabellen  Hd.  IH,  Handclsatatistik,  8.  45  IV.  Au»ssüge  daraus  Stut. 
Jahrb.  VI  i>i)4  und  VII  185.  Di«  Islrhebangea  beziehen  «ch  nm  auf 
102,  1^1  auf  llL'  Städte. 

21  ♦ 


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824 


X  4. 


ländischen  Stadt  Miyakonojo  0,3.1  Ven,  in  dein  nicht  weit  ent- 
fernteu  Hal'eu  Kagoshima  4,^2  Vcd.  Die  Beispiele  liersen  sich 
leicht  vermehren.  Die  niedrigsten  überhaupt  notierten  Preise 
finden  nch  1887  in  Hito^roshi  (Binnenstadt  hn  sttdlichen  Kuma- 
moto-ken)  mit  8  Yen  imd  dem  bereits  genannten  Omagari  im 
Akita-ken  mit  3,oq  Yen.  Die  höchsten  überhaupt  notierten  Preiae 
hatten  lida  (Nagano-ken),  6,e6  Yen,  Ueda  (Nagano  ken),  6,50  Yen, 
und  das  crwillinte  Takayama  in  Hida  (Gilu-ken),  t>,ß6  Yen.  Der 
Durchschnitt  alier  112  Städte  ergiebt  4,7 1  Yen.  Der  Durch- 
flclinitt  von  102  Stedten  1886  war  5.os  Yen. 

Für  die  Untcrsucliung,  um  wioviel  unter  dem  Einfluls  der 
Verbesöcrung  der  Verkehrsmittel  die  Preise  der  Marktorte  sich 
einander  genähert  haben,  fehlt  auGaer  den  Preiserhebungen 
dir  die  Grundateuer  ^  genügendes  Material.  Während  die  ersten 
sehn  Jahre  der  neuen  Ära  unter  dem  Einflufs  der  Wegrftumung 
der  alten  Verkehrshindernisse  eine  erhebliche  Ausgleichung  setgent 
scheint  in  dem  zweiten  Jahrzehnt  der  Fortschritt  gering  gewesen 
zu  sein.  Die  Vcr^lcichimo:  (\ov  Vv^'ho  :\u  vt^rschiedenen 
litirsen  ist  nicht  sehr  tVuchtbar,  da  die  meisten  &chou  von  An- 
fang an  sehr  ähnliche  Preise  zeigten.  Vei^leicht  niiin  lb78  mit 
1886,  so  zeigt  sich,  dal's  die  Preise  von  Mittelnippon  denen 
Tokyos  sehr  nahe  gekommen  sind.  Der  Preisunterschied  gegen 
Shimonoseki  ist  geringer,  gegen  MatsuTama  (Ehime)  aber  gröiser 
geworden.  Gegen  die  WemOate  stellt  der  Vergleich  sich  so, 
dafs  der  Unterschied  gegen  Kanazawa  (Ishikawa)  ungeffthr  der- 
selbe geblieben,  gegen  Nügata  aber  geringer  geworden  ist'. 
Der  Durchschnittspreis  war: 

an  der  BOrae  in  Tokyo         1878       Yen      1886  5,ift  Yen 

-  -      -     -  OsaKa  -    5,68   -  -    5,8«  - 

-  -      -     -  Shimonoseki     -    5,«i   -  -    5,oo  - 

-  Matsuyama       -    5,8»    -  •    4,9i  - 

-  •       -     -  Kanagawa        -    4,6«    -  -    4.33  - 

-  -      -     -  Kiigata  -    4,58    -  -    4,65  - 

Schwier^er  als  beim  Reisbau  ist  es,  sich  ein  deudiehes  Bild 
▼onden  übrigen  Produkten  des  Ackerbaues,  welche  im 
wesentlichen  auf  dem  Trocken fclde  gezogen  werden,  KU 
machen.    1  )ic  Erhebungen  sind  schwieriger  und  daher  ungenauer. 

Die  Anbanfliiclicn  sind  kaum  zu  ermitteln.  Bei  der  üblichen 
Reihenkultur  stellen  vielfach  auf  demselben  Stück  Land  gleich- 
zeitig ganz  verschiedene  Dinge  in  den  Reihen  miteinander  ab- 
wecliselnd.    Rechnet  man  hier  die  ganze  Fläche  für  den  Aubm 


^  Übrr  dir  n i  »  i lesen  Materialien  ra  aiehenden  SchlfisBe  nebe  unten 

das  Kapitel  Grundsteuer. 

*  Die  Angaben  aus  Shimonoseki  und  Nügata  sind  aber  für  1878 
tuebt  ganz  vollstäudijg.  Die  Ausgleichung  Ist  etwas  geringer,  als  die  an- 
geführten Zahlen  /.eigen.  Der  Vergleicn  weiterer  Jnlue  beBt&tigt  aber 
das  obige  Ergebnis. 


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X  4. 


325 


Sdes  Produkts,  so  ist  die  Flächenangabe  thatsächlich  viel  zu  <,'rol8e8. 
ie  Fläche  dem  Anteil  nach  den  einzelnen  Produkten  zuzu* 
schreiben,  hat  auch  seine  Schwierigkeiten     Die  Erhebungen 

werden  aucli  anscheinend  nicht  überall  nach  denselben  Gesichts- 
punkten gemaciit.  Besondere  Schwierigkeit  machen  die  dauernden 
Kulturen.  Maulbeeren,  1  lieesträucher,  Papierbastpflanzen  (Brous- 
sonetia,  Edgeworthiai.  Auch  wo  sie  geschlossene  Flächen  be- 
decken, wird  doch  in  den  Zwischenräumen  meist  noch  etwas 
anderesi  G^te,  Gemlise  etc.,  gezogen.  Viel&ch  hildfln  aber  die 
betrefienden  Gewächse  nur  eine  Ein&ssung  der  Felder,  in  weldiem 
-  Falle  die  Fläche  kaum  festzustellen  ist.  Durch  diese  Umstände 
und  durch  die  Erzielung  mehrerer  Ernten  im  Jahre  kommt  ee, 
dai's  die  Zusammenzählung  der  in  den  Erntestatistikcn  angegebenen 
Flächen  beinahe  dasDoppt  lte  der  überhaupt  vorhandenen Trocken- 
feldflächc  ergiebt^  ist  also  zu  beachten,  dals  bei  allen  Er- 
zeugnissen der  Landwirtschaft,  aufser  Reis,  die  Antrabe  der 
Ernteflächeu  und  mithin  auch  die  Berechnung  der  Erträge  auf 
der  Ftechmbheit  wenig  Wert  hat  und  namentlich  zum 
gldch  mit  der  Frtragsfihigkelt  in  anderen  lilndem  kaum  zu 
brauchen  ist.  Was  die .  geernteten  Mengen  betrifft,  so  dürften 
die  Bemühungen  der  Behörden  um  Vollständigkeit  der  Krhebimgen 
die  Zahlen  in  den  letzten  Jahren  der  Wirklichke  it  näher  gebracht 
haben.  Immerhin  haben  sie  aucli  heute  nur  die  Bedeutung  von 
Minimalzahlen.  Das  diutten  sie  aber  mit  der  Erntestatistik 
vieler  Länder  fremein  haben. 

Dem  Reib  au  Bedeutung  zunächst  steht  Mugi,  unter  welchem 
Kamen  Gerste  (O'Mugij,  nackte  Gerste  (Hadaka-Mugi)  und 
Weisen  (Ko-  Mugi )  zusammengefaTst  werden  K  Die  mit  diesen 
drei  Früchten  bestellte  Fläche  und  die  fimtemenge  wird  wie  folgt 


1878 

1 365  ()22  Cho 

9411460  Koku 

1879 

1  416327  - 

9  890  908  - 

1880 

1  432  344  - 

1  L>  ,•)<):')  063 

1881 

1 4r.s  io<j  - 

1(1507  083  - 

1882 

1408695  - 

12938  752  - 

1883 

1462739  ' 

11763846  - 

1884 

1485779  - 

13105841  - 

1885 

1534092  - 

1 1 935  467  - 

1886 

15S7  524  - 

16033960  ' 

18S7 

1591375  - 

15823144  - 

18SS 

1621436  - 

15281658  - 

1889 

1655163  - 

15305  158  - 

1  18x7  rund  .3525000  Cho,  wobei  aber  alle  daoendeD  PlaBtacen 

(Maulbeeren,  Thee,  Papierpflanzen)  fehlen,  während  iospesamt  1  0T:>  4')G  Cho 
steuerptliolitigcs  Trockerifeld  vorhanden  waren.  —  Niclit  zu  vergessen  ist, 
dafs  ai8  Wintersaat  oder  im  Fruchtwechsel  uiHuclie  der  hier  in  Betracht 
kommenden  Prodnkte  auch  auf  dem  nassen  Felde  gezogen  werden. 

-  Koggen  c^irbt  es  nieht,  voa  Hafer  (Karasa-Magi)  nur  gans  un- 
bedeutende Beträge. 


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32Ö 


X  4. 


Im  einzelDcn  sind  die  Zahlen  namentlicb  froherer  Jahre 
nicht  einwandsfrci.  Aus  neuerer  Zeit  ist  namentlich  1885  mit 
seiner  niediigen  Einteziffer  ganz  auffällig,  da  gerade  dieses  Jahr 
im  Gegensats  zu  den  7orhergehendeD  als  ein  gutes  Emte- 
jahr  gilt. 

Unter  die  drei  Fmchtarten  war  1886 — 1888  Emtefiäche  und 
Erntemeuge  folgendermaliaen  verteilt: 

Ern  tefläche 


1888 

(Gerate  630732  Cho 

Nackte  Gerste  585  705  - 
Weizen  4U4  939  - 


1887  1B86 

625  777  Cho  642025  Cho 

575 16i»    -  542240  - 

390428   -  403259  - 


Ern  t  e  in  enge 

Gerste  70G7ir)nKoku  71oira3Koku  7538  7r,2Koku 

Kackte  Gerste  5120388    -       5(i7^.<814   -      5281236  - 

Weizen  3094120   -      3041687   -      3213972  - 

« 

Im  Durchschnitt  der  drei  Jahre  war  also  von  der  geernteten 
Menge: 

Gerste  46  l'rozent 

Nackte  Gerste  34 
Weizen  20 

Der  Anbau  der  drei  Mugi-Arten  ist  über  das  Land  nicht 
(^chmälsig  verteilt  Weizen  wird  nii^4ids  sehr  stark  an- 
gebaut. In  allen  Bezirken  steht  er  hinter  der  Gerste  erheblich 
zurück.  Die  gröfsten  Emtemengen  haben  die  Bezirke  um 
Tokyo  (Kanagawa^  Saitama,  Gumma,  Chiba,  Ibaraki,  Tochi^), 
sowie  der  Norden  und  Werten  xort  T\vns-1iii  (Fnkuoka,  Oita, 
Kumamoto),  t'crner  die  Bezirke  Nagano  und  Aielii.  Die  ge- 
nannten  Bezirke  liaben  sämtlich  über  100000  Koku  jährliche 
Weizenproduktion.  Sehr  unbedeutend  ist  die  Weizenproduktion 
an  der  ganzeu  Westküste  der  Hauptinsel  (Aoiuori,  Akita, 
Yamagata,  Toynma,  Tottpri,  Shimane,  sämtlich  unter  20000 
Koku^  sehr  gering  audi  in  den  anderen  ans  japanische  Meer 
stoisenden  Bezirken  und  Teilen  von  Bezirken),  sowie  in  den  sttd* 
liehen  Teilen  von  Shikoku  und  Kyushu. 

Der  Weizen  dient  wesentlich  zur  menschlichen  Nahrung:  und 
wird  in  flhnlicher  Form  Genossen  wie  Reis,  ot't  mit  diesem  j:e- 
niischt.  Über  Einfuhr  una  Ausfuhr  von  Weizen,  welche  letztere 
in  den  letzten  Jahren  nicht  ganz  unbedeutend  war,  giebt  nach- 
stehende  Tabelle  Aufschlul's. 


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327 


Einfuhr  und  Ausfuhr  von  Weizen  in  Japan 
1868  —  1889.   In  Piknl  k  60  kg. 


Jabr 

Einfuhr 

Ausfohr 

1 

2 

8 

Ü72 

1870 

2523 

1871 

5912 

1872 

1  U'i 

187a 

515 

2:i  GOß 

l!<74 

728 

^208 

1S70 

GO 

507 

lb77 

101 

92  W7 

1878 

59a 

461318 

1879 

8954 

58949 

1880 

6607 

1881 

G  508 

2  IM 

1 79:^ 

39  Gl  8 

•> 

400  550 

1^<S4 

G72 

145  974 

195  452 

1??.^G 

l:jG  41)0 

1887 

1017 

75  714 

1888 

10448 

124931 

1889 

24980 

152701. 

Pt  -  1    J  iet  die  ganz  nnbedeotende  Einfiahr  und  Aasfahr  von  Genta 

eiDgcdchiosseii. 

Die  Weizenpreiae  haben  in  den  leteten  Jahren  durchschnitt* 
lieh  3,75 — 4  Yen  iiir  den  Koku  betragen.   Damit  stimmen  die 

durchschnittlichen  Ausfuhrpreise  von  l,«o — ^l,7o  Yen  fi\r  den 
Pikul.  Das  sind  nocli  nicht  '.»O  Mark  für  Mm  krr.  jjoch  ist 
die  Qualität  eine  ziemlich  geringe,  so  dafs  japanischer  Weizen 
auf  dem  Weltmarkt  so  leicht  keine  Bedeutung  erlangen  wird. 
In  den  einzelnen  Marktorten  bewegen  sich  die  Preise  zwisclien 
3  und  5  Yen. 

Während  die  eingeftthrten  Weizenmengen  nicht  der  Bede 
wert  and,  findet  andaaemd  Einfahr  von  Mehl  atatt,  welche  sogar 

In  den  letzten  Jahren  sich  noch  vermehrt  hat,  obgleich  daneben 
seit  1883  auch  eine  regelmäisige  Ausfuhr  von  Mehl  vorhanden 
ist,  worüber  nachstehende  Tabelle  Aufschluis  giebt 


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828 


Einfuhr  und  Ausfuhr  von  Mehl  in  Japan  187G— 1889- 

In  Pikul  a  6ü  kg. 


Jahr 

Eil.  fahr 

Ausfuhr 

1 

2 

3 

1876 

12458 

5437 

1877 

10  m 

890 

1878 

10818 

26268 

1?^79 

11  920 

4  925 

1.5  259 

1:^91 

1881 

15  311 

977 

1><H2 

la  :m 

3  241 

ms 

14  524 

20  (;2o 

1884 

15  124 

11  7><7 

1885 

sissd 

13546 

1886 

32062 

10693 

1887 

SO  291 

6053 

188.8 

8(>  8:4 

in7!i5 

1889 

45  525 

14445 

Krät  seit  1870  liiiilet  regelmäfsige  Mehlausfuhr  statt 

WdseDmehl  bOdet  Obrigezis  auch  einen  widit^|;en  Bestand- 
teil der  ganz  allgemein  genossenen  Soja- Sauce  (Shqya). 

Wichtiger  als  der  Weizenbau  ist  die  Geretenkultttr. 

Die  gewöhnliche  und  die  nackte  Gerate  ergflnzcn  sich,  indem 
gewöhnlicli  eine  von  beiden  Sorten  stark  oder  fast  ausschliei'siich 
in  einer  Gegend  vorwiegt.  Im  iSorden  und  an  der  ganzen  West- 
kü^ite  dur  Hauptinsel  werden  überall  nur  ganz  geringe  Mentjfn 
nackter  Gerste  gezogen.  In  der  Nülie  von  Tokyo  (Saitauia, 
Ibaraki)  wird  ihr  Am>au  etwas  häafiger,  ebenso  die  SfldostkUsta 
entlang,  aber  erst  jenseits  der  Owari-Bucbt  im  Hiye-ken,  Über- 
wi^  er  den  der  gewöhnlichen  Gerste.  Von  dort  an  westlich 
steht  diese  dann  ganz  hinter  der  nackten  Gerste  zurück,  immer 
mit  Ausnahme  der  Westküste  der  Hauptinsel.  Die  nördlichen 
Teile  der  ^^'e8tküste  (Aomori,  Akita.  Yamagata,  Toyama)  haben 
ühriuen.^  auch  von  gewöhnlicher  Gerste  eine  sehr  p^eringe  Pro- 
duktion, so  dafs  dort  dei'  Anbau  sämtlicher  Mugi  - Arten  ganz 
unbedeutend  erscheint.  Rechnet  man  beide  Gerstearten  zusammen, 
so  steht  an  der  Spitze  der  Gersteproduktion  die  G^end  von 
Tokyo,  wo  die  Bemike  Saitama,  Ibaraki,  Ghiba  und  Kanagawa 
jeder  mehr  als  500000  Koku  ernten.  Auf  die  benannten  vier 
Bezirke  mit  Tokyo,  Gumma  und  Tochigi  kommen  tost  '^0  Prozent 
der  Gersteprodoktion  des  ganzen  Landes  und  ein  Drittel  der 


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X  4.  329 

Wdzenproduktion.  Hedcutendere  Gerstedistrikte  Bind  noch  Aicfai, 
Hyogo  und  Osaka,  Hiroshima  und  Ehime. 

Für  die  Aus-  und  Einfuhr  kommt  Gerste  kaum  in  Betracht. 
Sie  dient  tciU  nh  Viehfutter,  teils  wird  sie  wie  Weizen  verzehrt. 

Die  in  den  einzelnen  Marktorten  notierten  Preise  fiir  (  5 erste 
sind  auiserordentlich  vi  rschieden,  da  e*»  sich  offenbar  um  sehr  ver- 
schiedene Qualitüten  liandelt.  Der  Durchschnittspreis  war  1886: 
2,87  Yen,  1887:  2,3«  Yen,  1888:  2,i«  Yen,  1889:  2,4ß  Yen  für  den 
Koku.  Die  Plräse  bewegten  alch  1887  zwischen  l,6o  Yen 
(Miyako,  Iwate-ken)  und  4,45  Yen  (Hikone,  Shiga-ken).  Der 
bei  der  Grundsteuerreform  ermittelte  Durchschnittspreis  der  Jahre 
1870 — 1874  war  1,978  Yen.  Nach  der  allgemeinen  Preiser|;iöhung 
durch  die  Papiergeldentwertung  scheint  also  Gerste  einen  etwas 
holieren  Preis  als  tWihor  zu  behaupten.  Von  1S75 — 1888  ergeben 
die  in  den  liezirkeu  erhobenen  Durchbcimittspreise  folgende 
Landesdurchschnitte : 


1875 

3,0«  Yen 

In  bilber  uach  Durcb- 

scbnittakuTB  der  jßdrae 

1876 

2,54  - 

in  Tokyo 

1^77 

2,68  - 

2,53  Yen 

1«78 

2,80     -  . 

2,57  - 

1879 

4,13 

3,44 

1880 

5,55 

3,71 

1881 

5,21 

3,00 

1882 

4,9*  - 

2,1»2  - 

1883 

3,t9  - 

2,ei  - 

1884 

3,05 

2,80  - 

1885 

3,85 

3,17  - 

18H6 

2,RT  - 

löb7 

2,85  - 

1888 

2,15  - 

Wie  durch  Weizen  und  (1  erste  wird  die  Nahrung  der 
ärmrren.  namentlich  ländlichen  BevölkenniLr  auch  durch  Hirse 
gebii(iet.  Von  dieser  fUhrt  die  Agrarsuitistik  vier  Arten  auf, 
Awa  (i'anicum  italicum).  Tlive  (Panicum  Crus-galli),  Kibi  (Pani- 
<5um  Miliaceum)  und  Alorokoshi  (^iSorghum).  Die  geernteten 
Mengen  soUeo  betragen  haben  von 

1887            1884           1881  1878 

Koku              Koku            Koku  Koku 

Awa            2  574  850  1575  307  1562174  1437465 

Hive            1102.VJ(;  10H3838        917130  877326 

Kil)i               278  608        240492        175460  164085 

Morokn  hi        163956        106  775          88362  81501 

zusammen  412001U      3006412      2743126  2560377 

Der  grofse  Sprung  in  der  Emtemenge  von  1884  bis  1887 
(in  den  Zwiacbenjahren  sind  Erhebungen  nicht  genuicht  worden) 


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330 


X  4. 


dürfte  teils  davon  kommen,  dafo  1884  ein  schlechtes,  1887  ein 

Sntee  Ernt^ahr  gewesen  ist,  teils  und  hauptsächlich  aber  von 
er  gröfscren  Soi^g&lt,  welche  1887  auf  die  Ermittelung  ver- 
wendet ist. 

Über  die  Verljreituii^  ditscr  Hirscarten  ist  zu  bemerkea, 
da  Ts  Awa  namentlich  auf  Kyushu  gebaut  wird  (45  Prozent  der 
Ernte  von  1887)  sowie  in  aer  Gegend  von  Tokyo  (Kanagawa, 
Cbiha  und  Ibaraki  mit  17  IVozent),  dagegen  ganz  wenig  in  den 
mittleren  Bezirken  Kjoto^  Osaka,  Wwiyama,  Hjogo,  Shiga^. 
Fokui,  sowie  in  Toyama,  Koclii  und  Yamaguchi,  Hiye  wird 
vorwiegend  in  den  nördlicheren  Teilen  der  Hauptinsel  gebaut, 
namentlich  in  iwate  (ein  Viertel  der  Ernte  von  1887),  in  Tochigi 
lind  Nagano.  gnn?:  w«'ni--  dagegen  im  Süden  und  Westen.  Von 
Kibi  kommt  fast  ein  1  )nttr'l  der  Ernte  auf  den  Landstrich  Gifu. 
Aichi,  Shizuoka,  weicher  auch  fast  ein  Viertel  des  Sorghums 
erzeugte. 

Die  gesamte  mit  Hirse  behaute  Fläche  wird  anf  864885 
Cho  angegeben,  fast  unverändert  gegen  1884. 

Buchweizen  wird  im  ganzen  Lande  gebaut,  jedoch  im 
Korden  mehr  als  im  Süden.  Die  bebaute  Fläche  wird  auf 
158326  Cho  angegeben,  die  £mte 

1887  auf  1120527  Koku 
1884   '     673241  • 
1881    -     697345  - 
1878  -  575054 

In  diesem  Zusammenhang  ist  endlich  Mals  zu  nennen 

(Tomorokoshi  ),  der  1887  eine  Ernte  von  315700  metr.  Gentnem 
gegeben  haben  soll  gegen  149000  metr.  Gentner  im  Jahre  1883 
(für  1 884  fehlen  die  Angabe).  Von  der  ganzen  Menge  kommt 
rund  o'm  Fünftel  auf  Kumamoto,  ein  Sechstel  auf  Eliimc,  auf 
ganz  Sliikoku  über  ein  Viertel,  gröfsero  Mengen  auch  auf  die 
Tokyo  Kl  x-ne.  Welchen  Wert  die  Zahlen  haben,  mag  dahin- 
gestellt bleiben. 

Wichtiger  als  die  zuletzt  genannten  l  eldlrüchte  sind  die 
Leguminosen,  namentlich  die  Sojabohne  (Daizu),  Ak£mte- 
flääe  und  £hitemenge  dieser  wmen  angegeben : 

1887  466315  Cho  3253700  Koku 

1884  44UÜi7    -  2323485  - 

1881  427557    -  2175337  • 

1878  414961    -  1642183  - 

Die  grolse  Zunahme  der  Zahlen  beniht  wesentlich  auf 
besserer  Erhebung.  Diese  mufs  gerade  bei  dieser  Frucht  be- 
sonders schwierig  sein,  da  sie  vieUach  an  Ackerrändem,  auf  den 
Rainen  der  Reisfelder  u.  s.  w.  in  ganz  kleinen  Mengen  (rebaut 
wird.  Audi  jetzt  dürften  unter  diesen  Umständen  die  Zahlen 
hinter  der  Wirklichkeit  zurttckbleiben. 


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X  4. 


331 


Daktt  werden  im  ganzen  Lande  gebaut^  jedoch  heeonders 

stark  in  der  Tokyo  Ebene  und  den  nördfich  daran  grenzenden 
Bezirken.  Nach  den  Angaben  ftir  1887  kamen  auf  die  12  Bezirke 
Kanagawa,  Saitama,  Cliiba,  Ibaraki,  Tochigi,  Gumma,  Nagano, 
Niigata,  Yamagata,  Fukushiraa.  ^T^yagi  und  Iwate  mehr  als 
56  Prozent  der  Produktion  des  Lande«. 

Diese  aufserordentlich  nalirhafte  Bohne  erscheint  in  allen 
möglichen  Formen  in  der  japanischen  Küche,  ais  Geratiae,  in 
Zucker  gekocht^  als  Tofti  (Bohiienkäse)^  ak  Hauptbeatandteil  der 
gegorenen  Miso-Suppe  und  der  Soja-Sauce  ^ 

Die  Preise  von  Daisu,  welche  ftlr  die  Grundsteuerreform  fUr 
1870 — 74  ermittelt  sind,  ergeben  im  Durchschnitt  3,oi5  Yen  für 
den  Koku.  Die  später  ermittdten  Bezirksdurchschnitte  betragen  für 


In  Silber  nach  den 
1  >urch8chnitt8kur8en 


1875  4,46  Yen 

1876  4,3«     -        der  Hoise  in  Tokyo 

1877  4»ti    >  4,07  Yen 

1878  4,73    '  4,8s 
1870         6,84    -  5,2s  - 

1880  6,M  -  1,7  1  - 

1881  6,9«  -  4,12  - 

1882  7,11  -  4,58  - 
188  3  5,39  -  4,27  - 

1884  4,22       -  '),Hiy 

1885  4,43    -  4,1» 

1886  3,98    -  3,OT 

Der  Durchschnitt  der  wichtigeren  ^larktortc  ergiebt  tiir 
1680:  3,94  Y'en,  1887:  4,u7  Yen,  1888;  3,9«  Ven,  1889:  4, ..3  Yen. 
Die  Prdseztreme  waren  1887:  6,oo  Yen  (Matsumoto,  Kogano- 
ken)  und  3,98  Yen  (^Hyazaki). 

Lange  nicht  so  wichtig  sind  die  anderen  Bohnen-  und  Erbsen- 
arten, wdche  in  Japan  gezogen  werden.  Zahlenmälsige  Angaben 
licp;rn  mir  nur  ft\r  cino  kleine  Bohne  vor.  die  Azuki  oder  Shn:^u 
(Phaseolus  radintns),  welche  namentlich  für  Kuchen  VerweTvlun^^ 
findet.  Die  Zaliien  beziehen  sich  auch  nur  auf  1884,  in  weichem 
Jahre  die  Ernte  auf  2808fM*>  Koku  angegeben  ist.  wobei  4  Be- 
zirke iehlen.  Die  Preise  stehen  regehuäl'sig  ^  ■*  bis  1  Yen  höher 
als  die  ftr  Daisu. 

Übrigens  ist  der  Verbrauch  von  Bohnen  grOfser  als  die 
Produktion,  da  aus  Korea  und  Nordchina  regelmitCsig  eine  nicht 
ganz  unbedeutende  Zufuhr  stattfindet,  im  Dun  lischiiitt  der  letzten 
10  Jahre  gegen  200  000  Pikul  (120 niK»  metr.  Centner)  jährlieh. 
Die  AuBtiihr  ist  ganz  unbedeutend  und  auch  die  Ausfuhr  von 
Soja  (1888:  5039  Pikul,  1883:  1043  Pikul)  fällt  wenig  ins 
Gewieht.  Die  Zahlen  über  die  Ein  und  Ausfuhr  von  Hülsen- 
früchten in  den  einzelnen  Jahren  gicbt  die  folgende  Tabelle. 

1  Vgl.  daraber  z.  B.  Rein  II  123  ff. 


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332 


X  4, 


Eintuiir  und  Au-tuhr  von  Bolinen  und  Eibbcu 
in  Japan  18(38  —  1880.    In  1  ikul  k  (iO  kg. 


Einfuhr 

il.lMfllllP 

1 

1 

A 

o 
«1 

86  812 

1869 

449  858 

28 

1^70 

470  571 

80 

1S71 

m»  037 

20 

HT2 

'22  •■.<>7 

Hit 

s  17U 

K«I 

1x74 

•"»7  <)">•"> 

i<; 

1S7:> 

4U  0117 

1876 

Ä734 

14 

1877 

9276 

10612 

1878 

2r>S802> 

381» 

1879 

14,1900» 

828 

'JlH>  103 

i:il  OO-J 

19 

'_'•.:{  ().*>7 

41  y>2i 

180  084 

1  74.-i 

im 

54623 

209 

1886 

49477 

8467 

18M7 

286318 

884 

4:?4  .MH 

848 

1889 

429  719 

21090 

Von  den  ^^-ildnuhen  stärkehaltigon  Knollen,  welche  die 
jap.inische  Landwu'tsichart  liefert,  hat  ^Töfsere  volkawirtsehattliche 
Bedeutung  nur  die  Batate,  Satsuma  inio,  mit  welcher  ldS7 
221  229  Öho  bcBtelii  gewesen  sein  sollen  mit  einem  Ertrag  von 
2104300  Tonnen,  wahrend  die  Erhebungen  vor  1884  nur  die 
Hälfte  dieser  Menge  und  auch  1884  erst  1360000  Tonnen  er- 

fftben.    Während  sie  im  Korden  nur  wenig  mehr  gebaut  wird, 
ommt  auf  Kyushu  allein  die  Hiilftc  der  ganzen  Elmte  und  Ton 
der  anderen  Hftltte  drei  Zehntel  auf  Shikoku. 

Von  unserer  K  artoffel  wird  die  Ernte  1887  auf  ;:^ut  107  0(m> 
Tonnen  angegeben,  davon  allein  im  Hokkaido  24000  Tonnen«.  In 


1  In  den  Jahren  1878,  1879  und  188:^  ist  von  der  betritehtKehen 

Einfuhr  aus  Korea  nur  der  Wert  ,  nicht  die  Menge  bekannt.  <  »b'^e 
Zalilen  enthalten  nur  die  Einfuhr  aus  anderen  Ländern.  Aus  Korea, 
kuiiieu  1^79  mindestens  40  000,  1883  mindestens  120  000  PikuL 


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X  4. 


Altja]Kin  wird  sie  liauptsächlicli  in  den  bergigen  Bezirken  nörd- 
lich und  nordwestlich  von  Tokyo  gebaut. 

Die  Gemüse-  inul  Obstzucht  arbeitet  wesentlich  nur  für  den 
eigenen  Bedarf  und  den  ganz  lokalen  JMarkt  allenfalls  mit  Aus- 
nahnu'  der  Orangenkultur  in  einzelnen  Teilen  des  Landes.  !>ie 
Ausfulir  voa  allen  zuletzt  genannten  Produkten  (Orangen,  Kabta- 
nien,  Ingwer,  Kartofifeln  etc.)  ist  ganz  unbedeutend. 

Vom  verkehrswirtscbafdichen  Standpunkt  aus  sind  von  allen 
bisher  besprochenen  Produkten  nur  der  Keis  und  allen&Us  Gerste^ 
Weisen  imd  Bohnen  von  Bedeutung.  Daneben  tritt  nun  die 
Kultur  der  Handelsgewächse  und  die  Seidensndit. 

Unter  den  verachiedenen  zur  OlhersteUung  benutzten  Pro* 
dukten  (Sesam,  Erdnüsse,  Baumwollsamen  etc.)  hat  gröfsere  Be- 
deutung eigentlich  nur  Raps,  mit  dem  nach  der  Emtestatistik 
von  1887  eine  Fljlche  von  167  295  Che  bestellt  war,  welche 
1  157555  Koku  Rapssaat  lieferte.  Die  Kultur  ist  fiber  das  ganze 
Land  verbreitet,  docli  ragt  die  mittlere  ({e^^end  von  der  Osaka- 
bucht  zur  Owaribucht  durch  grülsere  Eruteniengen  hervor.  Die 
Besirke  Osaka,  Miye,  Aichi  und  Sldga  hatten  nach  der  Statistik 
fast  vier  Zehntel  der  ganzen  Menge  erseugt.  Die  1887  gewonnene 
Menge  Rüböl  wird  auf  257000  Koku  angegeben*.  Der  Durch- 
schnittspreis war  etwa  20  Yen  (in  den  offenen  Plätzen  und  Hufen 
llbrigens  nur  10—18  Yen)  ftir  den  Koku,  etwa  36  Pfennig  iUr 
den  Liter,  während  Petroleum  höchstens  20  kostet 

In  einzelnen  Jahren  hat  einige  Ausfuhr  von  Raps  statt- 
gefunden. Doch  ist  sie  nie  von  Bedeutung  gewesen.  Die  Jahre 
1884  mit  Ü5  70t)  Pikui  und  1889  mit  68900  Pikul  stehen  ver- 
einzelt da. 

Wichtiger  für  den  Handel  ist  ein  anderer,  gleichlaUs  der 
Beleuchtung  dienender  Stoff,  das  sogenannte  Pflanzen  wachs 
(Suinachta]g),  welches  hauptsächlich  zur  Kerzen&brikation  dient. 

Die  Produktion  wiid  1887  auf  10  007  600  kg  angegeben.  Gerade 
die  Hälfte  davon  kommt  auf  den  Fukuoka-ken,  auf  ganz  Kyushu 

vier  Fünftel.  Dieses  Wachs  hildet  einen  nicht  unwichtip;en  Aus- 
fuhrartikel, in  den  letzten  lU  Jahren  sind  regehnälisig  zwischen 
2<JUUÜ  und  80  000  Pikul  (also  ein  Achtel  bis  ein  Sechstel  der 
Produktion)  ausgeOihrt  worden,  im  Werte  von  3U0UÜU  bis 
400000  Yen.  Der  l^reiö  des  Pikul  schwankte  zwischen  11 
und  15  Yen. 

Gleichfalls  von  einer  Sumachart  stammt  der  Lack,  auf 
welchem  die  wichtige  Lackindustrie  beruht  Die  vorliqgenden 
Zahlen  für  verschiedene  Jahre  sind  kaum  in  Einklang  miteinander 
zu  bringen.   Die  Produktion  soll  betragen  haben 


»  Etwa  4tKJ0U0U  Liter.   —    ßaumwolUamenöl  nur  16  7»!  Koku 
(300000  LiterX 


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334 


X  4. 


1882  157  245  kg 

1883  203115  - 
1887      321270  - 

Der  Lack  wird  ganz  überwiegend  im  Norden  der  Haupt- 
inflel  eewonuen. 

Ünter  den  yeriBchtedeneii  offisinellen  Pflanzen ,  welche  der 
japamsche  Landmann  sieht,  hat  einige  Bedentung  der  Ginseng* 

Die  mühsame  Kultur  scheint  aber  abzunehmen.  Wenigstens  geht 
die  Ausftthi-,  welche  bis  1879  auf  300000  kg  (Wert  £aat  190  000 
Yen)  gestiegen  war,  seitdem  stetig  zurück  und  betrug  1888  nur 
nielur  48  000  kg  im  Werte  von  104  700  \  en,  188*J  dagegen 
57  400  kg  im  Werte  von  14tMi(io  Yen.  In  den  letzten  Jahren 
nahm  auch  der  Anbau  von  ri'cllermüuzc  zu  infolge  der  Ausfiihr 
von  Pfeffermünzöl  und  Menthol- Kry stallen.  Ersteres  wird 
in  den  Auafdhrlbten  zuerst  1880  mit  nur  2200  kg  erwfthnt  nnd 
Bti^g  bis  1887  auf  bdnahe  52000  kg  im  Werte  von  76500  Yen. 
Die  Ausfuhr  von  Krystillen  in  diesem  Jahre  war  13500  kg  im 
Werte  von  2."  600  Yen.  1888  war  die  Ausfuhr  erheblich  niedrig» t, 
r.xino  Ol  und  8  400  kg  Kiystalle^  1889  aber  22000  kg  Öl 
und  1(1 '.«III  kg  Kry.stalle. 

Unter  den  Farbptlanzen  ragt  an  Bedeutung  weit  »1er 
A  i  hervor  (Polv'^onum  tinctorium),  aus  welchem  Indigo  gewonnen 
wird.  Einte  von  Aiblattern  wird  1887  auf  58300000  kg 

angegeben,  von  einer  Fläche  von  50257  Cho.  Der  Wert  von 
einem  Kwamme  Blätter  wird  auf  durchschnitdich  30  Seo  ange- 
geben, der  Durchschnittspreis  des  fertigen  Produkts  (Ai-tama)  ist 
75 — 80  Sen  per  Kwamme  (05  Pfennig  per  kg).  Der  Anbau  ist 
im  ganzen  Lande  verbreitet,  doch  steht  der  Bezirk  Tokushima 
mit  einem  Drittel  der  ganzen  Produktion  weit  voran.  Aufserdera 
hat  Aichi  einige  Bedeutung,  t^brigens  sei  erwähnt,  da !s  Indigo  in 
nicht  unerliebliehen  und  steigenden  Mengen  eingeführt  wird;  1889 
waren  es  rund  240  000  kg  im  Werte  von  250470  Yen  (der  Wert 
der  eingeführten  Färb  waren  überhaupt  war  1095404  Yen). 

Sehr  gleichmäfsif;  IstderTabaksbaa  verbreitet  Die  Ernte 
an  Blättern  wird  1887  auf  22760000  kg,  1884  auf  22300000  kg 
angegeben.  Das  wäre  ein  Verbrauch  von  nur  600  gr  auf  den 
Kopf  der  Bevölkerung,  ziemlich  gering,  wenn  man  biäenkt,  dafs 
nicht  nur  M;inner,  sondern  auch  Frauen  allgemein  rauchen, 
jedoch  bei  der  japanischen  Sitte,  ein  ganz  minimales  PfVitehen 
zu  benutzen,  vielleicht  nicht  zu  weit  von  der  VA'irklichkeit  entfernt. 
Die  durchschnittlichen  Marktpreise  der  h  tzt  ii  Jahre  werden 
auf  8  bis  8,**o  Yen  für  den  Pikul  Tabak  in  Lilattern  angegeben 
(ca,  43  Pfennig:  per  kg).  Der  Preis  für  zum  Verbrandi  ftrtigen 
geschnittenen  Tabak  wird  auf  etwa  18  Yen  per  Pikul  angegeben 
(00  Pfennig  per  kg).  Jedoch  haben  diese  Durchschnittssahkn  • 
bei  den  beträchtlichen  Qualitätsunterschieden  und  der  grofsen 


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X  4. 


VL-rschiedenlieit  zusammengerechneter  Ortapreise*  vvoid  keinen 
grolsen  VV'ert. 

Mit  dar  AuBfohr  von  Tabak  sind  immer  voo  neuem  Ver- 
Buche  gemaclit  worden,  ohne  doch  bisher  dauernden  &folg  zu 
erzielen.  Im  Jahre  1872  war  die  Ausfuhr  auf  2100000  ge- 
stiegen, sank  dann  aber  wieder  bis  auf  550000  kg  (1876). 
1881  betrug  sie  1400000  kg,  1882  aber  wieder  weniger  als 
500000  kg.  Bis  1>?85  stieg  sie  dann  wieder  auf  2  7>>nnoo  kp^, 
um  dann  Bis  18öb  auf  450  ODO  zu  sinken.  Im  Jalm  IM* 
betrug  sie  wieder  1  175000  kg.  Der  Wert  der  Auätubr  war 
1885  389000  Yen,  1888  81800  Yen,  1889  189000  Yen.  Der 
Durchschnittswert  des  ausgeführten  Tabaks  bewj^t  sich  um  10 
Yen  fUr  den  Pikul.  Der  Wert  der  eingeftüirten  läbaksikbrikate 
stieg  von  68  963  Yen  im  Jahre  1885auf  210Ö85  Y'en  im  Jahre  1889. 

Zuckerrohr  wird  mit  P>folg  nur  in  den  .südlicheren  Landes- 
teilen gebaut.  1887  war  die  damit  bestellte  Fliiclie  16678  Clio, 
die  Ernte  an  Hohr  4'-V-]  MiHionenkL'.  woraus  86  MO 000  Zucker 
gewonnen  wurden.  Davon  kommen  auf  Shikoku  48  Prozent 
(Ehime  allein  36  Prozent),  auf  Kyushu  34  Prozent  iKagoshima 
allein  1 1  Prozent).  Auiserdem  sind  die  Bezirke  Osaka  und 
tjhizuoka  von  einiger  Bedeutung.  Zu  beachten  ist,  dals  wie  in 
der  ganzen  Agrarstatistik  auch  hier  der  Bezirk  Okinawa  feblt| 
der  erhebliche  Mengen  Zucker  hervorbringt'.  Die  Angaben 
Uber  die  Produktion  der  beiden  Vorjahre  liefern  höhere  Zahlen, 
nftmlich  50940000  kg  im  Jahre  lb8l>  und  43040000  kg  im 
Jahre  1885^.  Ob  diese  Abwelcliungcn  auf  die  Verschiedenheit 
der  Ernten  oder  der  Erhebungen  ziiriickzuführen  .sind,  wage  ich 
nicht  zu  entscheiden.  In  den  beiden  Vorjahren  .sind  namentlich 
die  Angaben  über  die  Produktion  in  Ehime  und  Kagoshinia  er- 
heblich höher.    Neben  der  Zuckergewiuuung  aus  Itohr  steht  ein 

Sanz  beschddener  An&ug  Ton  Rttbenzuckerproduktion ,  welche 
urch  sfeaatKche  Bemtthuxjgen  im  Hokkaido  eingeführt  wird. 
Nach  der  amtlichen  Statistik  wurde  RQbenaucker  erzeugt 

1885  3U6  430  kg 

1886  120060  - 

1887  191530  • 


>  188H  für  Tabak  in  Blftttem  8,4»  bis  ia,M  Yen,  fUr  geschnittenen 
Tabak  7,8.»  Yen. 

^  Der  Direktor  der  Mitsui  Buasan  Kwaisha  i Haudclsgesellschaft 
Mitsui),  MaHuda,  hielt  1x^8  in  der  VolkswirtschafUicben  GeaellBchaft  in 
Tokyo  einen  Vortrag  Uber  die  -Zuckcrindnatrie  auf  denafidlicheu  iDseln*', 
der  Hl  der  Handelszeitunff  ßukka  Shimpo  und,  aus  (?ie^;er  übersetzt»  im 
Jayan  i>aily  üemld  erschien.  Danach  wäre  die  Produktion  in  OUnawa 
auf  182000  Fikttl  su  achitsen  (10990000  kg)  und  grober  AosdehBung 
fHhi^ic,  leide  aber  unter  msngelodem  Untetnebmui^gsgeist  und  hohen 
ITracbtraten. 

•  Die  Ernte  von  1888  soll  rund  40  Millionen  kg  betragen  haben. 


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836  X  4. 

Im  letztgenannten  Jahre  wären  danach  mit  Rüben  lieatellt 
gewesen  333  Cho  mit  einer  Rübenernte  von  4  045  000  iviiben, 
letztera  also  etwas  mehr  als  daa  Zwanaigfiiehe  der  gewonneDen 
Zuckermenge. 

Der  in  Japan  erzeugte  Zucker  ist  völlig  ungeDttgend,  den 
einheimuchen  Bedarf  zu  decken.  Die  Zufaluren,  namentlich  aus 
Südchina  (Formosa),  sind  immer  mehr  gestiegen,  wie  die  folgende 
Tabelle  sseigt. 

Einfahr  von  braunem  und  wclfsem  Zucker  nach 
Japan  1868-^1889.   in  Pikul  k  60  kg. 


«iHiir 

brauner 
Zucker 

woiföer 
Zucker 

170  012 

54  9H9 

225  601 

IcOv 

im 

527  271 

»b  U24 

016  195 

1871 

r.2l  9:?8 

107071 

629009 

1S72 

:5:t'^»l4 

S2  592 

415  000 

\m 

872  tHiS 

82  407 

455  355 

1S74 

470  VM) 

91430 

501  (529 

1S75 

im  2r>(» 

114  701 

737  907 

1S76 

5X2  075 

000  :^*;4 

li577 

455  534 

Ö4  990 

540  524 

1878 

415862 

75785 

491647 

1^7!» 

401  739 

107  981 

59S  720 

559  078 

120  805 

f)79  943 

4m7  2^^ 

172  0.^)1 

059 

im 

001  290 

189  157 

790  447 

603  795 

2:W  850 

8;U041 

»24  m 

351415 

1  170  :i44 

1885 

611  571 

414894 

1025965 

1K86 

rm  171 

5()0  0:^3 

1  072  204 

IHHI 

753  599 

500  081 

1  319  080 

731  574 

722  0ö2 

1  454  25<J 

1889 

616580 

590641 

1207221 

Aulker  dem  hier  angeführten  braunen  und  weiiaen  (raffi* 

nierten)  Zucker  werden  jährlich  einige  Tausend  Pikul  Kandis- 
und  Hutzucker  eingeführt,  die  nicht  weiter  ins  Gewicht  fallen. 
Die  einheimische  Produktion,  Ryukyu  eingeschlossen,  darf  man 
wohl  durchschnittlich  auf  jährlich  mindestens  50  Millionen 
anschlagen,  was  von  der  Eintulir  1888  zuerst  erreicht  wuixie 
und  seitlier  erheblich  überschritten  ist  (1888;  87'  4  Millionen 
kg).  Der  Verbrauch  würde  danach  gegenwärtig  mehr  als  3  kg 
aujf  den  Kopf  der  Bevölkerung  betragen,  immer  noch  weniger 
als  in  den  meisten  Ländern  äropas. 

Die  Preise  im  Durchschnitt  aller  Marktorte  betrugen  fllr 
den  Pikul 


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X  4. 


8d7 


1886         1887  1«88 

weifwn  japanischen  Zucker  9,88  ^en  8,??  Yen  8,ni  Yen 

importierten     »  8,8a     •  7,75     -  7,«6 

braunen  japanischen     -  5,8?    •  6,i8    -  5,'t5 

importierten    -  5»88    -  5,o8    -  ö,ii 

Dagegen  war  der  durduchnittÜche  Preis  in  Yokohama  f)ir  letstere 
i5cnrte  (braunen  Fonnoaa)  S,s4  Yen,  4,22  Yen,  3,75  Yen. 

Der  Uureh schnitt« preis  war  1R87  ilir  weifsen  einheimischen 
Zucker  ungefähr  47  Ptenni^^  per  Kilogramm ,  für  braunen  im- 
portierten 27  Pfennig,  in  Yokohama  nur  22,5  Pfennig. 

Eines  der  wichtigsten  Handelsgewächse  für  Japan  ist  der 
'J'hee.  Leider  ist  gerade  iur  die^e  wiciiLige  Pdanase  die  Statistik 
wenig  brandibar.  vhet  die  mit  Thea  bestandenoi  Flächen  nnd 
mir  Angaben  aus  den  letzten  Jabren  nicht  bekannt  geworden. 
Im  Jahre  1884  sollen  es  30 163  Cho  gewesen  sein,  was  mit  älteren 
Angaben  nicht  recht  stimmt.  Die  Zahlen  Uber  die  geemtete 
^{enge  sind  offenkundig  viel  zu  niedrig,  wie  der  Vergleich  zwisclicn 
der  angeblichen  Krnteuienge  und  der  Ausfuhr  zeigt.  Diese  Zahlen 
sind  direkt  vergleichbar,  da  die  Ausfuhr  fast  ganz  aus  dem  Pro- 
dukt des  gleichen  Jahres  besteht. 

Nach  der  Statistik  sind 

geemtet  au8gefühi*t 

1885       20542000  kg  18  5e.0  0O0  kg 

188t)       25801M)00  -  21418000  - 

1887      2ö  667  000  -  21367000  - 

Danach  wären  für  die  mehr  als  sieben  Millionen  Haushaltungen 
Japans  jährÜch  zum  Verbrauch  nur  2—5  Millionen  Kilogramm 
übrig  geblieben,  was  bei  der  bekannten  Sitte  des  ununterbrochenen 
Theetrinkens  höchst  unglaubwürdig  ist.  Angesichts  der  unanfecht- 
baren Zahlen  der  Ausfuhr  darf  man  wohl  behaupten,  dafs  die  Pro- 
duktion mehr  al.s  30  Millionen  Kilogramm  betragen  mufs^ 

Etwas  Thee  wird  überall  im  Lande  angebaut,  in  den  nörd- 
lichen und  nordwestlichen  bergigen  Bezirken  jedoch  nur  in  un- 
bedeutenden Mengen  und  geringer  Qualität.  Nach  der  l'ro- 
dnktionsstatistik  kamen  1887  auf  &n  B^irk  Shizuoka  18  Prozent 
der  ganzen  Produktion,  9  Prozent  auf  Miye,  Uber  6  Prozent  auf 
Kyoto,  fast  6  Prozent  auf  Osaka  (Kara  eingerechnet),  auf  diese 
vier  Bezirke  allein  also  ein  Drittel.  Uber  die  Ausfuhr  von 
Thee  seit  1868  und  deren  Wert  giebt  folgende  Tabelle  Auf- 
schiui's. 


'  Die  amtlichen  Zahlen  für  18H 1  -1884  ergeben  eine  mit  der  von 
1*^*^0  ungefähr  gleiche  Produktion.  Vor  1H81  sinKen  sie  sogar  unter  die 
Ausfuhrzahlen!  Für  li*>a>i  ist  das  Verhältnis  etwas  besser:  Produktion 
27  196000  kg,  Aasfuhr  19  901  ODO  kg. 

FonehongMi  (45)  X  4.  —  Ksthgen.  22 


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d38 


X  4. 


Ausfuhr  von  Thee  aller  Arten  aus  Japan 
nach  Menge  und  Wert  1868  —  1889. 


Jahr 

mm%    £ti\  IrM 

8u  DU 

»  eil  III  cMiOGr* 
yon 

101  156 

3  ')f^l  769 

2  202  420 

123  144 

4  511 616 

mi  VAX  V  aw 

1871 

140669 

4  671  761 

1ST2 

147  343 

4  2'>6  lOS 

401 

4  65{>  ;?02 

1S74 

l'Jl  291 

7  25:5  :i^4 

I87."i 

212  7h») 

t;  s(;_'  254 

1S7H 

202  26'» 

I  '..:il81 

1877 

207  182 

4  375  275 

1878 

217578 

4283695 

1879 

286  021 

7  425  508 

1880 

308  277 

7  497  881 

1881 

288  629 

7  021592 

1882 

2M3»X)1 

7  021»  718 

27S  im 

f5  W\  667 

2()S  5:V) 

5. 19  695 

1885 

m  341 

6854120 

188<i 

3:>ü  9(j7 

7  723  .{20 

1887 

;j.j6  iiö 

7  603  341 

1888 

331688 

6124817 

1889 

H2;^»65 

6156  729 

Der  Thee  ist  vom  f^eldwiriaelialtiichen  Standpunkte,  wie 
man  sieht,  ein  aufs-'nn dentlieh  wiclitiger  Faktor  in  der  japaniach^n 
Landwirtschaft,  der  deu  pruduzierenden  G^enden  Jahr  tiu-  Jahr 
eine  regelmälsige  Geldemnahme  suftlhrt.  Beachtenswert  ist  aber, 
wie  der  Durchschnittspreis  des  ausgetlihrten  Theas  allmählidi 
herabgegangen  ist  Im  Jahre  1874,  einem  Jahre  besonders 
guter  Preise,  war  der  Wert  im  Durchschnitt  aller  Arten  noch 
über  38  Yen  t\lr  den  Pikul,  1888  nur  mehr  18V  2  Yen.  Der 
Wert  des  gewöhnlichen  grünen  Theea  war  bei  der  Ausfuhr  von 
18^2  noch  21»,o*^  Yen,  1888  nur  mehr  22,8i  Yen.  Es  hangt 
das  wohl  damit  zusammen,  dalis  japanisclier  Thee  nur  einen  eng 
begrenzten  Markt  liat,  auf  welchem  die  btark  vernieiirte  Auä- 
fom*  die  Preise  drückt.  Auch  scheint  neuerdings  die  Nachfirage 
sich  mehr  und  auf  gewöhnliche  Sorten  su  beschrilnken. 

Wie  sehr  aber  die  F^mse  überhaupt  gesunken  sind,  zeigen  die 
Statistischen  Tafeln  des  Landwirtschafts-  und  fiandelsmini' 
Stenums  (Bd.  III,  Handel,  S.  147  ff.),  wonach  die  jOhrlichea 
Durchschnittspreise  in  Yokohama  waren: 


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X  4. 


339 


1880  1887 

Yen  Yen 

YamaBbiro  (Kyoto)  Thee      erster     Qualität  41, is  27,»s 

mittlerer        -      28,m  21,6o 

gewöhnlicher     -       21,46  16fW 

-  Suruga  (Shizuoka)    -     gewöhnlicher     «       18,7?  15,-1 

-  Ise  (Miye)                -     gewölinlicher     -       20,78  13,»» 

Für  die  Landwirtschaft  in  den  Theebezirken  ist  dieser  starke 
Rückgang  'Ut  Preise  eine  recht  ernstr  Sache.  Audi  die  Preise 
des  im  Inland  veiliraucliten  Thee.s  scheinen  im  Rückgang  zu 
sein.  Der  Duich.st  bnittspreis  aller  Mai  ktortc  ergiebt  als  Durch- 
schnittspreis fUi*  Thee  mittlerer  QualiUiL  1886:  28, so  Yen,  1887: 
26,0«  Yen,  1888:  24,4«  Yen,  1889:  24,6«  Yen.  Doch  ist  auf 
dieM  Zahlen  nicht  sehr  vid  Gewicht  zu  legen,  da  es  dch 
um  sehr  ungleiche  Qualitiiten  handeln  kann. 

Zu  betrachten  sind  schliefslich  die  Fleckt-  und  Faser- 
stoffe. Vor  allem  findet  Stroh  eine  sehr  ausgedehnte  Ver- 
wendung zu  Seilen,  Siicken,  Sandalen  u.  s.  av.,  wie  sie  in  Europa 
mir  niclit  bekannt  geworden  ist'.  Hier  ist  auch  der  Hambiiy 
zu  erwähnen,  den  die  Bauern  allgemein  ziehen  und  der  vieltach 
zirn:!  Handelsartikel  wird,  namentlich  nach  den  Provinzen,  in 
welchen  er  nicht  gedeiht^.  Die  Binöen,  aus  welchen  die  in 
jedem  Hauae  den  ^üaboden  bedeckenden  Matten  geflochten  amd, 
werden  in  Weihern  oder  auch  in  nassem  Feld  gezogen.  Die 
Agiantatistik  von  1884  giebt  aus  20  Beairken  einen  Bmsen- 
ertrag  von  15,5  Millionen  Kilogramm  an,  wovon  der  gröfste 
Teil  auf  die  Bezirke  Oita  (ProTina  Bungo)  und  Hiroshima 
(Provinz  Bingo)  kommt. 

U  i*  htig  für  die  Landwirtechaft  vieler  Gegenden  sind  aucli 
die  Prianzen,  welche  den  Bast  zur  Herstellung  des  zähen  japanischen 
Papiereü  Iieieru^  um  60  mehr  als  diese  Pdanzen  vielfach  auf 
sehr  dürftigem  Boden,  an  Runen  a.  s.  w.  Unterkunft  finden. 
Es  sind  namenttioh  <kei  solcher  Pflanzen,  Euno  (Paj^ennaul- 
beere),  Mitsumata  (Edgeworthia  papyrifera)  und  Gampi  (Wick- 
atroemia  canescens).  Für  das  Jahr  1883  (sp  ätere  Zahlen  sind 
mir  nicht  bekannt)  wird  die  Ernte  von  Kozo  Bast  auf  reichlich 
17  Millionen  Kiloirramni,  die  von  Mitsumata  auf  gut  3,6  Milüonen 
Kilogramm  angegeben.  Dncli  beziehen  sich  die  Zahlen  nur  auf 
31  von  43  Bezirken.  ivozo  wird  hauptsäclilich  im  Süden 
produziert,  namentlich  in  Kochi,  Ehime,  Vamaguchi,  Hiroshima. 
Mitiuniata-Bast  kommt  fast  ausschUebltch  aus  Shiauoka  und 
Yamanashi.  —  Keine  sehr  grofse  Bedeutung  haben  eine  Reihe 


^  So  wird  Getreide,  Sala,  Kalk  etc.  stets  iu  Strohaäcken  befördert. 
*  So  ir€»|sa  ans  dem  Gamoia-ken  grofse  Mengen  Bambuwtangen 
naeh  dem  hochgelegenen  Nagano-ken  gebracht 

22» 


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840 


X  4. 


anderer  bastartiger  Faserstoffe,  die  für  verschiedene  Zwecke 
dienen,  wie  Palmenfaser  (Sliuro,  von  Ohamaerops  cxcflsnV  Kuzu- 
bast  etc  Wichtiger  ist  der  Hanf,  der  nicht  nur  zu  Seilen 
u.  dergl.,  sondern  namentlich  au*  Ii  zur  Herötellung  von  Geweben 
dient.  Die  Agrarstatistik  giebt  tVir  1887  eine  bestellte  Flnche 
von  14840  Cno  und  eine  Produktion  von  8994000  kg  an,  wo- 
bei aflefdisgs  vier  Bezirke  mit  unbedeutender  Produktion  fehlen. 
In  geringen  Mengen  wird  Hanf  Überall  gebaut.  Die  Hanpt- 
bezirke  suid  im  Norden  Tochigi  und  Fukusnimay  im  Nordwesten 
Ishikawa  und  Fukui,  im  Westen  Hiroshima  und  Shimane,  im 
Öüden  Kuraanioto  und  Miyazaki.  Iin  Jahre  1887  kamen  auf 
die  vier  nördlichen  Gebiete  gut  30  Prozent,  auf  die  vier  süd- 
westlichen gut  40  Prozent  der  ganzen  Produktion.  Der  Preis 
für  den  Pikul  hat  sich  1885  bis  1889  im  Durchschnitt  aller 
Marktorte  zwischen  18,?«  und  20,oy  Yen  bewegt.  In  Utsunomiya 
(Tochigi)  war  1887  der  Prds  UM  Yen,  in  Hiroftfaima  14  Yen. 
Neben  dem  gewOhnliehen  Hanf  führt  die  Agrarstatistik  von 
1887  eine  zweite  Sorte  auf  (Oma)  mit  mnem  Ertrage  von 
358000O  kg  (auf  6414  Cho).  Diese  Sorte  wird  ganz  über- 
wiegend im  Norden  gebaut,  namentlich  im  ^liyagi-ken  (28*^  o  der 
Produktion),  Iwate,  Niigata  imd  Ishikawa  (je  10  Prozent).  Weder 
Hanf  noch  Hanfgewehe  ImlK  ii  f  r  lie  Ausfuhr  Bedeutung. 

Wahrend  im  Ahertuni  und  Mittelalter  Hanf  der  ^vichtig8te 
Faserstoft'  Japans  war,  ist  er  in  der  Zeit  der  1  okugawa  mehr 
und  mehr  dureh  die  Baumwolle  surückgediHngt  worden.  Fttr 
manche  Teile  Japans  hat  die  Kultur  dieser  wichtigen  Pflanae 
eine  hervorragende  Bedeutung.  Emtefiftche  und  Menge  wird 
für  1887  auf  98469  Cho  und  85880000  kg  ungereinigte  Baum- 
wolle angegeben.  Die  Zahl  ist  erheblich  höher  als  fiir  frtihei-e 
Jahre,  aber  wohl  immer  noch  etwas  zu  rie<lrig.  (1884  soll  die 
Ernte  6( )  OUU  ÜÜü  kg  betragen  haben.)  Die  liauptsachHchsten  Baiun- 
wollbezirke  liegen  in  ein*m  von  Ost  nach  \\  cöt  sich  hinziehenden 
Streifen,  der  mit  der  Tokyo-Ebene  beginnend  den  Tokaido  ent- 
lang Uber  Osaka  nach  der  Inlandsee  venäuft  und  die  Besirke  Iba- 
raki,  Tochigi^  Chiba,  Saitama,  Yamanashi,  Shizuoka,  Aichig  Miye, 
Gifu,  Wakayama,  Osaka  (mit  Nara),  Hyogo,  Tottori,  Okayama, 
Shunane,  Hiroshima,  Ehime,  Yamaguchi  umfafet.  In  allen  anderen 
Bezirken  ist  die  Produktion  unbedeutend.  An  der  Spitze  stehen 
Osaka  (mit  Nara)  mit       lunoO  kg  und  Aichi  mit  11  OOOOOO  kg. 

Diese  Zahlen  bezieht?!!  .sieli  auf  ungereinigte  I^anniwoUe  mit 
dem  Samen.  NiuDut  man  an,  dals  naeh  der  Keinigung  ein 
Drittel  des  Gewichte  reine  liauniwolle  übrig  bleibt  und  dais  die 
Emteziffem  wohl  zu  niedrig  sind,  so  kommen  wir  auf  eine 
BaumwolleDjgrodttktioii  von  mindestens  30  Millionen  Kilo^mm. 
Den  einheimischen  Bedarf'  deckt  dies  jedoch  nicht  Im  I>arch<- 


'  Nicht  sn  tthefwlien  ist  der  grofse  Bedarf  fDr  WattSenn^  Ton 
Kleidern  und  namentlich  allen  Bfatratxen  etc* 


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X  4. 


341 


schnitt  der  Jahre  1886  81)  amd  oiogefUbrt'  6  790000  kg  ge- 
reinigte Baumwolle  und  9083000  kg  ungereinigte  gleich  3028000 
kg  gereinigte,  so  dalB  der  Verbrauch  an  Rohbanuiwolle  ^epoti 
40  Millionen  kg  sein  würde,  etwa  1  kg  auf  den  Kopt  der  Be- 
Vdlkiruno:.  Dazu  kommt  noch  eine  Einfuhr  von  22  227000  kg 
Baumwüllgara  im  Durchschnitt  derselben  vier  Jahre  und  eine 
aller^ngs  viel  geringere  Einfiibr  toh  BaamwollstoffeD,  der  nur 
eine  ganz  unbedeutende  Ausfuhr  gegenübersteht,  so  dais  man 
den  wirklichen  Verbrauch  des  Landes  auf  etwa  1'/«  kg  per 
Kopf  schätzen  darf. 

Die  Eni  Wickelung  der  Einfuhr  von  gei*einigter  Baumwolle 
und  Bnüinwollgarn  zeigt  die  folgende  Tabelle.  Ungereinigte 
Baumwolle  ist  erst  seit  1885  aus  den  Zoiitabt-llen  zu  ersehen 
und  in   der  Tabelle  daher  nicht  berücksichtigt.    Ihre  Einfiilir 


beU'ug  52389  Pikul  im  Jahre  1885,  19920  Pikul  1886,  50821 
Fikul  1887,  121 832  Pikul  im  Jahre  1888  und  war  1889  auf 
412953  Pikul  gestiegen. 


Einfuhr  von  Rohbaumwolle  und  Baumwollgarn 
nach  Japan  1868—1889  in  Pikul  k  60  kg. 


Jahr 


Baumwolle 


BaiiittwoU* 
gam 


186S 
1869 
1870 

1S71 
1872 

1874 
1875 
1876 
1877 

1878 


26  276 
;39  m 
28441 

8:m 
4  968 
21  669 
H4  826 
2H  200 
32  308 
27523 
21  021 
bObO 
14  612 
16  585 

21  Otia 
45  425 
4:^  995 

55706 

118  933 


147  IMX) 
150355 
273  943 
2;i.5  713 
285  971 
277  264 
252  971 
246  406 
211868 
213  974 
246  304 
3.32965 
474  :5% 
428109 


36 .587 
59180 
88626 

79  682 
130:3:^7 

95  2>^2 
104  m) 


lb79 
1880 
1881 
18.82 

1884 

1885 
1886 
1887 

188.^ 
1889 


281 681 


<  Vgl  auch  den  Abflchnitk  Uber  den  Attbenhaodel  S.  416. 


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842 


X  4. 


Die  Preise  im  Durchschnitt  aller  Marktortc  waren  1886  Ins 
1888  per  Fikul 

ftlr  japanJsclie  Baumwolle  18,ß2— 19,43  Yen 

-  importierte        -  16,64 — 17,8? 

-  japanisches  Garn  29,76  —32,87 

-  importiertes    -  28.95—81,52 

Den  zuletzt  besprochenen  Produkten  schhei'st  sich  passend 
die  Seide  an,  eines  der  wichtigsten  Kraeiitmisse  der  Japan iseben 
Landwirtschaft,  besonders  vom  geldwirUschat'tlichen  Standpunkte 
aus.  i^iaulbeerkultur  und  Seidenzucht  haben  eich  seit  Öffnung  der 
Häfen  gewaltig  vermehrt  i  so  dals  eine  grofse  Steigerung  der 
Ausfuhr  möglich  gewesen  ist,  ohne  daf«  man  bis  an  die  Grenzen 
der  Ausfuhrmöglichkeit  gekommen  wäre  (wie  B.  bei  Tliee). 
Die  Einfiihr  ^mder  Stoffe,  in  neuerer  Zeit  namentlich  der 
FlaneDe^  hat  gleichfalls  dazu  beigetragen,  giöfsere  Mengen  für 
die  Ausfulir  frei  zu  lassen.  Für  den  japanischen  Kleinbauern 
ist  die  Scidi  iizueht  die  ge\^^nnb^ingendste  Art,  wie  er  seine  Zeit 
verwenden  kann,  da  <lie  lla^spelung  sich  tax  beliebiger  Zeit  vor- 
nehmen hu^t,  und  auch  bei  der  Zuclit  der  W  ürraer  selbst  hat 
man  neuerdings  grofse  Fortschritte  gemacht  in  der  Verzögerung 
des  AuakriechenSi  so  dals  die  Zucht  auf  verschiedene  Zeiten  sich 
verteilt'.  Auch  in  der  Qualität  der  gehaspelten  Seide  haben 
bedeatende  Fortschritte  stattgefunden.  So  bietet  die  Seidenzucht 
ein  erfreuliches  Bild,  das  schon  unverkennbar  durch  das  äufsere 
bltüiende  Auss«  licn  der  Seidengegenden  bestätigt  wird. 

Die  amtliciie  St^itistik  über  die  Seidenproduktion  ist  leider 
^anz  ungenügend.  Die  Zahlen  sind  viel  zu  niedrig,  wie  der 
vergleich  mit  der  Ausfuhr  zeigt.  Es  wird  nämlich  angegeben, 
dafs  von  Seide  aller  Art,  einschliefslich  Florettseide,  Abfälle  etc.,  war : 

m  der  Saison     die  Produktion         die  Ausfuhr 

1885  86      47059  Pikul      51045  Pikul 
188687       60109     -         56386  - 
1887/88      07910     -         71472     -  «. 

Allerdings  stecken  in  der  Ausfuhr  einige  Tausend  Pikul 
durchbohrter  (^ocons,  die  in  den  Produktionszahlen  nicht 
enthalten  sind.   Aber  immer  würde  das  Ergebnis  bleiben,  dafs 


1  Bis  18g:)  wurden  jihrlieh  eioige  100000  Yards  Flanell  elDgeftthit, 

I-HSO  wnrrn  .'MiU  000  Yarcls.  umt^t  (k'Uts.  h«'S  Fiibrikftt.  Auch  die 
Ip^ofse  lüntuhr  von  Wolieumusseiin  tost  14  Millionen  Yards)  bat  dem 
inlUndischen  Seidciiverbrauch  Abbruch  gethan. 

*  HamkoT  Natsuko,  Akiko:  Frühlings-,  Sommer-,  Herb^tkinder. 
18>(ß  waren  nach  der  Agrarstattstik  71  Proxeot  der  Cocona  Uaruko,  2i 
Prozent  Nateuko. 

'  Nach  den  vorläufigen  im  Kwampo  (Staatsanzeiger)  verSfifentiichten 
^hlpn  über  die  Produktion  von  T^>"^'  wUrd»'  sii  h  für  die  Sh180ii  188^/89 
ein  Überschufs  der  Ausiiibr  von  mindestens  10000  Pikul  ergeben. 


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X  4. 


343 


ebensoviel  ausgef^llirt  wäre  als  produziert^  während  der  Konsnm 
im  Lande  notoriscli  Ledeutend  ist  und  nllcin  für  Rohseide  von 
Seiden-Kauf  leuten  auf  rund  eine  Million  Kilogramm  (16666  Pikul) 
geschätzt  wird^ 

Die  mangelh.iite  Schätzung  der  Prodiikiion  bezieht  sich  in 
der  Hauptsache  auf  Abfallseide  (Noshi  und  Kuzuj.  Für  Roh- 
seide (Orege)  stimmen  seit  1884  die  Zahlen  beeaer  zuaamroen. 
Eb  betrog  nflmlich 

die  Produktion 
36  535  Pikul 


1884  85 
1885/86 
1886,87 

1887  88 
1888;  89 


35063 
45675 

51  248 
46530 


die  Auefuhr 

23790  Pikul 
25339  > 
26386  < 
39  692  - 
41 665  - 


Legen  wir  allein  die  Ziffern  für  die  Hohseidenproduktion 
des  Jahres  1887  mit  :ni7'»0(in  kp;  zu  Grunde,  so  finden  wir, 
dafs  damit  Japan  der  Produktion  Italiens  nahe  kommt  und  be- 
deutend nur  mehr  von  dem  grofsen  chineisischen  Reiche  über- 
trofien  ^rd. 

In  Japan  findet  die  Hauptproduktion  in  den  nordwestlich 

von  Tokyo  j^^elegenen  Bezirken  statt,  unter  welchen  Gumma  (Pror. 
Joshn)  1887  mit  &8t  668000  kg  allein  gut  ein  Fünftel  hervor- 
braclite.  Das  benachbarte  "Nagano  (Prov.  Sliinshn)  folgt  mit 
4^^*."»<)<>  kL""  An  diese  ik'zirke  scliliels«  !!  sicii  nach  Süden  ^  ;nna- 
naslii  (  Kosliu)  mit  irvOOrm  k^^,  Saitania  mit  137 ••()<)  kg  und  Kana- 
gavva  mit  133  ••<>()  kg,  nach  We.sten  die  Bezirke  Gifti  (Prov.  Mino) 
mit  1 43  000  kg  und  Shiga  (Omi)  mit  1 50  000  kg.  Ein  Gebiet  fiir  sich 
bildet  im  Norden  der  Füknahima-ken  (Oshu)  mit  &8t  390000  kg, 
dem  sichYamagataCUsen)  mit  122000  kg  nndMiyagi  mit  87000 
kg  anschUelsen.  In  allen  nicht  genannten  Bezirken  ist  die  Seiden- 
zucht gans  unbedeutend,  namentlich  im  Westen  und  Süden,  der 
ftir  den  Handel  überhaupt  nicht  in  Betracht  koinmt  Die  Selden- 
ge^enden  sind  tiist  ausnahmslos  solelie,  welche  d\irr}\  ihre  \.n'^o 
im  Binnenlande  und  ungünsti^je  VerkehrsverhnltuisM'  ^rewissti 
mafsen  dazu  gedrängt  sina,  ein  Produkt  hervorzubrmgen,  welches 


^  Ein  fthnliehes  Ergebnis  ergiebt  eine  freilich  nur  sehr  schätzungs- 
weise Berechnung  aus  aen  Zahirn  von  übet  die  Produktion  von 
Seidenstoffen.  Nehmen  wir  au,  dal'ä  der  Verbrauch  von  Abfallseide  aller 
Art  zur  Weberei  sich  mit  dem  für  halbseidene  Stoffe  nötigen  Bedarfe 
decke,  dafp  dafr^pen  die  ffir  die  reinsfidcDen  Stoffe  benötigte  Seide  gleich 
der  von  der  VVeberei  verbrauchten  Rohseide  sei,  und  nebmeu  wir  temer 
an,  dafa  du  Stfilek  oder  die  Rolle  dniclucbmttlich  900  g  erfordere,  so  wür- 
den die  1887  hergestellten  :n9:i000  Stttck  and  :S7  000  Rollen  (vgl. 
S  ''.^^j  gleich  l<Vw»0OA  kg  Rohseide  sein.  Besonderen  Wert  woUeo  wir 
übrigens  für  diese  Berechnung  nicht  in  Anspruch  nehmen. 


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344  X  4. 

bei  geringem  T^mfang  grofsen  Wert  liat  und  daher  die  hoben 
Kosten  des  Landtransportes  ertragen  kann. 

Die  Entw  ickc'lung  der  Au^Uihr  von  Rohseide  von  der  Er- 
öffnung der  Hafen  an  zeigt  die  folgende  Tabelle,  in  welcher 
nach  den  Handelskammercirkularen  die  Saisonausfuhr  mit  auf- 
geführt ist  da  die  KalendeijahFe  der  Haodebetatistik  leicht  ein 
udflchee  Bild  geben. 

(Siehe  Tabelle  S.  m) 

tlber  den  Wert  der  Ausfuhr  aller  Arten  von  Seidenerzeug- 
nissen in  den  Jahren  von  1879  bis  1889  giebt  folgende  Tabelle 
Att&chlule. 


Wert  der  Ausfuhr  von  Seide  und  Seidenprodukten 
aus  Japan  1879  —  1889  in  Silberyen. 




—  . 

Davon  entf&llt  auf 

Jahr 

Wert 

im 
gansen 

Rohseide 

AbfeU-, 

Florettseide 
und  CocoDB 
jeder  Art 

Seiden- 
fabrikate 

Sdden- 
wtiimeier 

1 

.» 
.> 

1 

ld79 

12213 139 

9784584 

1878  658 

17329 

582  62^) 

1880 

11121111 

8606  867 

1487828 

35395 

991 021 

1881 

13520064 

10647310 

2583759 

27854 

311 141 

1882 

19  357  049 

16282150 

2975287 

27126 

122486 

1883 

18  67861^ 

16188550 

2323733 

116045 

55287 

1884 

18451607 

11007  172 

2283  750 

169977 

4070« 

14  740  im 

i:j  o;it  872 

1  :m  194 

260  996 

LS86 

21  070(>:iM 

17  521  im 

2  97Ö  Oüö 

770  2;>ö 

;^9.M 

1887 

2  (;:^7  898 

1  466  996 

2  9.v> 

1888 

.K)  4(>4  2:J8 

2.Mn6  8«l 

2  ^>^t\  290 

1  Ü80  4^7 

650 

1889 

.H2  Iba  m 

26Ü16542 

2Ü24  8Ö3 

2  908507 

8  628 

Anmerkunit.  In  Spalte  5  sind  die  Zahlen  bis  1882  etwas  sa 
niedrig. 


So  sehr  die  Seidenziidit  zur  Förderung  der  japanischen  Volks- 
wirtschaft beigetragen  hat,  daii  man  doch  nicht  verkennen^  dafs 
ea  nicht  unbedenklich  ist,  wenn  die  Erseugung  einer  Ware,  welche 
auf  den  £xport  angewieien  und  ftlr  die  meisten  LHnder  ein  Luxus- 
artikel  ist,  derart  hervorragt  Sie  ist  deshalb  heftigen  Preis- 
Bchwankungen  ausgesetit;  so  dafs  noch  mehr  als  die  Ei-nten  die 
Geldertriige  von  Jahr  zu  Jahr  schwanken.   Es  kommt  dadurch 


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X  4. 


845 


Ausfuhr  von  Rohseide  aus  Japan  1860  —  1890. 


Saison 

Rohseide 
in  Ballen 
(bis  gegen  1880 

Kalender- 
jahr 

Roh 
iu  Pfkul 

Beide 
Wert 

ä  60  kg 

Yen 

1860/61 

11318 

1861/62 

11915 

1862/63 

25891 

1863/64 

15931 

1864/65 

165^ 

186o/66 

11619 

1866 '07 

Li  564 

lS6</68 
1868 '69 
186970 

12  .JOl» 
14  9H4 

I  1    i  <  1 1  • 

II  4..<) 

1868 
1869 

11240 
7260 

6253473 
5720182 

1870/71 

b  467 

1.1 

4.  7V-> 

*T  i»  (  O  1 

1871/72 

14  62v) 

1871 

IH  234 

1872/73 

144:28 

1872 

8  9.")."> 

.>  2U .» 237 

1873/74 

14520 

1873 

12021 

7  208  421 

11 941 

1874 

9792 

5302039 

1875/76 

13591 

1875 

11834 

5424916 

1876m 

21217 

1876 

18642 

13197921 

1877/78 

22024 

1877 

4  AAA 

17230 

fk  AAA  #klPA 

9626956 

1878/79  ' 

19  257 

1878 

14512 

7889  446 

1879/80 

17877 

1879 

16372 

9  734  534 

1880'81 

22339 

1880 

14  olo 

ODUD0O7 

1881/82 

21  776 

1881 

18  012 

1A  AJ*?  01A 

10  d47  31U 

Ptknl  4  60  kg 

1 

26  412 

1882 

2s  s40 

16  23214H 

iJS8:>/ö4 

27  01H 

1h,h:{ 

:n  -M) 

16  im;]  HT 

1884''8Ö 

2:?  790 

1884 

2U  9.S4 

11  007  172 

1885/86 

2ö  339 

188:1 

24  .->72 

13  0;^!^7_' 

1886/87 

26386 

1886 

2635;^ 

17  321  .m 

1887/88 

39692 

1887 

31036 

19280003 

1888«9 

41665 

1888 

46777 

25916861 

1889/90 

35967 

1889 

41267 

26616542 

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346 


ein  Element  des  Spiels  in  die  Produktion  ebensowohl  wie  in  die 
Handelsspckulntion ,  wolclies  rlnn-lmiu^  nicht  vorteilhaft  für  den 
wirtschaftlichen  ( 'harakter  cU  r  Ik  völkerung  ist. 

Die  jahrlichen  Durchschnittspreise  liir  drei  Uauptsorten  Seide 
betrugen  bilberyen  per  Fikul  in  Yokohama  ^ 


Filatunelde 

Eakeda 

Maeha^lil  Saj 
(handgehaepe 

1878 

r>75 

018 

530 

1879 

710 

675 

562 

1880 

717 

052 

503 

1881 

70Ö 

622 

583 

1882 

700 

597 

543 

1888 

646 

560 

504 

1884 

598 

574 

454 

1885 

5i»8 

551 

463 

188{i 

699 

(v.3 

004 

1887 

704 

000 

017 

Die  Durchschnittspreise  ganzer  Jahre  geben  aber  keine  rechte 
Vorstellung  von  den  \virklicli  vorkommenden  Preis veritnderungen. 
Aus  derselbf^n  Quelle  ergeben  schon  die  Mouatsdurchscl mitte 
ganz  andere  Sdiwankungen.  Für  Maebashi  Sage  (engl.  Ilanks) 
stand  z.  B.  der  Treis  im  Sommer  und  Ht-rb.st  1881  auf  etwa 
405  und  stieg  dann  bis  Kudc  der  Saison  auf  405.  Die  neue 
Säalson  1885  setzte  mit  523  (Durchschnitt  für  den  August)  ^vieder 
ein,  &st  120  Dollar  hoher  als  im  Jahre  Torher.  Im  Oktober 
9a.uk.  der  Preis  auf  460,  stieg  dann  aber  rapide  bis  auf  573 
im  letzten  Drittel  der  Saison.  Der  August  1886  setzte  dann 
mit  635  ein,  ^\^eder  über  100  Dollar  höher  als  im  Vorjahre; 
bis  Januar  1887  folgte  Steigung  auf  668.  dann  wieder  starker 
Rückgang  auf  570  im  Februar,  was  aber  allmählich  v-irder  gut 
gemacht  wurde.  August  1887  erreicht  sogar  den  l  )urcliselmitt 
680,  dann  aber  folgt  plötzlicher  Preisabfali  bis  515  im  Isovember. 
VeHblgen  wir  das  nach  den  Marktberichten  weiter,  so  finden 
wir,  dals  dieser  Preis  sich  Ins  zun  September  1888  etwa  hielt, 
worauf  er  bis  som  November  auf  480  sank^  im  Desember 
wieder  bis  550  stieg  und  bis  zum  Schlafs  der  Saison  bis  gegen 
530  sank.  Mit  ähnlichen  Preisen  setzte  dann  die  neue  Saison 
1889  ein,  bis  Ende  September  eine  stJivke  Hausse  eintrat  und 
im  D^'zember  den  Preis  bis  auf  05(»  brachte.  Diese  Zahlen 
dürften  geniigen,  zu  zeigen,  wie  heftig  die  Prei^^^^eliwankungen 
sind.  Der  Scidenzüchter  mufs  seine  Jahresprodukiiüii  in  Angritf 
nehmen,  ohne  auch  nur  den  leisesten  Anhalt  zu  haben,  wie  aus- 
ländische Marktberichte  und  internationale  Spekulation  die  Preise 


'  StatistiBche  lubt  ileii  des  Ministcnuin»  für  Laadwiriäciiatt  und 
Qewürbe  Bd.  III,  Handel,  8.  14*5  f. 
s  Für  Josho  Nr.  2. 


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X  4. 


847 


gestalten  werden.  Etwas  abgeschwächt  wird  dies  dadurch,  dafs 
zN^nschen  dem  Bauern  und  dem  Exporteur  dor  Mittelsmann  steht, 
was  den  Erfolg  hat,  dals  namentlich  die  plötzlichen  Haussen  den 

Bauern  unberührt  lassen,  während  er  unerwartete  Baissen  aller- 
dings zu  tragen  liat^  Bei  ihrer  geringen  Kapitalkraft  wurden 
die  Eigentümer  der  Seide  nieht  im  i?tande  sein,  gegenüber  einer 
Baisse  lai.i^c  ihre  Vorräte  zurückzuhalten.  Dies  wiixl  ihnen  aber 
ennöelicht  durch  die  Banken,  welche  dies  ein  Hauptteil  ihres 
GescnäDs  ist.  Die  gro&e  Konkurrenz  der  Banken  untereinander 
führt  sogar  zu  so  hoher  Beieil umg  der  Seide,  dals  bei  stiirken 
Baissen  der  zeitweilige  AVert  der  Seide  keine  genügende  Sieher- 
heit  mehr  bietet,  wodurch  Eigentün^er  wie  Banken  f>ehon  öfters 
in  groise  Schwierigkeiten  gekommen  sind.  Das  bedenklieh  Speku- 
lative des  Seidengeseiiafts  wird  durch  dieses  Verfahren  der  Ban- 
ken erheblich  vcrscliürft. 

Zum  Scldusse  dieser  I  bersicht  über  die  landwirtsehafiliche 
Produktion  mr>ge  ein  Versueij  stehen,  die  Krtr.ige  der 
japanischen  La n  d  w  i  r t s e ii a  ft  in  (Jeld  zu  schützen, 
soweit  dazu  ein  Anludt  vorhaudtu  ist.  Es  kiuiu  jsich  natürlich 
nur  um  rtmde  Summen  und  Annäherungswerte  handeln.  Zu 
vergessen  ist  auch  nicht,  dafs  solche  Bmchnuog  auch  einen 
groisen  Teil  ihrer  Bedeutung  d;idurch  verliert,  dafs  ja  viele 
Produkte  tiir  den  eigenen  A'erbrauch  der  i'  Mi  rii  erzeugt  werden, 
nur  zum  Teil  für  den  Verkauf  auf  dem  Markte  bestimmt  sind. 
Eine  Anzahl  von  Produkt(n  (Zucker,  Kübr.ll  habe  ici)  nicht  in 
der  ersten  Form,  sondern  in  einer  Weiterverarbeitung  angesetzt, 
da  solche  \\  ckierverarbeitung  meist  von  den  Bauern  selbst  vor- 
genommen wird.  Die  Preise  habe  ich  im  allgemeinen  uiedri^i 
angesetzt,  um  die  wirklich  m  die  Hfinde  des  Bauern  resp.  Qrund- 
besiteei«  kommenden  Werte  festnisteOen. 

(Siehe  Tabelle  S.  348.) 

Es  leuchtet  ein,  dafs  der  so  gefundene  Wert  von  363 
Millionen  Yen  sich  erheblich  rindern  muls,  wenn  wir  nur  etwas 
an  den  hauptsUchlichsten  Faktoren  Mndem  wenn  wir  namentlich 
den  Reispreis  etwas  anders  ansetzen,  etwa  mit  4  Yen  für  den 
Koku,  wie  er  in  manchen  Gegenden  1888  stand,  oder  mit  8  bis 
10  Yen,  wie  im  Winter  1889/90.  Ein  Reisprds  schon  von  7,bo  Yen 
wOrde  unsere  Summe  am  100  Millionen  Yen  erhöhen. 

Bei  einem  Gesamtrohertrag  von  363  Millionen  Yen  erhalten 
wir  für  die  landwirtschaftliche  Haushaltung,  Haupt-  und  Neben* 


*  Der  japanische  Händler  in  Yokohama  übcniimint  vielfach  den 
Verkauf  der  Seide  zu  einem  festen  Preise.  Was  er  mehr  endelt»  ist 
sein  ri  'enor  (Towinii.  Rann  er  die  Limite  nicht  erreichen,  so  trügt  der 
Eigentümer  den  Verlust. 


j 

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348 


X  4. 


Ungefährer  Wert  der  UndwirtschaftHchen 

ProdiiktioiL 


Produkt 

Menge 

Wert 
per 
Einheit 

Yen 

Wert 
Yen 

1 

2 

3 

4 

A 

Andere  Hirse .... 
Bnchweisen  .... 

Mais  

Daizu  

Andcfe  HOkenfHIehte 

"xv  vwV/  v/vV/  a.vvik.u 

13000000  * 

3  000  000  - 

2  500  000  - 
1  500  000  - 
1  0(X)  000  - 

3  250  000  - 
500000(?)- 

2,00 

3,07 

3,00 
2,00 
2,r.o 
2,00 
4.00 
4,00 

20< )  C)00  0(J() 

iä\J\j  V/V/V  VW 

26  000000 

11  0(X)000 
7500  000 
.SOOOOOO 

2  'm  000 

13  OlKJ  OOO 
2000000 

A.  Zusammen 

65  000  000  Koku 

265  5UOO0O 

B. 

Beide  (einschl.  Abfälle 
etc.  und  £ier)  .   .  . 
Baumwolle  .... 

Hatif  ....... 

Tabak   

Wftehft 

Rüböl  

Andor»*  Pflanzenöle 
Offizinello  l^Han/x-n 

500000  Bkul 

210  000  • 
2U0  000 
500  000(?)- 
SOO  000  - 
375  000 
15  000  000  Kwamme 
200000  Pikol 
250000  Kokn 

18,00 

15,00 
5,00 

20,00 
6,00 
8,00 

0,M 

IOm 

20,00 

'4-)  000  000 
»000000 

:^  \  'o  000 

1  000 

10  000  000 

4  800000 
3  000  000 
4.^  WO 
9000000 

5  Ol"  1 ' M 

1  0(>ÜOOO(V) 
1000  0<W(?^ 

B.  Zusammen 

7^  450  000 

0. 

Alle  anderen  Wurzel' 
gewSehae  .... 

560000000  Kwamme 

0,0M 

1680000 
1S20000(?) 

C.  Zusammen 

— 

— 

3  000  000 

A.  B.  ('.  Zusammen 

Alles  Sonstige  (nament- 
lich Gemüse,  Obst, 
Binsen.    Stroh,  Öl- 
kuchen u.  s.  w.  und 
der  Ertng  derYieb- 

;^7  i)5u  000 
15Ü9000Ö(?) 

Alles  xnsammen 
Nor  bei  gani  beaoti 

iden  sweifelhaften  Zab 

ien  ist  (?) 

868  «MI» 

beigefügt 

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X  4. 


349 


beruf  gleich  gerechnet,  66  Yen  Wert  des  Roliertrag«fl,  oder, 
wenn  wir  die  Nebenbenife  nur  mit  der  Hälfte  ansetzen,  rund 


Familie,  39,5o  Yen  für  nie  Nebenbcrute.  Weiin  man  bedenkt, 
dafa  davon  bei  den  Eigentümern  etwa  ein  Siebentel  als  Steuer, 
bei  den  Pächtern  noch  erheblich  mein-  als  Pacht  abgeht,  so  bleibt 
ein  eretaunlich  geringer  Betrag  übrig  für  den  Ünterliait  der 
FamiHe.  ThatBftchlkh  aind  die  Zahlen  wobl  noch  immer,  trots 
der  grolsen  Vennehnmg  bei  den  Erhebungen  von  1887  ^  m 
niedng-  Anderseits  ist  aufa  neue  an  die  allgemeine  Verbreitung 
vmi  Nebenbeechäftigangen  unter  der  bäuerlichen  Bevölkerung 
SU  erinnern. 

Die  annäliernde  Richtigkeit  unserer  Tabelle  vorausgesetzt, 
würde  sich  für  das  gesamte  Ackerknd  |'4üi'9()00  Cho  Ende  1887) 
ein  Rohertrag:  von  77,25  Yen  für  den  (üio  ergeben.  Wahr- 
scheinlich luit  dies  aber  nur  den  Wert  einer  Minimalzuiil. 

Sind  schon  die  Bohertragsberechnungen  nicht  anfechtungs- 
frei,  60  sind  die  Reinertragsbmchnungen  noch  xweÜelhafter. 

In  der  Agrarstatistik  für  1884  ist  ein  Versuch  gemacht,  fUr 
eine  Anzahl  von  Bezirken  und  Produkten  Reinertragsberechnungen 
aufzustellen^.  Danach  soll,  wenn  man  Arbeitslöhne,  Grundrente 
und  Verzinsun^^  des  (allerdings  ganz  unbedeutenflen )  Betriebs- 
kapitals nicht  berücksichtigt,  der  KVinertrag  vom  Cho  Acker- 
Lind  beim  Anbau  folgender  Früchte  beiragen  haben: 


'  Die  Erntestatistik  für  1887  giebt  an  Kömer-  und  Hülsenfrüchten 
rund  117  Millionen  Hektoliter  oder  :X)0  Liter  auf  den  Kopf  der  Be- 
völkerung. Die  von  1884  ergab  nur  etwa  8'2,r.  Millionen  Uektolitcr  (»der 
220  Liter  auf  den  Kopf  Das  ist  üVmgens  nicht  als  mfM;«chlich»/T  Vn-7i  Isr 
aufzufassen;  es  ist  der  Abgang  durch  iSaatgut,  Sakebrauerci,  überechuis 
der  Aosfohr,  Viehfotter  etc.  in  Betraeht  zu  ziehen.  Immo'hin  nnil  die 
Zalilen  doch  jetzt  viel  wahrscheinlicher.  An  Körnern  allein  rrgiebt 
unsere  Tabelle  rund  Gl  Millionen  Koku.  Nach  O.  Kellner  (Mitteilungen 
der  Deutschen  Gesellschaft  u.  s.  w.  IV  'Ml)  wUrdcn  von  Kürneni  „selten 
inelir  als  5—6  Go"  täglich  genoeaen.  Nehmen  wir  der  Kinder  wegen 
4  Go  als  Durchschnitt  fiir  die  gnn7!:  1' cvölkerune  an,  so  würde  das  für 
'6d  Millionen  Menschen  im  Jahre  knapp  ü7  Millionen  Koku  erfordern. 
An  anffesebklter  Fracht,  wie  rie  die  EnitetRhellen  enthalten »  würde  das 
rund  O^'/a  Million  Koku  für  den  menschlichen  Verbrauch  sein,  bei  einem 
tä;rU(  hrn  Dtirrhschnittsverbranch  von  u  Go  ■'>_'  Millionen  Koku.  Dazu 
kommt  dann  noch  der  Bedarf  au  öaat^ut.  Heiß  zur  Sakebrjuierei,  Aus- 
fuhrUberschufs,  Viehfutter  etc.,  tun  die  nötige  Krntemenge  zu  erhalten. 
Beim  Reis  allein  sind  dan  mindestens  6  Millionen  K  dv  u  Dafs  die  Ernte- 
Btatistik  auch  jetzt  noch  zu  geringe  Erträge  anzeigt,  scheint  mir  un- 
sweifelhafi 

'  Vgl,  darüber  namentlich  Fesca  in  dem  citierten  Bericht  .»I  ber 
die  landwirtsohaftlichcn  Verhältnisse  Japans",  der  aber  meiner  Meinung 
nach  diesen  amtlichen  Ermittelungen  trotz  seiner  Kntik  noch  zu  viel 
Bedeutung  beilegt.  Viel  wertvoller  situi  die  TOii  ihm  Mlbflt  aofgestellten 
and  dort  mitgeteilten  Bereehnmigen. 


Reis  16,46  Yen 

Nackte  Gerste  0,6i 


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350 


X  4. 


Gerste 

Weizeu 

Hine 


4,98 


8,ü7 


Bnchweizea 


DauBtt 
Batatan 


Raps 


Äi 

Tabak 
Baumwolle 


36,40 


Bei  Berechnung  (1«t  Arbeit  nach  üblichen  GpMIobiun  soll 
sich  bei  allen  genannten  Produkten  ein  Verlust  herausstelleD, 
auÄgenommen  bei  Bataten,  Ai,  Tabak  und  Baumwolle. 

Auf  eine  Reihe  vou  Mängeln  dieser  Berechnungen  hat  ha- 
reits  Fesca  hingewiesen,  namentlich  die  meist  zu  niedrig  an- 

Senommeiieii  Roherträge,  die  sieht  genügende  BerücksichtiguDg 
er  Nebennutzungen  etc.  Hier  will  ich  oor  einen  hervorheben, 
welker  meines  ESracbtens  die  Berechnungen  wertlos  inacht  Das 
ssu  Grunde  gelegte  Jahr  1884  ist  ein  yöllig  ungeeigneter 
Au  sprangspu  nk  t.  Das  Land  befand  sich  in  einer  schweren 
(hAd  und  Wirtschaftskrisiö,  welche  das  Verhältnis  aller  Prei^^e 
beeiutluläte ,  aber  in  sehr  verschied  euer  Weise  im  einzelneu 
wirkte.  Die  Preise  landwirtscliafthcher  Produkte  waren  1884 
ganz  ungewöhnlich  niedrig.  Dagegen  waren  z.  B.  Düngerpreise  * 
swar  etwas  niedriger,  aber  diurdiaus  nicht  im  Reichen  Yer- 
hältnis  wie  die  troduktenprdse.  Überdies  scheint  man  die 
Durchschnittspreise  der  Produkte  im  Kalenderjahre  benutst  zu 
haben,  während  der  Ernte  des  betrefienden  Jahres  doch  erst  die 
der  Ernte  fclj^enden  Preise  entsprechen.  Die  Preise  von  1884 
waren  zum  Teil  so  niedrig  infolj<e  der  reiche  ii  lernte  von  1883. 
Der  sehleehten  Ernte  von  1884  entsj)rechend  stiegen  dann  auch 
ilie  iVeise,  was  aber  in  der  Hauptsache  erst  in  das  näehste  Jahr 
fiel.  Welche  Unterschiede  da«  giebt,  sei  au  dem  ilauptprodukt 
Reis  gezeigt. 

Der  K'-inertragsberechnung  ist  ein  Heispreis  KU 

Grunde  gelegt  für  den  Koku  von  4jU  Yen 

Im  Durchschnitt  des  ganzen  Landes  war  er  1884  4,7i 

Im  Durchschnitt  alier  RdsbOrsen  war  er  im  Kalender- 
jahr 1884  4,sT  • 

Dagegen  an  den  Börsen  im  Erntejahr  November  1883 
bis  Oktober  1884,  das  der  £>nte  Ton  1883  ent- 

spriel^T  4,T» 

und  im  Erntejahr  November  1884  bis  Oktober  1885, 

das  der  Ernte  von  1884  erst  entspricht,  5,74 

*  Vj(l.  O.  Kellner,  On  the  VnlnüMon  of  Japanese  Fertilizen,  m 
iiuUetia  Nr.  ;>  des  Imp.  CoU.  ot  Agnculture  nud  Deudrology,  Tokyo 


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351 


Der  Unterachied  ist,  wie  man  sieht,  ganz  erheblich.  Setzt 
man  in  der  amtlichen  Reincrtragsberedinung  für  die  Emte  von 
1884  nur  5,25  Yen  als  Keispreis  ein,  so  erhöht  sich  der  „Heiu- 
ertrag"  von  Kvr.  auf  31, oo  Yen. 

Diese  amtlichen  Zahlen  scheinen  mir  also  alle  wertlos  zu  sein. 
Reiner tragjibcrcchnungen  aus  der  Zeit  der  verwirrten  Währungb- 
yerhältnuse  1878  bis  1885  können  sämdkh  auf  allgemdne  Geltung 
kdnen  Ansprach  machen.  Erst  die  Zeit  seit  Aufiiahme  der  Bar- 
zahlungen, also  seit  1886,  kann  als  normal  angesehen  werden. 
Das  aber  kann  nach  Feecas  Untersuchungen  wohl  als  test- 
stehend angenommen  werden,  dals  bei  einer  vollständigen  Be- 
rechnung der  Produktionskosten  in  Geld  bei  den  meisten  Er- 
zeugnissen des  japaniseiien  Ackerbaus  ein  Reinertrag  nicht  übrig- 
bleibt, namentlich  niclit  beim  Körnerbau,  während  bei  Wurzel- 

fewächsen,  einer  Reihe  Handelsgewachsen  (namentlich  Ai,  Tabak^ 
taomwdie,  Papierbast,  Thee)  and  \m  Seide  ein  Reinertrag 
auch  nach  gelamäPsiger  Berechnung  aUer  Kosten  verbleibt 
Mit  anderen  Worten :  die  Arbeit  auf  dem  Reisfeld  u.  s.  w.  giebt 
nicht  einen  landesüblichen  Lohnsätzen  entsprechenden  Ertrag. 
Die  in  Japan  oft  erörterte  Frage  nacli  der  Mögliclikeir  irrol'ser 
Wirtschaften  mit  bezahlten  Knechten  und  Tagelöhnern  erhält 
dadurch  erst  die  rechte  Beleuchtung.  Etwas  grölüere  Betriebe 
giebt  es  eigentlich  nur  in  Seidengegenden,  was  durch  die 
lientabilität  der  Seidenzucht  ermöglicht  wird.  Der  japanische 
Kleinbauer  ist,  soweit  er  nur  oder  fkat  nur  Kömernau  treibt, 
in  der  Lage  eines  schlecht  bezahlten  Tagelöhners,  der  dadurch 
sich  erhslt,  daCs  die  von  der  Feldarbeit  nicht  YoU  in  Anspruch 
genommene  Zeit  der  Familiengheder  zur  Weiterverarbeitung  der 
Rohprodukte  oder  zu  sonstigem  Nebenerwerb  verwendet  wird. 
Ebenso  wie  die  eigentiii  he  landwirtschafüiehe  Produktion  giebt 
Äuch  solche  Weiterverarbeitung  in  Geld  berechnet  keine  Keiii- 
ertritge,  Avenn  man  z.  B.  den  Preis  von  Cocons  und  gehaspelter 
^ide,  von  Zuckerrohr  und  Zucker,  von  Aiblättem  und  Indi^o- 
kugefai  u.  s.  w.  vergleicht  In  den  naturalwirtschaltlichen  Ver- 
hiUnissen  der  kleinen  Betriebe  findet  das  seine  einfache  Erklärung. 
Diese  Umstände  machen  auch  klar,  warum  auf  geldwirtschaftlicher 
Basis,  auf  kaufmännischer  Berechnung  beruhende  gewerbliche 
Unternehmungen  fz.  H.  Seidenfilanden,  welche  ihre  Cocons  kaufen 
mÜBsenl  so  h'inlig  keine  Geschäfte  machen. 

Angesichts  der  Geringfllgigkeit  der  Erträge  des  Körnerbaus 
fehlt  es  natürlich  nicht  an  weisen  Leuten ,  die ,  wie  in  anderen 
Ländern,  den  wohlfeilen  Rat  geben ^  man  müsse  eben  den 
KOmerbau  aufgeben  und  sich  aiu  Handelsgewitchse  beschränken 
{so  namentlich  die  vielgelesene  Zeitung  Jiji  Shimpo).  Da  ist  es 
vielleicht  nicht  überflüssig  ausdrücklich  dtorauf  hinzuweisen,  dals 
von  den  nachgewiesenen  Emteflttchen  von  gut  6200000  Cho*, 


>  Wegen  der  H^e  dieser  Zahl  vgl.  8.  325  Aam.  1. 


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852 


X  4 


wobei  allerdings  Thce-,  Maulbeer-  und  ähnliche  dauernde  Aiila-ni 
fehlen,  nicht  weniger  als  5  200 000  Cho  auf  Körner  (Keis,  U erste, 
Weizen,  Hirse,  Buchweizen,  Bohnen,  Mais)  kommen,  84  Pro- 
zent! Wo  soll  der  Markt  für  eine  Vermehrunp^  der  Produktion 
der  HandelMfewaehBe  aein,  welche  die  dem  KOmerbau  bisher 
gewidmete  Fuiche  erheblich  ▼ermindem  wttrde? 

Nach  den  vorstehenden  Erörterungen  liegt  die  Frage  nahe 
nach  der  socialen  Lage  des  Bauernstandes.  IKe  Ant- 
wort kann  keine  sehr  beruhigende  sein.  Nach  den  glänaenden 
Jahren  des  wachsenden  Agios  1878— 1881 ,  als  die  Preise  der 
Produkte  gewaltig  stiegen,  wuhrend  Löhne  und  andere  Kosten 
nur  lan^ara,  die  Steuern  verhältnismHfsig  wenig  wuchsen,  ver- 
breitete sich  ein  vorübergehender  fiktiver  Wohlstand  unter  den 
Bauern.  Als  die  Preise  noch  schneller  wieder  fielen,  als  sie  vor- 
her gestiegen  waren,  wurde  der  Druck  um  so  Schürfer  empfunden. 
Steuern  und  Schuldzinsen,  die  man  in  den  Jahren  vorher  leicht 
ertrage  hatte ,  waren  nun  eine  schwere  Last.  Es  ist  statistisch 
nicht  nachweisbar,  aber  es  unterliegt  wohl  keinem  Zweifel,  dafs 
eine  sehr  allgemeine  Verschuldung  des  Bauemstandes  in  diesen 
Zeiten  stattgefunden  hat.  Aus  der  nur  für  1883—1886  vor- 
handenen Statistik  der  Verpfandung  von  Grundbesitz  ist  der  An- 
teil ländlicher  Grundstücke  nicht  ersichdich  Wenn  aber  um 
l!^84  nnehweislich  mindestens  16 — 17  "o  alles  privaten  Grund- 
besitzes, dem  Steuorwerte  nach  bereclmet,  verpf)indet  war,  so 
inufs  ein  erheblicher  Teil  aui  den  Uiuerliciieu  ( irundbcsitz  kommen. 
Über  die  wirklich  vorhandene  Verschuldung  gicbt  jene  Statistik 
keine  rechten  Au&dihlsse.  Dafs  der  Produkten-  und  der  Dttneer- 
handel  viel&ch  Anlafs  zu  wucherischer  Ausbeutung  giebt,  dals 
der  wenig  voraussorgende  Charakter  des  Volkes  die  Verschuldung 
ebenso  befbrdert  hat  wie  das  Spekuhitionsfieber  der  Zeit  des 
A^io^,  welche  unmittelbar  der  Beseitigung  aller  biKln^-nn^en  Rechte* 
seh  ranken  des  bäuerlichen  ßesitzrechtes  und  der  Einführung  der 
Geldsteuern  folgte,  ist  unbestreitbar.  Dies  alles  zusammen  hat 
dazu  beigetragen,  dafs  in  die  Verhältnisse  des  Grundbesitzes  eine 
bedenkliche  Beweglichkeit  gekommen  ist,  über  welche  ich  mich 
oben  schon  geäufeort  babe^  Während  —  im  Gegensats  zu  vialfiich 
▼erbreiteten  Meinungen  — von  der  Exekution  wegen  rttckständi^ 
Steuern  nur  ganz  geringe  Flächen  betroffen  sind|  hat  der  Besitz- 
wechsel aus  anderen  Gründen  in  manchen  Gegenden  einen  um 
so  denklichrren  Umfang  angenommen,  als  man  vermuten 
nuU8,  dals  diese  Gründe  wonicrstpns  auf  dem  Lande  doch  wohl 
überwiegend  in  der  Verschuldung  des  Bauernstandes  zu  suchen 
sind.  Es  rauls  d;is  zu  einer  allmählichen .  aber  vollständigen 
Revolutionierung  der  Jiesitzverhältnisise  führen.    Das  alles  wird 


>  Vgl  im  Torigen  Kapitel  8.  283  ff. 


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X  4. 


353 


nun  nodi  besonders  bedenklich  dadurch,  dafs  nicht  etwa  an 
Stelle  wirtschaftlich  verkoniniener  Bauern  bessere  Landwirte 
treten  oder  eine  aUmfthlicbc  Vergröfserung  der  Betriebe  statt- 
findet, indem  die  besseren  Wirte  zu  ihrem  selbstbewirtschatteten 

Ilesitzo  Parzelhn  zukaufen,  .sondern  dafs  der  Rc^c]  nacli  d<T 
Ix-sitzende  l^auer  zum  Päcliter  herabsinkt,  während  sein  Grund- 
besitz in  das  Eigentum  V(>n  st;idtisehen  Kapitalisten,  Kaufleuten  (;tc. 
gerat,  Aui  dieae  ^^  eise  veiHK  liren  öich  zwei  Klassen  der  J^xj- 
▼(>)kemngy  welche  beide  nicht  ab  erfreuliche  Mitglieder  der  Ge- 
sellschaft betrachtet  werden  können,  auf  der  einen  Seite  ein 
Zwergp.iehterjjroletariat^  auf  der  anderen  Seite  ein  nichtwirt* 
sehattender  städtischer  Grund besitaerstand,  der  aus  den  kleinen 
Pachtwirtscliaften  möglichst  viel  herauszupressen  sucht.  Auffallend 
ist  es,  dals  bei  dem  rirdrigcn  Stande  der  Grundrente  die^^e  Wo 
wegung  sich  so  stariv  geltend  nia'-ht  Aber  es  ist  zu  bedenken, 
dais  bis  vor  kurzem  der  Krwerb  von  ^Grundbesitz  eigentlich  die 
einzige  sichere  Kapitalanlage  \^  ar  und  vor  allem  die  einzige,  die 
als  anstandig  galt.  Dazu  kommt  die  Natur  des  Pachtverhält- 
nisses, welcnea  der  Regel  nach  bisher  den  Charakter  eines 
Klientenverhältnisses  hat,  und  die  Höhe  der  Pacht  Während 
Gtldpacht  selten  ist,  herrscht  Teil-  oder  Halbpacht.  Der  Bauer 
giebt  dem  Besitzer  (  inen  Teil  des  Ertrages  in  Natur  ab,  und 
zwar  einen  gewöhnlich  sehr  hohen  Teil.  Sehr  häufig  z,  Ii.  hat 
er  die  Reisernte  abzulieiern ,  wofür  er  die  anderen  Produkte 
beliält.  Die  Pächter  leben  infolgedessen  in  sehr  dürftigen  \'er- 
hältnissen  und  geraten  in  jedem  schlechten  Jahre  in  Not.  J^is- 
her  ist  nun  in  der  Regel  noch  das  Verhältnis  zwischen  Besitzer 
und  Pächter  ein  sehr  patriarchalisches.  Nachlafs  an  der  Pacht 
in  schlechten  Zeiten  ist  ttblich.  Unter  Umständen  mufe  der 
Grundherr  die  Pacht  ganz  erlasse  n.  Austreibung  des  Päcliters, 
gegen  welche  dieser  in  keiner  Weise  geschlitzt  ist  (lange  Pacht- 
vertri'u'  kommen  in  dir^m  Verhältnissen  kaum  vor),  wird  selten 
geübt.  Die  Sitte  mifsbilligt  es  und  vielfach  würde  der  Grund- 
herr gar  keinen  Pächter  wieder  bekommen,  denn  aus  der  Nach- 
barschaft übernimmt  niemand  die  Pacht  und  einem  zugezogenen 
Fremden  würden  die  Nachbarn  bald  das  Vergnügen  verleiden. 
So  ist  die  Lage  des  Pächterstandes  nicht  so  schlimm,  wie  sie 
auf  den  ersten  Augenblick  erscheint  Aber  sie  ist  doch  klä^ch 
genug  und  vor  allem  ist  die  Erwägung  nicht  abzuweisen,  dafs 
die  patriarchalischen  Verhidtnisse  —  wenn  auch  nii  I  f  sofort  und 
überall  —  doch  allm.ählich  verschwinden  werden.  Mit  der  Knt- 
wickelung  der  Verkehrsmittel,  der  Rückwirkung  der  Weltmarkt- 
verhältrii^se ,  der  zunehmenden  Verschärfung  der  Konkurrenz, 
d<  r  Spekulation,  der  geschäftsmälsigcn  Berechnung  von  Gewirm 
und  Verlust  wird  dieses  \'erhältnis  sich  mehr  und  mehr  in  ein 
gescliäftliches,  in  ein  Geldverhältnis  umwandeln,  mit  seiner  un- 
barmherzigen Vernichtung  der  Existenz  dessen,  der  nicht  zahlen 
kann. 

Porwhuiigeit  (45)  X  4.  —  Bathsen.  23 


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354 


In  Europa  scheint  Tielfnch  die  Vorstellung  zu  herrschen, 
dafs  in  „Ostasi^rr'  allf^emein  kleinbäuerliclier  Besitz  verbreitet 
sei.  Das  ist  für  Japan  fliircliaus  unrichtig'.  Die  amtliche 
Statistik  zeigt  eine  piiiz  bedeutende  und  oü'enbar  zunehmende 
Verbreitung  der  Pac  1» t wi rtschaft. 

Über  das  Verlülltnis  der  Zahl  der  Pächter  zu  der  der  selbst- 
wirtochaftendoi  Eigentttmer  und  der  von  beiden  bebanten  Fificheii 
sind  mir  sw«  ESrhebungen  bekannt  geworden.  Die  erste  umfEirst 
nicht  das  ganze  Land,  jedoch  Bestrke  aus  allen  Teilen  des  KeicheSf 
und  bezieht  sich  teils  auf  das  Jalir  1883,  teils  auf  1884.  Die 
zweite  Erhebung  bezieht  sich  auf  1886  und  1887.  Einmal  hat 
man  die  Zahl  der  Betriebe,  der  Haushaltungen  in  solche  vo?\ 
Pächtern  luid  von  Eigentümern  geschieden,  I^ei  der  Erhebung 
von  188^  84  hat  man  dabei  unterschiedeu:  wirtschaftende  Eigen- 
tümer, Eigentümer,  welche  Liind  zugepachtet  haben,  und  Pächter, 
welche  nur  gepachtetes  Land  bewirtBchaften.  In  31  Bezirken 
floUten  auf  diese  3  Eategorieen  ent&llen  39,  39  nnd  22^lo,  Die 
Erhebung  ist  aber  von  zweifelhaftem  Werte,  da  die  mitgeteilten 
Summen  mehrfach  zu  hoch  sind Die  bereits  am  An&ig  dieses 
Kapitels  für  Feststellung  der  Zahl  der  landwirtschaftlichen  Be- 
völkerung benutzte  Erhebung  von  188l)  teilt  die  silmtliehen  land- 
wirtsehaftlichen  Ilauslialtimgen  in  sok'he  von  I Eigentümern  und 
Päclitern.  Danach  wären  von  den  im  Hauptberuf  mit  f^andwirtschaft 
bescliaftigten  liauahaltungeu  41  ^'  o  solche  von  Paclitern  gewesen, 
von  den  im  Nebenberuf  beschäftigten  48  "  o,  von  allen  landwut- 
schaftiich  Thfttigen  43%.  Gegen  diese  Elrbebung  lä&t  sich  aber 
wieder  der  £tnwand  machen ,  dals  sie  auf  das  auÜBerordentlich 
liäufige  Verhidtnis,  dafs  ein  Bauer  zu  seinem  kleinen  Besitz  noch 
ein  Stück  Land  zupachtet,  gar  keine  Ixiieksicht  nimmt.  Es  wird 
nicht  klar,  nach  welchen  Oesielitsjiunkten  .solche  Bauern  ent- 
weder den  Eigentümern  oder  den  I'iichlern  zugewiesen  sind. 
Man  kann  mit  diesen  Zahlen  also  auch  nicht  recht  etwas  an- 
tiangeu. 

Sehr  viel  wertvoller  ist  die  andere  iVrt  der  Erliebungen. 
Es  ist  nämlich  ermittelt  worden,  wieviel  Ackerland  (Beis-  und 
Treckenfeld)  von  den  Eigentümern  und  wieviel  von  Pächtem 
bewirtschaftet  wird.  Die  Ergebnisse  dieser  Erhebung  sind  fttr 
18B3  aus  18  Bezirken,  für  1884  aus  W  anderen  Bezirken'  ver- 
öffentlicht.  Für  1B87  aber  ist  die  Erhebung  im  ganzen  Lande 


*  Für  CUiim  ist  es  vieüeieht  iu  nocii  liöberem  Urade  urng.  Vgl. 
die  Zasammenstellan^en  in  Heft  2  Jahrg.  \^  der  TnunsetuniB  China 
Brauch  of  tli<  Asiauc  Sodety,  wonach  die  HAlfte  des  Bodens  von 
Pächtern  bebaut  wini 

*  Im  Bezirke  i  ukuuka  i^ogur  i'-.iät  da.s  I  )opj>clte  der  überhaupt  im 
Bezirke  vorhandenen  Haushaltungen! 

*  Aufserdem  für  einen  kleinen  Teil  des  Uokkaido. 


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X  4.  355 

(aulfler  Okinawa)  vorgenommen*  und  dUifte  im  groi^  und 
ganzen  den  wirklichen  Verhältnissen  entsprechen^. 

Danach  w.iren  1887  in  Japan  niclit  weniger  als  39,3"  ü 
allen  Ackerlandes  von  Pächtern  bewirtschaftet  worden.  Beim 
nassen  Feld  int  duä  Verhältnis  sogar  noch  höher:  4o,t. '*  o,  während 
es  vom  trockenen  Feld  33,*  '*/o  wai'cn.  Das  deutet  aiü'  eine  sehr 
starke  Eatwickelung  des  Pflchtertoms.  Dab  dieses  Verbttltnu 
aber  im  Steigen  beißen  ist,  zeigt  ein  Vei^eich  mit  der  früheren 
Erhebung.    In  den  18  Bezirken,  in  welchen  die  K;  i  iiti.  1  mg 

1883  stiittfand,  waren  damalrs  34,.' "  o  allen  Ackerlandes  in  Händen 
von  Pächtern,  in  denselben  Bezirken  1887:  ;:i8,'« "  u.  ein  Zuwachs 
wie  lf)<)  zu  113,7  in  vier  Jahren.    In  den  U»  Bezirken  des  Jalires 

1884  war  der  Anteil  der  Piichter  damals  39.s'*ü,  1?<87;  4-2.4  u, 
ein  Zuwachs  im  \'erh;iltni.s  von  l'^O  zu  IDü.r.  hi  drei  .lahren 
Au:i  der  geringeren  Vcrmehi-un^  bei  den  letzteren  Bczii-kcu  darf 
man  wohl  scfauelBen ,  dafs  die  Bewegung  sich  im  Vei^gleich  mit 
der  Zeit  1883/84  etwas  verlangsamt  hat,  was  ja  auch  durch  die 
Beihenfolge  guter  Ernten  1880— S7  an  sich  wahrscheinlich  ge- 
macht wird.  Kin  Vergleich  der  einzelnen  34  l>ezirke  zeigt  nur 
in  einem  Bezirke,  Miyazaki,  ein  Stehenbleiben  der  l'iwegung, 
in  zwei  Bezirken,  Shi;:;a  und  Iwate.  einen  kaum  nennenswerten, 
und  nur  in  Bezirke,  Saitama,  einen  erheblicheren  Rück- 
gang d(?r  verpacliLcten  Flache. 

Zwischen  den  einzelnen  Laudesteilen  linden  sein*  erliebhche 
Unterschiede  statt,  aber  nur  in  einem  Bezirke  Altjapans  wird 
weniger  als  ein  Fünftel  des  Ackerlandes  von  Pächtern  bewirt- 
schaftet,  nämlich  in  Fukushima  17,s''o.  Sogar  in  dem  ganz 
dünn  besiedelten  flokkaido,  in  welchem  un^ei-odetes  T^d  in 
beliebiger  Menge  zur  A'erlügung  steht,  werden  1 7  "  o  von  Pächtern 
bewirtschaftet.  Nur  in  vier  Bezirken  nuiclit  die  verpaclitete 
Fläche  zwischen  2')  und  3*>^*o  ans.  im  Norden  in  Iwatt;  i2<>) 
und  Miyat?i  denen  j^anz  im  Norden  Aomori  mit  3U,4,  bUd- 

lich  Ibaraki  mit  32,3  sich  anschlielst. 

Anderseits  finden  wir  im  6Udeu  Miyazaki  mit  29,«  ^  dem 
sich  Kagoshima  mit  30,8,  Kochi  mit  30,«  und  Oita  mit  82,4  ^/o 
anschlieuen.  Dals  wir  so  zwei  geschlossene  (Gruppen  von  Be- 
zirken mit  einer  verhältnismäfsig  geringeren  Zahl  von  Pächtern 
finden,  einerseits  den  iinfsersten  Süden,  anderseits  die  <z;anz<'  Ost- 
kiistc  des  nördlichen  Teiles  der  Hauptinsel,  machf  Zahh-n 
auch  in  f^'-J'h  glaubhaft.  Aul'^- r  den  g<  nannlen  neun  l>ezirken 
hat  nur  novit  Gumnui  weniger  als  ein  Drittel  verpachteteä  Land, 
uamUch  2ä,4".u. 


»  Statiet.  Jahrbuch  VIII  94,  die  frühere  Erhebnug  V  86. 

-  In  den  Bezirktn  [Ihoshima,  Tokushima .  Kntroshiina  und  \ftinn- 
guchi  stimmen  jedoch  die  Flächea  nicht  genügend  mit  der  GmuidbesU/.- 
Statistik  flberein. 

23* 


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356 


Die  höchsten  VerhältniszalileD  hat  Toyama:  59,.."  i«  (18?^3 
erst  r»l  :  Reisfeld  allein  jetzt  über  60",,).  Das  benachbarte 
Niigatn  hat  51.C, "  0  f Reisfeld  54,8).  Gleklil'alls  an  der  ^\'estk^iste 
liegt  Tottori  mit  ü4,i"ü  (Reisfeld  .')()..,)  und  Sliimane  mit4'J,2"... 
Östlich  davon  bat  Okayama  io,  iij  ogo  48,4,  Osaka  (ohne  Nara) 
aoan  56,1 ,  Wakayama  45,».  Ehime  hat  53,»  (Rekkuid  59,2), 
Fi^noka  47,«,  Eumamoto  45,i.  Ganz  uoliert  stehen  Yamaoaebi 
mit  50,7  (Beldaiid  62,t1)  und  Tokyo  mit  48,5.  Alle  bisher  nicht 
genannten  BeEirke»  21  an  Zahl,  haben  «wischen  34  und  45^  0 
Pachtland. 

Die  Vcrbnitung  der  Pachtwirtschaft  scheint  in  Zusammen 
hang  mit  dem  Reisbau  zu  stehen.  Reisland  wird  uberaii  ver- 
hältnismärsig  mehr  verpachtet  als  Trockenland,  Die  meisten 
oben  genannten  Bezirke  stark  entwickelter  Pacht  Wirtschaft  sind 
Bezirke  vorwiegenden  Reisbaues  (Toyama,  Niigata,  £hime,  Fuku- 
oka,  Eumamoto  n.  s.  w.).  Es  hxngt  das  woU  damit  ssoaammen, 
daTs  eineraeitB  das  Beisield  crOfiere  Kapitalaufwendungen  etfordett 
und  dafs  Reisfelder  anderseits  als  Kapitalanlage  sehr  viel 
beliebter  sind  als  TrockenUmd*.  Es  hängt  vielleicht  auch  damit 
zusammen,  dafs  bei  der  geringen  RentabiliUlt  der  Reiskultur  der 
Keisbauer  am  leichtesten  in  wirtschatÜichen  Verfall  gerät.  Immer- 
hin diidtc  das  zur  Erklärung  noch  nicht  ausreichen,  da  auch 
einzelne  Cregendon  ohne  grofsen  Reisbau  stark  entwickelte  Pacht- 
wirtschaft haben  -.  Anderseits  hat  Fukushiuia  bei  ziemlich  aus- 
gedehntem Rdsbau  die  geringste  Entwickelang  der  Pachtwiit* 
Schaft'. 

Auch  zu  der  Bevölkeiningsdichtigkeit  könnte  man  die  Ver- 
breitung der  Pachtwirtacbaft  in  Beziehung  setzen,  da  die  in 
letzterer  Hinsicht  sehr  ungünstigen  Bezirke  fast  alle  eine  sehr 
dichte  Bevölkerung  überhaupt  oder  wenigstens  im  VerliältüiÄ 
zur  anbaufähigen  Hiiche  haben,  wie  letzteres  z,  B.  in  Yamanashi 
und  Wakayama  der  Fall  ist.  Die  Dichtigkeit  der  ßevulkening 
ihrerseits  liiingL  wieder  eng  mit  der  Verbreitung  des  Reisbaues 
sttsammcn.  Mit  Ausnahme  von  Yamanashi  ist  in  allen  Gegen- 
den der  rentabeb  Seidensucht  die  Paditwirtschaft  verhxltnismUsig 
weniger  entwickelt. 

Als  wesentlichen  Anlal's  sum  Übergange  zur  Pachtwirt* 
Schaft  habe  ich  Besitzwechsel  hingestellt,  vielfach  in  der  Form, 
dais  der  bisherige  Eigentümer       Piicbter  ntzen  bleibt.  Die 


'  Fesca  spricht  mit  Recht  von  einem  Affektionsweit  des  oaaeen 
Feldes. 

*  in  Yamanashi  waren  verpachtet 

vom  Reisfeld         iJ^;  Gl,iv»;o  ltiö7 :  02,; 'V«, 

vom  Trockenfeld    1884:  39,t«/o  1887  :  42,«<»/<». 

•  In  Fiikusliima  waren  verpachtet 

vom  Keiefeld         l^i:  10  «  o  1^S7:  10,«  «»jo, 

vom  Trockenfdd   18«i:  ll,««  o  l5iy:<7:  l-v  -o. 


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X  4.  357 

»Statiätik  der  Verkäufe  von  Ackerlaiid,  welche  oben  im  Kapitel 
Qnmdbesits  (S.  285  ff.)  bereits  benutzt  ist,  achemt  xnir  trotz 
aller  UiiTollkoiiitDenbeit  das  zu  bestätigen.  Nehmen  wir  nUmlich 
solche  Bezirke,  in  welchen  1883  bis  1887  die  Fläche  des  ver- 
pachteten Feldes  stark  zugenommen  hat,  und  vergleichen  wir  da- 
mit den  Umfang  der  Verkiiufe  von  Ackerland  von  1884  86,  so 
finflpn  wir,  soweit  wir  überhaupt  die  Zahlen  ftir  beides  haben, 
dalfi  beidu  ikwc^^ungen  Hand  in  Hand  zu  gehen  sc  heinen.  Die 
Ri.^'hiuing  h'idet  Ireihch  an  vielen  unsicheren  Elementen.  \or 
alleui  haben  wir  von  dem  verkauften  Ackerland  nur  die  Steuer- 
werte, nicht  die  Fläche.  Berechnen  wir  den  Prazentaatz  des  von 
1884  bis  1886  verkanften  Ackerlandes  dem  Steuerwerte  nach, 
ermitteln  wir  dann  den  gleichen  Prozentsatz  der  vorhandenen  Fläche 
und  Ycrgleichen  wir  das  mit  der  Zunahme  des  verpachteten  Lan- 
des, so  erhalten  wir  in  runden  Summen  folgendes  Bild: 

v»^rkauft         der  Flüche  «ach         Zunahme  des 
dem  Werte  nach        wäre  das  Fachtlaiuies 

Okayama  20  "  o  20400  Cho  760<>  Cho 

Mivad  15,8  "  o  18400    -  9500  - 

iNiigaia  8  ö/o  22900    -  12200  - 

Toyama  16  «  o  14000    -  Ö200  - 

Tochigi  16,7%  17600    -  16300  - 

Allzuviel  Gewicht  ist  auf  diese  ßerechnungen  natürlich  nicht  zu 
legen. 

Jedenfiills  Ist  in  der  Vermehrung  des  japanischen  Zweig- 
pttcbterstandes  eine  der  bed^kficbsten  Seiten  der  neueren  Ent 

Wickelung  /u  sehen.  Dafs  diese  Bewegung  nach  Beendigung 
der  wirtschaftlichen  Krisis  sich  verlangsamen  wird,  ist  wahr- 
scheinlich, nicht  aber,  dafs  sie  dauernd  zum  Stehen  komme. 
Die  }>ohon  l^f^ispreise  von  1889  9n  aber,  wenn  sie  aucli  nur  zum 
Teil  den  Bauern  zu  gute  kommen,  werden  jedenfalls  den  länd- 
iiclicn  Kreisen  vorübergehend  grolle  Erleichterung  bringen. 


Siebentes  Kapitel. 

Die  anderen  Zweige  der  Urprodnktion. 

I.  Der  Wald. 

Ein  aufserordentlich  grofser  Teil  von  .T;ip!^Ti  gehört  dem 
Walde^    Freilich  ist  das  kein  gepflegter  Forst,  wie  wir  ihn 

*  Facbmäuuiäche  Darstellungen  des  japaniachen  Forstwedens  fehlen 
bisber  uiebie»  Wisseu  in  der  Littemtur  ganz.  Über  eben  von  B.  Gras* 


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358 


in  Deutschlanrl  gewöhnt  sind.  In  weniger  zugänglichen  Gegen- 
den, im  (lebirge,  in  den  Einöden  Yezos  ist  es  der  wilde  Wald, 
fast  unberührt  von  Menschenhand.  In  der  Nähe  dichtbevölkerter 
Bezirke  ist  er  verwüstet  und  der  wertvollen  Bäume  beraubt, 
vielfach  nur  ein  Buschwald  geringwertiger  Laublujlzei  ,  /  iweilen 
ist,  was  noch  Wald  heilst,  in  Wahrheit  eine  öde  Fläche,  auf  der 
kaum  noch  Gras  wächst.  In  den  ersten  Zeiten  der  neuen  Ord- 
nung ging  die  alte  Waldpflege  zu  Onmde.  Die  öftntlichen 
Wjuaer  litten  da,  wo  sie  leicht  sugttngltch  waren,  sehr  erheblich^ 
da  man  hier  alte  Vorräte  zur  Befriedigung  der  dringendsten 
Geldbedürfnisse  fand.  Die  Erprebnisse  sind  übrigens  fUr  die  Staats- 
kasse nicht  einmnl  sehr  erheblich  gewesen,  wie  sich  bei  der  Re- 
sprcclumg  der  Staatseinnahmen  zeigen  wird.  Hie  Ausdehnung 
deti  Berg  und  Hüttenwesens  ist  prleichfalls  dorn  ^^'ald  verhängnis- 
voll geworden.  Auch  das  Abbrennen  des  wilden  (iraslandes 
drängt  die  wirklichen  Waldgrenzen  regelmäisig  zurück,  wie  man 
das  Tiderwäiia  sehen  kann.  So  ist  das,  was  die  amtliche  Statistik 
„Wald*^  nennt,  ^on  sehr  yerschledenem  Werte.  Auch  sind  die 
Zahlen  ▼iel&ch  noch  sehr  ungenau,  was  sich  allerdings  langsam 
etwss  bessert 

Die  Statistik  scheidet  (Zahlen  Ton  1887) 

a.  Waldungen  in  8teuerpflicfatk;em  Friratbesitz  7281 795  Oho  > 

b.  Vermessene  aiTentlicfae  Wfilder  7010835   *  * 

c.  WUdes  Belgland  (Sanya)  n74l;}69  • 
Von  der  letzteren  Zahl  kommen  auf  den  Hokkaido  9  068  899  Che, 
auf  Okinawa  214382  Cho.  Es  bleiben  mithin  fUr  Altjapan  mit 
nind  2S'  Millionen  Cho  zusammen  ir>750  728  Olio,  so  *dafs  selbst 
in  Altjapan  mehr  als  die  Hältte  des  Landes  Wald  wäre.  Wie- 
viel davon  wirklich  den  Namen  Wald  verdient,  läfst  sich  nicht 
sagen. 

Mit  der  Statistik  ist  jedoch  nicht  viel  aiizujan^en,  da  eine 
Prüfung  sofort  zeigt^  dais  die  Zahlen  nicht  genau  sein  können. 
In  bieten  Beshrken  bldbt  ein  erheblicher,  nicKt  aa^eklärter  Rest 
des  Gebiets  Übrig,  in  einigen  anderen  dagegen  sind  die  nach- 
gewiesenen Flächen  an  privatem  Grundeigentum,  Staatswald  und 
bergland  zusammen  gröl'ser  als  die  Bezirke,  so  in  Yamanashi, 
Naeano,  Aomori .  Iwate,  Akit.i.  In  Aomori  ist  allein  die  an- 
^^'cbliche  Fläche  des  Privatwaldes  und  die  des  vermessenen 
btaats Waides  grttfser  als  der  Bezirk!  Den  Angaben  über  den 
Bestand  der  .Sta;itäwälder  an  Bäumen  von  meiir  als  einem  Fuls 


mann  in  der  Deutschen  Gesellechaft  für  Natur-  und  Völkerkunde  Ost- 
aaiens  am  18.  Dezember  1889  in  Tokyo  gehaltenen  lehireichen  Vortrag 
haben  die  MitteiluDgen  dieser  tiesellscbaft  nur  eine  Jntne  Notis  gebraeht 

(V  14o  f.). 

1  Davon  nur  2694  Cho  im  Hokksido,  der  Rest  in  Altjapao. 
*  Nor  Altjapan. 


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X  4 


359 


Umfang  nnd  an  T'»ambnsstangen  ist  unter  diesen  Umständen 
schwerlich  besondtrer  Olaubcn  7M  scficnken. 

In  gewissen  zu  Schutzwalduiigen  erkläi'ton  Forsten  ist  das 
►Schlagen  von  Holz  verboten.  Es  waren  das  Antang  1887  von 
dem  Wald  im  Privatbesitz  33237  Cho.  von  den  öflfentlichen 
Wäldern  88535  Cho. 

Der  Holzverbranch  in  Japan  mnis  gans  bedeutend  sein,  wie 
aus  dem  alJgemeincn  Herrsclieo  der  Hokarchitektur  folgt,  aus  dem 
grofsen  Bedarf  für  Holzkohlen  u.  .s.  w.  ZahlenmäTsig  läfst  sich 
(larnber  kruim  etwas  sagen.  Bei  dor  Ausfuhr  voti  Nutzholz 
werden  nin-  die  Wertzahlen  angcgohen.  Die  Zfdil^n  sind  nicht 
hoch,  aber  in  der  Zunahme.  Sic  überscliritten  den  Wert  von 
lUOOOO  Yen  zum  erstenmal  im  .hüire  18S0  und  erreichten  188H 
fast  22400U  Yen,  188U  aber  nur  187000  Yen.  Die  Ausfuhr 
von  Holskohlen  erreichte  1889  47  700  Yen.  Für  den  Handel 
wichtiger  sind  einige  andere  Produkte  des  Waldes,  nämlich 
Eampher  und  Pilze.  Die  Ausfuhr  der  letzteren  betrug  1868 
3040  Pikul,  erreichte  1880  12436  Pikul  (Wert  340691  Y«i), 
sank  dann  etwas  und  vermehrte  sich  seit  1886  wieder  ganz  er- 
heblich bis  auf  18  511  Pikul  im  Jahre  1888,  die  einen  Wert  von 
515030  Yen  darstellten'.  Sie  gehen  fast  aiisschliefslich  nach 
China.  Auch  der  inländische  Verbrauch  von  Pilzen  ibt  bchr  be- 
deutend. 

Wichtiger  noch  ist  das  andere  Waldprodukt,  der  K  a  m  p  h  e  r , 
den  schon  die  HoUftnder  ausgeführt  haben.  Der  Export  oetrug 
1868:  4682  Pikul  im  Werte  von  77098  Yen.  Erat  seit  1874 
blieb  er  dauernd  über  lOOoO  Pikul,  erreichte  1880  20000  Pikul 
(Wert  323665  Yen)  und  1882  den  ersten  Höhepunkt  mit 
50084  Pikid  fWert  800120  Yen),  ging  bis  1885  auf  30700 
Pikul  zuriick,  um  bis  1887  wieder  auf  64  781  Pikul  im  Werte 
von  1  130  596  Yen  zu  steigen.  1888  zeigte  einen  starken 
Rückschlag  auf  45  555  Pikul,  die  aber  doch  noch  einen  Wert 
von  1017  887  Yen  hatten.  1889  stieg  wieder  auf  74918  Pikul 
im  Werte  von  1 391 372  Yen. 


IL  Die  Jagd. 

Die  Jagd  -  steht  in  Japan  jedermann  offen,  der  sich  einen 
Jagdschein  löst  Der  (irundbesitzer  hat  kein  Vorrecht,  Schon- 
zeiten für  die  einzelnen  Arten  von  W  Wd  t^nebt  es  nicht,  sondern 
eine  allgemeine  Schonzeit  vom  15.  Aprii  bis  15.  Oktober. 
Schlingen  und  Netze  zu  stellen  ist  aligemein  erlaubt,  Schulz 


1  Die  Zahlen  toq         sind  wegen  Änderang  der  Statistik  nicht 

vergleichbar. 

*  Gesetz,  vom  20.  Janaar  1878,  x^vidiert  doreh  Nr.  11  vom 
28.  Januar  1877. 


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860 


X  4, 


nützlicher  Vögel  unbekannt  Unter  diesen  Umständen  ist  es  fiist 
yerwuoderlich ,  dafs  es  tiberhaupt  noch  Jagdbares  Wild  aebt 
Um  seine  ytfllige  Ausrottung  au  yerbindern,  hat  man  neueraings 

angefiRingen,  unter  dem  Namen  „kaiserlicher  Keservatgebiete" 
Scbonreviere  einzurichten,  in  welchen  auch  die  Schlingenstellerei 
verboten  ist.  Für  Jagdscheine  ftir  berufsmä feige  JHger  ist  jrthr- 
lieh  ein  Von  zu  erlegen,  für  solche,  welche  zum  Vergnügen  jagen, 
10  Yen.  Diese  Bestimmung  wird  aber  aulserordentlich  Inx  inter- 
pretiert. Nach  den  Ausweisen  über  die  ausgefertigten  Jagdseheine 
giebt  es  nur  einige  Hundert  Personen,  welche  zum  Vergnügen 
jagen,  neben  einer  ungeheuren  Zahl  eewerbemälsiger  Jfiger. 
ueSn  unter  den  letzteren  die  Mehrzahl  nicht  aus  ErwerosgrOnden 
jagt,  sieht  man  am  besten  daraus,  da'k  in  den  Zeiten  cfcr  w  irt- 
schafdichen  Krisis  gerade  ihre  Zahl  sich  erheblich  vermindert 
hat|  verhältnismärsig  mehr  als  die  der  andern.   Die  Zahlen  sind 

Jliger  sum  Erwerb  Jftger  sutn  Vergufigen 


1879/80 

44589 

394 

1881  82 

80766 

(i()l 

1883  84 

62  095 

538 

1885  86 

43704 

521 

}Hm  87 

41257 

533 

1S87  88 

49780 

030 

1888/89 

1)4  u81 

733 

Die  gewerbsnirüsige  .T.i'^enn  hat  nur  im  Gebirge  uv.ä  im 
Hokkaido  noch  einig«'  1  Bedeutung,  im  Jahre  1887  sollen  nach 
der  Industriestatistik  uber  die  Anfertigung  von  Leder  gegen 
35  000  Hiröcijlijiute  gegerbt  sein. 

III.  Die  Fischerei. 

Die  insulare  Lage  Japans,  seine  Küstengestaltung,  der  Reich- 
tum des  Tierlehens  in  den  inj^anisehen  Gewässern  liaben  dazu 
ziisammenjf;ewirkt,  der  ( ifwinnun^  von  8ee  |)  rod  u  kten  eine  be- 
sondere \\  ichtigkeit  iür  die  japanische  Volkswirtschaft  zu  ver- 
schati'en. 

Es  handelt  »ich  dabei  um  sehr  verschiedenartige  Erzeugnisse. 
Kicht  sehr  bedeutend  Ist  der  Fang  von  Pelztieren,  Kobb^  und 
Seeottem  im  Norden  auf  den  Kurilen  und  darüber  hinaus,  der 

in  der  Regel  unter  ausländischer  Flagge,  aber  mit  japani^her 
Mannschaft    betrieben    wird.   Der   eigentliche  Fischfang 

nimmt  eine  wichtige  Stellung  ein.  Die  Binnenfischerei  auf 
Fliisf^en  und  Seen  ist  naturi;eniHf8  weniger  bedeutend  als  die 
i^eetisell«'r*'i  Immerhin  ist  sie  nicht  unerlieblich.  In  einer  Nach- 
weiöung  über  die  Zahl  der  Fischerboote  im  Jahre  1884,  welclie 
sidi  auf  35  Bezirke  Altjapans  und  zwei  von  den  damaligen  3 
B«Btrken  des  Hokkaido  besieht,  waren  unter  224497  Fischer- 


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X  4. 


361 


booten  oo  Ü42  für  den  Fisclifnii^^  auf  FlUasen  nnd  Seen.  Die 
Angeltischerei  mit  kiiusiliclier  Fliege  hat  sich  rasch  Im  Lande 
verbreitet*.  Um  der  drohenden  Ausraubung  entgegenzuwirken, 
aind  in  manchen  Gegenden  Schonreviere  eingericlitet,  während 
man  Schonzeit  noch  nicht  kennt.  Auch  hat  man  ganz  httbadie 
Anttoge  zu  besserer  Bevölkerung  der  I'äehe  nnd  Seen  mit  ver- 
schiedenen Salmoniden  gemacht'  mit  Hülfe  künstlicher  Fisch* 
Bucbtanstaltcn. 

Volkswirtschaftlich  weit  wiclitiger  ist  die  Seefischerei, 
welche  grofse  Mengen  an  Fisclien  für  die  Volksernahriin,';-  hefert, 
die  teils  frisch,  teils  gesalzen,  teils  getrocknet  (aber  niclit  ge 
räuchert)  verzehrt  werden.  Ein  grolker  Teil  der  gefangenen 
Fische,  namentlich  Heringe  und  Sardinen  (Iwashij,  dient  abor 
nicht  der  Ernährung,  sondern  der  Thrangewinnnng.  Die  Rück« 
atttnde  oder  durekt  die  getrockneten  Fische  liefern  den  für  die 
japanische  Landwirtschaft  wertvollen  Fischdüne^er. 

An  der  Küste  wird  ferner  ein  sehr  erheblicher  Muschelfang 
betrieben,  zum  Teil  durch  Taucher,  sowohl  der  Sclhden  als  vor 
allem  des  Fleisches  wogen,  das  Irisch  und  getrocknet  gegessen 
wird,  ebenso  wie  andere  Seotiere,  Tintenfische.  Trepang  u.  s.  w. 
Endlich  genielsen  die  JapuuLi  aucli  Algen  in  greisen  Klengen, 
teils  getrocknet^  teils  in  der  Form  von  Algcngallert  (Kanten, 
Agar-Agar).  Die  wichtigste  der  efsbaren  Algen  ist  der  Kombu 
(Laminaria  sacbarina). 

Unter  dem  alten  Regime  war  die  Fischerei,  wie  alle  Gewerbe, 
zu  einem  gewissen  Grade  staatlidi  geregelt.  Namentlich  waren 
den  einzelnen  Fischerdörfern  gewisse  Strecken  am  Strande  und 
Fanggebiete  zugewiesen,  von  welchen  die  Angehniii^ren  anderer 
Dörfer  ausgeschlossen  waren.  Diese  Beschrilnkungen  sind  mit 
der  neuen  Ordnung  gefallen.  Thatsitchlich  seheinen  aber  vieler- 
wärta  Vereinbarungen  der  Dörfer  uutereiuander  zu  bestehen  über 
Abgrenzung  der  Fanggebiete.  Ebenso  hat  sich  in  Tokyo  that- 
aächlich  die  Gilde  der  Fiachgrofshändler  erhalten ,  wenn  auch 
ohne  den  staatEchen  Zwang  zum  Beitritt^.  Eni  indirekter  Druck 
wird  allerdings  geübt  durch  die  genossenschaftliche  Form  der 
Bessirksgewerbesteuer  von  Fischmilrkten. 

Wo  der  Fischfang  im  grofsen  bt^trieben  wird,  erfordert  er 
in  den  Booten  und  JSctzen  recht  erhebliche  Kapitalien,  welche 


<  Ich  sah  sie  hdspielsweise  im  SomiDer  1884  in  einem  ganz  ent- 
l^penen  Teile  von  Shinano  (Nagano-ken). 

*  So  z,.  B.  ist  der  früher  fischlose,  allen  Fremdeu,  die  Japau  be- 
sucht haben ,  wohlbekannte  Chu/eDÜ  -  8ee  oberhalb  Nikko  jetst  durch 
Aussetzen  von  Brut  reich  an  vortrefflichen  Fischen  geworden,  namentlich 
Iwana  fSalmo  pluvius  Uilgd.).  —  Nach  einer  Angabe  aus  dem  ^finisterium 
für  J^Hndwirtöcliatt  und  Gewerbe  wurde  in  11  Flüsseu  und  JSeen 

Brot  verschiedener  Salmoniden  ausgesetzt. 

'  Wie  es  in  anderen  grofsen  Städten  damit  steht,  weifs  ich  nicht 
Wahrscheinlich  ülmlich. 


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362 


X  4. 


natur^remiils  ^rol'fem  Risik'»  ausgesetzt  .-^iinl.  So  kommt  es,  dafs 
die  Fischer  hiiutiL'*  veffliuldet  und  mehr  oder  weniger  in  den 
Handeil  der  liaiidkr  smd'.  In  veröuluedcncn  Gegenden,  z.  B. 
im  Chiba-ken,  hat  die  Fischerei  schon  einen  ganz  kapitalistischen 
Anstrich.  Der  unabhängige  kleine  Fischer  ist  zum  Lohnarbeiter 
geworden,  der  Im  Dienste  größerer  Unternehmer  steht.  Deren 
Geschäftsbetrieb  liat  dann  schon  einen  mehr  kaufmännischen 
Charakter.  Es  sind  tür  japanische  Verhältnisse  wohlhabende  Leute 
mit  GnmdljKsitz,  welche  zuweilen  Ins  an  300  Fischer  in  ihrem 
l>ienst  haben  -.  Dünger  und  Thranbandel  betreiben,  wohl  auch 
Geld  Terleilien.  Das  Fisehereigew^erbe  wird,  wie  aller  Gewerbe- 
hetrif'b,  als  solches  vom  Staate  nicht  besteuert,  aber  von  den 
-Jiczirken.  Jedoch  triiit  der  6uint  die  Fischer  mittels  der  Schiffs- 
steuer.  Eigenartig  ist  im  Hokkaldo  die  Besteuerung  der  See- 
produkte,  worüber  im  Abschnitte  von  den  Steuern  besonders 
zu  handeb  ist.  Im  Hokkaido  ist  auch  heute  noch  die  Fischeret 
der  wichtigste  Erwerbszweig,  der  nicht  nur  von  der  ansftssigen 
Bevölkerung,  sondern  auch  von  zahlreichen  im  Sommer  aus  dem 
nördlichen  Honshu  herüberkommenden  Fischern  betrieben  wird. 
l)ie  bedeutende  Ausfuhr  von  Seeprodnkten  nach  China  stammt 
zu  einem  erheblichen  Teile  ans  dem  Norden. 

Die  Zahlen,  welche  die  japanische  Statistik  über  die  Fisch  er - 
bevölkcrung  mitteilt,  leiden  erheblich  darunter,  dafs  die  Ab- 
grenzung von  Hauvt-  und  Nebenberuf  hier  anfserordentlich 
schwierig  ist,  da  senr  allgemein  Landwirtschaft  und  Fischfang 
verbunden  sind.  Nach  den  neuesten  mir  vorliegenden  Zahlen 
HXr  Ende  1887,  von  welchen  man  vielleicht  annehmen  darf,  dafs 
sie  die  genauesten  sind,  hiitte  es  damals  14^)^01  Haushaltungen 
gegeben,  welche  Fischerei  als  Hauptberuf,  und  2192ÜS  Haus- 
haltungen, welche  .sie  als  NelK  iilienif  trieben,  zusammen  Mh.')  8'21*. 
Dabei  fehlen  aber  die  inliindiaclien  Be7jrke  Saitama.  (nimma, 
Tochigi,  Yamaiioshi,  Shiga**,  Gifu  Na^ano  und  Nara  (vorher 
zu  Osaka  gehörig).  Setsen  wir  för  die  sieben  erstgenannten  und 
fUr  Osaka  die  Zahlen  von  Ende  1886  ein,  so  erhalten  wir 
147  548  Haushaltungen  im  Hauptberuf  und  229649  im  Neben- 
beruf. Von  der  Zahl  aller  Haushaltungen  wären  das  fast  zwei 
Prozent  für  die  im  Hauptberuf,  fast  drei  Prozent  fUr  die  im 
Nebenberuf  mit  Fischerei  beschäftigten,  zusammen  bald  ftint 

>  Im  Hokkaido  sind  die  Fischer  vielfach  aach  dem  Staat  ver- 
Bchnldet,  wofür  sie  einen  T<il  des  Faages  (6—^10  Prozent)  al^eben 
DulMen.  Da  diese  Forderune  des  Staates  vor  anderen  Fordenmgen  den 
Vorzug  hat,  so  haben  die  Fischer  für  Kreditgewäbruoc  den  Händlern 
um  eo  mehr  EU  leisten.  Ihren  Bedarf  fÖr  die  Saison  sn  Heis, l^ho3ru,  Sake  etc. 
entnehmen    ir  m>'\^t  auf  Kredit  und  V)ezah!en  mit  Produkron 

2  Um  1^^4  erhielt  nach  meinen  »kundipungen  ehi  gewohnücher 
Fischer  monatltcli  etwa  7  Yen,  ein  Oberfischer  bis  zu  l.*>  Yen  Lohn. 

*  Mit  dem  Kwa-See. 

*  Berühmt  wegen  seiner  Kormoranfischerel. 


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363 


Prozent,  eine  Zahl,  welche  die  grolse  Bedeutun*?  der  Fischerei 
deutlich  zeigt.  Bei  einer  durcli  seh  sittlichen  Gröfse  der  Haus- 
haHuTir^  von  gut  fünf  Kopten  wiire  die  eigentliclie  Fischerei- 
bcvöikerung  (Hauj)tl)ernf)  rund  75UOU0  Köpfe  stark  und  über- 
haupt 1900000  rersonen  an  der  Fischerei  interessiert  ^  Die 
Zahl  der  Fischerboote  in  den  38  maritimen  Bezirken  der  Er- 
hebung von  1887  war  277  698  ^  Die  giofee  Menge  aller  See- 
bpote  sind  kleine  Fahrzeuge  ftlr  die  Kttatenfischerei.  Nach  einer 
Übersicht  von  1H80,  in  welcher  von  maritimen  Bezirken  Hokkaido^ 
Aomori  und  Hiroshima,  aulserdem  Tochigi,  fehlen ,  sollen  unter 
190  045  BontPH  fnacli  'h'v  Frlir-bung  von  ]HS7  kommen  auf 
die  entsprf  i  henden  Bezirke  rund  227000  Boote)  ü79  Boote  znm 
Walhschlaiig  und  UU7()  „Boote  zum  Ziehen  grofser  »Schlepp- 
netze" gewesen  sein.  Unter  der  letzten  Kategorie  sind  sicher 
noch  sehr  viele  kleine. 

Nach  der  Erhebung  von  1887  steht  an  der  Spitze  aller  De- 
zirke  Altjapana  das  meemmsptilte  Chiba,  wo  14  031  Haushaltungen 
im  Hauptoeruf  und  18301  im  Keb^bemf  sich  mit  Fischerei 
beschäftigten,  das  sind  zusammen  15,2  Prozent  aller  Haus* 
Imitimgcn  des  Bezirkes  und  0,«  Prozent,  wenn  man  nur  die 
Hauptberufe  ret  iinet.  Die  Zahl  der  Fischerboote,  12906,  dagec^en 
ist  niedriger  als  die  einiger  an<lerer  Bezirke.  Der  Grund  liegt 
in  der  verhältnismfifsigen  Gröfse  der  im  Chiba-ken  gebraucliten 
Fahrzeuge.  Kamentlich  an  dem  Fange  der  Sardinen  (Iwashi, 
Aji,  Tatsukuri)  nimmt  dieser  Bezirk  einen  lebhaften  Anteil.  Nach 
der  wohl  nkht  sehr  in^llständigen  Ph)dnktionsstatistik  wären 
1887  von  den  genannten  3  Fischen,  gesalzen  und  getrocknet, 
8230000  kg  in  Chiba  hergestelh,  an  Fischguano  5620000  kg, 
an  Thran  01200  kg.  Auch  die  l^roduktion  von  gesalzenen 
Makrelen  und  Thunfisch  (Shibi),  von  getrockneten  Museheln  n.  s  w. 
ist  erheblieli  .  Sehr  wichtig  ist  für  den  Frischtischlang  die  Nähe 
eines  so  bedeutenden  Verbraucbscentrums  wie  Tokyo. 


'  Für  1><87  ist  für  die  '\H  maritimen  Bezirke  neben  der  Zahl  der 
Haushaltungen  auch  die  Zahl  der  lionifsthiitipen  angegeben,  nämlich 
:V>0  602  im  Hauptberuf  und  .M4r)87  im  ^^  bonberuf.  Das  Statistische  Amt 
macht  aber  selbst  darauf  aufmerksam  (Jahrb.  VIII  126),  dafs  die 
Zahlen  sehr  uiisiclicr  seien.  Sie  sollen  die  wirklich  Thüti^en  umfassen, 
Männer  wie  Frauen,  aber  wohl  nicht  blofs  die  eigentUcheu  Fischer, 
sondern  auch  die  bei  der  weiteren  VenurbeiUiDg  Beecbu^en.  —  Naeh  der 
von  Ben  ecke  (Sehönbcrffs  Handb.  der  Pol.  Ökonomie,  2.  Aufl.,  II  :I1S  f.) 
gemachten  '/n^nmmf  iiFtpflung  wären  in  iinr\7  Grofsbritannien  109  200 
Pischer  untl  Jungen,  in  Frankreich  ü2 200,  m  Uulun  81  000,  in  den  Ver- 
einigten Staaten  101684  and  29  742  am  l  fcr  Hcsohiifti<  tc  Dw  aiod 
allce  Zahlen,  die  hinter  denen  JnpnTi?  prheblicli  /.urückHtenen. 

'  In  fiinf  der  fehlenden  liezirke,  baitama,  Gamma,  Tochigi,  »Shiga 
and  Oifii,  waren  1884  .SAIH  Fitcherooote.  Die  Geeamtnhl  mag  abo 
285000  betragen. 

^  im  über  a  000  000  kg  Salz -Shibi,  ol2000  kg  getroeknete 
Musi^heln. 


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364 


X  4. 


Neben  dem  Ohiba-ken  ist  der  buchten-  und  inselreiche  Be- 
ziric  Nagasaki  zu  nennen  mit  9405  Fischerhaushaltungen  im 
Hauptberuf  und  18  207  im  Nebenberuf,  jenes  6,5,  beides  zu- 
sammen 19  Prozent  alier  Haushaltungen.  Die  Zahl  der  Fischer- 
boote  ist  17  240. 

Ein  dritter  wichtiger  Bezirk  ist  Kochi  mit  0242  Fischer- 
haushaltungen  im  Haupt-,  4600  im  Nebenberuf,  jenes  4,i«  Pro- 
zent^ zusammen  8,5  Prozent  aller  Haushaltungen.  Die  Zahl  der 
Fischerboote  ist  auf  5657  angegeben.  Ein  Hauptprodukt  der 
Gegend  ist  getrockneter  Thun&^y  der  in  der  japanischen  Küche 
so  wichtige  Katsuobushi'. 

Einen  erheblichen  Anteil  der  Bevölkerung  bildeten  die 
Fischer  noch  in  folgenden  Bezirken: 

Zahl  der  Ftseherhaus-  Prozent  der  im  Bezirk  vor*  Zahl 

haltunp-en  handenen  Haunhaltun^eu  der 


im  Haupt- 

im Neben- 

im Haupt- 

> Uberhaupt 

Fischer- 

beruf 

beruf 

beruf 

boote 

Yamaguchi 

7  560 

5  698 

4 

10  547 

»Sliimane 

5570 

7394 

3,1 

8,7 

11480 

4385 

3728 

3,4 

6,8 

5411 

Miye 

4586 

7026 

2,0 

6,6 

10189 

Kanagawa 

4672 

4634 

2,0 

5,8 

7  552 

Tottori 

2068 

4125 

2,6 

7,0 

2  370 

Iwate 

2  677 

4  533 

2,6 

6,0 

6  03<  • 

Kumamoto 

5  003 

6  734 

2,8 

5,6 

7312 

IVIiyazaki 

1718 

3115 

2,1 

6 

2  4 '»5 

Shizuoka 

3  843 

15176 

2 

6810 

Ehime 

6477 

14267 

2 

6,5 

1554U 

Kagoshima 

4124 

7057 

2 

5,B 

5364 

Ganz 

besondere 

l)edeutun|]: 

hat  aber 

die  Fischerei 

1  in  dem 

Kolonialgebiete  des  Nordens,  dem  Hokkaido.  Von  67  544  Haus- 
haltungen Uberhaupt  betrieben  9524  (14,i  Prozent)  die  Fischerei 
als  Hauptberuf,  9174  ab  KebenbOTuf,  zusammen  also  fast  28 
Pkt>zent.  Namentlicfa  der  Lachsfang  ist  ergiebig  und  veraorgt  das 
ganze  Binnenhmd  mit  Salzfiscli.  Die  Produktion  an  gesalzenem 
bhake  und  Masu  wird  fiir  1887  auf  19V  2  Millionen  Kilogi-amm 
angegeben.  Da  die  Seeprodukte  des  Ilokkaido  meist  besteuert 
werden,  so  sind  ziemlicli  eingehende  Angaben  vorhanden  über 
den  Fang.  Er  hjttte  danach  1887  betrajren  gegen  13<J  Millionen 
Kilogramm-  im  Werte  von  526600O  Yen.    Im  allgemeinen 


'  Das  Ftschfleisch  wird  in  Stücken  getrocknet,  welche  Gestalt  und 
Feotiffkf'it  eines  Wetzsteine»  annehmen.  Zorn  Geniifa  werden  sie  pesi  habt. 

'  Diese  Zaiü  hat  nur  annähernden  Wert.  Die  Angaben  sind  ge- 
macht in  Koku  (180  Liter).  Ich  habe  den  Koku  mit  125  kg  angesetzt, 
wie  es  dem  Verhältnis  entspricht,  welches  ich  für  die  Pirodakte  fand,  bei 
welchen  aufserdcm  Gowichtaangaben  vorli^en. 


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X  4. 


365 


ffüt  nur  der  Luchsfang  für  besonders  eintrttglich.  Dio  anderen 
Hauptprodukte,  Kombii  (Seetang,  14S()U0  Kokii)  und  Dünirer 
(namentlich  aus  Heringen,  l^-ST:  Ö5  Millionen  kg),  lassen  in  un- 

S Rostigen  Jahren  nur  einen  öpSrlicheti  Gewinn*.  Da<»  erwähnte 
ahr  1887  mufs  ein  glinstiges  gewesen  sein ,  da  die  Preise 
vieler  Produkte  relativ  hoch  wai'en  und  die  später  zu  besprechende 
EHdchteruiig  in  der  Besteuerung  eintrat.  In  aen  vorhei  gega  ngenen 
Kntenjahren  hat  namentlich  auch  die  Hokkaido-Fiacherei  aämer 
^,elitten.  Der  Wert  der  Produktion  war  1882  6020000  Yen, 
1885  nur  mehr  4  473<m>m  Yen,  namentlich  InfMlice  der  abnorm 
niedrigen  Preise  iiir  Fisehdiinger,  welche  ihren  (irund  wohl  in 
der  Kot  der  liimllichcn  Bevölkerung^  hatten 

In  iinuz  Japan  wären  nach  der  Produktionsstafi-tik  Iiir  lss7. 
der  voUstimdigsten  mir  bekannt  gewordenen,  an  ge,salzt:nem  Fisch 
(8  Arten »  rund  .'^7  Millionen  Kilogiamm  erzeugt,  an  getrockneten 
Seetieren  (darunter  5  Arten  Fische,  3  Arten  Muscheln,  3  Arten 
andere  Tiere)  45  lAillionen  Kilogramnn,  femer  an  Fischdtlnger 
106  Millionen,  an  Thran  8  Millionen  Kilogramm. 

Die  japanische  Fischerei  hat  auch  eine  ziemliche  Bede  utu  ng 
für  den  Ausfuhrhandel,  dem  sie  '  in  Werte  nach  5-(i 
1 'rezent  der  g^^n/rn  Ausfuhr  liefert.  Die  Summen  waren  1803: 
2370nii0  Yrn    1—-:  STiniMUM)  Yen. 

In  der  1  lau pt-ache  gehen  diese  Waren  nach  China.  Für 
Europa  sind  nur  einzelne  Produkte  wichtig  (Kanten  oder  Agar- 
Agar,  Thran,  Muschelschalcuj.  Der  Menge  nach  i>ind  von 
eintg^  der  wichtigsten*  Artikel  aufgeführt  (in  Pikui  k  60  kg) 


1877 

Eomhu  (Alge)  291657 
Surume  (Getrockneter 

Tintenfisch)  24584 
Getrocknete  Awabi 

(Muschel)  5610 

Trepnnp:  5292 

liailischtioisen  1  177 

Kanten  (Algen- (Jallert)  11205 

Getrocknete  Garneelen  1  281 


1881 

1885 

1888 

818502 

831 711 

837494 

*  27606 

71737 

81804 

8  550 

13347 

13  500 

5  7^0 

y  329 

7  224 

1  7h8 

20H6 

3118 

13nii5 

15446 

13368 

2250 

6247 

15680 

*  Vgl.  den  sehr  lehrreichen  Aufsatz  von  N.  Seki,  Über  die  Lage 
des  Hokkaido  iai  Somm<  r  IHMfi;  aus  dem  Nichi  Nichi  .Shimbun  Ubersetzt 
in  Japan  Weekly  Mail  VI  und  4A7.  Nach  den  von  ihm  mit- 
geteilten Hercchnungen  wurde  bei  den  damaligen  Preisen  sogar  Schaden 
geimebt,  wo  HeringS'  oder  Konlnifisc  herei  allein  betrieben  wurde.  Da> 
irr  2-£Ti  würden  hei  sonst  gleichbleibenden  Kosten  die  HerjogB|ff^fle  TOB 
i>bl  einen  ansehnlichen  Gewinn  ergeben. 

*  NSulich  «olebe,  welche  einen  Wert  von  mehr  als  100  000  Yen  im 
Jabve  1688  hatten. 


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366 


Das  Gewicht  aller  1888  ausgeftihrten  namentlicli  aufge- 
zählten efsbaren  Seeprodukte  war  rund  28  700000  kg,  auläerdem 
ÖÜOOOO  kg  Mufichelfichalen. 


IV.  Salzgewinnung. 

Zu  den  Seeprodukten  mub  man  auch  daa  für  den  Binnen- 
Jiandel  00  auTserordentlicb  wichtige  Salz'  rechnen,  da  das  in 
Japan  verzehrte  Sab  fast  ausnahmslos  durch  Verdampfung  von 

Seewasser-  irewonnon  wird.  Die  Salzgewinnung  wird  nur  durch 
die  auf  »kii  Salzgäiten  am  Strande  ruhende  (Grundsteuer  belajstet 
(vgl.  uuten  das  Kapitel  (Jrnndsteuer).  Aus  klimatischen  und 
örtlichen  Gründen  tindet  sich  die  Salzproduktion  liberwie^xend  in 
den  um  die  Inlandsee  liegenden  Bezirken  von  Honsliu  und 
Shikoku'.  In  ganz  Japan  betrug  1887  die  Fläche,  die  zur 
Salzgewinnung  verwendet  wurde,  7191  Cho  mit  einer  Produktion 
von  5710617  Koku  Salz*.  Davon  kamen  auf  die  I'ezirke 
HyogO;  Okayaina,  Hiroshima,  Yamaguchi,  Tokushima,  Ehime 
51>  Prozent  der  FiHche  und  7G  Prozent  der  Produktion,  nämlich 
424U  Cho  und  4  314  780  Koku.  Von  den  anderen  Bezirken 
sind  Tuir  in  Ishikawa  und  Aiehi  je  über  20nf)00  Koku,  in 
Fukuoka,  Oita  und  Kuinainoto  je  über  lUOOOO  Koku  i^ewonnen. 
In  jenen  sechs  übeiwiegenden  Bezirken  (d.  Ii.  den  1<1 
Provinzen  Harima,  Bizen,  Biehu,  Bingo,  Aki,  Suwo,  Nagato, 
lyo,  Sanuki  und  Äwa)  haben  sich  die  Sahsproduzenten  Mitte  der 
aiebsEieer  Jahre  zu  einer  Gilde  zusammengeschlossen,  nsichdem 
die  alte  soigf^ltige  Regelung  von  Produktion  und  Handel  mit 
der  alten  Ordnung  verschwunden  war.  Der  wesentliche  Zweck 
der  Vereinigung:  selioint  die  \'frhindenin{^  von  Uberproduktion 
und  Ausgleichung  der  Konku»*renz  zu  sein.  In  den  günstig 
gel^enen  Salzgärten  winl  nur  vom  1.  Aprü  bis  SO.  September 
gearbeitet,  in  uagünsliger  gelegenen  je  nach  der  Klasse  15  —  150 
Tage  länger.  Die  Einteilung  der  Salzgärten,  die  also  von 
grolser  Wichtigkeit  ist,  hat  gelegendidi  su  solchem  Streit  gefUhrt, 


'  I  ber  die  Salzgewinnung  in  Jupau  giebt  es  einen  englischea  Kuii- 
sularbericht  von  Wileman,  abgedruckt  in  Japan  Weekly  Mail  (1^) 
XI 

^  Die  geringen  nach  der  amtliclieu  .Statistik  gewonaeneu  Mengen 
Htdnsalz  (1887:  6000  kg)  haben  keineriei  Iledeutung.  über  Verwendung 
von  Sole  zur  8al^ewinuuug  ist  mir  nar  eine  vereinzelte  Kotis  aas  dem 
Kagoshima-ken  zu  Cxcsidif  t/ekoinmen. 

*  Vgl,  die  von  Hann  veröfFentlichteu  Kartogranune  über  den 
Hegeufal^  in  den  Pertheaeehen  Oeographischen  Mitteilungen  1888. 

*  Den  Koku  y.u  l'i"  kjr  irercrhnot  wären  da«  f^">i'T1  'l'onnen,  gut 
17,5  kg  auf  den  K,upt'  der  Bevölkerung.  Im  Durchsciiuitt  der  10  Jahre 
1878-IH87  war  die  Produktion  aber  jährlich  nur  4614150  Koku  — 
'»•>:!  700  Tonnen  oder  nicht  ganx  Vt  kg  auf  den  Ko|if,  immer  noch  eine 
sehr  hohe  Zahl. 


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X  4. 


3C7 


dftis  die  Existenz  der  GUlde  in  Ge&hr  war,  obgleich  ihr  vom 
Staate  das  Privü^  des  awangsweisen  Beitritts  aller  Intereasenten 

verliehen  ist. 

I)»'r  Preis  des  iibrip:ens  ziemlirli  unreinen  Produkten  hat  in 
den  letzten  Jahren  im  Durehöchnitt  aller  Marktorte  betragen 

1885  1,4*^  Yen  fUr  den  Koku 

1880  1,3.;  -      -  . 

1887  1,1..  .... 

1888  1,0«  -  - 

1881»     1,48      -       -  - 

Die  Prt'i^e  sind  im  Binnenlantle  bei  lien  herrödienden  Trana- 
portverhiütnissen  crlH'blich  höher  als  an  der  Küste,  So  ko.stf^te 
der  Koku  1887  im  Vamagata-ktii  in  Tsurugaoka  nahe  der  Küste 
1  Yen,  in  Yoneasawa  im  Binnenlande  2»4o  Yen,  in  Wakamatsu 
BOgar  3,34  Yen.  Ähnliche  Kontraste  finden  sich  mehr,  so  Taka- 
oka  (Toyama-ken)  <\<>  .  und  südlich  davon  Takayama  2y<i  Y«i; 
Tokyo  1,01  Yen,  Hachoji  1,?«  Yen,  Kofu  2,».%  Yen;  oder  nord- 
westhcli  von  Tokyo:  Kawagoe  l,8i,  Takasaki  l,ft6,  Ueda 
2,88  Yen  u.  s.  w. 

Aut't'allend  ist  das  hctti^^e  iSehwanken  der  Salzpreise,  die 
z.  Ii.  in  Tokyo  nach  jedem  starken  Sturme,  ehe  mau  noch  weils, 
ob  Schaden  aa  den  Salzgärten  augerichtet  ist,  stark  iu  die 
Höhe  gehen,  z.  B.  nach  dem  grolsen  Stmm  vom  11.  September 
1889  am  nächsten  Tage  auf  das  Dreifache!  August — September 
haben  regehnttl'sig  höhere  Preise  als  Mai-  Juni.  Wie  oei  den 
Beispreisen  folgen  auch  hier  unmittelbar  die  Detailpreise  den 
Grolspreisen  bei  der  Aufwärtsbewegnng,  langsamer  dag^;en  bei 
der  Abwärtsbewegung. 


V.  Der  Bergbau  ^ 

Die  Vorstellungen  von  dem  ungeheuren  Minernlreichtum 
Japans  :jind  liingst  verHogen.  Die  zahlreicheu  Lntersuelmngen 
fremder  Ingenieure  haben  gezeigt,  dals  aul'ser  Kupfer,  Kohlen 
und  Schwefel  grolse  MincraLchätze  nicht  vorhanden  sind. 

Unter  der  alten  Ordnung  waren  die  wichtigeren  Bei^gwerke 
In  Hflnden  des  Bakufu  und  der  Landesherren.  Unbedeutende 
Gruben  waren  in  erheblicher  Zahl  PriTatuntemehmem  sur  Aus- 


'  uiti  wichtigdtea  Veröfi'eutlicbungcu  über  japanische  Bercwesen 
bei  Bein  II  346,  namentlich  die  avch  ebf^lisch  (Tokyo  1879)  enc6en«ne 
Abhandhuig  von  C.  Netto,  Uber  japanisches  Herg-  und  Hüttenwesen, 
Mitteilunf^en  der  Deutschen  Gosellscuaft  Ostasiens  II  :?f)7  ff.  -  Dazu 
kommt  uoi-h  an  neuereu  \'erütientlichuiigen  A.  Mezgoi,  Einiges  iiber 
Bergbau  uiul  Hfittenwesen  in  Japan »  Mitteilungen  u.  s.  w.  III  408 
<li<M),  und  B.  Roesing,  Mitteilungen  aus  Innai,  a.  a«  O.  &  415. 


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3G8 


beutiing  Uberlaasen.  Schon  die  alte  KegieruDg  hatte  angefangen 
fremde  Ingenieare  zur  Hebung  des  Bergbaus  heranzuziehen.  Die 
neue  Regierung  setzte  dies  fort.  Teils  auf  den  alten  Staatagruben, 
ti'ils  auf  neu  vom  StiUite  eröf!neten  oder  übernonimoTieri  ^  Werken 
wurde  der  Betrieb  nach  europiiisc  hen  Methoden  eingctidirt.  Arge 
^lifsgriffe  und  Verschwendung  sind  dabei  vorgekommen-.  ]^»ei 
der  Einschränkung  aller  Staatsthiitigkeit  auf  gewerUichem 
Gebiets  seit  1880  entledigte  sich  der  Staat  vor  aUem  seiner 
Beiwerke.  Im  Jahre  18d0  waren  in  Staatsbesitz  nur  mehr  die 
Kohlengrabe  von  Karatsu  und  die  Eisengniben  von  Hiroshima. 
Die  Gold-  und  Silbergraben  von  Sado  und  Ikuno  sind  1889  zu 
Krongut  fkais.  Hausvermögen)  erklärt.  AUe  anderen  Bergwerke 
sind  teils  aufgegeben  (so  Kamaishi,  nachdem  es  grofsc  »Summen ^ 
verschlungen  hat),  teils  billig  verkauft.  Genau  sind  die  Auf- 
wendungen des  Staates  kaum  nachzuweisen.  Der  Kapiüdaufwand 
—  unter  Ausschluis  von  Zubufse  beim  Betrieb  —  wird  allein 
für  die  Bergwerke  von  Sado,  Ikuno,  Müke,  Ani,  Innai,  Kosaka, 
Aburado  und  Kamaishi  auf  rund  9  Millionen  Yen  angegeben. 
Was  die  seit  dem  1.  April  1889  zu  Erongut  erklärten  Graben 
Sado  und  Ikuno  betri£ft,  so  war  1887/88 

das  Alllage-   die  Be-  die  Ein«       der   das  Kapital 
kapital    triebsan»-  Dshme     Kein-  also  rer* 
gäbe  gewinn  zinat  mit 

Yen         Yen       Yen  Yen 

fdr  Sado  (Oold 

und  Süber)      1  41*0  920  227  449  338151  110702  7,4 

seit  1869 

für  Ikuno  (Gold, 

Silber,  Kupfer)  1644583   84065  129066  45001  2,? 

neit  \Hm 

Doch  war  das  Jahr  erheblich  gtUistiger  als  seine  VoigUnger. 

Das  einzige  Staatsbergwerk ,  welches  wirklieh  gute  Ertrüge 
abgeworfen  hat,  ist  die  Kohlengrube  Miike,  welche  1887  88  einen 
Reingewinn  von  2^^5103  Yen  ergab.    Sie  ist  Anfang  1889  an 

die  Mitsui  Russan  Kwaisha  verkauft. 

So  «gehören  jetzt  fast  alle  Her^'werke  Privaten.  Rechtlich 
stellt  allerdings  Japan  anl  drin  Standpunkt  des  Regals.  Alle  Berg- 
werke sind  Eigentum  dea  Staate,  der  ihre  Ausbeutiuig  Privaten 
gestattet.  Man  hat  daher  folgerecht  auch  die  Bergwerksabgabe 
in  den  letaten  Budgets  nicht  mehr  unter  die  Steuern  gemlt^ 

'  So  iifunontlieli  die  Gruben  in  Akita  nach  »lern  Zusammenbruch 
il»  r  Uuo-iiaiik,  iJez«?uiber  li<14,  und  die  Hiroshima-Gruben,  November  187ö. 

-  Vgl.  die  scharfen  Urteile  bei  Rein  (II  jM8),  der  sonst  so  wohl- 
wollend urteilt,  aucli  den  citierton  Aufsatz  von  A.  Mezger. 

^  Nach  den  amtlichen  Abrecboungeu  war  für  Kamaishi  die  „Aus- 

fabc  fUr  Ncuanlagen*"  (also  mit  AnncEiafii  aller  Betriebnuagaben)  von 
K74  bi»  Februar  1^  22002^6  Yea.   Stat  Jahrb.  IV  137. 


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X  4. 


369 


sondern  unter  die  „TerBchiedenen  Einnahmen  ^ .  Unter  den  G  ruben  • 
besitzern  sinrl  einige  Magnaten,  welche  meist  erst  in  der  Neuzeit 
(lif  Stellung  errungen  haben,  wie  Iwasaki  und  Furukawa,  der 
die  ^Tolsen  Kuptergruben  von  Ashiwo,  Ani  und  Innui  und 
eine  Kaftinieranstalt  in  Tokyo  hat.  Einzelne  der  Besitzer 
bind  aber  schon  seit  alter  Zeit  grolse  Unternehmer,  so  nanieut- 
lich  Sumitomo  in  GAaka,  deeaen  Haus  schon  mit  den  Hol- 
Ittndern  in  Verbindimg  stand.  Diese  grofsen  Werke  suchen 
möglichst  mit  fremden  Methoden  und  ^laschinen  su  arbeiten ,  in 
neuster  Zeit  anscheinend  mit  gutem  Erfolge.  Daneben  bestehen 
aT>er  noch  zahheiche  gan?  kleine  Betriebe  primitivster  Art,  in 
welclien  vielfach  nicht  einmal  das  ganze  Jahr  gearbeitet  wird, 
sondern  nur  in  den  Zeiten,  wenn  dir  Bauern  sonst  wenig  be- 
schäftigt sind.  Wie  man  es  hier  mit  Bergarbeitern  zu  thun  hat, 
welche  eigenthch  Bauern,  nm'  nebenher  Bergleute  sind,  so  scheint 
überhaupt  die  Arbeiterfinge  eine  Uauptschwierigkeit  fUr  das 
Gedeihen  des  japanischen  Bergwesens  au  sein.  Ein  gelernter 
Bcrgmannsstand  mit  festen  Sitten  und  Traditionen  fehlt.  Die 
Verwendung  von  Sträflingen  in  den  Gruben  hat  noch  nicht  ganz 
aufgehört,  tvot?.  seldimmer  Erfahrungen,  wie  Meutereien  und 
Inbrandsetzung  von  Kohlengi'uben.  Auch  die  freien  Arbeiter 
gehören  vielfach  den  untersten  Seliiehten  an.    Der  Ik-rgmann 

fehört  zu  den  schlechtest  bezaldten  Arbeitern  in  Japan  \  Es  ist 
ezeichnend,  dals  gröfsere  (i  ruben  Verwaltungen  die  Arbeiter  in 
einer  Weise  dnsperren,  die  einem  Europäer  doch  als  bedenkliche 
Freihdtsbeschrfinkung  vorkommt  Die  Insel  Takashima  (Japans 
gröfste  Kohlengrube,  MItsu  Bishi  (  Jesellschaft)  kann  kein  Arbeiter 
ohne  Erlaubnis  verlassen.  In  Ashiwo  (der  gröfsten  Kupfergrube^ 
Furukawa)  haben  die  Arbeiter  Verkehr  mit  der  Aufsenwelt  nur 
verniittt'lst  einer  sehart  konti'ol Herten  Brücke  tlber  einen  tiet- 
eingerissenen  Bergstrom  mit  senkrechten  Uferwändeu.  Sind  die 
Arbeiter  eine  schlimme  Gesellschaft,  so  ist  anderseits  ihre  Lage 
keine  erquickliche.  Sie  sind  fast  immer  in  der  Hand  von  Mitteb- 
mttnnemi  Kontraktoren,  deren  Vermittlung  den  Arbeitgebern 
sehr  bequem  sein  mag,  aber  su  arger  Ausl^utuog  der  Arbeiter 
Alhrt.  Das  sicher  yoiiiandene  Wohlwollen  der  grofsen  Unter- 
nehmer kommt  dem  dnzelnen  Arbeiter  infolgedessen  nicht  voll- 
ständig zu  gute^. 

>  Im  Jahre  18^7  w»r 


*  Heftige  Anklapren  in  der  Presse  L'ocretj  die  Verwaltunc  der  Taka- 
«himagruben  fülulun  zu  einer  eingeheiuitni  Uutersuchung  ücr  dortigen 
Zustände  im  Juui  und  August  iSM^-i.  Die  Itericbte  <larüber  ( Japan  Weekly 
Mail,  ]tmy  X  (m  ff.  Ull  i  ^m)  geben  ein  lehrreiche»  Bild  der  frQheren 


in  ^iike  lö,-) 
in  den  Uiroshiina-Gruben  12,9 


ForMfauAgen  {ih)  X  4.  —  KAtligen/ 


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370 


X  4. 


Der  Manf;el  an  gelernten  Arbeitern,  an  Steigern,  an  genügend 
gebildeten  und  geübten  Technikern  wird  von  Sachverstiindignn 
als  der  wesentliche  Grund  aTii::csehen,  warum  das  japanische 
Bergwesen  nicht  höher  entwickelt  ist 

Nach  den  Zahlen  der  Prodiiktionsstutistik  ist  aber 
ein  erheblicher  Fortschritt  in  den  letzten  Jahren  nicht  zu  ver- 
kennen ,  wenn  der  Zuw^achs  auch  zum  Teil  aus  genauerer  Er- 
hebung der  Förderang  in  Privalgruben  stammen  mag.  Die 
Produktion  der  bauptsädilichsten  £rzeug:m8Be  bat  sich  foigender- 
mafsen  entwickelt: 


Gold 
Silber 

Kupier 

Eisen 
Blei 

Antimon 

Zinn 

Steinkohlen 

Schwellt 

Erdöl« 


lfe75» 
kg 

175 

7011 

f 

2407 
3447 

? 
? 

567221 
? 
? 


1878 

kg 

273 

9891 
t 

4256 
10167 
302 
173 
6.« 
679  707 
2152 
2838 


1881 

305 

17908 

t 

4772 
16375 
260 
390 
19,,. 
925 198 
698 
2658 


1 


1884 
k» 

275 

22901 
t 

8889 
11862 
S7 
lluu 
27,9 
139937 
4279 
932 


1887 
kg 

521 

35618 

t 

11064 
15268 
386 
51« 
95,11 
669  730 
10781 
1325 


Ks  handelt  sich  durchweg,  wie  man  sieht,  um  verhältnia- 
mäikig  geringe  Mengen.  VäkswirtBcbaftlich  erhebliehere  Be- 
deutung haben   bisher  nur  Kohlen,   Kupfer   und  allenfaUs 

Silber.  Kohlen  und  Kunfer  werden  Uber  den  Bedarf  des 
Landes  produziert  und  bilden  einen  immerhin  beachtenswerten 
Teil  der  A  u  s  f  u  h  r.  Die  Kohlenausfuhr  ist  ganz  rcc^elmUfsig 
gewaclisen  von  rund  25000  Tons  im  Jahre  1868  aui"  -20(1  0(H) 
im  Jalire  1875,  fast  300000  im  Jahre  1881,  auf  540U0U  im 
Jahre  1884,  weiter 


schlimiucn  Znsfitiule  und  der  gr<>r?:<'i)  durch  die  Mjt.^ii  Hisln  Gesellgcliaft 
eingeführten  V  erbesserungen,  aber  auch  der  bösen  Itolle  der  Mittelsmänner 
(Na^agflslnra.  ^  Baracken vorsteher"X  denen  die  Arbeiter  in  ausgedehutem 
Malse  verschuldet  waren. 

'  Die  Zahlen  hoziehpn  ?ich  nnr  bei  den  privaten  Hofrieben  auf  das 
KaJcndcrjahr ,  iür  die  Staatsbetriebe  auf  das  Finanzjahr,  dessen  erster 
Teil  in  das  betreft'ende  Kalenderjahr  ftllt.  Rei  den  Staatsbetrieben  be* 
ziohnn  a\ch  die  Zahlen  oicht  auf  die  produzierte,  sondern  anf  die  ver* 
l^aut'te  Mcn^e. 

*  Die  I'abello  giebt  VM22  Kwamme  ^  öl  4'i^!  kg,  was  aoch  mit 
der  Summe  der  Einzelposten  stimmt.  Die  Zahl  ist  aber  unzweifeUiatf 
f:il-f  l'  wie  Rchon  der  Vergleich  mit  den  Exportziffem  —  i^^^f.  '-'s  durch- 
schnittlich OCM)  kg  —  zeigt.  Es  fehlt  die  Produktion  der  Haupt- 
gegend Ijo  (Ehime-lsen),  1886:  H5.>776  kg. 

»  In  den  Jahren  ISS4  and  1887  benehen  sich  die  Zahlen  «nf  taffi<» 
liiertes  Ol. 


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371 


1886  auf  669043  Tons 

1887  -     704935  - 

1888  -     975  289  - 

1889  -   1053821  - 

Die  Kupferausfuhr  hat  sehr  geschwankt.  Anfang  der 
fliebsoger  Jahre  fand  starke  Ausfuhr  von  altem  Kupfer  (aucli 
alter  Bronze)  statt.  Von  l^7<>  t  im  Jahre  1872  sank  die 
Ausfuhr  von  Kupfer  aller  Art  bis  1880  auf  1535  t.  Seitdem 
stioK  sie  bia  1884  auf  5217  t,  1888  auf  9649  t,  1889  trotz  Kupfer- 
ki-achs  auf  10105  t. 

Die  Ausfuhr  von  Antimon,  welche  er^t  seit  1882  gesondert 
nachgewiesen  ist^  schwankt  gleich&lls.  Sie  war  am  geringsten 
1884  mit  989  am  höchsten  1885  mit  2277  t  und  ist  bis  1888 
wieder  auf  1312  t  zurückgegangen,  1889  aaf  1500  t  gestiegen. 

Ebenso  ist  die  Schwefelausfuhr  sehr  ungleichroärsi^.  Sie 
Uberstieg  1874  zum  erstenmal  1000  Tonnen,  stieg  1881  plötz- 
lich auf  380()  Tonnen  und  erreichte  1^^7  8775  Tonnen,  sank 
aber  188«  wieder  auf  6856  Tonnen,  um  1889  plötzlich  auf  20112 
Tonnen  anzusteigen. 

Aiiiiuie  mineralische  Produkte  kommen  fUr  die  Ausfulur 
nicht  in  Betracht.  Dagegen  rächt  bei  den  mästen  Metalien  die 
Ftodnktion  dir  den  inJftndischen  Bedarf  nicht  aus.  So  findet 
einige  Einfuhr  statt  TOn  Zink,  Zinn,  Blei  (Theeblei!)  u.  s.w. 
namentlich  aber  von  Eisen.  Die  gennge  einheimische  Pircduktion 
kommt  gar  nicht  in  Betracht  neben  den  Einfuhren  von  Roli- 
eisen,  Handelseisen  aller  Art,  Schienen.  Blechen,  XHiipln.  Draht 
u,  «.  w. Für  die  industrielle  Entwickelung  des  Landes  ist  es 
ein  entschiedener  Nachteil,  dal's  es  so  «ehr  auf  das  Ausland  an- 
gewiesen ist  luid  vorauösiclitlich  in  die>Lr  Stellung  bleiben  wird. 

Wie  klein  die  Mehrzahl  der  Bergwerksbetriebe  sein 
vaab,  zeigt  die  Angabe,  dafs  1887  fllr  Bei|;bau  auf  Metalle  2191 


*  Die  Eitieneiufuhr  VaIsI  »ich  dem  (Tewichte  nach  »iclit  augeUeu. 
In  dem  bis  jetit  hiichsteii  Jahre  der  £iaeaeiiifahr,  1888,  wuiden  eiiif^fllbrt 

Mascliiueii  und  Instrumente  (einscbl.  Waffen,  Uhren, 

Wagen  etr  ]  für    ...   674:^901^  Yen, 

Eiseu  und  Stahl  und  Waren  daraus  tür  6  1^9  16C  - 

Von  letzterem  Posten  wsr  bei  AHikeln  im  Werte  von  4  4^9  760  Ten  das 

Gewicht  angegeben  und  betrug  zusammen  120 4:V^  Tonnen,  während  die 
inländische  Produktion  2«mmhi  Tonnen  nicht  erreichte.  AWerdüigs  war 
18i<8  ein  uugewühnlichcs  Jahr.    Die  vier  Hauptposteu  waren 

1XS8  gegen  188» 

Schienen        Ö2  2uO  Tonnen  1 224  Tonnen 

Stabeiaen        20H14      -  1097ß 

Roheisen        20  742      •  7  299 

Nagel  U8M      '  3835  - 

zuaammen  ia5610  Tonnen  23334  Tonnen. 
Wdtere  wiehtigere  Posten  waren  1888  Bleche,  Stahl  und  Draht* 

24* 


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872 


X  4. 


Graben  im  Betriebe  gewesen  sind ,  für  Bergbau  auf  nicht- 
metallische  Mineralien  1495.    Die  Belastung  mit  Steuern  ist 

nicht  bedeutend  und  betrug  1887  21531  Yen,  bei  einem  Werte 
der  IVodiiktion,  der  auf  0  792851  Yen  angep^ebcn  wird  l>oi 
Einreclinung  der  damals  noch  vom  Staate  betriebenen  (Jruben 
erhalten  wir  einen  Ge^sauituert  der  produzierten  Metalle  und 
anderen  Mineralien  von  niclit  ganz  8  Millionen  ^'en'. 

\'on  tler  Goldproduktion  von  1887  kommt  em  Drittel  auf 
Sado,  ein  Viertel  auf  die  Privatbergwerke  in  der  Provinz  Ri- 
kttcbu  (Iwate-ken) Von  der  Silbeiproduktion  kam  reichlich 
ein  Drittel  auf  die  letztgenannte  Provinz,  mehr  als  ein  Fünftel 
auf  Ugo  (Äkita-ken  —  die  Gruben  von  Ani  und  Innai).  Auch 
Iwashiro  (Fukushima-ken)  und  Sado  sind  von  gröfaerer  Bedeu- 
timg. Kupfer  wird  in  vielen  Teilen  des  Landes  gewonnen.  Hen'or- 
rngende  Bedeutung  liaben  die  Bezirke  Tochigi  (durch  Ashiwo)^, 
Akita  und  Niigata  (Provinz  Eehigo)  im  Norden,  P^himc  (Provinz 
lyo)^  im  Süden.  Die  Eisenproduktion  entötaumit  iast  ausschlierj>- 
lich  dem  wcstliclten  Drittel  der  Ilauplinsel,  Blei  kommt  aus 
Akita  und  Qifa  (Provinz  Hida),  Antimon  aus  lyo  (Ehime-ken). 
Die  Kohlenförderung  kam  zu  mehr  als  neun  Zehnteln  auf  das 
nordweatüche  Kyusliu  Erdöl  wurde  hauptsilchhcli  im  Bezirke 
Hügata gewonnen,  sowie  in  Shizuoka  (Provinz  Totomi).  Scliwefei 
kam  zu  drei  Fünfteln  aus  dein  Uokkaido,  aufserdem  aus  dem 
Süden  von  Kyushu  und  dem  nördlichsten  Teile  von  Uonshu^ 


Achtes  Kapitel. 
Das  Gewerbewesen. 

Vor bc m or k u  11^.  Die  volkswirtscluit'tlicbe  Seite  iles  japanischen 
Gewerbeweseiis  kommt  in  der  Litleiatur,  welche  vor  allem  mit  der 
Technik  japanischer  Kunstgewerbe  sich  befccbälligt  Imt.  bisher  nur  wenig 
zur  Geltung.  Ffir  die  l  eciiiiik  i^t  das  Hauptwerk  jetzt  Keias  Japan 
]l  87H^95,  wo  auch  die  frühere  Lilteratar  angeföhrt  ist,  namentlich 


*  Über  das  hier  nicht  berücksichtigte  Salx  siehe  den  vorigen 
Abschnitt 

*  Namentlich  das  bekannte  Herffwerk  Kosakn. 

*  Cber  diese  gröfste  japanische  Kupt ergrübe  vgl.  einen  guten  eng- 
li^dtcn  Konsulatsherieht  voraFebmar  188y,  abgedracst  in  Japan  Weekly 
Mail(lii87)  VIII      \\\  e>  i—  ^ 

*  In  Ijo  liegt  die  berühmte  Besshigrube. 

»  Vgl.  übrigens  das  Kärtchen  bei  Kein  Bd.  II  „Übersicht  der  Mon- 
tanindttstrie". 


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X4 


373 


die  Arbeiten  vod  G.  Wag  euer  über  Lack  und  über  Porzellan  etc.  (iu 
IKnglers.  Journal)  und  von  E.  de  Bavier,  La  Siridcalture  au  Japon. 
1874.  Uber  die  von  Rein  wenig  berficksichtigten  Bauhandwerke  viele 
Notizen  bei  Morse,  Japanese  Homes.  London  1886. 

Vrle  in  der  Landwirtschaft,  tritt  uns  auch  im  Gewerbewesea 
als  wichtigstes  Merkmal  das  Vorwiegen  der  Kldnbetriebe  ent- 
gegen. Japan  ist  ein  Land  der  Handwerker  und  der 

Krämer. 

Unter  der  alten  Ordnung  mit  üiren  unentwickelten 
Vorkeln'sverliältnisson  hatte  der  Regel  nach  nur  der  lokale  Markt 
Bedeutung.  Gewerhliehe  Produktion  lür  einen  gröl'seren  IVIarkt 
bestand  nur  in  b&schränktem  Mafse.  Sie  war  zum  Teil  dadurch 
ermöglicht,  data  Osaka  ein  allgemeiner  Verkehrs-  und  Austausch- 
mittelpunkt  war.  Die  Eunstweberei  von  Kyoto,  seine  Porxellan- 
Fabrikation,  die  grofse  Sakeindustrie  jener  dregend  waren  lebens- 
föhig  durch  den  Markt  in  Osaka.  Wo  in  anderen  Gegenden 
besondere  Gewerbszweige  fltr  grüfseren  Absats  arbeiteten  (Por- 


fast  immer  eine  staatHche  ( »rganisation,  wr*lrlie  die  Produktion 
regelt,  dem  Produzenten  das  Krzeugniö  zu  testen  Preisen  abnimmt 
und  ftir  den  weiteren  Vertrieb,  namentlich  auf  dem  Markte  von 
Osaka,  sorgt.  Aber  auch  wo  solche  Produktion  lur  einen 
größeren  Markt  stattfand ,  geschah  sie  durchweg  in  kleinen  Be- 
trieben. Fast  nie  hatte  der  Weber  mehr  als  cwei,  höchstens  drei 
Websttihle.  I lausind ustnelle  Organisation  herrschte  vor,  indem 
die  lande-sherrlielie  Regierung  oder  die  den  Absatz  vermittelnden 
Kaufleute  dei:  Kohstoflf  oder  (jeld  vorschössen.  Einfaelie  Lohn- 
arbeit, aber  in  der  eigenen  Wohnung,  war  in  der  Weberei  sciion 
hJinfig.  (irölsere  selbständige  Betriebe  kamen  nur  in  einigen 
Ka|>iU4l  erlordernden  Gewerbszweigen  vor,  namentlich  in  der 
Sakebx'auerei. 

Mit  d^  neuen  Ordnung  fiel  die  staatliche  Regelung  der  Pro- 
duktion und  des  Absatzes  weg.  Im  librigen  aber  blieb  die 
alte  Organisation  bestehen.  Als  Vermittler  zwischen  dem  kleinen 
hausindiistriellen  Meister  und  dem  Markt  trat  an  Stelle  des  Beamten 

der  Händler.  Das  Kunstgewerbe  t'and  seine  Stütze  nicht  mehr 
an  Hunderten  kleiner  Hofhaltungen,  sondern  an  den  Exporteuren. 
Dafs  diese  Veränderung  nicht  zur  socialen  Hebung  des  Hand- 
werkerstandes beigetragen  hat.  braucht  kaum  hervorgehoben  zu 
werden.  Es  ist  schwer  ziihlenmälsig  nachzuweisen,  aber  scheint 
mir  nach  allen  firkundigungen  wabrseheinlich ,  dafs  namentlich 
in  den  fUr  den  Export  arbeitenden  Gewerben  die  Abhängigkeit 
der  Handwerker  von  den  Kaufleaten  mehr  und  mehr  zunimmt. 

Die  gewerblichen  Verhältnisse  gehen  einer  tiefgreifenden 
UmwUlzung  entgegen,  von  welcher  jetzt  erst  die  Antjins^e  zu 
bemerken  sind.  Der  sich  mehr  und  mehr  ausdehnende  aus- 
wärtige Handel,  die  Umgestaltung  der  Verkehrsverhiiltnisse ,  die 
Beseitigung  der  alten  rechtliclien  und  socialen  Gebundenheit  des 


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374 


X  4. 


ErwerbalebenB,  das  Eindringen  neuer  Erwerbszw«  i^i ,  der  Fabrik^ 
der  IfAflchiDe,  das  alles  wirkt  zanilchtt  langsam ,  aber  doch 
unaufhaltsam  auf  eine  völlige  Umwälsung  hin,  auf  die  SchaAmg 
pöfserer  Unternehmungen,  auf  das  Entstehen  eines  bis  jetzt  nur 

u  den  Anfängen  vorhandenen  Lohnarbeitei-standes. 

Die  Trennunj^  ^^cw erblicher  T  Ii  .'t  ti  p  k  o it  vo7i  rlor 
des  IV-nicrii  ist  aut  dem  Land noch  nicht  weit  vorjü:c->chritUin. 
Vieiea  wird,  wenn  auch  in  {reriuger  Qualität,  «locii  billiger  im 
Hause  für  den  eigenen  \  ei  liraueh  hergestellt.  Daü  Iteiö^chitlen 
ceschieht  ebenso  innerhalb  der  Hauswirtschaft  wie  die  Zu- 
bereitung von  Rauchtabak,  von  Mtso,  Shoyu,  Tolii^  u.  e.  w.  und 
von  Sake.  Von  diesem  berauschenden  G^ränk  kOnnen  wir  das 
infolg«'  d<T  Steuergesetzgebung  zahlenmälsig  nachweisen.  Im 
Finanzjahr  1887  8s  waren  für  850000  Haushaltungen  Licenz- 
BChcin»'  zur  Herstellung  von  Sake  zum  Hnufsgcbranch  gelöst,  und 
es  wurden  731  17  Kokii  ]!erc;c^tellt,  neben  einer  gewerljlichen 
Erzeugung  von  3  1  «»4  5 17  Koku .  so  dafs  fast  ein  Fünftel  der 
ganzen  Produktion  auf  dcu  llauhbräu  kam. 

Neben  der  Produktion  zum  eigenen  Verbrauch  suielt  aber 
noch  eme  viel  grOlsere  BoUe  die  gewerbliche  Produlktion  als 
Nebenberuf*  Es  ist  schon  bei  Besprechung  der  landwirtschaft- 
lichen  Verhältnisse  darauf  hingewiesen,  wie  der  japantsehe  Bauer 
vielfiich  auf  Nebenverdienst  nngcwieBen  ist,  um  bei  der  Kleinheit 
der  Betriebe  überhiiupt  bestellen  zu  können.  Fast  in  jedem 
Bauernhause  findet  man  den  Webstuhl,  an  welchem  die  Frau, 
oft  aber  auch  k**uz  junge  Mädchen  nicht  nur  ilen  Hausbedarf 
herstellen,  sonoern  auch  ftir  I^ohn  weben.  Überhaupt  ündet 
sich  gewerbüche  Thiitigkeit  olt  in  solchem  Umfange,  uafs  man 
nur  schwer  entscheiden  kann,  ob  man  es  mit  einem  Bauem 
oder  einem  Handwerker  au  tbun  hat.  Der  Übergang  sum  vor- 
wiegenden hausindustriellen  (bewerbe  ist  ein  flie(sender.  Dodi 
ist  in  manchen  Ciegenden  die  Entwickelnng  so  weit  vorgeaohritten, 
dafß  ein  Oewerbe  der  ( Jegend  ihr  vonviogendes  Gcpnipe  ebenso 
giebt,  wie  andcpü  T^andesteilen  die  Seidenzueht,  so  die  Baum- 
wollweberei  am  Nordrand  der  l  ok^o-Kb  ne  (Ashikaga),  in  der 
Provinz  Yamato  (jetzt  Nara-ken,  früher  Os.ika  fu)  und  ander- 
wärts, die  Weberei  von  BaumwoUHanellen  in  dem  Bezirke  Waka- 
yama,  die  Ponsellanmacherei  in  der  Provins  Owari  (Äichi-ken)t 
die  Papiermacherei  in  verschiedenen  Gegenden  u.  s.  w.  -a^^ 

Neben  dieser  gering  Entwickelnng  der  Arbeitsteilung  auf 
dem  Limde  finden  wir  mden  gröfseren  Städten  im  Handwerk, 
wie  im  Kleinhandel  eine  p^lfso  Ausbildung  der  A  r  b ei  t s  t  eilung» 
deren  Grenzen  wie  früher  durch  den  Zwang  der  Obrigkeit  und 
der  gewerblichen  Korporationen,  so  noch  jetzt  durch  die  bitte 


*  Die  rsnefaiedenea  flir  die  japanisQhe  VolkssnlÜiniiig  ao  wicbtigss 
BohDenprftparste. 


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X  4.  375 

festgehalten  werden'.  So  . ir Hedem  sieh  die  Haugewerbe,  die  Me- 
tall-, die  Lackindustrie,  die  Seidenweberei  von  Kyoto  u.  s.  w. 
in  eine  guun  Bohe  getrennter  Handwerke.  Nach  einer  Mit- 
teilung der  Besirluregierung  von  Tokyo  unterschied  man  dort 
1887  die  ioduBtriellen  Betriebe  in  424  Arten  neben  161  Arten 
von  Kaaileaten.  Dagegen  i»t  die  Arbeitsgliederung  innerlialb 
derselben  Untern' !  t':t;ti::  d:^  ..Arbeitsteilung  der  Manufaktur- 
periode'" nach  dem  iMuster  des  bekannten  Steeknadel-Jieiapieis, 
wegen  der  vorherrMlienden  Kleinheit  der  Betriebe  wenitr  ent- 
wickelt, wenn  sie  sieh  auch  in  einzelnen  Füll^-n  in  ausged<'huterer 
Weise  tindet,  /.  B.  in  (Jlois<>nnefabrik(  n.  i).iUiiL  itängt  denn  auch 
der  individuelle  Charaktci'  japanisclicr  Gewer bäerzeugnLäse,  der 
ihnen  einen  bo  gro&en  Reiz  giebt,  zuaammen.  Mit  der  Nach- 
frage nach  billigen  Exportwaren  nimmt  aber  gerade  die  arbeits- 
gcteilte  ge  wiM-bliche  Organisation  an  Bedeutung  und  A  usdelmung  au. 

Die  Bedeutung  der  einzelnen  Gewerbe  ist  ent- 
sprechend den  abweichenden  Volkssitten  eine  vielfa-  Ii  von  der 
europäischen  abweichende.    Line  Keilie  von  Gewerben,  welehe 
bei  uns  der  Zahl  nach  in  erster  Linie  st<;licn.  haben  ganz  oder 
fast  ganz  gefehlt,  bis  die  Fremden  und  die  Annahme  vieler  west- 
licher Sitten  und  KonsumtioDSgewohnhciten  durch  die  höheren 
Stünde  ihnen  in  den  grtflaeren  Städten  Eingang  verschafflen. 
Mannigßu^  finden  wir  dafUr  Handwerke  in  einer  bei  una  un- 
bekannten Aosdehniing.    Niu*  einige  Hauptbeispiele  mögen  das 
darthun.   Es  fehlte  bisher  der  Maurer,  denn  alle  Häuser  waren 
,   aus  Holz,  es  fehlte  der  Glaser.    Oer  ^?chlosser  hatte  nur  unter- 
geordnete Bedeutung.    Dagegen  ist  der  Giseleur,  der  die  vielerlei 
metallenen  Besehläge  in  Gebäuden  besserer  Art  liefert,  zu  nennen. 
Der  Ziegelbrenner  war  nur  für  Dachziegel  nötig  und  auch  diese 
fanden   nur   beschrankte  Anwendung.     Die  Möbeltischlerei  ist 
Tergleichsweise  sehr  unbedeutend.    An  ilnc  ►Stelle  tiitt  zum  Teil 
das  Gewerbe  des  Mattenflechters.   Bei  dem  einfachen  Schnitt 
gewöhnlicher  japanischer  Kleider  hat  der  Schneider  entfernt  nicht 
die  Wiclitigkeit  wie  in  Europi.    ^^*o  weitse  Wasche  nicht  ge- 
tragen  wird,   ist   auch  die  Waschi'rau  iiberflü.>sig.     Auch  der 
►Seifensieder   fehlt(!      War  nach   Lederarbeit   überhau}>t  wenig 
Kachfrage,  so  war  der  SchuhinaelKr  iMrz  uberHiissig.    An  se  iner 
,St<.|)^.   stehen   die  Leute,   welehe   uie  scischiedenen  Arten  von 
Nuidaitii  und  die  Tabi "  herstellen.    Dagegen  hat  die  Stickerei 
einen  gewerblichen  Charaktei-  und  leidet  nicht  unter  dei"  Kon- 


*  Mitte  der  iMer  Jahre  winde  in  mdoor  Naehbanchaft  von  ISminer- 
l«  iitcn  ein  Bautiadliler  halb  tot  geschlagen ^  wall  er  bei  Reparatur  doea 
llati^ps  eiiira  schadhaften  Pfosten  durch  einen  neuen  selbst  ersetat  hatte, 
siiJbtHit  /.a  dieser  Arbeit  einen  Zimmermann  zu  rufen. 

*  Tabi  heifsen  die  schuburtigen  Socken  mit  abgeteilter  Zebe,  aus 
blauem  oder  Avolftfeni  Baumwollsto«  hergestellt  und  von  jedem  geliagen, 
der  nicht  barl'ufs  geht. 


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376 


X  4. 


knrr  n/.  der  Damen  aus  höheren  SttTiflon,  sehr  r.nm  \'orteil  der 
Teclinik.  Die  universelle  Verwendunp^  des  Papiers  giebt  «h^r 
Papiermacherei  einen  anderen  ('haiakier  als  in  Europa.  Wo 
jeder  einen  Stempel  fuhren  mufs  und  beständig  braucht,  ist  der 
Stempelaehneider  eine  wichtige  Penon.  Der  Fldacher  fehlte, 
der  mcker  war  auf  die  Kucbenhäckerei  bewdirilnkt  Und  so 
Üefse  sich  die  Liste  fortsetzen  auf  den  verschiedeniten  Oebieten 
menschlicher  Bedürfnisse.  Auch  auf  die  anders  geartete  Richtung 
des  Betriebes  gleicher  Gewerbe  ist  hinsuweiflen,  wie  s.  B.  in 
der  Handelsgitrtnerci. 

Nun  dringen  allerdings  auch  unsere  Handwerke  ein. 
In  Tokyo,  in  aen  offenen  TTltfen  finden  wir  I>.ieker  und  Fleischer, 
Maurer  und  Glaser.  Der  Ijlirinacher,  der  Photügraph,  der  Schuh- 
macher, der  „europäische'*  Schneider  findet  sich  in  allen  greiseren 
Orten.  Mit  den  Zeitungen  verbreitet  sich  die  Druckeret  mit 
beweglichen  Lettern.  Aber  sahlenmftfsig  ins  Gewicht  dürfte  das 
alles  einstweilen  do<-h  kaum  fallen.  Im  gröfsten  Teile  des  Landes 
bestehen  die  alten  VerhtÜtnisBe  zunächst  kaum  verhindert  fort. 
Und  wie  die  Technik  wird  auch  die  Organisation  de<  für  d<'n 
lokalen  Bedarf  arbeitenden  Handwerks  sich  so  bald  nicht  Ter- 
ändern. 

Anders  steht  es  mit  den  zu  gro  fsindu  s  tri  eller  Knt- 
wickelung  neigenden  Gewerben,  deren  Einftlhrung  in  .lapiin 
wesentlich  eine  Frage  der  Technik  und  der  Rentabilitttt  ist 
Hier  ist  der  Staat  vorangegangen  mit  Einrichtung  von  Fabriken 
nacheuropHischcni  Muster,  mit  eingeHihrten  Maschinen  und  fremden 
Angestellten.  Es  handelte  sich  dabei  um  zweierlei  Dinge.  Ein- 
mal um  Unternehmungen,  welche  eng  mit  den  direkten  Zwecken 
der  Staat««verwaltung  7u«^amnienh.'Ingen .  Waffen  und  Pitlrer- 
fabrikation,  W  erften  für  dw  Marine,  Bekleidung  der  Ani-ec, 
Werkstätten  f^ir  die  Eisenbainien  V  die  Münze,  die  Staatsdruekerei 
zur  Herstellung  von  Papiergeld,  Post-  und  Steiupelmarken,  u,  s.  w. 
Dafs  einzelne  dieser  Anstalten  einen  recht  umfangreichen  Charakter 
erhielten,  ergab  sich  aus  der  Notwendigkeit»  vieles,  was  die  In- 
dustrie des  Landes  noch  nicht  bot,  selbst  herzustellen.  Man 
wollte  aber  noch  ein  Zweites:  die  Schaffung  von  industriellen 
Unternehmungen  überhaupt,  um  vom  Auslande  unabhängig  zu 
werden  und  die  Produktionskraft  de.s  Landes  zu  erhöhen.  So 
gntt  man  die  verschiedensten  Dinge  an,  errichtete  Oerbereien 
und  Baumwollspinnereien,  Seiden Hlanrlen.  Papier-,  Glas-,  Cement- 
i'abriken  u.  s.  w.  Namentlich  im  Hukkaido  wurden  zahlreiche 
Experimente  gemacht.  Dafs  gerade  diese  meist  wenig  glücklich 
verliefen,  entiemt  von  den  Konsumenten»  vielfach  ohne  ordent- 
liche Verkehrsw^Of  kann  von  vornherein  nicht  wundernehmen. 


'  Teils  tiir  Rr>pnr;ittirnn.  teils  für  Wag^baUf  iQ  wdchem  die  Eisen« 
und  StahUcile  fertig  eingeführt  werden. 


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377 


Ein  kaum  besiedeltes  Land  kann  man  nicht  zu  einem  In- 
duötriebezirk  inK-fiert.  H^^^m  flen  in  Alt)a])nn  iremnchten  An- 
strengungen der  Hegierung  kann  ich  niicli  dagegen  dem  allgemein 
üblichen  Verdammungsurteile  durchaus  nicht  ohne  weiteres  an- 
schliefsen.  Ohne  Versuche,  ohne  Lehrgeld  konnte  es  liberhaupt 
nicht  abgehen.  Einen  kapitalkiitftigen ,  thiitigen  Unternehmer- 
stand beeafs  Japan  nicht.  Industrieschtitz  diunsh  Zölle  war  nach 
Lege  der  Vertrage  nicht  möglich  Wollte  man  Überhaupt  rasch 
auf  gewerbliche  Hebung  hinarbeiten,  so  mufste  eben  der  Staat 
selbst  die  Hand  anlegen,  selbst  Versuche  machen,  das  nötige 
Personal  heranbilden  und  einstweilen  die  Mehrkosten  auf  sich 
nehmen.  Nun  ist  gar  nicht  zu  leugnen,  dal's  arge  MifsgrifFe 
vorgekommen  sind,  dafs  man  ungeschickt  verwaltete,  dala  man 
(wie  in  allen  anderen  \  erwaltungszweigen)  den  fremden  Sach- 
verständigen keinen  wirklichen  Einflufs  auf  die  Geschäftsleitune 
gab  und  diese  an  Leute  ttbertrug,  die  nur  ungenügend  Bescheid 
wnfeten,  dafs  man  mit  einem  Heer  unnützer  und  vielfach  &uler 
Beamten  die  Betriebskosten  belastete.  Es  wird  auch  nicht  un- 
richtig sein,  dafs  bei  der  kaufinännischen  Leitung  das  Interesse 
der  Staatskasse  gegenüber  manchen  Privatint  ri  ssen  nicht  ge- 
nügend wahrgenommen  wurde  IM  m  beging  K  ufii:;  den  rund- 
fehler, wobei  auch  mancher  der  iremdcn  Angesteiiten  nicht  von 
Schuld  frei  ist,  dafs  man  gleich  recht  grol'sartig  sein  wollte,  an- 
statt sich  den  kleinen  Verhältnissen  Japans  anzupassen.  Den 
emdilidien  Zweck  dieser  Staatsuntemehmungen  liefs  man  so 
nur  zu  sehr  aus  dem  Auge. 

Diese  Staatsuntemehmungen  —  und  das  Gesagte  gilt  auch 
von  den  Rerg-  und  Hüttenwerken  liaben  greise  Summen 
als  Anlagekosten  verschlungen  und  vielfach  nicht  einmal  die  Be- 
tri f'hsko^tpn  gedeckt.  Von  Verzinsung  des  Anlagekapitals  war 
nirgends  die  Rede'.  So  kamen  alle  diese  staalliehen  Unter- 
nehmungen in  Milskredit.  Als  man  alle  Staatsmittel  auf  die 
Besserung  der  ^Y{ih^uug  konceninerte,  fielen  den  Ersparungs-  * 
tendenzen  die  Staats&briken  zum  Opfer.  Wie  bd  uns  dem 
Grttndungsschwindel  der  siebziger  Jahre  als  zweites  Stadium  der 
Liquidationsschwindel  folgte,  so  war  jetzt  die  Veräufserung  der 
Staatsfabriken  eine  neue  schöne  Gelegenheit,  Geld  zu  machen. 
Das  wenige,  was  in  die  Öffentlichkeit  über  die  Verkaufsbedingungen 
und  d'  Vf^n  Ausführung  gedrungen  ist,  erlaubt  mindestens  von  einer 
argen  Y  ernachliissigungaer  Staatsioteressen  zusprechen   Von  seinen 


>  Die  grofsen  Gewinne  der  Münzanstslt  kommen  selbatverstlndlich 
nicht  in  Ketrscht,  da  ne  weientlich  aus  der  ScheidemÜDxenpriigttng 

stammen. 

2  Der  ärgste  Raubversuch  war  der  Plan  der  Gründung  einer  Gesell- 
Fchftft   zur    Portfithrunp^   der    landwirtschaftlichen    und  gewerblichen 

Untemehmungpn   do-^  Kaitaknshi  (Kolonialanit.    V'^l.  bei  Auf- 

lösung dieser  liehörde  im  Jahre  1881.    Eine  Anzahl  höherer  lieamten 


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378 


X  4. 


pToffion  AufvvenduDgen  liat  der  Staat  sehr  wenig  wieder  heim- 
bekoiiiuieD.  Das  Lclirgel«!  ist  in  manchen  Fällen  wohl  über- 
malsig  grois  gewesen.  Aber  aUgemein,  volkswirtscLatilich  be- 
trachtet, ist  diese  Tbätigkdt  des  Staates  doch  nicht  erfolglos 

gewesen.  Namentlich  seit  die  Wtthrungs wirren  beseitigt  sind, 
ie  wirtscha^che  Elrisis  Oberwunden  ist,  sehen  wir,  da  ('s  eine 
Anzahl  der  vom  Staate  mühsam  eingeführten,  an&ngs  so  schwäch- 
lichen Pflänzchen  recht  feste  Wurzeln  geschlagen  hat,  dais  die 
Zahl  solclier  Unter luhmungen,  Gerbereien,  Spinn^Teicn,  Papier- 
i'ibriken  u.  s.  w.,  ^ich  nun!ii'')ir  oline  jede  staatliche  Heihülfe  von 
selbst  vermehrt.  Am  erlol- reu  listen  i.st  wohl  die  Einführun;^  der 
JSeidentilanden  gewesen,  im  Jahre  1Ö72  wurde  in  Toraioka  (Gum- 
ma; eine  groise  Staatsanstalt  nach  französischem  Muster  angelet, 
eine  der  wenigen  Fabriken,  weiche  sich  noch  in  den  Hftnden  dea 
Staates  befinden,  obwohl  sie  nur  in  einzelnen  Jahren  Über- 
schüsse abgeworfen  hat^   Diese  unrentable  Anstalt  bat  aber  den 


des  Kuitakuslii.  liintcr  dfiien  wohl  nooli  andere  Pei^oiien  gtaiuleij,  iiuichten 
eine  Eingabe,  dal's  die  Erhaltung  aiier  dieser  Uuteniehinuugeu  wüuücbens- 
wert  sei,  Kapitalisten  aber  sich  kaum  dafür  finden  würden.  Aus  reinem 
Patriotismus  wollten  sie  also  selbst  eine  Hetriebsgescllschaft  grOnden 
unter  folfj:eiuleij  Bedin^n^en:  1.  Die  sänitliclieii  riiteniehinungen  der 
Behörde  im  Hokkaido,  m  lokjo,  Osaka  und  Tsuiuga,  sowie  eine  Anzahl 
Schiffe  sollten  ihnen  fSr  387000  Yen  verkauft  veraen.  Diese  Sonime 
war  unverzinslich  in  ItO  Jahresraten  zu  bezahlen.  2.  Den  Betriebsfonds 
von  142  OUU  Yen  sollte  die  Heirierung  leihen.  Diese  Summe  war  mit 
;{  Prozent  zu  verzinsen  und  in  lö  Jahresraten  zurückzuzubleu.  Die 
Xatumlsteaera  von  der  Fischerei  (Ertng  1H.H2/83  :  865000  Yen)  soUtea 
durch  sie  ffpgcn  eine  Kommij'eion  von  fi  Prozent  veraul"  "rt  wei-den. 
4.  Die  Laeferung  von  Keia  und  .Salz  nach  dem  Hokkaido  tuAlte  ihueu 
Miflsehlielstich  fibeilTft|[;en  werden  (im  Jahre  1882  worden  fUr  2566684 
Yen  Reis  und  für  lf>]051  Y'en  Salz  nach  dem  Hokkaido  eingeführt). 

Der  Chef  des  Kaitaknshi  empfahl  die  I'etition,  welche  dei»n  aui^h 
vom  Grofskanzler  Sanjo  genehmigt  wurde  (Summer  1><M).  Der  saubere 
•  Plan  wurde  aber  durch  einen  /.ufall  vorzeitig  bekannt  zu  einer  Zeit,  als 
ohnehin  eine  lel  iuifte  \^ifation  durch  da.*  Land  ^inir  für  ein  Parlament. 
Yolksrechte  und  K.outruUe  der  Finanzen.  Die  Emuöruiig  war  allgemein 
und  an  demselben  Tage,  an  welchem  eine  KiUserliche  noklamation  die 
Einfuhrung  einer  Verfassung  für  l'^ün  versprach  (12.  Oktober  li^l),  wurde 
die  bereits  i^ewälirte  Erlaubnis  zurückgenommen.  Ob  der  gleicbzeitisje 
Sturz  des  Finauzmiuieter»  Ukuma  nur  mit  der  Yerfa.-ibungsfrage  oder 
auch  mit  diesen  Dingen  verknüpft  ist,  kann  ich  nicht  b^agen.  Der  für 
seine  Freunde  «o  'jorgliche  Kaitiucushi  Chef  Kuroda  zog  sieh  im  Februar 
lb82  auf  längere  Zeit  ganz  ins  Privatleben  zurück.  —  Ob  übrigens  der 
Btaat  hei  der  nachher  im  einzelnen  voivenommeDen  Ver&ufaeninc^  der 
Unternehmungen  im  Hokkaido  finanziell  besser  gelahren  ist,  dürfte 
zweifelhaft  Bein.  Eine  eingehende  Darstellung  der  Verwaltung  des 
Hokkaido  würde  eines  der  merkwürdigsten  Blätter  in  der  neueren  japa- 
nischen Geschichte  sein.  I  brigeus  ist  nicht  zu  v^ergessen,  dafs  die  Be- 
strebungen, den  Hokkaido  zu  heben,  nicht  blofp  ;nif  wirtschaftlichen, 
sondern  auch  aui  politischen  iurwägungen  beruhen  wegen  der  beüugsti^i* 
den  NachhaiKhail  Btifslands. 

'  Im  Jahre  1887  waren  11)  Beamte,  TiO  Arbeiter  und  375  Arbeite- 
rinnen (bedeutend  weniger  als  iiöher)  beschäftigt.  Die  Einnahmen  waren 


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X  4.  379 

Anstois  gegeben  zur  Gründung  einer  grofsen  Menge  meist  kleiner 
privater  Unternehmungen,  da  sie  den  Seidenzfkhtern  praktisch 
zeigte ,  wieviel  höhere  Erträge  sich  aus  den  (  ocons  erzielen 
lassen  gegenüber  der  alten  lI.'\iid!iR«]H-|pi.  In  einer  nmtUciien, 
j>elir  unvollständigen  ZusammensklUiiig  aus  dem  Jahre  1S8()* 
Bind  allein  ftir  Nagano  118,  für  Gifu  122,  tUr  Yamaua^hi  73 
Filanden  aufgeführt,  für  den  Gumma-ken  selbst  fehlen  leider  die 
Angaben.  Von  den  118  Filanden  in  Nagano  hatten  6  eine 
Einnahme  von  mehr  als  100000  Yen,  meist  aber  waren  es  ganz 
kleine  Unternehmungen.  Alle  zusammött  bcsehai'tigten  o64  Ho- 
nmte  und  11  ^(jO  Arbeiter  und  Arbeiterinnen,  hatten  21')  Dampf- 
maschinen und  :5U>  \Vas.sernlder,  eine  Kinnahme  von  ;H28  4l7 
Yen  und  eine  Aus^^abc  von  2  88<)l02  Yen.  V^on  den  11**^  An- 
stalten hatten  (i  mit  Verlust  gearbeitet.  Das  sind  docli  ir>  Jahre 
nach  Begründuu';  der  ersten  Musteranstidt  ganz  befriedigende 
Ergebnisse,  welche  den  staatlichen  Aufwand  wohl  rechtfertigen. 
Auf  die  Baumwollspinnereien  wird  weiter  unten  noch  näher  ein- 
gegansen  werden 

Mir  scheint  also,  dafs  trotz  aller  Milsgritle  man  im  dunkeln 
Drange  dem  rechten  VN'eg  doch  in  der  liaupisache  gefolgt  ist. 
Dafs  der  Staat  von  diesem  (Jebietc  sich  zurückzog,  ist  durch 
die  Qualitäten  des  ia])anischen  l'eamtentums  notwendig  gemacht, 
aber  eher  zu  l'rüh  als  zu  r>})ät  erfolgt.  Denn  mancher  leidliche 
Anfang  ist  dadui'ch  wieder  gan/  verloren  gegangen.  Gegcn- 
wturtig  hat  der  Staat,  aufser  einigen  kleinen  Anlagen  im  Hokkaido, 
an  inaustriellen  Betrieben  nur  mehr: 

a.  die  genannte  Fiiande  in  Tomioka; 

b.  eine  Tuchfabrik  (Senjl  bei  Tokyo),  welche  nur  für 
den  Armeebedarf  arbeitet.    Wie  es  sich  unter  diesen 

Umständen  mit  dem  in  den  letzten  Jahren  erzielten 
BetriebsUberechufs  verhält,  läfst  sieli  nicht  sagen.  1887 
beschäftigte  sie  25  Beamte,  io«i  Arbeiter,  228  Ar- 
beiterinnen, hatte  528 1 70  Yen  Ausgaben  und  ü<  )2  362  Yen 
Einnalimen  ; 

c.  Waffen  fa  bri  ken  des  Kriegsministeriums  in  Tokyo 
und  Osaka,  1887  mit  2327  und  14(i0  Arbeitern.  Aus- 
gaben 121Ü655  Yen  und  532  707  Yen.  Da  die  Ein- 
nahmen ziemlich  genau  balancieren,  dtürfte  es  sich  um 
rein  rechnungsmftfsige  Operationen  handek,  nicht  um 
wirklich  kautmSnniscbe  Berechnung; 


iaS234  Y«n,  die  AuHguben  M^im  Yen.  AuTser  der  Filaiule  in  Tomioka 
Avnrflen  übrigens  anfanps  h  i  siffbziger  Jahre  noch  einitro  kleine,  wenig 
erfolgreiche  Anstalten  angelegt,  nameutlich  in  Tokyo  und  Macbasbi. 

>  Der  nnten  noch  su  ervrfthnenden  Fahriktal>elle  des  Mtiiisteriams 
für  Landwirtschaft  und  Gewerbe.  —  Ende  1882  wurde  bereits  für  das 
gansse  Lrfind  die  Zahl  auf  1068  angegeben  (Stat.  Jahrb.  IV  177}. 


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380 


X  4. 


d.  Anlagen  des  M  a r i  n  c min is  t  e r  i ii  ni  s:  Werften  in 
Yokostik.'i  und  Onoliaiiia,  eine  \\'art<'ni'abrik  und  eine 
Pulveriabnk,  zusammen  1887  mit  100  Beamten  (3  Aus- 
länder) und  4205  Arbeitern.  Ausgabe  der  beiden  Werften 
1425409  Yen;  ^ 

e.  Münze  (Osaka;:  48  Beamte,  303  Arbeiter,  247271  Yen 
Ausgabe; 

£.  S  t  a  a  t  s  <1  r  u  c  k  e  r  e  i  (Tokyo) :  497  Beamte,  9 1 3  Arbeiter, 
1U3(>  Arbeiterinnen,  Ausgabe  902  385  Yen. 

Es  \i^t  schon  erwähnt,  dnfs  die  in  Nachahmung  der  staatlieh 
eingeführten  Gewerbe  im  Lande  mehr  oder  weniger  >pont;in 
entstandenen  privaten  Unternehmungen  meist  kleinere, 
der  wirtschaftlichen  Entwiekelungsstufe  angemessenere  sind.  Noch 
auffallender  isl  das  bei  einer  Reihe  weiterer  Industrieen,  welche 
sich  fast  oder  ganz  unabhängig  entwickelt  haben.  £s  giebt 
bereits  eine  ganze  Menge  von  „t^abriken**  der  verschiedensten 
Art  von  sehr  beseheidener  Natur,  mit  wenigen  Arbeitern  und 
noch  weniger  Kapiüil,  mit  elenden  Räumen  und  Werkstätten, 
aber  oft  überraschend  kühnem  Wagemut.  Es  felilt  nicht  an 
verfehlten  Anlaufen,  an  |^^f 'scheiterten  tlntcrnelHnuni^en.  ahor  der 
Sehade  ist  bei  der  Kleinheit  der  sogenannten  Fabrik  meist  nielst 
grofs.  Im  ganzen  ist  der  l'ortschritt  gar  niclit  zu  verkennen. 
So  entstehen  Bierbrauereien,  Seifen-  und  Cementfabriken,  kleine 
Glasbläsereien  fUr  Latnpencylinder  n.  s.  w.  Es  ist  meist  eine 
ganz  geringwertige  Ware,  die  erzeugt  wird,  aber  sie  ist  bOliger 
als  die  importierte  bessere  W'are.  Auf  einzelnen  Gebieten  geht 
man  schon  zur  Ausfuhr  tiber  (Seife,  Regenschirmo  etc.)  Bc* 
sonders  interessant  ist  die  Entwickehmp:  der  Ziindliölzerfabrikation, 
welche  um  1873  begonnen  haben  soll.  Sein-  vcriiiniftigerweise 
hat  die  Regierung  von  voniherein  nur  die  Fabrikation  von 
^Schwedischen**  Zündhölzern  erlaubt.  Jn  Tokyo,  Osaka  und 
anderwärts  entstanden  kleine  Fabriken,  welche  bald  nicht  nur 
den  einheimischen  Markt  eroberten,  sondern  auch  in  China  dem 
euTOpttischen  Produkt  den  Markt  streitig  machten.  In  der  Aus- 
fuhrstatistik  erscheinen  sie  zuerst  1878  mit  20400  Yen  und  er- 
reichten 1880  bereits  dir  Summe  von  fi»t  370000  Yen,  1881 
noch  250000  Yen.  Die  Produzenten  verschlechterten  nun  in 
dem  Bestreben,  billipr  zu  exportieren,  die  AVare  derart,  dafs  sie 
einfacli  unverkäuflich  wurde.  Der  Export  hörte  ganz  auf  und 
betrug  ]^>^-\  nur  9711  Grofs  im  Werte  von  2792  Yen.  Die 
bittere  Lchio  zeigte  die  Notwendigkeit,  eine  bessere,  gleich- 
mäfsigerc  Ware  zu  liefern.  Von  1885  an  stieg  die  Ausfuhr 
wieder,  erreichte  1886  den  Wert  von  1880,  1887  die  betraiehtUche 
Menge  von  3384000  Grofs  im  Werte  von  942000  Yen,  1888 
3  5:.:3000  Grofs,  aber  im  Werte  von  nur  791  ODO  Yen,  1889  aber 
5225000  Grofs  im  Werte  von  1138  (KX)  Yen.  Der  Preis  ist 
aufserordentlich  niedrig.    Selbst  im  Einzelverkauf  kostet  das 


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X  4. 


381 


Paket  (10  Schächtelchen)  höchstens  3—4  Sen.  Die  Ausfuhr 
findet  ganz  überwiegend  von  Kobe  aus  statt.  In  Osaka  sollen 
etwa  25,  in  Kobe  und  Hyogo  etwa  15  Fabriken  sein'. 

In  engem  Zusammenhange  mit  dem  Handwerke  steht  der 
selir.  ja  übcTmärsi<;  entwickelte  Kleinhandel,  der  in  den 
gioiseren  Städten  schon  aurserordentlieh  spccialisiert  ist,  während 
auf  dem  Lande  der  allgemeine  KfainLtdcn  vorwiegt.  Eine  un- 
gewöhnlich grofse  Rolle  spielt  der  Gewerbebetrieb  im  Umher- 
ziehen ,  namentlich  für  Viktualienhandel ,  Flicksewerbe  u.  dgL 
Die  ^öfseien  Medizin  Fabrikanten  Tertreiben  ihre  Produkte  haupt* 
sitchlich  durch  von  ihnen  angestellte  Hausierer,  ein  wichtiger 
Enverbszweig  bei  der  japanischen  Vorliebe  für  allerlei  fertig 
verkaufte  Mittclchen.  Sefir  grofs  ist  auefi  verhältnismftfsig  die 
Zahl  derer,  welche  von  der  Eriiuickung  und  Vei^ügung  ihrer 
Mitmenschen  leben. 

Eine  brauchbare  allgemeine  Gewerbestatistik  fehlt  leider 
noch  in  Japan.  Eine  genauere  zahlenmUfsigc  Erfassung  der  oben 
kurz  geschilderten  Verhältnisse  ist  also  unmöglich.  Em  Versuch 
dazu  ist  wenigstens  in  Bezug  auf  den  Handel  gemacht  worden, 
sichrere  Jahi^Mnge  des  Statistischen  Jahrbuches  (Bd.  III,  IV,  V) 
bringen  Zusammenstellungen,  welche  auf  Grund  der  Veranlagung 
zur  Gewerbesteuer  der  Bezirke  in  den  Jahren  1*^82 — 1S85  ge- 
macht .sind.  Diese  Zahlen  sollen  sich  nur  auf  die  Handcls- 
gewerbe,  im  weitesten  Sinne,  beziehen.  Thatsflchlich  aber  stecken 
eine  grofse  Menge  zur  Industrie  gehöriger  Betriebe  darin,  welche 
mit  einem  offenen  Laden  verbunden  sind.  Diese  ganze  Masse 
zerfilUt  wieder  in  zwei  Abteilungen,  entsprechend  den  Bezirks- 
zteuem,  welche  in  die  eigentliche  „Gewerbesteuer**  und  die 
^Verschiedenen  Steuern"  zerfallen  ^. 

Krsterc  umfafst  die  eigentlichen  kommerziellen  bezw.  indu* 
striellen  Betriebr.  letztere  alles,  woftir  die  Steuern  in  besonderer 
Wei-jf  aufgelegt  werden,  was  im  wesentlichen  luit  den  koncessions- 
jttlj*  liti^en  Betrieben  zusammen tfiUt,  Wirts-  und  Speisehäu-ser^ 
S<.liaustellungen,  ausübende  „Künstler",  Althändicr,  Pfand- 
leiher u.  s  w. 

Dkse  zweite  Gruppe  liefert  einigermafsen  brauchbare  Resultate^ 
doch  sind  neben  den  24  einzdn  aufgezählten  Gruppen  leider  25 
Prozent  aller  hierheigehörigen  Betriebe  oder  Steuerzahler  als 
„Verschiedene**  zuBammengefarst  Dagegen  ist  mit  den  Zahlen 
der  viel  Aviclitigeren  ei*sten  Gruppe  sehr  wenig  anzufangen.  Die 
Umlage  der  Gewerbesteuer  in  den  einzelnen  Bezirken  erfolgt  in 


*  Eine  Tabelle  des  Ministeriums  fUr  Landwirtschaft  und  Gewerbe 

führt  für  im\  auf:  in  Tokyo  7  Hctriebe.  in  Osaka  !».  Hyogo  5,  Aichi  3 
u.  w.  -  In  der  Tabelk'  der  Handelsgesellschaften  (Kwaisha)  werden 
52  für  Zündhölzcrfabrikation  angeführt  mit  481  .>*^ö  Yen  Kapital,  .'»76 
Beamten  und  1 1  076  Arbeitern  und  Httlfskritften. 

*  Vgl.  das  Kapitel  über  die  Kommttnalfinansen. 


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882 


X  4. 


sehr  verschiedener  Weise.  Die  gemachten  Unterabteilungen 
decken  sich  in  den  einzelnen  Bezirken  gar  nicht.  Herstellung 
von  und  Handel  mit  Waren  ist  vielfach  untrennbar  zusamnitn- 
gemischt,  vielfach  beziehen  sich  die  Zalüen  aber  nur  auf  den 
Handel.  Das  Statistische  Amt  hat  denn  auch  in  Verzweiflung 
die  ganze  Rache  ab  wert-  und  hoffiiungslos  aui'gegeben.  Ob 
das  vorliegende  Bohmaterial*  wirklich  gar  kerne  Verwertung 
miSglich  macht,  entzieht  sich  meiner  Beurteilnne. 

Betrachten  wir  die  zuletzt  veröffentlichte  Tabelle  (Stat.  Jahrb. 
V  196—216)  wenigstens  in  ihren  Hauptergebniasen.    Sie  bezieht 
sieh  auf  das  glänze  Lanf^^  mit  alleinifrer  Ausnahme  des  Hokkaido- 
l»ezirke8  Nemuro  (mit  nur  17(^00  Kinwohnem).    Die  Erhebungen 
beziehen  sich  auf  Mitto  18>^r>,  in  acht  Bezirken  aber  auf  Ende 
1884,  in  drei  BezirkLii  aut  Knde  1885.    Die  der  eigentlichen  Ge- 
werbesteuer Pflichtigen  sind  eingeteilt  in  Grofsbetriebe  (Handel 
en  gros):  128207,   Zwischenhandel >:  98215,  Kleinbetriebe 
(Handwerker,  dieseabernnvollständig,  und  Kleinhandel) :  1 067  038. 
Das  sind  zusammen  1  284255  Betriebe^.    Hierzu  kommen  dann 
409082  Steuerpflichtige  der  „Verschiedenen  Steuern".  Zusammen 
ergiebt  das  1 603  437  Betriebe  und  Steuerpflichtige,  eine  Zahl, 
wekhe  22  Prozent  aller  Haushaltungen  gleichkommt.    In  den 
einzelnen  Bezirken  schwankt  die  Zahl  im  allgemeinen  zwischen 
einem  Sechstel  und  einem  Drittel  aller  Haushaltungen,   iöt  in 
vereinzelten  Bezirken  etwas  höher,  im  grölsten  Teile  von  Kyushu 
erheblich  niedriger.   Wären  das  wirklich  alles  Handebleute,  so 
ergäbe  sich  daraus  eine  gans  nngeh^erliche  Entwickelung  des 
Kleinkrämertums.    Nun  ist  dieses  unzweifelhaft  Ubennäfsig  auüiU 
reich,  aber  nicht  so,  wie  es  nach  diesen  Zahlen  erscheint,  da  sie 
zahlreiche  industrielle  Betriebe  einschlielsen.    Die  Zahlen  verlieren 
aber  nocli  weiter  an  Wert  dadurcli,  dafs  in  den  einzelnen  B*^ 
zirken   die  Steuern   verschieden  aufgelegt  werden,  und  ferner 
dadurch,  dafs  die  zahlreichen  steuertrcieu  Kleinbetriebe  in  ^anz 
ungleicher  Weise  berticksichtigt  oder  weggelassen  zu  sein  scheinen. 
Bei  der  gewöhnlichen  Greweroesteuer  sind  nach  den  gehandelten 
G^enständen  75  Gruppen  unterschieden.   Da  aber  Hentellung 
und  Handel  nicht  wirklich  untemchieden  sind,  so  kann  man 
kaum  etwas  damit  anfangen.    Was  nützt  es  zu  wissen,  dafs  zu 
derGrupi)e  „Gewobene  Stoffe"  7481  Grofsbetriebe,  2418  Zwischen* 
hUndIcr,  2260()  Kleinbetriebe  gehören,  wenn  wir  nicht  erfahren, 
wie  viele  von  der  ersten  und  dritt'  n  Abteilung  wirklich  Kauf- 
leute sind  und  wie  viele  Fabrikanten  und  Handwerker,  welche 


<  Dm  ^Hcsum^  Htatistique^  f  25  Obersstzt  irriff  „Courtiers'*.  IS» 
liaiidclt  si<  li  iiirlit  nur  um  Makler,  sondtTti  mich  Kommissionäre  und 
allen  Handel,  der  zwischen  Gro(sbetrieben  und  l)e(aillisten  vermittelt. 

'  Das  R^iiiD^StBtistiqaea.A.0.  fügt  noch  117  U2I  nicht  tmteracbiedene 
Betriebe  hinzu,  die  in  der  ausführlicheren  Statistik  überhaupt  nicht  er* 
wähnt  Bind. 


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X  4.  38$ 

ihre  Produkte  aelbst  an  das  Publikum  yeikaufen.  Und  ebenso 
ist  es  mit  den  meisten  anderen  Gruppeiiy  wie  Kleider,  Kurz- 
waren. Dro^^upn,  Lack^varen  u.  s.  w. 

Hei  der  zweiten,  beschrankteren  Abteilung  liaben  wir  klarere 
Ergebnisse.   Da  finden  wir  1885  aufgeführt*: 

Wechsler  1 041      davon  in  Tokyo  00 

Ptandleihcr  25  224  -      -       -  1771 

Leihbibliotheken  295  -  71 

Andere  Verleihgeschiifte  3581  -             -  632 
Handel  mit  alten  Kleidemi 
Metallen,  Büchern,  MObeln 

u.  8.  w.  70339  (!)«   -     -      -  5629 

SteneDyemiittler  3646  ...  58$ 

TransportgeschUft  10948  -             •  318 
Restaurants  und  Speise- 

häuser  95640  -      -       -  3425 
(Jmt-  und  Logierhäuser 

(unvollständig)  64388  -             -  3148 

Yose  („Abendtheater  579  ...  156 

Badeanstalten  27227  (!)  -  -  -  1064« 
Bordelle  (Kashizashiki  und 

Machiai)  6711  -     -      •  532 

Benders  aufgeführt  werden  endlich  die  Kwaisha,  Gesell- 
•jBchaften  mit  besttromtem  Kapital,  wie  man  sie  wohl  am  betten 


'  Über  die  obigen  und  einige  andere  unter  polizeilicher  Aufsicht 
stehende  Gewerbe  werden  fUr  die  4H  Bezirke  von  Ende  1887  folgende 


Angaben  mitgeteilt  (Stat.  Jahrb.  VIII  609): 

Gast-  und  Logierhäuser   72  940 

Pfandleihcr   29  2:i^ 

Handel  mit  alten  Kleidern   93  7r>r> 

Haupgeriiten   80  472 

Jiücbem  und  BUdera  (44  Bezirke)  .   .  72  027 

Metallen  (42  Beiirke)   113880 

Kramläden   59  702 

Uhrmacher   14  'Mii 

Speisehäuser  (29  Bezirke)   59  '»2'A 

Theater  (42  Bezirke)   409 

Ronlelle  (41  Bezirke)   7  :i7<i 

Dirnen  (41  Bezirke)    27  569 

Schauspieler  (29  Beairke)   5517 

(ieisha  (4'2  Bo/.irke.  namentlich  fehlen  Kyoto  und  fl^ka)  10326 
, Künstler"  (Erzähler,  Taschenspieler,  Akrobaten  u.  dg).  - 

2H  Bezirke)   14  6s7 

Jinrikiantemebmer  und  Knils  (44  Bezirke)   2:30  :W4 

Sonstige  _i  •  ^  •  259  :m 


Zusammon    1  151  5*»'< 

*  Dabei  düriten  die  Leute,  die  mit  ein  paar  alten  öaeben  abends 
anf  der  Strafse  8it7<eo,  als  steaeifird  mdst  fehlen. 

^  In  doD  Yose  treten  Erzähler,  Taschenspieler  u.  s.  w.  anf. 

*  80  viele  wie  1875  in  ganz  Deotschhind. 


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884 


X  4. 


bezeichnen  kann,  Uber  welche  weiterbm  noch  zu  sprechen  ist, 
deren  Zahl  1885  auf  2394  angegeben  wird,  wovon  150  in  Tokyo» 

Für  Tokyo  ist  es  möglich,  auf  Grund  der  (iewerbesteuer- 
veranlagung  Industrie  und  Handel  zu  scheiden.  Auf  Grund  des 
Bezirksbudgets  von  1888,89  habe  ich  für  die  15  Stadtkreise 
Folgendes  zusammenstellen  köimen: 

Steuerpflichtige  Betriebe  für  die 

eigentliche  Gewerbesteuer  70  074 

davon  kommen  aut  die  luduötrie  25  813 

anf  den  Handel  44261 

Unter  den  Betrieben  der  Industrie  sind  131G  Fabriken  und 
24497  Betriebe  von  Ilandwcrkem.  Unter  den  Handels- 
betrieben sind: 

1Ü4  Kwaisha  (Gesellschaften,  gehören  in  Wahr- 
heit zum  Teil  zur  Industrie) 
2800  Qrofshändler 
1058  Zwischenhändler 
25554  Kleinhändler 
1649  verschiedene  Eaufleate 
1853  Gasthnuser 
570S  AlthHndler 
889  Pfandleiher 

90  Wechsler 
210  Transportanstalteu 
4120  Mcdizinhändler 
160  Medizinhausierer 

Aufser  den  letztgenannten  ist  die  grofse  Zahl  der  Gewcrbe- 
bctiiebe  im  Umherziehen  unbekannt  und  steuerfrei.  Viel  Auf- 
seblufs  geben  diese  Zahlen  also  auch  nicht  und  zeigen  nur  wieder 
die  MaaBenhaftigkeit  des  Kleinkrttmertoms.  Qans  interessant 
sind  einige  aus  den  Budgetansätzen  sich  eiigebende  Zahlen  ttber 
die  das  japanische  gesdlige  Leben  venchönemden  «Künste**. 
Lehrer  solcher  Künste,  des  Gesanges  und  Tanzes,  der  Musik 
und  Deklamation  (Yu-gei-shisho),  gab  es  IKlO,  ebensoviele  Er- 
z.ihler ,  Recitatoren  u.  dgl  (Yu-gei-kasegi-nin) ,  aber  ohne  die 
Blinden  und  die  nielir  als  Sechzigjährigen.  Tänzerinnen  und 
fc>ängerinnen  (Geisha)  gab  es  920  erwachsene  und  200  Kinder, 
Schauspieler  470,  Kinger  535. 

Es  ist  bereits  eine  Fabriktabelle  fbr  das  Jahr  1886 
erwähnt  worden,  welche  das  Ministerium  für  Landwurtsdiaft  and 
Gewerbe  (Statistische  Tabellen  Bd.  III,  Handel,  S.  4 — 46)  ver- 
öffentlicht hat.  Die  Tabelle  zählt  941  einzelne  Betriebe  auf  und 
soweit  in(">glich  für  jeden  die  Zahl  der  Beamten,  der  Arbeiter, 
der  llülfskräfte ,  ferner  die  Zahl  der  Dampfmaschinen  und 
Wasserräder,  die  Einnahmen  und  die  Ausgaoen.  So  wertvoll 
nun  viele  der  einzelnen  Machweisimgen  sind,  so  ist  sie  doch 


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X  4. 


885 


Tiic'lit  geeignet  ein  Bikldt  r  Tnfln'^tndloTi  Entwickelung  des  Landes 
zu  geben,  da  sie  ganz  unvoilstimdig  ist.  Von  45  J^ezirken 
fehlen  6  franz,  aus  anderen  tehkn  die  wichtigsten  Gewerbe,  z  B. 
im  Guinma-ken ,  dem  wichtigsten  Seidenbezirk,  die  Filanden. 
ßergwerke  sind  in  einem  Bezirke  eingeschlossen,  in  anderen 
nicht,  u.  8.  w. 

Weiteres  Material  enthält  die  Statistik  der  Kwaisha. 
Eine  Kwaisha  ist  eine  ErwerbsgeselUchaft  mit  einem  he- 
stimmten  Kapital ,  wdches  legelmttfsig  in  feste  Anteile  seriällt. 

Zur  Eröffnung  ihres  Geschäftsbetriebes  bedürfen  die  Kwaisha  einer 
Koncession.  Obgleich  sie  sich  gerne  „limited"  nennen,  ist  gesetzlich 
die  Haftbarkeit  der  Gescllacliaften  ausschliefslich  flir  das  Aktien- 
kapital ganz  unz/^vfifelhaft  nur  bei  gewissen  Gesellschaften,  welchen 
dieses  Privileg  besonders  verliehen  ist  oder  welche  auf  Grund 
besonderer  Gesetze  bestehen,  so  nunientlieh  den  Hörsenge.sell- 
schaiteo,  den  Nationalbankeu,  den  PostscLiffahrtsgesellschaft,  den 
EisenhahngeseUschafien  ^.  Mit  Ausschlnft  der  beiden  xuerst 
genannten  Kategorieen  und  sonstiger  Banken  führt  die  amtlidie 
Statistik  t\lr  Ende  1887  2038  Gesellschaften  auf  mit  67855468  Yen 
Kapital^.  Ob  die  Zahlen  wirklich  ydlständig  sind,  namentlich 
die  Angabe  des  Kapitals,  scheint  mir  zweifelhaft.  Von  diesen 
Qesellschaften  waren 

landwhiBchaftHche  (dnschl.  Fischerd 

und  Dttngerfabrikadon)  144  mit  2924102  Yen 

Handelsgesellschaften  (einschl.  Verleih- 
anstalten, VersicherungjMakleru.  s.w.)  374   -    19239069  - 

Industriegesellschaften  (einschL  Bei^- 

bau)  13(51    -    20010513  - 

Transportgesellschaften  159    -    25681784  - 


'  Für  andere  Kwaisha  ist  die  Haftbarkeit  der  Anteilsbesitzer 
zwt'it'elhaft.  Nach  einer  Mt  imnii^f  bestellt  die  bcgretiztf  Haftbarkeit 
dann,  wenn  sie  im  Geseliscbaftastatut  auseeaprocben  und  iu  der  Firma 
aosf^drOekt  iet  Diw  ist  jedenfalls  die  im  Publtkara  rerbreitete  An- 
schauung. Dagegen  besteht  eine  strengere  AutTassuri*^,  wonach  die 
Kwaisha  ohne  besonderes  Privileg  die  Haftbarkeit  uicnt  ausschliefsen 
können.  Kein  Zweifel  besteht  darüber,  dafs  viele  Gesellschaften  ohne 
jeden  Keehtatitel  sich  in  der.^Finna  als  Gesellschaften  mit  begrenzter 
Iliiftbarkeit  bezeichnen.  -  Übrigen»  baben  die  Kwaisha- Anteile  prak- 
tisch geradezu  die  Bedeutung,  dais  sie  den  feldenden  Kredit  ersetzen. 
Obligationsanleihen  von  Erwerba^eflellsehftften  sind  meines  Wissens  in 
Japan  bisher  unbekannt  (Für  die  Zukunft  sind  sie  prmögiicht  und  ge- 
regelt durch  (Tesetz  (;ü  vom  8.  August  1.^90.  —  Überhaupt  wird  in 
Zukunft  das  oben  Gesagte  durch  die  IHOO  erfolgte  Veröffentlichung  des 
Huidelsgesetzbucheß  nuxJifixiert) 

*  Die  Zahl  der  lii.raen  gesell  sc  haften  war  21  mit  1  l^»r>00()  Yen 
Kapital,  die  Zahl  aller  bankgeöelific haften  1100  mit  04;i.j2.5«Ö  Yen 
Kapital.  Ziuammen  bitte  es  also  3159  Kwai»ba  mit  l(i3403056  Yen 
Kapital  gegeben,  doch  dürften  dabei  einige  Gkseileclmften  doppelt  ge- 
zählt sein. 

Forschungen  {iS)  X  4.  —  Katbgvn.  25 


886 


X  4. 


Alle  zusammen  sollen  9601  Beamte,  117  55Ü  eigentliche 
Arbeiter  und  (31  527  sonstige  Hültskrafte  beschäftigt  liaben. 

Teilen  wir  diese  Gesellschaften  nach  den  Oewerbegruppen 
der  deutüchen  Zählung  von  1882  ein,  soweit  sie  überhaupt 
darunter  unterzubringen  sind^  so  erhalten  wir  folgende  Gruppen: 


Fischerei  und  Fiacluuclit 

Bergbau 

Steine  und  Erden 
Metallverarbeitung 
Maschinen-  und  Scbilbbau 
OhemiBche  JnduBtrie 

Fette  und  Ole 
TextUindustrie 

Papier  und  Leder 
Holz-  und  Flechtstoffe  etc. 
Nahrunp:s-  und  Geauismittel 
Bekh;idung 
Bau  Unternehmungen 
Druckerdea 
Handel 

Landtransport  (ohne  Eisenbahn 

Eisenbahnen 
Wassertransport 
Beberbergung 

Dazu  kommen  aul'serden  rein  landwirtschaftliehen  82  Industrie- 
gesellschaften mit  617  408  Yen  Kapital,  welche  un unterschieden 
als  „Sonstige"  aufgeftihrt  sind.  Dal's  die  Bank-  und  Börsen- 
gesellöchaften  beim  Handel  t'elilen ,  ist  nicht  aufscr  acht  zu  lassen.  Die 
Verteilung  der  2038  Kwaisha  über  das  Land  zeiyt  die  aulser- 
ordentliche  Central isation  Japans  tauch  auf  wirtschat'dichem  Ge- 
biete. Im  Bezirke  Tokyo  hatten  allerdings  nur  149  Gesell- 
schaften ihren  Sitz,  aber  mit  £i8t  der  Hälfte  des  ganzen  KapitaLs, 
83016538  Yea\  In  Osaka  (ohne  l^ara)  waren  es  158  Gesdl- 
zohaften  mit  8  908  772  Ten.  Dem  Kapitalbetrage  nach  folgen 

97  Geeeilzchaftmi  mit  2418180  Ten  Eamtal 

29  .  -  2899693  - 

90  -  -  2181259  - 

110  -  -  1717251  - 

158  «  -  ]r,11  692  - 

50  -  -  1  18(3  076  - 

30  .  -  1121100  - 


Gesellschaften 

Kapital 

Yen 

9 

1  087  770 

62 

3613604 

88 

1  226  937 

72 

1 080  608 

27 

1088100 

61 

915485 

14 

208770 

801) 

8145914 

42 

1452954 

39 

152  999 

41 

446190 

13 

90  ()(>() 

10 

387  900 

59 

827144 

372 

19014069 

)  27 

1  623  280 

3 

8  641 548 

129 

15416956 

2 

225  000 

Niigata 
Akita 
Kyoto 
Hyogo 

Nagano 
Hokkaido 
Shiga 


<  Von  den  Banken  hatten  86  mit  38964000  Yen  Kapital  ihren  Sitz 

in  Tokyo. 


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X  4. 


387 


Alle  anderen  Bezirke  hatten  weniger  ak  eine  Million.  Seit 
Ende  lö.>7  hat  sich  die  Zahl  der  ( Jeeellschaften  noch  erheblich 
vernaehrt.    Eö  ist  eine  Geschäftstorm.  welche  unzweifelhaft  japa- 
üisclien  Verkehrsgewohnheiten,  dem  Zurückweichen  vor  persön- 
licher  Verantwortung,  sehr  entspricht.    Die  aursemdentUche 
Kleinlieit  sehr  vieler  der  GefleUschaften  ist  bemerkenswert  Die 
Tabellen   des  Ministeriums  i\ir  Landwirtschaft  und  Gewerbe 
(Bd.  III,  Handel,  S.  160—177)  weisen  ^ir  1886  in  einer  etwa« 
anders  geordneten  Zusammenstellung  1593  Kwaisha  nach  (mit 
62  507  000  Yen  Kapital)  und  darunter  nur  153  mit  einem  Ka- 
pital von  50000  Yen  und  darttber,  Avelehes  auch  nicht  überall 
voll  eingezahlt  ist.    Bemerkenswert  ist  auch,  dafs  3()  von  diesen 
153  „Gesellschaften'*  nur  je  einen  Aktionär  hatten.    Die  Form 
der  Rwai^  wird  benutzt,  obgleich  es  sich  am  Unternehmungen 
eines  Bfannes  oder  einer  Familie  handelt   Gerode  Ton  einigen 
wichtigen  Kwaisha  ist  dies  bekannt,  so  den  Gesellschaften,  welche 
der  Familie  Mitsui  gehören  (Mitsui  Bank  und   Mitsui  Bussan 
Kwaisha  für  direkten  auswärtigen  Handel,  Kapital  200000  Yen), 
der  Mitsu  ßishi  Oesellschaft  in  Tokyo  und  Nagasaki^  welche 
den  Twasakis  gehört^,  u.  s.  w.    Die  Anteilschfinp  der  Kwaisha 
wind  rasch  ein  beliebter  (iegensüind  des  Börsenspiels  geworden, 
was  durch  den  wenig  klaren  rechtlichen  Charakter  dieser  ^Aktien** 
noch  besonders  bedenklich  wird.    Der  Aufschwung  seit  1886 
hat  in  kleinem  MaiaBtabe  alle  AuswticbBe  europttiflch-amerikamschen 
GrUndungsschwindelB  gebracht,  Gründung  Yon  Gesellschaften 
blofs  um  der  Gründung  willen,  um  dem  dummen  Publikum  die 
rasch  getriebenen  Aktien  au&uhängen,  Börsenspiel  in  Aktien, 
ruif  \M^]('lic  50  Sen  oder  1  Yen  eingezahlt  sind,  Kapitalerhöhunpfcn 
<lui\h  \'rnnchrur!fj:;  der  Aktien,  während  auf  rVip  alton  Aktien 
erst  ein  kleiner  Teil  eingezahlt  ist,  —  kurz  alle  die  alten  Bekannten 
aus  dem  W  eisten  sind  in  Tokyo  und  namentlich  in  Osaka  in  den 
letzten  Jaliren  aufgetaucht.    Das  Fehleu  aller  allgemeinen  gesetz- 
lichen Bestimmungen  Uber  Aktiengesellschaften  hat  diese  Vor- 
gänge erheblich  eneiehtert. 

Dabei  ist  aber  doch  nicht  zu  leugnen,  dafs  eine  Menge  neuer 
and  nützlicher  industrieller  Unternehmungen  durch  dieses  Grün- 
dungsfieber ins  Leben  gerufen  ist  Am  auf&llendsten  ist  das 
in  der  Baumwollspinnerei, 

T^i«'  erste  mechanische  BaumwolLspinuerei  errichtete  der 
Dainiyo  von  Satsuma  in  Kagoshima  Auf  Anlafs  der  Regierung 
wurden  einige  weitere  iSpinnereien  errichtet  in  Sakai,  in  Tokyo, 
In  Osaka  u.  s.  w.  Lange  Zeit  hindurch  gediehen  die  neuen, 
meist  kleine  Unternehmungen  gar  nicht  Um  1882  wurde  In 
Osaka  eine  erheblich  gröfsere  Spinnerei  von  einer  Aktiengesell- 
schaft anscheinend  ohne  Staatsbttlfe  gegründet   Diese,  1883  in 


^  Der  Mitsu  Bishi  Gesellscbaft  ihrerseits  gehören  sämtliche  Aktien 
der  119.  Nationalbank,  Mher  4o0  000  Yen,  seit  Ende  1889  1  000  000  Yen. 

25* 


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388  X  4. 

Betrieb  gesetzt,  war  die  erste,  welche  wirklich  gute  Geschäfte 
milchte.  Als  sie  infolge  günstiger  Eonjonkturen  1887  für  das 
erste  Semester  26,5  ^/o,  ^  das  zweite  Semester  34  ^'o  Dividende 
(p.  a. )  gab ,  war  das  der  Anstofs  su  erheblicher  Erweiterung 
bestehender  und  zu  Gründung  neuer  Spinnereien.  Ende  1888 
waren  20  Spinnereien  mit  or»420  Spindeln  ini  Betriebe,  wovon 
allein  auf  die  Osaka-Spinnerei  ^'JÜIm»  kamen.  Ende  18?^^*'  hatten 
dieselben  20  Fabriken  bereits  99  350  Spindeln  im  Betriebe.  Im 
März  1889  waren  es  in  24  Spinnereien  schon  tast  180  UOO  und 
1891  wird  wohl  die  Zahl  von  270000  Spindeln  in  33  Fabriken 
erreicht  werden  ^.  Das  ist  absdot,  im  Vergleich  mit  den  grolsen 
Industriestaaten  des  Westens,  nicht  viel,  aber  doch  in  vier  Jahren 
eine  VervieHachung  der  Spindelaahl.  Wenn  die  einheimischen 
Fabriken  gegen  die  Konkurrens  der  indischen  und  englische 
Spinner  aufkommen  kennen,  so  ist  anch  llür  weitere  Ausdehnung 
Platz.  Die  Produktion  der  einheimiachea  Spinner^en  war  ver- 
glichen mit  der  Elinfulir  von  Garn 

Produktion  Einfnhr* 

18S()     2010000  kg  14778000  kg 

1887  4342000  -  19  978  0(10  - 

1888  5BH2000  -  28404000  - 

1889  12160000  -  25087000  - 

Über  die  Weberei  hat  seit  einigen  Jahren  die  Regierung 
Menge  und  Wert  der  produzierten  Stoffe  ermittelt.  Sind  die 
Zahlen  auch  schwerlich  gams  ToUständig,  so  sind  sie  dodi  Ton 
Jahr  zu  Jahr  vollkommener  eeworden,  wodurch  sich  das  aufser- 
ordentliche  Anwachsen  der  Zahlen  erklärt.  Danach  hätte  der 
Wert  Amtlicher  nachgewiesener  Qewebe  betragen 

1884  5987582  Yen 

1885  12084071  ^ 

1886  17  82.M)45  - 

1887  27475  408  - 

1888  30475213  - 

An  reinseidenen  Kleiderstoffen  wird  die  Produktion 

fUr  1887  aut  3  192  777  Tan  (Stück)«  angegeben,  reichlich  36 
Millionen  Meter,  deren  Wert  auf  7  908  021  ^  en  angegeben  ist. 
An  der  Spitze  .steht  der  Bezirk  Kyoto  mit  075005  Tan  im 
Werte  von  2477  880  Yen.   Ihm  folgen  Yamauasiu  mit  000  512 

'  Näcliöt  der  Osaka- Spinnerei  mit  etwa  :3;">ooo  Spindeln  iat  die 

Köfete  die  im  August  IHS'»  eröftnete  Kanegafucbi- Spinnerei  (Mukojima 
i  Tokyo)  mit  über  :W  U(X)  Spindeln. 

2  Einfuhr/iihlon  fiir  l^HH— IWt*  siphe  oben  S.  'Ml.  —  Einprc- 
führtcs  Uarn  wird  vor  allem  als  Aufzug  benutzt,  das  gewöhnliche  japa- 
nlwhe  Owen  als  Ein«ehlflg. 

^  Ein  Tau  Sfidoiistnrt"  liat  in  der  Kegel  eine  Lange  von  80  Zeugfufs 
( Kujira-ahaku)  =^  11,86  m  und  eine  Breite  von  einem  Fufs  =  87.«  cm.  Bei 
gemischten  Steifen  wird  die  Länge  der  Regel  nach  etwas  gennger  sein. 


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X  4. 


389 


Tan  (1211540  Yen)  und  Gumma  mit  510058  Tan  (1182116 
Yen),  80  dafs  auf  diese  3  Beairke  aUein  drei  Fünftel  der  ganzen 

P^duktioD  kommen.  Auch  an  den  ans  Seide  und  Baumwolle 
gemischten  Stoffen  hat  Kyoto  einen  grofsen  Anteil.  Während 
im  ganzen  Lande  242354(5  Tan  (rund  2(5  Millionen  Meter)  im 
'\^''erte  von  3  638  580  Yen  her<^ostellt  sind,  kamen  davon  auf 
Kyoto  allein  592092  Stück  im  Werte  von  1  768  699  Yen.  Neben 
ihm  steht  Tochigi  mit  620  777  Tan  (Wert  nur  1)19  353  Yen). 
Aui  die  beiden  Bezirke  kommt  also  allein  reiclilich  die  Hältite. 
In  den  Zahlen  sind  nicht  eingeschlossen  die  Gttrtel.  £2b  wxirden 
an  seidenen  Görteln  hemstellt  856544  Bollen^  im  Werte  yon 
1893220  Yen,  davon  allein  in  Kyoto  147  677  Rollen  im  Werte 
Yon  1229913  Yen.  An  gemischten  Gürteln  (unter  Einrechnimg 
einer  ganz  geringen  Zahl  solcher,  in  welchen  Seide  nicht  enthalten) 
wurden  hergestellt  586279  lioUen  (ein  Drittel  davon  Männer- 
gürtel) im  Werte  von  955571  Yen.  Davon  kamen  auf  Kyoto 
173870  Rollen  im  W'erte  von  561299  Yen,  auf  Gumma  235594 
Köllen  im  Werte  von  234373  Yen. 

*An  Baumwollstoffen  (ohneGttrtel)  sindhergestaUt  1887: 
29619381  Tan'  im  Werte  von  11521891  Yen.  Daran  waren 
hauptsttchlich  die  folgenden  Bearke  beteiligt: 

Osaka  (ohne  Nara)  mit  8 993  689  Tan  im  Werte  von  1947111  Yen 

Saitama  •  2246644  ....  1177921  - 

Aichi  -  3543254  -    •      -      -  1172788  - 

Tochigi  -  1753633  -    -      -      -  769  422  - 

Wakayama  -  384881  ....  727680  - 

Nara  -  2  791  787  -    -      -      -  659  268  - 

Fukuoka  -  55762!  -    -      -      -  533831  - 

JEhime  -  1129564        ...  492801  - 

U.   8.  W, 

Die  Produktion  von  J  iaumwollgürteln  wird  auf  1  458  300 
Köllen  angegeben  (mehr  als  vier  Fünftel  davon  Männergürtel) 
im  Werte  yon  508995  Yen.  Fast  die  ganxe  Menge  entfiiHt  auf 
die  Besirke  Okayama  und  Ehtme. 

Von  sonstigen  Stofl«n  (namendich  Hanfgewebe)  werden 
1482664  Tan  im  Werte  von  1107630  Yen  angegeben. 

Es  eiigiebt  rieh  aus  den  angefilhrten  ZaUen 

für  Sddengewebe  ein  Wert  Ton  9747841  Yen 
.  HalbseSie       -      -      -  4694151  - 

-  Baumwolle      -      -      -  12025 '^v^i)  - 

-  andere  Stofie   -      -      -   1107530  - 

1  Nämlich  162570  für  Mäimer,  193974  für  Frauea.  Erstere  sind 
Mgelmuraig  12  Fafs  (3,in  m)  lang  und  20—30  cm  breit,  letetere  11  Ftafs 
(3,is  m)  lane  und  70    ^^0  ein  breit. 

*  Ein  Tan  Baumwillzcug  hat  meist  2\—2x  Fufa  =  9— lO,.!  m  I  nnge 
und  9  Zoll  =  M  cui  Breite.  Je  gewühulicber  der  Stoff,  deätu  gcrmger 
die  Linge. 


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390 


X  4. 


An  dem  Gesamtwerte  von  27475408  Yeo  haben  den  Hanpi- 
anteil 

Kyoto  mit  629Ü490  Yen 

Oöaka  (ohne  NaraJ  -    1951985  - 

Gumma  -   1818641  - 

Saitama  -   1788429  - 

Tochigi  -    1593199  > 

Aicbi  -    1585934  - 

Yamanashi  •   1257764  - 

Auf  diese  7  Bezirke  ent&llen  fast  dm  Fünftel  des  Wertes  der 
Jansen  ang^ebenen  Produktion. 

Einen  Wert  von  700000--1000000  Yen  haben  noch  auf- 
zuweisen Kanagfiwa,  Wakiiyama,  Ishikawa.  Fukuoka,  Ehime, 
Qifti  und  Nara.  Die  Hauptwebergegenden  sind  also  einerseits 
die  Bezirke  nördlich  und  westlich  ura  Tokyo,  anderseits  die 
Gegend  von  der  Owaribucht  bis  Kyoto '  und  die  südlich  davon 
gelegenen  Gebiete.  Ganz  bedeutungslos  ist  die  Produktion 
namentlich  im  Norden  (Hokkaido,  Aomori,  Iwate,  Akita,  Mijagi) 
und  im  Südwesten  (Kagoshima^  Miyazaki,  Oita^  Eocbi). 

Die  japanische  WeiMrei  bat  durch  den  auswärtigen  Handel 
grofee  Änderungen  erfahren.  Namentlich  die  Seidenweberei  mufs 
erhebliche  Einbufse  erlitten  haben.  Der  Gebrauch  europäischer 
Kleidunp-  inid  europäischer  Wollenstoflfe  für  japaniBclif  Kleider 
nMus  rliiic,  Flanelle)  hat  naturgemäfs  geru  l«  den  Verbrauch  der 
.Seideiigewebe  beschränkt  I)als  (lip«er  Austail  durch  zunehmen- 
den Gebrauch  seidener  und  halbseidener  Kleider  in  den  mittleren 
und  unteren  Ständen  ausgeglichen  sei.  ist  nicht  anzunehmen. 
Aach  die  fianmwoUweberei.  namenüieh  aer  geringeren  Qualittten, 
wird  durch  die  erbeblicne  Einfuhr  von  Sto£fon  beeinflafst. 
Unbedeutend  ist  dagegen  die  Ausfuhr  von  Geweben.  Dock 
zeigen  die  letzten  Jahre  relativ  grofsen  Fortschritt  in  der  Aus- 
i'nhv  von  Seidenstoffen^.  Einfuhr  und  .Vust'uhr  von  Stoffen  (ohne 
Kleidungsstücke,  einächliefslich  Wachstuch)  beliet*  sieb  dem  Werte 
nach  in  runden  2iahlen  auf 

1886     Einfuhr  6228000  Yen     Ausfobr  1  025  000  Yen 
1888         -    12481000    •  -     1900000  • 

Von  der  Einfuhr  des  letzteren  Jahres  waren  74470000  Yards 

baumwolleue  und  27480000  Yards  wollene  Stückgüter. 

Im  Anschlufe  hieran  mögen  einige  kurze  Notizen  Uber  andere 
Industrieen  ihren  Platz  finden,  wddie  gleichfalls  iUr  das  Jahr 
1887  erhoben  sind. 


■  Auch  Sbiga  ist  nicht  ganz  nnbedentend. 

^  Hauptsächlich  seidene  Taschentücher  aus  den  Webereien  TOD 
Kiryu  (Gumma;.   Vgl.  die  Zahlen  oben  hn  sechsten  Kapitel  S.  344. 


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X4.  ' 


391 


Bei  der  Bauart  und  Eanrichtiing  des  japaoitcfaen  Hanaes 
nehmen  die  dicken  mit  Binsengeflecht  überzogenen  Matten, 
Tatami,  einen  wichtigen  Platz  ein.  Von  diesen  sind  1887 
nach  der  amtHchen  Statistik  6  832308  Stück  (jede  Matte  mifst 
180  zu  90  cm)  im  Werte  von  047664  Yen  angefertigt,  davon 
reichlich  die  Iliüfte  in  Kyushu.  Im  Bezirke  Oita  (Provinz  lUmgo) 
allein  waren  es  2  693  250  Stück.  Demnächst  folgten  Okayaraa 
mit  1017480  Stück,  Fukuoka  und  Hiroshima.  Von  den  Goza 
genannten  dttmien  Binflenmatten  wniden  4537805  Stttck  her- 
gestellt im  Werte  von  252835  Yen.  Davon  kamen  1514600 
Stack  auf  Fukuoka,  1217  430  Stück  auf  lahikawa^ 

Einer  der  wichtigsten  Qebrauchsgegenstilnde  ist  bekanntlich 
in  Japan  das  Papier,  das  eine  viel  mannigfachere  Anwendung 
findet  als  in  Europa.  Nach  der  allerdings  kaum  ganz  ein- 
wandsfreien  Statistik  wären  1887  rund  25  Millionen  kg  japani- 
sches Papier  fabriziert,  aufserdera  5850  0n0  kg  europäisclies 
Der  Gesamtwert  wird  auf  5010080  Yen  angegeben.  Abgesehen 
von  dem  in  einer  geringen  Zidil  Ton  Fabnken  meist  in  Tokpro 
nnd  Osaka  &bnsierten  Produkt  europfiischer  Art  wird  Paper 
ttherall  im  Lande  gemacht.  Besonders  wichtig  aber  ist  Shikoku 
mit  allen  seinen  Bezirken,  das  nördliche  Kyushu  (Fukuoka  und 
Nagasaki),  Hyogo.  Miye^  Gifu,  Nagano,  Shizuoka  und  Saitama  ^. 

Über  dierrodttktion  von  Leder  finden  sich  fUr  1887 folgende 
Angaben 

RindshUute     96937  Stück  im  Werte  von  226164  Yen 
Rofshllute       28  539     -      -       -       -     63183  - 
Hirschhilute    34948     -      -       -        -     22827  - 
Von  dem  Gesamtwerte  von  312174  Yen  kamen  auf 

Hyogo        115440  Yen 
Tokyo  48385  - 

Osaka  36  735  - 

Wakayama   12617  - 


*  Matten  spielen  fiberhaupt  eine  grofte  Rolle  in  Japan ,  als  Unter- 
lagen /.um  Trocknen  von  Getreide  und  für  Seidenwurmer,  als  l^mhüllung 
vou  baket'aäsem ,  als  KeKenmäntel ,  zum  Eiudcckca  \ou  Houtcu  u.  s.  w. 
Satow  sAhlt  in  ■einem  kleinen  vortrefflichen  Dictionary  of  the  spoken 
language  unter  dem  Worte  „mat"  10  Arten  Matten  mit  verschiedenen 
Namen  auf.  —  Die  Ausfuhr  von  Matten,  die  bis  18^0  nur  einen  ver> 
schwindenden  Wert  hfitte,  stieg  neaerdings  von  36296  Yen  im  Jahre 
18^7  auf  16(>888  Yen  im  Jahre  1889.  Gegeafiber  der  grofien  chine- 
sischen Mattenausfuhr  ist  das  allerdings  immer  noch  ein  recht  nnbed«i- 
tender  Betrag.  Ebenso  ist  es  mit  der  Ausfuhr  von  Stroh  bändern,  deren 
Wert  1887  schon  850450  Yen  betrag  und  bis  1889  auf  146  847  Yen 
SUrfickging. 

^  Aufserdem  betrug  die  Einfuhr  von  Druckpapier  lö86  550000  kg, 
18»7  1  150  mx»  kg,  1888  8  :m  000  kg,  davon  fiut  die  HMfte  aas  Deutsch- 
land, 1880  wieder  nur  1  991  000  kg  im  Werte  von  178  :m  Yen. 

'  Der  Wort  der  Einfulir  von  l*apier  und  Pappe  betnip  1888  751  000 
Yen  (ungewöhnlich  hoch),  derjenige  der  Ausfuhr  an  Papier  und  Papier- 
waren (einschl.  Fächer)  672800  Yen. 


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892 


*  X  4. 


Das  letzte  Drittel  Tertoilt  sich  in  gant  kleuien  Beträgen  auf  die 
anderen  Bezirke*. 

In  der  keramischen  Industrie  (ohne  Ziegeleien)  wird 
die  Zahl  der  Ofen  auf  6210,  der  Wert  des  erzeugten  Porzclbms 
auf  758  832  Yen,  der  sonstij^en  Tiionwaren  auf  1  127  78U  Yen 
angegeben.  Von  dem  üe^imtwerte  von  1  bS4tjl2  Yen  kamen  aui' 
Saga  (Provinz  Hizen)  3801)05  Yen,  auf  (Jifu  (Provinz  Mino) 
317529  Y'en,  Aichi  (Provinz  Owari)  303073  Yen,  Isbikawa 
(Ph>yiiiz  Eaga)  188196  Yen,  Kyoto  180209  Yen.  Fttr  Fmellan 
allein  standen  Ishikawa  und  Kyoto  an  der  Spitie. 

Diese  Zaillen  dürften  aber  viel  zu  niedrig  sein.  Ein  Pro- 
duktionswert von  7726  ^  en  in  Kagoshima  (Satsuma)  z.  B.  er- 
scheint ziemlich  unglaublich.  Auch  ans  der  Höhe  der  Ausfuhr- 
/.ahlen  ergiebt  sich,  dals  die  Produktionszahlen  viel  zu  niedrig 
sein  müssen.  Die  Ausfuhr  von  Produkten  der  keramischen  In- 
dustrie überschritt  1873  zuerst  den  Wert  von  lOnoiJO  Yen,  stieg 
1879  plötzlich  auf  300000,  1881  auf  mehr  als  700000  Yen,  fiä 
bis  1884  auf  526000  Yen  und  stieg  dann  raseh  auf 


695000  Yen  im  Jahre  1885 
1002000  -  -  '  -  1886 
1312000  -  -  -  1887 
1295  000  -  -  -  1SS8 
1450000    -     -      -  1889 


Nfichst  Seidenstofien  ist  dies  jetzt  der  widitigste  Industrie 
artikel  der  japanischen  Ausfuhr. 

Über  raiige  Gewerbssweige  haben  wir  wirklich  auTerltfssige 
Angaben,  da  sie  au  Zwecken  der  Verbrauchsbesteuerung  staat- 
licher Aufeicht  unterstchen. 

In  erster  Linie  istdie  Krzeugung  a  1  k  o  h  o  1  i  s  c  h  e  r  G  e  t  r  jl  n  k  e 
zu  nennen.  Das  fast  ausschliefslich  in  Japan  herrschende  be- 
rauschende (Jetränk  ist  der  Sake,  welcher  durch  Gährung  aus 
Keifi  hergestellt  wird  und  das  Objekt  der  zweit  wichtigsten  iSteuer 
ist  Unreiner  Sake  wiid  als  Haustrunk  vielfach  in  der  eigenen 
Wirtsehaft  hefgestellt.  Doch  ttberwiefft  an  Bedeutung  die  ge- 
werbliche Produktion.  Diese  findet  allerdings  ttberall  statt,  ist 
aber  doch  in  den  einzelnen  Gegenden  sehr  ungleich  entwickelt. 
In  Kagoshima  und  Miyazaki  ist  die  gewerbliche  Produktion  noch 
heute  viel  geringer  als  der  Hausbräu,  in  8aga  und  Nagasaki,  in 
Miyagi ,  Iwate  und  Akita  wenig  gering<  r    Ancli  in  Fiiktishima, 


Kochi  und  dem  Keöt  von  Kyushu  nimmt  der  Hausbräu  einen  ver- 
häUniämalsig  breiten  Platz  ein.    Dagegen  ist  er  in  den  anderen 

*  Über  Ein-  und  Ausfuhr  von  Hiiuton  nod  Leder  vgl.  S.  310. 

*  Vgl.  im  nächsten  Boche  Kap.  4,  IV. 


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X  4. 


893 


Besirken  an  der  Inlandsec  und  Uberall  in  den  mittleren  Teilen 
von  Honsha  nor  unbedeutend.  Der  Hauptsitz  der  gewerblichen 
Produktion,  wo  auch  die  besten  Sorten  hergestellt  werden,  sind 
die  Bezirke  ITvo^fo  und  Osaka  \  zusamraen  mit  einem  Scdistel 
der  ganzen  gewerbüclien  Produktion,  einem  Fünftel  mit  Kinreclimmg 
von  Kyoto,  Demnfichst  kommen  die  Bezirke  Niigata,  Nagano 
und  Aichi  und  im  öüdeii  Ehime  und  Fukuoka.  Die  genannten 
acht  Bezirke  haben  in  den  letzten  Jahren  regelmäisig  mehr  als 
100000  Koka  (180000  hl)  produzier^  so  dab  auf  sie  zasammeii 
reicUich  swei  Fünftel  der  gewerblichen  Broduktion  entfidlen. 

Auf  die  produzierte  Menge  haben  zwei  Dinge  bedeutenden 
Einflufs  geübt,  die  bedeutende  HteoerarhOhung ,  namentlich  die 
von  18^2.  und  die  W nimm gs wirren .  znniiclist  zur  Zeit  des 
steigenden  Ap^ios  den  Verbrauch  steigernd,  zur  Zeit  des  sinkenden 
Agios  iim  ebenso  stark  witdt  r  einschränkend.  Die  Produktion 
von  Sake  aller  Arten  ^  wird  von  1872— 1875/7G  auf  3—3.7» 
Millionen  Kuku  angegeben.  Anscheinend  unter  dem  Einflufs  der 
Stener  (Definnde?)  tank  de  1876/77  auf  2S36714  Eokuj  stieg 
dann  aber  in  der  Zeit  der  Inflation  des  Ge]dumlau&  bis  am 
5  208107  Koku  im  Finanzjahre  1879  80.  Die  beiden  nächsten 
Jahre  brachten  einen  geringen  Rückschlag,  aber  1882  83  waren 
es  wieder  5063206  Koku.  Steuererhöhung  und  Wirtschaftskriiiis 
wirkten  dann  zusammen  zu  einem  unaufhaltsamen  KUekgang 
bis  auf  2G80451  Koku  1«S5  86.  Der  wirtschafdiclie  Wicder- 
aufsehwung  hatte  die  Pix>duktion  bis  1887  88  erst  wieder  auf 
3104  547  Koku  -e])racht,  1888/89  aber  auf  3967648  Koku. 
Von  dem  Rückgänge  der  Produktion  sind  die  Bezirke  nicht 
gleicbniftifllg  getrofifen,  wie  ein  Veigleicb  der  Stufenjahre  1882/83 
und  1885/86  mit  den  letzten  bekannten  Jahren  zeigt. 


Die  Produktion  betrug  in  den  wichtigeren  Bezirken  Koku 
(180  1) 


im  Bezirk 

1882/83 

188o.'86 

1887/88 

1888/89 

Hyogo 

492893 

357138 

367883 

492403 

( )saka 

283  878 

140495 

152407 

219968 

Aichi 

281289 

112569 

131  146 

190  651 

Ehime 

209311 

109 176 

116050 

158  235 

Fukuoka 

191885 

106  049 

115376 

155  979 

185  089 

105688 

135594 

153  649 

(Jkayama 

1 80  Hr»8 

78556 

82684 

115  997 

Kiigata 

180  öl. j 

77636 

197168 

125  003 

Ibaraki 

157455 

77  449 

80043 

106  555 

^  Des  Veri^dches  mit  den  Vorjahren  wegen  ist  Nara  zu  Osaka 
gerechnet;  die  Froduktioo  war  dort  übrigens  nicht  bedeutend,  1887/88: 
36208  Koku  in  209  Betrieben. 

*  Daboi  ist  Shoehu.  Spiritus,  eingerechnet  mit  40  OUO— bii  u<  lü  Koka 
in  den  letzten  Jahren.  Hönepunkt  Iö7U  ^0  ^37li8  Koku,  tiefster  Punkt 
1886/86  42814  Koko. 


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d94 


X  4. 


1882/83 

1885/86 

1887/88 

1888/89 

144  ola 

DO  OVO 

IAA  OQI7 

138743 

91825 

100005 

133  484 

135394 

61 305 

74  861 

1  TN  072 

1231U4 

68  588 

62(i08 

iMl  159 

120028 

61837 

79857 

102  533 

119451 

61  276 

66847 

88  343 

in  Betiik 

Hiroshima 
K^oto 
Miye 

YAinafiuchi 
FoktuJiima 
CKta 

Oerade  der  wichtigste  Bezirk,  Hvoj^o.  wo  die  brsten  und 
groraten  Brauereien  sind  ,  fiat  verhüUnismäisig  wenig  unter  der 
Krieis  gelitten.  Dagegen  liatten  Aichi  und  Okayama  selbst 
1887  88  noch  nicht  die  Hälfte  der  Produktion  von  1882  83. 
Sehr  merkwürdig  sind  die  Zahlen  fUr  Nügata. 

Bei  Entwickelaiig  der  Sakemdustrie  Kommt  ab«r  auch  die 
Zahl  der  Betriebe  in  Betracht,  welche  leider  erst  seit  1880/81 
aDflM^ben  ist.  Die  Beschränkung  der  Produktion  hat  nämEch 
nioit  sowohl  innerhalb  der  einzelnen  Betriebe  als  durch  Schlieisung 
von  Brauereien  stitti^et'unden.  Ihrp  Z.ilil  bat  sich  von  1880  an 
von  Jahr  zu  Jahr  vermindert  bis  i?^8<)  87.  Erst  seit  1887'88 
ist  wieder  eine  ganz  geringe  Zunahme  ert'olgt    £e  war 


188081 
188283 
1885  86 
1886/87 

1887  88 

1888  89 


die  Zahl  der 
Brauereien 

27875 

25  814 
16  425 
1 5  025 
15  453 
15  708 


die  durchschnittliehe  Pko- 
duktion  einer  Üiaaerä 


1C7 
196 
163 
199 
201 
253 


Koku 


Stellen  wir  tUr  die  wit  litigsten  acht  Bezirke  die  Zahl  der 
Brauereien  und  deren  durelisclmittliche  l'roduktion  in  den  Jahren 
1882  83  und  1887,88  zu^iimmen,  so  ergiebt  sich  iblgeudes  Bild. 


Besirk 

1882«3 

1887/88 

Zahl  der  Brau- 

durchschnitt- 

Zahl der 

durchschnitt- 

ereien 

liche  Produk- 

Brau- 

liche Produktion 

tion  in  Koku 

ereien 

iu  Koku 

Hvogo 

1314 

375 

909 

405 

^.air;tno 

998 

185 

595 

228 

1014 

178 

774 

255 

Kyoto 

803 

173 

SS7 

186 

0«aka 

886 

820 

S35 

285 

Aichi 

836 

336 

505 

260 

Ehirae 

904 

232 

601 

193 

Fukuoka 

658 

292 

396 

291 

Verglicht  man  die  vier  emtoa  mit  den  vier  letzten  Be- 
zirken, 80  zeigt  sich,  da(B  in  enteren  der  Rückgang  in  der  Zahl 
der  Betriebe  begleitet  war  von  einer  Erhöhung  der  durchechnitt- 


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X  4.  395 

liehen  Leistang.  Eb  riiid  die  Besirke,  in  wdchen  der  aUgemeine 
Rückgang  der  Produktion  überhaupt  nicht  so  sehr  erheblich  war. 
In  INiigata  war  die  erzeugte  Menge  1887  sogar  grOlser  als  1882. 
In  den  zuletzt  aufgezählten  Bezirken  war  dagegen  der  Rück- 
j,'?inf^  der  Produktion  stärker  als  der  der  Betriebe,  in  Fukuoka 
ailerdingä  nur  unbedeutend.  Die  Richtung  auf  Vergröfsenmp^ 
der  Betriebe  Iiat  sich  auch  nach  dem  \\  iederauischwung  des 
Wirtschattalebens  for^esetzt.  \'on  45  Bezirken  (Okiuawa  immer 
ausgeschlossen)  hatten  1887/88  5  eine  Durchschnittsproduktion 
per  Brauerei  von  mehr  als  800  Koka,  1888/89  schon  9^  £ine 
durcbschDittliche  Produktion  von  200—300  Koka  hatten  1887/88 
10,  1888  89  19  Bezirke.  In  den  meisten  Bezirken  ist  die 
Zahl  der  Betriebe  und  die  der  Gewerbetreibenden  ungefähr  gleich, 
nur  in  einigen  Bezirken  besonders  entwickelter  Brauerei  ist  die 
Zahl  der  Betriebe  gröfser,  sind  mit  anderen  Worten  häutiger 
mehrere  Brauereien  in  einer  Hand,  nMmlich  1887  88 

in  Aichi   505  Betriebe  aber  490  Gewerbetreibende 

Osaka  326      -         -  Bul 

Hyogo909       -         -  760 

In  Hyo<ro  ist  mit  der  technischen  Entwickelung  auch  die 
Koncentratiori  in  wenigen  Händen  am  weitesten  fortgeschritten. 
Im  Jahre  1883  84,  dem  ersten,  tür  welches  die  Zahl  der 
Gewerbetreibenden  nachgewiesen  ist,  kamen  in  Hyogo  auf  100  Ge- 
werbetreibende 112  Betnebe,  1887/88  schon  beinahe  120.  Im  erst- 
cenannten  Jahre  prodnzierte  dort  eine  Brauerei  durchschnittlich 
§41  Koka,  im  letztgenannten  Jahre  484  Koku.  Diese  ^Isere 
Koncentration  wird  auch  bestätigt  durch  eine  Zeitungsnotiz  nach 
amtiicher  QnrHe  (Japan  Weekly  Mail,  1889,  Xll  4B»V(  über 
die  Zahl  der  l>rauereien,  weiche  1888  mehr  als  1000  Koku  pro- 
duziert hatten. 

Danach  wäre  gewesen 

deren  Zahl    mit  ein  f  r  i  roduktion 

von  Koku 

im  ganzen  Lande    328  607  078 

davon  im  Bezirke  ^^»»^^  ^^'"^^> 

Hyogo                125  326337 

Aichi                    28  38  889 

Osaka  (ohne  Nara)    26  47049 

Fukuoka                14  19116 

In  sieben  altjapanischen  Bezirken  (Tokvo.  lahikawa,  Toku- 
shima,  Kochi,  Shimane^  Miyazaki,  KagOähiniaj  gab  es  Uberhaupt 
keine  Brauerei  von  dieser  Üröfse,  in  sechs  Bezirken  nur  je  eine. 


'  Nämlich  1887  Hyogo,  Osaka  (ohne  Nara),  Vamauashi,  Miyagi, 
Aomori,  1888  89  Hyo^o  (523  Koku),  Osaka  (480  Koku),  Wakajama, 
lliyei  Aichi,  Yamanubi,  Miyegi,  Aomoii»  Fnkoeka. 


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396 


X  4. 


Zur  B^Dstiguug  der  gi^laeren  BrauereieD,  welche  ein 
beeaereB,  wertvolleres  rodukt  heratdieii,  triigt  oatoiigeiiiftre  die  ver- 

hidtnismärsig  hohe  BeeteueruDg  bei,  welche  ohne  Rücksicht  auf 
die  Qualität  vom  fertigen  Fabrikat  erhoben  wird,  BO  dafs  sie  bei 

geringeren  Sorten  ein  Drittel,  bei  den  feinsten  nur  ein  Siebentel 
bi?»  f^'m  Achtel  dfs  Verkaufspreitäcs  nusmacht.  Die  kleinen  Land- 
brauercien  koiiimen  dadurch  gegenüber  den  grolaeii  Betrieben  v<m 
Hyogo  u.  8.  w.  in  Nachteil. 

Der  Sakeverbrauch  betrug  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung 

1872-1875         duidiaehDittlich  18  Liter 

1875  76—1878/70  -  16  - 

lbHab4— 1Ö87;8Ö  -  17  - 

1888  89  -  21,6  - 

Die  Zahlen  seit  1883,  welche  sich  auf  die  Zeit  der  Wirkung 
der  jetzigen  Steuer  von  4  Yen  für  den  Koku  gewöfinlichen  Sake 
(etwa  7  Pfennig  für  den  Liter)  beziehen,  sind  mit  denen  iur  die 
firtihere  Zeit  nicht  direkt  vergleichbar,  da  nur  sie  auch  den  Haus- 
trank  einschliefsen,  der  vorliei  ganz  unberückbiclitigt  blieb.  Nimmt 
man  den  Alkoholgehalt  von  Sake  za  durehichnittlich  14  ^/o  an, 
80  käme  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung  ein  Jahresverbrauch 
von  etwa  2,4  Liter  Alkohol  im  Durchschnitt  der  Jahre  1883/88| 
aber  in  den  Zeiten  der  Agioherrlichkeit  von  mehr  als  3,5  Liter. 
Die  Sakepreise  sind  je  nach  der  Qualität  aufserordentlidi  ver- 
schieden. Sake  mittlerer  Güte  hat  in  den  letzten  Jahren  13 — ^14 
Yen  für  den  Koku  gekost^-t  /'etwa  24  Mark  für  den  iicktoliter), 
aber  Itami  -Sake,  die  bekaiiuLeste  der  ^iten  tiyof^o  -  Marken, 
etwa  3ü  Yen.  Wie  überall  beim  Gotränkehandel,  sind  die  Preise 
im  KJeinverkauf  unverhältnismäisig  hoch.  In  Tokyo  kann  man 
im  allgemeinen  annehmen»  daie  in  emer  Gaatwirtechaft  daa 
Doppuie  deseen  besaUt  wurd,  was  der  Sake  beim  Hfindler  kostet 
bei  Entnahme  von  mindestens  einem  Sho  (1,8  1). 

Die  Herstellung  berauschender  Getränke  europäischer  Art 
ist  der  Verbrauehsbesteuerung  nicht  unterworfen,  übrigens  sehr 
unbedeutend.  Ftir  1886/87  werden  die  hergestellten  Mengen  wie 
folgt  augegeben 

Bier     6507  Koku  (11700  hl) 
Wein      537     -     (    967  - ) » 
Brandy  ^ 
Sonstige  338  - 

Die  Bierbrauerei  ist  neuerdings  in  ztemlieher  Zunahme  be- 

friffen.  Die  einheimtBche  Produktion  dürfte  gegenwärtig  die 
änfiihr  Ubertrefien. 


^  Davon  wifd  mehr  als  die  Hälfte  in  Tokyo  „hergestellt''. 


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X  4. 


397 


Die  Einfqhr  von  Spirituosen  aller  Art  hatte 

1868  einen  Wert  von  167G14Yen 

1880     -  -      -  407  259  - 
(erster  Höhepunkt) 

1888    -  •      >  800703  ' 

1887  -  -      -  887961  - 

1888  .  -      -  822  915  - 

1889  -  -      -  526469  - 

Mehr  als  die  Hälfte  dieser  Summe  kam  bis  1888  auf  Bier 
und  Ale,  1889  nur  mehr  zwei  Fünftel,  nämlich  450916  Yen 
1888  imd  213577  Yen  1889^  Von  flon  oincremhrten  Spirituosen 
ist  nattlrlich  ein  greiser  Teil  iür  den  V  erbranch  U  r  in  Japan 
sich  aufhaltenden  Ausländer  und  der  Schiffe  bestimmt. 

Seit  1885  sind  auch  über  die  Shoyu-Industric  infolge 
der  Einführung  einer  Verbrauchssteuer  auf  Shoyu  ^  einige  genauere 
Daten  bekannt  £b  wtirden  1887/88  1180188  Koka  Shoyu 
versteuert  ans  11687  Betrieben,  durchschnittlich  101  Koku  von 
der  Fabrik,  Hagegen  1888/89  1304  551  Koku  aus  10634  Be- 
trieben, durchschnittlich  123  Koku.  Wie  bei  der  Sakebrauerei 
hat  sich  die  Zahl  der  Betriebe  vermindert,  von  l;>n82  im  Finanz- 
jahre 1S«5  86  auf  \iMVM  im  Jahre  1888  89,  während  dio  Menge 
des  Produktes  zugenommen  hat.  Obgleich  Shoyufabriken  sich 
im  ganzen  Lande  finden,  ist  die  Industrie  doch  in  einigen  Gegen- 
den besonders  entwickelt.  An  der  Spitze  äteht  der  Bezirk  Chiba 
1887/88  mit  689  Fabriken  and  einer  Pkrodoktion  von  121 816  Koku 
(durchichnittHch  also  in  -einem  Betriebe  177  Koku).  Im  Jahre 
1885  war  bei  gleicher  Produktion  die  Zahl  der  Betriebe  um  53 
ffrOlser.  Hauptsitz  der  Industrie  ist  die  Stadt  GhoehL  Au&er- 
dem  sind  die  wichtigsten  Bezirke 

durchschnittliche  Pro- 
duktion in  cinein 


Betriebe 

PlroduktioD 

Betriebe 

Ehime 

555 

73525 

132 

Hvogo 

544 

73168 

135 

Okayama 

580 

64389 

III 

Fukuoka 

381 

58  022 

152 

Ibaraki 

560 

53  7H1 

96 

Aichi 

387 

52  768 

136 

Kanagawa 

316 

40538 

128 

Saitama 

251 

40  211 

160 

>  Efaigeftthrt  wurden: 

1888  rund  hl  (H  12:>      Flaschen  und  G04o  GaUonea) 

1S89     -     12  000  -  am'6i2      -  -  3154      •  ) 

Wein  wurde  eingeführt: 

1888  Champagner  74  136  Flaschen,  anderer  Wein  rund  8500  hl 

1889  -  72856      -  -         •       -    5400  - 

^  Sfaoja  (Soja,  Bohnensaitce),  eine  aUgemeitt  m  Japan  gebrauchte 
Wttne,  Tgl.  331. 


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3d8 


X  4. 


Die  ß-f-nannton  neun  Bezirke  bringen  allein  etwa  die  Hälfte 
der  Jalireöpioduktion  des  Landes  hervor.  Dagegen  wird  im 
Norden  von  Ilonshu,  an  der  ganzen  Westküste  (aufser  Ishikawa), 
im  gröfsten  Teile  von  Kyushu  und  Shikoku  nur  wenig  Shoyu 
erzeugt.  Mn  direkter  ZusammeDhaog  der  Bedeutang  der  Shoyu- 
induBtrie  mit  der  Ausdehnung  des  Anbaus  yod  Sojabohnen^  den 
man  erwarten  könnte,  findet  nicht  statt  Bemerkenswert  scheint 
mir  dagegen,  dafe  vielfach  die  Bezirke  ausgedehnterer  Shoyu- 
industrie  mit  denen  ^^faor  Sakebrauerei  identisch  .sind.  Der 
"Verbrauch  beträgt  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung  durchschnitt- 
lich etwa  5,6  Liter  im  Jalire.  Die  Ausfuhr  von  Shoyu  ist  un- 
bedeutende  Shoyu  mittlerer  <  lutc  ko.stet  durchschnittlich  reich- 
lich 6  Yen.    Die  Steuer  betiagt  1  Vea  für  den  Koku. 

Die  Steoeifisten  geben  femer  AufiMohlnfs  Uber  die  Tabaks- 
induatrie,  allerdings  ohne  ▼oUstltndige  Scheidung  von  Vei^ 
arbettong  und  Handel  bei  den  Kleinbetrieben.  Mit  Herstellung 
und  Verkauf  von  Tabaksfabrikaten  beschäftigten  sich  überhaupt 
im  Finanzjahre  lf^87/88  36048  Unternehmungen,  1888^^0 
34  644.  Von  18S3  84  (dem  ersten  Jahre,  ftir  welches  die  Zahlen 
vorhanden  sind)  haben  sich  fli»  Zahlen  fast  stetig  vermindert. 
Nach  einzelnen  Kategorieen  der  Licenzptiichtigen  gab  es  (ohne 
Okmavva) 

1883/84  1886  87  1887'88  1888  89 

H,  Fabriken  8262      5138      53ü6  4580 

b.  Zwischenhändler  3511  2574  2  932  2  747 
c  Kleinhändler      84224    26867     27720  27817 

45997     34579     36048  34644 

Die  Zahlen  sind  ein  Ausdruck  einmal  ftir  die  Wirkung  der 
Steuer,  anderseits  der  wirtschaftlichen  Zustände  überhaupt 

Unter  den  Besirken  steht  fbr  die  Fabriken  und  die  Klein- 
betriebe  Tokvo  mit  498  and  1972  im  Jahre  1887/88  weitaus  an  der 
Spitze.  In  der  Zahl  der  Fabriken  folgt  ihm  Kanagawa  mit  272, 
Ibaraki  mit  247,  Niigata  mit  224  und  Aküii  mit  215.  1^  den 
Kleinbetrieben  folj^t  <  'hiba  mit  1616,  Kanagawa  mit  125<\  Osaka 
(ohno  Xara)  mit  1222.  Bei  den  Zwischenhändlern  steht  an  der 
Spitze  Kni^oslnnia  mit  229  (bei  verhiiltnismälsig  geringer  Zahl 
von  Fabriken  und  Ivieinbetrieben),  dem  Kanagawa  mit  219, 
Ibaraki  mit  191  folgen.  Im  allgemeinen  sind  die  Zahlen  im 
Norden  und  im  Süden  erheblich  niedriger  als  in  den  mittleren 
Teilen  des  Landes.  Die  Veränderungen  in  den  Zahlen  sind  seit 
1883  in  manchen  Bezirken  sehr  erheblich.  Während  die  Zahl 
der  Fabriken  bis  1887  88  in  Tokyo  nur  von  612  auf  498  sank, 
fiel  sie  z.  B.  in  Tochigi  von  304  auf  124;  in  Yamagata  yon 


»  18SS:  .vi;^!i  Pikul  ^  um  Koku  im  Wert«  von  14939  Yen,  It^i 
1676  Koku  im  Werte  von  16650  Yen. 


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X  4.  m 

202  auf  85,  iu  Fukusliima  von  354  auf  100.  in  Miya<:;i  von  65 
auf  30,  in  Tottori  von  143  auf  70,  in  Miyazaki  von  102  auf 
60  u.  s.  w.  Die  Zahl  der  Kleinbetriebe,  die  in  Tokyo  sogar 
wuchs,  von  löol  hiä  lii72,  lü  manchen  mittleren  Bezirken  nur 
maif  abnahm,  fid  beispiebwebe  in  Mijaiaki  Ton  248  auf  151 , 
in  Otto  ^n  465  auf  307,  in  Ehime  von  1208  auf  780,  in  Shimane 
von  432  auf  284,  in  Fukushima  von  1050  auf  737,  in  Yamagata 
Ton  553  auf  278.  Der  Rückgang  hat  den  Norden  und  Sttden 
stärker  getroffen  als  die  mittleren  ijandesteile. 

Auch  die  eijronartif^p  1885  eingeftihrte  japanische  Kuchen- 
steuer giebt  die  Möglichkeit  über  die  grofse  Zahl  von  Unter- 
nehmungen, welche  sich  mit  Anfertigung'  und  dem  Verkauf 
von  Kuchen  beschäl  Ligen,  etwas  Genaueres  zu  erfuhren.  Unter- 
aofaiflden  werden  die,  weldie  Kuchen  anfertigen,  femer  Grofs- 
hündler  und  Kleinhändler.  FOr  die  Herstellung  ^n  Kuchen  waren 
1887  88  62513  Licenzen  erteilt,  für  den  Kuchenhandel  en  gros 
7616,  für  den  Kleinverkauf  nicht  weniger  als  108887,  und  darin 
sind  Strafsenverkäufer  und  Hausierer  nicht  eingeschlossen.  Die 
Zahlen  namentlich  der  Händler  haben  sich  seit  1885/86  etwas 
vermehrt,  wohl  infolge  sehürferer  Kontrolle. 

Es  ist  bereits  in  anderem  Zusammenhange  darauf  hinge- 
wiesen, wie  trotz  der  Zerstörung  der  alten  korporativen 
Organisation  des  ( Jewcrbewesens,  namentlich  des  Handels, 
thatsächhch  durch  die  Macht  der  Gewohnheit  wie  der  gemein- 
samen Interessen  solche  Verbände  sich  vielfach  orhalten  hab^ 
und  jetzt  in  neuen  Formen  zu  staatlicfaer  Anerkennung  kommen. 
Namentlich  im  Ein-  und  Ausfuhrhandel  nuichte  sich  das  geltend, 
wo  die  Gemeinsamkeit  der  Interessen  gegenüber  den  fremden 
Kaufleuten  den  Nutzen  des  Zusammenhaltfus  rleutlich  machte. 
Dazu  kam  ein  w^eiteres.  Die  Usancen  des  Handels,  d;i3  recht- 
liche Verhältnis  zwischen  Kommi.ssionrtr  und  Kommittenten  u.  s  w. 
wurden  früher  von  den  Kaufmaimsgilden  festgesetzt.  Bei  drm 
Fehlen  eines  ilandelögesetzbucheö  war  das  praktische  Be- 
dürfiiis  nach  einer  aUgemein  TerbindU<^en  Regelung  solcher 
Dmge  vorhanden,  welches  dann  durch  die  sich  reorganisierenden 
neuen  freien  Verbände  befriedigt  ^^u^de^.  Auch  als  Steuer* 
genossenschaften  haben  sich  solche  Vereinigungen  erhalten^  so 
z.  B.  die  der  Fischhändler  in  Tokyo,  welche  gemeinschaftlich  vom 


l  Backen  kann  man  nicht  sagen,  da  sehr  viele  japaniaehe  Knchen 

und  Konfekte  aus  rolietii  Teifj  u.      rul   l>.  >tr!.on. 

^  So  enthält  das  Statut  der  Sei<ienh.indiergilde  in  Yokohama  (wohl 
der  bedeutendsten  derartigen  Vereinigung)  vom  1.  Juli  1888  eigentlich 
nur  privatrechtliche  Bestimmungen  üher  die  Beziehungen  dieser  Händler 
zu  doji  Produzenten,  welche  ihnen  Ware  zum  Verkaut  übergeben.  Diese 
Besinn uiungen  gelten,  wo  nichts  Besonderes  ausgemacht  ist.  Die  Gilde 
B^st  die  KomnuBsion  der  Händler  fest  (11  per  male),  sowie  jeden  Monat 
den  Zinafors,  wdehen  die  UAndler  für  Voncbttflse  anf  Seide  berechnen 
werden. 


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400 


Fißchiuarkt  eine  Steuer  entrichten.  (Der  „Fisrfimarkt"  an  der 
Nihon-Brücke  zahlt  1200  ^*en  jälirlieh  Hezirkssteuer.)  Diese 
Gilden,  wie  man  sie  wohl  am  treff(  iiust(  n  bezeichnet  (jap.  Ku- 
xniai),  haben  sich  dauu,  wie  ganz  naturgemäi's  war,  um  An- 
a^eimung  sot^B  der  iRegierung  bemfiht  namentikh  stt  dem 
Zwecke,  «lle,  welche  am  gleichen  Orte  oder  ha  selben  Besirke 
das  gleiche  Geschäft  betrieben,  zum  Anschlufs  zwingen  zu  könn^. 
SchliefeUch  ist  dann  eine  einheitliche  Regelung  durch  eine  Ver- 
ordnung des  Ministers  fiir  Landwirtschaft  und  Gewerbe  erfolgt 
(Nr.  37  vom  29.  Novem>>or  1<^>^4i.  Danach  können  landwirt- 
BchafUiche,  industrielle  oder  Hand<l?sunternehmer  zum  Zwecke 
der  Abstellung  von  Mifsbrftuchen  oder  zum  Schutz  gemeinsamer 
Interessen  eine  Gilde  bilden,  welche  anerkannt  ^Yird,  wenn  sie 
mindestens  drei  Viertel  der  Interessenten  an  dem  betreffenden  Orte 
ninfikfst.  Wo  eine  solche  anerkannte  Gilde  besteht,  sollen  alle, 
weiche  das  gleiche  GeschAil  betreiben,  ihr  beitreten.  Doch  kann 
ihnen,  wenn  sie  aus  einem  vernünftigen  Grunde  den  Eintritt  ab- 
lehnen, von  der  Bezirksregierung  gestattet  werden,  aufser  der 
Gilde  7n  bleiben.  Das  Stitut  der  Gilde  ist  von  d<*r  Ikzirks- 
regierung  zu  bestätigen.  Die  Gilde  als  soIcIh-  darf  keine  Ge- 
schalte betreiben.  Sie  mufs  jährlich  einen  ikricht  über  ihre 
Thätigkfit  und  eine  Abrechnung  über  Einnahmen  und  Ausgaben 
der  Bezirksregicrun^  eiui-eichen.  Mit  (ienehniiguui;  der  letzteren 
können  mehrere  Gilden  einen  Verband  bilden.  Erstreckt  sich 
dieser  über  mehrere  Bezurke,  so  Ist  Genehmigimg  des  Ministen 
erforderlich. 

Auf  Grund  dieser  Bestimmungen  haben  sich  Gilden  in 
grofser  Zahl  gebildet,  wovon  allerdings  viele  thatsfichlich  schon 
vorher  bestanden  haben  mögen.  In  Tokyo  waren  es  Endo  1  ^^7 
schon  118  mit  25  757  Mitgliedern.  Davon  waren  45  industrielle 
(15U'.l  Mitgl.).  fis  llandulögiiden  (10  210  Mitgl.)  und  5  gemischte 
(416  ^litgl.^  Die  G  ikknverbönde  dienen  verschiedenen  Zwecken. 
Teils  sind  es  geradezu  Kartelle,  welche  die  Menge  der  Produktion 
regeln,  wie  das  schon  in  anderem  Zusammenhang  erwähnte  Sak- 
kartell,  welches  an  alte  Einrichtungen  anknOpfte^.  Teils  haben 
sie  örtlichen  Charakter,  wie  der  grofs«-  Gil donverband  von 
Yokohama  (Yokohama  ßovekisho  Rengo  Kumiai),  der,  alle 
Export-  imd  Importliiindlergilden  (Rohseide,  Tlico.  Seeprodukte, 
vermischte  Waren,  Petroleum.  Zucker,  Haumwollengam  und 
Sti'ckgfitcT.  Droguen  und  Meilizincn,  Kupfer  und  Eisen,  fi-emde 
rhanta.sieartikcl)  umfassend,  in  seiner  jetzigen  Form  am  28.  Oktober 
1889  zu  Stande  l^.aiu,  aber  eine  altere  Einrichtung  ist.  Dieser 
Vwband  erhebt  von  jedem  Eänfnhr-  und  Ausfohrgeschttfl  eine 
Abgabe  von  3  Tausendstel  des  Betrages  (Buai>kin)  *  und  besitst 

>  Vgl.  oben  S.  aCC. 

-  In  Xagnsaki  werden  5  Tausendstel  eihoben,  wonach  die  Steuer 
6o-rin-gin  beifet. 


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401 


ein  erlieblicbes  Vermögen.  Ehe  die  neue  Stiidteordnung  in  Kraft 
trat  (1.  April  1H89),  bildete  er  geradezu  Hup  Vertr^Mmig  der 
Stadt  Yokohama  und  hat  die  Kosten  manclier  öffeutlichen  nütz- 
lichen Einrichtung  I)estritten^  Ein  Hauptzweck  iür  die  Zukunft 
ist  Erbauung  von  Lagerhäusern  und  Emriciitung  einer  VV'aren- 
böne.  Wer  in  Yokohama  im  Import-  und  Exportgesclittft  akh 
neu  ntederläfst,  mub  durch  aehriMche  Erklfirung  ddi  den  An- 
Ordnungen  des  Verbandes  unterwerfen.  Der  Gehorsam  der  Mit- 
glieder wird  durch  Ordnungsstrafen  von  5 — 100  Yen  erzwungen. 
Bei  den  einzelnen  GikJen  ist  das  Maximum  höher,  bei  den  Po* 
troleumkommissionären  7.  R.  300  Yen.  Für  diese  Gilden  in 
Yokohama  ist  das  Hauptbindemittel  natürlich  der  Interessengegen- 
satz gegen  die  fremden  Kaufleute.  Dabei  halten  in  der  Eegel 
die  Japaner  sehr  viel  besser  zusiimmen  als  die  Fremden.  Das 
Kampnnittel  des  Bojcotts  gegen  ein  fremdes  Haus  wird  nicht 
nur  tnatsacblich  angewendet^  sondern  ist  sogar  in  den  Gilden* 
Statuten  vorgesehen'^. 

Die  Gildenverbände  können  aber  noch  einem  weiteren  Zwecke 
dienen,  nämlich  dazu,  die  gleichmäfsig  gute  Qualität  der  Waren  zu 
sichern  und  namentlich  die  Ansfnlir  verfälschter  und  verdorbener 
Ware  zu  verhindern.  Die  Regierung  hat  gerade  in  dieser  Rich- 
tung lebhafte  Jiemühungen  gemacht,  der  Verschlechterung  de« 
Exports  entg^enzuarbeiten.  Bei  der  grofsen  Menge  kleiner 
Produzenten  bat  man  diese  selbst  an  dem  guten  Ruf  ihrer  Ware 
zu  interessieren  gesucht  und  anr  Durchftfhrung  der  Kontrolle 
Verbände  der  Interessenten  geschaffen.  So  sind  die  Sddengilde 
und  die  Theeßilde  entstanden  aum  Schulze  dieser  beiden  gröfsten 
Exportindustneen. 

Die  Seidengilde  beruht  auf  einer  Verordnung  des  Ministers 
für  Landwirtschatt  und  Gewerbe  (Nr.  41  vom  2.  November  1885). 
Danach  sollen  die  Seiden  Produzenten  gemeindeweise  zu  Gilden 
zusammentreten,  von  welchen  jedoch  diejenigen  frei  bleiben, 
welche  Seide  nur  fiir  den  eigenen  Bedarf'  erzeu«ren.  Als  Zweck 
dieser  Ortsgilden  wird  bezeichnet  Verbe^öeraug  der  ^laidbeer- 
kultur,  der  Fütterung  der  Würmer  und  der  Aufbewahrung  der 
Cocons,  Untersuchung  der  Groins,  um  Krankheiten  der  Wttrmer 
▼onsubeugen,  gleichmärsige  Aufmachung  der  Seide  (gleich  greise 


^  Wenn  ich  nicht  irre,  hat  er  z.  B.  das  Stadthaus  (Machigwaialio) 
in  Yokohama  gebaut.  —  Die  Auseinandersetzung  iswischen  dem  Gflden- 
verband  und  der  neuen  .Stadtgemeinde  hat  viele  tkhwierigkeiten  gemacht. 

-  Vi:!  /  B  Art.  r,  der  Zusatzvereinbaning  zum  Statut  der  Petro- 
leumkomiiusöionaie  in  Vokoliama  vom  20.  Juni  18S7,  genehmigt  vom 
Besirkshauptraatin  am  10.  Juli  1887.  Bei  Streitigkeiten  mit  dem  fremden 
Iiiiintrteiir  wcj^'eii  Abnahme  oder  Qualität  soll  der  V.u-'^if /cnflr  fin  Kmiitce 
zur  Hegeiung  ernennen.  Will  siel»  der  Fremde  dem  nicht  unterwurteD, 
6o  so iT  eine  General verHainmlung  berufen  werden,  „und  in  solchen  Fftlten 
kann  den  Mitgliedern  verboten  werden,  mit  dem  betreffenden  Hanse 
Geschäfte  zn  machen"^. 

Fortcbungen  (45)  X  4.  --  Kathgen.  26 


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402 


Haspel),  Fürsorge,  dafe  Cocons  verschiedener  Arten  getrennt  ge- 
halten werden,  Markierunt»;  der  Hallen  mit  (iom  genauen  Gewicht 
und  den  Zeichen  der  Oil  lr  wie  des  Prorluz*  nten.  Auf  Durch- 
f\ihrung  dieser  Zwecke  sollen  die  GildenauBschusÄe  hinwirken, 
auch  Inspektoren  angestellt  werden.  Zur  Überwachung  der 
Gilden  wird  in  jeder  Bezirkshauptstadt  ein  Ptovinnakuaachuls 
^gesetet,  den  die  Mitglieder  der  Gilden  unter  sich  wühlen. 
Aus  diesen  ProTinzialausschüssen  endlich  wird  ein  Oentnüamt 
der  Seidengilden  erwählt,  das  die  oberste  Aufsicht  Aihrt. 

Ähnlich  ist  die  Theeh ilndlerii^ilde  eingerichtet  durch 
Vernrflnunir  desselben  Ministeriums  vom  29.  Dezember  18S7  (die  an 
Stelle  der  \  erordnungen  4  und  8S  von  1884  getreten  ist).  Unter 
Theehftndlern  werden  ni('lit  nur  bolche  verstanden,  welche  fertigen 
Tliee  herstellen  und  vcrkaulen,  sondern  auch  Besitzer  von  Thee- 
pflanzungen,  welche  die  grünen  Blätter  Terkaufen.  Die  Thee- 
bftndler  sollen  im  Anschlals  an  die  Kreise  (Gun,  Ku)  zn  Gilden 
BUßammen treten.  Zweck  der  Gilden  ist  Fttrsorge  ftir  Ordnung 
nnd  Ehrlichkeit  im  Theegeschäft,  Verbesserung  der  Produktion 
und  Ausdehnung  des  Absatzes.  Aus  den  Kreisgtlden  werden 
in  den  Bezirkshanptstädten  Provinzialausschüsse  gebildet,  aus 
diesen  ein  Centralaussehufs.  Dieser  letztere  ist  allerdings  1889 
(Vo.  vom  15.  März)  aufgehoben.  Thatsächlich  bestehen  aber 
formlose  Zusainraenkünfte  der  Delegierten  weiter. 

Von  diesen  beiden  grofsen  Gilden  scheint  die  Theegilde  die 
grOisere  Energie  su  entfalten.  Kicht  selten  hOrt  man,  dafs  ihre 
Inspektoren  verdorbenen  oder  veraschten  Thee  entdeckt  und 
Temichtet  haben.  Keuerdings  hat  sie  auch  einen  Bevollmäditigtea 
nach  Europa,  namentlich  Rufsland  geschickt,  um  dem  japantadien 
Thce  erweiterten  Absatz  zu  rerscliaffen.  Das  hat  aann  r.ur 
Uriindung  einer  Theeausfuhrgesellschaft  (Nihon  Seicha  Kwaisha) 
getuhrt,  welche  im  März  1890  eine  Staatsuntersttitzung  von  2UÜUÜÜ 
Yen  erhalten  hat^ 


Neuntes  Kapitel. 
Der  Anfsenhandel. 

Vorbemerkung.  Über  clen  ja^ianischen  AtifsPiihandel  ]\o.^st  ein 
roiohtialti^e!*  Material  vor,  vor  allem  m  den  St-iiti;^tis<-hen  Tabelh-n  de« 
ZoUaintü.    Diene  ereclieineji  zweispraclüg ,  japanisch  und  engUscli.  L» 


>  Zum  gleichen  Zwecke  hatte  die  Theegilde  schon  seit  Anfang  1N^7 
um  Erluubnis  peboten,  von  jeder  Kiste  ;^ur  Ausfuhr  bestimmten  Thees 
eine  Ahgube  vou  .Seu  zu  erheben,  woä  aber  wiederholt  abgesclilagen 
wurde.  —  Vgl.  auch  das  Statut  der  Theehandicrgilde  von  Yokobama 
aus  dem  Mai  1880,  Japan  Wcekly  Mail  1885  III  d2a 


V 


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sind  monntlirhe  und  .T?ihr»"^bf'ri'  htp.  lie  kt^-tpren,  wichtigeton,  in  den 
letzten  Jiihri'n  sehr  vcrvoilkoinunu't,  unter  dem  Titel  „Aiinual  Retnrn 
of  the  Foreign  Trade  of  the  Empire  of  JapHti.  Poblished  hy 
tlip  IJurcau  of  Customs".  Neben  diesen  sind  die  Bi  rli  lit  -  der  fremden 
(intemationaleuj  Handeläkainmein  in  Yokohama  und  Kobe  zu  beachten 
und  die  Konsnlarberichte.  Von  letzteren  habe  ich  namentlich  die  deut- 
schen und  englischen  berScksiehtigt.  Sehr  bequem  fUr  die  Benutzung 
iüt  der  jitlirlich  von  der  enj^lischen  freaandtschnft  zusammengestellte 
Ueuenilbencht,  Sumniary  ot  Trade.  In  den  letzten  Jahren  in  der 
'Hauptsache  nur  dn  Auszug  aus  den  Vert^ffentlichnngen  des  SSoIlfunts,  hat 
er  für  frühere  Zeit  grnlsr  ^plbstSndige  Brtir  utim^  ,  Ii  er  die  notorisch 
damals  unvollständige  amtliche  Statistik  durch  wertvolle  Zusamtnen- 
etellungen  des  von  nandelskammem ,  Hanken  und  Kaufleuten  gesam- 
melten Materials  ergänzt  Das  Summary  of  Trade  tür  1878  verdient 
besondere  Erwähnung,  da  seine  Angaben  bis  18Ö0  zurückreichen. 

Von  allgemeineren  Darstellungen  führe  ich  au:  H.  Ii  dal  er,  Über- 
sieht des  japanischen  Aufsenhandeto  seit  dem  Jahre  1868,  in  Mitteilnngeo 
der  Deutsch en  nesellschafr  otc.  O.sfasi.  iis*  III  -T)- 44  (1880);  H.  Lieb- 
scher, Japans  laudwirtsehaftliche  und  allgemeinwirtschaftiiche  Veriiillt- 
nisse,  Kapitel  V  (Jena  1882);  femer  in  Reins  grofsem  Werke  (Japan 
nach  Reisen  und  Studien)  den  vierten  Abschnitt  des  zweiten  Bandes, 
Handel  ntid  Verkehr  wo  auch  die  wifhti^ste  Litteratur  über  tlie 

älteren  iiandelsbeziehuugcn  angeführt  ist.  Uber  letztere  sind  auch  die 
sorgfaltigen  Zusammenstelimi^en  im  ersten  Bande  des  Berichts  Uber 
die  preufsische  Expediticn  nach  O^tasien  zu  beacliten.  Für  die 
Handelsverhältnisse  um  18«ii>  unterrichtet  der  Abpehriitt  über  Japan  in 
K.  V.  Scherzers  Bericht  über  die  österreichisch  -  ungarische  Expedition 
naeh  Ostasien  — ls7i  ('_*.  Auflage,  Stuttgart  187.'k  Auch  einer  eigenen 
kleinen  Arbtir  darf  ich  vielleicht  gedenken:  KHthf;:en,  Der  deutsche 
Handel  in  Ustasien,  im  Jahrbuch  für  Uesetzgebung,  Verwaltung  und 
Volkswirtschaft,  K.  F.  Bd,  9,  1885,  S.  58a-60C 

Während  der  Tokugawaberrsohaft  waren  die  aua- 
wärtigen  Handcl»beziehungen  Japans  immer  mehr  eingeschränkt 
wordcoi.  Der  geringe  Handelsverkehr  mit  den  Holländern  in 
Na^aaaki.  mit  China  teils  in  Nagasaki,  teils  auf  dem  Wege  über 
die  Kyukyu-lnseln  hatte  um  die  Mitte  dieses  .lahrluinderts  kaum 
einen  Kinflufs  auf  die  wirtschaftlichen  Zustünde  des  Landen.  \'on 
den  eingeführten  Waren  hatte  nur  Zucker  einige  Bedeutung.  Im 
übrigen  waren  es  reine  Luxuaartikel.  Droguen,  Gewürze,  Tuch, 
aUerlel  klemer  Kram.  Von  dar  Auafuhr  kam  nur  Kupfer  und 
etwas  Kampher  in  Betracht.  Der  Handebyerkebr  war  streng  ge- 
regelt imd  vollzog  sich  in  halb  staatlicher  Form  unter  stetiger 
Au&icht  der  Regierungsbeamten  und  vereidigten  Dolmetscher. 

Infolge  der  Öffnung  der  Häfen  (l.  Juli  1859)  sollte 
das  nun  auf  einmal  alles  sich  ändern.  Die  Regierung  hatte  wohl 
die  Abaicht  den  Handel  auch  weiterhin  von  oben  her  zu  regeln, 
aber  ihre  Rechnung  war  ohne  den  Wirt  d.  h,  die  fremden  Rauf- 
leute gemacht,  die  ungehindert  mit  den  jauanischen  Händlern  und 
Produzenten  verkehren  wollten  und  in  oiesen  vertra£;smüiäig  ja 
ganz  berechtigten  Bestrebungen  eneigiscb  von  den  dipbmatisäien 
Vertretern  der  fremden  Milchte^  namentlich  Englands,  unterstützt 
wurden.  Von  beiden  Seiten  verstand  man  sich  nicht 
Die  fremden  Kaufleute  klagten  Uber  die  „illegitime  Einmischung 

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der  Beamten",  japvinischcrseits  war  man  ebenso  erstiunt  über  das 
selbstbevv  II  liste  Auftreten  dieser  treiuden  Kautlierren .  wie  man 
ängstlich  die  Einwirkimt;  des  fremden  Handels  .sah,  die  Ausfuhr 
wichtiger  BedarfüartikeJ.  daa  »Stugen  der  i'reise,  die  Einfuhr  von 
allerlei  firemden  Dingen,  die  man  doch  bisher  ntoht  gehabt  hatte» 
die  abo  entweder  nnntltzer  Lnxtis  waren  oder  dem  äftheimischeo 
Handw^ker  ungehörige  Konkurrraz  machten.  Dazu  kam  die 
grofiie  Goldauafuhr,  die  Verwirrung  der  MUnzverhältnisse.  Kur/., 
man  sah  dies  neue  unheimliche  Wesen  mit  wenig  l'reundlichen 
Augen  an  und  hatte  noch  keinen  Sinn  fWr  die  nationaTökonomischen 
Trivialitäten  tlber  den  ktdturlordrrnden  ..le<;irnnate  trade",  von 
welchen  die  amtlichen  »SchritUtlieke  der  Engländer  trieften. 

Man  kann  der  japanischen  Regierung  ihre  Ansichten  und 
MaijBregeln  so  sehr  nicht  verabehi.  War  doch  ein  gröfserer 
nichtitaatlicher  Handd  unbekannt  Nicht  bloft  der  fremde 
Handel  war  von  Beamten  geleitet  gewesen.  Soweit  ein  gröfserer 
Anstauiich  der  Erzeugnisse  der  einzelnen  Landschaften  überhaupt 
erfolgte,  war  er  &st  durchaus  staatlich  >;eleitet.  Beamte  der  Landes* 
regn^rungen  verrtul'serten  die  Produkte  an  die  grofsen  Zwischen- 
händler von  (^B.ika  (meist  Abzaiilun;^  fiir  alte  Schulden)  und  erst 
diese  vermittelten  dann  den  weiteren  Abjiatz.  Ferner  war  auf 
die  Einfuhr  und  Ausfuhr  von  \\  aren  in  gröfserem  Mafsstabe  die 
Volkswirtschaft  des  bis  dahin  abgeschlossenen,  sich  selbst  ge- 
nügenden Staatcb  gar  nicht  eingerichtet  Nach  dem  bisherigen 
System  gab  es  nichts  zu  exportieren  und  für  eine  Einfuhr  war 
kein  ^larkt  da.  Es  war  eine  natürliche  Folge  der  Verhältnisse, 
und  nicht  blofs  die  Einmischung  der  Regierung,  dafs  die  Einfuhr 
in  den  ersten  Jahren  nicht  recht  vorwärts  riiekte.  Man  brauchte 
die  fremden  Waren  nicht.  Mit  der  Ausfuhr  war  es  anders  1  ^ie 
fremden  Kaufleute  wufsten  wohl  zu  finden,  was  sie  brauclun 
konnten,  vor  allem  die  .Seide.  Durch  die  furchtbaren  Aufstände, 
welche  damals  gerade  das  chinesische  Reich  bis  in  seine  Tiefen 
erschütterten,  war  die  Seidenausftihr  aus  China  auf  weniger  ak 
die  Hälfte  der  bisher  üblichen  gesunken.  Die  Öffirang  Japans 
kam  den  grofsen  China-Hftusem  gerade  gelesen,  um  dem  Markte 
eine  neue  Quelle  ostasiatischer  Seide  zu  erschliefsen.  Indem  man 
liohere  Preise  bieten  konnte  als  die  bisher  im  I^ande  üblichen, 
gelan^^  es  merkwürdig  rasch  ^rofse  Menden  Seide  auszuführen, 
in  der  Saison  ISOOfH  54<nHH»  k<;.  1S(>1  62  570000  kg,  ja 
1862  63  die  au fserord entliehe  Menge  von  tast  1  250  (h»0  kg.  eine 
Menge,  wie  sie  erst  in  der  Saison  1882  83  wieder  erreicht  ist, 
wahrend  sie  bis  Mitte  der  siebziger  Jahre  sich  awischen  550000 
und  800000  kg  hielt  Neben  die  Seide  traten  bald  als  wich- 
tiger Ausftihrartikel  die  Seidenwurmeier  (Grains),  welche  infolge 
der  Krankheiten  der  8eidenw1lrmer  in  Europa  in  grofsen  Mengen 
zu  steigenden  Pnisen  verlanprt  wurden.  Der  dritte  wichtige  Ar- 
tikel endlich  war  Thee,  von  w.  lehem  in  der  Saison  1^>'>;^.  be- 
reits 2200000  kg  ausgeführt  wurden ,    was  bis   1808  aut' 


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gut  6  ^lillionen  und  regelmafsig  immer  weiter  stieg,  bis  die  Ans- 
fiibr  1880  mit  fast  18200000  kg  den  ersten  Höhepunkt 
erreichte.  Die  genannten  drei  Artikel  Seide,  Grains  und  Thea 
bildeten  anfangs  fast  ausschlieJslich  die  japanische  Ausfuhr,  1865 
dem  Werte  nach  94  Prozent,  1869  noch  8(3  Prozent,  bis  Mitte 
der  siebziger  Jahre  über  drei  \  iertel  und  auch  heute  noch  mehr 
als  die  Hälfte  der  Warenausfuhr. 

Der  steigenden  Ausfuhr  (siehe  die  Tabelle  im  Anhang),  deren 
Wert  1863  sum  ersten  Male  10  Millionen,  1878  yorttbergehend, 
seit  1876  dauernd  20  Millionen,  seit  1881  80  MiUionen 
Yen  Uberscbntt,  folgte  anfangs  die  Einfuhr  nur  langsam.  In* 
folge  der  grofsen  Ausfuhr  und  Preissteigerung  der  Seide  ent- 
stand fjanz  naturgemäfs  eine  Nachfrage  nacli  nilligeren  Erzeng- 
nis«if  rf  der  Textilindustrie,  nach  Baumwoll-  und  Wollenstoft'en 
so^^  auch  bald  nach  Baumwollgarn.  Die  Einfuhr  des  Jahres 
18«j.j  be^itaud  dem  Werte  nach  zu  85  Prozent  aus  diesen  Waren 
und  bis  gegen  1880  bildeten  sie  die  Hälfte  der  ganzen  Einfuhr. 
Daneben  trat  infolge  der  kriegerischen  Ereagmaao  seitweiae  eine 
grolse  Einfahr  Toh  Waffen  und  Munition  %  In  den  Jahren 
1868—1870  wurde  durch  eine  ganz  ungewöhnliche  Einfubr  Ton 
Lebensmitteln,  namentlich  yon  Beis  und  Bohnen,  eine  Hungers- 
not im  Lande  verhindert ,  was  den  Japanern  wohl  zum  ersten 
Male  die  segensreiche  Bedeutung  des  ausw&rügen  Handels  deut* 
iich  vor  Augen  führte^. 

Daneben  entwickelte  sich  allmählieh  ein  Einfuhrhai ulel  in 
allen  möglichen  Waren,  je  mehr  man  mit  den  Krzeuguiääea 
des  Westens  bekannt  wurde.  Die  Einfuhr  ttberachritt  die 
ersten  10  Millionen  erst  1865,  die  zweiten  dauernd  seit  1872, 
die  dritten  seit  1877.  Die  Einfuhr  wuchs  also  in  späterer  Zeit 
rascher  als  die  Ausfuhr.  Anfangs  hint(  r  di(  ser  zurückbleibend, 
war  sie  zuerst  1867  und  von  1869 — 1881  dauernd  gröfser,  mit 
alleiniger  Ausnahme  des  «rrofs^'n  Seidenjahres  187G.  Veranlafst 
war  diese  starke,  standi^j;  iiberw  iop;onde  Wareneinfiihr  durch 
die  Währungsverhiiltnisse ,  da  die  Au8t>;abe  grofacr  Mengen  Pa- 
piers (18(i8— 1872  und  1877—1880)  die  Edelmetaiivorräte  des 
Landes  zur  Bezahlung  der  Wahreneinfuhr  verfUgbar  ^inacdite. 

Es  ist  echoin  darauf  hingewiesen,  daTs  bei  der  Öffnung  der 
Httfen  ein  Stand  von  Grolskaufleuten,  welche  in  Verbindung  mit 
dem  Auslände  hätten  treten  können,  vollständig  fehlte.  Ebenso 
fehlte  jede  Organisation  des  Kredits  und  der  Transportmittel, 
Der  auswärtige  Handel  wurde  also  durchweg  von  den  aus- 


*  IHiiS,  in  dein  HauptjHhre,  fast  ein  Fünftel  der  Einfuhr  nach  den 
ciigljflchen  SSahlen. 

*  Im  Jnbvf»  1«^7(^>  wurden  ."^  220  000  Metercentner  Roh  im  Werte 
von  M.WOoo  Yen  und  2^5  000  Metercentner  Bohnen  im  Werte  von 
liaO(K>0  Yen  eingefahft,  bddes  zusammen  fast  die  HSlfte  (47«/«)  der 
ganxen  Einftihr  nacb  der  amtiichen  Statistik. 


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ländischen  Kaut  hiiusern  vermittelt,  welche  sich  nnter  dem  Schutee 
und  der  Gerichtsbarkeit  ihrer  Konsularbohörden  in  den  offenen 
Plätzen  niederliefsen.  Von  ihnen  bezogen  die  japanisclien  Händler 
ihre  Bedürfnisse,  an  sie  verkauften  sie  ihre  Produkte.  Fremde 
Banken ,  fremde  Versicherungsgesellsc haften,  fremde  Schiftahrts- 
unternehmuDgen  ermöglichten  den  Verkehr  mit  dem  Auslande. 
Die  Grausen  des  Japanischen  WirtschaibkOrpen  waren  soBttsagen 
nicht  durch  die  Landesgrenzen,  sondern  durch  die  Orensen  der 
fremden  SetÜementB  gegeben.  Für  die  japanische  Volkswirtschaft 
ist  nicht  sowohl  der  Augenblick  der  Ausfuhr  und  Einfuhr  wichtig, 
sondern  der  Verkauf  der  japanischen  Waren  an  die  auslttndischen 
Kaufleute,  der  Einkauf  der  au^litndischen  Waren  von  ihnen.  Die 
Niederlassungen  sind  im  wesentHchen  volkswirtscliaftHches  Aus- 
land, wie  ftir  sie  auch  die  Papierwährung  genau  genommen  nie 
bestanden  hat.  Es  sind  das  Verhältnisse,  wie  sie  —  mutatis 
mutandis  —  der  Überseeiaehe  Handel  im  Mittelalter  zeigte,  der 
Leyantehandel  der  Italiener,  der  Handel  der  Hansen  in  England, 
Norwegen  u.  8.  w,,  junstisoh  auf  das  Prinzip  der  strengen  Perso- 
nalität des  Rechts  gegründet,  naeli  welchem  jeder  Recht  giebt 
nur  vor  seinen  nationalen  Behörden  imd  nach  seinem  nationalen 
Recht. 

Wie  auf  dem  (Tcbicte  des  Hechtes  die  ExterritoriaHtiit,  so 
empfindet  man  in  Japan  aia!»  auf  volkswirtschaftHchem  Gebiete 
diese  (iestaltung  der  äufseren  Beziehungen  als  etwas  Unbe- 
friedigendes, Ja  Entwürdigendes.  Der  Herstellung  nationaler  Ein» 
heit  in  der  neuen  Ära  folgten  bald  die  Bestrebungen,  einerseito 
die  Verträge  fiber  die  Jurisdiktion  loszuwerden ,  anderseits  die 
auswärtigen  Handelsbesiehungen  in  einheimische  Hände  zu  bringen. 
Die  Revision  der  Verträge .  welche  die  japanische  Regierung 
seit  \^12  verlangen  konnte,  ist  bisher  nicht  zu  stände  gekommen, 
obgleich  man  lö87  und  1889  der  Lösung  nahe  zu  sein  glaubte. 
Beidemal  scheiterte  der  Versuch  an  innerpolitisehen  Schwierig- 
keit«  n.  So  Stollen  trotz  der  ungeheueren  Umwälzung  aller  inneren 
Verhältnisse  seit  30  Jaliren  die  alten  Vertrüge  im  wefientlichen 
in  unveränderter  Kraft.  Der  BVemde  lebt  in  den  wenigen  oflßentt 
Plätzen  nach  eigenem  Recht  Nur  dort  darf  er  seinem  Erwerbe 
nachgehen;  irgendwelche  wirtschaftliche  Unternehmungen  im 
Lande  wie  der  Erwerb  von  O  rundbesitz  sind  ihm  veraddoesen. 
Selbst  das  Reisen  hat  seine  ^Schwierigkeit. 

I  )ie  Versuche,  den  „direkten  H.indel"  einzuführen,  sind  nicht 
viel  erfolgreicher.  In  dem  Verkehr  mit  Korea  freilich  behauptet 
der  .lapan<  r  die  gleiche  Stellung  wie  die  Europäer  in  Japan, 
In  den  Bt  ziehungen  mit  China  verlälst  Japan  gleichfalls  mehr 
und  mehr  seine  passive  Stellung.  Im  Verkehr  mit  anderen 
Lttndem  dagegen  ist  der  Anteil  iapanischer  Kaufleute  oder 
riditiger  Handelsgesell8chaf^ten,  welche  seit  3874  den  ^direkten* 
Handel  pflegen  und  dabei  alle  mögliche  Förderung  von  oben 
finden,  doch  immer  noch  ein  geringer. 


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Von  der  Ausfuhr  kam  auf  die  Reclinung  einheimischer  Knuf- 
leute  1879  9 '  .>  Prozent,  in  den  Jahren,  in  welchen  die  Kxport- 
gesellschaften  haiiptdächlich  Unterstützung  fanden,  1881  und  1888 
21  und  19  Prozent,  1887  12 '/2,  1888  nur  mehr  11  Prozent, 
1889  Boch  nicht  10  Prosent^  Etwas  andeiB  ist  die  Entwickelung 
bei  der  Einfuhr.  Eb  war  nttmlicfa  der  Anteil  der  dnheimischen 
Kanfleute  1879  etwa  5  Prozent,  erreichte  bis  1883  8  Prozent, 
auf  welcher  Höhe  er  dann  blieb  bis  1886,  um  1887  auf  11  und 
1888  nui"  1:1,  I^KO  auf  heinalie  15  Prozent  zu  steigen-.  Von 
der  Kintuhr  war  terner  ein  '!Vil  von  der  Regierung  direkt  ein- 
geführt, nämlich  in  den  aiige;4ebenen  Jahren  1879  nichts.  188:^ 
1  Prozent,  1887  4  Prozent,  1888  beinahe  5  Prozent,  dagegen  1889 
nur  3  Prozent^.  Im  ganzen  verhielt  sich  in  den  letzten  Jahren  der 
von  japaniacfaen  Kaufleaten  betriebene  direkte  £än-  und  Autfobr* 
han&l  zu  dem  der  fremden  Kaufleute  etwa  wie  1  :  7.  Dafs  der 
durch  den  Aufsenhandel  genährte  Bankyerkehr  zu  einem  Teile  in 
japanische  Hünde  gekommen  ist,  sei  an  dieser  Stelle  nur  in  Er- 
innerung irfln  ieht  *.  Von  dem  »Sehiffalirts verkehr  mit  dem  Aus- 
lande liegt  nur  der  mit  Koreii,  Wladiwostok  und  Nordchina 
zu  einem  erheblichen  leile  in  japanischen  Iliiuden.  Hie  greise 
Menge  der  Ein-  und  Ausfuhr  erfolgt  auf  ausländischen 
Schiil'en.  Die  Zunahme  des  Aulknhundels  in  den  letzten  Jahren 
hat  rieh  auaschlieialHsh  unter  Benutzung  audltndiacber  Schiffe 
▼ollzogen.  Von  dem  ganzen  Warenverkehr  mit  dem  Auslände 
kamen  auf  die  japanische  Flagge  dem  Werte  nach  1883  nur  14 
Prozent,  1888  und  1889  nur  7  Prozent^.  Von  anderen  Flaggen 
sind  zu  nennen 

die  britische         unt  50  Prozent,  57  Prozent,  62  Prozent, 

die  französische       -19       -  13      -  11 

die  amerikaniäche    -13      -  10      -  6 

die  deutKhe  -     2Vs  .  10      •  9  - 


•  Die  absoluten  Zahlen  sind  für  1879:  2678000  Yen,  1883:  7361000 
Yen,  1888  :  7<^xl  000  Yen,  lb89:  G7h2O0<)  Yen.    Von  letzterer  Snoime 

kommen  zwei  Drittel  nnf  Seide,  Reis  und  Kohlon. 

•  Die  absoluten  Zahlen  sind  für  1^79:  10 14 (AK)  Yen.  is^a:  2.396000 
Yen,  1888:' 8500000  Yen,  9t>4<)000  Yen.  Die  Hauptposten  in  lets- 
terer  Summe  kommen  auf  Maschiiicii  ifür  die  zahlreichen  Fabriken  — 
die  Vermittelun^  dürfte  doch  wohl  vielfach  durch  fremde  üäuser  erfolgt 
sein),  Dampfschiffe,  Baumwolle  und  Wolle,  Bohnen,  Hilute. 

«  Nämlich  1888:  :u:i^()00  Yen,  l.^s9:  2  109  000  Yen.  Hauptposten 
EisenbahTippinenm) ,  Lokomotiven,  andere  Eisenwaren  und  Mfiscliinen, 
Cement;  im  weewnl liehen  handelte  es  sich  alsu  um  den  iJedurt  für  die 
Eisenhahnbauten. 

•  V^'l.  die  Kapitrl  ^[^u)zu•eserl       172  und  Hnnkwoscn  S.  UM  f. 

^  Wegen  ahweichendcr  Üerechuuug  der  tiold-  und  Silberwerte  in 
den  beiden  Jahren  erscheint  der  TerhlltnismSfsige  Rückgang  um  dn 
weniges  zu  stark,  der  franKiJsische  und  amerikanische  zu  gering,  der 
englische  und  deutsche  Fortschritt  etwas  zu  grofs. 


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X  4. 


Selbstverständlich  erhält  man  andere  Verhältniszalih  n,  wenn 
man  den  TonncDgehalt  der  aus  dem  Auslunde  einlaulenden  und 
nach  dem  Aiidftode  abgehenden  Sduife  in  Betracht  «ebt  Da- 
nach kamen 

]Hs^\        isHj^  ^-m 

auf  die  japanische     Flagge  21  Proaent,  17  Proaenty  22  Proaent. 

-  -  britische  *     42       -       44       •       46  - 

-  franzrisische       -       4       •         6       -        5  - 

-  amerikanische    •     21       -       10       -        9  - 

-  -  deutsche  -       Vfs    -       16       -  14 

Für  die  VerseluVrlr-nlfeit  beider  Verhältnisreihen  ist  nament- 
lich der  verscliiedcne  iVnleil  der  einzelnen  Lioieu  und  Flaggen 
an  der  wertvollen  Seidenfracht  entsclieidend. 

An  dem  Seeveröieherungtjge&chiifl  hat  die  eine  japanische 
SeevenicberungggeseUachaft  (aeit  1879  in  Tokyo)  nur  einen  ganz 
bescheidenen  Anteil. 

JLMe  auswärtigen  Handelsbeaiehungen  Japans 
liegen  also  gana  ODerwiegend  in  ausländischen  Hän- 
den, denen  der  fremden  Kaufhäuser  in  den  offenen  Häfen.  Der 
japanische  Kaufmannsstand  steht  auch  einstweilen  an  Bildung 
und  Zuvorlas.si^^krit  zu  weit  iiinter  seinen  atislitndisclien  Konkur- 
renten zurück,  lun  den  Wettbewerb  erfolgn  ieh  bestehen  zu  können. 
Die  wenig  zaldreieheu  alten  Otwika  Firuieu  iiaben  sich  bis  iu  die 
neuste  Zeit  vom  AuTaenhandel  fem  gehaltoi.  Die  ebzige  be- 
merkenswerte Ausnahme  ist  das  greise  Haus  llilBui^,  welches 
187<3  die  Mitsui  Bussan  Kwaisha  aum  Betrieb  des  Aus-  und 
Einfuhrgeschäftes  gründete.  Diese  macht  Geseliäfte  aller  Art, 
betreibt  in  neuster  Zeit  vor  allem  Reis-  und  Kohlenausfuhr,  hat 
aber  auch  Kohlengruben  (MiikeJ,  eigene  iSchiffe  u.  s.  w.',  ist 

'  Der  iil teste  bekannte  Vortahr  war  zu  Voritomos  Zeit  (12(H))  .Sake- 
brauer in  Isc.  Seit  ir.s  i  «^.-hüren  die  Blitsui  zu  den  grofaen  GotukaySi 
Sc  )iTiitt\v  tr -!ih  iii  ih  iii  in  kyoto.  Ihnen  gehört  auch  die  gröfate  j«tst 
be»t<^hen(ie  Ftivulbank 

*  Ein  flfutes  Beispiel,  vne  die  moderne  sociale  Umwttbsoxig  die 
Stände  durcheinanderbringt,  bietet  das  Leben  des  Direktors  der  Gesell* 
Schaft,  Masuda.  Ein  Tokugawa  -  Samurai ,  wurde  er  l^t>'i  <\>'r  amerika- 
iii^clien  Gesandtschaft  als  Dolmctfechorelrvf  beigeyrehcii ,  ^'"g  l'^^ 
einer  japanischen  (»esandtgchaft  nach  Frankreich  und  wurde  nach  seiner 
liückkcfir  K  n  \'!ill<'ne  -  Offizier  laui  als  .solcher  ib  i  franzör^ischen  Missioo 
Militaire  zugeteilt.  lt<l{)  wurde  er  Kautinann  in  \<»kohania,  1872  MUas* 
direktor.  1879—1^(76  Direktor  einer  Handelsgesellschaft^  Sensho  Kwaiaha, 
«Ii«;  sjifiter  eingegangen  ist,  endlich  ix7»i  Direktor  der  Mitsui  Hussan 
Kwaisha.  Nebcnlior  ist  er  jiominell  Leiter  der  wichtin;stcn  japaniwben 
Huudeiözeitung,  Chugwai  Bukka  Shiinpo,  jetzt  Shogyo  Übiiupo.  —  Ein 
Seitenstüek  dazu  ist  der  Lebenslauf  eine»  Teilhabers  des  gleich  zu  er- 
wähnenden llauBe<=i  Ftijita,  Nakano.     Kr  m  mt  lU'amter  df^  H;\kufu  und 

Sehörte  zu  dem  iiüutiein  derer,  welclie  biti  zuletzt  in  üakoUate  gegen 
ie  neue  Regieranfi;  Widerstand  leisteten  (\^9\  Dann  lals  er  im  w 
laiiLmis,  \^nrde  aber  nach  einem  Jahre  begnadigt.  Im  Jahre  1S74  zum 
Iie7.irk8hauptmann  ernannt  (in  Yamagnchi).  nahm  er  1>>'7.'  seinen  Abschied 
und  gründete  mit  Fujita  ein  ilandel^Uauä  iu  Osaka.    Er  war  Viccpräaident 


I 


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409 


audi  aa  der  eben  erwähnten  Seeversicherang^g^eBellachaft  be- 
teiligt 

Alle  anderen  p-rifseren  derartigen  Gesellschaften  sind  neueren 
Ursprungs,  so,  um  die  wiclitigsten  zu  nennen ,  die  Mitsu  Bishi 
Kwaisha  des  ( rDdx  n-,  ^V(■r^ll^eaitze^8  und  Reeders  Iwasaki  (1874), 
die  Okura-guiiu  m  Tokyo  (1874),  die  Fujita-gumi  in  Osaka  (1875), 
die  hauptBächlich  Setaenausfuhr  betreibenden  Boyeki  Shokwai 
n880)  und  Dosbin  Kwaisha  (1881).  Das  neuste  Experiment 
derart  ist  die  bereits  erwähnte  Tneeausfuhrgesdilschaft  (Tgi  S.  402). 
Die  Bedeutung  dieser  Gesellschaften  beruht  in  der  Regel  auf 
der  Unterstützung,  welche  sie  bei  der  Regierunf]^  Hndcn.  So  be* 
trieb  die  ebengenannte  Doshin  Kwaisha  ihr  erhebh'ilK*«  Seiden- 
aiisfuhrgeschüft  bisher  mit  einom  cif^enen  Kapital  von  nur  lonoOO 
ien,  wälirend  ilir  ganz  bedeutende  ^Jummen  flir  sehr  geringe 
Zinsen  von  der  Sliokin  Ginko  auf  Veranlassung  der  Regierimg 
geliehen  wurden.  Als  die  Bank  1888  nicht  mehr  in  der  Lage 
war,  das  fortzuaetsen,  sah  sich  die  R^erung  yeranlarst  der  Ge- 
sellschaft swei  Millionen  Yen  auf  ein  Jahr  zu  Idhen,  um  ihren 
Sturz  zu  verhttten. 

Zur  Vermittelung  des  Verkehrs  zwischen  den  fremden  Häusern 
in  den  offenen  Häfen  und  den  Kaufleuten  und  Produzenten  im 
übrigen  Lande  ist  ein  neuer  Stand  von  Händlern  erwachsen,  welche 
in  den  Häfen  und  in  Tokyo  und  Osal^a  ansässig  im  wesentlichen 
nur  Kommissionäre  sind,  die  Toiya,  meist  aus  den  früheren 
Krämern  hervorg^angen,  aber  auch  sonst  abenteuerliches  Volk 
enthaltend,  in  gesellschaftlichen  Formen  wie  geschäftlicher  Zuver- 
lässigkeit ein  unerfreuliches  Geschlecht,  welches  die  unter  den 
fremden  Bewohnern  der  Häfen  Üblichen  abfälligen  Urteile  Uber 
japanischen  Charakter  völlig  verdient.  Geschäft  auf  Kredit  mit 
ihnen  ist  geföhrlich  und  Versuche  in  dieser  Richtung  sind  of^  mit 
schweren  \"erlusten  gebüfst.  Bestellungen  auf  einzuführende  Waren 
wie  Lieferungs Verträge  über  Ausfuhrprodukte  haben  glcichfiiUs 
eine  unsichere  Grundlage,  da  der  japanische  Hllndkr  an  solche 
Verträge  sich  niclit  langer  liält,  als  ihm  vorteilhaft  ist.  Schadens- 
ersatz ist  aul'ser  Frage,  da  diese  Kommissionäre  thatsäcldich  oder 
schembar  sdbst  nichto  haben.  I>ar  Begriff  einer  kaufmännischen 
Ehrcy  die  ihren  Verpflichtungen  auch  mit  Verlusten  nachkommt^ 
fehlt  in  diesen  Kreisen  noch  vollständig.  Wie  sehr  solche  Ver- 
hältnisse die  Entwickelung  des  Handels  hemmen  müssen,  liegt 
auf  der  Hand. 

Betr-toliten  wir  nun  die  Entwickelung  des  japa- 
nischen A  u  fs  e  n  Ii  a  n  d  e  1  s  zahlenmäfsig  etwas  näher,  so  sind 
einige  Bemerkungen  Uber  die  Wertzahlen  vorauszuschicken.  Die 

der  Handelskamuier,  1m77  ArmceUeferant,  wurde  1^70  wegen  Verdachts. 
Papiergeld  gefälscht  zu  habe»,  vorliaftet,  iiuch  drei  Monaten  aber  wieder 
freigelassen  und  starb  als  reicher  Mann  im  Jabre  1683. 


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410 


X  4. 


japanischen  Zölle*,  sowohl  die  von  der  Einfuhr  wie  die  von  der 
Ausfuhr,  waren  anfangs  reine  Wertzölle  Erst  die  Konventiou 
von  Yedo  (1866)  ersetzte  diesf'  bei  fast  allen  wichtigen  Waren 
durch  specififichc  Zulk .  Bis  zu  dieser  Zeit  sind  daher  die  Wert- 
deklarationen  iiotoritich  stets  zu  niedrig  gemaclit;  was  durch  die 
Unerfiihrenheit  der  Zollbeamten,  später  wohl  auch  durch  ihre 
Unehrlichkeit  erleichtert  wurde.   Erst  nach  1866  nnd  die  An- 

Sahen  aUmählich  genauer  geworden.    Bis  1868  habe  ich  daher 
ie  von  den  englischen  Konsulaten  ermittelten  Zahlen  benutzt, 
da  sie  der  Wahrheit  wohl  näher  kommen. 

Ferner  ist  7.n  heachten  der  Einflufs,  welchen  das  Schwanken 
de»  Wertverhältuisses  von  Gold  und  Silber  auf  die  Hcnauigkeit 
der  Zahlen  ^cWht  hat.  Nach  der  alten  Relation  von  1  :  15^/2 
waren  100  Öilberyen  ungefähr  gleich  101  Goldyen,  dagegen  1886 
nur  mehr  80, 1888  nur  75  Goldyen  (vgl.  oben  Milnzwesen  8.  169). 
In  der  Handelsstatistik  hat  man  aber  fortgefahren  Gold'  und 
SÜberyen  als  gleich  bu  behandeln.  Alle  nach  Goldwert  dekla- 
rierten Waren  (d.  h.  in  Pfund  Steriing,  Mark,  Francs,  Dollars  eta) 
sind  daher  zu  niedrig  angegeben  im  Verhältnis  zu  den  in  Silber 
deklarierten,  was  naturji^emjlfs  mehr  die  Einfuhr  als  die  Ausfuhr 
trifft.  Erst  seit  1888  sind  in  der  ZollaniLs-Sfcitistik  alle  Werte 
auf  Silber  um^^erechnet,  was  wieder  die  neusten  Zahlen  mit 
denen  früherer  Jahre,  wenigstens  was  die  Einfuhr  betrifft,  nicht 
recht  vergleichbar  macht.  Im  Statiötischen  Jahrbuch,  Band  Viii, 
hat  das  Statistische  Amt  versucht;  wenigstens  die  Werte  der 
Hauptsummen  bis  1879  surttck  annfthemd  auf  Silber  umzu- 
rechnen. Für  die  dnselnen  Posten  ist  eine  solche  Umrechnung 
jedoch  nicht  vorgenommen. 

Erschwert  dieser  Umstand  die  Vergleiehung  der  einzelnen 
Jahre  sowohl  als  die  der  Einfuhr  und  Ausfuhr,  so  verbietet  ein 
anderer  Umstand  den  direkten  Vergleich  der  Ausfuhrwerte  mit 
den  Einfuhrwerten  Der  deklarierte  Wert  der  Ausfuhr  bezieht 
sich  auf  den  wirklichen  Wert  der  Ware  in  dem  betreffenden 
Ausfuhrhafen.  Der  deklarierte  W^ert  der  Einfuhr  dagegen  be- 
mdnt  sich  auf  den  Wert  der  Ware  am  Ursprungsort  Um 
also  den  wirklichen  Wert  bei  der  EJinfohr  festsustellen,  mttfste 
man  noch  die  gesamten  Kosten  des  Trar  ]  otts,  der  Ver- 
sicherung etc.  in  Rechnung  ziehen.  Wieviel  das  ist,  läist  sich 
natiürlich  schwer  saj::en.  Sachverständige  behaupten,  man  müsse 
12 — 18  Prozent  /lun  deklarierten  W'erte  zuschlagen,  um  den 
wirklichen  Wert  b(  i  der  Ankunft  in  Japan  zu  erhalten. 

Man  erhält  begreiflicherweise  sehr  verschiedene  Zahlen,  je 
nachdem  man  diese  Dinge  berücksichtigt  oder  nicht.  liechnet 
man  z.  B.  die  Warenein-  und  -ausfuhr  ftlr  die  sehn  Jahre  1879 
bis  1888  zusammen,  so  erhftlt  man  nach  den  Zahlen  des  Zoll- 


«  Vgl.  drittes  Buch,  Kapitel  4  lU. 


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X  4. 


411 


amts  einen  (.'berschufs  der  Ausfuhr  Uber  die  Einfuhr  von 
40007000  Yen.  Nach  der  Umrechnung  auf  Silberwerte  durch 
das  Statistische  A  ri  t  T)ptr?i  trt  der  Überschufs  nur  mehr  9371  000  Yen. 
Schlflgt  man  aut  den  bilberwcrt  der  Einfuhr  15  Prozent  auf  als 
Transfjort-  etc.  Kosten,  so  verwandelt  sich  der  scheinbare  Aus- 
fuhrüberschufs  in  einen  tJberschufs  der  Eiiituhr  Uber  die  Ausfuhr 
von  50311000  Yen.  Ein  Zuschlag  von  nur  10  P^rosent  ergiebt 
immer  noch  einen  ESnfuhrttherschttls  von  80417000  Yen^. 

Aus  dem  Gesagten  geht  hervor,  dafs  die  Wertzahlen  der 
AuefuhrstatiBtik  ziemlich  hrauchhar,  die  der  Einüihrstatistik, 
namentlich  vor  1888,  dagegen  so  gut  wie  unbrauchbar  sind. 
Alle  die  auf  di''  Zollamtsstatistik  b<'grünflptf'r!  scliönen  Hundels- 
bilanzbereehnungeu,  die  man  so  vielfach  zu  sehen  bekommt,  die 
feinen  Durehschnittswertberechnun^jen  (aus  Zahlen,  von  denen 
man  nicht  weifs,  wieviel  Gold-  und  wieviel  iSiiberyen  sind)  er- 
scheinen damit  als  ebenso  hinfälU^  wie  die  daraus  gefolgerten 
Schlüsse  (namentlich  das  beliebte  Ai«ument,  das  Papiergdd  sei 
aaf  Pari  gestiegen,  weil  die  Einfuhr  ninter  der  Aasfuhr  zurück- 
geblieben sei)-. 

Für  die  Betrachtung  kurzer  Zeiträume  kommt  beim  Ver- 
gleich von  Einfuhr  und  Ausfuhr  auch  noch  die  oben  beschriebene 
Organisation  des  Handeln  in  Hetracht.  Die  eingeführten  Waren 
gehen  durchaus  nicht  immer  sofort  in  die  japanische  Volkswirt- 
schaft über,  sondern  zunliclist  in  die  Speicher  der  fremden  Kauf- 
leute. So  kann  eä  kommen,  dai'ä  die  Ein-  und  Auöfuhrlisten 
fUr  ein  einielnes  Jahr  ein  ganz  unzutreffendes  Bild  des  wirklichen 
japanischen  Aufsenhandels  geben.  Z.  B.  zeigen  die  Zahlen  der 
Zollstatistik  ftür  1886  ein  aufEsülendes  Müs  Verhältnis  in  der  Ent- 
wickelung  von  Einfuhr  und  Ausfuhr,  nÄmlich  ein  ganz  bedeutendes 
Stei^ren  der  Ausfuhr  bei  nur  mJlfsi«rer  Zunahme  der  Einfuhr. 
Das  Verhiiltnis  hört  auf  raerkwiinliir  zu  sein,  wenn  wir  aus  den 
Berichten  der  fremden  Handelskammern  sehen .  dal's  in- 
folo^e  des  Anwachsens  der  Ausfuhr  die  grofsen  \'orrätc  der 
fremden  Kaufleute  an  Importwaren  sich  bu  vermindert  haben, 
dafs  die  Vermehrung  der  von  Japanern  gemachten  Waren- 
ankäufe  allerdings  der  Zunahme  der  Ausfuhr  entspricht. 
Umgekehrt  bedeutete  die  grofse  Zunahme  der  Einfuhr  1^88  nur 
teilweise  dne  vermehrte  Aufiiahme^igkeit  des  japanischen 


*  Der  Überachufg  der  koustatierteu  Edclmetallauüiuhr  betrug  in  der 
gleichen  Periode  in  Silber  berechnet  fBst  genau  14  Millionen  Ten. 

*  Man  köinito  ^'open  die  f'cwälilto  zclinjlilirige  Periode  Einwoiidnngrpn 
machen.  Nehmen  wir  aber  auch  nur  die  Jahre  1HS2— weiche  sämt- 
lich eine  anscheinende  Mehrausfuhr  zeigen,  so  ergeben  die  korrigierten 
Zahlen  bei  Prozent  Ztuchlat^  zum  Einfuhrwert  einen  Einf uhrübe'r- 
schufs  in  den  7  Jahron  von  1106.5000  Yen,  während  in  Silhrr  fnach 
den  Zahlen  des  ^Statistischen  Amtes)  ein  scheinbarer  Ausfuhrübcrächurs 
von  31614000  Yen  vorhanden  ist 


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412  X  4. 

Marktes^  teilweise  dagegen  eine  Vergröraerung  der  Warenlager 

der  Fremden ' . 

Die  vorstehenden  Hemerkungen  sind  bei  einer  Betrachtung 
der  Zahlen  der  Handelsstatistik  also  wohl  zu  beachten.  Immer- 
hin geben  sie  doch  ein  gewisses  Bild.  Durch  Zusammenfassung 
der  einzelnen  Jahre  zu  kurzen  Perioden  wird  dies  noch  etwas 
deutficher  werden. 

Die  Aua-  und  Einiulir  im  jährlichen  Durchschnitt*  hetnig 
rund: 

Ausfahr  Einfuhr 

1860-63  (die  Anfänge)  8090000  Yen  3084000  Yen 
1864—68»  (Büigerkriege)       15540000    -  13135000 

.(Umsturz,         a.  17525000    -     23103000  - 
1869—72  {Mifsernten,  erste 

I Papieremission)  b.  15640000    -     25650000  - 

1873—77  (Neuorganisation)  22147000  -  26598000  - 

1878-81  l^ralon)*''''^''"  29300000  -  36355000  - 

1882-85  LÄS'"  37287000  -  32431000  - 

1886-89  ^tÄ^T  59261000  -  552080U0  - 

Dicüe  Zahlenreihen  zeigen  ein  sicher  befriedigendt^  Bild  einer 
Stetigen  Aufwärtsentwickelung,  namentlich  wenn  man  sich  auf 
die  Betrachtung  der  Ausluhrzahlen  beschränkt,  die  einerseits 

richtiger  sind*  anderseits  weniger  unter  dem  Einfluls  der 
Währungswirren  stehen.  Abgesehen  von  dem  durch  die  Um- 
wälzung und  die  Nöte  der  Z«t  am  Ende  der  sechziger  Jaiire 
veranlaCslon  Stillstand  zeigen  unsere  Dinrhsclmittszahlen  bis  188."") 
eine  geradezu  autVallend  regclniäl'sige  ZnTi.ihmc  d<'r  Aii>^tnlu-, 
welche  dann  in  den  letzten  .lahren  noch  erheblich  Wsciiicuiiigt 
ist.  Von  Jahr  zu  Jalir  findet  M\  dagegen  ein  starkes  Auf- 
und  Abschwankeu  der  Auöl'uhrzahlen,  z.B.  1875:  18611  000  Yen, 

'  Beispielsweise  nahm  in  Yokohama  der  Absatz  von  BaumwoU^^aru 
um  fast  IHOOO  Pikul  zu  (auf  iHKm  Piknl),  aber  die  Vorräte  am  KnrJ. 
des  Jahres  wareu  um  mehr  als  l*JCK)0  Pikul  [auf  beinahe  29  000  Pikui> 
gestiegen.   Von  DrahtnSgeln  stieg  der  Absatz  um  1.%2  Pikul,  die  Vorräte 
um  15  000  Pikul,  u.  s.  f.  bei  fast  allen  Stapolartikeln. 

*  Die  Zahlen  für  18()0— (>8  und  für  l^^Hil— 72  a  nach  den  engli.schen 
Berichten,  für  — 72  b  imd  die  folgenden  Perioden  nach  der  japa- 
nischen Statistik  des  Htatistiscbeu  Amtes,  seit  1h7ü  korrigierte  Silbenrerte. 
För  die  einzelnen  I  ilue  finden  sich  die  Zahlen  im  Anhanp;.  —  Von 
der  Zollamtsetatis tik  weichen  diese  Zahlen  insofern  ab,  als  durchweg 
Wiederaasfnhr  snr  Ausfuhr,  Wiedereinfuhr  zur  Einfuhr  ij^erechnet  ist» 
während  frnlMT  das  Zollamt  die  Wiederausfulir  von  d^r  Einfal)r,  die 
Wiedereinfuhr  von  der  Ausfuhr  abzoß.  Ferner  enthält  die  Zollamts- 
Statistik  den  Handel  mit  Korea  erst  seit  dem  Februar 

-*  Die  Zahlen  fOr  1880  sind  unbekannt,  da  die  Ermittelung  fllr 
Yokohama  unmöglich  war  (das  Zollamt  und  fast  die  gamte  NiederlaBSoqg 
verbrannten  am  26.  November). 


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/ 


X  4.  418 

1876:  27712000  Yen,  oder  18«1  :  83004000  Yen,  1882: 
30450000  Yen,  1884:  33985  000  Yen.  Das  hat  seinen  Grund 
iD  der  Abhängigkeit  des  gröfsten  Teiles  der  japanischen  Ausfuhr 
von  den  Ernten  und  von  einer  Ware,  welche  so  heftigen  Preis- 
schwankungen unterliegt,  wie  Seide.  Auf  Rechnung  dieser 
kommen  die  Haaptschwankungeo ,  z,  B.  betrag  in  a&n  oben 
genannten  Jabren  die  Ausfubr  von  Rofasdde  (Gr%e)  aUein : 

1875      608  892  kg  im  Werte  von    5  424  916  Yen 

1870  1118549  -     -       -        -     13197  021  - 

1881  1080709  -    -      -       -     10047010  - 

1882  1730441  -  -  -  -  16232148  - 
1884  15559039  -    -      -       -    11007171  - 

Von  dem  grol'sen  Mehrwert  der  Ausfuhr  des  Jahres  1888 
im  Vergleich  mit  dem  Vorjahre  von  gut  13  Millionfn  Yen 
kommen  allein  auf  Steide  aller  Art  0  800000  Yen  und  auf  Reis 
(Folge  der  guten  Ernten)  5170000  Yen.  Diese  starken 
Schwankungen  Jahr  au  Jahr  madien  die  Begelmäfsigkeit 
der  Zunahme,  wenn  wir  mehrjährige  Dorehflchnitte  annehmen, 
um  ao  bedeutsamer. 

Da  die  Z  usammensetzung  der  Ausfuhreines  Landes 
die  wichtigsten  Schlüsse  auf  seine  wirtschaftliche  Entwiekeliing 
gestittet.  habe  ich  tiir  die  Jahre  1883  und  1888  aus  der  Statistik 
des  Zollamts  eiiK»  iti<)>, liehst  genaue  Vergleichung  nach  gewissen 
allgemeinen  Km»  tiv't'i*  '  H  zusammengestellt.  Um  den  \'orwurf  zu 
vermeiden,  als  liubt  ich  den  FortschriLL  zu  sehr  /eigen  wollen, 
habe  ich  als  Ausgangspunkt  abdohtÜch  ein  gutes  Janr  gewählt. 
Beide  Jahre  haMn  gute  Seidenernlen,  ab^  nicht  sehr  hohe 
Seidenpreise.  Etwas  störend  wirkt  nur  die  anormale  Höhe  der 
Kupferpreise  von  1888  und  die  auch  wohl  nicht  ganz  normale 
groise  Beisausfuhr.  Wenn  in  der  Zollstatistik  1883  die  Ausfuhr 
nach  Korea  fehlt,  so  schadet  das  niclit  viel,  da  sie  zu  fineni 
gi  ol'sen  Teile  aus  europäischen  i'rodukten  besteht  und  Überhaupt 
nicht  bedeutend  ist  ^ 

Aus  dieser  ZiLsammenstellung  geht  hervor,  dals  die  Ausiulir 
japanischer  Erzeugnisse  1883  einen  Wert  von  35812428  Yen 
hatte,  dagegen  1888  einen  Wert  von  64891683  Yen,  eine  Zu- 
nahme um  81  Prozent,  Diese  Summen  verteilten  sich  folgender- 
maisen: 

Zunahme 

1883  1888     in  Frozentea 

A.  Landwirtschaftliche 

Erzeugnisse  27139265  Yen  43447966  Yen  60 

B.  Erzeugnisse  des 

Waidesund  der  Jagd  1194844    -     2011077    -  68 


1  Sie  hatte  einen  Wert  von  2248080  Yen,  wovon  1809031  Yen 
auf  ausländische  Produkte  kamen. 


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414  X  4. 

Zunahme 

1883  1888      in  Prozenten 

C.  Erzeugnisse  des 

Meeree  (ohne  Salz)    2371679  Ten  3300245  Ten  39 

D.  Metalle  und  andere 

Mineialien              2363563  -     7097464    -  200 

£.  Erzeugniaae  der 

IndustnV                  2422188  -     7  4(36  720     -  207 

F.  Verachieiieneä             328916  -     1588211  - 

Lassen  wir  die  letzte  AbteiQnng  in  welcher  übrigens  der 
Anteil  industrieller  Erzeugnisse   yerhältnismärsig   gröuer  sein 

dürfte  als  in  der  Gesamtausfuhr,  unberüeksichtigt,  so  war  die 
Aufituhr  auf  die  iUnf  anderen  Klassen  iblgendermalsen  verteilt; 

1883  1888 

A.  Landwirtächaft  70,4", o  68,«"  o 

B.  Wald  und  Jagd  3,4<>/o  S,!«»/« 

C.  Meer  ö^i'^/o  5,«o/o 

D.  Bergbau  etc.  6,7<^/o  11,2^  0 

E.  Industrie  H  11,h«  o 


100  100 


Diese  Zahlen  zei^^en  also,  dals  verliJiltnismälsig  die  Ur- 
prüilüktionen  weniger  zugenommen  haben  als  die  formftndernde 
Produktion.  Int'olgcdcasen  ist  auch  ihr  Anteil  an  der  Gcsamt- 
ausfubr  jetzt  etwas  geringer.  Aber  trotzdem  zeieen  die  Zahlen 
deutlich^  wo  auch  heute  noch  der  Schwerpunkt  der  Japanlscheii 
Volkswirt^shaft  liegt,  im  Ackerbau. 

Der  japanische  Ausfuhrhandel  stützt  sich  auch  heute  noch 
in  der  Hauptsache  nur  auf  einige  wenige  Produkte ,  denn  es 
kam  auf 


1883 

1888 

Seide  aller  Art 

52  0 

44  «  0 

Keii» 

3°/o 

11  «0 

Thee 

17  «0 

Kohlen 

4«o 

Kupfer 

2^0 

5% 

Zusammen 

78  «io 

74  "  0 

Immerhin  nehmen  andere  Waren  absolut,  aber  fast  nicht 
relativ  zu,  was  höchst  wünschenswert  wäre,  damit  das  fUr  die 

Stetig;k«it  der  Handclsentwickelung  gefährliclie  grofse  Thnr- 
gewicht  einzelner  stark  in  Menge  und  Wert  sehwankender  Artikel 
(Öeide,  Keis,  Kupfer)  sich  allmählich  vermindere'. 


>  Diu  eenaunt«ii  fünf  Waren  (Seide  einschh  Giaii»)  waren  vom 
Werte  der  Auafahr 


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X  4.  415 

• 

Eine  entsprechende  allgemeine  Ubersicht  dor  Einfuhr 
zu  geben  ist  unmöglich,  wie  aus  dem  oben  über  dif  eigcn- 
tinnliche  Wertberechnuug  Gesagten  hervorgeht.  Namentlich 
feind  die  Wertzahlen  seit  1888  mit  (h^nen  der  Vorjahre  nicht 
vergleichbar.  Das  einzige,  was  man  thuii  kann,  ist  die  einzelnen 
eingeführten  Waren  soweit  möglich  nach  der  Menge  zu  ver- 
gleichen. An  einigen  der  bedetitendsten  Waren  mögen  die  Haapt- 
Bttge  klar  gemacht  werden.  Als  Games  liat  die  Einfuhr  stark 
unter  dem  EjuAufs  der  Wührungswirren  gestanden.  Von  der 
Zeit  an,  dafs  Papier  im  Umlauf  allgemein  an  Stelle  des  Metalls 
trat,  hat  die  Eintulir  stftndig  die  Ausfuhr  tiborragt  und  mit  dem 
Höhepunkt  der  Payjierausgabe,  1880,  auch  ihren  ersten  Höhe- 
punkt erreicht  mit  dem  ..  Ursprungswert Won  41  102  000  Silberyen. 
Da«  Sinken  der  Kaufkraft  des  Landes  im  Zusammenhang  mit 
dem  Steigen  des  Wertes  der  inländischen  Valuta  führte  zu  einem 
erhebUchen  Rückgang  der  Einfuhr  bis  mm  ti^bten  Stande  van. 
32156000  Silbeiyen  Ursprangswert  im  Jahre  1884,  dem  Jahre 
der  äi^gsten  Depression.  Nach  Aufnahme  der  Barzahlungen 
(1.  Januar  1886)  stieg  mit  der  Belebung  aller  Geschäfte  die 
Einfuhr  rasch  und  stark  bis  auf  den  Wert  von  6(1103  767  Yen 
im  Jahre  ^'^^O,  womit  sie  allerdings  dem  Bedarf  des  Lmdes 
stark  voran<T;eeilt  war,  wie  die  zunehmenden  Warenvorräte  der 
fremden  Kaufleute  am  Ende  der  Jahre  1888  und  1880  zeigten. 

Betrachten  wir  die  Einfuhr  im  einzelnen,  so  »ind  zunächst 
swei  Waren  hervorzuheben  welche  Gegenstände  des  allgemeinen, 
wenn  aneh  nicht  unbedingt  notwendigen  Verbrauchs  sind  und 
Yon  Japan  selbst  nur  in  ungenügender  Menge  hervorgebracht 
werden,  die  also  vortreffliche  Objekte  ftir  Finanzzölle  sein 
würden:  Zucker  und  Petroleum.  Zucker,  chinesischep  Ur- 
sprungs, ist  schon  immer  einpfefiOirt  woiden,  in  neuerer  Zeit 
nufT  in  stei^Tnden  Mengen.  Brauner  und  weifser  Zneker  zu- 
sammen- wurden  1868  erst  rund  1:3  540000  enigeführt 
(Wert  87B00O  Yen),  1880  bereits  40  796000  kg  (Wert 
3542060  Yen),  1883  50080000  kg,  1886  64330000  kg,  1888 
87260000  kg  (Wert  6853000  Yen),  1889  72430000  kg  im 
Werte  von  6205000  Yen.  Von  dem  ganxen  (Trsprungswerte 
der  Einfuhr  kamen  auf  Zucker  1888  11,  1889  9  Prozent  Nicht 
ganz  so  wichtig,  1889  mit  etwa  7  Prozent  des  Wertes,  erscheint 
Petroleum«  Die  £infdhr  war  lange  snemlich  unbedeutend,  über- 


lb(i5   940/0  1882   75  «/o 

1869  88  •  1884  74  • 

1872   86  -  1--':    7:^  - 

1875   82  -  74  - 

(aber  1876   93  -  )  1889   74  - 

1880  78  - 

'  So  könnte  man  wohl,  nach  dem  Vorgang  der  amtlichen  japunischeii 
Statistik,  aogemeasen  statt  £iDfohnrart  sagen,  mn  MiCsventändniasen 

vorzubeugen. 

^  Die  geringen  Mengen  HuUucker  etc.  fallen  nicht  ins  Gewicht. 
Vgl.  äbrigens  oben  im  Kapitel  Laadwirtschaft  S.  335  ff. 


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416 


X  4. 


stieg  187s  ganz  plöt/lich  10  Millionen  Gallonen'  und  erreicbte 
1889  den  bisher  hücbstcn  Betrag  von  37  Millionen  Gallonen 
(davon  6  7()7  000  aus  Rufsland)  im  Werte  von  4r,K7()00  Yen. 

Die  Einfuhr  von  gewerblichen  Koiiütotfen  iöt  nicht  be- 
deutend. Von  dnigem  BeJaiig  nnd  die  von  Japan  nur  in  un- 
genügenden  Mengen  ensetigten  Metalle,  doch  werden  auch  diese 
meist  schon  in  bearbeiteter  Form  eingefilhrt.  Die  Einfuhr  von 
Eisen,  Stahl  und  von  Waren  daraus  (ohne  Maachinen,  Waffen  etc.) 
hatte  in  dem  bisher  liöclisten  Jahre  1888  zusammen  einen  Wert 
von  6189000  Yen  (1889  51686(52),  wovon  auf  Roheisen  und 
Stahl  nur  596000  Yen  (1889  4»»2  000  kamen.  Irameriun 

ist  das  schon  erheblich  mehr  als  früher.  Wichtiger  ist  die  sich 
ganz  neuerdings  entwickelnde  Einfuhr  von  Baumwolle,  meist 
aus  China,  welche  1889  schon  beinahe  38,7  Millionen  kg  betrug, 
wovon  &8t  xwei  Drittel  ungemnu^te  war'.  Dagegen  wurden 
1883  erat  1^/4  MiUion  kg  eingeftlhrt  Der  Wert  war  1889 
5669000  Yen,  fast  9  Flrozent  der  Einfulu.  Das  plötzliche  An- 
wachsen hängt  mit  der  raschen  Entwickelung  der  inländischen 
Baumwollindustrie  in  den  letzten  Jaliren  eng  zusammen.  Das 
hindert  nun  nielit,  dafs  H  au  in '.vollfahr  ikate  zwar  nicht 
mehr,  wie  bis  1S80,  ein  Drittel,  jiber  docli  inuner  noch  mehr  als 
ein  Viertel  des  Wertes  der  iranzen  Einfuhr  ausmachen,  niimlieh  1889 
17  202000  Yen.  Dabei  hat  sich  aber  doch  ein  bemerkenöwerter 
Fortschritt  ToUzogen.  Während  Baumwollgarne  früher 
höchstens  die  Hälfte  dieser  Einfuhr  ausmachte,  haben  sie  einen 
immer  wichtigeren  Platz  eingenommen  und  hatten  1888  89  be- 
reits drei  Viertel  des  Wertes  fuler  eingeüihrten  ßaumwoUfiibrikate. 
Auf  diese  eine  Ware  kommt  etwa  ein  Fünftel  der  pmzen  japft' 
nisehen  Einfuhr  (isss  13612000  Yen,  1889  12522(i00  \en\ 
Im  Jahre  1868  wurden  erst  2V4  Millionen  kg  eingeflihrt.  Von 
1877  bis  1878  sprang  die  Einfuhr  plötzlich  von  9  auf  16V  2 
Milhonen  kg,  hielt  sich  bis  1886  zwischen  12  und  16  Millionen, 
stieg  1887  auf  beinahe  20,  1888  auf  fast  28'  -  Millionen  kg, 
sank  aher  1889  wieder  auf  25,t  Millionen  kg.  Demgegenüber 
hat  die  Einfuhr  Ton  Baumwollatoffen  erheblich  an  Bedeutung 
verloren,  wenn  auch  die  absoluten  Zahlen  in  den  letzten 
Jiln  n  mit  zunehmender  Kaufkraft  wieder  gewachsen  sind. 
Der  Hauptartikel  sind  stets  graue  Shirtings  gewesen.  Davon 
wur'l*  n  ein  «geführt  im  Dureh>5ehnitt  der  Jahre  1868  70  rund  24 
Millionen  Yards,  1874  76  über  54  Millionen.  Der  Höhepunkt 
war  1879  mit  beinahe  67  Millionen  Yards.  Dann  folgte  ein 
stetiger  Rückgang,  bis  1884  das  Minimum  von  gut  19  Millionen 
zeigte.    Nach  anfunglieh  langsamem  Steigen  bradite  1888  wieder 

>  En  wird  in  raffiniertoin  Zustand  in  Kisten  von  10  Gallonen  (38  1) 

eingeführt. 

*  Auf  gereinigte  fisumwolle  umgerechnet  mGgen  rieh  22  Millionen 
kg  ergeben. 


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417 


fast  42  Millionen,  freilich  mit  dein  Erfolg  einer  gewaltigen  Über- 
ttillung  aller  Lager,  so  dalä  1889  die  Einfuhr  wieder  auf  36 
Millionen  sank. 

Gans  anders  iit  die  Entwickelung  der  Woll  waren  ein- 
fuhr, auf  welche  sehr  regelmafslg  11—12  Phisent  der  Einfiihr 
eotfiülen.  Die  japanische  Wollenindustrie  h'egt  ganz  in  den 
ersten  Anfitngen,  eigene  W^oUproduktion  ist  nicht  yorhandeo. 
Fast  die  ganze  Einfuhr  besteht  in  Fabrikaten. 

Nach  der  TextilinduBtrip,  welcher  mit  Material  und  Fabrikaten 
nicht  viel  weniger  als  die  Hältlc  der  Kintuhr  angeliört,  kommt 
die  MetaUinduötrie.  Metalle,  Metaliwaren,  Instrumente,  Maseliinen, 
Waffen  und  Schiffe  \varen  in  den  letzten  Jahren  dem  \N'erte 
nach  rund  ein  Fünftel  (1888  22,  1889  19  Prozent)  der  Einfuhr  ^ 
VolkswirtBchafUich  beachtenswert  ist,  dals  davon  ein  erheblicher 
T«l  direkt  zur  Hebimg  der  ProduktionsfUhigkeit  des  Landes 
bestimmt  ist  (Eisenbahnmaterial,  Schiflfe,  Maschine  n  fllr  Fabriken), 
dals  ein  anderer  Teil  in  der  Form  von  Halbfabrikaten  (Stab- 
eisen.  Bleche  etc.),  also  Hulfsstoffen  der  <7ewerhlichen  Produktion 
erscheint.  Das  Gleiche  gilt  von  der  Eintühr  chemischer  Produkte 
(Farhwaren,  Droguen.  Medizinen  etc.,  auch  Schiefspulverl,  welche 
gut  ü  i'iozent  der  Einfuhr  von  1888  8i'  ausmachte,  wovon  über 
ein  Drittel  allein  auf  Farbwaren  kam.  Auch  hier  ist  ein  stetiges 
Anwachsen  zn  bemeriien.  So  stieg  z.  B.  die  ESinfiihr  von  Anifin- 
fiurben  von  70000  kg  im  Jahre  1883  ganz  stetig  auf  212  000  kg 
im  Jahre  1888,  hetroe  allerdings  1889  wieder  nur  174000  kg. 

Im  ganzen  betrachtet  ruft  also  die  Einfuhr  nach  Japan  den 
Eindruck  des  wirtschaftlichen  Fortsclirittes  hervor.  Aber  freilich 
besteht  -^ie  heute,  und  wird  sie  noch  lancre  bestehen,  überwiegend 
aus  Fabrikaten,  das  Gegen bild  der  in  der  Hauptsache  aus  Lebens- 
mitteln und  Rohstoffen  bestehenden  Ausfuhr.  Ordnen  wir  die 
Aus-  und  Einfuhr  des  Jahres  1888  in  Prozenten  nach  dem 
Schema:  Lebens-  und  Genufsmittel ,  industrielle  Rohstoffe, 
Falmkate,  so  erhalten  wir  ungefilhr  folgendes  Bild: 

Aoafobr  Einfuhr 

Lebens-  und  Qenufsmittel  29  ^/a  15*^/0 
Industrielle  Hohsto£fe  58  ^/o  1 0  o 
Fabrikate  13  ""/o      75  »/o 

Wollte  man  diese  Verhältniszahlen  mit  denen  europäischer 
Länder  vergleichen,  so  ist  die  eigentümliche  Natur  dea  japanischen 
Zollwesens  nicht  aufser  acht  zu  lassen.   Der  gröfste  Teil  der 

Einfuhr  ist  zollpflichtig.^,  aber  durchwe^r  im  t;anz  n?edrin;en  Sätzen 
und  ebenso  werden  niedrige  Ausfuhrzölle  früher  von  der  ganzen 


*  1883  wftren  es  erst  12  PA>zent  gewesen,  doch  sind,  wie  gesagt, 
die  Zahlen  nicht  vpr^rloic-hbar.  Jedenfalls  hat  aber  nicht  nar  eine  ab- 
solute, sondorti  aucli  eine  relative  Zanabme  stattgefunden. 


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418 


X  4. 


Ausfuhr,  jetzt  noch  von  den  wichtigsten  Produkren  erhoben. 
Einen  nennenswerten  Einflulb  auf  deu  Aulbeuliaudel  übt  also  die 
Regierung  weder  durch  erhebliche  Schutz-  noch  FinanzzöUe  aus. 
Sie  hat  fanher  aich  beschriiiikt  auf  die  Förderuii^  der  GeeeUadiaflbeii, 
wddie  den  „direkten  Handel''  betreiben,  auf  die  Pflege  der  für 
die  Ansfiihr  arbeitenden  Produktionszweige,  auf  die  Gestaltung 
ihres  eigenen  Bedarfs  an  ausländiachen  wliren,  auf  die  indirekte 
Beeinflussunp^  durch  ihre  Bank-  und  Wälirnnf^spolitik 

Sind  die  (lesamtsummen  des  japanischen  llaDdelö  in  neuerer 
Zeit  *  rliebUch  erestie^^cn,  so  sind  «ic  im  Vergleich  mit  denen 
curupaiacher  Luidcr  doch  noch  recht  gering,  wie  beöunders  der 
auf  den  Kopf  der  Bevölkerung  entfallende  Betrag 
Mtgt  Dieser  war  im  Dorchschiiitt  der  Jahre  1873/75  eaC 
139  Sen,  1879/81  189  Sen,  188m  187  Sen,  1886/89  267  8m 
(knapp  9  Mark),  1889  allein  344  Sen  (etwa  11  Mark).  Auch 
dieser  letzte  höchste  Betrag  ist  erst  zwei  Fünftel  des  Kopfistnteils 
in  Rufsland  (1886  ca.  26  Mark)  und  etwas  geringer  als  in 
Britiach-Indion. 

Eine  Folge  der  Organisation  des  japanischen  Aulseuhandeis 
ist  auch  seine  grofsc  Koncentration  in  eigentlich  nur 
zwei  Plätzen,  Yokohama  und  Kobe,  ersteres  1859,  letzteres» 
1868  eröffiiet  Mehr  als  90  Prozent  der  Ein-  und  Ausfuhren 
gehen  über  diese  Orte.  Für  die  fremden  Kaufhäuser  lohnt  es 
sieh  nicht  an  den  kleineren  Plätzen  eigene  Niederlassungen  an 
gründen.  Die  Verbreitung  der  Einfuhr  aus  dra  grolsen  rlätwm 
Uber  das  Land,  die  Anfuhr  der  Exportwaren  besorgen  viel 
bilHj^er  die  japanischen  Komraissionshandier.  So  kommt  f-s.  dafs 
die  im  Norden  verbrauchten  ausländischen  Waren  nicht  nher 
Hakodate,  sondern  über  iokohama  ein^efiilirt  werden,  ^lal-  (1<t 
Süden  bis  in  die  nächste  Nähe  von  Nagasaki  seinen  13»  dai  t  bei 
den  groÜ30u  japanischen  Häusern  in  Osaka  deckt,  welche  die 
Waren  über  Kobe  beBiehen.  Von  d^  ofeien  Plilsen  findet 
aber  Tokyo  und  Nügata  ttberhaupt  kon  Auisenhandel  statt, 
ttber  Hakodate  und  Osaka  ist  er  ganz  unbedeutend,  an  ersterem 
Platze  eigentlich  nur  in  Ausfuhr  von  Seeprodukten  und  Schwefel 
bestehend.  Selbst  Nn^saki  mit  seinem  guten  Hafen,  zahlreichen 
Seeverbindungen  und  alten  Handelsbeziehungen  nimmt  an  der 
Einfuhr  schon  seit  Jahren  nur  mit  drei  Prozent  teil.  Wichtiger 
ist  es  für  die  Ausfuhr,  von  welcher  es  etwa  acht  Prozent  be- 
hauptet, da  CS  der  wichtigste  Platz  für  die  Ausfuhr  von  Kohlen 
ist,  auch  fttr  Beäs^  Kani]>her  und  Seeprodukte  Bedeutung  hat 
Yokohama  und  Kobe,  beides  neue,  durch  den  fremden  fiandel 
erst  entstandene  Stildte  von  bereits  mehr  als  100000  J^wohneni, 
haben  den  Vorteil  in  der  Nähe  grolser  Konsumtions-  und 
Industriecentren  zu  liegen,  Tokyo  einerseits.  Osaka  und  Kyoto 
anderseits.  Roi  der  Anstnlir  besteht  ein  <  t  lu  blicher  T^nterschi»Mi 
zwischen  beiden.  Durcli  die  Koncentration  des  ganzen  8eiden- 
handcls  auf  Yokohama  hat  dieses  einen  grofsen  Vorsprung, 


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419 


Auch  SpidcTiw  üien  gehen  überwiegend  über  Yokohnraa  au». 
Vom  Tiiee  werden  etwa  drei  Fünflei  von  Yokohama,  zwei 
Fünftel  von  Kobe  verschifft.  Bei  Kupier  iialten  sich  beide 
Plätze  das  Gleichgewicht.  Dagegen  gehen  lieis,  Kampher, 
Waeha,  Lampen  imd  eine  Beihe  ttlemerer  Artikel  ganz  oder 
Yorwiegend  Uber  Kobe,  namentlich  auch  eine  Mense  von  indu- 
striellen Eraeugnissen ,  so  ZündhOlser,  Fächer,  Wandschirme^ 
Bambuswaren,  während  bei  anderen^  wie  Porzellan-  und  Thon-, 
Bronze-  und  KupferwfU'en,  kein  ^^rofser  ünt^schied  ist.  I^ack- 
w.mn  jTohf»ri  üWrwioo-^^nd  aus  Yokohama.  Der  Anteil  Kobes 
an  der  Ausfuhr  ist  stark  gewachser  fh^7;'.    1^?.  1f\  18^0^ 

20  Prozent ,  aber  immerhin  ist  der  YukühamHö  noch  bedeute  nd 
erheblicher  (1873:  73,  1883:  68,  1889:  (30  Prozent).  Stäikei 
ist  Kobes  Anteil  an  der  Einfuhr,  1889:  39  Prozent  gegen  52 
in  Yokohama  (1883  :  23  und  68  EWent,  1878  :  21  und  69 
Prosent).  Aonchlielslich  hemcht  keiner  der  beiden  Plstse  bei 
den  wichtigeren  Gegenständen  der  Einfuhr. 

Neben  den  den  Fremden  ofl'enen  Plätzen  kommen  iUr  den 
japanischen  Handel  noch  die  Häfen  ^Shimonoseki,  Hakata 
(Kyushu)  und  Izugaharn  l'str^itm  i)  m  Bctmcht,  doch  bat  nur 
dar  crstirenfinTite  Platz  einige  Btitlcutung*. 

Es  liihrigt  einiges  über  den  Anteil  der  einzelnen 
fremden  Länder  am  japanischen  Aufsenhandel 
SU  sagen.  (Beteiligung  der  FLiggen  am  SchifiBverkehr  vgl. 
oben  S.  407.)  Die  Angaben  der  Z^tatistik  Uber  Ursprung  and 
Bestimmung  der  ein-  und  ausgeführten  Waren  Bind  in  fiwieren 
Jahren  ganE  unzuvcrlä-ssig.  Auch  fUr  die  letzten  Jahre  sind  sie 
nur  mit  groÜMr  Vorsicht  zu  benutzen,  trota  der  Mtthe^  wdofae 


*  Dnreh  Gesetz  20  voin  SO.  JuU  1889  ist  fUr  eine  Anssbl  Häfen 

die  Ausfuhr  von  Getreide,  Mehl,  Kohlen  und  Schwefel  in  ausländischen 
8chiä'en  gestattet  worden,  welche  japanisclio  Exporteure  zu  diesem 
Zwecke  chartern.  Am  lö.  Au^u^it  l-^^^U  trat  da»  i«  Kraft  tür  Shimouo- 
Beki.  Hakata.  Kuchinotsu  (Hizen,  Kyushu)  und  Otani  (Hokkaido),  am 
15.  November  fiir  Yokkairl.i  fOwaribucht).  Fuf?hiki  (  Westküste,  Toyama- 
ken)  und  drei  weitere  Hüten  auf  Kyushu,  Moji,  Karat^u  uud  Misumi. 
Die  Mafsregel  kannte  den  Amfiihihandel  Nagasakis  einigerniaften  be- 
einträchtigen. Im  Hokkaido  wird  l^'.H  der  Haften  Kushiro  geöfTuet.  In 
absoluten  Zahlen  betrog  1889  Ausfuhr  und  Einfuhr  in  den  einzelnen  Häfen : 


Ausfuhr 

Einfuhr 

Yokohama 

41  862  129  Yen 

34320917  Yen 

Kobe 

208.31  r>.w  - 

NaAisakl 

6193  0f)8  - 

2  912  84.3  - 

Osaka 

261013  - 

2  131  1 12  - 

Hakodate 

781447  - 

11 i  706  - 

Niigsta 

2211  - 

1809  - 

Shiinonosdci 

2:^8*53  - 

532  039  . 

Hakata 

4.368  - 

17.>4l  - 

Karatsu 

190  - 

KnchinotBu 

:U9  2')ß  - 

— —  • 

bogahara 

37  14a  - 

34138  - 

27» 


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420 


X  4. 


»ich  die  Zollvppwaltung  um  genauere  Krmittelungen  giebt.  Die 
Schwieri^'keiten  liegen  in  der  Natur  der  »Sache.  Bei  aer  Einfuhr 
wird  vom  Importeur  vielfach  nur  der  VerschiiluDpbhafen  genannt 
Erscheint  in  der  Faktor  kein  anderer  Prodoktionaort»  so  mufs 
jener  als  Produktionaort  angesehen  werden.  Anf  diese  Weise 
erscheint  namendich  die  englische  Ein&hr  dauernd  viel  zu  hocb, 
wegen  der  vielen  kontinentalen  Waren,  welche  Uber  London 
verschifft  werden.  Ebenso  ist  es  bei  der  Ausfuhr,  bei  welcher 
ak  Rpstimmungsland  das  T  ^ind  erscheint,  wohin  der  Dnmpfer 
ausklariert.  Steht  docli  virh;ich  der  wirkliche  Bestimmungsort 
der  Ware  noch  gar  nicht  test  zur  Zeit  der  Verschiffung.  Auf 
diese  Weise  erscheint  wiederum  die  Au8iuiir  nach  England  zu 
hoch,  auch  die  nach  Frankreich  und  nach  den  Yereinigten 
Staaten  (bedeatende  Theedorchfuhr  nach  Oanada).  Bei  Verkehr 
mit  Lttndem  wie  Deutschland  dagegen  ist  Ein-  und  Ausfuhr  sa 
niedrig  angegeben,  was  in  der  Natur  der  Dinge  liegt  und  sowohl 
durch  die  Ennittelungen  der  deutschen  Konsulate  in  Japan  als 
durch  einen  Vergleich  der  japanischen  mit  der  Hamburger  und 
Bremer  Handelsstatistik  bestätigt  wird.  Die  Zahlen  selbst  haben 
also  keiuen  grofsen  Wert  und  ebensowenig  die  Veränderungen 
in  dem  Anteil  der  einzelneu  Liinder  von  ,lahr  zu  Jahr,  welche 
ebensogut  veränderter  Erhebung  als  wirklicher  Ab-  oder  Zu- 
nahme des  Verkehrs  ihren  Ursprung  verdanken  kOnnen.  Bei 
der  Ausfuhr  nach  den  Kachharlttndem  China  und  Korea,  webhe 
an  sich  genau  genug  sdn  konnte,  sind  noch  andere  störende  Um- 
stände vorhanden,  bei  ersterer,  dafs  die  Kohlenausfuhr,  die  haupt- 
nnchlich  nach  China  geht^  soweit  sie  sich  auf  Dampfern  vollzieht,  ois 
1888  in  der  Statistik  als  ..zum  Schiff>^gf^"b^auch",  also  ohne  IVstim- 
mungsland  erscheint.  Nacii  Kore^i  hat  die  Ausfuhr  scheinbar  sehr 
nachgelassen,  weil  Waren  europäischen  Ursprungs,  die  früher 
als  „Wiederausfuhr"  erschienen,  jetzt  tlberhaupt  nicht  in  der 
Statistik  bemerklich  werden,  da  sie  gar  nicht  aus  dem  Zoll- 
yerschlurs  in  Nagasaki  herauskommoi. 

Abgesehen  von  Korea  hat  sich  nadi  der  Handelsstatistik 
(nach  den  in  Silber  umgerechneten  Werten)  der  Anteil  der  ein- 
zelnen Länder  an  der  Ausfuhr  in  dem  Jahrzehnt  1879  bis  1888 
kaum  verMndert,  indem  auf'  Nordamerika  (Union  und  P.nrt.ida) 
35^ — 38  Prozent  kommen,  aut  Fnmkrcich  20-  25,  aul  England 
13 — 14,  auf  China  15 — 20.  Die  Ausfuhr  nach  Deutschland, 
frtiher  minimal,  war  1888  2*  2  Prozent  der  Gesamtausftihr,  nach 
der  Bremer  und  Hamburger  Einfuhrstatistik  mufs  man  etwa  den 
do|ppelten  Betrag  als  der  Wahrheit  nahekommend  annehmen. 
Bei  der  vid  ungenaueren  Vertdlung  der  Einfuhr  wSre  der  An- 
teil von  England  von  51  auf  44,  der  von  Frankreich  von  11 
auf  6y  der  von  Amerika  von  10  auf  9  Prozent  in  dem  ange- 
gebenen Jahrz«  liTT  gesunken,  der  Chinas  mit  16  Prozent  gloich 
geblieben,  der  üstindiem»  von  4  auf  12,  der  Deutschlands  von  4 


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X  4. 


421 


auf  8  Prozent  gestiegen  ^  Ist  auf  die  Zahlen  selbst  kein  beson- 
deres Gewicht  sa  legen,  bo  unteriiegt  es  jedenfidk  keinem  Ziräifel, 
dafs  die  Einfuhr  der  heiden  letztgenannten  Lttnder  rieh  gans 
bedeatend  Termehrt  bat. 


Japan  ist  ein  Land  der  Kleinbetriebe.  Die  meisten,  welche 
mit  der  liand  arbeiten^  sind  alao  selbst  Unternehmer.  In  den 
bäuerlichen  Wirtschaften  arbeitet  die  Familie  selbst  GMnde 
wird  wenig  gehalten.   Am  meisten  wohl  da,  wo  die  Seidensucht 


Föhncr  sein,  welche  auch  andere  Lohnarbeit  (TransporlgewerbCy 
Bergbau.  Fiscbero!  etc.)  betreiben,  namentlich  aber  fUr  gewöhn- 
lich im  eigenen  Uause  thätige  Frauen  sind  und  zur  Zeit  der 
Thee-,  der  Koisernte  u.  s.  w.  den  etwas  grölseren  Bauern  helfen. 
Im  allgemeinen  richtet  jedoch  der  Bauer  die  Aufeinanderfolsre 
seiner  Kulturen  so  ein,  dafs  er  die  Arbeit  mit  seiner  Familie 
bei^tigen  kann.  Ein  sabbeicher  Vi^tand,  welcher  der  War- 
tung bedttrfte^  existiert  nicht  Auch  die  Handwerker  arbeiten 
nur  mit  wenigen  bezahlten  Hülfskräften.  Selten  beschäftigen  sie 
aufser  einem  Lehrjungen  drei  oder  mehr  Arbeiter.  Von  der 
Qrofsindustrie  giebt  es  bisher  nur  Antlini^e  in  wenig  Orten.  So 
hat  die  bezahlte  Handarbeit  im  wirtschaftlichen  Leben 
des  Volkes  einstweilen  eine  verhftltnismäfsig  geringe  Bedeutung. 
Da  die  ILmdwerk.sgesellen  noch  überwiegend  zu  erp^ener  Selb- 
ständigkeit kommen,  wenigstens  zur  k^elbstäudigkcit  bausindu- 
atridkr  Meister,  so  kann  man  von  rinem  eigentUchen  Lohn* 
arbeiterstand  bidier  kaum  sprechen.  Kur  in  wra.^en  Qewerbenf 
welche  ein  gröfseres  Kapital  erfordern,  finden  wir  ein  aahlreiches 
bezahltes  H  Ulfspersonal,  in  der  Fischerei,  den  gröiaeren  Berg- 
werken, der  Sakebrauerei,  im  Schnittwaren handei  u.  s.  w.  Bei 
den  bisher  herrschenden  patriarchalischen  Zuständen  ist  es  in 
gröfseren  TTnternelimungen  etwas  ganz  ( iewohnliches,  dal's  das 
Verhftltnis  einen  dauernden,  ja  oft  quasi-erblichen  Charakter  hat, 
und  dals  z.  ß.  in  grofsen  Kautmannshäusem  der  alte  Commis 


*  Zu  beachten  ist  natürlich,  dafs  von  lä7U  bis  ISUii  die  absoluten 
Zahlen  der  Einfohr  sich  beinahe,  die  der  Aasfohr  mehr  als  verdoppelt 
haben. 


Zehntes  Kapitel. 


Löhne  und  £iukoiiiiuen. 


Zahlreicher  dttrfken  Ti 


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422 


eine  ähnliche  Stellung  einniinint,  wie  bei  den  früheren  Landes* 

fttarsten  die  Räte. 

Wie  das  Verhältnis  zwischen  Arbeitgeber  und  -nehmer  noch 
ein  lamilienhafteö  ist,  so  wird  auch  der  Arbeiter  im  allgerarincn 
nicht  überanstrengt.  Man  arbeitet  überhaupt  in  Japan  nicht  sehr 
intensiv.  Feiertage  sind  allerdings  nicht  sehr  häufig.  Die  bei 
den  Behörden,  in  den  iStaatsanstalten  und  in  den  Schulen  durch- 
geführte Sonntaesruhe  ist  in  das  Volksleben  ebensowenig  ein- 
gedrungen wie  die  offiaiellen  Festtage.  Bei  grOlseren  Gewerbe- 
treibenden habe  ich  in  Tokyo,  Kyoto  und  Osaka  gefunden,  dafs 
häufig  der  15.  und  letzte  des  Monats  den  Arbeitern  freigegeben 
wird.  Allgemein  und  gründlich  werden  dagegen  die  grofaea 
Tempelfeste  gefeiert,  sowie  das  Totenfest  (Hon)  und  vor  allem 
Neujahr.  Dann  hört  auf  eine  Woelie  alle  Ai'beit  auf.  Aber 
auch  im  übrigen  Jahre  ist  man  nicht  ängstlich,  einmal  mit  der 
Arbeit  auszusetzen.  Ein  Tempeliest  in  einem  anderen  8tadtteil 
oder  hn  Nachbardorf  oder  die  Kirschblüte  geben  den  gern  und 
oft  benutsten  Anlafs.  Auch  bei  der  täglichen  Arbeitsseit  ist  man 
Übertreibungen  abgene^  Bechnet  man  die  aahlreichen  Pausen 
ab,  so  weroen  selten  mehr  als  neun  Stunden  effektive  Arbeits- 
seit herauskommen.  Auch  bei  den  Hauern  wird  nicht  ttbermäfsig 
gearbeitet  Dafs  im  Hochsommer  der  Bfiner,  wie  bei  uns,  bei 
Tageagrauen  an  die  Arbeit  ginge,  obp:lei(  }i  f  r  über  Mittag  wegen 
der  grol'sen  Hitze  mehrere  Stunden  aussetzen  muls,  habe  ich  nie 
gesehen  ^  Ich  will  mit  all  diei>em  nicht  sagen,  dais  die  Leute 
liaul  seien.  Wur  haben  auch  bei  uns  G^enden,  wo  ähnliche 
Zustände  herrschen.  Was  in  Japan  bisher  wenig  bekannt  ist, 
das  ist  das  stetige  Arbeiten.  Wes^Üich  darin  säeint  mir  der 
Grund  fUr  die  von  allen  IVemden  bestätigte  Erfahrung  zu  liegen, 
dais  japanische  Arbeiter  TerhältnismärBag  wenig  leisten,  dais  ^ 
Arbeit  nur  lanjrsara  vorwärts  kommt. 

Dies  wird  nun  anders,  wo  i\  laschinen  arbeit  zur  Ver- 
wendung komTut.  Wie  die  Eisenbahnen  eine  bisher  imbe- 
kannte Plinkilirlik'  it  lieran bilden,  so  zwingt  die  Mabciaiie  den 
Arbeiter  zu  stetiger  Auimcrksamkeit  Die  allmählich  entstehende 
Fabrikindaslrie  wird  m  dieser  Hinsicht  wichtige  Folgen  haben. 
Sie  bewhrkt  schon  jetst  ein  nicht  unbedeutendes  Heremsic&en 
der  Frauen  in  die  Fabriken  und  eine  rasche  Entwickdung  der 
Nachtarbeit.  Die  greisen  neuen  Spinnereien  arbeiten,  dank  dem 
elektrischen  licht,  ununterbrochen  mit  zwei  Arbeiterechiehten 


1  Von  dem  übliclieu  Tuuristenurteil  über  den  ungeheuren  FleÜB 
der  Japaner  weicht  das  wesentlich  ab.  Wenn  man  swucheo  8  aiid  9 
aus  dem  Quartier  knmmt,  pind  niitrirlicli  iilicrall  die  I^ute  eifrig  bni  i  r 
Arbeit  Ich  habe  mein  Urteil  auf  (rruud  vialer  Beobachtungen  büden 
können«  da  ich  änfserer  VerhÜtnine  wegen  längere  Röaen  »st  nur  im 
Sommer  raachen  konnte,  wo  mm  schon  det  Sonnenbrandes  wegen  Mh 
tum  Aufbruch  drängt 


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423 


von  je  elf-  bis  zwölfstündiger  Dauer  und  beschäftigen  über- 
wiegend Frauen  und  Mädchen.  Auch  In  den  Seidenfilanden  und 
Zündliolzfabriken  werden  meist  Arbeiterinnen  TerweDdety  auch 
viel  Kinder  (zum  Schach telk ]eV>en) 

Die  verhAltnismälsig  geringe  Liei8tuTi<!:si;ihigkeit  japanischer 
Arbeiter  ist  bei  Betrachtung  japanischer  Löhne  nicht  aulser  acht 
zu  lassen.  Niedrige  Löhne  sind  noch  nicht  gleichbedeutend  mit 
billiger  Arbeit  .^le,  die  mit  jaDonischen  Arbeitern  yid  zu  thim 
haben,  sagen  ttbereinstimmendi  dafe  trots  scheinbar  ^ringen  Be- 
trages japanische  Lohne  thatsftchliefa  hoch  sind.  Die  gezahlten 
Qeldlöhne  sind  aber  auch  in  anderer  Hinsicht  hoch.  Wie  schon 
gesagt,  ist  die  Masse  der  arbeitenden  Bevölkerung  selbst  Unter- 
nehmer. Ihr  f-ohn  steckt  in  rien  Preisen  ihrer  Produkte.  Be- 
rechnen wir  für  diese  die  Produktionskosten  und  den  als  Ver- 
gtltung  für  die  Arbeit  übrigen  Betrag,  so  bleibt  in  der  Land- 
wirtschaft- wie  bei  anderen  ErwerbssBweigen  häufig  als  Lohn 
ein  Betrag,  der  erheblich  niedriger  ist  als  die  ortsüblichen  Geld- 
lOhne.  Die  eigene  firde  Zeit  tmd  die  der  Familienglieder,  die 
doch  ohnehin  zur  Verfügung  steht,  wird  eben  in  der  Landwirt- 
schaft» beim  Scidenhaspeln,  Reisschiilen,  in  der  Hausweberei 
u.  s.  w.  nicht  besonders  veranschlagt.  Überhaupt  hat  der  Lohn 
bei  allgemein  herrsch en^lem  Kleinbetriebe,  wie  schon  gesagt,  bei 
weitem  niclit  die  Bedeutung  wie  bei  Vorhandensein  eines  zahl- 
reichen Arbeiterstandes. 

Was  nun  den  Betrag  der  gezahlten  Löhne  betrifft^  so  liat 
die  grofae  Geld-  und  Preisrevolution  einen  erheblichen  Einfluls 
ausgeübt   Luder  ist  das  Material  flir  frühere  Zäten  ttberaus 


'  In  den  18H7  in  Betrieb  befindlic  l  « n  BaiimwollspinTu  reien  waren 
60  f  rozeot  der  Arbeitskräfte  weiblich,  in  den  ätaatafabnkeu  etc.  waren 
9724  mtniiKche  und  1639  wdbÜehe  ArbtitskrKfte,  letstere  ftossehlieüilich 
in  der  Staatsdruckerei,  der  Tuchfabrik  Senji  und  der  Filande  Toinioka. 
In  den  fiinf  Staatsbergwerkcu  (Sado,  Ikuno,  Miike,  Hiroshima,  Poronai) 
kamen  von  den  verfahrenen  Schichten  3  Prozent  auf  Personen  anter 
in  Jahren,  •'>  Prozent  auf  Frauen,  der  Kest  auf  MSnner  über  16  Jahren. 
Die  Spinnereien  arbeiteten  durchschnittlich  etwas  über  800  Tage,  die 

Sofse  Osakaspinnerei  nur  2äC  Tage  im  Jahre.  Von  lU  Spinnereien 
tteo  not  2  krinen  anuDterbroch4»nen  Betrieb,  Tmg  nnd  Nscbt.  -  £Me 
staatlielie  Tuchfabrik  in  Senji  arbeitete  an  -Ui  Tagen,  Tap;  und  Nacht 
ol)ne  UnterWrechunp.  Toniiolta  an  290  Tapen  bei  U^/sstündiger  Arbeits- 
zeit. Die  in  den  Staat^uinstaltcn  im  Durchschnitt  aller  Arbeitskrfille  ge- 
sahlten  Löhne  betrugen: 

m.  w. 


Wftffenfabrik  Tokyo 

4o  i>en 

Staatsdruckerei     30  Sen 

13 

Sen 

Osaka 

32  - 

Filande  Tomioka  25  - 

7 

Werft  YokoBoks 

81  - 

Tuchfabrik  Senji  31  - 

16 

•  Kinder 

OTiuhama 

34  - 

Grube  Sado         16,2  - 

7,4 

-   o,s  Sen 

Pulverlabrik 

35  - 

•     Ikuno        20,1  - 

-   6,«  - 

Münie 

41  . 

-    lüike        17,c  • 

7.4 

-  5,.  . 

Hirosbima  12^- 


*  Vgl  oben  S.  351. 


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424 


dttrfUg  und  lückenhaft.  Die  von  innzelnen  fremden  Beobachtern 
früher  gesammelten  Notizen  leiden  unter  dem  Nacliteil,  dafs  sie 
sich  nur  auf  die  otiVnfn  Häfen,  namentlich  Yokohaaia  beziehen, 
wo  früher  anormal  hohe  Lohnsätze  bestanden  ^ .  Soweit  das  mir 
bekannte  ^Material  ein  allgemeines  Urteil  gestattet,  haben  die  Löhne 
sich  bei  den  verschiedenen  Münzänderungen  bis  1871  vielleicht 
etwas  mshr  erhöht  de  die  Freue  der  gewöhnlichen  Lebensmittel 
und  Gtebraachsgegensttfnde.  Als  seit  1878  die  Entwertung  des 
Papiei^geldes  eintrat,  folgten  die  Löhne  den  steigenden  Produkten- 
preisen nur  sehr  langsam,  sind  dann  aber  auch  bei  Wiederher- 
stellung der  Valuta  nicht  so  stark  gesunken  als  die  Produkten- 
preise. Mit  diesen  erreiehten  sie  den  tiefsten  Stand  1881  und 
sind  seitdem  wieder  ;jf'stir;ren.  Im  allgemeinen  scheint  mir,  nach 
den  wichtigsten  Lebensmittelpreisen  bemessen .  der  Stand  der 
Löhne  nach  Beseitigung  des  Agio  sich  höher  gciialten  zu  haben, 
als  er  vorher  war-.  Aus  der  Zeit  seit  dem  höchsten  Agio, 
1881/82,  hat  die  Begiening  sdir  dankenswerte  Materialien  Ter- 
öfifentUcht  fUr  dne  Rohe  von  Handwerkern  und  landwirtsohaft- 
lidien  Arbeitern  und  für  Dienstboten,  im  Durchschnitt  jedes  Be- 
zirkes, teib  nur  für  Arbeiter  bester  Klasse,  teils  fikr  Arbeiter 
bester,  mittlerer  und  geringster  Güte.  Für  das  interessante  Jahr 
1884  sind  leider  die  Angaben  ganz  unvollständig.  Die  Erhe- 
bungen bezogen  sieh  1882  auf  20,  seif  1885  auf  38  Arten  von 
Arbeitern.  Einzelne  Angaben  über  Lohne  sind  mit  Vorsieht  zu 
benutzen,  da  neben  dem  Geldlohu  häutig  teils  Tolle  Kost,  teils 
die  Mittagsmahlaeit  gegeben  wird.  Bei  dauerndem  ArbeitBrer- 
hältnis  kommen  daau  noch  weitere  Leistungen,  namentlich  ein 
Winteranzug  zu  Neujahr,  ein  Sommeranzug  cum-  Bon  (Toten- 
fest). Diese  letzteren  Dinge  sind  auch  in  den  amdichen  Erhe- 
bungen nicht  berticksichtigt ,  wohl  aber  die  Beköstigung.  Im 
allgemeinen  crgiebt  sich  aus  den  amtlichen  Erhcbuniren.  dafs 
im  Durchschnitt  des  Landes  der  tägHehe  Lohn  (bei  Selbst- 
beköstitjunjr  des  Arbeiters)  für  gewv>hiiliche  ungelernte  Arbeit  in 
den  letzten  Jahren  tiir  Männer  13  bis  20  Sen,  für  \\  eiber  etwa 
8  Sen  betrug,  für  gelernte  Arbeit  dagegen  meist  über  20  Sen, 
aber  nur  Tereinaelt  Uber  25  Sen  b&agen  hat,  bei  Arbeitern 
erster  Klasse  aber  25—30  Sen.  Dabei  zeigen  die  Durchschrntts- 
sätze  1884  bis  1887  wenig  Verttndening.  Zwischen  den  ver- 
schiedenen Landestcilen  walten  nun  sehr  erhebliche  Unterschiede, 
von  welchen  allerdings  schwer  zu  sagen  ist,  inwieweit  sie  auf 

•  So  hat  der  verstorbene  en^Iiflche  Konsul  Russell  Hobe  rt  so  n  einiges 
xusaminengestellt  (KonsulHrbericlit  für  Yokohania  für  1873),  macht  aosr 
selbst  auf  die  vom  übrigen  Laiulo  abweii  hnnde  Hölie  uufincrk?;im  Das 
gilt  auch  für  die  Notizen  von  >Syrski  (Odterr.  •  Ungar.  ExpeüiUon  nach 
ladieii  otc.  1878,  S.  189  f.),  welche  sich  auf  1869  besieben. 

-  Solbf>t verständlich  abgesehen  von  dem  Winter  1889/90  mit  seiosii 
hohen  Produkteupreisen. 


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425 


verschiedener  Erhebimgsart  beruhen  oder  inwieweit  verschiedene 
Tüchtigkeit,  verschiedene  Lebenshaltung,  verschiedene  Kosten 
der  Hauptbedürihisse  darauf  Einäui's  haben.  Im  allgemeinen 
finden  wir  aber,  dafs  die  Verschiedenheit  der  Lohnsätze  über- 
einstimmt mit  dem  sonstigen  Grade  wirtschaftlicher  Entwickelung. 
Da  mit  diesem  wieder  die  Höhe  der  Produktenpreise  zusammen- 
hängt, so  sind  beifiDielöweiöe  in  Reis  umgerechnet  die  Lohnunter- 
schiede  zwischen  aen  Terechiedenen  Bezirken  geringer  als  in 
Geld  au^edrttckt*. 

Im  Hokkaido  mit  seiner  spärlichen  BevOlkerong  sind  die 
Lohne  ungewöhnlich  hoch,  ftir  ungelernte  Arbeit  sogar  ^nz  un« 
verhältnismärsig,  aber  auch  für  gelernte  Arbeit  den  hö<ästen  im 
übrigen  Japan  gezahlten  gleich.  In  Altjapan  wurden  in  den 
Bezirken  Tokyo  und  Osaka  und  in  den  Hatenbezirken  Kanagawa 
und  Nagasaki^  hohe  Löhne  gezahlt,  aul'serdem  aber  in  allen 
Bezirken  um  Tokyo  und  in  der  ganzen  Tokaido  Landschaft.  Unter 
den  Landbezirken  zeiclmet  sich  namentlich  Gumma  durch  höhere 
Lohne  ans»  was  damit  im  TSnklang  steht,  dala  dieser  Beiirk 
regelnüUqg  auch  die  höchsten  IVeise  ftlr  Reis,  Gerste,  Bohnen 
und  Sake  hat.  Der  Mangel  an  Kulturland  in  diesem  Berirke 
ebenso  wie  der  verhältnismttlsig  hohe  Wohlstand  infolge  der 
Seidenkultur  findet  in  diesen  Verhältnissen  seinen  Ausdruck. 
Im  Noi'den  hat  Miyagi  die  höchsten  Löhne.  Im  Süden  sind 
auiser  Nagasaki  nur  der  wirtschaftlich  hoch  entwickelte  Fukuoka- 
ken  und,  autTallender weise,  Kochi  Bezirke  hoher  Löhne. 

Dogmen  herrschen  sehr  geringe  Löhne  im  gröfseren  Teile 
▼on  Eyushu  und  Shikoku,  im  SttdwestflUgel  der  Hauptinsel  und 


*  Für  fünf  in  sehr  verschiwlenen  wirtschaftlichen  Verbältnissen  be- 
findliche Bezirke  habe  ich  im  folgenden  die  Löhne  für  Zimmerleute  erster 
Klassei  da  diese  ein  ziemlich  glcichmäfsi^  verbreitetes  Gewerbe  betreiben 
dürften,  zusammengestellt  mit  dem  Aomvalent  dieser  Löhne  in  Ueis 
n  go  =  0,is  1)  nach  den  durchschnittlichen  Grofepreisen  jedes  Bezirks 
nr  nngesehitlsii  Beis.  Für  1885  fohlt  in  Ks^^hima  der  Beuriudaieh- 
scbnittepreiB  Ar  Beis  und  war  ans  den  NachborbesiTken  %a  ergSnzen. 


Tokyo 

Nagano 

Shimane 

Fukuoka 

Kagoshima 

Geld 

Keis 

Geld 

Keis 

Geld 

Reis 

Geld 

Reis 

Geld 

Reia 

Sen 

.  Oo 

Sen 

Go 

Sen 

6o 

Sen 

Go 

Sen 

Go 

48,9 

55 

41,4 

46 

20,5 

38 

49 

25 

35 

1888 

47,8 

74 

56 

21,« 

42 

24,2 

47 

25 

46 

1884 

44 

82 

23 

54 

16,« 

38 

19,t 

43 

y 

? 

1885 

SO 

73 

35 

56 

17 

34 

21 

41 

28 

50? 

1886 

50 

88 

oo 

42 

ir, 

33 

27 

55 

18.4 

41 

1887 

50 

95 

25 

42 

18 

40 

25 

56 

19 

42 

*  In  Uyogo  tritt  das  meist  weniger  hervor  wegen  der  zam  Beiiik 
gehörigen  armen  Gegenden  an  der  Westlcflste. 


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426 


X  4. 


an  der  ganzen  Westküste.  Am  dllrftigiten  sind  die  Löhne  in 
Shimane.  Das  stimmt  ganz  mit  anderen  Thatsachen  und  allesn 
Berichten  aus  jenen  zurückgebliebenen  Gegenden  zusammen. 

Der  Durchschnittslohn  fUr  einen  Zimmermann  mittlerer 
Klasse  war  ISSlV  in  Shimane  nur  13  Sen,  in  Tokyo  45  Sen, 
in  ungeschälten  Keis  nach  Grofepreisen  umgerechnet  27  und  75  Go 
(4,9  und  13,c  1).  Für  einige  weitere  B^irke  waren  die  Löhne 
ftlr  einen  mittelguten  Zimmennann  in  Oeld  und  Reil  ivie  folgt: 


Hokkaido 

Osaka 
Gumma 
Nagasaki 
Kanagawa 


höchste 

40Sen  =  66Go 


36 
35 
30 
29 


=  70  - 

=  53  - 

=  60  - 

=  47  - 


Niigata 
Ishikawa 

Toyama 

Kumamoto 

Oita 


oiedrigste 

14,8  Sen  =  31  Qo 
15     .  =33  - 

15     .  =33  - 

15  -  =33  - 

16  -       34  - 


Für  die  sonst  aufgeführten  Handwerker  und  Arbeiter  war 
1886  fUr  eine  Person  mittlerer  Güte  der  Tagelohn  (ohne  Kück- 
sicht  auf  Hokkaido) 


durch - 
schnittheil 


höch- 
ster 


Sen  Sen 


knd  wirtschaftliche 

Tagelöhner: 
Mann  13,2 
Frau  7,» 


Seidenwuimpfloge : 

Mann  14,9 
Fhm  9,4 


SeidoiwindeD,  Frau  11 


Theeröster 


19,< 


TOncher  (Shakan)  22,8 
SteinmetB  24,8 
Hohsflger  21,a 

Dachdecker  (Stroh)  21,5 
(Ziegel)  24.» 


20  (Shiga) 
12  (Gumma) 
(Chiba) 
(Shizuoka) 
(Yamagata) 

80  (Nagano) 

15(    -  ) 

(Gumma) 

(Chiba) 
30  (Kanagawa) 


30  (Shiga) 

(Kumamoto) 
45  (Tokyo) 
40  (Onka) 
83  (Ghimma) 

35  (Tokyo) 
65  (Osaka) 


niedrigster 
Son 


5  (Kagoshima) 
3,«  (       -  ) 


6  (AkÜa) 
5    (  -  ) 


6  (Osaka) 
(Ishikawa) 
(Shimane) 

10    (     -  ) 
(Fäkui) 

12  (ShinMie) 

"       .-  > 

12  (Ishikawa) 
(Kagoshima) 

13  (Shimane) 
13    (     -  ) 


>  Vgl.  Statiitiselie  Tabellen  des  Ministeriums  fttr  Landwirtschaft 
und  Gewerbe  Bd.  III,  Indnitrie^  8.  64. 


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X  4. 


427 


durch- 
schnittlich 

Matten  (Tatami)- 

macher  22,8 
BMitiacliler(Tatega)  21,9 
Tapezier  (Kyoji)^  21,9 
KunsttiscMer 

(Sashimonoja)  20,« 
Schneider,  japao. 

Tracht  18,5 
Schneider,  europ. 

Tracht  50,a 


Schmied 


PorzeU  an  raacher 
(und  Töpfer) 
Lackarbeiter 
Sakebrauer 
ShoTumacher 


ölpraHer 


Färber 

Wattemacber* 
Tabakschneider 
Drucker  (Japan.) 


21,4 


17,4 

20 

18,4 
16,4 

18,T 


17 

16,8 

16,« 

17,5 


Sfliiflhwimnenpann  22,5 


höch- 
ster 

35  (Qumma) 
40  (Tokyo) 
45(    -  ) 

86(    .  ) 

38  (Kanagawa) 

80  (Shiga) 


35  (Niipta) 
(Fukushima) 
(Shiga) 

46  (Kanagawa) 
60  (Tokyo) 
35  (Shizuoka) 
30  (Tokyo) 

(Bliye) 
30  (Tamanadu) 


34  (Osaka) 
30  (Tokyo) 
27  (Osaka) 
30  (Kanagawa) 

(Chiba) 
45  (Tokyo) 


niedrigster 
Sen 

8,5  (Nagano) 
10  (ShimaDe) 

(Hyogo) 


10 
13 


(Shimane) 
(Hyogo) 


15 


8 


(Gifu) 
(Iwate) 
(Akita) 
(Slii 
( 


>) 
) 


8 

10 
7 
7 

10 


(Akita) 

(Gifu) 

|ShiiDane^ 


(Gifu) 

(Iwate) 
(Shimane) 

8,8  (Hyogo) 

6  (Tokushima) 

6  (Akita) 

7  (Shimane) 


18 


Sdiriftsetzer 
Tagelöhner 


(lahikawa) 

20,«     36  (Osaka)  7  (Kagoshima) 

15,4     25  (Tolqro)         10  (Gifu) 

(Akita) 
(Ishikawa) 
(Shimane) 
(Hiroshima) 
(Ehime)  ^ 

Während  obige  Tagelöhne  bei  Selbstverköatigang  des  Arbeiters 
gegeben  wetden,  bemien  aich  die  folgenden  Lohne  auf  den 
Monat,  wobei  der  Arbeiter  anleerdem  youe  Koet  erfasH: 

I  d.  h.  der  Handwerker,  der  Papiere  anklebt,  auch  Cartonoage- 
and  Buch  binderarbeit  besorgt 

*  Reinigt  Baumwolle  «ireh  Schlagen  yom  Samen. 


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428 


X  4. 


durch - 
achnitüicb 


hoch- 
stena 

äen 


wenigstens 
Sen 


landwirtschaftliches 
Gesinde : 

Knechte 


Mägde 

Weber : 

Mann 
Frau 


Kuehenbadker 

Dienstboten : 
männlich  ^ 


159,9 
83,6 


357,2 
222,8 


360  (Wakayama) 

275  (Qumma) 


800  (Yaiiianashi) 
570  (Shizuoka) 


weiblich 


886,8     1000  (Chiba) 

129,6       350  (Kochi) 


65,4 


60  (Fukui) 

(Tokushima) 
30  (Osaka) 

(Hiroshima^ 

35  ( Kanada waj 
80  (Chiba) 

(Gifu). 

(Tokiuhiiiia) 
180  (Oiftt) 

75  (Gumma) 
(tbrnki) 
(Miye) 

(Wakayama) 

80  (Miye) 
OlMraki) 


100  (Tokyo) 
(Nagasaki) 

(Chiba) 
(Fukushima) 

(Aomori) 
(Kochi) 

Bei  allen  diesen  Zahlen  ist  üreilich  zu  bedenken,  dafs  ein 
Arbeiter  „mittlerer  Güte"  in  verschiedenen  Gegenden  wahrschein- 
licli  ziemlich  verschiedener  Qualität  sein  wird.  Immerhin  dürfte 
ein  leidliches  Bild  japjinischer  Lohnverhiiltnisse  sich  daraus  er- 
geben. Die  (ienügsamkeit  der  Masse  des  \'olkca  wird  klar  er- 
sichtlich, wenn  man  bedenkt,  dals  in  diesen  Ständen  —  und 
Berechnungen  fibr  die  kleinen  Bauern  eigeben  timlicbe  Besultale  — 
eine  Eamiue  für  ihren  Lebensunterlialt  je  nach  der  Gegend  70 
bis  120  Yen,  230  bis  400  Mark,  braucht. 

Für  die  Entlohnung  geistiger  Arbeit  geben  die  oben  bei 
Beschreibung  der  Verwutungsoiganisation  milgeteiitfliL  Gtohalts- 
stttae  einen  Anhalt 


Auf  die  allgemeinen  Einkommens  Verhältnisse  werfen 
die  Einschätzungen  zu  der  1887  eingeführten  Einkommensteuer 


>  Der  Emopte  sahtt  flfr  einen  männlichen  Dienstboten ,  der  tkh 
selbst  verköst^  meist  7—10  Yen  monatlich. 


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X  4. 


429 


einiges  Licht.  Allerdings  liegen  nur  die  Ergebnisse  der  ersten 
EiinscIiätznM^f'n  vor.  Keinem  Zweifel  unterliegt,  dafs  sio  viel 
zu  niedrig  sind.  Immerhin  sind  die  £rgebniä:>e  nicht  ganz 
wertlos. 

Der  Steuer  dnd  unterworfen  nur  die  Ebkommen  von  mehr 
als  800  Yen  jäbrlich  (etwa  1000  Mark).  Zu  dnem  solchen  Ein- 
kommen sind  nun  1887  blolk  118593  Personen  Termlagt,  also 

nur  15  auf  1000  Haushaltungen.  1888  waren  sie  auf  120086 
angewachsen.  Während  1887  im  Bezirk  Tokyo  auf  1000  Haus- 
haTtungen  04  Einkorn mon steuerpflichtige  ermittelt  wiird*  n  fl888 
90),  waren  es  selbst  in  Osaka  (ohne  Nara)  nur  2*.)  (I<^ö8  3(>), 
in  Gumma,  Miyagi  und  Kyoto  23,  in  Kanagawa  21  (1888  24). 
Weniger  als  20,  aber  mehr  als  den  I^ndesdurchschnitt  hatten 
femer  Yamanashi,  Tochigi,  Saitama.  Nagano,  Fukuoka,  Yamagata, 
1888  nur  Tochigi;  Yamanaahi  una  Miye.  Die  tibrigen  Bezirke 
standen  sftmtlich  unter  dem  Landesdurchschnitty  am  tiefeten  1887 
Hokkaid  >  mit  0^8,  Kagoshima  mit  8,  Iiöehst  aufüÜlig),  Okinawa 
mit  5,  Kochi  mit  6,  Shimane,  Tottori  und  Ishikawa  mit  7,  Ehime 
und  Miyazaki  mit  8,  Kumamoto,  Oitii.  Wakayama,  Okayama, 
Toyama  mit  9,  zusammen  also  14  Bezirke  mit  weniger  nln 
1  Prozent  einkommen.steuerpflichtiger  Haushaltungen,  wahrend 
die  nicht  genannten  Bezirke  1  bis  1 '  ?  Prozent  hatten.  Be- 
merkenswert lät,  dal's  die  I>«  zirke  gröibten  und  geringsten  Wohl- 
standes mit  den  yorhin  aufgeführten  Beairken  honer  und  niedriger 
L5hne  im  wesentlichen  übereinstimmen.  Auf  die  dmehien 
Stufen  der  Einkommensteuer  yerteilten  sich  die  Pflichtigen  und 
Ihr  angebliches  Gesamteinkommen  1887  folgendermafsen. 

Es  hatten 


ein  Caukonaroeo  von 

300—  1  ODO  Yen 
1000—10000  - 
10000—20  000  - 
20000-30000  - 
mehr  als  30000  - 


Steuerpflichtige 

105216  =  88,7% 
13061  =  11,0% 
209) 

44>  *=  0,8  ^0 
63' 


mit  einem  Gesamt- 
einkommen von 

46908  813  Yen 
25  000839  - 
2  020  779  - 
1029487  . 
4066584  - 


zubammen  118593        lOO^o        8o382r)02  Yen 

Von  den  63  der  höchsten  Stufe  lebten  allein  in  Tokyo  45, 
in  Kanagawa  7,  je  2  in  Osaka,  Miye  und  Kagoshima,  je  einer 
in  Hyogo,  Niigata,  Yamanashi,  Yamagat^i  und  Tokusliiiaa. 

Von  den  44  der  zweiten  Stufe  waren  23  in  Tokyo,  7  in 
Osaka,  6  in  ^^iigata,  in  Hyogo,  je  einer  in  Kanagawa,  Miye, 
Shiga,  Okayuma  und  Fukuoka. 

Selbst  von  der  dritten  Stufe  dlllt  noch  die  gute  Hftlfte  auf 
Tokyo,  nftmlich  106  von  209;  Osaka  hat  16,  Niigata  11,  aber 
11  Bezirke  sind  auch  an  dieser  Stufe  noch  nicht  beteiligt.  Erst 


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430 


X  4. 


von  der  Stufe  1000 — 10000  Yen  finden  wir  Vertreter  in  allen 
Bezirken,  in  Tokyo  4148,  in  (J&ika  857,  in  Hyogo  586,  in 
Niigata  487,  in  Aichi  460,  in  Kanagawa  435,  in  K^oto  351  u.  s. 
dagegen  nur  2  im  Hokkaido,  84  in  Okin«w%  46  m  Tottori  a. «.  w. 

Auf  die  SnmmeiiialilflD  der  Ebikommen  dürfte  wenig  Wert 
zu  legen  Bein.  Dorh  sei  bemerkt,  dafs  von  der  Oesamtsomme 
auf  Tokyo  «Umn  29  Prozent,  auf  Osaka  beinahe  7,  auf  Kanagawa 
und  Hyogo  je  4  Prozent  kommen,  auf  Niigata  SVa,  auf  Kyoto 
und  Aichi  je  8,  auf  diese  7  P>pzirke  allein  mehr  als  5!^  Prozent. 

Zu  einor  auch  nur  <  ini^ermalsen  annähernden  iSohiitzung 
des  Volkövvohlätandeä  sciieint  luir  das  vorhandene  Material  nicht 
genügenden  Anhalt  zu  bieten. 


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Drittes  Buch. 

Die  Finanzen. 


Erstes  Kapitel« 

Die  Eutwiekelan^'  des  Finauzweäens  in  der 

neaen  Ära. 

Vorbcmerknng,  Für  die  folgende  Darstelliiug:  kommen  in  erster 
Linie  die  amtlichen  Quellen  in  Betracht,  vor  allem  die  bisher  aUjährlicb 
das  Budget  begleitenden  Erläuterungen,  für  frühere  Jahn  «och  Berichte 
des  Finair.  iniii;  t'  r-  ii'  i  i  üo  Schlufsrceln  n  p  n.  Von  letzteren  ist  nament- 
lich wichtig  der  liericht  vom  27.  Dj'zeiijbcr  1879  über  die  allgemeine 
Rechnung  der  Jahre  1868  bis  1875,  l^ber  die  Finanzlage  ist  Ende  1880 
eine  allgemeine  Denkschrift,  auch  in  englischer  Sprache,  veröffentlicht 
unter  dem  Titel  „A  Genrnil  View  of  Financial  Policy  during  thirteen 
Years,  1868— 1880. Sie  ist  melurfach  abgedruckt,  z.  B.  in  Currency  of 
Janan  S.  56—80  Und  in  Japan  Weekl^  Mail  1881  S.  962  ff.  —  Von  Dar- 
Stellungen  der  japanischen  Finanzen  in  europäischen  Sprachen  sind  mir 
aufserdem  nur  einige  Berichte  der  britiechen  Gesandtscbf^t  bekannt, 
nämlich 

A.  H.  Mounsey  (Sekretär  der  lirititjcheu  Gesajidtschattj.  Report  on 
the  Finances  of  Japan,  datiert  Yedo,  2.  März  1877.  Abgedniekt 
in  Japan  Wcekly  >f  u'  ISTT  S.  ^T*»,  iM):i  und  Ü.'U  ff.  —  Ein  kürzerer 
Bericnt  desselben,  datiert  [iL  Januar  1878,  abgedruckt  in  Japau 
Weeklj  Mail  1878  S.  1260  ff. 

J.  H.  Gubbins  (damals  Acting  Japanese  Secretarjr  der  Britischen 
Gesandtsc  haft),  Beport  on  Taxation  in  Japan,  1883.  Abgedruckt 
als  Supplement  zu  Japan  Weekly  Mail  1884,  Mai  81. 

Le  Po  er  Trench  (Sekretär  der  Britischen  Gesandtschaft  ,  Rej)ort  on 
the  Finances  of  Japan,  datiert  Tokio,  20.  Dezember  18^0.  Abge- 
druckt in  Japan  Weekly  Mail  1887  Bd.  VU  8.  418  ff.  ^  Ein  knraer 
Bericht  desselben  vom  is.  Januar  1888,  abgedmckt  in  Japan 
Weekly  Mail  1888  Bd.  IX.  S.  516. 

Am  wertvollsten  ist  von  den  genannten  Arbeiten  der  erste  Bericht 
von  Mounsev.  Die  Arbeit  von  Gubbins  behandelt  in  der  Hauptsache 
die  danals  in  Geltang  stehende  Steuergesetzgebung.  Der  Bericht  von 
Trencli  ist  eine  wirre  Anhäufung  von  Kohmaterial.  -  Wertlos  ist  die 
Arbeit  von  8.  Shiba,  Taxation  in  Japan,  in  Wharton  Hehool  Annala  of 
Political  Science,  Philadelphia  1885,  8.  86—102.  Sie  erhebt  sich  nicht 
ttber  das  Mirean  eines  gewöhnlichen  japanischei»  Zeitnngaartikele. 

Fonoliiiiigen  (4S>)  X  4.  —  Bsthgen.  28 


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484 


X  4. 


I.  Erste  Nöte. 

Die  Art,  wie  dae  neae  Japan  ins  Ltkea  f^etreton  »t,  war 
bestimmend  fibr  seine  Finans^.  Man  erinnere  sich  der  im  ersten 
Buch  dieser  Arbeit  geschilderten  Vorgänge.  Die  alte  Re^erung 
brach  susammen,  hauptsächlich  weil  sie  baDkerott  war.  Die  alten 
Einnahmen  genügten  nicht  fUr  die  gestiegenen  ßetlürfnisse.  Nur 
durch  die  tiefgreifendsten  Rr-formen  des  Staates  hätte  man  aus 
der  Not  herauskommen  könm  ii.  Aber  zu  solcher  Anstrengung 
war  die  alte  liegiening  zu  sciiwach.  Aufsere  Anlässe  liatten  die 
finanzielle  Schw  aeiie  des  Rakulu  beöchleuni^t ;  Cnglückstaile  aller 
Art,  Pulastbründe  in  Yedo  und  Kyoto,  Indenmitäten  an  die 
fremden  Mttchte,  dazu  die  Mttnaverwiming,  schlielslich  der  Bürger- 
krieg und  die  Mifsemte  von  1866.  Als  Anfang  1868  das  Bakufa 
ein  unrühmliches  Ende  fand,  waren  seine  Kassen  le^.  Nicht 
besser  war  es  in  den  Daimyaten,  welche  wegen  „Rebellion**  ein* 
gezogen  wurden.  Als  Einnalime  der  neuen  Regierung  aus  den 
Hestlnden  des  T*>akufu  sind  in  den  beiden  ersten  Finanzperinden 
Januar  1808  bis  l.  November  18()9  877  252  Yen,  in  den  zwei 
darauf  folgenden  Jahren  222  143  Yen  verrwhnet. 

Die  Kegierung,  welche  über  Nacht  iu  Kyoto  entstanden  war, 
hatte  sunXiwBt  überhaupt  keine  eigenen  Einnahmen.  Die  süd- 
lichen Landschaften  konnten  aufser  ihren  Truppenkontingenten 
auch  nichts  weiter  beitragen.  Durch  Übernahme  der  Verwaltung 
des  Halvufu  ergaben  sich  allerdings  einige  Ejinnahmen  aus  den 
Zöllen,  der  (iriindstcuer  und  anderen  Steuern.  Aber  die  ganze 
ordentliche  Kinn  ihnie  der  ersten  Finanzperiodn,  Januar  18f58  bis 
11.  II.  1S()*M,  betrug  nach  den  ap-lteren  Abn  i  Inningen  nur  rund 
3(3(35000  Yen.  J  )ie  Ausgaben  diigcgen  belicieii  sich  auf  30505000 
Yen.  Die  nächste  Finanzperiode  (11.  11.  bis  4.  XI.  18C9j  hatte 
allerdings  eine  genngere  Ausgabe,  20786000  Yen,  aber  eine 
ordentltche  Einnahme  auch  nur  von  466600U  Yen.  Einiges 
Geld  borgte  man  sich  zusammen  von  Kauflenten,  in  diesen 
Bwei  Jahren  insgesamt  5634000  Yen  (woyon  rund  099000 
Yen  von  Fremden).  Aber  alles  dies  und  einige  kleines« 
Posten  (Kriegrt^tf'uer  auf  die  Han,  freiwillige  Heitriige  u.  s.  w.) 
blieb  doch  weit  liint<'r  dem  Bedürtnis  zurück.  1  >ie  jetzt  leitenden 
Männer  aua  dem  Suiicn  waren  aus  ihrer  Heimat  an  das  bequeme 
Hulfsmittel  der  /Vusgabe  von  Papiergeld  gewöhnt,  ein  Mittet,  vor 
welchem  das  BakuKi  bis  zuletzt  zurückgescheut  hatte,  und  so 
lag  es  nahe  durch  Aussähe  von  kaiseruchem  Papiergelde  sieh 
zu  helfen.  Auf  ein  PrftoMens  aus  der  Zeit  des  Kaisers  Oo-Daigo 
im  14.  Jahrhundert  konnte  man  sich  überdies  berufen.  In  den 
zwei  ersten  Finanzperioden  gab  man  48  Millionen  Yen  Papier  aus. 
Nach  den  spttteren  Abrechnungen  waren  das  reichlich  16200000 

1  Sind  die  Abrechnungen  auch  erst  später  zurecht  gemacht  worden, 
M>  geben  sie  doch  einen  gewissen  Anhalt  fittr  die  Voig&ge  jener  Zeit. 


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X  4. 


435 


Yen  mehr,  als  das  Deficit  wirklich  betrug.  Doch  ist  das  bis  zu 

einem  gewissen  Grade  entschuldbar.  Zunächst  brauchte  man 
doch  Kassenbestände.  Vor  allem  aber  hatte  wohl  kein  Mensch 
eine  Voistellun;]:,  wie  ^ols  eigentlich  Kinnahmen  und  Auseraben 
seien.  War  das  l'udpretwesen  öchon  ein  schwacher  Punkt  der 
alten  Regierung  ^cwe.->eii,  öü  fehlte  jetzt  jede  Ordnung  und  L  bei  - 
sieht  Die  BebOfden  tmd  ihre  KompetenxeD  waren  in  Deslllndisem 
Wechsel  begriflen,  die  Buohfohrung  unvoUkommen  und  vor  aflem 
unübersichtlicli.  Die  wirren  Münzzustände  erschwerten  Ordnung 
und  Übersicht  ebensosehr  wie  der  Umstand,  dafs  ein  Teil  der 
Einnalimen  und  .Vusgaben  in  natura,  in  Reis,  geleistet  wurde. 
Die  Tnordnurip:  war  so  LTofs,  dafs  nicht  einmal  die  Pinanz- 
periodea  bei  den  verschiedenen  Behörden  die  gieiclien  waren  ^ 
\on  einem  wirklichen  Klüt  der  Einnaijmen  und  Ausgaben  wai' 
keine  Kede.  Es  gab  nur,  wie  unter  dem  alten  Regime,  allge- 
meine, uugefilhre  Pläne  ohne  Nennung  bestimmter  äunmes  und 
dnEclne  Specialetats. 

Ein  neues  Element  der  Störung  war  die  grolse  Mtfsemte 
▼on  1869,  welche  auf  die  Finanzen  der  dritten  Periode  ungtinstig 
wirkte  (4.  XI.  18Gi)  bis  25.  X.  1870).  Die  Abschaftung  der 
Lehnsherrschaften  und  die  H<  rstellung  der  Centralisation  im  Jahre 
1H71  Rtellfen  neue  Anforderungen  an  die  Staatskasse,  ehe  man 
nucli  Zeit  zu  ^grundlegender  Organisation  gefunden  hatte.  Die 
Finanzen  der  lian  waren  vielfach  ganz  zerrüttet.  Die  Lasten 
des  Staates  vermehrten  sich  plötzlich,  während  die  Einnahmen 
sunäcfast  nicht  entsprechend  stiegen.  Bis  Ende  1872  hatte  man 
noch  weitere  25325  ODO  Yen  Papier  ausgegeben.  Aulserdem 
aber  fand  man  in  den  Landesherrschaften  erbebliche  Schulden, 
denen  verhältnisraäfsig  geringe  Pestände  an  Geld  und  Reis  gegen- 
überstanden. Von  den  Schulden  war  '-in  Teil  Papier;2:ola .  ira 
ganzen  40361000  Yen.  Dieses  wurde  nach  seinem  Kurswerte 
am  Tage  der  Abscliatfung  der  llan  liegen  Staatspapicrgcld  um- 
getauscht ,  wodurch  letzteres  abermals  um  Z  i  908  000  Yen  ver- 
mehrt wurde,  so  dals  die  ganze  Ausgabe  bis  Ende  1872  sich  auf 
98238000  Yen  belief.  Die  übrigen  Schulden  der  Han  wurden 
radiert  und  sind  der  Ursprung  der  sogenannten  „Alten*"  und 
„ISeuen'*  Schuld,  während  eine  auswärtige  Schuld  durch  Anleihen 
in  London  im  Jahre  1870  und  1873  entstand. 

Den  Anfang  einer  Staatsschuld  in  europüisehen 
Formen  bildet  abgesehen  vom  Papiergeld,  die  Londoner  Anleihe 
von  1870,  7Aim  Zwecke  von  Eisenbahnbauten  im  Betrage  von 
einer  Milhon  Pfund  =-  4880000   Yen  aufgenommen-.  Der 

'  Sie  sind  später  nur  ungefähr  zum  Stimmen  eebracht. 

^  (''ber  die  Vorgeschichte  der  Anleihe  vgl.  Hiack,  Yoniitr  Japan 
U  279— '25^2.  UrajprünKlieb  sollten  12  Prozent  gezahlt  werden.  Vgl. 
unten  dis  achte  Ka]ntel. 

28* 


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X  4. 


Zinsfufs  war  neun  Prozent,  bei  der  volligen  Unbekanntschafi 
mit  japanischen  Verhältnissen  nicht  verwundorlich  hoch.  Die 
innere  Schukl  in  der  Form  von  Staatsschuldscheinen  datiert 
von  1873  teils  durch  die  später  zu  besprechende  Umwand- 
lung von  Papiergeld  in  ymmslicfae  Papiere  (GksetE  vom 
30.  Mfln  1873),  tefls  durch  die  Beguliemng  der  Schulden  der 
Daimyate.  Um  udändiaebe  Anleihen  handelte  es  sich  ako 
noch  nicht. 

Zeigten  jene  ersten  Jahre  zwischen  den  An  fordern  TiL'on  an 
die  Staatskasse  und  den  Deckungsmittcln  ein  arges  Miisverhiiltnis 
—  in  den  fünf  ersten  Jahren  1868 — 72  standen  gut  148  MilHonen 
Yen  Ausgaben  weniger  als  88  Millionen  Yen  Einnahmen  i<egen- 
über,  wenn  man  vom  Papiergeld  absieht  — ,  so  war  es  mit  der 
Organisation  der  FinansTerwaltung  anfangs  nicht  viel 
besser  bestellt  Erst  die  grolse  Beorganisatton  vom  l^mmer  1871 
Tereinigte  die  ganze  Finanzverwaltung  in  einem  Ministerium, 
dem  OkuFSsho.  Bis  dahin  waren  nicht  nur  verschiedene  Central - 
behörden  an  der  Finanzverwaltung  beteiligt,  sondern  es  wirt- 
schaftete auch  jedes  Territorium  illr  sich  und  führte  nur  die 
eventuell  vorhandenen  Überschüsse  an  die  Ct n  iralregierung  ab. 
Das  war  nicht  nur  in  den  Daimyat<*n  so,  sondern  auch  in  den 
der  Centrairegierung  immittelbar  unterstehenden  Bezirken.  Erst 
die  Reorganisation  von  1871  machte  es  mÖKlich,  das  Prinzij)  der 
Kasseneinheit  für  den  ganzen  Staat  durehsufübren,  sowie  die 
Sdieidung  zwischenStaatsfinanzen  einerseitSy  den  Eommunalfinanaen 
der  Bezirke  anderseits  vorzunehmen ,  eine  Scheidung,  die  aller* 
dings  erst  1878  zu  Ende  gefUhrt  ist. 

Die  yollendung  der  Centralisation  mnrhtc  es  fineh  inöglieh 
an  eine  Änderung  der  S  t  a  a  t  s  s  t  e  u  e  r  n  zu  gehen ,  d i  ■  he- 
bteiienden  Steuern  zu  retormieren,  das  Steuersystem  besser  aus- 
zugestalten, neue  Einnahmequellen  zu  öftnen,  die  bestehende  bunte 
MannigMtigkeit  und  die  grolse  Ungleichheit  der  Steuern  zu  be- 
seitigen. fVeÜich  ging  man  zunäcät  nur  schttchtern  an  die  ge* 
wältige  Aufgabe.  Dafs  die  TerritorialbehOrden  auf  eigene  Faust 
ohne  Genehmigung  der  Centrahr^erung  die  Steuern  ftnderten. 
wurde  schon  durch  einen  Erlalis  vom  2.  des  vierten  Monats  1871 
verboten.  Seit  Oktober  1 869  war,  wesentlich  aus  gewerbepolizei- 
lichen Gründen,  eine  in  Form  von  Stempeln  erhoHene  Abgabe 
von  Rohseide  und  Knrtons  (tür  Seidenwurmeierj  eingeftihrt,  tu 
besserer  Durchführung  der  Aufsieht  über  die  Qualitiit  dieser 
wichtigen  Ausfuhrartikel  '.    Im  Sommer  1871  ging  man  dann 


>  Da  die  Seidt  n*«teiiern  später  abgescUafil  uud  unten  nicht 
weifer  borficksiehtigt  sind ,  so  sd  kon  bemerkt,  dafs  solche  Steuern 
bereits  unter  der  alten  I^  irierunjf  bestanden  hatten.  Sie  wiu"den  im 
Oktober  l^tiU  einheitlich  geregelt  und  die  Kartonssteuer  neu  eingeführt, 
Anfang  1878  erfolgte  eine  neue  Regelung.  Seide  und  Cocons  waren  in 
gestempelten  Umschlägen  zn  verkaufen.  Aufscrdem  hatten  die  Seiden- 
händler  Lioenzen  zu  iBien.   Dorch  Nr.  «"^7  vom  25.  April  1877  sind  diese 


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an  eine  wirksamere  Besteuerung  des  Sake.  Die  Steuern  auf 
Boote  und  auf  BrennOl  (dureh  Beeteaerung  der  Praasen),  weldie 
bis  dahin  sehr  ungleich  gewesen  waren«  wurden  einheitlich  ge- 
regelt Anfimgs  1873  kamen  dasu  neue  Steuern,  eine  Aufwand- 
«teuer  von  Dienstboten,  Wagen  u.  dergl,  und  die  erste  rein 
Diich  fr  lüden  Mustern  eingeährte  Steuer:  Stempelabgahen  auf 

Urkuri'  (<'n. 

Alle  diese  kleineren  Mafsregeln  stehen  aber  an  Wichtigkeit 
weit  zurück  hinter  dem  grolsen  Unternehmen,  dessen  Notwendig- 
keit sich  mehr  und  mehr  den  leitenden  Männern  aufdrängte:  der 
Reform  der  Grundsteuer,  des  Fundaments  der  ganaen 
Staatseinnahme.  Dafs  diese  Steuer  nicht  so  bleiben  kOnne^  ^e 
sie  war,  hatte  die&&hrung  gezeigt,  noch  ehe  die  Oentraiiaation 
durchgeführt  war.  Nach  Aufhebung  der  Han  wurde  der  wirre 
Zustand  vom  administrativen  Gesichtspunkt  aus  so  imerträglich. 
wurden  finanziell  die  schwankenden  Naturalerträge  so  lästig,  ent- 
sprach die  geringere  Belastung  des  Nordens  im  Vergleich  mit 
dem  jetzt  lierrschenden  Süden  so  wenig  den  politischen  Macht- 
verhältnissen, dafs  eine  Reform  uneriäfsTich  war.  Trotzdem  ge- 
hörte ein  nicht  geringer  Mut  dazu,  eine  Steuer  von  Grund  aus 
umzugestalten,  welche  80  bis  90  Prosent  der  ordeniliclien  Staats* 
einnähme  lieferte,  und  damit  gleichzatig  tief  in  die  Besitzver- 
hältnisse des  ganzen  Volkes  einzugreifen,  und  das  zu  einer  Zeit, 
in  welcher  die  Autorität  der  neuen  Centrah  ^^'if^rung  keineswegs 
unerschütterlich  feststand  und  in  welcher  die  Staatsfinanzen  ohne- 
hin schon  in  bedenklichem  Zustande  waren.  Das  Verdienst,  diese 
grofse  Aufgabe  mntip:  angegriffen  zu  hüben ,  gebührt  den  da- 
maligen Leitern  des  jb'inanzwesens.  Minister  der  Finanzen  war 
mt  der  Reomnisation  von  1871  der  Satsumaner  Okubo,  einer 
der  Energischten  unter  den  Männern  der  neuen  Ordnune,  der 
später  (1878)  als  Minister  des  Inneren  durch  MOrderiiände  ficJ. 
I)a  er  bereits  Ende  1871  den  U-Daijin  Iwakura  auf  seiner  grofsen 
Botschaftsreise  nach  Amerika  und  Europa  begleitete,  so  lag  in 
jenen  entselieidenden  Zeiten  die  Leitung  in  <]vn  Iliinden  des 
ersten  Viceministers  K.  Inouye  aus  Choshu,  eines  klugen  und 
gewandten  Mannes,  der  später  als  Minister  des  Auswärtigen 
(1879 — 1887)  bekannter  geworden  ist  und  noch  nicht  am  Ende 
semer  politischen  Laufbahn  steht  Untorstlltzt  wurde  Inouye  roa 
dem  zweiten  Viceminister  £.  Shibusawa,  dem  jetzigen  Di* 


Steuern  abgeschafft.  —  Für  Seiden  wnrmei er  waren  mit  dem  Regierungs- 
stetnpel  versebene  Kartons  zu  verwenden,  welche  nach  dem  Gesetze  von 
(III.  15)  200  Yen  du  Tausend  kosteten  (dönne  Kartons  fiir  Uivol- 
tini  Yen).  Die  Steuer  wurde  1874  und  lM7ö  herAbpesctzt  l^Ts  (Xr.  10) 
abgeschafft  Dcu  böchateo  Ertrag  brachte  die  Setdeusteuer  iä74  mit 
40771  Yen,  die  RartonsBteoer  18^  mit  325440  Yen.  Im  Jahre  1876/77 
kam  nur  mehr  ein :  Iländlerlioenzen  3  933  Yen,  Seldeosteaer  31 457  Yen, 
Kartonsetener  121224  Yen. 


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raktor  der  Enten  Nationalbank.  Wesen tlicli  unter  Inoiiyes  Leitung 
wurden  die  vorbereitenden  Malaregeln  getroffen  und  die  Grund- 
züge der  Grundsteuerreform  in  der  Hauptsache  so  festgosteUt, 
wie  sie  spUter  verwirklicht  sind.  Dirse  Pläne  selbst  durchzu- 
führen, war  aber  den  damaligen  Leitern  des  FiDanzwesens 
versagt. 

Lie  erste  PiJicht  der  i  .iuanzverwaltung  nach  Durchiührung 
der  Centralisatioii  war,  zu  einem  klaren  Übo'blick  Uber  die  StaatB- 
einnahmen  und  Ausgaben  wie  Uber  die  VerbindÜchkeiten  des 
Staates  au  kommen.  Sie  mniste  erwägen,  inwiefern  die  gegen- 
wärtigen Einnahmen  ausreichten,  dnerseits  den  schweren  von  der 
Vergangenheit  übernommenen  Verpflichtungen  nachzukommen, 
andcr.seits  den  mit  grofser  Schnellif:^keit  anwachsenden  Bedflrf- 
nissen  zu  genügen ,  welche  die  auf  allen  Gebieten  begonnenen 
Reformen  hervorriefen.  Das  Ergebnis  dieser  Prülun^  machte  den 
verantwortlichen  Leitern  offenbar  schwere  Sorge,  im  April  1873 
wurde  eine  Denkschrift  bekannt,  die  von  Inouye  und 
Shibusawa  geeeichnet  um  so  grOiseres  Aufsehen  erregte,  als 
sie  in  vollständigem  Widerspruch  zu  dm  bisher  verbreiteten 
rosigen  Berichtea  über  die  Fmanzlage  stand*.  Der  Inhalt  der 
in  weitschweifigem  chinesischen  Stil  virfafsten  Denkschrift  (eine 
Übersetzung  in  Japan  Weekly  Mnil  8.  325)  dahin, 

dafs  es  nicht  angehe,  mit  den  kost8pieli|j(  n  Koformen  in  der  bis- 
herigen Weise  fortzufahren.  Man  habe  eine  Tberzahl  von  Be- 
amten, die  nicht  genü^;end  beschäftigt  seien.  Das  fülire  weilt  r 
dazu^  dafs  ein  neues  Unternehmen  nach  d<cm  andern  begonnen 
wsfde.  Die  Finanzlage  des  Staates  sei  aber  ftufsent  bedenklieb. 
Die  Staatsschuld  (einschl.  Papiergeld)  bdaufe  sich  bereits  auf 
140  Millionen  Yen ,  die  Ausgaben  auf  50  Millionen  Ten.  Dem 
stehe  aber  eine  Einnahme  von  nur  40  Millionen  g^nüber.  Die 
Verfasser  müfsten  alle  Verantwortlichkeit  ablehnen,  wenn  nicht 
eine  grttndliche  Verminderung  der  Ausgaben  eintrete. 

Ks  ist  mehrfach  so  dargestellt  worden,  als  ob  Inouye  und 
Shibusawa  damals  einfach  in  der  Verzweiflung  über  die  Finanz- 
lage sich  von  den  Geschäften  hätten  zurückziehen  wollen.  Mir 
scheint  das  sowohl  nach  dem  Inhalt  der  Denkschrift  als  nach 
dem  Charakter  namentlich  Inouyes  nicht  wahrscheinlich.  Die 
Annahme  liegt  näher,  dafo  er  wirklich  einschneidende  Reformen 
beabsichtigte  und  zu  diesem  Zwecke  die  Schatten  des  Gemäldes 

'  Derartige  offiziöse  DarsteUuugeu  waren  lbl2  flir  die  Wiener 
WeltatraBtellung  vorbereitet,  im  Beptember  deasdhcn  Jahres  in  »Bladt' 

WOods  Magazine"  veröffentlicht,  offenbar  um  Stümnnilg  für  die  zweite 
aupwiirtice  Anlei^i»*  -/n  machen.  Eine  inländische  Quelln  ( Nni^ai  Ichirao) 
gab  tür  1M71  Eiiiiialaiifii  uiul  Ausiraben  viel  zu  hoch  an  aiil: 

Einnahmen:  10  07(3  040  Koku  Keis   Ausgaben:  8  769  862  Koku  Reis 
und  29250797  Rjo  Geld  und  28699457  Rjo  Qeld 

(Japan  WeeUy  MaU  187a  S.  565). 


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recht  schwarz  malte.  Er  täuschte  Bich,  sowohl  Aber  seinen  Ein- 
flulfl  wie  tlber  seine  Unentbehrlichkeit  Unter  den  liöheren  Be- 
amten fand  sich  ein  Mann,  der  sich  zur  Fortführung  der  Finanz- 
verwaltung bereit  erklärte,  ohne  auf  die  von  Inouve  geforderte 
Einschränkung  der  Staatsausgaben  zu  dringen.  Okuma  Shi- 
genobu  war  ein  Samurai  aus  IHzen.   Obgleich  aus  bescheidenen 


einfloJjireiche  Stellung  eingenommen.  Neben  Okl,  Eto  und  anderen 
Tertrat  er  in  der  neuen  Regierung  den  Hisenclan  und  hatte, 
wie  es  jene  Zeit  ununterbrochener  Organisationsänderungen  mit 
«ch  brachte,  seit  1869  in  raschem  Wechsel  widitige  Stdltuigen 

in  der  auswnrtigen,  der  inneren  und  der  Finanzverwaltung  ein- 
genommen. Im  Jalire  1871  Viceminister  der  Finanzen,  ward  er 
bald  darauf  zinn  Präsidenten  der  Kommission  für  die  Wiener 
Weitausätellung  ernannt.    Er  war  gewandt,  iiher  obertläclihcli, 


geizig,  ein  Freund  seiner  Freunde,  auf  aeinen  persönlichen  Vor- 
teil nicht  eifriger  bedacht  als  die  meisten  anderen  auch,  ein  lübuin 
voll  Wagemut  und  Lachtsinn.  der  die  thatsUehliehen  Schwierig- 
keiten unterschlitzte  und  die  1  eigen  wenig  überlegte,  wenn  man 
nur  Uber  die  Verlegenheiten  des  Augenblicks  wegkam,  ein  Mann 
der  Ausflüchte  und  kleinen  Mittelchen,  so  un wahrhaftig  als  nur 
irgend  einer  im  Osten,  ein  Politiker,  kein  Staatamann.  Von  seinem 
finanzmännischen  Genie  überzeugt ,  liörte  er  es  gerne,  wenn  er 
der  „Gladstone  des  Ostens"  genannt  wurde,  und  verstand  es  gut, 
sein  Verdienst  auch  selbst  in  das  gebührende  Licht  zu  setzen, 
über  bedenkliche  Vorgänge  aber  hannlos  hinwegzugldten.  So 
war  der  Mann  beschaffen,  der  in  der  kritischen  Zeit  sich  bereit 
erklärte  an  die  Spitze  der  Finanz  Verwaltung  zu  treten,  nicht  Kum 
Heile  des  Landes.  Am  15.  Mai  1873  erhielten  Inouye  und 
Shibusawa  ihre  Entlassung  und  Okuma  wurde  zum  Finanz- 
minister ernannt. 

Zunächst  handelte  es  sich  danira,  den  Übeln  Eindruck  der 
liiouye- Shibubu waschen  Denkbchriit  zu  verwischen.  Unterm 
Datum  des  9.  Juni  1873  veröffentlichte  der  Kanzler  Sanio 
einen*Beiieht  Okumas  mit  dem  ersten  Versuch,  ein  Bud- 
get aufeust^en,  und  zwar  für  das  laufende  Kalenderjahr  1873. 
Okuma  erklärte  die  Berechnungen  jener  Denkschrift  für  irrig.  Die 
Einnahmen  seien  völlig  ausreichend  die  Ausgaben  zu  decken,  wie 
das  angehängte  auf  Hrund  der  Einnahmen  und  Ausgaben  des 
A'orjaiires  zusammengestellte  Budget  b'-weise.  In  Zukunft  sollten, 
um  die  Finanzlage  des  Staates  ganz  klar  zu  stellen ,  jährliehe 
Budgets  veröffentlicht  werden,  sowie  auch  genauere  Erläuterungen 
Uber  die  Fond^  u.  s.  w.  der  Re^erung.  Um  die  Einnahmen  des 
Staates  ab  ansruchend  darsustdlenr  bediente  sich  Okuma  eines 
auTserordentlich  einfachen  Mitteb.  Man  mufs  sich  erinnern,  dais 
ein  sehr  grofser  Teil  der  Staatseinti  ^Iime  in  Reis  bestand  (10 — 11 
Millionen  Koku).    Inouye  und  Shibusawa  hatten  den  Durch- 


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sc'hnittsprcis  ftlr  <1oti  Koku  nur  mit  2,::.  Yen  angesetzt,  offerhar 
um  den  rechten  Eindruck  zu  machen  und  um  gaTiz  skli  r  zu 
gehen.  Okuma  nahm  eiueu  hüheren  Ueiüpreis  an  (  Ii  >ch  sagt 
er  nicht)  und  damit  war  denn  dim  Gleichgewicht  leicht  herge- 
stellt. Die  Thatsachen  gaben  Ukuma  recht  Der  Reispreis  stieg 
und,  in  Gdd  berechnet,  stelite  steh  dadurch  achUersüch  eine  sehr 
▼iel  höhere  Einnahme  heraus^  als  aelbet  Okuma  in  seinem  Budget 
angenommen  llatte^  Demgegenüber  machte  es  wenig  ans,  dafa 
die  übrigen ,  finanziell  weniger  wichtigen  Steuern  von  Okuma 
fast  um  die  Hälfte  zu  hoch  anp^esetzt  und  dafs  die  Ausgaben  KU 
niedrig  veranschlagt  waren.  In  der  dem  Budjj;et  angehüno^ten 
Übersiclit  über  die  Staatsschuld  war  weder  da^  Papiergeld  noch 
die  neu"'  Londoner  Anleihe  berücksichtigt.  Stitt  mehr  aU  140 
Millionen,  wie  Inouye  und  Shibusawa  ganz  richtig  augegcben 
hatten,  kam  so  eine  Staatsschuld  von  nur  81 225000  Yen  beraua. 

Der  Bericht  Okumas  cum  Budget  vom  9.  Juni  1873  ist 
der  erste  einer  langen  Reihe,  deren  Grundton  stets  eine  Schön- 
färberei war,  deren  Gleichmäfsigkeit  schliefslich  lebhafites  Miis- 
francn  erwecken  mufste.  Als  zweites  Element  trat  dazu  dem- 
nächst die  riilimende  Anerkennung  der  eigenen  Verdienste.  Nach 
dem  sdil  <  liu  n  Eindruck  jener  Inouye-Shibusawaschen  Denk- 
schritt kam  es  darauf  an.  ihr  nicht  nur  die  Ansichten  des  neuen 
Finanzuuniölcrri,  sondern  auch  Ergebnisse  seiner  Verwaltung 
entgcgenaustellen.  Am  An&ng  aes  nttcfasten  Jahres  (dal 
4.  Januar  1874)  erschien  ein  Bericht  Okumaa  an  den  Kmaer 
Uber  die  gtlnstigcn  Ergebnisse  des  abgelauienen  Jahres.  Nadi 
der  früheren  Unordnung  sei  es  jetst  mOglich,  die  Steuern  ein- 
heitlich zu  erheben  und  die  I*jnnahmen  zu  übersehen.  Das  Jahr 
1873  ergehe  ninen  ansehnlichen  I  berschufs.  Die  alten  von  den 
Han  übernommenen  X'erptlieiitungen  stellten  sieh  viel  niedriger 
heraus,  als  man  vorher  gescliätzt  habe,  niimlich  auf  20  statt  auf 
50  Millionen  Yen  (was  wieder  nur  liclitig  war,  wenn  mau  blols 
die  durch  Ausgabe  von  Staatsschuldscheinen  r^ralierte  Schuld 
berücksichtigt,  thatsächlich  waren  es  rund  53  Miltionen)*.  Seit 
der  Restauration  s^en  in  keinem  Jahre  solche  Fortschritte  ffe* 
macht  wie  in  dem  eben  abgelaufenen.  Ein  Aufechwung»  stene 
heyoTy  welcher  den  jedes  anderen  Volkes  übertreffen  werde! 

'  Der  Hciäpreis  bei  den  HegiciuDgäsueichern  lu  Asuknün  (Tokyo) 
betrug  durchschnittlich  1972:  d,iT«  Yen,  1873:  3^«i  Yen.  Die  EiDiiabme 
aus  der  Grundsteuer  war 

nach  Okunisw  Bud^^et  40-j'  toAn  Yeo, 

nacli  den  spälcn-n  Ahrcchnunfren      (;(Miii4  0iiu  - 

Darin  sind  aber  erhebliche  Beträge  rückstäudiger  Steuern  enthalten. 

'  Numlicb  22  Millionen  durch  AushändigUDe  von  Staataschuld- 
scheinen,6  HilliODen  durch  bare  Zahlung  regulierter  »shuldenp  25  Mi)lione& 
Papiergeld. 


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441 


Das  Budget  fUr  1874  (Februar)  entsprach  diesem  Trom- 
petenstofs  weni^.  Es  ist  eine.s  der  wunderlichsten  Produkte  von 
Rechenkunst,  das  man  sich  denken  kann.  Da  war  zunürhst  oine 
Generalübersicht,  welche  zu  den  Einnahmen  nicht  nur  einen 
Oberschufs  aus  dem  Vorjahr,  sondern  auch  einen  sogenannten 
Reservefonds  rechnete,  d.  h.  die  sämtlichen  Kcissenbestiinde  und 
Beserveo  der  Finanzverwaltung.  Von  der  so  konstruierten 
„Ebnahme*'  Ton  88868000  Yen  waren  nur  59 858  000  Ten 
Einnahmen  des  laufenden  Jahres.  Dem  stand  eine  Ausgabe  von 
62169000  Yen  gesentlber,  wnhol  eine  beabsichtigte  Papiergeld- 
tilgun^'  von  5  Millionen  noch  nicht  eingescUossen  war.  That- 
säclilich  deckten  also  nach  Okumas  Erwartungen  die  Einnahmen 
nicht  die  Ausn;aben.  Uni  dies  7m  verdunkeln,  war  die  General- 
übersicht in  eine  „Specialübcrsicht  der  Einnahmen  und  Ausgaben" 
und  eine  „Rechnung  des  Reservefonds*"  jjeteilt.  Die  erstere  ^ah 
einen  ganz  schönen  Uberschufs,  da  dit-  i^ianuhnien  und  Aus- 
gaben der  Staatsbetriebe  (Eisenbahnen,  Telegraphen,  Berg  wer  kej 
und  die  g ans e  Ausgabe  filr  die  Staatsschufi  beim  Reservefonds 
in  Bechnnn^  gestellt  waren.  B«  der  Überncfat  der  Staatsacholden 
war  diesmal  das  Pa^iiergeld  zwar  noch  nicht  eingerechnet,  aber 
wenigstens  seine  Existenz  erwähnt  Die  ganze  Mttbe  j&net 
künstlichen  Gruppierung  hatte  sich  Oknma  übrigens  >^|)ftren 
können,  da  der  Keispreis  aul'serordentiicii  stieg  (Durchschnitr.s- 
preis  bei  den  Regierun gsspeichern  in  Asakusa  5,«i7  Ven)  und 
so  die  Grundsteuer  in  Geld  berechnet  statt  der  geschauten 
44600000  Yen  59400000  Yen  ergab.  Die  ganze  Aufstellung 
der  Ausgaben  aber  wmrde  durchkreuzt  durch  grofse  militltrische 
Extraforaerungen  fllr  Niederwerfung  des  Etoschen  Aufttandes 
in  Saga,  vor  allem  aber  fiir  die  Expedition  nach  Formosa  ^ 

Was  ist  nun  in  diesen  ersten  Jahren  der  Okuma- 
schen  Finanzverwaltung  thatsächlich  geschehen?  Wir 
sahen  bereits,  dafs  die  Hauptaufgabe,  die  Reform  der  Grund- 
steuer, in  der  Vorbereitung  schon  weit  vorgescliritten  war.  Als 
Okuma  an  die  Spitze  der  Finanzen  trat,  lagen  alle  Grundzii;2:e 
des  Planes  fest.  Mit  grofsem  Eifer  förderte  Okuuia  die  weiteren 
Arbeiten,  so  dafs  schon  am  28.  Juli  1873  die  kaiserliche  Pro- 
klamation und  die  AusfÜhrungsgcsetze  und  Verordnungen  er- 
scheinen konnten,  durch  welche  die  Grundsteuer  auf  eine  neue 
und  einheitliche  Basis  gestellt,  eine  neue  Steuereinschätzung  fiir 
das  ganze  Land  angeordnet  und  statt  der  JHaturai-  eine  Geld- 


'  In  den  Abrecbuungen  ist  die  Ausgabe  wegen  des  Sagu-Autktandes 
auf  mnd  1017000  Yen,  dte  wegen  der  Formosa-Expedition  «itf  H618  000 
Yen  angogcben,  wozu  nh^T  noch  o '» Yen  fiir  RüHtnnpen  und  den 
Ankauf  von  Waffen,  ScliiUeu  etc.  wegen  lier  diuhenden  Haltung  Chinas 
kommen.  Die  später  von  China  an  Japau  gezahlte  Indemnität  betrug 
400  000  Taels  (anfser  100000  Taels  für  die  Opfer  der  Focmosaner),  mnd 
600000  Yen. 


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442 


X  4. 


stfuor    eingeführt    wurde      I  unendlich   wichtige  Retorm 

wird  im  <lritten  Kapitel  ausiVihrlicli  zu  besprechen  sein  Neben 
dieser  groi'sen  Malsregel  verschwinden  die  anderen  kleineren 
Vorgänge  auf  dem  Gebiete  des  iSteuerweisenö.  Mehr  prinzipiell 
als  tliatsäclüicli  bedeutsam  war  die  Einführung  einer  Steuer  vom 
Gehalt  der  Beamten,  welche  1874  eiDgefälvt»  Übrigens  1879 
wieder  abgeschafft  wurde  (höchster  Ertrag  1875/76:  02621  Yen). 
Wichtiger  war  eine  andere  Steuer,  die  von  den  Renten  der 
Kwaxoku  und  Shusoku,  welche  aber  wesentlich  in  einen  anderen 
Zusammenhang  gehört,  zu  den  Mal'sregeln  zur  Beseitigung  dieser 
Renten,  worüb'T  \m  nfiehsten  Abschnitt  eingehender  zu  handeln 
ist.  Im  Jahre  1874  emgetührt.  kam  diebteuer  zuerst  1B75  zur 
Verrechnung  mit  fast  3  Millionen  Yen, 

Ebenso  wiclitig  war  die  Forttuhrun;;  der  BesLrebungen  zur 
Durchführung  einer  einheitlichen  centraÜsierten  Finansverwaltung, 
in  deren  Verlauf  namendich  die  Gesetze  427  und  428  vom 
27.  Dezember  1873  ergingen,  welche  die  meines  Wissena  erste 
eingehende  allgemdne  Regdung  des  Etats-  und  Rechnungswesens 
brachten.  Diesen  Gesetzen  folgten  dann  eine  ganze  Reihe  von 
Nachträgen,  Änderungen.  Krl;interiingen  u.  s.  w.  Weiter  wurde 
eine  Andeiunt;  de.s  Finanzjahres  beschlossen.  Die  ersten  5 
Finanzperioden  waren  von  ungleicher  Länge  gewesen.  Mit  der 
Einführung  des  europHisehen  Kalenders  am  1.  Januar  1873 
hatte  man  da6  Kalenderjahr  angenommen.  Dies  erwies  sich 
bald  als  nnpraktischy  da  die  Grundsteuer  damit  halb  in  das  eine, 
halb  in  das  andere  Jahr  fiel  Man  beschlofs  deshalb  nach 
amerikanischem  Muster  den  Beginn  des  Finanzjahres  auf  den 
1.  Juli  zu  Terschieben  (Erlafs  vom  18.  Oktober  1874),  so  dafa 
die  achte  am  1.  Januar  1S75  beginnende  Finanzperiode  nur 
sechs  Monate  dauerte.  Mnn  beschlofs  auch,  nm  f^n  Juni  lR7r> 
einen  Strich  unter  alle  »Staatsrechnungen  7m  mach«'n  und  alle 
Reste  an  Kinnahinen  und  Ausgaben  dieser  achten  Finanzperiode 
zuzuschreiben,  so  dai's  mau  am  1.  Juli  1875  mit  einer  neuen 
klaren  Rechnung  anfangen  konnte.  Da  das  Jahr  1875  noch 
eine  Reihe  weiterer  wichtiger  Reformen  brachte,  so  dürfte  es 
angemessen  sein,  einen  Rückblick  auf  die  finanaiellen  Ergeb- 
nisse der  ersten  7^2  Jahre  der  neuen  Ära  zu  werftin, 
wie  sie  in  den  1878  abgeschlossenen,  Anfang  1880  veröffent- 
lichten Abrechnungen  erscheinen  (dat.  27.  Dezember  1^79)*. 
]  hi\\i'\  ist  der  Reis  nach  den  Durchschnittspreisen  bei  den  Reis- 
speichern  in  Asakusa  berechnet^. 


'  Ob  diese  Abrcchnunp^cu  ganz  der  Wahrheit  entsprecheu.  mufs 
dahingestellt  bleiben.  Alle  Abrechnungen  aus  der  Okuniascben  Zeit  sind 
anfechlliar. 

*    I.  Periode  .'»,421  Yen  V.  Periode  '.\ms  Yen 

II.        -           7,416    -  Vr.        -         U,841  - 

III.  -          7,«88    -  VII.        -        S,W  ' 

IV.  -       4,u9  -  VIR.     •  - 


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X  4.  448 

In  diesen  7^  2  Jahren  sind  in  die  Staatskasse  geliossen; 

ordentliclie  Einnahmen  282  870872  Yen 

auiserordenUiche  Einnahmen     123479982  - 

Dagegen  betrugen  die 

ordentlichen  Ausgaben  242801605  Yen 

auTserordentltchen  Ausgaben     116645077  - 

En  blieb  ein  ÜberschuTs  in  den  Kassen  des  Staates  von 
46904171  Yen. 

Von  den  aufserordentlichen  Einnahmen  kamen  auf 

durch  Ausgabe  von  Tapiergeld    73325  444  Yen 
durch  Anleihen  21259988  • 

davon  waren  aber  bereits  zurückgezahlt: 

zeitweise  Darlehen  5643988  Yen 

von  den  aiiswürtigen  Anleihen 

(im  Ordinariumj  1690318  - 

Ferner  waren  bezahlt  ;m  Schulden  und  Indemnitäten  der 
alten  Kegierung  und  der  Daimjate 

7  7Ö8  245  Yen 

Den  Han  waren  «aufserdem  sehr  erhebliche  Summen  teils 
an  Unt'  rstützinigei!,  teils  als  Vorschüsse  und  Darlehen  p:f'g:('ben. 
Von  enstereii  lassen  >u'\i  aus  den  Abrechnungen  mindestens  5.5^ 
von  letzcren  12,7  Millionen  Yen  nachweisen.  Für  Ablösung  von 
Renten  (s.  nächsten  Abschnitt)  und  für  Unterstützung  von 
Shisoku,  welche  als  Bauern  angesiedelt  wurden,  sind  beinahe 
18  lÜlUonen  verrechnet.  Die  auTserordaidiche  Aufgabe  für 
militilrische  Operationen,  ohne  die  im  Ordinarium  yerrechneten 
grol'sen  Summen  für  Waffen,  Kriegsschiffe  u.  s.  w.,  betief  sich 
auf  12  940000  Yen.  8o  war,  wie  man  sielit,  ein  sehr  grofser 
Teil  der  anfserorrlcntHehcn  Aus^^^aben  (Wo  tbVrkte  Fnlire  <h'r  \hn- 
wandlung  des  .Staates,  denen  an  cntspreclienden  auloerordentiicheu 
Einnahmen  gegenüberstehen: 

Rückzahlungen  4195000  Yea 
Fonds  und  Guthaben  des 

Bakufu  und  der  Han  9071  r)66 

Geschenke  1280148  - 

Geldstrafen  etc.  (der  Han)  504233  - 
Kriegssteuem  der  Han 

(im  Ordinarium)  2  794357 

Daneben  stammten  rund  47  Millionen  Yen  der  Staatsschuld 

von  den  Han. 

Neben  den  aurBerordentliehen  Ausgaben  infolge  der  TTni- 
wälzung  standen  die  Ausgaben  ttlr  die  neuen  Errungenschatten. 


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444 


X  4. 


Es  sind,  um  nur  einige  Hauptposten  zu  verzeichnen  %  ange- 
geben : 

für  neue  Anlagen  ( Eisen balineii,  ikrg- 

werke^  Telegraph,  Ku»tenbeleuchtungy 

Fabriken,  Münze  u.  s.  w.)  2i5  380G04  Yen 

VonchttBBe  ftlr  wirtochaftlicbe  Unter- 

nehmuogen  18635600  - 

Ausgaben  zur  Förderung  der  LiduBtrie 

(auch  Ausstellungen)  14G3  851  - 

Verlusfee  bei  Bankunteroehmungen  1740016  - 

Diese  vwr  Poston  $Mn  50220181  Ten 

Die  Staatsschuld  stand  auf  142289580  Yen 

davon  auswärtige  Schuld  14480912 
Papiergeld  94803819  - 

Von  der  übricren  inneren  Schuld  kamen  auf  die  regulierten 
Schulden  der  iiun  (sogenannte  Alte  und 

Keue  Schuldj  22079349  Yen 

Bonds  0ur  EüilOsung  von  Papiergeld  2238550  - 

Bonds  zur  freiwilligen  Ablösung  erblicber 

Benton  8686950  - 

Mit  Attsoahnie  der  cur  Erbauung  von  Eiienbalmea  auf- 
genommenen alten  Londoner  Anleihe  (4880000  Yen,  noch  aus- 
stehend 8003152  Y'en)'  kann  man  die  gesamte  Schuld  als  Folge 
der  Staatsumwälzung  bezeichnen.   Das  Papieigdd  der  R^gSerung 

stand  beinahe  gleich  mit  Gold. 

Der  Betrag  der  \'or.schi\sse  der  Staatskasse"  wird  auf 
12  546342  \  en  an;j;('geben,  die  Hi)lie  des  „Reservefonds"  d.  h. 
der  allmählich  aufgelaufenen  l'berschüsse  der  Rinnahmen  über 
die  Ausgaben  aui  ki4  41t)2.)7  Veu^.  Wie  schon  oben  erwaimi, 
ergab  die  1878  beendete  Abrechnung  in  Wahrheit  46  904  171  Yen. 
Die  achte  FSnanzneriode  (1.  Semester  1875),  der  alle  Rttckstitade 
zugerechnet  wurden,  ergab  allein  rund  20 190000  Yen  Überschuik 

Das  Jahr  1875  war  wie  auf  anderen  Gebieten  auch  auf 
dem  der  Finansen  ein  Jahr  wichtiger  Reformen  und  Reor- 

fanisationen.  Die  in  den  Jafaoren  1871/72  etwas  zögernd 
egonnene  Reform  der  Steuern  machte  einen  weiteren  grofsen 

S'  hrift.  Eine  Menge  von  Stenern  bestand  noch  ganz  oder 
wenig  verändert  aus  den  Zeiten  der  alten  Ordnung.    Unter  der 


>  Die  Scheidung  zwischen  Oidhiftriiim  und  Extraordinariam  ist  gans 

iin-irli  T  Obi^a-  Zaiilon  enthalten  mich  l^etri  ^  ;iusgaben,  während  im 
Oitliuarium  manche  Posten  stecken,  welche  hierher  eehören. 

•  Die  neue  Londoner  Anleihe  (11  712  000  Yen)  diente  zur  Ablösung 
▼OD  Renten. 

'  Nach  einer  offiziösen  Notiz  sollen  im  Frühjahr  1876  im 
fouda  14  -^90  700  Yen  in  Gold  und  Silber  gewesen  sein. 


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X  4. 


445 


allgemeinen  Bezeichnung  Unjo  und  Mvoga  wurden  alle  niöglieheii 


werbetiteuern ,  namentlich  vom  Handel,  zum  Teil  waren  es 
Steuern  auf  Fabrikate,  gelegentlich  in  der  Form  von  Octrois, 
zum  Teil  waren  cj»  Durchgangszölle  auf  Flüäsen,  Brücken  u.  s.  w. 
Wie  die  Namen,  waren  die  Srhebungsarten  dieser  Steuern  Uberall 
yenehieden,  ihre  Beibehaltung  hOcm  lästig,  wom  der  Ertrag 
nicht  im  Verhältnis  stand,  1874:  1204175  Yen. 

Eine  weitere  sehr  ungleichmälsige  Steuer  wurde  unter  dem 
Namen  Koku-Eki-kin  in  einigen  Qebieten  erhoben  zur  Unter- 
haltung der  Dämme  an  den  Flufsufem.  Die  Steuer,  die  druckend 
empfunden  wurde,  brachte  1874  145  (i  13  Yen. 

Am  20.  Ft'bruar  1875  erschien  eine  ganze  Reihe  von  Ge- 
setzen (Nr.  23  bis  27),  durch  welche  die  Besteuerung  wesentlich 
vereinfacht  wurde.  Ks  wurden  gänzlich  autjgehoben  alle  jene 
▼ereehiedenen  Uigo-  and  Myoga- Abgaben,  1456  an  Zahl,  von 
denen  sich  Übrigens  viele  nur  durch  den  Namen  unterschieden. 
Es  wurde  femer  das  ebengenannte  Koku-Eki-kin  abgescfaafi^ 
ebenso  die  Steuern  auf  Ölpressen  ^  auf  Shoyu  (Bohnensauce), 
auf  Dienstboten,  SUnften,  Wagen  u.  s.  w.  An  Stelle  der  letz- 
teren trat  eine  erhöhte  Wagensteuer.  Ztir  Derkum,'  der  übrigen 
Einnahmeausfalle  wurde  die  Sakesteuer  erhöht  und  eine  Tabak- 
steufT  in  Aussicht  gestellt,  welche  am  1.  Januar  lH7t)  in  Kraft 
trat.  Durch  die  Mafsregel  entstaud  ein  geringer  Eiuiiahmerück- 
gang.  Die  abgeschafiten  Steuern  und  die  Sakestener  hatten  1874 
susammen  3169645  Yen  emgebracht.  Die  neuen  Sake-,  Tabak- 
und  Wagensteuem  brachten  1875/76  2  975536  Ten.  t)brigens 
sind  jene  Gewerbesteuern  nicht  ganz  verschwunden;  ihre  W^eiter- 
erhebung  (fllr  örtliche  Zwecke)  mit  Genehmigung  des  Finanz- 
ministeriums wurde  ausrlrücklii  h  gestattet  (Verorflmmir  105  vom 
18.  Juni  187(>).  Zu  Ende  des  Jahres  1875  wurde  noch  eine 
weitere  alte  Abgabe  abgeschafft,  die  Hafengelder,  die  bis  dahin 
erhoben  waren.  Neu  eingefiihrt  wurden  Stempelabgaben  von 
den  Schriftsätzen  in  CivÜDrozessen.  Gleich  erwähnt  sei  hier, 
dafs  in  den  Jahren  1876/78  Börsen-  und  Banksteuem,  An&ng 
1877  Abgaben  der  Droguisten  neu  eingefllhrt  wurden. 

Die  Hauptarbeit  der  Steuenrerwaltung,  die  Grundsteuer- 
reform, war  bis  dabin  nur  langsam  yorwUrte  gek<nnmen.  Zur 
Beschleunigung  des  grofsen  \\  erkes  wurde  ein  eigenes  Grund- 
steuerreformbureau (Öihiso  Kaisei  Jimu  Kyokio  errichtet,  das 
am  24.  Mai  1875  ins  Treben  trat.  Um  dieselbe  Zeit  aber  rief 
die  ungewohnte  Stcuerzaliiung  in  Geld  mehr  und  mehr  Unzu- 
friedenheit hervor.  Als  Ende  1870  der  lieispreis  erheblich  unter 
den  Preis  dc»r  letzten  Jahre  sank,  entstand  eine  bedenkliche 
Gilhrung  unter  den  Bauern.  In  den  Bestrken  Ibaraki,  Miye^ 
Nagano,  Shizuoka,  Kochi,  in  den  Provinzen  Yamato  und  Taltnia 
kam  es  an  Zusammenrottungen  und  offenem  Aufstand.  Trota 
der  Bedenken  ^  das  Gleidigewicbt  im  Staatshaushalt  wurde 


verschiedenen  Abgaben  erhoben. 


waren  es  Ge- 


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446 


X  4. 


am  4.  Januar  1877  di*'  Grundsteuer  erheblich  herabgesetzt,  die 
Staatöstetier  um  ein  bechstel,  das  Maximum  der  Bezirkszusichläge 
auf  die  Hälfte.  Möglich  vvar  diese  bedeutende  Sieuererleichterung 
nur  durch  die  vorher  erfolgte  Ablösung  der  Renten,  von  welcher 
gleich  mehr  zu  sagen  ist.  Trotzdem  war  die  dringende  Er* 
mahnung  zur  SparBamkeit,  welche  die  kaiseriiche  Proklamation 
enthielt,  wohl  am  Platze. 

I)ie  Verlegung  des  Finanzjahres  und  die  son8tk;en  Reformen 
▼on  1875  boten  aiicli  den  Anlafe  auf  den  noch  wenig  be- 
friediL'enden  Zustand  des  Et'its-  und  KeelinimL"-swescns  bessernd 
einzu^\  irken.  Dafs  zwischen  allen  Reelinungen  bis  zum  30.  Juni 
und  seit  dem  1.  Juli  1875  eine  vollständige  Trenimiig  eintrat, 
sozusagen  ein  neuer  Anfang  gemacht  wurde,  i«t  bereiu  erwalmt. 
Die  ganze  BuchfliLruiig  wurde  neu  geregelt.  Im  März  1875 
erging  eine  neue  Instruktion  ttber  die  Aufstellung  des  Etats. 
Aber  trotz  allen  Drftngens,  aller  weiteren  Erläuterungen  hatte 
der  Finanzminister  doch  erst  im  November  sflmtliche  Einzel- 
etats  beisammen.  Der  Voranschlag  fUr  das  am  1.  Juli  be- 
gonnene Finanzjahr  1875/76  erschien  erst  am  22.  Dezemlxr. 
Für  das  Finanzjahr  1876  77  ist  das  Budget  sogar  erst  vom 
20.  Januar  1877  datiert,  das  darauffolgende  erst  vom  28.  Dezember 
1877.  Solange  Okuma  die  Finanzen  geleitet  hat.  bis  1881,  ist 
nur  der  Etat  tUr  1879  80  rechtzeitig  fertig  gewesen. 

Der  den  Voranschlag  fUr  1875  76  einleitende  Bericht  Okuroas 
enthielt  die  wiederholte  und  ausdrückliche  Versicherung,  dals 
alle  Abschatsungen  sehr  sorgfältig  gemacht  sden  und  dafs  fttr 
unvorheigesehene  Ausgaben  gentigend  Vorsorge  getrofien  sei 
Als  Reserve  waren  nicht  weniger  als  6,5  Millionen  Yen  vorgesehen, 
wahrend  der  ganze  Etat  mit  rund  68.5  Millionen  balancierte. 
Die  .spätere  Abro<'hnung,  die  erste,  welche  überhaupt  in  Japan 
veröffeudiclit  iöi  (7.  II.  187*.)),  zeigte  auch  eine  ganz  gute  Uber- 
einstimmung der  Ansehliige  mit  den  Ergebnissen ,  wobei  aber 
nicht  zu  vei^essen  htj  dals  der  Etat  erst  ein  halbes  Jahr  nach 
Beginn  des  Finanzjahres  ersdiien.  IVotedem  stofsen  wir  jetzt 
zuerst  auf  die  Erscheinung,  die  angehalten  hat,  solange  Okuma 
Minister  war,  dafs  den  eifrigen  Versicherune^  immer  weniger 
(ilauben  geschenkt  wurde.  Schon  damals  brachte  eine  oppo- 
sitionelle Zeitung  (Hochi  Shirabun)  einen  höhnischen  Aufsatz, 
Japan  sei  sicher  kein  Land,  in  welchem  es  zwei  Budget^  gebe, 
ein  geheimes  wnhres  und  ein  öffeiitlielM  s  falsches.  Es  ist  wahr- 
seheinlieh,  dafs  von  der  s\ -tematisi  In  ii  Vt  iöchleierung  der  Finanz- 
lag e,  die  erst  viel  äpau-i'  wirkiii  ii  bekannt  wurde,  doch  etwas 
in  weitere  Kreise  gedrungen  war.  Denn  sonst  lag  bis  dahin 
nichts  vor,  was  be^nders  unglaubwtlrdig  erschienen  wäre.  Dk 
Milstrauiscfaen  beriefen  sich  vor  allem  darauf,  dafs  wohl  Budgets, 
aber  keine  Abrechnungen  veröffentlicht  würden.  Thatsilchlich 
bedenklicher  war,  dafs  seit  Okumas  Ministerium  von  einer  ernst- 
haften Absicht,  das  Papiergeld  einzuziehen,  nirgends  die  Bede 


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X  4. 


447 


war.    Einstweilen  war  man  mit  einer  anderen  schwierigen  Auf- 

SAbe  beschäftigt,  der  Ablösung  der  Renten  des  Adels  und  der 
hiioku. 


II.  Die  Ablösung  der  Renten. 

Bei  der  Darstellung  der  älteren  Staatsordnung  ki  ausgeliihrt, 
dais  im  Unterschiede  zu  Europa  in  den  unteren  Stufen  die 
VasalÜtftt  nicht  wie  In  Europa  auf  Gnindbesits  b^rOndet  winde, 
sondern  auf  erbliche  Renten,  wdche  ganz  überwiegend  in  Reis 
gezahlt  wurden,  doch  kamen  vereinselt  auch  Renten  in  Bohnen 
und  in  Geld  vor.  Nur  in  Satsuma  (wo  auch  viele  Samurai 
Grundeigentum  hatten)  kamen  Reisrenten  vor,  welche  auf  be- 
stimmten Grundstücken  ruhten*  und  veräulserlich  waren.  Neben 
den  erblichen  Reuti  n  iKaroku)  gab  es  auf  Lebenszeit  verliehene 
„Verdienstrenten  Shotcnroku),  welche  namentlich  den  um  die 
Restauration  verdienteu  Personen  in  auägcilelmtem  Malse  ver- 
liehen waren.  Zu  diesen  Renten  des  Samuraistandes  kamen  die 
erblichen  Renten  des  Adels,  welche  bei  dem  alten  Ho&del  freilich 
nicht  sehr  bedeutend  waren,  desto  mehr  bei  den  ehemaligen 
LandesfUrsten,  welche  bei  der  Mediatisierung  ein  Zehntel  iljrcr 
bisherigen  Einkünfte  als  Rente  erhielten  (25.  VI.  1869).  Diese 
ganze  T.fist  hatte  fl  neue  Staatswesen  übernommen,  während 
der  eigentliche  Grunci  tler  Rentenzahlung  mit  dem  Fcudalwe-sen 
weggefallen  war.  Bisher  hatte  der  Samurai  für  seine  Reisrente 
dem  Stiuite  als  Beamter,  als  Soldat  gedient.  Jetzt  trat  neben 
die  Rentenempfänger,  die  gar  nichts  mehr  dufdr  leisteten,  der 
modme  besoldete  Beamte,  die  moderne  EonskriptionBanttee. 
Damit  wurde  also  eine  doppelte  Belastung  des  Staates  bewirkt 
Eine  jährliche  Leistung  von  etwa  5  Millionen  Koku  *  verschlang 
last  die  Hälfte  der  Grundsteuer.  £s  war  klar,  dals  aur  Besei^ 
tigunp  dif^fi'  r  Staats bi.dastung  etwas  geschehen  mufste.  "War  der 
Grund  für  die  Rentenzahlungen  weggefallen,  so  konnte  man  doch 
nicht  ohne  weiteres  die  Kenten  selbst  beseitigen.   Den  Adel  der 


1  Es  scheint,  als  ob  wirklich  die  Grund^rücke  selbst  ssn  Lehen  ge> 
geben  wären.  Nach  Einrichtung'  der  ITan  im  .lahre  1 wurden  die 
Gruodstticke  für  ätaatseigentuni  erklärt.  Die  bhizoku  erlüclten  die  üeis- 
einnahmen  davon,  die  rar  verttufserlich  galtra. 

^  Nach  Naii^ai  Ichiran  (Japan  Weekly  HaU  1873  S.  56$)  wäien 
nach  der  Mediatisiemng  1871  an  Kenten  su  saUen  gewesen; 

an  0  k  u'f'rliche  Prinsen  4  781  Koka 

420579  Shizokn  (eiMchL  SotSQ)  3786058  - 
88  höhere  Priester  6  762  - 

Verdienatrenten  207  !^77 

zasammen  49643^  Koka 


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448 


X  4. 


sicheren  Grundlage  des  Besitzes  zu  berauben,  wäre  ebenso  unklug 
gewesen,  als  eine  Bchoneudc  Behandlung  des  Shizokust^indes  ge- 
boten war,  den  Standes,  aus  welchem  die  neue  Regierung  selbst 
hervorgegangen  war  und  welcher  fast  ausschliefshch  die  geistige 
Bfldung  und  die  mflitärisohe  Tttchtigkdt  des  Landes  reprft- 
eentierte. 

Ursprünglich  scheint  man  sich  mit  der  Hoffiiung  getragen 
zu  haben,  die  Shizoku  wttrden  in  grofaer  Zahl  die  Privilegien 

ihres  Standes  aufgeben  und  neue  Berufe  ergreifen.  Die  Regierung 
unterstützte  solelse  Leute,  welche  sich  als  Kolonisten  in  ver- 
schiedenen Gegenden  niederliersen'.  Die  Bewegunir  nalim  aber 
keinen  gröfseren  Umfinjr  an.  Man  beachlols  daliei  im  Jalire 
1872  wenigstens  iur  die  kieincn  Kenten  eine  freiwillige  Ab- 
lösung anznUeten,  haSb  in  StaatBachnldachefnen^  halb  In  barem 
Gelde,  wodurch  die  Leute  in  den  Besitz  eines  kl^en  Kapitals 
kämen  und  damit  ein  Geschäft  anfangen  könnten.  Die  dazu 
nötigen  baren  Mittel  sollten  durch  eine  Anleihe  im  Auslande 
beschafft  werden.  Da  deren  Abschlufs  sich  verzögerte  und  erst 
T^73  in  London  7.u  stände  kam,  erschienen  die  Hesfize  über  die 
Kentenablösung  (iSr.  425  und  426)  erst  am  27.  Dezember  1878  -. 
Die  Proklamation  vom  Dezember  1871,  welche  den  Shizoku 
erlaub  ■  La)uiwirti>chat"t,  Gewerbe  und  Handel  /.u  betreiben,  iiabe 
keinen  i^cuügenden  Ertblg  gehabt,  da  es  den  Shizoku  an  Kapital 
fehle.  £s  werde  deshalb  denjenigen,  deren  Rente  weniger  als 
100  Koku  jährlich  betrage,  (Ur  erbliche  Renten  das  Sechsfache» 
für  lebenslängliche  Renten  das  Vierfache  der  Rente  als  Kapital- 
abfindung angeboten.  Der  (5 eidwert  der  Rente  war  nach  den 
Marktpreisen  d<  K  betreffenden  Jk'zirks  zur  Zeit  der  Rentenzahlung 
(im  Winter)  zu  beret-hnen.  Von  dem  Kapital  war  die  Hjilfte  bar, 
die  HiUtie  in  ötaiUsschuldscheinen  zu  leisten,  welche  niit  acht 
Prozent  verzinslieh  und  in  drei  bis  .sieben  .lahren  nach  der 
Aushändigung  ruckzahlbar  waren.  VVer  also  z.  B.  eine  erbliche 
Rente  von  20  Koku  hatte,  erhielt  bei  einem  Reispreis  von  5  Yen 
als  Abfindung  300  Yen  bar  und  300  Yen  in  Staatsschuldscheinen, 
welche  24  Yen  Zinsen  brachten. 

Gleichzeitig  ergin^^^  eine  Verordnung^  welche  die  Ver- 
äulserung  von  8taatsländereien  an  abgelöste  Shizoku  zum  halben 
Preis  anordnete,  jedoch  an  die  Familie  nicht  mehr  als  1  Cho 
Ackerland  und  altes  Yashikiland  oder  3  Cho  Ödland  Genyal 
oder  r>  Cho  Bergwald,  ev.  0. ,  Cho  Acker  und  2,6  Cho  Bergwald 
zusammen.  Bisher  unbebautr.>  Land  erhielt  auf  10 — 20  Jahre 
Steuerfreiheit.  Doch  sollte  das  so  erworbene  Land  nicht  ver- 
kauft  oder  verpflbidet  werden. 


>  Nach  den  Abrecimnngen  aind  von  1868  bis  187ö  fttr  diesen  Zweck 
1  223 1>«>^  Yen  auag;egebeu. 

*  Dam  aach  iß.  39  vom  28.  Mftrs  1874. 


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X  4. 


449 


Schon  durch  Nr.  118  vom  5.  November  1874  wurde  das 
Gesotz  auch  auf  Renten  von  mehr  als  100  Koku  ausgedehnt, 
^ausgenommen  Renten  des  Adels).  Um  zur  Ablösung  der  Renten 
zu  veninhiesen  und  die  Rentenlast  zu  vermindern,  war  gleielifalls 
am  27.  Dezember  1873  (Nr.  424)  eine  ziemlich  beträchtliche 
Steuer  auf  die  Kenten  gelegt,  welche  bis  zu  30  l'rozent  aufstieg. 
Im  Sommer  1875  änderte  aber  die  Regierung  ihre  Pläne.  Nadi 
dem  1.  Juli  1875  wurden  keine  neuen  M^un^en  mehr  ange- 
nommen. Das  Ergebnis  war  nicht  unbeträchtlich.  Die  Zahl 
der  abgelösten  Personen  betrug  1  ;J5  883.  An  Renten  waren  ab- 
gelöst 1  084  824  Koku  Reis  und  35  700  Yen  in  Geld.  Das  als 
Abfindung  gezahlte  Kapital  betrug: 

in  Staatsschuldscheinen  ißcßtoAA 
(Chitsuroka  Eosaishosho)   1^565800  Yen 

bar  19826830    -  * 

zusammen    35092(530  Yen 

Um  die  neue  Belastung  des  Staates  zu  bemessen,  ist  zu  be- 
achten ,  dafs  zur  Beschaffung  der  baren  Mittel  eine  sieben- 
prozentige  Anleihe  in  London  von  nominell  2  4<M)<iOO  l^fund  — 
11712  000  Yen  aufgenommen  war;  bei  einem  Ausgabekl^r^  von 
92,r,  war  der  Erlös  10833600  Yen,  wovon  aber  noch  bedeutende 
Extrakosten  abgingen  (vgl.  Kap.  VllI).  Dadurch  dafs  die  An- 
leihe in  Gold  lu  verzinsen  und  zurückzuzahlen  war,  hat  sich 
später,  als  die  Landeswährung  ebenso  wie  das  Silber  sich  ent- 
wertete, die  Last  noch  bedeutend  vermehrt.  Zunächst  abor 
war  an  die  Stelle  jener  Renten  eine  Zinsenlnst  von  2145  104  Yen 
getreten  und  eine  Verraehmng  der  Staatsschuld  um  28277800  Yen, 
während  etwa  9  Millionen  aus  sonstigen  Staatsmitteln  im  Laufe 
von  2V2  Jahren  ausgegeben  waren. 

Wenn  man  gehofft  hatte,  die  Abgelösten  würden  ihre  8taats- 
sehuldschcine  leicht  veriiulseni  können,  ho  erwies  sich  das  als 
ein  Irrtum.  Bei  der  genügen  Bekanntschaft  mit  derartigen 
Wertpapieren  —  die  ersten  verzinslichen  Staatsschuldscheine  nach 
fremoem  Muster  sind  1873  ausgegeben  —  druckte  das  Angebot 
der  Abgelösten  rasch  den  Kurs  so,  dals  das  Finanzministerium 
aich  ins  Mittel  legen  mufste,  um  eine  ganz  unvernünftige  Ent- 
woiung  zu  verhindern.  Schon  am  24.  August  1874  wurden 
die  Bezirk sbehördr-n  voni  Finanzministerium  angewiesen,  die 
Chitsuroku  Scheine  zum  ivurse  von  80  auf  Verlangen  zn  kaufen, 
jedoch  nur  von  den  Abgelo-sten  selbst,  nicht  von  solchen,  welche 
die  Scheine  gekauft  hatten.  Ais  die  Auslosungen  begannen, 
standen  die  Scheine  übrigens  beinahe  auf  pari. 


'  So  (icv  BoricLt  über  die  Staatpschuld  von  l>i9t».    Die  Abrech 
nuDgeu  tür  die  einzelneu  Juhre  ergeben  ^usammeu  Yeo. 
Forschung«'!!  (4:>j  S.  4.  —  Hathgfii.  29 


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450 


X4. 


Der  Versuch  mit  der  freiwilligen  Ablösung  1874  und  1875 
liutte  gezeigt,  dafs  selbst  bei  dieser  wenig  vorteilhaften  Um- 
rechnung eine  gi-olöc  Zaiü  von  RentenerapfHngera  zur  Ablösung 
bereit  war,  dais  aber  eine  Fortftihrung  des  bisherigen  ^'erfahren8 
sehr  bedeutende  Geldmittel  in  Anspruch  nelmien  würde,  aus  deü 
laui'enden  Einnahmexi  jedenfiüb  nicht  zu  bestreiten  war.  Groiae 
inläiidische  Anleiheo  waren  euutweUea  noch  unmöglich.  An 
6m  Ausland  aber  wollte  man  sieh  nicht  wieder  mit  einer  An- 
leihe wenden.   Sehr  unbegründeter  W«ae  fUrchtete  man  politiacbe 
Abfattngigkeit.  Einmischung  fremder  Mächte,  wie  man  das  in 
Ägj'pten  und  anderwUrts  sah.    Diese  Anschauung,  in  der  man 
von  einer  gewissen  Sorte  jafjanisTerender  Ausländer  noch  bestärkt 
wurde,  hat  sich  bis  auf  den  heutigen  Tag  erhalten,  nicht  Tuva 
Kutzen  der  japiinischen  Volkswirtschaft.    Da  man  ausländische» 
Kapital  in  keiner  Weise  benutzen  wollte,  so  blieb  zur  giinzliclien 
Beseitigung  der  Rentenlast  kaum  ein  anderer  Weg  als  der, 
welchen  man  mit  der  Ausgabe  der  Chitsurokuscheine  feilweiBe 
hwhritten  hatte,  die  Ablösung  durch  Abfindung  der  Renten- 
berechtigten mit  zinstragenden  StaatsschuldscheineD,  wobei  nian 
einerseits  die  augenblickliche  I^t  erleichterte,  anderseits  diu-ch 
Tilgung  der  so  geschaffen f^u  Staatsschuld   sie  filliniUilich  ganz 
beseitigte.    Bemafs  man  nbi  r  die  Abfindung  der  Kentriiberechtigten 
so,  dafs  wirklii  li  solort  eine  erhebliehe  Erleichterung  für  den 
Staat  eintrat,  »o  konnte  man  nicht  darauf  rechnen,  dafs  die 
Rentenempfiinger  allgemein  freiwillig  sich  ablösen  lassen  würden. 
Man  muTste  also  awangsweise  vorgehen,  ein  ungeheures  Wagnis, 
da  man  die  ganse  Ökonomische  Grundli^  der  höheren  una 
herrschenden  Stände  angriff.    Es  war  kein  Zuftdl,  dafs  durdi 
Gesetz  38  vom  28.  März  1876  das  Schwertertragen  verboten 
wurde,  ^Irei  Monate»  ehe  nuin  an  die  endgtütige  Beseitigung  der 
Kenten  gm;j^. 

Am  5.  August  ISTti  erschien  das  Gesetz  108,  welches 
anordnete,  dafs  die  bisher  erblich,  auf  Lebensr^eit  oder  fiir  eine 
bestimmte  Zahl  von  Jahren  bezogenen  Kenten  von  1877  an 
abgelöst  und  fttr  deren  Betrag  Staatsschuldschetne 
(Kinroku  Kosaishosho)  ao^gefertigt  würden,  nach  liaisgabe  der 
beigefügten  B^timmungen.  Nach  diesen  waren  erbUdie  Renten 
in  folgender  Weise  umzurechnen: 

Fünfprozentige  Schuldscheine  werden  ausgegeben: 
bei  einer  Rente  von  im  Betrage  des 

7()0U0  Yen  und  darüber  5    fachen  der  Rente 

00000    -    biö  70000  Yen  b'u  • 

jM)000    -     •  60000    •  5Vt  • 

40000    '     -   50000    -  5«/4  - 

30000    -     -   40000    -  6       .       •  • 

20000    -      -    30000    -  6*/«  - 

10000    .     -   20000    -  6"'«  ' 


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X  4. 


451 


bei  einer  Beute  von  im  Betzage  des 

7500  Yen  bis  10  000  Yen  6»/«fiwliea  der  Boite 

5000    -     -  7500    -  7       -       -  . 

2500    -     -  5  000    -  7V*  • 

1000    -     -  2500    -  Vli  - 

Secbsprozentige  Schuldscheine  werden  ausgegeben: 

bei  ciuer  iioute  von  im  üetrago  des 

900  Yen  bis  1000  Yen    7^/4  &chen  der  Bento 


800  - 

-     900  - 

8 

700  - 

.     800  - 

8V4  - 

600  - 

-     700  - 

8»  2  - 

• 

500  - 

-    600  - 

8«4  - 

450  - 

-    500  - 

9 

400  - 

•    450  - 

9V4  - 

350  - 

-    400  - 

9Va  - 

300  - 

-    850  - 

250  - 

-     300  - 

10 

m 

200  . 

-     250  - 

IOV4  - 

• 

m 

150  - 

-     200  - 

10>9  - 

• 

100  - 

-    150  - 

11 

• 

Siebenprosentige  Schuldscheine  werden  ausgegeben: 

bei  einer  liente  von  im  Betrage  des 

75  Yen  bis  iUü  ieu  IP  a  fachen  der  iiente 

50     -     -     75    -  12        -       .  - 

40    -    -     50    -  12Vg     -       -  . 

30    -    -     40    -  IS       -       .  - 

25    .    -    80    -  18»/t    -       -  - 

weniger       25  Yen  14       •      •  - 

Auf  Lebenseeit  verliehene  Renten  wurden  je  mit  der  Hälfte 
dee  obigen  Multiplikators  kapitalisiert. 

EmpfUnger  von  Zeitrenten  erhidten  von  dem  Kapital,  welches 
fUr  eine  gläche  erbliche  Rente  gegeben  werden  würde, 

*®  lOü  für  eine  iicnie  aut  10  Juhre  und  darüber 
w/too  .     .      -      .     8—10  Jahre 
•«»/loo  -     -      -  -6—8 
20  100   -     -       .       .  4-6 
20 100   -     -      -      -  3-4 
^o/ioo   ....     2  Jahre, 

Ftlr  die  Berechnung  wurde  noch  hinzugefügt,  dais  in  dem 
Falle,  wo  eine  niedrigere  Klmmn  durch  den  höheren  Multiplikator 
eine  gröfsere  Zinseneinnahme  ergeben  würde  als  die  nächst 
höhere  Klasse,  die  Zinseneinnahme  der  ersteren  auf  die  der 

29* 


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452 


X  4. 


letzteren  ermülki^t  werden  solle  (Art.  8).  (lieispiel:  Ein  Rente 
von  10000  Yen  ergiebt  ein  Ablösungskapital  von  05000  Yen, 
was  zu  fklnf  Proient  Zinsen  8250  Yen  ei«ielit  Kne  Rente 
von  9900  Yen  würde  nach  der  Tafel  ein  Kanital  yon  66825 

Yen  darstellen,  was  91,25  Yen  mehr  Zinsen  ergäbe  als  von  jener 
grölseren  Rente.  Hier  wird  also  die  Abfindung  auf  65000  Yen 
ermälsigt.)  Die  Ablö^^un^^s.sc]leine  sollten  in  Stücken  von  5*, 
10,  25,  50,  100,  300,  r>0(y.  1000  und  5000  Yen  ausgegeben, 
über:^(  fiiersende  kleine  Betrage  in  Geld  ausgezahlt  werden  Fünf 
Jahre  nach  Ausgabe  der  Scheine  sollte  die  Rlickzahlung  durch 
Auslosung  beginnen  und  in  weiteren  25  Jahren,  also  11»07, 
beendigt  sein. 

Für  die  meisten  bisherigen  Benteoempfilneer  bedeutete 
die  Mafaregel  eine  eriiebliche  Herabsetsung  der  bisherigen 
Einnahme.  In  der  untersten  Klasse  erblicher  Rente  — 
wenieer  als  26  Yen  -  war  allerdings  die  künftige  Zins- 
einnanme  nur  um  2  Prozent  geringer  als  die  bisherige  Rente*. 
Je  höher  man  aber  liinautgeht,  desto  gröl'ser  ist  die  Verniinde- 
mng.  Eine  Rente  von  50  Yen,  von  welcher  <  ine  Familie  viel- 
leicht gerade  leben  konnte,  verminderte  sicli  auf  42  Yen  Zins- 
einuahme.  Eine  Rente  von  82 — lOU  Yen  gab  nur  G6  Yen  Zins- 
einnahme ^  eine  Beote  Ton  1000  Yen  nur  375  Yen.   Dabei  er- 

Siebt  sich  aus  der  BechnungsrorBchrift  des  Art.  8,  dals  die  in 
er  Tabelle  enthaltenen  Klassen  800 — 1000  Yen  ^r  nicht  vor- 
kommen konnten,  da  erst  eine  Rente  von  weniger  als  7^  Yen 
nicht  mehr  als  die  375  Yen  Zinsen  ergab,  mit  welchen  eine 
Rente  von  1000  Y^n  abgefunden  wurd'-.  Tu  der  allerhoelisten 
Klasse,  70ooO  Yen  und  darüber,  sank  die  Jahreseinnahme  auf 
ein  Viertel  der  bisherigen.  Allerdings  ist  nicht  aufser  acht  zu 
lansen,  dafs  seit  1874  den  Rentenempfängern  eine  beträchtliche 
Steuer  aui^clcgt  war,  die  in  den  höchsten  Klassen  bis  zu  30  Pro- 
zent  der  Rsnte  anstieg. 

IMe  Zahl  der  grofsen  Rentenempftnger,  deren  Einnahmen 
so  aufeerordentlicli  vermindert  wurden,  war  freilich  nicht  be- 
deutend. Obgleich  die  freiwillige  Ablösung  von  1874  und  1875 
fast  ausschliefslich  kleine  Renten  beseitigt  hatte,  hlieV»  noch  eine 
grolse  Menge  auffallend  kleiner  Renten  bestehen.  Mounsey  teilt 
nach  amtlicher  Quelle  folgende  L  bersicht  der  RentenempÜLnger  mit"*: 


'  Diese  sind  thatsächlicb  nicht  ausgegeben. 

-  10  Yen  Keilte  kajtitaliaiert  mit  14  140  Yen  Kapital;  davon 
1  Prozent  Zinsen  —  U,su  \  en. 

•  In  dem  Beridit  vom  2,  Mftn  1877,  Jauan  Weekly  MsU  IH77 

8,  00^?.  Nach  einer  Anp^abe  von  P.  Mavet  (Japanische  Staatsschuld) 
hätten  am  1.  J;ni»i;iv  l^TU  noch  Renten  erhalten:  466  Kwazoku,  'iSO'«^  ■ 
Sliizoku,  .>tJ  Jltiiiuii,  ziifjarnmen  also  "JnTOhs  Personen.  Von  den  uur 
zupinsrlich  gewc-'oiu  M  hu  r  i  I  ,'11  Berichten  enth&lt  keiner  Angaben  über 
iV:>-  7;il)leii  der  wukli(.li  Ab;:elö8ten  Und  die  Höhe  th/r  nbgel  '  T' n  Pensionen, 
bflUt  nicht  der  neueste  grufse  Bericht  von  Ibi^O  über  die  Staatsschuld. 


i 

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X  4. 


453 


Zahl  der  BenteoempfKngfir    welche  eme  Beute  bezogen  yod 


16 

70000  Yen  und  darttber. 

8 

50000    •    bis  70000  Yen 

15 

30000    -     -    50000  - 

80 

10000    -     -    30000  - 

74 

5000   "     -    lOUOO  - 

393 

1000    -     -     oOOi)  - 

15484 

100    -     -     1000  - 

175174 

25    -     -       100  - 

127184 

weniger  alä  25  Yen 

318428  zusammen. 


Danach  wären  also  fast  drei  Virrtf  1  aller  ursprünglichen 
Rentenempfänger  noch  vorhanden  gewesen.  Nur  oS'^  empfin^^^n 
eine  Rente  von  1000  Yen  und  darüber  (mit  tuotprozentigen 
Papieren  abzulösen),  mir  15484  hatten  Renten  von  100—1000 
Yen  (mit  sechsprozentigeu  Papieren  abzulösen),  und  nicht  weniger 
als  302  358  hatten  Renten  von  weniger  als  100  Yen  (mit  sieben  ■ 
prazentigeD  Papieren  abzulösen).  Obgleich  in  dieser  bei  weitem 
aahlreiehsten  Klasse  die  Herabsetzung  der  Einnahme  unbedeutend 
war  und  unzweifelhaft  vorteilhafter  als  die  Bedingungen  der  frei« 
^villigen  Ablösung  zwei  Jahre  vorher,  so  ist  es  doch  begreiflich, 
daliä  Erregung  und  Unzufriedenheit  entstand.  F^esonders  in  Sat- 
suma  war  diis  der  Fall,  wo,  wie  oben  erwähnt,  gewisse  Renten 
bestlinden,  welcliu  ge^en  f^ntirelt  übertragbar  und  thatsäehiich 
von  vielen  der  jetzigen  Inhaber  gekauft  waren.  Die  zwangs- 
weise Verminderung  solcher  Renten  wurde  als  Eingriff  in  das 
Privateigentum  angesehen.  Da  die  Regierung  den  dringenden 
Wunsch  hatte  y  die  in  Satsuma  sehen  bestehende  Gährung  nicht 
noch  SU  ▼ennebren,  so  wurde  am  11.  Dezember  1876  ein  Nach- 
trag zu  dem  Ablösungsgesetz  veröffentlicht  (Nr.  152),  wonach 
ftlr  Renten,  welche  in  der  Zeit  von  lPr>0  bis  1871  für  verkäuflich 
erklärt  waren,  der  zehnfache  l»etrag  in  zehnprozcntiiren  Papieren 
als  Ablösung  L'^e^^eben  werden  sollte.  Die  Rente  blieb  also  zu- 
nächst unverändeit.  Trotz  dieses  Entgegenkoiiiincns  brach  kurz 
darauf  der  grolse  AiiisUind  der  Samurai  in  Satsuma  aus,  woran 
die  Bwangsweise  Ablösung  der  Renten  unaweifelhaft  dnen  er- 
heblichen Anteil  hatte. 

Die  Durch  fti hrung  de r  A b l <3  s  i  n  g  selbst  war  sehr  ein- 
&ch,  da  die  wichtigste  Vorarbeit,  die  Umwandlung  der  Reis- 
in  Geldrenten,  schon  Ende  1875  (Nr.  138)  erfolgt  war.  Die 
Naturairenten  waren  in  Geld  njich  den  Durchschnittspreisen  der 
3  Jahre  1872  bis  1874  festgestellt  worden*.  Die  Ausieriigung 
der  neuen  Ablösungsscheine  erfolgte  im  Läufe  des  Jahres  1877. 


^  Ksfcdca  und  Shotenroku  wurden  seitdem  unter  dem  Namen  Kia 
roka  stuammengeCftfstf  daher  der  Name  der  neuen  Schuldseheine. 


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454  X  4. 

Im  Noyember  dieses  Jahres  wurden  vom  entenmal  die  ludb- 
Jäbrigen  Zinsen  gezahlt. 

Es  war  eine  ftir  japanische  Verhältnisse  l;<iii/  bedeutende 
Fixumsoperation.   Der  Betrag  der  Kinrokuscheine  war 

nadi  endgültiger  Bega- 
im  Jabro  1877  amgegeben  lieniDg  ausgegeben 

»tt  5  PhMBent   31 174 165  Yen     31  412405  Yen 

-  6      -       24950245   -       25  003  705  - 

-  7      -      109454155    -      108242810  • 

-  10      -         8  563  275    -         9202655  - 

susammea  174141840   -     173861575  - 

FOr  die  Uemen  Ubersehielseoden  Beträge  unter  10  Yen 
waren  bis  1878  auiseideni  860058  Yen  in  Geld  ausgeaahlt^ 

Um  die  Bedeutung  dieser  Summen  iür  Japan  zu  bemessen, 
bedenke  man,  dafs  am  1.  Juli  1876  die  ganze  japanische  Staats- 
schuld sieh  auf  148^^24  724  Yen  belif^f,  ohne  Papiergeld  nur  auf 
54809903  Yen,  wovon  innere  Schuld  nur  40714870  Yen  waren. 
Sieht  man  von  dem  Papiergeld  ab,  so  wurde  auf  einmal  die 
Schuld  mehr  als  vervierfacht. 

Welches  war  nun  die  direkte  Wirkung  auf  die  Staats- 
kasse? 

Nach  den  Abrechnungen  war  der  Betrag 

187576  1^7fi'77 

der  Renten  (Karoku  u.  Shotenroku;  17  658  128  Yen  17  610  575  Yen 
der  Rentensteuer  2075118   -     2130187  - 

Die  Ausgabe  war  also  netto  15583010    -    15486388  - 

Dagegen  war  das  Zinsenerfordemis  ftir  den  endgültigen  Be- 
trag der  Kinrokuscheine  11568105  Yen«.  Gegen  1876  77  war 
das  also  ftlr  den  Aiigenbh'ek  eino  "Rrlek-htoniTiij:  der  Staatskasse 
um  3  918283  Yen^.  Dabei  ist  aber  niclit  zu  vergessen,  dals 
man  iUr  die  Zukunft  recht  erhebliche  Verptiichtungen  an  Kapital- 

*  Im  Znsammenbange  mit  den  obigen  Mafsregeln  stand  auch  «tie 

Ablösung  gewisser  Renten  von  Shintoj)riest«'ni  im  März  (Nr. 
welche  den  fünffache»  Betrag  ihrer  bisherigen  lieisreote  in  acbtpiozeo- 
tigen  Schuldscheineii  als  Ablösung  erUelten,  im  gansen  war  aas  dn 
Rchuldkapitaa  von  884  050  Yen  (dasu  61  575  Yen  bar  flir  Betrüge  unter 

26  Yenl 

*  Für  i'üni'prozentigc  1  "jTO  t»20  Yen 

-  sechs      -       1500  222  - 

-  sieben     -    .   7o70  997  - 

-  zehn  920  2ü6  - 

zusammen     115G8  105  Yen. 

■  Der  Viccminister  der  Finanzen  Mataukara  sagte  lö76  dem  eng- 
ÜBchen  LegationaflekretSr  Mounsej,  die  Regierung  erwarte  eine  Erieicb- 
terang  nm  etwa  4  Millionen  Yen. 


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X  4. 


465 


Zahlungen  einp:ep:angen  war.  Von  1882  an  waren  in  25  Jahrai 
fast  174  Millionen  Yen  zurückzuzahlen,  durehschnittlich  jahrlich 
also  7  Millloni^n ,  wobei  man  dann  dem  Plane  nach  allerdings 
von  1907  an  der  ganzen  alten  ÜenLen Verpflichtungen  los  und 
ledig  war.  Dais  m&ier  noch  eine  weitere  erhebliche  Venninderung 
der  Last  durch  &onyertiening  in  niedriger  ▼ernnsliche  Staati- 
papiere  möglich  sein  würde,  hat  damals  wohl  niemand  schon  in 
Aussicht  nehmen  können.  Während  die  zehnprozentigeu  Kinroku- 
scheine  1886  bereitä  völlig  getilgt  wurden,  standen  noch  ge^en 
103  Millionen  slebenpr-^Tiontip^o  und  24,:.  Millionen  seeh>;prozenti«;e 
aus,  als  die  Konvertierung  der  ganzen  höher  verzin-^lit  heu  8chiild 
in  eine  fünfprozentige  beschlossen  wurde.  Eine  eriblgreieiie  Durch- 
ftihrung  der  Konvertierung  der  obengenannten  Posten  würde  eine 
Verminderung  der  1877  übernommenen  Zinsenlast  um  nicht 
weniger  als  2^U  Millionen  Yen  bedeateo'. 

Wie  war  weiter  die  Wirkung  für  die  Abgeldaten? 
Ihre  direkte  Einnahme  war  in  den  höheren  Klaaaen  sehr  eriieb- 
lieh  beschnitten,  nach  untenhin  war  die  Ve  rringerung  weniger 
bedeutend.  Aufser  den  Zinsen  hatten  die  Abgelösten  aber  auch 
ihre  Ablösungascheine  in  der  Hand.  Die  Regierung  war,  mit 
Recht,  besorgt,  was  die  l^utv,  mit  den  Schuldscheinen  anfangen 
würden.  Mit  den  bei  der  tVeiwilli^^en  Ablösung  ausgefertigten 
Scheinen  hatte  man  es  erlebt,  dals  sie  vielfach  von  den  Abge- 
lösten tn  kurzsichtigem  Eifer  ▼eraohleudert  waren»  um  das  bare 
Geld  in  die  Hand  zu  bekommen.  Jetzt  handelte  es  sich  um 
ganz  andere  Summen  und  man  konnte  erwarten,  dals  aus  dem 
an  solche  Wertpapiere  noch  wenig  gewöhnten  Publikum  nur  eine 
unbedeutende  riacbirage  dem  dingenden  Angebot  gegenüber- 

treten  würde. 

Zuniiehst  wurde  durch  ein  mit  dem  Abhisungsgesetz  gleieh- 
zeitijr  erlassenes  Gesetz  (Nr.  100)  Verkaut  und  Verpfändung  der 
Kinrokuselieine  bis  auf  weiteres  verboten.  Krst  durch  Nr.  25 
▼om  9.  September  1878  erhielten  die  Abgelösten  freie  Verfügung. 
Gleichzeitig  bot  die  Finanzverwaltung  an,  die  Papiere  aufzube- 
wahren ftlr  solche,  welche  keinen  weheren  Platz  zur  Aufbewah- 
ning  hätten.  Auch  erklärte  sieli  bereit,  Abgelösten  (nicht 
anderen  Erwerbern  der  Scheine)  ihre  Papiere  zu  festem  Kurs 
abzunehmen^,  um  einen  ungemessenen  l^reissturz  zu  vorbfiten. 
Diesem  Zwecke  diente  der  aus  den  Überschüssen  der  irüheren 
Jahre  angesammelte  Reservefonds. 

Um  den  Abgelösten  aber  eine  besondere  Verwertung  ihrer 
Scheine  und  Erhöhung  ihrer  Einnahmen  zu  ermöglichen,  war 


^  Am  1.  April  1890  standen  infolge  In  KonvertierungBoperationen 
nur  mehr  20  4^^0  885  Yen  siebenprozentiger  Kinrokuscheine  aua,  war  also 
eine  ZinsenverminderuDg  von  über  1  600  000  Yen  bereits  erreicht 

^  Fünfprozentige  ztt  64,  secbspTOzenÜge  SU  82,  siebenpioaentige  zu 
100  (apftter  erheblicE  henbgceetxt). 


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456 


man  auf  eiaeo  weiteren,  ganz  verhängnisvollen  Einfall  gekommen: 
die  Abgelösten  sollten  auf  der  Grundlage  ihrer  Abluaungsscheine 
Zettelbanken  errichten,  Nationalbanken  nach  amerikanischem 
MuBter.  Das  NatioiudbaDkgesetz  erochien  zusammen  mit  dem 
AblöstmgBgesetz  (Nr.  106  vom  1.  August  1876).  Der  Ztuammeii- 
haDg  beider  Maf^regeln  ist  auch  von  Okuma  selbst  ausdrUi&licfa 
hervorgehoben.  Es  ist  oben  bei  Darstellung  des  Bankwesens 
gezeigt,  wie  man  den  Zweck,  den  Abgelöstt  n  eine  Erhöhung  ihrer 
Einnahme  zuzuwenden,  allerdings  erreie!it<^.  aber  auf*  Rosten  der 
VVährungözuötiinde,  deren  1877  beginnende  völlige  Zerrüttung 
den  Mittelpimkt  der  weiteren  Untersuchung  bildet. 


III.  Das  Agio. 

Das  erste  Jahrzehnt  der  Japanischen  Finanzpolitik  ist  die 
Zeit  deb  Übergangs  vom  Mittelalter  zur  Neuzeit,  von  der  Naturai- 
zur  Geldwirtschaft,  von  feudaler  Zersplitterung  sur  modernen 
Einheit,  die  Zeit  der  Steuerr^rm  und  Rentenablösung.  Das 
zweite  Jahrzelmt  wird  beherrscht  von  den  Erscheinungen  des 
modernen  Kredit-  und  Geldwesens.  Für  die  Finanzpolitik  wur- 
den raalsgebend  die  Zustände  des  Währungswesens,  die  Agio- 
wirtschaft, die  Bemühungen  \\m  Wiederherstellung  der  Valuta, 
die  Anfn ahme  der  Barzahlungen. 

Das  Jahr  1870  und  den  Anfang  von  1877  sahen  wir  be- 
aseiclinet  durch  zwei  bedeutende  Mafsregeln,  die  Grundsteuer- 
ermäfsigung  und  die  Besohafiung  der  Mittel  dazu  teils  durch  die 
Rentenabldsung,  teils  durch  die  Einschränkung  der  StaatBaus- 
gaben,  namentlich  auf  dem  Gebiete  der  wirts(maft]ichen  Unter- 
nehmungen.  Die  weitere  friedliche  Ordnung  des  B^nanzwesens 
wurde  aber  durch  ein  Ereignis  unterbrochen,  welches  den  ganzen 
Staatskörper  ersehfUterte  und  durch  seine  Anfordeniniren  auf  die 
Jb'inanzcn  einen  unheilvolh'ii  Kintluls  auf  lange  Zeit  ausübte,  den 
Bürgerkrieg,  welchen  der  Aufstand  der  Jiamurai  von  Satsuma 
auf  der  Insel  Kyuühu  entzündete. 

Seil  Beendigung  der  Expedition  nach  Formosa  wareu  durcli 
aufserordentlicbe  militärische  Ereignisse  nur  wenig  bedeutende 
Ausgaben  yeranlafst*.  Als  aber  im  Februar  1877  die  lange 
drohende  Bewegung  in  Kagoshima  gewaltsrini  zum  Ausbruch 
kam,  zeigt •-  sich  bald,  dafs  die  Bewältigung  des  Au&tands  auch 
linanzirll  soklie  Opfer  fordern  würde,  dafs  sie  ans  den  gewöhn- 
lichen Kinnahmen  nielit  bestritten  werden  Iconnten.  Zunächst 
lialf  man  sich,  wie  es  scheint,  durch  eine  heimliche  Ausgabe  von 

>  Im  Finanzjahr  187A7n  durch  die  Wirren  mit  Korea  480  558  Yso, 
i^T'  T;  durch  verachiedens  lokale 

AutstHude  im  Jahre  1876  ^9UG00  • 


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457 


Papiergeld,  welches  als  Reserve  zum  Austausch  mit  altem  Papier- 
geld vorhanden  war.  Erst  nach  Beendigung  des  Aufstandes 
erscliien  ein  Erlals  (Nr.  87  vom  27.  Oktober  1877),  welcher  che 
Auögabe  von  27  Millionen  Yen  genehmigte  ^  Da  auch  diese 
Summe  noch  nicht  ausreichte,  man  aber  vor  einer  offenkundigen 
wdteren  Vermehrang  des  Papiergeldes  sich  scheute,  wurde  ein 
Ausweg  getroff«[i,  welcher  volkswirtschafUicfa  genau  dieselbe 
Wirkung  hatte,  nur  fdr  den  Staut  noch  unvorteilhafter  war. 
Wie  schon  oben  im  Kapitel  Bankwesen  (S.  185)  erzählt  ist, 
wurde  im  Mai  1877  eine  greise  Nationalbank  von  den  abgelösten 
Adligen  «^egrtindet  und  mit  besonderen  Privilegien  ausgestattet. 
Von  dieser  Bank  lieh  der  Staat  15  Millionen  der  eben  vom 
Finanzminiöteriaiu  der  Bank  iibergebenen  Nationalbanknoten  und 
verpflichtete  sich,  diese  Anleihe  im  Jahre  1896  zurückzuzahlen 
una  bis  dahin  mit  fünf  Frosent  au  verainsen.  Auf  diese  Weise 
sind  aur  Deckung  der  Kosten  des  SatBumaaufstandes  42  Milli- 
onen Yen  aufgebracht.  Ob  die  Papierausgabe  thatsächlich  nicht 
gröfser  gewesen  ist,  läfst  sieh  schwer  sagen.  Es  ist  aber  an 
siel}  wahrscheinlich,  dafs  von  dem  zwischen  und  1881 

heimlich  ausgegebenen  Papiergeld  im  Betrage  von  mehr  als 
22  Millionen  ein  erheblicher  Teil  gerade  in  dieser  Zeit  in 
Umluui'  gesetzt  ist. 

Die  Ausgaben,  welche  der  Aut'sUind  veraulaibt  hat,  sind  von 
den  sonstigen  Abrechnungen  ganz  getrennt  worden  (Nr.  86  yon 
1877).  Die  besondere  Abrechnung  ist  am  13.  Feoruar  1880 
veröffentlicht  (dat.  25.  Dezember  1879),  wonach  die  Ausgaben 
in  der  Zeit  vom  19.  Februar  bis  Ende  Oktober  1877  41567  727 
Yen  betragen  liKtten.  Darin  sind  alle  durch  den  Aufstand  ver- 
anlafsten  Ausgaben  enthalten,  namentlich  auch  die  vermehrten 
Ausgaben  der  Polize!,  die  Unterstützung  Abgebrannter  und  sonst 
Notleidender  aut  dem  Kriei?s6  lumplatz .  sowie  säintliclie  Ver- 
waltungsausgaben von  ganz  Kvusiiu  mit  Ausuaiiuie  deö  Beziiks 
Nagasaki.  Die  Folge  ist,  dafs  in  der  allgemeinen  Abrschnung 
die  Einnahmen  und  Ausgaben  des  Staates  in  keinem  Jahre  so 
niedrig  angaben  sind  als  in  den  Finanzjahren  1876  77  und 
1877/78*.  Dafs  alle  Staatseinnahmen  durch  den  Krieg  litten, 
ist  selbstverständlich.  Allein  für  1876  77  mufsten  3,68  Millionen 
Yen  an  Grundsteuer  im  Süden  p;estundet  werden. 

Waiirend  des  Aufstandes  zeigt  sich  nun  zuerst  eine  Ei*- 
scheinung,  welche  anfangs  wenig  beachtet  wurde,  bald  aber  in 
den   Mittelpunkt  des  Interesses  treten  sollte.    Es  eutstand  ein 


'  Binnen  1'  Jjihroii  '.«(^llfo  ein  entsprechender  RotrH^-^  von  Noten 
unter  1  Yen  eingezogen  und  durch  ScbeiuemüniiQ  in  Kupfer  und  :Silb<Br 
ersetzt  werden. 

»  Ausgaben  1876  77  .'iO  308^0«  Yen 

1877/78  48  :»,24  - 
1878 '7Ü   60im:i.'i(5  - 


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458 


nicht  ganz  unbedeutendes  Agio  auf  Silber,  bia  zu  reichlich 
6  auf  101)  Yen  Papier. 

Unrinlöslielies  Papier  war  von  Anfang  an  die  Währung  der 
neuen  Ordnung  gewesen.  Als  es  ziieröt  aus^zegebeu  wurde,  war 
£2nUSiaiiff  bmiieo  13  Jahren  zugesagt.  Da  der  Verkehr  in  den 
grofsen  Handelsplätzen  Osaka  and  Tokyo  des  Papiergelds  un- 
gewohnt war,  und  hei  der  allgemdnen  Unsicherheit  der  Zustände 
in  den  ersten  Jahren,  wurde  das  neue  Staatspapiergeld  mit  groisem 
Milstrauen  betrachtet.  Es  entstand  sofort  ein  Agio  auf  Metall^ 
das  7eit weise  sehr  bedeutend  wtirdo  (55  Prozent  nach  der  An- 
gabe ( )kuniaa  in  Financial  Tolicv'  during  thirteen  Years).  Im 
Juni  18G9  wurde  daher  statt  der  Zusage,  das  Papier  in  13  Jaliren 
einzulösen,  versprochen,  dm  i'apiergeld  mit  hartem  Oelde  Ende 
1872  einzulösen,  oder,  wenn  das  untbunlich  sei,  die  ganze  um- 
laufende  Famergeldmenge  in  eine  sechsprozentige  Schuld  um- 
Buwandeln.  Wie  in  anderen  Lilndern  in  ftbnlicher  Lage,  wurde 
versproohen,  kein  Papieigeld  weiter  auszugehen  und  die  Orudk- 
phitten  zu  zerbrechen.  Wer  das  Papier  nur  mit  Diskont  an- 
nehmen wolle,  wuttIp  mit  Strafe  be<lroht.  Mit  der  grölseren 
Beru!iip:nn<^  v^Tschwand  das  Agio  ailinTthlieh.  Von  ihren  Ver- 
sprcciumgen  hielt  die  Regierung  freilich  keine.  Wahrend  das 
Publikum  durch  eingehende  Proklamationen  belehrt  wurde  (27. 
Dezember  1871),  dafs  eine  Ausgabe  neuer  Noten  erfolge  nur 
zum  ZwedLe  des  Umtausches  mit  den  alten  Koten,  was  allerdings 
auch  geschah,  sah  sich  <Ue  Hmernng  zu  neuen  AuKahen  ge- 
nötigt (1872  last  18  Millionen  Yen),  so  dafs  man  bis  Ende  1872 
78325  444  Yen  ausgegeben  hatte,  wozu  als  Ersatz  für  Papier- 
geld der  Daimyate  24907  088  Yen  kamen  (vorübergehend  noch 
etwas  Tiiohr).  Als  das  Jahr  1872  ablief,  war  von  einer  Einlösung 
in  M*  r;il!  natürlich  keine  Rede.  Um  aber  den  anderen  Teu 
ihres  Ver.sprechens.  wultiies  in  einem  Eilalk  vom  28.  Mai  1872 
noch  einmal  au.sdrücklicli  wiederholt  war,  wenigstens  äurserlich 
zu  erfüllen,  erging  am  SO.  März  1873  das  Gesetz  121  über  die 
Ausgabe  von  Kinsatsu-Scheinen^.  Dem  Publikum 
wurden  sechsprozentige  auf  den  Namen  lautende^,  in  Gold  zahl- 
bare Staatsschuldscheine  angeboten,  welche  in  drei  bis  fUnfiseho 
Jahren  nach  der  Ausgabe  zu  amortisieren  waren.  Dafs  das  die 
zugesagte  ..Umwandlung  alles  Papierfreldes  in  verzinsliche  Staats- 
schuld schein  f*  gewesen  wäre,  kann  man  nicfit  behaupten.  Die 
Regierung  erwartete,  nach  Okumas  späterer  Angabe,  von  der 
Mal'sregel  eine  Art  mechanischer  Steuerung  des  üeld Umlaufs. 
Wenn  zuviel  Papiergeld  in  Umlauf  sei,  werde  der  Zinsftd's  fallen. 
Das  Publikum  werde  dann  die  sechsprozentigen  Scheine  zu  kaufen 
veranlafsty  wodurch  der  umbmfende  Betrag  des  Papiergeldes  sich 


>  RInsatsQ  oder  Shihei  <=  Papiergeld. 

3  Das  Gesetz  spricht  auch  von  Inbaberpapiefeo,  doch  sind  solebe 
meines  Wissens  damals  nicht  ausg^eben* 


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459 


aaf  die  yon  den  Bedürfbiaeen  geforderte  Menge  vermmdern  würde. 
Wenn  femer  das  Papiergeld  unter  pari  sinke,  werde  das  Publikum 

in  Metall  verzinsliche  Papiere  f^crne  kaufen.  (So  Okuma  in 
„Thirteen  Years".)  Hei  rler  schönen  Theorie  war  freilich  allerlei 
nicht  bedacht.  Ganz  abgesehen  davon,  dal's  sechs  Prozent  er- 
hebiieli  unter  dem  üblichen  Zinsfufs  stand,  war  es  eine  wunder- 
liche Vorstellung,  von  einer  übennälsigen  Ausgabe  von  i'apier- 
eeld  za  erwartoi,  dafs  aie  den  Zinsrafis  herabdrttcken  werde. 
Selbetverstllndlich  trat  in  Japan,  wie  anderwärts,  aowte  die  Agio« 
tage  sich  entwickelte,  ein  starkes  Steigen  des  Zinsfuises  ein,  in- 
folge der  allgemeinen  Unsicherheit  aller  Geldverhältoisse.  Ebenso 
bewirkte  die  entfesselte  Spekulation,  dafs  der  an  den  Goldbonds 
möglicherweise  zu  machende  Gewinn  nicht  grofs  genug  erschien, 
um  im  Lande  viele  KHufer  anzulocken.  Anders  wäre  es  ge- 
wesen, wenn  man  die  Seheine  dem  Auslande  anbot.  Für  aus- 
ländische Kapitalisten  wäre,  als  später  die  grofse  Entwertung  des 
Papiergeldes  eintrat,  der  Erwero  solcher  Goldhonds  ein  gutes 
GeschUft  gewesen,  das  obenein  Edelmetall  ins  Land  gebracht 
hätte.  Aber  dem  Auslände  wollte  man  sich  weiter  nicht  ver- 
schulden. So  finden  wir  denn  auch  thatsächlich,  dafs  von  1873 
bis  1875  nur  für  gut  2200000  Yen  Kinsatsuscheine  abgesetzt 
sind,  dann  drei  Jahre  lang  gar  keine,  von  1870  bis  1882  noch 
nicht  für  3  8U0UÜ0  Yen^  Erst  als  infolge  der  Kontraktion 
der  Geldwei't  wieder  stieg,  mochte  es  lockend  ei-scheinen,  von 
dem  schwindenden  Agio  rasch  nocii  zu  urulitieren,  während  auch 
bei  der  Stagnation  afler  GesdiMfia  der  Zinsfufs  nicht  mehr  iXhee- 
mttfsig  niedrig  war.  Es  sind  dann  auch  vom  Sommer  1882  bis 
Ende  1885  für  &st  8,4  Millionen  solcher  Papiere  ausgegeben. 

Zunächst  also  war  die  Mafsregel  wenig  geeignet,  das  um-^ 
laufende  Papier  zu  beseitigen.  Die  ursprüngliche  Absicht  der 
Regierung,  das  Papiergeld  binnen  13  Jahren  einzuziehen,  wäre 
für  die  Landeswiihrung  entschieden  besser  gewesen.  Inzwischen 
hatte  man  aber  in  dieser  Hinsicht  wenig  Sorgen,  da  Papier  mit 
Gold  dauernd  gleich  stand.  Ein  kleines  Agiü  zeigte  sich  zum 
ersten  Male  wieder  im  August  1874,  als  wegen  Formosa  Ver- 
wickelungen mit  China  drohten,  doch  betrug  das  Agio  bis  1876 
nie  mehr  ab  2  Prozent^.  Da  inzwischen  auf  dem  Weltmärkte 
Silber  gegen  Gold  im  Werte  erheblich  gesunken  war  (1876  die 
erste  grofse  Silberbaisse),  stand  das  Papier  fast  während  des 
ganzen  Jahres  1876  besser  als  Silber,  Mitte  September  100  Silber 


'  Davon  slclier  d»T  giüfste  Teil  nicht  vom  kapitalanlege d den  Publikum, 
pondorn  von  ganz  oder  halb  Btaatlichen  Anstalten.  Vgl.  oben,  Kaj^)itol 
Bankwesen  S.  195,  die  Erwerbung  von  1600  000  Yen  KiDsatsusGUcnien 
durch  die  Shokin  Ginko.  Das  FinanKministerlum  selbst  hatte  davon  am 
1.  Juli  18X2  für  1  r,s]  2ön  Yen  (Stat.  Jahrb   II  (IJQ). 

'  Die  Statist.  Jahrbücher  eeben  die  i'niu<  rgeld-,  resp.  Gold-  und 
^berkmse  eist  von  1877  aa.  Für  Mliere  Jahre  hebe  ich  die  Zahlen 
ans  der  Japan  Weekly  Mail  (f&r  jeden  Sonnabend)  benutzt 


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m 


-=  94  Papier*.  Gegen  Gold  war  aber  mehrmals  das  Agio  schon 
bedenklicher  fMitte  MSrz  libfr  5,  Mitte  April  4^  2  Prozent),  so 
dafs  die  Regierung  die  Veröffentliehnnp;  Ae^  rfolrlkürse-  vrrhot. 
Anfang  1877  stinden  Papieryen,  Goldyeii  und  büberdollHrö  gleich. 

Keine  der  damaligen  Veröffentlichungen  der  FinanzA-erwal- 
tuu^  deutet  daraut,  dals  man  eine  Pieöserung  der  bedeiiklichun 
WiSinuigszastSode  ins  Auge  ge&fiit  hätto,  Eb  Ut  hereita  er> 
wfthnt»  SeSn  man  Anitoiß  1878  eine  Papierauaeabe  von  98288482 
Yen  hatte-.  Eine  kleine  Summe  war  dur(£  die  AoBgabe  der 
Kmaatsuscheine  beseitigt.  Andere  Beträge  waren  nicht  wirkÜoh 
ausgegeben  worden  und  wurden  vernichtet,  noch  andere  waren 
eingerufen,  aber  nicht  zurückgekommen.  Am  1 .  Juli  1875  waren 
noch  94803  819  \  on  in  Umlaut",  welche  bis  zum  Ausbruch  des 
Satsuma-Aufetandes  auf  94054  731  Yen  vermindert  waren.  So 
lauten  wenigstens  die  ^imtlichen  Abrctchnungen.  Ks  i.«,t  aber  schon 
erwähnt,  dafs  während  der  ganzen  Okumaschen  Verwaltung  eine 
heimliche  Ausgabe  von  sogenanntem  „Reaervepapier*^ 
(Yobi Baten)  stattgefunden  hat.  Der  genaue  Sachverhalt  ist 
amdich  bisher  nicht  bekannt  gemacht.  Offiziös  ist  der  Hergang 
im  Jahre  1884  folgendermalsen  erklärt:  Um  über  die  im  Laufe 
des  Finanzjahrps  vorl<ommenden  zeitweisen  Ungleichheitf  n  zwischen 
Ausgaben  und  iMimabmen  wegzuhelfen,  habe  man  in  Ki m  iiiireliini^ 
von  Schatzschenien  zur  Auswechslung  bestimmtes  1 '.ipii  r^dd 
(Koen-Vobisatsu)  aus  dem  Reservefonds  entnommen  und  lur  die 
betreffende  Summe  einen  Schuldsclieiu  in  den  Fonds  gelegt.  Die 
Absicht  sei  gewesen,  im  Laufe  des  Finanajabres  aus  den  Ein- 
nahmen die  Summe  wieder  einzulegen,  doch  sei  das  häufig  nicht 
gelungen.  Um  1879  habe  die  ganze  Summe  reichlich  22  Milli- 
onen Yen  betragen.  Die  amtliche  Statistik  giebt  bis  auf  den 
hontitren  Ta^^  die  geBllschten  Okumaschen  Zaiilen.  Okuma  hat 
als  Finanzministcr  wiedrrlmlt  und  ausdrticklich  erklärt,   dir«  T\o- 

fierun^  liabo  ttir  lautende  liedürfnisse  nie  Papier  aus^^ru'  ben. 
He  Abrochnunjrcn  seien  vollständig  zuverlüssig.    An  der  i'iiat- 
äaclieder  iieimliciien  Papierausgabe  ist  trotzdem  nicht  zu  zweifeln*. 


'  Lokal  wirkte  uucb  die  grofsc  8eidenhau»so  darauf  ein.  Wälirend 
Papier  besser  als  Dollar.s  stand,  standen  Dollars  besser  als  Harrcnsilber. 

•  So  die  Abrechnung  für  l.sGs  bis  isT.i.  lu  „Thirteen  Yearsi*  etwas 
andere  Zahlen,  ohne  s.ichlich  in  Betracht  kommenden  Unterschied. 

'  Die  erste  für  den  Nii'hteinu'cweihten  noch  unverständliche  An- 
deutung über  die  heimliche  Papicrausgabe  tiude  ich  in  den  Erlau teruni^en 
isom  Budget  für  1881/82.  Obgleich  von  da  an  bis  1884  jede«  Budg^et 
re:*p.  Abn  chnung  einen  Poeten  zur  Tilgun;;  dieser  Schuld  enthält  (Ruri 
ire  kin),  ist  der  Sa.  h verhalt  erat  Anfang  I  ^M  leidlich  klargestellt.  Nach 
einer  dein  engUschcn  Lcgationssekrjutär  Gubbins  gewordenen  Mitt^ilnnt; 
htttte  die  sanze  Ausgabe  22  18H  IfiG  Yen  betragen  (vgl.  einen  B- 1  I  t 
von  (J.  in  Japan  Weekiy  Mail  l^^i  Bd.  II  S.  147).  Nach  einer  Notiz,  de.i 
damals  otüziÖseii  Nichi  Nicht  Shimbun  aus  dem  Juni  1865  (Japan  Weekiy 
Mail  1885  Bd.  Kl  S.  550)  wSren  bei  OkmnM  8tiurs  Im  OtUfbet  1881  nwk 
14,«  MiUionen  im  Umlauf  gewesen.   Nach  den  Abreehnongen  fliad  in 


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461 


Wie  grofs  der  auf  diese  Weise  in  Umlauf  gesetzte  Betrag 
zu  verschiedenen  Zeiten  gewesen  sein  mag,  ist  mir  nicht  bekannt. 
Ob  schon  die  leichten  Schwankungen  der  Valuta  im  Jahre  1876 
durch  die  VergrölseruDg  des  PapitTumlaufö  vcranlarst  gewesen 
sind  oder  dadurcfa,  dafs  das  Papier  von  dem  raadien  Suikeii  des 
Silberwertes  gegenüber  Gold  mitgezogen  wurde,  wird  sich  schwer 
entscheiden  lassen.  Wahrscheinlicher  ist  wohl  letzteres.  Da  von 
einer  Aufnahme  der  Barzahlungen  in  der  offiziell  bestehenden 
Goldwährung  keine  Rede  war,  das  bare  Gold  auch  mit  grolaer 
Schnelligkeit  abflofs,  so  mufste  mehr  und  mehr  das  fiiir  den  aus- 
wärtigen Handel  Japans  malsgebende  Silber  auch  für  den  Papier- 
wert entscheidend  werden,  wie  da.s  auch  b<'i  der  ganzen  späteren 
Agiospekulation  der  Fall  war.  Seit  dem  Frühjahr  1877  hat  das 
Papier  mit  Gold  nie  wieder  auf  pari  gestanden.  Im  Folgenden 
ist  der  Regel  nach  nur  vom  Verhältnis  des  Papiers  sum  Silber 
die  Rede. 

Im  Jahre  1877  kam  nun  der  AufsUind  im  Sftden.  Es  ist 
bemerkenswert,  wie  wenig  die  Vtüuta  anfangs  von  dem  Aus- 
bruche des  Aufstandes  beunruhigt  wurde.  Als  die  ersten  Nach- 
richten aus  dem  Süden  kamen  (G.  Februar  per  Dampfer  in 
Kobe),  änderte  sich  das  <:eringe  damalige  Agio,  ^  2  Prozent  auf 
Gold,  2'  2  auf  Silber,  überhaupt  nicht.  Erst  Ende  Februar  ging 
es  auf  2  Prozent  auf  Gold,  4^  4  Prozent  auf  Silber,  sank  aber 
bis  Ende  Mai  wieder  auf  weniger  als  ein  Prozent  jfbr  Silber, 
GU>ld  war  beinahe  pari.  Erst  im  Juli,  als  der  Kampf  sidi  un- 
absehbar ausBudehnen  drohte,  stieg  das  Silberagio  auf  6  Prozent, 
im  September,  als  die  Aufständischen  sich  nocli  <  inmal  der  Stadt 
Eagosnima  bemächtigten,  stieg  es  sogar  eine  Kleinigkeit  darüber, 
obgleich  klar  war,  dai's  es  sich  nur  um  den  letzten  Todeskampf 
der  Rebellen  handelte.  Der  Geldmarkt  war  schon  sensitiver  ge- 
worden. Ende  des  Jahres  stand  Silber  auf  103  ^  Der  Jahres- 
durchöchnittskurs  in  Tokyo  war  103,4. 

Als  der  Aufstand  beendigt  waTi  halte  man  emen  amtlich 
sugestandenen  Papierumlauf  von  120927209  Yen.  Thatsächlich 
waren  es  wohl  schon  gegen  140  Millionen.  Aber  daran  nicht 
genug.  Oerade  in  diese  Zeit  starker  Neuausgaben  von  Papier- 
geld Ikllt  der  Beginn  der  Nationalbankgründungen,  von  welchen 
in  anderem  Zusammenhang  die  Rede  war.  Es  ist  dort  schon 


den  Finanzjahren  1HH0  81  bis  1884/85  zusammen  fUr  „Kuri  ire  kin" 
16  892  898  Yen  ausgegeben ,  was  mit  der  saletet  erwUhnten  Notis  gsni 
gut  vereinbar  ist,  da  die  Ausgabe  war: 

1  SSO  Hl       30  000  Yen 

is.si  S2    4  >^5«M4')  - 

*  Die  übliche  Kursuotiurun^  in  Janan  ist  der  Preis  von  100  Silber- 
ycn  in  Papier.  Die  urginrQnglieh  übliche  Notierung  nach  Bu  braucht 
man  nur  mit  4  zu  dividieren,  um  d;H  ^'Ifirlie  Ergebnis  ZU  erhalten.  Der 
obige  Kurs  wurde  damals  als  412  bezeichnet. 


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4Ö2 


X  4. 


gezeigt,  daljj  für  die  WährungszuetUnde  die  Nationalbanknoten 
nichts  anderes  ak  eine  weitere  Vermehrung  dea  Papiergt  Ides 
wjiren,  da  sie  nicht  in  Metall  eingelöst  wurden  und  Zwangskurs 
hatten.  Am  1.  Juli  1876  waren  auf  Grund  des  alten  National- 
bankgesetses  1420000  Yen  Banknoten  im  Umlauf.  Von  den 
neuen  Nationalbanknofeen  waren  Ende  1877  schon  Aber  13  Hilli- 
onen,  Ende  1878  über  25  MiUioneii,  Ende  1879  fast  34  MÜH- 
onen  un  T.^mkuf.  Daa  Ergebnia  war,  daUb  der  Umlauf  von 
papiernon  OclHzf  iclion  in  der  kurzen  Zeit,  von  Mitte  187(3  bis 
Mitte  lb76,  von  ^vahrsch^■in!i^h  nicht  viel  über  1 00  Millionen  auf 
t'twa  IGO  Millionen,  bis  Milte  1879  auf  etwa  170  Millirjn  n  Yen  sich 
vermehrt  hatte.  Das  war  mehr,  als  die  japanibche  \  oIkswirt*ichaft 
auf  einmal  verdaueu  konnte.  In  den  ersten  Monaten  des  Jahres 
1878  sank  der  Wert  des  Pi^iern  langsam,  aber  unaufbaltflam, 
bis  er  Anfang  März  116  beinahe  errdcbte;  dann  stieg  er  langsam 
wieder  bis  nun  Sommer,  ohne  doch  1 05  (Ende  Juli)  übersteigen 
zu  können.  Von  da  an  kam  der  unaufhörliche  Fall ' .  Im  Winter 
1878  auf  79  war  der  tiefste  Stand  132,6  (am  5.  Februar),  im 
Juni  187^»  kam  man  vorübergehend  nach  heftigen  Schwankungen 
wieder  bis  auf  104,5.  Anfang  Dezember  war  man  wl(  der  auf 
137,5  herunter,  am  10.  Apnl  188U  auf  158.  Die  wieikr  im 
Frühjahr  eintretende  Erholung  brachte  den  Kurs  nicht  höher  ids 
130  (14.  Mai,  am  Tage  vorher  und  nachher  136),  Ende  Oktober 
war  man  herunter  auf  178.  Auch  1881  war  der  iie&te  Stand 
Anfang  April  mit  tiist  182.  Die  FrUbjahrshausse  stieg  auf  nicht 
mehr  als  155.  Ende  September  schon  war  man  wieder  auf 
178,5  angekommen  und  bewegte  sich  bis  Ende  Januar  1882  um 
170.  Der  inzwischen  erfolgte  ümecliwung  der  Finanzpolitik 
machte  sicli  aber  jetzt  geltend.  Während  bisher  in  den  ersti  n 
Jahresnionaten  ein  Minimum  entstanden  war,  sti^  der  Kur>  mit 
geringen  Unter breciuuigcn,  bis  er  Ende  März  143  erreii  lite.  Iiu 
Frühling  trat  wieder  ein  Rückgang  ein  (bis  dahin  jährÜch  imi 
die  Zeit  Steigen),  der  durch  die  Oiokraepidemie  im  Sommer  1882 
▼encbärft  und  durch  Verwickelungen  mit  Korea  im  August  akut 
wurde  ^.  Von  da  an  besserte  sich  der  Kurs  stündig,  bis  er  in 
der  zweiten  Hälfte  1885  das  pari  erreichte.   Zur  Orientierung 


*  Vgl  die  Tabelle  der  monatUcben  DniehBehnitlakune  in  Tokjo 

von  1^'TT  hi^  l^"- •  im  Anbanjx- 

*  Der  Kui-g  staud  in  der  ersten  Augustwache  auf  160— 1(31.  Am 
7.  August  bun  die  erste  Nachricht  von  einem  Überfall  auf  die  japaniaclw 
(•esftiidtschaft  in  Söul.  Der  Kurs  fiel  in  wenigen  Tagen  auf  170,  nach 
Eiiitrc'fFen  der  Nachrichten  von  chinesischer  KuimiBchuug  auf  ITö 
(lO.  August).  Am  21.  stie^'  er  infolge  Kintrelfuiw  der  Nnchricht  von 
glücklicher  Beilegung  des  Zwischenfalles  von  172  auf  168,4  und  ging  am 
2"».  bis  unter  H)d.  Mit  dirspi-  Scnsihilitiit  vergleiche  man  die  Festigkeit 
des  Kurses  vor  der  Inflation  bei  Kintretlen  der  fiachrichteu  vom  Sat«una- 
Aufstand!  Die  nifttere  Terwiekehmgr  mit  Korea  und  China  (Deaember 

])U  April  1885)  erzeugte  gleidifaUs  heftige  Schwankungen,  ygl. 
unten  S.  4ti4. 


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X  4. 


468 


über  die  Entwickelung  mögen  hier  die  Jahresdurchschnittskurse 
der  Börse  in  Tokyo  l'olgen,  mit  dem  amtUcben  und  dem  wahr- 
scheinlichen Papierumlauf  am  L  Juli. 


amtlich 

FkpieromUuif 

Kurs 

wirklich 

1877 

103,4 

1 03  054  662  Yen      ca.  1 20  (?)  Miiiionen  Yen 

1878 

109,2 

137884009 

-   160         -  . 

1879 

121,9 

146499338 

-   170  . 

1880 

147,7 

143098268 

-  160 

1881 

170,4 

140385578 

-  157,2 

1882 

157,0 

140032041 

-   152         .  - 

1883 

126^s 

132618040 

-  138,4 

1884 

108»« 

124844639 

-  125,4 

1885 

105,8 

120466024 

1886 

100 

108649405 

•   (am  1,  April). 

Die  Überschwemmung  mit  Pamer  ttt&ertei  wie  man  sieht, 
nur  allmählich  ihre  Wirkung.  Die  Entwertung  war  am  ärgsten, 
als  die  Papiermenge  schon  wieder  ribnahm.  AIh  der  Parikurs 
hergrsielit  war  (Mitte  1885),  liet  nocii  erheblich  ni<  In-  Pajn'er  um 
als  vor  Ausbruch  der  Unruhen  in  Satsuma,  wahrscheinlich  an 
20  Millionen  mehr*. 

Übrigens  ist  bei  der  Gröfse  des  Papierumlaufes  zu  beachten, 
dafs  eine  zu  yeraehiedenen  Zdten  veracbieden  grofse  Menge  dem 
Verkehr  entz<^gen  im  Reeervefonde  der  Finanzvcrwaltung  lag,  der 
zum  Teil  aoa  Metall,  zum  Teil  aus  StaatsschuldBcheinen,  zum 
Teil  aber  auch  in  Papiergeld  bestand.  Ebenso  wirkten  die 
Steuer trrm ine  und  die  grofsen  Zahlungen  der  Staatskasse.  Nament- 
lich im  iVuhjahr  war  durch  die  nrundsteinTzahiung  eine  p'oi'se 
Menge  Papier  zeitweise  dem  Verkehr  entzogen,  im  Mai  und  No- 
vember wurde  es  durch  die  Zahlung  der  Zinsen  der  btaaUschuld 
plötzlich  wieder  vermehrt. 

Es  ist  wohl  der  Mtthe  wert,  kurz  zu  untersucheD,  welches 
dieGrttnde  der  plötzlichen  starken  Entwertung  waren 
und  wie  die  Entwertung  wirkte.  Bei  der  Besprechung  des  Jana- 
nischen  Münzwesens  ist  im  einzelnen  gezeigt,  wie  die  Edelmetalle, 
zuenst  das  Gold,  dann  aueh  das  Silber,  aus  dem  Lande  <,nn«iren. 
Die  Edelmetallausfuhr  war  möglich,  weil  das  Pa]Mer  die  Hedurf 
nisse  des  Verkelirs  nach  Umlaufsmitteln  betriedigte.  Gold  und 
Silber,  im  Lande  überflüssig,  dienten  zur  Beziihlung  der  Importe, 
welche  infolgedessen  dauernd  erheblich  höher  als  die  Exporte 
waren*.  Das  Papiergeld  konnte  um  so  Tollkommeiier  in  den  ver- 

'  AUerfHnps  war  dnvnn  iss'.'. ,  wie  unten  klar  werden  wiid«  ein 
aemlicher  Teil  dem  Verkehr  zeitweise  entzogen. 

*  Man  vergesse  nicht,  dafs  die  amtlichen  Zahlen  des  Werts  der 
Einfuhr  nur  den  Urspmngswert  danteilen,  nieht  den  Wert  tut  Z«t  der 
Kinluhr.   Vgl.  S.  410. 


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m 


kehr  eindringen  und  sogar  die  silberne  Scheidemtin?:o  verdrängen, 
al»  das  Papier  in  sehr  kleinen  Appoints  ausgegelw  ii  w.ir^  bis 
zu  10  Sen  hinunter.  Mehr  aln  die  Hallte  bestand  aua  Zetteln 
von  1  Yen  und  weniger.  Als  die  giolse  Intiation  von  1877  bij> 
1879  kam,  war  der  Verkehr  im  weaentlicheD  schon  mit  Papier- 
geld erfüllt.  KuQ  kam  nicht  nnr  das  Papier  daeu,  mit  weldiem 
der  Stiat  die  Kosten  des  Krieges  bestritt,  sondern  auch  die  Na- 
tional banknoten,  für  welche  gar  kein  Bedürfnis  vorhanden  war. 
Die  Banken  wufeten  nieist  nicht  recht,  was  sie  mit  ihren  Noten 
anfangen  sollten,  und  Ir^^'ten  sie  in  Staatspapieren  an,  indem  sie 
teils  auf  die  1878  aufgeleckte  Industrifvinfeihe  zeichneten  teils 
Papiere  kauften,  namentlich  die  Abi 'smig>scheine,  deren  Verkauf 
seit  dem  September  1878  gestattet  war.  Dals  sie,  um  ihre  Noten 
zu  verwenaen,  auch  wohl  um  Freunden  zu  helfen,  vielfach  in 
nnyorsichtiger  Weise  Geld  aualiehen,  ist  auch  bekannt.  So  be- 
lebte der  Papierschauer,  der  «nersdts  von  der  Eriegsverwaltang, 
anderseits  von  den  Banken  ausging,  plötzlich  die  Spekulation, 
wie  den  Konsum,  was  beides  die  Preise  erhöhte.  Gleichzeitig 
verschärfte  sicli  das  Ap:io.  Um  die  Importe  in  den  offenen  Hitfen 
zu  bezahlen,  war  Silbrr  nötig.  Der  plötzliche  Andrang  von  Papier, 
die  /imahme  des  Verbrauchs  steigerte  die  Naelifrage  nach  Silber. 
War  erst  die  Tendenz  7-um  Steigen  des  Agio  fidilhar,  so  ent 
wickelten  sich  die  Dinge  ganz  folgerecht  weiter  in  der  Kicluuug 
eines  zwar  mcht  f;leichmttfsigeo ,  aber  allgemeinen  Steigens  der 
Preise,  da  sofort  eine  allgemeine  Spekulation  auf  weiteres  Sinken 
der  Valuta  entstand,  alle  Produzenten  mit  ihren  Waren  möglichst 
sortick  hielten. 

Das  allgemeine  Steigen  der  Preise  erzeuprte  seinerseits  wieder 

auf  kurze  7jM  einen  allgemeinen  fiktiven  Wohlstand,  einen  grofsen 
Aufschwung  aller  Geschälte  und  des  Verbrauchs,  was  wifMlpi% 
ti*otz  der  von  den  Inflationistcn  gepriesenen  schutzzoUartigeo 


'  Am  I.  JqU  1881  war  die  Stfickelting  des  antUeh  xogestaDdenen 
Papiemmlaufs: 

Staatspapier  Nationalbanknoten  Zusammen 

100  Yen-Noten       l'JO.VK)  Yen  —  l'iu.'iOO  Yen 


50  - 

175  700  - 

175  700 

«)  • 

1476  380  Yeo 

1476380 

10  - 

21,^:  5  0-'^:.  - 

2:{  r»s«  (vso 

•>  - 

11711!»V,  . 

1»)  :{»>(»  S5()  - 

2fS  072  H05 

2  - 

12^<1S♦;1K  - 

2.^2^540  . 

15(>4N  1«)2 

1  - 

712  1X4  - 

im947.3  . 

45  ()51  r)57 

50  Sen 

10  :MUMMs  - 

10  mn»  «J4X 

20  - 

b2ti7  7Ui  - 

8267  71«) 

10  - 

69760:)Ü  - 

6976080 

zmammen   105  O?.*}  784  Yen      84  409  844  Yen  140  .S85  578  Yen 

•  Die  erste  im  Inlande  zu  öffeotUcher  Zeichnung  aufgelegte  Anleihe, 
sechspro/^entig ,  zum  Kurse  von  80  aiiig;elegt  £s  atuerte  <&ei  Moastei 
bis  man  sie  unteigebracht  hatte. 


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X  4. 


465 


Wirkung,  den  Import  aufserordentlich  belebte.  Von  1876  bis 
1880  stieg  der  offizielle  Wert  der  Kinfuhr  von  24  auf  36,6  Mil- 
lion pn .  lif'i  n-loichbleibender  Ausfuhr  (20,-:  und  26, s  Millionen). 
Damit  sii «  denn  die  Kacbirage  nach  Öilber  und  das  Agio  wuchs 
entsprechend. 

Dafüj  aber  die  Entwertung  des  Papieres  solclien  Umfang  an- 
nahm, lag  an  zwei  Dingen :  einem  stetig  wachsenden  Mi  fs  trauen 
gegen  die  FSoansverwaltang  und  das  Bankwesen  und  der  Aus- 
beutuDg  dieses  Mifstranens  durch  das  Spekulantentnm.  Japanisofae 
Sachverständige  haben  spttter  den  Ursprung  des  allgemeinen  Mifs- 
tranens gegen  die  Währungszustände  bis  auf  die  Bank-  und 
Handelskrise  von  Ende  1874  zurückgcftihrt ,  als  die  ^rofsen 
Häuser  Uno  und8himada  viele  andere  in  ihien  Sturz  verwickelten. 
Das  mag  teilweise  der  Fall  sein.  Es  wurde  aber  wirklich  von 
Bedeutung  doch  erst,  als  eine  Nation. tibank  nach  der  anderen 
koncessioniert  wurde  und  verständige  Menschen  sich  fragen  mufsten, 
wo  denn  das  hinaus  solle.  WüErend  die  Banknoten  sich  ver- 
mehrten, gab  aber  die  Regierung  in  keiner  Weise  zu  erkennen, 
dais  sie  es  mit  Beseitigung  ihres  dgenen  Papiergeldes  irgend  wie 
eilig  habe.  Die  1877  neu  ausgegebenen  27  Millionen  sollten 
in  nicht  weniger  als  15  Jahren  (1*^79  auf  ^  Jahre  ermJtlsigt)  ge- 
tilgt und  nicht  etwa  durch  f'ourant-,  son<lern  durch  Scheidemünzen 
ersetzt  werden.  Ein  1878  aufgestellter  grolsor  Schuldentilgungs- 
plan, welcher  ausdrücklich  die  Bestimnmng  hatte,  das  Publikum 
durch  die  Versicherung  zu  beruhigen,  dals  die  ganze  Schuld  in 
28  Jahren  getilgt  weide ,  sah  nur  eine  ganz  langsame  Tilgung 
des  Papiergeldes  vor,  fbr  die  5  nächsten  Jahre  1879/84  nur 
10,84  Millionen  Yen,  und  sprach  von  einer  zukünftigen  Aufnahme 
der  Barzahlungen  Uberhaupt  nicht  Die  Schwierigkeit  wurde  mit 
hohl' n  Phrasen  Hn|<^an;]^en.  Die  natürliche  Fol^rf^  der  wirtschaft- 
lichen Ent Wickelung  werde  eine  p^rofse  Vermehrung;-  des  Edel- 
metidlvorrats  sein,  .fedenfalls  dürte  man  ein  s^ites  Ergebnis  der 
Regelung  des  Geldunilaufec»  üchon  vor  dt^r  völligen  Tilgung  der 
Schuld,  d.  h.  1906,  erwarten.  Alle  unerwarteten  Übei-schüsse 
wttrden  Sur  Tilgung  von  Papiergeld  verwendet  werdend  Mit 
einer  EiZpektanz  auf  das  Ende  des  Jahrhunderts  —  von  1902 
bis  190()  sollten  noch  8ö  Millionen  ^^etilgt  werden  —  war  fipei- 
lich  der  japanisehen  Volkswirtschaft  im  Jahre  1878  wenig  gedient. 
"Noch  im  l)ezember  1880  erklärte  Okuiiia  dem  enf^Hschen  Ge- 
schüftstrU^'er  Kennedy  nur,  dafs  seine  Absicht  dahin  '^fhe ,  den 
Betrag  des  umlaufenden  Papierfreidos  }»!nnen  10  Jahren  auf  100 
Milliont  n  Von  herabzubringen  (Umlaut  datiiaU  amtlich  etwa  110 
iiillioneu,  mit  Nationalbanknoten  144  Millionen)  und  diese  mit 
Hülfe  einer  Metalheserve  von  50  Millionen  im  Umlauf  an  er- 
halten. 


1  Vgl.  im  Schnldentilgmigsplao,  Japan  Weekly  Mail  1879  S.  1045. 

FoTschttiig«D  (45)  X  4.  —  IUthg«ti.  SO 


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466 


X  4. 


Dor  dns  ^rnnzf  J/.mä  beunruhigenden  Entwertung'  der  Valuta 
war  weder  187Ü  noch  lö80  in  den  Erläuterungen  zu  den  Budgets» 
auch  nur  Erwähnung  gethan.  Ja,  im  Budget  für  1880  81  hatte 
der  P'inanz minister  die  Stirne  zu  erklären,  dafs  die  Finanzein- 
richtuugen  jetzt  nahezu  vollkommen  genannt  werden  könnten. 
Daa  war  das  Budget  au  einem  FiDauzjahr,  in  welehem  nachher 
die  ordentlichen  Annahmen  um  2,4  Millionen  Yen  hinter  den 
ordentliclien  Aasgahen  zurückblieben  und  innerhalb  dessen  das 
Papiergeld  den  tiefsten  Stand  eiTcichte.  Data  Okumas  Angaben 
über  die  Höhe  des  I^apierumlaufes  unwrihr  gewesen  sind,  haben 
wir  bereits  gesehen.  Abor  es  trehmg  ilim  wenigstens  das  zu  ver- 
heimliclien,  wenn  auch  die  Gerüchte  nie  veiistummten,  es  habe 
eine  heimliche  I*a|jierau8gabe  stattgefunden.  Direkt  auf  den 
Kredit  der  Regierung  mulste  es  aber  wirken,  wenn  völlig  unver- 
einbare ErklMrungen  in  kuraem  Zwischenräume  vom  Ifiniifeer 


einer  Anzahl  von  eigens  daau  eingeladenen  Kaufleuten,  die  Me> 
tallreserve  des  Staates  betrage  30  Millionen  Yen.  Davon  seien 
10  Millionen  in  Osaka  und  20  Millionen  seien  in  den  Kisten, 
welche  er  den  Herren  s  -lhst  zeiiTte'.  Nur  15  Monate  später, 
am  2.  Dezember  18B0,  erklärte  derselbe  Oknma  dem  engli.iciien 
Geschäftsti'äger :  Die  Met;illreserve  beti-age  nur  uiehr  12  Millionen, 
nachdem  in  den  letzten  zwei  Jahren  f\ir  12  Millionen  Yen  Silber 
auf  den  Markt  geworfen  sei.  Vor  drei  Jahren  habe  die  Metall- 
reser^e  noch  30  Millionen  betrag.  Beide  Behauptungen  sind 
so  unTereinhar,  dafs  eine  oder  beide  fidsch  gewesen  sein  mtlssen. 

Einen  ebenso  schlechten  Eindruck  mulste  ^  niachen,  dals 
man  sich  japanischerseits  hartnäckig  dagegen  sträubte,  den  wahren 
Grund  des  Agios  und  der  Preissteigerung  in  den  Wähnmgsvrr- 
hältnissen  zu  sehen.  Zunäclist  mulste  die  allerdings  ziemlich 
schlechte  Heisernte  von  1878  den  Grund  für  das  autiallende 
Steigen  der  Keispreise  hergeben.  Ein  Ausschufs  der  Handels- 
kammer von  Tokyo  berichtete  Anfang  Dezember  —  der  Bericht- 
erstatter war  K.  Masttda  — ,  die  Bäserate  sei  verspätet  und  um 
10  bis  15  Prozent  geringer  als  die  gewöhnlichen  Ernten.  Die 
KeisYorrftte  seien  knapp.  Die  Bauern  hielten  auch  aus  Speku- 
lation den  Reis  zurück  und  das  sei  ihnen  leicht,  weil  aie  über- 
haupt in  sehr  günstiger  Lage  seien.  Die  Vermehrung  des  Papier- 
geldes habe  mit  der  Preissteigenmg  nichts  zu  thun.  Dafs  fjerade 
die  allgemein  irf\nstige  L.ige  des  Bauemstandes  Folge  der  In- 
flation und  des  ^Stoigens  aller  Preise  war,  übfTsah  der  Ausschulfä, 
der  die  bedeutendsten  Kaufleute  Tokyos  enthielt.  Die  von  Ma- 
Sttda  herausgegebene  Zeitung  Bukka  Shimpo  hielt  an  dieser  Ek- 
klttrung  noch  fest,  als  im  Sommer  1879  die  Emteaossiehten 


1  Wohl  einer  der  nairsten  Versuche,  den  waakoidan  Kredit  des 
»Staates  zu  heben,  der  eich  denken  läfst. 


wurden. 


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X  4. 


467 


glttnxend  wami.   Doch  wtunde  sur  Erklärung  der  immer  mehr 

rti^genen  Preiae  der  sehr  vermehrte  Verbrauch  heraiigeEOgeiiy 
die  Seiden-  und  Sahsinduetrie  sich  in  blühendem  Zustande 
befinde,  was  bei  der  ersteren  eben  direkt  die  Folge  des  rasch 

steigenden  Agio  war. 

Da  es  den  meisten  Mensehen  bequemer  ist.  die  Ursache  einea 
unbeliai^lichen  Zustandes  nicht  im  eigenen  Hause,  sondern  ander- 
wärts zu  suclien,  so  war  es  bald  eine  ausgemachte  Sache,  dal'a 
der  fremde  Handel  an  allem  schuld  sei.  War  man  nicht  so  plump, 
wie  das  Hainichi  Shimbun  (eine  der  ,,grol8en*'  japanischen  Zei- 
tungen), welches  Anfang  1879  bei  Gelegenheit  der  ersten  Agio- 
panik  alle  Schuld  an  der  Entwertung  der  Valuta  auf  die  Ver- 
werf liehen  Bestrebungen  der  fremden  Redacteure,  Banquiers  und 
Werhselmakler"'  schob ,  so  klingt  rerhullt  dieselbe  Tonart  durch 
manche  Aufserungen  der  höchsten  Heamten  des  Staats.  So  sagte 
Anfang  August  1880  der  Kanzler  Iwakura  in  einer  Rede  im 
Adelsklub :  „Die  Einfuhr  i^t  bei  weitem  höher  als  die  Ausfuhr,  des- 
halb hat  das  Papiergeld  seinen  Wert  verloren  und  die  Staats- 
finaosen  sind  in  bedenklicher  Läse/  Und  in  der  bereits  eiv 
wähnten  Erklärung  Okumas  an  oen  englischen  Geschäf^strHger 
Kennedy  (2.  Dezember  1880)  sagt  der  Minister,  „dafs  die  Ent- 
wertung des  Papiergeldes  ausschliefslich  der  für  Japan  un;]rtln8tigQn 
Handelsbilanz  zuzuschreiben  sei"  Ein  grofser  Teil  der  japa- 
nischen Presse  griHf  das  nun  eifrig  aul"  und  es  entstand  eine 
förmliche  Doktrin  von  dem  bösen  fremden  Handel ,  durch  den 
das  scheine  Oold  und  Silber  aus  d«*ni  Lande  gelockt  werde  und 
das  Land  verarme.  Wenn  man  bedenkt,  welcher  Unfug  noch 
heute  jeden  Ta^  in  Europa  mit  HandeldsOansen  getrieb^  wird, 
so  darf  man  nnl  den  Japanern  nicht  su  hart  ins  Gericht  gehen. 

(1  nklich  war  aber  dabei,  dafs  die  HetEe  gegen  den  fiemden 
Handel  gans  unzweifelhaft  der  stets  unter  der  Asche  glimmenden 
Abneigung  gegen  alles  Fremde  Nahrung  zugeführt  hat-.  Nur 
vereinzelt  erlioheTi  unter  Japanern  sich  Stimmen,  welche  auf  den 
wahren  Ursprung  des  Agio  hinwiesen,  so  im  April  1880  im  Nichi 
Niehl  Shimbun,  welches  dafür  von  den  übrigen  Zeitungen  leb- 
huii  angcgriü'en  wurde.  Es  bedarf  wold  keiner  nochmaligen  Her- 
yorhebung,  dais  die  Wurzel  des  Übels  die  ttbermäfsige  Papier- 


'  Vgl.  Currency  of  Jajian  S.  JO  i.  Der  Herr  üeschättsträger  hat  m 
seinem  Schreiben  nicht  gesai,'t,  waä  er  seibat  darauf  erwidert  haue.  Eäncx 
seiner  Nachfolger,  Le  Poer  Trench ,  hat  die  gleiche  Ansicht  gana  nam- 
l08  in  seinem  Finanzbericht  von  1H86  wunL^r  vor!r*Mriip:on. 

*  Man  kann  kaum  annehmen,  dafs  Ukuma  wirklich  ;m  jenen 
gegebenen  Grund  selbst  geglaubt  hat.   Es  kam  ihm  (.rt  .  nbat  nur  darmt 
an,  die  öffentliche  AufinerkBamkeit  v  n  In  ScIiuUl  der  Fit.anzverwaitttnjg 
abzulenken.    Ee  ist  eine  tragische  Ver|;eltuHg  für  jenes  tnvole  Spiel  nui 
der  Volkaleidenschaft,  dafe  dieser  selbe  FremdenhaGl,  sieh  »Pj^*".  Igf^SJ' 
Okuma  selbst  kehrte  und  bis  zu  einem  MordanlaU  steigerte,  der  ito  va 
den  Heet  aelaes  Lebens  zum  Krüppel  machte. 

30* 


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468 


ausgäbe  war,  dal's  infolge  dieser  das  Edelmetall  aus  dem  Lande 
abflofs,  und  dals  dieses  Uberfltissifie  Fxlelmetali  es  ennöglicbtei  an 
Waren  erlieblich  uiclir  ein-  als  auszutühren. 

Jjie  merkwürdige  Haltung  der  Regierung  bewirkte,  dafs 
man  schlieüslich  gar  nichts  mehr  glaubte,  Ja  dafs  Gerüchte  geglaubt, 
▼on  SpekakuDten  woU  auch  alwichilich  in  Unolauf  gesetst  wurden, 
fär  welche  richer  kein  Qrond  war.  Da6  man  den  amtfichen 
Angaben  Uber  die  umlaufende  Papiermenge  nicht  traute,  war, 
wie  wir  sahen,  nicht  unbegründet.  Es  wurde  aber  behauptet 
die  Regierung  kenne  selbst  die  umlaufende  Menge  nicht,  da  die 
früheren  Ausweise  1874  verbrannt,  die  älteren  Noten  auch  nicht 
numeriert  seien.  Eine  grofse  Rolle  spielten  bei  dem  raschen 
Steigen  des  Agio  im  Herbst  1879  auch  die  merkwürdigsten  Ge- 
rüchte über  ein  Ereignis,  welches  meines  Wissens  amtlich  nie 
recht  aufgeklart  ist  Thatsache  ist  nur,  dals  im  Sqvtember  1879 
Poliieibeunte  aus  Tokyo  nlOtalich  dnen  der  grOfeten  Eanflente 
Osakas,  den  Priiaidenten  aer  Handelskammer  Fujita,  mit  seinem 
Teilhaber  Nakano  verhafteten,  weil  sie  in  Verbindung  ständen 
mit  der  Inkurssetzung  falsclien  Papiergeldes.  Das  Gerücht  sprach 
von  Millionen  falscher  Scheine.  Andere  behaupteten,  die  Scheine 
seien  gar  nicht  falscli,  nur  der  Kontrollstempel  dos  Finanzministeriums 
sei  gefälscht.  Ka  seien  1  )ruckplatten  abhanden  gekommen  u.  s.  w. 
Als  nach  einiger  Zeit  Fujita  und  Nakano  aus  der  Untersuchungs- 
hafl  entlassen  und  daa  Verfiihren  ohne  jede  weitere  OflfeDÜidie 
Aufklärung  eingestellt  wurde,  entstanden  begreiflicherweise  noch 
schlimmere  Gerttohte  Uber  Kompromittierung  hochstehender  Per* 
sonen  n.  dgl. 

Derartige  Vorkommnisse  waren  natürlich  Wasser  auf  die 
Mühle  der  Spekulation.  Ich  vermag  nicht  zu  sagen,  ob  die 
Lust  am  Spekulieren  und  Hazai-dieren  schon  früher  im  japanischen 
Volke  allgemein  gewesen  ist '  oder  ob  sie  erst  ein  Erzeugnis  der 
Umsturzperiode  ist,  mit  ihrer  Unsicherheit  aller  VerhiUtnisse,  mit 
ihren  Beispielen  plötzlich  hoch  gekommener  Leute  aus  früher 
klonen  VerhaltnlsBen,  mit  ihrer  Erschütterung  des  ganzen  alten 
Moiakystems.  Jedenfidls  ist  der  Spidgdsl,  der  Trieb,  rasch  reich 
sa  werden ,  jetzt  in  Japan  so  scharf  entwickelt  als  irgendwo. 
Hazaidspiel  ist  aulseroraentlich  verbreitet^.    Selbst  die  Spar- 


I  Der  Gedanke  liogt  nahe,  dies  anzunehmen  als  eine  Folge  der 
Krofsei)  Verbreitung  der  Seidenkultur  und  des  Handelsgewächsbaues  mit 
ihren  schwankenden  Erträgen. 

'  Auf  Gnind  de.«?  sehr  strengen  Gesetzes  vom  1.  Januar  1884  sind 

von  den  Polizeibehörden  wegen  ihizurdspieis  verurteilt: 

1884  27  932  Personen     Ibtid   27  024  Personen 

1885  8S765       -         1887  25286 

Es  yerdtent  henrorgehoben  zu  werden,  dafe  in  ffotsr  Qesellsebsft 

Hftzardspiol  für  unanständig  gilt.  IHese  strenge  Anscliauung  von  Sitte 
und  Gesetz  bezieht  eich  natürlich  nur  auf  das  den  kleinen  Leuten  zu- 


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X  4. 


469 


rereme  (Mujm)  der  kleinen  Leute  haben  einen  Lotteriecharaktt-r. 
Mit  dem  Spiclgeiät  liaod  lu  Hand  und  ihn  uiiteiätützend  geht 
der  in  Janan  so  starke  Herden-  und  Modetrieb.  liegend  ein 
Gmnstana  beherrscht  ptotzlich  die  allgemeine  Aufmerksamkat, 
wira  mit  Eifer  und  Hitze  besprochen,  um  bald  der  Ver^essenhdt 
anheimzufallen.  Ist  der  Modege^enstand  nicht  etwas  Abstraktes, 
sondern  ein  Ding  mit  wirtschaftlichem  Werte,  eine  Pflanze,  ein 
Tier,  so  bemächtigt  siVli  sofort  die  Spekulation  der  Sache.  Hol- 
land hat  eine  Tulpenmanie  erlebt,  Japan  liat  im  Laufe  weniger 
Jahre  eine  Schweinemanie,  eine  Kaninchenmanie ^,  eine  Hosen- 
manie,  eine  Omoto-Manie eine  Ran-Manie^  gehabt. 

Reis  war  schon  immer  ein  Gegenstand  der  Spekulation,  die 
aber  imtv  der  alten  Regierung  mc  den  Spekulanten  nicht  un- 
gefthrlich  war  und  dorcn  das  ausgedehnte  staatliche  Speicher* 
wesen  leidit  in  Schranken  gehalten  werden  konnte.  Durch  Ein- 
fUhrang  der  Orandsteuersahlung  in  Geld  war  das  jetzt  gana 
anders  geworden.  D<t  ganze  Jleishandel  war  plötzlich  auf  eine 
andere  Hasis  gestellt  und  suelife  nach  neuen  Formen. 

Zu  allen  diesen  Elementen  trat  nun,  er-jt  bchwach,  dann 
immer  stärker,  das  Agio  und  entfachte  eine  zeitweise  völlig  wilde 
Spekulation  nicht  nur  in  Papier  und  Silber,  sondern  auch  in 
StaatBschuldschdnen  und  rot  allem  in  dem  entsprechend  im  Fkeise 
schwankenden  Reis.  Es  bt  oben  in  dem  Abschnitt  ttber  die 
Börsen  auf  die  gröfseren  Umsätze  der  Rcisbörsen  in  den  Jahren 
1878  und  1879  hingewiesen.  Der  Reispreis  wirkte  zurück  auf 
die  übrigen  Produktenpreise.  Sogar  in  Thee  und  Salz  wurden 
Termingeschäfte  zu  Spielzwecken  geschlossen.  Bei  dem  heftigen 
Hin-  und  Herschwanken  der  Preise  wurde  schliefslich  jeder  mehr 
oder  weniger  zum  S])ukuianten.  NOn  dem  unsauberen  Element 
der  Beiutäspukuianten ,  die  sich  um  d]>.'  Börsen  sammelten,  ver- 
breitete sich  eine  demoralisierende  Wirkung  über  alle  Erlassen  der 
Bevölkerung^  die  höheren  Beamten  nicht  ausgenonmien.  Auf 
einen  ohnehin  nicht  zum  Sparen  und  zu  stetiger  Arbeit  neigenden 


und  £influ&  aui^ettbt  Dafs  die  Spekulanten  manche  der  tollsten 


gitngliche  gewöhnliche  Hasardspiel.  Börsenspiel,  Rtiswucber«  bedenkliche 

Grundsrücksspekulationen  fiii'ii-ii  in  allen  Klassen  ßeteUigung  und  — 
wenn  erfolgreich  --  Anerkemiun«;. 

»  Ein  Tier,  das  mit  uu^rcheurer  Fruchtbarkeit  sich  selbst  bemüht, 
seinen  eigenen  Wert  zu  vernicliten,  ist  wohl  das  scherzhafteste  Objekt 
einer  grofscn  Haupj^e.  Und  doch  stiegen  im  Frühjahr  1873  «lie  Preise 
für  Kaninchen  ins  ungemessene.  Ea  entstand  eine  ^auze  Kaniiichenbörse 
mit  Auktionen.  In  den  benachbarten  chine^hcn  Häfen  war  kein  Tier 
mehr  aufzutreihfn.  Obgleich  die  Bewegunj^  sicli  j:i  selbst  zerstören 
mofste,  schritt  die  Itegierung  ein.  Die  Auktionen  wurden  verboten  und 
«nf  den  Bc«tts  von  Kanmchen  eine  monstliche  Steuer  von  1  Yen  gelegt. 

*  Omoto  nach  Hepburne  Wr)rterbueh  „the  gr<»und  j)inc.  l^icopo- 
rlinin";  Ran  eine  Orchidee.  Vgl.  übrigens  in  C hamb er laiua  Things 
Japanese  S.  IVt  den  Artikel  „Fashiouaule  Craz^*'. 


Vollischarakter 


einea  unheilvollen  Reiz 


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470 


X  4. 


Kursschwankungen  direkt  durch  Verbreitung  und  Aufliauschung 
von  Gerüchten  herbeigeführt  haben,  ist  kaum  su  bezweifeln  und 
bestätigt  europliische  Erfahrungen.  Ebenso  hat  sich  auch  in 
Japan  gezeigt^  daüs  die  Valutaspekulation  mit  Vorliebe  k  la  baisse 
spekuliert ' . 

Soweit  die  kleinen  täglichen  Schwankungen  des  Agio  nicht 
▼on  der  Spekulatbn  hervorgerufen  waren ,  hatten  sie  natftrtidk 
Ihren  Qmnd  in  dem  Bedarf  an  Silber  für  Zwecke  des  ans» 
wärtigen  Handels.  Die  Jedes  Jahr  von  Mitte  FrUhjalir  bis  zum 
Sommer  eintretende  Erholung  des  Kurses  hatte  ihren  Grund  wesent- 
lich darin,  dafs  in  diese  Zeit  nach  der  Theeernte  und  nach  Beginn 
der  Seidensaison  die  liauptausfuhr  fiillt.  Im  ganzen  iiiil8::hiekt 
aber  jeder  Versuch  die  Agioscli wankungen  direkt  und  ausschlietk- 
lich  auf  den  auswärtigen  Handel  zurUckzuftihren.  Gerade  tUr  den 
Monat,  in  welchem  das  gröfste  Steigen  des  Agio,  von  75  auf 
mehr  als  80,  etattfiind,  den  März  1881,  ist  festgestellt,  daft  von 
den  japanischen  Hftndlem  in  Yokohama  mehr  japanische  Pro- 
dukte verkauft  ah  fremde  gekauft  sind.  Die  Bewegung  war 
rein  spekulativ. 

Während  die  höchsten  Staatsbeamten  dem  auswJlrtigen  Handel 
die  Schuld  an  allem  Übel  gaben,  aeigen  die  Mal'snahmen  der 


*  Was  Krainar  (Papiergeld  in  ( »sterreieh  seit  l'<4><)  über  <lii'  Jk'- 
dcutung  der  S|iekulatioTi  für  die  Schwaiiknujrfii  und  di«'  Hohe  des  Agios 
sagti  scheint  mir  für  Japan  noch  mehr  zuzutreten.  Wälirend  Östenreich 
durch  seine  Lage  unmiterbrocheii  ttnfserNi  O^bren  ausgesetast  iit,  flUIt 
dii^ser  (^runtl  füi  Kurs^<rhwankungen  bei  Japan  si>  gut  wie  ganz  weg. 
In  der  ganzen  Zeit  von  1^18  bis  IK^l  ist  in  Japans  änfseren  Verh&U- 
nisscn,  aufser  einem  etwas  scharfen  Notenwechsel  mit  China  wegen 
Ryuk^u  im  Frühjahr  1879,  gar  nichts  ▼oigekommen,  was  ilgemlwie  b*  - 
drohheh  Ijiitto  wirken  können.  Die  innere  politische  Lage  war  j  Ii  nf  ilU 
sehr  viel  bes&er  und  sicherer,  als  sie  von  li^73  bis  16^6  gewesen  war. 
Wesentlich  icheint  mir  aber,  dafs  die  Spekulation  doch  nur  ihre  Ifaebt 
erhielt  aus  dem  ticff^ewiirzelten  und,  wie  ich  zu  zeigen  gesucht  habe, 
begründeten  ^!1^^4t^auea  gegen  die  Finanzverwaltang,  sowie  aus  den 
socialen  ZiiäÜiudüU. 

In  einer  Besprechung  des  Kramarechen  Buches  in  Sc  Inn  ollers 
Ja)ir))ucli  fUr  Ge^r'tagebung,  Verwaltung  und  Volkswirtschaft  XI  74d  ist 
die  Kede  von  dem 

„Untergrund,  von  drin  aus  die  Umgestaltung  Österreichs,  der  unver- 
mittelte Übergang  von  der  Stagnation  des  wirtBchaAlieben  Lebens 
während  der  ersten  Hälfte  dieses  .lahrhunderts  zur  modernen  Geld- 
und  Kreditwirtschaft  und  zum  kapitaUstischen  Grofsbetrieb  »ch  voU- 
Bog.  Das  ni^rige  Niveau  der  allgem^ncn  und  specieU  der  wirt- 
schaftlichen Bildung,  der  Mangel  an  einem  wirklichen  Kanfmanns- 
stande,  die  geringe  merkantile  und  politische  Erfahrung  und  Schulung 
der  unteren  Wirtschal'tskreise  einerseits,  andererseits  die  Qewisseo- 
losigkeit  der  hOhoren  Kreise  " 

Auf  Japan  pafst  das  alles  fast  in  noch  höherem  Giade  als  auf 
Osterreich,  statt  des  a.a.O.  erwJilntten  lierrschenden  Feasimismus  braucht 
man  nur  daa  japanische  Voikstemperament  einzusetzen,  das  einmal  ebenso 
tief  niedecgeschlagen  ist,  wie  es  den  nXehsten  1  ag  ausschweifendea  £r> 
Wartungen  sich  hingiebt 


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X  4. 


471 


Finanzyerwaltung,  dafs  man  sich  der  Gründe  der  Kufb- 
flchwankuDgen  docli  wohl  brnviifst  war. 

Gegen  daa  aüp^pm  'ino  Milstrauen  waren  die  verschiedenen 
zuversichtlichen  Verorientlichungen  Okumas  gerichtet  Die  Ein- 
leitungen 7M  den  Budgets  wie  die  Abrechnungen  über  die  früheren 
Finanzjahre  bis  zum  30.  Juni  1877,  welclie  in  den  Jahren  1879 
und  IBSOmciuenen,  die  1879  erfolgte Ver&ffisntlichun^  eines  Planes, 
die  ganze  Staataschnld  bis  1906  su  tilgen,  sollten  diesem  Zwecke 
dienen.  Ende  1880  vertafste  Okuma  eine  auch  englisch  er- 
schienene Denkschrift  (A  General  View  of  Financial  Policy  during 
thirteen  Yejirs,  18()8 — 1880),  welche  die  Gesundheit  der  Finanzen 
des  Staates  darthim  sollte.  Nun  kann  hn  ruhiger  Beurtoilung 
nielit  zweifelhaft  sein,  data  vieles,  was  da  vorgebracht  war,  durcl» 
aus  zutraf  Es  war  ganz  richti«;,  dafs  die  Staatsschuld  in  ihren 
Hauptteilen  uur  eine  neue  Form  alter  Verodichtungen  und  dafs 
die  Auagabe  des  Papiergeldes  1868/72  una  1877  unvermeidlich 
war.  Aber  den  guten  Eindruck ,  den  ofiene  und  ebrliche  Er- 
klärungen hätten  machen  müssen,  '▼erdarb  sich  Okuma  durch 
das  Bestreben,  die  Dinge  gar  zu  rosig  zu  malen,  durch  die  lahmen 
Auseinandersetzungen  tiber  die  Nationalban ken,  durch  die  neben- 
sächliche Rehandhinrr  der  ganzen  Vnhitasehwierigkeit.  Der  kind- 
liche Versuch,  dureh  Voi*zeigen  der  Kisten,  in  welchen  die  Metall- 
reserve der  Kegierun«»:  Hcire,  das  Vertrauen  zu  heben,  ist  sehen 
oben  erwähnt.  Alles  das  konnte  aber  nichts  nützen ,  solange 
nicht  der  ernste  Wille  das  Übel  an  der  Wurzel  anzugreifen 
erkenntlich  war. 

Mit  den  Mafsregeln  gegen  die  Spekulation  traf  man  auch 
nur  die  Symptome,  ohne  dauernde  W  irkung  üben  zu  können. 
Schon  als  Ende  Oktober  1878  die  erste  gröfsere  Beunnth^ung 
eintrat,  wurden  die  Wechsler  scharf  vermahnt  dir*  Kar^^e  nicht 
zu  flriK  k*  n,  während  gleichzeitig  grölsere  Mengen  bdber  auf  den 
Markt  geworfen  wurden  (angeblich  zwei  Millionen  Yen).  Es 
folgten  die  im  dritten  Kapitel  schon  erwähnten  Mafsregeln 
betreffend  die  Börsen ,  da  man  wohl  hoffte  die  Spekulation  so 
besser  fiberwaehen  zu  können^  am  18.  Februar  1879  die  Ge- 
stattung einer  Börse  in  Yokohama,  am  22.  September  die  Er- 
laubnis an  den  Börsen  in  Tokyo  und  0>aka  Abschlüsse  in  Gold 
und  Silber  zu  machen.  Als  aber  der  Treis  von  Reis  und  Silber 
rapid  stieg,  wurden  am  12.  Aj)ril  18S()  ^Kurs  l.'R)  die  Br)rsen 
geschlo8s*'n.  Die  Re/^ieruni;  verkaufte  Silber  und  vc.ät<i^fTte 
grofse  Mengen  Keis,  oline  dals  dessen  Detailpreise  sich  gebessert 
hätten,  wahrend  die  Grolsjpreise  nur  vorübergehend  etwas 
fielen.  Am  4.  Mai  wurden  die  Effektenbörsen,  am  3.  Juni  die 
Bensbörsen  wieder  geöffnet ,  doch  zogen  die  Reismakler  es  bis 
aum  Oktober  vor  die  Börse  nicht  au  besuchen. 

Weder  die  Polizeiaufsicht  über  die  Börse  noch  das  stofs- 
weise  Verkaufen  von  Silber  konnte  auf  die  Dauer  etwas  holten. 


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472 


Durch  letzteres  wurden  die  Schwankungen  nur  T^ennehrt^  imd 
die  Metalh-eserve  ohne  jeden  bleibenden  Erfolg  geschwächt. 
Dagegen  fühi-te  jeder  Versuch,  für  Zwecke  der  FinanzTcrwaltnng 
Silber  auf  dem  Markte  zu  hcsdiafTen  zu  ein»'!-  sofbrtifrcn  Deroute. 
Dies  gab  den  Anlafs  zu  rL  in  sj»:iter  in  ausgetlehiitem  MalHe  fort- 
gesetzten Verfahren,  die  lallbedürt'nisse  der  Finanzvcnvaltung 
in  Europii  in  der  \\'ei8e  zu  decke«,  dais  lui  Staatsrechnung 
Produkte  im  Lande  gekauft  und  nach  Europa  verschi^  wurden. 
Seit  dem  Finanzjahr  1878/79  hatte  man  aucn  die  Einziehung 
yon  Papiergeld  in  Angriff  genommen.  Bia  aum  30.  Jum 
1881  hatte  man  durch  Ti%ung,  Ausgabe  von  KinsatsuscheineD 
imd  Abschreibung  eingerufcncr,  aber  nicht  prüseotierter  älterer 
Noten  den  amtlich  zugeaümdenen  Papierumlauf  um  15  Millionen 
Yen,  von  (nA  121  auf  knapp  100  Millionen,  vormiTid^  rt.  Durch 
die  Vi  rnu'lirun^^  der  Nationalbankuoten  war  das  aber  mehr  als 
ausgegliclien  (in  denselben  3  Jahren  17,4  Millionen).  Erst  Ende 
1879  hörte  die  Errichtung  neuer  National bankcn  auf.  Irgend 
welche  gute  Wirkung  konnte  man  also  nicht  erwarten. 

Es  ist  fraglich,  ob  man  eine  mäCsige  Entwertung  der  Valuta 
anfangs  in  manchen  Kreisen  nicht  ganz  gerne  gesehen  hat 
Durch  da.s  Steigen  der  Produktenpreise  hörten  die  vorher  so 
lauten  Klagen  der  Bauern,  der  zahheichsten  Klasse  im  T>ande, 
mit  einem  Schlage  auf,  die  Steuern  ginLren  leiclit  und  reicldich 
ein,  Handel  und  Wandrl  schien  zu  blülu  ii  und  „rdlers  das  durch 
die  WortsteigcTüug  d«'.s  mexikanischen  Düllaia  Uiukka  Shimpo, 
Januar  1879,  in  Japan  Weekly  Mail  1879  S.  95 j.  Intlatioaistische 
Theorieen.  amerikanischen  Ursprungs  waren  in  der  Presse  >  und 
wohl  auch  in  Regierungskreisen  populftr.  Ich  glaube  auch  nichts 
dafs  die  Vermutung  ungerecht  ist»  dafs  vielen  einfluTsreichen 
Leuten  die  durch  Spekulationen  mögliche  rasche  B^cbemng, 
die  gute  Ausnutzung  der  ('hancen,  welche  die  Operationen  des 
Finanzminist'  rinnis  boten,  wenn  man  nur  rechtsseitig  davon  wnü^te^ 
hoch  willkommen  war. 

Die  im  Herbf«t  1S80  eintretende  grofse  Entwertung  unifste 
aber  doch  zu  bedenklich  erscheinen.  Die  Gesclüiftc  wurden  ge- 
lähmt, aller  Kredit  erschüttert,  der  Zinsfufs  sti^  zu  unglaublicher 
Hohe,  auch  die  Staatspapiere  sanken  aufoeror&ntiich''. 

•  /  H  Avar  am  Novembor  l^-^O  ,l<  r  Kurs  104.  Durch  Silber- 
vcrkäufc  des  FinauKministeriuma  war  er  bis  zum  2ö.  mittags  «uf  152 
p^bmcht  nnd  stand  am  27.  wieder  auf  166. 

'-'  Über  den  Bildungsgimd  der  Prost'«'  iirti  ilc  mau  danach,  dafs  die 
untor  der  Littcr  it' t-klnss»»  nngesehensUi  volkswirtachaftliclie  Zeitschrift 
«Keizai  Zaahhr  nocli  im  Winter  lt<äri<2,  zur  Zeit  der  tiefsten  Entwertung, 
mit  Eifer  die  Ansicht  verfocht  die  Entwertung  habe  ihren  Grund  dsiin. 
dafs  zu  wiMiijx  iiii  üinlmif  «ei     Die  erste  Pflicht  d«T  Ke^ieninpr  sei, 

da&  aus  dem  Umlaut  im  Kcservetonds  zurückgehaltene  Papiergeld  schien- 
nigflt  unter  das  Publikum  zu  bringen. 

"  Sicben|irozontige  Kinvokuscheine,  die  im  Dezember  1879  noch 
7^-  79  standen,  fielen  bis  zum  l-').  Dezember  18t<0  auf  61«»,  was  also 
einem  Zins  von  11,4  Prozent  entspricht. 


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X  4. 


473 


Dazu  k  im.  dafs  die  Staatifiiiaiiaen  selbst  in  einer  nicht 
unbedenklichen  Lage  waren,  wovon  man  freilich  im  Publikum 
nichts  wufste  Wie  die  späteren  Alirr  clmungen  zeigten,  genügten 
im  Jahre  lö8t)81  die  ordentlichen  Einnahmen  niclit  zur  Deckung 
der  ordendiclien  Ausgaben  (58  037  000  Yen  Einnahmen  gegen 
60491  000  Yen  Ausgaben).  Das  Gleichgewicht  war  nur  durch 
die  aufserordentliche  Einnahme  hergestellt  Ebenso  war  der 
Beaervefonds  in  Bediingnis.  Bei  einer  Höhe  von  mehr  als  50 
Millionen  Yen  enthielt  er  naeh  Okumaa  eigener  Angabe,  die  sicher 
nicht  zu  niedrig  war,  im  Dezember  1880  nur  mehr  12  Millionen 
in  Metall.  Der  Rest,  soweit  er  nicht  Uberhaupt  in  Unter- 
nehmungen festlag  und  somit  thatstichlich  kein  „Fonds'  wf^r,  be- 
stand zu  ein»  ni  sehr  erheblichen  Teile  in  Staatspapieren,  welche 
man  angekault  hatte,  um  ihren  Kursrückf^ang  aufzuhalten,  und 
welche  eine  Art  Tilgungsibnds  zur  Durchführung  des  Schulden- 
tilgungsplans  bildeten. 

Man  entschlois  sich  endlich  dem  Übel  adbet,  der  Papier- 
ausgabe, energisch  an  Leibe  zu  gehen  und  that  aas  nun  auch 
rücksichtslos.  Am  5.  November  1880  erschien  das  wichtige 
Gesetz  48,  in  dessen  Einleitung  erklärt  wurde,  die  Staatsausgaben 
müfsten  eingcschrJinkt  werden,  um  die  Einziehung  des  Papier- 
geldes zu  beschleunigen  und  die  hierzu  verfü|^'baren  Fonds  zu 
vermehren.  Es  wurden  deslialb  gewisse  JStaatsaus^aben,  nament- 
lich die  Kosten  dea  grollten  Teiles  des  Gefringniswesens  und  der 
öffenthchen  Bauten,  auf  die  Bezirke  abgewälzt,  deren  Kommunal- 
▼erwaltong  im  Jahre  vorher  auf  Grund  der  Gesetae  von  1878 
neu  oi^nisiert  war.  Um  die  Bezirke  aar  Tragung  der  neuen 
Last  in  stand  zu  setzen,  wurde  das  Maximum  der  Grundsteuer- 
zusehläge  ftlr  Beairksawecke  von  einem  Fünftel  auf  ein  Drittel 
der  Staatsgrund  Steuer  erhölit.  Die  MalWegel  bedeutete  also  that- 
sUchlieh  eine  Steuerorliöhung,  nur  n;ilim  sit-  dor  Stiiat  nielit  direkt 
vor,  sondern  überiieis  Ue  Aufh-gung  den  n(;uen  I >ezirkötagen, 
wodiu-ch  die  Uupouuhintät  der  Malkregel  sehr  gemildert  wurde. 
Die  durch  dieses  Gesetz  bewirkte  Erleichterung  der  Staatskasse 
wurde  auf  2Vt  Millionen  geschfttat,  betrug  thatsächlich  aber 
mehr  ^.  Es  wurde  femer  allen  Behörden  äufeerste  Sparsamkeit  ein* 
geschärft,  so  daCs  man  bei  dm  Ausgaben  f\ir  die  Staatsbehörden 
eine  Million  zu  ersparen  hofiite  (thatsächlich  fast  Vit  Millionen). 
Es  wurde  die  Veräufserung  aller  nicht  einträglichen  sta^atlicben 
ITntfrneliTiningen  b^schlo^^s»'?!  und  endlicli  die  bereits  1878  {i;anzlich 
uiiiiTf  Stakete  und  erliohte  >teuer  auf  Sake  verdoppelt.  Naeli  den 
Krbiuterungen  zum  Budget  für  18H1  82  gewann  man  auf  diese 
Weise  im  ganzen  reichlich  12  Millionen  Yen.  Davon  sollte  ein 
Teil  fbr  omitärische  Zwecke,  sowie  Vollendung  von  Eisenbahn- 


>  Nach  den  Abrechnungen  des  Staats  \XHI  S2  Minderauagaben  bei 
deu  betreffenden  Posten  gegen  18^0  81  gegen  >  IfilUonen»  Mehnwqgab^ 
Dach  den  Abiedmnngen  der  Bezirke  3,t  MilliooeD. 


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474 


und  Ti-'legraplienHnien  verwendet  werden,  der  gröfsere  Teil  aber 
auf  die  Tilgung  von  Papiergeld  (nämlich  zu  nraprünglieh  in 
Aussicht  genommenen  3^  •>  Millionen  3V'2  Millionen  mehr),  sowie 
4'  2  Millionen  zur  Rückzalilung  von  Geldern,  welche  „aus  dem 
Reservefonds  den  Ministerien  gelielien     seien,  ist  meinem 

WissenB  der  erste  amtliche  Hinweis  auf  die  heimliche  AuBgabe 
der  YolMBatsa.  Dafa  diese  Summe  gldchfidls  zur  Tilgung  toh 
Papiergeld  bestimmt  war,  konnte  damals  der  Uneingeweihte  noch 
nicnt  wissen. 

Die  En^ie,  mit  welcher  man  nun  vorging,  nachdem  man 
sich  endlich  aufgerafi^  hatte,  verdient  alle  Anerkenn htil'"  ^  T>oeh 
konnte  eine  unmittelbare  Wirkung  bef^reif licherweise  nicht  ein- 
treten. Das  Vertrauen  war  zu  sehr  er.schiittert.  Als  im  März 
1881  Koten  in  neuer  Form  ausgegeben  ^^ur(ien,  erklärte  die 
Spekidation  das  fUr  eine  neue  Papiergeldausgabe,  und  das 
Agio  erreichte  fast  82  Prozent  Während  der  Beispreis  schon 
1881  unter  die  Stttse  von  1880  surQckging,  blieb  das  Agio  das 
ganze  Jahr  1881  hindurch  aufserordentlich  hoch,  was  durch  ver- 
schiedene äufsere  Umstände  unterstützt  wurde.  Die  Seidenaiis- 
fulir  stockte  (Herbst  ISSl)  monatelang  giin/licli  infolge  eines 
grofsen  Streites  zwischen  den  fremden  und  den  japaniacheD 
Seidenhändlern.  Dazu  kam  die  grofse  innerpolitische  Aufre^rnn^ 
tlber  den  Skandal  wegen  Verschleuderung  der  Kaitiikushi-Untor 
nehmun^en  (S.  377  Anm.  2)  und  die  Bewegung  um  üewährung 
einer  Yolksrertretung.  Dafs  diese  Bewegung  mit  dem  Ver- 
sprechen dner  Verfassung  gleichzeitig  den  Sturz  Okumas  her- 
beifiihrtey  der  sich  von  den  Finanzen  der  hohen  und  Intriguen- 
politik  zugewandt  hatte,  ist  in  anderem  Zusammenhange  bereits 
erwähnt.  Mit  Okuma  yerliefs  nach  japanischem  Brauch  eine 
ganze  Schar  seiner  Anhänger  und  Klienten  das  Finanzministerium 
und  bildete  den  Kern  einer  liberalen  Oppositionsp  irtei  Die  in 
diesem  Augenblicke^  nicht  gerade  sehr  begehrenswerte  SteiluAg 

>  Es  liegt  in  der  Natur  der  absolaten  Kcgierungsfonn ,  dafa  man 

nicht  weifs,  wem  dieser  C^ni^clnrunp  der  AnschauuDir  ni  wesentlich  zu 
danken  ift.  Es  licet  nahe,  ihn  mit  der  Andorunp  der  Organisation  der 
Centraliej^icrung  (März  1K80)  in  Verbindung?  zu  bringen,  durch  welche 
die  Steliong  des  Departementschefs  (Kyo)  von  der  eines  QeheimeD  Rats 
(Sangt)  getrennt  wurde.  Okuma  gab  das  Ministerium  an  T.  Sano  ab,  blieb 
aber  ab  äansi  au  der  Spitze  der  ganzen  Fiuanzleitung.  Der  bisherige 
Viceminlster  Matsukata  Qbemahm  das  Ministerium  des  Innern.  Dafs  Sano 
der  Urheber  der  neuen  kräftigen  Mafsregeln  gewesen  sein  snllte.  i.^t  mir 
unwahrscheinlich.  Dagegen  ist  wohl  möglich,  dafs  manches,  was  Okuma 
bisher  für  sieh  gemacht  hatte,  in  der  alten  Weise  nicht  lortgesetzt 
worden  konnte  und  die  übrigen  Mitglieder  der  fiegienang  mehr  mflab 
erhielten.  (Vgl.  S  m  :) 

^  Der  Silberkuib  »taud  im  »Sommer  um  ItiO 

am  16.  September  170 

-  27.         -  1T^<,^ 

-  7.  Oktober  172 

-  15.  -  175 
•  28.      -  170 


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X  4. 


475 


ils  Leiter  des  Fmanzweaens  Ubernahm  der  firtthere  Viceminister 
Matsukata.  Von  1882  an  trat  die  nur  durch  die  koreanischen  Wirren 
im  August  1882  unterbrochene  Besserung  der  Valuta  ein  und 
damit  die  Bufse  für  den  Bau8cli  von  187Ö  bis  1880. 


IV.  Die  Wieitertieratellung  der  Valuta. 

Matsukata  Ma.sayoshi  ist  ein  Siiizoku  aus  Satsuma. 
Ein  Altersgonossc  der  KevolutionsmM'nner  von  18<)S\  ist  or  bei 
den  damalij^en  Ereignissen  docli  in  keinor  Weise  hervorgetreten. 
Bis  zu  Antiiug  1880  ViceministcT  der  Finanzen  unter  Okuma, 
vertrat  er  seine  einflufsreiche  Landsmannschaft  in  dem  wichtigen 
Ministerium.  Ein  echter  Uepnlsentant  deä  Satsuinatypuä,  ist  er 
in  vielen  Besiehungen  der  gerade  O^nsate  zu  seinem  Vorgänger 
Okuma.  Mit  einer  gewisse  Würde  der  Haltung  verbindet  sieh 
eine  biedermännische  Nüchternheit  Ohne  vhm  Spur  geniaier, 
schöpferischer  Ideen  besitzt  er  eine  ruiiigc  Ekiergie,  die  leicht  ab 
etwas  beschränkter  Eigensinn  erscheint.  Es  war  im  ganzen  eine 
^rute  Wahl,  da  die  Aufgabe  der  Herstellung  dor  \'aliita  einen 
Mann  crlbrderte,  der  fest  auf  sein  Ziel  los  ging,  unbeirrt  durch 
das  Geschrei,  das  notwendig,'  entstehen  raufste,  wenn  die  Landes- 
waiirung  auf  pari  mit  Silber  liinaufgebracht  werden  sülite. 

Eine  tüchtige  Stütze  ftir  die  laufende  Verwaltung  hatte  der 
neue  Minister  in  dem  Viceminister  Go,  einem  erfahrenen  aUen 
Beamten,  der  noch  in  der  Finanzverwaltung  des  Bakaiu  thätig 
gewesen  war. 

Hebung  der  Valuta  durch  Verminderung  des 
Papiergeldes  war  die  allem  anderen  voranstehende  Att%abe 

der  neuen  Finanzverwaltung,  wie  das  durch  das  Gesetz  48  vom 
5.  November  1880  bereits  ausgesprochen  war.  Ziemlich  erheb- 
liche Mittel  f\ir  diesen  Zweck  waren  auch  im  Piudget  für  1881  82 
bereitgestellt.  Docli  war  im  Jahre  1881  noch  wenig  geschehen^. 
Erst  im  Jahre  1882  wurden  von  der  neuen  Finauzverwaltung 
u  m  f a  s  s  e  n  d  e  M  a  Ts  r  e  g  e  1  n  in  A ni!:riff  genommen,  um  der 
Agiowirtsclmlt  gründlich  ein  Ende  zu  machen. 


>  Offisieller  Papiorgeldumlaaf 

I  ir»i'A.  i  i-m  \-^,  («O  die  Nachweisungen   über  den 
«m  1  Jnli  1881  )       ^''^ -^'^-^  Stand  der  Staltsschuld) 

**  ^  \       n — (so  die  späteren  Nachweisunireii  über 

|  1059<  ,,  .io    •  d«i  FapfeiiseldoraM 

•    -    -    1882     105695228  - 

Die  VermimU'rmi^  erfolgte  durch  Ausgabe  von  Kirisatsuschoinen. 
Die  im  liudget  zur  Tifjfung  augowieBeneu  7  Millionen  Yen  kumon  erst 
im  nächsten  Jatire  /mv  Vcrweucluiig.  Dagegen  wurde  die  lieiuWtche  Aub- 
gabe  om  4  859 145  Yen  Termindert. 


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476 


Um  den  Umlauf  des  Papiergeldes  zu  beschränken,  wurde 
vor  allem  die  heimliche  Papierausgabe  beeeitigt.    Es  wurde 

weiter  Papiergeld  getilgt  teils  durch  rimtatiseh  gegen  zinstragende 
Obhgationen,  teils  direkt  aus  den  Mitteln  des  Budgets.  Von 
dem  verbleibenden  Papier  wurden  grofse  Beträge  aus  dem  Ver- 
kehr gezogen,  teils  durcli  Veräufsening  der  im  Reaervetonds  be- 
findlichen Staat^diuldscheinej  teils  durch  Auflage  einer  Anleihe 
2um  Ejaeubahubau,  deren  Ertrag  man  znnftchst  noch  nicht 
brauehle.  £b  wurde  endlich  eine  Reform  der  Kationalbanken 
und  eine  Venninderung  ihrer  Kotenausgabe  yorgenommen. 

Diesen  so  zu  sagen  negativen  Majsregeln  standen  als  positive 
zur  Vorbereitung  geordneter  Währungsverhältnisse  zur  Seite  die 
Gründung  einer  staatliclieri  Tentralbank  mit  bankrailfsig  gedeckter 
Notenausgabe  und  die  Sammlung  einer  Metallreserve.  Für  alle 
diese  Mal'bregeln  waren  dann  die  Mittel  zu  beschaffen  durch 
Steuererhühungen,  durch  Sparsamkeit,  durch  angemessene  Ver- 
wendung der  staatlichen  Fonds.  Die  letzte  Gruppe  von  Mals- 
regeln  endlich  traf  die  gewerbsmälsige  Spekoiation  durch 
polizeiliche  Kontrolle  wie  dunsh  hohe  Börsensteuem. 

Ehe  wir  dies  alles  im  einzelnen  schildern,  sei  über  das  Er- 
gebnis vorangeschickt,  daCs  am  Ende  des  Finanzjahres  1884/85 
die  heinilielie  Papierrm^gabe  beseitigt,  die  offene  auf  knapp  90 
Millionen  vermindert  Mar.  Die  Nationalbanknoten  beliefen  sich 
zwar  noch  auf  30,6  Millionen,  aber  ihre  geordnete  Einziehunj^ 
war  gesichert.  Die  Mittel  des  Reservefonds  waren  liquide  und 
bestanden  zu  einem  erheblichen  Teile  aut«  Edelmetall.  Die  Aus- 
gabe bankmäßig  gedeckter  Silbemoten  duidi  die  neue  Central- 
faank  hatte  begonnen.  Das  Agio  war  so  gut  wie  yerschwonden 
und  die  Finanzverwaltung  fühlte  sich  stark  genug  am  6.  Juni 
1885  fUr  den  1.  Januar  1886  die  Aufnahme  der  Barzahlungen 
anznkündigi-n.  Es  war  eine  glänzende  Leistung,  aber  erkauft 
mit  schweren  Leiden  und  fiirchtbarer  Not  der  wirtschaftenden 
Bevölkerung. 

Die  Beschaffung  der  zur  Durch tuhrung  der  Pläne  der 
Regierung  notwendigen  Mittel  erfolgte  in  der  Hauptsache 
durah  Weiterentwickelung  des  Steuersystems,  namentlich  der 
Verbrauchssteueni,  von  denen  der  27.  ijezember  1882  eme  ganse 
Auslese  brachte.  Die  schon  1880  verdoppelte  Sakesteuer  wurde 
abermals  auf  das  Doppelte  erhobt,  von  2  auf  4  Yen  filr  den 
Koku.  Die  Tabaksteuer  wurde  bedeutend  verschürft,  ebenso 
die  Börsensteuern.  Auf  fertige  Medizinen  wurde  eine  neue 
Steuer  gelegt.  Um  dieselbe  Zeit  (IG.  Dezember)  wurde  auch 
eine  Reihe  von  1 'ostgebUhren  heraufgesetzt.  Am  17.  Apiil  181^3 
folgte  eine  Erhöhung  der  Schiffhiiteuer,  am  23.  Februar  1884 
eine  solche  der  Gerichtskosten  und  am  1.  Mai  1884  die  der  Stempel- 
steuern. Am  8.  Mai  1885  endlich  wurde  eine  Steuer  auf  Shoya 
(Bohnensauce)  wieder,  ^ne  Steuer  auf  Kuchen  neu  eingeföhit. 
Dem  finanziellen  Erfolg  dieser  Steueigesetie  wirkte  alterdings 


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X  4.  477 

entgegen,  daCs  unter  dem  Einflüsse  der  wirtschaftlichen  Stagnation 
nm\  des  Sinkens  aller  Preise  mit  der  Konsumfkhigkcit  acr  Be- 
völkerung der  Verbrau«  ii  dtT  besteuerten  Gegenstände  und  der 
Ertrag  der  Steuern  zuriiekging.  Das  Gesaiii  tauf  kommen  au  in- 
ländischen Staatssteuern,  dias  1880.81  51180000  Yen  betragen 
hatte^  stieg: 

1881/82  auf  57400000  Yen 
1882/88  '  08470000  - 

um  dann  zu  üäilen 

1883  84  auf  G2ÜÖUU0U  Yen 
18Ö4/85    -    62240000  - 
1886  87    -    61380000  - 

Immerhin  waren  das  not  Ii  ]  n  Millionen  mehr  als  1880  81. 
Die  Einnahme  der  Tost  stieg  von  lül^OOO  Yen  im  Jahre 
1881/82  aui  2  273000  Yen  im  Jahre  1883  84. 

Dafs  wesentlich  infolge  der  Abwttkun^  von  Stsatsausgaben 
auf  die  ftearke  das  Steueraufkommen  in  diesen  von  125(K^00O 
Yen  im  Jahro  1880/81  auf  1790n  o  0  Yen  im  Jahre  1882  83 
stieg  und  sich  annähernd  auf  dieser  Höhe  hielt,  ist  gleichfiüls  in 
diesem  Zusammenhange  zu  erwähnen'. 

Gröfsere  Schwierigkeiten  machten  die  Versuche  der  Herab- 
setzung der  Staatsausgaben.  Angesiehts  innner  neu  auftretender 
Bedürfnisse  nützten  alle  Ermahnungen  zur  Sparsamkeit  wenig. 
Am  28.  April  1881  wurde  ganz  pobiliv  angeordnet,  dals  die 
Auagaben  aer  ▼erschiedenen  CentralbehOrden  (Staatsrat  und  10 
Ministerien)  auf  drei  Jahre  festgesetzt  seien.  Eine  Vermehrung 
dürfe  in  dieser  Zeit  durchaus  nicht  stattfinden.  Trotzdem  Uber> 
schritt  die  Ausgabe  dieser  Behörden  (Staatsrat  und  Ministerien 
ohne  Hausministerium)  die  Maximalgrenze  von  18380000  Yen 
schon  1882  83  um  cinf  halbe  Million  und  18'^1  erreichte  sie 
2llU0r»U0  Yen  Von  rl<  r  Mehrausgabe  kamen  mein-  als  zwei 
Drittel  auf  (lis  Krirg>iiiiniaterium.  Auch  sonst  steigerten  neue 
Bedüriaiöse  die  Au^^abcn,  so  dal's  die  ordentliche  Ausgabe,  ver- 
mindert um  den  Betrag  der  Schuldentilgung,  nach  dem  Rttck- 
gang  von  1881/82  dauernd  stieg;  sie  betrug 

1880  81  54057000  Yen 

l^s'i  82  481-13000  - 

lb^2  83  51  180  000  - 

1883.84  53150000  - 

1884.85  50318000  - 


'  Dafs  die  Geinmnde.steuern  v..ii  M  470  000  Yen  auf  17  400  000  Yen 
in  den  beiden  gonnnnton  Jahren  stiegen,  hat  mehr  seinen  Grund  in  dem 
allgemeincQ  Steigen  der  Preise  in  den  Jahren  1880  und  1881.  Die  ge- 
samte  inländitehe  Besteaenmg  stieg  von  79400000  Ten  auf  100  560  OuO 
Yen  in  diesen  swei  Jahren. 


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478 


X  4. 


Auch  nhrjf^  Sclmlrlontilgung  war  die  Ausgabf^  :!lso  im  letzt- 
genannten Jahre  schon  wieder  grölser  als  1880/81  trotz  Abwälzung 
von  etwa  3  Millionen  aut"  die  Bezirke. 

Neben  der  Erhöhung  der  ordentlichen  Einnahmen  wurden 
in  den  beiden  Jahren  1883/84  und  1884;  85  die  zur  Schulden- 
tilgung verwendbaren  Mittel  noch  durch  Entnahmen  am  dem 
Beeervefonde  verstirkt  in  Hohe  von  im  ganzen  12844485  Ten^ 
Im  Jahre  l  s84  85  mnd  auch  2  Millionen  ans  dem  gleich  zu  be- 
aprechenden  Eisenbahnbaafonds  entlieben. 

Mit  den  auf  diese  verschiedenen  Arten  flüssig  gemachten 
Mitteln  wurde  nun  vor  allem  die  heimliche  Papier  aus- 
gäbe beseitigt  Kacb  den  Abrechnungen  sind  oafUr  aus- 
gegeben: 

1880  81  80000  Yen 

1881/82  4859145  - 
1882/83         6121241  • 

1883  84  5228765  - 
1884/85  503  747  - 


fsoHunmen   16882898  Yen 
davon  seit  1882/83   1 1 943  753  - 

Aufserdem  sind  von  der  offenen  Papiergeidaus- 
gäbe  direkt  mit  den  Mitteln  des  £tat8  getilgt: 

188283  *      7000000  Yen 
1888/84       3  300000  - 
1884/85  ^:\vu)i}n 


ssnsammen    13640000  Yen 

In  dt  Tj  genannten  drei  Jahren  sind  also  aus  den  Einnahmen 
25|C  Miilionen  zur  Tilgung  von  Papiergeld  verwentiet. 

Weniger  bedeutend  war  die  \'erminderung  durch  Um- 
tausch von  Papiergeld  gegen  ^ech^prozeuiige  in  Metall 
verainaliche  und  rttckzahlbare  StaatBadiuldaoheine  (Kinaataa- 
Schdne).  Wie  schon  eiirähnt  (S.  459)^  waren  duich  dieses 
Mittel  1873-  75  2238550  Yen,  dann  wieder  von  1879/80  bis 
1881  82  3  777850  Yen  eingezogen.  Bis  Ende  1883  waren  faner 
652  850  Y'^en  solcher  Scheine  ausgegeben.  Dtirch  das  Gesetz  48 
vom  28.  Dezember  1883  wurden  dann  an  IStelie  der  alten  auf 
den  Namen  eingetragenen  Ooldbonds  auf  den  Inhaber  lautende 
Silberbonds  gesetzt.  Da  das  Ai^io  bereite  stark  im  öch winden 
war,  eine  Anlage  in  diesen  Papieren  also  raachen  Gewinn  ver- 


'  Nämlich  1(M;:):i.>öO  Yen  l>^s:VS4  und  2  190926  Yen  IS^  l  v'. 

*  Die  Vx'tri'rt'enden  Stirnnu^n  stolten  unter  den  Aufgaben  des  jedes- 
mal vorhergegangenen  Finanzjahres.  Aus  den  Übersichten  über  den 
Stand  der  Staatnehiüd  eigiebt  sich  aber,  dafs  die  Tilgung  in  Wnküeh- 
keit  in  den  oben  angegebenen  Zeitrftnmen  erfolgte. 


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479 


sprach,  auch  infolge  der  Stagnation  des  WirtschafUlebens  der 
Zinsfuls  jetzt  ganz  annelmibar  erschien,  wurcb^  eine  r/iemliehe 
MenL':^  von  diesen  Papieren  untergebracht,  nämlich  tür  7U21MJ00 
Yen  in  den  beiden  Kalenderjahren  1884  und  1885,  wovon  aller- 
dings 6496900  Yen  erst  in  der  zweiten  Hiüfte  von  1885,  un- 
mittelbar vor  Aufiialime  der  Barzahlungen  ^  In  den  hier  zunächst 
in  Betracht  kommenclen  Jahren  1882/83  bis  1884/85  nnd  im 
ganzen  nur  2085850  Yen  Papier  durch  Kinsatsuadieine  ersetst 
Durch  diese  Mafsregeln  waren  alao  vom  1.  Juli  1882  bis  zum 
30.  Juni  1885  von  dem  staatlichen  Papiergeld  27669603  Yen 
getilgt.  AufserdeTTi  aber  war  durch  die  in  einem  früheren 
Kapitel  eingehend  besj>rochene  I^efnrm  der  Nationalbanken 
(S.  184)  deren  Notenumlauf  in  derselben  Zeit  um  3811415 
Yen  vermindert.  Im  ganzen  waren  also  am  1.  Juli  1885 
31,5  Millionen  Yen  Papiergeld  weniger  vorlianden 
ab  am  1.  Juli  1882,  in  runder  Summe  nodi  120,5  Millionen*. 

Thatsttchlich  war  aber  die  Kontraktion  der  umlau- 
fenden Geldmenge  sehr  viel  erhebUcher.  Zunächst  erreichte 
man  schon  1882  eine  gewisse  Einschränkung  durch  schärfere 
Kontrolle  der  Nation albanken.  Man  wird  sich  erinnern,  dafs 
diese  verpflichtet  waren,  ein  Viertel  ihres  Notenundnufr  in 
Landes wührinig:  als  Einl«sung:sfonds  zu  halten^,  um  welciies  also 
der  (^lesamtundauf  aich  veriiiiudt^i  te.  Bei  vielen  der  Banken 
wurde  diese  gesetzliche  Bestimmung  aber  nicht  beachtet  und  ein 
Teil  dieter  Reserve  befand  sich  thatsiIcUich  im  Umlauf.  Durch 
regelmäfsige  Inspektion  wurde  dem  ein  Ende  gemacht,  bis  durch 
die  Bankrefonn  von  1883  diese  Summen  ttberhaupt  den  Banken 
entzogen  wurden  zur  Bildung  des  NotentilgUD^onds.  Die  zu 
diesem  Zwerl^c  erfolgende  Anlage  der  ganzen  humme  von  7'  > 
Millionen  in  ^SUiatspapieren  würde  mni  diese  ganze  Men^e  Papier- 
geld plötzlich  wieder  in  Umlauf  gebracht  haben,  wenn  man  die 
Staatsschuldscheine  auf  otfenem  Markte  gekauft  hätte"*.  In 
WirkUchkeit  that  man  nichts  dergleichen.    Die  nötigen  Staata- 


*  Nicht  aufser  acht  zu  lassen  ist,  dals  von  dieMD  Scheinen  wohl 
der  grörstn  Teil  von  staatlich  direkt  od  fr  indirekt  kontrollierten  Fonds 
oder  Anstalten  aufgeoommen  ist.  Direkt  nacbweiseu  kamt  ich  den  Erwerb 
von  3 170  000  Ten  dunrh  die  Nihon  Ginko  1884  und  1885  and  von  1 OQOOOO 
Yen  für  (Ifii  Snncialfoiids  (Sliiinonoseki-Indeiiinitrit).  Die  Anlic^r  v-n 
Geldern  des  llnltVfonds  in  diet-en  Sc  heinen  wird  otltizieli  erwäkut.  Die 
Shokiu  Ginko  erwarb  l^^^ö  fUr  ÖGti  >^00  Yen. 

»  Staatspapiergeld      89  880. 52«  Yen, 
Nation aihniiknoten  30Ö8Ö4ÖÖ  - 
Von  den  iSilbernotcn  der  Nihon  Qinko  waren  i^80l;i;i0  Yen  in  Umlauf. 

*  Naeb  der  Notenaiugabe  am  1.  Juli  1882  (34  396  813  Ten)  6  449  203 
Yen,  da  die  Adelsbaiik  bis  1883  für  15  MilUoaen  nur  eioe  Reserve  von 
5  li'rozcnt  zu  halten  brauchte. 

*  In  der  That  wurde  von  nicht  Eingeweihten  eine  Verschärfung 
dri  Ajipos  infolge  dieser  Mafsregcl  erwartet.  Vgl.  z.  B.  den  Bt  richt  von 
Gttbbina  vom  Febniar  1884,  Japan  Weekly  liail  1884  Bd.  U  S.  147. 


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480 


papiere  wurden  dem  Reservefonds  a}>irekaiift,  in  den  der  Kauf- 
preis gelegt  wurde,  so  dafs  der  Markt  weder  iUr  »Staatsschuld- 
ächeine  noch  für  Papiergeld  berührt  wurde. 

Hieran  schlielst  sich  eine  weitere  Maläregel.  Der  Keserve- 
fonds  bestand  überhaupt  zu  einem  grofsen  Teile  aus  Staats- 
adnüdachdnen,  welche  die  FinansrerwaltUDg  gekauft  hatte^  am 
einen  sa  argen  Preiasturz  aufisuhalten.  Die  neue  BlDanitötuag 
tauBchte  diese  Staatsadiuldscheinc  allmUhlich  gegen  Papiergeld 
um,  einmal  an  dem  Zwedce,  die  Mittel  des  Reservefonds  liquide 
zu  machen,  anderseits  um  so  Papiergeld  aus  dem  Verkehre  zu 
ziehen.  Diese  Operation,  über  welche  Gonnueres  nicht  bekannt 
ist,  scheint  bis  zum  SomiiuT  1)^85  beendet  gewesen  zu  sein. 
Die  Verminderung  des  Faj)i(  ruui lautes  durch  diese  Mittel  darf 
man  vielleicht  auf  15  Millionen  Yen  schätzen'.  Die  Frage  hegt 
nahe,  wie  es  möglich  war,  eine  solche  Menge  StaatsschuIdscheiDe 
auf  dem  beschränkten  japanischen  Geldmarkte  untersubringen» 
während  gleicbzdtig  die  Kurse  andauernd  stiegen.  Wahrscheimich 
hat  die  Finanzverwaltung  an  den  offenen  Markt  sich  überhaupt 
nicht  gewendet.  Dafs  sie  das  nicht  nötig  hatte,  zeigen  andere 
Zahlen.  An  den  Kinl  isungsfonds  ftlr  Nationalbanknoten  konnten 
1883  fiir  7»'9  Millionen,  bis  Ende  l^Sn  flir  0  Millionen  veniufsert 
werden.  Beim  Ackerbauhülfslonds  sind  vom  1.  Juli  1882  bis 
30.  Juni  1885  4  233000  Yen  in  Staiitäpapieren  angelegt.  Die 
Postsparkasse  hinterlegte  beim  Finanzministerium^  in  den  vier 
Kalenderjahren  1882  bis  1885  7  725000  Yen.  Ailräi  diese  drei 
staatlichen  Fonds  ermöglichten  also  in  der  angegebenen  Zeit  die 
Anlage  von  fiist  21  Millionen  Yen,  ohne  irgendwie  den  Gdd- 
markt  in  Anspruch  zu  nehmen^. 

Eine  bedeutende  zeitweise  Verminderung  des  Geldumlauf-^ 
bewirkte  der  Finanzminister  endlicli  auf  dem  Wege  der  Anleihe. 
Gleichzeitig  mit  dem  Gesetz  über  die  Ausgabt'  neuer  Kiusatsu- 
scheiue  wurde  am  28.  Dezember  1883  (Nr.  47)  eine  Anleihe  im 
Nominalbetri^e  vou  20  Millionen  Yen  genehmigt,  zur  Erbauung 
der  NalMsendo- Eisenbahn.  Obgleich  die  betrrafenden  Summen 
noch  nicht  gebraucht  wurden,  kamen  schon  in  der  ersten  Hälfte 


*  Nämlich  wenn  wir  annehmen,  dnf^  etwa  'io  Millionen  de«  Tv  -^erve- 
fonds  iu  Staatspapicren  bestandeu,  dafs  dagegen  die  Nationnlhaiikcn  iu 
ihren  Einlösungsfonds  ö  Millionen  gehabt  hätten. 

-  H -zw.  .-fit  1.  Juli  l-^^'i  bfn  d(»r  Depositenkasse.  Die  Erhöhung 
des  Ziusiul'ses  bei  der  Postaparka^äe  hatte  wohl  wesentlich  den  Zweck, 
das  Vorgehen  der  Finanzverwaltung  zu  erleichtem. 

•  Auch  tlir  t'isten  Anlagen  von  (ieltlem  der  Nihon  Ginko  sind  aller 
WahrRolM'iji!;!  hktit  nach  dem  Reservetonds  entnommen.  Sie  erwarb  im 
ersten  Jahre  liiies  Bestehens,  1?S*<3,  2  4^i2ö2ö  Yen  nominal  in  Wert- 
papieren ^  davon  1  12-5000  Von  in  siebenprozentiffen  Kinroku  and  — 
liöclist  "i  Tifli  r^ir  1  . '^1 17 'i'J*"!  Yen  in  ..:ilter"  Schuld.  Dafs  vou  den 
lelzt^euaunteu  Schuld  titein  bis  in  die  neueste  Zeit  nichts  ausgelost  bt« 
obgleich  xegebdiraige  Tilgung  stattfindet,  ist  auch  merkwürdig. 


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X  4.  481 

des  Jalirei  1884  15  Millionen,  im  Juni  1885  die  letzten  5  Milli- 
onen zur  Ausgabe  Dadurch  wurden  1884  13507000  Yen,  1885 
4784000  Yen  dem  (Teldumlauf  entzogen,  während  sie  fUr  Zwecke 
des  Eisen bahnbauea  nur  langsam  wieder  ausgegeben  ^vurden, 
vollsUindig  erst  bis  zum  März  1889^  Die  rasche  Ausgabe  der 
Nakasendo-Anleilie  liaUe  also  tliuttiächlich  die  Bedeutung  einer 
anticipierten  Papiergeld tilgung  durch  Ausgabe  von  verzinalichi^n 
StaatBBchiildflcheinen 

Durch  alle  die  erwähnten  Operationen  sind  also  rund  etwa 
33  ^Unionen  Yen  dem  Geldumlauf  entzogen.  Durch  die  im 
einzelnen  nicht  genügend  bekannten  Operationen  mit  dem  Reserve» 
fonds  vermindert  sich  dieser  Betrag  Allerdings  wieder^.  Immerhin 
dürften  e^  im  Sommer  18b5  im  ganzen  mindeatens  20  MiUionen 
gewesen  sein. 

Das  Ergebnis  war  also,  dals  die  wirklich  umlaufende 
Pap  iergelduienge  in  den  drei  Jahren  vom  1.  Juli  1882  bis 
Eum  1.  Juli  1885  um  den  dritten  TeO,  von  mehr  als  150  Milli« 
onen  auf  etwa  100  Millionen  herabgeaetat  wurde^. 

Daneben  traten  nnn  die  Malkregeln,  durch  welche  die  Auf« 
Dahme  der  Barz^ihlungen  vorbereitet  werden  sollta  Die  Orttn- 
dung  einer  Centraibank,  welche  als  ( >rgan  der  Finanz- 
▼erwattung  «eh  mehr  und  mehr  zwischen  den  Geldumlauf  und 


>  FOr  die  ersten  Jahie  bin  idi  anf  dnige  tuwttBammenligngende 
Notuoa  angewiesen.   Es  sind  aas  dem  BäsenbahnbaiifondB  der  £ueaeahn> 

Verwaltung  überwiesen: 

Nach  einer  Mitteilung  an  deu  englischen  Legations- 

sekretär  Trench  Juni  1884  bis  Februar  1885  (J. 

W.  M,  m:>  IV  358)  .   997911  Yen 

Bis  znm  Bescblufs,  die  Tokaidobahn  zuerst  zu  bauen, 

(Juli  laSG)   4  27U0OO  - 

Bit  amn  31.  Hta  1887   .  7102000  - 

-  -      -    1888    11540  000  . 

-  -      -     1889    IHHo.'jUoü  - 

Die  drei  letzten  Zahlen  nach  den  Berichten  des  Eiscnbahnamts. 

*  Übrigens  scheint  anfänglich  eine  so  eehneUe  Begebung  der  An* 
leihe  nicht  beabsichtig  gewcscj»  /u  sein.    Sie  wurde  reraalaillt  durch 

die  unerwartete  Leichtijrkeit  der  Unterbringung. 

*  Für  Staatsausgaben  sind  verwendet 

«OB  dem  ÜMervefonds  1883/84  nnd  1884^  12844000  Yen 

aus  dem  Eisenbahnbaufond.s  13^>  rs.->  2000000  • 

Dagegen  sind  dem  Reservefonds  aus  den  Mitteln 
des  Etuta  überwiesen  lb84  85  7  000  000  - 

Wie  grofs  der  Betrag  war,  der  durch  Edelmetall  ersetzt  ist  und  dem 
Umlauf  wieder  zuflofs,  ist  mir  nielit  bekannt 

*  In  den  Kassen  der  öffentlichen  Banken  waren  an  Papiergeld 

am  81.  Dez.  1881  am  31.  Dez.  1885 
Natiouaibankcn       11592  851  Yen      11^86  945  Yen 
ShokinOinko             88408  -  418266  • 

Nihon  Ginko  —   2725721  - 

Zusammen  11681258  Yen      14530932  Yen 

Foraehungen  (45)  X  4.  -  R«Ui8*n.  31 


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482 


den  Staat  srl^pben  sollte,  ist  oben  in  dem  Kapitel  Bankwesen 
bereits  i  inLCcliriid  behandelt.  Das  Oeset/.  über  die  l^ank  erschien 
bereits  iui  .luni  1882.  Im  nächst'  ii  FriihjHhr  wimle  sie  eröffnet. 
Vom  1.  Juli  1884  an  begann  äie  m  Silber  einlösbare  bankmäfsig 

tedeckte  Noten  auszugeben,  wdehe  aUmählich  ganz  an  Stelle 
er  biBherigen  papiernen  GMdzeiohen  treten  soUen. 

äe  SnfUnrung  des  Instituts  der  Schatzacheine  im 
Jahre  1884  stand  ^dch&lU  in  Zusammenhang  mit  der  Koneoli- 
dierung  der  Währungsverhältnisse,  da  vorher,  wie  erwähnt,  zur 
Deckung  vorti berge!) end  eintretenden  Geldbedtirfniaees  seitweifle 
Papiergeld  ausgegeben  war. 

Die  wichtigste  Mafsregel  war  die  Beschaffung  des 
nötigen  Edelmetallvorrates,  um  die  Barzahlungen  auf- 
nehmen zu  können.  Eine  auswärtige  Anleihe  zu  diesem  Zweck 
aufzunehmen,  scheint  zwar  um  ISSiemstlioh  erwogen  zu  sein*. 
Ifan  hat  wohl  schon  in  London  Unterhandlung  deswegen  an- 
geknüpft. Doch  sind  schliefslich  alle  solche  Absichten  aufgegeben 
und  man  half  sich  auf  andere  Weise.  Leider  ist  aber  weder  Uber  die 
vorgenommenen  Operationen  noch  über  den  jeweiligen  Retrap:  von 
l^>1elmet;ill  im  Reservetbnds  eine  irenaue,  autoritative  Aufklärung 
gesehen.  Man  ist  ^anz  auf  emzelne  otfiztöse  Notizen  und  ge- 
iegentliclie  Auiserunri^en  anj^ewiesen. 

Der  Edelmetallvorrat  in  Händen  der  Regierung,  den  Okuma 
Ende  1880  auf  12  Millionen  Yen  bezifferte,  soll  im  Oktober  1881 
zur  Zeit  Ton  Okumas  Rücktritt  nur  mehr  7  340000  Yen  betragen 
haben  ^.  Die  Metallmnnahmen  der  Regierung  beschränkten  sidi 
auf  die  Zölle,  damals  rund  2,«  Millionen  jäkrlich,  und  die  Aus- 
beute aus  den  Staatsbergwerken  ^.  Die  in  Metall  zu  l  istenden 
Ausg-aben  wurden  möglichst  eingeschränkt.  So  wurde  die  Zahl 
derer,  die  zu  Studienzweeken  auf  Staatskosten  sich  im  Auslande 
aufhielten,  von  <»4  jm  Jahre  1S80  81  auf  5o  im  Jahre  1882  83 
vermindert.    Die  Ausgabe  lur  Gesandtschaften  und  Konsulate  war 

1880  81       891  206  Yen 
dagegen   1881  82      464993  - 
1882^83.      530895  - 


*  Das  Oknma  nahestehende  Ho^hi  Shimbnn  hat  Ende  1885  ao- 

gedeutet,  dafs  sclion  issu  Okuma  den  Abschlufs  einer  Anl>  ihr  von  10 
[illionpn  Pfund  Srerling  befürwortet  habe,  um  mit  dieser  Summe  die 
ßar/aliluugen  aufzuaulunen.  Er  Imbo  Jedoch  mit  seinem  Vorschlag  nicht 
dur<  lidringen  können  (vgl.  Japan  Weekly  Mail  IHH.")  IV  601).  Zu 
den  früheren  amtliehen  Äufperungen  Okumas  pafst  das  nicht  recht.  Dafs 
der  AbscbluTs  einer  Metallanleihe  eine  richtige  Maüuregel  gewesen  wäre, 
IMfst  sieh  nieht  bestreiten. 

^  So  das  offiziöse  Niehl  Niehl  Shimbnn  im  Jnni  1885,  vgl.  Japan 
Weekiy  Mail        III  ö^o. 

«  Die  Ötaatsbergwerke  haben  iibgeliefert  von  1881  82— 10^54^5 
Gold  im  Werte  von         000  Yen  (Papier) 
Silber-       -      -     1906000  - 


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X  4. 


483 


Die  Zahl  der  in  iapanischen  DieiiBleii  stehenden  Atialäader 
wurde  ao  vernündert,  dafs  die  fkir  sie  nötige  Ausgabe,  die  gröfsten- 
teüs  in  Metall  zu  leisten  war.  von  696000  Yen  im  Jahre  1880  81 
auf  456000  Yen  im  Jahre  1883  84  sank.  Audi  die  Maten;il- 
anschaftungen  im  Auslände  wurden  sehr  eingeschränkt*.  l>ie 
Ausj^aben  f\\r  die  auswärtigen  Anleihen  wurden  dadurch  ver- 
mindert, dais  die  erste  Anleihe  (von  1870)  bis  1881  ganz  ge- 
tilgt war. 

Durch  alle  diese  Ifafaregeln  erreichte  man  wenuntens  soviel, 
dafs  die  in  Metall  zu  leistenden  Ausüben  von  18S2  bis  1884 
wohl  durch  die  Metalleinnahmen  geeckt  worden  sind.  Zur 
direkten  Vermehrung  der  Metallreserven  der  Re^erung  aber 
dienten  jene  bereits  mehrfach  erwälmten  Handelsoperationen. 
Teils  wurden  Landesprodukte,  wie  Keis  und  Seide,  die  im  Binnen- 
lande mit  Papier  gekauft  waren,  direkt  auf  8taatsreehnung  aus- 
geführt und  im  Auslande  verkautt.    Teils  diente  das  Wechsel- 

feschäft  der  Shokin  Ginko  dem  gleichen  Zwecke,  welche  Aus- 
ihiigflter  beüeh  und  die  geliehenen  Summen  in  Europa  und 
Amerika  in  Gold  surlickerhielt.  Über  den  Umfang  dieser  Opera- 
tionen,  ttber  die  wahrscheinlich  erheblichen  Verluste  bei  den 
Warenverkäufen,  tiber  die  durch  fortdauerndes  Sinken  des  Silber- 
wertes an  drni  CuM  gemachten  Gewinne  u.  s.  w.  ist,  wie  gesagt, 
Genaues  nicht  bekannt-*, 

Zur  Besserung  der  Währungsverhuitnisse  sollten  endlich 
IMafsregeln  gegen  die  Spekulation  dienen.  Neben  ver- 
scliärftcr  l'olizeiaut sieht  führte  man  vor  allem  höhere  Börsen- 
steuern  ein  (27.  Dezember  1882),  welche  in  der  Hauptsache  den 
B^^rsenmaklmi  aufgelegt  wurden.  Diese  antworteten  damit,  dafs 
sie  aufhörten,  die  Börsen  zu  besuchen.  Das  führte  dann  natnr^ 
gemäls  zur  Entstehung  von  Winkelbörsen  im  Freien.  Durch 
das  p^anze  .lahr  1SV3  zog  sieh  der  Kriep^  der  Polizei  gep^en  diese. 
Meist  liefs  sich  den  Leuten  nichts  naeliweisen  als  „Hcnimung 
des  Strafsen Verkehrs  dureli  Ansarandungen".  Die  (^»scliftfte 
wurden  durch  Hfindedruek  innerhalb  der  weiten  japanischen 
Aruiel  abgeschlossen  (^„tamoio-auba").  Zwischen  Osaka  und  Kobe 
ttberadtteMen  die  Spdeulanten  den  Kurs  durch  optische  Signale 
die  Bergkette  entlang.  Die  Find^kdt  des  Spekulantentums, 
sich  öffentlichen  Lasten  za  entziehen,  hat  sich  auch  in  Japan 
glänzend  bewährt. 


*  Z.  B.  wurde  die  Zahl  der  Lokomotiven  von  1881— I^Sj  nur  von 
40  auf  52  «rhSht 

-  In  den  Erläuterungen  über  Voränderan^en  im  Bestände  des  Re- 
servefonds sind  als  Ausgaben  und  Verluste  beim  Umtausch  von  Papier 
gegen  Metall  erwähnt: 

1S82  8:^   :^  102  000  Vtu         im')  ><1      :104  rm  Yen 
1883^84    17:^9304    -  1887/88     852  250  - 

1884/85   2  007006    -  1888/89   1180115  - 

31* 


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I 


484  X  4. 

Irgend  einen  besoDderen  Erfolg  kann  man  der  polizeilicfaa 
Beaufsichtigung  der  Börsen  nicht  zuschreiben.  Die  Ausbeutung 
jedes  Oerüchtes  zurKr7«^'ULMiTiG;heftiffer  Kursschwankungen  dauerte 
fort'  und  erst  mit  Autnahme  der  BarzabiuugeD  luüim  die  Agio- 
spekulation naturgcmiitk  ihr  Ende. 

Auch  sonstige  Maibregelu  der  Finanzverwaltung,  welche  da^s 
Vertrauen  des  Publikums  beleben  sollten,  kann  man  nicht  gldck- 
lieh  neoDen«  Sa  worden  von  Zeit  za  Zeit  mit  einer  gewiasen 
Feierlichkeit  gröfsere  Mengen  ▼<m  Papie]|;eld  öffmilich  verbrannt, 
was  gar  keinen  Eindmck  machte,  da  niemand  wufste,  ob  es 
sich  um  wirklich  eingezogene  oder  nur  um  alte  durch  neue  er- 
setzte Scheine  handelte. 

Was  in  Wahrheit  wirkte,  das  war  die  ras>clie  Veniiinderung 
der  Umlaufsmittel  um  ein  volles  Drittel  im  Verlaufs  von  nur 
drei  Jahren.  Einen  mefsbaren  .^Vusdnick  erhielt  die  Kontraktion 
in  dem  Geringerwerden  «und  sdilielslichen  Verschwinden 
des  Agio,  was  im  Herbst  1882  nch  aoerst  dauenid  geltend 


*  Die  Kursschwankungen  bei  der  zweiten  Verwickelung  mit  Korea 
waren  sogar  ▼erhältnismärsig  heftiger  als  die  oben  (S.  462  Änm.  2)  er- 
wähnten vom  August  1^>^2.  Der  Kurs  li-itff'  im  November  1<^4  sich 
awiflchen  liKi  und  107  bewegt  und  war  Antau^  Dezember  allmählich 
gesunken  Ms  auf  111,t  am  Sonnabend  den  Id.  Desember.  Es  ist  wohl 
möglich,  dafs  schon  die?  Sinken  den  Operationen  von  Spekulanten  zu- 
zuschreiben ist,  welche  Von  kommenden  Ereicrniftsetj  wnfsten  oder  ahnten. 
Nachdem  die  Ke^icrung  um  1.'.  abends  anitlicli  isaciuicht  von  einem 
blutigen  Revolutionsvcrsuch  in  Korea,  der  Einmischung  japanischer 
Truppen  zu  Gunsten  iler  unterlegenen  Part«  ;  mifl  Kiimpfen  zwischen  den 
japanischen  und  den  chinesischen  Truppen  erhalten  liatte,  er()tinete  die 
Borte  am  15.  Desember  mit  einem  Knrse  von  116,«,  weleher  die  Wodie 
über  sich  hielt.  Wieder  am  Sonnabend  erfolgte  der  Entschlnfs,  dafs  der 
japaniische  Minister  iles  AupwUrtipen ,  drai  Inonyr,  f^elbst  mit  einet 
Truppenabteilung  nach  Kurea  gehen  solle,  und  der  Kurs  iiel 

am  22.  Dezember  auf  119,»  (Abfahrt  Inouyes) 

-  23.       -         -  123,t 

-  24.       -         -  \2(> 

-  25.       -         -  130 

-  26.       -  -    140  (!j 

-  27.       -  -  135,» 

Dura  achwankte  der  Kurs  zwischen  120  und  l'^O,  bis  am  Sonntag 
den  11.  Jannar  18^^!>  die  Nachricht  von  einem  glücklichen  Abgchlufs  mit 
Korea  kam.  Am  Montag  den  12.  Januar  eröff'nete  darauf  die  Börse  mit 
HG  und  der  Kurs  stieg  weiter  bis  109,s,  sank  dann  über  \regm  der 
drohenden  Verwickelungen  mit  Chin  i  Fn  !  '  Januar  und  den  ganzen 
Februar,  bis  er  wieder  fast  I.SO  erreichte  inlolge  Abordnung  einer  Special- 
nüaaioii  nach  China,  und  hob  sich  nor  langsam  wieder.  Er  stand  am 
16.  April  auf  114,  als  di»  Nachricht  von  dem  Absdilusse  dey  Tientsin- 
Vertrages  zwischen  Li  Huug  ühang  und  dem  Grafen  Ito  eintrat.  Sofort 
sti^  der  Kurs  auf  110  und  besserte  sich  dann  dauernd,  erreichte  104  am 
2.  Hai,  101  am  6.  Mai. 

Bei  dem  enfren  ZnpRmmenhnnfr  der  Kursbewegung  mit  den  poli- 
tischen Nachrichten  erscheinen  liic  damals  erneuten  of^öaen  Versuche, 
das  Wacfaien  des  Agio  im  Dezember  mit  der  Handelsbilanz  in  Ver- 
Inoditng  zn  bringen,  recht  sonderbar. 


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X  4. 


485 


machte.  Der  koreanische  Handel  vom  Sommer  1882  hatte  am 
15.  August  dieses  Jahres  noch  einmal  den  Kurs  von  175  PafHer 
für  100  Silber  gebracht,  nachdem  im  Frülijalir  Rchon  eine  vor- 
übergehende liessenmg  eingetreten  war.  Zu  Ende  des  Jahrea 
war  man  wieder  auf  dem  Niveau  vom  Antaug  1880,  etwas  unter 
140.  Die  rasche  Besserung  setzte  sich  1883  fort,  so  dafs  mau 
am  Jabresschlufs  schon  auf  etwa  110  stand,  so  hoch  wie  im 
Herbst  1878,  als  das  Agio  auerst  anfing,  die  Aufinerksamkeit 
auf  sich  Sil  ziehen.  Im  Somm^  1884  war  man  mit  104  bis 
105  wiederden  Kursen  von  1877  gleich.  Dieneue  Verwickelung 
mit  Korea  und  China  im  Dezember  188i  venmlaiBte  allerdings 
wieder  heftige  Schwankungen,  so  dafs  der  Kurs  vorübergehend 
sogar  140  erreichte.  Nach  Unterzeichnung  des  Vertrages  von 
Tientsin  (18.  April  1885)  war  der  Kurs  bald  wieder  besser  als 
110  und  stand  Ende  Mai  sogar  dauernd  unter  IUI.  So  wagte  die 
llegiemng  am  6.  Juni  1885,  frtiher  als  man  noch  vor  kurzem  er- 
wartet hatte,  den  wichttgen  Schritt  Der  Erhifs  des  StaatBrate 
Nr.  14  von  diesem  Tage  rerkflndigte:  „Hiermit  wird  bekannt 
gemacht,  da(s  das  Staaispapiergcld  vom  Januar  1886  an  all- 
mählich gegen  Silber  eingelöst  und  das  eingelöste  Papiergeld  ver- 
nichtet werden  wird.*"  Die  Ausführung  im  einzelnen  blieb  dem 
Finanzminister  überlassen.  Die  Einlösung  aoUie  durch  Ver- 
mittelung  der  Nihon  Ginko  geschehen. 

Zwei  Wochen  darauf,  am  27.  Juni  1885,  standen  zum  ersten 
Male  seit  1876  Silber  und  Papier  gleich.  Während  der  zweiien 
Hälfie  Yon  1885  erreichts  das  Agio  nie  mehr  ein  Frosent  Eine 
wdtere  Verminderung  des  umlaufenden  Papiergeldes  erfolgte  in 
dieser  Zeit  durch  direkte  Tilgung  nicht  mehr,  wolil  aber  durch 
die  bereits  erwähnte  Ausgabe  von  6496d00  Yen  Kinsatsuscheinen, 
80  dals  bei  Aufnahme  der  Barzahlungen  am  1.  Jnniiar  188G  an 
Staatspapieffz-pld  noch  83384000  Yen  vortianden  waren,  neben 
30093000  ieu  Natioualbanknotcn  ^ 


Hatte  die  Inflation  sanllcbst  d^  Konsum  atifterordentlich 

gesteigert,  so  kam  das  durch  die  Verschiebung  nller  Preise  und 
Löhne,  durch  die  vom  Agio  bewirkte  allgemeine  Unsicherheit 
der  Erwerbs-  und  Besitzverhältnisse  bald  ins  Stocken.  Die  Preis- 
str-irrprung  der  meisten  Waren  iiatte  schon  1^80  den  Höhepunkt 
errtu  iit,  während  das  Agio  noch  tbrtfuhr  zu  wachsen.  Die  18B1 
beginnende  Stagnation  des  Geschäftslebens  wuixle  1882 
schon  sehr  iulilbai  teils  iululge  der  zerrüttenden  Wirkungen  der 
Agiotue»  teils  infolge  der  beginnenden  Kontraktion  des  Oeld- 
umlan&s.  Im  Mllra  1882  waren  die  Klagen  allgemem  Uber  den 


1  Attrserdem  Silberaoten  der  Nihon  Ginko  3653000  Yen. 


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486 


X  4. 


RückfXiing  der  Preise,  des  Konsums^  Uber  mangelnde  Beselifiitijrung 
der  Weberei,  ülter  (Geldknappheit.  Namentlich  der  Absatz  der 
Importwaren  nalim  inerklich  ab.  Bei  verringerter  KoDaiimluhig- 
keit  waren  daa  grofsenteils  Dinge,  die  man  am  ehesten  entbehren 
konnte.  Hatte  die  LAndbevölkennw  bei  dem  anfblttbendeii 
Wohlstande  mehr  und  mehr  eingefturte  Stoflfe  varbraacht,  so 
kehrte  man  jetzt  anr  Hausweberei  wieder  surttck.  l^ei  allen 
fremden  baumwollenen  und  wollenen  Stückgütern  verminderte  sich 
der  Absatz  raseli.  Widiren^l  (b  r  Import  abnahm,  stic^  der  Kxport, 
zum  Teil  iniolge  der  Beseiirankitng  des  inländischen  \  ei  bi-auchs. 
Da  die  Exporte  mehr  als  ausreichten  zur  BezjihhmiLC  der  Importe, 
war  die  Nachfrage  nach  Silber  unbedeutend.  Das  Agio  bi-^ann 
zu  sinken.  War  diese  sinkende  Tendenz  aber  erat  einmal  vor* 
banden,  so  verschärfte  sich  rasch  die  Wirkung  der  fallenden 
Preise.  Solange  man  auf  steigende  Preise  spekulierte»  hatte  jeder 
Httndler  ein  Interesse  daran,  grofse  Warenvorräte  anzulegen,  da 
der  Preis  in  Papier  täglich  stieg.  Jetzt  scheute  sich  umgekehrt 
jeder  HJindler.  mehr  als  Hlr  den  Augenblick  nöti]L;  zu  kanten, 
da  die  Ware  vielleicht  schon  den  nächsten  Tag  billiger  zu  haben 
war.  Die  Lager  der  fremden  Importeure  in  den  offenen  Häfen 
schwollen  an  und  drückten  weiter  auf  die  Preise. 

Ebenso  siinken  aber  auch  die  Preise  der  inländischen  Kr- 
zeugnisse.  Vorher  hatte  jeder  auf  weiteres  Steigen  des  Agio^ 
mithin  der  Warenpreise  spekuliert.  Reis,  S^de  u.  s.  w.  aurück- 
gehalten.  Jetzt  sahen  die  I^sitzer  dieser  Warenvorräte  sich  der 
Gefahr  gegenüber,  ftlr  ihre  Vorritte  geringere  Preise  ( in  japanischer 
Wjtlming  ausgediiickt)  zu  erlialten.  ( »leic-hzi  itiu damit  trat  eine 
Verminderung  des  inländischen  Konsums  ein.  Kmzelne  Umstände 
kamen  dazu,  welche  die  Wirkung  verschärften.  Namentlich  war 
infolge  eines  Streites  zwischen  einheimischen  und  fremden  Seiden- 
kauf leuteu  iu  der  zweiten  lläfte  von  1881  sehr  wenig  Seide  aus- 
geführt An&ng  Januar  1882  lag  in  Yokohama  unverkauft  die 
Sir  Japan  ungeheure  Menge  von  9100  Pikul  (fiist  550000  ke) 
Rohseide^  doppelt  soviel  wie  Anfang  1881  und  1883.  So  wurde 
überall  das  Angebot  stärker,  dringender. 

Der  Silberwert  der  Einfuhr  fiel  von  41  102000  Yen  im 
Jahre  1880  in  den  Jahren  18^3  bis  1885  auf  beinahe  32  Milli- 
onen. Dagej^en  wtieg  die  Ausfuhr  von  29373000  Yen  im  Jahre 
1880  auf  3^.>,r,  Millionen  1882.  38,r,  Millionen  1883,  37,i  Milli- 
onen 1885  und  sank  nur  in  dem  Unglücksjahre  1884  auf  34 
Millionen,  veranlagt  durch  die  geringere  Seidenausfuhr. 

Das  allgemeine  Sinken  der  Preise  die  steigende  Verteueniog 
der  einheimischen  Valuta  übte  nun  die  bekannte  Wirkung  der 
Lähmung  des  ganzen  Erwerbslebens.  Hatte  man  während  der 
Inflation  die  Zunahme  der  Besteuerung  namentlich  durch  die 
Komnmnalverbönde  wenig  empfunden,  so  wurde  sie  jetzt  um 
so  drückender.  Der  Bauer,  der  im  Herbst  1883  nicht  mehr  die 
Hälfte  dessen  für  seinen  Reis  erhielt,  was  er  1880  und  1881 


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487 


bekommeD  batte^  mufste  jetst  infdge  der  KommimakuachllCge 
mehr  Orundsteueni  zahlen  ak  damats.  Bei  emem  Reupreiae 
yon  durchschnittlich  9  Yen  konnte  1"^^^'^  die  ganze  Gnindateuer 
samt  Zuschlägen  mit  OV«  Millioneo  Koku  Keis  bezahlt  werden. 

Im  Jahre  1884  wären  dazu  bei  einem  Durclisclmittsprois  von 
4,5  Yen  otw-i  13  ]\Iillionen  Koku  nöti;;'  gewesen.  Dem  Grund- 
besitzer blieb  also  fUr  aemeii  \  erbrauch  eine  immer  geringere 
Quote  d("s  Kohertrnges.  Auch  die  Erhöhung  sonstiger  Steuern 
wirkte  in  dieser  Zeit  doppelt  hart,  da  einmal  die  besteuerten 
Gegeiuitllade  dadurch  verteuert  wurdeD,  dann  aber  der  Konsum 
80  erheblich  zorttck^ng,  dafs  dies  wieder  auf  den  Produzenten 
der  Rohstoffe  zurückwirkte.  Der  Verbrauch  an  Sake  ging  so 
zurück,  dafs  statt  4300  000  Koku  Reis  im  Jahre  1881/82  nur 
mehr  240OU00  Koku  1884/85  un.l  2000000  Koku  1885  86  ge- 
braut wurden.  Hie  auf  diese  Weise  nicht  mehr  verbrauchte 
ßeismeiige  vermehrte  den  Preisdnick  auf  dem  Markte. 

Ich  würde  wic  ilerholen  müf^sen,  was  sieh  als  roter  Faden 
last  durcli  alle  Ka}»itel  dieser  Arbeit  zieht,  wie  auf  jedes  Gebiet 
wirtschaftlicher  Thatigkeit  die  rasche  Kontraktion  ^es  Geldum- 
laufes und  das  Sinken  aller  Preise  lähmend  gewirkt  haben.  Der 
ESseobahnverkehr,  die  Benutzung  des  Telegraphen  nahm  ab, 
die  rasche  Zunahme  des  Postverkehrs  kam  ins  Stocken*  Die 
Handelsflotte  vermehrte  sich  nicht,  neue  Schiffe  wurden  wenig 
mehr  gebaut'.  Die  Dividenden  der  Banken  gingen  zurück. 
Mit  dr«Ti  sinkenden  l^roduktenpreisen  Hol  der  Wert  des  Grund- 
besitzes, wiihrend  die  darauf  ruhenden  Lasten  ^'■f  >tl>  i:en  waren. 
Wegen  rückständiger  Grundsteuer  wurden  Exekutionen  veriuingt 

1883  gegen   33  845  Personen 
1885     -  108055 

In  der  Zeit  des  Aufschwungs  hatt^  Tielfach  die  Bauern 

Schulden  gemacht,  um  ihren  Besitz  zu  vergröfsern,  zu  Hans- 
bauten u.  dgl.  Jetzt  wurden  sie  durch  diese  Ver})flichtungen 
schwer  bedrückt.  Zahlreiche  dadurch  veranlafste  Landverkäufe 
verschärften  den  Dnick  auf  den  Wert  des  Grund  und  Bodens. 
Dafs  in  diese  Bcliwierige  Zeit  auch  noch  die  schlechte  Ernte  des 
Jahres  1884  fiel,  war  ein  besonderes  Unglück.  Die  Not  der 
Bauern  veranlafste  an  mehr  ab  einem  Orte  Oewaltthaten  gegen 
Dorfwucherer,    In  den  Beurken  Saitama  und  Ibaraki  kam  es 


*  An  Schiften  earopäischer  Form  wurden  gebaut 

mo  191  mit  14  124  Tonnen  Gehalt 

18öl  14o   -  11574 

dagegen  1884  ^  •  4227 

m'y  :V)  -  :U-)4 

Nacli  einem  Bericht  der  Handelskammer  hi  Tokyo  für  cHo  /-sveite 
Uilfte  von  lb84  waren  die  Werften  in  dieser  iStadt  fa^t  nur  mit  kleinen 
KeparatQfsrbeiten  beschäftigt. 


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X  4. 


Ende  1884  zu  offenen  Bauernauiständeo.    Zur  Zeratreamig  det 

tumultuierenden  bewaffneten  Haufen,  welche  SteuerermHIsigimg, 
SehnldfnfTlafs,  Abscliafiung  der  Scliul-  und  Militärpflicht  ver- 
langten, mufflte  die  iitUfü  der  Armee  ia  Anspruch  genommen 
werden. 

In  den  Städten  sah  es  niclit  viel  besser  aus.  Den  Qewerb- 
trabenden  ttodcte  der  Absats.  IMe  Zahl  der  Konknne  (Shin- 
dai-kaeiri)  und  die  Summe  der  dabei  angemeldeten  Panroi  sti^ 
folgendermafsen : 

1880     8  707  mit  1282344  Yen  Passiven 


1881 

7224  . 

1049948  - 

1882 

10296  - 

1624176  - 

1883 

19125  ' 

3542386  - 

1884 

22645  . 

4713904  - 

• 

1 R85 

10181  - 

2874007  - 

1H8() 

8  592  - 

1  821  288  - 

1887 

0  707  - 

2196367  - 

1888 

5174  - 

1462165  - 

Die  Zahl  der  wegen  Verbrechen  und  V(  rgehen  gegen  da« 
Eigentum  Angeklagten  stieg  von  41 247  im  Jahre  1882  und 
57856  im  Jahre  1888  aui  88140  im  Jahre  1886,  von  welchen 
82  841  verurteilt  wurden'. 

Um  einen  Exti'averdienst  in  den  .schweren  Zeiten  zu  suchen, 
strömte  das  Landvolk  in  die  Städte.  Bei  den  1884/85  ^vorge- 
nommenen Arbeiten  cur  Bäumung  der  Kaatdlgrftben  in  Tokjo 


'  Bei  dieser  Zunahme  der  Anfcf^klxtrtpn  ist  natürlich  nicht  aufser 
acht  zu  lassen,  dafä  erst  eeit  dem  1.  Januar  lss2  das  auf  europäischen 
Gnitidlagen  beruliende  Strafgesetzbuch  nebst  Strafprozefsoidnung  in  Kraft 
v.nr  r)nrs  abn  ^virklic  h  (»ine  prof'HC  Zunulmio  dor  Im „a^iifnnisdelikte  in- 
fv>lge  der  Not  einti-st,  macht  der  Umstund  klar,  dais  in  dem  günstigen 
Jahre  1887  nur  67  278  Penonen  angeklagt,  63  803  vemrteilt,  1888  mir 
mehr  50  412  angeklagt  und  52  864  verurteilt  wurden,  weniger  als  1883. 

Nach  der  Polizeistatistik  war  die  Zahl  der  zur  Anseilt  gekommeDen 

Tötungen  und 
Körperver- 

Sclbstmorde   Aussetzungen   Diebätahle  letssungen 


4  195 

385 

? 

? 

4  -.VA 

im 

? 

? 

4  6:V» 

469 

25  819 

7  577 

5  469 

572 

;J6  144 

^»  405 

lbö4 

Ö60:i 

43295 

7  554 

1885 

7282 

1176 

61940 

5968 

7  125 

1  199 

57  412 

4  1.V2 

lt<87 

5  82a 

m 

48  260 

4  4;^l 

1888 

52^56 

644 

44  536 

4  962 

Auch  hier  seij^  dae  Sinken  der  Zahlen  in  den  drei  ersten  Spalten 

in  den  Jubrcu  IS'S,  mul  1888,  dafs  die  vorhergehen«^  Zani^ime  nieht 
bloft  durch  sorgfältigere  Erhebungen  veranlarst  ist 


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X  4. 


489 


lieferten  sich  ganze  Dorfschaflen  volktändi^e  Schlachten  um  eine 
Arbeitsgelegemieity  welche  dem  Mann  12,  der  Frau  9  Sen  til^^ch 
abwarf. 

Das  Angebot  von  Dienstboten  war  in  den  Städten  ganz 
aufserordentlich.  I  )er  durchschnittliche  Monatslohn  für  Dienst- 
boten sank  im  ganzen  Lande  von  1882  bis  1885  für  männliche 
von  2,09  auf  0,9«  Yen,  für  weibliche  sogar  von  1,84  auf  0,5i  Yen. 

So  wenig  entwickelt  noch  cUe  Oflfentliohe  Armenpflege  in  Japan 
.ist,  stiegen  ihre  Atugaben  doch  von  460000  Yen  im  Jamre  1882/88 
auf  1 140000  Yen  im  Jahre  1884/85  nnd  835000  Yen  im  Jahre 
1885/86. 

Auf  allen  Gebieten  zeigte  sich  die  verminderte  Leistungs- 
fiihigkeit  der  Bevölkerung.  So  sanken  z.  B.  die  Schenkungen 
ftlr  die  öflfentlichen  Schulen  von  773  787  Yen  im  Jalire  1881  auf 
249  390  Yen  im  Jalire  188().  Die  Zahl  der  ausgefertigten  Jagd- 
scheine sank  von  1881  82  bis  1886  87  von  81427  aut  41  790>. 

Bei  der  allgemeinen  Mutlosigkeit  und  den  sinkenden  Gewinnen 
hielt  das  Kapital  sich  naturgemttfo  von  gewerblichen  Unterneh- 
mungen surUck.  Die  Folge  war,  dafe  als  Anlagewerte  die  Staats* 

Spiere  immer  beliebter  wurden  nnd  rssch  im  Werte  sti^n.  Das 
mptpapier,  die  siebenprozentigen  Kinrokuscheine  (Rentenab- 
lOsnogascheine) ,  standen  das  ganze  Jahr  1882 ,  wenn  man  den 
jeweiligen  Wert  der  zugehörigen  Coupons  berücksichtigt,  ziemlich 
fest  auf  etwa  72.  Ende  1883  waren  sie  schon  auf  9n  gestiegen, 
wo  sie  sich  1884  hielten,  um  Ende  1885  pari  zu  erreichen. 

Im  Zusammenhange  mit  diesen  Erscheinungen  steht  auch, 
dals  die  rustsparkaösen  für  die  Anlage  von  Geldern  mehr  be- 
ntttat  wurden.  Nach  achtjährigem  Bestehen  war  Ende  1882  die 
Summe  der  Einlagen  ersl  etwas  ttber  eine  Million  Yen,  Ende  18B5 
schon  etwas  über  9  Millionen. 

Neben  den  Staatsgläubigem  hatten  auch  die  EmpiUnger  festen 
Gehalts  Vorteil  von  der  Preisbewegun|f.  Als  1879  und  1880  die 
Preise  der  notwendigsten  Lebensbedürfnisse  aufserordentlich  stiegen, 
wurden  die  Gehälter  der  meisten  Staatsbeamten  erhölit.  Davon, 
dafs  diese  Teuerungszulagen  nun  wieder  beseitigt  würden,  war 
keine  Rede.  Erst  die  grofse  Verwaltungsreorganisation  am  Anfang 
des  Jahres  188(3  wirkte  teil  weide  in  dieser  Richtung 


'  Bezeichnend  ist,  dafs  das  Fukin,  die  Besteuerung  der  Prostitution, 
dosspn  Ertrag  lxs2  s:;  auf  ss:»  JT  ?  Yen  anj^ewacliaen  war,  If^i^/Ö?  nur 
mehr  t><S8  .'>:U  Yen  abwarf.  —  Bemerkenswert  ist  auch,  wie  in  der  Zeit 
der  Not  das  poHtiache  Leben  erlahmte.  Die  Zeitungen  verminderten  sich. 
Die  Zahl  der  politischen  Versammlungen.  1^17  im  Jahre  lxX2,  sank  auf 
444  in  den  Jahren  18s.j  und  issi;  (1607  wieder  1117,  ims  lÜOll. 

•  Nicht  durch  Herabsetzung  der  GeliSlter,  aber  dadurch,  dafo  aahl- 
reiche  Beamte  entlassen  und  mit  geringcrem  Gehalt  wieder  angestellt 
wurden.  Solche  periodisch  eintretende  Aufrüttelungen  der  Beamtenschaft 
nennt  der  Yolkswitz  „Erdbeben"  (Jishin). 


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490 


X  4. 


Die  wirtschaftliclic  Krisis  nnirste  gerade  in  Japan  um  80 
süirker  wirken,  als  überall  Kleinbetriebe  Ik  rrschen,  welche  gegffi 
schwere  Zeiten  widerstandsunt^hig  sind.  Wie  wenig  leistungs- 
fähig diese  kleinen  Ijttriebc  sind,  zeigen  die  olun  mitgeteilten 
Zahlen  über  die  Konkurse  im  V«T<^leich  mit  der  Schulden ma.sse. 
Im  Jahre  war  die  Durchschnittshöhe  der  Passiva  in  jedem 
Konkurse  niciit  gröfser  nU  208  Wn, 

Bei  der  ländlichen  Bevölkerung  kam  noch  dazu,  dafs  die 
Durchführung  der  Gnindsteuerreibrin,  die  1881  beendet  war,  gans 
neue  Verhältnisse  geschaffen  hatte.  Die  Zahlung  der  Steuer  in 
Öekl  statt  in  natura,  die  Entrichtung  einer  ein  mr  allemal  fest- 
stehenden Summe  statt  mit  dem  Ernteergebnis  schwankender 
Quoten  waren  Andenniiren,  die  i«'tzt  ebensosehr  drückten,  wie 
sie  \\  iiiirend  der  iüüatioo  dem  Grundbesitzer  zu  gute  gekommen 
waien. 

Ein  weiterer  Umstand,  der  den  Druck  der  Krisis  vcrsehartte, 
liegt  in  der  Absperrung  des  Landes  gegen  das  Einströmen  fremden 
B^apitals.  Die  letaten  schweren  Zeiten  der  Geldknappheit  und 
der  niedrigen  Preise,  welche  der  Auihahme  der  Barsahlungen  yof 
hergingen,  hätten  einen  Anreiz  iUr  fremde  Unternehmer  gebildet» 
durch  Erwerb  von  Grundbesitz,  durch  gewerbliche  Anlagen  dem 
Lande  Kapital  zuzufiihren.  Ks  wäre  dadureh  ebensowohl  eine 
Erleicliterung  der  1  Jepresj^ion  als  eine  allgemeine  Föi-derung  des 
wirtschaftlichen  Lehens  eingetreten.  Dies  war  unmöglich,  da 
an  der  Ausschlielkung  der  Ausländer  wie  auslllndischer  Kapitals- 
anlagen bis  jetzt  starr  festgehalten  wird.  !Nicht  einmal  zum  Ab- 
schlnfs  einer  auswärtigen  Anleifae  konnte  man  sich  entschliefsen, 
bei  welcher  die  ganze  verwickelte  Frage  der  Gerichtsbarkdt  und 
Steuerpflicht  der  Ausländer  nicht  in  Frage  gekommen  wäre.  Schon 
eine  solche  Mafsregel  würde  den  Übergang  sehr  gemildert  haben. 

Die  Not  und  die  allgemeine  Entnuitigung  erreichte  den  Höhe- 
punkt in  der  ersten  Haltte  des  Jahres  1885  Die  Ernte  von 
lbb4  war  schlecht  gewesen,  die  Ungunst  des  Wetters  drohte  auch 
der  von  1885  verhUngnisvoll  zu  werden.  Noch  im  August  1885 
erklärte  die  Handelskammer  von  Osaka:  „Es  itlih  uns  an  Worten, 
um  den  Notstand  genügend  au  sdiildem,  der  gegenwärtig  unter 
der  ackerbauenden,  der  gewerblichen  und  der  handeltrmbenden 
Bevölkerung  herrscht*^  Die  allgemeine  Mutlosigkeit  hatte  so^ 
die  amtlichen  Kreise  so  sehr  ergriffen,  trotz  der  bevorstehenden 
Aufnahme  der  Barzahlungen,  dafs  die  Panik  noch  vermehrt  wurde 
durch  eine  unglaublich  taktlose  Denkschrift  des  Ministeriums 
Air  r^andwirtschaft  und  Gewerbe  vom  ^^0,  Mai  1885.  Das  gut 
gemeinte  Schrittstuck  ermahnte  7Aim  Au.-h  ilten  utuI  zur  Geduld. 
Nur  zwei  Wege  gebe  es,  einmal  zu  sparen,  dann  aber  mehr  zu 
arbeiten  und  weniger  zu  schwatzen ,  zu  rauchm  und  Uber  Tag 
zu  schlafen.  Um  dem  Nachdruck  zu  geben,  wurden  die  schlechten 
Ernteaussichten  ganz  gröblich  (ibertrieben.  Thee  verspreche  nur 
Alnfy  Weizen  nur  vier  Zehntel  der  tlblichen  Ernte.    Die  £^ 


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X  4. 


491 


fahroDg  zdge,  daCs  solche  Not  m  Perioden  von  30  bb  50  Jabren 
wiederKehre,  und  jetzt  seien  gerade  50  Jahre  seit  der  grofsen 
HunserBDot  in  der  Periode  Tempo  verstrichen. 

Die  thatsächliche  Entwickelung  zeigte,  wie  überflüssig  der 
Alarmnif  gewesen  war.  Die  ^^  oizenemte  war  im  OoGronsatz  zu 
den  amtlichen  Ki '.\  artunj^en  recht  gut,  nur  20  i^rDzcnt  weniger 
als  die  sehr  ruielie  Ernte  von  1886.  Oerade  von  dieser  Ernte 
datierte  man  nachher  allgemein  den  Uin>c  liwung  zum  Bessern. 
Da*»  durch  die  schlechten  Emteaubsichten  bewirkte  Steigen  der 
Prebe  der  landwirtachafUichexi  Produkte  hat  zur  Besserung  der 
Lage  des  Bauermlaiidee  wohl  auch  ganz  wesentlich  beigetragen^. 


Vom  1.  Januar  1886  an  lOste  die  Nihon  Gin ko  das 
bei  ihr  eingereichte  Staatspapiergeld  auf  Verlangen 
gegen  Silber  ein.  Das  eingegaog^e  Papier  wurde  aufser 

Kurs  gesetzt  Nach  den  Erläuterungen  zum  Budget  sind  auf 
diese  Weise  folgende  Beträge  an  Papier  durch  iSilber  ersetzt 
worden : 

1.  Januar  bis  31.  Mürz  1886  6470000  Yen 

1.  April  188()  bis  31.  März  l««?  9671350  - 
1.  April  1887  bis  31.  März  lö88  12000132  - 
1.  April  1888  bis  31.  Januar  1889     8696  856  - 

Am  31.  Januar  1889  waren  nur  noch  40  50()000  Yen  Staats- 
papiergeld in  Umlauf,  die  bis  zum  1.  April  181M)  auf  40nf;r)000 
Yen  vermindert  waren.  An  Nationalbanknoten  waren  am  letzt- 
genannten Tilge  noch  26391 000  ^'en  vorhanden^.  Ge^<'n  den 
1.  Januar  1886  war  also  eine  Verminderung  der  Papiermenge 
von  rund  47  Millionen  Yen  bewirkt. 

Die  £inl(tattng  der  Staatspapiere  erfolgte  aus  den  Mitteln  des 
Reservefonds,  welcher  am  1.  Januar  1886  nach  offinttsen  Notizen 
Uber  etwa  40  Millionen  Yen  Edelmetall  zu  verfügen  hatte.  Aus 
den  laufenden  Staatseinnahmen  wurden  dem  Einlösungsfonds  in  den 
Tier  Finanzjahren  1885  bis  1889  19700000  Yen  ttberwiesenV 


Keispreis  iu  Tokyo  durchschnittlich 

im  August  I8H4   4,'.7  Yen  fttr  den  Koka 

iMKj    6,»o    -       •     -  • 
*  Umlanf  am       Dezember  ls90: 

:i;J272  71")  Yen  Papiergeld 
2ÖH10  720    -  Nationalbanknoten 


ÖU0b;{4;J5  Yen  zusammen. 

«  Nämlich    188.5  86      5  400  0<J0  Yen 

188ü'87       .j  620  000  - 

imim      4  :t80  000  - 

im>W      4300  000  • 
Im  Budget  lBS9i90  sind  weitere  2253928  Yen  sagewiesen. 


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492 


X  4. 


Da  auch  andere  erhobliche  Summen  dem  Reservefonds  entnommen 
sind,  verminderte  er  sicli  rasch  bis  auf  15150000  Yen  am  31. 
Januar  18S*».  Am  1.  April  1890  wurde  der  Rest  von  10  Millionen 
Yen  als  Fonfls  iiisi^clilierHlich  für  die  Einlösung  von  Papiergeld 
bestiuinit  ((hü.  31  vom  27.  März  1B90).  Weitere  22  Millionen 
lieh  im  November  1890  die  Nihon  Qinko  auf  Grund  des  Bank* 
notoogesetses  von  1888  dem  Staate.  Diese  32  Millionen  Yen 
decken  ToUstHndig  den  am  1.  April  1800  noch  vorhandenen 
Betrag  der  Stafitszettel  von  1  Yen  und  dartiber,  während  die 
anderen  8  Millionen  kleine  Zettel  allmählich  aus  den  kufenden 
Einnahmen  getilgt  und  durch  Scheidemtinze  ersetzt  werden. 

Schon  am  12.  .Iidi  1H8(3  wurd*'  dio  ur^nnzlH-he  Einziehung 
der  Zehnsen-Scheine  angeordnet,  die  äeit  dem  1,  Juli  1887  nicht 
mehr  im  Umlauf  nind^ 

An  die  Stelle  der  eingezogenen  Zettel  traten  die  8ilbernoten 
der  Nihon  Oinko,  deren  Aufgabe  ao  rasch  zunahm,  da&  dio  bis 
1886  dauernd  verminderte  Summe  aller  pafMoraen  Geldseidien 
Bich  wieder  rasch  vermehrte,  von  115  Millionen  am  1.  April  1886 
auf  133  Millionen  am  1.  April  1890.  Die  thatsSchhche  Ver- 
melirung  des  Umlaufes  war  aoer  ^rröfser,  da  die.  %vio  oben  au»- 


des  Eisen bahnbaufonds .  allnullilich  wieder  ausgegeben  waren. 
Gegen  früher  bestand  aber  cier  gewaltige  Unterschied,  dafs  die 
Maäse  der  jetzt  umlaufenden  Zeichen  direkt  einlöslich  war.  Einen 
grofeen  Fortschritt  m  der  Konsolidierung  der  MdverhftltnisK 
bedeutete  auch  das  Gesetz  vom  31.  Juli  1888,  welches  die  Aas- 
gabe der  Silbernoten  na<  Ii  festen  bankmäfsigen  Qrundsätsen  regelte 
und  das  oben  eingehend  gewürdigt  ist  (S.  208  ff.). 

I>ie  volköwirtscliaftliihen  Wirkungen  der  Aufnahme 
der  Barzahlungen  blieben  nicht  aus  Wie  ein  verheerender 
Wirheisturm  war  die  Agiotage  und  die  ilu-  tblgende  wirtschaftliche 
Krisis  über  da«  Land  daliingczogcn,  es  mit  'rrünimern  und  Leichen 
bedeckend.  Aber  wie  den  Taifunen  blauer  Himuiei  und  Sonnen- 
schein folgt,  wie  eine  gütige  Natur  die  Trttmmer  mit  ÜDpigem 
Wachstum  überwuchert,  so  heilten  auch  die  wirtschanucheo 
Schilden  überraschend  schneli.  Von  1885  bis  1888  folgte  eine 
gute  Ernte  der  andern.  Die  ungewohnte  Beständigkeit  der  Va- 
luta weckte  das  Vertrauen  und  den  Mut  zu  neuer  Thätigkeit. 
Der  tiefen  Nie(lerp:P8*'hla'j:enheit  folgte  eine  Unternehmungslust, 
die  alles  mit  tortriis.  Aul8**re  Umstände  >virkten  dabei  fördernd 
ein.    Das  dauernde  Sinken  de^  Siiberwcrtes  im  Vergleich  zu 

>  Von  diesen  klänsten  Stihelnen  waren  noch  im  Umlauf 

am  1.  April  IHHO  5  225  070  Yen 
-    -      -     T^^7    4  42618.5  - 
Dar  Eudtermiu  tür  die  Eiulüsung  ist  wiederholt  verläu^rt,  da  ein 

Kviseer  Betrag  noch  immer  aoaateht,  am  1.  April  1890  noeh  880000  Yso. 
von  wird  das  meiste  wobl  wa  Gnmde  gegang»  amn. 


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493 


Oold  auf  dem  Weltnuurkte  wirkte  Mebeod  auf  die  Ausfuhr,  und 
der  wichtigste  Artikel,  Seide,  sti^  auch  abgeaehen  dayon  im 

Werte  ^  Hierdurch  wie  durch  die  guten  Ernten  und  die  neu 
sich  belebende  Thätigkeit  stieg  die  Ausfuhr  plötzlich  gewaltig  an, 
von  37  Millionen  Von  im  Jahre  1885  auf  48, Millionen  1886, 
auf  52,4,  65,7  und  70  Millionen  in  den  drei  folgenden  Jahren. 
Auf  die  Einfuhr,  welche  von  1882  bis  1885  auf  32— 33  Millionen 
Yen  Silber  stehen  geblieben  war.  wirkte  das  öotort  mächtig  zurück. 
Die  Eiiituhr  von  188(3  allerdings  liatte  nur  einen  Silberwert  von 
37,0  Millionen.    Thatsächlich  aber  nahm  das  Land  eine  viel 

Süüaee  Menge  rem  EinfohrwareD  auf,  da  die  greisen  in  den 
olfahren  angeschwollenen  Lager  der  fremden  Importeure  dem 
ersten  Bedarf  genügten-.  In  den  drei  folgenden  Jahren  1887 
bis  1889  aber  stieg  der  Silberwert  der  £infuhr  auf  51,t,  65,6 
und  66,1  Millionen  Yen.  In  anderem  Zusammenhange  ist  schon 
gezeigt,  wie  diese  Zunahme  zu  einem  grofsen  Teil  durch  die 
Einfuhr  von  Kolistoiren,  Maschinen  u.  dcri.  bewirkt  ist,  eine  deut- 
liche Wirkung  des  gewerblichen  Aufsclnv  unges  im  Lande.  In 
der  l'iiat  war  auf  allen  Gebieten  des  wirtschaftlichen  Ijcbens  seit 
1886  neue  Thätigkeit  erwacht.  Der  Eisenbahnbau  machte  rasche 
Fortschritte,  und  Projekte  neuer  Linien  tauchten  ttbeiall  auf.  Der 
Schiflsverkäir  entwickelte  sich  wieder.  Vor  aUem  aber  auf  in- 
dustriellem Gebiete  entstand  eine  bis  dahin  unbekannte  Unter- 
nehmungslust Die  Spekulation,  der  das  Qebiet  der  Agiotege 
genommen  war,  warf  sich  auf  die  Gründung  von  Erwerbsge- 
Seilschaften  aller  Art,  wobei  e<^  an  seh  winde]  haften  Vorgängen 
nicht  fpliltc*^.  Eine  Zeit  lang  konnte  man  fürchten,  dals  der 
Gründim[!;sächwindel  und  die  Über.spckulation  zu  einer  nrucn 
Krisis  luliren  würden.  Die  Res^'enmg  selbst  ftihlte  sich  vt  ran- 
lal'st,  bei  verschiedenen  Gelegeniieiten  zu  warneu,  so  namentlich 


>  Der  Dmchicluaittswert  der  aiugefthrten  Rohseide  per  Pikul  war 

188H  518,1  Yen  Silber,  dagegen  1886  6,^7,a  Yen 
1884   .j24,e     -        -  1887    621,8  - 

'  So  sanken  nach  dem  Bericht  der  fremden  Handelskammer  in 
Yokohama  1886  die  Vonrftte  von 

Grauem  S^hirting  TOn  128  750  Stttck  auf  55  000  Stück 

Türkisch  Hot  -    103  000     -       -      70  000  - 

Victoria  I^awnö  -     82  280     -       -       8  000  - 

Englischem  Baumwollgara    •     24  471  Pikul    •      17  460  Pikul 

Petroleum  -    872  677  Kisten  -    288394  Kisten 

^  Die  Zahl  der  KwaisTin  « ( ^ escUacbaften  mit  festem  Kapital)  ohne 
Banken  betrug  am  Ende  der  Jaiire 

1884  1  298  mit  22  161  955  Yen  Kapital 

1885  1  279    -    50  659844  - 

1886  1655    -    50  1ST,7:V2  - 

1887  203Ö    -   67ö.>5468  - 

1888  2593   •  117669981    -       •  , 

Das  eit)<;czah]te  Kapital  der  öffentlichen  Banken  atieg  TOO  Ende 
im  bis  1888  von  d2d3ölU0  Yen  auf  61377639  Yen. 


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494 


X  4. 


der  FinaDzuiinistcr  selbst  bei  Gel^genbeit  des  grokexk  FesteB, 
welches  am  5.  Mai  1887  von  den  Banquiers  gegeben  wurde,  um 

die  Aufnahme  (\ev  Vif\r7.f\}\\nu^en  zu  feiern.  Der  Fortschritt, 
welchen  Hie  Ro-iemng.skreise  in  der  Beurteilung  wirtschaftHcher 
Verhältnisse  gemacht  hatten,  kann  nicht  besser  illustriert  werden 
als  durch  einen  Vergleich  ihrer  jetzigen  nüchternen  Haltun;4-  mit 
ihrer  Stellung  zu  der  Eutwickeluug  am  Ende  der  siebziger 
Jahre. 

Sttt  Ende  1888  ist  in  dem  Fortachritt  wieder  eine 
gewisse  Stockung  eingetreten,  wozu  neben  der  Überspekn- 
lation  die  schlechte  Ernte  von  1889  und  das  Steigen  des 

ßilberwertes  beigetragen  haben.  Aber  zu  einer  eigentlichen 
Krisis  ist  es  nicht  gekommen,  da  der  Überspekulation  doch  rer- 
hiiltnismärsig  rasch  Einhalt  gethan  ist.  Viele  Projekte  traten  gar 
nicht  ins  Leben,  manclie  Unternehmimgen  wurden  sofort  wieder 
liquidiert  Die  Einzahlungen  auf  junge  Aktien  älten  r  Unter- 
jLieiiinuugen  wurden  verschoben.  Die  Kihon  (iinko  wurde  etwas 
liberaler  in  der  Kreditgewährung.  So  wurde  der  namentlich  am 
Anfimg  von  1890  drohende  Krach  ▼ermieden.  Data  einige  Spe- 
kulanten schwere  Verluste  erlitten  haben,  ist  fttr  die  Volkswnrt« 
Schaft  kein  Schade. 

Der  Au&chwung  des  Erwerbslebens  kam  auch  den  Htaats- 
finanzen  zu  gute.  Einzelne  Staatseinnahmen  stiegen  erheblich, 
namenthch  die  Zölle  und  die  aus  den  T^etriebseinnahnien  ^  Die 
8teuern  gingen  mit  gröfserer  Leichtigkeit  ein.  Die  Zahl  der 
Exekutionen  wegen  rückständiger  Grundsteuern,  die  1885  St> 
108055  betragen  hatte,  fiel  1887  88  auf  35  09G,  1888  89  auf 
11 663.  Vor  allem  aber  zeigte  der  Staatskredit  eine  unerwartete 
Hebung.  Der  erste  Versuch,  eine  nur  lünfprosentige  Anleihe 
'{fttr  Marineewecke)  au&ulegen,  im  Juni  1886,  hatte  einen  so 

flttnsenden  Erfok,  dafs  schon  im  Oktober  1886  die  allmähliche 
Konvertierung  aller  mit  sechs  und  mehr  Prozent  vcrzinsÜchen 
Staatsschuldscheine  in  Angriff  genommen  werden  konnte,  eine 
Opf ration,  von  welcher  etwa  drei  Viertel  der  ganzen  inneren 
*5chuld  (ofine  PapiergiM)  betrotren  werden  und  die  am  1.  Apni 
18ü0  etwa  zur  Hälfte  durch 'j-etVilirt  war. 

Im  übrigen  ist  lUr  das  i  iiianzwesen  die  Zeit  seit  ]s86  nicht 
sowohl  durch  grofse  Helbrmen  als  durch  eine  Reihe  einzelner 
kleinerer  Verbesserungen  bezeichnet.  Die  Konsoltdienuig  der 
Verhältnisse  findet  ihren  Ausdruck  in  gröfeercr  Klarheit  und 
Offenheit,  wenn  auch  immer  noch  die  wichtige  Heimlichthuerei 
mehr  herrscht,  als  gut  ist.  Ein  besserer  Ausgleich  zwischen  Aua- 
gaben und  Einnahmen  in  jeder  Finanaperiode  ist  durch  aber- 

^  Einnahme  der  8taat«bahnen  (netto)  18?<6/«S7     d78  124  Yeo 

1888/89  1  346  226  • 

Zolle  2.>47  404  - 

lt<i*Ö  4  720  427  - 


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X  4. 


495 


malige  Verlegung  de»  Etatsjahres  bewirkt,  welches  seit  1886  vom 
1.  April  bis  zum  81.  März  läuft.  Auf  dem  (iebiete  der  Kom- 
munaltinanzcn  i^t  auf  eine  Verringerung  der  Lasten  der  Be- 
völkerung Iiing(  arbeitet  worden 

Bei  deu  titcuerü  sind  eine  Reihe  von  Änderungen  vor^e- 
nommen.  Zwoi  neu  eingeftüirte  Steuern,  eine  Einkommensteuer 
(19.  März  1887)  und  EDregiBtrementsgebObren  für  Gnindeigen- 
tum,  Häuser  und  SchifTe  (11.  August  1886),  sind  wenig  erfolg- 
reich  gewewn,  da  sie  der  wirtschaftlichen  EntwickeluD^  des  Landet 
nicht  angemessen  sind.  Die  Verbrauchsbesteuerung  ist  1888  re- 
fornnCrt  durcli  Milderung  der  1885  eingeführten  Steuern  auf 
Kuciien  und  Shoyu,  durch  kleine  V^erbe8seruni;en  der  Sakebe- 
Rteuerung,  durch  Neuregelung  der  Tabaksteuer  (G.  April  1888). 
Im  selben  Jahre  ist  eine  bessere  Berechnung  der  Einfuhrzölle 
eingeföhrt,  die  Mehrzahl  der  Ausfuhrzölle  aufgehoben.  Die  Ent- 
Wickelung  der  nOrdlicben  Kolonialgebiete  ist  durch  Hembeetsong 
und  Aufbebung  iron  Steuern  gefördert'.  Das  Jahr  1889  hat 
eine  Reihe  Änderungen  der  Grundsteuer  gebracht,  namentlich 
eine  Herabsetzung  der  Steuer  auf  zu  hoch  eing^hätztes  Ackerland. 

Wio  sicli  bis  zum  Schlufs  der  von  uns  betrachteten  Periode 
die  Finanzen  Japans  im  einzelnen  gestaltet  haben,  das  soll  in 
den  folgenden  Kapiteln  goecliildert  werden.  Eine  unbefangene 
Würdigung  des  Ergebnisses  wird  zu  dem  Urteil  kommen  müssen, 
daß»  in  der  jetzt  zum  Abschlufs  gekommenen  abeolutistiachen 
Periode  der  neuen  Ordnung  in  der  That  Erheblicbes  geleistet 
worden  ist.  Diese  Periode  hatte  von  der  vorheigegangenen  leere 
Kassen  und  schwere  A^erpflichtungen  überkommen.  Trotz  arger 
Mifsgriffe  schliefst  sie  mit  geordneten  und  im  wesentlichen  ge^ 
Sunden  Finanzen  r>as  darf  man  sich  allerdinp^s  nicht  ver- 
hehlen, dafs  die  scliwere  Aufgabe  der  P«'seiti^^un^  des  T'apier- 
geldes  und  der  Herstellung  eines  geordneten  üeldinnlaufes  erst 
teilweise  gelöst  ist  Der  genüge  noch  vorhandene  Betrag  von 
Staatspapiergeld  ist  allerdiu;^»  gedeckt  und  wird  bald  ganz 
verschwmden.  Aber  es  ist  nicht  zu  yergessen,  dafs  abge- 
sehen von  Scheidemünze  der  wirkliche  Geldumlauf  ausschliefs- 
lich  aus  papiemen  Zeichen  besteht,  welelie  aufser  dem  Zehn- 
millionen-Fonds  der  Regiernni:  (am  1.  April  1890)  anssehliefalich 
fundiert  sind  auf  den  Rarseliatz  der  Nilion  Oinko.  In  ruhigen 
Zeiten  reieht  dieser  voUstänrlif^  .nis  die  Kinlösun«^-  der  Noten  zu 
sichem  Ob  er  einer  ernsteren  Kriöis  gewachsen  ist,  erscheint 
aber  Iraglich.  Die  schlechte  Ernte  von  1889  und  die  Störung 
der  Ausfuhr  durch  die  Schwankungen  des  Silberwertes  auf  dem 


*  Die  KommuislBteiieni  aller  Art  ergaben 

1^70  ^0   24  •)98  119  Yen 

.'57  om7  867  - 
1887  8x   :i0  720l*:J5  - 
^  1887  Refonn  der  Fischercisteuem,  188d  Erlafs  der  Wsgeosteuer, 
1889  der  Grandstener  in  den  Landkreisen. 


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496 


X  4. 


Weltmarkte  genügten  schoD)  um  den  Banchats  von  seinem  Höhe- 
punkte von  57658  000  Yen  am  11.  Januar  1890  auf  43865  094 
Yen  am  18.  Oktober  IbUO  herabzudriicken ,  den  Silbervorrat 
allein  von  32lU7'ii)n  Yen  auf  18  869  847  Yen'.  Das  der  Bank 
entnommene  Silber  aber  ist  ins  Ausland  gewandert.  Dms  ist  un- 
zweiielhutt  ein  bedenklicher  Zustand,  dem  gründlich  abgeholfen 
werden  müfste.  Der  einzige  gangbare  zu  einer  wirklich 
bedeutenden  Vergröfserong  des  BanchatM«  wUre  eine  answSrtige 
Anleihe  im  Rahmen  der  Operationen  sur  EonTertierune  der  Staats- 
BchuM.  Ihr  Ertrag  wüide  2am  Teil  zur  Deckung  der  Staatsbe- 
dürfhissc  im  Auslande  dienen,  in  d  r  Hauptsache  wäre  er  —  in 
einem  Betrage  von  mindestens  2u  Millionen  Yen  —  der  Nihon 
Ginko  zu  Uberweisen  Die  daftlr  von  der  Bank  erhaltenen  Not^n 
hätte  die  Finanzverwaltung  eur  Heschleunitiun^''  der  Konvertierung 
der  hochverzinslichen  inneren  Staatsschuld  zu  verwenden.  Durcli 
die  Rückzahlungen  würde  auch  dem  unzweifelhaft  vorhandenen 
Druck  auf  dem  inländischen  Geldmarkte  abgeholfen  werden. 
Die  Zettel  von  wem'ger  als  5  Yen  wttren  gleichseitig  erheblich 
2U  vermindern,  allmählich  gans  au  beseitigen. 

Ob  man  sich  zu  einer  derartigen  grofsen  FinanzmaTsicigel 
entschliefsen  wird,  ist  allerdings  sehr  fraglich,  i^icht  nur  die 
berechtigten  aus  den  gegenwärtigen  WeltwÄhnmgsverhältnissen 
sieh  erp;ebcnden  Bedenken  sprechen  dagejren.  Mehr  noch  wird 
der  beute  in  Japan  herrsr-bende  beschränkte  Nativisnius  hier  wie 
auf  anderen  Gebieten  gesundem  Fortschritte  im  Wege  stehen. 


Zweites  Kapitel 
Die  FiDftEZTerwaltiiDg. 

I.  Organisation  und  Etatswesen. 

Ober  die  Anlange  der  Organisation  der  Finanz- 
Verwaltung  ist  im  vorigen  Ramtel  berichtet  Es  ist  bereits 
erzählt}  dafs  im  Jahre  1871  die  Einheit  der  Staatsfinanien  her- 

Ssstellt  wurde,  die  Vereinigung  unter  einem  Ministerium,  dem 
kurasho,  einerseits,  die  Herstellung  der  Kasseneinheit  anderseits, 
so  dafß  nicht  mehr,  wie  in  den  ersten  Jahren  der  neuen  Ordnung, 
nur  die  Überschüsse  der  Tenritonai-  und  Bezirksbehi^rden  unter 


^  Seitdem  wieder  etwas  höher. 


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X  4. 


497 


die  Kontrolle  der  C^tralTerwaltung  kamen,  iondern  alle  Staats- 
einDabmen  und  -aimmben.  Es  ist  auch  bereits  bekannt^  welche 
Umstände  1 873  zu  dem  ersten  Veraacbe  ein  allgeroeines  Budget 

zu  veröftentlichen  fiihrten.  Die  Masse  der  Verordnungen  und 
Krlasse  dieser  ersten  Jahre  der  neuen  Organisation  zeigen  uns 
noch  ein  ziemlich  blindes  Hin-  und  Hertasten,  eine  grol'se  Un- 
sicherbeil auch  an  den  leitentlen  Stellen.  Den  greisen  Instruk- 
tionen (Nr.  427  und  428)  vom  27.  Dezember  1873  über  die 
Ao&tellung  der  Etats  „in  Reis  und  Getd"  imd  tlber  das  Beoh- 
nungswesen  folgte  eine  wahre  Flut  Ton  Ver^gungen  mit  Kach- 
trftgeDy  Änderungen,  Berichtignng  yon  MilanrerstSnanissen  u.  s.  w. 
Das  Jahr  1875  brachte  wie  fbr  andere  Verwaltungszweige,  so 
namentlich  auch  für  die  Finanzen  eine  Art  Abschlul's  der  ersten 
unsicher  hin  und  her  schwankenden  Versuchszeit.  Die  wichtigen 
Steuerretornien  dieses  Jahres  sind  schon  erwähnt  (S.  445).  Hier 
ist  noch  der  V  er  waltungsor^an  i  sation  und  des  Etats- 
uüd  Rechnungswesens  etwas  eingehender  zu  gedenken. 

Was  sunächst  die  erstere  betrifit,  so  erfolgte  1875  wie  ftlr 
die  anderen  Centnübebörden,  so  auch  für  das  Finanzministerium 
eine  gesetzliche  Regelung  der  Zusammensetzung  und  Geschsfb* 
führung  (Gesetz  217  vom  25  November  1875).  Die  zweite 
Reform  der  Centraibehörden  (1880/81)  führte  zu  einer  Neu- 
regelnnf,'  durch  Nr.  60  vom  2  DezemKer  1880.  Weitere 
Änderungen  ertblgten  namentlich  Ibbü,  Kaiserliche  Verordnung  2 
vom  26.  Februar,  und  1890,  Kaiserliche  Verordnung  30  vom 
27.  März.  An  der  Spitze  der  Finanzverwaltung  steht  der 
Minister  (bis  1886  Okura-kyo,  seitdem  Okura  daijin)^  welcher 
mit  Ausnahme  der  kanten  Unterbreehnng  von  1880/81  Miiglied 
des  Staatsrates  beaw.  Kabinetts  (Daijokwan,  Naikaku)  ist  Ihn 
unterstutzen  früher  zwei,  später  ein  Viceminister.  Das  Ministerium 
zerfHIlt  in  eine  Anzahl  von  Abteilungen  (früher  Rjo,  seit  1877 
Kyoku),  deren  Aufzählung  bei  den  häufigen  Änderungen  kaum 
ein  Interesse  bietet.  Es  waren  1870  acht,  1880  zwölf,  in  den 
letzten  Jahren  dreizehn  (ohne  d;is  Sekretiiriat),  die  iS*. IM  (Kaiser- 
liche Verordnung  100  vom  24.  Juni;  wieder  auf  neun  ver- 
mindert sind. 

Alle  wesentlichen  oiganiaatorischen  Einrichtungen  konnte 
nicht  der  Minister  treffen,  sondern  es  bedurfte  dazu  der  6e- 
nehmignng  des  Daijokwan.  Dadurch,  dal's  die  Vorschlüge  yom 
Minister  ausgingen  und  die  übrigen  Mitglieder  des  Staatsrates 
noch  weniger  Fachleute  waren  als  der  Finanzminister,  hat  that- 
sächlich  dieser  doch  ziemlieh  unumsehrünkt  vpriVi|j;t. 

Für  die  Provinzialvervvaltung  besteiit  in  den  iiezirks- 
regierungen  eine  Steuerabteilung,  während  sonstige  Geschäfte  in 
der  zweiten  Abteilung  bearbeitet  werden  (vgl.  S.  95).  Die 
Steuererhebung  in  den  Ortsgememden  erfolgt  durch  die  Ge- 

Forsehungmi  (45)  X  4.  —  Ratligen.  82 


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498 


X  4. 


meiDdebeliOrdei) Für  die  DuidiftQiruDg  der  Sakeberteoening 
giebt  68  besondere  technische  Beamte.  Die  Zollämter  untenteben 
schon  seit  1872  nicht  den  Bezirksbeiiörden,  sondern  direkt  dem 

Finanzministerium.  Der  Vertrieb  (Ipt  inr  eine  Reihe  von  StencTn 
erfbrderliclien  *Stenij)c] marken  erfolgt  durch  zahlreiche  Verkäufer, 
als  welclu;  in  erster  Linii  pensionierte  MiÜtärpersonen  und  PoUzisten 
und  deren  Witwen  und  M'aisen  zuzulassen  aiiid  und  die  einen 
Rabatt  von  7  bis  9  Prozent  erhalten  (seit  der  Verordnung  2i 
des  Finanzministeriums  vom  8.  Juni  1886,  früher  mehr)-. 

FOr  die  EasseDgeachäfle  hat  nch  die  Finansverwaltanc 
mehr  und  mehr  der  Banken  bedient,  nameotlicfa  der  National 
bank<Mi  .sowie  einzelner  Privatbanken  (ao  der  Mitsui  Gfinko). 
Seit  £rriclilung  der  Nihon  (  Hnko  ist  das  Kassen wesen  allmählich 
ganz  dieser  Ubertragen,  endgtlltig  durch  die  Kaiaerliche  Vorordntmg 
12Ö  vom  11.  Dezember  1889. 

!)•  1  Entwickelung  d^  Etats-  und  Kcchnungs wesena 
im  einzelnen  durch  den  Wust  der  Verordnungen  zu  folgen,  ist 
wenig  ersprieislich.  Kinige  Hauptdaten  dürften  genügen.  Wie 
schon  erwähnt,  wurde  am  l'd.  Oktober  1874  verfügt,  dai's  die 
Etetoperiode,  welche  1873  und  1874  mit  dem  Kalenderjahre 
identiBdi  war,  von  1875  an  vom  1.  Juli  bia  aum  30.  Juni  laofen 
solle,  um  zu  vermeiden,  dafs  die  Grundsteuer  eines  Emtejahres 
halb  in  das  eine,  halb  in  daa  andere  Finaoajahr  falle.  Alle 
Staatsrechnungen  begannen  am  1.  Juli  1875  neu,  alle  früheren 
Rückstände  an  Einnahmen  und  Ausgaben  wurden  mir  den 
Hechnungen  des  ersten  Halbjalires  von  1^75  vereini^^i  Im 
März  1875  ergingen  dann  seiir  ausfidirliciie  Instruktionen  des 
Finanzministers  üIxt  die  Aufstellung  der  Etats,  über  das  Rech- 
nungs-  und  Kassen  wesen,  mit  zahlreichen  N.ich  tragen,  iiamentUeh 
▼om  18.  Mai  und  28.  November  1875.  Nachdem  dann  vom 
1.  Juli  1879  an  die  doppelte  Buchführung  vorgeschrieben  war, 
erlblgte  durch  Nr.  50  vom  27.  Dezember  1879  (mit  AusfÜhrungs- 
▼erordnung  vom  13.  Januar  1880)  eine  Reform»  die  aber  achon 

'  Vgl.  darüber  jetzt  Gesetz  9  vom  Marz  lHfs9  und  dazu  Kaiserl. 
Verordnung  'X\  vom  gleichen  Datum.  Die  Hokkaido8teuem  betrefTend 
vgl.  anten  Kap.  4  IX.  —  Nach  der  neuesten  OrgaoiflatioD  der  Bezirk»* 
r^erunpen  fKaiserl.  Vcrordurnic  L*'2'>  vom  10.  "ktober  1890)  besteht  eine 
Abteilung  für  direkte  und  eine  für  indirekte  Steuern.  —  Ende  1H87  ge- 
hörten zur  FlnaxiKTerwaltung  8702  Beamte  und  Angestellte  mit  l.%82m)0 
Yen  Jahresgehalt.  Von  dieser  Zahl  waren  TOGO  In  der  Sttmerverwaltune 
beschäftigt,  darunter  in  den  Bezirksregienuigen,  Ö4Ö  in  der  Zoll- 
verwaltung. 

*  Über  die  Behaadlnng  rttckständiger  Grundsteuern  vgl.  das  nidiale 
Kapitel.  —  Die  Zahl  der  zur  Anzeige  gekommenen  Übertretungen  von 
Steaergesetzen  war  nach  der  PoUzeistatistik 

18-S2     1  297  18,86  27;i01 

1883     *»68l  1S87   23  .Vi:^ 

\m    14HS6  1888  19121 

lübo  41324 

Die  grofse  Zunahme  im  Jabre  1885  dttifie  au  einem  erheblicben 
Teile  der  Bänfuhrang  der  efaleanösen  Kndienstener  snaneehreiben  eeiii. 


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499 


1881  (Nr.  33—35  vom  28.  April)  einer  erneuten  Regelung  Plate 
machen  maiate.  Schon  1884  entschlofs  man  dcb  su  einer  aber- 
maligen Änderang  de«  Etotojahres,  dessen  Anfiing  anf  den 
1.  April  verlegt  wurde,  während  das  Etetajahr  1 885/86  nur  vom 
1.  Juli  1885  bis  zum  81.  Bfärs  1886  dauern  soUte  (Nr.  89  Tom 
28.  (  Oktober  1884).  Im  Zusammenhang  damit  wurde  dann  das 
Biitlgi  twescn  durch  die  Gesetze  11 — 13  vom  16.  März  1885 
abermals  neu  geordnet  Durch  Einführung  des  Vf^rfassungs- 
Staates  ist  I8^^0  das  alles  wieder  über  den  Hauten  geworfen. 

Dafs  diese  rasicl»  aufeinander  tolgenden  Gesetze  durch  klarere 
Ausdrucks  weise  und  knappere  Fassung  einerseits,  durch  schärfere 
Umgrenzung  der  Befugnisse  der  einzelnen  Verwaltungsinstanzen 
anderseits  eine  stetige  Seasening  der  Fiminsverwaltaii^  bedeuten, 
darf  trote  aller  bis  in  die  neuste  Zeit  anhaftenden  llängel  nicht 
bestritten  werden.  Was  insbesondere  das  Etatswesen  betrifit, 
so  enthielt  auch  das  Gesete  von  1881  (Nr.  33)  noch  im  wesent* 
liehen  nur  formale  Bestimmungen  über  iie  aufzustellenden  Über- 
sichten und  Abrechnunp:en.  Hinsichtlich  der  Übertragne p^en 
(Viremonts)  innerhalb  des  Budgets  war  die  Allgewalt  des  Finanz- 
ministers noch  ziemHch  unbeschränkt,  wodurch  die  Festsetzung 
des  Stiiatshausiiah^etÄts  durch  das  Daijükwan  ganz  bedeu- 
tungslos wurde.  Einen  grolsen  Fortschritt  brachte  hier  erst 
das  Qesete  11  Ton  1885,  welches  Air  den  £tet  von  1886/87 
auerst  in  Anwendung  kam.  Der  Ghrundsate,  dafa  alle  Emnahmen 
und  Ausgaben  des  Staates  im  Etat  einzusteUen  seien,  an  die 
Spitae  des  Gesetzes  gestellt,  wurde  freilich  immer  noch  nicht 
ganz  durch^efilhrt.  Die  unten  näher  zu  besprechenden  Fonds, 
namentlich  der  grofse  Reservefonds,  der  1S81  fast  56  Millionen 
Yen  r'rroiclite,  der  Jndustricfonds  von  1878  (in  Millionen),  der 
Ebenbahnbautonds  von  1884  (über  18  Millionen),  hatten  ihre 
getrennten,  im  Etat  nicht  erscheinenden  Reclmungen.  Die  Ver- 
fügung Uber  diese  grofsen  Summen  ermöglichte  alle  denkbaren 
Schiebungen  und  Verschleierungen.  Erst  1890  ist  die  ganze 
Fondswirtschaft  in  Wegfall  gekommen.  Auch  nach  Erlaä  des 
Gesetzes  von  1885  erschien  femer  von  einer  Reihe  staatlicher 
Betriebsverwaltungen  in  den  Etats  nur  der  Überschufs  der  Ein- 
nahmen über  die  Ausgaben,  soweit  ein  solcher  vorhanden  war 
(so  seit  1877).  Über  die  Ausgaben  dieser  Betriebe  sagten  die 
Etatb  nichts,  so  bei  den  Eisenbahnen,  der  Münze,  der  Stiiats- 
druckerei,  den  Reri; werken,  Werlten,  Fabriken,  während  für  die 
Forsten,  die  i'ost  und  seit  1886  für  die  Telegraphen  die  ganze 
Einnalime  und  Aufgabe  im  Etat  enthalten  w^ar.  Ei-st  1890  ist 
ftir  solche  Betriebe  ein  Öpecialetat  als  Anhang  zum  allgemeinen 
Budget  erschienen*. 

'  Dafs  GS  sich  dabei  um  erholdiche  Surrmnn  handelt,  kann  man 
daraus  ersehen,  dafs  trotz  Veräufseruii^  tivst  aller  Berf^werke  und  Fabriken, 
jedoch  uach  erbebliclier  Auädehuung  der  Staatöbahuen,  diea  Spccialbudgct 
für  1890/91  (datiert  27.  Män  1890)  nachweist 

32« 


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500 


Um  das  recbtoeitige  EncheiDeD  des  BndgetB  su  achers  — 
mit  Aiunahme  des  EtatA  mr  1879/80  sind  die  Budgets  erst  seit 
1888  Tor  Anfang  des  Finanzjahres  enohienen  — ^  enthielt  das 
QesetB  von  1885  eingehende  Vorachrif^n,  bis  zu  welchen  Daten 

die  einzf'lneTi  Behörden  (30.  Juni)  \uv]  der  Finanzminister  (20. 
Dezenilxn  die  Etats  dem  Daijokwan  vorzulegen  hätten,  welches 
seinerseits  das  Budget  bis  zum  5.  März  feststellen  sollte. 

Das  Gesetz  enthielt  ferner  Vorschriften  Uber  die  bei  Ab- 
schätzung tier  Eiiiualiuicii  und  Ausgaben  zu  befolgenden  Grund- 
sätze. Im  allgemeinen  war  der  Durchschnitt  der  drei  vorher- 
gehenden FiiMnzjahre  ansunehmen  (vgl.  dam  die  eingehende 
Slinistenalinstruktion  12  vom  21.  Mflrs  1885)  ^  Überaehttaae 
früherer  Jahre,  bis  1886  dem  Hes  rv  fonds  zugefUhr^  waren 
fortan  als  Einnahme  einsustellen.  Besonders  wichtig  aber  waitti 
die  Bestimmungen ,  welche  die  wirkliche  Durchführung  des 
Budgets  sichern  sollten.  I  )ie  Chefs  der  Behörden  sollten  nach 
Feststellung  des  Ktats  nur  in  ganr,  unvermeidlichen  I  ;illen  Ver- 
mehrung ihrer  Kredite  verlangen,  worüber  das  Daijokwan  dann 
entschied.  Zwischen  den  verschiedenen  grofsen  Ausgabetiteln 
(Kwan)  sollten  Virements  Uberhaupt  nicht  mehr  stattfinden, 
swiachen  den  Kapiteln  (Eo)  nur  mit  Erianbok  dee  Daijokwan, 
swiachen  den  Sektionen  (Moku)  nur  mit  Erlaubnis  dea  Finana- 
miniaters,  zwischen  den  einneben  Paragraphen  (Setan)  dagegen 
mit  Genehmigung  des  Departementsehem'. 


Einuabmcu    IctUüIll»  Yen 
Auflgsben     11496666  - 

Für  das  FiiiaDs|slir  18k'V84  habe  ich  aus  den  späteien  Spedsl- 
abn'chnun^en  eine  nicht  einmal  gSDS  vollstfttidige  ZaasmmeDitelfaiag 
gemachtt  welche  ergiebt 

£iuiiahmcn    11205  227  Yeu 
Ausgaben      9898793  - 

Diese  Sanune  fehlt  fast  ganz  im  Etat  betw.  in  der  aligemeiiieo 

Kechuung  de.«  "^tnuti^liaushaltf.  —  Auch  iibor  durchlaufende  Poston.  wie 
die  Einnahmen  und  Ausgaben  der  Depositen kasse,  giebt  zum  erstenmal 
ein  Nachtrag  zum  Budget  von  1890/91  Auskunft. 

'  Bcacntenswprt  für  die  WUrdiffUng  der  Budgetposten  ist,  dafs  bis 
1890  regelmäfsig  Auderungren,  welche  erat  im  Lauff^  de?  Pinanayahres 
bevocstetien.  nicht  berücksichtigt  sind.  So  Bind  bei  den  Staatsbahoeo 
immer  nur  Einnahmen  der  bei  Anfetelliinff  des  Btsts  sehen  im  Betrieb 
befindlichen  Linien  eingestellt  -  «lafs  /..  B.  1H87H8  der  Übersehufs,  auf 
ÄÄ)74;{  Yen  eingeschätzt,  in  Wirklichkeit  1  OM  7"'.  Y»»n  betrug,  ls.ss>.ji 
waren  die  entsprechenden  Zahlen  (jHS  920  Yen  und  1  22H  Yen.  Ähn- 
lich ist  es  mit  den  Aufstellungen  über  den  Bedarf  für  Verzinsung  der 
Staatssihuld,  wobei  /..  J}.  in  den  Etats  der  letztrn  J  ihre  auf  denFort" 
gang  der  Konvertierungen  keine  liücksicht  genommen  ist.  — 

£inen  sonderbaren  Eindraek  macht  es  aticb,  dafs  mehrfach  onmittel- 
bur  nach  Vi  rüttentlichung  des  Budgets  neue  Stcueigesetze  erschienen 
pind,  so  am  l  '  M«irz  1887  da3  Ge^ety,  über  Einfuhrung  der  Einkommen- 
steuer, am  ti.  A^nl  Is^M  ein  neues  Tabaksteuergesetz. 

Die  Kapitel  (Ko;,  zwischen  welehen  Übertragungen  aollssig  wnreii 
mit  Genehmigong  des  Kabinetts,  sind  noeb  «seht  grofse  Ssmmäpostant 


I 

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X  4. 


501 


Was  die  äulsere  Form  der  Budgets  betrifft,  so  er- 
schienen sie  bis  1^85  86  als  Bericlit  des  Unanzministers  an  das 
l)ai)okwaii  und  wurden  von  diesem  bezw.  dem  Orofskanzler 
veröffentlicht.  Seit  1886  haben  sie  die  Form  Kaiserlicher  Ver- 
ordnungen, gegengezeichnet  vom  Ministerpräddenten  und  dem 
Finammimster.  Bis  1890  war  jedes  Budget  von  mehr  oder 
weniger  eingeheiidea  ErläuterangeD  des  FinaiutmiiiiBten  begleitet, 
welche  eine  der  wichtigsten  Quellen  i%tr  die  Kenntnis  der  neneren 
Finanzzustände  sind,  bei  deren  Benutzung  freilich  grolse  Vor« 
sieht  geboten  ist.  Sie  waren  ein  bequemes  Mittel  fUr  den 
Finanzminister,  den  Thatsachen  die  ihm  angenehme  Färbung  zu 
verleihen.  Eine  weitere  Beilage  zu  jedem  Budget  war  eine 
t.'bersicht  über  den  Stand  der  Staatssclmlden  und  dcö  Ke«erve- 
fondä.  Sowohl  die  ErlauteruDgen  wie  die  Übersicht  der  Schulden 
fehlen  m  dem  Budget  iur  1890  91.  —  Der  Höchstbetrag  der  aus- 
zugebenden Schatsicheine  ist  zuerst  Im  Budget  für  1889  90 
festgesetzt. 

Die  vertfiflentlichten  BudgetB  dnd  im  allgemeinen  mit  der 
Zeit  klarer  und  aueftthrlicher  geworden.  Die  Vergleichung  auf 
längere  Zeiträume  ist  allerdings  erheblich  erschwert  durch  die 

bestöndigen  Umstellungen  und  Andenmsren,  namentlich  bei  den 
Ausgaben.  Nur  znm  T»  il  sind  diese  Uiiistellungen  in  Änderungen 
der  VfM'waltungsorganiöatiüü  liegründet,  und  es  hat  nicht  an  mifs- 
trauiflchen  Stimmen  getelilt,  welche  die  Erschwerung  der  Ver- 
gleichbarkeit für  Absicht  erklärten.  Die  Ausgabebudg(?t.s  sind 
namentlich  seit  1886  mit  denen  der  Vorjahre  gar  nicht  mehr  zu 
vergleichen,  00  dale  das  Statistische  Bureau  nicht  einmal  eine 
Kuiserliche  NebeneinaiidaBtellung  der  Hauptauagabeposteo  vor 
und  nach  1886  versucht 


2.  B.  regelmälBifj  in  jedem  Ministerium  „Gehälter  und  andere  persönliche 
Auttgabijn",  „Keisekoaten",  „Bureaukosten",  „Baukosten''.  Innerhalb 
dieiw  Ko  sind  also  schon  mit  Genebmigung  des  Finanzministers  Vire- 
mcnts  zwischen  den  einzelnen  Sektionen  (Moku)  zulässig,  z.  B.  in  dr>rn 
geuanuteu  Ko  „Gehälter  etc.^  mid  solche  Moko:  Gehälter  der  Chokunia, 
GebUlter  der  Sosin,  Oehftlter  der  Hannin,  Remuneraüoiiai  ete.  Der  Ko 
„Baukosten"  zerfällt  in  die  Mokü  „Neabauten",  „Reparaturen'^.  Zwischen 
seinen  einzelnen  Neubauten  konnte  also  —  und  kann  auch  in  Zukunft  — 
jeder  Minister  übertragen,  -  wie  man  sieht,  uocb  nicht  gerade  eine  sehr 
»trsnime  Organisation.  —  Die  neue  Volksvertretung  hat  nach  der  Verfassung 
nur  über  die  Kwan  und  Ko  zu  bescbliefsen,  /.  IV  im  Etat  des  Verkehrsmini- 
Bterinras  über  den  Ko  „Baukosten",  der  im  Etat  189Ü/91  mit  4:^:^000  Yen 
erscheint.  Nur  zu  seiner  Information  werden  dem  Landtage  die  Moku 
mitgeteilt,  z.  B.  in  dem  eben  angef&hrten  Ko  des  £tats  von  1890/91  das 
Moku  :l  „Verscliieden"  iipue  TelepTrapbenlinien".  -  Die  Verf  issung  brinf^t 
eine  Verbesserung  nur  iusotem,  als  Virements  auch  zwi^hen  den  Ko 
yerboten  ^d  (FinanasgeMts  Art  12).  Eine  DaisteUong  des  hoUen  Schem- 
wesens, als  welches  das  Budgetrecht  nach  der  neuen  Verfassung  bei 
näherem  Studium  erscheint,  versage  ich  mir  um  so  mehr,  als  in  der  that- 
sächlichen  EntwickeiuDg  sich  daraus  etwas  ganz  anderes  zu  gestalten 
seheint 


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502 


Von  den  wimderiiohen  Rechenkünsten,  welche  die  erbten 
fßaxz  BUDi  TD  arischen  Budgets  für  1873,  1874  und  das  erste  Halb- 
jahr von  lb75  zeigten,  ist  bereits  im  vorigen  Kapitel  die  Rede 
gewesen.  Nach  der  1875  eingetretenen  Neuordnung  wurde  die 
Form  der  Jiudgets  allmählich  überi^iditlicher,  wenn  aucli  eine 
Reihe  von  Jahren  noch  nur  gewisse  (- «-iu  ra Isuiumeu  veröffentlicht 
wurden,  z.  \>.  die  Ausgaben  jedes  Miaiöttiiiims  in  einer  rundt^n 
Summe.  Bis  l880  veränderte  öich  die  Anordnung  des  Budgets 
noch  von  Jahr  zu  Jahr,  bUeb  nher  dann  bis  1885  in  den  Haupl- 
zUeen  nnverftndert.  Eäne  Scheidang  in  ordentliche  und  anMv 
ordentliche  Ausgaben  erschien  zuerst  im  Budget  für  187Ü/80. 
Vom  nächsten  J'»udget  an  sind  dann  regelmftfsig  die  Einnahmen 
in  drei  Teile  geteilt:  Steuern  (einschlielslicb  Fostj,  Betriebsein- 
nahmen und  Verschiedenes  (namentlicli  vom  Staatseigentum). 
Die  ordentlichen  Ausgaben  erscheinen  in  11  bis  It)  Teilen: 
Tilgung  der  Staatsschuld,  Verzinsuufi,  Kaiserliches  Haus,  Pensionen. 
Staatsverwaltung,  Hezirksverwaltung,  Polizei,  Wege-  und  ^^  asser- 
bauten,  Zuchthäuser  (seit  1881  82)  u.  s.  w.  Wie  wenig  ins 
einzelne  die  Etats  gingen,  entnehme  man  daraus,  dals  z.  B. 
1880/81  die  ordenthche  Einnahme  in  82,  die  aufierordentiiche 
in  5  einzelne  Posten  zerfiel,  die  ordentliche  Ausgabe  in  36,  die 
auPserordentlichc  in  18  Posten. 

Gleichzeitig  aber  ging  man  dazu  über,  als  Beilage  zum  Etat 
Tabellen  zu  veröffentlichen,  in  weh-hen  diese  Einzelposten  wieder 
in  Unterabteilungen  zerlf^^t  wareri  Diese  detaillierten  ßudgeti 
sind  dann  im  Laufe  der  Zeit  immer  vollständiger  geworden. 

War  die  l'  orm  von  188U  bis  Ibb.j  in  der  Hauptsache  un- 
verÄndert',  so  sind  die  Budget«?  seit  181^0  wieder  vollständig 
umgeordnet  und  zwar  jedes  Jahr  anders.  Auf  drei  Jahre  ver- 
schwand die  Schddunff  zwischen  ordentlichen  und  «uiserordeDt- 
liehen  Einnahmen  und  Aitagabeo,  wurde  aber  1889/90  wieder- 
hergestellt Die  Einnahmen  wurden  in  zwei  Titel  (Kwan),  nttmUch 
Steuern  und  sonstige  Einnahmen  (einschliefslich  Qebühren),  geIeÜL 
1889  aber  in  vier  Titel,  Steuern,  Gebühren,  Staatsbesitz  und 
-betriebe,  Verschiedenes  Die  Ausgaben  zerfielen  in  vier  Haupt- 
teile: 1.  StÄiAtösehuid  und  i*<'nsionen,  L*.  Kaiserliches  H^ins  und 
Shintokultus,  3.  Staatsverwaltung,  4.  Vei  seliii  (icm  .s.  .le  die  beiden 
ersten  und  die  beiden  letzten  Teile  wurden  v(  j  «  iaigt,  l5l>0 

dagegen  das  Kaiserliche  Haus  ganz  für  sich  gestellt,  im  Übrigen 
aber  soyiel  Teile  gemacht,  wie  Gentraibehörden  sind.  Der  kurz 
nach  dem  Budget  vevOflfontiichte  Specialetet,  ein  Heft  in  Orols- 
quart,  das  1889  den  Umßing  von  224  Säten  erreidile,  giebl  den 
Etat  nach  Kwan,  Ro,  Moku  und  Setsu  (siehe  oben),  189U  (170 
Seiten)  nur  mehr  nach  den  drei  erstgenannten  Katsg<»ieen,  eine 
Vorbereitung  ilir  die  parlamentoiische  Behandlung. 


^  Die  gleiche  Einteilung  ist  nachher  iii  der  Uaaptsache  fUr  die 
Abrechnaagen  Mit  1076/76  auge wendet  wordui. 


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X  4 


503 


Das  unruhig  Springeiitle  der  modernen  japaniödien  Ver- 
waltune:,  ^l^i  Mangel  an  ruhig  überlegender  Voraussicht,  an 
Konsetjuenz,  welchen  die  kurz  gezeichnete  Darstellung  der  Ver- 
waltUDgsorganiaalion  und  des  Etatswesens  uns  zeigte  iiefse  sich 
leicht  noch  achtfifer  illustrieren,  wenn  wir  nttber  eii^ehen  wollten 
auf  den  ewigen  Wechsel  der  Nomenklatur,  auf  &»  Hin-  und 
Herachieben  der  einaselnen  Ausgabeposten,  welche  die  Versweiflung 
dessen  sind,  der  V€o:|(leiche  &  eine  Beibe  yon  Jahren  anstdlen 
will.  Der  Leser  wird  uns  Dank  Wimen,  wenn  wir  weitere 
Kiozelheiten  für  uns  behalten. 

Die  Aufsicht  über  die  Ausführung;  des  Budgets 
und  die  Einhakung  der  Voranschhige  hig  ursprünglich  aUein  in 
dpn  Händen  des  Finanzministers  bozw  der  Abteilung  tur 
liechnungöwesen  im  Ministenum,  Dieser  lur  den  Minister  höclist 
bei^ueme  Zustand  vviu-de  erst  geändert,  als  im  Frühjahr  1880 
durch  Neuorganisation  der  Oentralverwaltung  die  Ministerien 
Überhaupt  einer  echftrferen  Kontrolle  unterworien  wurden.  Die 
bisherige  Rechnungsabteilong  wurde  aufgehoben  und  dureh  Nr.  18 
vom  5.  März  188U  und  Nr.  35  vom  28.  April  1881  ein  Rech- 
nungshof, Kwaikei-kenza- in,  ins  Leben  gerufen,  welcher 
dem  Daijokwan  bezw.  Kabinett  unterstellt  war.  Erst  1880 
(Gesetz  1  r.  vom  f).  "NTai)  hat  der  Rechnungshof  eine  den  preulsischen 
Einriciitungen  nachgebildete  Unabhängigkeit  erhalten. 

Nacfi  dem  CTCsptz  von  1881  sollte  der  Kechnnngshof  nicht 
nur  die  Abrechnungen  der  Finanzverwaltung  prüten,  sondern 
auch  die  Etats  und  darüber  dem  Daijokwan  berichten.  Die 
Etatä  und  Abrechnungen  der  Bezirke  werden  gleichfalls  vom 
Rechnungshof  geprüft.  Eine  wichtige  Befugnis  war  endlich  die, 
den  Beh((rden  Aufklärung  zu  geben,  wenn  sie  Zweifel  betreffend 
die  Auslegung  der  Ftnanzgeeetse  hatten.  Vorschlltge  tiber  ErUife 
und  Veränderung  von  Gesetzen  u.  s.  w.  konnte  der  BedmunigB- 
hof  dem  Staatsrat  unterbreiten.  Die  Unterordnung  unter  dieien 
zeigte  sich  vor  allem  in  der  Vorschrift,  dafs  letzterer  eine  neue 
Prtifimg  auch  solcher  Angelegenheiten  anordnen  konnte,  wesen 
deren  der  Kechnungshot  dem  recimungslegenden  Beamten  schon 
Decharge  erteilt  hatte. 

Über  die  Ergebnisse  jedes  Finanzjahres  erfolgt  zunächst 
eine  vorläufige  Abrechnung,  dann  eine  endgültige  Schlufsrechnung. 
Bis  Ende  1889  waren  veröffentlicht  die  vorläufige  Abrechnung 
des  am  31.  März  1888  endenden  Fman2Üahres  und  die  end- 
gültigen  Schlu/firechnungen  Imb  mm  30.  Juni  1885^.  Sie  er^ben 
die  Zahlen,  welche  unseren  Untereuchungen  zu  Grunde  hegen. 


*  En  Jalir  vorher  war  man  erst  bis  zum  Hl.  MSrz  l.^^G  reßp. 
IM),  Juui  löH^j  gekommen.  Im  Jabre  181^0  Biud  noch  die  ^hiursrecb- 
Hungen  für  188.5  86  und  1886/87  erschienen  sowie  die  vorlliiifige  Ab- 
reohnnng  für  1888'89. 


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504 


Dala  anfänglich  keine  Abrechnungen  verötlenüicht  wurden, 
war  einer  der  Gründe  für  das  MilsticUien,  unter  welchem  die 
Finanzen  des  Landes  litten.  Die  eiäie  veröffentlichte  Rechnung 
war  di«  des  Jabm  1875/76,  wetelie  ander  dem  Datum  des 
7.  Februar  1879  enefaien.  Für  die  ersten  Vin  Jahre  der  neuen 
OidnuDg  bis  zum  30.  Juni  1875  enchien  «ne  gemeinsame  Ab- 
rechnimg am  27.  Dezember  1871>.  Am  30.  August  1880  folgte 
dann  &  Rechnung  fUr  187(>/77.  Seitdem  sind  die  Rech- 
nungen in  unregelmälsigen  Z\^*schenr}iumen  einander  gefolgt. 
Zu  beachten  ist,  dafs  die  Ausgaben  zur  Bekiimpfung  des  Errofsen 
Aufstandes  von  Satsuma  im  Jahre  1S77  nicht  in  der  allgeu]«  him; 
Recliiiuiig  ersclieinen.  Ein  besonderer  Bericht  darüber  vv>uj 
25.  Dezember  1879  ist  um  13.  Februar  1880  veröffentlicht.  Zu 
beachten  ist  femer,  dais  die  bekannt  gegebenen  allgemeinen 
Bechnungen  sich  auch  nur  auf  die  im  Budget  entbaUenen  Posten 
bestehen.  Wir  sahen  aber  au  Anfang  dieses  Abschnittes,  dafs 
bisher  durchaus  nicht  alle  Einnahmen  und  Ausgaben  des  Staates 
im  Budget  verzeichnet  waren,  über  die  meisten  dort  nicht  er- 
scheinenden Posten  geben  allerlei  \^trwultungsbc  richte  und  nach 
diesen  die  Statistisclien  Jahrbücher  Auskunft ,  po  über  einen 
grofsen  Teil  der  Emnahmen  und  Ausgaben  der  verschiedenen 
^Staatsbetriebe,  freilich  nicht  immer  vollständig,  und  über  die 
Ausgaben  .4Uä  dem  Industrielonds  von  lö7b.  Uber  den  ßsen- 
bahnbautbnds  teilen  die  Jahresberichte  des  Eisenbahnamtes  nur 
die  sum  Bahnbau  T^rwendeten  Summen  mit  Über  die  be- 
sonders wichtigen  Vorgänge  beim  Resenrefonds  aber  ist  man 
eanz  auf  die  dürftigen  Erläuterungen  angewiesen,  welche 
der  Finansminister  jlmrlich  seinem  Berieht  Uber  das  Budget 
hinzutllgte. 

Ein  sehr  ntilrendes  Element  für  die  (ienauigkeit  der  Etats 
wie  der  Abrechnungen  liegt  ferner  in  den  W;lhrunL''szustäinden. 
teils  durch  das  schwankende  Wertverhältnis  zwischen  Gold  und 
Silber,  teils  dureh  die  bis  Ende  1885  hen-yehende  Entwertung 
dcä  Papierö.  Ks  scheint,  als  ob  namentUch  bis  188o  ui  deii 
Budgets  die  Ausgaben  von  Ooldyen,  Silbeiyen,  Papier^  en,  ebenso 
die  Einnahmen  In  Silber  und  Papier,  alle  gleichmä£ng  ab  Yen 
eingesetat  würen  ohne  Rücksicht  auf  ihren  verschiedenen  Wert 
"VA'ie  es  damit  bei  den  Abrechnungen  gehalten  wurde,  ist  gmi. 
unklar.  Die  Silbereinnahme  aus  den  Zöllen  ist  jedenfalls  nicht 
in  Papierwerte  unigercchnet  Sie  ist  wolil  Ijenutzt,  um  die  Silber- 
ausgaben zu  begl»  icho]],  vvi«'  nohalt  Iremdcr  Angestellter,  Be- 
zahlung von  Ankäuten  bei  (ien  fremden  Kaufleuten,  lümessen 
für  im  Auslände  zu  machende  Zahlungen  (Ankäufe,  Dienst  der 
London»  i  Anleihen,  l^darf  der  Gesandtschaften,  Studenten  u.s.w.  k 
Bei  den  Operationen  des  Reservefonds  zur  Beschämung  von  Edel- 
metall dttme  auch  manches  ausgeglichen  sein.   Die  Abrechnungen 


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X4. 


505 


des  ftlr  den  Dienst  der  Staatsschuld  (auswärtige  Anleihen,  Kin- 
satsuscheine)  nOtigeD  Bedarft  an  EÜdeLmetaU  rind  yoUsUiiidig 
unklar  ^ 


II.  Die  Fonds. 

Unter  den  TerscbiedeiieD  staatlichen  Fonds  ist  an  erster 
Stelle  der  oft  erwtthnte  Reservefonds!  Yobikin)  zu  nennen .  Sdn 

Ursprung  ist  in  den  llberschüsaen  der  Einnahmen  iibrr  die  Aus- 
gaben in  den  ersten  acht  Jahren  der  P^'inanz Verwaltung  der 
neuen  Ära  zu  suchen,  Uborschüsse,  weiche  freilich  ihren  Ursprung 
darin  hatten,  dals  in  den  ersten  Jahren  mehr  Papiergeld  ausgegeben 
war,  alä  die  Deckung  der  Ausgaben  erforderte.  Bei  der  1875 
stattge^denen  Neuordnung  des  FmanaweseDs  fand  auch  dieser 
FoncM  Beine  Begelnng*  £8  wurden  ihm  alle  aus  den  Abfeeh- 
nungen  der  ersten  7  '/s  Jahre  sidi  noch  ergebenden  Übavchtae 
und  Reste  überwi^en,  sowie  die  Überschtlsse,  die  sich  in  Zukunft 
in  jeder  Finansperiode  ergeben  wttrdeD,  auch  sonstige  zufällige 
Einnahmen,  sowie  der  Ge^Nnnn  aus  den  nutzbringend  angelegten 
Gleldem  de'*  Reservefonds  ( Staats papiere,  Aktien). 

Der  i^'onds  war  bestimmt,  der  Finanz  Verwaltung  zu  solchen 
Zwecken  zu  dienen,  welche  bei  vorgeschrittener  Ent\vi(  k(  luiit^ 
d^  Kreditwesens  durch  Banken,  durch  Ausgabe  von  bchatz- 
scheinen  u.  s.  w.  besorgt  werden.  Dahin  gehören  namentlich 
die  Mafaregeib  im  Zusammenhange  mit  der  Staatsschuld.  Hit 
den  Mitt^  des  Resenrefonds  wurde  Terhtttet^  dais  die  Kurse 
der  Staatspapiere,  deren  Umlauf  etwas  ftlr  Japan  gana  Neues 


*  Z.  B.  war 

die  Verminderutig  des  Nominalbetraga      die  dafür  gemachte 
der  auswärtigeu  Schuld  Ausgabe 

1880/Ö1  m  360  Yen  1 258  929  Yen 

1881/82         864248    -  952471  - 

1882/83  403  600    -  452  571  - 

Wie  diese  Zahlen  bei  dem  damallp'eii  Verhiiltuia  von  Papier,  Silber 
und  Gold  herauskommen,  lät  unverstäudhch.  —  Seit  ItoÖ  weisen  die 
▼eröffentfiehten  Abreelmungen  die  Aosgaben  für  innere  nnd  ttnfaere  Sehtdd 

nicht  mehr  getrennt  nach.  In  den  Specialetats  ist  da^^e^^en  nunmehr  der 
SilberentwertiinL'-  Rpclmnnfr  Lrotragen,  ob|*lcich  nicht  klar  ist  nach  welchen 
Grundsätzen.    Eb  war  nauiUch  für  die  Verzinsung  der  auswärtigen  Schuld 

der  Nominal-       J>»ir  Siclitkiira       Danach  der       Dagegen  der 
bedarf  Huf  London         Bedarf  iu  Budgetanaats 

Goldyen         Anikag  Min   Silbetyen  rund         x  en 

1887/88    526542  B  ah.  2*/4  d.         629  600  665  232 

1HSS  'R9     489  616  8  »h.  IV'2  d.  642  100  7:U)01.') 

1889/90    450126  8  sb.   Vs  d.         606500  568  040 


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&06 


war,  übermälsig  gedrückt  wurden.  Mittels  des  Reservefonds 
suchte  man  den  rreissturz  des  Tapiergfldes  autzuhalten.  Auf 
Kosten  des  Keservetouds  erfolgten  die  verschiedenen  Operationen, 
um  MetaUreserven  anzusammeln.  Der  Reservefondis  gab  die 
Mittel  her  zu  Beteiligungen  des  Staates  an  Begründung  yon 
mancherltt  wirtschaftlichen  Unternehmungen,  wie  vor  allem  der 
ShoUn  Ginko,  der  Nihon  Ginko,  der  Kyodo  Unyu  Kwaisha 
(später  Kihon  Yusen  Kwaisha),  Als  die  Barzahlungen  am 
1.  Januar  188(5  autgenommen  wurden,  diente  der  Reservetbnds 
als  Einlösungstbnds  t\ir  Papier  gegen  Silber,  und  in  dieser  Auf- 
gabe ist  er  schliefslich  vollständig  aufgegangen,  üurch  Gesetz 
J4  vom  27.  Mhfz  WM)  ist  vom  1.  April  1890  an  ein  mit  10 
Millionen  Yen  dotierter  Papiergeldeinlösungsfonds  geschaffen, 
dessen  Rechnungen  von  denen  der  jährlichen  Ausgaben  und 
Ehmahmen  getrennt  lu  fthren  sind.  Die  von  der  Nuon  Giako 
dem  Staate  vom  November  1890  an  geliehenen  22  Millioneo  Ten 
sind  diesem  Fonds  zugefiüurt  (S.  209  und  492). 

Über  die  Einnahmen  und  Ausgaben  des  Beaervefonds  sind 
gemme  Abrechnungen  nicht  yeröfientlicht  worden.  Man  ist  an- 
gewiesen auf  die  allgemeinen  in  den  jährlichen  Erläutenmgen 
zum  Budget  enthaltenen  Bemerkungen,  welche  zuerst  1883  er- 
schienen und  in  den  letzten  Jahren  etwas  ausführlicher  geworden 
sind.  Es  liegt  auf  der  Hand,  wie  sehr  die  allgemeinen  Abrech- 
nungen an  Wert  verlieren  durch  den  Umstand,  dafs  daneben 
gro&  Ein-  und  Anegänge  stattfiuiden,  Uber  weldie  mchts  bekamt 
war.  Durch  den  Keaervefends  fieft  sich  jedes  mibeqneroe  Vor- 
kommnis verschleiem,  wovon  die  heimliche  Pafnerausgabe  von 
mehr  als  20  Millionen  Yen  das  drastischte  Beispiel  ist.  Genan 
veröffentlicht  wurden  nur  die  Zahlen  Uber  die  Hohe  des  Reserve- 
fonds, gleichzeitig  mit  den  Ausweisen  tiber  den  Bestand  der 
Staatsschuld.   Danach  war  seine  rechnungsmäisige  Höhe 


am    1.  Juli 

1875» 

24416257  Ten 

-     1.  - 

1876 

28541417  - 

-     1.  - 

1877 

89031538  - 

.     1.  - 

1878 

51  266  981  - 

-     1.  - 

1879 

52287317  - 

-     1.  - 

1880 

51325515  - 

1.  - 

1881 

55  793499  - 

.     1.  - 

1882 

55  286  856  - 

-     1.  . 

1883 

53412011  • 

-     1.  - 

1884 

46986198  - 

-     1.  . 

1885 

46575297  - 

•     1.  April 

1886 

43865408  • 

*  Aus  »IcT  Zeit  vorher  liepon  in  den  Budjirets  zwei  Angaben  vor^ 
welche  mit  deu  bpäteren  nicht  zufiaminenpHSfieu,  nämhch  für  den  1.  Janaar 
1874:  27368000  Yen,  für  den  1.  Januar  1875:  40310000  Yen. 


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507 


am    1.  April    1887      35879752  Yen 

-  1.     -       1888       22  485  796  - 

-  31.  Januar  1889       15158993  - 

•  • 

Die  rechnungsmälBigen  UberschüsBe  für  die  eiDzefanen  Finanz- 
Perioden  ergaben 

fär  die  7'/«  Jahre  bis  zum  30.  Juni  1875     46904171  Ten 
▼om  1,  JüK  1875  bis  80.  Juni  1882  7  0n:;s^7  - 

zusammoi   54  857  998  Yen 

Das  sinfl  nur  430  000  Yen  weniger  als  obij:  er  Stand  vom  I.Juli 
18b2,  doch  waren  damals  noch  nicht  alle  früheren  Überschüsse 
rechnungsmärsig  zugeschrieben  (ca.  350001»  Yen).  Die  nicht 
aus  jaiirlichen  Überschüssen  stammenden  Eiiinahmen  hatten  also 
bis  dahin  nur  gegen  800  000  Yen  mehr  gebracht,  als  die  Ver- 
luste und  AuMEMU  des  Resenrefonde  betrugen-  Über  die  vom 
1.  JuH  1882  bis  81.  Januar  1889  stattgeftmdene  starke  Ver- 
minderung des  Beservefonds  geben  die  Erläuterungen  zu  den 
Budgets  folgende  angeflftbre  Uaten^  In  den  Beserrefonds  sind 
eingegangen  gegen  38  Millionen  Yen,  ausgegangen  sind  gut  78 
Millionen.  Von  den  Eingfinfrrn  stimmen  etwa  35"Of)(i  Yen  aus 
Überschüssen  trüherfr  l'inanzperiüden.  Seit  issd  werden  die 
Überschüsse  unter  den  allj^emeinen  Staatseinnahmen  verrechnet. 
Mehr  als  28  Millionen  sind  Überweisungen  aus  laufenden  Staats- 
einnalimen,  davon  etwa  1^2  Million  ^  aulserordenthche  mili- 
täriadie  Auigaben  (Otmbilm  ire^  der  Rest  zur  Papiergeldtilgung 
(früher  Genshiktni  ire  genannt).  Die  übrigen  Eingänge  ver- 
teilten sich  auf  Rückzahlungen»  Zinsen  und  Gewinn  von  Effekten 
(der  sehr  erheblich  gewesen  sein  niu6),  Gewinn  der  Deposüen- 
kasse.  Gewinn  an  l£lelmetall  -  u.  s.  w. 

Von  den  Aus*j;aben  kommen  allein  43800  0<IU  Yen  auf  Ein- 
lösung von  Tapiergeid  und  mindestens  lO.r,  Milli'>nen  auf  die 
Operationen  zur  Beschafinng  der  Metallreserve.  Zur  Kückzahlung 
anderer  Süuitsöchuideii  wurden  5  Millionen  verwendet  (ein  Drittel 
der  bei  der  15.  Nationalbank  gemachten  Anleihe  von  1877 
wurde  1883  zurUdcgezahlt).  Für  aulserordentliche  militärische 
Au«gaben  wurden  rund  1»»  Millionen  aus  dem  Reserve- 
fonds wieder  ausgezahlt  (siehe  oben),  ll,t  Millionen  sind  für 
den  Staatshaushah  verwendet,  nämlich  3 995 256  Yen  zur 
Deckung  des  Deficite  von  1883/84  und  7  500000  zur  Aus- 


1  Ganz  genau  stiminen  die  Angaben  weder  untereinander  noch  mit 
d«B  ans  den  Almchnungen  ermittel&f«!!  Posten. 

*  Bei  dem  bis  ]><y<\\  amlauenidpn  Sinken  des  Silberwerti^s  auf  ficm 
Weltmärkte  sind  an  den  ursprünglich  in  London  angedammelten ,  15^8 
und  IböU  der  Nibon  Giiiko  verkauften  Goldmen^en  erhebliche  Gewinne 
ffsmachti  angeblich  gegen  7  Millionen  Yen,  was  aber  mit  den  ▼eröffient' 
Bditen  Ürlttuterungen  über  den  Heservefonda  nicht  stimmt. 


j 

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508 


X  4. 


gleit  hung  im  Finanzjahr  1888/89  ^  Eine  besondere  VermindeniDg 
um  0100000  Yen  trat  ein  durch  tJbervveisunir  der  Aktien  der 
iShokin  Ginko,  Nihon  Ginko  und  Nilioo  Yuaen  Kwaiäha  ans 
dem  Venuögen  des  Staates  in  das  der  Krone. 

Mit  dem  1.  Apdl  1890  hat  der  bbherige  Reservefonds  formell 
sdn  E&de  eireidii 

Neben  dem  Reservefonds  steht,  nicht  sowohl  ab  ein  Fonds, 
sondern  als  ein  Aktivum  des  Staats,  der  Posten  „Vorschüsse 
des  Staats".  Darin  sind  enthalten  sowohl  das  Kapital  fUr 
gewerbliche  Unternehmungen  des  Staates  (jedoch  ohne  Eisen- 
bahnen) als  Darlehen,  Restkaufsuni men  n.  dergl.,  welche  Private 
der  Staatskasse  schulden.  Die  von  lbs;i  bis  1889  veröffentlichten 
(Uutti^en  Erläuterungen  des  liisumcles  an  solchen  Aktiven  sind 
ungenügend,  irgend  ein  deutliches  BUd  zu  geben.  Schon  in 
aadarem  Zusammenhange  ist  anf  das  SabventioiuemiigsweBeii  ab 
einen  der  wunden  Ptmkte  der  japanbehen  Verwaltnng  hinge- 
wiesen.  Es  bt  da  manches  vor^^ekommen,  was  das  Licht  nicht 
sondeiüch  verträgt.  Nur  das  geht  aus  den  Erläuterungen  deutlich 
hervor,  namentlich  wenn  man  sie  mit  den  fönnahmeposten  „Rück- 
zahlungen** vei^leicht  rlaf'a  ein  sehr  ^rrolser  Tf\\  solcher  Vor- 
schüsse nicht  tliirch  Zahiuni:,  sondern  dim  ii  Erial's  oder  Un- 
möglichkeit, Zahlung  zu  erlialteii,  getilgt  ist.  Seit  lb8!?  ist  das 
Betriebskapital  der  Süiatsuntemelimungen  getrennt  nachgewiesen. 
Wie  dieses  Kapital  berechnet  ist,  ob  und  in  welcher  ^^  eise  Ab- 
schreibungen vorgenommen  werden  u.  s.  w.,  bt  mir  onbekannt 
Die  Summe  der  Vorschüsse  ist  wie  folgt  angegeben: 


am  1.  Juli 

1875 

12546342  Yen 

-    1.  - 

1876 

13467659  - 

-    1.  - 

1877 

8063584  - 

-    1,  - 

1878 

8102598  - 

-    1.  - 

1879 

7418321  . 

•    1.  - 

1880 

7306811  - 

•    1.  - 

1881 

6  901879  - 

-    1.  - 

1S82 

13528  316    .  a 

-    1.  - 

1883 

19927  975  - 

-    1.  - 

1884 

22730622  - 

*  Bei  Verlei^unf?  des  Schlusses  des  Finanzjahres  auf  den  81.  Mftn 

(seit  188C)  war  aer  letzte  fJruiKlstonertermin .  ein  Viort«  I  1  r  Relslajid- 
steuer,  obgleich  er^t  im  Aprü  tälli^,  weiter  zu  den  Eiuiiabmeu  dm  am 
vorhergehenden  :U.  März  schliefscnaen  flnani^ahres  gerechnet,  wa«  auf 
die  Dauer  unbequem  war.  Daher  sind  für  ixx^'^O  au8  dem  Reservefonds 
7  500  000  Yen  eiitimmmen  Der  Icf/.tc  Gruinl.iteuertennin  gebort  f.irt;m 
zu  den  Einnahmen  des  Finanzjahres,  in  welchem  er  eingeht,  wird  sdso 
tbatfltfcMicli  der  erste. 

'  Di«'  |)lüt/tich('  starke  Zunahme  fiült  /.u:^aniinen  mit  dem  Wechsel 
der  Fiuanzleitun^ ,  also  vielleii  ht  anderen  Grundsät/en  der  Berechnmi-;, 
sowie  mit  dem  \  erkauf  zahlreiclier  iStaatsbetriebe ,  deren  Preis  meiöt  in 
kleineo,  auf  eine  lange  Beihe  Ton  Jahren  verteilten  Raten  wa  entriohten  war. 


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509 


am  1.  JuU  1885      16984951  Yen 

-  1.  April  1886      18316824  - 

-  1.    -    1887      18173234  - 

staatUebe  Betrieb»- 
anr  an  Private  kajntelieni 

am    1.  April   1888      10676767  Yen      6094713  Yen 
.   31.  Januar  1889       9  638015    -        6583905  • 

Der  Industrie fonds  (Kogyo-kin).  Um  auiserordentliche 
Mittel  au  wirtBchaftiicben  Unteraehmungen  zu  ^^cwinnen,  war 
im  Jalure  1878  eine  sechaproaentige  Anldhe  (Eogyo  kosai)  yon 
nominell  12,5  Millionen  zum  Koiae  von  80  «ir  5feit&cfaen 
Zeichnung  aufgelegt»  Der  Erlös  von  10  Millionen  sollte  als  ge- 
sonderter Fonds  verwaltet  werden.  Die  Gelder,  Uber  welche  be- 
sondere Abrechnungen  veröffentlicht  sind  wurden  hauptsächlich 
für  Eisenbahn-  und  Wasserbauten  sowie  Bergwerke  verwendet. 
Am  1.  Juli  1882  waren  noeli  414  282  Yen  unverwendet  in  der 
Staatskasse.  Der  letzte  Rest  vnn  38263  Yen  ist  unter  die  Ein- 
nahmen des  Jahres  1887  88  gcäctzt,  womit  der  Fonds  sein  Ende 
gefunden  hat. 

Der  Eiaenbahnbaufonds  von  1884.  Die  durch  die 
Nakaeendobahnanleihe  von  1884—1885  aufgebrachten  18229650 
Ten  und  die  damit  bestrittenen  Ausgaben  für  Eisenbahnbau  dnd 
gleichfalls  von  den  allgemeinen  £)innahmen  und  Ausgaben  ge- 
sondert gehfdten.  Die  müfsig  liegenden  Gelder  leisteten  einst- 
weilen für  die  Papiergeld  ein  ziehung  Dienste^.  Der  Fonds  ist 
verstärkt  durch  die  Anfang  1880  erfolgte  Aufbringung  von 
2007  074  Yen  mittels  einer  neuen  tVmfprozentigen  Anleihe.  Bis 
zum  31.  März  1889  waren  .^seit  Au i  legung  der  Nakasendcanleihe** 
der  Eisenbahnverwaltung  19288850  Yen  überwiesen  (Bericht  des 
Eüsenbahnbureaua).  Da  auch  dieser  besondere  Fonds  aufhOr^ 
sind  durch  Kacfatrag  aum  Budeet  für  1890/91  604905  Yen  als 
aulaerordentlfche  Einnahme  in  den  Etat  eingestellt 


1  Nach  den  ErlSutenin^en  zum  Budget.  —  Für  Eäsenbahnbaa  waren 

ausgegeben  (Berichte  des  Eisenbahn burraiiH)  Ins  zum  31.  März  iss^; 
2(i2»4  8.52  Yen.  bis  zum  M.  Marz  \m) :::!:iyi  027  Yen.  Die  Anla^^e- 
k Osten  der  am  Marz  ia>^6  im  Betrieb  befindlichen  Eisenbahnen  waren 
17606440  Yon.  Im  Stat  Jahrbach  IX  ^2  wird  al8  Kapital  aller  staat- 
Ifchen  Betriebaverwaltnngen  aogegeben: 

am  1.  April  Issf)   39  750  4^0  Yeo, 
-    1.  April  l^'.MJ    :{!)  671.' ••:•«>  - 
«  Letzte  Überwehten  im  Stat  Jahrb.  Btl.  V  Tab.  372  und  lid.  VI 
Tah.  381. 

»  „Geliehen**  1-^84  8:»  2000OOO  Yeo 
188.)  8t»  :{ 0Ü6  20.'>  - 
188Ö.87   4  000  000  - 
Die  mit  dieser  BeseiehmiDg  in  den  Abrechniingen  als  aafserordent- 
liche  EiiinHhme  erscbdnenden  Posten  entstammen  meines  Wissens  dem 
£i0enbahnfoa(l0  nnd  sind  bis  iÜ&Q  zurückgesahlt. 


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510 


Unter  dem  Namen  „Specialfonds''  wird  der  7011  den 
Vereiiiifirten  Staaten  1883  zurückgezahlte  Anteil  dieses  Landes 
andar&monoseki-Entsdilldigung,  785  000  Dollars  Gold,  beeoaders 

verwaltet.  In  Staatspapieren  nnp:e!egt^  und  regelmäfsifr  um  die 
Zinsen  vermehrt,  war  der  Fonds  bis  zum  81.  Januar  !^^'»  auf 
1451495  Ven  angewachsen.  Er  .soll  l\ir  die  grolsen  liateubauten 
in  Yokohama  verwendet  wnden.  Im  Etat  fiir  1890  91  sind 
bereits  700  OUO  Yen  hiertiir  als  durchlaufender  Posten  eingestellt. 

Über  den  11  Ulfsfonds  wird  in  anderem  Zusammenliang 
eingehender  gesprochen  (vd.  den  fünften  Abschnitt  des  nächsten 
Kapitels).  Der  Centnilhtlmfonds  betrug  am  31.  Januar  1889 
3820517  Yen,  welche  in  der  Depositenkasse  hinterlegt  warten. 
Dort  befinden  sich  auch  die  früher  gesondert  verwalteten  Fonds 
der  Postsparkasse.  Für  Zwecke  der  Forstvcrwaltung  1)e8teht 
ein  aus  Forsteinnahmen  angesammelter  Forstfonds.  Der  Fonds 
zur  Einlös  unc;'  der  N  a  t  i  0  n  a  1  ban  k  no  te  n  (S.  184\  der 
von  der  Nihon  binko  verwaltet  wird,  sei  hier  der  Vollständigkeit 
halber  erwähnt,  sowie  die  in  Staatapjipieren  hinterlegten  Öicher- 
heiten  der  Nationalbau  ken  und  der  Börsen  vereine. 

Endlich  ist  der  durch  freiwillige  Beiträge  zusammengebfacfate 
KttstenTorteidigungsfonds  su  nennen  (vgl.  unten  am 
Ende  des  siebenten  Kapitels). 

Die  Depositenkasse  (wörtl.  Depositenbureatt  Yokin 
Kyokui  ist  durch  Gesetas  IB  vom  30.  Mai  1885  errichtet  zu  dem 
Zwecke,  die  beim  Finanzministerium  hinterlegten  Gelder  zu  ver- 
waltnn.  namentlieh  die  Fonds  der  PosfapHrkasse,  Fonds  der  v<  r- 
sehiedfucn  Behörd<'n,  gemeines  Eigentum  von  Tempel-  und  an- 
deren religiösen  (jenieinden  und  von  Erwerbsgesellschaften,  endlich 
(  i  eider,  welche  Private  zu  hinterlegen  wünschen.  Die  Depositeo- 
scheine sind  nicht  Ubertragbar  oder  verpfändbar.  Alle  Einzel- 
heiten werden  vom  Unanzminister  geregelt,  wobei  hauptsttchlich 
die  Ministerialverordnung  88  vom  6.  Juni  1885  in  Betracht 
kommt.  Danach  kann  bares  Geld  nur  auf  feste  Zeit  hinterlegt 
werden,  andere  Depositen  (Staatspapiere,  Aktien  der  Nihon  Ginko) 
entweder  auf  feste  Zeit  oder  jederzeit  rückzahlbar.  Die  veröffent- 
lichten Verordnun^f^n  sn^'»  n  nur  wenig  Ober  die  Art  der  Ver- 
waltung. Thatsiiehlieh  sind  die  binterh^^rten  Oolder  teil?*  in 
Staatspapieren  an^^elegt,  teils  dienen  sie  zum  Ankauf  von  Scliatz- 
ßcheinen,  weleiie  iiauptsMehlich  bei  dt-r  Dt-positenkasse  unter- 
gebracht zu  werden  scheinen.  Die  zu  gewährende  \  erzinsung 
setzt  jeweiUg  der  FSnAnsminister  fest,  sie  ist  auch  nach  Art  der 
Depositen  verschieden  und  hat  in  den  letzten  Jahren  zwischen 
vier  und  fhnf  Prozent  sich  bew^.  Einnahmen  und  Ausgaben 
der  Depositenkasse  werden  ungefähr  im  Gleichgewicht  gehalten. 
Bisher  erfolgte  die  Abrechnung  zu  Gunsten  und  Lasten  des  Re- 
servetbnds.   Im  Budget  für  1890/91  ist  zum  ersten  Male  (im 


1  VgL  die  Eriäuterungea  zum  Budget  für 


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X  4.  511 

Kachtrag)  ein  duidilaufender  Posten  von  1 1082<>8  Yen  ab 
£uiDahme  und  Aiu^be  der  Depositenkaase  aogeBetet.  Dnrdi 
die  Vonchrifty  dafa  alle  bei  Behörden  angesammelten  Fonds 
der  Depositenkaase  zu  Ubergehen  seien,  ist  der  frühere  Mifsstand 
beseitigt;  dals  Uber  solche  Ansammlttogeo  kerne  genttgende  Kon- 
trolle bestand. 

t'^bcr  fUe  Bpflr'uturi<i;  di  r  Knsse  und  die  Art  ihror  Bermtzung 
giebt  am  bpstPii  Aufsehluls  ein  Auszufi-  aus  der  jährlirli  im  Sta- 
tistisdien  .Lihrbucli  erscheinenden  Tabelle  (z.  B.  Bd.  Vlii  Tab. 
119  und  Bd.  IX  Tab.  197). 


Depositen  in  der  Depositenkasse  am  Ende 

jedes  Jahres. 


Hinterleger 

1886 

ixw? 

1888 

Postsparkaaee    .  . 
Hülfstbnds     .    .  . 
Verschiedene  Be> 
hörden  .... 

GewUichsftea  .  . 

Yen 

8:^9  527 
1970  000 

688  267 
2388 
320132 
259274 

Yen 

2866204 

1  636  420 
7827 
3515490 
1478221 

Yen 
17  05X76« 
U  24.5  072 

2  027  96.5 
8  162 
2023653 
964351 

Yen 
18  815  107 
3  762  126 

2  418  122 
4481 
431182 
676201 

Y'en 
19 .547  120 
4188  847 

2  100  720 
5684 
1566292 
609127 

susammen 

|11559öbö|23ö0ö235 

|2d327  971 

|2Ü  1U7  219|28017  790 

Ein-  und  Auszahlungen  bei  der  Depositenkasse 
in  den  Jahren  1887  und  1888. 


Hinterleger 

Ein- 
gezaUlt 
1887 

Aus- 
gezahlt 
1887 

PLin- 
gCiialilt 
1888 

Auö- 
gezahlt 
1888 

Yen 

Yen 

Yen 

Yen 

Postsparkaate  

10  7  Ml  si>f) 

1 1  sim  s4:{ 

10  mm 

Ilülfefonds  

.5  Tn'i  IS" 

.'):;s5;U'J 

G  429  SU 

Verschiedene  H*>b''»rdeu  . 

2  ü:^6  727 

1  (;4.5  ivj 

lGi^:WO 

Keligionsgemeiüatiii .    .  . 

1  ;w.5 

1  0(U) 

2+^0 

6  IGl 

Gesellscli&fteu  

■t  lU'J  .VJU 

5  001  ;i2G 

4«2  822 

2  075  293 

Private  

1 487 174 

2001044 

810 179 

1096829 

2tlMUJUIlSD 

27266493 

25744757 

21830529 

21051281 

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512 


Drittes  Kapitel. 
Die  tirandsteuer. 

Vorbemerkunf?.  Die  Darstellung  der  Grundsteuer  und  ihrer 
Reform  beruht  auf  fofgendeo  amtlichen  QueUeo:  den  Geaetzeu  und  In- 
Btraktionen,  dem  Berieht  des  Pinaanpinirtere  w<m  Februar  1882  äber 

»He  Steuerrefnnn  f-1",  gegen  200  Seiten),  c^n  Bericliten  ührr  dir  Ihirrh.- 
führung  der  Reform  in  den  Bezirken  (4**.  drei  Bändel  und  der  amtliclien 
Statistik,  t'ber  die  GrunUbteuerreforui  erschienen  zwei  bemerkenswerte 
Aufsätze  im  Keizai  Zasshi  (Volkewirtaehaftliche  Zeitachrift),  1883«  Nr.  51 
l»ls  -Vi,  und  im  Hochi  Shimbun,  fi  \ovpnihcr  1^^:>,  letzterer  anöchei- 
nend  von  Okuma  inspiriert  Aus  diesen  Autsalzen  und  älteren  Berichten 
Aber  die  Grandeteoer  smr  Zeit  der  Tokogawa  hat  Anfang  1884  mein 
damaliger  Schüler  T.  J.  Nakagawa,  jetzt  Konsul  in  Singapore,  unter 
meiner  Leitung  eino  Arbeit  angefertigt,  wek-Vi««  <lem  Anfang  der  folgen- 
den Darstellung  zu  (j runde  gelegt  ist.  In  Gubbjns  Report  on  Taxa- 
tion sind  eine  Anzahl  der  wichtigsten  Gesetze  in  Übersetzung  mitgeteilt» 
nllerrlinL's  nicht  frei  von  Irrtümern.  Dio  wichtige  grohe  Tnstniktiou  an 
die  Bezirksbehörden  über  die  Außführung  der  Reform  fehlt  in  seinem 
Berichte.  Anhangsweise  ist  ebendaselbst  der  erwähnte  Aufsatz  aus  dem 
Hochi  Shimbun  in  abgekürzter  Übersetzung  mitgeteilt  Was  sonst  über 
die  nnindsteuerreforra  in  europäischen  Sprachen  veröffentlicht  wurde,  ist 
weni£  zuverlässig.  Über  den  Hülfafondis  findet  Mch  eine  längte  Ab- 
handlong  bei  P.  May  et.  Landwirtschaftliche  Verriehenmg  n.  s.  w., 
Tokyo  ISsv,  S.  28Ö-420,  mit  19  Tabellen,  auf  Grund  der  Geschäfts- 
berichte für  IKS'l  — IMHfj  zusammengestellt,  jedoch  ohne  Berücksichtigung 
der  Ei^ebuisse  in  den  einzelnen  Bezirken.  Ich  habe  auch  hier  die  in 
den  Statistischen  Jahrbfiehem  mitgeteilten  Tabellen  bentttzt 

♦ 

I«  Die  Grundsteuer  vor  der  Reform. 

Die  Onmdsteuer  geht  in  Japan  bis  auf  die  tüteeten  Zeiten 
zurück,  aus  welchen  wir  authentische  Angaben  besitzen,  d.  h. 
auf  die  Zeit  des  Eindringens  koreanisch-chinesischer  Kultur.  Ob 
schon  vorher  eine  Grundsteuer  bestanden  hat,  mag  dahingestellt 
Tdoiben  Die  ersten  genauen  Nachrichten  beziehen  sich  auf  die 
l^^iiiriciitunfz:  des  Steuersystems  nach  chinesischem  Muster  durch 
den  Kaiser  Kotuku  im  2.  .lalin-  Taikwa,  640  nach  Clfristi  Geburt, 
woran  in  den  niichöteu  t»<>  Jahren  mehrfach  Andcruiigen  vor- 
eenomtueu  wurden.  Nach  diesem  alten  System  lagen  damals 
den  Unterthanen  dreierlei  Leistungen  eb,  nämüoh  Grund- 
steuer (So),  ein  Zwanzigstel  des  Ertrages  der  Felder ,  Ge- 
werbesteuer (Oho,  Tefu),  ein  Zehntel  von  sonstigen 
Produkten,  wie  Zeug  etc.,  endlich  Frondienste  (Vo),  welche 
aber  durch  andere  Naturalleistungen  abgel^t  werden  konnten. 
Der  Frondienst  luit  sich,  wenn  auch  unter  sehr  veriindiTten 
Formen,  bis  zum  I'nHe  der  Tokugawazeit  erhalten.  I>agegen 
ist  die  Cho  genannte  ^>teuer  allmählich  in  Verfall  geraten  und 
verscbwundeD. 


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X  A. 


513 


War  die  rirundsteuer  im  Altertum  sehr  müfsig,  nur  fllnf 
Prozent  des  Ertrages,  so  ist  es  aut^jilÜir.  dafs  wir  nach  Ent- 
stehung des  Feudulwesens  unter  diesem  xsamen  .Abgabin  von 
ganz  anderer  Höhe  Huden.  LJals  der  liauer  die  Hälfte  bis  zwei 
Drittel  des  Kohertrages  an  den  Grundherrn  entrichten  mufstts 
war  nichts  Ungewöhnlichett.  Für  diese  spätere  Zeit  ist  die 
Anekdote  beseidinend,  dafs  zur  Zeit  der  Vennche  der  Wieder- 
herstellung der  kaiserlichen  Gewalt  dnrch  Go-Daigo  (14.  Jahr- 
hundert der  treue  Anhänger  dieses  Kaisers  Kusunoki  Masashige 
zahlreiche  Bauern  zur  Ansiedelung  in  seiner  Provinz  Rawacni 
dadurch  veranlaist  habe,  dais  er  nur  ein  Fünftel  des  Rohertrages 
als  GnmdsttMH'r  (tIioI).  Bisher  scheint  die  Era^^e  überhaii|>t  noch 
nicht  uifp:ewürteii  zu  sein,  ob  denn  diese  spitere  hohe  Grund- 
steuer wirklich  aus  der  alten  niedrigen  hervorgegangen  ist.  Ver- 
gegenwärtigt man  sich,  was  im  ersten  Kapitel  dieser  Arbeit  über 
die  Entstehung  des  Lehnsstaates  gesagt  ist,  so  erscheint  das 
höchst  unwahrscheinliclk.  Fast  aller  Grondbe^  war  in  Shoyen, 
d.  h.  immune  Gnindherrscbaften,  umgewandelt^  steuerte  also  der 


unter  und  man  nannte  nun  den  Zins,  den  die  Hintersassen  ihren 
Ghrundherren  entrichten  mufsten,  Grundsteuer.    So  scheint  mir 

der  grofse  Gegensatz  sich  am  einfachsten  zu  erklären. 

Wie  dem  auch  sein  ma^' ,  jedenfalls  hatten  un  Laufe  des 
Mittelalters  die  Abgaben  der  Hauern  eine  irrofse  Höhe  erreicht, 
die  aber  ebenso  wie  die  Art  der  Erhebung  in  den  einzelnen 
Landcjsherr Schäften  grofse  Verschieden lieiteu  aufwies. 

Als  im  letzten  Drittel  des  IG.  Jahriiunderts  Toyotomi 
Hideyoshi  wieder  Ordnung  im  Reiche  hergestellt  hatte»  fafste  er 
im  Zusammenhange  mit  seinen  sonstigen  centFalistisehen  Be- 
strebungen auch  die  Regelung  der  Grundsteuer  ins  Auge,  als 
deren  Anleitung  in  der  reriode  Tensho  (1573—1591)  eine  all- 
gemeine Vermessung  angeordnet  und  in  dieser  und  der 
nächsten  Periode  l^imroku  (1592 — 1595)  durchgeführt  wurde, 
wenn  auch  anselieinend  in  unvollkommener  Weise.  Auf  der 
Veiiiiessung  von  liiinrokii  beruht  die  spätere  Kokudaka,  der  in 
Koku  lieis  berechnete  steuer])are  Ertrag  dei-  Landwirtschaft  iu 
jeder  Provinz  resp.  Landctiherrsciiait,  wonach  die  Bedeutung  der 
Landesherren,  iore  militärischen  Lmstungen  u.  s.  w,  sich 
richteten. 

Die  Tokugawa  Schemen  sich  mit  der  Regelung  der  Gmnd- 
steuerverhältnisse  in  den  Landesherrschaften  nicht  abgegeben  zu 
haben  (aufser  den  allgemeinen  Ermahnungen,  gut  zu  regieren 

und  die  üntcrthanen,  insbesondere  die  Hauern,  nicht  zu  drücken). 
In  ihren  eigenen  ausgedehnten  Besitz iingen  war  die  Grundsteuer 
naturgemäls  ein  Hauptgegenstand  der  Verwaltung.  Die  ersten 
genaueren  Nachrichten  stammen  aus  der  Zeit  des  1.  Shoguns, 
P(  riüdc  Eupo  (IGT;»  - 1680) ,  in  welcher  der  auch  soii.-ii  iu  Ver- 
bindung mit  Verwaltungsrelormea  genannte  Minister  Inaba  Mosa- 

Fonehuugeii  (4'>j  X  4.  —  B«thf(ftti.  88 


Central 


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514 


nori  Mino  no  Karai  eine  neue  Vermessung  in  nielireren  Pro- 
vinzen in  Angriff  nahm.  Diese  zog  sich  duixih  eine  Reihe  von 
Jahren  hin  und  wird  ^^ewöhnlich  nach  der  Periode  Genroku 
(IßSS — 1703)  benannt.  Auch  heilst  sie  die  alte  Vennessung 
(Koken),  im  Gegensatz  zur  neuen  Vermessung  (Shinken), 
durch  welche  in  der  Periode  Kyoho  (1716—1735)  die  rongd 
ergänst  und  TenroUstandigt  wurde.  Spätere  lükemetne  Ver- 
messungen haben  nicht  stattgefimden  und  auch  &  genannteOi 
wie  wohl  zu  beachten,  nur  in  den  Tokugawabesitzungen.  Diese 
ftliheren  Vermessungen  sind  auch  fiir  die  Neuzeit  wichtig,  da 
bei  der  Orundsteuerreform  von  1873 — 1881  im  wesoitiichen  die 
alte  U'echnik  beibehalten  ist. 

Der  Zustand  der  Gru  ndsteuer.  wie  das  neue  R^ime 
sie  vom  alten  ererbte,  war  un^eDlhr  folgender, 

Zumichst  ist  zu  unterscheiden  zwischen  den  verschiedenen 
Landklassen,  je  nachdem  der  Boden  dem  Kaiser  (Gorv^o).  dem 
HakutU  (Korv'O),  oder  den  Landesfiirsten  uShiryo)  steuerpHiehtig 
war  oder  den  öhinto-  fSharyo)  od*  i  ijuddha-Tempeln  (Jiryo  gehörte. 

Das  erstgenannte  wurde  von  den  Shogunatsbehörden  ver- 
waltet, im  wesentlichen  nach  den  Grundsätzen  wie  die  eigenen 
Besitzungen. 

THß  Tempelgüter,  welche  ursprünglich  nicht  ak  solche  Steuer- 
frei  waren,  sind  in  den  Zeiten  des  Shogunats  allmählich  gana 

steuerfrei  geworden.  Bei  den  übrigen  Ländereien  hatte  sich  mit 
der  Zeit  eine  bunte  Mannigfaltigkeit  entwickelt,    Wohl  in  jeder 

Landesherrscliaft  lagen  die  Verhältnisse  etwas  anders.  Gleicb- 
mäfsigkeit  in  gröfseren  Gebieten  zeigten  nur  die  Besitzungen  der 
Tokugawa,  welche  im  Folgenden  haupt^cblich  berücksichtigt 
werden. 

Zunächst  war  dureliaus  niciit  gleichmalsig,  was  besteuert 
wurde.  Im  wesentlichen  war  die  Steuer  eine  Abgabe  vom 
Ernteertrag  und  ruhte  in  der  Hauptsache  nur  auf  dem  Acker- 
lande. Dieses  war  mit  Ausnahme  der  TempelgUter  ttberall  h^ 
steuert.  Nur  für  gewisse  der  Untcrhaltimg  der  ].*oststationen 
dienende  Ländereien  bestand  seit  alter  Zeit  JSteuerfireiheit.  Hier 
und  da  kam  Steuerfreiheit  auch  bei  Grundbesitz  vor,  welcher 
w^fen  besonderer  persönlicher  Verdienste  verliehen  war. 

Bauland,  d.  h.  die  Orimdstücke ,  auf  welchen  Häuser  mit 
der  Hofstätte  sich  befanden,  w;ir  steuerptiichtig.  Doch  war  es 
mit  der  Zeit  in  den  gröfseren  und  wichtigeren  Stidten  meist 
steuerfrei  geworden,  anseheinend  aus  };olitisehen  Gründen,  so  in 
Kyoto',  Yedo,  Osaka,  Nara,  Fushimi  und  anderen. 


'  Kyoto  gilt  für  die  erste  Stielt,  welcbe  Steuerfreiheit  erhielt.  8ie 
wurde  ihr  verliehen  v<m  Akechi  Mitsuhide,  der  nach  schnöder  Er- 
mordung seines  Lehnsherrn  Nobunaga  (S.  20)  dadurch  die  Gunst  der 
Hauptetadt  erschmeicheln  wollte. 


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Z  4.  515 

Waid-,  Bei^-  ond  Grasland  u.  dergL  war  der  Regel  nach 
wenigstens  thateädilieh  eteaerfirei.    Die  geringen  und  unregel- 

mjifsig  vorkommenden  Abgaben,  welche  erwähnt  werden  (shita- 
ktiHAsen»,   .scheinen  mehr  eine  Art  Kanon   gewesen  zu  sein, 
wrkh  n  die  Bauern  für  dm  Recht,  Holz  und  (Iras  zu  holen, 
bezahlten    Die  kleinen  Gehölze  bei  den  Tempeln  und  Bauern-  - 
bäusern  waren  stets  frei. 

Nicht  gleichmärsig  war  femer  die  Höhe  der  Steuer. 
Die  Angabe»  bewegen  sich  swiscbeD  drei  und  eiebra  Zebntefai 
des  geschtttsten  Rroertrags.  Die  Toknsawa- Regierang  nahm 
seit  der  Resfelung  zu  Anfang  des  18.  Jahrhunderts  gleichmäCsig 
fUnf  Zehntel.  In  den  Landeaherrschai\en  scheint  das  Verhältnis 
sechs  Zehntel  ftir  den  Herrn,  vier  Zehntel  für  den  Bauern  be- 
sonders hftnfig  gewe^'en  zu  sein.   In  manchen  rrogenden  bestanden 

1'edoch  altherköramiiche  Berochnnngsarten,  durch  welch»^  die  Steuer- 
ast thatsächlich  verringert  wurde.  Überhaupt  ergiebt  aich  aus 
den  Berichten  über  die  Ausfülirung  der  GrundsteueiTetbrm  eine 
etwas  gerii^re  Belastung,  als  man  nach  jeneu  Zahlen  erwarten 
sollte.  Im  Durchschnitt  des  ganxen  Landes  betrug  die  Steuer 
etwa  vier  Zehntel  der  Kokudaka,  der  Ertragseinschätsung,  und 
diese  war  wohl  meist  etwas  niedriger  als  der  wirkliche  Ertrag. 

In  den  grofsen  Herrschaften  hat  sich  die  Steuerauote  seit 
dem  18.  Jahrhundert  wohl  kaum  mehr  geändert.  In  den  Kleineren 
Gebieten  wirkte  die  Versetzung  der  Daimyos  fS.  39)  ungünstig. 
Patriarchalische  Beziehungen  entwickelten  sich  dadurch  weniger 
und  der  \A'eehscl  des  Landesbernj  ist  oft  Anlalis  zu  einer  Steuer- 
erhöhun;^  geworden'. 

Weitere  Ungleichheiten,  zum  Teil  völlige  Steuerli eilieit, 
waren  allmählich  dadurch  entstanden,  dals  neu  kultiviertes  Land 
häufig  nicht  veranlagt  wurde,  obgleich  strense  Vorschriften 
ttber  die  Verpflichtung  sur  Anmeldung  von  Neuland  bestanden. 
Vielfach  waren  auch  Teile  von  Grundstücken  abverkauft,  wobei 
der  Käufer  sich  ausbedungen  hatte,  dafs  die  Grundsteuer  von 
dem  StanmigrundstUcke  gans  oder  zum  gröfsten  Teile  getragen 
werde. 

Zu  dieser  Versciiieiienlu'it  der  Höhe  kam  noch,  dals  viel- 
f;i«'}i  nach  örtlichem  Herkouimen  Zuschlilge  unter  verschiedenen 
xSaracn  bestanden  (Dememai,  Nobemai,  Kakemai,  Kommiai, 
Goiuai ,  Kuchimai  etc.  —  Mai  Reis) ,  namentlich  um  Ausfälle 
durch  Schwund  beim  Steuerreis  su  decken. 

Die  Steuer  war  au  aahlen  der  Regel  nach  in  Reis,  auch 
von  anderem  Land  ab  Reisfeldern.    Doch  ist  die  verbrdtele 


*  Ein  bekannt«?»  Beispiel  ist  die  SteiiererhÖljuug  in  Sakura,  welch« 
der  Auöj^ang^pnnkt  der  erCTeifenden  GeBchichte  dss  Sogoro  wurde,  eines 
DorfBchulzen,  der  sein  Leben  und  das  setoer  Fraiilie  opferte,  um  eittc 
Verminderung  der  Relastini^r  <^er  Bauern  zu  erreich'»n.  Mitford  in 
seinen  Tales  of  Old  Japan  teilt  einige  der  Originslurkundcii  mit. 


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516 


X  4. 


MdnuBg,  als  «ei  alle  Steuer  in  Reis  entrichtet  worden,  irrig. 
Zttwdlen  wurde  ein  Teil  in  Geld  bezahlt.  Im  Gokinai  z.  B. 
wurde  ein  Drittel  der  Steuer  in  Silber  entrichtet.  Im  Kwanto 
zahlte!!  Trockenfelder  in  Kupfergcld  Im  Nordo&ten  wurde  mehr- 
fach die  Steuer  halb  in  Reis,  halb  in  (Jokl  bezahlt.  Hier  und 
da  hatten  die  Bauern  die  Wahl,  ein  Zehntel  der  Steuer  entweder 
in  Bohnen  (Uaizu)  oder  in  Silber  zu  entrichten.  Dagegen  be- 
stand der  aus  der  Zeit  des  Kaisers  Saga  (811)  überlieferte  Brauch, 
die  im  Sommer  ^igen  Termine  in  Gerste  zu  berichtigen,  sor 
Tokngawaseit  nicht  mehr. 

Sehr  entkgene  Besirke  entrichteten  wohl  auch  statt  der 
Grundsteuer  ganz  andere  Produkte;  so  steuerten  die  sieben  Inseln 
von  Izu,  die  sich  weit  nach  Sttden  in  das  Weltmeer  erstrecken, 
Rohseide. 

Verschieden  waren  auch  die  Methoden,  wie  der  steuer- 
pflichtige Ertrag  berechnet  wurde.  Schon  unter  dem  alten 
Regime  kam  es  vor,  dafs  ein  (irundstiick  ein  liu  allemal  auf 
einen  Durchschnittsertrag  eingeschätzt  war,  von  welchem  jähr- 
lich der  gleiche  Betrag  als  Steuer  genommen  wurde,  modila 
die  Ernte  reichlich  ausfallen  oder  nicht  (Jörnen). 

Üblicher  aber  war  das  Remmi  genannte  Ver&hren,  wobei 
jähiüch  die  Ernte  besichtigt  und  von  dem  so  festgesteUlen 
iCrtnig  der  verhilltnismäfsige  Anteil  des  Staates  genommen 
wurde,  der  alsfi  nach  dem  Krtrn^:^  der  Ernte  sich  richtete.  Auch 
für  dieses  Syst(jm  war  aber  die  allgemeine  Vermessung'  und 
Einschätzung  mafsgebend,  da  die  genaue  Prüfung  nur  iür  einige 
typische  Grundstücke  vorgenommen  und  nach  deren  Ernie 
der  Steuerbetrag  für  alle  Grundstücke  der  gleichen  Khuise  fest- 
gestellt wurde.  Diese  wichtige  Klasseneinteilung  beruhte 
im  Toktuawagebiet  auf  den  genannten  Vermessungen  von  Gen- 
roku  und  Kyoho,  bei  welchen  in  folgender  Weise  TerfiihreiL 
wurde  ^ 

Zuerst  war  alles  Land  zu  vermessen.  Nach  derBodengUte 
wurde  es  in  Kl  if^sen  geteilt,  der  Re<^al  nach  vier  fTiominell  drei, 
deren  unterste  in  zwei  Abteilungen  zerfiel),  unter  L'msUinden  aber 
auch  mehr.  Man  nahm  an,  1  'i  subo  besten  Landes  bringe  gew.^hn- 
lieli  mindesu  ns  1  Sho  Reis  in  der  Hülse,  1  Tan  also  3  i\oku, 
was  durch  die  Enthülsun^  auf  1  Koku  5  To  vermindert  werde. 
Der  Regel  nach  würde  dann  die  nächste  Klasse  1  Koku  3  To 
bringen  u.  s.  w.  Doch  konnten  die  Abstünde  der  Klassen  3  To 
oder  nur  1  To  betragen.  Übrigens  wurde  die  Verminderung  des 
£rtra^M's  durch  Enthidsun^  nicht  Uberall  gleich  hoch  berechnet 

Bei  Trockenteldem,  die  im  Altertum  vielfach  steuerfrei  ge* 
wesen  waren,  —  bis  Oenroku  war  das  noch  auf  den  Inseln  Sado 
und  Oki  der  Fall  —  wurde  der  K^el  nach  die  beste  Klasse 


1  Vnf  Folgende  nach  der  Instruktion  vom  29.  des  8.  Monats  172ti 
(11.  Kyoho). 


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517 


der  mitderen  Klasse  Reisland  gleichgestellt,  und  die  nächsten  Klmwim 
folgten  im  ^^kichen  Absfcmd.  Bauland  wurde  entweder  bestem 
Trocken fcld  ^deichgestellt,  oder  um  4  oder  8  Sho  Reis  per  Tan 
höher,  oder  auf  den  festen  Satz  von  1  Koku  per  Tan  geschätzt. 

Bei  der  Vermessung  bestanden  eine  Reihe  Erleichterungen. 
Ungünstig  belegene,  bescliattete  iStrt  ilen  waren  nicht  einzureclmen. 
Entlang  den  bei  nassen  Feldern  so  zahlreichen  Rainen  (Kuro) 
blieb  1  Fuls  breit  frei. 

Bei  dar  EinschAtsong  wurde  ttbrigens  nkkt  die  wirklieh 
▼orhandoie  Kultur  zu  Grunde  gelegt.  Zum  Rdsland  geeignetes 
Trockenfeld  sollte  als  Reisfeld  eingeschätzt  werden.  Maligebend 
sollte  anaschliefslich  die  Bodenklasse  sein^  daher  einerseitB  wert- 
vollere specielle  Kulturen ,  anderseits  seitweise  Mifsemten  etc. 
nicht  berücksichtigt  werden.  Neuland  war  uiti  1  To  (per  Tan) 
iii«'fb-iger  einzuschätzen  als  benachbarte  alte  Felder  gleicher  (üüte. 
Bei  unkultiviertem  Land  sollte  untersucht  werden,  ob  es  nicht 
besser  unter  Kultur  zu  bringen  sei.  in  welchem  Falle  der  Eigen- 
tümer festgestellt  und  ihm  für  eine  Aiizaiii  Jahre  Steuer&tiiheit 
bewilligt  werden  sollte. 

Bä  der  gansen  Arb^t  halfen  Vertrauensmänner  der  Bauern. 
Die  ESnschatBung  wurde  von  diesen  und  von  den  Beamten  jeder- 
seits  fUr  sich  gemacht  und  erst,  wo  sie  nicht  ilbereinstimnite,  in 
gemeinsamer  Beratung. 

Die  Ergebnisse  waren  in  einem  Kataster  zusammenzufassen, 
welcher  von  den  Beamten  und  (1*  ?^  Vortrauensmiinnem  zu  unter- 
stempeln und  von  der  ganzen  Bauernschaft  zu  beschwören  war. 
Von  dem  Kataster  erhielt  ein  Exemplar  der  Öchuize,  eines  die 
Centralfinau/.verwaltung  K 

Auf  der  Grundlage  dieser  Katastrierung  erfolgte  die  jährliche 
EmtednscfaStKung  (Kemmi).  Die  Steuerbeamten  wählten  aus 
jeder  Bodenklasse  des  Reisfeldes  einige  typische  Grundstücke  aus. 
In  diesen  wurde  ein  Quadrat  abgemessen^  der  Ertrag  genau  fest- 
gesteUt  und  nach  den  Ergebnissen  die  Steuer  für  die  betreffende 
Klasse  der  DorlBur  festgestellt.  Es  liegt  auf  der  Hand,  wieviel 
bei  dieser  Methode  auf  die  Auswalil  der  typischen  Grundstücke 
ankam  und  wie  grols  die  Versnt  hung  war,  die  Steuerbeamten 
durch  gute  Bewirtung  und  Gcsclienke  in  ihrer  Wahl  zu  be- 
einflussen oder  anderseits  von  den  Bauern  bei  dieser  Gelegenheit 
Geschenke  zu  erpressen.  Klagen  Uber  solche  Milsstande  wai-en 
sehr  häufig. 

Weitere  Nachteile  der  Steuerzi^ng  in  Beb  waren  die  viel- 
lachen  Bdilstigungen  durch  die  Vorschriften  tiber  die  Ekitrichtnng: 
Verpackung,  Transport  in  die  Regierungsspeicher,  Schwund,  die 
unyermeidlicben  Streitigkeiten  tlber  die  Qualität  u.  s.  w. 


'  Aufser  dem  Gmndsteuerkutaster  IjcHtaiid  in  dor  Gemeinde  ein 
, rlnu-h"  (^tid/uclioi .  wcloliea  über  die  bei  der  Keiskultur  80  wicb* 
tigea  VVasseniutziuigs-  und  Yortiutverhältuisse  Auskunft  gab. 


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I 


518  X  4. 

Neben  den  materiellen  Ungleichheiten,  welche  die  Grund- 
steuer in  den  versohieilenen  Gebieten  zeigte,  stehen  zahlreiche 
formeller  Art,  \ Crörhiedonheiten  der  Benennung,  der  Land- 
raalse  etc.  Das  Einheitsmaid,  der  Ho,  welcher  im  Tokugawa- 
gebiet  6  Shaku  1  Sun  lang  war,  malfi  anderwärts  6  Shaka  2^  2 
Suiii  6  Shaktt  3  Sun,  6  Shaku  5  Sun  u.  s.  w.  Der  Tan,  der 
regdmälsig  300  Ho  hatte,  enthielt  mweUen  nur  250»  Buweilen 
860,  420  und  mehr.  Diese  Verschiedenheiten  im  Landmafs  be- 
deuteten übrigens  nicht  nur  formelle  Untendilede.  Häufig  sind 
die  Mafse  geändert  zu  dem  Zwecke,  Steuererhöhungen  zu  ver- 
Bcbleiem  (nach  Analogie  der  oft  geübten  Geldverschlechterung). 

Soweit  solclie  Verschiedenheiten  zwischen  den  Landsdiaften 
aber  auch  rein  formell  waren  und  keine  Verschiedenheit  in  der 
Belastimg  der  Grundbesitzer  darstellten,  mulsten  sie  doch  der 
Verwaltimg  VdBi'te  sein,  sobald  alle  die  verschiedenen  Landöcliatten 
von  einem  Mittelpunkte  aus  verwaltet  werden  sollten. 

Um  die  Veränderung  in  der  Stell un;^  der  Grund- 
besitzer durch  die  neueren  Reformen  würdigen  zu  können,  ist 
es  nQügj  wenigstens  kurs  einen  Blick  auch  auf  die  rechtlichen 
Schnouen  au  werfen,  welche  der  freien  Verftigung  des  Onmd- 
besitzen  ttber  Besitz  und  Benutzung  des  Bodens  entgegenstanden. 

Wohl  hatte  der  Besitser  ein  erbliches,  gesetzlich  geschtttstes 
Recht  am  Grund  und  Boden.  Willkürliche  nauemaus- 
treibung  ist  immer  als  ein  Unrecht  angesehen.  Gegen  \\'illkör 
der  Landesherrschaft  hatte  der  Bauer  ab  r  kaum  einen  Schutz. 
Tiefer  wirkend  war  die  Unsicherheit  der  Hesitzverhältnisse  durch 
die  In  sehr  zahlreichen  Fiflleti  stattfindende  Konfiskation  als 
Haupt-  oder  Nebenstrafe,  die  nicht  nur  bei  schweren  Verbrechen 
verhiingt  wurde.  Sie  erfolgte  z.  B.  bei  verbotenem  Landverkauf, 
bei  irauduiuser  Verpfiindung  etc.  Ailmaiilich  uaten  übrisens 
auch  hierbei  Milderungen  ein.  Wenn  ein  Bauer  wegen  Schulden 
flflchtig  wurde,  so  fiel  in  älterer  Zeit  sein  Grundbesitz  mit  Nutzen 
und  Lasten  der  Bauernschaft  zu,  wahrend  später  seine  Desoendenlen 
oder,  in  Ennangdung  solcher  oder  \v nn  sie  mit  dem  Besitzer 
geflohen  waren,  sonstige  Verwandte  oder  Freunde  das  Grundstück 
mit  seinen  Lasten  übernehmen  durften,  eine  Maluregel,  die  der 
Erhaltung  des  Bauemstsndes  dienen  sollte'. 


'  Der  Aruber  bestehende  Anfall  an  die  Baaemscbmft  deatet  auf 
einen  älteren  Zustand,  für  den  auch  somi  manches  spricht:  Gemdndfr- 
besitz  am  Grund  und  Boden,  der  periodisch  an  die  Genossen  zur  Nutznng 
verteilt  wird.  Was  fUr  diese  Ansicht  hauptsächlich  spricht,  m  der  Um- 
stand, dafs  wir  von  €Mnneindea  wimen,  weiche  in  regelrnüfsigen  Perioden 
die  G«*meind»'flur  neu  verteilten.  In  81iiraka\va  (FiikiBhima-ken)  hat  sich 
da.«  z.  H.  uhrr  «iie  moderne  Grundbesitz-  und  Steuerreform  lnTinti^  rr 
iiaitcii  «nach  Eikuudiguugen  meines  Schülerrs  Kiuchi).  Aub  ii.ciui'u 
(Nügata-ken)  berichtet  das  Gleiche  J.  Oto-Nitobe,  Ober  den  japanischen 
Grandbesitx  8.  10. 


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X  4. 


519 


Besonden  wichtig  sind  »her  die  DisjpositionsbeeclirinkungeD, 
welcben  der  Gnindbeintser  nnterlag.   Bei  diesen  BeBohrttnkangen 

hatte  man  zwei  Dinge  im  Auge.  Einnud  die  Erhaltung  der 
Leistungsfllhigkeit  des  BauerDstandes,  dann  die  Verhindenmg  der 
LatifuQuicnbiTdimg.  IHe  Ghründe  fUr  beides  waren  wesentlich 
politischer  Natur. 

Dem  ersleren  Zwecke  dienten  die  Teilungsvcrbote.  Die 
Bauemstellen  sollten  nicht  durch  Teilung  unter  eine  gewisse 
Grölse  sinken.  Daher  war  bei  Teilungen  verboten,  den  dem 
FamilienLaupt  verbleibenden  Teil  unter  ein  gewisses  Mai's  zu 
biingen.  Im  Tokugawagcbiet  war  das  des  Stunrngutes  ursprüng- 
lich 20  Koku  geschtttBter  Ertrag  oder  2  Ciho  Land.  Durch  Be^ 
sdieid  der  Kanjo  Bugyo  (Finansministerium)  wurde  aber  1722 
dies  Mals  auf  cfie  Hälfte  herabgesets^  da  die  Übertretungen  und 
Umgehungen  der  älteren  Vorschrift  so  häufig  seien.  Solche  Ab- 
trennung und  Übertragung  auf  den  nicht  in  die  Hausherrseli afr 
folgenden  Soim  oder  HrüHer  mul'ste  vor  dem  Schulzen  und  vor 
Zeugen  ^<  öcliehen.  S(  it  dem  gleich  zu  erwähnenden  allgemeinen 
Kaufverbüt  für  Land  durfte  solche  Übertragung  in  der  Familie 
nur  unentgeltlich  erfolgen. 

Dem  aweiten  Zweck  der  Verhinderung  des  ZuBsmmenbnngens 
Ton  Latifiindien  und  des  Aufkauft  von  Land  durch  Kaufleute 
und  Bonin  diente  das  am  11.  des  dritten  Monats  1648  erlassene 
allgemeine  Verbot  FeldgrundstUcke  au  kaufen  und  zu  verkaufen. 
Der  Verkäufer  wurde  mit  Landesverweisung,  der  Käufer  mit 
Gefilngnis  bestraft,  ebenso  r!?ich  deren  Tode  deren  Söhne.  Das 
verkaufte  Land  wurde  eingezogen,  die  Zeuf^en  erhielten  rTcfsin^is 
(jedoch  nicht  deren  8öhne).  Sehr  viel  mild*  r  war  die  Bt'ötimmun^^ 
von  1744  in  Art.  30  des  Hyakkajo  (Rudorl'i",  Gesetzsammlung 
S.  73),  welcher  aui'ser  der  Einziehung  dem  Verkäufer  Geldstrafe, 
dem  Schulzen,  vor  dem  die  Übertnigung  geschehen,  Amtsent- 
setsung  androht. 

In  ülterer  Zeit  mag  das  Verbot  wirklidi  befolgt  sein.  In 
der  späteren  Tokugawazeit  wurde  es  allgemein  umgangen  in 
der  Form  der  Verpnndung  (Bai  Idn  shichi  —  „Verpäkndung  fUr 
besonderes  Geld"). 

Dem  Bauern  war  es  verboten,  seine  Stelle  ohne  Erlaubnis 
zu  verlassen.  Im  1^.  .Jahrhundert  war  das  noch  gestattet  ge- 
wesen (Teiyei  shikiinoku  42).  G^en  Ende  der  Tokugawa- 
zeit öeheint  die  Vorsehrilt  nieht  mehr  streng  durchgetührt  zu  sein. 

Endlicli  sind  zu  erwähnen  die  Beschränkungen  in  der  Be- 
nalnmg  des  Ackerlandes.  Indirekt  wirkte  damuf  schon  der 
Zwang,  den  gröfsten  Teil  der  Grundsteuer  in  Reis  zu  entrichten. 
Aber  ganz  direkt  bestanden  allerlei  ß(  schrttnknngen,  vor  allem 
das  Verbot,  Reisfeld  in  anderes  Feld  umzuwandeln,  und  der 
Zwang,  das  Beisfeld  zu  bebauen.  Bei  der  Schwierigkeit  der 
Verbindungen  und  der  Isolierunt^  jeder  einzelnen  Landschaft  war 
das  Augenmerk  der  Kegierungen  ganz  darauf  gerichtet,  die  regel- 


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520 


mäCnge  Ernährung  des  Volkes  zu  sichern,  vor  allem  die  der 
SoldAtenlÜASfle  und  der  grofsen  Städte.  Dieser  Politik  diente 
auch  im  Zusammenhang  mit  der  Naturalsteuer  ein  hochentwickeltes 
Spoicliprsystem.  iJie  «.toFsc  nedeiitiing,  welche  die  Reiskultur  im 
japanischen  Ackerbau  noch  heute  behauptet,  hängt  eoge  mit  die«ea 
Dingen  zusammen. 

Die  Tokugawa- Regierung  förderte  in  iliren  eigenen  hiften 
eifirig  die  Fortschritte  der  Kultur,  ermunterte  Urbarmachung 
durch  SteuerbefirauDgen  und  die  ErlanlmlB,  noch  nicht  dngetr^igenes 
Land  frei  su  yerkaufen'. 

Dal's  allgemein  Erlaubnis  zur  Anlage  von  Retsfeldem  er- 
forderlich war,  ist  wegen  der  Wichtigkeit  der  Bewäaaerungs- 
anlagen  begreiflich  und  als  Hindernis  der  Ausdehnung  der  Kultur 
in  späterer  Zeit  jeden&lls  nicht  auüsu&ssen  ^. 


II.  Die  Reform. 

Schon  im  alten  Regime  war  das  Grundsteuersystem  als  reform- 
bedürftig erkannt  Namentlich  die  schwankenden  Ertrüge  der 
Naturalsteuer  wurden  von  der  Finanzverwaltung  drückend  em- 
pfand ^r)  Doch  scheint  man  an  eine  durchgreifende  Reform  noch 
nicht  gedacht  zu  haben. 

Aläs  nach  der  Restauration  die  neuen  kaiserlichen  I^eliöriien 
nicht  nur  die  unmittelbaren  Tokugawabciiitzuugcn ,  sondern 
dazu  noch  eine  Anzahl  wegen  Rebellion  eingezogener  Landes 
herrschaften  zu  verwalten  hatten,  zeigten  steh  sofort  grolse 
Schwierigkeiten,  welche  durch  die  Wirren  der  Torhergehenden 
Jahre  und  die  Störung  aller  wirtschaftliehen  Verhältnisse 
steigert  w^^^i^*  Doch  hatte  man  nicht  den  Mut,  an  eme 
sofortige  Änderung  zu  ^ehen.  Im  August  18G8  (ohne  nähere« 
Datum)  er-cliipH  ein  Krlifs  der  Oontralregierung.  Die  über- 
eilte Kintülirung  eine«»  neuen  Steuersystems  ohne  vorherige 
eingehende  Prüfung  der  Natur verliiiltniöse  der  einzelnen  Pro- 
vinzen  würde  leicht  in  Widerspruch  geraten  mit  der  öffent- 

1  Vgl.  in  der  angefülirteii  Instruktion  von  1726: 

Art.  2S.    „Gesuche,  Reisfelder,  Acker  oder  Baustellen  auf  Neuland 
aiiznleg(>n.  sollen  genehmigt  werden,  wenn  sie  vernünftig  und  nötig 

ersclielnen.^ 

Dazu  Art  10  — ,  dafs  leicht  xu  bewiasemdee  und  aon»t  geeignetes 
Land,  welches  als  Trockenfeld  benatzt  wird,  als  Reisfeld  sni  besteuern  sei. 

-  Art.  HJ  und  17  des  sogenannten  Testaments  rufen  allerdings  dies^'u 
Eindruck  horvor  Mau  das  auch  in  d»»n  ersten  Zriton  der  Toku^^wa  aus 
Eifer8uch(  gegen  die  »Macht  di-r  Daimyos  beab-ichti^^t  gewesen  sein,  so 
war  s[)iiter  jedenfalls  wenig  mehr  davon  zu  B^)ftren.  In  l  iner  von  Sak«- 
tani  benutzten  If;ui<!^(  hrif?  sind  übrigens  nicht  „ Reisfelder*',  sondern 
„Liewasseruug^nlagen''  genannt. 


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X  4. 


521 


Uolieii  Memang.  Daher  soUtea  einrtweQen  für  ein  oder  swei 
Jahre  die  alten  Gebrttuche  beibehalten  werden.  Wo  jedoch  be- 
sonderer Druck  bestände  oder  MÜBbrUuche  oder  andere  unab- 
weisbare Umstände  Änderungen  nOtig  macbteD^  sollte  an  das 
Schntzamt  (Kw»ikei-kwan)  berichtet  und  solche  Änderungen 
voi:genommen  \v  erden. 

Die  nächüten  Jahre  bT;irh(i>ii  si>viei  l'nrulie  und  Gilhning. 
hatten  noch  so  unfertige  Zu.^liiiide,  dal's  die  l^'trienine:  nicht  Lust 
hatte,  auch  uoch  eine  grolle  tstcuerret'onii  in  Aii^iiiT  zu  nehmen. 
Die  „Anwebung  fUr  die  Schätzung  der  Ernten**  vom  Juli  1870 
enthiät  nur  die  altitekannten  VorBchriften.  Sie  sind  nicht  gerade 
geschickt  abgefistfst  gewesen^  denn  unter  ihrer  Herrschaft  dehnte 
sich  das  System  der  jährlichen  Abschätzung  (Kemmi)  auf  Kosten 
der  festen  Steuerleistung  (Jörnen)  noch  weiter  aus.  Das  hatte 
dann  in  den  nächsten  Jahren  (1871 — 1874)  bei  einer  teils  schlaffen, 
teils  ängstlichen  Verwaltung  einen  stetigen  Rückgang  der  Steuer- 
erträge  zur  Folge.  Bemerkenswert  ist  nur  die  Aufhebung  einei' 
Anzahl  y(m  SteuerbetVeiungen  in  einigen  Ortschaften  ^ 

Au»  dem  Jaiire  1870  datiert  der  erste  umfassende  Re- 
form Vorschlag,  welchen  ein  Mitglied  des  Sa-m,  Kanda 
Kohei,  wohl  im  Einvernehmen  mit  dem  damaligen  Ministerinm 
des  Innern,  ausarbeitete.  Hat  der  Vorschlag  auch  kdne  unmittel* 
baren  Folgen  gehabt,  so  isi  er  doch  bemerkenswert,  da  er  einige 
der  wesentlichsten  Punkte  der  späteren  Reform  bereits  enth^t. 
Der  Kauf  und  Verkauf  von  Ackerland  sollte  keinen  Beschrän- 
kungen mehr  unterliegen.  Für  jedes  Grundstück  sollte  ein  Be- 
aitztitel  ausgefertigt,  die  .Steuer  in  Geld  erhoben  werden  und 
zwar  im  Verhältnis  zu  dem  Werte  des  ürundstiiekea,  den  der 
Besitztitel  angäbe.  Für  je  5—10  Dort  er  sollte  ein  Kata<iteramt 
«ingerichtet  werden .  der  Kataster  jedermann  zugänghch  sein. 
Doxch  die  Katasterttmter  wäre  der  Betrag  der  Steuer  in  der 
Weise  festzusetzen,  dafs  die  im  Durchschnitt  der  letzten  20  Jahre 
als  Steuer  yon  dem  ganzen  Katasteramt  entrichtete  Rdsmenge 
in  Geld  nach  durchschnittlichen  Marktpreisen  bereclmet  und  diese 
Summe  auf  die  Inhaber  der  Besitztitel  nach  dem  Verhältnis  der 
dort  angegebenen  Werte  verteilt  würde.  Durch  weitere  Konlroll 
mafsregeln  sollte  stets  die  Angabe  des  wirklichen  \\'ertes  der 
Grundstücke  gesichert  werden.  Mit  anderen  Worten:  Kanda 
gehlug  eine  Kontingentierung  der  Grundsteuer  l'iir  j(^den  Kataster- 
brzirk  und  Rcpartition  dieser  Summen  nach  dem  jeweiligen  Werte 
vor.  Diesen  Gedanken  hat  man  später  fallen  lassen.  Der  Vor- 
schlag, Besitztitel,  welche  den  Wert  des  Grundstückes  angeben, 
einzuSihren,  liegt  dagegen  allen  weiteren  Plänen  zu  Grunde. 
Ebenso  herrschte  ttber  me  Erhebung  der  Steuer  in  C^eld  Einige 
kdt     Bemerkenswert  fUr  jene  Zeit  ist  auch,   dals  einen 

5  Verordnungen  vom  27.  X.  1870,  9.  V.  Iw71.  2«.  VIII.  1H71. 
Letztere  hebt  die  Steuerbefreiungen  auf«  deren  sich  die  Ktaä  (Unreinen) 
erft«ttten,  da  sie  der  übrigen  Bevölkemng  gleichgestellt  seien. 


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522 


besonderen  Teil  von  Kandas  Vorschlag  die  Einzahlung  sämt- 
licher Steuern  an  die  Centrairegierung  bildete,  während  Ins  dahin 
überall  die  lokalen  Verwaltungskosten  abgezogen  und  nur  die 

ITberecInisse  verrpcliiiet  itnd  eingeschickt  wurden.  So  erhielt  die 
Oentralregierung  tiir  i^Üb  nur  2009000  Yen  Grundetener,  1^69 
nur  8350000  Yen,  1870  nur  ^219UUU  Yen  und  «eibst  1871 
nach  vollzogener  Aufhebung  der  Landesherrschaiteu  nur  11 341 000 
Yen. 

Fttr  die  unmittelbftre  Diircfaftlhrung  von  Kandas  VorscfalSgen 
war  68  noch  zu  früh.  Eine  dtifchmifende  Reform  war  ent 
möglich,  nachdem  im  August  1B71  die  Landeeherrschaften  anf- 
eehoben  mid  damit  die  Centralisatton  und  Einheitlichkeit  der 
Vcrvvaltung  vorbereitet  war.  Die  neuen  Verwaltungsbezirke  nm- 
fal'sten  vielfach  mehrere  Herrschaften  mit  verschiedener  Besteuerung. 
Die  Bauern  fingen  an,  sich  über  die  Ungleichheiten  zu  besclnveren. 
Die  PrtitVkten  kamen  einer  nach  dem  anderen  um  baldige  Re- 
formen bei  der  Re^erung  ein. 

Diebe  ging  nun  entschlobsener  vor.  Bereite  im  September 
1871  wurden  alle  bestehenden  Kulturbeschränkungen  aufgehoben 
und  durch  einen  Edab  vom  8.  Oktober  die  Abachafiimg  aller 
Steuerbefreiungen  angekündigt  Die  Beh(}rden  eollten  ttber  das 
unbesteuerte  Bauland,  Wald  etc.  berichten.  Im  Dezember  wurde 
im  Finanzminiaterium  unter  dem  Vorsitz  des  Ministers  Okubo 
und  des  Viceministers  Inouye  ein  vorläufiger  Plan  ftir  das  weitere 
Vorf^chen  testgestellt  und  vom  !^taatsrMt  fSei-ini  genehmigt.  Der 
wichtigöle  Schritt  war  das  Dekret  ^^r.  ÖU  vom  J  ^  Februar  1872: 
„Bisher  ist  die  dauernde  Veräulserung  von  Orun<ll  i(  sitz  verboten 
gewesen.  In  Zukunft  ist  es  allen  Klassen  der  Bevölkerung  er- 
laubt, Land  zu  kaufen,  zu  verkauien  und  zu  besitzen'".  Damit 
war  mit  einem  Schlage  das  bisheri«^  erbliche  Nutzungnrecht  in 
freies  Eigentum  mwandelt.  Damit  war  aber  auch  fest- 
gestellt, dals  die  jährliche  Abgabe  des  GmndbeeltEers,  mochte 
sie  bisher  einen  zinsartigen  Charakter  getragen  haben,  von  jeirt 
an  jedenfalls  eine  reine  8teuer  sei. 

Tin  Zusammenhang  mit  dieser  Mafsregel  wurde  auch  der 
Handel  mit  Ivcis  und  andorem  Getreide  im  Inlande  freigegeben. 
Das  Ausfuhrverbot  wurde  erat  1873  aulgehoben,  nachidem  es 
Antaug  IH72  schon  gemildert  war. 

in  Bezug  auf  die  Grundsteuer  selbst  ging  der  Flau  vom 
Desemberl871  dahin,  die  Steuerfreiheit  aer  Stfidte  aufnihebeo, 
ftir  alle  Grundstücke  Besrtatitel  anzufertigen,  welche  den  Weort 
des  Landes  angeben  sollten,  und  die  Steuer  nach  diesem  Werte 
zu  erheben.  In  den  bisher  steuerfreien  Städten  sollten  die  Beate- 
titel  sofort  ausgegeben,  für  andere  Grundstücke  bei  vorkommen- 
den N  erlinfHerungen  in  der  Höhe  der  p-ezahlten  Kaufpreise  aus- 
gefertigt werden.  Nach  Ausfertigung  eines  Hesitztitels  sollte  die 
Grundsteuer  zuniiehst  2  Prozent  vom  Werte  betragen  mit  (  inem 
Zuschlag  von  '6  6en  für  den  Yen  Grundsteuer  fiir  die  Erhebungs- 


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X  4. 


523 


koBten.  Die  Emschälsniig  des  Wertes  sdlte  alle  fünf  Jahre  er* 
nenert  werden. 

Mit  der  Durch^hrung  dieses  Planes  wurde  zunächst  ver- 
sachsweise  im  Besirk  Tokyo  Torgegaagen  auf  Grund  einer  Ver* 
Ordnung  des  Finanzmmisteriums  vom  Januar  1872.    Im  nächsten 

"Monat  DfT«'its  wurde  die  Maf^^re^'f^l  anf  die  anderen  steuerfreien 
Städte  ausgedehnt.  Am  24,  l^'ebruar  i^72  ordnete  eine  Ver- 
ordnung des  Fiuanzininisteriums  an.  dais  bei  jeder  Übertragung 
Ton  Grundeigentum  für  jede  Art  von  Land  Be^itztitel  (cliiken) 
von  den  Bezirksbehörden  auszugeben  seien,  in  welchen  der  IVeis 
des  OntndstückeB  su  bemerke  s».  EigentamsObertragung  ohne 
Aoifertigiuig  eines  Besitstiteb  wurde  verboten,  die  ÜberlSetune 
des  Verbots  mit  Konfiskation  des  Grundstllekes  und  des  Kan^ 
preises  bedroht,  eine  drakonische  Bestimmung,  welche  bereits 
1874  wieder  aufgehoben  wurde. 

Da  sich  dif^  V^TordnunL-'  nur  auf  die  t'bertragim^  von 
Orimdei^entuni  bezog,  so  ^viirdf  es  sehr  laii^c  «jodauert  haben, 
bis  alle  Grundstücke  mit  Besitztiteln  vei  behen  gewesen  wären. 
Bereits  am  30.  Oktober  1872  wurde  daher  die  Ausfertigung  der 
Bebitztitcl  lür  alle  im  Privatbesitz  befindlichen  Grundstücke  an- 
geordnet Diese  Besitztitel  soUten  den  ortsüblichen  Preis  des 
Landes  angeben^. 

Eine  weitere  wichtige  Verordnung  vom  14.  September  (vgl. 
aUiCh  V^erordnung  vom  7.  November  1873)  gestattete  die  Gnmd- 
stsaer  in  Geld  zu  entrichten.  Im  Juni  1878  wurde  die  Kokudaka 
abgescliafft ,  d.  1».  die  Feststelhing  der  Ernte  nach  den  alten 
Bodenklassen,  die  vielerwürts  noch  aus  der  Zeit  Hideyosliis 
stammten  und  mit  der  Wirklichkeit  nicht  mehr  übereinstimmten. 

Doch  war  man  in  malsgebeiiden  Kreisen  sich  klar  darüber, 
dafs  dieses  Herumbessern  an  der  alten  Grundsteuer  nur  eine 
augenblickliche  Aushülfe  sei,  welche  einer  durchgreifenden  Reform 
niät  im  Wege  stdien  dttrfe.  Im  September  1872  wurde  ein 
besonderes  Bureau  ftb»  Grundsteuersachen  innerhalb  der  Steuer- 
abtellung  des  Finanzministeriums  geschaffen.  Um  diese  Zeit 
reichte  der  Präfekt  von  Kanagawa,  Mutsu  Munemitsa  (später 
w^en  versuchten  Hochverrats  zu  7  Jahren  Zuchthaus  verurteilt, 
dann  Gesandter  in  Washington,  j^tzt  Minister  fi\r  Landwirtschaft 
und  Gewerbe),  eine  Denkschriit  ein,  in  welclier  er  einerseiti^  auf 
die  Unvollkommenheit  der  Einschätzung,  anderseits  auf  die  Kach- 
teile der  Naturalsteuer  Innwies.  Alle  alten  Schätzungsmethoden 
sollten  abgesclutüi,  der  Wert  jedeü  Grundstückes  in  Geld  fest- 
gestellt und  ein  FrosentBatz  davon,  z.  B.  5  Procent,  als  jähfliehe 


'  Im  August  def^ßflben  JahroB  wurde  auch  eine  alte  Kinrichtunf^ 
beseitigt,  durch  welche  die  Bauern  sieh  beschwert  fühlten,  das  Ankoku 
daino.   Zur  Zeit  sehr  niedriger  Reisprdse  nämlich  konnte  der  Grand-' 
besitzer  erklilren,  dafs  er  in  Zukunft  statt  JBeis  stets  Geld  zahlen  wolle. 
Dadurch  kam  er  dann  in  späteren  Zdten  gelegentlich  in  Schwierigkeiten. 


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524 


Steuer  erhoben  werden.  Dies  sei  leicht  durchzuführen,  und  Muten 
selbst  bot  sich  in  ziemlich  geschwollenen  Ausdriickf^n  nm  Schlüsse 
seiner  Denkschrift  dazu  an  ^  Kr  wurde  dRr  iufhiu  zum  Chef 
dtib  J^teuerwesens  genuieht,  und  intol-c  lii  s.sen  und  wegen  seiner 
Denk-scliritt  hat  man  vieltiach  auf  ihn  die  Grundsätze  der  Steuer- 
reform zurückgeführt.  Mit  Unrecht,  denn,  wie  oben  gezeigt, 
hatten  das,  was  Mutsu  vorschlug,  im  wesentlichen  schon  die 
Denksclirift  Kandas  von  1870  und  der  1871  unter  Okubos  Vor- 
sitz fesl^ieatellte  Plan  enthalten. 

Im  Februar  1873  wurden  alle  Präfekten  und  Vicepräfektcn 
nach  Tokyo  berufen  und  der  von  dem  Vice-Ftnanzminister  Inouye 
präsidierten  Versammlung  (Okubo  war  abwesend)  die  Gesetz- 
entwürfe ftlr  eine  grundlegoT^de  Reform  vorgelegt.  Den 
Vorsitz  im  Aussehulis  der  Versammlung,  der  zur  Specialberatun^' 
eingesetzt  wurde,  fülirte  Inouj'e  gleichfalls  Doch  sei  hier  daran 
eriniicrt,  dafs  bald  darauf,  aber  nach  Beendigun.ic  der  Ausüchuis- 
arbeiten,  Inouye  aus  anderen  Gründen  sein  Amt  niederlegte. 
Kack  ihm  ttbenmhm  Okuma  mit  der  Leitung  der  Finansen  auch 
die  Fortfilhrung  der  Reform.  Einige  wesentliche  BestinunuDgen 
werden  seinem  fiinflufs  zugeschrieben. 

Unter  den  versammelten  Beamten  war  man  einig,  flafs  etwts 
geschehen  müsse,  aber  im  einzelnen  herrschte  groiae  Meinunpi- 
verschiedenheit.  I>ie  oinen  hielten  überhaupt  eine  allgCTueine 
Reform  für  verfridit.  Sie  wollten  das  bisherige  System  (ier  Ah- 
hchützuug  des  Ertrages  beiljehalten.  Nur  besondere  Härten  nnu 
Mi  fsbrauche  sollten  beseitigt  und  so  allmrtlilich  Gleiclimäfsigkeit 
und  damit  die  Möglichkeit  einer  allgemeinen  Reform  herbeigeüihit 
werden.  Die  zwdte  Partei  ging  im  wesentlichen  auf  den  von  Kanda 
gemachten  Vorschlag  der  Kontingentierung  zurück,  jedoch  auf 
erweiterter  Grundlage.  Man  solle  den  Durchsehnittsertnig  der 
ganzen  bisherigen  Steuer  seit  einer  Anzahl  von  Jahren  berechnen 
und  diese  Summe  nach  Mafsgabe  der  in  den  ßcsitztitcln  ent* 
haltenen  \N'erte  repartieren.  Die  dritte  J*artei  schlofa  sieh  den 
RegicrungB vorschlagen  an  l^ic  alten  Schatzun-r^TiK  thoden  sollten 
überhaupt  beseitigt,  die  iSteuer  nach  einer  emheitlichen  gleich- 
mäfsigen  Einsehfttznnp:  nach  den»  \\  ert  in  Geld  aufgelegt  werden 
und  nicht  nach  dem  Ertrag.  Diese  Ansieht  drang  durch.  Was 
war  die  Absicht  hierbei?    Wie  sieh  nachher  zeigen  wird,  war 


'  „Ich  bi»i  Üramter  in  Ofaka,  Hyogo  und  Wakayama  sre^-cfon  vvA 
hin  durch  Xachdenken  Uber  die  nötigeu  Mafsuregeln  zu  diesem  ertolg- 
feiehen  Ergebnis  gekommen.  Ich  habe  mich  auch  mit  erfkhre&en  Baaern 
beraten  und  beherrsehe  völlig  die  praktischen  Kelltltn^^'S<'  Mir  scheint, 
dafs  die  Ausführung  keine  sctiw irrige  Aufgabe  ist.  Öind  meine  Vorpchläge 
ausführbar,  po  gebt  sie  deui  i'iuauzmiuisterium  zur  Diakussion  und  lafst 
sie  mich  ausführen,  nachdem  sie  erörtert,  verbessert  und  verändert  sind, 
rbt  r  aie  praktische  DnrchfahruDg  werde  ich  eingebende  ErklMmngen 
einreichen. 


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X  4. 


525 


seHMtveratändHch  die  Weribercdmang  auf  den  Ertrag  begründet. 
WMbreDd  man  die  Steuer  auf  drei  Prozent  vom  Werte  angab^ 
war  die  Absiclit,  wie  sich  aus  den  Berechnungsmethoden  ergiebt, 
drei  Zehntel  des  angeblichen  Reinertrages  als  Steuer  zu  erheben 
(bezw.  unter  Einrecnnung  der  Kommunalabgaben  vier  Zehntel). 
Das  Motiv  für  <]v\\  anscheinenden  T^mwc»:^  ist  spätrr  sehr  offen 
zu  erkennen  gegeben.  Man  wollte  die  Autmerksamkeit  der 
Grundbesitzer  nicht  auf  eine  direkte  Vergleichung  alter  und  neuer 
Zustände  lenken,  indem  man  die  neue  iSteucr  ebenso  wie  die 
alte  direkt  auf  den  Ertrag  legte.  Von  jeher  waren  die  Bauern 
gegen  Neuvermeasung  und  Einactotaung  höchst  mifstrauisch  ge- 
wesen, hatten  darin  gewöhnlich  nur  einen  Vorwand  fbr  Steuer- 
erhöhungen gesehen  und  sich  daher  solchen  Neuschätzungen  oft 
gewaltsam  widersetzt.  „Nach  den  früheren  Erfahrungen  herrschte 
in  der  Regierung  allgemein  die  Besorgnis,  dafs  die  Furcht  vor 
Steuererhöhung  die  Bauern  zum  Auf  tand  treiben  würde,  wenn 
man  mich  dem  alten  System  das  Land  vermessen  und  den  Er- 
trag  neu  einschätzen  wollte.  So  wurde,  um  das  Volk  durch 
einen  völligen  Wechsel  zu  blenden,  ein  ganz  neues  System  ein- 
gefÜhrf*  (Aulserung  eines  lioheii  i'iuanzbeaniten.  ^Vhnlich,  wenn 
auch  im  Ausdruck  verhttUter,  der  von  Okuma  inspirierte  angeführte 
Aufsatz  im  Hochi  Shimbun  vom  November  1888).  Um  diesen 
Grund  zu  wtUrdigen,  mufs  man  erwjigen,  wie  schwankend  noch 
die  Stellung  der  neuen  Regierung  war.  Noch  waren  nicht  fUnf 
Jahre  verflossen  seit  der  grofsen  Umwälzung.  Die  Sieger  selbst 
waren  keineswegs  mehr  ganz  einig.  Durch  die  Änderungen, 
welche  1H71  72  im  Steuerwesen  vorgenoiinnon  waren,  war  das 
Mil'strauen  gegen  die  Steuerplane  der  Kegierung  ohnehin  geweckt. 
Tumulte  und  Unruhen  waren  gerade  um  diese  Zeit  unter  den 
Bauern  an  verschiedenen  Stellen  entstanden.  Es  i^t  also  begreif- 
lich, dafs  man  die  Grundsteuerreform  mit  einiger  Besorgnis  be- 
trachtete und  das  Uilstrauen  der  Bauern  möglichst  einzuschläfern 
sachte.  Auch  so  erforderte  das  Experiment  einen  nicht  geringen 
Mut)  denn  es  war  ein  Sprung  ins  Dunkele.  Wie  wenig  man 
über  die  Grundsteuer  im  ganzen  in  den  höchsten  Beamtenkreisen 
Bescheid  wulste,  zeigte  sich  daraus,  dafs  die  Festsetzung  der 
Steuer  auf  3  Prozent  lebhaften  Widerspruch  fand.  Der  Ertrfitr 
wiirdp  7Ai  gering  ausfallen.  Es  scheint,  als  ob  oline  <  )ku!iias 
persüüliclie  Anstrengungen  *  in  höherer  Steuersatz  angenommen 
sein  wurde.    Viele  waren  für  einen  Satz  von  5  l^rozent. 

Wie  unbegründet  di(  sc  r»esnrirnisse  waren  (allerdings  infolge 
der  eigentümlichen  Wertbereclinung),  zeigte  das  Ergebnis,  dafs 
dir  Ertrag  der  Steuer,  in  Geld  berechnet,  sich  nur  um  5'  2 
Prozent  verminderte. 

Am  28.  Juli  1H73  machte  folgender  Erlafs  (Nr.  272) 
des  Grofskanzlers  Sanjo  das  Volk  mit  einer  Kaiserlichen 
Proklamation  und  dem  neuen  Steuergesetz  bekannt: 


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526 


„Kachdem  die  Besteuerung  von  Grund  und  Boden  refor- 
miert ist,  sind  alle  (^''SPtze,  betreflend  dio  Grundsteuer, 
giinzlicli  aufgehoben.  »Seine  Majestät  der  Kaiser  hat  be- 
folden,  dafs  nach  Ausfertigung  der  neuen  Besitztitel  drei 
Prozent  von  dem  in  diesen  angegebenen  Werte  als  Steuer  ge- 
zahlt werden  soll.  Für  die  Ausgaben  der  Gemeinden. 
Ämter  und  Besirke  soll  nicht  mär  ak  ein  Drittel  der 
neuen  Steuer  erhoben  werden.   Die  neuen  Oeaetse  folgen.'' 

„Kaiserliche  Proklamation. 

28.  Juli  187^^. 

Uns  seheint  die  Besteuerung  eine  der  wichtigsten  An- 
gelegenheiten im  Staate  zu  sein,  von  welcher  die  \\  uhliatirt 
und  das  Glück  des  Volkes  abhängt.  Da  das  alte  Steuer- 
system nicht  einheitlich  war,  ist  groise  Ungleichheit  ent- 
standen ,  da  die  einen  zu  leicht,  die  «ndem  zu  schwer  be- 
steuert waren.  Wir  haben  daher  das  Steuenystem  zu 
einem  gerechten  und  einheitlichen  gemacht  mit  dem  Bebat 
unserer  Beamten,  indem  Konferenzen  der  jProvinzialbeamten 
stattgefunden  und  unsere  Minister  darüber  beraten  haben. 
Das  reform i(M*te  Steuersystem  nunmehr  festgestellt  und 
wird  hierdurch  promulgiert.  Die  mit  der  Ausführung  be- 
trauten Beamten  haben  darauf  zu  achten,  dais  keine  Un- 
gesetzlichkeit oder  Ungleichheit  bei  der  Auflage  der  Steuer 
vorkomme." 

Die.se  wiehtige  Kundgebung  begleiteten  drei  weitcir  Ur- 
kunden, ein  Dekret  des  Staatsrats  in  7  Artikeln  über  dif  ]x;i 
der  Reform  zu  beubaclitenden  Grundsätze,  eine  Ausiuiuunga- 
Verordnung  des  Finanzministers  in  17  Paragraphen  und  eine 
Instruktion  desselben  an  die  BezirksbebOrden  über  das  Verfthren 
in  44  zum  Teil  sehr  langen  Paragraphen  und  einem  Anhang  in 
4  Abschnitten  Uber  die  Behandlung  von  Ausnahmefidlen  ^ 

Wegen  ihrer  grundl^enden  Bäeutung  mögen  die  wichtigsten 
Gesetzesbestimmungen  folgen. 

Das  Dekret  des  Staatsrates  lautet  wie  folgt: 

Art«  I.  Da  die  Reform  der  Grundsteuer  eine  aufserordentlich 
schwierige  Aufgabe  ist,  so  ist  eine  eingehende  und  soig- 
&]tige  Untersuchung  nötig.    Die  Beform  der  Steuer  kann 

nicht  ohne  weiteres  durcligefiihrt  werden  ohne  Rücksicht 
auf  die  Gebräuche  und  die  Zustände  jeder  Gegend.  Die 
Reform  braucht  daher  nicht  eilig  ausgeftihrt  zu  werden. 
Nach  beendete  r  Arbeit  ist  an  das  Finanzministerium  zu  be- 
richten und  naeti  dessen  Genehmigung  ist  das  alte  System 
gänzheil  aufzuheben  und  das  neue  einzulUhren.  —  VVenn 


'  nul>l)iii>  tf'üt  dii-^  Dekret  und  die  AuftführungsvefOtdouOg  mit, 
öcheint  aber  <iie  widitige  Instruktion  nicht  zu  kennen. 


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X  A.  527 

aach  die  Reform  iUr  den  ganxen  Bezirk  nicht  vollendet  ist, 
80  kann  sie  Rir  jeden  Kreis  nach  Beendigung  der  Arbeit 
einssehi  in  Kraft  treten. 

Art  II.  Da  die  Steaer  nach  dem  bei  der  Einschätzung  fe8^ 
gestellten  Grundstückswerte  erhoben  wird,  so  wird  sie  weder 
in  guten  Jahren  erhöht  noch  nach  schlechten  Ernten  herab- 
gesetzt 

Art  m.  Wenn  durch  Naturereignisse  ein  Grundstück  geschüdigt 
wird»  so  soll  eine  Pküfung  stattfinden  und  nach  Sem  Habe 
der  Yerschlechterung  des  Grondstttcks  die  Steuer  für  das 
betreffende  Jahr  oder  iUr  eine  Zahl  von  Jahren  erlassen 
werden,  innerhalb  welcher  das  Ghundstlick  seine  Produk- 
tionsfilhigkeit  zurückerhalten  kann. 

[Art.  IV  und  V  beziehen  sich  auf  die  Benennung  der  I^and« 
klassen.  Der  Gegenstand  ist  spllter  eingehend  geregelt  in 
dem  Gesetz  120  vom  7.  November  1874  über  die  Land- 
klassen. Die  Aufhebung  des  UnterscI  irMK  s  zwischen  Ta 
(nassem  Feld)  und  Hata  (trockenem  Ftld)  ist  rückgängig 
gemacht  durch  Nr.  70  vom  4.  Oktober  1877.] 

Art  VI.  Mit  der  alten  Grundsteuer  waren  Abgaben  von  Waren 
und  Gebäuden  vermischt  Durch  die  Refonn  wird  hier  ein 
klarer  Unterschied  fSBS^gestellt  und  die  Grundsteuer 
sollte  eigentlich  ein  Prozent  des  Grundstücks« 
wertes  betragen.  Da  aber  bisher  die  Steuern 
auf  Waren  nor!i  niclit  ein  ^'■e  führt  sind,  so  wird 
die  (J  r  im  d  Steuer  zur  Zeit  auf  drei  Prozent  vom 
Werte  des  ( t r u n d  st ü ck es  festi^^es teilt. 

Wenn  Steuern  auf  Thee,  Tabak.  Zimmerholz  fte.  ein 
ge  führt  öind .  und  die  Einnahme  [daraus!  2  Millionen  Yen 
tiUei.Nteisrt.  danu  soll  von  den  ( trundstticken ,  deren  Steuer 
revidiert  ist,  die  Steuer  in  dem  Verlialinia  herabsetzt 
werden,  wie  sie  auf  Waren  erhöht  ist,  bis  die  Grundsteuer 
auf  ein  Ptossent  vom  GkomdstÜckswerte  vermindert  ist. 

Art.  VII.  Von  den  Grundstücken,  deren  Steuer  noeli  nicht 
revidiert  ist.  werden  die  alten  St^Miern  w(Mtererhoben.  Ivlagen 
über  deren  Unjs^leichheit  können  nicht  berücksichtigt  werden, 
es  öei  denn ,  dafs  die  alte  Steuer  ganz  uugewuhnlich  hocli 
oder  niedrig  ist  Betrefiend  SteuereHals  und  Aufhebung 
bewilligter  Erlasse  sind  die  alten  Bestimmungen  su  be- 
folgen* 

Diese  vorstehenden  Bestimmungen  sind  festgestellt.  Die 
Auslbhrunesbestimmungen  wird  das  Finansministerium  be- 
kannt machen. 

Der  Grolskanzler  Sanjo. 


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528  X  4. 

Durch  Nr.  53  vom  12.  Mai  1874  erhielt  das  Geeets  ab 
einen  Zusatz 

Art.  VIII.    Wenn  auch  der  Marktpreis  des  Landes  sioh  nach 
Beendigung  der  Revision  vermdirt  oder  vormindert  so  soll 

der  einp^eschiUzte  Wert  doch  auf  fiiiit  Jahro  nach  Be* 
endi^i'^^'  d«T  Reform  unverändert  l»!eiben.  1  )oc}i  soll  die 
Ort8üeii<»r(ie  bei  Verkauf  von  Grundstücken  den  abweichen- 
den Preis  aut  die  Rückseite  des  Besitztitels  mit  roter  Tusche 
aufschreiben. 

Weitere  Zusätze  haben  keiiu  besondere  Bedeutuii;;:; 

Ik'sonders  wichtig  endlich  ist  tlie  Kaiserliche  Troklamation 
über  Ileraböctzung  der  Grundsteuer  vom  4.  Januar  1877 
mit  Gesetz  Nr.  1  : 

„Nachdem  die  tollende  Kaie^^rliehe  l'roklanmiion  erlassen 
ist,  wird  die  Grundsteuer  auf  zwei  und  ein  halb  Pro- 
zent vom  Grundstücks  wert  festgesetzt ,  angefangen  vom 
Jahre  1877. 

KaiBerliche  Proklamation. 

Seit  der  Wiederhentellung  Unserer  Bc^'erung  ist  ent 
kurze  Zmt  ▼erflossen.  Aber  der  Staat  hat  grolae  ond  mflh- 
same  Reformen  zu  unternehmen  gel  übt  so  dafs  die  Finansen 
in  schwieriger  Lage  sind.  Unser  Volk  ist  schwer  davon 
betroffen  und  kommt  nicht  zu  Reichtum.  Wir  hatten  Mit- 
leid mit  der  r.a;:e  des  Volkes  und  reformierten  die  Be- 
steuerung und  setzten  sie  ^leiehmälsi^  auf  drei  l'rozent  fest. 
Jetzt  haben  wir  wieder  die  Lage  der  Landbevölkerung 
^enau  geprüft  und  aus  Mitgeftdil  für  ihre  I^ge  eine  weitere 
Herabsetzung  der  Grundsteuer  bescldossen  und  sie  aut  zwei 
und  ein  halb  Prozent  vom  GrundBtQckBwerte  festgesteOi 
Ihr  Beamten  sollt  Meine  Wünsche  beachten  und  die  Staati- 
auagaben  yermindem  in  Erfüllung  Meiner  Absichten. 

Am  selben  Tage  erschien  (Jesetz  Nr  2: 

,.l)a  seine  Majestät  der  Kaiser  befohlen  hat,  dal's  die 
Grundsteuer  lieral »zusetzen  und  grüfstniögliehe  Sparsamkeit 
zu  beobachten  sei,  so  wird  hiermit  angeordnet,  dafs  die 
lokale  Besteuening  ein  Fünftel  der  Grundsteuer  nicht  übe^ 
schreiten  8011.** 

Durch  Nr.  48  vom  Ti.  November  If^RO  wurde  aber  wieder 
ein  Drittel  als  Maximum  der  Bezirkssteuern  gestattet. 

Während  nach  dem  Gt'setze  von  1874  eine  NeueinschätzuDg 
der  Gl  iindstiickswertr  f)  Jahre  uach  Beendigung  der  Revision 
stattHmlcü  sollte.  wunU  im  Mai  1880  dies  autg«lioben  und  be- 
slimuil,  dais  eiue  allgemeine  Revision  für  das  ganze  Limd  gleich- 
zeitig stattBnden  solle,  was  dann  einige  wdtere  Bestimmnngen 


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529 


nötig  machte  über  in  der  Zwischenzeit  unvermeidliche  Änderungen, 
namentlich  infolge  anderer  Verwendung  der  rJrnndstücke  (z.  B. 
von  Feldern  als  Bauland),  während  dies  bis  dahin  während  der 
fünf  Jahre  nicht  beriicksiclitiiirt  werden  sollte. 

Das  Verfahren  bei  der  ( i  r u n d .s t e ii er r e fo r m ,  wie 
es  sieh  aus  den  Verordnungen  und  Instrukiiunen  der  Regierung 
und  aub  dem  grolisen  Bericht,  welchen  das  Finanzministerium  im 
Februar  1882  über  die  Austlihrung  der  Reform  erstattet  hat, 
ergiebt,  läfst  sich  in  der  Ktirze  IblgendermaiHeii  zusammeiifiusen*. 
Dabei  bt  nicht  atÜBcr  acht  zu  laasen,  dafs  dies  aUes  sich  nur 
auf  Altjapan,  d.  h.  Japan  ohne  Hokkaido  und  Okinawa,  bezieht. 

Die  Durchführung  der  Beibrm  war  dem  Finanzministerium 
und  dem  Ministerium  des  Innern  übertragen.  Nach  einiger  Zeit 
stellte  sich  jecloch  heraus  dafs  diese  Behörden  die  gewaltige 
Arbeit  nicht  nebenher  erledigen  konnten.  Man  entsr!i!ols  sich 
daher,  1875  ein  neben  den  Ministerien  stehendes  eigenem;  „Grund- 
steuerreformbureau**  zu  errichten,  welches  am  24.  Mai  desselben 
Jahres  ins  Leben  trat.  Diese  Behörde  hat  bis  zuni  3U.  Jimi  1881 
bestanden.  Der  noch  Übrige  unbedeutende  Rest  der  Arbelten 
ist  im  Finansministerium  erledigt 

Die  Örtliche  Durchf\lhrung  erfolgte  durch  die  Bezirksregte- 
Hingen,  welche  den  Eigenttimem  die  revidierten  Besitztitel  aus- 
fertigten. Zum  Zwecke  der  Einschätzung  wurden  Einschtitzungs- 
bi'zirke  mit  möglichst  gleichartigen  \'erhnltnis8en  gebildet,  welche 
der  Regel  nach  2ü — 30  d*T.  wie  man  sich  erinnern  wird,  sehr 
kleinen  Gemeinden  umfaLsten.  Für  einen  solchen  Einschätzung« • 
bezirk  b^telltc  die  Bezirk.'^regierung  aus  ihren  Beamten  eine 
Kiii^ehUtzungsküiiiiuission,  an  deren  Spitze  einer  der  höheren 
Beamten  stand.  Die  Kommission  zog  Vertreter  der  Bauern- 
schaften und  alte  er&hrene  Bauern  zu  ihren  Arbeiten  zu. 

Die  Einschätzung  selbst  zerfiel  in  folgende  Teile:  die  Selbst- 
einschätzung  der  Eigentümer,  die  vorläufige  Prüfung  dieser 
klärungen.  die  Einzeleinschätzung  und  die  Wertberechnung. 

Die  Dörfer  hatten  ohne  Rücksicht  auf  die  bisherige  Be- 
steuerung Erklärungen  .abzugeben  und  zwar  einmal  liir  jedes 
(irundstück  über  Griiise,  Krntemenge  (resp.,  soweit  nicht  fest- 
stellbar, Wert  der  Ernte;  und  Wert  des  Ackerhmdes;  für  Bau- 


'  Aufser  den  bereit.s  erw;iliiiten ,  der  Ansfuhrunps Verordnung  und 
der  Instruktiou  für  die  Bezirksbchördeu  vorn  '2>.  Juli  187;{,  sind  eine 
ganze  MeuKe  mehr  oder  weniger  wichtiger  Verordnungen  ergangen, 
welche  mit  uiren  häufigen  Wiederholnngen  das  Stadinm  so  eiDem  höcbst 
t^miüdendeii  roaclien.  Als  wichtif^ate  seien  erwähnt  die  Nachträge  vom 
22.  Dezember  IHT'J,  Juli  1877,  27.  Dezember  1877;  Verordnung  ;{6  vom 
19.  März  l{s75,  betr.  die  der  Einschätzung  zu  Grunde  zu  legenden  Pro- 
dnktenpretne;  Dekrete  vom  80.  August  1875,  betr.  Beschleunigung  der 
Reform,  vom  13.  Februar  1877,  betr.  die  Steuerjjflicht  zu  öffentfichen 
Zwecken  verwendeter  (rnindstücke;  Verordnungen  über  Steuererläsee 
vom  Mai  1877,  liezeuibtjr  Io77,  November  1879. 

For«ebuii4{«;n  (45)  X  4.  —  Bathgon.  34 


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530 


land  (Hausgrundstücke)  nur  Fläche  und  ^Vert.  Diese  Erkllirunpen 
waren  vom  F.igentümer  und  bei  verjjachtetem  Ackerland  (mit 
der  Angabe  der  Pacht)  auch  vom  i*ächter  unterzeiciinei  und 
gestempelt.  Ferner  wiu^e  eine  Übersicht  über  diese  Einzel- 
erklai  ungen  für  die  ganze  Gemeinde  aulge.stellt,  sowie  eine  Über- 
sicht Uber  ^^'ald-,  Grasland  etc.  Diese  vom  Schulzen  (Kocbo) 
und  den  ßauemvertretern  anterzeksbieten  und  gestempelten  Fm- 
uonen  waren  yon  der  Erklärung  begleitet^  dals  die  Einschätzung 
den  Vorschriften  entsprechend  in  ihrer  G^enwart  yoigenonuneu, 
dafs  kein  Grundstück  unberücksichtigt  geblieben  und  nichts  Ter* 
heinilicht  sei.  „Sollte  sich  aber  ein  Betrug  oder  Fehler  lieraus- 
stellen ,  so  wollf^n  wir  jede  Strafe  über  uns  er^ehon  lassen" 
(Instruktion  an  die  Bezirksbeliörden  §  40).  Den  Bauern  \s  urde 
vorlier  eingeschärft,  dafs  sie  Durchschnittserträge  anzugeben  imd 
als  Mal'sstab  für  den  Wert  I'achtertrSge  (den  Wert  des  Reises 
nach  Abzug  der  dem  Eigeutümer  obliegenden  Kosten  fUr  die 
Kultur)  anzunehmen  hätten. 

Diese  Selbsteinschätzungen  wurden  zunächst  im  allgemeinen 
einer  Prüfung  unterworfen,  mit  den  alten  Grundsteuerrogistem  etc. 
▼eiglichen.  Wo  sich  besonders  auffiülige  Abweichungen  zeigten, 
wurde  eine  vorläufijre  Aufkläning  versucht,  möglichst  im  Wege 
freundlicher  Vor>tellungen.  Auf  Grund  dieser  Ermittelungen 
wurde  eine  vorliiutigc  Aufstellung  gemacht  über  Wert  und  Steuer- 
pflicht aller  ( irundstticke. 

Die  \\  ertl)en'chnung  wurde  b^ründet  auf  die  Ertrags- 
bciiat/^ungen  und  zwar  auf  einen  sehr  suumiarisch  ermittelten 
sogenannten  Reinertrag,  der  als  Zins  des  GrundstUckswertes  an- 
gesehen wurde.  Man  ging  dabei  von  zwei  allerdings  gann  wiU- 
kttrlichen  Annahmen  aus.  Als  Beinertrsg  wurden  angesehen 
85  IVozent  des  Rohertrages,  während  15  Prozent  für  Saat^ 
Dünger  und  entsprechende  Produktionskosten  resp.  Kapitalauf- 
wendungen angesetzt  wurden.  Die  Kosten  der  Arbeit  wurden 
nicht  berücksichtigt.  J>iese  85  Prozent  des  Rohertrages  galten 
als  „Keinertrair".  Zog  man  hiervon  die  Gnmdsteuer  (dn  i  Pro 
zent  des  Cirundstut-kswertes)  und  die  Konimuualabgaix'n  ieio 
Drittel  der  vorigen)  ab,  so  stellte  der  liest  den  „Gewinn**  des 
selbstwirtschaftenden  Eigentümers  dar.  Dieser  Gewinn  sollte 
der  Regel  nach  auf  sedis  Prozent,  höchstens  si^ien  bemessen 
werden  K  Diese  Berechnung  ergiebt  also  von  dem  „Reinertrag' 
sechs  Zehntel  für  den  Bauern,  drei  Zehntel  Hir  die  Staatssteuer 
und  ein  Zehntel  für  die  Kommunalabgaben.  Mit  anderen  \\'orten 
betrug  die  Onindsteuer  rund  ein  Viertel  (25^  2  Prozent)  des 
Robertrages.   Der  GrundstUckswert  war  das  Zehnfache  des  um 


1  Thatsacbhch  ist  im  Durcbacbuitt  des  Laudcs  als  i&iusful'ä  des 
GrundkapitAls  ffbe  Reisfold  6,1  Prozent,  für  Troekenfeid  6,9  Piooeot  an- 
genommen  worden. 


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X  4. 


531 


ftnfiEehn  Prozent  verminderten  Bohertrags,  wie  das  amdiche 
Mutter  ülr  die  Wertberechniuig  zeigt: 

Reisfeld  1  Tan 

Ertrag  1  Eokn  6  To 

Geldwert  (za  3  Yen)  4  Yen    80  Sen 
Ausgabe    fUr  Saat, 

Dünger  etc.  (15«/o)   72  - 

Reinertrag  4  Yen     8  Sen 

StaatBsteuer  1  -  22,4  - 
Kommanalabgaben  40,8  - 

Gewinn  des  Eigentüniera  Z    -  44,8 
Zu    0    Prozent  einem 

Kapital  gleich  von      40    -      80  - 
3  Prozent   vom  Werte 

als  Steuer  1     -       22,4  Sen,  wie  oben. 

Bei  vcrpacliteteni  Ackerland  war  für  den  Eigentümer  der 
Gewinn  der  Kegel  nach  als  eine  vier- ,  höchstens  fünfproz entige 
\'erzin8unfi;  des  Ackerlandes  anzusehen.  Nach  den  Musterbei- 
spielen scheint  der  liegel  nach  die  Hälfte  des  Pachtiiinses  als 
Gewinn  des  Eigentümers  anges^en  zu  sein,  weicher  dann  als 
▼ierprozentige  &nte  behanddt  winde.  Die  andere  Hälfte  deckte 
mit  drei  Vierteln  die  Staatsstener,  mit  einem  Viertel  die  Kom- 
munalabgaben. 

Weniger  willkürlich  und  daher  nicht  so  ungünstig  für  den 
Grundeigentümer  als  die  Reinertragsberechnung  und  die  Kapita- 
lisierung des  Gewinns  war  die  Bereclmung  des  Geldwertes  des 
Rohertrages.  Da.s  ^^'^cht^gste  dabei  war  der  Reispreis.  Die 
Instruktion  (§  20 1  wollte  die  Preisangabe  der  Eigentümer  zu 
Grunde  legen,  kontrolliert  durch  benachbarte  Marktpreise.  Diese 
vage  Bestimmung  wurde  später  dahin  erweitert,  dals  die  Durch- 
scmnttBpreise  der  fbnf  Jahre  Tor  An&ng  der  Reform  zu  nehmen 
seien.  Da  aber  die  Reform  in  den  verschiedenen  Orten  und 
Gegenden  zu  sehr  verschiedenen  Zeiten  begann,  so  würden  ganz 
verschiedenartige  Reispreise  zu  Grunde  gelegt  worden  sein.  Da- 
her wurde  am  19.  März  1875  vom  Finanzministerium  verfügt, 
es  sollten  im  cranzen  Lande  die  Durchschnittspreise  der  fünf 


le 


ten  im  ganzen  Lande  die  Durchschnittspreise 
Jahre  1870 — 1^74  mafsgebend  sein.  Thatsächhch  wurden  d 
Preise  vom  Ende  jedes  der  fünf  Jahr«i  iZeit  der  Steuerzahlung) 
erhoben.  Die  Durclischnittspreise  (uaeh  8  Qualitäten)  wurden 
fllr  gaii/,t  Provinzen  oder  nach  Bedarf  für  kleinere  Distrikte 
festgestellt  (im  Hyogo-ken  sind  z.  B.  nicht  weniger  als  18 
Boicher  Preisdistrikte  untoschieden,  meist  sind  es  3 — b),  Aufser 
für  Reis  wurden  diese  Prdse  auch  ftlr  Gerste  und  Bohnen  (Daizu), 
hie  und  da  auch  ftlr  Hirse  (Hiye  und  Awa)  und  Salz  erlioben. 

Bei  der  Ertragsschfttzimg  der  Trockenfelder  wollte  die  In- 
struktion im  wesenttfchen  die  Pachtpreise  mafsgebend  sein  lassen. 

34* 


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5S2 


X  4. 


TbatBächlich  hat  man  hier  gleichfalls  die  Prodaktenprdse  und 

zwar  der  Regel  nach  die  von  Gerste  und  Bohnen  zu  Grunde  ge- 
legt. Hei  Feldern,  wo  wertvollere  Kulturen  wie  Thw»,  iM  ninn^r- 
bäume  etc.,  strinflcn,  wurde  der  Ertrag  nach  Analoge  benach- 
barter Reiß-  ud  I  *  i  ersten t\*l(l(T  bereelinet. 

Bei  Wald-  und  (iriiöland,  welches  bisher  kaum  der  Be- 
steuerung und  Vermessung  unterworfen  gewesen,  war  die  Schätzung 
besondera  schwierig.  Im  ganzen  scheint  man  ziemlich  Bummariaeh 
vorgegangen  zu  sein.  Ab  Umtriebsperiode^  innerhalb  welcher 
solches  Land  einmal  Ertrag  giebt,  wurden  der  Regel  nnch  50  bis 
60  Jahre  angenommen.  Die  Preise  der  Produkte,  die  Transport* 
kosten  etc.  waren  zu  berücksichtigen. 

Bei  Bauland  war  eine  KrtragsscIiMtznne:  aiisorerrhlossen.  In 
Landgemeinden  wurde  es  dem  Wert  benachbarter  Felder  in  4 
bis  5  Kla.ssen  je  nach  Gunst  der  Lage  gleiehgestellt.  lu  den 
StUdten  fand  eine  sorgftlltige  Berücksichtigung  aller  raftgliehen 
Unibtande  und  eine  hieraui  b^ründete  weitgehende  Klassenein- 
teilung statt In  greisen  Städten  wurden  hm  zu  500  Klrnwen 
angestellt.  Übr^ens  ist  zu  beachten,  dafs  sieh  die  Steuer  nur 
auf  das  Grundstück  bezieht,  nicht  auf  das  Gebäude. 

Der  vorläufigen  Wertberechnung  bei  den  Beziiksregierungeii 
folgte  dann  die  Kinzelprttfong  in  den  Einschätzungsbezirken. 
Eine  durchgehende  Vermessung:  des  Landes  dureh  die  Beamten 
erfol<rte  dabei  aber  nieht.  Unter  den  von  den  l^»auem  selbst  ver- 
messenen Grundstücken  wurden  von  den  Beamten  nur  Stich- 
proben vorjienoinmen.  Man  war  zufrieden,  wenn  die  Vermessung 
nur  ungelahr  stimmte.  Es  ist  wichtig,  das  besonders  zu  be- 
merken, zur  Würdigung  der  2^hlen,  betreffend  die  Grölae  der 
bebauten  Fläche  in  Japan,  welche  durchweg  als  zu  niedrig  an* 
zusehen  sind. 

Genauere  Vermessung  wurde  bei  dem  städtischen  Baulande 
gefordert.  Aber  auch  hier  war  die  zulässige  Fehlergrenze  noch 
zwei  auf  hundert.  Die  Fläche  von  Wald  und  Grasland  wurde 
nur  annähernd  ermittelt.  Neben  der  Kontrolle  d(  r  Vermessung 
ging  die  Kontrolle  der  Register,  ob  wirklich  alle  Grundstücke 
verzeichnet  seien.  Um  beides  bei  Begehung  der  l  )oH^lur  zu  er- 
leichtern, hatten  die  Bauern  in  regelmälsigen  AbsUtnden  ITähle 
ins  Feld  einzuschlagen,  welche  den  Namen  des  Eigentümers,  die 
GrOise  des  Feldes  etc.  anegben. 

Die  Kommission  suchte  dann  ein  ftbr  die  Verhältnisse  des 
Schfttzungsbezirkes  episches  Dorf  aus,  in  welchem  jede  Parzelle 

fenau  dngeschätzt  und  sämtliche  Felder  in  eine  Anzahl  Bonitttta- 
lassen,  der  Regel  nach  neun,  eingeteilt  wurden.  Die  Kommissions- 
niitglieder  verteilten  sich  dann  auf  die  übrigen  Dörfer  und  teilten 
di  i'en  Flur  mit  lliilfe  der  Bauernvertreter  un<l  der  Saehvcrstän- 
diL'^'-n  gleieht'allö  iu  Bonität-ik lassen  ein.  Daiaut  ötelltc  dann  die 
Kouiuiisöion  (d.  h.  die  Jieauiten  allein)  die  Klassen  in  diesen 
Dörlern  den  entsprechenden  Klassen  dcü  Typeudorfes  gleich. 


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X  4. 


533 


Wenn  die  so  gefimdene  Ertrags-  und  WerÜberecfannng  im 
wesentlichen  mit  der  Selbsteinschätzun^  ttbereinstimmtey  so  war 

das  Einschätzungsgeschäft  damit  erledigt.  Wo  sich  aber 
grofee  Abweichungen  herausstellten  (yon  zehn  Prozent  und  mehr), 
war  die  betrcffenflf  Flur  {?enau  einzuschätzen.  Zeigte  sich  hier- 
bei, dafs  die  belbsteinsehätzun^-  zu  niedriL'*  wnr,  .so  sollten  zu- 
nächst den  Eigentümern  Vorstellungen  gemacht  werden,  iie- 
liarrten  diese  aber  bei  ihrer  Schätzung,  so  sollten  die  (jruiiii8tii<  ke 
in  drei  Büuitatsklassen  eingeteilt  und  aus  jeder  typische  Grund- 
stücke im  Beisein  des  Schneen  und  der  Eigentümer  gegen  schrift- 
liche Angebote  versteigert  werden.  Der  Eig^entOmer  hatte  dann  die 
Wahl,  sein  Qnmdstfkck  gegen  ein  an  den  Steigerer  au  zahlendes  Ab- 
standsgeld zu  der  neuen  Schätzung  zu  behalten  oder  gegen  seinen 
eigenen  Schätrangspreis  bar  zu  verkaufen.  Den  Mehrwert  hatte 
der  Käufer  in  monatlichen  Raten  an  die  Staatskasse  abzutragen. 
Nach  dem  Ergebnis  der  Versteigerung  wunlen  alle  anderen 
8treiti<^en  Unmdstüeke  der  betreffenden  Klasse  eingeschätzt.  Ent- 
sprechende Bestimmungen  galten  da,  wo  der  angegebene  Pacht- 
ertrag eines  Grundstückes  unangemessen  erschien  (nämlich  Aus- 
gebot der  Pacht). 

Von  vomheran  war  klar,  dafo  eine  derartige  Versteigerung 
in  manchen  FiUen  erfolglos  sein  wUrde.  Der  E^entllmer  sollte 
dich  dann  schriMch  bereit  erklären^  sein  Grandstück  su  dem  von 
ihm  selbst  angegebenen  Schätzungsprds  an  den  Staat  abmtreten. 
Dann  sollte  die  Einschätzungskommission  volbsählig  zusammen- 
treten und  das  Orundstltck  mrh  dem  Werte  nlndicher  Gnind- 
sttickc  in  Nachbargemeinden  einscliätzen.  Nui*  wenn  der  so  er- 
mittelte Wert  sehr  von  der  Selbsteinschätzung  abwich,  boüte  der 
Staat  das  Grundstück  wirklich  ü})ernehmen. 

Auch  so  nocli  mochten  in  der  iVaxis  viele  Schwierigkeiten 
entstehen.  Daher  wurde  durch  Gesetz  68  vom  12.  Mai  1876 
das  Ver&hren  in  der  Weise  vereinftcht^  dafs  da,  wo  die  Mehr- 
heit der  Eigentümer  mit  der  Einschtttsung  einverstanden  sei  und 
nur  eine  kleine  Minderheit  sich  eigensinnig  widersetze,  die  Ein- 
schätzung endgültig  nach  dem  Wert  ähnlicher  benachbarter  Grund- 
stücke  erfolgen  solle. 

Für  Ijesondere  Verhältnisse  gab  es  noch  eine  Reihe  einzelner 
Bestimmungen.  Wenn  tür  Hausgrundstücke  am  Strand,  im  Ge- 
birge odfT  an  anderen  einsamen  Stellen  ein  Vergleich  mit  dem 
\\  erte  anderen  ähnUchen  Baulandes  unmijgUch  war,  so  sollte  die 
Steuer  wenigstens  10  Sen  fUr  den  Tan  betragen.  Nach  der 
Steaeriierabfletzung  von  3  auf  2Vi  Prozent^  1877,  wurde  dieses 
Sl&iimum  durch  eine  Verordnung  vom  Juli  desselben  Jahres 
gleichfalls  um  ein  Sechstel,  also  auf  8  Sen  3  Rin,  herabgesetst 

Weitere  Bestimmungen  bezogen  sich  auf  frisch  urbar  gemachte, 
auf  durch  Naturereignisse  b^chädigte,  auf  Überschwemmungen 
.lustresetzte  Grundstücke.  Öffentliche  Strafsen.  Deiche  und  Be- 
gräbnisplätze  waren  steuerfrei.   Im  übrigen  hörten  alle  dau^n- 


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534 


X  4. 


den  SteuerMheiteD  auf.   Auch  fUr  durch  NatorereigniBse 

schädigtes  Land,  welches  wieder  in  Stand  gesetzt  werden  konsto 
(Arechi)  uod  Air  Keula ud  (Kaikon  kuwa-sfaita-chi)  wurde  Steuer- 
freiheit nur  mehr  auf  Zeit  be^^^lli^^t,  fUr  erstereB  auf  höchateos 
10,  für  letzteres  auf  höchstens  oO  Jahre. 

War  das  ganze  Einschätzungswej  k  been(li;^t,  so  wurden 
Siimtliche  Papiere  und  die  alten  Besit/.titcl  der  BezirksreirifTurtg 
eingehändigt.  Diese  stellte  die  Ergebnisse  zutsamnien,  fertigte 
die  berichtigten  Besitztitel  aus  und  reiehte  (Vw  t'beröiclit  nach 
bestimmten  Formularen  (Verordnungen  vom  22.  Dezember  1873, 
27.  Dezember  1874  und  5.  November  1878)  an  die  Steuenib- 
teÜun^  im  FiDansmmisteriaiii  ein.  Damit  war  die  Katastrierung 
beendigt  nnd  die  nene  Besteaerung  trat  in  Kraft 

Von  den  Kosten  entfielen  die  ftbr  Anlage  der  Grundbücher 
und  Ausfertigung  der  Besitztitel  auf  die  Besirke,  welche  dafiür 
von  jedem  Besitztitel  Stempelabgaben  erhoben.  Soweit  diese 
nicht  ausreichten,  trat  die  Staatskasse  ein,  aus  welcher  auch  das 

Reformbureau  erhalten  wurde.  Alle  anderen  Kosten,  fiir  Ver- 
messung, Einschätzung  u.  s.  w.,  hatten  die  Eigentümer  zu  tragen, 
t'^ber  die  Zeit,  in  welcher  die  Reform  beendigt  werden  könnte, 
hatte  man  sich  einigen  Täuschungen  hinge^'^eben,  Richtie:  in 
(  rang  kam  die  Arbeit  erst  1875.  Am  30.  August  dieses  Jahres 
erUels  der  Staatsrat  eine  Verftlgung  an  die  Bezirke  (Nr.  154): 
Allerdings  sei  die  Grundsteuerreform  nicht  an  ttbereilen.  Würde 
die  Sache  aber  su  lang  hingezogen,  so  änderten  sich  tnawischen 
die  thatsttchlichen  Verhaltnisse  in  den  einzelnen  Provinzen  und 
es  wttrde  zwischen  diesen  Ungleichheit  eintreten.  I  >aher  sei  die 
Reform  während  des  Jahres  1876  (gemeint  wohl  das  Finanzjahr, 
das  am  30.  Juni  1877  endete)  zum  Abschlufs  zu  bringen.  Das 
Reformbureau  drängte  nun  auch  <  Vcrrii^^ungen  vom  23.  Oktober 
und  27.  Dezember  1875).  Trotz  ]* m  zo;^  die  Erledigung  sich 
bis  1881  hin.  Im  Jalire  1882  konnte  das  Finauzminirsterium 
seinen  abschheiseuden  Bericht  an  den  Staatsrat  erstatten. 


III.  Die  Ergebnisse  der  Reform. 

Die  Ergebnisse  der  Beform  und  die  geleistete  Arbeit  sind 
in  der  Ktkrse  die  folgenden  (vgl.  auch  die  Tabellen).  Zn  be- 
aditen  ist,  dals  alles  Folgende  sich  nnr  anf  Altjapan  (ohne 
Hokkaido  und  Okinawa)  bezieht 

Vor  allem  waren  die  Steuerfreiheiten  geiallen.  Bei 
öffentlichen  Tempeln  blieb  der  Grund  und  Boden,  auf  welchem 
die.se  selhsf  stehen,  frei.  Bei  dem  sonstigen,  in  einigen  Fällen 
recht  bedeutenden  Grundbesitz  der  Tempel  be^ügte  num  sich 


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X  4. 


535 


nicht  mit  Aufhetrang  der  Steaerfireihdti  aondem  säkularisierte  ihn*. 
Auf  diese  Weise  wurden  70670  Cho  von  Shinto-  und  43743  Che 

von  buddhistischen  Tempeln  eingezogen,  während  nur  25610  Cho 
steuerfirei  blieben,  nämlich  16530  Cho  von  132192  Shinto-Heilig- 
tttmem  und  9080  Cho  von  51247  buddhistischen  Tempeln  und 
Klöstern. 

Von  dem  früher  steuertreien  städtischen  Bauland,  das  seit 
1872  der  Steuer  unterworfen  war,  wurden  im  ganzen  liH)40 
CIjo  festgestellt  im  Werte  von  3u6üü00Ü  Yen,  wovon  die  Steuer 
916  192  Yen  betrug,  nach  der  ErmÄfsigung  von  1877  765159 
Yen  (nach  dem  Budget  für  1889/90  777841  Yen). 

Die  aufgehobenen  städtischen  Steuerfreiheiten  TerteQen  sich 
ziemHoh  ungleichmälsig  auf  das  Land.  In  vier  Bezirken  (Saitama» 
Chih«,  Tochigi  und  Iwate)  waren  überhaupt  ]v(  ine  vorhanden. 
Von  der  ganzen  Fliiehe  kam  mehr  als  ein  Viertel  auf  die  drei 
Fu,  niimlich  2418  Cho  auf  Tokyo,  1511  auf  Kyoto  und  1184 
auf  Osaka.  Etwas  über  1000  Che  hatten  noch  die  drei  Bezirke 
Aichi  (1060),  Niigata  (1029)  und  Yamagata  (1024).  Im  Süden 
waren  die  städtischen  Steuerfreiheiten  verhaitnimnäisig  wenig  aus- 
gedehnt 

FinanzieU  nicht  gans  so  wichtig  war  die  Ausdehnung  der 
Besteuerung  von  Wald,  Grasknd  und  dergl.  Vor  der  Reform 
waren  nicht  mehr  als  452989  Cho  steuer|iflichtig  gewesen,  wo- 
von 161 169  Yen  Steuer  entrichtet  wurden.  Durch  die  Beform  wurde 
eine  steuerpflichtige  Fläche  von  7475398  Cho  festgestellt.  Wie 
erwähnt,  ist  das  t\)wv  nielit  das  Ergebnis  von  wirkliehen  Ver- 
me^simgen.  sondern  von  annäiiernden  SehätzunLiin  unt]  dürfte 
erheblich  hinter  der  W  alu'hcit  zurückbleiben.  Die  öteuerlcistung 
von  die.sem  Besitze  sollte  74 1  732  Yen  betragen,  wa.s  sich  durch 
den  Steuererlafs  von  1S77  auf  018 13G  Yen  verminderte,  456967 
Yen  mehr  als  die  alte  Steuer  (im  Budget  fUr  1889/90  ist  diese 
Summe  auf  680132  Yen  angewachsen). 

Die  Grundsteuerreform  aus  diesen  beiden  Quellen  ergab  also 
rund  IVa  Millionen  Yen  mehr,  respektive  IV4  MiUionen  seit  dei 
Herabseiaung  von  1877. 

Wie  das  Steueraufkommen  durch  sonstige  Aufhebung  von 
Steuerbetreiun;rf'n  und  die  Steuern  von  dem  <Miemaligen  Tempel- 
gut gewachsen  ist,  lalst  sich  nicht  feststellen.  Die  Summe  diuite 
aber  mindestens  '  a — ^2  Million  betrügen. 

Von  dem  schon  bisher  einer  1  egelmäüiigen  Besteuerung  unter- 
worfenen Lande  erhöhte  sich  die  Steuer  bei  den  Sahglbrten,  deren 


^  Die  Einziehung  der  T  mpeleüter  erfnlrt*'  durch  Erlafs  des  Staats- 
rats vom  Dezember  187ü  {ohne  näheres  Datum).  Dafür  sollten  trewusae 
Reisrenten  gegeben  werden  (1878  ak^elost).  Nähere  Bestimmuugt  u  über 
die  Aasdebnung  der  Einziehung  ona  darüber,  welches  Land  etoueifrsi 
bleiben  solle,  enthalten  die  Erlasse  vom  24.  Mai  und  4.  Joli  1Ö71. 


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X4. 


Auad^nung  auf  6095  Cho  festgeBteUt  wurde  (Ende  1887  nur 
mebr  5557  Cho).  Die  Steuer  d  avon  erhöhte  sich  von  25838 
Yr^n  auf610r>l  Ypti  respektive  seit  1877  50887  Yen  (im  BuG^ 
lüir  1889  90  nur  mehr  40  412  Yen). 

Von  dem  eigentlicl!  lündlichen  Grn  n  rllipsit? .  Acker- 
land wie  ländlichem  l>auland.  dagegen  vermindf  ric  sich  die 
Summe  der  Steuer  erheblich  infolge  der  Retorm.  I>ie 
Angaben  über  \'ermehrung  der  steuerbaren  Fläche  haben  bei 
der  Verschiedenheit  der  alten  LanJmaise  gerinjren  Wert.  Die 
alte  iteuerbare  Fläche  wird  auf  3256658  Cho  angegeben,  während 
die  neu  vermeeaene  Flfiche  4822582  Cho  betrug,  Übrigens  imtner 
noch  zu  niedrig,  wie  aus  der  oben  geschilderten  Art  der  Ve^ 
messung  hervorgeht.  Wie  groft  der  Zuwachs  wirklich  war,  ist 
nicht  zu  ermitteln,  jedenfalls  war  er  ziemlich  erheblich.  Am  be- 
deutendsten scheint  er  in  den  Bezirken  Ishikawa  (mit  Toyama), 
Nag^fi^aki  (mit  Saga)  und  Kagoshima  (mit  Miyazaki)  gewesen 
zu  sein,  ferner  in  Kanagawa.  Niigatn  und  Napnio.  Ganz  un- 
bedeutend war  der  Zuwaelis  in  den  Bezirken  Toku.^liima,  Yaiiia- 
guchi,  Tokyo  uud  Kyoto,  sodann  in  Fukuoka,  Shiga  und  Waka- 
yama.  Im  allgemeinen  dürfte  der  Zuwachs  an  steuerbarer  Fläche 
im  Norden  starker  gewesen  sein  ab  in  der  Hütte  and  im  Sttden. 


Für  ganz  Alt}apan  finden  wir  folgendes  Ergebnb: 


Flfiche 
Cho 

Wert 
Yen 

Grund- 
steuer 
zu 

Grund- 
steuer 

zu  2'A.'"'o 
^  pii 

Gniiui- 
Steuer 
Budget 
1889/90 

Yen 

Na80<!S  Feld  (Ta). 

Trockcnfeld  (Hata) 
Buuland  iu  Laud- 

2630654 

1  «62  187 

329691 

1220145280 
267  287291 

108  965  707 

86604362 

8018622 

3  11»  973 

30503632 

6  682182 

2599143 

80841020 

6863299 

2675156 

LBadlieher  Gnmd- 

besitz  zusammen 

4  822  5^2 

47  741^57 

3U  784  957 

40  ii79  470 

Die  alte  Grundsteuer  hatte  nach  den  Durchschnittspreisen 

in  Geld  umgerechnet  52206407  Yen  betragen.  Die  Kefomi  i 
brachte  also  eine  Verminderung  f^er  Last  des  ländlichen  Grund-  ^ 
b.  Sitzes  um  4  438  612  Yen  nach  dem  Satze  von  3^. o,  um  12  395  612  | 
Ven  nach  dem  Satze  von  2' 2  ^  o.  . 

Die  ganze  alte  Grundsteuer  hatte  betragen 

52  368  055  Yen. 


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X  4. 


587 


Sie  war  durch  die  Beform  herabgesetzt  auf  49  462  946  Yen  und 
nach  dem  Satie  yon  1877  auf 

41  21  0  1  39  Yen, 

das  war  also  eine  V  erminderung  zunächst  um  2905109  Yen, 
dann  um 

11  1  48  916  Yen, 

das  sind  gut  21  Prozent  der  ursprnn -glichen  bumme. 

Die  ErmäfsiguMu  vorteilte  sicli  aber  höchst  ungleichmäisig 
über  die  einzelnen  Laiidesteile,  teiU  infolge  <ler  sehr  verschiedenen 
Menge  bisher  steuerfreien  Landes,  teils  infoke  der  neuen  Ertrags- 
und  Steuerberechnung.  Von  den  39  BeBirken,  in  weLche  1881 
Altiapan  zeifiel,  war  nach  dem  Sata  von  drei  Proient  das  Steuer^ 
aon^ommen  nur  in  22  niedriger  als  vorher.  In  17  Bezirken  war 
ea  hdher.  Diese  Bezirke  lagen  mit  Ausnahme  von  zweien  (Oka- 
jama  und  Hiroshima)  sämtlich  in  Mittel-  und  Nordjapan.  An 
der  «xr^nzen  Westkiif^te  nnd  im  Südwesten  (d.  Ii.  westlich  von 
der  Uwaribuc'ht)  war  das  Steueraufkommen  lierabgesetzt.  In 
Mitteljapan  erfuhren  eine  Ermäfsigung  nur  die  Bezirke  Chiba 
xind  Ibaraki.  In  den  Stnmmländern  der  Tokugawa  war  die 
Steuererhöhung  zum  Teil  sogar  sehr  erheblieh  (im  Saitama-ken 
23  Prozent). 

Durch  die  Ermäisigung  der  Steuer  im  Januar  1877  änderte 
sich  das  aUerdines.  Es  blieben  nur  drei  Bezirke  übrig  mit  höherer 
Steneileistung  als  vor  der  Reform,  Saitama,  Iwate  *  und  Tokyo, 
die  ersten  beiden  mit  unbedeutenden  Beträfen,  während  in  Tokyo 
die  Erhöhung  von  360000  auf  540  ono  ^  en  sich  durch  das  Auf- 
hören der  st; id tischen  Steuerfreiheit  genügend  reolitfTtiirt.  In  den 
meisten  nördliclion  und  mittleren  Bezirken  war  jedoch  die  Kr- 
ina Ibiguiv^'^  wenig  erheblicli.  Von  den  -^O  Bezirken,  in  welchen 
das  .Steueraufkommen  ;.'eringer  war  als  früher,  zeigen  12  eine 
Verringerung  von  weniger  als  1 5  Prozent :  Kiigata  3,  Miyagi  4, 
Tochigi  6,  Kanagawa  9,  Gumma  und  Shizuoka  10,  FnkuBhima 
und  Okayama  11,  Gifii,  Nagano  und  Yamanashi  13,  Aomori  14. 
Mit  Ausnahme  von  Okayama  bilden  diese  Bezirke  mit  den  nicht 
erleichterten  ein  zusammenhängendes  Gebiet. 

Dagegen  zeigen  13  Bezirke  eine  Verringerung  um  26  Prozent 
und  mehr:  Kochi  46,  Fuktioka  'MK  Ishikawa  36,  Nagasaki  35, 
Kumamoto  30,  Oita,  Wakayama  und  Chiba  30,  Yamaguchi  29, 
Ehime.  Yamagata  und  Hyogo  28,  Shiga  26. 

Rechnen  wir  als  Kemland  der  Tokugawahernsehaft  die  Be- 
zirke Tokyo,  Kanagawa,  Saitama,  Gumma,  Tochigi  und  Shizuoka 
zusammen,  so  bewirkte  in  diesen  die  Grundsteuerreform  zunächst 
eine  Erhöhung  um  bdnahe  17  Prozent  und  erst  das  Gesetz  von 


^  Id  Iwate  vennehrte  .^ich  daa  im  Privatberits  befindliche  stener- 
Pflichtige  Waldland  gaos  bedeutend. 


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538 


1877  eine  Vermmdenuig  von  2^2  PK»zent  (die  absolaten  Zahlen 
Bind  60S0270  Yen,  7052774  Yen,  5  877814  Yen). 

Dagegen  ergiebt  sich  fUr  den  siegreichen  Süden,  nnmh'ch 
Kyuflhu,  Shikoku  und  Yamaguchi-keo,  wo  die  Shizoku  ani  Grund- 
b^itz  starken  Anteil  haben,  eine  Verminderung  sofort  um  beinahe 
18  Prozent,  seit  1877  um  33  Prozent  die  absoluten  Zahlen  sind 
12908855  Yen,  10609172  Yen,  Ci84u92u  Yen)'. 

Um  die  durch  die (rrundsteuerreform  bewirkte  Änderung  in  der 
Belastung  des  O  rund  besitz  es  riclitig  zu  würfligen,  ist  jf-iloch 
der  Geldbetrag  der  8teuer  kein  genügender  Malssüib.  Die  alte 
Steuer  wiurde  überwiegend  in  Reis  bezahlt.  Di^e  alte  Natural- 
steuer und  die  Reis-  und  Produktenpreise,  sowolil  die  bei  der 
Stenereinschätzung  zu  Grunde  gelegten  wie.. die  späteren,  sind  zu 
berücksichtigen,  wenn  man  die  wirkliche  Änderung  der  Steuer- 
belastung kennen  lernen  will. 

Der  £<rtragBschfitzung:  bei  der  Steuerreform  war  der  Durch- 
schnitt der  Preise  von  1870— 74  su  Grunde  gelegt,  wie  er  in  den 
dnzelnen  i^esirken  ermittelt  war.  Als  Durchschnittspreis  för  düa 
ganze  Land  war  dabei  festgestellt  filr  den  Koku  Reis  4yiss  Yen, 
fUr  Gerste  l,u78  Yen,  für  Bohnen  (Daizu)  3,oi6  Yen. 

\\'enn  auf  den  folgenden  Seiten  der  Versuch  gemacht  wird, 
die  Oninrl Steuer  ganz  auf  Reiswerte  zurückzuführen,  ho  hat  das 
nieht  nur  die  Jiedeutung  eines  Vergleiches  mit  der  Irüheren  Zeit, 
in  welcher  "vvirklicli  der  ganz  überwiegende  Teil  der  Steuer  in 
Reis  enüiehtet  wurde.  Die  Umrechnung  der  Steuer  in  Reis  ist 
vielmehr  auch  heute  uoch  der  wirkliche  Ausdruck  der  Belastung. 
Denn  die  Grundsteuer  wird  von  dem  Omndbesitser  auch  heute 
ganz  überwiegend  aus  dem  Erlte  der  Beisenite  wirklich  besahlt, 
städtische  Hausgrundstttcke  natürlich  ausgenommen.  Das  ist 
sowohl  beim  selbstwirtschaftenden  wie  beim  verpachtenden  Grund- 
eigentümer der  Fall^  denn  der  Pachtzins,  den  letzterer  erhäl^ 
Ix'steht  fast  immer  in  Reis,  l^m  sich  das  zur  Steuerzahlung 
nötige  Geld  zu  verschaffen,  wird  der  Reis  auf  den  Markt  eo- 
bracht,  die  übrigen  Feldfriiehte  werden  nieist  unn\ittel})ar  in  der 
bäuerlichen  Wirtächatt  verbraucht.  Nur  wo  Handelsgewächse 
(Seide,  Thee)  in  gröfserer  Menge  erzeugt  werden,  liegen  die 
Verhältnisse  etwas  anders. 

Eine  Umrechnung  der  Grundsteuer  m  lu'i^  druck i  ilaher 
wirklich  die  Belastung  der  Grundbesitzer  aus,  viel  genauer,  als 
eine  Umrechnung  in  Weisen  oder  Boggen  bei  einer  europftischen 
Ghrundsteuer  thun  würde. 


1  DtT  '>teuemachlar8  von  hat  diese  Entwiok»  Iung  noch  weiter 
versch.ult,  indem  von  dem  Nacblats  auf  die  eretgeuanuten  1%05<7  Yen, 
auf  <iie  letztgenannten  dagegen  8.*)7  45m  Yen  kommen,  ob||[leieb  das  bei 
der  Ketorm  unmäfaig  beg&stigte  YamagQchi  an  dem  neaerteu  Naehlals 
k«nen  Anteil  bat 


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X  4. 


589 


BmchneB  wir  die  Steaer  ganz  in  Bei«,  £N>  war  ne  nach 
dem  Satae  von  8  Ph»eDt  gleich  11819102  Koku,  wovon  fünf 
Sechstel,  die  Steuer  seit  1877,  gleich  9  849  252  Koka  sind.  Da- 
gegen war  die  alte  Steuer  nach  den  Durchschnittspreisen  von 
1870—74  gleich  12513274  Koku.  Der  wirkliche  Ertr^  der 
Grundsteuer  war  seit  Abschaffung  der  Landesherrschaften: 


In  den  drei  letzten  Jaliren  ist  darin  die  Steuer  von  den 


wird  schlechten  Ernten  und  abnehmender  Aufsicht  zugeschrieben. 
Wenn  nun  im  Durchschnitte  der  Jahre  1872 — 1874  die  wirkliche 
Steuereinnahme  11373  630  Koku  betrug  (wozu  allerdings  noch 
später  eingegangene  Rückstände  in  unbekannter  Höhe  kommen, 
später  als  Einnahm^-  ^le«  ersten  Semesters  1>^7'  verreehnet),  so 
ergab  die  Steuerreibrni  zunächst  für  das  Land  als  Ganzes  über- 
haupt keine  Erleichterung,  nur  eine  andere  Verteilung.  Erst  die 
Ermäfsigung  der  Steuer  um  ein  Seehstel  im  Jahre  1877  hatte 
dies  Ergebnis.  L)aruub  folgt  denn  auch  die  politische  Notwendig- 
keit dieser  Malsregel,  um  der  steigenden  Unzufriedenheit  vorzu- 
beug^  Die  Bdie^preise  der  Jahre  1876  und  1877  waren  im 
Diurchschnitte  des  ganzen  Landes  denen  von  1870—74  fast  gleich» 
Von  da  an  äufserte  nun  die  Papierwährung  i!n  n  Einflufs,  zu* 
nächst  durch  ihre  Entwertung,  dann  durch  die  Wiederherstellung 
des  Wertes.  Berechnen  wir.  welche  Menge  Reis  nach  den  Durch- 
schnittspreisen jedes  Jalircs  dom  dnn']i  fVw  Steuf-rreform  endgültig 
festgestellten  Geldbetrag  ckr  <  irmidsteiier  gleieiikommt,  so  tinden 
wir,  da  Ts  es  statt  der  ursprünghchen  yö49252  Koku  in  runden 
Zahlen  waren: 


1878 

7  972  700  Koku 

1879 

&888400  - 

1880 

4441 700    -  (! 

1881 

4  534  600  - 

1882 

5  525  400  . 

1883 

7  494  400  - 

1884 

8  721  700  - 

1885 

7  034  000  . 

1886 

8114  000  - 

1887 

8  751 400  - 

Ein  Blick  auf  diese  Zahlen  genfigt,  um  zu  erkennen,  welchen 
ungeheuren  EinfluTsauf  die  L«agedes  Bauernstandes  das  Schwanken 
des  Geldwertes  ausgeübt  hat  und  wie  sehr  die  Belastung  der 

^Grundbesitzer  durcli  die  Grundsteuer  infolge  der  Preisrevolution, 
die  Uber  Japan  hinweggegangen  ist,  sich  geändert  hat  Von 


1871 

1872 
1873 
1884 


12549354  Koku 
12135195  - 

11239  712  . 
10745982  - 


echnet.  Die  Abnahme  der  Steuer 


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540 


1877  bis  1880  eank  die  Belastung  auf  weniger  als  die  Hlilfte. 
Die  1880  ziir  Bezahlung  der  Grundsteuer  nötige  Reismenge 
war  nur  35  Prozent  der  alten  Grundsteuer !  Von  1880  bis  1884 
dageti^en  verdoppelt  sich  die  Reismenge  beinahe  wii^fler.  IiriTTier- 
hin  im  Durchschnitt  von  1884  8H  die  Reisnienge  (7n25(»'M^ 
Kokuj  nur  H(i  Prozent  der  1877  benötigten  und  (33  Prozent  der 
alten  (irunds reuer.  Das  nach  Wiederlierstellung  der  Valuta  ])•?- 
hauptete  Niveau  der  Reispreise  bedeutet  also  eine  weitere  Er- 
kkmterang  der  Grundsteuer  f)lr  das  Land.  Der  Steuererlals  yon 
1889  ist  nach  dem  Durchschnittspreis  von  1884/86  gleich  618000 
Kokuy  das  ist  eine  weitere  Vermbderung  der  alten  Steuer  um 
5  Prozent 

Aus  der  ganzen  Art  der  Einschätzung  zu  der  neuen  Grund- 
steuer ist  klar,  dafs  die  Entlastun«};,  in  Reis  bereclmet,  in 
den  verschiedenen  Landesteilen  in  s(  hr  verschit^ienem 
Malse  eingetreten  ist.  Von  vornherein  kommt  e.«?  darauf  an.  wie 
in  den  einzelnen  Landesteilen  die  Wertennittelung  erfolgte,  nament- 
lich inwieweit  die  zu  Grunde  gelegten  Durchschuittüpreise  mit 
der  Wirklichkeit  übereinstimmten  und  wie  sich  die  Durchschnitts- 
preise der  Produkte  weiter  entwickelt  haben. 

Vor  der  Reform  war  der  Verkehr  swischen  den  einzelnen 
Landesteilen  wenig  entwickelt  An  manchen  Orten,  Osaka,  Tokyo 
u.  s.  w.,  war  ein  reichliches  Material  vorhanden  zur  Fci^tstellung 
der  fUnfjjihrigen  Durchschnittspreise  (1870-^1874).  In  vielen 
Gegenden  a}>er  kann  bei  der  vorherrschenden  Hauswirtschaft 
und  der  direkten  Hemuzun^^  des  Reises  für  Zahlung  von  Gehältern. 
Steuern  etc.  ein  wirklioli  genügendes  Material  kaum  zur  Ver- 
fügung gestanden  habend    Dazu  kommt  ein  Weiteres. 

Man  braucht  nicht  zu  beaweifeln,  dafs  der  gute  W  ille  vor- 
handen gewesen  ist,  die  £inschlttEung  möglichst  gerecht  und 
gleichmä&g  vorzunehmen.  Es  ist  $}xt  unbestritten,  dafs  der 
anfilngliche  Mangel  an  Erfahrung  großen  Einflufs  auf  die  Ein- 
sohfttzungsarbeit  gehabt  hat.  Man  war  anfanglich  schon  zufrieden, 
wenn  man  nur  einigermafsen  durchkam.  Die  Bezirke,  in  welchen 
die  Orundsteuerreform  zuerst  in  Angriff  genommen  ist.  sind  in- 
folgedessen lange  nicht  so  scharf  augefafst  als  die,  wpkh.^ 
später  und  langsamer  vorwärts  kamen.  Die  daraus  ♦-nt^truidt  ne 
Üngleicliheit  ist  wesentlich  dem  Süden  zu  statten  gekommen.  Im 


*  Trotz  vieler  Bemühun    li  ist  es  mir  nur  filr  Osaka  gelungen. 

Angilben  zu  frbalten .  weit  h»'  in  ir^nügcndpr  Weis»*»  mit  den  bei  der 
Steuerrflonn  benutzten  Preisen  verglichen  werden  können,  welche  sich 
auf  das  Ende  des  Jahres,  vor  Zeit  der  Stenerzahlung,  beliehen  sollten. 
Der  Herieht  des  Ostaka-fu  giebt  filr  die  n^sakü^M^^^cnd  treibst  '>  Yen  27  Scn 
als  Durehscbnittepreis.  Aus  den  Börsen  preisen  ergeben  sich  folgend«» 
Monatsdurchschnitte:  November  und  Dezember  zusammen  5  Yen  Oö  Seu, 
Dezember  allein  5  Yen  60  Sen,  der  darauffolgende  Januar  5  Yen  4^  8en. 
D)  r  Uiitorschied  gegen  den  Katasterpreit  mag  durch  QnalitiUsiuitencbiede 
zu  erklären  sein. 


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541 


Süden  drttngte  die  an  sich  höhere  BeeteueruDg  zur  Beschleunigung 
der  Reform.  Dem  Sttden  entstammteD  die  leitenden  Staatsmänner. 
Es  war  auch  naturgeoiäfs,  dafs  in  den  siegreiclien  Landschaften 
des  Südens  weniger  strenp:  durch ji^ep'iffen  wurde  als  in  dem 
unterlegenen  Norden,  da  die  neuen  Machthaber  den  Rückhalt  in 
iln  eil  Hcimatslandschatten  nicht  ert»chüttern  durften.  Nicht  aulser 
aelit  darf  man  lassen,  dals  gerade  im  Süden  die  Shizoku,  d.  h. 
die  herrschende  Klasse,  durcli  eigenen  Grundbesitz  an  der  Grund- 
stBuer  vid  mehr  intereaeiert  waren  ab  In  den  anderen  Landes- 
teilen.  Von  den  drei  politisch  besonders  herrorraeenden  Sod- 
bezirken  haben  Yamac^uchi  und  Kochi  eine  aulserordentliche  Er- 
leichterung durch  die  Keform  erfahren.  Wenn  Kagoshima  daraus 
einen  TerhältDismärsig  viel  niedrigeren  Gewinn  gezogen  hat,  so 
dürfen  wir  wohl  daran  denken,  dafs  diese  Provinz  1877,  gerade 
in  der  Ilauntzeit  der  Ret'onn.  .sich  in  offenem  Autruhr  befand. 

So  sind  von  vornherein  in  das  Einschätzung  werk  Ungleich- 
heiten i]^('kuinmen.  Diese  mulsien  sich  noch  versehiirfen  durch 
die  im  Laute  der  Jahre  60  sehr  geänderten  l'rcise  der  Produkte. 
Je  entlegener,  vom  Verkehr  abgeschnittener,  wirtschaftlich  un- 
entwickdter  eine  OegßoA  war,  desto  niedriger  waren  die  Fh»dukten- 
preise  und  desto  mehr  mume  die  Last  einer  Omndsteuer,  die 
auf  den  Produktenpreisen  der  Jahre  1870 — 74  beruhte,  sich  hei 
der  wirtschaftlichen  Hebung  des  Landes  von  selbst  vermindern. 
Es  liegt  auf  der  Hand,  dafs  der  Vorteil  der  Grundsteuerreform 
um  so  gerini^er  war,  als  die  betreffend*»  Gegend  schon  1870 — 74 
gute  Verkell r>\\  '  ge.  entwickeltes  Wirtschaftsleben  und  daher  hohe 
Preise  besala.  Vergleiehen  wir  die  durchsehnittliclien  lieispreise 
von  1870 — 74,  wie  sie  der  ( irundsteuerreform  zu  (  irunde  gelegt 
sind,  mit  den  Durchschnittspreisen  der  späteren  Jahre  für  jeden 
Bezirk,  so  zeigt  sich  die  ganz  yerschiedenartige  Wirkung,  welche 
die  auf  den  ursprünglichen  Preisen  beruhende  Steuerdnschätzung 
im  Laufe  der  Jahre  in  den  verschiedenen  Bezirken  ausüben 
mufste.  Setzen  wir  die  Preise  von  1870—74  gleich  100  und 
▼ergleichen  sie  mit  denen  von  1884,  einem  Jahre  niedriger  Preise^ 
so  finden  wir  eine  znsanimenhängende  (Jegend  in  den  leicht  zu- 
ginirigen  Bezirken  Mitteljapans,  die  um  die  Owaribucht  herum- 
liegenj  Miye,  Aichi,  Shizuoka,  \\  akayama,  wo  die  84er  Preise 
unter  den  ursprüngHchen  stehen,  nämlich  gleich  07—09.  Aufser- 
ordentlich  viel  höhere  Preise  dagegen  zeigen  sich  an  den  aufsersten 
Enden  der  Hauptinsel.  In  Yamaguchi  ist  der  Preis  gleich  155. 
Dort  beruht  abear  die  grofse  Änderung  wesentlich  auf  der  unvoll- 
kommenen Durchführung  der  Beform,  wdche  in  diesem  Bezirke 
zuerst  vorgenommen  wurde.  Der  Reform  wurde  ein  Reispreis 
von  drei  Yen  für  den  Koku  zu  Grunde  gelegt,  während  iiir 
1875  schon  ein  Durchschnittspreis  von  5,38  Yen  notiert  ist. 
Yamaguchi  hebt  sich  auch  scharf  von  seinen  Nachbarbezirken 
ab.  Ist  hier  der  84er  Preis  ir>r)  (gegen  Inn  1870  74),  so  ist  er 
in  Shimane  nur  119,  Hiroshima  117,  Fukuoka  1U8,  Oita  114. 


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542 


X  4 


Aufser  dieser  Südwestspitze  der  Hauptinsel  ist  die  gröfste 
Preissteigerung  im  Norden  eingetreten.  An  der  Spitze  fin'l<"n 
wir  Akita  und  Yamagata  mit  150,  Fukusliima  und  Iwate  mit 
136,  Miyagi  und  Aomon  mit  128  respektive  127.  An  Yamagata 
schlielsen  südlich  an  Niigata  mit  132,  Toyama  mit  120,  Nagano 
mit  liy,  Gifu  mit  117.  Wir  haben  also  an  den  entlegeubten 
EaiesL  aer  Hauptiniel  die  Gebiete  gröCster  Steigung,  denen  neh 
ein  Strafen  der  Westküste  entlang  anschliebt.  Dieser  Streilen 
wird  aber  in  der  Mitte  durcfabroclien  (Tottori^  Fukui,  Ishikawa). 
Wae  südlich  und  östlich  von  jenen  Gebieten  höchster  Preisau- 
nahme  liegt,  hat  nur  geringe  oder  keine  Steigerung  anzuweisen. 
An  die  erwnhnte  Gruppe  gesunkener  Prpise  in  der  Mitte  des 
Landes  schliel'st  sich  im  Westen  Osaka  mit  nuv  103,  Kyoto  mit 
101.  Sliiga  mit  104,  Hyogo  mit  100,  im  Uateii  Kanagawa  mit 
105,  Tokyo  mit  104,  Saitama  mit  107. 

Für  die  Gruudüteuer  bedeutet  eine  bleibende  Steigerung  der 
Produktenpreise  eine  entsprechende  Erleichterung,  die  also  am 
gröfsten  in  Yamagucfai  una  im  Norden  war,  in  CSontraljapan  gar 
nicht .  stattgefunden  hat^  Erscheinen  also  iene  Benrke  infolge 
der  Änderung  der  Produktenpreise  durch  die  Steuerreform  be- 
günstigt, 80  ist  zu  beachten,  dal's  im  Norden  die  direkte  Steuer- 
omäisigung  durch  die  Reform  sehr  gering  war. 

Weiter  oben  war  aus  den  Durchschnittspreisen  der  einzelnen 
Jahre  berechnet,  welche  Rcisraenge  in  jedem  Jahre  dem  bei  der  Re- 
form festgestellten  Betrage'  der  Grundsteuer  gleich  war.  Nach 
den  Preisen  von  1870  74  war  die  Steuer  von  12,f>  auf  9,»  Milli- 
onen Koku  herabgesetzt,  sank  1880  81  auf  4,6  Millionen  und 
stieg  im  Durchschnitt  der  Jahre  1884^86  wieder  auf  7»«  Millionen 
Koku.  Stellen  whr  die  gleiche  Berechnung  an  fUr  einzelne  Be- 
zirke, so  finden  wir  ganz  ungeheuere  Unterschiede  in  der  durch 
die  Grundsteuerrelbrm  gebrachten  Erleichterung. 

In  dem  mehrgenannten  Yamaguchi-ken  war  die  Reismenge 
vor  der  Reform  270100  Koku  und  wurde  finf  102000  Koku 
herabgesetzt.  Nach  den  Durclischnittsprei.^en  von  J  584  80  waren 
Cb  aber  nur  !uehr  1  IT» 700  Koku,  nur  43  Prozent  der  Steuer 
vor  und  h^)  Prozent  der  Steuer  nach  der  Reform.  In  Aichi  da- 
g(^eu,  einem  jener  wenig  begünätigteu  Centraibezirke,  waren  es 
yor  derR^rm  431200  Koku,  naä  derBeform  362400  Koku, 
nach  den  Prdsen  1884/86  immer  noch  322700  Koku,  also  75 
Prozent  der  Steuer  vor,  80  Prozent  der  Steuer  nach  der  Beform. 
Dort  also  eine  dauernde  Erleichterung  nach  der  Reform  um  40, 
hier  nur  um  11  Prozent.  In  dem  anderen  begünstigten  Sud- 
bezirk, Kocln'.  waren  die  betrefi'enden  Reismengen  223300  Koku, 
125200  Koku  und  115  200  Koku.   Hier  also  war  die  grolise 

'  Es  ist  1ie;uhtenswert,  daf;^  w.'ilufmd  der  wirtschaftlirlien  Rrisis 
IssH—.'s.',  ;rerade  aus  dieser  Getrniid  die  iautesten  Klagen  über  Verschal- 
duug  und  Not  des  Bauernatanues  kauen. 


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X  4. 


543 


Ermäfsigung  durch  die  Reform  selbst  eingetreten,  die  nachträg- 
liche Erleichterung  nur  unbedeutend.  Einen  Gegensatz  dazu  bildet 
Saitania.  dessen  St<'nerl<M*^tuDg  durch  die  Reform  von  2723(10 
auf  279400  Koku  stiru,  uaoli  dem  Durchschnitt  von  1884^6 
dagegen  auf  229  4om  Roku  sank.  In  Kochi  war  also  die  spätere 
Leistung  50  und  92  Prozent  der  Steuer  vor  und  nach  der  Reform, 
in  Saitama  dagegen  103  und  82  Prozent. 

Beachtenswert  ist  auch  ein  Veigleich  der  beiden  Besirke, 
welche  der  Reeel  nach  die  hOchalen  und  die  niedrigsten  Reinpreu» 
haben,  n.imlich  Gktmma  und  Yamagata.  In  Gumma  sank  die 
nötige  Reisnienire  von  153400  Koku  durch  die  Reform  auf 
143800,  nach  den  Preisen  von  1884  86  auf  118  200  Koku.  In 
Yamagata  dagp.iren  von  496200  auf  357  1 00  und  197100!  Die 
spätere  Last  war  also  in  Gumma  79  und  84  Prozent  der  frülieren, 
in  Yamagata  dagegen  nur  40  und  5Ö  i*rozent.  1  )ie  Erleiciiterung 
war  in  Yamajrata  noch  erlieblicher  als  in  Yamaguchi. 

Lciureich  dürfte  schliefslich  ein  Vergleich  je  der  wichtigsten 
ReisbeKirke  des  Südens  und  des  Nordens  sein,  Fukuoka  und 
Ntigata  Die  der  Steuer  entsprechenden  Mengen  waren  in  ersterem 
547600,  386  500  und  292700  Koku,  in  letzterem  593800,  573700 
und  360100.  Die  spätere  Belastung  war  also  in  Fukuoka  53 
respektive  86  F^ocent  der  Steuer  vor  und  nach  der  Reform,  in 
Niigata  dagegen  61  und  63  Prozent.  Anders  ausgedrückt  sank 
die  Steuer  durch  die  Reform  von  100  auf  61  in  Fukuokn.  auf 
97  in  Niigata,  ermälsigte  sieh  aber  nach  den  Durchschnittspreisen 
1884  86  berfxL'hnet  auf  53  in  ersterem,  auf  61  in  letzterem  Be- 
zirke. Die  Änderung  der  Preisse  hat  also  nachtriiglich  dem  Be- 
zirke Niigata  eine  ähnliche  Erleichterung  verschallt,  wie  sie 
Fäkttoka  oereits  durch  die  Re&rm  xu  teil  geworden. 

Das  Ergebnis  der  ganzen  Untersuchung  ist  demnach,  dafs  die 
Grundsteuerreform  im  Süden  sofort,  im  Norden  nachträglich  durch 
das  Steigen  der  Prodoktenprcise  den  Grundbesitzern  eine  ganz 
erhebliche  Erleichterung  gebracht  hat.  Wenig  Vorteil  hat  da- 
gegen Mitteljapan  geliabt.  Almorm  ist  die  durch  mangelhafte 
ilinschätzuni;  erfolgte  Be^ünstiLTtinL'"  von  Yaniajxuehi. 

Einige  Ausgleielunig  in  dieae  Verhältnisse  iiat  der  jüngste 
Steuerlal's  gebracht,  indnn  da.s  (ie>etz  Nr.  22  vom  26.  August 
1889  die  Ergebnisse  einer  teilweisen  Revision  der  Einschätzung 
des  Ackerlandes  yeröffentUcht  hat,  welche  der  Besteuerung  vom 
Jahre  1890  an  zu  Grunde  zu  legen  sind.  FUr  ganz  Altjanan 
▼ennindert  sich  die  Steuer  um  3238264  Yen,  nttmlich  um  2  783787 
Yen  vom  Reisland  und  um  454  477  Yen  vom  Trockenfeld.  Mit 
den  Budgetansätzen  flir  1880  90  verglichen,  ist  das  eineErmäisigung 
von  9,8  Prozent  vom  Reisland  und  von  (),6  Prozent  vom  Trocken- 
feld oder  von  8..,  Prozent  im  Ditrrhsehnitt  beider.  An  der  Ver- 
teilung dieser  Steuererniiifsigung  über  die  Bezirke  erkennt  man 
deutlich  das  Bestrei)en  l>es8erer  Ansgleiehunpr.  Der  so  unrnnisig 
begünstigte  Yamaguclü  ken  hat  keinen  Anteil  an  der  Erleichterung, 


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544 


«=^l>enso  ^livagi.  In  dem  durch  die  neuere  Proisentwickolung  be- 
gunsügteü  Norden  ist  die  Erleichterung  überall  aelur  gering.  Be- 
deutend ist  dagegen  die  Ermälsigunfr  namentlich  in  der  bei  der 
Reform  im  Vergleich  mit  den  Nachbarbezirken  etwas  zu  kurz 
gekommenen  alten  Satäumaherrschaft,  den  Bezirken  KagOfibima 
und  Mijazaki.  Die  Erm&Tiiigung  beträgt  tn  ersterem  Beeirke 
20  Fh»ent  beim  BeiBland,  21  Fhwent  beiin  Trockenfeld,  in 
letzterem  Besirke  20  und  15  Prozent.  Im  alten  Berarke  Kago- 
shima  (der  Miyazi^i  mit  umfitrste)  war  die  Steuer  bei  der  Be- 
form nur  um  etwa  19  Prozent  verringert  worden. 

Im  übrigen  konnnt  die  Ennüfsigung  vor  allem  jenen  cen- 
tnilen  Bezirken  zu  gute,  welche  durch  die  Orundsteuorreform 
und  die  neuere  Preisentwickelung,  wie  oben  ausgeführt,  ver- 
hältnismäikig  wenig  begünstigt  waren.  Die  Herabsetzung  beträgt 
nämlich 

in  für  Beistand    für  Trockenfeld 


Wakayama 

19  «0 

20  "/o 

Tottori 

18  - 

19  - 

Osaka 

16  - 

20  - 

Hvogo 
Eihime 

15  - 
15  ' 

18  - 
11  - 

Oita 

14  - 

11  - 

Eochi 

14  - 

9  ' 

Shiga 

13  - 

12  - 

Hiroshima 

13  - 

10  - 

Miye 

13  - 

10  - 

f  )kavama 

12  - 

13  - 

Nara  (früher  zu 

Osaka) 

12  - 

12  - 

Aichi 

11  - 

10  - 

Kagawa  (frilher 

zu  Ehime) 

11  . 

10  - 

Gifu 

11  - 

8  • 

Die  Ungleich mäfsigkeit  in  der  Wirkung  der  Grundsteuer* 
reform  ist  so  wenigstens  in  einem  gewissen  Grade  bei^eitigt. 

Die  Grundsteuerreform  hat  einige  Kategorieen  im  Privat- 
besitz befindlichen  Landes  steuerfrei  gelassen.  I  ber  dlem 
ergiebt  sicii  aus  dem  Bericht  über  die  Durchluhrung  dei-  Gruud- 
steuerreform  Folgendes. 

Arechi  ist  solches  in  PriTatbesits  befindliches  Lind, 
welches  durch  Naturereigniflse  verwüstet  ist,  aber  wieder  nutsbar 
gemacht  werden  kann.  Solches  Land  wird  zeitweilig,  bis  zu 
zehn  Jahren»  von  der  Steuer  beireit.  Bei  der  Reform  stellte 
sich  heraus,  dafs  viel  solches  Land  wieder  völlig  brauchbar 
gemacht  war,  ohne  doch  Steuer  zu  zahlen.  Die  aus  diesem 
Grunde  steuerfreie  Flüche  wurde  daher  erli»'l)licli  vermindert. 
Als  Ann  hi  wurden  anerkannt  11:^911  Oho  Am  meisten  fand 
sich  in  den  Bezirken  Miyagi  (9271  Cho),  Fukusliima  (b(iG3  Choj, 


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X  i. 


545 


Shimane  mit  Tottori  (7771  Cho),  Tochigi  (68B1  Cbo),  Nagano 
(6447  Cho). 

Zeitweise  steuerfrei  ist  femer  neu  urbargamaolitesL.'ind 
(Kaikon  -  kuwa- shita -  chi ,  unter  die  Hacke  genommenes  Land). 
Von  solchem  wurden  bei  der  Retörm  44  305  Clio  ermittelt, 
davon  all^-in  in  Shizuoka  77b3  Cho,  ferner  in  Iwate  :]628  Cho, 
in  Akita  lIoTh  Clio,  in  Shimane  (mit  Tottori)  2373  Cho,  in 
Nagasaki  (mit  ^Saga)  1976  Cho.  in  Aichi  1902  Cho. 

Ah  ganz  steuerfrei  erscheinen  Dorftempel  mit  S30  Cho, 
Friedhöfe  mit  10002  Cho  und  vöUig  wüst  gewordenem  JLaud  mit 
44757  Cho.  Von  letEterem  kamen  auf  Hyogo  5977  Cho,  auf 
Fükuoka  377d  Cho,  auf  Akshi  3232  Cho.  %af  Ehime  3012  Cho, 
auf  Miyagi  2524  C9io. 

Alles  in  allem  hat  sich  die  Grandsteaerreform 
auf  12  543  770  Cho  erstreckt  in  nicht  weniger  als 
85440016  Parzellen,  welche  6 0356d7Eigentttmern 

ge  hörten. 

Über  die  Kosten,  welche  das  grofiie  Werk  yeranlafst  hat, 
sind  die  Angaben  leider  nicht  ganz  vollständig. 

Die  Au!^p:n}>e  des  Stjiats  und  der  Bezirke  betnig  zusammen 
B Ol 2 901  \  n.  iJavon  k;imen  aus  der  Staatskasse  etwas  Uber 
zwei  Millionen.  Die  anderen  (>  Millionen  kamen  aus  der  Stempel- 
abgabe für  die  Besitztitel  auf  welche  1872  mit  den  Besitztiteln 
eingefiiiirt  und  nach  einigen  Andenmgen  von  1  Sen  (bei  einem 
Werte  von  weniger  als  2  Yen)  bis  3  Yen  75  Sen  (bei  einem 
Werte  von  mehr  als  5000  Yen)  betrug.  Von  jenen  8  Millionen 
waren  672279  Y&a,  Ausgaben  der  Centralhehörden,  7339912 
Yen  Aiu@Eib^  der  Besirke.  Erstere  Summe  stellt  die  Ausgaben 
fbr  das  Beformbureau  und  fUr  Ucrstellang  der  Besitztitel  dar, 
letztere  Summe  im  wesentlichen  die  Ausgaben  fUr  Anlegung 
der  Kataster  und  für  die  Sachverständigen. 

Die  grofse  Masse  der  Aus«^^aben  entfiel  auf  „das  Volk*, 
d.  }i.  die  6rimflV)P?^it/.er  in  den  ( iemeinfl<>n.  Bi«  Rnd^  des 
Finanzjalires  1^-  i^i  waren  das  zusammen  -!0UH5M)2  \  on, 
doch  waren  noch  nicht  alle  Keclinungen  abgesehlos  sen.  Die 
Hälft»  dieser  Summe  enttiel  allein  auf  die  beiden  .JaKre  lb75  7(5 
und  lö76  77.  Zu  beachten  ist  natürlich,  dals  auch  die  oben 
angeführten  6  Millionen  Yen  Stempelabgabe  aus  der  Tasche  der 
Eigentttmer  kamen  j  deren  nachgewiesene  Ausgabe  also  reichlieh 
85  Millionen  Yen  betrug.  Diese  Summen  enthalten  nicht  die 
Oehidter  der  ohnehin  vorhandenen  Staats  ,  Bezirks-  nnd  Ge- 
meindebeamten, welche  bei  der  Reform  mit  thlltig  wurden,  son- 
dern nur  die  Gehälter  der  besondei^  fltr  die  Durchftthrun^  der 
Keiorm  Angestellten.  Im  ganzen  wird  die  durch  die  Keforai 
verursachte  Ausgabe  etwa  einem  Jahresertrag  der  reformierten 
►Steuer  gleich  sein,  reichlich  40  MilUonen  Yen.    Bei  dem  Um- 

Fornohungen  (45)  X  4.  —  Katiigen.  85 


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546 


X  4. 


fan^  des  Werkes  ist  das  wohl  nicht  als  ein  iihermäfgiger  Auf- 
wand anzusehen,  doch  ist  er  inniierhin  sehr  beiraciitiich 

Auffallend  ist,  wie  verschieden  die  Kosten  in  den  einzelnen 
Landesteilen  waren.  80  war  die  Bezirksausgnbe  in  Osaka  nur 
35258  Yen,  in  dem  benachbarten  Hyogo,  mit  fast  gleichem 
Steueraufkommen,  dagegen  378060  Yen.  Die  „Volks" -ausgäbe 
betrug  in  Osaka  nur  99215  Yen,  in  Ishikawa  (mit  Toyama) 
dagegen  1678083  Yen. 

IV.  Weitere  Entwickelung  und  jetziger  Zustand 

der  Grundsteuer. 

Bei  Beginn  der  Grundsteuerreform  war  in  Aussicht  ge 
nommen,  alle  fktnf  Jahre  eine  Revision  der  Einaclifttzung  vom- 
nehmen  (Verordnung  über  £iDfUhnmg  der  Onindsteuer  in  Tohyo 

§  23,  Gesete  53  vom  12.  Mai  1874  s.  0.  S.  528).  Im  Mai 
1880  jedoch  wurde  bestimmt,  dais  eine  allgemeine  Revision  ftr 
das  ganze  Land  gleichzeitig  im  Jahre  1885  stattfinden  solle. 

Ehe  es  jedoch  dazu  kam,  erschien  Gesetz  Nr.  7  vom 
15.  März  1884,  welches  ftir  Altjapan  die  Grundsteuergesetz- 
gebun«^  aufs  neue  zusammen fafste.  i  >is  neue  Gesetz  war  in  der 
HauptRaclie  eine  Neuredaktion  der  m  allerlei  Gesetzen  und 
Verordnungen  zer.->tre!iten  Bestimmungen ,  welche  sämtlich  auf- 
gehoben wurden.  Es  enthielt  jedoch  zwei  wichtige  Abweichungen 
von  der  bisherigen  Gesetzgebung.  Einmal  entledigte  sich  die 
Regierung  der  Verpflichtung  au  einer  allgemeinen  Revision  au 
bestimmter  Zeit  §  8  des  neuen  Gesetaea  sagte  nur:  Sollte  dne 
allgemeine  NeueinschHtaong  nötig  werden,  ao  wird  das  durch 
eine  Verordnung  bekannt  gegeben  werden.  Femer  entliielt  das 
neue  Gesetz  keinerlei  Bestimmung  über  eine  zukllnftige  Herab- 
setzung der  Grundsteuer,  während  Art.  6  des  Gesetzes  von  187*^, 
wie  man  sich  erinnern  wird  (S.  527),  imvorsichtigcrweise  erklärt 
hatte,  dafs  der  eigentliche  Hotrag  der  (irundsteuer  v'm  Prozent 
d^  Wertes  sein  solle  und  dal«  nach  Malsgabe  der  Eintuhrung 
anderer  Steueni  die  Grundsteuer  allmählich  auf  diesen  Satz  ver- 
mindert werden  wttrde.  Inswischen  war  die  ESnnahme  aus  an 
deren  Stenern  erfaeblich  ▼ermehrt  Die  Qrundateuer  war  aller- 
dbga  1877  von  3  aaf  2,«  Prosent  vom  Werte  herabg^etat 
Seitdem  war  aber  von  weiteren  Steuererlassen  keine  Rede  ge- 


*  KId  Vergleich  mit  europäiscbcu  Grundsteuerretormen  ist  wohl 
kamn  mr>^liclL    Angesichts  des  asiemtich  fnimmarisehen  Voi^Uireiis  er- 

gcheiiit  die  Ausgabe  im  Vergleich  mit  Luropäischen  Staaten  hoch.  Doch 
»ind  die  grofseu  Schv%'ipriL'"KHtPT) ,  cicv  Miimrel  an  Vorarbfiten ,  an  Er- 
fahrung u.  8.  w.  in  Betracht  zu  ziehen,  sowie  die  ungeheure  Zersplitte- 
rang  <^  PaneUen. 


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X  4. 


547 


wesen.  Jenes  unvonichtige  Versprechen  war  aber  fUr  die  Oppo- 
Bition  ein  willkommenes  Agitationsmittel)  besonders  in  jener  Zeit 

allgemeiner  Klagen  über  Steuerdruck.  Die  Beseitiirung  des  un- 
bcxjuemen  Paragraphen  ;ius  der  vStonergesetzgebung  scheint  ein 
Hauptgrund  fUr  Erlafs  de«  neu«  n  Gesetzes  gewesen  zu  sein. 

Weitere  erhebliche  Neuerungen  hat  erst  das  Jahr  1889 
ebracht.  Durch  Gesetz  Nr.  IS  vom  22.  März  d.  J.  wurden 
ie  fUr  die  Gnmdsteuerpflicht  bislier  mal'sgebcnden  Besitztitel 
(chiken)  abgcächafft.  Die  Grundsteuer  wird  iimibrt  erhoben  aui 
Qfimd  der  Ton  der  ErdebekOfde  (Qnn»  Stadtkreia^  Inadgouver- 
nement)  zu  {Ührenden  Rfttaster  (TochidBicho:  Lendwertr^rister). 
Über  diese  Kataster  erging  eine  EaiserUehe  Verordnung  ^r.  89) 
▼om  gleichen  Tage.  Neben  dem  Kataster  bestehen  seit  1887 
die  von  den  Gerichten  zu  führenden  Grundbücher,  welche  der 
Erhebung  der  Registergebtkhren  dienen. 

Zu  bemerken  ist  femer  die  bereits  erwähnte  Ermäfsigung 
der  Ornndstf-iier  durch  Gesetz  22  vom  26.  August  l^S9,  tuirch 
welclie.s  das  Ergebnis  einer  Revision  der  Einschätssung  des  Acker- 
landes verÖft'entHcht  ist,  welche  seit  1^85  im  Gange  war,  anstatt 
der  ursprünglich  in  Aussicht  genommenen  allgemeinen  Revision. 
Die  Ergebnisse  dieser  Revision  sind  bereits  oben  besprochen ' . 

Endlicli  wurde  durch  (iesetz  80  vom  29.  November  1889 
das  Gesetz  von  1884  einer  Revision  unterworfen.  Neben  einer 
Reihe  redaktioneller  Veriiaderungen  kommt  niAteriell  in  der 
HanptMushe  nur  eine  Auadehnnng  der  Fristen  in  Betracht,  wäh- 
rend  welcher  turbar  gemachte  oder  verbeeaerte  Grundatücke 
ateaerfim  sind. 

Der  Zustand  der  Grundsteuer  nach  Abachlufs 
der  Reform  stellt  sich  folgendermafsen  dar. 

Alles  in  Privatbesitz  befindliche  Land,  mit  den  im  Qeseta 
bestimmten  Ausnahmen ,  bezahlt  jährlich  als  Grundsteuer  zwei- 
undeinhalb  Prozent  von  dem  Schätzungswerte^  wie  er  im  Besitz- 
titel, sdt  1S89  im  Kataster,  angegeben  ist 

Steuerbares  Land  ist  in  awei  Klassen  geteQt.  Die  erste 
Klasse  serMt  in  folgende  Abteilungen: 

Reisfeld, 
Trockenfeld, 

Bauland  in  Landbezirken, 
Bauland  in  Stttdten, 
Salzfialder, 
Heilquellen. 


*  Über  dio  Ei^ebninae  der  gleichzeitig  voigenommenen  teilweisea 
NeuTermesbUDgeii  vgl.  8.  301  t.  und  Ö.59. 

35* 


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548 


Die  zweite  Klasse  zerfUUt  id 

Teiche, 
Wald, 
Grasland, 
Sonstiges. 

Übergang  aus  einer  Klasse  und  ans  einer  Abteilung  in 
die  andere  tedurfte  bis  1889  der  GeDebmigung  der  ßenrks- 
regierung ,  ebenso  Umwandelnng  steuerfTeien  in  steuerpfliohtlges 

Land.  Seit  dem  Gesetz  vom  29.  November  1880  ist  nur  vaskit 
Anzeige  erforderlieh.    In  diesen  Fällen  bat  eine  Vermessung 

und  Neueinschätzung  stattzufinden. 

Wird  Land  urbar  gemacht,  so  wurde  bis  1889  ein*'  P.ode- 
frist  fwr>rth*c]i  Hackefript)  von  höchstens  15  Jahren  gewährt, 
^^  ahrend  weicher  die  früher  fiir  das  Grundstück  zu  entriclitende 
»Steuer  weiter  zu  zahlen  ist.  Die  Rodefrist  kann  einmal  er- 
neuert werden.  Nach  Ablauf  deren  ist  das  Land  nach  seinem 
neuen  Znstand  einzuscbäüsen.  Das  Gesetz  Ton  1889  bat  die 
Fristen  aUe  verlängert,  welcbe  nunmebr  bis  zu  80  und  50  Jabren 
ansteigen. 

Ist  ein  Grundstück  durch  Naturereignisse  verwüstet,  so 
kann  die  Grundsteuer  für  eine  Zeit  ?on  luklistens  zehn  (jetzt  15) 
Jahren  erlassen  werden.  Hat  es  nacli  AV)Luif  der  Frist  nicht  den 
vollen  Wert  wieder  erlangt,  so  kann  aiit  weitere  in  Jahre  bis 
zu  30  Prozent  Stenern achlafs  gewährt  werden.  Ist  es  aber  noch 
ganz  verwüstet,  so  ist  eine  zweite  steuerlreie  Frist  von  höchstens 
zehn  (löj  Jalireu  zu  gewähren.  Hat  es  nach  der  zweiten  Frist 
seinen  alten  Wert  od«  seine  -frtthere  Klasse  nicbt  m&3ier  er- 
reicht, so  ist  es  nacb  seinem  gegenwärtigen  Zustand  einzn* 
schätzen.  Bei  Grundstücken,  velone  durcli  Flüsse,  Seen  oder 
das  Meer  dauernd  unter  Wasser  gesetzt  sind,  kann  die  zweite 
Frist  bis  zu  2()  Jahren  betragen. 

Steuerfrei  werden  solche  Grundstücke,  welche  frir  öffendiche 
Selnilen,  Shinto-Tempel  und  ! k^gräbnisplätze,  ferner  tiir  J^rw-isse- 
rungsreserv'oirs .  Bewässerungsgräben,  Deiche  und  öllmtJiche 
Wege  verwendet  werden.  Die  Umwandlung  steuerpflichtigen  m 
steuerfreies  Land  bedurUe  bisher  der  Genehmigung,  jetzt  nur 
einer  Anzeige. 

„ÖffenSiobes  Land''  (ttber  welches  die  Gesetze  ^on  1884 
und  1889  nicJits  sagen)  zahlt  keine  Staatsgrundstener,  in  gewissen 
Ftfllen  aber  Kommunalsteuera  (S.  277). 

Yerln  iir  lic'hung  von  Grundbesitz,  heimliches  Urbarmachen 
und  Andern  der  Ivlassifikation  ist  nn't  niäfsi^ien  (Teldstraft^n  be- 
droht, welche  bei  freiwilligem  (iestiindnis  sogar  erlassen  werden. 

Die  Grundsteuer  ist  in  Ocld  zu  zahlen.  Nachdem  das 
Gesetz  über  die  Reform  der  Grundsteuer  die  Zahlung  in  natura 
abgeschafft  hatte,  wurde  wegen  vieltacher  Ivlagen  der  Bauern 
über  die  Schwierigkeit,  bares  Geld  zu  beschaffeni  durch  Gesetz 


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549 


80  rom  22.  Oktober  1877  gestaltet,  dafs  yoD  ReiBland  (nur  von 
diesem)  die  Hälfte  der  Steuer  in  Reis  gezahlt  werden  dUrle. 

Die  Rcisinenge  war  zu  berechnen  nach  den  der  Steuerrefonn  zu 
Grunde  gelegten  Marktpreisen'.  Die.  welche  von  dieser  Ein- 
richtung Gebrauch  macheu  wollten,  hatten  sich  bis  zum  31.  De- 
zember zu  melden  und  bis  zum  31.  Januar  den  Betrag  einzuliefern. 

Von  dieser  Lmriciitung  ist  thatdächlich  wenig  Gebrauch  go- 
mAdit  Das  iit  idion  aus  dem  einfachen  Grunde  begreiflich, 
weil  der  Beispreis  fiMt  nirgends  Iflngere  Zeit  auf  den  Imis  der 
Jahre  1870  74  zurückgesunken  ist.  Dasu  kam,  dafs  die  ganae 
Sache  ftlr  den  Bauern  höchst  mühsam  war  wegen  der  strengen 
Anforderungen  an  Verpackung  und  Qualität.  Der  Reis  mulste 
vielfach  ziemlich  weit  vom  Bauern  transportiert  werden  fz.  B. 
aus  Nng^mo  an  die  Westküste),  wofür  ihm  nur  ein  geringer  Be- 
trag vergütet  wurde.  Im  ersten  Jalu'e  der  neuen  Einrichtung 
wurde  sie  in  10  Bezirken  benutzt  und  rund  30000  Koku  Reia 
eingezahlt.  Am  meisten  geschaii  es  im  Finanzjahr  1883  84,  in 
welchem  in  22  Beairken  etwa  100000  Koku  m  natura  gesahlt 
sind.  Seitdem  hat  es  rasch  abgenommen.  188&89  ist  es  nur 
in  den  beiden  Beurken  Kochi  und  Hyogo  geschehen,  und  die 
Menge  war  nur  1200  Koku.  Auch  die  Staatsverwaltung  hat  an 
dem  Reis  wenig  Freude  gehabt  An  jenen  100000  Koku  von 
1883  sollen  70000  Yen  verloren  sein^.  Trotzdem  hat  man  sieh 
lange  gescheut,  die  ganze  Naturalzahlung  endgültig  abzuschaften. 
Erst  nach  der  neuerlichen  Steuerrf*vi>^ion  und  mit  ausdrücklicher 
Berufung  auf  sie  ist  das  diu'ch  kaiserliche  Verordnung  107  vom 
27.  September  1889  geschehen. 

Gleichzeitig  mit  jener  Erlaubnis,  die  Steuer  von  Reisland 
halb  in  Reb  au  zahlen,  wurde  eine  weitere  Einrichtung  ^etroffim, 
um  die  Zahlung  der  anderen  Hülfte  der  Steuer  au  eikichtem. 
Um  den  Bauern  nicht  zur  8oforti|;en  Verftafserung  eyentuell  Ver- 
schleuderung dos  Reises  zu  zwmgen,  wurde  ihm  gestattet,  bis 
zum  Ende  Dezember  eine  nach  den  Marktpreisen  jedenfalls  ge 
nUgende  Menge  Reis  in  einem  im  Verschlufs  der  Gemeinde  be- 
finalichen  Speicher  zu  hi Interieuren.  Von  dicf^em  Reis  konnte  er 
verkaufen  und  den  Erlös  zur  Bezahlung  der  Steuer  verwenden. 
War  auf  dieac  Weise  die  Steuer  bis  zum  1.  Juni  nicht  ganz  be- 
zahlt, so  war  der  Reis  öffentlich  zu  verkaufen,  ein  eventueller 
Übenchufs  dem  Steuerpflichtigen  anssukehren.  Die  Bennteung 
dieser  für  die  Verwaltung  wenig  bequemen  Einfichtung  wurde 
in  der  Folge  wesentlich  erschwert  (vgl.  Verordnungen  39  vom 
29.  Noyember  1877  und  35  yom  19.  September  1879).  Sie 


i  Durchachnitt  der  Jahre  1570—74.  Vgl.  dazu  Ausfiihrungsverord- 
Höngen  des  Fmansmiidsteriains  Nr.  40  vom  29.  November  und  Nr.  46 
vom  20.  Deaember  1877. 

^  Alles  Obengesagte  beruht  auf  Auskunft  ans  dem  flnanzmim- 
stehum. 


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550 


X  4. 


acheint  thatsächlich  wenig  benutzt  zu  sein,  wa8  auch  ganz  be- 
greiflich  ist,  wenn  man  bedenkt,  dafs  der  Hinterleger  alle  Gefahr 
nir  Verminderung  durch  Dicltstahl,  F«M?er,  Wasser  etc.  zu  tra^i^eii 
hat,  dafs  nur  Reis  erster  Gute  hmteriegt  werden  darf  und  dafs 
das  ganze  Verfahren  seit  1879  nur  zulassig  ist,  wenn  der  licis- 
preis  unter  denjenigen  fällt,  welcher  bei  der  Steuerrefonu  zu 
Grunde  gelegt  ist,  was  nii^ends  auf  längere  Zeit  der  Fall  gewesen 
ist.   Die  Abflchaffnng  auch  dieser  Einriehtnng  steht  bevor. 

Die  Termine  für  Bezahlung  der  Grundsteuer  haben 
mehrfoche  Änderungen  er&hren,  dmn  wichtigste  folgende  sind. 
Durch  Gesetz  Nr.  53  vom  14.  Juli  1877  wurden  Dir  Beidaad 
und  anderen  Grundbesitz  je  drei  Steuertermine  emgefUhrt^  von 
welchen  erstere  vom  1.  Öezember  bis  30.  April,  letztere  vom 
1.  Juli  bis  15  Dezember  liefen.  Bereits  im  Februar  1881  (Nr.  14) 
wurden  die  Termine  wesentlich  verkür/t.  I  )i(  Stmer  vom  Reis- 
land  war  in  zwei  Terminen  7.u  entriehien,  huih  vom  1.  November 
bis  15.  Dezember,  halb  vom  1.  Januar  bis  28.  Februar,  alle 
sonstige  Grundöteuei  gleichfalls  iu  zwei  Terminen,  halb  vom 
1.  Juli  bis  31.  August,  halb  vom  l.  September  bis  31.  Oktober. 
Ober  diese  Einriehtnng  erhoben  sich  bala  die  lebhaitesten  Klagen, 
weil  dadurch  der  Bauer  gezwungen  sei,  seinen  Reis  unmittdur 
nach  der  Ernte  miSglichst  sehnell  lo8zu6ehIa<;en,  was  von  den 
Kauf  leuten  zu  Ubermttrsigem  Drücken  der  Preise  benutzt  werde. 
Bei  der  damaligen  stetigen  Erhöhung  des  Wertes  des  Papiergeldes 
tiel  der  Reispreis  ohneliin  unuuterbroelien.  Ef  unterliegt  wohl 
keinem  Zweifel,  dal's  es  zum  Teil  der  ungeschiekten  Anordnung 
der  bteuertermme  zuzuschreiben  ist,  wenn  damals  die  Reispreise 
sehr  viel  schneller  sanken,  als  der  Geldwert  stieg.  Im  Winter 
1884/85  wurde  der  letzte  Termin  für  die  Reislandsteuer  um 
einen  Monat  Terlängert.  Durch  Nr.  15  vom  15.  Juni  1885 
wurden  die  Termine  ftbr  die  Beislandsteuer  auf  vier  yenuehrt 
und  erheblich  ausgedehnt,  während  die  beiden  anderen  Steuer- 
termine bestehen  blieben.  Die  gcgenwttrtige  Verteüung  der  Steuer- 
tennine  ist  wie  folgt: 

1.  Termin:  1.  Juli  bis  31.  August:  Hälfte  der  Steuer  von 

aUcm,  was  nicht  Reisland,  rund  5,6  ^iillionen 
Yen. 

2.  -       1.  September  bi^  öi.  Oktober:  Desgleichen,  rund 

r),5  Millionen  Yen. 

3.  -       1.  November  bis  15,  Dezember:  Em  ^'iertel  der 

Steuer  von  Reisland,  rund  7,7  Millionen  Yen. 

4.  -       16.  Dezember  bis  25.  Januar:  Desgleichea,  mnd 

7,7  Millionen  Yen. 

5.  -      21).  Januar  bis  81.  Hän:  l^^es^^chen,  rund  7,t 

Jdülionen  Yen. 


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X  4. 


551 


6.  Tennin^:  1.  April  bis  20.  April:  Da^gleidien,  rund  7,t 
MülioneD  Yen. 

Auf  diese  Weise  ist  die  Zahlung  der  Steuer  jetst  gleich- 
mälsi^er  über  das  Jahr  verteilt  Die  alte  Überlieferung,  möglichst 
schnell  mit  der  Steuererhebung  der  Ejmte  zu  folgen,  ist  aber  noch 
immer  erkenntlich  Japanische  Finanzbeamte  behaupten  auch, 
dafs  das  bei  dem  Mangel  an  Voraussicht,  der  dem  japanischen 
Bauern  eigen,  durchaus  nötig  sei.  Für  die  Zusammendrän^ung 
der  Hausgrundsteuer  auf  einen  Sommer-  und  einen  Herbsttermin 
ist,  bei  städtischen  Grundstücken  wenigstens,  gar  kein  Grund 
ersichtlich. 

Die  Chrundeteuer  wird  «rfaobeo  durch  die  Gemeinde^  wMm 
die  Einnahme  auf  ihre  Kotten  und  Oefidir  an  die  Staatskasse 

einzuaahlen  hat  Sie  erhält  dafUr  kerne  Vergütung.  Einziehen- 
der Beamter  war  bisher  der  Gemeindevorsteher,  seit  Inkrafttreten 
der  Gemeindeordnungen  von  1888  der  Gemeindeeinnefamer  (vgl. 
Gesetz  0  vom  18  März  1889  über  die  Erhebung  der  Staats* 
steuern).  Dem  Steuerpflichtigen  ist  15  Tage  vor  Beginn  des 
Zahlungstermines  ein  Steuerzettel  zuzustellen.  Hat  der  Steuer- 
pflichtige 3  Jahre  nach  Ablauf  des  Tennines  keine  Mahnung 
erhalteu,  so  ist  die  Steuert'orderung  verjährt. 

Ftlr  die  Zahlung  haftet  der  Jedesmalige  Eigentümer,  bei 
verpfändetem  GrundbesitB  der  PfiuiabetitBer'. 

Bei  schlechter  Ernte  tritt  km  Nachlais  der  Steuern  ein. 
Die  Leute  wüfsten  das  und  müfsten  sich  darauf  einrichten,  sagt 
Nr.  62  vom  1.  September  1877.  Wenn  aber  durch  NaturereigniaBe 
die  Ernte  in  einer  Gemeinde  zur  Hälfte  oder  noch  mehr  ver- 
nichtet ist ,  80  konnte  die  Zahlung  halb  oder  ganz  gestundet 
werden  und  war  in  den  nächsten  5  bis  10  Jahren  abzuzahlen. 

Die  Erfahrungen  mit  dieser  Einrichtung  waren  nicht  günstig. 
Bei  Emteaustlillen ,  welche  durch  Naturereignisse  herbeigeführt 
wurden,  stellte  sich  heraus,  dais  die  Bauern  stets  in  grolse  Not 
kamen,  dafii  de  ddi  nicht  in  guten  Jahren  auf  schlechte  ein- 


*  Nach  der  Änderung  des  Finanzjahres  sfi  hh  zum  Budget  für 
1889/90  ist  die  Einnahme  aus  dem  letzten  Tennin  zu  den  Einnahmen 
des  am  31.  März  endenden  Finanzjahres  gerechnet  worden.  Im  Finanz- 
jahr 1889/90  ist  dieser  Termin  aber  zn  den  Einnahmen  des  Jahres  ge- 
rechnet, in  weleVicf  er  fällt.  Die  P>gebnis8e  des  Finanzjahres  If^s^ 
Bind  deshalb,  weil  um  diesen  Termin  verkürzt,  mit  denen  anderer  Jahre 
nicht  vergleichbar. 

^  Ehe  Elmte  von  den  Troekenfeldeni  beginnt  in  der  Haaptsache  im 
Juni,  die  von  den  Reisfeldern  im  Oktober,  die  Steuerzahlang  von  entoreo 
am  1.  Juli,  von  letzteren  am  1.  November. 

*  In  Japan  erhftit  bei  Verpflüidiing  von  Gnindbesitz  nicht  selten 
der  Pfaodgläubiger  den  Besitz,  was  bisher  durch  Aushiindi^ng  des 
Beeitztitels  erleichtert  war.  Das  Hechtsgeechäft  heifst  Shichi-ire,  Ver- 
pfändung ohne  Besitz  Kaki-ire.  Gesetz  Nr.  lö  vom  17.  Januar  1673.  — 
Seit  18^  ist  Eintngimg  in  das  OrandbDch  erfordertieh. 


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552 


X  4. 


richtetoi,  wie  d«r  OptimismuB  der  FinaiiEverwaltaiig  von  il 
erwartete. 

Bereits  in  seinem  begleitenden  Bericht  zum  Budget  filir  das 
Fin^ji^  1879  80,  unter  dem  Datum  des  26.  Juni  1879,  sagt 

der  Finanzminister,  da.s  System  bewilLre  sic}i  nicht,  es  sei  zu  be- 
fiirchten,  dals  schlieislich  aller  OrundV-sitz  mit  Ihickstniiden  be- 
hattet sei.  In  Zukunft  sollten  aus  einem  besonderen  Fonds  bei 
Kotständen  den  Bauern  Beihülten  p:ewiihrt  werden,  statt  der 
Steuerstundung.  ÜierfÜr  wurde  iu  das  damalige  Budget  eine 
Summe  von  1200000  Yen  eingestellt  (wovon  845957  Yen  aus- 
gegeben sind). 

Im  Verfolg  dieser  Richtung  erging  am  15.  Juni  1880  das 
GeBets  31  über  die  Emrichtung  des  fifilfsfonda,  die  unten 
ntther  besproehen  wird,  wodurch  das  GesetB  62  Uber  die  Stundung 
der  Qrundsleuer  vom  1.  Januar  1881  an  au^ehoben  wurde. 

Wie  grofa  der  bis  1881  eestenerte  Betrag  war,  iat  nicht 
bekannt  gemacht,  aber  die  jährliche  Einnahme  an  rttckatändiger 
Orundateuer  geht  aus  den  Abrechnungen  und  Budgets  seit  1^0 
hervor. 

Es  waren  nach  den  Abrechnungen 

188081  139418  Yen, 

1881  82  810947  - 

lb82  83  1059350  - 

1883/84  1130297  - 

1884/85  1027551  • 

1885  86  899  920  - 

1886  87  797474  -  (?) 

1887  88  590059  - 

1888  89  230479  - 

Kacii  den  iiudgets 

1889  90  335  273  - 

1890  91  279030  - 

Nach  Aufhebung  des  Qeeetsee  von  1877  muTste  der  Betrag 
dauernd  abnehmen;  die  letzten  Raten  mttosen,  soweit  Veilln> 
gerung  der  Stundungen  nicht  gewährt  ist,  die  des  Budgets 
hr  1890/91  sein. 

Seit  1881  sind  aus  dem  HttUsfonds  an  Beihttlfe  sur  Grund* 
Steuerzahlung  geleistet  worden 

ohne  Veipffichtuug 

im  Fiuans-  ab  Darlehen  rar  Bu4»zahliiDg 

jähr  Yen    an  Personen      Yen      an  Personen 

1881  H2        4  994     1324  810  417 

1882  83      24044     3308        201»9  477 


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X  4 


553 


im  Finanz- 
jahr 

1883/84 1 

1884/85 

1885/86» 

1886/87 

1887/88 

188Sr/89 


Yen 

253  804 
190859 
303  238 
68092 
23714 
14080 


als  Darlehen 
an  Personen 

87028 
48118 
69794 
21 121 

7678 

3826 


ohm-  Vf  rpflichtUDg 
zur  liücKzahlung 
Yen        an  Personen 

121937  89321 

41059  34  341 

58576  30Ü14 

84306  14081 

18237  7557 

7891  3695 


Das  Verfahren  gegen  säumige  Steuerzahler  Ut 
Q^eregelt  durch  Geiete  79  vom  25.  November  1877,  während 
bis  dahin  KoDkuraerklärung  erfolgte Ist  Jemand  30  Tage  mxk 
Ablauf  des  Steuertermins  noch  mit  der  Zahlung  im  Rückstand, 
so  ist  das  Grundstück  öffentlich  zu  verkaufen.  Aus  dem  ElrUto 
werden  die  Kosten  des  Verkaufs  und  die  rückständige  Steuer 
bestritten.  Findet  sich  kein  Käufer,  wird  das  OrimdstUck  kon- 
fisziert. Im  Falle  des  Konkurses  oiler  des  Zwangevcrkaiifs 
we^en  rückständiger  Bezirks-  oder  tjemeiDdesteuern  hat  die 
Staatssteuer  ein  Vorzugsreclit,  selbst  wenn  noch  nicht  fällig,  so- 
bald der  Steuerzettel  zugestellt  ist 

Über  die  stattgefundenen  Steuerexekutionen  sind  neuerdings 
die  Zahlen  seit  1883  bekannt  gegeben  (einschl.  Hokkaido).  Sie 
bedeben  sich  auf  die  Staatsgrundsteuer  wie  Auf  die  kommu- 
nalen ZuachlKge. 

Das  Exekutions\  ei  taliren  wurde  eröflnet 

gegen  i'eräonen   wegen  rUckätündiger   vou  einer  Fläche 


Beträge  yon 
Yen 

Gho 

1888/84 

38854 

25889 

4531 

1884/85 

70;605 

30538 

8318 

1885  86 

108055 

26423 

8933 

1886/87 

61256 

10656 

11935 

1887'88 

35  09(3 

6403 

5869 

1888  89 

11619 

2  941 

3621 

Von  der  Flädie  war 

Acker-  and  Banlaod    Wald*,  Qrseland  etc. 

1883/84 

2865  Cho 

1666  CSho 

1884/85 

4430 

3888  - 

1885/86 

4  765 

4168  - 

1886  87 

3512 

8423  - 

188788 

1446» 

4423  - 

1888/89 

1012 

2609  - 

>  1883'Ji4  herrschte  Dürre  in  Mitteljapan,  fanden  in  derselben 

Gegend  grofse  Überschwemmungen  statt 


bevor. 


Ala  ich  Japan  verUefs,  stand  eine  Ncai^elaug  des  Qcigenstaades 


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554 


X  4. 


Von  der  Fltfche  wurden 


onentncD 

konfisziert 

durch  Kreis-  und 

x^guliert 

Cho 

Cho 

Cho 

1883  84 

3482 

512 

537 

1884  85 

4  527 

3185 

606 

1885  86 

2216 

'  814 

1886,87 

8467 

2814 

654 

1887  88  . 

2  «41 

2965 

263 

1888  89 

1  Ol  5 

1  760 

216 

l>ie  Konfiskation  betraf  liberAviegend  das  Wald-  und  Gras- 
land (1887  88:  2704  Cho,  1880  87:  2087  Cho,  1885  86:  1349 
Cho,  1884  85:  2  233  Cho),  tür  welche«*  also  Käuitir  um  schwie- 
rigsten  sich  fanden. 

Von  den  belreifenden  Grundstücken  war 


der  Steuer-     der  ErlOo 

die  Bteoenrerwal-   davon  war 

wert 

tiuig  verlor 

StaatiBteiMr 

Yen 

Yen 

Yen 

Yen 

1883  84 

905  654 

267 187 

6186 

3  824 

1884  S5 

1  260  606 

437  519 

8453 

3146 

1885  86 

1342399 

544  192 

4  618 

2685 

188687 

754511 

279597 

2199 

1237 

1887/88 

326  235 

132004 

2  347 

588 

1888/89 

225526 

93311 

284 

220 

Der  Grund  der  Exekution  war  bei  folgender  Zahl  von 

arsonen 

Annnt 

NachläseiM 

Wirtschaft 

mbekaoiit 

1883/84 

24  048 

9318 

479 

1884  85 

54508 

14887 

1210 

18H5  86 

86690 

19816 

1549 

18b6;b7 

443b7 

16697 

172 

1887  88 

22052 

13044 

1888/89 

6728 

4891 

Von  den  rückständigen  Summen  kamen  auf 

ötaatflsteuer      fiesirkssteuer  GeoieiiMieBtflaer 

Yen 

Yen 

Yen 

1883/84 

19  900 

3506 

2483 

1884/85 

19511 

7467 

3  555 

188586 

15998 

4  528 

5897 

188687 

6359 

2422 

1875 

1887/88 

2484 

2708 

1211 

1888/89 

1968 

448 

540 

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X  4. 


555 


Betraditet  man  die  absoluten  ZaUen,  so  iet  die  Zahl  der 
betroffiBiien  Penonen  recht  erheblich^  yerbältmsmärsig  unbedeutend 
dagegen  die  flftcbe  und  deren  Wert.  Im  höchsten  Jahr  ( 1 885/86) 
ist  letzterer  noch  nicht  ein  Tausendstel  des  Wertes  der  ganzen 
Steuerpflicht ifTfTi  Fläche  im  Lande.  In  (len  vier  Jahren  188B  ^7 
zusammen  nur  etwa  ein  Viertel  Prozent  und  das  in  Zeiten  einer 
schworen  Krise!  Man  darf  daraus  wohi  den  JSchiuls  ziehen,  dafs 
die  japanische  Grundsteuer  verhältnismäisig  mit  aulserordeDtlich 
grolser  Leichtigkeit  eingeht. 

t^hngt  IIb  sind  die  mitgeteilten  Zahlen  in  vielen  Beziehungen 

bemerkenswert. 

Dem  europäischen  Beobachter  lallt  sofort  der  Gegensatz 
zwischen  der  grofsen  Zahl  von  PersoDi  n  und  dem  geringen  Be- 
trag der  Rückstände  auf.  Der  rückständige  Betrag  war  für  die 
Penon  duicfaachnittlich  1883/84  7l5V>  Sen,  1884/85  43  Sen, 
1885/86  24>/2  Sen,  1886/87  sogar  nur  IT'/s  Sen,  1887/88  18V/4 
Sen,  Allerdings  wird  unter  der  Zahl  der  Personen  eine  Anzahl 
yon  Doppelcftmungen  ▼orkonunen,  da  es  nicht  »elten  ist,  dal's 
eine  Person  Grundbesitz  in  mehreren  Gemeinden  bat.  Doch 
kann  das  die  Zahlen  nicht  sehr  erheblich  ändern.  Nicht  zu 
ubersehen  ist  aucli,  dals  du-  Statistik  nicht  etwa  rtickständige 
Jahresbeträge  (h-r  Grundöteuer,  öuiidern  rückständige  Termine 
zählt,  deren  es  für  Keishind  vier,  für  andere.s  Land  zwei  im  Jahre 

fiebt.  Das  erklärt  aucli,  warum  die  durclmciniiidich  auf  eine 
^erson  fallenden  rttflkatändigen  Beträge  in  den  ersten  beiden  an- 
geführten Jahren  höher  sind:  bis  1BQ5  gab  es  auch  fbrKeislaDd 
nur  Bwei  Termine. 

Sehr  auffallend  ist  das  Verhältnis  zwischen  dem  geschätzten 
Wert  der  Orundstücke,  dem  ErlOs  dafür  und  dem  rüdurtändigen 
Steuerbetrag.  1886/87  ist  wegen  Rttekettlnden  von  nur  10646 
Yen  über  Grundstücke  Exekution  verhüngt,  welfihe  su  einem 
Steuerwert  von  754511  Yen  eingeschätzt  waren,  aber  nur  279597 
Yen  brachten,  37  Prozent  des  Steuerwertes.  Im  Jahr  vorher 
waren  es  sogar  nur  32  Prozent.  Der  Erlös  war  das  2tjtiEWihe  der 
Steuer,  derentwegen  exequiert  wurde,  und  doch  tieien  noch  2199 
Yen,  üUr  ein  Fünftel  der  Steuer,  aus.  1884/85  sind  SQgar 
28  Prozent  ausgefallen,  1887/88  '67  Prozent. 

Alles  dies  driitct  auf  dvn  stiirken  Druck  hin,  welchen  die 
Grundsteuer  infol^«  ilei  wirtöcijalthchen  Krise  der  Jahre  1 883/85 
ausübte.    Der  P>xekiition  verfallen  in  der  Hauptsache  nur  Leute, 


hallen  daa  Obmli  bestätigt 

AngeskihtB  der  kleinen  Betrüge  rückständiger  Kommnnai- 
steuern  smd  noch  folgende  Zahlen  beachtenswert. 

•  Der  Exekution  verhelen  Personen 


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556 


X  4. 


nur  wegen  wegeu  Staats-  nur  wegen 
Sta&täeteuer   und  Kommunal*  Kommuual- 


■teuer  »teuer 


1883/84 
1884/85 
1885/86 

1886  87 
1887/88 


16025  5344  12169 

84228  9184  26479 

56869  17685  82865 

17381  12403  29018« 

9235  5912  19668 


Gans  merkwttrdig  werden  mandie  der  ZahlenTerhAltniiM, 
wenn  wir  auf  ihre  Verteilung  auf  die  Bezirke  eingehen,  welche 
für  die  Jahre  1885  86  bis  1888  89  veröflfentlicht  ist. 

Da  finden  wir,  um  einige  der  auftallendsten  Zahlen  henror- 

zuh'»ben,  flafs  im  erstgenannten  Jahre  Vamaguelii  an  der  Spitze 
steht  mit  1 8  1 2li  Personen  und  einem  iSteuerrüekstand  von  ^1/? 
Yen.  Das  bezog  sich  aber  nur  auf  7(\77  Cho  im  Steuer  werte 
von  5269  Yen,  welche  nur  3671  Yen  brachten.  Inden  niiclisten 
Jahren  da^e^eii  ateht  Yauia^ucLi  unter  den  günstigsten  Bezirken 
mit  92  Peraonen  und  84  Yen  Rackstand  1886/87,  mh  1 1  Per^ 
aonen  und  41  Yen  1887/88.  An  höchster  Stelle  der  Zahl  der 
Personen  nach  steht  in  den  beiden  folgenden  Jahren  Kanasawa 
mit  9280  Personen  1886/87,  mit  7847  Personen  1887  88,  derai 
SteuerrUckstand   aber  nur  92  bezw.    55  Yen    beträgt  Am 


keiner  im  zweiten  und  vierten,  mit  einer  im  dritten  Jahre. 
Im  Jahre  1880  87  winl  in  Hiroshima  wegen  eines  auf  0204 
Feiöünen  sich  verteilenden  8teuerrückötande.s  von  nur  574  Yen 
Land  im  Werte  von  85454  Yen  der  Exekution  unterwoiien, 
welches  nur  11807  Yen  brachte.  1885  86  ist  in  demselben 
Hiroshima  wegen  eines  Rttckstandes  von  nur  2187  Yen  die 
Exekution  über  Laiid  im  Steuerwerte  yon  175352  Yen  ver> 
hängt)  welche  aber  einen  Barerlös  yon  nur  14294  Yen  eigab. 

Die  vorherigen  Ausführungen  über  die  Grundsteuer  be- 
ziehen sich  im  wesentlichen  nur  auf  Altjapan.  Im  Okinawa- 
keu    (Ryukyu- Inseln)   hat   man   an   die  alte  Grundsteuer 

überhaupt  nur  insoweit  geiiihrt,  als  sie  jetzt  in  Geld  zu  ent- 
richten ist.  Der  Betrag  der  Stetir-r  wird  nnvh  nheni  Brauch 
i.'ihrlieh  naeh  dem  Ausfall  der  Zuekerernte  bestnnmt.  Die  Ein- 
naliuie  ist  infolgedessen  sehr  beb  wankend ,  zwisehen  638103 
Yen  im  Jahre  1880  81  und  250238  Yen  im  Jahre  1880  87. 
Das  steuerbare  Land  betrug  1887  nur  12027  Cho,  wovon  3723 
Oio  Beishind  und  8304  Cho  Th>ckenfeld.  An  die  Centnd- 
rwnerung  werden  die  Steuern  Ton  Okinawa  erst  eeit  1879  ab- 
gemhrt.  Bis  dahin  wurde  ein  Tribut  gezahlt,  der  40000—50000 
Yen  jährlich  betrug. 


^  Die  Zahleu  bK;iben  hinter  der  obengeuaimten  Summe  tun  ein 
GeriiigeB  surüekf  weil  die  Uoteracheidung  nicht  Fölüg  durctigefahrt  ist 


Exekutionen  im  ersten,  mit 


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X  4. 


557 


Abweichende  Verhältauase  haben  bis  1886  auch  die  Sieben 
Inseln  von  Izu  gehabt,  mit  einer  steuerpflichtigen  Flüche  von 
762  Cho  Ende  1885,  von  4211  Cho  Ende  1887. 

Im  Hokkaiflo  liatte  es  vor  der  RcBtauration  eine  Orimd- 
steuer  nur  in  dem  schon  langer  besiedelten  südlichsten  Teile  von 
Yezo  gegeben.  Der  Steuersatz  war  180  ^lon  für  den  Tan  Reis- 
feld, 3  Mon  für  10  Tsubo  fd.  i.  90  Mon  für  den  Tan)  Trocken- 
feld.  Nachdem  unter  dem  neuen  Kegiuie  beschlossen  war,  die 
Kolonisierung  des  Hokkaido  energisch  zu  betreiben,  wurden  durch 
die  Erlasse  vom  20.  September  und  10.  Oktober  1872  auch  die 
Grondbeeitzyerlijlltmsse  geregelt  und  Besitztitel  eingeführt  Die 
in  verschiedener  Weise  zur  Nutzung  veriiehenen  Ghrundstüoke 
wurden  als  Privateigentum  der  Nutzniefscr  anerkannt,  Land  den 
Ansiedlem  zu  billigen  Hedin^im^en  angeboten  und  allem  solchen 
neuen  nrnndbesitz  auf  5  — .fahre  Steuerfreiheit  versprochen. 
Steuerptlichtiges  Land  wurde  in  drei  Klassen  nach  der  (5 Ute  ge- 
teilt, von  welchem  4  und  ö  Yen  Steuer  liii'  den  Cho  zu  ent- 
richten war.  In  Hakodate  wurde,  wie  in  den  anderen  Stiidten 
Japanö,  die  Hausgrundsteuer  von  zwei  Prozent  vom  Werte  ein- 
gerahrty  aber  im  nllchsten  Jahre  bereits  auf  acht  Tom  Tausend 
ermftls^.  Nach  weiteren  wenig  bedeutenden  Änderungen  wurde 
durch  Gesets  161  vom  28.  Dezember  1876  aoflpeofdnet,  dafsdie 
Grundsteuer  im  Hokkaido  ein  Prozent  vom  Grundstückswerte 
betragen  solle.  Sehr  erheblich  ist  die  Einnahme  nie  gewesen. 
Im  Jalii  t'  l'^'^7  88  sind  84  0(1.5  Yen  eingekommen.  Zur  weiteren 
Förderung  der  Bcsiedelung  ist  durch  Kaiserliche  Verordnung; 
Nr.  18  vom  2^.  .Tuni  1880  angeordnet,  dals  vom  1.  Juli  dieses 
Jahi*eä  an  in  den  Landkreisen  des  Hokkaido  aui  zehn  Jahre  die 
Grundsteuer  erlassen  iöt,  auch  Bezirkszuschläge  nicht  erhoben 
werden.  £b  bleibt  von  der  Grundsteuer  im  Hokkaido  also  bis 
auf  weiteres  nur  die  Steuer  der  Stadtkreise  Hakodate  und  Sapporo, 
im  Budget  18d0'91  mit  23958  Yen  angesetzte 

Nach  dieser  Darstellung  der  gesetzlichen  Kegelmig^der  Grund- 
steuer dürfte  es  angezeigt  sein,  dieB^twickelung  der  Kinnahme 
aus  der  Steuer  kurz  mitzuteilen. 

Das  Straerauf  kommen  inKoku  Reis  in  den  Jahren  1871  - 1 R74 
ist  oben  mitgeteilt,  ebenso  die  wirkliche  Einnahme  der  Central- 
xegierung  in  Geld  von  1868—1871  (8. 589  und  522).  In  letzterem 


1  Ende  1887  befand  sich  im  Hokkaido  ätuuerpflidbtiger  Grundbesitz 

Keij^land  1437  Cho 

l'rockenfeld  i:i/)78  * 
Bauland  1 1>45  - 

Sonstiger  4  442  - 

21  lO'i  Cho 

Der  bteuerwert  war  u(>80b63  Yen,  wovon  allein  auf  das  Bauland 
melur  ab  die  Hälfte  kam,  1 832011  Yen. 


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558  X  4. 

Jahre  hatte  sie  erst  11341000  Yen  betragm«  Sie  stieg  dann 
folgendermaiisen  weiter 

1872  20051917  Yen 

1873  60604242  - 

1874  59  412  429  - 

1875  67717947  - 

Diese  Finanzperiode  umfaCst  nnr  das  erste  Semester  1875. 

Der  hohe  Betrag  rührt  daher,  dafs  nach  Verlegung  des  AnfaDCS 
des  Finansjahres  auf  den  1.  Juli  alle  früheren  RUckstfinde  als 
Einnahmen  jenes  Semesters  verrechnet  sind.  Mit  der  Neuregelung 
des  Etatswesens  gleichzeitig  mncht  sieh  nun  auch  die  Grundsteuer- 
retorm  bemcrkhch,  teils  durcii  direkte  ►Steuerermäfsigunp:,  teils 
durch  die  Umwandlung  in  <Jeld  auf  Qrund  der  Preise  von  1870.  74. 

1875  76  50  354  328  Yen 

1876  77  43023426 

1877  78  39450551 

1878  79  40454  714 

1879  80  42112648 

1880.81  42  846 181  (41940140)  - 

1881  82  415  274032  (42209320)  - 

1882/83  43842188  (41924083)  - 

1883/84  43537649  (41955821)  - 

1884/85  43425996  (41800538)  - 

1885  86  43033679  (41552519)  • 

1886  87  43282274  (41617989)  - 
1887/88  42130952  (41540293)  - 

1889  90       42248  9^1   (41903  708)  - 

1890  91       39530  378  (39  251348)  - 

Von  1889  an  sind  das  die  ßudgetansätze,  1888  89  schalte! 
als  unvergleichbar  aus,  weil  der  vierte  Termin  der  Reislandsteuer 
auf  1880  90  fibrrtragen  wurde  I  )ie  Vergleiehbarkeit  der  Zahlen 
wird  etwaa  gt\si<)rt  durch  zwei  in  ihnen  entiiultene  Posten,  einmal 
die  bereits  erwähnte  Einnahrae  aue  Riickständen  und  femer  die 
bis  1886  87  eingeöchlosüeneu  Eiuiiahmea  an  Stempeln  von  Kechts- 
geschä^n  Uber  Grundeigentam.  Diese  Zahlen  lassen  sich  aber 
erst  ron  1880  ab  auBsondern,  da  bis  su  diesem  Jahre  die  einaelneo 
Tale  der  Grundsteuereinnahme  nicht  gesondert  bekannt  ^macht 
sind.  Die  oben  in  Parenthese  gegebenen  Zahlen  enthalten  da^i 
Steueraufkommen  nach  Abzug  der  £innahme  atis  RUckständeo 
und  »Stempeln.  Danach  ist  iler  Oesamtertrnj^  von  1881  82  an 
langsam  gesunken.  Für  die  <>in/.einen  Posten  dw  Grundsteuer 
stellt  der  Vergleich  sich  folgendermalsen 

1881/82  1887/88 

Steuer  von  Reisland  30  755  221  Yen     30  553  374  Yen 

-  IVockenfeld  70427d0   •        6791672  - 


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X4. 


m 


Steuer  von  Bauland  in  Land- 
bezirken 

-  Hauland  in  Städten 

-  Sal^Ärten 

-  anderem  Land 


1881/82 

2618  774 
881  545 
50260 
849788 


1887/88 

2667470 

775806 
B7  <)72 
714299 


Mit  AnBnahme  eines  einzigen  sind  alle  Posten  niedriger.  Offen- 
bar li^  da  eme  Wirkung  der  grolsen  wirtschaitiichen  Krise  Tor. 

Die  WerteinschätBungy  nach  welcher  das  Stouersoll 
sieh  ricbiety  hat  sich  kaum  verändert.  Sie  bebug 


Ende  1881 
-  1887 


1648037149  Yen 

1 648  565  aaa  - 


Gleichzdtig  hat  allerdings  die  steuerbare  Fläche  zu- 

fenommen  von  11  751  334  Cho  1881  auf  13368560  Cho  1887.  Der 
>urcb8chnitt88teuerw^  sank  von  140|8»  Yen  auf  123,sa  Yen  für 
den  Cho. 

Auf  die  einzelnen  Landarten  verteilte  sich  das  folgender* 
maüaen  M 


Eude  I8öl 

Ende  mi 

Eiide  1889 

Cho 

Cho 

Oho 

Reisland 

2  631  069 

2  cm  289 

2750075» 

Trockenfeld 

1 854  974 

1973456 

2277194 

Bauland 

349142 

362792 

379624 

Salzgärten 

6821 

5862 

6370 

Wald 

6694849 

7279101 

7301456 

Grasland 

•  770431 

1013181 

1041290 

Venchiedenes 

10118 

16778 

16684 

Der  durchschnittliche  Steuerwert  von  Reisland  sank  von 
1881  bis  1887  von  463,-8  auf  449,8o  Y'en  fUr  den  Cho,  der  von 
Trockenfeld  von  144,o«  Yen  auf  184,««  Yen«  der  von  Bauland 
stieg  anfangs  von  386,6«  Ten  ein  wenig  und  sank  dann  wieder 
bis  382,18  Yen.  Der  Wert  von  Waldland  blieb  ungefithr  gleich 
mit  3,sT  und  3,ss  Yen,  der  von  Grasland  fiel  von  2,6t      2,84  Yen. 


^  Die  Zahlen  für  Altiapan,  ohne  Uokkaido,  Okinawa  und  hieben 
Insetn  von  Iso.  Die  Zahlen  in  [J  ans  dem  Boieht  über  die  Gfund- 
tteaerreform,  da  sie  andsrwfirtB  erst  seit  1884  getrennt  angegeben 
werden« 

*  Die  bedeutende  Vermehrung  des  Aekerlandeä  hängt  zusaamieu 
mit  der  BeTiaion  der  Gnuidstener  1885/89  nnd  den  dadarcb  vefsnlafttea 

Neuvertnejssuri^en.  Während  bis  l^>^n  dio  Zunahme  f^an/.  unbedeutend 
war,  betrug  sie  von  Ende  Id'^t?  bis  Ende  in  pranz  Japan  49ö  106 

Cho,  wovon  nur  y^J  109  Cho  nasses,  aber  396  997  Clio  trocKenes  Feld. 
Bei  letzterem  betrug  also  die  Vermehmng  rund  20  Prozent,  bei  allem 
Arkfrlnnd  Tusarnrnrn  gegen  11  Prozent.  DfT  stennqjflichtige  Priv*t- 
gruudbesitz  wird  Ende  1^9  auf  13810606  Cho  angegeben. 


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560 


Eüne  weitere  ErmfifsiVuner  der  Steuen\'erte  für  Ackerland 
(1887  1480,2  Millionen  Yen)  um  1295:30  545  Yen,  wovon 
111B51479  Yen  auf  Reisiand  kommen,  ist  durch  die  Revision 
von  1889  bewirkt.  Der  Steuerwert  des  ganzen  privaten  Grund- 
besitzes durlte  nunmehr  gut  1530  Millionen  Yen  betragen,  da  er 
für  1889  vor  Inkrafttreten  der  Berincm  auf  1  661,6  Millionen 
angegeben  ut. 

Die  Darstellung  der  Grundsteuer  würde  unvollst*lndi<:^  sein, 
wenn  nicht  schon  hier  auf  die  kommunalen  Zuschlage  zur 
StaalMnmdsteuer  «ifiiierksam  gemadit  wttrde. 

llach  dem  Grandsteaergesets  yon  1873  soUten  die  ZtucUligB 
der  Bezirke  höchstens  ein  Dritte!  der  Staatagrundstcuer  betragen. 
Durch  das  Gesetz  vom  4.  Januar  1877  wurde  das  Maximum 
auf  ein  Fünftel  herabgesetzt,  am  5.  November  1880  (Nr.  48) 
aber  wieder  auf  ein  Drittel  erhöht.  ThatsNchlich  ist  dieses  Maxi- 
mum riber  in  den  wenii^^gten  Gegenden  erhobfrj.  Die  seit  Ein- 
richtung der  Bezirkstage  regelmäfsig  veröffentliciiien  Abrechiumu'^t  n 
ergeben  vielmehr  fUr  die  einzelnen  Finanzjahre  folgende  Summen 
für  das  ganze  Land: 

Das  aind  Pjrosent  der 

Staatsgrund^teuer  ■  anter 
We^lassuuß  der  Kinuahme 
aus  Rückständen  und 
Stempelo) 


1879/80 

5802196  Yen 

? 

188081 

6  431896  . 

15 

1881  82 

9  197108  - 

09 

1882  83 

9  508  312  - 

23 

1883  84 

8  97nr)38  - 

21 

1884  85 

9  ms  06t)  - 

22 

1885  86 

8437981  - 

20 

188687 

10805462  - 

26 

1887/88 

9892408  - 

24 

Im  Durehselmitt  des  ganzen  Landes  liaberi  also  die  Zur^elil-i«:« 
nicht  mehr  als  ein  Kiint'tel  bis  ein  Viertel  betragen.  Nehmen  wir 
die  Zahlen  flirdas  eine  mittlere  Stelhin«,»-  einnelimende  Jahr  1HH4  85 
(wobei  da»  mir  zugängliche  Material  allerdings  eine  Aussonderung 
der  Einnahme  aus  Rückständen  und  Stempeln  in  den  einzelnen 
Bezirken  nicht  erknbt),  so  sdieint  das  volle  Drittel  nnr  in  5 
▼en  den  48  Bezirken,  welche  eine  Besirksyertretnng  besitno, 
erhoben  zu  sein^  in  Yamanashi,  Okayama,  Aomori,  Mijagi  und 
Yamaguchi.  Unter  diesen  sind  die  drei  letztgenannten  vörhäH- 
nisninl'sig  niedrig  zur  Staatesteuer  eingeschätzt  Dagegen  war  die 
Bezirkssteuer  in  Osnka  nur  1 1  Prozent  der  Staatssteuer,  in  Shiga 
nur  !  in  Chiba  und  Ibaraki  14,  in  Sap\  15,  in  Niiprata  17.  in 
»Saitamu  und  Wakayaraa  18,  in  Fukushima,  Gumma,  Miye,  Aichi, 
Kyoto,  Fukui,  Fukuoka  und  Kumamoto  19  Prozent.  Also  in 
16  Bezirken  von  43  blieb  der  Zuschlag  unter  einem  Fünftel 


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561 


Für  die  Gemeindezuschläge  ist  ein  Maximum  erst  durch 
Gesetz  vom  15.  August  1885  eingeführt  und  dieses  auf  ein  Siebentel 
festgesetzt.  Di<"8os  Maximum  habon  auch  die  OemeirKVorrlmmgen 
von  1888  beibehalten,  jedoch  mit  der  Möglichkeit,  es  mit  i'.rlaubnis 
der  Ref:^'erung  zu  erhöhen.  Die  Oemeindezuschlage  scheinen  bis 
dahin  vielfach  erheblich  höher  gewesen  zusein.  Im  ganzen  Lande 
wurden  erhoben 

Das  fdnd  Ptosent  der 

Staat8grundÄt«'Ucr  funter 
Weglassurif;  der  Einnahme 
aus  KüekätäuUeD  und 


Stempeln) 


187980 

7311055  Yen^ 

? 

188081 

8  501  657  - 

20 

1881  82 

9235350  . 

22 

18S2  s:5 

9507  565  - 

23 

1888  84 

9  528  586  - 

23 

1884  85 

8  702  104  - 

21 

1885  86 

7  546471  - 

18 

1886  87 

4891438  - 

12 

1887/88 

4594377  - 

11 

Im  DorchBclinitt  des  ganzen  Landet  sind  die  Znichlttge  su- 

aammengenommen  hinter  dem  von  1886  an  geltenden  Maximum 
(1  3  ^  i/f  SS  47^^  Proaent)  immer  zurückgeblieben,  da  me  be- 
trugen 


188081 

35  Prozent 

1881  82 

44 

188283 

46 

1883  84 

44 

188485 

43  - 

1885/86 

38  - 

1886/87 

38  - 

188788 

85  - 

In  einzelnen  Gegenden  und  Gemeinden  mag  aber  die  Be- 
lastung erheblich  höher  gewesen  sein.  Die  amtliche  Statistik  ^iebt 
die  Summe  der  (Teuieindesteuerzusclihige  tUr  jeden  Bezirk.  In 
dem  bereite  angeililu-ten  Jahre  1884  85  betrug  diese  Summe  mehr 
als  ein  Viertel  der  Staatssteuer  in  den  8  Bezirken  Kanagawa, 
Niigata,  Yamanashi,  Giiu,  Nagano,  Miyagi,  YamagataundOkayama. 
In  Na^o  betrojg  sie  etwas  über  die  Httlfte  der  Staatssteuer. 
Im  Süden  sind  die  Zuschläge  meist  unbedeutend.  In  6  Bezirken 
war  die  Summe  der  Gemeindezuschläge  weniger  als  ein  Zehntel 
der  Staatsgrundsteuer,  nämlich  in  Kagoshima,  j^Iivazaki,  Kuma- 
moto  Oit^i,  Kocbi  und  Chiba,  mit  Ausnahme  de«  letzteren  lauter 
Süd  bezirke. 

Bezirks-  und  Gememdezuschlage  zusammen  ergaben  1884/85 
in  10  Bezirken  mehr  als  5<)  Prozent  der  Staatssteuer^  nämlich 

Forschungeu  (45)  X  4.  —  K«thgeri.  06 


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562 


in  Niigata,  Yainanashi,  Oifu.  Nagano,  Miyagi,  Aomori.  Yamafriita, 
Toyama,  Dkayama,  Ynnia^uchi,  Ehime.  Am  liöelisten  waren 
Ukayaiua  mit  79,  Ka^auo  mit  78  und,  Miya^  mit  70  Prozent 
belastet.  In  11  Berarkea  dagegen  waren  die  Zuschläge  weniger 
als  «in  Drittel  der  Staatssteuer,  nämlich  in  Chiba  (20  Proaent), 
in  Saga  und  Kumamoto  (26),  in  Eagoshima  (27),  femer  in 
Miyazaki,  Kochi,  Wakajama,  Fnkui,  Shiga.  ^Tiye  und  Ibaraki. 
In  22  Bezirken  ergaben  also  die  Zuschii^  ein  Drittel  bis  ein 
Halb  des  Staiitsateueraufkommens. 

Zu  den  ZusclilH^ren  kamen  bisher  noch  di*^  P»fnträ(;e  zu  dem 
gleich  näher  zu  besprechenden  Hfilfsfonds.  wolelie  der  Kegel  nach 
2,2  oder  2.3  Sen  für  den  Yen  au^machtcü  und  für  das  ganze 
Land  eine  weitere  Belastung  von  900000  Yen  bildeten.  Das 
Maximum  der  Zuschläge  war  also  in  den  letzten  Jahren  49,« 
Prozent,  rund  die  Hälfte. 

Endlich  Ist,  um  die  volle  Bdastung  des  Grundbesitses  su 
erkennen,  an  die  Stempelsteuern  zu  erinnern,  welche  188^  unter 
Aufhebung  der  frttheren  Stempel  eingeführt  sind  und  alle  Eigen- 
tumsübertragungen und  Verpfandungen  von  Grundstlicken  treffen. 
8ie  sind  in  anderem  Znsammenhange  weiterhin  eu  besprechen. 


V.  Der  Hulfsfonda. 

In  dem  System  der  Orundstener  ist  auch  der  Hülfsfond:^ 
(  jap.  U  i  k  o  -  c  Ii  o  (•  h  i  k  u  -  k  i  n ,  wörtlich  Notstandes )>«rp;e1d )  zu 
betrai  hten,  oh^;leieh  «t  nicht  aiisschlif  fslieh  der  Erleichterung  der 
Orundöteuerzahhmg,  sondern  überhaupt  dem  Schutze  des  Baumi- 
btandcö  vor  wirtschaftlichem  \'ertall  dient. 

Nachdem  bereits  im  Budget  ftlr  1879/80  me  Summe  fllr 
diesen  Zweck  angewiesen  war,  erschien  am  15.  Juni  1880  das 
Oesets  31  über  Einrichtung  des  Hülfstbnds,  wodurch  sowohl  das 
bereits  erwähnte  Gesetz  über  Stundung  der  Grundsteuer  (Nr.  62 
vom  1.  September  1877)  als  <'in  Gesetz  über  „vorübergehende 
Unterstützung  Ilülfsbedtirftiger "  (Nr.  122  vom  Juli  If^T.")  rnm 
1.  Januar  1881  an  autgehoben  wurde.  Das  Gesetz'  (er«;:inzt 
durch  A^rordnung  38  vom  22.  November  1880»,  welches  zum 
Teil  an  das  Reisspeicherwesen  des  alten  Regimes  sich  anschlielst, 
bezweckt  zweierlei ;  erstens  die  Gew.Hhrung  von  Nahrung,  provi- 
sorischer Unterkunft,  Geräten  und  Saatgut  an  Bauern,  welche 
durch  auPserordentliche  Unglttcksfklle.  wie  Feuers-  und  Wassers- 
not, Sturm,  Hagelschlag  u.  s.  w.,  betroffen  sind,  zweitens  ftlr  dtey 
wdche  durch  sdche  Notstände  unfähig  sind,  ihre  Grundsteuer  zu 
bexahlen,  Daileihung,  unter  Umständen  auch  Schenkung  des  Uta* 


'  Auf  den  Hokkaido  und  Ukinawa  findet  das  Gesets  keine  An- 
wendung. 


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563 


die  StcuerzahluDg  nötigen  Betrages.  Zu  dieaem  Zwecke  wurden 
Bezirköhülfstbnds  errichtet.  Der  ötaut  verpflichtete  sich  auf  die 
Dauer  von  2(}  Jahren  jährh'ch  12Oi)00n  Yen  (circa  3*^  0  der 
Grundsteuer)  beizutragen.  Davon  dienen  3()< >• )( lO  Yen  als  Dotierung 
den  Centrallbnds,  900000  Yen  werden  an  die  ßeziiksfondb  ver- 
teQty  im  VeriiSltnis  des  Grandeteueraufkommens.  Die  Bezirke 
sind  Terpflichtet,  mindestens  den  gleichen  Betrag  durch  Zuadüä^e 
zur  Grundsteuer  (etwa  2,8  Sen  auf  den  Yen)  zum  Besirksfonds 
bfi/usteuem.  Jedoch  können  gröfsere  Städte  mit  Erlaubnii$  der 
Bfigierung  ihren  Beitrag  auf  andere  Weise  aufbringen.  Z.  B. 
wird  in  aer  Stadt  Tokyo  der  Beitrag  aus  den  Einnalimen  vom 
st'idtischen  Vermögen  bestritten.  Unterstützungen  worden 

aiKsden  Rezirkj^fonds  gewilhrt.  Der  CentraUbnds  tritt  nur  subsidiär 
ein.  Wenn  nämUcli  die  Unterstützungen  in  einem  Bezirke  mehr 
als  zwei  Drittel  des  Bezirksfonds  in  Anspruch  nehmen,  so  können 
die  Minister  des  Innern  und  der  Finanzen  auf  Ansuchen  eine 
Beibftlfe  aus  dem  Centralfonds  gewähren.  Der  Bestätigung  der 
genannten  Minister  unterliegen  auch  die  von  dem  Präfekten  mit 
Zustimmung  der  Bezirkstage  Uber  die  Verwaltung  der  Bezirks- 
fonds  zu  treffenden  Verfügungen.  Von  den  Bezirksfonds  darf 
bis  zur  Hälfte  in  Reis  angelegt  werden.  Ein  genügender  Betrag 
mufs  bar  als  jederzeit  verftigban  s  Depositum  bereit  gehalten 
werden.    Der  Kest  ist  in  Staat.s|iapieren  anzulegen. 

Unterstützung  aus  dem  Fonds  tindet  statt,  nur  soweit  sie  un- 
bedingt nötig  ist.  Nahrung  i^t  zu  gewähren  auf  höchstens  30 
Tage.  Für  provisorische  Unterkunft  (Hüttenbau)  sind  tUr  den 
Haushalt  höcl»tenB  10  Yen,  für  Geräte  und  Saatgut  höchstens 
20  Yen  aulsuwenden.  Unterstützung  bei  Zahlung  der  Grund- 
steuer soll  nur  gegeben  werden^  wenn  andem&lls  der  Steuer* 
Pflichtige  sein  Land  oder  Haus  verkaufen  mtUste.  Diese  Unter- 
stützung wird  überwi^end  mit  der  Verpflichtung  zur  Rückzahlung 
gewährt.  Ist  der  Betreffende  zur  Rückzahlung  wirklich  unfähig, 
so  kann  diese  aueh  riaehtr.-iglich  noch  erlassen  werden.  Die 
Kosten  für  Verwaltung  der  Keisvorräte  und  der  Stnatspapiere 
sind  auf  den Bezirksionds  7ai  übertragen.  Sonstige  KosU'n  (nament- 
lich die  Reisekosten  der  UennUeni  lallen  dem  Bezirk  zur  Last. 

Wie  erwähnt,  hatte  bereits  vor  diesem  Gesetze  der  Staat 
gewi.ss-  >iimmen  für  diesen  Zweck  ausgesetzt.  sind  1879  80 
nach  den  Abreehuunj^en  <s4:)!V)7  Yen,  1880  81  1  052291  Yen 
von  der  Staatskasse  hergegeben,  so  dal's  uacii  der  Übersicht  über 
die  Operationen  des  Htt&fonds  dieser  für  das  erste  Halbjahr 
dach  mit  1 898248  Yen  vom  Staate  und  489711  Yen  von  den 
Sesirken  dotiert  erscheint.  Am  81.  Mftrs  1889  erscheint  der 
omze  Hulfsfonds  bereits  mit  einem  Kapital  von  18  203  795  Yen. 
Davon  kamen  auf  den  Centraifonds  382315(3  Yen,  der  Rest  auf 
die  Bezirksfonds.  Der  Bestand  dieser  war  sehr  verscliic^den,  da 
die  Bezirke  von  Notstandsausgaben  selir  ungleich  betroffen  sind. 

au* 


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564 


X  4. 


Gegenüber  852  nO:^  Yen  in  Aichi.  706  «ilG  Yen  in  Miye,  704  570 
Yen  in  Niigata  linden  wir  nur  80  227  Yen  in  Kagoshimay  135584 
Yen  in  Aomori.  155  0:^9  Yen  in  Yanianashi. 

AU  Bargeld  und  Depositum  waren  am  31.  März  1888  von 
15429030  Yen  vorhanden  4645283  Yen,  davon  3278207  Yen 
Tom  Oentralbtüftfonds^.  Die  Reisvonäte  standen  nur  mehr  mit 
781 550  Yen  zu  Badi  (  gegen  1 603  454  vier  Jahre  vorher),  davon 
139446  Yen  beim  Centralhttlfifond.  Von  44  Bezirken  hatten 
25  keine  ReisvorrUte.  In  Staatspapieren  waren  10002197  Yen 
angelegt,  sHmtiieh  den  Bezirksfonds  gehörig. 

Die  Ausgaben  des  HulMonds  betrugen 


1880/81 

1881  82 

1882  83 

1883  84 

18R4  «55 
1 8ö5  ö6 
1886,87 
]ö87'88 
1888  89 


99103  Yen 

300976  - 

329  728  - 

813962  - 

1  352  578  - 

1  125009  - 

663  539  - 

665  052  - 

451 543  - 


davon  fttt 
Untemt&tsnngeii 

97417  Yen 

289  543  . 

328  777  - 

779  730  - 

1172911  - 

957  444  - 

653  643  - 

606  674  - 

432  990  - 


daruDter 
Darieben 


4994  Yen 

24  044  - 

253804  - 

190859  - 

303238  - 

68  092  - 

23714  - 

14  080  - 


Wie  man  sieht,  hat  der  Hülfsfonds  bisher  mehr  der  Kapital- 
ansammlun^  als  der  Unterstutz  im  gedient  Selbst  1884  85 
ist  für  diese  wenig  mehr  als  die  Hitlfte  der  regelmäfsigen  Ein- 
nahmen (1  200000  Yen  vom  Staate,  900000  Yen  Steuerzuachlägej 
verwendet  Daneben  hat  der  Hünsfonds  an  den  Staatspapieren 
durch  deren  starkes  Steigen  erhebliche  Kursgewinne  gemacht* 
Auffallend  ist  in  mehreren  Jahren,  wieviel  höher  die  ^Ausgaben** 
sind  als  die  Unterstützungen,  wobei  zu  beachten  ist,  dafs  die 
laufenden  Verwaltungsausgaben  dem  Hulfsfonds  nicht  zur  Lagt 
fallen.  Die  ^Ausgaben",  soweit  sie  nicht  TJnten?tützungen  sind, 
entstammen  der  Keisspeicherverwaltung  Abgesehen  davon,  dals 
jede  solche  Magazinverwaltung  dureli  Sehwund,  Mäusel'raCs.  Vtr- 
derben  etc.  erhebliche  Verluste  hat,  kam  hier  noch  dazu  da!s 
diese  Jahre  ununterbrochen  sinkende  Reispreise  hatten,  daib  aUo 
der  einmal  angekaufte  Reis  in  folgenden  Jahren  nur  mit  Verlust 
verkauft  werden  konnte.  Zu  eigentlich  spekulativen  Operationen 
scheinen  nur  die  ReisvoiTäte  des  Centralfonds  benatzt  an  aein^ 
Operationen,  die  wohl  der  Regel  nach  mit  Verlust  abgeschlossen 


in  der  Staatsdcpos^iteiikasso  bcfiiiiden  sich  tn'lder  des  iiülfsfonds 

am  ai,  Dezember  löt<t»  1  UTu  UW  Yen, 

-  .  .  1886  2  865204  - 
.  -  ,  is^7  :^  1?}.*.  OT'J  ' 
'    -         -         IHK«  8  762126  . 

-  -         -         16Ö9  4  Ib«  i>41  - 


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565 


haben.  DaiB  sie  der  Zweck  de«  HtklfibfoDdi  nicht  sind,  bedarf 
kefaier  Hervorhebting  ^ 

Aufser  den  schon  erwfthnten  Beihttlfen  zur  Orundstouenahlnng 
sind  TOtt  den  Untefstütsungen  verwendet 


für 

£mUmiDg 

Yen 

1880  81 

26  898 

1881  82 

49H70 

188'J  83 

5Ö719 

1883.84 

10B274 

1884  85 

193141 

1885/86 

1 73  534 

1886/87 

116390 

1887/88 

50144 

1888/89 

54609 

für  fiir 
pro  vi  so  r.  land  Wirtschaft* 
Unterkttofk  liehe  GerXte 


Yen 

Yen 

31  773 

20731 

132617 

72  754 

144  307 

or.  906 

1(K)395 

71449 

479  270 

85  032 

196711 

66615 

208023 

65162 

122 141 

55534 

139597 

52604 

für 

Besondere 

Saatgut 

Unter- 

Yen 

Yen 

6195 

11820 

1 7  096 

11402 

14  805 

20  8:^H 

39087 

83  784 

53 100 

130450 

79071 

79699 

75510 

86160 

55548 

281056 

33554 

130655 

Wie  es  die  Natur  der  NotftUe»  für  welche  der  Höl&fonds 
bestimmt  ist,  mit  sich  bringt,  ist  sowohl  die  in  den  einseinen 
Benrken  yerteilte  Unterstütsung  als  der  Grund  des  Notstandes 
sehr  verschieden.  Von  den  328777  Yen  UntentUtzungen  des 
Jahres  1882/83  wurden  173885  Yen  wegen  Feuersnot  gegeben. 
Von  der  gesamten  Unterstütziin<?  fielen  auf  Hyogo  49550  Yen, 
auf  Kumamoto  Yen,  auflshikawa  23709  Yen,  aui*  diese 

drei  Bezirke  allfin  also  fast  ein  Drittel. 

188:;  84  wurden  von  77'.»7;iO  Yen  UnterstützuDgen  4^-7  898  Yen 
wegen  Diine  gegeben.  Von  der  ganzen  Summe  kamen  aut  ilyogo 
158363  Yen,  auf  Wakayama  152879  Yen,  auf  Osaka  66962 
Yen;  auf  Okayama  50008  Yen,  auf  Hiroshhna  44135  Yen. 

1884/85  wurden  von  1042461  Yen  (die  Nachweisimgen  um- 
fiissen  von  diesem  Jahre  an  die  ^»besonderen  Untersttttsunffen'' 
nicht)  575098  Yen  wegen  Notstandes  durch  StOrroe  gegeben. 
Von  den  Unterstützungen  wurden  vertdlt  in  Kagoshima  168554 
Y'en,  in  Shizuoka  142432  Yen,  in  Kumamoto  97491  Yen,  in 
Gi£u  50054  Yen. 

1885/ 86. (nur  neun  Mcmate)  wurden  von  877  745  Yen  690888 
Yen  wegen  Überschwemmung  gegeben.  Die  Haupfciusgabe  kam 
auf  Osaka  mit  332401  Yen,  Sl^a  mit  136812  Yen/  Gifu  mit 
46492  Yen. 

1886  87  sind  von  567483  Yen  9s8i)3  Y'en  in  Kagoshima, 
(30  084  Yen  in  Cliiba,  46051  Yen  in  Ibaraki  ausgegeben,  1887  88 
von  325618  Yen  r>5  097  Yen  in  Kochi,  1888  89  von  302335 
Yen  41  650  Yen  in  Wakayama. 


*  Anders  liegt  es  bei  den  1800  erfolgten  Einkäufen  Ton  atulän- 
diflchem  Beia,  um  der  Höhe  der  Keiapreise  entgegenzuwirken. 


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56Ö 


X  4. 


Wie  man  steht,  and  die  Unterstützungen  aus  dem  HfÜftfonds, 
wenn  auch  nicht  bedeutend  im  ganzen  Lande,  im  einzelnen  Falle 
nicht  unerheblich.  An  den  Bezirksfonds  von  Osaka  zahlen  die 
(inindsteuerptiichtigen  des  Bezirkes  jährlich  etwa  47000  Yen. 
Dagegen  erhielten  die  UntersttltzungsbedUrfitigen 

1882  83  1823  Von 

1883/84  66962  • 

1884/85  24339  - 

1885/86  382401  - 

188(1  87  2866  - 

1887  «8  4520  - 
( einscliHefslich  Nara) 

18b8,ÖÜ  37815  - 

In  Hyogo  sind  die  jährlichen  Beitrtige  etwa  44000  Yen,  die 
Unterattttzongen  betrugen 

1882  83  40556  Yen 

1883  84  158363  - 
1Ö84  85  44  334  - 
1885  86  8183  - 
18S6/87  16061  • 
1887/88  1  983  - 

In  Kagoshima  sind  die  Beiträge  gut  17  000  Yen,  die  I  ntrr- 
sttitzungen  waren  ( 1 882  Ho  ist  nicht  vergleichbar,  weü  Miyazaki 
noch  zum  ikzirke  gehörte) 

1883  84  22906  Yen 

1884  85  168  554  - 

1885  86  33  790  - 

1886  87  08  863  - 

1887  88  0  635  - 
188889  5010  - 

Es  leuchtet  ein,  wie  wiclitig  der  Fonds  ist,  namentlich  wenn 
mehrere  sclilechte  Jahre  rascli  aufeinander  folgen.  Die  eigenartige 
Einrichtung"  ist  für  die  Erhaltung  des  japanischen  Kleinbauem- 
standes öiclier  bedeutsam.  Die  Kleinheit  der  Summen,  die  in 
jedem  einzelnen  Falle  als  UüJien  gewährt  werden,  zeigt  wieder, 
mit  wie  aufserordentlich  kleinen  Verhältnissen  man  es  in  Japan 
ftat  durchw^  su  thun  hat  In  dem  Jahre  der  grOlsten  Ausgaben 
1884^85  erhielte  UnterstlitBongen 

Haushaltungen    Perstonen  Yen 

wegen  Feuerschaden  14  018  136534  220825 

T'bffschwemmung  16990  529333  212204 

-     Sturm  68  755  1385  304  575  098 

Insekten                   —  30878  26  8b2 


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X  4. 


567 


wegen  Dürre 

Krankheit 
Schnee 

Hagel 

Ber^tiirz  und 
Erdbeben 


IbuthaltangeD 


59 


33 


Personen 

8732 

2  201 
2  794 
225 

93 


Yen 

5173 

874 
701 
321 

293 


susammen   100455^    2096184    1  042  401 


Die  Unterstützung  bestand  in 
Nahrung        an  1 902  094  Personen 


Hauäbaii 
landwirtAciiaftl. 

Geräten 
Saalgut 
Zahlung  der 

Grundsteuer  - 
Vorbchuls  der 

Grundsteuer  • 


100455  Haushaltungen 

13489  Personen 
38142 

34341 

48118 


Dazu  besondere  Unterstützungen 


ftir  193141  Yen 

-  479  270  - 

-  85032  - 

-  53100  - 

-  41059  - 

'    190  859  - 
1 042401  Yen 
130450  - 


Die  auf  den  Kopf  fall^ndf  durchschnittliche  Unterstiizung 
ist  also  der  Roirel  nach  athr  gering.  Was  die  Hülfe  bei  der 
Grundöteuer  besonders  anlangt,  so  ist  beui«  rkenswert,  dais  6ie 
durchschnittlich  doch  erheblich  höher  ist  aKs  die  durchsohnitt- 
Uchen  Rückstände,  wegen  deren  »Steucrexekution  vollstreckt  wird. 
Sie  ist  daher  als  dne  fbr  japanische  Verhältnisse  krttftige  Httlfe 
zu  betrachten.  Die  Wirksamkeit  des  Httlfsfonds  ist  noch  zu 
kurz,  um  zu  beurteilen,  wie  das  System  sich  bewährt^  den  fUr 
die  Grundsteuer  nötigen  Betrag  der  Regel  nach  als  Vorschuls  zu 
geben,  welcher  dem  Fonds  zurückzuzahlen  ist.  Vom  1.  Juli  1881 
bis  31.  März  \><^9  waren  vorg^eschossen  ^^^225  Yen.  An  letzt- 
genanntem Datum  waren  davon  noeli  nicht  zurückgezahlt  375  087 
Yen,  wahrend  die  \'()r.s{liü8.-ie  seitdem  I.Juli  1>öü  allein  409 124 
Yen  betnigen.    Uaö  iöt  kein  ungünstiges  Ergebnis. 

Für  die  (»rundsteuerverwaltung  hat  der  Ilülfsfonds  die  Be- 
deutung einer  eriieblichen  Erleichterung  beim  Eingang  der  Steuern. 
Wir  haben  oben  gesehen  (S.  553),  wie  gering  die  Steuenrückstltiide 
sind,  wegen  deren  das  Exekutionsv^&hren  notwendig  wurde. 
Nach  den  seit  1883  vorliegenden  Dbenichten  erreichten  diese 
Rückstände  niemals  ein  Halb  vom  Tausend  des  StenersoUs^ 


^  Bezieht  sich  nur  auf  die  UotentUtzuDgen  zum  Hausbau. 
*  Da  das  Hifsveistiodiiis  thataichlich  vorkommt,  so  ist  es  vielleicht 
nicht  flbeiflilsng,  ooch  besoaders  darauf  hinsoweisen,  dafs  die  Unter- 


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568 


Das  (iesetz  von  1S8(>  .sollte  20  Jahre  in  Kraft  bleiben. 
Dann  würden  die  angesammelten  Fonds  genügen,  um  aus  den 
Zinsen  alle  vorkommenden  Ausgaben  zu  decken.  Die  Erfahrung 
zeigte  aber,  dafs  die  Kapitalansammliuig  nscher  vor  sich  gegangen 
war,  «k  mao  erwartet  hatte.  In  den  fsiaea  1886  87  bis  1888  89 
waren  die  eigenen  Einnahmen  der  Fonds  aus  Zinsen  etc.  schon 
erhoblich  gröl'Bcr  als  die  Ausgaben Bis  18P0  dürften  die  eigenen 
Einnahmen  .schon  die  Höhe  der  bisher  gröfsten  vorgekommenen 
Ausgabe  (1884  85)  erreicht  haben.  Es  wurde  also  fraglich,  ob 
die  Kapitalansanimlung  in  der  bishengen  Weise  fortgehen  solle. 
Den  Finanzminister  drückte  die  jährliche  Ausgabe  von  1  2<>'MHMi 
Yen,  die  Stimmung  der  Gruudsteuerzahler,  welche  die  Bezirks- 
zuschliige  autbringen  mulsten,  war  unmittelbar  vor  den  ersten 
Parlamentswahlen  der  Regierung  nicht  gleichgültig  Durch  Ge- 
Beta  5  Tom  7.  Februar  1890  wurde  der  Hfdfsfonds,  so  su  sagen, 
geschlossen.  Sowohl  der  Staatssuschnfs  wie  die  Grundsteuer- 
Zuschläge  Rir  den  Fonds  wurden  vom  1.  April  1890  ab  .luf- 
gehoben.  Die  Ausgaben  werden  künftig  aus  den  eigenen  Ein- 
nahmen der  Fonds,  in  erstrr  Linie  der  Bezirksfonds  bestritten. 

Übersteigt  deren  erforderliche  Ausgabe  fünf  Prozent  des 
Fonds,  so  tritt  Unterstützung  durch  den  Centraifonds  ein  In 
Bezirken,  welche  wegen  häutiger  Notstände  nur  geringe  Fonds 
angesammelt  haben  (wie  Kagoshima,  Miyazaki,  Kochi,  Aomori), 
wirri  das  in  Zukunft  verlialtnismiU'sig  häutig  der  Fall  sein.  Wenn 
nicht  eine  ganze  Reihe  von  Unglücks jaliren  einander  folgen, 
werden  die  HtÜfsfonds  ihrer  bisherigen  Äufgnibe  wohl  gewachsen 
sein'.   Dais  man  auf  dem  zweifelbaften  der  Anhäufung 

nm  Fonds  zur  Bestreitung  Offentlieher  Ausgaben  nicht  weiter 
geht  ist  gewifs  zu  billigen.  Dafs  man  aber  auch  die  Grundsteuer- 
zuschläge f^r  diese  Zwecke  vollständig  beseitigt  hat.  scheint  mir 
nicht  richtig  zu  sein.  Für  den  Augenblick  bedeutete  es  aller- 
dings eine  Frleichterung  der  Grundsteiierla.st  um  *h»(i(M>0  Yen. 
welche  noch  dazu  gleichzeitig  mit  der  Herabsetzung  um  3  2^^>s<>"0 
Yen  durch  das  Gesetz  22  vom  20.  August  1889  ins  Leben  trat 


stfitzoiiKen  aus  dem  Hülfsfonds  durchau»  nicht  bin fs  hd  Ghnmdsteuerpflich- 

tipe  gefToben  werdeu.  Die  l'ntorstützuiip  mit  Nalming;  und  Saatffiit, 
beim  Hausbau  u.  s.  w.  wird  jedem  hUU'sbedürftigen  Bauern,  aucb  dem 
gewährt,  der  keine  Grundsteuer  sahlt. 

*  eigene  Einnahmen  Ausgaben 

1  >sr,  s7  X 1 8  47:^  Yen  663  5«9  Yen 

I^nT  ss  117'2(Kt:,    -  €)(•>:>  0^)2  - 

\}<t<Xf<'J  UÜÖUll    -  461.>4;i  • 

In  den  Zahlen  des  Jahres  1^87  t<M  ist  eine  Summe  von  142328  \'en 
enthalten,  welche  eine  Rapitalüberweisang  des  Osaka-fti  an  den  davon 
I    abgetrennten  Nnni  ken  ist. 

*  Die  HUÜäfuuds  werdeu  wohl  gut  20  Millionen  Yen  betragen. 


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569 


VI.  Bedeutung  der  Grundsteuer  für  die  japanische 

VeiicswIrtschafL 

Die  Grundsteuer  niinmt  unter  den  japanischen  Staataein- 
Dshmen  Überhaupt  und  unter  den  Steueieiiiiiahmen  insbesondere 
eine  ganz  hervorragende  Stellunfr  o'm.  Sio  ist  die  wichtigste 
Last,  welche  äor  Japanische  Steuerzahler  zu  tragen  hat. 

Auf  die  ii^nmüime  aus  der  Grundsteuer  enttiel  vom  üundert 


von  den  als 

im  Finannahr 

ulleu  Staats- 

von  den  ordeut- 

Steuern  be- 

JlUUtiUIUCU 

1 1      n  AVK      M  ■  v%  a%  A  w\  w  a*<% 

zeichneten 
Einnahmen 

1875/76 

73 

80 

8(3 

1876/77 

78 

77 

83 

1877/78 

76 

79 

82 

1878/79 

65 

75 

79 

1879/80 

68 

73 

75 

1880  81 

67 

73 

77 

1R81  R2 

61 

67 

70 

1882  83 

59 

62 

64 

1883  «4 

55 

57 

64 

1884  85 

56 

60 

67 

1886,87 

50 

56 

65 

1887  88 

47 

54 

63 

1888/89 

45 

50 

58 

1889/90  (Budget) 

55 

56 

62' 

Kach  Neuuidnun^  der  Fiiiaiizen.  1875,  drei  Viertel  aller, 
vier  Fünftel  der  ordentlichen  Ötaatäeiunahmen ,  ist  die  Grund- 
steuer auch  jetit  noch  mehr  als  die  Hälfte  der  letzteren.  Von 
allen  Staatasteuem  brachte  die  Qnindsteuer  zu  Anfang  der 
Periode  86  Proeent  und,  trots  der  inswiachen  erfolgten  Ein- 
führung einer  Reihe  neuer  Steuern,  im  Budget  von  1889/90 
immer  noch  62  Prozent  (oder,  wenn  man  die  Gebühren  eu  den 
Steuern  zurechnet  CA  Prozent).  Audi  nach  der  Steueremiäfsignng 
von  1889  bildet  die  Grundsteuei'  noch  die  Hälfte  der  ordent- 
lichen Staatseinnahineu. 

Ein  .thnliches  Verhältnis  tiiuiet  öich,  wenn  wir  die  Grund- 
steuer nicht  blois  mit  den  Staatstiteuern,  sondern  mit  der  ge- 


^  Zu  obiger  ZusammensteUung  ist  zu  bemerken:  iHs.y,^^  igt  wegen 
Änderung  der  Finanzperiode  nicht  vergleichbar  uisd  rinbri-  ausgelassen. 
Von  lii&i  an  liegt  die  neue  Anordnung  des  Budgets  zu  Uniude.  Unter  sieb 
gcnaa  vergletcHbar  siod  nur  die  9  ersten  AbrechnODgen.  —  Für  1888/89 
i>^t  ein  Orundstatierbetng  (ohne  RGckstSnds)  von  42108000  Yen  an- 
g^aommen. 


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570 


X  4. 


samten  HeBteuerung  vergleichen.  Auf  die  Grundsteuer  mit  ihrea 
Zuschlfigen  kamen  1880  81  72  Prozent  aller  Steuereinnahmeo, 
weit  1 882  8o  bis  1 88(3  87  (»2  hh  64  Prozent  und  mehr  als  vier 
Fünttel  aller  direkten  .Steuern.  Selbst  die  chinesische  oder  in- 
dische Grundsteuer  ist  dem  „impot  unique"  nicht  so  nahe  ge- 
kommen wie  die  japanische. 

Welches  ist  üuu  iui  einzelnen  die  wir tsc Ii a Etliche  Be- 
deutung' dieser  Hanptsteuer?  Der  erste  zu.  ei^rtemde  Punkt 
betrifit  die  Art,  wie  die  Grundstücke  zur  Grundsteuer  ein- 
geschätzt sind,  die  Katastrittrung.  Ich  erinnere  daran,  was  oben 
(S.  5>^0  f.)  Uber  die  £nmttdnng  der  Grundstückswerte  gesagt  ist 
Was  aufgestellt  wurde,  war  gar  nicht  wirklich  ein  Wert-,  son- 
dern ein  Krtr;!p:skataster  und  zwar  im  wesentlichen  ein  Roh- 
ertragskataster.  Nur  bei  dem  städtischen  Bauland  wurdtu 
eingehende  Wertermittelungen  vor^^enommen .  al)er  es  war  auch 
bei  diescio  weniger  auf  die  wirklich  etwa  vorkommenden  Ver- 
kautspreise  abgesehen  als  auf  eine  sorgfältige  Feststellung  aller 
möglichen,  den  Wert  beeinflussenden,  leicht  l'estzustellenden  äufser- 
lichen  Umstilnde.  War  es  schon  in  den  Städten  nicht  gut  uiug 
lieb,  die  wirklichen  Qrundstttckspreise  su  ennitteb,  so  fehlte  fßr 
aUes  andere  Land  das  Material  zur  Anfstsllung  eines  Wert- 
katasters fast  ganz.  Nach  dem  Gesetse  war  Grundbesitz  über- 
haupt erst  seit  1872  verkäuflich.  Ist  nun  auch  thatsächlich 
schon  vorher  Grundbesitz  seit  Iflngerer  Zeit  verkauft  worden, 
so  hatte  das  doch  in  den  verschiedenen  Teilen  des  lindes  in 
sehr  verschiedenem  Mafse  stattgefunden,  in  manchen  entleji.'enen 
Gegenden  sicher  überhaupt  so  gut  wie  gar  nicht,  ehe  das  Still- 
lebin  des  alten  Kegiuies  gestört  wurde.  Bei  ländlichem  Grund- 
besitz durfte  Besitaweehael  am  hänfigsten  in  der  Form  ^nr- 

g kommen  sein,  daÜs  der  Gläubiger  für  seine  Forderung  den 
isitz  ttbemahm,  der  Schuldner  als  Pächter  sitzen  blieb.  In 
solchen  Fällen  war  kaum  zu  ermitteln,  ^vie  hoch  der  eigentliche 
Preis  des  Grundstücks  war.  Ein  wichtiges  Hülfsmittel  tur  Wert- 
wmittelungen  in  Europa,  di<'  F.r})auseinander>*ctzungen,  fehlt  in- 
folge d'-s  Oharakters  des  KrljieelitS"  in  Japan  giin/.lich.  Am 
eht  st(  II  waren  noch  die  Paehtprei&.e  zu  benutzen,  aber  auch  hi»  r 
wirkten  die  örtlichen  Gebräuche  störend.  1  ür  Troek«'nfeld  >oUien 
nach  der  Instruktion  an  die  Bezirksbehörden  vom  28.  Juli  1873 
(§  21)  die  Pachtpreise  zu  Grunde  gelegt  werden,  aber  die  Er- 
&hrung  hat  das  als  undurchführbar  erwiesen.  Auch  hier  ist 
man  der  Regel  nach  auf  den  Ertrag  und  die  Produktenpreise 
zurückgegangen. 


'  Manche  Ähnlichkeit  mit  der  japanischeu  hat  die  bayerische  Ver- 
aDla^un^'  zur  Grundsteuer.  Siehe  den  Aufeats  von  Helfe  rieh  Uber 
Ivotorrii  <1'T  direkten  Steuern  in  Bayeni,  Töb.  Zdtscb.,  187^  nsmentUch 
ß.  äl2-32G. 

«  Vgl.  oben  S.  142. 


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X  4, 


571 


Wenn  man  also  dit  ( inmdsteuer  auf  den  Wert  der  Grund- 
stücke legen  zu  wollen  erklärte,  ao  ist  das  im  wesentlichen  Spiegel- 
fechterei gewesen,  worüber  man  in  mafsgebenden  Kreisen  sich 
aacb  gans  klar  war. 

Der  „Grundstttckswert*'  war  der  R^l  nach  nur  eine  aus 
dem  Rohertrag  berechnete  Zahl  (ahgesehen  vom  Bauland  natttr- 
lich) ,  von  welcher  drei  resp.  später  zweiundein  halb  Prozent 
den  Cleldbetrag  der  Grundsteuer  ausmachten.  Aus  der  ganzen 
Einschätzung  ergiebt  sich,  dafs  mm  statt  der  iimstMnalichen 
Berechnung  einfach  erklären  konnte:  die  (1  r  u  n  d  st  euer  ist 
25*2*  (seit  1877  21 '4  Prozent)  des  festgestellten 
Geldwertes  des  Rohertrages  von  Ackerland.  An- 
derer Grundbesitz  ist  analog  einzuschätzen. 

Allerdings  besteht  der  Sch^,  ak  ob  der  Reinertrag  der 
Steuer  zu  (irunde  liege,  nach  Abzug  der  Produktionskosten. 
Aber  das  ist  auch  nur  Schein.  Von  dem  ermittelten  Rohertrage 
wurde  nUmlich  ein  fester  Abzug  von  15  Prozent  gemacht,  als 
Kosten  t\lr  Saatgut  und  Dünger.  Diese  beiden  Posten  sind 
selbstverständlich  nur  ein  T<  il  der  Produktionskosten.  Vor 
allem  ist  die  Arbeit  iilM  rhaupt  nicht  hf'rncksielitip-t.  Daher 
kommt  auch  die  \'orschnft,  dafs  die  Einnahme  des  selUst  wirt- 
schaltenden Eigentümers  mit  sechs,  die  des  vei*pachtenden  mit 
vier  Prozent  des  Grundsiückswertes  anzusetzen  sei.  Der  Unter- 
schied stellt  die  Vergütung  des  Bauern  flir  s^e  Arbeit  dar. 
Die  15  Prozent  sind,  auch  der  Absicht  nach,  nur  ein  Teil  der 
Plroduktionskosten.  Bei  der  Schwierigkeit,  den  Geldwert  des 
Düngers  ^Izustellen,  hat  man  diesen  Abzug  Uberall  gleichmälsig 
gemacht,  ganz  ohne  Rücksicht,  wieviel  »Saatgut  und  Dünger 
wirklich  kosteten.  Dadurch  sind  natürlich  bessere  Böden  be- 
günstijsrt»    schlechtere    benachteiligt.     Durch  Abzu.:^'^  einer 

solchen  gleichmäfsigen  Quote  wird  also  der  Charakter  der  Steuer 
als  Steuer  vom  Rohertrag  nicht  ^reiindert.  Zu  beachten  ist  dabei 
auch,  dafs  dieser  Abzug  von  15  Prozent  in  den  meisten  Fällen 
hinter  den  wirklichen  Kosten  von  Saatgut  imd  Dünger  zurück» 
hlnben  dttrfte.  In  den  von  Fesca'  mitgeteilten  zwd  Berech- 
nungen der  Produktionskosten  von  Reis  betragen  Saalgut  und 
Dttnger  in  einem  Fidle  38,  im  anderen  22  Prozent  des  Roh- 
ertrags. Im  Trockenfeld  kommt  nach  derselben  Quelle  meist 
ein  noch  höherer  Prozentsatz  auf  den  Wert  des  Düngers. 

Die  StfMier  wird  also  in  Wahrheit  erhoben  vom  Kohertra^^-, 
und  zwar  beträgt  sie  seit  1><77  '21'  ?  l'rozent  des  Rohertrages, 
nämlich  ein  Mertcl  von  85  Prozent,  oder  in  der  Formulierung 


*  Nämlich  drei  Zehntel  von  85  Prozent  de«  Rohertrages. 

^  M.  Fesca,  Amtlicher  r3>  ri  !it  iUmt  »lir  iandwirtscliat'tlirhen  Ver- 
hältnisse Japana  etc.,  Tokyo  1^>7,  8.  ti  und  Die  erste  Tabelle  eine 
amtliche  Darchftchnittsberecbnuug  aus  2  Fa  und  22  Ken,  die  mir  einiger- 
mafaeB  «nfeehtbar  erecheiiiti  die  sweite  Tabelle  ans  dem  YamanaBhi-ken. 


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572 


X  4. 


der  Gnmdsteuergesetzgebimg  2,»  Prozent  des  Zehnfachen  von 
85  Prozent  des  Rohertrages.  Durch  die  Zuschliige  (*  s  für  die 
BeBurke,  '  -  ftir  die  Genieinden,  2,3  Sen  für  den  Hulfefonds)  kann 
die  panze  Steuerlast  aber  ansteigen  bis  zu  beinahe  einem  Drittel 
des  Rohertrages  Prozent)  ^    Wie  oben  gezeigt,  ist  vor 

Begrenzung  des  ( i»  ineindezuschlags  in  manchen  Fällen  eine  noch 
grölsere  Quote  »  rhoben.  Nirgends  war  die  Grundsteuerbelastung 
weniger  als  ein  Viertel  des  berechneten  Roherträge*».  Dem  mit 
europltiMshen  SteuerreriillltDnMii  Bekaimten  mag  eine  Grund- 
ateuer  von  einem  Viertel  bis  einem  Drittel  des  Sohertrages  un- 
seheuer  erscheinen,  aber  in  Japan  darf  man  nicht  Tergeesen, 
aafs  vor  der  Reform  im  allgemeinen  höhere  Sätze  geölten  nab^ 
dad  drei  Zehntel  der  niedrigste,  f^nf  Zehntel  der  übliche  Sats 
war,  dals  ein  »Satz  von  sechs,  ja  sieben  Zehnteln  vorkam.  Aller- 
dings war  die  erliobon«-  Steuer  vielfaeli  tliatsiichlieh  etwas  nie- 
driger. Aljer  iunnerhin  nimmt  der  Berieht  über  die  Grund- 
öteueiTetorm  an,  dals  vor  der  Reform  im  1  >ureh.sehnitt  des  Landes 
vierzig  Prozent  der  Kokudaka,  der  Ertragseiuscliatzuug,  erhoben 
seien.  Demgegenüber  bedeutet  die  neue  Qrundsteuer  schon  eine 
merkliche  Elraiäfsigung. 

Es  ist  aber  noch  ein  weiteres  sn  beichten.  Die  bei  der 
KAtastrierung  berechneten  Erträge  sind  fast  durch- 
weg etwas  SU  niedrig.  Wie  sich  aus  der  oben  geeebenen 
Schilderung  ergiebt  (S.  r>S2),  beruhen  die  Flächenangaben  auf 
der  Vermessung  durch  die  SteuerpHichtigen  selbst^  Bei  der 
Nachmessung  liels  man  bei  Ackerland  Fehler  bis  zu  zehn  Pro- 
zent passieren.  Die  Hauern  werden  wohl  regclraäfsig  zu  ilir«^m 
eigeiH-n  Vorteil  sich  vennessen  hal>en.  Die  Zahlen  tiir  di.'  bei 
der  Ketbmi  erinitu  lte  FlUche  gelten  allgemein  als  zu  gering,  wie 
behauptet  wird  um  zehn  l^rozent^,  wohl  im  Anschlufs  an  die 
erwähnte  Fehlergrenze.  Thatsächlich  haben  die  nicht  einmal  im 
ganzen  Lande  yoigenommenen  Neuvermessungen  des  Acker- 
bndes  von  1886  bis  1889  eine  um  11  Prozent  grölsere  Fliehe 
ergeben,  woTon  wohl  nur  ein  kleiner  Teil  wurklicher  Zuwachs  ist 

Wie  die  Fläche  gelten  auch  die  ermittelten  Erträse  filr  viel 

zu  niedrig ,  sowohl  die  bei  Gdegenheit  der  Reform  als  die  seit- 
dem jährlich  ermittelten  Elrträge.  Das  rasche  ISteigen  der  land 
wirtschaitlichen  Produktion  in  den  letzten  Jahren  ist  wesentlich 
vwbesserter  Erlu'buni;  zuzuschreiben.  Während  die  amtliche 
Ermittelung  der  Reisernte  nieist  Zahlen  angab,  die  sich  tun  etwa 
30  Million<'n  Kokii  bewegten,  waren  die  Finanzbe^imten  schon 
seit  «fahren  der  Meinung,  dals  die  Reisenit*'  Japans  etwa  4" 
Millionen  Kuku  betragen  müsse,  eine  Zahl,  welche  die  amtlichen 
Angaben  für  1887,  ein  sehr  gutes  Elmtejahr,  ungefkhr  er- 


'  Nach  We^'^fall  der  /undila^o  für  den  Hülfsfoiids  81,tT  Prozent. 
^  Vgl.  z.  B.  R^m^  ätatiatique  Bd.  1      6  Aniu. 


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X  4. 


573 


reichen.  Wie  mit  Reis,  ist  es  mit  anderen  Produkten  gewesen. 
Man  wird  nicht  sehr  weit  fehl  gehen,  wenn  man  annimmt,  daik 
die  bei  der  nrnnd-^t^Mierrcform  zu  Grunde  gelegten  Ertrüge  um 
ein  Fünftel  l'is  <  in  Sechstel  zu  niedrig  waren.  Bei  der  eigen- 
tümlichen japaniselien  Art  des  „Zwiselienfruchtsystems bei  der 
Möglichkeit,  die  namentlich  im  Süden  häufig  gegeben  ist,  vom 
Reisfeld  noch  ein  anderes  Produkt  als  Vorernte  zu  gewinnen, 
mufs  die  Kontrolle  der  Ernteertrftge  für  die  Einaefaätzungskom- 
mlwionen  aulaerordentUch  schwierig  gewesen  sein.  Die  wirklich 
als  Steuer  erhobene  Quote  des  Rohertrages  bleibt  also  hinter 
der  oben  ermittelten  zurück.  Ist  der  wirkhche  Rohertrag  eines 
Stückes  Land  um  ein  Fünftel  höher  als  der  eingeschätzte,  so 
ist  die  Staatssteuer  nicht  mehr  21, 2r.,  sondern  17.7  Prozent,  gut 
ein  Sechstel.  Eine  gesamte  Steuerbelastung  von  beispielsweise 
angeblich  3'J  Prozent  des  Rohertrages  ist  tbataächlich  eine  solche 
von  25  Prozent, 

Weniger  als  die  milde  Einschätzung  dürfte  ein  anderer 
Punkt  die  Höhe  der  Steuer  beeinflussen,  dals  nämlich  Nrl)fii- 
nutzungen  gar  nicht  berücksichtigt  sind,  z.  H.  beim  Reisfeld  nur 
der  KVmerertrag,  nicht  das  Strui^.  Der  R^I  nach  wird  das 
keinen  sehr  erheblichen  Einflufs  auf  die  Beclmung  haben ,  ver- 
ringert  aber  immerhin  d«i  wirklichen  Steaersats  weiter  um  eine 
Kleinigkeit. 

Bei  der  Ertragsberechnung  des  Trockcnfeldes  ist  femer  zu 
beachten,  dafs  die  f^rtrfige  von  solchen  Kulturen,  die  sehr  viel 
wertvollere  Produkte  ergeben,  z.  ß,  Maulbeeren,  Thee,  Hanf,  Ai 
(Indigo),  bei  der  Ertragsberechnung  niclit  zu  Grunde  gelegt 
sind,  sondf-rn  .statt  ihrer  die  von  Reis  und  (Jerste  auf  benach- 
barten Feldern.  In  diesen  Fällen  ist  die  als  Steuer  erhobene 
Quote  des  Rohertrages  in  Wirklichkeit  viel  geringer,  ab  sie 
nach  der  EiDselialzung  erscheint-. 

Aus  der  bei  der  Katastricrung  befoljrten  ]Mf  tlio'ie  folgt  also, 
dafs  die  Steuer  in  Wahl  heil  eine  gei  iu^tre  i^uulc  des  Roh- 
ertrages in  Anspruch  nimmt,  als  aus  dem  Wortlaute  der  geseta- 
liehen  Vorschrinen  folgen  würde.  Nicht  au  tthersehen  ist  dabei 
allerdings,  dafs  diese  iMindereinschätzungen  wohl  nicht  gleich- 
mrilsig  stattgefunden  haben,  vielmehr  die  einzelnen  Landesteile 
und  noch  mehr  die  einzelnen  Grundstücke  wahrscheinlich  sehr 
ungleichmäisig  bevorsugt  sind. 


t  Nach  Fesca,  Berieht  u.  s.  w.  8.  7,  hracbte  die  Reisetroherate 

von  einem  Clio  auf  dorn  günstigsten  Markte.  Tokyo,  l.'i  Yen.  Das  wäre 
eine  Erhölning  des  liohertraf^ps  um  rund  ein  Fünftel,  wenn  man  die 
l'raujsport kosten  aufeer  acht  iiifst.  Anderwärts  wird  der  Wert  sehr  viel 
geringer  aeio. 

^  Die  von  Fesca,  Bericht  S.  13  und  17.  mitL^cteilte  Berechnung 
am  dem  Yamanasbi-ken  giebt  z.  B.  für  Ai  als  Rohertrag  260  Veo,  fUx 
Thee  204  Yen»  »r  Reis  (S.  8)  125  Yen. 


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574 


X  4. 


Schon  weiter  oben  f  S.  539  ff.),  aU  es  darauf  ankam,  die  neue 
Grundsteuer  mit  dei  alten  zu  vergleichen,  wurde  daraui  iun- 

fewiesen,  wie  weitreichend  die  Wirkung  der  Umrechnung 
er  Erträge  in  Geld  war.  Auch  nach  Beseitigung  der 
Währungswirren  und  Herstellung  des  Parikurses  stehen  die  Pro- 
duktenprdse  im  allgemeinen  hoher  als  zu  der  Zeit,  deren  Prebe 
der  Reform  zu  Grunde  gelegt  sind.  Dies  ist  gleichbedeutend 
mit  einer  entsprechenden  Entlastung  des  Grundbesitzes,  wie  ja 
überhaupt  die  Katastrierun«^  und  Festste! hin;:  der  »Steuer  in  Geld 
die  Wirkung  haben  mufs.  dals  jede  Steigerung  des  Ertra.^res 
(durch  Zunahme  der  Produktion  wie  Hebung  der  J 'reise)  eine 
verli;iluii.>iiiäisige  Entlastung  von  <  irun'lsteu<'r  mit  bieh  briugt. 
Die  ganze  neueste  Entwickelung  Japans  muit»  mächtig  in  dieser 
Hinsicht  wirken,  namentlich  auch  die  Hebung  des  Vericehrs- 
Wesens.  Alles  dieses  aber  wirkt  wieder  sehr  ungleichmftTsig. 
Von  vornherein  ist  klar,  dafs  die  Grundstücke  mit  greisen  Roh- 
erträgen und  gutem  Boden  beim  Steigen  des  Preises  vielmehr 
Kutzen  h  l  II  als  die  dürftigen  Böden  mit  knappen  Roherträgen. 
Ferner  hat  die  Hebung  der  Preise  in  Japan  in  den  einzdnen 
Gegenden  des  Landes  insofern  ungleich  gewirkt ,  mIs  die  Preise 
in  den  versehiedenen  Landesteilen  in  sehr  versehiedi  ner  Weise 
gestiegen  sind.  Von  vornhert  in  war  die  P\'sLstelluug  der  der 
Steuerreform  zu  Grunde  gelegten  Produkteupreise  unvollkommen. 
Wie  bereits  ausgeführt  (S.  541  ff.\  ist  femer  die  Preissteigerung 
um  so  grölser  gewesen,  ie  entlegener  und  abgeschnittener  vom 
Verkehr  eine  Gegend  frtmer  war.  In  den  mittleren  Teilen  der 
japanischen  Hauptinsel  ist  die  so  bewirkte  Erleichterung  sehr 
unbedeutend  gewesen,  hier  und  da  Uberhaupt  nicht  eingetreteo, 
w.HhreTi  l  in  einigen  Bezirken  (im  Norden  und  Vamaguchi)  eine 
Erleichterung  um  durchschnittlich  ein  Drittel  bewirkt  ist.  Efw'as 
ist  diese  TJngleichmärsigkeit  durch  die  Katisterrevision  von 
1885  89  verringert,  aber  doch  nicht  ganz  beseitigt. 

Endlich  muls  diese  Entlastung  auf  die  einzelnen  Grund- 
besitzer aufeerordentÜch  verschieden  gewii'kt  haben,  je  nach  der 
Zeit,  in  welcher  sie  ihren  Orundb^itz  erworben  haben.  Die 
Zeit  der  Papiergeldentwertung  hat  auch  hier  sehr  stttrend  ge- 
wirkt Wer  zu  der  Zeit  Grundbesitz  erworben  hat,  als  der  Koku 
Rds  10  Yen  brachte  und  danach  seine  Berechnungen  gemacht  hat, 
war  vier  Jahre  später  bei  eii  f  iti  Preise  von  5  Yen  in  schlimmer 
Lage.  Dagegen  nahen  die  zaldrcichen  Besitzänderungen,  welche 
geg.  n  das  Ende  d<T  wirtschaftliehen  KHsis  1^^S4  ^f)  zur  Zeit  <]vr 
tiulsten  Entmutigung  vürgekonimen  .sind,  zu  so  niedrigen  i'rei>eu 
stattgefunden,  dafs  für  die  damaligen  neuen  Erwerber  die  Grund- 
steuer keine  selu:  fühlbare  La.st  sein  kann,  um  so  mehr,  als  auch 
die  kommunalen  Zuschläge  seitdem  sich  vermindert  haben.  Diese 
neuen  Grundbesitxer  stehen  zu  der  Grundsteuerlast  in  einem 
ganz  anderen  Verhältnis  als  die,  welche  ihren  Besitz  von  froher 


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575 


behauptet  oder  gar  zur  Zeit  der  Hausse  um  1880  erworben 
haben. 

Überliaupt  bestätigt  die  japanische  Erfahrung  auch  nur 
wieder  die  bekannte  Thatsache,  dafs  jeder  Kataster  rasch  ver- 
altet, dals  in  kurzer  Zeit  groise  T'^nLdeichheiten  entstehen. 
Gerade  in  Japan  mit  seineu  rasclien  Änderungen  im  Verkchi-s- 
wesen,  in  der  Produktion,  kann  man  da^  gut  beobachten.  Aus 
den  Gegenden  der  ra^cii  gewachsenen  Seidenkultur  kommen 
selten  Klagen.  Ebensowenig  aus  den  Städten  Für  diese  stimmt 
die  Einschätzung  Tielerwttrts  schon  lange  nicht  mehr  mit  dem 
Werte.  In  Tokyo  mnd  gegenwärtig  die  Preise  der  Ghrundstficke 
fUnf  bis  sechsmal  80  hoch  als  der  Steuerwert. 

Dafs  der  japanische  Kataster  ein  Parzellarkataster 
ist,  hat  den  Nachteil  eines  jeden  solchen,  dafs  die  Steuerein- 
B^^^'bätzunir  keine  Rücksicht  nimmt  auf  dir»  Lin^e  des  Grund- 
stückes zum  Ilau«Tnliot'.  Do<  li  dürfte  das  ;L;erade  in  Japan  nicht 
viel  ausmachen,  seiion  \Nei;fn  der  Kleinheit  der  Bauernwirt- 
schaften. Soweit  meine  I^ieol  achtimg  geht,  hat  der  Bauer,  ab- 
gesehen von  besonderen  La^tu.  z.  B.  im  Gebirge,  der  Regel 
nach  keine  sehr  wdten  Wege  zum  Feld.  Bdm  Wald-  und 
Grasland  macht  sich  das  eher  geltend.  Bei  den  japanischen 
EigentumsverhSltnissen,  der  Mischung  von  selbstbewirtschaftetem 
und  sugepachtetem  Lande,  ist  auch  ein  anderer  als  ein  Parzellar- 
kataster kaum  denkbar.  Die  japanischen  Pai*zellen  sind  durch- 
schnittlich im  Vergleich  mit  europäischen  sehr  klein.  Von  Acker- 
und  Bauland  wurden  bei  der  StcTiorreform  8^440000  Parzellen 
ermittelt  mit  einer  durchschnittlit  iien  (Trölse  von  '>  r>  Are,  die 
aber  in  den  Fiezirken  ^liyagi,  ishikawa.  ^'am;ulai>hi  und  Fuku- 
shima  auf  2  und  3  Are  sinkt  und  bich  erheblich  über  den 
Landesdurchschnitt  nur  in  Iwate,  Shizuoka  und  Aomori  auf  10, 
13  und  14  Are  erhebt  Von  Waid-  und  Grasland  enthält  der 
Bericht  keine  Angaben  Über  die  Parzellenzahl  ^.  Die  groise 
Zerstlickelang  des  Grundbesitzes'  bat  begreiflicherweise  die 
KaUistrierung  einigernialsen  erschwert  und  ist  einer  der  Grttnde 
für  deren  hohe  Kosten. 

Erleichternd  im  Vergleich  mit  europäischen  Katasterauf- 
rtnhmen  mulk  die  ( Jhnchniälsigkeit  japanischer  Besitz-  und  Wh'f- 
§1  lialtsverhähnisse  ;;ewirkt  haben.  Bei  schwer  einzuachätz«  iideri 
Kulturen  umgini;  man  die  Schwierigkeit  sein-  einfach,  indem 
man  die  benachbarten  Reis-  und  GeiaLckuitureu  zu  Grunde 
legte. 


'  Für  Ende  1^**:?  ir'wht  d\i-  Forptstntistik  für  Altjapau  ohiio  Ibaraki, 
Tnchipn  Vamagata,  Osaka  und  Wakayama  1162ii01.S  Parzellen  an,  lf<M7 
für  ganz  Al^apan  1')  70f>  00:;  Parzellen,  was  bei  einer  Fläche  von  7  44-')  018 
Cho  noch  nicht  eiiieji  halben  Cho  auf  die  Parzelle  ermebt. 

'  Sclbsf  in  Frankreich  ist  die  dnrcli-ifhnittliclie  ParzeUengröfse 
doch  41  Are.    A.  Wagner,  Finanzwisseuschaft  III  410. 


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576 


Welchen  Ein  flu  Ts  hat  nun  die  Einschätzung  zur  Qnmd- 
Steuer  auf  die  wirtschaftlichen  Verhältnisse? 

Die  iSteuer  ist  eine  Abgabe  vom  Rohertrage,  und  zwar  eine 
recht  hohe,  ein  Fünftel  bis  ein  \'iertel  des  Rohertrages  in  An- 
spnieh  nehmend.  Sie  hat  alle  Schattenseiten  einer  Abgabe  vom 
Roherträge,  vor  allem  die  Ungleichheit  der  Belastung  bei  ^utem 
und  sdileehtem  Boden ,  gUnstieen  und  ungünstigen  klhnatuchen 
VerhiÜtnissen  a.  s.  w.  Die  Gleichinäfiagkeit  des  in  ganz  Japan 
befolgten  Wirtschaftaflystema  macht  allerdings  die  ESnschätzung 
nach  dem  Rohertrag  etwas  weniger  bedenklich.  Ebenso  der 
Umstand^  dafs  im  wesentlichen  die  Einschätzung  nur  auf  den 
Roherträgen  der  wichtigsten  Körnerfrüehte  beruht,  Reis.  Oerste, 
Weizen,  daneben  aueh  Bohnen  um\  Hirse,  nicht  aber  auf  dea 
hohen  Roherträgen  der  Handelsgewachse. 

Es  wäre  interessant  zu  wissen ,  nie  hoch  die  Belastung  dea 
Reinertrags  in  Japan  sich  stellt.  Die  \orliegenden  Materialiea 
sind  aber  bis  jetzt  kaum  der  Art,  dal's  wirklich  ein  ^enauea  Ur» 
teil  abgegeben  werden  konnte.  Der  Wert  der  amthchos,  vcm 
IwdwirtscbaMchen  Miniaterium  ▼erOffsndiehten  Durcfaflcfanitti- 
berechnungen  erschdnt  mir  aehr  zweifelhaft.  Die  von  Fesca 
gesammelten  beachtenswerten  Berechnungen  beziehen  sich 
doch  nur  auf  einzelne  Fälle.  Darin  scheint  mir  aber  Fesca  ^ 
franz  reeht  zu  haben,  dafs  eine  rein  geldwirtschaftliche  Be- 
rechnung der  Produktionskosten  und  öffentlichen  Lai^ten  beim 
Reisbau,  dem  wichtigsten  Teile  der  japaiii dien  Landwirtschaft, 
der  Regel  nach  einen  Reinertrag  überhaupt  nicht  tlbrigläfst. 
Wie  wir  sahen,  lälst  beim  Reisfeld  die  Steuerberechnung  nur 
70  bis  75  Prosent  (thatsächlich  75—80  Fh»ent)  dea  KOmer- 
ertnges  dem  Bauern  ftlr  die  gesamten  PhKluktionakoatoi  und 
die  Verzinsung  seines  Kapitals  reap.  Grundrente.  Beim  Trocken- 
feld  stellt  sich  im  Durchschnitt  aer  verschiedenen  Kulturen  das 
Verfattltnis  allerdings  erheblich  günstiger.  Dabei  ist  nun  filr  die 
volkswirt^chaftliehe  ßctraelitiing  des  wirk  liehen  Zustandes  Fol- 
gendes niclit  zu  übersehen.  In  seiner  kle  inen  Wirtseliatt  .-irHeitet 
der  Bauer  mit  seiner  Familir,  Enio  Mriige  Zeit,  der  Famiiien- 
^diefler  namentlich,  welche  anderweit  ^^ar  nicht  auszunutzen  wäre, 
wird  in  der  Wirtschaft  nützlich  verwendet.  Die  Arbeit  verteilt 
sich  fast  über  das  ganze  Jahr  ziemlich  gleichmäfsig.  Die  ver- 
wendete Arbeit  kann  man  daher  nicht  in  der  Hohe  der  Löhne 
der  nicht  gleichmftfsig  beschäftigten  Tagelöhner  in  Ansati 
bringen.  Femer  ist  zu  beachten  das  noch  weite  Vorwiegoa 
der  Naturalwirtschaft.   Eine  Berechnung  der  Steuerlast  für  den 


^  Bericht  über  die  laudwirtscbattlichen  Verhältnisse  Japans  etc. 
1887.  —  Die  landwinsebaftltchen  Verhältnisse  der  Rai-Pirotfaiz  (Ytma- 

UHshi  -keu)  in  Beziehung  zu  denen  des  japanischen  Reiche«,  in  „Mittei- 
luTiir^  n  <\i^r  Dentschen  GeseUschaft  für  Natur-  and  Völkerkunde  OstasieDS'' 


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577 


Reinertra^^  jrder  Parzelle,  zur  Feststellung  der  landwirtschaft- 
lichen Jientabihuit  au fserord entlich  wichtig,  ^ieht  von  dem  wirk- 
lichen Steuerdruck  kein  richtiges  Bild  Der  Bauer  betrachtet 
seine  \\'irtschaft  als  ein  Ganzes.  Im  wesentlichen  stellt  sich 
dann  die  Recbiiun^  so,  dafs  er  den  Ertrag  des  Trockenfeldes 
(Oerste,  Weizen»  Birse,  Knollenirttchte,  Bohnen)  selber  aufifst) 
den  Bambus  mit  seiner  tausend&ltigen  Verwendung  selber  zieht, 
den  Sake  zum  Haustrunk  selbst  braut,  dafs  die  Frau  die 
Rinder  spinnt  und  webt  u.  s.  w.  Geld  braucht  er,  um  die 
Stf-nern  7m  zaldcn ,  Salz,  eiserne  Tleräte,  unter  Unistindcn  auch 
manclie  Zuthatcn  zur  Nahrung,  wie  Seeprodukte,  Soja,  besseren 
Sake,  Tabak  zu  kaufen,  /n  Pilgerfahrten  u.  s.  w.  Das  Geld 
schafft  er  sich  durcii  Verkaufen  der  Reisemte,  durch  Weiter- 
veraibeitung  landvvirtacliaftlicher  Produkte,  wie  Seide,  Thee, 
Papierbast,  Hanf  u.  s.  w.  Dazu  kommen  Nebenverdienste 
dnreh  Fischerd,  Wald-  und  Wegearbeit,  Vermieten  des  Pads- 
pferdea  oder  Stieres.  Weit  verlMreTtet  sind  hausindustrielle  Be- 
schäftigungen, namentlich  der  Frauen  durch  Weberei,  Sandalen- 
flechten und  Ahnliches.  Die  japanische  Grundsteuer  mit  ihrer 
hohen  Quote  des  Roliertrages  ist  eine  Besteuerung  der 
ganzen  wirtschaftlichen  Kxi  Stenz  des  kleinen 
japanischen  Bauern'.  Sie  ist  nach  ihrer  that8<ächHchen 
^^'irkuDg  nicht  rein  eine  Grundsteuer,  sondern  eine  allgemeine 
Steuer,  man  könnt«-  sn<xen  eiue  rohe  Form  der  Vermögenssteuer 
und  nur  möglich  durch  die  arbeitsintensive  Kleinwirtschaft. 

Daraus  ergeben  sich  yerschiedene  Folgen.  Vor  allem 
die  Erschwerung»  wo  nicht  Unmöglichkeit  des  Grofebetriebee. 
Wollte  man  einen  Groisbetrieb  einrichten  mit  voll  bezahlten 
Arbeitern,  bei  welchem  die  soigfältige  Ausbeutung  alier  mög- 
lichen kleinen  Nebennutzungen  und  Nebenerwerbe  wegfiele,  bei 
welcliem  ein  ^Töfseres  Kapital  an  Vieh,  (ierat<'n,  Meliorationen 
zu  verzinsen  wiire,  ea  wtirde  sich  das  sicher  nicht  rmtirren. 
l)as  japanische  Steuersystem  ist  hervorgewachsen  aus  der  Klein- 
wiitr>ciiaft.  i's  ist  aber  auch  ein  Hauptfaktor,  um  den  rhergang 
zu  anderen  Wirtschaftssystemen  zu  erschweren,  ja  unmöglich  zu 
machen  -'. 


*  Ebeusow^ig  wie  den  Bauer»  wird  die  SteuerbclastuBg  denieoigen 
klar,  welebe  nebenher  etwas  Landwirtschaft  betreiben.  Die  Zahl  dieser 

ist  aafeerordentlich  grofs.  Nicht  nur  auf  dem  Lande,  auch  in  deu 
kleinereD  Städten  tr'iht  »-in  grafpfr  Tri!  der  Haudwcrkcr.  Kilhnci,  Oaet- 
wirte  o.  a.  w.  nebenher  ein  wenig  Ackerbau.  Die  darauf  veiweudeto 
Zeit  und  Arbeit  wird  von  den  Leaten  überhaupt  nicht  b.  rechnet.  Von 
den  für  Ende  \>^>^i)  angeriebenen  landwirt><t'hafthchen  Haushaltungen  kam 
ein  I>rittel  auf  solche,  welchen  die  Landwirtschaft  nur  Nebenberuf  ist, 
und  von  diesen  waren  mehr  als  die  Hälfte  selbstwirtschaftende  Eigen- 
tttroer. 

-  Da.s  Hrnvi  hen  des  Kleinbetrieben,  im  wesentlichen  ohne  bezahlte 
Arbeiter,  ist  übrigens  auch  der  Grund,  weshalb  das  stattgehabte  Steigen 
der  ArbeitBlOlme  fnr  diese  VerhlUtDiMe  keine  diiekte  Bedentong  bat. 
FortcbuQg^n  <45)  X  4.     R«thg»n.  37 


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578 


JL  4. 


Weiter  hat  die  Grundsteuer  einen  erheblicheii  Anteil  dum, 
dafs  die  Pachtverhältnisse  fUr  den  Pächter  so  ungünstig,  die  vom 
Pächter  zu  zahlende  Paclit  so  hoch  ist.  Die  Pacht  mufs  hoch 
sein ,  wenn  der  Eigentümer  nach  Zahlung  (\gt  Steuern  noch  ftir 
sich  eine  Rente  behalten  vnW  Im  Verf:leicli  mit  der  landes- 
übiichen  Verzinsung  ist  die  Rente  ohnehin  niedrig  genug.  Die 
Rente  von  Grundbesitz  ist  in  allen  sehr  dicht  bevölkerten 
Ländern  mit  Kleinkultur  verhältnismUfsig  gering.  In  Japan 
ma&te'sich  das  noch  besonders  ausprügen,  wdl  bu  in  die  aiW- 
neueste  Zeit  hinein  der  Erwerb  von  Grundbestta  die  einaige  Art 
war,  Ersparnis  mit  einiger  Sicherheit  nulabringend  anzmegen, 
und  weil  aus  dem  social  am  geringsten  angesehenen  Kaufmanoa* 
Stande  eine  ununterbrochene  Nachfrage  nach  dem  EIrwerb  von 
Grundbesitz  kam,  um  in  den  dem  Soldaten-  und  Beamtenstand 
zun  [i(  hat  stehenden  »Stand  der  Hyakusho  (Bauern)  sich  zu  er- 
heben. 

Der  Pächter  seinerseits  kann  bei  der  hohen  Quote  des  Er- 


die  arbeitsintensive  Zwergwirthcliatt.  Lad  auch  so  ist  daa  Ver- 
hältnis vielfach  nur  mÖgUch  durch  die  der  Regel  nach  noch  be- 
stehenden patriarehaliscnen  Beziehungen  ziviseben  Püchter  und 
Eigentttmer.  Die  Sitte,  die  in  Japan  me  so  starke  Macht  aus- 
ttlSy  Veriulgt  vom  Eigentttmer,  dais  er  den  Pächter  in  Koda^en 
unterstütze.  Die  Austreibung  des  nichtzahlenden  Pächters  wird 
im  allgemeinen  gemilsbiiligt  und  vielfach  mufs  der  Eigentttmer 
den  Pächter  sitzen  lassen .  weil  f^r  <*inen  neuen  Pächter  nicht 
linden  wiirdc  \on  den  Nachbarn  übernimmt  keiner  die  Pacht 
und  ein  Urtstremder  würde  sich  nicht  hineintraueu.  Hier,  wie 
so  oft  in  Japan,  mildert  die  Sitte,  was  auf  den  ersten  Blick  und 
nach  dem  Buchstaben  des  Gesetzes  als  Härte  eröcheiot  Dafs 
das  bei  wadisender  Ausdehnung  der  Geld-  und  Vei^ehrswirt- 
schafky  bei  annehmender  Verschärfung  des  Konkurrenzkamplea 
sich  ändern  wird,  ist  freilich  anzunehmen. 

Soweit  man  in  Japan  von  Japanern  selbst  ELigen  Uber 
die  Grundsteuer  hört,  richten  diese  sich  im  allgemeinen  nicht 
gegen  die  Höhe  der  Grundsteuer.  Man  ist  die  Grundsteuer  seit 
alters  gewöhnt.    Der  Bauer  weifs  es  nicht  anders ,  als  dafs  er 

ein  Arbeiter  in  bescheidener  T^M^re  ist  wie  analere  Arbeiter  auch. 
Was  sollte  er  denn  sonst  anfangen?  Kr  liat  ja  aucli  koin 
Kolleg  tlber  theoretische  Nationalökonomie  yeliurt.  won  ich  er 
seinen  Reiu<;ewiun  berechnen  und  in  einen  anderen  Bend  über- 
gehen sollte,  wenn  er  sieht,  Uals  er  in  seinem  Gewerbe  mit  \  er- 
hist  arbeitet.   Wenn  die  Dinge  so  einfach  wären! 


Immerliin  kaun  rnaii  aber  ^:\'^rx\ ,  dafs  dadurch  die  Sfelluii^^  des  japa- 
nischen Bauern  im  Vergleich  zum  Lohnarbeiter  noch  etwas  schlechter 
erscheint 


trjigs ,  welche  er  abgeb 


eben  auch  nur  existieren  durch 


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X  4. 


579 


Was  vrirklich  Riagen  yeranJafat  hat,  ist  der  Druck,  welchen 
die  Art  der  Zahlung  aiuttbt.  Die  Klagen  ttber  die  KOrse  der 
Steuertermine  sind  verstummt,  seit  1885  gleichzeitig  die  Termine 
▼erlftngert  und  mit  der  guten  Ernte  ienes  Jahres  bessere  Zeiten 
gekommen  sind.  Der  Druck,  welchen  die  Einführung  der 
Steuerzahlung  in  Geld  veranlafst  Iiat,  ist  dag^n  immer 
noch  nicht  überwund (^n. 

Zur  Zeit  der  Gruiidsttuerreform  lierrschte  in  dem  gröiseren 
Teile  Japans  Naturalwirtschaft,  Hauswirtschaft.  Dabei  war  der 
Wertmesser  nicht  sowohl  das  spärlich  umlaulieude  Geld  als  der 
Koka  Beis,  in  welchem  bis  dahin  Gdiftlter,  Steuern,  Pacht  v.  s.  w. 

rhlt  wurden.  Die  Steuerreibnn  setzte  an  Stelle  des  Rdses 
neue  Landeswährung.  So  sehr  das  der  Ftnanaverwaltung 
für  ihre  eigene  Ordnung  erwünscht  war,  so  ungewohnt  war  es 
dem  Bauern.  Bisher  hatte  ihm  die  Landesherrschaft  direkt  den 
Reis  als  Steuer  abgenommen.  Wnn  diese  mit  dem  Reis  machte, 
den  sie  nicht  selbst  in  natura  auszahlte,  wann  und  wo  sie  ihn 
verkaufte,  darum  hatte  sich  der  Bauer  nicht  zu  kümmern.  Jetzt 
wurdr  auf  eiiuiial  auf  ihn  die  ganze  Sorge  gewalzt,  seinen  Ueis 
m  Bargeld  umzuwandeln,  damit  er  seine  Steuern  zahlen  könne. 
Früher  hatte  er  wohl  manche  Schererei  gehabt  wegen  der  Qu^tät 
des  Reises,  Vermessung  und  Verpackung  u.  s.  w.,  aber  das 
waren  längst  bekannte  PhM^uren,  bei  denen  man  nur  mit  den 
landesherrlichen  Beamten  zu  thun  hatte.  Jetzt  sollte  der  kldne 
Bauer  dem  Komhändler  gegen  iibertreten,  der  ihm  durch  Gewandt- 
heit, Kenntnis  der  Marktverhältnisse,  durch  Kapitalbesitz,  in  der 
Regel  auch  durch  Gewissenlosigkeit  weit  überlegen  war.  Ohne 
jede  Vorbereitimg  wurde  der  Bauer  gezwungen,  selbst  zu  ver- 
kaufen und  zwar  «ofort  zu  verkaufen,  um  jeden  Preis,  den  er 
erhalten  konnte.  Der  Keishändler  konnte  warten,  wenn  ihm  der 
Preis  nicht  paCste,  der  Bauer  konnte  nicht  warten  Er  hatte 
kein  Baigela,  um  die  Steuer  su  zahlen.  Geld  zu  dem  Zwecke 
zu  leihen,  war  nur  fiir  unsinnige  Zinsen  m(%lieh.  Und  Geld 
mufste  er  haben,  dt  nn  unmittelbar  nach  der  £2mte  drängten  diu 
Steuertmiine.  im  Konkurrenzkampf  zwischen  Bauerund  Händler 
war  jener  also  in  jeder  Hinsicht  der  Schwächere.  E.s  ist  kein 
Wunder,  dafs  der  Zwang,  die  Steuer  in  Geld  zu  zahlen,  bittere 
Unzufriedenheit  weckte.  Diese  würde  sicher  noch  sehr  gewachsen 
rt<'in,  wenn  nicht  ein  Umstand  eingetreten  wäi'e,  der  zeitweise  die 
Stellung  der  Bauern  zur  günstigeren  machte:  das  Sinken  der 
Valuta.  Wie  das  Papier  Hei,  so  stieg  der  Reis.  Der  \' orteil 
war  jetzt  auf  selten  des  Bewsbesiteers.  Jeder  spekulierte  auf 
weiteres  rasches  Stögen  der  BetBprdse«  der  Kaufmann  hatte  es 
jetzt  eiHg  zu  kaufen,  der  Bauer  hielt  mit  seinen  Reisvorraten 
zurück,  gab  nur  soviel  her,  als  er  unbedingt  mulste.  Zur  Be* 
Zahlung  seiner  gleichbleibenden  Steuer  brauchte  er  aufserdem 
weniger  Rei.s  auf  den  Markt  zu  bringen.  Anderseits  wuchs  bei 
dem  der  InÜation  folgenden  äktiven  Wohlstand  die  Nachirage 

37» 


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580 


nach  Reis  zum  direkten  Verbrauch  wie  für  dir  Sake  brauerei ' . 
Sowie  der  Geldwert  wieder  anhaltend  stieg,  trat  natürlich  die 
umgekehrte  Bewegung  eiii,  der  Bauer  war  mehr  nh  je  im  Nach- 
teil. Auch  waren  die  Klagen  und  die  wirkliihen  Ltiden  des 
Bauernstandes  grofs.  Immerhin  hatte  die  Zwischenzeit  bewirkt, 
da&  die  Bauern  nicht  mehr  so  ganz  tmeifahren  dastanden.  Auch 
der  Reiflhandel  hatte  sich  den  neuen  Verhaltnissen,  dem  massen- 
haft fiber  das  Land  verbreiteten  Angebot  ganz  kleiner  Mengen, 
mehr  angepafst.  Dies  und  die  Verbesserung  der  Verkehrsmittel 
führte  überschüssige  Reismengen  leichter  als  früher  grol'sen  Städten 
nnd  den  AusfuhrhHfen  zu.  So  ist  es  gekommen,  dafs  die  Reis- 
preise (und  nacli  ihnen  richten  sicli  im  Nvesentlielien  die  anderen 
Produktenpn  iso,  natürlich  nicht  die  der  Ilandelsgewnchse)  nii  gendi 
dauernd  und  aiicii  vorübergeliend  nur  in  einigen  (Jegenden  auf 
diis  Niveau  der  Trcise  zurückgegangen  sind,  welche  der  Berecimung 
der  Steuer  zu  Grunde  gelegt  waren.  Immerhin  liegt  auch  jetzt 
darin,  dals  der  kleine  ätuer  gezwungen  ist,  sich  rasch  nach  der 
Ernte  bares  Geld  zu  verschaffen,  einer  der  bedenklichsten  Punkte 
des  japanischen  Grund  Steuersystems,  der  meiner  Meinung  nach 


dem  Herabsinken  der  kleineren  Eigentümer  zu  Pächtern  die 
Onmdsteuer  mitwirkt,  geschieht  das  nicht  direkt.  Die  Exekutionen 
betreffen,  wie  wir  sahen,  nur  unbedeutende  l'läc  lien  und  Summen. 
Dazu  hat  viel  mehr  beigetragen,  dafs  sich  rler  Bauer  eben  bares 
Geld  verschaffen,  seine  Ernte  verschleudern  oder  zu  \\  ucherzinsen 
Schulden  machen  mufste. 

Können  wir  im  einzelnen  schwer  feststeilen,  wie  grofs  die 
Belastung  durch  die  Grundsteuer  ist,  so  giebt  es  doch 
Mittel,  wenigstens  anntthemd  ein  Bild  von  der  im  ganzen  vor- 
handenen Belastung  zu  geben. 

Ende  1886  waren  in  Japan  7  747  115  Haushaltungen  Von 
diesen  bescliäft igten  sich  mit  Landwirtschaft  5  518040,  das  sind 
gut  71  Prozent.  Im  selben  Jahre  betrug  nach  Abrechnun<r  der 
Stempel,  Nax^hzahlungen  und  der  .Steuer  vom  slädtiseln  n  H;ndnnd 
die  Grundsteuer  40862  345  Yen.  Für  jede  landwutaeliatilu  he 
Haushaltung  macht  das  durchschnittlich  7  Yen  41  Sen,  Setzen 
wir  diejenigen  Haushaltungen ,  welche  die  Landwirtschaft  als 
Nebengewerbe  betreiben  —  nämlich  1828188  —  mit  der  Hfllfte 
an,  so  zahlte  die  Haushaltung  mit  Landwirtschaft  als  Hauptberuf 
0  Yen  7  Sen,  die  mit  Landwirtschaft  als  Nebenberuf  4  Yen 
r>4  Sen.  Oder  lassen  wir  die  letztere  durchschnittlich  nur  ein 
Drittel  von  d^r  Srcuerleistimg  zahlen,  so  kommen  auf  di«-  »T-te 
9  Yen  51  Sen,  auf  die  letzte  Yen  17  Sen.  Eme  solcl»^-  Durc  h 
schnittsberechnuDg  ist  natürlich  sehr  anfechtbar,  immerbin  bei  der 


^  Letztere  von  1876  bis  1879  auf  dss  Doppelte.  Über  die  Abnsbme 
der  sur  Steaersahlung  nötigen  Rdsmenge  oben  8.  «539  und  542  f. 


Soweit  bei 


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581 


nicht  bo  sehr  verschiedenen  Gröfse  bäuerlicher  irtechaften  in 
Japan  zulässiger  als  in  einem  anderen  Lande. 

Wenn  die  jammiflche  Grundsteuer,  wie  ich  oben  sagte,  eine 
Art  allgemeiner  Vermögens-  imd  Erwerbssteuer  ist,  so  konnte 
ed  ungereclit  erscheinen,  da(s  eine  seiche  Steuer  nur  auf  einem 
Teile  der  Bevölkerung  ruht.  Aber  es  Ist  su  bedenken,  dafs  es 
beinahe  drei  Viertel  aller  Haiisli-dtuTigon  sind,  welche  von 
ihr  betrotlen  werden,  direkt  oder  iiuUrekt.  Denn  dal's  auch  den 
Päihter  der  Diuck  stiirk  mitti'itl't.  habe  ich  zu  zeigen  gesucht. 
Durch  die  Uruudsteuer  vom  städtischen  ßauland,  diireh  die  Be- 
zirks- und  Gemeiudegevverijcbteuern,  durch  die  Gebüudeateuern 
der  grofsen  Städte,  neuerdings  auch  durch  die  Einkommensteuer 
wer&n  doch  auch  die  anderen  Klassen  der  Bevidkerung  einiger- 
mafsen  herangeholt  zur  direkten  Steuerlast.  Auch  7on  den  in- 
direkten Steuern  dürfte  auf  diese  Terhältnismftfsig  ein  grODserer 
Anteil  kommen. 

Es  ist  zu  bedenken,  dafs  die  l'i-odukti'^n  des  Landes  eine 
ganz  überwiegend  landwirtschaftHche  ist,  wie  die  Zusammensetzung 
(h'r  Allstuhr  und  vieles  andere  zeigt,  (  irolse  Summen  sind  einst- 
ueiicii  in  Ja^an  Dur  aulzul)ringen  durch  starkes  Heranholen  der 
land wir löchattlichen  lie vülkerung. 

Wie  grolö  ist  nun  wohl  der  Anteil  an  der  landwirtschaft- 
lichen Produktion,  den  der  Staat  für  sich  in  Anspruch  nimmt? 

Betrachten  wir  zunftchst  das  Reisland  für  sich.  Die  Steuer 
davon  bt  rund  30  Millionen  Yen.  Ist  die  Produktion  nun  40 
Millionen  Koku,  so  würde  die  Steu(  r  auf  den  Koku  75  Sen  be- 
tragen. Bei  einem  Reispreise  von  4  Yen  50  Sen  wäre  das  ein 
Sechstel  des  Ertrages  (dasselbe  Ergebnis,  zu  dem  wir  oben  S.  573 
kamen);  l)ei  einem  Keispreise  von  5  \  en  '25  Sen  aber  ein  Siebentel. 

Die  amtlich  erhobenen  Keispreise  im  Durchschnitte  des  ganzen 
JLaudu»  waren 

1884  4,71  Yen 

1885  5,8«  - 

1886  5,u  - 

1887  4,71  - 

1888  4,8T  - 

1889  5,5«  - 

Der  Durdischnittspreis  sAmtlicher  ReisbOrsen  war 

1884  4,s7  Yen 

1885  5,«»  - 

1886  5,00  • 

1887  4,«4  - 

1888  4,81  - 

Die  wirkliche  Belastung  ist  aber  geringer,  da  nur  die  Ernte 
an  Beia  in  Betradit  gesogen  ist,  aber  nicht  aUe  sonstigen  Nutzungen, 
vor  «Ilem  (auCser  dem  Stroh)  die  yielfisush  yorkommende  Erzielung 
einer  zweiten  Ernte  (Gerste,  Bohnen  u.  s.  w.)  YOm  Bdsfelde. 


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582 


Fttr  das  Trockenfeld  kann  man  eine  entsprechend  einfache 
Berechnung  wegen  adner  mannigfachen  Benutzung  nicht  machen. 

Nehmen  wir  nach  einer  rohen  Schützung  den  Wert  des  Er- 
trages der  japanischen  Landwirtschaft  zu  350  Millionen  Yen  im 

J&hrc  an  imn  flie  auf  ihr  ruhende  Staatssteuer  zu  40  ^tiUionen, 
so  würde  dieae  etwa  IP  2  Prozent  d^r  landwirtschaftlichen  Pro- 
duktion in  Anspruch  nehmen,  gut  den  neunten  Teil.  Bei  durch- 
schnittHch  40  Prozent  an  Zuschlägen  aller  Art  wäre  die  gi&imte 
Ueliistung  10  Prozent  oder  knapp  ein  Sechstel  der  Proauktion. 
Ich  fldaube,  dals  diese  Schätzung  nicht  sehr  weit  entfeint  ra 
der  Wahrheit  sein  kann. 

Ein  anderer  Weg,  die  Wirkung  der  Grundsteuer  zu  enuittdoi 
iit  der  Vergleich  der  eingeschätsten  Grundsteuer- 
werte  mit  den  wirklichen  Preisen.  Im  allgemeinen  wäre 
damit  auch  eine  Art  Kontrolle  gegeben  flir  die  mchtigkeit  der 

Katastrierung,  wenn  wir  nicht  schon  wüfsten,  dafs  der  sogenannte 
Grundsteuerwert  eine  willkürlich  aus  dem  Rofifrtrag  abgeleitete 
Zahl  ist.  Wohl  hat  aber  ein  Vergleich  der  Urundstückbpreiue 
mit  dem  Steuerwert  insofern  Bedeutung,  als  letzterer  die  Steuer- 
leistung zeigt,  aus  dem  Vergleich  sich  also  das  Verhältnis  der 
wirklich  gezahlten  Preise  respektive  der  wirklichen  Grundstücks- 
werte  su  der  Grundsteuer  ergiebt 

Aus  der  für  1883  bis  1886  Teröffisnttichten  Statistik  der 
Grundstfieksverkäufe  und  der  gesahHen  Preise  sind  schon  oben 
in  dem  Kapitel  Uber  die  Verhältnisse  des  Gnindbesitses  (S.  285  £) 
die  wesentlichsten  Ergebnisse  mitgeteilt,  wo  sich  die  abeoluten 
Zahlen  der  Summen  der  bei  den  Verkäufen  erzielten  Preise  und 
des  Steuerwertes  der  verkauften  Grundstücke  finden.  Dort  ist 
ntich  bereits  darauf  hingewiesen,  dafs  die  in  der  Statistik  ar^pe- 
gebenen  Preise  liinter  den  wirklich  bestellenden  Durch  sc  hnitta- 
werten  wohl  etwas  zurückbleiben  diirtteu,  wenigstens  bei  dem 
Ackerlande. 

Bei  den  Generalsummen  zeij^t  sieh  eine  ganz  hübsche 
Übereinstimmung  der  Steuerwerte  und  wirklichen  Preise.  Letztere 
waren  vom  Werte 

1883  122<»/o 

1884  109  - 

1885  103  - 

1886  105  - 

In  den  29  Bezirken,  deren  Zahlen  von  1884 — 18b6  vorliegen 
und  daher  vergleichbar  sind,  waren  es 

1884  110% 

1885  106  - 

1886  109  • 


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X  4. 


583 


Das  Sinken  von  1883  —  1885  war  Folge  der  Änderungen 
in  den  Preis-  und  Oeldverhältnisaen;  1886  uagpe  aich  der  be- 
gumende  Wiederaufschwung. 

Das  Bild  wirfl  aber  wesentiich  anders ,  wenn  wir  die  drei 
Kias&en  Ackeriand,  Wald  und  anderes  Land  gesondert  be- 
trachten. Beim  Ackerland  allein  war  der  Preis  vom  Steuerwert 
bei  den  Gesamtsummen  der  einzelnen  Jahre: 

1883  III  0/0 
18R4  99  - 
1^^5  93  - 
1886  88  - 

ond  in  27  vergleichbaren  i Bezirken 

1884  100  o/o 

1885  93  - 

1886  96  - 

Das  weicht  schon  yon  den  Gesamtyerhftltniasen  einigennalsen 
ab  und  swar  zu  Ungunsten  des  wirklichen  Wertes  des  Acker- 
landes. Gerade  in  umgekehrter  Richtung  bewegen  sich  aber 
die  VerfaidtniBse  bei  dem  übrigen  Qmndb(  ^^itz.  Bei  Waldland 
war  der  wirkliche  Prds  vom  Steuerwert  bei  den  Gesamtsahlen 

1883  268  «/o 

1884  279  - 

1885  291  - 

1886  282  - 

and  in  27  vergleichbaren  Benrken 

1884  282  «/o 

1885  278  - 

1886  271  - 

Der  wirkliche  Wert  des  Waldlandes  ist  also  offenbar  be- 
deutend höber  fih  df>r  Steuerwert,  wenigstens  soweit  Waldpar- 
zellen zum  Verkauf  kamen 

Kndlich  bei  „Anderem  Land',  worunter  fast  ausbchüeislich 
Bauland  zu  verstehen  ist,  war  der  Preis  vom  Steuerwert  bei  den 
Gesamtzahlen: 

1883  241 

1884  17r.  - 

1885  17»)  . 

1886  2a8  • 

Bei  den  vergleiohbaren  27  Bezirken  war  die  Entwickelung 
etwas  anders: 

1884  179»/o 

1885  208  - 

1886  255  - 


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584 


Also  nicht  nur  war  der  Preis  sehr  viel  höher  als  der  Wert 
(die  bteucreinschiitzung  verliältnisinfifsig  also  zu  niedriiT'.  son- 
dern der  Pi-eiö  wai'  stark  im  Steigen,  (h  r  zahlenmäl'sige  Ausilnick 
fUr  die  seit  Mitte  1885  sich  entwickelnde  Spekulation  in  städtiaciien 
Gruntibtückcu. 

Nach  diesen  Zahlen  erhält  man  also  den  Eindruck,  dafs 
bei  Ackerland  die  Steaerwerte  etwas  höher,  bei  anderem  Lande 
erheblich  niedriger  sind  als  die  wirklichen  Preise.  Prüft  man 
nun  die  Zahlen  bezirksweise,  so  zeigen  sich  die  allerbemerk ens- 
wertesten  Unterschiede.  Waldland  erzielt  fast  überall  Preise, 
die  höher  sind,  .ils  der  8touorwert.  Davon  sind  auBgf'nomraen 
1884  AoTnori,  Ishikawa  und  Kochi.  iJ^Stl  mit  «^an/.  inibedeuten- 
den Betnigen  S;i^;a  und  Kagoshima,  mit  gri^l'seren  Kyoto  und 
Osaka.  In  manchen  Fällen  sind  die  l^rti>o  mt  hr  als  das  Zehn- 
fache des  Steuerwertes,  so  in  N^igano,  Fukui,  Tottori,  aiuiiicii 
in  Mive.  Das  Vier-  bis  FünflEabche  ist  nicht  selten,  namentlich  in 
den  Bezirken  um  Tokyo.  Ähnlich  stehen  bei  pVendiiedenem 
Land**  die  Preise  weit  über  den  Steuerwerten.  Nur  in  mner  An- 
zahl südlicher  Besirke  bleiben  sie  selbst  188G  noch  hinter  den 
8teuerwerten  zurück  (Okayama,  Hiroshima,  Tokusbiraa,  Miya- 
zaki, Kagoshima).  Bemerkenswert  sind  auch  hier  uieder  die 
hohen  Preise  in  Nagan'»  '1883  bi-  18^6  zusammen  Land  im 
Steuerwerte  von  :lri4  2'->  Ven  t'iir  einen  Pn  is  von  17()8  41-'>  ^  en) 
und  in  Kanagawa  (IbStJ  bis  1H8()  zusimmen  Land  im  Steuer- 
werte von  498  200  Yen  ir\\r  einen  Preiö  von  2  005  470  Yen). 
In  Tokyo,  das  überhaupt  die  liöchsten  Zahlen  hat,  wurden  1883 
bis  1886  für  Anderes  Land^  im  Steuerwert  von  3935752  Yen 
11 040962  Yen  erlöst,  das  sind  281  Prozent  In  den  vier  Jahren 
bewegten  sich  aber  die  Zahlen  stark  nach  oben»  denn  der  ErlQe 
war  vom  Werte 

1883  lOT^'o 

1884  200  - 

1885  2()(3  - 

1886  aoo  - 

Am  wichtigsten  ist  die  Betrachtung  des  Ackerhindes,  bei 

welchem  leider  Beisland  und  Trockeufeld  nicht  geschieden  sind. 
AN'ahrscheinlich  gebe  n  l>eide  etwa.s  verschiedene  Resultate  zu 
Ungunsten  der  Reislandpreise.  Im  Durchschnitt  siimdicher  1^- 
zirke  war  beim  Ackerland  der  Preis  1884  dem  Steiierwerte 
irleieh,  ls85^o  niedriger  fl>s:{  mit  seinen  noch  abnormen  Pro- 
duktenpreisen berück  sie  htige  ich  nicht  weiter).  Sehen  wir  etwas 
näher  zu,  so  finden  wir  1884,  dal'h  der  J'reis  in  22  Bezirken 
höher,  in  20  Bezirken  niedriger  war  als  der  Stcnierwert.  Von 
letsteren  lag<>n  15  an  und  westlich  von  der  Owaribucht  Nörd- 
lich und  östlich  davon  nur  5.  In  7  Bezirken  betrug  der  Vma 
noch  nicht  70  Procent  des  Steuerwertes  (Mijazaki  53,  Ishikawa  55, 
Miye       Toyama  64,  Saga  65,  Wakayama  66,  Kagoshima  69). 


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X  4. 


585 


Von  den  22  Bezirken  mit  höheren  Preisen  lagen  nur  6 
westlich  von  der  Owaribucht.  In  8  Bezirken  brachten  die  Preise 
mehr  aU  130  Prozent  des  Steuerwertes.  Obenan  ateht  wieder 
Nagano  mit  213.  Es  folgen  im  Osten  Kanagawa  mit  202, 
Niigatn  177,  Vamannsln  ]  V\  Tokyo  148,  Chiba  144,  iwate  133^ 
im  W  esten  steht  ^  aiii;ii;uclii  allein  mit  140. 

Im  Jahre  ISsk  ,  .  r^ab  der  Diireliseliriitt  in  den  28  Bezirken, 
deren  Zahlen  bekannt  ^ind.  einen  Preis  von  nur  88  Prozent  des 
Steuerwertes.  Aber  in  9  Bezii'ken  wai*  der  Preis  doch  noch 
höher  als  der  Steuerwert^  zum  Teil  sogar  erheblich.  Der  Preis 
war  Tom  Werte  in  Tokyo  184^  Nagano  180,  Niigata  154,  Ya- 
manashi  138,  Kanagawa  126,  Iwate  115,  Vamagata  III,  Aichi 
102  Prozent.  Die  1884  so  glinstig  dastehenden  Bezirke  Chiba 
und  Vauiaguchi  fehlen  in  der  Cber^ii  lit  für  1886.  Weniger  als 
70  Prozent  des  Wertes  ergaben  die  \  <'rk;iiife  in  S  Bezirken: 
Kagoshiuia  44,  Miyazaki  öö.  Saga  5t>.  <  )saka  r>R,  Hiroshima  50, 
Aomori  ()5,  Okayama  und  Isliik  iwa  ti7.  \  on  den  28  Bezirken 
standen  K)  unter  dem  Durch  schnitt. 

Es  würde  einer  besonderen  Untersuchung  bedürfen,  um  ge- 
nau festzustellen,  welchen  Ghrtinden  diese  grofse  VerscMedenheit 
zuzuschreiben  ist.  Manches  mag  auf  Torübergehenden  Zu^llig- 
keiten  beruhen.  Die  hohen  Preise  in  Nagano  und  Vamanashi 
erklären  sich  durch  das  rasche  Wachs  n  I  i  Seidenkultur.  In 
Tokyo,  Kanagawa  und  anderwärts  wirkt  die  allgemeine  giknstige 
Entwiekekni;^,  Hebung  des  ^'e^kehrs  n  s.  w.  Im  allgemeinen 
fieheint  mir  aber  doch,  dafs  die  unii!«  ieinnärsii^«'  Einschätzung 
ztir  ( 5nmdst«'ucr  und  dt-ren  Höhe  einen  wesentlichen  Anteil  an 
der  verschieili  ürn  L:i^e  der  Bezirke  hat.  Zieht  man  zur  Ver- 
gleichung  heran,  wao  oben  S.  539  tf.  gesagt  ist  über  die  Knt 
Wickelung  der  IVoduktenpreise  seit  der  Steuerreform,  so  findet 
man,  da&  in  einer  Reihe  von  FäUen  die  Bezirke  yerhältnismttfsig 
niedriger  Grundstttckspreise  identisch  sind  mit  denjenigen,  in 
welchen  die  Produktenpreise  sich  gegenwärtig  über  das  Niveau 
der  Preise  von  1870  bis  1874  wenig  erheben  Die  aufi^llige 
Begünstigung  von  Yamaguchi  bei  d(  r  Steuerreform  spiegelt  sich 
in  den  verhältnismälsig  hohen  Gruudatuckspreisen  wider. 

Ebenso  sehen  wir,  <lars  die  Bezirke,  welchen  die  Kataster- 
reviaion  von  1 885  89  vor  allem  zu  gute  kommt,  meist  auch 
Bezirke  niedriger  Grundstückspi'cise  sind. 

Die  japanische  Grundsteuer  nimmt  eben  eine  s<dche  Quote 
vom  Ertrage  des  Bodens  in  Anspruch,  dal»  selbst  kleinere  Ver- 
schiedenhetten  bei  der  Einschtttzang  in  einem  erheblichen  Unter- 
schied der  Grandstacksprein  sich  zeigen  müssen. 


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586 


X  4. 


Viertes  Kapitel 
Die  anderen  Staatsstenern. 
I.  Die  Einkommensteuer. 

Die  £  i  n  k  0  m  m  e  n  8 1  e  tt  e  r  ist  unter  den  vielen  japanischen 
Steuern  die  jüngste.  Sie  ist  dnrvh  kaiserlic  he  Veronlnung  Nr.  5 
vom  10.  M;irz  1887  eingeführt,  in  Kratt  seit  dem  I.Juli  1887*. 
Ganz  neu  m  allerdings  der  Gedanke  derartiger  Steuern  nicht. 
Abjgcschen  von  den  Haushaltungsstenern  der  Bezirke  und  Ge- 
uieiiideii,  haben  als  Staat£>äteuern  schon  Geliaiis-  und  Renteo- 
steaem  bestanden.  Von  1874  bis  Ende  1879  hatten  die  Beam- 
ten Ton  ihrem  Gebalt  eine  Steaer  su  bezahlen,  welcbe  .fttar  die 
meisten  Beamten  5  Prosent,  iltr  solche  mit  sdhr  hohem  CMalt 
10  und  20  Prozent  betrug.  Noch  kttrzere  Zeit,  von  1875  bis 
1877,  bestand  die  Steuer  der  Renten  der  Kwazoku  und  Shisoku, 
welche  für  die  gröfsten  Renten  30  Prozent  betrug  und  nach 
unten  abnahm.  Die  Gehaltsstein  r  }iatte  im  hrtelisten  Jahre  noch 
nicht  93  000  Yen  eingebracht,  die  Kentensteuer  im  MAvirnnm 
beinahe  3  Millionen. 

Neben  der  hohen  Belastimg  des  CiruuJ  besitz  es  dui-ch  die 
Grundsteuer,  und  angesichts  der  bevorstehenden  Verminderung 
der  Einkllnfte  daraus  dttrch  die  1885  in  Ameriff  genommene 
Revision,  lag  es  nahe,  auch  die  anderen  EmkommensqueUen, 
das  bewegliche  Kapital^  die  städtische  Bevölkerung  zur  TragQQg 
der  Staatslasten  direkter  heranzuziehen  als  bisher.  Der  ente 
Schritt  in  dieser  Bichttmg  ist  die  EinftÜinmg  der  Einkommen- 
steuer gewesen. 

Das  Gesetz  bestimmt,  dafs  Personen,  weklio  300  Yen  und 
mehr  Einkommen  haben,  Einkommensteuer  bezahlen  müssen. 
Einkommen  von  Faiiiilienmitgliedem,  welche  im  selben  Hause 
leben,  wird  als  Einkommen  des  Familienhauptes  angesehen  und 
mit  dessen  Einkommen  susammengerechnet.  Die  Steuer  wird 
in  einer  mftfsigen  Progression  nach  ftlnf  Klassen  erhoben. 

I.  Einkommen  von  300  bis  1000  Yen  zahlen  1  ^  o  Steuer 
II.         -  -      1000  -   luuuO    -       -      1  Vi- 

lli. .  .  -  lOOOO  -  20  000  .  -  2  - 
IV.        -  -   20000  -  30000    -      -  2Vt- 

V.        -         •   80000  Yen  und  mehr    -     8  - 


'  Ee  ist  bemerk onewert,  dafe  die  Veröffentlichung  de»  Eiiikominpii- 
eteuergeseta&es  14  Tage  nach  der  des  Budgets  erfolgte,  ohne  dafs  eine 
AndemoDg  Aber  die  Devoisteheode  neue  Htnter  gemaebt  wire. 


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587 


Das  EinkommeD  ioll  £olgendennal8ea  berechnet  werden: 

a.  Einnahmen  aus  Zinsen ,  Dividenden ,  Gehalt»  PenaloDen, 
Renten  u.  e«  w.  gelten  als  reines  Einkommen. 

b.  Bei  Einkommen  aus  Gewerben  odw  unter  a  nicht  ge- 
nanntem Besitz  ist  die  Geldeinnahme  oder  der  Geldwert 
der  eingenommenen  Gegenstände,  vermindert 

er.  um  den  Betrag  slimtiieher  geiahlter  Steuern, 
ß,  um  den  Preis  verwendeter  Rohstoffe,  wie  Saatgut  und 
Dünger,  Pacht,  Heparaturkosten  der  Gebäude,  Miete 
für  gemietete  Gegenstände,  liOhne,  bchuldzinsen  und 

Sonstiges, 

als  rdnes  Einkommen  aneusehen* 

Diese  Berechnung  ist^  wenn  möglich,  nach  dem  Durchschnitt 
der  letzten  drei  Jahre  zu  machen. 

Einkommensteuer  wird  nicht  erhoben: 

VI > tri  Gehalt  von  Militärpersonen  während   eines  Feld- 

von  Reisekosten  und  von  \\  itw.  n  und  Waisenpensionen 
(einerlei  ob  vom  Suat  oder  von  l'rivaten  bezahlt), 

von  aufserordentlichtn   Einnahmen,  soiem  solche  nicht 

aus  dem  ( 'csohiiitsbctrieb  stammen. 

Wer  ein  steuerptiichtige^s  Kinkommen  hat,  muiö  zu  Bet^nnn 
d«^s  Finanzjahres  eine  Erkliirun^  über  Höhe  und  Art  seiner^ 
l^inkommens  durch  den  Ortsvorstand  an  den  Kreishauptmana 
einsenden.  Aus  diesen  Selbsteinschätzungen  stellt  der  Kreis- 
hauptmann zonilohtt  e&ie  vorlilufige  EinsehKtzungstabeUe  zusam- 
men« in  wdche  er  auch  solche  Personen  aufnimmt,  weldie  steuer- 

Sflientig  sind,  aber  die  Fassion  nicht  eingeschickt  haben.  Über 
te  wirkliche  Einschätzung  entscheidet  dann  eine  unter  Vorsitz 
des  Kreishauptmanns  zusammentrelmde  Ereiseinschätzungskom- 
raission  von  7  Mitgliedern,  welche  von  den  männlichen,  mehr 
als  25  Jahre  alten,  im  Kreise  wohnenden  Einkommensteuerzahlem 
gewählt  wird. 

Gegen  die  Bescliiusse  der  Kommission  kann  der  Kreishaupt- 
raann  wie  der  Einge^ichatzte  (binnen  20  Tagen)  Berufung  an 
den  Bezirkshauptmann  einlegen,  der  die  Besdiwerde  dem  stän- 
dfgen  AosBchuis  des  Bezirkstages  zur  EntacheiduQ^  ttbergiebt 

Die  Steuer  ist  halbjährlich,  im  September  und  un  Miirz,  zu 
entricbteo.  Sinkt  das  Einkommen  um  mehr  als  die  Hälfte,  ehe 
die  Steuer  fkUig  ist,  so  kann  der  PHichnge  entsprechenden  Erlafs 
verlangen.  Bei  talscher  Selbstcinschätzung  wird  der  Defiraudant 
mit  dein  Dreiffiohf'n  der  hinterz offenen  Steuer  bestraft. 

Im  Hokkaido,  in  Okinawa,  i  ^js^asawara  und  auf  den  Inseln 
von  Izu  wird  die  Steuer  nur  von  Gehalt,  Renten  und  Pensionen 
erhoben,  weiche  der  Staat  zahlt. 


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588 


X  4. 


Die  Steuor  bedeutet  mir  eine  sohr  mälsige  Belastung.  Nicht 
nur  ist  der  Prozentsatz  niedrig-,  .sondern  ftir  japanische  Wohl- 
feUuidsverhältnisse  ist  die  Grenze  von  30*)  Yen,  Uei  welcher  die 
SteuerpüiLht  erst  beginnt,  sehr  hoch.  Die  ganze  Masse  der 
Bauern  nicht  nur,  sondern  auch  der  Handwerker  und  Kaufleute, 
der  klonen  Beamten,  Lehrer  u.  0.  w.  bleibt  auCier  dem  Bereiche 
des  Gesetzes. 

Bisher  liegen  nur  die  P>geb&iaae  der  beiden  ersten  Veran- 
lagungen von  1887  und  1888  vor,  welche  naturgemäfs  ziemli<*h 

unvolmomnien  gewesen  sein  werden.  Dabei  sind  nur  118  503 
resp.  12U08()  Einkonimensteiu  rpHi«  Ittige  erraittelt  wordon.  Das 
waren  1887  nur  ITV  auf  y-  lUUU  Haushaltungen.  Davon  aii.-l 
aber  1887  nicht  weniger  als  10r>21(l  zu  einem  Einkommen  vou 
weniger  als  1000  Yen  veraidagt.  nur  loi'.77  /u  »ineni  Hinkom- 
men von  1000  Yen  und  darüber  (noch  nicht  Ii  aul"  1000  Haus- 
liaUuiigen)^  Der  Zuwachs  an  Steuerpflichtigen  im  Jahre  1888 
kam  mst  ausschliefslicb  auf  die  untere  Stufe,  zu  welcher  115351 
Personen  eingeschätzt  waren,  gegen  13785  Personen  mit  Ein- 
kommen von  1000  Y'en  und  mehr. 

Koch  unbedeutender  war  das  Ergebnis  der  ermittelten  Ein- 
kommen, nämlich  1^^7  nur  80  ;i8iJ  öOLJ  Yen,  wovon  fast  ,:?enau 
47  Millionen  auf  die  unterste  Stufe  kamen  (vgl.  i>.  }_!".»).  Die 
zweite  Veranla;;ung  brachte  fast  keinen  Eortschritt.  d(  nn  >if  ergab 
80Sr>0  7.V)  Yen,  wovon  4(»  057  427  Yen  in  der  unteren  Stufe, 
Es  unterliect  keinem  Zweifel,  dals  die  Einschätzungen  dureli- 
weg  ganz  bedeutend  hinter  der  Wirklichkeit  zurttckgebiieb^k 
sind.    Das  Ergebnis  der  Veranlagung  von  1888  war: 


Steuer- 

piiichtiges 

Einkom- 

Einkommen 

von 

Steu<'r- 

Eänkotninen 

menatenv 

ptliclitige 

Yan 

Yen 

30000  ^  en  und 

darüber 

(58 

4243987 

Ulm) 

200O0— aouuo 

Yen 

48 

1  085  374 

27134 

10000—20  000 

220 

2843  237 

50  bo5 

1000-10000 

13300 

25  730  728 

385  m 

300^1000 

115351 

46  9^bl  429 

469574 

zuAunuaen 

12908t3 

80  boO  755 

1  UOO  bo4 

Von  dem  Steueraufkommen  fiel  auf  den  Bezirk 

Tokyo  355801  Yen 

Osaka  (ohne  Nara)  73 155  - 


*  iyü  Vtüüia  eiu  Y erbleich  im  einzclueu  zulasbig  wäre,  darf  zur 
Illustration  wohl  darauf  hingewiesen  wondeD.  dafe  im  sdbeu  finaiiEiahre 
in  Preufsen  21o320  einkommeurteuerptliehtige  Einzelnsteuenide  und  Haus- 
haltungen ermittelt  sind  und  boi  der  Klaesensteuer  mit  Einkoinmcn  von 
10.>U— .iOOü  Mark  (aC/O—lUUO  Yenj  101^742,  imil  daa  bei  einer  um  ein 
Viertel  kleineren  Bevölkerung. 


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X  4. 


589 


Kanagawa  44321  Yen 

Hyogo  4n  785  - 

Niiirata  38  353  - 

Aiclii  31119  - 

Kvotü  30  501 

Fükuoka  23901  - 

In  allen  anderen  J»ezTrkeTi  war  es  wcni^rer  als  2üOnO  Yen. 
In  17  von  den  45  Bezirken  Altjapauß  brachto  die  Steuer  noch 
nicht  10  000  Yen,  am  wenigsten  in  Tottori,  3158  Yen,  und 
Miyazaki,  5016  Y'en. 

Die  Erträge  Bind  noch  hinter  den  sehr  beaoheideneo  Er- 
wartungen erheblich  zarttckgeblieben  —  (an^^eblicfa  soll  die  Fi- 
nanzverwaitung  auf  anderthalb  Millionen  gehoffl;  haben).  Der 
Grund  dieser  ^orin;:«  n  Kr^it  bnisse  ist  nicht  weit  zu  suchen.  So 
f^erecht  an  sich  der  Gedanke  war,  die  Kreise  der  BevOlkerunpr, 
welche  sich  der  Last  namenth*(  Ii  der  direkten  Struern  entweder 
ganz  oder  docli  i^röfsten teils  entziehen,  an  der  Steuerlast  teil- 
nehmen zu  lassen,  so  sehr  ist  zu  bezweifeln,  ob  eine  allgemeine 
Einkomraenstener  dazu  der  rechte  W  eg  war.  ICine  sok'he  kann 
nur  da  naiuiialte  i.iLia^e  lietern,  wo  das  wirtschaftende  Indivi- 
duum tiber  den  Geldwert  seiner  Einnahmen  und  Ausgaben  sich 
wenigstens  im  allgemeinen  klar  ist,  wo  die  Verkehrswirtschaft 
herrscht  In  Japan^  bei  dem  Vorherrschen  des  Kleinbetriebes 
und  der  Hauswirtschaft,  ist  das  nicht  der  Fall.  Die  Gegenden, 
in  welchen  die  Verkehrsmittel  und  das  wirtschaftliche  Leben 
üherliaupt  wenig  entwickelt  sind  (Westküste,  Nord-  und  ÖUd- 
japauf,  liaben  sieh  der  neu«'?i  St'MH-r  fast  ganz  entzogen.  Ihre 
Einfuhrung  in  Japan  ist  ein  vertnihtes  I'.xperinient.  I)as  Ziel, 
das  man  zu  »  rreiehen  wün.selit*-  und  nicht  erreicht  hat,  wäre 
durch  eine  der  jajjaniselien  wirtschaftlichen  Kntwickelungsstufe 
angemessenere  IJt öteuerungsforui  leichter  erreicht  worden,  durch 
Personal-  und  Klassensteuern,  wofür  die  Haushaltnngssteuem  der 
Bezirke  und  Gemeinden  den  richtigen  Weg  wiesen.  Daneben 
wMre  eine  Ergänzung  durch  eine  Gehalts-  und  eine  Kapitahrenten- 
Steuer  am  Platze  gewesen. 

Wollte  man  eine  Einkommensteuer  nach  europäischem  Muster 
einführen,  so  war  es  wohl  richtig,  die  Selbsteinschätzung  anzu- 
nehmrn  nni  den  W  iderstand  der  Besitzenden  und  daher  Ein- 
fluisreiehtn  zu  überwinden.  Dais  das  zunächst  zu  einer  allge- 
meinen Unterschfitzunu  Idhren  würde,  die  Jedcrniann  ganz  un- 
befangen eingesteht,  \%ar  vorauszusehen.  Einstweilen  sind  die 
Kontrollen  ungenügend.  Namentlich  die  bei  Selbstdnschätzung 
doch  wohl  unentbehrliche  Kontrolle  beim  Erbgang  fdilt  in  Japan 
Insher. 

Jedenfalls  kann  die  Steuer  bis  jetzt  drückend  nicht  genannt 
werden,  da  die  Grenze  der  Steuerfreiheit  und  die  niedrigen 
Steuersätze  dun^  die  schlaffe  Einschätzung  noch  weiter  gemil- 
dert sind« 


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590 


II.  Die  BergwerkMteuer. 

Die  Bergwerkssteuer  wird  seit  \^Sh  nicht  mehr  unter 
den  Steuern  aufgeführt,  obg:lei('h  sie  den  Namen  „Steuer"  (zei) 
ilihrt.  Es  scheint,  als  ob  man  dadurch  den  juristischen  Charakter 
der  Bergwerke  und  des  Nutaungsrechts  daran  hätte  zum  Aua- 
drocke  oringeD  wollen.  Japan  steht^  wie  oben  (S.  368)  achon 
gesagt,  auf  dem  Standpunkte  des  Bergregab.  Die  Auabeataiig 
der  nutzbaren  Mineralien  wird  vom  Staate  auf  Zeit  yerlieheii^ 
Da^  ist  eine  geringe  Abgabe  au  entrichten,  welche  nach  der 
Gröfse  des  Grubenfeldes  bemessen  ist  Die  Einnahme  ist  gans 
unbedeutend.  Im  Jahre  1875  7^)  nur  74:il  Yen,  stieg  sie  bis 
1881/82  auf  26Ö81  Yen,  um  dann  bis  1884  85  auf  1^^501  Yen 
zu  sinken  und  1888  89  wieder  auf  4ö  733  Yen  zu  steigen,  wo- 
von 28  040  Yen  von  Gruben  im  lietrieb.  Der  neuerliche  starke 
Zuwachs,  dürfte,  abgesehen  von  dem  allgemeinen  Aufschwung  des 
Wtrticbafblebens»  sum  Teil  durch  die  EuoferhauiBe,  zum  Ted 
durdi  den  Erwerb  von  Staatsbergwerken  durch  Prirate  vmn* 
U&t  sein. 

Irgend  welchen  Druck  auf  den  Betigbau  kann  die  geringe 
Abgabe  Icaum  üben. 

III.  Die  Zölle. 

Als  Japan  für  den  fremden  üandel  geöäiiet  wurde,  war 
das  Bestreben  der  fremden  Milchte  auf  eine  mäfai^e  und 
feste  Regelung  der  Zölle  gerichtet.  Die  ersten  hierttber  ge- 
troffenen Vereinbarungen  (Additionalartikel  mit  Holland  vom 
IG.  (Oktober  1857,  Art  YI,  und  japanisch-russischer  Vertrsg  vom 
12./24.  Oktober  1857,  Art  IX)  sahen  noch  eine  Abcabe  von  35 
Prozent  von  Rauf  und  Verkauf  vor,  was  aber  nur  bis  zur  Ver- 
einbarung eines  Tarifs  gelten  sollte.  Die  Verträge  von  1858 
hatten  sclion  sehr  viel  geringere  Sätze.  Von  (1(t  Ausfuhr  sollten 
5  Prozent  des  Wertes  entriclitet  werden,  Gold  und  Silbermünzen 
sowie  Stabkupfer  irei  sein.  Von  der  Einfulir  sollten  berauschende 
Getränke  35  Prozent  des  Wertes^  einige  besonders  aufgezählte 
Waren  5^  alle  anderen  20  Proaent  beaahkn,  Gold  und  Silber, 
sowie  Kleider  und  Hausrat  aum  eigenen  Gebrauch  frei  sein.  Zu 
den  nur  mit  5  Ph>zent  des  Wertes  zu  verzollenden  Waren  ge- 
hörten nach  dem  amerikanischen  Vertrag  Kohlen,  Dampfmaschinen, 
Schiffsbaumateriai,  lebende  Tiere,  Reis,  Brotstoffe,  Zink,  Zinn. 
Blei  und  sor!fIer>>:irer\veise  Rohseide.  Wichtiger  wfir.  dafs  der 
englische  \  ertnig  aile  Baumwoll-  und  Wollwaron  hinzutugto, 
wozu  durch  den  preuüiischen  Vertrag  noch  Leinen  waren  kamen. 

>  Berggesetz  Nr.  2Ö9  vom  20.  Juli  1873. 


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X  4. 


591 


Im  historischeD  Teile  ist  oben  (S.  63)  erzählt  worden,  wie 
die  Abwickelung  der  Shimonoscki-Angelegenheit  dazu  fbhrte, 
dafs  am  25.  Juni  186G  in  Yedo  die  japanische  Regierung  mit 
Frankreich,  Orors-Rr!t?\nni<'n,  den  Niederlanden  und  den  Ver- 
einifjcten  Staaten  einen  Wrtrag  abschlol's.  der  den  Zoiltant  „auf 
einer  l^asis  von  5  Prozent  vom  Werte  der  ein-  und  ausgeftlhrten 
Waren"  revidierte,  d.  h.  all^remein  die  Zölle  herabsetzte.  Trotz 
mancherlei  Bemühungen  um  Änderung  liegt  diese  bogenannte 
Konvention  von  Yedo  noch  immer  dem  japanisclien  ZoU- 
weaen  zu  Grunde. 

Was  zunächst  die  Einfahr  betrifft,  so  sind  alle  Waren  in 
vier  Klassen  geteilt.  Klasse  I  enthält  solche  Waren,  für  welche 
auf  jener  Fünfprozentbasis  speclfische  Zölle  festgesetzt  sind,  feste 
Sätze  nach  dem  Gewicht  oder  bei  Stoffen  nach  Liinge  und 
Breite.  Diese  Klasse  enthalt  in  89  Nummern  die  meisten  wich- 
tigen Einfuhrartikel,  namenTli(  h  die  Wollen-,  Leinen-  und  Baum- 
wollenwaren, auch  Rohbaumwolle,  von  Metallen  rohe  und  Halb 
£äbrikate,  einige  Chemikalien  und  Faib waren,  Leder,  Matten, 
Fensterglas,  Zucker,  Tabak,  Elfenbein  u.  8.  w. 

KlMse  n  enthält  die  ssollfreien  Waren.  Es  sind  das  aufser 
Gold  und  Silber  (gemünzt  und  ungemUnzt),  Kohlen,  Anker  und 
Kabel,  Teer  und  Pech,  Salz  und  gesalzene  Provisionen,  Getreide 
aller  Art,  Mehl,  Ölkuchen,  Kleidungastüdce,  Reisegepäck,  Bücher, 
endlich  Packmatten,  Theeblei,  Pfannen  zum  Tlieerösten,  Löt- 
metall. -  Unter  475  Nummern  der  iijntuhrstatistik  von  1889 
waren  35  freie. 

Klasse  III  enthält  als  verbotene  Ware  nur  Opium. 

Alle  übrigen  Waren  gehören  in  Kiaase  IV  und  bezalden 
einen  Eingangszoll  von  fltnf  Prozent  des  Ursprungswertes,  welchen 
der  EtnfUhrer  anzugeben  hat  Sind  die  japanischen  ZoUbeunten 
mit  der  Einsdifttsunfi^  nidit  einverstanden,  können  sie  die  Ware 
taxieren.  Der  EinfUhrer  hat  die  Wahl,  nach  dieser  Taxe  den  Zoll 
zu  bezahlen  oder  die  Ware  der  Zollverwaltung  su  überlassen.  Ist 
der  Ursprungswert  in  Gold  angegeben,  so  wurde  fUr  die  Um- 
rechnung in  Silber  bis  in  die  neunte  Zeit  das  feste  V^rh-dtnis 
von  1  $  -  4,SH  Yen  angenommen.  Seit  dem  Rückgang  d(}s 
Silberwertes  ent^pracli.  das  immer  weniger  dem  wirklichen  Ver- 
hältnis. Erst  seit  dem  1.  Oktober  1888  ist  ein  anderes  Verfahren 
eingeführt,  nach  welchem  für  jedes  Vierteljalur  der  Umrechnungs- 
kurs vom  Finansminister  festgesetat  wird.  Fttr  das  erste  Viertel- 
jahr dieser  neuen  Regelung  betrug  das  beispielsweise  6,fts  Yen 
fllr  1  ü^  =  0,8M  Yen  für  eine  Mark. 

Für  die  Ausfuhr  sind  in  Klasse  I  53  Waren  aufgezählt, 
welche  specifische  Zölle  zahlen  sollten,  namentlich  Seide  \  Thee', 
Tabak,  bobnen,  Baumwolle,  Wachs,  Kampher  und  einige  andere 


^  1.  Juni  geändert. 


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592  X  4. 

Droguen,  die  wichtigeren  Seeprodukte,  Papier,  Steinkohlen  u.  s.  w., 
mt  1867  bei  Auafuhr  aus  Hakodate  auch  Bauholz.  Klaase  II 
CTthidt  ab  zollfrei  nur  Gold  und  Silber In  Klasse  III  waren 
ds  verboten  aufgeführt  Reis,  Weizen,  Gerste  und  Mehl  dafaua» 
sowie  Salpeter.  Alle  anderen  Waren  hatten  in  Klasse  IV  itinjP 
Prozent  des  Wertes  zu  zahlen. 

Der  Orundgedankf'  dieses  ganzen  Zollsystems  war  also,  dafs 
mit  nnbedciiteiiden  Aiisnaluiu-n  die  fjanze  Kintiihr  und  Ausfuhr 
liGäU/uert  war,  aber  durcliwc;^-  mit  so  grrin^en  IJetriigen,  dafs  der 
Handel  dadurch  kaum  irgendwie  beeinfkilst  werden  konnte.  In 
dietiets  System  sind  nun  bei  der  AuBtuhr  mehr  und  mehr  Löcher 
gerissen.  Zunächst  nnd  die  Ausfuhrrerbote  1873  beseitigt  und 
dabei  Reis,  Weizen,  Gerste  und  Mehl  daraus  Tom  Zoll  oefreit 
(Nr.  246  und  385  vom  15.  Juli  und  17.  November  1873). 
Steinkohlen,  die  auf  Dampfern  verladen  wurden,  sind  schon  1869 
als  „ftir  den  Gebrauch  des  Schifte«"  bestimmt  frri  gelassen,  auf 
Sc;:rel8chiffen  verladene  aber  erst  Im  September  1888.  Allmählich 
sind  dann  immer  mehr  Waren  vom  Ausfuhrzoll  bi  fn  it-,  bis 
durch  dir-  Kaiserliche  Verordnung  83  vom  18.  Dezember  1888, 
in  Kraft  vom  1.  Januar  1889,  die  Mehrzahl  der  weniger  wich- 
tigen Ausfuhrzölle  be-seitigt  ist.  Ausfuhrzölle  werden  seit  1889 
nur  mehr  von  den  wichtigeren  Rohprodukten  erhoben,  Sdde, 
Thee,  rohen  Metallen,  Seeprodukten»  Kampher,  Wachs,  Tabak, 
Lumpen,  Holz,  Häuten  u.  s.  w.  Unter  208  Nummern  der 
japanischen  Ausfuhrstatistik  von  1888  waren  noch  134  aoll- 
pflichtige,  1889  unter  20(3  Nummern  nur  57. 

Dem  Werte  nach  ist  jetzt  reichlich  ein  Drittel  der  Ausfuhr 
zoUirei,  während  es  1883  z.  B.  erst  ein  Siebentel  war,  nftmlich: 

zollpflichtig  soUfm 
(japsoische  Produkte) 

1883       30552430  Yen        5155927  Vco 

1888  46058654    -        19646856  • 

1889  45121784    -       24185110  - 

Bei  der  fcjnfuhr  dagegen  ist  der  Anteil  der  zollfreien  Waren 
dem  Werte  nach  nur  ganz  unbedeutend.  Es  waren  von  der 
Mnfuhr  ausländischer  Produkte 

zollpflichtig  zollfrei 

1883      27  7532H2  Yen        678677  Yen 

1888  03208510    -         2207  725  - 

1889  63403345    -        2638240  - 


'  Bis  1^560  auch  Kupfer,  das  bis  dahin  an  Fremde  nur  von  der 
Regierung  verkauft  wurde. 

2  So  187*^)  Papier  und  IriIi;^'o,  1877  Zündhölzer,  1877  und  !>^7''  eine 
Aozabl  Baum woii waren,  1879  und  1880  die  meisten  Japanischen  tndusthe- 
inrodnkte,  wie  Qewebe,  Piurzellaii«  Lackwaren,  Bronzen,  Fächer  u.  a.  w.; 
1H87  kam  daxa  noch  Schwefel  und  Sähe. 


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X  4. 


593 


Alle  Zölle  sind  in  Sflber  zu  zahlen,  im  Tarif  von  1866  in 

Ba  angegeben,  wovon  311  gleich  100  Mexikanischen  Dollars 
resp.  Süberyen  sind,  in  den  Zeiten  der  rapiergeldwirtschaft 
war  diese  Metalleinnahrae  ein  nichtiger  Rückhalt  ftlr  die 
Deckung  der  Metallbrdiirfnisse  der  Regierung. 

Die  Folge  des  jetzigen  Zollsysteinep  ist  natürlich,  dals  tinun- 
ziell  die  grolse  Menge  der  versteuerten  Waren  sehr  weni;:  Be- 
deutung hat.  Unter  den  475  ISuiuniern  der  Kintuhrötatistik  von 
1889,  worunter  440  von  zollpflichtigen  Waren,  ergeben  92  noch 
nicht  100  Yen.  Selbst  unter  den  57  zollnflichtigen  Nnmmeni 
der  Ausfuhrstatistik  Bnden  wir  bei  9  noch  Zoubeträge  von  weniger 
als  100  Yen  (18F8  unter  184  zollpflicbtigen  Nummern  84). 

Finanzielle  Bedeutung  haben  nur  verbältnismärsig  wenige 
Waren,  bei  der  Ausfuhr,  schon  vor  der  neuerlichen  Abschaffung 
so  vieler  Zölle,  eigentlich  nur  drei,  Seide,  Thee  und  Kupfer. 
£a  ergab  der  Aus^hrzoii 


1883  von  Seide        793849  Yen  ==60  ^lo  aller  AusfiihnOUe 

-  Thee         278  450    -  =21    -  - 

-  Kupfer        Bf)  273    -  ^    2,7  -  - 


-  Thee 

3<i2  IUI 

-   =18    -  - 

-  Kupfer 

Ol  7H0 

-  =  7    -  - 

1888 

-  ^?ei(le 

1  l&8  89r) 

-     r=60      -  . 

Thee 

325  P.»2 

-  =  10   -  . 

• 

-  Kupfer 

175904 

.         9    .  - 

• 

1889 

-  Seide 

1044728 

.  =60   -  - 

-  Thee 

322876 

-  =18   -  - 

* 

m 

-  Kupfer 

143971 

.  =  8   -  - 

• 

Aul  die«»e  drei  Waren  kamen  also  1889:  86  Prozent  der  Ein- 
nahme aus  den  Ausfuhrzöllen,  1888  aber  auch  echon  85  Prosent. 

Bei  der  Einfuhr  ist  die  Zahl  der  finanziell  wichtigen  Artikel 
etwas  grOfser.   Es  ergaben 

1883  Baumwollgarn  394  152  Yen  ^30^  oder  Einfuhrzölle 

Andere  Baum  wollwaren  158168  -  =11  .  - 
(einschl.  Baumwolle) 

Wolle  und  W'ollwaren  198065  -  =15  -  - 

Zucker  136640  -  =  10  -  - 

Petroleum  122755  -  =  9  •  - 

Eisen  und  Eisenwaren, 
Maschinen  und  Instru- 
ment.' 91  996   -  =-  7  -  - 
1888  Bauniu(,ll_ai  n             7ta  61*7   -  ^  28  -  - 
Andere  Baum vvolhvaron  301  096   -  =11  -  - 
(einschl.  Baumwolle) 

Wolle  und  WoÜwaien  385  359  -  =  12  -  - 
Zucker  272039  -  =10  -  > 

Fftric1iung«n  (45)  X  4.  ~  B»thg«n.  38 


47    -  - 


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594 


X  4. 


Petroleum                  137  831  Yen  —  5  ^  o  der  Eiiil'uLrzöUe 
Eisen  und  Eisenwaren^ 
Maachmen  und  Instru- 
mente                 446513  -  =16  -  - 
1889  Baumwollgarn            6S7  096  -  =24  -  - 
Rohbaumwolle            202093  -  =  7  -  - 
Andere  Baum  weil  waren  220862  -  =  8  -  - 
Wolle  und  VVollwÄTen  324  866  -       11  .  - 
Zucker                      224  758  -  =  8  -  - 
Petroleum                  223300  -  =  8  -  - 
Eisen  und  Eisenwaren, 
Mascliinen  und  Instru- 
mente                 487417  -  =17  -  - 

Auf  diese  Kategorieen  kamen  also  1883:  84  Praent,  1889: 
88  Prozent  aller  Eingangszölle. 

Der  niedrige  Ansatz  aller  Zolle  hat  sich  bei  den  specifischen 
Zöllen  dnrcb  die  im  Laufe  der  Jabie  emgetretenen  Wertver- 
ftndemngen  vid&eh  Ton  der  Baals  von  ftlnf  Prozent  mehr  oder 
weniger  entfernt  So  war  z.  B.  nach  der  Handelsstatistik  fUr 
1889  die  Zolleinnahme  vom  W^erte  der  eingefllhrten  Waren  im 
Durchschnitt  aller  Woll waren  4,s  Prozent,  aber  von  Wollengam 
nur  2,8  Prozent,  von  W  ollennnissehn  dairr^en  6.^  Prozent. 
einem  so  vortreti  liehen  Steuerobjekt  wie  Zueker  war  der  Zoll- 
ertra^^  beim  braunen  Zucker  nur  3,8,  beim  weifsen  nur  3,4  Pro- 
zent dcri  angegebenen  Wertes  Vom  gesamten  Import  betrugen 
die  Zölle  1889  nur  4,8  Prozent  des  Wertes,  vom  Export  1888 
3,1  Prozent,  1889  nur  mehr  2,»  Prozent  Legen  wir  dagegen 
nur  den  Wert  der  zollpflichtigen  Artikel  zu  Grunde,  so  betaiimi 
die  Zölle  1888:  4,8  Prozent,  1889:  S,9  Prozent  vom  Werte  der 
ausgeführten  Waren,  dagegen  vom  Werte  der  eingeführten  Waren 
1888:  4,8  Prozent,  1889:  4,6  Prozent  Die  ^asis  von  fünf 
Prozent"  von  1866  stimmt  also  mit  den  wirklichen  Freisen  nicht 
mehr  überein 

Sind  die  Zollsätze  durchwefr  »ehi-  niedrig,  so  sind  U'i  der 
Besteuerung  fast  aller  Kinluiirariikel  und  der  meisten  wichtigen 
Ausfuhrartikel  die  Gesamtbeträge  immerhin  nicht  unbedeutend. 
Nach  der  Grundsteuer  und  der  Sakesteuer  bilden  die  Zolle  die 
drittwichtigste  Staatssteuer  Ja|>ans,  obgleich  sie  im  Jahre  1889, 
dem  bisher  höchsten  Jahre,  die  Bevölkerung  mit  noch  nicht  gaas 
12  S(  n  auf  den  Kopf  belasteten  und  von  allen  Staatssteuern 
1887  88  nur  Cyy  o  auf  die  Zölle  kamen.  Mit  der  Zunahme  des 
Hnnrlel.s  ist  aneli  der  Ertrag  der  Zölle  gestiegen,  t'^ber  die 
Erträi^c  vor  der  Revolution  rinde  ieh  die  folgenden  AriL^aben^ 
wobei  nbor  zu  beachten  i.st.  dafs  bei  der  niantrelliatti-n  Intugritiii 
der  Beamten  die  Defraude  früher  ziemiicii  bedeutend  gewesen 
sein  soll. 


Japsn  Weekl^r  MaU  1882  S.  506. 


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X  4. 


595 


£b  kamen  ein 

1859  (vom  1.  Juli  aa) 

1860 
1861 
1862 
1 863 
1864 
1865 
1866 


48391  $  Mex. 

277  829  -  - 

210459  -  - 

391820  -  - 

355  408  -  - 

345507  -  - 

510351  -  - 

657  527  -  - 

645595  -  - 


1867 

Über  die  weitere  Entwickelu^e  siebt  die  folgende  Tabelle 
Anfedüursy  in  welcher  ich  die  ZoUetnnahnien  nach  Flnanas- 

perioden  und  nach  Kalenderjahren,  wie  sie  sich  aus  der  Handels- 
Btaüstik  eigeben,  nebeneinandergestellt  habe.  Seit  1869  ist  die 
Einnahme  aus  den  Einfuhrsi^Uen  immer  höher  gewesen  als  die 
auB  den  AuafahisüUen. 


Finaosperiode 

A  ö  1  1  0 

bühren  bis 
1879) 

jähr 

Zölle 

(einschl.  Qe- 
btthren) 

Yen 

Yen 

(1868) 

I 

720867 

1868 

864281 

(1869) 

(IRTO) 

II 

502817 

1869 

881  082 

UI 

648  453 

1870 

1  130480 

(1871) 

IV 

1071631 

1871 

1367  577 

(1872) 

V 

1  331 560 

1872 

1  596  506 

(1873) 

VI 

1  685  975 

1873 

1  736  110 

(1874) 

VII 

1  498  257 

1874 

1631445 

(1875  1.  Sem.)  Vü! 

1 038 104 

1875 

1 860  602 

1875/76 

1718788 

1876 

1958875 

187677 

1988688 

1877 

2037488 

1877/78 

2  358  654 

1878 

2370989 

1878  79 

2351635 

1870 

2  549  794 

1879,80 

2  653637 

1880 

2  636  589 

1S80'81 

2  574135 

1881 

2511428 

lb8L82 

2516292 

1882 

2  704  867 

1882/83 

2  557  967 

1883 

2717757 

1883  84 

2630002 

1884 

2  547  404 

1884  85 

2697  716 

1885 

2734380 

1885^86  (9  Monate) 

2045448 

1886 

3103114 

Finanqahr 

B86  87 
1887/88 
188889 

1889.90  (Budget) 
1890/91  (Budget) 


Ausfuhrzoll 

Yen 
1  401  <>94 
1  735  584 
1913439 
1665708 
1695708 


£an  fuhrzoll 

Yen 

1  587  992 
24t)O0r)8 

2  7U2U55 
2  438  834 
2479834 


Zusammen 

Y'<M1 

2*>89ü86 
4  135  652 
4  015  494 
4105  542 
4175542 
38* 


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596 


X  4. 


Kalenderjahr 

1886 
1887 
1888 
1889 


Ausfuhrzoll 
Yen 

1481928 
1562608 
1 995004 
1 747  603 

1886 
1887 
1888 
1889 


Eint'uhrssoU 
Yen 

1  55(5  785 
2116317 
2725423 
2863576 

Gebühren 
Yen 

<>4  401 

84  705 
104960 
109405 


ZusHmmen 
Yen 

3038713 
3678925 
4720427 
4611179 


In  der  vorstehenden  Übersicht  sind  „Gebühren"  erwähnt, 
deren  Betrag  sich  vor  1886  zwischen  3000(1  und  60  000  Yen 
gehalten  hat.  Zum  Teil  sind  das  Gebühren  lür  Ik^nutzung  der 
Zollspeicher,  für  verscliiedene  Dokumente  u.  s.  w.  Etwa  die 
Hälfte  bind  Hafengelder,  welche  statt  der  Tonnengelder  von 
jedem  Schiffe  erhoben  werden  im  Betrage  von  15  Dollar«»  {\^n) 
beim  ESn-  uod  7  Dollars  (Yeo)  beim  Auaklarieren^. 

Die  DurchiÜhruDg  der  Zollverwaltung  ist  dm^h  die  insulare 
Lage  und  die  Konceotration  des  SclwfVsverkehrs  auf  wenige 
offene  Häfen  und  IMätze  sehr  einfach  ,  da  eine  kostspielige 
Grenz-  und  Küstenbewachung  nicht  nötig  ist.  Auf  die  einzelnen 
Zollämter  und  Nebenzollämter  verteilten  sich  die  gesamten  Ein- 
nahmen folgendermarsen : 


Y'okohama   1682  673  Yen 


Kobe 

Osaka 

NagUf^aki 

Hakodate 

Kligata 

Shimonoaeki 

Hakata 

Izagahara 

Karatsu 

Kuchinotsu 

Summe 


617  938  . 

77  804  - 

146551  - 

18133  - 

205  . 

2624  - 

103  - 

1373  - 


2  840  733 
1577273 
92589 
157  718 
36  892 
489 
10271 
221 
2352 
7 

2039 


Yen 


2547404  Yen      4720584  Yen. 


*  ho  infolge  der  Verträge  von  löOi^.  Die  oben  angcfülirtt  ii  Yrr- 
träge  von  18-'>7  mit  den  Niederlanden  und  mit  Rufsland  sahen  Tuuuea- 
gelder  vor. 

^  Die  allgemeine  Hnrulols^fatistik  giebt  erst  seit  d«m  Februar  lät^ 
über  den  Verkehr  mit  Korea  Aufscbluls. 


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X  4. 


597 


Die  wirtBchaftlicfae  Wirkung  der  japanischen  ZöUe  kann 
nur  sehr  unbedeutend  sein.  Die  Besteuerung  industridler  Roh- 
materialien,  wie  Elisen  und  Baumwolle,  ist  freilich  nicht  sehr 
empfehlenswert.  In  einzelnen  Fällen  wird  ein  i;;eringer  Schutz 
ausgeübt.  Die  Ausfuhrzölle  werden  im  wesendichen  auf  eine 
Besteuerung  der  Produzenten  hinauskoninien.  Aber  durchweg 
haruielt  es  sich  doch  mir  um  Betrage,  die  im  Verhältnis  zum 
Werte  der  Waren  recht  gering  sind.  Es  ist  begreiflich,  dafs 
man  in  Japan  von  dem  bestehenden  Zustande  wenig  erbaut  ist. 
Die  Revision  des  Zolltarifs  ist  verkettet  mit  der  aU^euieinen 
Revision  der  Verträge,  auf  welchen  die  buherigen  Bessiehungen 
sum  Aushmde  beruhen.  Diese  Revision  ist  bei  den  verschiedenen 
BU  ihrer  Durch&hrung  gemachten  Anläufen  bisher  jedesmal 
stecken  gebheben,  wenn  man  auch  iedesmal  mit  den  Vor- 
besprechungen ein  gut  Stück  weiter  gekommen  ist. 

Die  japanische  Finnn 7 Verwaltung  hat  zunächst  den  bcgrcif- 
hchen  Wunsch,  die  Emnahmen  aus  den  Zöllen  zu  steigern,  wozu 
namentlich  Pekoleum  und  Zucker  (in  \'erbindung  mit  einer  in- 
ländischen Zuckersteuer  statt  der  unbeliebten  Kuehensteuer) 
geeignete  Objekte  sein  würden.  Schutzzöllnerische  Neigungen 
sind  allgemein  verbreitet  und  dem  Volkscharakter  entsprechend. 
„Endehungs^chutzzOUe''  im  listschen  Sinne  würden  aufser- 
orden^ch  populär  sein.  L^ber  die  Ergiebigkeit  von  FinanflssOUen 
darf  man  sich  aber  keinen  sehr  hochgespannten  Erwartungen 
hingeben.  Eine  bedeutende  Preissteigerung  von  Gegenständen 
allgemeinen  Verbrauches  \\^irde  bei  japanischen  Wohisfcindsver- 
haltnissen  rasch  und  s<  liart'  auf  den  Verbrauch  wirken  und  die 
finanziellen  Ergebniääe  schmälern. 


IV.  Die  .Getränkasteuern.  ' 

Da(s  berauschende  Getrttnke  ein  angemessenes  Objekt  der 

Verbrauchsbesteuerung  sind,  war  schon  dem  alten  Regime  be- 
kannt. Das  nationale  Getränk,  der  Sake',  unterlag  mancherlei 
Abgaben,  wflclie  durch  N'ermittelung  der  Brauergilden  erholjen 
wurden  1  >it^8e  ( iilden  waren  geschlossene  Korporationen  mit 
bestimmter  Zahl  von  Mitgliedern.  Errichtung  neuer  Brauereien 
war  meist  nicht  erlaubt-.  Dali»  auch  Bannrechte  tur  den  Aus- 
scliank  bestanden,  ist  an  anderer  Stelle  bereits  erwtthnt  Schon 


t  Über  die  Sakeindustrie  vgl.  S.  :r.)2— '^OC. 

^  Aus  Gründen  der  TeueruugspoLitik  war  auch  die  zu  verblauende 
Meuge  Reis  geregelt.  Noch  nach  der  profsen  Mi&emte  von  1869  wurde 
dies  OsBotum  für  ein  Jahr  auf  em  Drittel  herabgesetzt.  Die  iische  Zu> 
fiihr  von  Getreide  ans  dem  Aiuiande  bat  dann  solche  Borgen  för  die 
Zukunft  beseitigt 


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598 


im  ersten  Jahre  der  neuen  Ordnung  (29.  Tag  des  5.  Monats) 
wiupdc  eine  einheitliche  Sakeateuer  angeordnet.  Jedes 

Mitglied  einer  Gilde  sollte  eine  Liconz  habon.  dir  rr  in  Form 
eines  L'"estem polten  Bretts  (Ladenschild)  erhielt,  tmd  liir  |mO 
Küku  iSake  2U  Ryo  Steuer  zahlen.  Ortliche  Abiraln  n  l>p>taii<b  n 
ibrt.  So  wurde  in  Tokyo  dat»  „Dankgeld"  (Myog.i  kirn  an  die 
Stadt  von  2  Ryo  für  je  10  Fals  Sake  (nicht  ganz  4  Koku  ,  die 
in  die  Stadt  gebmcht  wurden,  erst  am  22.  November  1871  auf- 
gehoben. 

Mit  Abecbafiung  der  alten  Verwaltcmgseinrichtungen  im 

Sommer  1871  fielen  auch  die  Hrauergilden.  Die  Sakebranem 
mirde  ein  freies  (bewerbe  für  jeden,  der  sich  für  10  Ryo  etne 
Licenz  löste.  Die  alten  Gildenmitgliedcr  erhielten  die  neuen 
Licenzbretter  umsonst  Die  Lieenz  war  übertragbar.  Beim  Wr- 
kauf  sollten  2  Prozent  des  Preise.s  als  Stempelahü^he  »'Tirrii  lit<  t 
werden.  Ferner  sollten  für  jeden  Arbeiter  jährlicii  ini  i<  litrii 
Monat  (vor  Beginn  d(  r  (  aiupagne)  ö  Kyo  bezalüt  werden.  Kruilieh 
war  eine  i'abrikatsteuer  iu  der  Höhe  von  tüui  Prozent  des  Wertes 
des  Prodtdcts  nach  dem  im  vorhergehenden  Jahre  herrschendeD 
Mie  m  entrichten.  Die  licena  einem  andern  zu  leihen,  wiude 
verboten  (9.  Januar  1874). 

Die  Steuerreform  von  187  5  brachte  eine  weitere  Um- 
gestaltung. Das  Gesetz  26  vom  20.  Februar  1875  {in  Kraft 
vom  1.  Oktober  1875)  kennt  nur  mehr  zwei  Abgaben,  dir  jähr- 
liche Lieenz  (Eigyo-zei  —  CJewrrbesteiiei  /  und  die  Fabrikat- 
steuer ( Jiyozo-zei).  Für  die  Lieenz  liatte  der  Brauer  10  Yen, 
der  Wiederverknuier  5  Yen  zu  erlegen.  Die  Fabrikatäteuer 
wurde  auf  10  Prozent  des  l'reiseä  erhöht,  iialb  nach  den  Durch- 
schnittnpreisen  der  letzten  Campagne  im  April,  halb  nach  denen 
der  kaufenden  Campagne  im  September  berechnet  Die  KontroU- 
bestimmungen  Rir  die  Durchfilhrung  waren  schon  im  wesentlichen 
die  jetzt  noch  geltenden  (Ministerialverordnung  75  vom  21).  Mai 
IS 75).  Dal»  fiir  jede  gesonderte  Betriebsstelle  eine  Licenz  zu 
lösen  sei,  wurde  ausdriickh'ch  in  einem  Zusatz  erklärt  (23.  Juli 
1875).  Das  Oesetz  von  1875  hatte  den  trüben  Sake  (Dakushu, 
Kigorizake)  ti-eigelasseu,  aber  1S77  (Nr  81  vom  T».  Dezember) 
wurde  auch  für  dessen  Herstellung  eine  Licenz  von  5  Yen  und 
eine  Steuer  von  5  Prozent  verlangt  l>aa  gleiche  (u-setz  erhöhte 
die  Licenzateuer  der  Sake-Grofshändler  aut  10  Yen,  während  die 
der  Kleinhändler  wie  bisher  bUeb. 

Die  Bemessung  der  Fabiikatsteuer  nach  dem  Preise  des 
Produkts  bewährte  sich  gar  nicht  und  gab  zu  grolsen  Schwierig- 
keiten Anlals.  So  kehrte  man  1878  zu  einem  einfacheren 
System  zurück,  der  Erhebung  eines  festen  Betrages  vom  Koku, 
der  filr  klaren  Sake  (Seishu),  die  Hauptart,  auf  1  Yen  festgesetzt 
wurde,  für  trtiben  auf  30  Sen,  für  Spiritus  auf  1,5«  Yen,  ftir 
andere  Arten  aut'  2  nnd  3  Yen  (Gesi  tz  28  vom  28.  September 
1878,  in  Kral't  voui  1.  Oktober;.    Schon  dieses  Gesetz  steigerte 


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X  4. 


599 


die  Eumabmeii  au§  der  Sakesteuer  ganz  erhebHch,  während  doch 
der  Verbrauch  bei  dem  Schemwohbtiuid  der  damaJigeii  InflatioiiB- 
periode  ganz  bedeutend  stieg.  So  ging  man  bei  der  Notwendig 
keit,  die  Kinnahmen  zu  vermehren,  1880  an  eine  zweite,  1882 
nn  oinf  dritte  Erhölnmp;'  der  Steuer,  indem  jedesmal  der  Steuer- 
8'iiz  tiir  die  Haiiptart,  den  klaron  Sake  (''»>  Prozent  der  produ- 
zierten Mtn-e),  verdo|>pelt  wurde,  womit  man  dann  «jchliefelich 
docli  den  Bo^en  über8})annte. 

Auf  den  beiden  Oesetzen  Nr.  40  vom  27.  September  1880 
(in  Kraft  vom  1.  Oktober  1880)  und  Nr.  61  toid  27.  Desember 
1882  (in  Knh  für  die  Zeit  rem  1.  Okiober  (!)  1882)  beruht 
der  heutige  Zustand,  nach  den  vorhergegangenen  ununter- 
brochenen Änderungen  jedenfalls  schon  eine  Zeit  verhältnisrajifsiger 
Dauer  und  Ruhe.  Wer  Sak<-  aller  Arten,  aueh  Wein  oder  Bier 
lierstellen  will,  muls  fVir  jetlen  Betrieb  eine  IJeenz  imenkyo 
kansatsu;  lösen,  welche  f(ir  die  Zeit  vom  1.  Oktober  bis  zum 
30.  September  gültig  iöt  und  wofür  30  Yen  zu  bezahlen  sind. 
Die  Händler- Licenz  ist  1880  beseitigt  ^  Die  Fabrikatsteuer  be- 
trttgt  filr  den  Koku 

a.  von  gewöhnlichem  gegorenen  Sake 

(d.  Ii.  klarem  und  trübem  Sake)        4  Yen  (1880:  2  Yen) 

b.  vun  destilliertem  Sake  (d.  h.  Spiritus, 

Shochu)  5   -    (1880:3   -  ) 

c.  von  Getränken,  weiche  durch  Um- 
arbeitung von  Sake  hergestellt  wer- 
den (Shiiozake,  Mirin,  Meishu)       6   •   (1880:  4   -  ) 

V  on  Wein,  Bier  und  anderen  Getränken  ausländischen  Ur- 
sprungs wird  eine  Fabrikatateuer  bisher  nicht  eiiioben.  Die 
Falnrikatsteuer  wird  in  drei  Terminen  beeahlt, 

1.  bis  zum  30.  April  die  Hälfte  von  der  i'ruduktion,  welche 
vom  1.  Oktober  bis  31.  März  durch  die  Steuerkontrolle 
gegangen  ist. 

2.  bis  zum  31.  Juli  die  Hälfte  von  der  Punktion  vom 
1,  April  bis  30.  Juni. 

3.  bis  zum  30.  September  der  Rest. 

Die  Steuerzahlung  ist  damit  etwas  mehr  hinausgedc hoben  als 
früher.  Immerhin  erfordert  sie  auch  so  eine  bedeutende  Kapital« 
auslage  durch  den  Brauer,  der  einen  grofsen  Teil  seines  Erzeug- 
nisses erst  im  Winter  los  wird. 

Die  Campagne,  während  welcher  Sake  gebraut  werden  darf, 
läuft  vom  1,  Oktober  bis  31.  August.  Thatsächlich  kann  die 
Fabrikation  nur  in  der  kühlen  Jahreszeit  vorgenommen  werden. 

*  Der  Verkauf  von  Spirituosen  füllt  unter  die  kommmialeii  Gewerbe» 
eteneni. 


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Für  die  Zdt,  daCs  nicht  gebraut  wird,  wird  die  Presse  von  den 
Steuerbeamten  versiegelt.  Vor  dem  1.  Oktober  hat  der  Braaer 
die  Erteilung  der  Licenz  und  Abnalime  der  Siegel  zu  beantragen. 
Dabei  »^ind  die  Arten  und  die  Menge,  welche  er  voraussichtlich 
brauen  wird,  anzumelden.  Dies  wird  auf  einer  Holztifel  ver- 
zeichnet, wclclie  sichtbar  am  Eingang  der  Brauerei  aufzuhängen 
ist.  Ferner  ist  ein  \  erzcichnis  der  Gebäude  und  Geräte  ein- 
zureichen. Eröflfnung  neuer  Brauereien  wird  nur  gestattet,  wenn 
ndndesteiia  lOOKoku  klarer  oder  lORoku  trüber  oder  5  Koka 
flosetiger  Sake  hergestellt  werden.  Das  Gesuch  wegen  ErOffiiung 
einer  neuen  Brauerei  mufs  von  dXnf  anderen  Brauern  des  Bezirks 
mitunterstempelt  sein,  worin  immerhin  eine  gewisse  Beschränkung 
der  freien  Konkurrenz  liegt, 

Die  zu  verwendenden  Fiisser  *  und  die  I*)raubotticlie  sind  vor- 
her von  den  Steuerbeamten  vu  eichen  und  zu  numerieren  In 
diese  Fässer  wird  der  fcrtii;e  Sake  getiilh  und  danaeli  djp  Steuer 
berechnet.  Jede  Verwemlung  des  Sake,  ehe  die  Kontrullt:  Jureli 
die  Steuerbeauiteu  stattgefunden  hat,  auch  im  eigenen  Hauslxalt, 
ist  verboten.  Verkauf  der  Maische  (meto)  ist  verboten.  Verdirbt 
Sake  vor  Schlafs  der  Campagne,  so  dais  er  gar  nicht  mehr  ver- 
wendbar  ist,  so  ist  nach  erfolgter  Anzeige  und  Prüfung  keine 
Steuer  zu  bezahlen.  Zu  der  Brauerei,  den  I^ucheni;  den  Reis- 
und  Sakevorräten  u.  s.  w.  steht  den  Au&ichtsbeamten  der  Zu- 
tritt jederzeit  offen. 

Wer.  Sake  ohne  Licenz  braut,  wird  mit  Kontiskation  des 
Sake  und  der  Gerate  bestraft,  sowie  dem  doppelten  Betrage  der 
Licenz.  Wer  >ake  verlieimlicht.  wird  mit  KontiHkation  des  Sake 
und  dem  dreifachen  Betrage  der  dafür  schuldigen  Steuer  be- 
straft. Ebenso  steht  auf  \' erkauf  von  unversteuertem  Sake  Kon- 
fiskation des  Erlöses  und  der  dreifaßhe  Betrag  der  hintersogenen 
Steuer.  Im  übrigen  stehen  auf  Übertretung  der  Vorachrifteo  des 
Gesetzes  Geldstrafen  von  1 — 30  Yen.  Für  Übertretungen  seiner 
Bediensteten  haftet  der  Unternehmer.  Wie  bei  allen  Steuereesetzea 
ist  die  Anwendung  der  Bestimmungen  des  Strafgesetzbuchs  Uber 
Konkurrenz,  Milderungen  der  Strafe  u.  s.  w.  ausgeschlossen. 

Diese  Bestimmungen  bezielien  sich  d'irehweg  nur  auf  die 
gewerbliche  Brauerei,  die  fiu'  den  Verkaut  arl)eitet.  Das  Brauen 
des  ilaustrimkes  ausschlielsHch  zum  eigenen  Bedarf  war  bis  \  ><S2 
steuerfrei.  Durch  das  üesetz  von  1882  wurde  auch  hierlür  eine 
Lioenz  nötig  von  80  Sen  fiir  das  Jahr»  welche  jährlich  im  Herbst 
zu  lösen  ist.  Daftlr  kann  bis  zu  einem  Eoku  Sake  gebraut 
werden,  ihr  nicht  verkauft  werden  darf. 

Eine  Ergänzung  des  Sakesteuergesetzes  war  die  Einführung 
einer  Rückvergütung  der  Steuer  bei  der  Ausfiihr  seit  dem 

*  Genauer  wüfe  wohl  Kfthel  sn  sa^en.  Das  Fafs  aoUte  firOhsr  4  to 
(72  I)  metsen,  h&lt  jetat  aber  nur  je  nach  der  Sorte  3,«^3k«  to,  also  gut 
60  h 


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X  4. 


601 


1.  September  1888  (Nr.  54  vom  11.  Juli  188d)^  Die  Fabrikat- 
Bteaer  ist  im  Okinawa-ken  nicht  eingeführt.  Das  hatte  zur  Folge, 
dafii  TOD  dort  unTenteuerter  Sake  nach  anderen  Teilen  von 
Japan  ^T\g.    Infolgedessen  ist  vom  1.  Oktober  ab  (Nr.  12 

vom  21.  März  18Si^)  eine  Abgabe  von  3 'S'«  n  tür  den  Koku  ein- 
getXihrt  von  allem  .Sake,  der  von  Okuiawa  nach  anderen  Bezirken 
ausgeftilu  t  wird.  Um  bedeutende  Mengen  handelt  es  sich  dabei 
nicht.  Die  Einnahme  ist  im  Etat  fUr  1889  90  mit  36975  Yen, 
1890/91  nur  mehr  mit  22950  Yen  angeietzt,  war  aber  vom 
1.  Oktober  1888  bis  31.  März  1889  nur  2110  Yen^ 

In  das  .System  der  Sakesteuer  gehört  endlich  auch  die 
Kojistener.  Koji  ist  ein  ausRds  bereitetes  FkDdukt,  welches 
zur  Vorboreitung  der  alkoholischen  Gähning  dient,  auch  bei  der 
Fabrikation  von  Shoyu  (ßohnensaace)  and  sonst  wie  Hefe  yer- 
wendet  wird  (Bdn  II  118).  Für  die  gewerbliche  Herstellung 
von  Koji  war  bis  zum  G<  setz  von  1875  und  wieder  seit  1880 
((besetz  41  )  eine  Licenz  nötig,  welche  nacli  letztuenanntem  Ge- 
setze 5lj  Yen  jalirlich  butriigt.  Die  Zahl  der  Hrt riebe  hat  sich 
ständig  vermindert,  mithin  auch  die  Steuer,  die  von  dem  höchsten 
Betrage  von  56  79Ü  Yen  im  Jahre  1881/82  auf  26122  Yen  im 
Jahre  1887/88  (1888/89  wieder  27234  Yen)  gesunken  ist.  Der 
Rückgang  der  Betriebe  hat  aber  kdnen  Rückgang  der  Ph>duktion 
bewirkt   Es  gab 

1883  84  641  Betriebe  mit  einer  Produktion  von  11-726  Koku 
1887  88  527      -        -      -         -  -    13814  - 

Es  ist  wohl  der  nicht  unbetrttchtlichen^  aber  festen  Steuer 
zuzuschreiben,  dajs  die  Betriebe  durchschnittlich  greiser  geworden 
sind^. 

Die  Sakesteuer  ist  nach  der  Grundsteuer  die  wichtigste 
Steuer-  und  Einnahmequeiic  des  japanischen  Staates  geworden« 

(Siebe  Tabelle  8.  602.) 

Die  umstehende  Tabelle  zeigt,  dafs  die  Einnahmen 
daraus  seit  dem  Finanzjahr  1881  82  jährlich  mehr  als  10  Milli- 
onen Yen  betragen  haben.   Die  Sakesteuer  war  von  den 


»  Es  sind  auaceführt:    18x7  1085,45  Koku 

(meist  nach  Korea)    18ss  i  ry^%u  - 

8  Seit  dem  1.  Jaimai-  i?<8l>  ist  der  alte  örtliche  SakeaufschJsg  in 
Tokyo  iu  Höhe  von  5u  Sen  für  den  Koku  wieder  eingeführt 

*  Die  KoUfabriken  liegen  überwiegend  im  Nofden.  In  den  Bezirken 
Miyagi,  riikuphium.  fwate.  Akita  und  Yamagat.i  wfiren  1887  dreiviertel 
aller  Betriebe  mit  mehr  als  drei  Viertel  der  Produktion. 


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602 


X  4. 


Ertrag  der  Sakesteuer  seit  1872. 


Finanz- 

Gesamt- 

Davon kamen  aus  der 

periode 

ertrag 

Fabrikat- 
Steuer 

! 

I  Brauücenz 

Verkanft- 

Yen 

Ten 

Yen 

X  cu 

i~  Ii 

Iß  OAO 

iO  Iw 

«Iii  vOl 

lo74 

1  O0t>  09U 

1  OlU  ool 

1.  isoin. 

9  USA  SIKi 

1876/77 

19116S9 

1 318  357 

305636 

•>w7  c  Iß 

1877  78 

3050318 

? 

? 

? 

187H70 

5  100  06:? 

4  006  or>8 

;W6  20:? 

757  802 

1879  80 

r.  1»;;;  894 

ö  2'»1  •>■  >2 

Ki?  149 

l8^'  >  ^  I 

1 1 

4  675  646 

m  489 

Hausbrftu» 

10  r,  i»; 

9  8:t.>  94:3 

810220 

licenz 

1882 

16:{:{1  405 

l^>:^01  :?s2 

761  'A2H 

268  875 

13490  730 

12301751 

651148 

5378^il 

1884(85 

* 

14068133 

18539403 

528  730 

1  OxM«:»! 

499962 

5r>:i  m 

1880  87 

11  787  97.^ 

11  200151 

5n7  >-2-2 

1887/88 

13062683 

11925  273 

456735 

680675 

188&'89 

17063137 

15  861 467 

463227 

738443 

1889/90 

14497438 

13366209 

453986 

677143 

(Budget) 

1890'91 

15  158  95:^ 

18959445 

465686 

733822 

(Budget) 

'  Infolge  der  Verlegung  des  Endes  des  Finanzjahre»  auf  den 
81.  März  1^86  fielen  die  Zahlungen  für  die  Fabrikatsteuer  ron  da  an  m 
das  nächste  Finanzjahr. 


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003 


1875  76  1882  83  1887,88 

StH^itaeiiuiahiiiea  überhaupt  3,"  **'o  22,2  "  o  14,s  ^/o 

von  den  Steuern  4,4*^/0  24,7 o  10,t".  ü 

▼on  den  inländiscileii  Steuern       4,5  ^/o  25,7  ^-o  20,9  ^  o 

Im  Etat  ftlr  1800  91  ist  sie  auf  ein  Viertel  aller  inlündlüchen 
»Steuern  ^^tst-  hatzt,  Iküt  ein  Fünftel  aller  ordentlichen  Einnahmen  ^ 
Auf  den  Kopf  der  Bevölkerung  kommt  nach  den  Ergebnissen 
▼on  1887/89  durchschnitdicbe  Belastung  mit  Sakeeteuer  von 
89  8en,  auf  die  Haushaltung  rund  2  Yen. 

In  (I  n  einzelnen  Bezirken  richtet  sich  das  Aufkommen  an 
Steuer  nach  der  Entwickelung  der  Sakeindustrie.  An  der  Spitze 
steht  dauernd  Hyogo  mit  1450000  Yen  im  Jahre  1880  87,  mit 
20150U0  Yen  1888/89 

Die  Belastung  des  Produkts  durch  die  Steuer 
war  anfangs  nicht  sehr  erheblick.  Doch  zeigte  sicli  schon  nach 
der  Frhöhung  des  Jahres  1875  von  5  auf  10  Prozent  des  Wertes 
vorübergehend  ein  starker  KrH'kL'"an«j:'  der  versteuerten  Produktion 
von  3  240000  Koku  in  der  Campagnc  1874  7')  auf  25;'.7imjO 
Koku  1&7G  77  Inwieweit  das  durch  zunehmende  Hinter- 
ziehung der  Steuer,  durch  Vermehrung  des  liausbräu^  gegenüber 
der  gewerblichen  Brauerei  oder  durch  wirklieben  Rückgang  des 
Verbrauchs  ▼emrsacht  war,  lälst  sich  nicht  sagen.  Als  1878 
statt  der  nach  dem  Werte  bemessenen  eine  feste  Abgabe  auf  den 
Koku  eingeführt  wurde,  bedeutete  das  ftlr  geringere  Sakesorten 
eine  erhebliche  Steuererhöhung,  während  es  Air  die  besten  eine 
Erleichterung  war.  Die  Wirkung  der  neuen  Steuer  ist  rein  aber 
nicht  zu  erkennen  wegen  der  gerade  sich  entwickelnden  Ent- 
wertung der  Landeswährung.  Mit  den  Ueispreisen  stiegen  auch 
die  SaKepreise,  so  ilaf»  die  feste  Steuer  von  einem  Yen  vom 
Koku  eine  immer  geringere  Belastung  des  Produktes  darstellte. 
Der  EinfUhnuig  der  neuen  Steuer,  gleichzeitig  mit  der  knappen 
Rdsemte  von  1878,  folgte  zunxchst  ein  ganz  merkwttrdiges  Steigen 
des  Sakeprdses,  der  sich  aber  atif  seiner  Höhe  nicht  behaupten 
konnte*.   Nach  der  guten  Reisemte  ▼on  1879  sank  der  Preis, 


'  Das  Jahr  166.^  >'J  ist  nicht  tiirekt  vergleichbar  wegen  der  Än- 
derung bei  der  Grundsteuer.  Setzen  wir  diese  mit  dem  vollen  Jabres- 
betrage  von  42  8:^9  oou  Yen  ein,  lo  kamen  auf  die  Sakesteuer  23  Frosent 
der  ganzen  Steuercinnahme. 

~  leb  folge  hier  den  Notierungen  monatlicher  Durchschnittspreise 
▼OD  bis  iw7  in  Tokyo  för  Kami^ata  (d.  h.  Sake  aus  der  Genend 
von  Osaka -Hyogo)  mittlerer  Qualität  iSfütistisclic  Tabellen  des  Ministe* 
xinms  für  Landwirt.«ehnft  und  Gewerb«  Bd.  ill,  Handel,  iS.  143): 

187ö,  Januar  für  die  Last  ica. 

0,7  Koku  ==  12(5  1)  7,8-,  Yen  Papier  •=  7,4«  Yen  Silber, 
1878,  Septbr.  fUr  die  Last  (ca. 

0,1  Koka « m  i)  9,00  •         -    »  8,1«  • 


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4L 

604  X  4. 

in  Silber  (oder  Reis)  berechnet,  ganz  bedeutend,  bis  aaf  die 
Preise,  welche  Anfang  187^'  iregolten  hatten.  In  Papier  ausge- 
drückt, bedeutete  das  etwa  gleichbleibende  Preise,  bei  dem  stetigen 
Sinken  der  Valuta  ^  Die  fler  Preisst^  iLreniTiii:  nllpr  Produkte 
folgende  nllgemeinc  Steigerung  der  Konsumtion,  iiaiiK  nliicli  in 
der  bfiiirrlichen  Bevölkerung,  bewirkte  ein  An\vaeli.-i  n  (1<t  Pro- 
duktion bi.^  auf  520800()  Koku  versteuerten  Saktö  im  .bilire 
1879  80.  Ein  Teil  der  Zunahiue  dürfte  wohl  dadurch  zu  erklftren 
sein,  dafs  bd  der  allgeinräen  Steigerung  des  WoMatandeB  der 
gcringwei-tige  Haiubittu  sich  Terminderte.  Gans  aufTallend  ist, 
wie  die  Vmoppelang  der  Fabrikatsteuer  von  1880  kaum  einen 
Eindruck  gemacht  zu  haben  scheint.  Die  Preise  stiegen  auf 
dem  grofsen  Markte  Tokyo  fast  gar  nicht,  etwas  mehr  an  den 
Hauptproduktionsorten,  wie  Osaka  und  Aichi.  Dabei  ist  aber 
zu  beachten,  dafs  die  Keispreisc  viel  stärker  stiegen,  teils  infolire 
der  knappen  Ernte,  teils  infolge  der  wüsten  Spekulation.  Nach 
der  anfserordentiiehen  Produktion  von  1879  80  war  die  erzeugte 
Menge  im  nächsten  Jahre  etwas  geringer  (4ü4;i000  Koku),  ötieg 
aber  dann  wieder  &8t  auf  die  vorige  Höhe.  Ganz  anders  wirkte 
die  erneute  Verdappelung  im  Jahre  1882.  Der  Satz  Yon  4  Yen 
war  im  Veriiflltnis  aum  Werte  des  Produkts  di  sich  hoch,  die 
Steigerung  auch  absolut  so  bedeutend,  dafs  schon  die  ersten 
Nachrichten  von  der  bevorstehenden  Erhöhung  den  Plreis  in  die 
Höhe  trieben. 

Bei  d«T  \\'ertsteif^erung  der  Valuta  bedeutete  der  feste  Be- 
trag der  Steuer  auch  eine  stei^iende  Belastung.  Die  sich  ver- 
breitende wirtscliaftliclie  Not  erstliwrrte  an  sich  die  Abwälzung 
der  Steuer  auf  den  Konsumenten.  Erleichtert  vvurde  sie  aber 
durch  das  Steigen  der  \'aluta.  Denn  wenn  die  bestehenden 
Preise  nur  einigomafisen  behauptet  wurden,  so  bfieb  bei  dem 
Rückgang  der  Keis*  und  sonstigen  Produktenpreise  und  der 
Löhne  eine  erhöhte  Einnalime  für  den  Brauer.  ThatsKcUich 
sehen  wir  denn  auch,  dafs  im  Grolsyerkehr  die  Steuer  auf  den 
Preis  abgewälzt  ist.  Die  Notierungen  ftlr  einzelne  Sorten,  wie 
di<^  MTutlichen  Dnrclischnittspreise  m  den  Bezirken,  zeigen  fast 
durchweg  in  den  Jahnen  isHT»  s.s  »Sakepreise^  welche  um  3  bis 
5  Yen  höher  sind  als  die  von  1877.  78^. 


1878,  Novbr.  für  die  Last  (ca. 

0  7  Koku  -  12n  I)  Yen  Papier»  u,8»  Yen  SUber, 

lö79,  Februar  für  die  Last  (ca. 

0,7  Koku  =  126  l)  11,25   -         •    —  9,M  - 

^  Die  in  der  vorigen  Anmerkung  erw&hnten  Notimuigen  halten 

h\ch  meist  zwischen  12  iiiid  14  Yoii,  was  in  Silber  l>erecliuot  einen  ganz 
stetigen  Hückgang  ergiebt,  auf  gut  6  Yen  Silber  im  grü£9ten  Teil  des 

Jahres  IS-'^O. 

'■^  Die  obigen  Nottemiigtti  f&r  die  Last  Ramigata,  oilttel,  bewflgten 
■ich  folgendermafgen: 


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X  4. 


605 


Nach  jährliclR'n  I  )nrehsc}initteTi  h;it  sich  der  Preis  für  den 
Kok  11  mittelguten  Siike  nach  den  amthchrn  Erhebungen  wie 
folgt  entwickelt,  wobei  ich  den  Silberpreis  von  1878  bis  1SS5 
beilUge,  sowie  von  1878  bis  1887  die  oben  angeführten  Notierungen 

Im  Dureliacliuitt  des      Tokvo  (Kamigata,  mittel) 
Landes  für  den  Koka     flir  die  Last  —  0,y  Koka 
Fapieiyen     Silberyeii     Papieiyen  SilbeiyeD 

1875  7,6« 

1870  6,28 

1877  6,98 

1878  7,01  6,i>8  9,51  B,72 

1879  10,  06  9,18  12,85  lOjüi 

1880  14,89  0,7  4  11  ,93  8,08 

1881  16,56  9,Hi.  12.  50  7,85 

1882  15,01  9,5c  1H,50  8,00 
1888 1        13,8t         10,58         11,14  8,M 

1884  12,88  11,88  9«54  8,66 

1885  15,80  14,4»  8,86  8,80 

1886  13,81  8,32 

1887  13,88  9,11 

1888  12,«7 

1889  13,45 

Erhöhte  sich  also  infolge  der  Steuer  der  Öakepreis  im 
VerhSltnb  tu  anderen  Waren,  so  bewirkte  das  im  Verein  mit 
der  almdimenden  Konsnm&higkeit  der  Bevölkerung  eine  starke 
Einschränkung  des  Verbrauchs  und  damit  wiederum  der  Pro- 
duktion. Das  erste  Jahr  der  letzten  Steuererhöhung,  1882  83, 
zeigt  allerdings  eine  aufserordentlich  hohe  Produktionsziffer,  die 
nächsthöclistc  nacli  der  von  1^^79  80,  niimlich  5003000  Koku. 
Die  Steuereriiöhung,  welche  vom  I.Oktober  1882  an  gelten  sollte, 


1882,  Aug.  Papier  1  1,bo  Yen  =  Silber  6.wi  Yen;  Beispreis f.  d. Kokn  8,«o  Yen 
•    8ept.     •      12,2:^    •    =    -       7,M    •  ....    7^84  , 

Okt.        -       \''\,r.i}    -     =s     -  '  .         -   -         ,     7,»8  - 

N'ovbr.  -     15,60  '   —   -     10,47   -  -  -  • 

-  Dezbr.  -     14,m  -   =*  -     lO.a«  -        ...      -  6^«»  • 
1883  Januar  -     13.r.o    -    —    -     10,ir.    -         .      -  -      ♦    C,-.»«  - 

Febr.     -     12,25   -    —    -      0,1»   -         ....  - 

-  März       •        1H,00     •  •         9,M     -  .         -    «         .     6,41  - 

Auf  die  Nacbricbt  von  der  bevorstehenden  Stenererköhnng  fol^  &n 

Versuch,  die  Preise  entsprerhciul  zu  orhöhcTi  ( t  Yen  Steuer  au?  <leii 
Koku  mncht  etwa  2,so  Yen  für  die  Last),  der  sicli  nber  oicht  guuz  be- 
haupte« kann.  Von  Mitte  bis  15^.*)  Imlteu  sich  die  Winterpreise 
meist  swisehen  11  und  12  Yen  Papier,  awisdiea  9  nnd  10  Yen  ^Iber, 
die  Sommerpreiee  sind  etwas  nie(lri!/»'r 

1  Von  18^3  an  sind  diese  OurcUsclinitte  etwas  zu  hoch  gegen  die 
Vogahre,  seit  dieser  Zeit  Hokkaido,  in  dnseliieii  Janren  auch 
Oldnawa  mit  hohen  Preisen  eingerechnet  eiiid. 


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606 


X  4. 


wurde  niiinUcli  erst  am  27.  Dezeml^r  bekannt  gegeben',  d.  h. 
zu  einer  Zeit,  in  welcher  die  Brauer  «ich  schon  auf  die  Cainpagne 
eiügericlitet  hatten,  diese  in  vollem  Gange  war.  Durch  solche 
Überrumpelung  gelang  es  für  die  Steuer  dieaee  Jalires,  ein  aefar 
grofses  steuerpflichtigea  Quantum  8u  fangen.  Um  so  sdUirfiBr 
war  dann  der  Kttckgang;  nämlicii  auf  3 174  ODO  Koka  im  nächsten 
Jahre,  bis  18B5  86  auf  2680000  Koku^  An  anderem  Orte  ist 
gm&gtt  wie  das  auf  die  Verminderung  der  P>rauereien  gewirkt 
und  namentlicli  kleine  Brariereien  beseitigt  hat,  welehe  die  Kapital- 
auslage der  Steuer  niclit  tragen  konnten,  liemerkenswert  ist  es, 
wie  das  unverhältnismalöig  schnelle  Sinken  der  Reispreiisc,  der 
wirtscliattHche  l  )ruek,  die  Notwendigkeit,  sich  einzuschränken  und 
Geldausgaben  zu  vermeiden,  darauf  liingewirkt  haben,  die  Haus- 
brauerei  zu  vermehren,  welche  von  1883/84  bif  1888^89  von 
456000  auf  760436  Eokn  stieg.  Die  Zunahme  dttrfle  jedoch 
Bum  Teil  durch  die  schärfere  Kontrolle  zu  erklären  sein.  Übrigens 
ist  bei  dem  Rückgang  der  gewerblichen  Sakeproduktion  nicht 
aulser  adit  zu  laaaen,  dafs  die  188(5  87  und  1887  88  erzeugte 
Menire  kaum  geringer  ist.  als  sie  durchschnittlich  vor  1878  war. 

Der  Rückgang  der  Steuer  war  der  Regierung  eljenso  un- 
erwünscht wie  unerwartet.  Die  Voranschlage  gingen  weit  über 
den  wirklichen  Ertrag  hinaus.    £s  war 

der  AiMclilag  der  Ertnig 

1883/84      167)1 635  Yen      13490730  Yen 
1884/85      16813612   -        14068133  • 

und  selbst  1887  88  irrte  mau  sich  noch  bedeutend,  da  der  An- 
schlag 13697723,  der  Ertrag  nur  13062683  war  und  dabei  die 
Licenzen  iür  den  Hausbräu  noch  ein  Plus  Ton  117625  Yen  ab- 
warfen, so  dafs  bei  der  gewerblichen  Brauerei  ein  Minus  von 
über  750000  Yen  blieb.  Erst  1888  89  ging  der  Ertrag  über 
den  Anschlag  wesentlich  hinaus.  Infolge  des  wirtschaftiichea 
Aufschwunges  war  die  gewerbliche  Produktion  der  Campagne 
1887  88  auf  39»>8  0ihi  Kokii  gestie^^en,  die  Stetiereinnahnie  für 
1888^9  betrug  infolgedf  ssen  17  063137  ien,  etwas  mehr  als 
in  dem  bisher  besten  Jahre  1882  83. 

War  der  zum  Teil  durch  die  Steuererhöhung  bewirkte  Rück- 
gaug  des  SakeTerbrauches^,  der  ja  aus  anderen  als  fiskalischen 
QrUnden  auch  sein  Gutes  hat,  ein  Symptom  der  Notlage  der 
Bevölkerung,  so  war  er  seinerseits  wieder  em  Anlafo  su  stttnerem 


'  \  »rher  waren  nur  unbestinirntp  Gerüchte  verbreitet 

*  \  ,41.  oben  im  Kapitel  Gewi  ibewesen  S.  If. 

'  Gelegentlich  hr>rt  oder  liest  man  die  Ansieht,  als  ob  der  Geoafs 
von  Hier  (Ion  Sakcv.TbraiU'li  VxMiinträchtigt  habe.  Dafs  ein  Vorbraueb 
von  iiU  UÜU  bis  40  00U  hl  liier  neben  einer  Vermindeniug  de^  Sakever- 
brauchs  um  3  bis  4  MilUonen  hl  völlig  bedeutungslos  iät\  braucht  wohl 
nicht  hervoigehobeti  sn  werdso. 


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X  4. 


607 


Druck  auf  die  Bauern.  Denn  die  verminderte  Verwendung  von 
Reis  zur  ürHuerci  verstärkte  das  Angebot  von  Reis  auf  dem 
Markte.  Ea  handelt  sich  dabei  aber  um  ganz  bedeutende  Mengen. 
Im  Dorcfaflchiiitt  der  4  Jafaie  1879'80  bis  1882/88  sind  von  der 
gewerbtiehenSakebnuierei  jährlich  4357000  KokuBdsyerbrancht, 
dagegen  1885  86  nur  1964000  Koku,  ako  fast  2400000  Koku 
weniger,  im  Durchsclinitt  der  drei  Jahre  1883  84  bis  1885  86 
2  375  000  Koku,  fast  2  Millionen  Koku  weniger.  Dieser  Umstand 
erklärt  es,  warum  die  Reispreise  seit  1883  so  aufserord entlieh 
rasch  fielen.  Ebenso  erscheint  die  seit  1884  stärkere  Koisaiisfulir 
hierdurch  im  richti^?en  Lichte  (vgl.  S.  315).  Wie  sclir  die 
vemiinderte  Nachfrage  zur  Sakebrauerei  den  Prei^jdnick  der 
guten  Krnte  von  1883  verschärfte,  zeigen  die  monatlichen  Uüraen- 
kuiae  für  Rds  im  Centnun  der  Sakeiiidustrie,  in  Osaka.  Im 
Oktober,  bei  B^;iim  der  Oampagne,  mufs  n<^  die  Schwäche  oder 
Stärke  der  Na(£friig6  der  Brauer  naeh  Rem  aeigeii.  Nun  wurde 
Reu  notiert 

im  DurchBchnitt  des  Septbr.  1888  mit  6,4s  Yen  (=  5,89  Ten  Silber) 

-  Kovbr.  1888  -  4,m   -        4,n   -      -  ) 

Die  Einnahmen  auÄ  der  Öakesteuer  sind  neuerdings  allmählich 
wieder  gestiegen.  Doch  ist  eine  bedeutende  Weiterentwickelune 
der  Steuer  znnilcbst  nicht  sehr  wahrscheinlich.  Es  ist  beMichnend 
für  japanische  Wohlstandsverhaltnissei  dals  man  mit  einer  Steuer 
▼on  gut  7  Pfennig  auf  den  Liter  eines  doch  der  Regel  nach  nur 
in  geringen  Quantitäten  genossenen  Getränkes  an  der  Qrenze 
der  Steuerfhhigkeit  angekommen  zu  sein  scheint.  Ftlr  die  Er- 
giebigkeit etwi  neu  einzufiilirender  sonstiger  Verbrauchssteuern 
ist  das  niclit  gerade  vielversprechend. 


V.  Die  Tabaksteuer. 

Tabaksteuern  sollen  sdion  unter  dem  alten  Regime 
bestanden  haben*.  Bei  der  Steuerreform  im  Februar  1875  wurde 
auch  eine  Tabaksteuer  in  Aussicht  gestellt,  welche  jedoch  erst 
durch  Gesetz  150  vom  4  Oktober  1^75,  in  Krift  seit  dem  1. 
Januar  1876,  eingetührt  wurde.  Die  .Steuer  bestand,  wie  die 
Sakesteuer,  aus  zwei  Teilen,  einer  jährlichen  Licenzsteuer  (Ge-  * 
werbesteuer  genannt)  und  einer  i  aljnkatsteuer.  Die  Licenz 
betrug  1<)  Yen  für  den  Grofdhändler,  5  Yen  für  den  Kleinhändler. 
Die  Fabrikatsteuer,  nach  amerikanischem  Muster  in  der  Form 


'  So  b»'liaui)tet  Mounsev  in  seinem  Berieht  von  1877.  Ich  hah« 
(j'irnbcr  nichts  in  Erfahrung  bringen  können.  Wahrscheinlich  scheint 
u\ir,  da(8  damit  Gewerbesteoern  von  Tabakhändlem  eemrait  sind,  welche 
za  den  1875  aufgehoben  «Veracbiedenen  Steoem*^  gendrtsn. 


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608 


X  4. 


von  Stempeln  erlioben,  richtete  sich  nach  dem  Preis  de»  Fabrikat» 
und  betrug  2  bis  G  Prozent  die^eä  Preiäea.  Die  Einnahme  auä 
diesen  St^pdn  war  gans  unbedeutend,  1881  und  1882  nur 
etwa  50000  Yen,  wiUhrend  die  Lioenzen  etwa  230000  Yen 
brachten.  Es  war  daher  begreiflich  und  wohl  berechtigt,  dafs 
n^an  den  Tabak  achärfer  heranzuziehen  bestrebt  war,  als  die 
Her&telluDg  der  Valuta,  die  BeschafHing  weiterer  Einnahmen  nötig 
machte.  Gleichzeitig  mit  dem  Sakesteuergesetz  erschien  am  27. 
Dezember  1882  ein  neues  Tabaksteuergesetz  (Nr.  68).  I)nrch 
die  ses  wurden  die  Licenzen  der  Kleinhändler  auf  5  Yen  beiasäen, 
für  Fabrikanten  (d.  h.  solche,  welche  gewerblich  auf  ei<?eno. 
Kechnung  Tabak  zubereiten)  und  tiir  Zwischenliändler  (in  Kob- 
tabak  wie  Fabrikaten)  auf  jäbriich  15  Yen  festgesetet.  Aufeer- 
dem  Bind  G^erbescheine  flir  den  Einkauf  und  Verkauf  von 
Tabak  erforderlich,  wofUr  eine  Gebühr  von*  10  bis  20  Sen  su 
entrichten  tsi  Endlich  wurde  die  Fabrikatsteuer  bedeutend  er* 
höht  auf 

4  öen  für  100  Momme  (375  gr),  wenn  der  Preis  weniger  als  25  Sen 

beträgt. 

6   -    -  100      -     (875  - ),  wenn  der  Preis  25  bis  50  Sen  be- 
tragt. 

8   •    -  100      -     (875  - ),  wenn  der  Preis  50  Sen  und  dar- 
über betrügt. 

Für  den  mittleren  Preis  von  37,ö  Öen*  war  das  also  eine 
Steuer  von  16  Prozent  des  Preises. 

Die  neue  Steuer  ergab  im  ersten  Jahre  ihres  Bestellen» 
1883  84  eine  recht  bedeutende  Einnahme.  Zwar  blieben  die 
läcenzen  hinter  dm  Voranschlag  von  474199  Yen  um  ftst 
110000  Yen  zurück,  die  Stempel  brachten  aber  statt  500000 
Yen  fiist  1  790000  Yen.  Die  Preude  hielt  aber  nicht  lange  vor. 
Teils  war  die  grofse  Einnahme  dadurch  entstanden^  dafs  die 
Händler  sich  mit  den  nötigen  Vorräten  neuer  Stempel  versahen, 
teils  pnp:  der  Verbranch  zurück,  teils  mehrte  sich  die  Defrande 
So  sank  die  ^Steuer  bis  auf  wenig  mehr  als  1200  000  \ei\. 

Erst  der  wirtsclialtliche  Aufschwung  von  1887  88  brachte  eine 
erhebliehe  liesserung.  Eine  wt  itere  Erhöhung  der  Kinnalnne 
zweckte  die  Revision  des  Tabakötcuergcüetzes  dureu 
Kaiserliche  Verordnung  Nr.  20  vom  (5.  April  1888)  in  Kraft  vom 
1.  Juli  1888.  Aufser  Verschärfung  der  Kontrollbestimmungeo 
ist  abermals  eine  Neuregelung  der  Fabrikatstcuer  eingetreten. 
Der  Stempel  soll  nämlich  fortan  zwei  Zehntel  des  Verkaufspreises 
betragen,  was  Bir  die  besseren  Sorten  eine  abermalige  Steuer- 


1  Das  ist  etwa  :i,:o  Mark  für  ein  Kilo^raium  uud  reicklich  60  Pfeimig 
Steuer.  —  Die  Maaie  der  geiröhnliefaeo  Leute  düxfte  Tabak  ni  20  b» 
SO  Sen  für  100  Monune  rauchen. 


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X  4. 


609 


erlioliung  bedeutet,  tiir  die  billigen  Sorten  unter  20  Sen  für  100 
Momme  aber  eine  Erleichtur uiig.  Die  biä  dahin  wegen  der  aud- 
Ittndischeii  Konkureiis  steuerfrei  gelassenen  Cigarren  und  Ciga- 
retten  wurden  fortan  der  Steuer  unterworfen 

Alle  Tabakfabrikate  sind  vom  Fabrikanten  in  Paketen 
oder  Kästen  zu.  verkaufen.  Jedes  Paket  muls  mit  der  Stempel- 
marke oder  gestempelten  Iknderole  versdilossen  und  diese  mit 
dem  Stempel  des  Fabrikanten  kassiert  sein  Jedes  Paket  trägt 
femer  Namen  und  Adresse  des  Fabrikanten  sowie  das  Datum 
der  Stempelkassierang. 

Zubereitung  von  Tabak  zum  eigenen  Gebrauch  ist  nur  dem 
Tabak  bauem  gestjittet  Dieser  dar!  solchen  Tabak  weder  ver- 
kaufen noch  anderswie  veräulsem.  Tabakbauer  und  Zwischen- 
hi&ndler  dttrfen  Bohtabak  nur  an  Fabrikanten  oder  Zwucfaen- 
händler  abgeben.  Ebenso  dttrfen  Fabrikanten  und  Händler 
Robtabak  nur  von  Bauern  oder  Hilndlern  erwerben.  Ein  Klein- 
händler darf  Tabak&brikate  nur  von  Fabrikanten  und  Zwischen- 
händlern erwerben.  JSiemand  soll  ungestempelte  Tabak£sd>rikate 
kaufen 

Die  Buelifülininir  über  Kaut  und  Verkauf  von  Tabak,  Be- 
stand an  Tabak  und  Stempeln  u.  s.  w.  steht  unter  genauer  Kon- 
trolle. Jeder  Fabrikant  und  Händler  muls  eine  Sicherheit  von 
50  -  500  Yen  hinterlegen.  Er  haftet  für  die  Handlungen  seiner 
Familienmitglieder  und  Angestellten.  Die  Geldstnden  fUr  Über- 
tretungen des  Gesetzes  steigen  bis  su  100  Yen  auf,  was  für 
japanische  Verhältnisse  recht  bedeutend  ist. 

Bei  der  Ausfuhr  von  versteuertem  Tabak  wird  die  Stempel- 
steuer rückvergütet. 

Bei  der  Steuerfreiheit  dfs  «^clbstgebauten  Tabaks  können 
die  Erträge  seiir  hohe  meht  werden,  da  fast  jeder  Bauer  ein 
paar  Stauden  zieht.  Dieser  Umstand  muls  es  auch  erschweren, 
der  Detraude  ganz  Herr  zu  werden. 

Das  Tabaksteuergebetz  findet  auf  Okinawa,  Ogasawara  und 
die  Izu-Inseln  kerne  Anwendung. 

Der  Ertrag  der  Tabaksteuer  ist  durch  das  neue  Geseta  im 
Zusammenhang  mit  dem  wirtschaftlichen  Aufschwünge  nicht  un- 
beträchtlich gwteigert,  da  die  Einnahme  1888  80  um  317000 
Yen  höher  war  als  im  Jahre  vorher,  wovon  30t)  000  Yen  auf 
die  Fabrikat.«^teuer  kamen,  obgleieh  die  neuen  Steuersätze  im 
ersten  Viertel  des  Finanzjahres  noch  nicht  in  Geltung  waren. 

Dagegen  ist  die  Zahl  der  Fabrikanten  wieder  erheblich  zu- 
rückgegangen und  beträft  nur  mehr  4580  gegen  539ü  im  Vor- 
jahre und  8262  im  Jaijre  1883  84.  Auch  bei  den  Zwischen- 
und  Kleinhändlern,  welche  sich  seit  1886  wieder  etwas  vermdirt 


^  In  Tokyo  »ehlup  der  Preis  der  Cigarettcn  mit  dem  Tage  der 
neuen  Steuer  auf  und  zwar  um  etwas  mehr  als  den  Betrag  der  8teaer. 
Foncbungen  (45)  X  4.  ^  Bathgen.  39 


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610 


X  4. 


Latten  trat  f  ine  geringe  Verminderung  ein  (TgL  oben  im  Kapitel 

Gtewerbewesen  S.  398). 

THmt  die  EIlt^^^ckel1^lg  der  El nua h  m  e n  aus  der  Tabak- 
steuer seit  ihrem  Bestehen  giebt  die  folgende  Übersicht  Au£schlula. 


t'io  xen 

OAA  \AQ  . 

997  nsu\  . 

f  UOv 

71110  V«n 
t'±L'x\j  xen 

269575  • 

55451  - 

292881  - 

67  065  - 

27*i:^:V2  - 

50  645  - 

28UÖ4'J  - 

49813  - 

2154211  . 

1789254  - 

1294316  - 

973190  • 

905  087  " 

636988  - 

1235813  - 

979671  - 

1590356  ' 

1313409  * 

1907342  - 

1619287  - 

1492806  - 

1224395  - 

1825183  - 

1544240  - 

£iiinalimen  aus  der  Tabaksteuer. 

1875  76 
1876/77 
1877/78 

1878  79 

1879  80 

1880  81 

1881  82 
1882/83 

1883  84 

1884  85 

1885.  86  (9  Monate) 
1886/87 
1887/88 
188889 

1889/90  (Budget) 
1890/91  (Budget) 

Tn  den  Jahren  1887/88  und  1888  89  setzten  mch  die  ein- 
zehieu  X^oäteu  der  Einnahmen  aus  der  Tabaksteuer  ioi^ender- 
malsen  zusammen: 

1887/88  1888/89 

Stempel  1313409  Yen  1619287  Ten 

laoenzeii  der  Fabrikanten  84629  -         74700  - 

-  Zwischenhändler     48418   -         48630  - 

-  Kleinhändler         142756    -        157  208  - 
Gebühren  für  Gewerbescheme       6144   -  7517  - 

zusammen   1590356  Yen   1907342  Yen 
Zu  dieser  Einnahme  trugen  hauptsKchlich  bei  die  Beiirke 

mim  im^m 

110710  Yen 
109046  - 
107953  - 
98953  - 
82045  • 
71635  - 


Tokushuua 

Tokyo 

Ibaraki 

Okayama 

FukuBhuDB 


Yen 


110(159 
152973  - 
136766  - 
95841  - 
78136  - 
118236  - 

Die  Landbesirke  entsprechen  im  wesentlichen  den  Gegend« 
auflgedehnten  Tabakbaues.    Merkwürdig  ist  die  geringe 
nähme  in  den  südlichen  Bezirken  yon  Kyushu.    So  gingoi 


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X  4. 


611 


in  Kagwbima,  cUm  durch  seine  bedeutende  Produktion  guter 
Tabake  bekannt  ist,  1887/88  nur  17121  Yen  ein,  1888/89 
aiienling»  Yen. 


Die  Fabrikation  von  Sho}^  (Soja,  Bohnensauce,  vgl  oben 
Gewerbewesen  S.  397  f.),  welche  schon  vor  1 97"  heskuert  wurde, 
ist  1885  diirt  h  Oesctz  10  vom  8.  Mai,  in  Kraft  vom  1.  Juli 
1885,  der  Steuerung  abei'malö  unterworfen.  Jjie  Steuer  ist  der 
Sakesteuer  iiaciijLicbildet,  Für  jeden  Betrieb  ist  eine  jiihrliche 
Licenz  von  5  Yen  erlorderlich.  Aut  <la.s  fertige  Fabrikat  wurde 
eine  Stener  von  1  Yen  ftir  den  Koku  gelegt.  Auch  die 
EontrollaialjBregdn  wnrden  nach  dem  Muster  der  äftkesteuer 
eeriehtet,  insbeiiondere  die  amtliche  Versi^elang  der  Pressen  für 
die  Zeit,  dafs  sie  nicht  gebraucht  wurden.  Auf  die  lebhAften 
Klagen  der  Fabrikanten,  dafs  sie  dadurch  in  ihrem  Betriebe  sehr 
gestört  würden,  wurde  die  Steuer  durch  Kaiserliche  Verordnung 
47  vom  16.  Juni  1888  etwas  geändert.  Die  Steuer  wird  in  der 
Hauptsache  nicht  mehr  vom  fertigen  Fabrikat  erhoben,  sondern 
1  Y<'n  vom  Koku  der  verwendeten  Preismasse,  und  nur  von  der 
nichi  (iurch  Pressen  hergestellten  Saucenart  „tamari"  1  Yen  vom 
Koku  des  Fabrikats.  An  die  Stelle  der  Versiegelung  der 
Maschinen  ist  Anaeige  beim  Steueramt  10  Tage  vor  Begran  der 
Fabrikation  getreten.   Die  Belastung  des  Ptrodukts  ist  die  gleiche 

febÜeben.  Sie  macht  je  nach  der  Qualität  ein  Sechstel  bis  ein 
'Unfzehntel  des  Preises  aus,  durchschnittlich  etwa  em  Achtel. 
Sooialpolitisch  betrachtet  war  die  Einführung  einer  solchen  Steuer 
nicht  unbedenklich,  da  Shoyu  eine  von  nllen  Klassen  der  Be- 
völkerung gleichmäisig  genossene,  eben.so  gesunde  wie  nahrhaito 
Würze  ist.    Die  Shoyusteuer  ähnelt  also  in  ihrer  Bedeutung  den 


doch  nicht  gröfser  als  gut  3  Sen  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung. 
Wie  andere  VerbrauchBteuern  hat  auch  die  Shoyusteuer  schon 
in  den  wenigen  Jahren,  fUr  welche  die  Eigebnisse  vorliegen, 
eine  nicht  gans  unbedeutende  Verminderung  der  Zahl  der  Be- 
triebe bewirkt,  nämlich  von  13682  im  Jahre  1885  86  auf  10684 
im  Jahre  1888  89.  Da  die  Produktion  nicht  ab-,  sondern  zu- 
gpnoinmen  liat,  sind  es  also  wesenüici»  die  kleinen  Betriebe,  die 
infolge  der  Belastung  mit  der  Licenzabgabe  und  der  I*Iotv\eudig- 


>  Man  mälflto  denn  die  90—40000  Yen  Grundsteuer  von  den  Salz* 
nürten  als  Salzst^uer  aoffasBen,  was  noch  nicht  einen  Ikn  fUr  dm  Koka 
Salz  bedeuten  würde. 


VI,  Die  Shoyustftoer. 


89*. 


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612 


X  4. 


keit  die  Fabrikatsteuer  bis  zum  Verkauf  des  Frodnklee  tama- 
hgßn,  nicht  weiter  b^tehen  können. 

Die  Einnahmen  aus  der  Steuer  haben  sich  folgendermatai 
entwickelt: 

lieensen       Fabrikatsteaer  susammen 
Yen  Yen  Yen 

,  1885/86»  69887  570492  G40379 

1886  87  63798         1124640         1  18843R 

1887  88  57120  1  191915  1249  035 

1888  89  55433  1304551  1359984 
1889/90  (Budget)  56341  1  158913  1215204 
1890/91    (Budget)    56155          1215  688  1272043 

Die  vorwiegende  Bedeutung  des  Chiba-ken  fUr  die  Slioyu- 
Industrie  zeigt  nch  darin,  dafs  1887/88  in  diesem  Bezirke  aliein 
125308  Y&a  von  der  Steuer  aufkamen,  1888/89  154834  Yen. 
Die  Steuer  wird  nur  in  Altjapan  erhoben. 


Vit.  Die  Kuchenstauer. 

Wahrend  dhe  Znckersteuer  in  Japan  bisher  nicht  besteht  % 
hat  man  eine  ähnliche  Wirkung  zu  erreichen  gesucht  durch 
Besteuerung  der  Herstellung  und  des  Verkaufs  von  Kuchen 
(Kwashi),  zu  welchen  Zucker  verwendet  wird.  Dergleich^ 
Steuern  gab  es  schon  früher  unter  den  als  ^^^er8chiedene  Steuern* 
zusammengefefsten  Abgaben,  welche  Anfang-  HTo  abpe.*chitlt 
wui'den.  Gleichzeitig  mit  der  Shoyuöteuer  wurde  durch  (Icsriz 
11  vom  8.  Mai  1H85,  in  Kraft  vom  1.  Juli  18ö5,  die  Kuehen- 
steuer  eingeführt.  Durch  Kaiserliche  Verordnung  8  vom  24.  Februar 
1888  wurden  einige  Erleichterungen  gewährt.  Die  Kuchensteuer 
ist  wesentlich  der  Tabaksteuer  nachgebildet. 

Für  den  gewerbsmäfst^  Einkauf  wie  Verkauf  von  RucheA 
ist  ein  Gewerbeschein  nötig,  wofür  eine  Gebühr  von  10— 20Sen 
zu  entrichten  ist.  Weiter  müssen  Personen,  welche  Kuchen  ge- 
werbsmäfsig  anfertigen  und  im  profsen  und  im  kleinen  verkaufen, 
fttr  jeden  Betrieb  eine  Licenzabgabe  (  Gewerbesteuer"  )  bezahh  n, 
welche  nach  der  Zahl  der  beschäftigten  Personen  abgestuit  ist. 

Sie  beträgt  jährlich 


>  Fahrikatateoer  nur  fttr  ein  halbes  Jahr.  »  Die  E^srtongen  ▼an 
der  Steuer  waroD  viel  geringer: 

Anecblag   lN<)  86  856  290  Yen 

*  Was  Mounsey  Zuckersteuer  oeuut,  waren  UruncUteaem,  weiche 
in  Zocker  etatt        entrichtet  worden. 


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X  4.  613 

a.  für  Fabrikanten  und  b.  ftlr  Orofshändler : 

bei  Beschäftiigttiig  von  10  und  mehr  Persaaea  20  Yen 

6  biä  9             -  15  - 

-  3       5            -  10  - 

-  2                  -  5  - 
1               Penon  8  • 

wird  keine  Httlftperaon  beacbüftigt  i  - 

c.  ftlr  den  Kleinhandel: 

bei  BeechUftiguiig  Ton  3  und  mehr  Penonen  7  Yen 

.2  -  4  - 

-  1                Peroon  2  - 
wird  keine  Httlfsperson  beschäftigt  1 

IVtrf  ibt  jemand  inehrt'ie  Arten  von  Geschäften  (z.  B.  Fabri- 
kation und  Kleinhandel}  in  demselben  Betrieb,  so  wird  er  nach 
der  höher  besteuerten  Art  veranla|:^.  Stra  Isen  Verkäufer  und  Hau- 
sierer zahlen  keine  Licenzabgabc  (müääcn  aber  den  oben  erwälm- 
ten  G^erbeadiein  haben). 

Endlidi  ist  vom  Fabrikanten  eine  Fabrikatsteoer  an  ent- 
richten, welche  5  Prozent  des  Pkeises  der  im  Jahre  verkauften 
Kuchen  betrllfct.  Die  Festsetzung  erfolgt  auf  Grund  einer  Selbst- 
einschätzung  durch  die  Kreisbehöide  unter  Bestätigung  durch  den 
Bezirkslriuptmann. 

Die  Kuchensteuer  ist  halbjährlich  zu  entricliten  und  zwar 
die  Fabrikatsteuer  nach  Ablauf  des  Halbjahres,  binnen  zwei 
Monaten. 

Die  Steuer  Terursacht  viel  Unbeauemlichkeiten  in  der  Durch* 
fttbrung,  und  in  ganz  Japan  ist  wom  keine  Abgabe  so  gründlich 
▼erfaaist  wie  diese. 

Der  Ertrag  der  Steuer  hat  bisher  den  VoranscUag  r^l- 
nftälsig  ttbertroffen.   Die  Einnahme  betrug 

1885  86  487893  Yen 

1886  87  544837  - 

1887  88  595671  - 

1888  89  628  242  - 

1889  90  (Biid-eti  583  911  - 

1890  91  (Budget)  595401  - 

In  den  Jahren  18^7  88  und  1888.  89  brachten  die  verschiedenen 
Abteilungen  der  iSteuer 

1887  88  1888  89 

iabnkatsteuer                357840  Yen  384358  Yen 

Licenz  der  Fabnkanttii     904(30    -  88349  - 

-    Grofsbändler      8  799    •  8940  - 

•   Kleinhändler  111941   •  121664  • 

Gewerbescheine              26625  j  24931  j 

zusammen  595671  Yen  628242  Yen 


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614 


X  4. 


Ein  Vergleich  (It'i-  Einnahme  aus  den  Licenzen  mit  der  Zalil 
der  diesen  Klassen  xVngehörigen  zeigte  dai'ö  die  groise  Mehrzahl, 
namentlich  der  Händler,  nur  1  Yen  Steuer  zahlt.  Die  Betriebe 
gehören  also  der  kleinsten  Art,  olrne  Hul£»peräonal,  an.  Es  war 
nämlich  1887.88» 

die  Zahl      durclidchuittliche  Steuex 
der  Betriebe     von  einem  Betriebe 

der  Fabrikanten  62513  1,45  Yen 

-  Grolahändier  7616  1,m  - 

-  Klembfindler       108887  1,m  « 

Von  der  Kuchensteuer  kam  1887  88  auf  im  Bezirke 

Tokyo  87  815  Yen 

Osaka  (ohne  ^^ara)       44  742  • 

Aiehi  28  979  - 

Kanagawa  27  730  - 

Niigata  21358  - 

Kyoto  21091  - 

NagKDO  21 078  - 

Im  Norden,  Westen  und  Süden  sind  die  Erträge  meist  rm- 
bedeutend.  Auf  Hokkaido,  Okinawa,  Ogasawara  und  die  Izu- 
Inseln  findet  das  Gesetz  keine  Anwendung. 


VIII.  Die  Meiliziiietouer. 

Die  Steuer  auf  Droguen  und  Medizinen  scheint 
ihrer  ursprünglichen  Anlage  nach  weseutJicli  sanitiitspolizeiliche 
Zwecke  gehabt  hahen.  Seit  1888  jedoeh  hat  sie  überwiegend 
den  Charakter  (nner  Verbrauchs-  oder«  wenn  man  will,  Luxus- 
steuer  angenommen. 

Die  japanische  Kegierung  luit  schon  sehr  bald  der  Fabrikation 
wie  der  fSnfalir  von  Medizinen  and  Droguen  ihre  Aufinerksam- 
keit  zugewendet,  Laboratorien  zur  Untenmchung  eingeridite^ 
untersucuten  Medizinen  Oertifikate  ausgestellt  u.  s.  w.  Diese 
Aufsicht  ist  in  Japan  um  so  wichtiger,  als  der  Verkauf  und  Ge- 
brauch fertiger  Medizinen  sehr  allgemein  verbreitet  ist*.  Schon 
im  Jahre  lb75  wurde  angeordnet,  dafs  für  Anfertigung  und  Ver- 
kauf von  Medizinen  eine  Erliiubnis  vom  Ministerium  des  iTinem 
nötig  sei.   Durch  Gesetz  7  vom  20.  Januar  1877  wurden  diese 


»  Vgl.  Gewerbewesen  8.  809. 

'  Die  AnfertL^ng  von  Medizinen  in  A|)Otheken  ist  pine  Neuerung 
infolge  der  Einführung  euroDäiscber  Heilmethoden.  Nach  altem  Stu 
fertigt  der  Arat  die  nötigen  Medizinen  an,  woraus  er  im  wesentUchea 
■eiiie  EiBBahme  sieht 


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X  4. 


615 


Dinge  neu  geregelt  und  zugleich  fbumsiell  elwas  nutzbar  gemacht'* 
Wer  Medianen  Terfertigt  und  feil  httlt,  soll  um  Erlaubnis  dn- 
kommen,  wobei  die  betreffende  Medizin  genau  zu  beschreiben  ist  ist 
die  Medizin  ungefährlich,  so  wird  vom  Ministerium  des  Innern 

die  Erlaubnis  erteilt,  wofltr  eine  Oel^ülir  von  20  Sen  zu  zahlen 
ißt  Diethe  Koncession  iniifs  jedtT  Fabrikant,  Verkäufer  und 
Hausierer^  iiaben.  Die  Einnahme  aus  der  Gebühr  der  Händler 
wurde  übrigens  alsbald  den  ikzirken  überwiesen.  Die  Erlaubnis 
wird  immer  auf  fUnf  Jahre  erteilt  und  ist  Ubertragbar.  Ferner 
mu&  jeder  Fabrik«it  fi&r  Jede  filedism  jährlich  zwei  Yen  Licenn- 
stener  zahlen.   Die  angeorohten  Strafen  richten  sich  nicht  Uofs 

fegen  Hinterziehung  der  Gehtthren,  sondern  auch  gegen  heim- 
che  Veränderung  der  Zusammensetzung  der  Medizin  und  da- 
gegen, ^dafs  elirliclic  Leute  durch  falscbc  Vorspiec^elungen  nber 
die  Wirksamkeit  nregenihrt  werden".  Einzelvcrkäufer  frlialtcn 
auch  die  Verkaut'sorlaubnis  nur,  wenn  «ic  die  Genehmi^^ung  des 
Grofshändlerts  nachweisen.  Diese  Licenzen  und  Gebiüiren  er- 
geben flir  die  Staatskasse  r^elmälsig  etwa  70  000  bis  80  000  Yen 
jährlich. 

Die  Erteilung  der  Erbtubnis  wurde  bald  den  Bezirksregierungen  ' 
tibertragen  (Verordnung  vom  20.  Juni  1877)  und  die  finanzieiien 
Sachen  dem  Finanzministerium  Ubergeben. 

Bei  der  Erhöhung  der  Verbrauchsteuern  am  Ende  des 
Jahres  1882  wurde  an  jene  Gebühren  eine  weitere  Steuer  an- 
geflickt. Durch  Nr.  '»1  vom  27.  Oktober  1882,  in  Kraft  vom 
1.  Januar  1883,  wurde  auf  alle  fertigen  Medizinen  eine  Fabrikat- 
steuer im  Betrage  von  einem  Zehntel  des  Verkaufspreises  gelegt, 
welcJie  in  Form  Ton  Stempdn  erhoben  wud.  die  an  dem 
Paket,  der  Flasche  u.  s.  w.  anzubringen  sma.  Die  Steuer 
wurde  von  der  öfeitlichen  Meinung  mit  Befriedigung  au%enommen, 
da  sie  einen  an  sich  nicht  nötigen  Artikel  treffe.  Der  Krtrag 
blieb  aber  weit  bintor  dfv  FrwjirtuTt^  zurück  Für  1883  84 
kamen  statt  der  erwarteten  üOUUOO  nur  405813  Yen  ein.  Im 
nJtchöten  J-.xhv*^  sank  der  Ertrag  sogar  auf  2^0  345  Yen,  um  sich 
dann  wieder  allmählich  zu  heoen.  Die  Entwick»  hing  der  Ein- 
nahmen aus  dieser  K^teuer  im  einzelnen  zeigt  die  folgende  Übersicht. 

Einnahmen  aus  der  Droguen-  und  Medizin- 

stener. 

1876  77  2B4d5  Yen 

1877/78  87089  - 


>  im  Zusanunenbang  damit  wurde  auch  eine  neue  polizeiliche 
Regelong  verwandter  Dinge  vur^cuommeD,  so  namentlich  durch  Nr.  20 
vom  19.  Febrasr  1877  des  Handels  mit  Oifien  and  andsren  „atarken'' 

Medizinen. 

'  Die  sehr  zahlreichen  Medizinhausierer  stehen  der  Hegel  nach  im 
Dienste  des  Fkbrikanteo. 


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616  X4. 

187S  70  74219  Yen 

1879  80  78  770  - 

1880  Hl  86041  - 

1881  82  84246  •  Ikvon  St«npel 
1882/88  864942  -  275637  Yen  (6  Monate) 
1888/84  495441  -  405813  - 

1884  85  363589  -  280345  - 

1885  86  282127  •  207266   •     (9  Monate) 

1886  87  480101  .  362988  - 

1887  88  423803  -  350413  - 

1888  «9  451  708  -  377153  - 


1889  90  (Budget)  422577    -  35U 138  - 

1890  91  (Budget)  435  710   -  362156  - 


IX.  Die  Steuern  von  Produkten  dee  Hokkaido. 

1  k'r   Haunierworbszweip:  des   Hokkaido   war   und   ist  die 
Fisclicrri  und  Vei-.-jrhoitunp'  von  iSeeprotluktrii.    Schon  unter  der 
alten  <  >rdDung  wurden  davon  iSatural.stcuern  erhoben  in  Form 
einer  Quote  des  Rohertrags,  10  bis  20  Prozent,  mit  luaDcherla 
ttrdicfaen  Venchiedenheiten.   Die  Steuer  war  nach  Küstmtrecken 
▼erpaditet   Die  Erhebung  soll  ziemlich  lax  betrieben  sein.  Nach 
einer  Notiz  hätten  1868  die  12  Pächter  zusammen  .'4  HOS  Rvo 
gezahlt*.    Daneben  bestand  ein  aUgemeiner  Zoll  auf  Ein-  n:T^ 
Ausfuhr,   der  schon  Ende   1871   8uspendi(-rt,   1873  abgeschafit 
wurde.     AI«  die  Kolonialverwaltunf;   dieser  nördlichen  Hehiete 
1860  organisiert  wurde,  nalim  sie  die  Erliebung  der  Prodiikten- 
steuer  selbst  in  die  Hand    W  ahrend  die  alten  Steuersätze  in 
der  Hauptsache  beibehalten  zu  sein  scheinen,  wurde  die  Erhebung 
itrafo  durchgefkihrt   Daneben  wurde  1875  die  AuifbhrBtener 
(unter  BVeilassung  dniger  Artikel)  wieder  heigestellt  Im  Betrag 
von  4  Prozent  des  Ursprungswertes  der  Waren,  wofür  der  Schins- 
ftihrer  verantwortlich  war.    Die  Ausfohrstener,  welche  fiir  die 
Zwecke  der  Bezirksverwaltnng:  verwendet  wurde  und  seit  1875  7o 
unter  den  Stmitseinnahmeu  niclit  erscheint,  brachte  im  höchsten 
Jahre  1880  81  344  087  Yen.  sank  bis  1884  85  auf  137919  Yen 
und  helirfsieh  188(3  87  auf  irM)2S4  Yen.    Die  Erhebung  der 
i  ruduktensteuer  hat  Klagen  ohne  Ende  hervoi^erufeu.    Ihr  Be- 
trag war  an  sich  hoch,  von  Heringra  und  Lachsen  10 — 20, 
15  Prozent  des  Fanees,  von  Kombu  (efsbarem  Seetang,  husor 
naria)  bis  au  20  und  25  Prosent.   Die  KontroDmalsregSu  waren 


*  So  „Maiiiiclu  ^^himbun'-  in  Jauau  Weekly  Mail  S.  l^^ö.  ^ 
der  Artikel  ttutk  oppositionell  gefärbt  ist,  mafs  die  Angabe  wohl  nut 
Vorsteht  aufgeooiDiiieii  werden. 


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X  4. 


617 


tatofig.  Die  VemdKUDji;  der  in  völlig  präpariertem  Zoetende  zu 
sahlenden  Pjrodnkte  gab  su  Scherereien  Änlals.  Aueh  für  die 
VerwalttiDg  war  die  Steuer  eine  Last.  Die  Erhebungskoeten 
waren  hoch.   Der  ^^erkauf  der  Produkte  durch  Beamte  war 

auch  iinvnrtfüh;ift,  Alles  das  wurde  nun  nicht  sehr  schwer  em- 
pfunden, solange  infolge  des  Fallens  der  Valuta  d'w  Produkten- 
projge  rasch  in  die  Höbe  gingen.  Als  aber  die  knappen  Jahre 
kamen,  die  Preise  ebenso  rasch  wieder  sanken,  wie  sie  vorher 
gestiegen  wareD|  empfand  man  die  Besteuerung  des  iiohertrages 
ab  sdweren  Dmek.  Dazu  kam,  da&  infi>]ge  der  Ai^ebuDg 
des  Kaitaknahi  (KolonialaiDt)  im  Jahre  1882  auch  die  Unter- 
stützungen und  Vorschttaaey  welche  den  Unternehmern  vorher 
mit  freigebiger  Hand  sagewendet  Ovaren,  plötzUch  aufhörten  und 
die  Kehrseite  jener  Vorschüsse,  die  testen  Auzahlungen,  den  Druck 
vermehrten.  Bei  dnn  Preisfall  gingen  auch  die  Einnahmen  des 
Staates  aus  der  Steuer  zurfick  In  den  vier  Jahren  von  187^J80 
bis  1882  83  hatte  die  Eiiinahuie  regelmäfsig  800U0Ü  bis  9OO00O 
Yen  betragen,  1884  85  war  sie  auf  500000  Yen  gesunken.  Nach- 
dem bei  einer  InspektionBreiBe  im  Sommer  1886  die  Minister 
Inottje  und  Tama^ta  sich  von  den  Zuständen  selbst  ttbenEengt 
hatten,  wurde  eine  völlige  Umgestaltung  der  Steuer  vorgenommen. 
Die  Kaiserliche  Verordnung  Nr.  6  vom  28.  Mi\rz  1887'  hob  die 
Ausfiihrsteuer  ganz  auf  und  setzte  an  Stelle  der  in  natiira  er- 
hob<'n('ii  1 'roduktensteuer  eine  Geldsteuer  von  Prozent  vom 
Werte  des  Fanges.  Sie  wird  in  der  V\  eise  erhoben,  dafs  die 
Fischereiunternehm er  Genossenschaften  bilden  müssen.  Im  ganzen 
sind  es  49.  Jeder  Genossenschaft  wird  eine  Steuer  aufgelegt 
▼on  5  Proaent  des  in  den  drei  letzten  Jahren  an  der  betreffenden 
Kttsienstrecke  durehsdmittlidi  ersielten  Fanges  nach  dem  Durch- 
schnittspreis der  drei  Jahre.  Die  Verteilung  und  Erhebung  im 
einzelnen  besorgt  die  Steuei^genossenschaft  durch  einen  Ausschufs 
auf  eigene  Kosten.  Die  neue  Einrichtung  scheint  zu  befriedigen. 
Nicht  nur  war  sie  eine  bedeutenfle  Krm;»  fsigiiTiL!-  der  Steuer.  Sie 
hat  auch  die  Belästigung  durch  die  Autsichtsbeaniten  und  den 
Streit  über  die  Zubereitung  imd  Verpackung  der  Produkte  be- 
seitigt, sowie  die  Konkurrenz  der  Steuerverwaltung  mit  den  Privat- 
tmtemehmem  beim  Verkauf.  Allerdings  wurde  die  Staats- 
einnahme Termindert,  aber  dafitr  fielen  doch  die  sehr  bedeuten- 
den Erhebungskosten  weg.  Die  Einnahme  aus  der  neuen  Steuer 
im  ersten  Jahre  ihres  Bestehens  hatte  man  ziemlich  richtig  ver- 
nnseldagt,  auf  200000  Yen,  während  wirklich  219519  Yen  ein- 
kamen. 


<  Ergünst  durch  Oesets  8  vom  8.  Februar  1890. 

-  In  den  letzten  Jahren  der  alten  .^tru'T  wurdf  der  ganze  8teuer- 

eitrag  duTob  eine  ad  hoc  gebildete  Uandelsgesellscbaft  in  China  ver- 
kautt. 


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618 


Wie  sich  die  Einnahme  aus  der  Steuer  nach  den  Staats- 
abrechniiDgeD  seit  1875  gestaltet  bat,  zeigt  die  foJgeade  Überaicht 


Einnahme  aus  den  Hokkaidoateaern. 


1875  76 

342  526  Yen 

1883/84 

559195  Yen 

187677 

384584  - 

1884/85 

501 442  - 

1877  78 

361 121  - 

1885  86 

554  778  - 

1878  79 

509  595  - 

1886  87 

604  377  - 

1879/80 

813416  - 

1887  88 

219519  - 

188081 

899087  - 

1888 '89 

218776  - 

1881/82 

817837  . 

1889/90  (Budget)  216619  - 

1882/83 

864712  - 

1890/91  (Budget)  220174  - 

X.  Die  Wagensteuer. 

Im  achten  Monat  1871  wurde  eine  Art  Loxuaeteaer  ein- 
geführt  auf  Dienstboten,  Wagen,  Sfinften  (Kago),  Reitpferde  und 
Vergnüsungsboote.  Durch  Nr.  31  vom  Januar  1873  reorganisiert, 
wurde  die  Steuer  bei  der  Steuerreform  von  1875  durch  Nr.  27 

vom  2^*.  Februar  in  ihrer  bisherip^en  Form  be^feitif^t,  die  Ver- 
gnügungsboote der  Steuer  auf  andere  Boote  zu^rewiesen,  im 
übrigen  eine  neue  Wa^^ensteuer  eingeftihrt,  die  schon  vom 
1.  Januar  1875  an  (Geltung  erhielt.  Die  alte  Steuer  hatte  1874 
nur  7019o  Ven  eiogebracht,  die  neue  ergab  sofort  mehr  aia 
200000.  Die  Steuer  hat  seitdem  unverändert  fortbestanden. 
LKe  wesentlichen  Bestimmungen  nnd,  dafii  für  Wasen  aller  Art 
eine  jährliche  Abgabe  zu  entrichten  ist  nach  folgendem  Tarif: 


Wagen  mit  zwei  oder  mehr  Pferden       3  Ven 

Wagen  mit  einem  Pferd  2  - 

Laa&arren  mit  einem  Pferd  1  - 

Jinrikisha,  zweisitzig  2 

JinrikiBha,  einsitzig  1 

Ochsenkanen  1 

Hau 'Ik 'irren,  irrolse  (Daihachi)  1 

Handkarron,  kleine  0,60- 


Keugebaute  Wagen  sind  beim  ()rtsvorstand  anzumelden  und 

von  ihm  zu  stempeln  (in  der  üblichen  japanischen  Art  auf  einem 
Brf^ttchen,  das  an  dem  Getlihrt  zu  befestigen  ist).  Lastkarren, 
welche  ausschliefslich  in  der  Landwirtschaft  benutzt  werden,  sind 
steuerfrei,  jedoch  der  Ordnunjr  wegen  gleichfalk  anzumelden 
und  zu  stempeln  (Verordnung  vom  24.  März  1875)  ^  Die 


1  Steuerfrei  sind  aufserdera  die  FVihrseoffe  dsr  AnBee>  and  llariiie> 

verwaltunjr.  Verordnung  vom  14.  Aupust  1^76.  Alle  anderen  früher 
bestandenen  .Steuerbefreiuogen  sind  alt  beseitigt  aDzusehen.  Vecordam^ 

vom  2fe.  April  IHIQ. 


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X  4. 


619 


Steuer  ist  halbjährlich,  im  Januar  und  JuK,  fUr  das  vorher- 
gehende Halbjahi'  tu.  entrichten.  Auf  Benutzung  Dicht  angemel- 
deter  Wagen  steht  als  Strafe  das  Fünffaclie  des  defraudierten 
bteuorbe träges.  Mit  der  Zunahme  des  Gebrauclis  von  Wa^^en 
(vgl.  oben  Kapitel  Verkehrsmittel  S.  243  f.)  hat  die  ^teiu  r  Tv^e\- 
mälsig  steigende  Erträge  geliefert,  wie  die  folgende  Übersicht  zeigt. 


Einnahmen  aua  der  Wagensteuer. 


1875  L 
1875/76 

187677 

1877  78 

1878  79 
187980 
1880  81 
1881 '82 
1882  83 


Sem. 


Ten 
96578 
213198 

234902 
261859 
289134 
335  940 
379  486 
428211 
453869 


Yen 

.  1888/84  462088 

1884/85  478512 

1885  8Ö  484029 

1886/87  531 103 

1887  88  577  233 

1888  89  r.  11.^39 
1889/90  (Budget)  5t>U008 
1890  91  (Budget)  589341 


im  Jahre  1888/89  war  die  Einnahme 


gegen  1880/81 


von  Wagen  und  Karren  mit  Pferden  26419  Yen     3296  Yen 
'  Ocfasenkanen  8888  -      3103  • 

-  JinrikiBha  228530  -    210343  - 

-  Handkanen  :ll7r,07    -    162  744  - 

Busammen   611839  Yen  379486  Yen 

Je  nach  der  Entwickelung  des  Verkehrs  in  den  versohle» 
denen  Oe^ronden  ist  das  Aufkoramen  in  den  einzelnen  Bezirken 
sehr  ungleich.  Auf  Tokyo  allein  kamen  1888  89  1(12  769  Yen, 
auf  Osaka  497^3  Yen,  auf  Aiciu  37  807  Yen,  auf  Hyogo 
32037  Yen,  aui  Kanagawa  29  715  Yen,  auf  Kyoto  23304  Yen. 
In  den  Bezirken  des  Nordens,  der  ganzen  WestklLste  (aufser 
Niigata),  von  Kynshu  (aul«er  Fukuoka)  und  Shikoku  bleibt  die 
iSnnahme  hinter  10  000  Yen  znrflck.  Im  Hokkaido  ist  der 
ohnehin  geringe  Ertrag  noch  weiter  verriogert  infolge  der  Kaieer- 
liehen  Verordnung  7  vom  24.  Februar  1888,  wonach  dort  vom 
1.  Juli  1888  an  alle  L/istkarren  (von  Pferden,  Ochsen  oder  Men- 
schen gezogen)  steuerfrei  sind  (Ertrag  1888  89  nur  1119  Yen). 

Eine  grofse  Belastung  düö  Verkehrs  kann  man  in  der 
VV agensteuer  kaum  sehen.  Ihrem  Wesen  n  u  ii  kann  man  sie 
ansenen  als  ein  Äauivalent  illr  die  Aufwendungen  tUr  das  Wege- 
weeen  ans  öffendidien  Mitteb.  Soweit  sie  frtüier  bestanden»  sind 
staadicbe  Wege-  und  Brttekengelder  1875  beseitigt  Jedoch  wurd 
da,  wo  We^  oder  Brücken  aus  Gemeinde-  oder  Interesaenten- 
beiträgen  erbaut  sind,  nicht  selten  die  Erhebung  eines  Wege- 
oder Brückengeldes  gestattet. 


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630 


X  4. 


Die  Bezirke  dürfen  zur  Wagensteuer  Zuschläge  eriiebeD, 

wf^lche  don  Betrag  der  SüiatssteiHT  nicht  1i}>erschroiten.  Die 
Zuschlüge  .sind  in  Tokyo  z.  B.  fUr  die  verscbiedeoea  Arten  yqr 
Wagen  nicht  gleichmäisig. 


XI.  Die  Schiflfliteuor. 

Steuern  auf  Schiffe  aind  eine  alte  japanische  Ein- 
riohtung.   Für  Seeschiffe  wurde  bereitä  1871  (8.  Monat), 
andere  Boote  1874  die  Besteuerung  einheitlich  genagelt  (Nr.  2 
▼om  21.   Februar   1874).     Vergnügungsboote   wurden  1875 

den  anderon  kleinen  Booten  gleichgestellt.  Die  verschiedenen 
Bestimmungen  wurden  dureh  Oesetz  13  vom  17.  April 
zusammengetalöt  und  dabei  die  Steuern  auf  Schitic  jaj>aniii»:ijer 
Bauart  vom  1.  Juli  1883  ab  betrnehtlich  erhöht,  bas  Gr.<et/ 
von  1874  iät  insofern  noch  von  Bedeutung,  als  aui  die  ihm 
unterworfen  gewesenen  Schiffe  und  Boote  BeEtrkszuBchlüge  bis 
zum  Betrage  der  Staatssteuer  zulässig  sind. 

Jedes  Schiff  mufs  einen  Heimatshafen  haben»  wo  ea  ge- 
messen wird  und  steuerpfliclitig  ist 

Die  Steuer  beträgt  jiUirlich : 

fiir  Dampfer  für  je  100  Tons  15  Yen 

für  Segelschiffe  europäischer  Bauart  ftlr  je  10<>  Tons    10  - 
itir  Schiffe  japanischer  Bauart  von  mehr  als  50  <Koku 

für  je  100  Koku  2  - 

(vor  1883  nur  1  Yen) 
für  Schüfe  und  Boote  japanischer  Bauart  unter  50 

Koku  und  weniger  als  18  Fufe  lang  80  Sen 

(bis  1888  nur  20  Sen) 
filr  je  6  Fufs  lünge  mehr  (wie  frtther)  15  - 

Vemügungsboote  unter  18  Fufs  Lttnge  50  - 

(bis  1883  nur  20  Sen) 
fUr  je  6  Fufs  mein-  25  - 

(bis  1883  nur  15  Sen) 

Die  Steuer  ist  fUr  jedes  halbe  Jahr  im  Toraus  im  Januar 

und  JuH  zu  entrichten.  Hinterziehung  der  Steuer  wird  mit  dem 
BlnfBaehen  Betrage  gestrsüt.  Benutzung  von  Schiffen  ohne  Steuer- 
schein zieht  Strafe  bis  zu  50  Yen  nach  sieh.  Steuerfrei  sind 
Boote  an  Bord  von  Schiffen,  Ffthrboote,  Brückenpontons,  Boote, 
die  nur  für  IJber^chwennnimgen  bestimmt  sind,  Kachen»  die  in 
den  Reisfeldern  benutzt  werden,  u.  s.  w. 

Die  Entwickelunir  der  Einualimen  aus  der  Schi^teuer 
zeigt  die  folgende  Übersicht: 


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X  4. 


621 


Einnahmen  aus  der  Scbiitsteuer. 


1872 

1873 
187! 

1875  1.  Sem. 

1875  76 

1876  77 

1877  78 
1878'79 
1879/80 
188081 


17960  Yen 

8812S  . 

125  677  - 

12336  - 

128  515  - 

133119  - 

194738  - 

133589  - 

134658  - 

135289  - 


1881/82 
1882/83 

1883  84 

1884  85 
ISsf)  86 

1886  87 

1887  88 

1888  80 

188*»  90  (Bu.leet) 
1890  91  (Budget) 


ld3418  Yen 

135219  . 

218040  - 

230453  - 

238  334  . 

250469  - 

258  921  . 

270  453  - 

257  357  - 

264  209  - 


Im  einselDen  stellte  sich  die  Einnahme  folgendermaiseii 


Damplschiffe 

Sctteuchiff»  europäischer  Bauart 
ScSüFe  japanischer  Bauart,  srofiie 

kleine 

Vergnttgungsboote 


1888/89 

12690  Yen 
6079  - 
61347  * 

188863    -  1 
874  - 


1880/81 

5  552  Yen 
4160  - 
33257  - 

92  320  - 


ausammen  270453  Yen     135289  Yen 

Da,  wie  man  ölt  ht,  dt  r  pröiste  Teil  der  Einnahrae  von  den 
kleinen  Booten  konimt,  so  verteilt  Bich  die  Steuer  ziciiihch  gleich- 
mäfsig  ttber  die  Eflstenbeairke,  während  naturgemiirs  in  binnen- 
Utndischen  Beairken  das  Aufkommen  nur  gana  gering  ist  An 
der  Spitze  standen  1888,89  Osaka  mit  15469  Yen,  Tokyo  mit 
15192  Yen,  Nagasaki  mit  14534  Yen  und  Niipitti  mit  14510  Yen. 

Durch  die  Steuererhöhung  von  1883  sind  die  Scliiffe  japani- 
scher I^auart  ungleich  stfirker  belustet  als  die  iVemder  Hauart; 
doppelt  80  hoch  als  Sogrlschifle,  wenn  man  wie  üblich  10  Koku 
~  1  Tonne  setzt.  Neben  d'-ni  Wunsche,  den  Ertrag  zu  steigern, 
hat  das  Bestreben  niitgewiikt,  Piau  und  litiiutzung  der  leistungs- 
iiihigcren  tremden  Schiffe  zu  begünstigen,  dieselbe  Tendenz, 
welche  zu  dem  an  anderer  Stelle  erwähntoi  Verbot  des  Baues 
von  JaiMmischen  Schiffen  Ober  500  Koku  geführt  hat  (vgl. 
im  Kapitel  Verkehrsmittel  S.  260). 


XII.   Die  Notensteuer  der  Nationalbanken. 

Den  National  banken  ist  als  Gegenleistung  für  das  Privi- 
legium der  Kotenausgabe  durch  Gesetz  29  vom  28.  September 
1878  eine  Steuer  von  7  vom  Tausend  ihrer  Kotenausgaoe  auf- 
gelegt. Die  Steuer  ist  halbjährlich  im  Januar  und  JuH  filr  das 
vorhergehende  Halbjahr  zu  bezahlen.  Der  Höchstbetrag  wurde 
im  Finanajahr  1881/82  mit  240788  Y«d  erreicht   Nach  der 


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622 


X  4. 


Keuregelung  der  Noteneinziehung  der  Kationalbanken  steht  die 
Einnahmt'  aus  fler  Steuer  seit  1884  fest  auf  221 850  Yen  jiüirlich, 
was  dem  damaligen  Notenumlauf  entspricht  ^ 

Keine  eigentlich  finanzielle  Bedeutung  hat  die  nach  deutschem 
Muster  l^Ss:  eingeführte  Besteuerung  ^er  t'bersdireitung 
eines  bestimmten  metallisch  nicht  ti^edeckton  Ivontin- 
gentö  von  Silbernoten  der  Nihon  Ginko.  Den  Steuersatz  sittzi 
der  Finanzminißter  in  jedem  Falle  fest,  doch  nicht  unter  tlinf 
Prozent.  Bei  dem  ciäteu  vorgekommenen  Falle,  im  März  1890, 
iBt  dieser  Satz  Ton  ftlnf  Prosent  angeordnet 


XIII.  Die  Börsensteuern. 

Die  s  t  o  11  e  r  u  n  g  des  B  ö  r  s  e  n  v  e  r  k  f  h  r  s  ist 
durch  die  ei;ienartigen  Börseneinrichtungen,  bei  welclitii  jcdrs 
Borätngeschäf't  verzeichnet  wird,  sehr  erleichtTt  (vgl.  ohva 
S.  232).  Es  ist  daran  zu  erinnern,  dafs  die  Börsengesell- 
Bchaft  von  jedem  an  der  B(lrae  abgeschlossenen  GMhftfl 
eine  Gebühr  erhebt.  Nachdem  die  Börsen  eingerichtet  waren, 
wurde  den  Börsengesellschaften  eine  Steuer  von  einem  Zehntel 
der  Ton  ihnen  erhobenen  Gebühren  aufgelegt,  halbjährlich 
zu  entrichten  (ftir  die  Effektenbörsen  durch  GksetB  Nr.  30 
vom  30.  vSeptember  1878,  fiir  die  Reisbfirsen  rlnroli  Gesetz  Kr.  4 
von  1879),  Als  Ende  1882  mit  den  librigen  Erhöhungen  auch 
die  der  Böraensteuer  in  Anc^flf  genommen  wurde,  falste  mau 
die  Börseugesellachaften  selbst  sehr  schonend  an  und  verniinderte 
diese  Steuer  auf  einen  ganz  unbedeutenden  Betrag,  walzte  aber 
die  Hauptlast  auf  die  Makler  (Gesetze  05  und  67  vom  27.  De- 
sember  1882).  Diese  sollten  vom  1.  April  188S  ab  von  jedem 
Umsatz  in  Wertpapieren  eins  vom  Tausend,  in  Silber  und  Gold 
7\s  (  ieiuhalb  vom  Tausend,  in  Reis  fünf  vom  Tausend  entri<^ten. 
Während  die  iiandelszeitung  „Bukka  Shimpo**»  das  Organ  der 
Börsengesellschaften,  diese  Maklersteuer  ftir  eine  ganz  leichte 
erklärte,  frw.irtete  die  Regierung  bedeutende  Einnahmen  daraus, 
rund  12<)ni  (Ii)  Yen  im  Budget  fUr  18Sr?84.  Beide  Ansichten 
waren  falsch.  Die  Steuer  erwies  sich  als  so  drückend,  dal"^  nidit 
nur  die  Spekulation&geschilfte  an  der  Börse  beschränkt  wurden, 
sondern  die  Makler  vielfach  aufhörten,  die  Börse  zu  besuchen. 
Von  1882  bis  1883  ging  der  Umsatz  der  ReisbOrsen  von  25,« 
auf  11,7  MiUionen  Koku  surtlck.  Im  Jahre  1883  setbat  war  er 
▼or  der  neuen  Steuer  im 


^  Der  Stadt  Osaka  i  t  für  1890  91  erlaubt,  eine  Gremeindesteasr  wa 
1  Prozent  vom  Keingewiuu  Uer  Banken  zu  erheben. 


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X  4. 


623 


Jamiar   24ul0()0  Koku      gegen  1882  1917000  Koku 
Februar  1 712  (»00     -  -     1882  1  742000  - 

Märe      14OÜU0U     -  -     1882  3627  OÜO  - 

Nach  Inkrafttreten  der  Deueo  Steaer  dagegen 

April  521000  Koku  gegen  lb82  3036000  Koku 

Hai  432  000     -  -     1882  1  772000  - 

Juni  394000     -  -     1882  1409000  - 

Jati  307000     -  -     1882  1  542000  - 

Erst  im  Herbst  nahm  der  Umsatz  wieder  zu.  Auf  der 
Effektonbörse  trut  ein  nhnlicher  Rückgang  ein.  In  Yokoliaraa 
hörte  längere  Zeit  das  Geschlift  Uberhaupt  auf.  Der  erwartete 
finanzielle  Erfolg  blieb  natürlieli  aus.  Statt  1  200  000  Yen  brachten 
die  Börsensteuem  1883  84  zusamiiit>n  nur  345000  Yen.  Die 
AktionXre  der  BOrsengesellachalten,  deren  Dividenden  abnahmen, 
regten  sich  nun  auch,  und  durch  Gesetz  Nr.  85  vom  28.  No- 
vember 1885,  in  Kraft  vom  1.  Deeember,  wurde  die  ganze  huh 
herige  BOrsenbeeteuerang  au%ehoben.  An  ihrer  Stelle  wurde  von 
nun  an  die  Steuer  bemessen  nach  dem  von  den  Maklern  bei 
Abechluls  der  Geschäfte  zu  hinterlegenden  Angeld  und  festgesetzt 

bei  Umsätzen  in  Staatspapieren  auf  ^  lo  uoo 

-  anderen  Wertpapieren   •  */ioooo 
-        -       -  Reis,  -  '/looo 

leit  dem  1.  Dezemhier  1888  gletch&Us  -  ^/looao 

Letztere  ErTiifU'sigung  wurde  durch  die  Kaiserliche  Verordnung 
75  vom  12.  November  1886  augcordnet.  Bei  einem  Angeld  von 
15  ProzciiL  beträgt  die  Steuer  also  jetzt  nur  4,6  Seu  von  einem 
GezGhiift  von  10000  Yen  in  Staatspapieren,  nor  9  Sen  von  an 
deren  Wertpapieren  und  Reia.  Übertragung  des  Ldeferungsver* 
träges  auf  einen  anderen  oder  Rückkauf  der  Lieferung  (innei-- 
halb  desselben  Monats)  ist  steuerfrei.  Es  wird  also  tbatsUchlich 
nur  die  Differenz  der  zwischen  zwei  J^Iakk-m  in  dem  betreffenden 
Monat  abgeschlossenen  Geschäfte  in  dem  betreüenden  W'ertpapicr 
besteuert ' .  Die  Steuer  wird  monathch  entrichtet,  jedesmal  nach 
der  Ultimo  Abrechnung^. 

Die  seit  1886  neu  belebte  Etiektenspekulatiou  liat  die  Ein 
nähme  von  der  Effektenbörse  rasoh  wieder  in  die  Höhe  ^ebraclit, 
höher  als  sie  je  gewesen.  Die  Reiabörse  bat  dagegen  bisher  die 
Erwartungen  getiuscht  und  im  Jahxe  1887/88  statt  264824  Yen 


^  Das  klingt  etwas  unwahröcheiolicb,  ist  aber  wirklich  so.  Ich  habe 
die  Abrechnungen  mit  eigenen  Augen  gesehen. 

'  Der  Stut  Osaka  ist  für  1^<90  91  die  Erhebung  eines  Gemeinde- 
süiischlages  von  2  Prozent  sur  Staatntener  der  Reis*  und  Effektenböna 
gestattet  worden. 


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624 


X4. 


Dur  91949  Yen  gebracht.  Die  grofse  Reisspekulation  1889  90 
wird  wohl  höhere  Ergebuisäe  liefern.  Die  Entwickelung  der  Em- 
nukmeia  am  den  Böfsensteufirn  zeigt  folgende  ÜbcrncBt 

Einnahmen  aus  der 

Reisbtf  rsensteuer  EffektenbörBeneteuer 
(eioachl.  Blakler)  (emichL  Bfakler) 


1878^79 

201831  Yen 

1 1  678  Yen 

1879  80 

241762  - 

25  517  - 

18R0  81 

58170    -  » 

35  888  - 

210  262  * 

451^4  - 

1882/83 

132462  . 

63644  - 

18»3y84 

272011  - 

78188  - 

1884/85 

343288  * 

70184  - 

1885  86 

226583  - 

17119  - 

1886  87 

180837  . 

88  346  - 

1887  88 

91949  - 

97  757  - 

1888  89 

87077  - 

85  971  . 

1889  90 

69  762  - 

90615  - 

ISUOiUl 

(Budgetj 

68527  - 

111792  - 

Aufaer  jenen  Steuern  haben  die  Makler  (nach  OesetK  28 
vom  6.  August  1883)  ftlr  ihre  Konceaabn  eine  einmalige  Gebahr 
von  30  Yen  zu  bezahlen.  Im  Jahre  1887/88  kamen  dadurch 
1920  Yen  Yon  Eifiektenmaklern  und  510  Yen  yon  Reismaklem  ein. 


XIV.  Steuern  vom  Viehhandel. 

Personen,  welche  mit  Pferden  und  Rindvieh  handeln,  sollen 
fUr  jede  Koppel  Vieh  (von  7  Stück)  in  ihrem  Besits  eine  jähr- 
liche licens  von  1  Yen  besohlen.   Die  wohl  aus  der  alten  Ord- 

nuDg  stammende  Steuer  hat  ihre  jetaige  Oestalt  schon  1872  er- 
halten. Sie  soll  den  Umsatz  treffen,  erreicht  diesen  Zweck  aber 
nur  unvollkommen.  Finanziell  ist  sie  unbedeutend.  Die  Ein- 
nahme daraus  ernMi  hte  1881/82  den  höchsten  Betrag  mit  88437 
Yen  und  ergab  1888,09  72179  Yen-. 


>  WShmid  dnes  Teils  des  Jshrss  1880  waren  die  ReisbSrMn  infolge 

der  tollen  Spekulation  geschlossen. 

^  Näheros  ilher  die  weni^  interessante  Abgabe  möge  nun  in  Gab- 
bins  Keport  on  Taxation  nacUlesen. 


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X  4. 


625 


XV.  Stempeiabyaben. 

Stemjpelsteuern  auf  Verträge  und  Urkunden 
(Shoken*inBhi-zei)  wurden  nach  enropttiachem  Muster  1873 
eingeführt,  aber  schon  durch  Gesels  81  ▼om  September  1874 

umgestaltet,  wozu  noch  mehrere  spätere  Zusätze  kamen  (Nr.  121 
von  1875,  Nr.  31  von  1879).  Das  Wesentliche  an  dem  alten 
Steuergesetz  war,  dafs  ftir  Urkunden  im  Geschäftsverkehr  und 
gewisse  kaut'iiiiinnische  Bücher  Stempolpapier  (  .liniifrtes  Papior**) 
erfordcTlicli  war,  wozu  dann  in  gewi>M  ri  Käiien  noch  Stempel- 
marken kamen.  Als  mit  dem  Rückgang  des  Geschätti^lclKüia 
und  der  Preise  im  Jahre  1Ö83  auch  die  Einnahme  aus  di(  sca 
Stempelabgaben  sich  verminderte,  suchte  man  dem  durcii  Er- 
höhung der  Sätze  und  Veränderung  der  Emridiknngeii  entgegen- 
zutreten, allerdings  mit  geringem  Erfolg.  Nach  dem  Geseta  11 
vom  1.  Mai  1884,  in  Kraft  vom  1.  Juh  1884,  ist  an  Stelle  des 
Oebrauchs  von  Stempelpapier  durchweg  der  von  Stempelmarken 
getreten  (resp.  Stempelblanketts  ftir  Wechsel).  Die  Emzelheiten 
des  GcHPfze?;  sine!  kaum  interessant  trenug  ftir  eine  ausftlhrlichere 
Darstellung'.  Eö  genüge  zu  bemerken,  dal's  die  Äb'j-nhf'nsätzo 
auch  nach  dem  neuen  Gesetz  verhältnismälsig  niedrig  sind.  Für 
eine  grofse  Menge  von  Urkunden  (Klasse  1  des  Gesetze«)  ist  ein 
Fixstemnel  von  1  Sen  ertbrderlich,  z.  Ü.  für  alle  Quittungen 
über  5  Yen  und  m^.  Für  Urkunden  ttber  Verträge,  Wechsel 
und  dgl.  (Klasse  2  des  Gesetzes)  kommt  dazu  ein  nach  dem 
Wert  abgestufter  Stempel.  Er  beträgt  z.  B.  ftir  Wechsel  bei 
einem  Betrage  von 

weniger  als  50  Yen  1  Sen 

50  Yen  bis  zu   100  -  2  - 

100    -     -    -    200  -  4  - 

200    -         -    500  -  8  - 

500    -     -    -   Inno  -  15  - 

1000    -     -     -  2«  MIO  -  20  - 

2000    -    und  darüber  50  - 

Das  Gesetz  giebt  den  Steuerinspektoren  sebr  weilgehende 

Befugnisse  kaufmännische  Bücher  und  dgl.  zu  prüfen.  Auf 
Unterlassung  der  Benutzung  des  Stempels  stellt  als  Strafe  der 
zwanzigfache  Betrag,  auf  Unterlassung  der  Kassierung  der  Stempel- 
marke (durch  das  eigene  Siegel,  das  gesetzHch  jider  Japaner 
ftihren  muls)  der  zehnfache  Betrag.  Sonstige  (Ordnungsstrafen 
steigen  bis  zu  50  Yen  an. 

*  Der  alte  und  der  aeoe  Tarif  findet  aieh  in  OnbbinB  Beport  on 

Taxation. 

Fonchungen  (45i  X  4.  —  Rathgen.  40 


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626 


X  4. 


Die  Einnabmen  aui  der  Stempekteuer  nm  ürkimden  setgt 
die  folgende  Übersicht. 

Einnahmen  aua  Stempeln  (Stempelpapier) 

fttr  Urkunden. 


Yen 

1873 

319302 

1874 

291  897 

1875  (1.  Sem.) 

395316 

1875  76 

408  228 

187677 

434155 

1877  78 

505  025 

1878;79 

588  094 

1879/80 

695588 

1880/81 

869260 

1881/82 

885826 

Yen 

1882  83 

872794 

188384 

671  180 

1884  85 

991 

1885  86  (9  Monate) 

435  8(>5 

188687 

587625 

1887  88 

563770 

1888'89 

985013 

1889  90  (Budget) 

613063 

1890/91  ßudget) 

615680 

Wie  man  sieht,  hat  die  Steuererhöhung  von  1884  nicht  den 
gewünschten  Erlbig  gehabt.  Für  1884  85  hatte  man  die  Ein- 
nahme auf  880  360  Yen  geschätzt  und  erhielt  nur  678  991  Yen. 
Auch  noch  1887  88  blieb  der  Ertrag  um  91051  Yen  hinter  dem 
Anüclilag  zurück,  der  erst  1888  89  erheblich  (um  357600  Yen) 
tlbei-schritten  wurde.  Ob  das  Gesetz  wirklich  scharf  dnrchg^brt 
wirdt  scheint  mW  EweMelhaft  au  Bein. 

Das  Stempeigesetz  findet  auf  Okinawa  nicht  Anwendung. 
Von  den  übrigen  Bezirken  tragen  uatur^emäls  die  mit  den 
grOCberm  Verischisplfttaen  am  etttrkstpn  bei.  In  den  Jafam 
1887/88  und  1888/89,  je  dem  niedrigaten  and  höchsten  seit  1878, 
standen  an  der  Spitae 


Tokyo  mit 

Osaka  (ohne  Nara;  - 

Kyoto 

Hyogo 

Kanagawa 

Shiffa 

Aichi 

Kilgata 

Kagano 


91911  Yen 

55  565  - 

27293  - 

24280  - 

19078  - 

19061  - 

18896  - 

16801  - 

16578  - 


1888/89 

132  789  Yen 

78313  - 

32069  - 

49095  - 

38190  • 

19877  - 

31  654  - 

32415  - 

S0005  • 


Die  niedrigsten  Einnahmen  hefem  daa  südliche  Kyuahu 
und  Shikoku,  sowie  die  Westküste  und  der  Norden  von 
Eoushu.  An  letzter  Öteile  steht  Miyazaki  mit  2439  reap. 
4632  Yen. 


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627 


XVI.  Die  RegisterQeblilireii. 

Den  ebengenannten  Abgaben  flchliefisen  ndi  die  Steuern 
vom  Besitz  Wechsel  an,  wddie  neuerdings  eine  wdtere  Aus> 
bildung  erhalten  haben. 

Bei  Besprechung  der  Grundsteuer  ist  schon  erwähnt  (S.  545), 
dafs  von  der  Ausfertigung  der  neuen  Besitztitel  fStempel gebühren 
erhoben  wurden,  deren  Ertrag  zur  Bestreitung-  der  Kosten  der 
Steuerreform  verwendet  wurde.  Nach  Beendigung  der  Grund- 
steuerreform wurden  durch  Gesetz  Nr.  30  vom  25.  Mai  1881 
(in  Kraft  vom  1.  Juli)  zwei  Abgaben  festgesetzt.  Einmal  sollte 
eine  feete  Gebtthr  Ton  3  Sen  für  jede  Neuausfertigung  eines 
Beeitztitek^  ^trichtet  weiden.  Weiter  aber  sollte  bei  Eintragung 
des  Besitzwechsds  eine  Stempelabgabe  entrichtet  werden,  welche 
nach  dem  Steuerwerte  des  Objekts  stieg  von  8  Sen  bei  einem 
Werte  von  weniger  als  10  Yen,  bis  zu  5  Yen  bei  einem  Werte 
▼on  meltr  ;ds  lOOoü  Yen. 

Der  Erlrag  dieser  ^Steuer,  d«  i  in  den  Abrechnun^'^en  der 
Grundsteuer  zugerechnet  ist,  wm  hs  von  264  7(36  Yen  im  Jahre 
1881  82  auf  o^liDOT  Yen  nn  .Jahre  1884  85,  zum  Teil  wohl  in- 
folge strengerer  Durchführung  ^ier  gesetzlichen  Bestimmungen. 
Im  Budget  f&r  1886/87  war  er  sogar  auf  864277  Yen  ver- 
anschlagt. Das  Jahr  1886  brachte  aber  einen  Versuch,  diese 
Einnahmen  auf  anderem  Wege  zu  stdgem. 

Das  Begistei^gesets  Nr.  1  vom  11.  August  1886,  in  Kraft 
vom  1.  Februar  1887,  erhöhte,  während  es  iene  feste  Geblihr 
ftlr  die  Neuausfertigung  von  Besitatiteln  bestehen  licfs,  die  Ab- 
gaben vom   Besitzwechsel  von   Orundstücken  und  legte  die 

fleiche  Abgabe  auf  den  Besitzwechsel  von  Häusern  und  Schiffen. 
)as  (iesetz  ordnete  Anlegimg  von  Registern  an^  welche  von 
den  Frieilensgerichten  zu  führen  sind,  während  bis  dahm  die 
Ortsbehörden  die  betreifenden  Kegister  fllhrten^.  Doch  kann 
auch  jetzt  noch  für  entlegene  Orte  die  BegistertUbnmg  der  Orts- 
behme  ttbertragen  weraen.  Verkauf,  Schenkung  und  Ver- 
p^ndung  muls,  um  Dritten  g^nUber  wirksam  au  sein,  im 
Kegister  eingetragen  werden.  Bei  der  Eintragung  sind  die 
folgenden  Gebühren  zu  zahlen. 

Bei  Verkauf  und  Schenkung  hat  der  Käufer  lesp.  Schenk- 
nehmer  su  entrichten: 


>  Nach  Verlust  des  Besitztitels,  bei  Vererbung  von  Land,  bei  Tsi- 
long  oder  Vereinigung  von  Gruadstfteken,  bei  Andsnmg  der  Kusse  etc.» 
so  der  das  GmnastQck  i^ehört. 

^  Für  ächifie  JSr.  28  vom  8.  Män  1877;  tür  Häuser  Nr.  148  Tom 
80.  September  1875;  i9r  Gmndsttcke  Nr.  58  vom  SO.  NoTSmber  1880. 

40* 


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628  X  4. 

bei  einem  Werte  Ton  weniger  ak      5  Yen  O^oa  Yen 

5  bis  10  -  0,]o  • 

10  -  25  -  0,«s  - 

26  -  ^0  -  0,60  - 

50  -  iüO  -  1 

100  -  200  -  2  - 

200  -  300  -  3  - 

800  -  400  -  4  - 

400  -  500  -  5  - 

500  -  750  -  6  - 

7r.0  *  1000  -  7 

-      1000  .  1  500  -  8 

1  500  -  JiHii)  .  9 

2  000  -  oOuO  -  10 
5U00  -   lOOOn  -  12 


und  so  fort,  für  je  50U0  Yen  2  Yen  mehr. 

Fttr  Verpllbadung  (auch  Kauttonshypotbeken)  wird  die 
halbe  GebOhr  erhoben  (Tom  Verpfknd^),  für  Eintragung  dei 
Erben  ein  Püntlel.  Der  Wert  des  Objekts  ist  der  wirkliche 
Preis  resp.  zur  Zeit  vorhandene  Wert  Erscheint  dem  Register- 
amt  die  Wertangabe  zu  niedrig,  so  erfolgt  eine  Einschätsung 
durch  drei  unbeteiligte  vom  Amt  ernannte  Schiedaricbter.  Auf 
i  bertretung  des  fresetzes  steht  Geldstrale  bis  zu  100  Yen. 
AU  Form  der  Steuerzahlung  wurden  Hnixh  Kaiserl.  Verordnung: 
66  vom  8.  Oktober  18!^8  Stempehnarkcn  eingctUhrt,  welche  auf 
dem  Gesuch  um  Kmtraguug  anzubringen  sind. 

Das  Registergesetz  bedeutet  gegenüber  den  bis  dabin 
geltenden  Bestimmungen  eine  nicht  ganx  unerhebfidie  neue 
Besteaenmg  des  Qrundbesitzes»  welche  beim  Verkauf  bei  den 
kleineren  Summen  ,  die  in  Japan  hauptsUehlieli  in  Betracht 
kommen,  reichlich  ein  Prozent  beträgt.  Wohl  noch  mehr  em- 
pfunden wurde  die  Belästigun«:,  mit  d-esen  Dingen  statt  an  die 
Ortsl>*^]u>rde  nun  an  die  (Berichte  jrehen  /ti  müssen,  was  bei 
deren  geringer  Zahl  viel  Zeitverhist  und  Mühe  verursacht. 

Das  neue  Gesetz  seheint  zunaehsi  in  Mus«redehntem  Maiäe 
umgangen  zu  sein,  sowohl  wiis  die  Wertanj^aben  betrifft,  als 
auch  durch  vollständige  Hinterziehung  bei  Verpfandungen ,  bd 
denen  ach  die  Parteien  sehr  allgemein  mit  der  Übergabe  des 
Besitstitels  an  den  Glftubiger  begnügten  und  die  Eintragung 

fanz  unterliefsen.     Von  der  Abschafliing  der  l^esitztitel  im 
ahre  1889  erhofft  man  daher  eine  Steigerung  der  Einnalune^ 
Bei  der  Einführung  der  neuen  Abgabe  hatte  man  Erträge 
erwartet»  hinter  welchen  die  Eigebnisse  weit  aurttckbliebeiu 


*  Die  BedtztitelgebOhren  sind  nunmehr  in  Gebühren  von  den  eot* 
spfechenden  fäntragungen  im  Grandtteuerbueh  umgewandelt 


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X  4.  629 

Das  Budget  und  die  Abrechnung  ftr  1887/88  aeigen  folgende 
Zahlen: 

Badget  AbrechDuiig 

Registergebühren  2000148  Yen   924666  Yen 

Gebuhrött  für  Aus- 
fertigung Yon  Besitztiteln  250000   -      280947  - 

Fiir  1888  89  waren  die  Zahlen: 

Registergebüliren  1600148  Yen    713732  Yen 

Besitztitelgebühren  372462   -      227628  • 

Die  nächsten  Budgets  endialien  dann  fdgende  Ansätee: 

Bentswecbselsteuipei  Basitstitdgehtlbrai 

1889  90     750234  Yen  27Ü478  Yen 

1890/91  1083825   -  74459   -  » 

Wieviel  von  der  Abgabe  von  GrundbeBi'tz.  \^■ieviei  von 
Hilusern  und  wieviel  von  Schiffen  aufkommt,  i.-^t  leider  nicht 
angegeben^.   In  Okinawa  ist  das  Gesetz  nicht  eingeführt. 


XVII.  Gerichtskoaten. 

In  der  Form  von  Stempelsteuern  werden  audi  die  Ge- 
rich tskoö  ten  in  Civilprozessen  erhoben.  Bis  1888/89 
waren  sie  auch  im  Budget  den  Steuern  augeiecfanet  Erst  seil 
1889  stehen  sie  unter  den  „Gebühren'*. 

Nach  dem  Gesetz  196  Yom  Dezember  1875,  in  Kraft  seit 
dem  15.  Februar  1876 ,  war  fUr  die  Schriftsätze  der  Parteien 
wie  flir  die  Entscheidungen  des  Gerichts  Stempelpapier  (..Hniiertea 
Papier'' J  zu  benutzen.  Der  Betrag  der  Kosten  nchtete  sich 
nach  der  Lftnge  der  Schrittstücke  sowie  dem  Werte  unrl  der 
Natur  des  Gegenstandes.  Die  Höhe  der  Gebühren  war  unbe- 
deutend, so  dafs  man  1884  zu  einer  beträchtlichen  Erhöhung 
der  Sätze  schritt,  indem  man  gleichzeitig  die  Berechnung  ver- 
einfachte'. 

Nach  dem  Gesetz  Nr.  5  vom  23.  Februar  1884,  in  Kraft 
yom  1.  April  1884,  sind  nur  noch  Stempeknarken  erforderlich, 


^  Kataatei^lifihieD. 

*  In  der  Stadt  Osaka  bt^stand  !*chiin  unter  dem  alten  Rftrimc  unter 
dem  Namen  ßu-ichi-kin  eine  Abgabe  beim  Verkauf  von  Grunubes^it/,  und 
Häusern.  In  neuerer  Zeit  abgeschafi't,  darf  sie  für  1890  91  wieder  uuf- 
fl^elegt  werden  im  Betrage  von  '  eo  des  Preises.  In  einer  von  Spekula- 
tionppeist  erfüllten  Stadt  wie  Osaka  dürfte  diese  Gerneindeabf:;abe  wirk- 
lich eine  Art  Besteuerung  des  Konjunktureugewinnes  im  Sinne  von  Adolf 
Wagner  datsteilen. 

*  Der  alte  und  der  neue  Tarif  in  Gobbins  Beport  on  Taxation. 


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630 


eDtBpreQhend  dem  Werte  des  Objekts.  Die  Klageschrift  rnnls 
mit  Btempelmaricen  in  folgendem  Betrage  vefsehen  sein: 


bei  einem  Werte  der  Forderung 


Ton  weniger  als              5  Yen 

0,20  Yen 

0»80  - 

5—   10  - 

10-    20  . 

0^0  • 

20-    50  - 

1,50  - 

50-    75  - 

2,10  - 

75_  100  - 

3 

.     100—  250  - 

0,50  - 

-     250-  500  - 

10 

.     500—  750  - 

13 

-     750-1000  - 

15 

-   1000—2500  - 

20 

-   2500-5000  ■ 

25 

und  weiter  für  je  1000  Yen 

2 

liei  Berutiiugen  erhöht  sich  der  Betrag  um  die  Hülfte,  bei 
Kasüation  auf  (his  Doppelte.  Bei  familienreehtÜclien  und  anderen 
in  Geld  nicht  zu  bchfttzenden  Klagen  ist  die  (iebuhr  3  Yen. 

Femer  sind  fUr  eine  Reihe  weiterer  Dinge  (sonstige  Schrift- 
sätM  der  Pmrteien,  Anträge,  Schiedssprttdie)  Fizstempel  von 
20  oder  50  Sen  su  verwenden.  Für  die  achriftliche  Aus- 
fertigung des  Urteils  ist  fUr  das  Blatt  '  Sen,  für  sonstige 
SchriiUtUcke  des  Gerichts  3  Sen  zu  bezahlen.  Alle  Auslagen 
ilir  Stempel  mufs  die  unterliegende  Partei  dem  Sieker  ersetzen. 
Der  Richter  kann  wegen  Armut  einer  Partei  die  Stempel- 
gebühren erlassen. 

Die  Einnahmen  aus  diesen  Stempelabgaben  haben  sich  in 
folgender  Weise  entwickelt: 


£innalimen  von  Stempeln  in  Oivilprozessea, 


1875  76 
1876/77 

1877  78 

1878  79 
187980 
1880/81 


63464  Yen 
80174  - 
76482  • 
78855  • 
89330  - 
93441  - 


131 574  Yen  alter 
172882  - 


1881/82  116507 
1882/83  166916 


1888/84 1 

1884  85 

1885  86 

1886  87 

18^7  «R 

188990  (Budget)  3138SI 
1890  91  (Budget)  315  772 


399977  Yen 
273896  . 
334  866  - 
313199  - 

320251  . 


Die  Vermehrung  infolge  der  Neuregelung  von  1884  ist  be- 
deutend, blieb  aber  hinter  den  Erwartungen  doch  noch  ziemlich 
zurück,  da  1884  statt  dt  r  gesehätzten  53" 57(1  ^'en  nur 
399977  ien  einkamen.  Seitdem  ist  die  Einnahme  immer  weiter 


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631 


surttckgegangen.  Den  für  Japan  Yqrhftltnismäfmg  hohen  Ge- 
richtskosten wird  ein  erheblicher  Anteil  an  dem  Kückpuig  der 
Zahl  der  Civilsachen  bei  den  Gerichten  xugeachrieben ,  welche 

sich  bis  ganz  aufserordentlich  vermelirt  hatten.    Es  war 

nämlich  die  Zahl  der  neu  anhängig  gemachten  Sachen 


bei  dem  Kassa- 

ÜOQSbof 

in  der  Jie> 
rnfangs- 
instans 

davon  bei 
den  Appell- 
höran 

b.a.Grancnt0D 

u.d,  Friodciis- 
geiicliten 

Q  o    1     1  c  _ 

aachfin 

1877 

156 

1513 

1513 

174  772 

658872 

1879 

382 

3496 

3  496 

135009 

651  640 

1881 

765 

6442 

6492 

130519 

731 777 

1882 

886 

9882 

5679 

188362 

875654 

1883 

801 

12578 

6069 

239675 

1094659 

1884 

580 

8479 

3988 

138597 

760992 

1885 

427 

3461 

1605 

52011 

502  588 

1886 

305 

3  701 

1683 

49  920 

500915 

1887 

433 

4472 

2023 

51008 

388225 

Die  Zahlen  amd  im  Vergleich  k.  B.  mit  firansOsiachen  und 
deatBcfaen  VerhttltniBBen  sanz  merkwtbrdig  niedrig.  So  sehr  ein 
Femhalten  europäischer  Prozessiersucht  wünschenswert  wäre,  so 
wird  sich  doch  kaum  leugnen  lassen,  dafs  sehr  hohe  Geriohts- 
koBten  ein  sweiachneidiges  Mittel  dazu  nnd^. 


XVIII.  Sonstige  GebOhren. 

Attfaer  den  bisher  aufgeftlhrten  besteht  noch  eine  Reihe 
weiterer  Gebühren,  die  sum  Tal,  als  Steuern  bezeichnet,  im 
Budget  unter  den  Steuern  stehen  ( Jagdscheine,  Abgaben  von 
Mafsen  und  Gewichten),  zum  Teil  unter  dem  Titel  Gebühren,  der 
aurserdem  noch  die  bereits  crwiihnten  Stempel-  und  Register- 
abgaben vom  Orundh(  sitz,  von  Häusern  und  Schiffen,  seit  1889 
auch  die  Gericlitsgebülin  n  umtalst.  Unter  Weglassung  der 
letztgenannten  Posten  ergaben  diej>e  verBchiedenen  Gebuliren 
nach  der  Abrechnung  für  lb87  88  zusammen  2ZU508  Yen, 
1888  89  239050  Yen.  Em>ielne  dieser  Abgaben  smd  schon  in 
anderem  Zusammenhang  erwttbntf  die  Hafengelder,  Lagerhaus- 
gebühren u.  dgl.  bei  den  Zöllen  und  die  Koncession^gebtthr 
der  Makler  bei  der  Börsenstcuer. 

Der  wichtigste  Posten  sind  die  Jagdscheine,  fUr  welche 
nach  dem  Jagdgesetz  Beru&jäger  1  Yen,  Personen»  welche  zum 


'  Im  Zusammenhang  mit  diesem  Abschnitt  sei  erwShnt,  dafa  die 

Sesamte  Einuahme  aus  (J cldstrufcii  und  Kotifi^kationen  im  Jahre  1887/88 
ie  Samme  von  387  12»  Yen  ergeben  bat,  imi-üd  m  m  Yen. 


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632  X  4. 

VeignUgen  jagen  10  Yen  bezahlen  (vgl.  das  oben  Uber  die  Jagd 
Gesagte  S.  3»>'*).  Die  Einnahme  erreichte  den  Höhepunkt 
188182  mit  9oyi4  Ven,  sank  dann  bi«  1886/87  auf  48 451  Yen 
und  brachte  1888  89  72479  i'en. 

Rechtsanwälte  hixh^^n  (Ano  jührliche  Steuer  von  10  Yen 
211  bezahlen,  was  zuerst  durcli  Art  5  der  Auwaltsordnung  vom 
22.  Februar  \6lii  eingeliihrt  ist  I)ie  JEiDnahme  davon  war 
1888  89;  112UU  Yen.  Von  der  Anioitigung  von  Mafsen  und 
Gewichten,  deren  Preis  staatlich  geregelt  ist  (^Gesetz  I6b  vom 
August  1875),  mnlk  eine  kleine  Abgabe  entricbtet  werden,  dem 
Wem  nach  eine  Eichgebtthr.  IXb  Einiudime  war  1888/89 
2588  Yen. 

Die  Geeetsse  filr  Scbuts  des  Urhelierrechti  mkngen 
▼OD  den  Oeichütsten  gewiMe  Gebtthren,  tod  deren  ZaUang  der 
Schnta  abhftngi^  gemacht  wird,  so  beim  Schutz  von  Druck- 
werken  gegen  Nachdruck  (das  Sechsfache  des  Preises.  Nr  135 

vom  3.  November  1875,  Art.  20.  Kinnahme  1887'88  r,()44  Ven"), 
Patentschutz  (Gesetz  von  1885),  Schutz  von  Handelsmarken  u.  s.w. 

Dazu  kommen  noch  allerlei  Verwaltung?irebiüuren,  fbr 
Pässe,  Staatsprüfungen,  Untei-suchung  von  Medizinen  u.  s.  w. 
Über  die  Gebühren  der  VerkehieansUdteu  ist  an  anderem  Orte 
gehandelt 


Fünftes  Kapitel« 
Nichtstenerliclie  Staatseiiiiiahmen. 

Neben  den  Steuern  haben  andere  ordentiiehe  Staataeinnahmen 
nur  eine  geringe  Bedeutung  und  unter  diesen  anderen  Einnahmen 

kommt  noch  ein  wesentlicher  Teil  auf  solche,  welche  ein  Aue- 
flufs  staatlicher  Hoheitsrechte  sind ,  namentlich  die  Einnahmen 
von  Post  und  Telegraphie.  sowie  die  von  der  Mf^nze,  vom  Ver- 
kauf de.s  ..Staatsanzeigers"  (Kwampo) ,  die  ^x're  ts  erwähnten 
(ieldstiaten ,  die  Einnahmen  von  der  Arbeit  Strafgefangener 
u,  8.  w.  An  Einnahmen  vom  Staatseigentum  kommen  tinanziell 
nur  die  Überschfleae  der  StaataeieenbdQnen  und  dm  Einnalunen 
aue  den  Staatsforsten  in  Betracht  Vorübergehend  haben  auch 
die  Bergwerke  einige  Bedeutung  gehabt.  Die  anderen  gewerb- 
liehen  Unteniehmungen  des  Staats  haben,  wenn  überhaupt,  nur 
unbedeutende  Übei-schtisse  geliefert.  Regelmäfsig  wiederkenrende 
Posten  8ind  Rt'iclzalilunijen  und  Einnahmen  von  verpachtetem 
und  verkauftem  »Staatseigentum. 


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633 


i.  Post  und  Telegraph. 

Die  BÜnnalimen  der  Postvenvaltung  haben  sich  mit  Aus- 
dehnung des  Postl>ctriehe9  allmählich  mehr  und  mehr  gelio))Pii, 
wie  die  nachtbigende  l  bcrsicht  zeie-t.  Die  bedeutende  Zunahme 
1883  kommt  daher,  dafs  im  Zusammenhang  mit  den  Steuer- 
erhöhungen von  Ende  1882  auch  einige  Portoerhöhimgen  statt- 
£uiden.  Die  wirtschafUiche  KrkiB  hat  auch  die  Einnahmen  der 
Post  etwas  gedrUdct,  doch  smd  de  neaerdings  wieder  in  der 
Znmdune  baffen  ^  Für  die  Zeit  von  1877  bis  1885  ist  es 
möglich,  Einnahmen  und  Ausgaben  nebeneiiuuiderBasteUeo. 
Danach  wären  1879  bis  1882  die  Einnahmen  gröfser  gewesen 
ah  die  Ausgaben.  Im  Jahre  1882  83  aber  vermehren  sich 
pl'it/HHi  die  Ausgaben  um  50  Prozent.  Thatsäf  lilich  dürfte  ein 
Einnahmetiberschufs  nie  bestanden  haben.  Ein*  amtUche  Auf- 
klärung des  Zusuinmenhan^s  iät  nicht  erfolgt.  Man  sagt,  dafs 
das  wunderliche  Resultat  die  Folge  fidscher  Buchführung  ge- 
wesen sd.  Im  Jahre  1882/83  sei  man  endlich  dahinter  ge- 
kommen^ dals  man  in  den  letzten  Jahren  mit  einem  Deficit  von 
300000  Yen  gewirtschaftet  hal)e.  Der  Ansfiül  wird  wohl  ans 
dem  „R^ervefonds'^  gedeckt  sein. 

Seit  der  Vereinigung  von  Post  und  Teleirraphie  im  Ver- 
kehrsministerium, 1886,  ist  ein  Vergleich  der  Kmnahmen  und 
Ausgaljen  nicht  mehr  möglich.  Seit  1888  werden  auch  die 
Einnahmen  von  Post  und  Telegraph  nicht  mehr  getrennt  nach- 
gewiesen. 


Post. 

Einnahmen 

Ausgaben 

Yen 

Yen 

1872 

17960 

1873 

88887 

1874 

188071 

1875    1.  Sem. 

599  971 

1875/76 

583  267 

1876  77 

68'.»  229 

1877/78 

81 1  859 

1033494 

1878  79 

941 U  88 

1  125066 

187980 

1173457 

1  088  392 

1880/81 

1 424 183 

1347728 

1881/82 

1612775 

1470918 

1882/83 

1804981 

2276300 

'  Die  fTTofsc  Zunahme  im  Jahre  1S87'8>^  ist  jedoch  zum  Teil  zufällig. 
Wegen  bevorsteheudcr  Herabsetzung  des  Kabatte  Ton  7  auf  5  Prosent 
TctMlieD  sieb  die  MarkenTerkKufer  mit  beaonden  grofeen  Yonäten. 


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$84  X4 

EiBDahmen  Anggaben 

Yen  Yett 

1883/84                2278467  2452402 

1884  85'               2148701  2479472 

1885  86  (9  MoDftte)  1 601 842  1 188453 

1886  87  2264255  ? 
1887/88               2663640  ? 


Über  die ,  Enmabmen  aus  dem  TelegrapheDbetriebe  giebl 
die  fbkpende  Übeniclit  Aaftchlufe.  Auch  hier  sehea  wir  bia 
1882/89  die  Einiiahmen  steigen,  seitdem  wieder  abnehmeau 
Budgetmtti^  sind  bis  1886  die  Telegrapheneinnahmen  anders 
als  die  Posteinnahmen  bdhaadelt  Während  letzte  mit  dem 
vollen  Betrage  angesetzt  wurden,  war  von  den  Telegraphcn- 
einnahmon  nur  rler  Überschufs  im  Budget  ersichtlich.  Durch 
die  Neugestaltung  der  Verwaltung  zu  Anlang  1886  ist  das 
geändert. 

Telegraph. 


Einnahmen  Ausgaben 

^  -  '  

808  Gebühren   ^oitstige   Betrieb  Iseoanlagea 


Yen 

Yen 

Yen 

Yen 

1871 

2869 

76140« 

1872 

10  25t> 

3522 

330  591 

1873 

50  778 

1757 

532996 

1874 

lUoÜO 

3613 

555561 

1875  1.  Sem. 

72313 

1279 

235  647 

1875  76 

164497 

17912 

510146 

1870/77 

231356 

2903 

615620 

1877  78 

344  017 

604GÜ 

444  225 

193  770 

1878  79 

433  085 

108  532 

508572 

129  050 

1879/80 

675 191 

105817 

618749 

164770 

1880/81 

786288 

135733 

681 878 

108971 

1881/82 

918570 

184885 

910452 

140896 

1882  83 

936  372 

75  773 

921  603 

97664 

1883/84 

841 960 

49203 

817686 

94039 

1884  85 

887  336 

19731 

845  912 

III  906 

1885  86  (9  Monate)  516407 

10587 

642048 

22226 

1 886  87  745721  ' 

18S7;88  729213 


Seit  1886  ist  ein  Vergleich  der  Post-  und  Tcle^^raplien- 
einnähme  mit  der  Ausgabe  nicht  mehr  möglich,  »eit  1888  hu^n 


'  Seit  ohne  Gcwinii  der  Sparkasse. 

3  Für  die  Zeit  von  l«Oy— lö71. 


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X  4. 


68$ 


sich  auch  die  Einnahmen  beider  Verwaltungen  nicht  mehr 
ontencheiden.   Die  Gesamteinnahine  war 

1886/87  3009970  Yen 

1887/88  3392853  - 

1888/89  3  272063  - 

1889/90  (Bndgeft)  3456556  • 
1890/91  (Budget)  4859466  - 

Die  Einnahmen  der  Post-  und  Telegraphen  Verwaltung  in 
den  einzehien  Bezirken  dürften  geeignet  sein,  ein  gut^ö  Bild  von 
der  wirtechaftlichen  Entwickelung  der  Tencfaiedenen  LandesleUe 
SU  geben.   Im  Jahre  1887'88  kamen  auf 


Pceteinnahmen  Telegrapheneinnahmen 


Fro^eut  der 

Prozent  der 

Yen 

Yen 

Landes- 

einnähme 

eimiahine 

Tokyo 

625015 

23 

193339 

26 

Osaka  (ohne  Mara) 

185161 

7 

67187 

9 

1 26  899 

5 

73988 

10 

Hyogo 

92072 

3 

42355 

6 

Hokkaido 

57  442 

2 

57811 

8 

Kyoto 

87  743 

3 

14b42 

2 

Aichi 

73678 

8 

15232 

2 

Nügata 

71645 

8 

16057 

2 

Shizuoka 

60234 

2 

10128 

1 

Alle  anderen  Bezirke  hatten  weniger  als  70000  Yen  zu- 
sammengenommen (Nagaa^iki  mit  19696  Yen  Telegraphen- 
gebühren ist  beniori-ccnHwert). 

Am  entgegengesetzten  Ende  stehen  die  Bezirke  Okinawa 
mit  zusaiimien  1803  Yen,  Nara  mit  5360  Yen,  Saitama  mit 
13823  Yen,  Mijrazaki  mit  16  487  Yen,  Tottori  mit  17765  Yen, 
alles  rein  kndwirtBofaafUiche  Bemrke. 


II.  Die  Staatseisenbahnen. 

Uber  die  Eläenbalmen  deä  btaateö  ist  oben  im  Kapitel  vom 
Verkehrswesen  eingehend  gehandelt  Zu  den  Staatsemnahmen 
haben  «e  sehr  erheblich  bisher  nicht  beigetragen.  Durch  den 
Ausbau  des  Staatshahnnetaes  zwischen  Tokjo  und  Kobe  er- 
halten sie  neuerdings  jedoch  gröfsere  Bedeutung.  Die  Über- 
schüsse haben  sich  nach  den  Abrechnungen  folgendermalsen. 
entwickelt: 


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696 


X  4 


1872 

61466  Y^n 

1873 

208785 

1874 

245  868 

1  ö  7 . )  i  1 .  SenL.^ 

150897 

1875  76 

240636 

1876/77 

808883 

1877/78 

884088 

1878  79 

456  622 

1870  80 

608  785 

1880  81 

8HH  561 

1881  82 

1 127  470 

1882  83 

913  846 

- 

1883  84 

933  778 

188485 

750538 

1885/86 

458890 

• 

1886/87 

678124 

1887  88 

1  051  705 

-    (Anschlag  553  743  Yen) 

1888/89 

1346225 

•   (     •       688929   -  ) 

Die  \'oran8chlMpe  ftir  die 

folf^enden  Jahre  sind  viel  zu 

niedrig,  was  nicht  nur  durch  den  Aufschwung  des  Verkelus  zu 
erkUlKO  ist,  sondern  anob  dadurch,  dals  auf  die  bei  Aufitellung 
des  Etats  noch  nicht  eröfineten  Strecken  keine  Bücksicht  ge- 
nommen ist  Die  Anschläge  waren 

1889  90  1022591  Yen 

1890/91  2  083131  - 

Selbst  die  so  bedeutend  höhere  letzte  Zahl  wud  Tonus- 
sichtlich  hinter  dem  wirklichen  Ergebnis  aurttckbleiben. 


III.  Andere  yewerbliche  Unternehmungen. 

Die  Einnahmen  aus  sonstigen  gewerblichen  Unternehmungen 
haben  sich  durch  VerttufBerun^  der  meisten  Anstalten  neaerdinp 
bedeutend  vermmdert.   Staathch  betriebrae  Beigwerke,  weIcEe 

früher  den  Hauptposten  bildeten,  giebt  es  nur  noch  (inige  ganz 
unbedeutende.  Die  Staatsdruckerei  hat  ihren  Hetrieb  sehr  ein- 
irr-' hriinkt.  Von  Belinir  sind  nur  noch  die  beiden  Werften  des 
St  i.ites  ( Vokosuka  und  ( hiohania).  Auf  nachstehender  t'bcr- 
su  [)t  sind  für  cinifi-o  Jahre  die  Krgebni8.se  zusammengestellt, 
dabei  auch  die  Einnaiunun  der  Münze,  welche  die  Ahrechnungtn 
hierherstellen.  Seit  ihrem  Bestehen  (1870)  bis  zum  31.  iör« 
1889  hat  die  Mttnse  8023875  Yen  Beingewinn  abgeworfen*. 


Bericltt  des  Direktors  der  Münze  für  üas  Fmauayahr  188iJ  S9. 


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X4. 


637 


1877/78  1880/81 
Yen  Yen 

Reineinnahme 
von 

Brrorwerken     251 203 

i5iaabdruckerei270  724 

Werften  1504 

Bcmstigeii  ge- 
werblichen 
Untenieh- 

mungen       10744  43622 


1883'84 
Yen 


mim 

Yen 


1888/89 
Yen 


397  864    106457    234164  541191) 
41487      _  —  — 

30633     57961    109952  48553 


4817    106944^  143^42^ 


zusammen 
Mftause 


534175  513606  169235  451060  '  733594« 
834285     487410   398155   241383  200712 


zusammen   1368  460    1001016    567  390    692443  934306 

Da  die  Mehrzahl  der  früher  vorhandenen  Staatsbetriebe  keinen 
Beingewinn  abwarf,  so  geben  ciie  obigen  Zahlen  von  der  Ver- 

minoeriing  dieser  Betriebe  seit  1H*^'>  kein  Bild.  Aus  dem  mir 
bekannten  Material  iat  es  aber  niclit  mögUch,  nno  vollständige 
Zusammenstellung  der  BruttOiius<j:abe  in  frtihcren  Jaliren  zu 
machen,  ebensowenig  wie  von  dem  Kapital  wert,  mit  welchem 
die  verschiedenen  Unternehmungen  zu  Buche  standen. 

Im  Jahre  lb87itiÖ  waren 


den  Bergwerken 
Staatsdruckerd 

MUnze 

Waffenfabriken 

Werften 

Filaude  Tomioka 


die  Betriebsausgaben 

795836  Yen 

882358  - 
226  421  - 
1 803  B 14  - 
1391175  - 
202675  - 


zusammen«   5302109  Yen 


neue  Kapital- 
anlagftn 

198892  Y^ 


11300  - 
92804  " 

302996  Yen 


Das  sind  ganz  erhebh'che  Summen,  von  welchen  das  Budget 
und  die  allgemeine  Abrechnung  nur  einen  kicmtm  Teil  angeben 
(vgl  oben  im  zweiten  Kapitel  S.  499).   Aua  dem  ftkr  die  Staat- 


1887  88 

40 '.m  Yen 
51721  - 
14889  - 


^  Nämlich  von  Waflenfabriken 
-    Tuchfabrik  Se^jl 
•   Ftlande  Tomioxa 

Spinnerei  Shimmachi  — 

*  AnCMrdem  Bnittoeinnahme  oniger  Untemehmongen: 

mi'HS  5  765  Yen 

ISxxxd  22  128  - 

*  Dabei  fehlt  noch  Senji  mit  Uber  500  000  Ven. 


1888  89 

32  040  Yen 
9y405  - 
11492  - 
896  ' 


Digitized  t)y  ÜOOgie 


638 


lieben  Betriebsverwaltungen  für  1800  91  veröffentlichten  Spedal- 
builget  (27.  März  1890)  ergiebt  sich  die  Ibl^eude  Zusammen- 
Stellung: 


MilDze 

StaatM^ruckerei 

Staatseisenbafanen 
Eisen ^^riiben  in  Hirofthima 
WaffeD^ftbrik  in  Tokyo 
-  Osaka 

Tuclit'abrik  in  Senji 
Werften 

Filande  in  Tomioka 
Fabrik  der  Telegraphen-  und 
Leuehttnrmyfinraltuiig 


fitnnalime 

2177105  Yen 

847035  • 

5781801  - 

167294  - 

1252482  - 

1710324  - 

712085  - 

941 880  - 

250563  - 

126549  • 


Auigiibe 

1892 125  T«ii 
795089  . 

3698679 

16287-, 

1252482 
1  710324 

694414 

941  880 

246428 

122420  • 


IV.  Die  Forsien. 


ßereits  in  anderem  Zusammenhang  ist  von  dem  ausgedebotn 
Staatsbesitz  an  Wald-  und  Bergland  die  Rede  ge- 
wesen (Tgl.  S.  358).  Ende  1886  wurde  die  Fläche  der  ver- 
messenen Staatswaldungen  allein  in  Altjapan  auf  6893881  Cho 
angegeben,  neben  2611  390  Cho  son!?tigen  RerL^laTids,  wozu  tkhH 
9069  109  Cho  im  Hokkaidn  und  211  Cho  in  Ukinawa  kamen. 
Dagegen  hatte  z,  B.  Preulsen  bei  last  gleich  ^Tofsem  Staatsgebi^ 
1887  «8  nur  2  689  404  Hektar  Staatswaldungen  rund  2712000 
Cho). 

Zu  diesem  grolseD  Beaita  steht  nnn  die  Emnahme  aus  dsn 
SiaatBwaldangen  in  gar  keinem  Verhfiltnis.  Die  folgende  Übe^ 
sieht  giebt  nach  den  Abrechnungen  die  Einnahme  aus  den  Staat»- 
forsten  ohne  Abzug  der  Verwaltnngskosten.  £b  scheint  mir  aber 
fraglich,  ob  nicht  manche  Kosten  des  Betriebes  doch  achon  vm 
Teü  im  voraus  abgeaogen  sind. 


Einnahmen  der  Forstverwaltang. 

187677 

94503  Yen 

1877/78 

62789  . 

1878'79 

178356  - 

1879/80 

45113  - 

1880  81 

395  442  - 

1881  82 

282259  - 

1882;  83 

176002  - 

1883/84 

318926  - 

1884/85 

301101  - 

1885/86 

240697  - 

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X  4. 


689 


1886  87 

1887  88 

1888  89 

1889  90  (Budget) 
1890,91  (Budget) 


456343  Yen 
632825  - 

893215  - 
(384  496  - 
709594    -  • 


Verwattan^skoaten 

517313  Yen 
739928  - 
581789  - 
530081  - 


Aus  diesen  Zahlen  erglelit  sich  eine  sehr  imbedentende  Ein* 
nahme>  welche  von  den  Verwaltangskoston  auch  noch  cum  grOFsten 

Teile  versehlungon  wird. 

Von  der  Einnalmif  der  Jahre  1887j88  und  1888/89  brachten 
folgende  Bezirke  die  llauptäummen : 


Nagano 

Hokkaido 

Aomori 

Akita 

Git'u 

Shizuoka 

Koehi 

Miyazaki 


1887:b8 

99207  Yen 

86184  - 

55  837  - 

32  531  - 

29648  - 

29614  • 

28885  • 

24712  - 


1888  89 

170988  Yen 
110  Inn  . 

4Rr,L:tj  . 

43  248  - 

44827  - 

4S248  - 

31817  - 

35099  - 


Die  Einnahme  des  Staates  von  seinen  Waldungen  betrug 
1887  88  in  Ahjapan,  wenn  wir  das  Bergland  ganz  unberück- 
nchtigt  kiÄsen ,  knapp  8  Sen  vom  Cho,  ein  verschwindend  kleiner 
Betrag,  wenn  man  bedenkt,  daft  z.  B.  in  Preulaen  1887/88  die 
Bnittoetnnahitte  auf  20,m  Mark,  der  Reinertrag  auf  8,i9  Mark 
vom  Hektar  TeranscUagt  war.  Ersterer  ist  rund  85»  letzterer 
rund  34  mal  mehr  als  die  For8teinnahme  in  Japan. 

in  den  oben  einzeln  autgeftihrten  Bezirken  mit  grölserer 
Einnahme  ergieht  der  Vergleich  der  Fläche  der  Waldungen 
(immer  ohne  Berücksichtigung  des  Berglandes)  1887/88  einen 
Ertrag  vom  Cho 

iu  JSagano  von  13  Sen 

*  Aomori    *     6  * 

-  Akita      •     8  • 

-  Gifo       -     6  - 

-  Shizuoka  -  16 

-  Koehi      -    14  • 

•  Miyazaki  -    38  • 

In  anderen  Bezirken  mit  ausgedehnten  Flächen  Termessener 
Staatswaldungon  (mehr  als  100000  Cho)  stellten  sidi  die  Ein- 
nahmen so: 

in  Ehime  8  Sen 

-  Kumamoto  1  . 

-  Yamanashi) 

•  Fukushima  6  • 


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640 


X  4. 


in  Saitama  3  Sen 

>  Niigata 

-  Tochip>  2  - 

-  Miyagi 

-  Iwate  noch  nicht  1    -  ! 

Das  sind  Zahlen,  welche  auf  einen  wenig  befnedi^enden 

Zustand  der  Forstwirtschafideuten,  ganz  besonders  im  ndraUcheo 
Teile  von  Honslni.  Der  niedrige  £rtrfig  der  Staatswaldangen 
wird  noch  bcnu'rkt'nswertor  durch  einen  \'ergleich  mit  der  ans 
der  Veraniaguiiir  /ur  Gruudsteiier  sicli  erjfhfiKlen  Kentabilitiit 
der  Privatwaldungen.  Dabei  ist  Ireilicii  niciit  aulser  acht  zu 
lassen,  dafs  im  allgemeinen  im  Privatliositz  die  leicht  zuoriin glichen 
Wiilder  sein  dürften,  im  .StiiaiÄbeöitz  die  abgelegenen  Forsten  im 
Gebirge.  Die  EiosdiätzunK  von  Wäldern  zur  Grundsteuer  ist 
notorisch  in  sehr  milder  Weise  erfolgt  Nehmen  wir  aber  an, 
dafs  das  der  Steaereinscfatttzang  zu  Grunde  gelegte  Prinop,  den 
Stouerwert  auf  das  Zehnfache  des  Bohertrages  zu  schätzen,  im 
allgemeinen  der  Wahrheit  entspreche,  so  finden  wir  1887  im 
Durchschnitt  des  Landes  einen  Kohertrag  von  33,3  Sen  vom  Cho, 
das  Vierfache  des  Ertra^Lios  der  Staatst'orsten.  Wie  bei  diesen, 
steht  auch  bei  den  l^rivntwaldungen  iwate  an  untei-bter  Stelle 
mit  einem  Bezirksduiclibclinitt  von  11,4  Sen.  Aiu  ii  in  mehreren 
anderen  Bezirken  trifft  die  Niedrigkeit  der  Ertnige  zusammen, 
80  in  Gifu  (17,i  Sen)  und  Akita  (20,8  Sen).  Aber  nicht  tibenJl 
verhält  es  sich  so.  In  einigen  Bezirken  stehen  die  Staatsertrttge 
und  Privaterträge  sich  absolut  ziemlich  nahe,  so 

Nagano  Staat  13  Sen,  Privat  18,i  Sen 

Koch!  •     14    -  -      12,3  - 

Sliizuoka  -     IG    -  -      24. o  - 

Miyazaki  -    38   -  -     üO,«  - 

In  manchen  Bezirken  dagegen  finden  wir  neben  ganz 
niedrigem  Ergebnis  der  Staatswäider  hohe  Einschätzungen  der 
Mvatwälder.   So  in 

Miyagi       Staat  2  Sen,      Privat  58,«  Sen 


Tochigi        -    J    -  -  47, 


Niigata  -  2  -  -  45,a  - 

Saitama  -  3  -  -  115,»  • 

Yamanashi  -  7  -  -  62,e  - 

Kumamoto  -  7  -  •  102,o  - 

Uber  die  Zusammensetzung  der  Forsteinnahnien  im  einzelnen 
finden  sich  in  der  Forststatistik  Angaben  tUr  Kal<  uderjahre.  zu 
letzt  für  1886  und  1887.    In  diesen  Jahren  hatte  danach  die 
Einnahme  399226  Yen  und  471  732  Yen  betragen. 


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X  4. 


641 


Auf  die  einzelnen  Nutsuogen  Tom  Walde  verteilteD  ask  die 
Sonunen  folgendermafflen : 

1886  1887 

Nutzholz  212776  Yen  221914  Yen 

Brennholz  und  Holzkohlen  78471  -  105851  - 

Bambus  2232  •  3102  • 

Verschiedene  Neben nutzungen  [yvie 

Reisig,  Gras,  Binsen,  Püze  u.  8.  w.)  72272  •  77  708  - 

Erde  und  Steine  1 841  -  2  769  - 

Veikauf  Ton  Laad  15773  •  39876  - 

Pacht      -      -  15861  -  21017  ■ 

zuiiammen    399226  Yen     471  732  Yen 

Auf  die  eigentliche  Holznutzung  kamen  also  nur  291247 
Yen  und  328  7f^n  Yen,  nicht  drei  Vierf*'!  fl^  r  Einnahmt'  In  16 
Bezirken  kam  1886  noch  nicht  die  Hftlito  der  Einnuimie  von 
der  Holznlltzun^^  —  Die  Fläche  des  verkauften  Liindes  betrug 
5032  Cho  und  2()()37  Cho,  der  Ei'lös  vom  Cho  also  1886  nur 
etwas  über  3  Yen,  1887  weniger  als  2  Yen. 

IKe  Terpaditete  flache  war  1886  138662  Cho,  1887  145504 
Cho,  die  Pacht  also  durchscbmtdich  nur  12  und  14  Sen  Ülr  den 
Cho.  Von  der  verpachteten  Fläche  Uig  ein  Drittel  in  Eumainoto, 
em  Sechstel  in  £hm)e.  Von  dem  verpachteten  Lande  war: 

1886  1887 

Ackerland  4612  Cho  4  189  Cho 

Bauland  168    -  196  - 

Rodland  17428    -  18200  - 

Weide  67181    -  71533  - 

Sonstige«  44273   -  51386  - 

Dafs  auch  sonst  der  „Wald**  vieltach  aiLS  Grasland  oder 
ganz  wüstem  Lande  besteht,  ist  schon  in  anderem  Zusammen- 
hang erwähnt. 


Sechstes  Kapitel 
Die  Eommualflnanzen. 

Em  wichtiget  Gtied  des  japanischen  Finanzwesens  bilden 
die  Finanzen  der  kommunalen  Körperschaften,  der  Bezirke  emer- 
seitSy  der  Ortsgemeinden  ^  anderseits. 

'  D.  h.  der  Ku,  Cho  und  Son,  Stadtkreise,  SfHdt-  und  DorfgeuipindeD. 
Pte  Landkraise  waren  bisher  nicht  kommanale  Körperschaften.  Vgl.  oben 

s.  mf. 

Fondlungen  (45)  X  4.  —  RAtbgeli.  41 


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642 


X  4. 


Als  1871  die  Contraliaatioii  der  Staats verwaltuno-  durch- 
geführt vvurdo,  überliefs  man  den  neuj;ebildeteu  Bezirken  eine 
Reihe  von  Ausgaben  lokaler  Natur,  zu  deren  Deckung  allerlei 
ältere  Abgaben  sehr  verschiedener  Art  dienten.  Die  erste  all- 
geniemeMafiuregel  enthielt  das  GeMte  aber  die  GnuBdsteuerrefonn 
vom  Juli  1873y  welches  feststellte^  dafs  Grundsteaenuschläge  für 
kommimale  Zwedce  nicht  mehr  als  ein  Drittel  der  Staatssteuer 
betragen  sollteiii  mithin  nicht  mehr  als  ein  Prozent  vom  Steuer- 
wert. Weiter  wurde  im  Januar  1 874  die  Besteuerung  von  Wagen, 
Dienstboten ,  Thcat^^m  und  Sftnfrerinnon  dureh  die  Bezirke 
geregelt  (die  Steuer  liiei's  Bukiu).  Erst  die  Finanzretbrmen 
von  1H75  f\ihrten  zu  einer  einheitlichen  Abgrenzung  von 
Bezirks-  und  Süiatsfinanzen ,  während  man  sieh  bis  dabin 
von  Fall  zu  Fall  durch  Anordnungen  der  Centrairegierung 
beholfen  hatte.  Die  Verordnung  142  des  Ministeriums  des  famem 
vom  30.  Oktober  1875  ordnete  die  Aufstellung  von  BesirksetaAs 
fUr  jedes  Finanzjahr  an  und  bestimmte^  wekhe  Ausgaben  em 
filr  allemal  aus  dem  Ertrage  der  Bezirkssteuern  (Fa-ken-zei ), 
wie  sie  nunmehr  hieisen,  zu  bestreiten  seien.  Es  wsren  wesentlich 
Ausgaben  flir  Wege-  und  Wasserbauten,  Zuscliüsse  zu  den  Polizoi- 
kostcn,  die  Kosten  der  ganzen  Kreis  Verwaltung  und  der  Urts- 
behörden,  Ausgaben  f\ir  Schulwesen  (Normal  und  Mittelschülern 
u.  H  w.  Doch  herrschte  thatsächlich  iiücii  mancherlei  Unklar- 
heit über  die  Abgrenzung  der  Bezirks  und  btaatdverwidtung  * 
und  noch  mehr  Uber  die  Grenzen  von  Bezirks-  und  Gemeinde- 
verwaltung. Über  diese  ersten  Zeiten  genaue  Angaben  an  er- 
halten, fuit  aufserordentlich  schwer.  Eine  Zusammenstellung  der 
Bezirksausgaben  flir  1876  77-,  in  welcher  jedoch  Fly  ^o  und 
Kagoehima  fehlen,  giebt  eine  Summe  von  22408  552  Yen,  das 
seien  2  445  650  Yen  mehr  als  im  Vorjahre.  Mit  den  späteren 
Anjraben  der  Konimnnal-Finanzst<atistik  ist  das  jetloch  nicht  ver- 
glcR!il)ar,  da  Ausgaben  für  die  Orundsteucrrclbrin  <<>  172874 
Yen;  und  eine  Reihe  von  unzweifelhaften  Gemeindeausgaben  darin 
enthalten  sind.  Festen  Hoden  betritt  man  erst  mit  der  Kinf\ihning 
der  Bezirkstage  und  der  Reform  der  lokalen  Verwaltung  im  Jalire 
1878.  Diese  Gesstse  regelten  nicht  nur  die  Ausgaboi  der  Be- 
zirke wesentlich  in  der  bereits  bestehenden  Weise*,  sondeni  aum 
ersten  Male  audi  die  gesamte  Beaurksbesteuerung*.   Durch  Au^ 


'  Vgl.  z.  B.  Ministerialcrlafs  vom  12.  Dezember  l'^T'),  daf?  die 
Bezirksetats  von  den  Ausgaben  dus  Stautä  im  J Bezirk  duichaut»  geaoodert 
gehalten  werden  miifsten.  Ferner  Ministerial Verordnung  vom  29.  Mai 
1876,  welche  den  Bezirkabauptleutcn  einsrliaj-ft,  dafs  auch  von  dea 
ik^irkBeinnahmen  genau  Kechenscbairt  gegeben  werden  müsse. 

•  Viel.  Japfttt  Weekly  Blail  1879  8.  557. 
»  Nr.  11^  vom  22.  Juli  187S. 

*  Nr.  vom  20.  Dezember  187^.  Die  Bezirk >«>^touem  heifscn  von 
ttUD  au  Cbibo-zei,  meist  mit  ^Lokalsteucru"  überset/.t,  irreführend  gegen« 
über  den  (Jememdefttenem. 


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643 


Stellung  eines  gleichmäfsigen  Schemas  fUr  Ausgaben  und  Einnahmen 
ist  die  Grundlage  ftlr  eine  brauchbare  Statistik  der  Bezirksfinanzen 
geschaffen.  Das  Gleiche  ist  auf  dem  Verwaltungswege  ftlr  die 
Gemeinden  ennercfUhrt,  so  dal«  seit  1870  Japan  eine  Statistik 
der  Kumiimuahiiianzen  besitzt,  welche  in  ihren  Hauptzügen  so 
übersiclitlich  ist  wie  in  wenigen  anderen  Landern 

BeitttB  1880  wurden  die  Gesetze  von  1878  erweitert  (Nr.  16 
und  17  vom  8.  April),  namentlich  aber  am  Schlufs  dieses  Jahres 
eine  Reihe  von  bisherig«  n  Ausgaben  des  Staates  auf  die  Henrke 
abgewälzt  und  zu  diesem  Zwecke  das  Maximum  der  Grundsteuer- 
Zuschläge,  das  seit  Anfang  1877  auf  ein  Fttnftel  der  Staatssteuer 
('  2  Prozent  vom  Steuerwert)  f«  stgesetzt  war,  wieder  auf  ein  Drittel 
erliöht  (Nr.  48  vorn  .").  Xoven^ber).  Weniger  bedeutende  Er- 
weiterungen der  Befugnisüc  der  J^ezirke  von  1882,  1887  und  1888 
seien  zunftchst  nur  erwähnt.  F(ir  die  Gemeindefinanzen  fehlte 
es  bib  zu  den  Gemeindeorduun^en  von  1888  an  einer  allgemeinen 
B^lung.  Aulser  der  Überweisung  einzdner  Ausgaben,  nament- 
lich der  für  die  Volksschulen  an  die  Gbmdnden,  ist  nur  die  Fest- 
setzung eines  Maximums  der  Grundsteuerzuschläge  filr  Redmung 
der  Gemeinde  auf  ein  Siebentel  der  Staatssteuer  (—  3,K6ft  . . .  vom 
Tausend  des  Steuerwertes)  zu  bemerken  (Gesetz  25  Tom  15. 
August  1885). 

Bei  der  Beschn.'ibung  der  Verwaltungsorganisation  ist  bereits 
von  dem  Anteil  der  liezirkj^  und  Gemeinden  an  maiu  Ik  n  Aus- 
gaben die  Rede  gewesen.  Uber  die  Einnahmen  der  Bezirke  und 
Gemeinden  im  al%emeinen,  ehe  wir  zur  Besprechung  im  einzelnen 
Ubei^ehen,  sei  nur  bemerkt,  dalB  hier  die  Steuern  noch  mehr 
ttherwicgen  wie  bei  den  Staatseinnahmen.  Mehr  als  neun  Zehntel 
der  Einnahmen  werden  regelmäl^  durch  Steuern  aufgebracht. 
Und  weiter  ist  bemerkenswert,  dals  diese  Kommunalsteuern  fast 
ausnahmslos  direkte  Steuern  sind^.  Die  wichtigste  Steuer  sind 
die  Zuschlüge  zur  Staatsgrundsteuer,  im  übrigen  aber  sind  die 
KomTnunalsteuern  in  der  Hauptsache  unabhäng  g  von  der  Sta;\ts- 
besteuerung.  Eigen  aitij^^  für  imH.  ahcrnaturgemäl's  ans  der  neueren 
Entwickelung  liervorgegangen  i»t  es,  dafe  die  Gemeindesteuern 
vieli'ach  Zuschläge  zur  Bezirkssteuer  sind. 

^  Das  BchliefBt  nicht  soSi  dafe  nicht  hier  und  da  in  den  Gemeinden 

die  Thatsiichen  etwas  ppwaltsam  in  das  offizielle  Schema  gezwängt  wer- 
den. Doch  wird  der  aligemeiue  Wert  dadurch  kaum  wesentUch  beein* 
trttchtigt  sein. 

-  Von  den  amtlich  al.s  „direkte"  bezeichneten  Steuern  (Verordnung 
95  des  Fiiianzministen^  vom  VA.  Juli  IhSS)  enthalten  die  sogenannten 
.Verschiedenen  .Steuern'*  übrigens  einige  Poeten ,  welche  sachlich  als 
Yerbiancbwteiieni  gelten  mfiasen,  so  die  von  Sehlachtneh. 


41* 


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644 


X  4. 


I.  Die  Bezirke'. 

Nach  den  Gesetzen  Nr.  18  und  11^  vom  22.  Juli  1878  soll 
jährlich  über  die  Einnahmen  aus  den  Bezirkssteuem  und  die 
daraus  zu  bestreitenden  Ausgaben  ein  Etat  aufjfrestellt  und  d('m 
Bezirkstag  vorgelegt  werden,  gleichzeitig  mit  der  Abrechnung 
filr  das  vorhergehende  Jahr.  Das  Tom  Benrkstaf;  beBcUoBaene 
Bndfietist  ▼om  Besirkshauptmann  au  bestätigen  und  den  Uinielem 
des  Innern  and  der  Finanzen  emaureicfaen.  Gleieh  die  erateo 
Erfahrungen  mit  den  Bezirkstagen  machten  den  Zusatz  nötig 
(Art  VlU  des  Gesetzes  IG  vom  8.  April  1880).  dafs  das  Budget 
des  Vorjalires  tlir  gültig  erklart  werde  n  könn^*  (durch  den  Minister 
dos  Innern  auf  Antrag  des  lU-zirkslKuiptmanns),  falls  ein  ord- 
nungsnüiisiges  Budget  nicht  r^htzeitig  zu  stände  komme. 

Das  Budgf-trecht  der  Ijezirkstap^e  ist  erst  neuerdings  über 
den  Bereich  der  Bezirkssteuem  hinaus  erstreckt,  uamlicn  1887 
durch  Kaiserliche  Verordnung  56  vom  4.  Kovember  auf  die  Aus- 
gaben, welche  aus  ^YerBchiedenen  Einnahmen**  (d.  h.  den  nicht- 
steuerlichen  Benahmen)  und  aus  find  willigen  Beiträgen  (Kifh-kin) 
bestritten  werden,  und  endlich  1888  (Kabinettsrerordnung  12  vora 
7.  August)  auf  die  Einnahmen  aus  der  Prostituttonssteuer  (Fukin  ) 
und  die  daraus  be^strittcnen  Ausgaben.  Demit  sind  sämtliche 
Ausgaben  und  Einnahmen  der  B^irke  der  Beschluisfassung  der 
Bezirkstage  unterstellt  worden. 

Da  bei  der  bishengen  mangeHiat  ti  ii  Ausbildung  der  Gemeinde- 
Verfassungen  die  eigenartigen  Bedürfnisse  gi-olker  Städte  manche 
Schwierigkeiten  fUr  die  Bezirkskoumunalverwaltung  veranlaisten 
und  je  nach  den  Zahlenverhftltnissen  Majorisierung  der  LAndkreise 
(Tokyo!)  oder  der  Stadtkreise  ssu  befürchten  war,  wurde  durch 
Gesetz  26  vom  27.  Mai  1880  Trennung  der  Finanzen  der  Stadt- 
und  der  Landkreise  gestattet.  In  solchen  Bezirken  zerfHllt  dann 
das  Budget  in  fünf  Teile :  die  eigenen  Ausgaben  der  Stadtkreise, 
die  eigenen  Ausj^^aben  der  Landkreise,  die  gemeinsf^mf^n  Ausgaben, 
für  welche  bei  jedem  Posten  der  Anteil  der  beiden  ßezirksteile 
festgesetzt  ist,  dann  die  Einnahmen  der  Stadtkreise  und  die  En- 
nalimen  der  Landkrei.se  (vgl.  im  Anhang  das  Budget  von 
Tokyo-fu). 

Die  aus  den  Bezirkseinnahmen  (bis  1B87  Bezirks- 
steuem) zu  deckenden  Ausgaben  sind  durch  das  Gesetz 
genau  vorgeschrieben.   Es  sind  die  folgenden: 

1.  Die  Kosten  der  Polizei.    Hierzu  giebt  aber  der  Staat 
einen  erheblichen  Zuscliufs,  der  durch  Nr.  1(}  von  1881 


^  Alles  Folgeude  bezieht  sich  nur  auf  Al^apan.  im  Hokkaido  und 
iu  Okioawa  besteben  keine  Bezirkstage. 


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X  4. 


645 


fbr  Tokyo  auf  sechs  Zehntel,  für  die  Qbrigen  Berarke 

auf  drei  Dreizehnte!  festgesetzt  wurde.  Aul^erdein  wurde 
die  Sittenpolun  ans  der  Prostitutionsaleaer  UDterhalten. 

Nach  Überweisung  der  letzteren  an  die  Bezirke,  1888, 
beträgt  der  Stuatszusrlinls  mir  mehr  vier  Zehntel  tiir 
Tokyo  und  ein  iSech^tei  liir  die  anderen  Bezirke,  Kaiser- 
liche Verordnung  61  vom  6.  August  1888. 
2.  Wasser-  und  W^ebau,  soweit  er  nicht  den  Gemeinden 
ttberknen  ist  FrOher  eili^teii  dam  die  Beibke  be- 
deutende StaatBBUschttsse,  welche  durch  das  G«»tz  48^ 
▼on  1880  nominell  abgeschafit,  thatsächlich  auf  eben 
geringen  Betrag  herabgesetzt   sind.    Die  Kosten  der 

f^ofsen  Flufsregulierungen  trägt  der  Staat. 
Osten  der  Bezirkstap^e 
4.  Spitäler  und  andere  Ausgaben  iUr  die  Gesundheitspfle^ 


5.  Unterhaltung  der  Bezirksschulen  und  Zuöchüöbe  zu  Volks 
schulen. 

6.  Bau  und  Unterhdtung  der  Krelsanitsgeb&ude. 

7.  Gehalt  etc.  der  Ereisbeamten  (Gehalt  der  Kreishaupdente 
ist  1888  auf  die  Staatskasse  ttbemommen). 

8.  Armen wescn  (vgl,  S.  118). 

9.  Strand  Wesen. 

10.  Druckkosten,  Veröttentlichung  von  Verordnungen  etc. 

11.  Förderung  der  \'oIk8 Wirtschaft. 

12.  Gehalt  etc.  der  Gemeindebeamten. 

13.  Beserre  für  unyorhergesdiene  Fflile  (Zusats  im  Gesetz 
Kr.  16  von  1880)* 

Virements  swiachen  den  Kapiteln  1 — 12  smd  unziilftssig. 

Dan  bereits  erwähnte  Gesetz  4b  vom  5.  Isovember  1880 
fügte  zu  den  Ausgaben  noch 

14.  Bau  und  Unterhaltung  des  Bezirks-Regienmfrsgebiiudes. 

15.  Die  Kosten  der  Bezirksgef^ingnisöe  (dem  Staate  blieben 
nur  die  groiaen  Zuchthäuser). 

Dem  Bezirk  Tokyo  (resp.  de-sen  Stadtkrei^on  i  ^Turd(  schon 
1880  (Nr.  27  vom  27.  Mai)  erlaubt,  einige  reine  Gemeindeiius- 
gaben  in  den  Etat  aufzunehTiien.  nJinilich  die  Kosten  von 
Wasserleitung ,  Gasbeleuchtung  und  Feuerwehr.  Aiilang  18s2 
wurde  aber  tiberhaupt  den  Bezirken  gestattet  mit  Genehmigung 
der  Minister  des  Innern  und  der  Finanzen  noch  weitere  Gegen- 
stände in  den  Kreis  ihrer  Ausgaben  zu  ziehoi.  (Nr.  2  vom 
20.  Jan.  1882;  im  tibrigen  enthält  das  Gesetz  nur  eine  neue 
genauere  Redaktion  der  Bestimmungen  und  Einteilung  der  oben 
au%eBählten  Ausgaben  in  20  Kapitä.) 


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646 


Abgesondert  von  den  Bezirksfinaazen  wird  der  Bezirks- 
hül&fonflw  (fliehe  oben  im  Kapitel  Grundsteuer  S.  562  ff. )  verwaltet 
SU  welchem  aber  der  Berarkesuachuis  vom  Beaarkstag  su  be- 

achliefsen  ist. 

Die  Einnahmen  der  Bezirke  bestehen  auiser  den  bereits 
erwähnten  Staat -/uschUssen  wesentlich  aus  Steuern.  Unter 
sonstigen  Einiiaiimen  finden  wir  Schulgelder,  Einnalimen  der 
Spitäler,  Gebühren  der  Polizei,  Erliis  aus  der  Arbeit  der  Ge- 
fangenen u.  8.  w.y  ferner  Zinsen  van  ReeervefondB,  welche  die 
Besnrke  mehrfach  ans  Überschttssen  angesammelt  haben  ^,  sowie 
Einnahmen  von  sonstigem  nutzbringenden  Eigentum ,  weldies 
die  Stadtkreise  von  älteren  Zeiten  her  besitzen^.  Hierher  ge- 
hören auch  die  Heiträge  (Kitu-kin),  welche  mit  mehr  oder 
weniger  Freiwilligkeit  namentlich  zu  Wegebfiuten  und  fiir 
Schulz  wecke  beigesteuert  werden  Anleihen  haben  die  Bezirke 
bisher  nicht  gemacht.  Sie  waren  in  den  Gesetzen  gar  nicht  er- 
wähnt. Die  grofsen  tJberschw(Mnmungen  von  188(i  haben  d^  n 
Anlalti  zu  geaetzlicber  llegelung  gegeben.  Seit  dem  Gesetz  ■} 
vom  21.  Jaanar  1890  können  die  Bezirke  mit  Genehmigung 
der  Minister  des  Innern  und  der  Finanzen  Anl^hen  maehen. 

Die  wichtigste  Einnahme  der  Benrke  sind  die  Steuern^ 
ohne  deren  Berücksichtigung  das  ganze  japanische  Steuersystem 
in  Büschem  Lichte  erscheint. 

Es  giebt  drei  Arten  von  Beairkssteuern: 

1.  die  G^ndsteuerzuschläge,  Chiso-wari. 

2.  Haushaltungs-    und    Hänsersteuem,    Kosu-wari  und 
Kaoku-zei. 

3.  Oewerbesteuem,    £i^o-zei,    einschlielslich    der  «Ver- 
schiedenen Steuern",  Zasshu-zei. 

1.  Über  die  G  rund  s  t  euerzuschläge  ist  bereits  in 
dem  die  Grundsteuer  behandelndt-n  Kapitel  gesprochen  (S.  500  ff.). 
Das  Maximnra  beträgt  seit  1877  ein  Fünftel,  seit  1880  ein 
Drittel  der  .^taatsgrund.steuer.  Dals  thatsächlich  in  den  meisten 
Bezirken  weniger  erhoben  wird,  ist  bereitfi  in  anderem  Zusammen- 
hange hervorgehoben. 

Nicht  zu  ubersehen  ist,  dafs  bisher  neben  dem  eigentlichen 
Berarksanschlag  noch  dn  besonderer  Zuschlag  für  den  Htll^ 
fonds,  in  der  Regel  im  Betrage  von  2,8  Sen  vom  Yen  Steuer, 
erhoben  ist 

2.  Haashaltungssteuern  haben  als  Gemeindesteuera 
schon  langst  bestanden'^  meist  in  unbedeutendem  Betrage. 


1  Der  Kcgei  nach  werden  jedoch  Überschüsae  wieder  als  i^nnahineo 
in  Kechnung  gestellt 

2  Die  .Stadtkreise  von  Tokyo  hattoi  daraus  nach  dem  Budget  für 

lbb8L^ii9  oinr-  Einnahme  von  4^  »i"i>  Vrn. 

•  Vgl.  im  ersten  Buch  Kap.  U  b.  4ti  f. 


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647 


Urspriinglicii  wareo  es  wohl  überall  gMdnnälmge  Abgaben  tod 
jedem  Oftoslialt  In  den  Städten  entwickelten  sich  daians  mehr- 
£Bch  Steuern,  die  in  festem  Betrage  auf  dem  HausgrundstUck 
ruhton.    Am  weitesten  war  man  wohl  in  Yedo  gekommen ^  wo 

die  Abgabe  nach  der  LSnge  der  llausfront  und  der  Ounst  der 
Lage  al^estuft  wurde.  Auch  jer/t  bestehen  noch  erhebliche 
Unterschiede.  In  den  meisten  mehr  landlichen  Bezirken  wird 
auch  heute  noch  ein  gleichmäfsiger  Satz  l'iir  jede  Haushaltung 
ausgeschrieben,  welchen  die  Gemeinde  aufzubringen  hat.  Die 
Umlage  in  der  Gemeinde  erfolget  aber  nach  deren  Gutbefinden 
und  wohl  meist  entsprechend  den  VermOgensverhältnissen,  in 
grölseren  Orten  woHl  auch  nach  der  Lage  der  Wohnung  ^  Bei 
weiterer  Ent\vickclnng  geht  aber  die  Haushaltungssteuer  (Kosa- 
wari)  in  eine  Häusorsteuer  (Raoku-zei)  über,  was  in  Tokyo  zu 
einer  ^nz  komplizierten  Regelung  durch  den  Bc/.irk  gefulirt 
hat,  imtrr  Aufhebunj^  jeder  Beziehung  zur  alten  Steuer,  seitdem 
nicht  nieiir  der  Hauslialtungsvorstand ,  sondern  der  Hauseigen- 
tümer der  Steuerpflichtige  ist.  Es  ist  ein  bemerkenswertes  Bei- 
spiel von  der  Umwandlung  einer  allgemeinen  Personalsteuer  in 
eme  Ertragssteuer,  zu  der  ja  auch  die  europäische  Steuer- 
gescfaichte  Änalogieen  bietet  (englische  Grundsteuer!). 

Als  Beispiele  seien  hier  die  llau^lialtungssteuer  in  Chiba 
und  die  liiiuscrsteuer  in  Tokyo,  beide  nach  dem  Budget  für 
1888  89  einander  gegenübergestellt  Danach  sollte  im  ChiWken 
jede  Gemeinde  Ton  jeder  Haushaltung  durchachnittlich  40  Sen 
erheben.  Die  Gemeinde  kann  aber  die  ünteryerteüung  beliebig 
regeln.  Diese  wird  im  April  und  Oktober  von  der  Gemeinde* 
Tersammlung  vorgenommen,  kommt  sie  aber  nicht  zu  stände, 
vom  Ortsvorsteher.  Die  Steuer  ist  auf"  jeden  zu  legen,  der  eine 
W'ohntinii;  liir  sich  hat,  mag  er  Familienhaupt  sein  oder  nicht, 
luid  unabhängig  davon ,  wo  .seiu  ge^tzlicher  \^'^olmsitz  ist. 
Steuerfrei  sind  die,  welche  ans  <)ffentlichcn  Mitteln  Unter- 
stützung erhalten.  In  l'okvo  dagegen  tinden  wir  eine  Hauser- 
steuer, welche  seit  1882  nicht  mehr  vom  Haushaltungsvorstand, 
sondern  vom  Haus^entttmer  erhoben  wird.  In  den  Landkreiaen 
ist  der  alte  Name  Kosuwari  bdbehalten,  während  in  der  Stadt 
der  Ausdruck  Kaoku-zei  (Gebäudesteuer)  angewendet  wird.  In 
beiden  Teilen  des  Bezirkes  ist  auch  die  Art  der  Auflage  ver- 
schieden. In  der  Stadt  wird  zunächst  die  Gröfse  des  Gebäudes 
festgestellt,  d.  h.  die  Grundfläche  jedes  Stockwerkes  in  Tsubo 
(Ü  Euis  im  Geviert).  Dann  wird  das  Gebäude  klassiüziert  imd 


*  z.  B.  zahlte  1883  in  Yokohama  eine  Haushaltung  in  gewiasen 

Hauptstrafsen  5(»  Sen,  in  di-u  anderen  Strafsen  2'^  St-n.  wiihrena  in  der 
Lanagcmeiude  Miyanoshita  die  Umlage  dureli  die  Geineindoversammhmg 
nach  den  Vermögensverhältnissen  geschieht,  bei  einem  Einheitssatz  von 
62  Sen  im  Jahn  1889. 


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648 


EWar  nach  zwei  Oesichtspunkten ,  dem  Wert  und  der  Lage^ 
Jeder  Klasse  entspricht  eine  Anzahl  Einhr  iten ,  mit  welchen  die 
Zahl  der  Teubo  multipliziert  wird.  Die  8teuer  wird  aufgelegt 
nach  der  Zahl  der  Einheiten,  welche  je<le8  Hau«  darstellt. 
Nach  dem  Budget  flir  1888  8*.»  bestauden  i-I>  Wertklasäen.  In 
die  erste  gehören  Gebäude  von  mehr  als  200  Yen  gescliätzten 
Werts  per  Tsabo.  Diese  Kksae  kt  mit  13  fSnlidteii  «neeMtat 
Die  unterste  Klasse ,  mit  einer  Einheit,  enthält  die  Gebäude^ 
deren  Wert  geringer  als  2,5o  Yen  f\ir  den  Teubo  ist.  Nach 
der  Güte  der  Lage  sexfällen  die  Gebäude  in  19  Rlasaeo, 
deren  erste  mit  5,6,  deren  unterste  mit  0^75  £inheiten  angesetzt 
ist.    Nehmen  wir  also  z   B.  ein  Geb?iude,  welches  im  Erd- 

feschofs  55,  im  Obergeschoss  45.  zusammen  aUo  1(M)  Tsubo 
'lache  hat,  und  welehe^  sowohl  dem  Wert  als  der  Lage  uach 
in  die  erste  Klasne  einge.schiitzt  ist,  so  ist  100  X  13  X  5,6  — 
7150  die  Zahl  der  Einiieiten,  auf  welche  die  Steuer  gelegt  ist. 
Der  Steuersata  war  1888/89  4,»5  Sen,  die  Gebäudeateuer  Är 
dieses  Hans  also  858  Yen  92,6  Sen.  Nehmen  wir  ein  gleich- 
grofses  Haus  In  der  7.  Wertklasse  (90^100  Yen  fUr  den 
Tsubo)  mit  10  Einheiten  und  der  11.  Lagenklasse  mit  3  Ein- 
heiten, so  würde  es  3000  Einheiten  haben,  und  ein  derartiges 
Haus  in  der  letzten  Weit-  und  der  letzten  Lagenklasse  würde 
75  Einheiten  und  nach  dem  damaligen  Satze  eine  Steuerpflieht 
von  3  Yen  71,8  Sen  haben.  Der  höchstniögliclie  ^Satz  tür  den  Tsubo 
war  1888      3  Yen  53,0  Sen,  der  niedrigstmögliehe  3.t  Sen. 

Steuirtrei  sind  Htitten  (Koya),  d  h.  ^Gebäude,  deren 
Pfosten  uiciit  auf  Steinen  ruhen"*,  Armenhäuser  und  alle  Rftuiiie, 
welche  zu  üntcrrichtszwecken  oder  als  Internate  tiir  Schuler 
benutzt  werden,  eine  meines  Erachtens  wenig  aDgemeesene  Unter- 
attttaung  des  in  Tokyo  wachernden  Privatschulwesens. 

In  dm  Landkreisen  von  Tokyo  ist  die  Hflnienileiier  etwaa 
einfacher.   Bei  der  Berechnung  der  Grundfläche  wird  nur  daa 

Erdgeschols  voll,  wdtere  Stockwerke  werden  halb  gerechnet 
Werteinschätaung  besteht  nur  insofern,  als  Holzhäuser  einfach, 
massive  Häuser  (aus  Steinen ,  Ziegel,  Lehm)  anderthalbfach  an- 

fesetzt  werden.  An  Stelle  der  Einschätzung  naeh  der  Güte  der 
.age  steht  eine  Einteünncc  in  13  Klassen  nach  dem  Grund- 
steuerwert des  tiberbauten  (Grundstückes.  In  der  ersten  Klaii>e 
mit  4  Einheiten  stehen  Grundstücke  mit  ;^<'»<)  Yen  Steuerwert 
und  darüber  iür  lOU  Tsubo,  in  der  untersten  Kla.'^se  uui  einer 
Einheit  Grundstücke,  deren  Steuerwert  für  100  Tsubo  H^m  Yen 
nicht  erreicht.  Ein  Haus  mit  80  Tsubo  im  Erdgeschoia  und 
20  Tsubo  im  Oberstock  wird  a]so  mit  40  Tsubo  angesetzt  In 
der  höchsten  Grundsteuerklasse  hätte  ea  daher  160  Einheiten, 


^  Mau  vergesse  Dicht ,  dalä  nach  japamscher  An&chauuu;::  das  Uaua 
eine  von  dem  (mndstttck,  auf  welchem  es  steht,  nnabh&nglgL-  Sache  ist 


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649 


wenn  aua  Holz,  240  Einheiten,  wenn  massiv  gebaut.  Der 

Steuersatz  war  Is8s89  4,i>s  Sen  fiir  die  Einheit,  Die  Steuer- 
befreiungen 8in<l  f^ie  gleichen  wie  in  dfr  Stadt.  Aufserdem 
sind  aber  Qebäude  von  weniger  als  7  Tsubo  Fläche  frei. 

3.  Die  Gewerbesteuer  geht  gleichfalls  auf  ältere  Ein- 
richtungen zurück ,  welche  als  StaatösteueiTi  1 875  au%ehoben 
sind.  Die  sogenannten  „Verschieden  rn  Stfiiorn"  (Zas- 
slm-zei)  sind  in  der  Hauptsache  nichts  als  ui  besonderer  \A'eise 
aul^el^;te  öteueru  von  allerlei  eigenartigen  Gewerbebetrieben*. 
Aach  werden  rie  immer  mit  der  Gewerbesteuer  zusammen- 
ge&lflt.  Diese  Stenern  wurden  in  ihren  Qnmdsügen  zuerst 
durch  Nr.  39  vom  20.  Dezember  1878,  dann  durch  Kr.  17  vom 
8,  April  1880  geregelt.  Die  eigentliche  Gewerbesteuer  sollte 
nach  dem  Umsatz  aufgelegt  werden  und  im  Maximum  15  Yen 
betragen.  Für  die  A>r:^e}iiedenf'n  Stenern  wurde  für  iede  gleich- 
falls ein  Maximum  Ijestmimt,  bei  den  Fischereisteuern  sollten 
die  bisherigen  Einrichtungen  beibehalten  werden.  Für  die  Durch- 
führung aer  Gewerbesteuer  waren  eingehende  Angaben  der 
Gewerbetreibenden  über  ihren  Geschäftsbetrieb  erforderlich;  die 
Kontrolbnalsregdn  hodist  Iftstig.  Für  Tokyo  wurde  deshalb 
schon  durch  das  bereitB  angeAihrte  Gesetz  27  vom  27.  Mai 
1880  anderweite  Regelung  zugelassen.  Das  Gesetz  Nr.  3  TOm 
20.  Januar  1882  beschrilnkte  sich  dann  unter  Aufhebung  der 
alten  I5estiniratinp;en  darauf,  zu  bezeichnen,  welche  Erwerbs- 
zweige  suuerpliichtig  seien,  so  dai's  seitdem  ebenso  wie  bei  den 
H aussteuern  die  Bezirke  die  Steuer  selbst  regeln.  Dabei 
scheint  man  meistens  die  Auflegung  dem  System  der  Haus- 
Steuern  nachgebildet  zu  haben.  Die  lästigen  Bestimmungen 
Uber  Kontrolfe  der  HandebbUcher,  welche  z.  B.  in  Chiba  yon 
Ereissteueroontrolenren  monatlich  geprüft  und  gestempelt  wurden, 
sind  in  den  Bezirken  mehr  und  mehr  wieder  beseitigt  worden. 

Gewerbesteuer  ist  zu  erheben 

a.  vom  Handel, 

b.  von  der  Industrie. 

Gewerbebetriebe,  von  welchen  eine  Staatssteuer  erhoben 
wird,  sind  frei  (Sake,  Tabak  u.  s.  w.). 

Verschiedene  Steuern  werden  erhoben 

▼on  Spdsehuusern  aller  Art  (WirtshJiuser  gehfiren  aber 
zum  Handel), 
-  Badehäusern, 


>  Bei  manchen  unter  die  ^.VencUedenen  Stenern^  gehörigen  Ab- 
gaben wird  die  Beontzung  amerikanischer  Vorbilder  durch  die  Ähnlichkeit 
mit  manchen  Licen^e- Abgaben,  die  sich  in  Staaten  der  Union,  z.  B.  Penn- 
iylvamen,  finden,  wahrscheinlich. 


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650 


TOn  Barbieren, 

-  Dienstbotenvermittlern, 

-  Sängern  und  Sängerinnen  ^  Schauspielern ,  Ringm 

u.  8.  w.  (Lebreniy  wie  Austtbendea), 

-  Märkten, 

-  Theatern, 

•  liill  irds,  Schiefsbuden  u.  dgl., 

-  gAbendtheatem"  (Yobe,  wo  Erzähler,  Taöchenäpieier 

tt.  dgl.  auftreten), 

•  Wagen,  EArren,  kleben  Booten  ^  (nicht  mehr  «k  die 

Staatssteuer), 

-  Mühlen, 

-  Reitpferden, 

-  Schlllclitereien, 

vom  Fischfmcr  Seetangsani  mein  ii.  s  w.  (zur  Änderung 
bcäteheuder  Gewohnheiteu  ist  Genehmigung  der 
^linister  der  Finanzen  und  des  Innern  erforderlich). 

Die  Bezirkstage  können  die  Steuer  gewisser  Personen  nfVr 
ganzer  Kategorieen  erlassen.    Die  Steuern  sollen  nach  der 
schaftlichen  T^age  der  Pflichtigen  aulgelegt  werden.    Wo  audrre 
als  die  aufgezählten  Steuern  herküniLülieh  sind,  können  sie  mit 
Genehmigung  der  Regierung  beibehalten  werden. 

Ak  Bewpiele  für  die  thatsächUche  DuicbiUlirang  der  Ge- 
werbebestenerang  seien  wieder  der  rein  Ulndliche  Besirk  dilba 
und  To^o  dnander  gegenübergestellt  auf  Grund  ihrer  BudfiCrtB 
ftr  1888/89.  In  Chiba  wird  jährlich  im  Etat  der  Betrag  fest- 
gestellt, welchen  jede  Gemeinde  aufzubringen  hat.  Die  Ver- 
teilung in  der  Gemeinde  und  die  Einschätzung  dazu  '«rfolgt 
durch  die  ( Jemeindeversainmlung  im  April  Als  Mafs8tal)  dhmt 
die  Bruttneinnnhmo  de.s  Gewerbetreibenden,  von  weiciier  die 
Steuer  etwa  vier  vom  lOUiJ  betragen  solP.  Von  Hausierern  und 
Handwerkern  wird  ein  fester  Satz  von  40  Sen  erhoben.  Ebeubo 
wie  die  Gewerbesteuer  werden  die  Verschiedenen  Steuern  YOa 
Speisehttnsem  erhoben,  in  der  Weiee,  dafii  Reetaurants  (Ryorya) 
den  2^/8&cheny  gewöhnliche  Speisehäuaer  (Inshokn-ten)  den 
doppelten  Satz  bezahlen  wie  andere  Gewerbe.  Von  den 
anaeren  hierhergehörigen  Betrieben  werden  feste  Satze  jährlich, 
monatlich  oder  täglich  erhoben  (siehe  Anhang  B  su  dieeem 
Kapitel,  S.  (585). 

In  Tokyo  beruht  Ii»'  (Tcwerbesteuer  auf  demselben  System 
der  Berechnung  von  P^inlieitcn  wie  bei  der  Gebäudesteuer. 
In  der  Stadt  wird  die  Tsuboääche  des  Hauses  multipliziert  miL 


*  Die  nach  dem  Getets  von  1874  steaerpfliehtigen  Boote  Tgl. 

S.  620. 

*  Im  KauagawH-ken  schätzt  die  Gemeinde  den  Keingewinn,  wovou 
1889  Atnf  Prozent  entrichtet  werden  sollten. 


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X  4. 


651 


der  Zahl  der  Einheiten  der  Wertklasse,  welche  mit  der  der 
Gebäudesteuer  identisch  ist,  und  diese  Zahl  wird  weiter  mul- 
tipliziert mit  der  Zahl  der  Einheiten  der  La^'en  -  \md  Gmnd- 
fliicii  nk lasse  Diese  Klasseneinteilung  weicht  vou  der  der  Ge- 
bäudesteuer al).  Es  giebt  27  Klassen  mit  1  — 14  Einheiten. 
Der  Steuersatz  iür  die  Einheit  war  1888  89  1,2  Sen.  Medizin- 
hftndler  sind  abweichend  besteuert  mit  20  Sen  fUr  iede  Licenz 
(vgl.  oben  Mediziosteuer  S.  615).  In  den  Landkreiaen  ist 
gleichfiülB  die  Berechnung  wie  bei  der  Hauaateoer,  mit  anderem 
Ansatz  der  GrundflAehen,  in  15  Klassen  mit  1  —  8  Ein* 
heiten.  Der  Steuersatz  war  1888  89  1,*  Sen.  Medizinhändler 
zahlen  10  Sen  fUr  jede  Lieenz.  Bei  den  Vf  rscliiedenen  Stenern 
wird  vielfach  die  Steuerptiicht  wie  bei  der  Uewerbe^iteur  !  lie- 
rechnet,  teils  mit  dem  gleichen  Steuersatz  per  Einheit  (Bade- 
anstalten, Barbiere,  Yose),  teils  mit  höheren  Sätzen.  Daneben 
zahlen  die  verschiedenen  Arten  von  „Kilnstlem"^  feste  Sätze 
naoh  TeFBcliiedenen  KlasseDabstufongen  (einzelnes  siehe  im  An- 
hang A  zu  diesem  Kapitel,  S.  668  und  675). 

Überall  bestehen  weitgehende  Steuerfreiheiten  für  Hausierer 
mit  ETswarenr  für  Personen  über  60  Jahre,  für  Erttppel  u.  s.  w. 

Die  Steueraummen,  welche  die  Bezirke  aufbringen,  mnd 
nicht  unerheblich,  namentlicli  seit  1881.  Seit  dem  Bestehen 
der  Selbstverwaltong  der  Bezirke  haben  sich  die  Einnahmen  in 
folgender  Weise  entwickelt: 

(Siehe  Tabelle  Seite  652.) 

Die  pltftsliche  Ausgabenerhöhung  im  Finanzjahre  1881/82 
ist  zunächst  vor  allem  auf  die  Grundsteuer  und  die  Gewerbe- 
steuern gewälzt,  während  die  Haussteuem  erst  n!l mählich  gefolgt 
sind.  Doch  hat  sieh  der  Anteil  der  drei  Steuerarten  an  dem 
Gesamtaut  kommen  wenig  geändert.   £s  brachte 

1880.81     1882  83    1886  87 

die  Grundsteuer  51,5  ®  o       53*^  0  54*^/0 

-  Gewerbesteuer         27   «/o       27  ^  o       23  «  o 

-  iiauösteuer  21,ö".o       20  ^/o      23  "  o 

Die  Besteuerune  in  den  einaelnen  Bezirken  weist  von  Jahr 
au  Jahr  gröfsere  Abweichungen  auf.  als  die  Summen  erkennen 
lassen,  da  sich  das  im  wesentlichen  bei  der  Zusammenrechnung 
kompensiert  Die  Ver^rlnerVnheit  der  Hedürfiiisse  in  den  einzelnen 
Jahren  ist  wesentlieli  durch  MentÜche  Bauten  und  Epidemieen 
(Cholera  1886)  veranlalst. 

Die  Hnhe  der  Besteuerung  ist  in  den  einzelnen  i  >ezirken 
sehr  veiücliitden.  War  sie  188*i  87  im  Durehschuitt  <ies  Landes 
52  Sen  auf  den  Kopf  der  iievolkeruug,  so  betrug  sie  in 


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652 


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Gewerbe« 
Steuer 

t-t-»cc^35*2Sß  2322 

CJ            Tf  — '  M  Ci         t:  35 

fr  k-t  o  o  c:  w.          35'  05  o 
—  »-c^scoaoaoj  {Mjmi?: 

Grund- 
steuer- 
Zuschläge 

O  3:  X  ^  X  er  cc       (M  CO  cc 
3:  cc       —  f^  c5  O       X  •«t 
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t£>  a  Oi  00  Oi  00  oc5a> 

Finanz- 
jahr 

X    X    X    T.    X.    X   X    5  X  X  X 

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2 


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X  4.  653 

Tottori  06  Sen» 

Okayama  79  - 

Tokyo  78  -  « 

Miyagi  69  - 

Yamagatii  67  - 

Shimane  64  -  * 

Fakashima  63  • 

Yamaoashi  61  - 

Aomori  60  - 

dagegen  in  ^^himaj  ^ 

Hyo^o] 
Aichi 


41  - 


Akim  1 
\\  akayamaj 


Auch  in  den  Jahren  vorher  finden  wir  In  der  Regel  die- 
selben Besirke  unter  denen  mit  hoher  und  geringer  Besteuerung. 
Okayama  steht  meist  an  der  Spitze,  Kagoshima  am  untersten 
Ende.  Auch  die  Zunahme  der  Steuern  war  sehr  verschieden. 
Vergleichen  wir  die  Jahre  18ÖU  ÖX  und  1886  87,  so  ünden  wir 
eine  Zunahme 

in  Tottori       von  32  auf  96  Sen 

-  Tokyo         -   42   -    78  - 

-  Okayama     -   49   -   70  - 

-  FukuBhima   -   34   -   63  - 

-  Shimane      -  35  -  64  - 

dagegen  -  Aichi  -  40  •  41  • 

-  Hyogo        -   39   -   41  - 

•  Miye  -   45   -   47  - 

-  Akita  -   39   -   42  . 

-  Shizuoka      -   41    -    47  - 

•  Tochigi        -   38   -   44  - 

Auch  die  Verteilung  der  Last  auf  die  einaeben  Steuern  war 
sehr  yerschieden.  Während  im  Durchschnitt  auf  die  Grundsteuer 
etwas  mehr  iüb  die  Hälfte  kommt,  war  es  1886  87  in  Tokyo 
nur  ein  Sechstel,  in  Kyoto  gut  ein  Drittel,  in  Osaka  zwei  Fünftel, 

auch  in  Nagasaki,  Mivagi,  Fukushima.  bvate  und  Aomori  erheb- 
hch  weniger  als  die  Öulfte.  Dagegen  waren  ea  in  Okayama  7*^ 
Prozent^  in  Öhimane  72  Prozent,  in  Kochi  7U  Prozent  u.  s.  w. 


^  Ungewöhnlich  grofae  Ausgaben  IBr  Öffentliche  Bauten. 

~  Nicht  ta  überwhen,  dab  sonstige  Rommunalabgaben  in  Tokyo 

unbeUeotend. 


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654 


X  4, 


Auf  die  Haussteuer  kamen  im  Liindesdurchschnitt  23  Prozent 
des  Steueraufkommens,  dagegtm  in  Tokyo  63,  in  Fukushima 
und  Aomori  39,  in  ^liyagi  37  Prozent,  in  Toclugi  und  Aichi 
nur  11.  in  Okayania  nur  12  Prozent. 

Auf  die  Gevverlx^teuern  kamen  im  Durclischnitt  des  Landes 
gldcb&Us  23  PtoBent  der  Stetteremnafame.  In  Kyoto  aber  waren 
es  40^,  in  Todbigi  ebenfalls  40,  in  Osaka  37,  in  Ibaraki  und 
Iwate  34,  in  Kanagawa  und  Saitama  52  Prozent,  dagegen  in 
Totlori  nur  9,  in  Okayama  10.  in  Shimane  12,  in  Ehime  und 
Kagosliima  13  Prozent  Auflallend  ist,  dafs  in  Tokyo  nur 
21  Prozent  der  Steuereinnahme  auf  die  Gewerbesteuern  "kamen. 

Auf  solche  ftuttallige  Unterschiede  in  der  Henm/iehunj;::  der 
verschiedenen  Steuern  würde  wahrscheinlich  die  Zusammensetzung 
der  Bezirkstige  einiges  Licht  werfen.  In  Tokyo  z.  B.  üben  die 
grolisen  U ewerbtreibenden  und  die  mit  ihnen  (vielleicht  niclii  nur 
in  Japan)  stets  ▼erbttndeten  Journalisten  und  Advokaten  den 
mafsgebenden  Einflufs.  Die  Ebncheinung,  dals  bei  den  Wahlen 
zu  den  Bezirkstagen  die  Parteien  der  „Kaufleuie*  und  der  ,Qnmd- 
besitzer  '  sich  vielen^iirts  aufs  heftigste  bdiämpfen,  dfürfte  in 
diesen  Thatsachen  ihre  zahlenmäisige  Erklärung  finden. 

Über  die  Ausgaben  der  Bezirke  wird  eine  Tollsttndige 
Übersicht  ftkr  einige  Jahre  genügen. 

(Siebe  Tabelle  605.) 

Im  einzelnen  dttrfte  die  vorstehende  Tabelle  sich  selbst  er- 
klüren.  Zum  Posten  ftGesundheitswesen*^  ist  daran  zu  etumein, 
daCs  1882  eine  geringere,  1886  eine  bedeutende  Choleraepidemie 
herrschte. 

Die  Summe  der  Auegaben  in  jedem  einzeben  Jahre  war: 


1879,80 

11217  S82  Yen 

1880  81 

12  001539  . 

1881.82 

17420390  - 

1882/83 

19411738  - 

1883/84 

18898760  - 

188485 

19088718  . 

1885  86  (9  Mon.)    16  306  583  - 

1886/87 

21406012  - 

Voranschläge 

1887/88 

19495734  • 

1888/89 

19535912  > 

Für  die,  welche  für  den  Gegenütand  uälieres  Interesse  haben, 
ist  in  Anhang  A  und  B  zu  diesem  Kapitel  der  Venudi  gemacht, 


^  Nach  dem  Etat  filr  1888/89  aogar  48  Pkoient 


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X  4. 


655 


Ausgaben  der  Bezirke  Altjapans 
nach  den  Abrechnungen  ftir  1880  81,  1882^83,  188485 

und  1886/87. 


AnsgAbekapitel 

1880'81 

1882/83 

1884'85 

1886^87 

Yen 

Yen 

Yen 

Yen 

Polizei  ........ 

Wege-  und  Wasserbauten  .  . 

KivwyerwallnDgBgebliiide  .  . 

Strand wesen  (Sehiftbn'iche) 
Drucksachen,  Veröflentlichun- 

gen  

Volks wirtochaftspflege   .   .  . 

Bcsdikmgienuigsg^biude  .  , 

Sonstige  Ausgaben  .... 

1  998  422 

1  Ö24  S99 
309811 
516171, 

1033721| 
76  417, 

2  563  467 

3.H  09.5 
1425 

! 

281  182 
271  796 
3838227 

157906 

2  862  900 

3  808  00(5 
390867 
628728 

1416038 
83200 

2  727  123 
35873 
937 

254  379 
193  HO 

8912397 
87010 

2691271 
819899 

3  036  285 
'.\  602  089 
275  551 
822900 
1557293 
99150 
2  5.34  689 
:i8  813 
671 

208  oT'.t 
127  535 

3651255 
86072 

8260478 
287858 

3137  539 
4  U47  629 
290  179 
1760696 
1422310 
74  268 
2  575  290 

374 

132  807 
97  942 
4155775 
99312 
3201644 
345542 

Summe 

12601539 

19411738.19086718 

21406012 

Daso:  A.  Zuscbfisse  der 
Staats*  aar  BeairksTer« 
waltuag 

Wege-  und  Waaserbanten  .  . 

818 151 
2822156 

1334099 
491 116 

1225001 
940991 

1257747 
881626 

B.    Staatsausgaben  für 
Besirk  s  ver  w  a  Itung 
(ganz  Japan) 

Rf>zirk5'behörden  

•Steuererhebung  

5805639 
1  579  017 

5  674  359 
125  753 

7  043  340 
1  1434:{77 
^      26  046 

7  112 '»91 
1  670  1M>5 
1  48091 

Summe  A  und  B 

11019  963 

j  7  625  327 

|l0669  755 

1 

1 10  971  420 

Von  B  geht  für  II<ikk;iidn  und 
OkinawH  miudebteii-  . 

? 

'    977  641 

1  355  655 

2  5.57  372 

Für  AlQapan  bleibt  bochsteuä 

? 

1  6  647  686 

j  9  314  100 
1 

8  414048 

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656 


X  4. 


für  flie  Bezirke  Tokyo  und  Chilia  eine  zusammenhängende  Über- 
sicht zu  geben  auf"  Grund  der  Budgets  Bir  l^'S^^  S9.  Wieder- 
holung einiger  oben  erörterter  Punkte  iiels  sich  dabei  nicht  ver- 
meiden. 

Bis  18s<»  wurde  in  den  Bezirken  uiiiibliänpg  von  den  son- 
stigen BezirksHnanzcn  und  ohne  Mitwirkung  der  Bezirkstig»  eine 
eigenartige  ^Steuer  erhoben  und  daraus  gewisse  Ausgaljen  unab- 
hängig bestritten.  Es  war  das  sogenannte  Fukin,  „aufgelegtes 
tane  Betleuenmg  der  Prostitutioii.  Der  Ertrag  woirde  ftr 
Gehdmpolisei,  SittenkontroUe,  SyphiliaBpitäler  und  ähnlicheZwecke 
▼erwendet. 

Steuern  der  Art  waren  schon  im  alten  Regime  üblich.  Aoleer 
einigen  allgemeinen  Anordnungen '  ist  auch  in  der  Neuzeit  die 
Regelung  im  einzelnen  den  Bezirkshaupdeuten  üljerlassen,  welche 
auch  über  die  Verwendung  der  Einnahmen  verfügten.  Die  ver- 
öffentlieliten  amtliehen  Abrechnungen  über  Einnahmen  und  Aus- 
gaben aus  dem  Fukin  werden  vielfach  fUr  ungenau  erklärt,  ob 
mit  Bechl  kann  ich  nicht  beurteUen.  Wie  eäon  erwflhnt,  ist 
durch  KabinettsverordnuDg  12  vom  7.  August  1888  dieser  ganae 
Gegenstand  der  allgemeinen  Bezirksfinancverwaltnng  Uberwiesen. 
Die  Steuern  sind  den  Verschiedenen  Steuern  angeschlossen. 

Kein  Fukin  wunle  erhoben  in  Gifu,  U'akayama,  Kagoshima 
(seit  18(^3)  und  (Jkinawa.  Es  bestand  regolniMlHg  aus  zwei  Auf- 
lagen, einer  nionatlielien  Steuer  auf  Bordelle  (in  Tokyo  IbbS 
monatlich  \  ('n)  und  einer  monadichen  Abgabe  jeder  eingetragenen 
Prostituierten  (in  Tokyo  1888  in  vier  Klassen  3  Yen  bis  50  Senj. 
Gewerbsmäl'sige  Unzucht  nicht  eingetragener  Frauenslnmier  ist 
▼erboten 

Die  Einnahmen  und  Ausgaben  aus  dem  Fukin,  welche  bis 
1883  ziemlich  erhebliche  Fonds  in  den  Händen  der  Bezirkshaupt- 
leute liei'sen,  die  dann  in  den  folgenden  Jahren  aufgebraucht  sind| 
haben  sich  von  1879  an  folgendermaisen  entwickelt: 

Emnahme  Atugabe 

1879/80  .      032  325  Yen  3  470065  Yen 

1880/81  757061   •  657023  • 

1881/82  875200   -  940945  - 

1882/83  885  273   -  898  503  - 

1883  84  884(570    -  920311  - 

1884  85  769071    -  808208  - 


'  Zuerst  meines  Wissens  durch  Verordnung  127  des  Finanzmini* 
steriutn»  vom  \K  September  1872. 

'  Vir].  Rtidorff,  Rechtspflege  in  Japan,  in  >firteilnngen  der  Deut- 
sehen Guseilschatt  etc.  Ostasiens,  IV  428.  —  Bestratung  erfolgt  durch 
die  Polizei.  Zahl  der  gittenpoliBeilichen  Bettnfangeii  1885  18514, 
18K7  1)740. 

3  Dazu  Überscbufs  aus  Voijahren  2764^7  Yen. 


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X  4. 


657 


Einuahuie 

1885  86  (9  MoD.)  539928  Yen 
1886/87  688531  - 

Vonmacfalag 

1887  88  699388  - 

1888/89  779474  • 


Ausgabe 

540692  Yen 
716688  - 

699  395  . 
774286  - 


Von  der  Auagabe  kamen  1886/87  auf  Polizeiko&ten  347101 
Yea,  auf  die  samtäie  Kontrolle  167  885  Yen,  der  Beet  auf  Spitllla' 
und  anderas. 

Die  Bewegung  der  Einnahmen  epimlt  in  anffiJlender  Weise 
den  Wechsel  der  guten  und  schlechten  «fahre  wieder.  Die  Steoer 
liefert  die  gröfsten  Summen  natuigemttft  in  den  Benrken  mit 
groben  Städten.   Sie  brachte  in 


Osaka 

Tokyo 

Kanagawa 

Aichi 

K^oto 

Miye 

Nagano 

Nügata 


1886/87 

76896  Yen 

56517  - 

51693  - 

45014  - 

43091  • 

41759  - 

27528  - 

26028  • 


1882/88 

105836  Yen 

51253  - 

46  789  - 

55109  - 

50256  - 

64170  - 

23  630  - 

28300  •  ' 


Untenan  in  der  Liste  stehen 

Kochi        mit  1879  Yen 
YaLnaDaähi    -    2156  - 

Im  Verhiiltnis  zur  }^»evölkerung  ist  der  Ertrag  sehr  hoch  im 
Hokkaido.mit  20G39  Yen  (188283:  14702  Yen). 

Die  ülxTweisung  der  Festsetzung  dieser  Steuer  an  die  Be- 
Eirkstage  hat  zu  vielen  DiökuaöiODen  Anlai's  gegeben.  Mehrüich 
ist  völl^e  Abschafibiu;  Torgesehlagen.  In  Tokyo  wurde  für  die 
Bordelle  die  oben  beschriebene  Form  der  Gewerbesteuer  eingefilhrt 
und  die  Steuer  für  die  Einheit  auf  den  fünffachen  Sats  der  Bestau- 
nmts  festgesetzt  Die  Steuer  auf  die  Pkostituierten  selbst  wurde 
als  unwtlrdig  abgeschafft.  Die  Steuer  wurde  dadurch  auf  bei- 
nahe ein  Dritt^'1  1 ) erabgesetzt  ^.  Ein  sondcrV>;tres  Licht  fiel  aut 
die  „Wtirde^  dieser  Beschlüsse,  als  nachtragiicii  bekannt  wurde, 
dafs  die  Bordeliwirte  einige  R»  zirkst;igsraitglieder  durch  Auf- 
wendung erheblicher  Summen  iur  die  Steuer  „reform"  interessiert 


^  1882  83  hatten  mehr  als  i'"  000  Yen  Eimmlime  noch:  Hyogo, 
Nagasaki,  Gumma,  Tochigi,  FukuBbiwa  und  Yan  np^ata. 

■  You  77  586  Yen  im  Etat  für  1888  ©y  aul  li.-  046  Yeu  im  Etat  fttr 
1889/90. 

Fonchungtn  (45)  X  4.  -  Rathg«n.  42 


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658 


hatU'n.  Dafs  der  Din'gent  dor  Sitteiial)teilun^  der  Polizeipräfektiir 
daö  l)in(T,  auf  welchem  die  öaiibcre  Abrede  getrofien  wurde,  mit 
seiner  Gegenwart  beehrt  hatte,  ist  eiu  kleiner  Chaiaktcrzug,  welcher 
der  Erwähnung  wert  ist 


II.  Die  Ortsgemeinüen. 

Ein  feste  Trennung  der  Bezirks-  und  Gemeindefinanzen  er- 
folgte erat  doYch  das  Gesetz  19  vom  22.  Juli  1879  Uber  die 
Ausgaben  der  Beoirke^  welches  in  der  Anmerkung  ssu  Art  3 
sagte:  „Die  Ausgaben  fUrEu,  Oho,  Son  (Stadtkreise,  Städte, 
Döri'er)  werden  durch  deren  Einwohner  festgestellt  und  sind 
nicht  aus  den  Bezirksstenem  zu  bestreiten." 

Die  Ausgaben  der  Ortsgemeinden  hnbeii  sieh  iifi(  !i  der  all- 
gemeinen Statistik  bis  1882  88  rascli  vermehrt,  um  dann  ^'.  iede^ 
ebenso  rasch  zu  sinken.    Sie  werden  tUr  Altjapan  angegeben  auf: 


1879/80 
1880/81 

1881  S2 
188283 
188384 

1884  85 

1885  8()  (9  Mon. 
ISSG  Hl 

1887  88 


) 


12981701  Ten 

15134956  - 

17113098  - 

18690037  - 

17952602  . 

16207194  - 

13543084  - 
13672735  . 

12347445  - 


Eine  Zusammenstellunpf  der  Ausgabepostcn  für  die  gleichen 
Jahre,  wie  oben  fUr  die  Besirksausgaben,  ergiebt  folgendes  BikL 


Ausgaben  der 
nach  den  Abrechnungen  iür 


G  e  m  e  i  n  d  e  11   A 1 1  j  a  p  a  n  s 
1880/81,  1882/83,  1884/85,  1886  87. 


Ausgabekapitel 

1880/81 

1882/83 

mim 

Yen 

Yen 

Yen 

Wege-  und  Wawerbauten  .  . 

Gc,-!u:ullu'it9wes(Mi  

VulkdvvirtöcbiifLbpÜoi^c  , 
Bürgermeisterämter  (Kucho  Ya- 

kaba)  

G  * '  III  o  i  II  d  (i  versaminluiigeD   .  . 
bchulwetsiju  

Sonstige  Ausgaben  .... 

5  hm  925 

•Ml  >-i': 

'i    J  <'22 
ILM  r>l^ 

4d456 
1646018 

6  381  5Ö5 
T'.tl  UM 
ildt>öö 

2 Cm  v.i2 

45189 
1554497 

4  087  65« 

(vv;  IIS 

2  f>74  hhd 

7  731  05=2, 
6579e^ 
590M 

8  1.^4  4+4 

Summe 

15134956 

186900$? 

16207  m 

1 

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i 


X4. 


659 


Die  Einnahmen  der  Gemeinden  beateken 

1.  AUS  Grundsteuerzuschlägen,  für  welche  seit  dem 
Finanzjahr  1886/87  ein  Maximum  von  einem  Siebentel  der 

Staatssteuer  besteht. 

2).  Daneben  findet  .sich  liüuiig  eine  eigene  Gemeindegrundsteuer, 
die  sogenannte  Flächensteuer  (Tambetsuwari) ,  eine 
Auflage  einlach  nach  der  Grölse  des  Grundbesitzes. 

3.  Haushaltungs-  und  Häusersteuer  (Kobetsuwan  und 
Kaokuwari).  Teils  sind  das  Znselilflge  zu  den  Bezirkssteuem. 
Zum  Teil  sind  es  aber  auch  eif^enartige  Steuern  der  Ge- 
meinden. Hierher  gehören  auch  die  gelegenthch  vorkommen- 
den Kopfsteuern. 

4.  G  ewerbesteucrzu  seh  läge  zur  Steuer  der  Bezirke. 

5.  Endlich  bestanden  und  bestehen  noch  manche  eigenartige 
Steuern  der  Gemeinden,  welche  unter  obige  Steuern  nicht 
gehören.    Ihre  Hedeutung  ninimt  aber  mehr  und  mehr  ah. 

Vher  die  Entwickelung.  dieser  Steuern  geben  die  amtlichen 
Tabellen  folgende  Zahlen; 

(Siebe  Tabelle  S.  660.) 

Bei  den  vorstehenden  Zahlen  ist  nieht  aufser  acht  zu  lassen, 

dafs  sie  die  volle  Belastung  der  £inwohncr  nicht  darstellen.  Von 
der  Wegebaulast  wird  ein  erheblicher  Teil  in  natura  getragen, 
d.  h.  in  der  Art,  dafs  die  männlichen  erwachsenen  Gemeinde- 
mitglieder Wegearbeit  leisten. 

AN'as  die  einzelnen  Steuern  betrifft,  so  standen  bisher  die 
Gnmdsteuer/iischliige  im  \  ordorgrund,  auf  welche  mehr  als  die 
iialtte  der  Steuereinnahmen  kam  Durch  die  Beschränkung  auf 
höchstens  ein  Siebentel  sind  sie  aber  1 886  87  in  die  zweite  Linie 

Sekommen  mit  42  Prozent  vam  Stenerertrage.  Dagegen  sind 
ie  Haushaltungs-  und  ähnlichen  Steuern  niät  nur  verhältnis- 
mäfsig,  sondern  auch  absolut  gewachsen.  Sie  brachten  1882/83 
erst  §1,  1880^7  dagegen  51  Prozent  des  Steueraufkommens. 
Namentlich  in  euiigen  nördlichen  und  nordwestlichen  Bezirken 
sind  diese  Steuern  sehr  entwickelt,  SO  in  Mijagi,  Fokushima, 
Yamagata,  Ishikawa  u.  s.  w. 

Die  firundsteuerzuschläge  der  Gemeinden  müssen  vi(derwärt6 
ganz  V)edeutenil  gewesen  sein,  wenn  man  die  Verminderung  der 
Eiunaliuie  daraus  in  manchen  Bezirken  betrachtet.  In  ganz  Alt- 
japan kam  1886/87  nur  etwas  mehr  als  die  Hälfte  des  Betrages 
▼on  1882/83  auf.  In  manchen  Besarken  aber  war  der  Rückgang 
yvA  bedeutender,  so  in 

Niigata    von  rund  6200f>0  auf  182000  Yen 
Shizuoka    -      -     308  000    -    14<iUüO  - 
Gifu         -      -    430000    -    125000  • 
Nagano     -      -    538000   -   139000  - 

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661 


Mivagi    Tcm  rund  289000  auf  89000  Ten 
Fukiü      -     -    177000  -     47000  - 
Ishikawa  -     -    274000  -   102000  - 

In  manchen  Hezhken  (Chiba,  Aomori,  Tottori,  Shimane, 
Kochi)  war  dagegen  die  Änderung  im  Vergleich  mit  1882/ 83 
aelir  gering,  in  einigen  Beaarken  des  Sttdems  haben  sogar  die 
Znaduifge  sich  noch  vermefarty  so  in  Tokushima,  Saga,  Kuma- 
moto,  Miyazaki  und  Kagoehima. 

Mit  den  Qnmdsteuerzuschlägen  hat  auch  die  Flächensteoer 
atark  abgenommen.  Im  Jahre  1H86  87  kam  sie  in  Miyagi,  Akita 
und  Koclii  '^:\r  nicht  mehr  vor  (1887 '88  auch  in  Nagasaki  und 
Nara).  Nennen swortc  Summen  braclite  sie  nur  mehr  in  Tottori 
(43406  Yen),  Niigata  (33117  Yen  ),  Aichi  (29309  Yen),  in  Toku- 
shima und  Wakayama.  In  Osaka,  wo  sie  früher  am  bedeutend- 
sten entwickelt  war  (1884  85  173  210  Yen;,  ist  sie  bis  1886  87 
(einschl.  Kara)  auf  7243  Yen  gesunken. 

Äuoh  die  soDstigen  eigenartigen  GemeindeBtetteni  haben  Bich 
mehr  und  mehr  Termindert  Für  das  Jahr  1886^87  werden  in 
22  Besirken  (von  44)  gar  keine  Einnahmen  aus  sokJMO  Steuern 
ang^eben.  Nur  in  Oita  finden  wir  eine  gröfsere  Summe  (26  446 
Y^en),  während  z.  B.  1 882  83  f\ir  Hyogo  230386  Yen,  flir  Okayaraa 
153145  Yen  an^^e^ebcii  sind.  Nach  Inkrafttreten  der  neuen 
Gemeindeordnungen  werden  sich  voraussichdich  di(v>e  Steuern 
wieder  vermehren.  In  Tokyo  wird  seit  dem  1.  Januar  1S89  für 
die  Zwecke  der  Stadtverbesserung  eine  städtische  Verbrauchs- 
steuer auf  Sake  erhoben  von  50  Sen  per  Koku  ^ 

In  der  Stadt  Osaka  sind  1890  eme  Bdhe  von  besonderen 
Oemeindeabgaben  eingeführt  und  Ähnliches  wird  noch  mehr  sich 
yerbreiten.  Interessant  ist^  dafs  mehrere  der  genannten  Abgaben 
nur  Keubelebung  früher  bestandener  Steuern  sind  (Öake  in 
Tokvo,  Verkaufss teuer  in  Osaka). 

Zusciilfige  zur  (  le\verb< 'Steuer  haben  erst  in  den  letzten  Jaluren 
einige  Bedeutung  crlialten,  eine  Be\ve<^mg,  die  sich  voraussiehtHch 
noch  weiter  fortsetzen  vnrd  (Stadt  Tokyo),  1S86  87  wurden 
solche  Züöclilage  in  allen  Bezirken  erhoben.  Einige  Bedeutung 
hatten  sie  aber  nur  in  den  Bezirken  Osaka  (42  287  Yen),  Miyagi 
(40698  Yen),  Nagasaki  (35450  Yen),  Ibaiaki,  Kyoto,  Aomori 
nnd  Huroshima,  wahrend  sie  1882/88  noch  in  keinem  Beairke 
20000  Yen  brachten. 

Nutzbringendes  Eigentum  der  Gemeinden  giebt  es  meines 
Wissens  nur  wenig.   Allgemeine  Angaben  dartlber  sind  mhr  aber 


I  Oesetz,  betr.  Sladtansbon.  Art.  III  (vom  16.  Augost  1888).  Zar 
Darchfühmn^'  or;^'in^  eine  KaipcrI.  Vtronlnuiifj:  vom  19.  Dexember  1888. 
1  Prozent  vom  Reitifjewinn  von  Bauken, 
■J  l*rü>sent  Zuschlag  zur  .Staatssteuer  der  Börsen, 
Vco  des  Preises  vom  Verkauf  von  Gmndbe^ts  und  Gebttoden, 
5  Fromille  Znschlag  mm  Fokin. 


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662 


X  4. 


Dicht  bekannt  Der  Stadt  Tokyo  ist  für  die  Zwecke  der  Stadt- 
yerbeBserung  ein  zam  Teil  recht  wertvoller  GrundbesilB  ttber- 
lasaen^ 

Über  Schulden  und  Anleihen  der  Oememden  fehlte  ee  bis 

8U  den  neuen  Gemeindeordnangen  an  einer  allgemeinen  Kegelung. 
Thatsächlich  sind  aber  Anleihen  der  Gemeinden  zum  Zwecke 
öffentlicher  Arbeiten  schon  vorgekommen  Der  ci^te  Plan  einer 
städtischen  Anleihe  in  ObligntTonentbrm  ist  meines  Wissens  18>''7 
tiir  Na^saki  genehmigt,  um  die  Kosten  einer  Wasserleitimg  zu 
besti'citcn. 

Die  Ik'lastiing  der  IVwölkerung  mit  Gemeindeabgaben  im 
Durchschnitt  der  Bezirke  weist  ganz  bedeutende  Unterschiede 
auf,  die  natürlich  noch  grolser  sein  werden  bei  einem  Vergleich 
der  einzelnen  Gemeinden,  wozu  das  Materi?d  fehlt  Den  Bezirk 
Tokyo,  in  welchem  eine  Reihe  von  städtischen  Ausgaben  sich 
bisher  im  Bezu'ksbudget  fand,  müssen  wu:  als  unvergleichbar 
beiseite  lassen.  Dort  kamen  1886/87  nur  9  Sen,  1882/88  nur 
11  Sen  Gemeindesteoein  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung.  Im 
allgemeinen  scheint  die  Geineindebesteuerung  in  den  nömlichen 
und  mittleren  TeQen  der  Hauptinsel  erheblidi  hXjher  zu  sein  als 
im  Westen  und  Süden.  Ausnahmen  machen  hier,  wie  bei  den 
Bezir]<ssteuem,  Cliiba  mit  sehr  geringer^  Tottori  und  iShimane  mit 
▼erhäitmsm&lsig  hoher  Steuer. 

Die  höchsten  Beeirksdurchschnitte  hatten  1886/87  bei  einem 
Landesdurchschnitte  von  81  Sen 

Miyagi       mit  07  Sen  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung 

Isbikawa      .    40    .      .      -  - 

Yamana^hi  -    49  -      -      -       •  • 

Hyogo  -48   

Tottori  -  47  

Yamagata  -  46  

Nagano  -  44  

FukuBhima  -  43  

Toyama  »43  

Aomori  -41  


'  Alle  bisher  dem  Staate  eehöricen  Uferländereien.    Aufser  der 


T^mbaus  der  Stadt  ZuscJilii^'e  crliobi'n  werden  bis  zu  100  Pr-./cnt  ticr 
Grundsteuer  (aber  nicht  auf  Ackeritiodh  bis  zu  40  Prozent  der  iiltu»cr-, 
der  Gewerbe»  und  der  VenebledeneD  oteaera  des  Bezii^e. 

^  So  hat  die  allen  Fremden  bekannte  Gemeinde  Miyanoshita  zum 
Bau  eiTtor  Fabr^trafse  eine  Anleihe  g^nrnncht,  SU  deren  vensinsoDg  und 
Rückzahlung  ein  Wegegeld  erhoben  wird. 


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enannten  Sakeabgabe  können 


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X  4. 


Die  niedrigsten  ikzirküdurchacbnitte  hatten  dagegen 


KagOflhima  mit  11  Sen 
alba         -   13  ' 
Oita  -   17  - 

Kumamoto       19  - 


Miyazaki     -   22  - 


In  den  Vorjahren  waren  die  VerhilltDiBae  fthnlich,  in  dem 
haeliaten  Jahre  1882>8d  srand  Tojama  an  der  Spitee  mit  85  Sen, 

Kagosliima  am  Ende  mit  14  Sen.  Die  Verminderung  der  öe* 
meindebeeteuerung  hat  »ich  in  den  einzelnen  Gegenden  sehr  ver- 
schiedcn  geltend  gemacht.  Ein  Veigleich  mit  lb82'83  eigiebt 
eine  Herabsetzung  dea  Kopfteila 


Dagetren  zeigen  die  Bezirke  Chiba,  Toc'liigi,  ^livagi,  Iwate, 
Slhimane,  Yamaguchi,  Nagasaki,  Kumamoto,  Kagosliima  wenig 
\  erändenmg,  Tottori  sogar  eine  starke  Zunalime  i^dA  auf  47  Sen). 


Zum  Verständnis  des  HaushaLtes  dea  Takyo  -  fu  ist  vorab 
zu  bemerken,  dal's  die  Einrichtungen  desselben  durch  das  Vor- 
wiegen der  grofsen  Stadt  in  einem  kleinen  (Tebietf*  bestimmt 
werden  und  von  den  Verhaltnisöen  anderer  Bezirke  abw<-i<  hen. 
Mit  einem  Fliichenrauni  von  nur  8(>7  Quadmikilometer  ist  er 
der  kleinste  Bezirk  Japans,  während  die  Dichtigkeit  der  Be- 


*  Für  inÜDdliche  Auskunft  über  das  Budget  des  Tokyo -fu  bin  ich 
namentlich  Herrn  Fukuchi  Oeniehiro  verbanden,  der  lange  Vor» 
sitzender  des  Bezirkstages  war. 


in  Gifu      von  81  auf  24  Sen 

-  Toyama   -    85   •   43  - 

-  Nagano     -    80    •    44  - 


-  Gumma  -  71  -    32  - 

-  Kukui  -  61  -    2(5  - 

-  Saitinia  -  50-26 

-  iVkila  -  55  -  25 


Anhang  A  zum  sechsten  Kapitel 
Budget  des  Tokyo  fn  1888|g9'. 


(Mit  vier  TabeUen.) 


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664 


X  4. 


▼ttlkenmg  nalurgemiirs  die  grO&ta  ist:  1875  'BSaamltmer  auf  den 
Qaadraikuoineier  (Wohnbevölkerung  am  31.  Deeember  1887). 
Der  Bezirk  besteht  aus  den  15  StedÜcreiBeD  (Ku)  der  Stadt 
Tol^o,  5  Landkreisen  (Gun)  (früher  6)  und,  als  gua  hetero- 
genem 13e.stan(Iteil,  einer  Anzahl  weit  ins  Meer  verstreuter  Inseln, 
nümli(li  den  siobfn  Inseln  von  Izti  iirtd  flon  Bonin  In^^^ln.  wclrlip 
jedoch  in  die  iSelbetverwaltiingseinrichtungcn  nicht  rinl)- zol"  n 
sind.  Mit  nur  23  000  Einwohnern  (I.Januar  18H()i  kfiuin- n  sie 
weiter  nicht  in  Betracht.  Am  31.  Dezember  lHb7  wohnten  m 
den  Stadtkreiöen  allein  1  1G5000  Kia wohner,  in  den  umliegenden 
landkieieen  rund  320000.  Dieses  Vorwiegen  der  grofsen  Stadt 
hat  eine  eigenartige  Einrichtang  herbefgefUnrt  Der  Benrkstag 
des  Tokyo -ftt  bcät  als  Qanaee  nur  Aber  gewisse  gemeinsame 
Angelegenheiten.  Für  andere  Dinge  zerfallt  er  in  2  gesonderte 
Venanunlungen  ^  den  Beairkstag  der  Stadtkreise  und  den  Be- 
zirkstag der  Landkreise.  Zu  beachten  ist  dabei,  dafs  dieser  Be- 
zirkstag; der  Stiidtkreise  bis  zum  1.  April  1089  das  einzige 
kommunale  Organ  der  Stidt  Tokyo  als  Oan/.en  daret eilte.  Auf 
den  Haushaltsetat  des  Bezirks  Tokvo  wiikt  das  in  luigender 
Weise.  Die  Aut^aben  zerfallen  iii  Ö  Teile,  in  ^^emeinsame .  in 
Ku-  und  in  Gunau.^^aben.  Die  ersteren  betiagcn  nadi  dem 
Voranschlag  Air  1888/89  wenig  mehr  als  die  H«lfte  sämtUcfaer 
ordentlicher  Becirksansgaben.  Ausschliefslich  unter  die  gemein- 
samen  AuflOaben  fallen  die  Kosten  der  Oefimgnis-  und  Unter- 
richtsverwaltung.  Von  den  Polizeikosfen  gehtfrt  der  grölsere 
Teil  hierher.  Unter  die  gesonderten  Aus^^aben  fallen  die  Kosten 
der  Krfisvcrwaltung  und  der  "^fste  Teil  der  Ausgaben  ftir 
Wasser  und  Wei}:eban.  ( Vcmleiche  die  l'bersicht  S.  G72J 
Aber  auch  ftir  die  gemeinsanien  Ausgaben  wird  im  Vor- 
anschlag festgestellt,  wieviel  auf  die  Ku  und  wieviel  auf 
die  Gun  kommt,  und  das  nicht  in  Pausch  und  Bogen, 
sondern  für  16  einaelne  Posten  besonders,  so  dals  der 
Anteil  der  Ku  auf  11  verschiedene  Arten  bemesBen  zwischen 
40  und  94  Proaent  schwankt  1888  89  betrugen  die  gemein- 
samen Ausgaben  583805  Yen  im  Ordinarium  und  124  097  im 
Eztraordinarium  (Rate  zum  GeHingnisbau).  Davon  fielen  auf  die 
Ku  von  crsterer  Summe  495 G34  Yen.  also  rund  86*  2  Prozent, 
von  h  tztcTer  112100  Yen,  89,»465  Prozent  (wie  bei  allen  Ge- 
fangnisk  Osten). 

Da  somit  alle  Ausgaben  des  Bezirkes  auf  die  beiden  Teile 
desselben  verteilt  sind,  so  ist  es  möglich,  die  Einnahmen  beider 
Teile  gleichfalls  in  der  Hauptsache  getrennt  au  halten.  Vor 
allem  die  Steuern,  der  ttberwiegende  der  Cännafamen, 

werden  in  Stadt  und  Land  gesondert  angebracht.  Gemebsam 
sind  nur  gewisse  Einnahmen  an  Gebfihren  und  der  HauptteU 
des  StaatsEuschusses  an  den  Polizeikosten,  von  welchen  die  erst* 
genannten  aber  wieder  auf  Ku  und  Gun  verteilt  werden. 


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665 


Nutzbringendes  Vermögen  besitien  nur  did  Ku;  die  Land- 
kraae  haben  daran  keinen  Anfeil. 

Aus  dem  G^agten  ergiebt  sich,  dafs  dip  Verhältnisse  einiger- 
marsPTi  verwickelt  sind.  In  den  Tabellen  »S.  672  und  073  habe 
ich  versucht  eine  möglichst  klare  Übersicht  über  Einnahmen 
und  Ausgaben  aufzustellen.  Dem  Voranschlag?  selbst  feWt  jede 
derartige  allgemeine  Übersicht,  iu  einem  ziemlich  öLarken  Band 
in  Gro&oktav  mit  erolber  Paplerranchwendung  und  Tielen 
Wiederbolnngen  lerfllflt  er  in  folgende  14  Abteilungen : 

1.  Verteilung  der  gemeinaamen  Ausgaben  auf  Stadt  und 
Land  in  Prozenten. 

2.  Generaletat  der  gemeinsamen  Ausgaben  (mit  Verteilung 
auf  Stadt  und  Land). 

3.  Specialetat  der  gemdngamen  Ausgaben. 

4.  Oeneraletat  der  Kn-Ausgaben. 

5.  Specialetat  derselben. 

6.  Generaletat  der  Gun- Ausgaben. 

7.  Specialetat  derselben. 

8.  Verschiedene  Einnahmen  aus  Gebühren,  Oefangenenarbeit 

u.  dgl. 

9.  Steuerciunahme  der  Ku. 

10.  Steuereinnahme  der  Gun. 

1 1 .  Verschiedene  Einnahmen,  einschUelölich  der  Staatszuschüsbe. 

12.  Etat  dm  Httlisfonds  für  die  Ku. 

13.  Derselbe  ftbr  die  Gun. 

14.  Einnabmen  aus  dem  KuvennOgen  und  Ausgaben  zu 
Lasten  desselben. 

Die  Anordnung  ist  im  einzelnen  ungeschickt  und  unbebftlf- 
lieb.  Nicbt  einmal  durchlaulende  Seitenzablen  sind  yorbanden. 
In  den  Speoialetats  wiegen  trotz  des  Kamens  sehr  summariscbe 
Angaben  vor  Ganz  hübsch  wirkt  eine  Spalte^  welche  im  Ver- 
gleich zum  Vorjahr  Vermebrung  in  schwarzen ,  Verminderung 
in  rot-en  Ziffi^rn  an^inebt. 

Was  zunächst  die  Ausgaben  betrifft,  so  überxMcgcn  da  bei 
weitem  die  durch  die  1  Jeoentralijjationßgeöetze  von  1878  und 
1880  den  Ikzirkcn  aulgelegten  Ausgaben.  An  erster  Stelle 
steht  die  Polizeiverwaltung  mit  287  000  Yen,  wozu  ein 
Staatszuschufs  von  480000  Yen  tritt.  Das  Oefhngniswesen  er- 
fordert 218000  Yen,  aulserdem  im  Eztraordinarium  125000  Yen, 
die  Kreisrerwaltung  (Gebäude  und  Beamte)  169000  Yen.  Diese 
8  Posten  verschliogen  allein  60  Prozent  des  Ordinariums. 
Weitere  wichtige  Posten  sind  die  AutV\'endungen  für  Wasser-  und 
Wegebauten  mit  274000  Yen  und  die  Ausgaben  l'ür  Sekund«r- 
schulwesen  (Mittel-  und  Xormalsclmlo  mit  T'inOO  Yen.  Die 
verbleibenden  1*'  Prozent  verteilen  sich  auf  eine  Reihe  kleinerer 
Posten:  Gemciiidrbeumte  in  den  Landkreisen,  Oasbeleuchtung 
in  den  Stadtkreisen,  Armenwesen,  Uesuudheitäweseu,  Bezirkstag 


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666 


X  4 


u.  8.  w.  Im  Extraordinarium  findet  bich  aufiser  dem  erwähnten 
GefUngnisbau  noch  eine  Ausgabe  der  Ku  von  44000  Yen 

Brückenbau  (tliatsächlicli  Rückzalihmg  einer  zu  diesem  Zwecke 
au«  dem  Kuvermögen  früher  entnommenen  Summe).  Hierher 
zu  rechnen  ist  auch  die  Verwen'lnng  von  110000  Yen  aus  den 
Einnahmen  des  Kuvermrtgens  iiir  Baggerunjc:  in  der  Bucht. 
Der  Aufwand  für  Wasser-  und  Wegebau  würde  damit  inagesamt 
428000  Yen  betragen,  über  30  Prozent  aller  Fuausgaben. 

Die  Einnahmen  dee  Besirks,  abgesehen  Ton  den  Einnahmen 
aus  dem  Kuvenndgen,  zerfallen  in  4  Elaaaen  (vgl.  die  tther- 
acht  S.  673): 

1.  „Lokal  steuern   1181548  Yen 

2.  Gebühren  u.  s.  w   61  701  - 

3.  Überachttflse  aus  froheren  Jahren  .  47  736  - 

4.  Staatseuschttfs  zn  PolizMkosten  430101  • 

Die  beiden  letzten  Posten  bedürfen  keiner  Erklärung.  Der 
zweite  ist  aus  den  verschiedcnüten  Bestandteik-n  zusanimeu- 
pesetst:  Gebtthren  der  Polizei ,  Schulgelder,  VerpBegungsgeldcr 
im  Irrenhaus  (welche  die  Ausgabe  ftbr  „Armenwesen**  gri^lsten- 
teils  decken),  Erlös  aus  Ge£EmgenenarDeit  (33621  Yen  der 
Ertrag  des  Arbeitstages  an  2,ii  Sen  gerechnet) ,  Verkaui*  yon 
altem  Material  u.  s.  w. 

Bei  weitem  der  wichtigste  Posten  ist  die  Einnahme  ans  den 
r.ezirkssteuem,  also  den  Grundsteuerzusehiiigen  und  den  ei«:<'nen 
Steuern  des  Bezirks.  Im  Jahre  1888  89  sollten  erstere  in  der 
vollen  geöetzlieli  zulässigen  Höhe  von  einem  Drittel  der  Staats - 
Grundsteuer  erhoben  werden.  Im  Jalire  vorher  war  das  nur  m 
den  Stadtkrdsen  geschehen,  in  den  Landkreisen  wai«n  '**.'m 
erhohen  worden.  Die  Grundsteuensuscbllige  sollten  181 273  Yen 
einbringen,  davon  etwas  mehr  als  die  Hälfte  in  den  Land* 
kreisen. 

Die  eigenen  Steuern  des  Bezirks  werden  in  Stadt  und  Land 
nicht  nur  gesondert  aufgele^^t,  sondern  auch  im  einzelnen  in 
vielfach  ab\¥eichender  Weise^  wenn  auch  die  ürundzUge  die 
gleichen  sind. 

Bei  weitem  die  wielitigste  Lokalsteuer  ist  die  HäusersteutT, 
auf  welche  in  den  Statltkreiaeu  beinahe  zwei  Drittel  der  Steuer- 
einnahme kommen  (643  500  Yen  von  986  278  Yen).  Der  Name 
der  Steuer  ist  in  Stadt  und  Land  verscfaiedeo.  Dort  wird  aie 
Kaoku-zei;  hier  Kosu-wari  genannt.  Ursprüglich  eine  Steuer  der 
Haushaltung ,  ist  sie  schon  im  alten  Regime  unter  dem  Namen 
Koma-wari  zu  einer  wirklichen  Häusersteuer  geworden,  die  nach 
der  LUnire  der  Strafeenfront  sieh  abstuft.  Die  Berechnnnir  ge- 
schieht in  Stadt  und  l^aiid  in  al) weichender  Weise.  In  rlen 
Stadtkreisen  wird  zunächst  die  Grölse  des  GebÄudes.  d.  h.  die 
Grundfläche  der  Stockwerke  in  Tsubo  (G  Fufs  im  (7e^^e^t)  io>t 
gestellt,  was  bei  der  Bauart  japanischer  1  lauser  gewohuUcl»  «»ehr 


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X  4. 


667 


leicht  iBt.  DanD  wird  das  Gebäude  kksBifisiert  etstenB  nach 
dem  Wert  und  sweitena  nach  der  Lage.  Jeder  Kksse  ent- 
spricht eine  w  isse  Zahl  Einheiten.  Mit  diesen  •wird  die 
Tsubozahl  multipliziert.  Die  Steuer  wird  aufgelegt  nach  der 
Zalil  (l<r  80  getiindonen  Einlu-iten.  Im  Etat  fUr  1888/89  ist 
der  »Steuersatz  auf  4,y5  Sen  per  Einheit  festgesetzt. 

Für  den  Wert  der  (Jebäude  sind  25  Klassen  festgestellt. 
In  die  erste  Klasse  gehören  Gebiiude  mit  einem  gescbützten 
Wert  von  raelir  als  2UU  Yen  für  don  Tsubo.  Diese  Klasse  wird 
mit  l;'.  Eiidieiten  angesetzt  Die  uiiU  rste  Klasse  mit  einer  Einheit 
umiafst  die  Gebflude,  deren  Wirt  per  Tsubo  unter  2y,o  Vun  ist. 

Für  die  Lage  des  Gebäudes  bestellen  19  Klassen,  deren 
erste  mit  0,0,  deren  unterste  mit  0,i5  Einheiten  angesetzt  ist. 

Die  Steuer  bewegte  sich  also  1888/89  zwischen  8,7125  Sen 
und  3  Yen  53,»t6  per  Tsubo  der  Grundfläche.  Der  Etat 
nimmt  das  Vorhandensem  von  13  Millionen  Einheiten  in  den 
Stadtkreisen  an  (Ygl  oben  S  048). 

Von  der  Steuer  befreit  sind  Htttten  (Koya),  d.  h.  Gebäude, 
deren  Stützpfosten  nicht  auf  Steinen  ruhon,  ferner  Armenhäuser 
und  alle  RHunie,  welche  zu  Schulzwecken  oder  als  Schüler- 
Internate  benutzt  werden,  eine  Befreiung,  welche  nicht  nur  den 
öffentlichen  Geroeindesciiulen  zukommt,  sondern  auch  allen 
Pri  vatun  t  errich  t.san  stalten . 

In  den  Landkreisen  ist  die  Häusersteuer,  die  hier  wie  im 
gröfsten  Teile  des  Landes  Kosu-wori  genaüut  wird,  etwas  eiu- 
nicher.  Bei  der  Berechnung  der  Grundfläche  des  Hauses  in 
Tsubo  wird  nur  das  Erdgeschofs  toU,  weitere  Stockwerke  werden 
balb  gerechnet.  Gewöhnliche  Holzhäuser  werden  einfinch,  massive 
Häuser  (aus  Steiti.  Ziegel,  Lehm)  anderthalbfach  angesetzt.  End* 
lieh  sind  die  Gebäude  naeh  dem  Grundsteuerscfaätzungswert  der 
von  ihnen  bedeckten  Fläche  in  13  Klassen  geteilt.  Die  erste 
Khisse  wird  durch  einen  ( Irundsteuerwert  von  mindestens  l^t'ro  Yen 
per  100  Tsubo  begrenzt  und  mit  4  Einheiten  angesetzt;  fiie 
unterste,  13.  Klasse  mit  1  Einheit  hat  weniger  als  8,iu  Yen 
Wert  per  100  Tsubo. 

Die  Steuerbefreiungen  sind  die  gleichen  wie  in  der  Stadt. 
Aul'serdeiu  sind  aber  Gebäude  von  weniger  als  7  Tsubo 
fläche  frd. 

Wie  man  sieht,  ist  die  Veranlagung  eine  sehr  Tiel  einfiMshere^ 
da  eine  besondere  Einschätsung  nach  Wert  und  Lage,  wie  in 
der  Stadt,  nicht  nötig  ist 

Der  Voranschlag  für  1888  89  rechnet  auf  1721  700  Em- 
hciten  und  setzt  die  Steuer  auf  4,t)8  Sen  per  Einheit  fest,  wo* 
durch  SO  576  Yen  aufkommen  sollten.  Auf  einem  ganz  ähn- 
lichen Prinzip  ist  die  Gewerbesteuer  (Eigyo-zei)  aufgebaut. 
Mafsgritend  sind  die  dem  Gewerbebetrieb  dienenden  Käum- 
lichkeiten. 


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668 


Die  Berecbnung  in  den  Stadtkreisen  geschieht  in  i^eicber 
Weise  wie  für  die  Häusersteuer.  Die  Gröfse  des  Hauses  in 
Tsubo  ausgedrückt  wird  mnltipÜziVrt  mit  der  Zalil  der  Einlieiten 
der  Wertkl  lasse,  welche  mit  der  der  Iläusersteuer  identisch  ist. 
Die  so  gefundene  Zahl  wird  dann  multipliziert  mit  den  Ein- 
heiten der  Grundfliichenklasse.  Soleher  Klassen  giebt  es  27, 
deren  höclibter  14,  deren  niedrigster  eine  Einheit  entspricht  Die 
Zahl  der  Einheiten  wird  also  der  Re^el  nach  höher  werden 
als  im  Falle  der  Httusersteuer,  wo  daa  MaxiiD  um  der  Eiinheiten 
per  Tsubo  71.6 ,  das  Minimum  0,t5  war,  wahrend  bei  der  Ge- 
werbesteuer das    mögliche  Maximum   182,    das  Minimum 

1  ist 

Die  Zahl  der  Einheiten  ist  auf  1 0  247  24 S  vom  Handel  und 

2  310.^)40  von  der  Industrie  tresehätzt.  Der  Steuersatz  per  Ein- 
heit beträgt  1,2  Sen.  Medizinhändler  sind  einer  besonderen 
Steuer  unterworfen,  nämlich  von  20  Sen  dir  jeden  Licenzsehein. 

Die  Einzelheiten  des  Anschlags  der  Ciewerbesteuer  der 
Stadtkreise  siehe  S.  (374.  Der  Ertrag  ist  auf  154261  Veo 
ge.schätzt 

In  den  Landkreisen,  wo  nur  8205  Yen  von  dieser  Steuer 
erwartet  werden,  geschieht  die  Berechnung  wie  die  der  Httuaer- 
steuer,  nur  dafs  für  den  Grundflüchen  wert  15  Klassen  mit 
Einheiten  gebildet  sind.  Die  Zahl  der  Einheiten  beträgt  430000 
für  den  Handel  und  140000  für  Industrie.  Der  Steuer^ 
satz  ist  1,4  äen.  Medizinhändler  bezahlen  10  äen  per  Lioena- 
schein. 

Eng  mit  der  Oewcrbesteuer  verbunden  sind  die  so^nannten 
,,Ver8ehiedenen  Steuern"*  (/assiiu-zei)  Eine  Anzahl  von  Oe- 
werbeu  unterliegt  nämlieli  nicht  der  Uewerbe-,  sondern  diesen 
Steuern ,  insbesundere  alle  Unternehmungen .  welche  der  Be- 
lustigung, der  Erfrischung  u  s.  w.  dienen.  Ein  iestes  Scheidungs- 
prinzip  zwischen  beiden  best^t  mebt  So  gehören  Qasthftuser 
unter  die  Gewerbesteuer,  Restaurants  aller  Arten  unter  die 
Verschiedenen  Steuern.  Über  die  £}inzelheiten  in  den  Stadt- 
kreisen von  Tokyo  giebt  die  Tabelle  auf  S.  675—678  genaueren 
Aufechluls. 

Hei  vielen  der  unter  die  Ver?^(  hicdenen  Steuern  fallenden 
Betriebe  mrd  die  sttucrbare  Einheil  wie  bei  der  eigentUchen 
Gewcrbosteuer  hereclmet  Im  Budget  für  l!^SS>^n  sind  mit 
einem  Satz  von  1,  Sen  per  Einheit  belegt  Badcanstdten.  Ilav 
\>\<  vv  und  „ Abend tiieater**  (Vose,  wo  Erzähler  und  Deklama- 
toren, PuppeatlKator,  Taschenspieler  u.  s.  w.  sidi  produzieren  — 
die  eigentlichen  Theater  spielen  den  Tag  über).  1,;  Sen  per 
Einheit  zahlen  Dienstbotenvennittler,  2,8  Sen  die  verBduedenen 
Arten  von  Restaurants  und  !;$peiseliäusera.  Fttr  Theater  und 
Theaterrestaurants  wird  die  Steuer  für  jeden  Tag  wahrend  der 
Dauer  der  Vorstellungen,  für  jene  auf  1,7  Rin»  für  diese  auf 


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669 


0,7  Rin  festgt-sc'tzt.  Dabei  wird  auf  140  Spieltage  durchachnitt- 
Heb  gerechnet  ^    Ähnlieh  ist  die  Steuer  von  Schaubuden. 

Andere  dem  Vergniig:en  dienende  Untcrnehmur.gcn  bezalilen 
eine  feste  Summe  monatlicli ,  so  die  zahlreichen  Schiefsstände 
für  Bogen,  Windbuclisen,  Fächerwerfen  u.  dgl.,  auch  Billardä 
(monadidi  50—75  Sen). 

Monatlicbe  ZaUmigen  lebten  ferner  die  dem  Vergnügen 
dienenden  „Künstler" :  Erzähler*  Puppen theateiredtatoren,  Sttnger, 
Ringer,  Schauspieler,  Tänzerinnen  und  Sängerinnen  u.  s.  w.,  ewa- 
80  auch  die  Lehrer  solcher  Künste.  In  jeder  dieser  Klassen 
werden  wieder  Unterschiede  f^emacht.  So  zerfillen  Schauspieler 
in  5  Abteilungen,  von  welchen  die  der  ersten  monatlich  4  Yen, 
die  der  letzten  nur  20  Sen  zu  entrichten  haben.  Von  Tokyo, 
wie  es  «jich  aiiiusiert,  giebt  die  Tabelle  S.  675  emen  ganz 
guten  Begriff.  Übrigens  ist  zu  beachten ,  dals  die  Prostitution 
und  ihre  Besleiierung  damak  noch  nieht  unter  dies  Kapitel  fiel. 

Reine  Gewerbesteuern  sind  die  Steuern  von  Reiflstampfen 
(nach  Zahl  und  Grölse  der  Mörser)  und  vom  Seealgensamnieln. 
Hierher  gehören  auch  die  Zuschläge  zu  den  staatlichen  Schiffs- 
und  Wa^^ensteuem,  sowie  Steuern  auf  Reitpferrle,  Dem  Oh-irakter 
von  Verbrauchssteuern  nähert  sich  die  Steuer  von  Fi.schmiirkten, 
fUr  welche  die  betreffenden  Fischhflndler<;ilden  jührlieh  eine 
feste  Steuer  entrichten,  die  höchste  die  Gilde  des  berühmten  Fisch- 
marktes an  der  Nihon  -  Brücke :  1  200  Yen.  Eine  reine  Ver- 
braucbflüteuer  iet  die  Abgabe  von  geschlachtetem  Vieh:  Rind- 
vieh daa  Stack  80  Sen,  Kälber  10  Sen  u.  s.  w.  (Von  1889 
an  findet  auch  eine  Besteuenmg  des  Sakekonsnms  zum  Beflt^ 
der  StadterweiteruDg  statt) 

Wie  man  an  diesem  Beispiel  von  Tokyo  sieht,  sind  die 
Verschiedenen  Steuern  ein  ziemlich  elastisches  Mittel,  sehr  ver- 
schiedenartige Dinge  in  den  Hereich  der  Besteuerung  zu  ziehen. 

Für  die  Durchfdlirung  der  Gewerbe-  und  Verschiedenen 
Steuern  besteht  noch  eine  Reihe  mildernder  Bestimmungen. 
Betreibt  eine  Person  im  selben  Raum  mehrere  steaerpflichtige 
Gewerbe,  eo  wird  die  Steuer  nur  von  einem,  und  zwar  dem 
hOchstbesteuerten ,  erhoben.  Z.  B.  bei  dem  sehr  häufig  vereint 
vorkommenden  Betrieb  von  Fleisehverkauf  und  Speisewirtschaft 
ist  nur  von  letztcrem  Betrieb  die  Steuer  (mit  2.2  Sen  per  Ein- 
heit (  zu  entricliten  Ehenso  ist  es  mit  den  oben  genannten 
ausübenden  Kiinsdern  (Ei-7Jihlem,  Schauspielern,  Tänzerinnen 
u.  s.  w.).  ist  z.  H.  ein  Krz<ihler  zugleich  Lehrer  seiner  Kunst, 
so  wird  er,  wenn  zur  1.  oder  2.  Klasse  eingeschätzt,  in  ersterer 
Eiigenaehaft,  wenn  sur  dritten  Elaaee  gehörig,  ala  Lehrer  be- 

'  Bei  den  garr/r  und  halbe  Tage  währenden  Vorstellungen  kommt 
den  d.<m  Theater  umgebenden  Theaterrestaurants  eine  besondere  B«t- 
deatiHi^^  za.  Bei  jedem  Theater  befindet  sich  eine  gröfaere  Anzahl. 
Einiafskarten  kauft  man  der  Regel  nach  von  ihnen  and  nicht  an  der 
Theaterkasse. 


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670 


X  4 


steuert.  Beirat  tob  der  Steuer  nnd  dieae  Kttnrtler  und  Lehrer 
der  Künste,  wenn  sie  blind,  verkrüpDelt  oder  mehr  ab  60  Jahre 
alt  sind.  Beiieit  sind  auch  fast  alle  die  zahlreichen  kleineiiy 
vielfach  ambalanten  Gewerbe-  und  Hand^betriebe ,  auf  welche 
man  in  Tokyo  auf  Schritt  und  Tritt  stttlfl  und  deren  genauere 
l^eschreibuns:  eine  Schildorunp  r'mo^  "wichtipfon  Teil^  des 
Stra  Isen  leben  s  bilden  würde:  die  Trinkwasserhimdler,  die  Ki>- 
verkäuffT,  dor  Arne  Mann  \  die  Eiswareuhändler  mit  ihren 
trag-  oder  taiirbaren  Huden  und  Öfchen .  die  Hitndler  mit  ge- 
rosteten Bohnen  und  „Sliioseuibei",  dem  japanischen  Analogon 
unserer  Salzbretcel,  die  Papiersamroler  (unserem  Lumpensammler 
entsprechend);  die  Handwerker,  die  auf  der  StraTse  ohne  Werk- 
statt arbeifen.  £Vd  sind  auch  Fischer  und  der  ganae  Harktrer- 
kehr,  ausgenommen  die  Fischniilrkte. 

In  den  Stadtkreisen  sollten  die  Verschiedenen  Steuern 
100600  Yen  einbringen,  in  den  Landkreisen,  wo  sie  in  .Hhn- 
lifluT  Weise  aufgelegt  sind,  18133  Ven.  Die  steuerpflichtigen 
Kategorieen  sind  hier  die  gleichen.  Im  einzelnen  finden  sich 
bei  der  Bemessung  der  Steuer  viple  Abweichungen .  z.  B  i«^t 
die  Steuer  auf  Restaurants  einlach  nach  der  (iroliie  des  lur 
Gäste  bestimmten  Raumes  und  monatlich  bemessen.  Doch  lohnt 
es  kaum  auf  die  Einzelheiten  einaugehen. 

Wie  erwähnt,  haben  die  Stadtkreise  ein  eigenes  Vermögen, 
Die  Einkünfte  daraus  und  die  damit  gedeckten  Aufgaben  anid 
getrennt  von  dem  übrigen  Budget  verredinet. 

Dieses  Vermögen  stammt  noch  aus  älterer  Zeit.  In 
me]»rei»»n  muleren  Städten  fin(1et  sich  ein  Gleiches.  So  hatte 
die  Madt  Kyoto  ein  Vermöf^en  von  600000  Ven,  welche?  l>ei 
Herstellung  eines  Schiflahrtäkanals  von  Kyoto  nach  dem  Biwa^iee 
mit  verwendet  ist. 

Der  gröfsere  Teil  dcö  Tokyo  -  Stadtvermögeus  war  in 
Staatflschttldscheinen  angelegt  ^  und  swar  im  Nominalbetrag  von 
595935  Ven  mit  einem  Zinsenertrag  von  38061  Yen. 
Weiter  waren  15000  ^'en  zu  3  Prozent  verliehen.  Endlich 
geboren  dazu  eine  Anzahl  Hausgrund.stücke  in  der  Stadt, 
welche  9499  Yen  einbringen  sollten.  Die  Einnahme  von  dem 
nutzbaren  Vermögen  betrug  also  48010  Ven.  Au«  «lern 
Kapitalbesitz  sollten  tisiiso'  >  \ou  «ntnoTnnien  werden,  davon 
43017  Yen  Rückzahlung  an  die  Ku-Kasse.  welche  zum  Hnn 
der  Azumabrücke  vorgeschossen  waren  (liei  den  Ku-Au>ira}><ii 
als  Kxtraordinarium  eingestellt),  der  liest  hauptsachhch  au?» 
Amortisation  und  Verkauf  von  Staatsscbuldscheineo. 

Aus  dieser  Einnahme  von  116690^«  Yen  sollten  116677  Yen 
ausgegeben  werden,  davon  alldn  110  000  Yen  au  Baggerarbeiten 
in  der  Bucht  von  Tokyo. 

'  Arne  ist  eine  zähe.  Huf-io,  malzartijrc  ^Ia«j;iv  an?  welcher  der  mit 
aeiuer  tragbaren  Werkstatt  uiuhorzichcnUe  Arne- Maua  für  wenige  Hm 
zum  Entzieken  der  Rinderwelt  allerlei  komische  Figuren  Inldet. 


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671 


Der  Zuschulö  der  Städtkreise  711111  Hüirsfonds  mit  5 853  Yen 
wurde  gleichfalls  aus  diesen  Einiialinien  bestritten. 

Die  Ri'chnungen  des  Hühsfonds  sind  von  den  allgemeinen 
Ktatü  getrennt.  Die  Scheidung  von  Stadt  und  Land  besteht  auch 
hier.    Die  Einnahmen  sind  folgendermafsen  angesetzt : 

Ka  Gun 

Yen  Yen 

Beitrag  aus  Fumitteb                      5858  6  442 
Staatszuflchuls  (2, 21  Sen  Ton  1  Yeo  der 

Qmndtteuer)                                5852  6214 

Zinsen  dee  Fond»                           7141  n033 

Bosammen  18846  19589 

Der  Beitrag  aus  Fu-Mitteln  wird  in  den  Stadtkreisen,  wie  ge- 
sagt, aus  den  Einnahmen  den  Kuvermogeua  entnommen.  In 
den  Landkreisen  wird  ku  jedem  Yen  der  Grundsteuer  ein  Zu- 
schlag von  2y8  Sen  erhoben. 

Ein  Voranschlag  über  die  ToranssiohlHchen  Ausgaben  des 
Hülfsfonds  ist  nicht  aufgestellt. 

Schulden  besafs  der  Besirk  Tokyo  bisher  ebensowenig  als 
andere  Bezirke  des  Landes. 


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672 


X  4* 


Übersicht  Uber  die  Ausgaben  deiTokyo-fa 
nach  dem  Budget  fttr  1888' 89  (auf  Yea  ab^enuidet). 


•  'f'mei 

nsame 

Aufgaben 

W  II 

'jiun- 

aui>- 

l\U- 

riiir» 

gaoen 

ftnteil 

anwii 

Polizei  ....... 

210  26:^' 

31410' 

34  600' 

97* 

1  276  379 

Polizeigebäude  .... 

WüRser-  und  Wegebau  . 

6  510« 

»78« 

2878« 

— 

10856 

7  310 

10  893 

204  531 

51  282« 

274  016 

i\i-Ku-GuQver8ainmiuni^ 

625 

227 

2  97« 

2  095 

5  925 

Gesundheiteweseii  .   .  . 

6  086 

1  245 

914 

862 

8  607 

^              •      tt_  A_ 

UnterriehtiweMa  .  .  . 

50  624 

19  18« 

— 

— 

69812 

16  372 

2  024 

5i<:^ 

2  113 

26  'M2 

13 

— 

16 

Vergütung  rOr  KaaBen- 

Verwaltung  .... 

640 

60 

— 

600 

Bezirks-,  Ku-  und  Gun- 

amtägebäude  .... 

m 

1«0 

30422 

3456 

34  878 

Gefangene  

184365 

20607  \ 

— 

204  9Ti 

Getan ^'nisgeottade .   .  . 

12105 

1853 

1.'  4->^ 

109  ü«3 

15  381 

125  064 

G^emeindebeMute  .   .  . 

31048 

31043 

Druck-  etc.  Koflten    .  . 

r,\ 

164 

215 

Gaabeleuehtung .... 

16  071 

16  071 

Förderung  der  induathe 

30 

30 

20798 

4092 

24885 

Ordioarium    .   .  . 

405  634 

««171  1 

428  750  1 

HO  115 

1  122  670 

Extraordinarittm: 

Gefanprnisbao  .... 
Brtickeubau  

11*2  ino 

12  537 

43  617 

124  697 
43  617 

Aus    dem    Ku  ver- 

mögen: 
Baggening  der  Tokyo- 

An  den  Hülfsfonde    .  . 
Vonchiedenee  .... 

110  000 
5853 
824 

[6  442J 


110  ouO 
5  8-5;> 
824 

Zuaammen:  | 

607  794 

100  70« 

589  044' 

110  115 
L-f  6  442] 

1407661* 

>  Dm  StaatasoaeharB  fßr  den  Fq  362520,«  Yen 

die  Ku  51899,»  - 

die  Gun        145,9  - 

zuaammen  414565,4  Yen 

«  Dazu  Staatisaacbttrs  f&r  den  Fn  11 224,^  Yen 

die  Kq 


zusammen     15534,^  Yen 
Einschlief«! ich  der  Sraar^zuschäfise  beträgt  also  die  Gesamtnusgahe 

(ohne  Ku  vermögen)  1  |210^6  Yen,  wovon  430100  Yen  aus  >StaaUaiit(dn. 
3  Dabei  an  Zuachnfs  von  8088  Yen  zo  Wege-  nnd  WaMcrbenton 

der  Gemeinden. 

*  Dabei  116677  Yen  Ausgaben,  welche  aus  dem  Vermögen  der  Ku 
bestritten  werden.  Nach  deren  Abzog  bleiben  ftleo  Ausgaben  der  Ka 
412'M',7  Yen.  .\usgabeii  überhaupt  1 290 984  Yen,  weldie  maStoocni  ond 
Qebübren  des  Bezirks  beatritten  werden. 


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673 


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s 


8 

ü 

D 


Fonehangon  (4fi)  2  4.  —  Brnthfen. 


43 


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X  4. 


(J  e wer b esteuer  (Eigyo-zei)  in  den  Stadtkreisen 
(Eu)  des  Tokyo-fa  naoh  dem  Budget  für  das  Jahr 

1888/89. 


Art  der  lietrifibfi 

Zahl 
der 
Betriebe 

Zahl  der 

tiieuersatz 
l,a  8eti  per 
Emheit 



der 

ö  teile» 

Yen 

KuidelMreMUaGhsftea  (Kwaishs)  .  . 

164 

246  560 

2  958,? 

Gfotibiiidler  

2800 

mm  WW 

2590220 

31082.« 

Mft^i^  

1058 

478380 

5740u« 

V  e  svifv 

KlembKiidler  

25554 

4895020 

58740,1 

1649 

210380 

2524,« 

VW  «MSV 

7  AM.« 

HXndler  nüt  Bttdera  o.  dgL  .... 

34 

4690 

2106 

2.W  538 

3066,« 

.544 

97  418 

1  16V*^ 

3  024 

212  122 

2545,» 

889 

485884 

5  8:^0.« 

95 

32  562 

3ijO,- 

Wechs«!  (für  Dbkont  von  Papieren) 

1 

1  742 

20.» 

ä  20  Sen 

1    1  tLA  m 

4120 

IG  600  Medi- 
zinßcheine 

3320 

160 

dtü.  700 
Scheine 

140 

1316 

179  560 

2  154,7 

24497 

2139  980 

25679,» 

f  L  BmM  . 
Zuaammen  {  —  •  , 

\IL  IndiMliie 

44261 

10247248 

126427 

25813 

2319540 

27834,» 

GcMmtecumiis 

70074 

12566  788 

154261,» 

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675 


Veracliiedene  Steuern  (Zasshu-zei)  in  den 
SUdtkreiaen  (Eu)  des  Tokvo-fu  nacii  dem  Budget 

fttr  das  Jahr  1888/89. 


Gegenstand 
der 
Steuer 

Steuersatz 

per 

Einheit,  Kopf,  Stück 
n.  a.  w. 

Zahl  der 
besteuerten 
ijnheitenf 
Köpfe, 

J^türke 

U.  6.  W. 

Steaer- 
ertrag 

1.  R7orja(BeBtMiiiiit8) 

2.  MeehievaTE  (de^) 
8.  Yusenyado  (dfli^.) 

4.  Shibaijaya  (Teeter- 
restaarantB)  .  .  . 

5.  GewöhlilicheSpeifie' 

8.Bttder  

T.Berfaieie  .... 

8.  Dienatbotenrenaitt- 

ler  

9.  Ya-gei-ahisho(TaDz-, 

Miuik-  etc.  Lehrer) 

10.  To  -  gei  -  kaac^  -nin 

fEr/,älil(^r  ,  Sauger, 
Puppentheater  -  Ke- 
cttatoren  etc.)  .  . 

11.  Suno  (BiDger)  .  . 

12.  Sehaiiepieler  .  .  . 

2,s  Sen  per  Einheit 
2.«  -  - 
2,«  -  - 

während  der  Vor- 
stellaugszeit  täg- 
lich Vio  Bin  per 
Einheit  .... 

2,i  Sen  per  Einheit 
1,8    -      •         .  , 
l»t   •     -        •  . 

1,1   •  - 

monatlich  25  Sen. 

I.  KJaaae  mouatl. 

1,50  Yen .  .  . 
IL  Klasse  menatl. 

75  Sen  .  .  . 
III.  Rlesae  monetl. 
]'i  Sen  *  .  . 

L  Klasse  monfttL 
1  Yen   .  .  . 
IL  KImm  menefl. 

50  Sen    .    .  . 
III.  Klasse  monati. 
15  Sen  .    .  . 

L  Klawe  monetL 

4  Yen  ... 
IL  Klasse  monati. 

3  Yen  ... 
nia.  Klasse  monAtL 

1,60  Yen    .  . 
lilb.  Klasse  monatL 

75  Sen  .  .  . 
nie.  Klasse  monntL 

20  Sen  .  •  • 

219  7G0  Einh. 
55610  . 
10840  - 

84554  - 

430  241  - 
111890  • 

85198  • 

1 100  Peri. 

16  • 
139  - 
950  - 

24  > 
31  • 

480  - 

6  • 
5  - 
22  - 

25  . 
408  - 

43* 

Yen 

4  6;M,7 
1223,4 

288,» 

3386,« 

11792 

5  162,» 
1342,7 

904^4 

3300 

288 
1251 
1710 
288 
186 
864 

288 
180 
396 
225 
979,1 

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676 


X  4. 


Gegenttand 

der 
Steuer 


Steuersatz 

Einheit,  Kopf,  Stttek 
u.  s.  w. 


Za]il  der 
besteuerten 
Einheiten, 

Köpfe, 
Stücke 

U.  8.  W. 


13.  Geisha  (Sungerinnen 
und  TItaieiiiinen)  . 


14.  lO^CFiaehiiMikt- 
gUilcn)  


15^  TbMter  . 


16.  SehtostolhiiigeD^ 


17.  Tunnjo  (AiuaiehtB- 
ponkte)  

18.  Yueiba  (Billards, 
SchiefBlmdeii  etc.)  . 


Erwachsene  1  Yen 

monatlich  .    .  . 
Oshaku  ( „trägt  kein 
Shanüsen'')  50 
Sen  monattieh  . 

5  Klasson: 
Nihombashi  gnmi 
Yukkuiclii  .  •  . 
Fukagawa  .  .  . 
»Shitnnn  . 
Shiba  Kauasu^i  -  I 
Honshibft        -  / 

Ehrend  der  Vor- 

8tellung«Mi  täp;lich 
IjiBin  per  Einheit 


I.  RIaese:  Gebäude 
von  mehr  als  100 
Tsubo,  tätlich  1,8 
l^in  per  Linheit  . 

II.  Kln-?f:  (M'bsiude 
unter  UunUertTsu- 
bo.  tÄglich  0,7  Kin 
per  Kuiheit    .  . 

Iii.  Klasse:  im 
Freien,  5  Prozent 
der  Einnahme 

Prozent  der  Ein- 
nahme .... 

Billard  75  Sen  mo- 
natlich per  Tisch 

klfiiiM  Rillards  50 
Si  ii  monatlich  per 
Betrieb  .... 

kleine  l?ojren  (Yo- 
kyuba)  75  Sen  per 
Betrieb  monatlich 

mIU'  aiulrren  (Bo- 
cen,Fächer,  Wind- 
buchsen ,  Blasc- 
rohre)50Sen 

natlick   .  . 


921  Pen. 


51  17;j  Einh. 
durchschnitt- 
Uch  140  Tage 


13453  Einh. 
an  120  Tagen 

964  Einh. 
an  120  Tagen 


TM» 


83 


71 


153 


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X  4. 


677 


G«geiwtand 

der 


uer 

Einheit,  Kopf,  Stück 

U.  8,  W. 


Zahl  der 
beflteueiten 

Einheiten, 
Köpfe, 
Stücke 

Q.  8.  W. 


Steuer- 
ertrag 


19.  Yc?e  fkl^  Abend- 

theater)  

2U.  ächiüe  und  Boote  . 


21.  Wagen 


22.  Keiflttampfen    .  . 

28,  Reitpferde    .   .  . 

24.  ächlftchterei  .  .  . 


Son  per  Einheit 

Boote  über  öO  Ko> 
kn  und  2  Ken 

Länge  wie  Staats- 
Bteuer ,  kleinere 
iialb  


zweispäunig  zum 

Yeimieten  3  Yen 
zweispännig  privat 

a  Yen  .  .  . 
^Qspäuuig  zum 

Vermieten  2  Yen 
einspännig  privat 

2  Yen  ...  . 
Pferdekamn  50 

Sen  

zweisitzige  Jiun- 
kwlia  2  Yen  .  . 

einsitzige  Jinri- 
kisha  1  Yen  .  . 

(nur  für  neue  und 

nach  Tokyo  einge- 
führte Jinriki  ii  i 

zweisitzige  Jiuri- 
kisba  pnvat  2  Yen 

einsitzige  Jinri- 
kisha  privat  1  Yen 

Ochsenkarren  50 
Sen  

gr<  fsr  Lastkanren 
.>U  Sen  .... 

kleine  Lastkarren 
25  Sen  .... 

per  Mörser  20  Sen 
bis  1  ^'en  .    .  . 

zum  Vermieten  1 
Yen  

private  5  Yen  .  . 

Bindvieh  ao  Sen 
das  Stttck  .   .  . 

KAlber  10  Sen  das 
Stack  .... 


62288  £tnh. 


5 101  Japan. 
Boote 

702  Tonnen 
europ.  Schiffe 

88Wagen 
70 
99 

190 
179 

2GUÖ 
1823 


m  - 

1559  - 

137  - 

631  . 

37789  - 

m  Möieer 

33Stöck 
25  . 

18351  - 
645 


Yen 


747,» 


1410,* 

264 
210 
198 
380 
89,» 

5390 

1823 


1066 
1559 
68,s 
315,» 

9  447,3 

151,» 

33 
125 

5505,» 
64»» 


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678 


X  4. 


G^enst&nd 
der 
Stqoer 


Einheit,  Kopf,  Stück 

U.  8.  W. 


per 


Zahl  der 
besteuerten 
EiDheiten, 
Köpfe, 
Stücke 


Steuer' 
ertng 


u.  8.  w. 


Yen 


Pferde  10  Sen  das 
Stück    •  *  .  . 


Sc-liHte  15* Sen  du 
Stück     .    .    .  . 


Schweine  10  Sen 


126  Stück 


das  Stftek  .  .  . 

in  10  Klassen  12 
bis  80  Sen  fÖr 
100  Tsubo  .   .  . 


987  - 


2S.  Seetanggowinnimg . 


604»s 


Anmerkung.  Unter  den  stenernfliehtigen  Peisonen  sind  aneb 

Taikomochi  (eine  Art  Sparsmaeher,  zur  Unterhaltung  der  GKiste  bei  fraeel* 
]\^pu  Vereinigungen)  autj^efUhrt  mit  einem  Steuersatz  von  monatlicli  Yen. 
Im  Voranacliiag  findet  sich  jedoch  kein  Posten  für  diese  Steuer,  ofieobar 
derartige  retwntm.  in  Tokyo  nicht  mdir  Torkommen. 


Chiba  ken.  die  Provinzen  Ka  lzusa,  l^oshu  (Awa)  und  den 
grölaten  Teil  von  Shiniosa  umt'a^sentl,  bildet  eine  Halbinsel  zwischen 
der  Tokyo-Bucht  und  dem  Groisen  Öcean.  Im  Norden  wird  er 
ms£  eme  laoge  Strecke  Tom  Tonegawa  und  den  mit  ihm  rer^ 
bondenen  Seen  und  Lagunen  begrenst.  Die  südliche  HlllAe  iat 
mit  steOen,  zerrissenen  Bergen  bedeckt,  der  forden  ist  eine  weite, 
leicht  gewellte  Ebene.  Die  Qröfse  des  Bezirks  beträgt  326,4«  OBi 
=  5035  Quadratkilometer.  Die  Wohnbevölkerung  betrug  am 
Dezember  1887  1  1592'^7  oder  230  auf  den  QiKtdntkilorafter. 
die  Zahl  der  Plauslialtungen  212187.  Von  den  Einwohnern  sind 
weniger  aU  2  Prozent  ohizoku. 


'  Erläuterung  aus  dem  Budget  selbst  nicht  klar  hervorgehesder 
Punkte  bat  mir  Uenr  Kiachi  von  der  Berirkaregiemng  in  Chiba  beaofgt. 


(Mit  einer  Tabelle.) 


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X  4. 


679 


Auf  den  Quadratri  der  Grundfläche  (=  1555,2  Cho)  standen 
Ende  1887  m  Privateigentum  1021  Cho,  davon  812  Cho  Betsfeld, 
218  Cho  trockenes  Feld,  48  Oho  Banland,  880  Cho  Wald,  66  Cho 
Hank  (Dagegen  im  Daiduchmtt  des  Landes  ohne  Hokkaido: 
715  Cho  in  Privatbesitz,  wovon  144  Cho  Reisfeld,  106  Cho  trockenes 
Pdd,  20  Cho  Bauland,  393  Cho  Wald,  55  Cho  Hara.)  Der  Grund- 
steuerwert betrug  51 547  000  Von  oder  154,r.  Yen  per  Clio  (12:^  Yen 
im  Durchschnitt  des  I^andes).  Ks  ist  ein  vorwiegend  ackerbauen- 
der Bezirk,  doch  ist  die  Produktion  £!:erade  der  lohnendsten  Gegen- 
stände, Seide  und  Thee,  wenig  entwickelt,  erstere  £ut  gar 
nicht. 

Die  Reisprodoktion  ist  sehr  bedeutend,  1888 : 1 440  000  Koku. 
Daaaelbe  ist  der  Fall  mit  Gerste  und  Weusen,  susammen  652000 
Eokn.  Was  sonst  produzi^  wird,  so  Banmwolle,  Tabak  n.  dgl. 
ragt  nicht  ans  dem  Durchschnitt  hervor.  Ai  wird  in  ziemhchen 
Mengen  gebaut  Hindviehhaltung  ist  nicht  stark,  aber  doch  er- 
hebhch  gröfeer  als  in  den  Nachbarbezirken  (148i)0  Stück). 
Pferdehaltung  entspricht  den  benachbarten  Gl^;enden  (56894 
Stück). 

Von  der  Fläclie  des  Reisfeldes  wurden  1884  gut  40,  von 
der  des  Trockenfeldca  etwa  37  Prozent  von  PHchtern  bewirt- 
schaftet, ein  sehr  viel  höherer  Prozentsatz  als  in  den  Nachbar- 
beanrken.  Im  Jahre  1887  waren  es  vom  Bosfeld  schon  fiut  45, 
▼om  Trockenfeld  41  Fhweni  Die  Zahl  der  Landwirtschaft 
treibenden  Haushaltungen  wird  1886  auf  163005  angegeben, 
wovon  im  Hanptberuf  102657. 

Die  gewerbliche  Entwickelung  ist  sehr  unbedeutend,  Sake- 
brauerei ist  nicht  stark  entwickelt,  entspricht  etwa  dem  Landes- 
durchschnitt, Hausbrauerei  ist  häufig.  Dagegen  ist  es  der  wich- 
tigste Bezirk  ftir  die  Shoyu-Fabrikation,  etwa  ein  K<  untel  alles  ja- 
panischen Shoyu  wird  in  Oliiha-ken  (Choshi)  hergestellt  (nämlich 
121816  Koku  im  Finanzjaiir  1SS7  88). 

Charakteristisch  ist  für  Chiba-ken  die  durch  seine  Lage  be- 
günstigte Ausdehnung  der  Fischerei.  18b7  rtoUen  14n31  Haus- 
haltungen Fischerei  als  llauptgewerbe,  18301  Haushaltungen  die- 
selbe aJs  Nebengewerbe  betrieben  haben.  Das  sind  gröfsere  Zahlen, 
als  sie  aus  ugend  einem  anderen  fienrke  bcnnchtet  werden. 
Es  sind  6,s  Prozent  der  Hanshaltungen  im  Hauptberuf,  während 
es  im  ganzen  Land  etwa  2  Prozent  sind;  dazu  sind  weitere  fast 
9  Prozent  der  Haushaltungen  an  der  Fischerei  als  Nebengewerbe 
interessiert  Die  Zahl  der  Fischerboote  betrug  12906  fiir  See- 
fischerei ,  aul'serdem  1884  2450  R\y  Süfswasj^erfisclterei.  Die 
Durcbäcluiittszahl  der  Fischerei bevulkerung  per  Boot  ist  zienüich 
hoch  und  erklart  sich  aus  der  Form  kapitalistischen  Grolk- 
betriebe«,  welche  die  Fischerei  im  Chiba-ken  bereits  angenommen 
hat  Die  grofsen  Fii^chereiunternehmer  sind  zugleicli  die  Grofs- 
grundbesitBer.  Der  Tokyo-Markt  ftlr  Seeprodukte  wird  bu  einem 


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680 


X  4. 


erheblichen  Teile  von  Chiba  aus  veraoi^.  i^^igchdünger  und  Thran 
wird  in  grolaeu  Mengen  bereitet. 

Das  Verkehrswesen  ist  nicht  ßüirk  entw  ickelt.  Es  bestehen 
2  Nationalbanken,  Kr.  47  mit  95  000  Yen  Kapitid  und  Kr.  98 
mit  120000  Yen  Kapital.  Aufserdem  giebt  es  2  Privatbanken 
mit  siuammen  100000  Yen  Kapital. 

Audi  das  Sdralweten  ist  nicht  besondm  entwickelt.  £• 
^bt  eine  Mittelschule  und  eine  Normalschule.  Aulaerdeni  berteht 
m  Chiba  eine  Medizinschule,  welche  der  Bezirk  onteiaMWaly  ak 
Zweiganstalt  der  1.  höheren  Mittelschule  (Tokyo). 

Über  die  administrative  £inteUung  ist  zu  bemerken,  dafs  die 
21  Kreise  zu  10  Kreisilmtem  zusammengel^  sind.  Qemeinde- 

bezirkc  bestehen  :388  (1882  noch  824). 

W;i!in  ii(l  die  Staatssteuern  etwas  Uber  dem  1  )urclj8chnitts- 
koptaiittil  (ies  ganzen  Staate  stehen,  ist  Bezirks-  wie  Gemeinde- 
besteuerung verhältnisnialsig  sehr  gering :  per  Kopf  Bezirkssteueru 
1886  87:  36  Sen  (im  Staate  52),  Gemeindesteuern  13  Sen  (im 
Staate  81).  Dagegen  Staatsatenern  1»<t  Yen  (im  Staatadordiaeiinttt 
IjBs).   Das  Fuiun  bringt  Terhältnismärsig  geringe  Betrüge. 

Das  Budget  des  Chiba-ken  fUr  das  Jahr  1888  89  findet  sich 
in  einem  handlichen  Oktaybändchen  mit  leidlich  klarer  Anord- 
nung. Beachtenswert  ist,  dals  bei  den  einzelnen  Hauptposten 
die  Vnrschläc^e  des  Bezii-kshauptmanns  und  die  endgültig  an- 
genommenen Summen  nebeneinander  gestellt  sind,  otFenbar  eine 
Art  Reklame,  welche  die  Herren  Bezirksvertreter  für  ihre  Sp;>r- 
saiiikeit  bei  den  Wählern  raachen,  da  die  Abstriche  ziemlich  «  r- 
heblich  sind  und  wesentlich  den  Grunde>teuerpäichtigeo  zu  gute 
kommen. 

Das  fiändchen  enthült  auf  71  DoppMdseiten  aiifter  der 
Oeschäfitsordnung  d^  Bezirkstages  und  einigen  anderen  ei^t- 
lieh  dahin  nicht  gehörenden  Dingen  acht  Abschnitte  finanneller 
Nator: 

I.  Ansgabenetat. 
II.  Einnahmenetat. 

ni.  Art  der  Auflegung  der  Gewerbe*  und  Venchiedenen 

Steuern. 

IV.  Art  der  Auflegung  der  Grund-  und  der  Haushaltangs- 

steuer. 

V.  Schulgelderetat  einer  Volksscliule  (als  (Jbungsschule  zur 
Normalschulc  gehörig;  an  sich  sind  Volksschulen  nicht 
Bezirkßiiache ). 

VI.  Etat  des  HiÜfefonds. 

VII.  Reserve  der  Berirkskasse. 

VIII.  Reisekosten  etc.  der  Mitglieder  des  Bezirkstages. 

Die  Etats  unter  1  und  11  enthalten  die  Generaletata  in  der 
eesetzUcben  Form,  eine  summarische  Wiederholung  m  Tabellen- 
torm^  und  die  Specialetats  mit  ziemlich  ausführlichen  Erläute- 


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X  4. 


681 


rungen.  Bei  den  Etats  der  Steuereinnahmen  sind  noch  die 
Erklärungen  der  Abeclmitte  III  und  IV  211  bertteksichtigen. 

Der  Anschlag  der  AiiÄgaben  ibt,  wie  folgt  (auf  ganze  Yen 
abgei-undet,  weshalb  einzelne  Sumniierungen  nicht  ganz  stimmen)  ^ 


i'olizei 

Polizeigebäude 
Wuser-  und  Wegebau 
Desgl.  Zuaofauis  an  die  Ge- 
meinden 
Besirkstag 
Oesundheitswesen 
ünterrichtswesen 
Kreisanitsgebäudö 
Kif'i>})(3amte 
Armen  wesen 
Strandamt 
Druckkosten 

Forderung  der Volkswirtichaft 
Gememdebeamte 
Eaflaenverwahung  (VergQtung 

an  die  Chibabank) 
Bezirk  sregierung^gebäude 
Gefangene 

Transportkosten,  Porto  etc. 
ßeserve 


dabei  Staatanischurs 

92826  Yen   (21421  Yen) 

1378  -      (    318   -  ) 

66996  - 

10248  - 

6  308  - 

31)7  - 

25600  " 

939  - 

55070  - 

526  - 

24  - 

1891  - 

3511  • 

115138  ' 

585  . 

1000  • 

67  836  - 

2946  - 

8235  - 

6116  - 


Summe  des  Urdinarium 

Zum  Neubau  der  Medizin- 
schule 


467071  Yen 


25000  - 


Zusammen  492071  Yen 

Wip  in  allen  Pip/irken  kommt  ein  sehr  grolser  Teil  der 
Ausgaben  auf  die  den  Bezirken  autjgelegten  Staatsausgaben. 
Über  ein  \'iertel  aller  Ausgaben  betrifi'i  Gemeindebedtirftiisse. 
Der  wirtachaftUcheu  Selbstverwaltung  der  Bezirke  bleibt  geringer 
Spielraum.  Der  an  sich  niedrige  Posten  i\lr  Hebung  der  Volks- 
wirtBchai't  wird  bauptsllchlicb  f&r  Wanderlehrer,  Hebung  der 
Seidensucht,  Stipendien  fUr  Studenten  der  TienuzneScbule 
u.  dergl.  ausgegeben.  Die  fiinselheiten  machen  einen  sehr  ver- 
nünftigen Eindrudc. 

Gegen  den  Voranschlag  des  Benrkshauptmanns  sind  42211 
Yen  ab^strichen,  dagegen  1216  Yen  zugesetzt  (davon  1116  Yen 
zur  Bewrve). 
I 


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682 


X  4 


Die  Einnahmen  sind,  wie  folgt,  veranschlagt: 


L  Grundöteuerzuöchlag  228  1 88  Yen 

Gewerbesteuer  67  457  - 

Verschiedene  Steuern  40159  • 

Haushaltungssteuer  81 783  - 


Summe  I  bteuem   417536  Yen 


(dabei  von 
(SefaugDifleii 


IL  GebühnnundVenchiedeiies  82874  -  22105  Y«n) 
ni.  ÜbenchuTs  von  Vorjahren        4922  - 


Gegen  den  Vorachlae^  des  Chiji  sind  abgesetzt  56449  Y»  n, 
wovon  allein  42  543  Yen  bei  der  Gnindst^ner.  Höher  eingesetzt 
sind  15450  YeD,  wovon  15ÜÜU  Yen  aus  der  Keserve  der  Bezirks- 

kafise. 

Was  die  Steuern  im  einzelnen  betritt,  so  ist  die  Grundsteuer 
mit  kaum  mehr  als  der  Hallte  des  zulässigen  Maximalsatzes  belegt 
Eb  flollen  nämUch  17,7  Sen  vom  Yen  eAobeii  werden,  dbo  etwas 
mehr  ab  ein  Sechstel  der  Staatssteuer. 

Die  Haussteuer  (Kosn-wari)  ist  auf  40  Sen  ftir  jede 
Haushaltung  ün  Durchschnitt  festgesetzt.  Die  Steuer  ist  auf  jed^ 
SU  legen,  der  eine  Wohnung  Air  sich  hat^  mag  er  Familien h.inpt 
sein  oder  nicht,  mn<:  er  sein  gesetzliches  DoTnizil  am  Ort  haben 
oder  nicht.  Den  iHirchschnittssatz  von  4(1  ISen  muls  die  Geni^irtde 
aufbringen.  Die  Unterverteilung  geschiflit  durch  die  Geim  inde- 
versammlung,  welche  zu  rliesem  Zweck  im  April  und  Oktolxr 
zusammentritt.  Geschieht  dies  nicht,  so  entscheidet  der  Kocho 
ttber  die  Verteilung.  Die  Steuer  wird  haLbjfthrlich  besahlt.  Von 
der  Steuer  irei  sind  die^  welche  aus  Öffentlichen  Mitteln  Unter- 
•tatBong  durch  Nahrung,  Wohnung,  Ackerbaugerät,  Saa^ut  eta 
erhalten.  Im  Etat  wird  auf  204822  steuerpflichtige  Hanshal- 
tungen gerechnet 

In  .ähnlicher  Weise  wird  die  Gewerbesteuer  aufg(lc<;t. 
Im  Etat  ist  ftir  jede  Gemeinde  ein  Betrajii-  t'estgestellt,  welchen 
sie  von  den  Handels-  und  Gewerbebetrieben  aufbrinfr<n  soll. 
Die  Unterverteilung  und  KinschätzunjEr  dazu  nimmt  die  (ieiiu  mde- 
versammiung  im  Aja-il  vor  (eventuell  der  Kocho).  Die  Aullage 
geschieht  nach  dem  Betr^  der  Bruttoeinnahme  und  zwar  sollen 
etwa  vier  bis  fünf  vom  Tausend  erhoben  w^en.  Von  diesen 


Gewerbe  Sandweier.  Diese  sollen  jährlich  ein  FEznm  von 
40  Sen  entrichten.  Die  ersteren  sind  auf  6624,  die  letzteren  auf 
21 421  geschützt.  Die  auf  die  Gemeinden  umgelegte  Steuer  soll 
vom  Handel  55598  Yen,  vom  Gewerbe  nur  641  Yen  abwerfen. 


IV.  Aus  der  Reserve 

V.  StaataasnschulB 


15  000  - 

21739  - 


Zusammen  492071  Yen 


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X  4. 


683 


Steuerfrei  sind  Hausierer  mit  Efswaren,  Händler  mit  tragbaren 
Ständen,  auch  solche,  welche  Efswaren  vor  dem  Hause  zum  Ver- 
kauf auastellen,  femer  Handwerker  und  Barbiere  uutcr  15  und 
aber  60  Jahren,  dieaelben  (sowie  «adi  Lehrer  der  Ktlnete  und 
anattbeode  Künstler),  wenn  tae  krank  nnd,  Eraaen  von  Hand- 
werkern, Strafsensänger,  endlich  Viehmflrkte;  mit  letaleren  Be- 
stimmungen bin  ich  schon  an  den  Verschiedenen  Steuern 
gelangt 

Von  diesen  wird  diejenige  auf  Restaurants  und  gewölmliche 
E&hUu'^er  in  dersellion  Weise  wie  die  Gewerbesteuer  auf  die 
Gemeinden  umgel^t  und  von  du  s* n  so  verteilt,  dafs  etwa  10 
bezw.  8  vom  Tausend  der  Roheinniiliine  aU  Steuer  erhoben  werden, 
löt  der  von  den  Gemeinden  aufzubringende  Betrag  niedriger,  als 
bei  solcher  Besteuerung  sich  ergeben  wtirde,  so  ist  jedenfalls  von 
BestaurantB  der  2^/8fi!che,  von  Elshäuisem  der  2  fache  Sata  au 
erheben.  Jene  sind  auf  2320  Yen,  diese  auf  2711  Yen  gesehätsi 

Die  sonstigen  Verschiedenen  Steuern  bestehen  aus  den  üb- 
lichen festen  jährlich,  monatlich  oder  täglich  zu  entrichtenden 
Sätzen.  Ganz  merkwlirdig  ist  dabei  die  Mannigf-iltigkeit  der 
auf  die  Fischerei  meist  nach  den  verschiedenen  Arten  von  Netzen 
gelegten  Steuern.  Für  die  Seefi?«eherei  allein  enthalten  die  Er- 
klärungen 37  verschiedene  i^ositionen.  Von  insgesamt  40159 
Yen  Verschiedener  Steuern  kommen  auf  die  Fischerei  11  0Ü7  Yen, 
dazu  von  Booten  4740  Yen.  Der  einzige  sonstige  gröfsere  Posten 
ist  der  Zuschlag  zur  Wagensteuer  mit  6519  Yen.  Weiteres  siehe 
S.  685. 

Der  Etat  des  Httlfsfonds  aeigt  eme  Einnahme  Ton  80856 
Yen,  davon  sind 

Kenbeitrag  (^2,26  Seu  Zuschlag  iur 
einen  Yen  der  Grundsteuer)  29  007  Yen 

Staatsbeitrag  28854  - 

Zinsen  des  Fonds  22995  - 

Der  Fonds  ist  zum  Teil  in  Staatspapieren  angelegt,  nämlich 
253655  Yen,  welche  15892  Yen  Zinsen  geben,  aum  Teil  bei 
der  Ghiba-Bank  deponiert,  nämlich  129152  Yen,  weiche  7103 
Yen  Zinsen  geben  ^ 

AU  Ausgabe  sind  vorgesehen 

UnterbtUtzungen  15000  Yen 

Verwaltnngskosten  770  • 

In  Staatspapieren  anzulegen      65086  - 

Die  Reserve  der  Bezir kskasse,  gleichfalls  bei  jener 
Bank  hinterlegt  und  mit  5^2  Prozent  verzinst,  beläuft  sich  auf 


^  Die  Chiba-Bank  ist  eine  l^rivatlMmk ,  dem  VorsitzendeD  des 
Besirkstages  gehörig.  Im  Besirkstsge  ist  lebhafte  UnsafnedeDheit  dar- 
flber  snsgesprochen,  dafs  der  fiesirkihaiiptmaim  diese  Bank  begünstigt. 


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684 


20187  Yen,  wozu  noch  die  zum  Bau  der  Medizinschule  vor- 
geschossenen 15  000  Yen  kommen.  Dieser  Reservefonds  vsird 
mit  '^imz  getrennter  liechuung  verwaltet.  Er  stammt  aus  Über- 
scbtisöen  der  Bezirkssteucr  iu  dci'  Zeit  von  1875 — 79. 

Bemerkenswert  ist  schlieislich  nur  noch,  dafs  die  BÜtgUeder 
des  Berirkstages  uitd  BeurksMusduuBes  filr  den  Ri  25  Sen  Reiae- 

fdder  erhalten.   Wohnen  816  näher  als  1  Ri,  so  «halten  aie 
eine  Reisekosten,  aber  25  Sen  für  ein  Mittagessen.    Die  Ren- 
AusBchuismitglieder  erhalten  monatlich  30  Yen  Diäten. 

Im  Gegensatz  zum  Bezirke  Tokyo  machen  die  Giniiolktnngen 
alle  einen  verhttltnismäisig  eintacben  £indmok. 

(Siebe  Tabelle  S.  6So.) 


Siebeutejs  Kapitel 


Rfickblick  auf  Ausgaben,  Binnahiieii  ud  das 

Steuersystem. 

Die  Ausgaben  des  japanischen  Staatsweaeos  haben  aich 
aeit  Chrdnung  der  Fbanzen  im  Jahfe  1875  folgendennalaen  ent- 
wickelt (in  runden  Zahlen): 

davon  aafserordentliche 


187576 
1876  77 
1877,78 
187S  79 
1871»  80 
1880.81 
1881,82 
1882,83 
1883/84 
1884/85 
1885 '86 
(9  Monate) 

1886  87 

1887  88 

1888  89 

1889  90 
(Budget) 
189091 
(Budget) 


69  200  000 
59310000 

48  4;;oooo 

6094U000 
60320000 
63U0ÜÜ0 
71460000 
73480000 
83110000 
76660000 
61 120000 

82  620  000 
79690000 
81  510000 
76  6üü  000 

84  580  000 


Yen 


12590000 
2490000 
3180  000 
493'M)i)0 
433UUU0 
2680000 
11080000 
14010000 
15190000 
15940000 
18470000 

830  000 
1  300  fiiiO 
2460  (HM) 
1061000U 

6970000 


Yen 


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X  4. 


685 


Verschiedene  Steuern  (Zasahu-zei)  im  Chiba-ken 
nach  dem  Budget  für  das  Jahr  1888/89. 
(Ertrag  auf  ganze  Yen  abgerundet^ 


Gegenstand 

Steuer- 

der 

Steneraats 

ertrsg 

Steuer 

Yen 

I.  Bjoryt^  (iwstaiiiaDiBj 

umgelejft  auf  die  Gemeinden,  10 

vofv^  ^^oiiaATY/l  Hai*  RAffiiMnvfeMktnA 

vtfiii  1  HutMiiiii  ucrxvoutniiiiiiiiilUB 

2.  MachiaijaTa  ... 

jährlich  10  Yen  

20 

Speisehäuser    .   .  . 

8  vom  Tausend,  wie  Ryorya  . 

2  711 

4.  Bäder  

3  Klfl.«wen,  jährlich  l,m,  1, 0.soYen 

894 

2  105 

6.  Dienstbotemrennittier 

jährUeh  8  Yen  

168 

7.  Lehier  der  „Kfinrte" 

8.  Kttiisller(EixihIeretc) 

184 

monatlich  75  Sen  

407 

9.  Sumo  (Rioger)  .   .  . 

27 

10  Schauspieler    .   .  . 

2  Klassen,  monatlich  50  und  75  Sen 

68 

IL  Geisha  (TänzerinDeii) 

2  Kla«f»f»n.  monatlich  50  und  150 

Sen  (ca.  150  erwachsene  Geisha 

OilA  *v^l  1  V 

lA*  AUUrKW    .    .    .    •  • 

o  ikMMen,  nonauicn  nno  ngiien 

KAI 

0** 

18.  Theater  

1313 

H.  Sehauboden.  .  .  . 

für  Snmo  täglich  1  Yen,  andere 

Sen  

508 

15.  Aussichtspunkte  .  . 

tiifrli*"li  '50  Sen  

1 

16.  Schiefsbuden  u.  dergl. 

214 

Ii*  AiranaiDeaMir  . 

£  tuaeeen«  nonaiiica  miu  Tagiico 

AHO 

Ifi 

uaine  cier  oTaaiMteoer .... 

4  (4U 

naitte  der  otaaiseteuer«  .  •  . 

ooiu 

20.  Wassermühlen.   .  . 

für  den  Mörser  jährlich  20  Sen 

02 1 

21.  Reitpferde  .... 

405 

22.  Schlächterei    .  .  . 

Rinder  und  Pferde     Sen,  Schafe 
Z\j  oen,  iviUDer  unu  ocnwcuie 

284 

23.  Fitcherei  

37  Klassen  Seefischerei,  4  Klassen 
Süfswasserfischprei.  Sätze  meist 
jährlich,  auch  per  Saison  oder 
monatlich,  per  noot,  per  Netz, 

per  Person,  per  Taucherglocke 

11  097 

24.  Seetrinpc^ewimumg  . 

jährlich  20  Sen  der  Kopf.    .  . 

162 

2ü.  VogelsteUen    .   .  . 

K!as.-"'i),  iilhrlich  25  Sen  bis 

1  Veii  

224 

26.  FlSAerei  

jftbiiich  80  Sea  der  Kopf  .  .  . 

10 

ZuMUDnien 

40159 

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686 


Zu  den  niedrigen  Ausgaben  des  Jahres  1877  78  ist  dabei 
daran  zu  eriDnern,  dafs  (i\r  die  Kosten  des  Aufstandea  auf 
Kjushu  eine  besondere  Rechnung  au%esteUt  ist,  auf  welche 

auch  Posten  abgewälzt  sind,  wpiche  eigentlich  in  die  allgemeine 
Ausgabenrechnun^^  p^ehören.  In  dieser  Speeiah-ecliiüinr^  ist  für 
die  Zeit  vom  19.  Februar  bis  Ende  Oktober  1877  eme  Ausgabe 
von  41 567  727  Yen  nachgewiesen  ^ 

Von  dieser  Zeit  an  mt  die  Staatsausgabe  ziemlich  repel 
mälsig  gestiegen  und  bewegt  sich  jjec:enw;lrtii;  um  80  Millionen 
Yen.  Über  die  Ausgaben  fUr  einzelne  \  erwaltungszwecke  isl 
im  füiiilen  Kapitel  den  ersten  Buches  eingehender  gehandelt 
worden.  Das  Anwachstü  in  neuerer  Zeit  ist  vor  allem  den 
wacbsenden  Aus^boi  iUr  Zwecke  der  Landesverteidigung  m- 
zuschreiben,  sowie  denen  für  Juitis  und  PoUzei,  zeitweise  anch 
der  aufserordentUoh  starken  Tilgung  von  Schulden  (Einziehung 
des  Papiergeldes). 

Um  em  richtiges  BikL  der  Öffentlichen  Ausgaben  su  eriudten, 
sind  aber  auch  die  der  kinnnnuialeii  KdrperBebaften  zu  berOck- 

sichtigen,  um  so  mehr  als  frühere  Staatsausgaben  in  grOfserem 
Umfiusge  1878  und  1880  auf  sie  abgewälzt  sind.  Sie  liegen 
uns  von  1879  bis  1888  vollständig  vor  und  sind   in  der 

Tabelle  S.  687  zusammengestellt,  fl'ber  die  Ausg^bf^n  der 
Kommunalverbünde  yei^gleiche  im  übri^^en  das  vorige  Kapitel) 

Die  Oesamtausgabe  aus  öfifentlichen  Mittehi  bdäuft  sich 
mithin  auf  110  bis  120  Millionen  Yen  oder  gut  drei  Yen,  zefao 
Mark,  auf  den  Kopf  der  Bevölkerung. 

Die  Einnahmen  des  japanischen  Staates  haben  sich  nach 
den  Abrechnungen  seit  1875  folgendennaÜKn  entwickelt  (in 
runden  Zahlen): 

davon  auls^rordeutlichc 


1875  76 
1870  77 
1877,78 
1878  79 
187980 
1880/81 
1881/82 
1882/8$ 
1883/84 


69480  000  Yen 

59  480  uuO  - 

52  340  000  - 

1)2  440  000  - 

02 150000  - 

68870000  - 

71490000  - 

73510000  - 

83110000  - 


5  700000  Yen 

abuoooo  - 

2370000  - 

8800000  - 

4440000  - 

5330000  - 

7190000  • 

3620000  • 

15450000  • 


^  Davon      Kheguniniäterium  30  358  134  Yea 
Maiinemiiustwiam       654529  • 

Poliifli  6  3014^  ■ 

zusammen  a?  314 161  Yen  fUr  die  etgeatlkh 

militärischen  Ausgaben. 


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X4. 


687 


1884/85 

1885  86 
(9  iMonate) 

1886  87 
1887/88 
1888/89 
1889/90 

(Budget) 
1890/91 

(Budget) 


76670000  Yen 
62160000  - 

84  020  000  - 

88190000  • 

92810000  - 
76  ( 


»11111  III 


84750000  - 


davou  aulserordenüiche 

4  370000  Yea 
5440000  - 

(10350000  -  ) 

(10670000  -  ) 

(  8720000  -  ) 

(    890000  •  ) 

(  7000000  -  ) 


Ausgaben  aus  Öffentlichen  Mitteln  seit  1879 

in  Yen. 


Ftnannjahr 

des 
Staates  ^ 

der 
Bezirke 

1 

Aua  li^m 

und  dem 
Hülfs* 
fonds* 

der 
Gemein- 
den* 

Zuaammeo 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

1879/80 

60  317  578 

11  247  882 

470  065 

12  981  701 

85017  226 

1880/81 

68  140897 

12  601539 

756  126 

15  m  956 

91633  518 

1881/82 

71460  321 

17  420  390 

1  241  921 

17113098 

107  235  730 

1882^ 

13480667 

194U738 

1228231 

18690037 

112810673 

1883/84 

83106859 

18896760 

1776273 

17952602 

121734494 

1884/85 

76663108 

19068718 

2160786 

16207194 

114125806 

1885/86 

61 121 407 

16306583 

1665701 

13543084 

92836775 

9  Uboate) 

1886/87 

83487259 

21406012 

1380227 

13672735 

119946233 

1887/88 

80  099  381 

19  864  443 

665  052» 

12  347  445 

112  976  321 

Dabei  ist  zu  beachten,  dal's  seit  1886  die  Einteilung  des 
Budgets  eine  andere  geworden  ist.    Es  ist  aucli  daran  zu  er- 
if  WM  oben  ttberhaupt  Uber  die  Aufrlelfaiig  des  Etals 


1  Ausgaben  des  Stsstis  bis  1884^  SeiilnüneeliniiiigeB,  seHdem 
feriinfige  Abrechnan^en. 

*  Ohne  Uokkaido,  wo  die  BezirkaauBM^ben  1884 — 1888  xwiachen 
eOOOOO  und  760  000  Yen  jihiUeh  rieb  bsw^  baben. 

»  HüifsfondB  seit  1880  81. 

*  Ohne  Hokkaido  (140  000—1x0  000  Yen)  und  Okioawa. 
^  Nur  UttlMonds.  Fokin  in  Spalte  3  enthalten. 


üiyilizüü 


688 


X  4. 


gesagt  ist,  namentlich,  dai's  bis  18sü  der  Erlös  der  verschiedenen 
Anleilien  (1877,  1878,  1884  8ö)  und  die  Überschüsse  früherer 
Jahre  Dicht  unter  den  Einnahmen  aafgefilfart  sind.  Dage^eo 
befinden  rieh  unter  den  aufterordotitilichen  Efainahmen  der  Jabre 
1883  84  bis  1886  87  erhebliche  aus  dem  Reservefonds  und  dem 
filsenbahnbautonds  entnommene  Summen. 

Die  ord'*inliclie  Staat^einnahme  bewegt  sich  also  in  den 
letzten  Zeiten  zwischen  7<)  und  '^^'^  MilHon«'!i  Ym. 

Eine  t'bersicht  der  Einnahmen  aller  ötieutUchen  Körper- 
schaften seit  1879  giebt  die  folgende  Tabelle. 


Öffentliche  Einnahmen  seit  1879  in  Yen. 


Finanz- 
jahr 

des 
Staates 

der 
Bezirke 
(ohne 
Hokkaido)) 

FaksD 

1 

HültiB- 
fonds 

der 
Gemein 
den  (ohne 
Hokkai. 

do"  und 

Okinawa) 

Zuaanunen 

1 

2 

3       !     4     '      5  6 

7 

1879  i<0 

1880  si 
1881/^2 
18H2/S:i 

1888  84 
1884/85 
1885'86 
(9  Monate) 

1887/88 

62  151  752 
68  867  2M 
71  480880 
78  rm  427 
83106859 
76669  654 
621.56569 

84020401 
88  191 445 

12  072  570 
18  569  177 

18  741  659 
20  465  184 

19  401  770 
19724558 
16872384 

22416262 
21945663* 

m  825 
757  061 
875  200 
885  272 
844  670 
769071 
585928 

688581 

489  711 
927  ^07 
914  492 
8«7  328 
901303 
694422 

907891 
914157 

13  564  471 

16  129  898 

17  752  s:^ 

18  994:^9 
18  254316 
16743864 
14381662 

14319037 
13014874 

88  421  118 
94  818  101 
109  787  384 
114  767  7^4 
122  494  943 
114806450 
94640915 

122352122 
124066139 

Was  die  Quellen  der  öffentlichen  Einnahmen  be- 
trifft, so  Ubenvicgen  in  einem  ganz  hervorragenden  Mafse  die 
Steuern,  auf  die  regelmäföig  allein  acht  bis  neun  Zehntel  aller 
Einnahmen  entfallen.  Lassen  wir  die  Überschüsse  aus  Vorjahren 
und  die  durch  Anleihen  u.  dei^l.  aufgebrachten  Mittel  aulser 
Ansata,  so  betniMi  die  sftmtlichea  Steneni  und  GebUhreo  (ohne 
Post)  von  der  Einnahme 


1  Von  1884  bis  1887  betrugen  die  Kinnahmen  im  Hokkaido  61u000 
bis  760000  Yen  jährlich. 

2  einschliefslicli  Fukin. 

3  In  den  letzten  Jahren  150000  bis  190  000  Yen. 


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X  4. 


689 


1880/81  1886/87 

des  Staates  85  ^/o  88  »/o 

der  Beoirke  95  »^  u  92  0/o 

-    Gemeinden  92%  85  «  o 

bei  aUen  zasammeD      88  ^iq  88  ^Jo 


1 


Die  Eiumihmen  des  Staates  und  uucii  mehr  der  Kommunal- 
verbände  aus  dgentlicfaem  werbenden  Vermögen  sind  ganz  an- 
bedeutend.  Es  ist  das  fbr  die  Fmanzlage  des  japaoischen  Staate«» 
für  die  Möglichkeit  der  Steigerung  der  öffentlichen  Eännahmen, 
fUr  die  Würdigung  der  Staatsschuld  ein  wohl  zu  beachtender 
Faktor.  Bei  dieser  hervorragenden  Bedeutung  der  Besteuerung 
ist  am  Platze ,  auf  ihre  Entwlckelung  im  besonderen  einen 
vergleichenden  Rückblick  zu  werilen. 

Die  En t Wickelung  der  Steuern  überhaupt  ist  nur 
f^r  die  Staatssteuern  für  die  ganze  Periode  Meiji  festzustellen. 
Die  Abrechnungen  und  Pm(lfi:ets  geben  folgende  Entwickelungs- 
reihe,  wobei  jefloch  die  truiier  zu  den  Steuern  gerwlmete  Kin- 
nahme der  Post  wt^gelüsüen  ist.  Dabei  ist  im  einzelnen  daran 
zu  erinnern,  dafs  die  VIII.  Finanzperiode,  das  erste  Halbjahr 
1875,  alle  Kückstäude  der  vorhergegangenen  7  Jahre  einschliefst, 
bei  der  Yerdelohang  also  ganz  ausscheidet.  Überhaupt  nnd  die 
Einnahmen  bis  1875  nicht  gut  vergleichbar,  da  die  Perioden  un- 
gleich lang  sind,  auch  der  gröfste  Teil  der  Einnahme  in  Reis 
bestand,  so  daCs  die  berechnete  Geldeinnahme  nach  den  Reispreisen 
schwankt.  Nach  der  Neuordnung  von  1875  macht  sich  zunächst 
der  grolne  (mindsteuererlars  «^'eltend  und  der  Wegfall  der  Renten- 
steuer intblLT  der  Ablösung  der  Renten.  Der  Ausfall  ist  durch 
neue  Steuern  erst  iSHl  wieder  eingeholt.  Seit  1883  bewirkt  die 
wirt»<ehaftliche  Kriais  ein  ri  IMckgang  der  Steuereinnahme,  trotz 
Kiniuhrüug  neuer  und  Ei'huiiuug  bestehender  Steuern.  Von  1887 
an  wirken  auch  mehrfache  Steuerherabsetzungen  (namentlich  bei 
den  Hokkaidosteuem,  Ausfuhrzöllen,  der  Grundsteuer). 


^  Die  absolnten  Zahlen  nnd  in  1000  Yen: 

1880/81  isse«? 

Eiii-  Steoeni  EiO'  Stenern 

ashine  nabnie 

Staat  63  367  53839  73  770  6470Ü 

Bezirke  (einschl.  Fokin  and  HülfsfoDdsj    14  503  13755  2  M41  213^ 

Gemeinden  15  6H2   14  470  1-!741  um 

zusammen    i*3oo2   82064  110  602  97758 

Boi  den  Besirkeo  febU  Hokkaido,  bei  den  Gemeinden  Hokkaido 

und  Okinawa. 

Fonohungen  (45)  X  4.  —  lUtligeo.  44 


üiyilizüa  by  C^OOglc 


G90 


X  4. 


Einnahme  von  Staaissteuern^ 


nhnn  %n1ta 

mit  Zlitl«n 

zeii 

2436443 

3157310 

3896  490 

4309316 

Ul 

8675  512 

9323  0»»:, 

IV 

11780403 

12  852  034 

V 

20405  583 

21  827143 

VI  (1873) 

63  231»  632 

64925 807 

VII  (1874) 

63616941 

65115193 

VllI  (1875  1.  Sem.) 

74890886 

75928990 

FmanBjalir  1875/76 

56  892  032 

586107O5 

•  187b  77 

49  052  737 

5104140O 

1877  78 

44  f.}4  6/3 

47 113327 

1878/79 

4ö  18o372 

50  53  /  007 

1879  80 

51  644  290 

o4  20  i  1'2  < 

1880  81 

51  181  009 

53  75ti  044 

1881  82 

5  /  308  1 90 

50  014482 

1882  83 

634<4  7o8 

bt»032  /2o 

1888/84 

62652419 

65282421 

1884/85 

62243 185 

64940901 

1885/86 

48838964 

50884407 

188687 

61 381091 

64371  161 

1887  88 

62  084  466 

66  220  352 

1888  89^ 

60  063105 

64  678  666 

1880  90  (Bud^-et^ 

6;3  7(i5  214 

67  870  756 

IbUO'Jl  (liudget) 

62151965 

66327507 

Wie  unter  den  d£feDtiichen 

weitem  die 

Steuern  an  Bedeutung  hefvorragen ,  so  tmter  den  Stenern  die 
direkten  Steuern^  und  vor  allem  die  Grundsteuer.  Tkots  aUer 
Erweiterungen  des  Steuersystems  steht  diese  immer  noch  im 

Mittelpunkte.  Neben  d>-r  Grundsteuer  haben  die  andrrr^n 
dirf^kten  Pei^onal-  und  Ertrags-steuern ,  auf  welchen  die  K<>in- 
uionaltiiianzen  zu  einem  «irorscn  Teile  beruhen,  steigende  1  Be- 
deutung.   Hinter  den  direkten  Steuern  stehen  die  X'erbrauchs- 


'  1V\H  sind  in  den  Zahlen  einige  Gebuliren  enthalten,  -w-rlehe 

die  Summe  z.  H.  für  1879  MO  um  etwa  76  000  Yen  erhöhen  würden.  i>ie 
Zahlen  seit  1><79  u-.u  h  der  Zusammcnbtelluug  Stat.  Jahrb.  VIII  Sit  und 

^  Zu  beiu  litcn  ist,  dafa  wegen  Abtrennung  des  letzti  n  Gnuidsteuer- 
terminee  die  steuereinoabme  dieses  Jahres  mit  den  N'orjabrea  nur  ta*- 
gleichbar  ist,  wenn  wir  die  Gnindsteuer  vom  Reisliind  um  ein  Orittd. 

§leich  7  T.W)  000  Yen.  erhöhen,  wodurch  das  Aofkonmien  an  Stenern  avf 
2416  000  Yf'n  stcijrcn  würde. 

*  loh  brauche  den  Aufdruck:  „direkte"  Öteueni,  hier  durchweg  nach 

dem  landlfiufigen  Spraebgelwaiiche  im  Sinne  der  Bauseben  „Schatziingfla''« 


biyilizüü  by  GoOglc 


X  4. 


m 


und  die  Verkehrssteuern  ganz  erheblich  zurück.    Ihre  Erträge 

sind  über  den  Höhepunkt  des  Jahres  1882  83  erst  1^^7  88 
wieder  gestiegen.  Um  einen  Überblick  zu  geben,  können  wir 
die  Steuern  zu  folgenden  Gruppen  zusammenfassen: 

A.  Grundsteuer,  des  Staat«  wie  der  Kommunalverbiinde, 
einschlielslich  Zuacbl^e  tur  den  HülMouds  und  Gemeinde- 
flächensteuem. 

B.  Personal-  und  Erti*ag8Steuem  der  Koniniunalverbande, 
nämlich  Haushaltungt»  -  und  Hiiu8er.stouern,  Gevverbe- 
öteuern,  „Verschiedene  Steuern",  boiiatige  Gemeindesteuern, 

C.  Verbrauchssteuern,  nämlich  Getränke-,  Tabak-,  Kuchen-, 
Sboyu  ,  MediriDsteuern,  ZoUe  und  Hokkaidoprodakteii- 
Bteuer  (Uber  deren  syatematiache  Unterbringuitf  man 
ebensoMlir  Bweifeln  kaDn  wie  Uber  die  der  AiuinbnOlle). 

D.  Verkdinateiiem,  nämlich  Wagen- ,  Schiff- ,  Bank-, 
fiOrBensteaero,  Stempel  (eioschlie&lich  GerichtBkoeten). 

Allerlei  sonstige  Gebttbren  und  lioenzen  bleiben  dabei  im- 
bertteksichtigt  Eine  nnbedeatende  StiSrang  iet  es  auch,  dajÖi  bis 
1887  in  der  Grundsteuer  die  Stempel  Tom  Besitewechsel  ent- 
halten sind. 

Dk>  Zusammenstellung  in  diese  4  Gruppen  in  4  Finanz* 
jähren  engiebt  folgende  Zahlen: 

1880/81       1882/83       1884/85  1886/87 

Yen  Yen  Yen  Yen 

A.  58  458  839    iU  382  9^2    (33  305  642    6<)  1 4<  1 1 23 

B.  12112  7Ü0    1(3047073    14  550  0GO  16191072 

C.  9430029   20445294    18953  707    18771  303 

D.  1811 752     2  064800     2  428200  2195096 

Summa    81813386  102940149    99  232  009  97298254 
Von  je  100  der  Summe  dieser  Steuereinnahmen  kam  also  auf 


Gruppe 

1880^81  1882,83  188485  188ry87 

A.  71              62             64  62 

B.  15              16              15  17 

C.  12              20              19  19 

D.   2^  __2_  _2_   2 

100  100  100  100 


1  (Hp",  r  (;rn;  ]ie  dnrftpn  einige  Tirbrclcnteiide  Ponten  sein,  die  in 
andere  Gruppeu  geboren,  das  Gesauitcrgebnis  aber  weuig  stören. 

*  Die  Kommanalsteaem  im  Hokkaido ,  deten  geotner  Betrag  mir 
erst  von  1884  an  bekamit  ist  (50  (KXJ -60  000  Ten),  Isase  ich  w^.  Ebenso 
die  £zport8teQer  am  dem  Hokkaido. 

44* 


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692 


X  4. 


Dafs  der  All  teil  der  VcrWauchssteuern  trotz  Eintulirung  !)■  tier 
(Shoyu,  KucIh  ii)  und  Erhöhuug  l>e8tehender  Steuern  nicht  mtlir 
gewachsen  iät,  liegt  an  dem  grol'ben  Küekgaiig  der  Getranke- 
steuer.  In  absoluten  Zahlen  ist  eine  nicht  unbedeatende  Ab- 
nAhme  vorbanden.  Doch  sind  seitdem  infolge  des  wirtBcbaftlicheB 
Auftebwungs  diese  Steuern  wieder  gewachsen  und  haben 
1888  80  26  274  027  Yen  gebracht,  Milüoneo  mehr  als 

1886/87.  Da  anderers^ts  die  Grundsteuer  1880  ermäfsigt  ist, 
was  in  den  Bezirken  und  Oemoinden,  weleho  das  gesetzliche 
Maximum  schon  erreicht  hatten,  gleichfalls  eine  Ermäfsi^iung 
nach  sicli  ziehen  mufs,  so  werden  die  Vorhfl!tnis55ahlen  sich  doch 
etwas  verschieben  zu  Ungunsten  des  Anteiles  der  Grundsteuer. 

Für  die  taatsöteucrii  allein  ist  es  möglich  auf  einen 
längeren  Zeitraum  die  verschiedenen  Steuerarten  zu  vei^leichen. 
Stetten  wir  das  letale  Jahr  vor  der  Steuerreform»  1874,  dessen 
Abrechnungen  doch  wohl  leidlich  richtig  sein  Werdum,  mit  dem 
Jahre  der  niedrigsten  Steuereinnahme,  1877  78,  der  letiten  vor- 
liegenden Abrecnnung,  1888*89  \  und  dem  lotsten  Budg^ 
1890/91,  BUsammen,  so  kamen  in  1000  ITen  auf 


1874 

1877/78 

1890  91 

direkte  Steuern 

60844 

31>  5(35 

4.J  4<)5 

4U584 

Verbrauchssteuern 

3824« 

6204 

26274 

23  73o 

Verkelirssteuern  und 

OebQbren 

604 

1502 

8840 

3594 

zusammen 

65  272 

47331 

73  519 

67911 

Auf  die  drei  Gruppen  kamen  also  von  je  100  der  Sleuer- 
einnahme 


1874 

1677/70 

1888^9 

1890^1 

direkte  Steuern 

93 

84 

59 

60 

Verbrauchssteuern 

6 

13 

36 

85 

Verkelirssteuern  und 

Gebühren 

1 

3 

5 

5 

zusammen 

100 

100 

100 

100 

Auf  die  Grundsteuer 

allein  kamen  davon 

91 

84 

58 

58 

Ist  der  Anteil  der  direkten  Steuern  unil  öueci»  !!  der  Grund- 
steuer im  Vergtdcb  mit  europäischen  Ländern  immer  noch 
aulserordentlich  hoch,  so  sagen  obige  Zahlen  doch  deutUoh,  wie 
Japan  sich  von  dem  System  des  impdt  nnique  immer  mehr  ent> 
femt,  nicht  ans  ii^gena  welchen  theoretischen  GrOndeUi  sondern 


*  Mit  Erhöhung  der  Steuer  vom  BeisiAnU  um  ein  Drittel. 
1  Für  die  HotuMidonroduktenstener,  deren  Ertnuc  mir  onbekauut 
ist,  satie  iefa  aoOOOO  Yen  ein. 


biyilizüü  by  GoOgl 


693 


weil  die  harte  Erfahrung  zeigt,  dafs  es  nicht  nur  unmöglich  ist 
ftir  die  wachsenden  öffentlichen  BedUrfbiaae  den  Grundbesitz  noc^ 
mehr  zu  belasten  als  bisher,  vielmehr  auch  auf  die  Dauer 
unhaltbar  die  öftentlichen  Lasten  fast  ausHchliefslich  dem 
(inmdbesitz  aufzupacken  Die  Ermäfsigung  der  Grundsteuer 
durch  die  erste  grolke  Kelürui  war  wohl  mehr  aus  dem  Bedürfnis 
hervorgegangen,  die  Steuer  einheitUch  zu  gestiüteii  und  den  sieg- 
reicheD  Saden  zu  entlasten.  Die  EnDäfsigungen  von  1877  und 
1889  sind  aber  dirdct  die  Fdge  der  bmchtigten  Klagen  der 
Landbevölkerung  gewesen,  und  es  ist  TorauBzusehen,  da(s  man 
aut'  diesem  Wege  weitergehen  wird. 

Inamerhin  ist  es  auch  jetzt  nach  ein  verhultnismflfsig  kleiner 
Teil  der  Steuereinnahme,  der  aut  indirektem  Wege  aufgebracht 
wird.  Wir  haben  oben  bei  der  Betrachtung  der  einzehien  Steuern 
schon  gesehen,  dafs  die  indirekten  Steuern  bei  stärkerer  An- 
spannung versagen.  Es  ist  das  die  Folge  der  wirtschaftlichen 
Entwicikelangsstiife,  auf  welcher  Japan  steht  Bei  der  anter  der 
landwlsehanlichen  Bevölkerung  i.  h.  dem  gröfsten  Teüe  des 
Volkes  herrschenden  hauswirtschalUichen  Organisation  entziehen 
sich  die  Verbrauchsakte  der  Steuer.  Der  Bauer  raucht  seinen 
eigenen  Tabak,  trinkt  seinen  selbstpebrautert  Sake  u.  a.  w.,  und 
das  läist  sich  nur  äufserst  unvollkommen  zur  Hostonerung  heran- 
ziehen. Soll  der  Verbrauch  hocli  besteuert  werden,  so  hat  das 
die  Wirkung,  dafs  geradezu  ein  Rückgang  in  d(r  Arbeitsteilung 
eintritt,  indem  wieder  mehr  als  bisher  in  der  ei;4tnen  Wirtschaft 
fbr  den  eigenen  Verbraudi  erzeugt  wird,  während  Torfaer  mehr 
zugekmft  wurde.  Die  Verbranchsbesteuerung  trifft  toU  nur  die 
städtische  Bevölkerung,  bei  welcher  die  Verkehrswirtschaft  voll- 
ständig durchgeführt  ist. 

Wie  mit  den  Verbrauchssteuern  ist  es  mit  den  Verkelirs- 
steuern .  Stern pelafiL'-fibcn  von  Urkunden  u  dergl.  Derartige 
Steuern  können  ^loise  Einnahmen  erst  liefern  bei  entwickelter 
Geld-  und  Kreditwirtschaft,  entwickelten  Transportmitteln,  ent- 
wickeltem Verkehrsleben. 

Auf  niedrigen  wirtschafUidien  Stufen  müssen  natuigemäfs 
die  dhrekten  Stmxem  im  Vordei:grunde  stehen.  Aber  audi  hier 
zeigt  die  japanisc  he  Er&bmng,  dai's  allgemeine  Einkemm^uteuem, 
welche  aut  der  Voraussetzung  der  Berechnung  aller  Einnahmen 
in  Geld  beruhen,  bei  hauswirtschaftlicher  Organisation  versagen. 
Auf  dieser  Stufe  sind  solche  Steuern  angemessen,  welche  sich  an 
einfache  Merkmale  ansi  lili*  Isi  ri .  die  hMcht  zu  erfassen  sind. 
Steuern,  welche  auf  die  Familie,  die  IJauöhaltung  autgelegt  sind, 
kommen  nächst  der  Grundsteuer  wesentlicii  m  Betracht.  Dafs 
auch  die  japanische  Grundsteuer  ihrer  ursprUndicheD  Anlage 
nach  mehr  eine  allgemeine  Vermögens-  und  Wirtochaftssteuer 
ist,  habe  ich  oben  anszufilhTen  gesucht.  Dals  die  Haushaltungs- 
und ähnlichen  Steuern  die  Steuerpflichtigen  wesendich  in  gleicMr 
Höbe  trefifen,  wird  kaum  als  ungerocbt  empfanden,  da  sie  einer- 


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694 


X  4. 


seit«  niedrig  sind,  anderseits  die  einselnen  Familien  in  ziemlich 
ähnlichen  wirtschaftlichen  Verhältnissen  leben.  In  der  feudalen 
Gesellscliaftsorganisation  herrschen  die  Hechtsunterschiede,  erat 
in  der  modernen  (Tesellschaft  die  Verniögensunterschiede. 

W  o  aber  solche  steuern  durch  ihre  Höhe  druckend  wirken, 
da  sehen  wir  schon  unter  dem  alten  lici^ime  den  Nachbarver- 
band mildernd  einwirken,  indem  die  Vermögenderen  einen  gröfeeren 
AnteO  ttbemehmen.  Weitere  Nachforschungen  würden  in  Japan 
wahiBchdnlich  eine  ganze  Reihe  solcher  eigenartiger  AnsM- 
dangen  der  direkten  Steuern  zeigen'. 

Fi\T  die  Beurteilung  der  Leistungsfähigkeit  der  einaelnea 
Landesteile  wie  ihrer  thatsächlichen  ßehistung  dürfte  es  an- 
gemessen .sein  auf  den  Anteil  der  einzelnen  Bezirke  ?in  der 
B  e  s  t  e u  e  r  u  n  einen  Blick  zu  werfen  (auf  (4rnnd  der  Zuöammen- 
btellungen  in  den  Stat.  Jahrbüchern).  Dabei  ist  dann  nicht  aulstr 
acht  zu  laöiscn,  dais  darin  die  Verbrauchsbesteuenmg  einbegriffen 
ist.  Soweit  bei  dieser  der  Konsunitions bezirk  verschieden  ist  von 
dem  Bexirk  der  Sleuemhlung  (Sake,  Shoyu),  ergiebt  steh  ▼on 
der  wirkßchen  SteuerbeUstu^g  kein  richtiges  Bild.  Gegenden 
grofser  Sake-  oder  Shoyaproduktion  (Hyogo,  Chiba)  endieinen 
zu  hoch  belastet,  Gegenden  grolsen  Verbrauchs  (Tokyo)  zu  niedrig. 
Die  Zölle  sind  ganz  beiseite  gelassen,  ebenso  verschiedene  Ge- 
bühren ;  Fukin  und  Zuschläge  zum  Hülfsfnnds  sind  eingerechnet. 

Vergleiehbai!'  Zaiilen  lie<ren  für  acht  Finanzjahre  von  1879 
bis  1HH7  vor.  Jfdoc  h  ^sind  für  Hokkaido  bis  1883/84  einschliefe- 
lieli  nur  die  Stuit.ssteuern  und  Fukiii  angegeben  Danach  wäre 
das  Gesamtauf kommen  an  Steuern  (ohne  Zölle)  gewesen: 


1879/80 

745242409  Yen 

51644290  Yen 

212  Sen 

144  Sen 

1880/81 

79407806  - 

51181909  - 

217  - 

140  - 

188182 

92  320231  . 

57398190  - 

252  - 

1882  83 

100562  025  - 

63472  7r,S  - 

271  - 

171  - 

1883/84 

98  379073  - 

62 65 l:  HO  - 

262  • 

166  - 

1884/85 

9(3  804  079  - 

62237  880  - 

255  - 

163  - 

1885/86 

78273987  - 

48838964  - 

202  - 

127  - 

(9  MonO 

1886/87 

94  070  320  - 

01381091  - 

244  • 

158  - 

mit  fremden  MuBtcrn  entptfiTidenen  Klasseusteuor.  w*'k'he  sich  die  Leute 
selbst  aus^'edacht  hatten,  tund  ich  in  dem  bekannteu  Üadeort  Miyanoshita. 
Da  die  allgemeinen  Vorschriften  ttber  Grundttener«,  Gewerbesteuer-  etc. 
Zuschläge  dort  ^-  ir  nicht  hinpassen  —  es  ^ebt  z.  B.  mir  V.K  .  ri  o  Acker- 
land —  haben  die  Einwohner  eine  Steuer  in  15  Klassen  (Tokyu)  erfunden, 
in  welche  jeder  Hauafaalter  nach  Grundbesitz,  Gewerbebetrieb  u.  s.  w. 


Steuern  überhaupt    davon  Staats- 

stenero 


auf  den  K.:.]if  der 

Bevölkerung 
Steuern  Staals- 
Qberhanpt  Btenera 


biyilizüü  by  GoOglc 


695 


Zu  gröfäerer  Vollständigkeit  sei  bemerkt,  dafs  bei  Emrechnang 
der  Zölle  und  der  nicht  bert'icksichtigten  Gebühren  nnd  Liooilsini 
die  obigen  Summen  sich  1886  87  stellen  würden  auf 

98003662  Yen     64708  437  Yen     253  fSen     li>7  8en. 

Nach  dieser  Zusammenstellung  waren  also  im  .Jahre  1871'  80 
^Eist  Ü8  Prozent  aller  Steuern  Staatsäteuern,  1881  82  nur  mehr 
62  Pkozent,  1886/87  wieder  fost  65  Prozent  Die  Kommunal- 
■teuem  haben  sich  In  dtemi  Zeitraum  etärker  vennehrt  tind 
wieder  vermindert  als  die  StaatMteuem.  Die  gesamte  Steaeilast 
war  im  letzten  der  acht  Jahre  um  24  Prozent  höher  al:>  im  ersten, 
die  der  Staatsstt-uem  allein  nur  10  Prozent.  Auf  den  K<^pf  der 
Bevölkerung  h«  reehnet  war  die  Steuerlast  1882;83  28  Prozent 
höher,  1880  ö  7  nicht  ganz  12  Prozent  höher  als  im  Jahre  1879  80*. 

Bei  einem  Vergleich  der  Bezirke  untereinander  ist  zunächst 
Okinawa  als  abnorui  zu  beseitigen,  da  für  diesen  Bezirk  nur 
die  dort  erhobenen  Staattsteueni  nachgewiesen  sind,  &st  aas- 
scUMsIich  Qrandsteoer.  Das  StenerautkommeD  betrog  auf  den 
Kopf  der  BevOikemng  nur  68  Sen.  Abnorm  ist  wdter  Hokkaido 
wegen  seiner  eigenartigen  Steuern  (Produktensteuer  und  Ausfuhr- 
Steuer  bis  1887),  wiihrend  manche  andere  Steuern  nicht  erlioben 
werden.  Im  Jahre  1880  87  kamen  vom  Kopf  der  Bevölkerung 
3,13  Ven  auf,  wovon  2,:?  Veu  Staatssteuer.  Beschränken  wir  uns 
auf  die  Bezirke  Altjapans,  so  finden  wir,  dafs  1886  87  nur  in 
einem  Bezirke,  jMiy<igi,  die  KonimunaLsteuern  höher  waren  ab 
die  StaatBSteuem  (182  Sen  Staate-  gegen  139  Sen  Kommunal- 
steuern  auf  den  Kopf);  im  Jahre  1882/83  war  es  nur  in  Tokyo 
der  Fall.  T>en  Staatssteiu  i  n  ziemlich  nahe  standen  dieKommumu- 
steuern  1886  87  in  Tokyo,  Tottori  und  Shimane. 

Das  Steueraufkommen  überhaupt  war  in  Altjapan  auf  den 
Kopf  der  Bevölkerung  Ivci  weitcin  am  höehster!  im  Bezirk  Hyogo 
mit  3,89  Yen,  eine  Folge  der  groisen  Sakemdu^trie  im  Bezirke. 
Nach  Abzug  der  Getränkesteuern  sinkt  der  Kopianteil  auf  2,sii 
Yen.  Nächst  Hyogo  ragen  hervor  (mit  Angabe  des  Grimdes 
für  diese  Bedeutung) 

Shiga        mit  3,8a  Yen  (Grtmdsteiier) 

Okayama    -    3,i6    -    (Grundsteuer,  Kommunalsteuem) 


eiiipeschätzt  wird.  Die  höchste  Klasse  br^nlilt  monatlich  Ii  Yen,  die 
niedrige  10  Seu.  Der  GeBamtertrag  ist  lUO  Yen  im  Monat  von  129 
Famihenhäuptern  im  Sommer  18^9  (81  in  Miyanoshita  seihst,  48  in  Ohi> 
radaiji  Für  1889  90  waren  aber  bot  10  Monatsraten  (1000  Yen)  ins  Budget 
eingesetzt.  Die  Gemeinde  brachte  an  Steuern  aufserdem  auf:  Staats- 
steuem  436,73  Yen  (Ci rundsteuer  229,«i  Yen,  Einkomuiensteuer  73,»i  Yen 
XL  9,  w.)  und  Besiiicaeteiieni  354,w  Yen  (Gewerbesteuer  254  Yen,  Ver- 
schiedene Steuern  'i¥),9o  Yen,  Grondeleiienniachhig  22,»  Ptfomut,  KoBO-wari 
dorchechnittlicb  M2  Sen). 

>  Diese  Prozentsätze  sind  aber  um  dn  wenig  zu  niedrig,  da  die 
oflBzieUen  Hevölkemnguahleii  sie  Ii  nchneller  vermehrt  haben,  als  die 
wifkliohe  BeTölkenugmuiahme  betrug. 


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696 


Tottori      mit  3,18  Yen  (Kommunalateuem) 

Miye  -    2,»2    -  (Grundstoiier) 

Osaka        -    2,Hö   -  (Sakesteuer) 

Fukuöliima  -  2,»r, 
Yamagata   -    2,8 1  - 

Miyagi       -    2,7 1    -  (Kommunalöteuern) 

u.  s.  w. 

An  unterster  Stelle  finden  sich 

Eagoehima  mit  l,4e  Yen 

Nagasaki  -  l^rs  - 

Tokyo  -  1,81  - 

Iwate  -  1,88  - 

Yamaguchi  -  ],•!  - 

Miyazaki  -  2,oa  - 

Hiroshima  •  2,o9  - 

Kanagawa  -  2,iu 

Am  auffallendsten  ist,  wie  tief  der  hauptstHdtische  Bezirk 
Tokyo  steht.  Der  Grund  liegt  iu  dem  japanischen  Steuersystem, 
welelies  bisher  den  beweglichen  Besitz  kaum  erfafste.  Dal's  in- 
direkt iokyo  zur  Sake-  und  Shoyusteuer  mehr  beiträgt,  aU  die 
Zahlen  besagen,  ist  natfirlidi  aadi  nicht  ni  vergessen.  Dnrcfa 
die  seitdem  in  Kraft  getretene  Einkommensteuer  wird  sich  das 
Müsvarhältnis  auch  wenigstens  etwas  ausgldchen.  Immerbin 
bleibt  Tokyo,  wo  ein  so  groC^er  Teil  der  Staatsansgaben  erfolgt 
ein  übermärsig  begünstigter  Teil  des  Landes. 

Vergleichen  wir  mit  obiger  Aufstellung-  das  Jahr  1S82  8:^, 
so  finden  wir  auch  damals  im  allgemeinen  eine  ähnliehf^  X^r- 
teiluiii;  des  Steueraufkommens.  Doch  stand  damals  Siu'-a  ivm  h 
ül>er  ilyogo,  während  Tottori  kaum  höher  als  der  I^ndej^Uun  ii- 
achnitt  war.  Besonders  hoch  (über  3  Yen )  standen  damals  audi 
Gumma,  Saitama,  Aichi  tmd  Gifu.  Die  niedrigsten  Bezirke  sind 
in  beiden  Jahren  die  gleichen,  nur  standen  damals  auch  Shimane 
und  Kochi  sehr  tief. 

Veigleichen  wir  endlich  die  oben  angestellten  vier  Steuer- 
gruppen mit  der  Zahl  der  Bevölkerung,  so  kamen  auf  den  Kopf 

1880/81    1882/83    1884/85    1886  87 

Grundsteuern  161  Sen  174  Sen  166  Sen  157  Seo 
Andere  Personal-  und 

Ertragssteuem            33    -  43    -  38   -  42  - 

Verbrauchsateuem          26    -  55    -  50    -  48  - 

Verkehrssteuem             5   •  6   -  6  -  6  - 

Unsere  Ausführungen  wttren  unvollständig  ohne  einige  Worte 
fiber  die  wünschenswerte  Weiterent Wickelung  des  japa- 
nischen Steuersystems. 


biyilizüü  by  GoOglc 


697 


Die  Grundsteuer  ateht  im  Mittelpunkte  der  ganzen  japani- 
schen Finanzwirtschaft.  Ihrer  Erhöhung  das  Wort  zu  r«ien, 
wird  wohl  niemandem  einfallen.  Einmal  die  Höhe  der  Quote 
des  Ertnig^,  welche  sie  beansprucht,  sodann  die  Ungleichheit, 
welche  teils  von  Anfang  an  vorhanden  war,  teils  infolge  ver- 
änderter wirtschaftlicher  V^erbältnisse  sich  ausgebildet  hat,  wilrden 
ein«  amfiushe  Erhöhuii^  der  Steuer  00  nnf^ereät  encfaeineD  laasen, 
dals  nur  in  den  fitiuerBten  NotfilUen.  eme  Regierung  sich  dasu 
eDtacUiefsen  könnte.  Bei  weiteren  Änderungen  an  der  Grund- 
steuer kann  es  sich  immer  nur  um  Entlastung  handeln.  Die 
1889  abgeschlossene  Katasterrevision  wirkt  in  dieser  Richtung. 
Die  Frage  ist  nber,  ob  es  bei  dioser  Revision  utkI  d<n  anderen 
kleinen  Andtrun^'en  der  letzten  Zeit  sein  Bewenden  haben  soll. 
Vielfach  wird  eme  gleichmMlsige  Herabsetzung  des  jetzigen  Steui  r- 
fiatzes  von  zweiundeinhalb  Prozent  befiirwortet,  eine  Erneuerung 
der  Malsregel  von  1877^  wie  sie  wohl  auch  bei  Erlui's  des  Grund- 
steuei^geeetzeB  y<m  1873  roi^geschwebt  hat,  als  man  leichtfertig 

fenug  war,  eine  HerabeeteanK  bis  auf  ein  Prozrat  zu  versprechen, 
lir  acheint,  dafe  gegen  eine  solche  aUgemeinegleichmüTsige  Herab- 
aatzung  des  Gnindsteuersatzes  sich  gewichtige  Einwendungen 
machen  lielsen.  Das  politische  Bedenken,  welches  sich  daraus 
ergiebt,  dals  das  Wahlreelit  zum  Abgeordnetenhause  an  eine  be- 
stimmte Stouersinnme  geknüptt  ist,  Heise  sich  durch  entsprechende 
Hemb-setzung        s  Census  leicht  beseitigen. 

Dagejren  winde  eine  ^leichmiilsi^e  Herabsetzung  des  Steuer- 
satzes hüciist  üugleichraäfsig  und  ungerecht  wirken.  Auch  die 
KatastenrevisioQ  von  1885  89  hat  doch  nur  einen  Tefl  der  Un- 
gleichmäfsigkeit  der  Behutung  beseitigt  Vor  allem  hat  sie  nur 
bestanden  in  Herabsetsungen,  nicht  in  Herau&etzungen  des  Steuer- 
wertes.  Es  giebt  aber  viele  Orundstücke,  welche  durch  die  zu- 
fällige Entwickelung  der  Umstände  ganz  unverhältnismäfsig  er- 
leichtert sind.  Es  ^ebt  ganze  Gegenden,  in  welchen  das  der 
Fall  ist  (die  Seidengegenden),  ja  ganze  I'ezirke.  in  welchen  es 
die  Folge  der  Unvollkomraenlieit  der  Einschätzung  ist  (  ^'ama}i;uchi!). 
Ein  gleichmälsiger  Steuererlals  würde  ganz  unbegründeterweise 
solche  bestehende  Erleichterung  noch  vermehren.  Ferner  hat 
ein  sehr  erheblicher  Teil  der  Grundstücke  den  Besitzer  ^wediselt 
Die  neuen  Besilser,  vielfach  stMdtische  Kapitalisten  (Kaufleute, 
Beamte),  haboi,  namentlksh  in  den  Jahren  1884/86,  den  Besitz  zu 
60  niedrigen  Preisen  gekauft,  dafe  ftir  sie  die  Steuer  thatsächlich 
nicht  drtlckend  ist.  Solehen  neuen  Grundbesitzern  würde  ein£äch 
ein  ungeheures  Geschenk,  der  Kapitalwert  der  Ermftrsigung,  ohne 
jedes  Verdienst  in  den  Schofs  geworfen 

Weit<T  liegt  die  Steuer  auf  den  einzelnen  Grundbesitzarten 
sehr  V«  THchieden.  Wald-  und  Bauland  ist  viel  weniger  belastet 
als  /Vckerland.  Eine  Herabsetzung,  welche  bei  Ackerland  em- 
pfehlenswert sein  mag,  erscheint  bei  Wald-  und  Bauland  nicht 
gerechtfertigt. 


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698 


X  4. 


Vor  allem  aber  mtifste  ein  GrunclHtmorerlrils.  um  den  "kleinen 
Bauern  v\t\q  wirkliehe  Erleichterung  zu  bnnirrri.  ziemlich  be- 
deutend sein,  etwa  wiederum  ein  halb  Prozent  des  St»  uen**crt©s,  wie 
1877.  Das  wäre  aber  ein  Fünltel  der  (.7rund.>,k-uer,  gegen  8 
Millionen  Yen,  lur  welche  E^r^itz  gcschaflt  werden  mUrste,  nach- 
dem eben  jetzt  schon  eine  Ermäßigung  um  3*  4  Million^  ins 
Leben  gelzeten  ist  Es  dürfte  aehwer  aem,  ohne  die  Finanswift- 
Bchaft  in  bedenklicher  Weise  zu  »tören,  das  mdglicfa  bu  machen. 
Allerdings  liefse  sich  die  in  den  letzten  Jahren  fUr  Schulden- 
tilgung verwendete  Summe  vermindeni.  Die  Eisen bahneinnahmen 
werden  steigen.  Die  Zollcinnahmen  werden  nach  Revision  der 
Verträge  erheblich  sich  vermehren,  und  ein  holier  ZuckerzoU 
wird  erlauben,  eine  inliindische  Zuckerbteuer  einzuru  hi  u,  woftir 
aber  die  Besteuerung  der  Kuchenhändler  weglallcn  mü!>fe  Auf 
ein  ßtarkes  Steigen  der  Einnahmen  aus  den  anderen  indirekten 
Steuern  ist  nicht  zu  rechnen.  £s  müfsten  also  neue  Steuern 
eingeführt  werden,  tan  unpopuläres  und  im  Ertrag  anaicfaeres 
Unternehmen.  Sollten  das  indirekte  Steuern  sem,  so  mttfirte  man 
schon  Gegenstände  des  allgemeinen  Gebrauchs  begteuem,  wenn 
nennenswerte  Summen  aufkommen  sollten,  Salz,  Thee,  Papier. 
Von  direkten  Steuern  wtirde  die  Einführung  einer  Gewerbesteuer 
nahe  liegen,  sich  vielleicht  überhaupt  empf»4ih'n.  Aber  man  darf 
nicht  aufser  acht  lassen,  dafs  als  Kommunalatcuer  diese  schon 
besteht  und  nach  den  Budgets  für  1888  89  in  den  Bezirken  mit 
4  550000  Yen  angesetzt  war  S  wozu  schon  1887  88  511000  Yen 
Gemeindezuschläge  kamen.  Bei  der  bisher  geringen  industüelien 
Eniwickelung  mflfste  man  ohnehin  vorsichtig  sein,  die  junge  In- 
dustrie sehr  zu  belasten.  Höchst  zweifelhaft  ist,  ob  die  Ermärsigung 
der  Grundsteuer  in  der  wünschenswerten  Richtung  rasch  wirkt 
Als  Hauptnachteile  habe  ich  den  Druck  auf  den  Pächterstand 
und  die  Verhinderung  anderer  Bewirtschaftung  auf  etwas  gröfserem 
Ful'se  bezeichnet.  Besten  Falles  würde  eine  Besserun*::  der  Pacht- 
bedingungen und  das  Entstellen  etwas  gröfserer  W'irtseliaften 
doch  nur  so  langsam  sich  gellend  raachen,  dals  das  sotort  durch 
die  Umwälzung  des  Steuersystems  zu  bringende  Opfer  UDverhal;- 
niamäfsig  erscheint. 

Es  ^eht  aber  einen  anderen  ab  den  plötzlichen  mecha- 
nisch-gieichmäfiriger  Herabsetzung  des  Steuersatses.  Man  kann 
eine  Entlastung  auch  herbeiführen  durch  Verbesserung  der  be- 
stehenden Grundsteuer.  Einschneidende  Umwälzungen  wären  zu 
vermeiden.  Beispielsweise  einen  sorgOdtig  gearbeiteten  Rein- 
ertragskataster  aufzustellen,  würde  nicht  nur  sehr  kost-pielig, 
sondern  bei  der  vnrwieL'enden  Klein-  und  Naturalwirtschati  aucb 
aul'serordentlieh  ächwji  rig  sein.  Man  würde  aufs  neue  die  ganzen 
Steuerverhältnisae  unn  uhren  und  doch  binnen  kurzer  Zeit  neue 
grofse  Ungleichheit  entstehen  seilen. 


>  Di»  »Verachiedenen  Stsoera"  eingerechn«t. 


biyilizüü  by  GoOglc 


X  4. 


699 


Die  Verbesaenuig  der  Grundsteuer  miUste  mögUchtt  an  das 
BeBtehende  anknüpfen.  Die  einzige  tiefgreifende  Änderung,  welehe 
mir  em[»fehlen.swert  erscheint,  ist  die  Trennung  der  Baulandstener, 
wenigstens  der  städtischen,  von  der  übrigen  Grundsteuer.  Für 
die  landwirtschaftlichen  ncbUii  lL  iiing  das  bisherige  System,  An- 
schlul's  an  die  Einsciiaizunt^  Ix  !i;u  hUarter  Feldgrundstticke,  viel- 
leicht einst weileu  noch  ganz  aii^^eme^sen  erscheinen.  Aber  die 
sttfdtttchen  Hausgrundstttcke  and  thatsKchlicb  jetst  Bchon  anders 
gestellt.  Im  al^meinen  ist  Ihre  fiesteaerang  Tergleichsweise 
niedrig.  Die  rasch  sich  ändernden  stiidtisehen  Verhältnisse  lassen 
die  daaemde  Werteinsehätz'ing  als  unzureichend  erscheinen.  Man 
sollte  eine  besondere  Gebäudesteuer  einlüliren,  welche  Grundstücke 
und  Gebäude  ertafst.  Man  sollte  für  den  Kataster  d(T  Oebäudc- 
steuer  eine  Revision  in  /wischenrriuraen  von  niclit  mehr  als  fünf 
Jahren  festsetzen  und  auch  wirklich  vornelimen.  Verbindung 
mit  der  Gewerbesteuer  wäre  vielleicht  empfeldenswert.  Jedenfalls 
wttrde  leicht  ein  höherer  Ertrag  ab  bisher  su  erzielen  sein  und 
gegenllber  der  Besteuerung  der  landwirtoehaftlichen  BerOlkerong 
im  Sinne  auagleichender  Gerechtigkeit  wirken. 

Für  die  übrige  Grundsteuer  scheinen  nur  die  Ideen^  welche 
Ton  hervorragenden  Autoritäten  tiber  europäische  Ghrundsteuem 
geäufsert  sind',  tlir  Japan  ganz  besonders  anwendbar:  Kontin- 
gentierung und  Repartition.  Man  etfAh  die  Gesarateinnahnie 
der  Grundsteuer  auf  ihren  jetzigen  Betrag  lest,  also  ohne  die 
Baulandsteuer  auf  rund  80  MiUioneu  Yen.  Diese  8umme  ist 
auf  die  Bezirke  zunächst  nach  dem  gegenwärtigen  Steuerauf 
kommen  zu  verteilen.  Je  nach  veränderten  Umständen  wird  die 
Repartition  alljährlich  unter  Mitwirkung  der  Volksvertretung  vor- 
genommen.  Allerdings  ist  dabei  höchst  wahrec^emlich,  dafi  man 
sich  zur  Erhöhung  der  voneinem  Bezirke  au&nbringenden  Summe 
nur  schwer  entschliefsen  wird.  Die  Veränderungen  würden  wesent- 
lich darin  bestehen,  dafs  diesem  oder  jenem  Bezirke  ctw-is  von 


Aber  diese  Verringerung  würde  eben  nur  stattßnden  nach 
dem  wirkhchen  Bedürfnis  und  nach  Mafsgabe  der  budgetmälsig 
vorhandenen  Mittel.  Im  Laufe  der  Zeit  würde  so  die  Belaatung 
der  Bezirke  sich  mehr  ausglächen. 

In  den  Bezirken  selbst  wäre  die  Bepartition  wieder  durch 
die  Becirkstage  yoraunehmen  auf  die  Kreise  und  von  den  in- 
zwischen eingerichteten  Kreistagen  auf  die  Gemeinden.  In  der 
Gemeinde  erfolgt  die  schliefsliche  Verteilung  auf  die  Steuer- 
Pflichtigen  nach  Mafsgabe  des  Katsaters. 


^  Vgl.  .Ad.  Waener  in  Schönbergs  Handbuch  der  PoliUscheD 
Ökonomie,  2.  Aufl.  III  248  f.  In  der  Praxis  das  fraosMcfae  Sjstem,  so 
uiToUkonimeD  die  Idee  daichgeföhrt  Min  mag. 


seiner  Last  ab, 
Verringerung  ( 


irde  also  eine  alimähliche 


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700 


X  4 


Ein  solche«  System  würde  jede  })lotzliche  Änderung  d«T 
Steuerv-erhiiltnisse  vermeiden  Die  Kontingentierung  würde  ab«^r 
zur  Folge  haben,  dalö  die  Steuerlaot  allmaldich  leichter  wird. 
In  dem  Malse,  wie  die  bebtate  Fläche  imd  die  Produktion  ma- 
nimmt,  die  Verkehnwege  eich  beuem  u.  s.  w.,  in  demsdben 
MaCM  tritt  eine  Erleichterung  ein,  da  die  GeBamtsumme  der 
Steuer  gleich  bleibt  Die  ^tlactung  würde  ganz  albnählich 
eintreten,  aber  gegenüber  der  vorauszusehenden  weiteren  Ent- 
wickelun^'^  der  Staatseinn ahmen  und  insbesondere  der  Staata- 
steuern  würde  auf  die  Grundsteuer  ein  stetig  abnehmender  An- 
teil kommen.  ( >h  man  in  Japan  die  Geduld  hat  zu  einem  so 
allmählich  wirkenden  Vertaliren,  ist  Ireiiieh  zweiteliiaft,  nament- 
lich nachdem  eine  im  wesentlichen  von  den  Grundsteuerpflich* 
tigen  gewühlte  Volktvertretnng  ina  Leben  gerufen  ist. 

Ich  elaube,  dafs  in  Japan  ein  aolches  System  sich  ohne 
grofse  Sehwierigkeit  durchf\lhren  liefse.  Für  die  Aufteilung  der 
Bepartition  ist  um&ngrciches  Material  jetzt  schon  in  den  jähr- 
lichen Erhebimgen  vorhanden  ül>er  die  bebauten  Flüchen  und 
die  Erntenlengen,  über  Zu-  und  Abgang  bei  beiden  und  die 
Gründe  dafür  u.  s.  w. 

Weiter  aber  kommt  in  Betracht,  dal»  die  Bezii-ksLa^e  und 
die  Gemeinden  an  solche  Repartitionsarbcit  schon  gewohnt  sind 
bei  den  Haushaltungs-  und  Gewerbesteuern  der  Bttirke.  Nach 
meinen  Erkundigungen  macht  diese  Repartition  keine  Schwierig- 
keiten. 

Bei  dieser  praktischen  Vorbereitung  und  beim  Vorhanden- 
sein eines  eben  eist  revidierten  Katasters  als  Grundlage  der  Re- 
pariition  würde  man  von  vornherein  eine  dem  gerülimten  fran- 
zösischen System  nocii  erheblich  überlegene  Einrichtung  haben 
und  dabei  jede  weitere  Erschütterung  der  Staatsfinanzen  ver- 
meiden. 


Es  ist  nicht  SU  ver^a  »sen,  da(s  die  Besteuerung  nicht  die 
einzige  Belastung  der  Bevölkerung  zu  öffentlichen  Zwecken  dar- 
stellt WaB  zunächst  Geldlasten  betrifVt.  so  i-^t  zu  beachten, 
dals  Beiträge  melir  oder  niL-^f  r  ttt  iwilli-er  Art  eine  ziemliche 
Rolle  spielen.  Wiederholt  sind  ^roiöere  ."Summen  auf  diesem 
Wege  zu samui engebracht,  so  für  den  l^au  des  neuen  kaiserlichen 
Schlosses.  Das  bedeutendste  Beispiel  ist  der  „  Küsten verteidigungs- 
fonds**.  Um  fUr  die  Befestigung  der  Kosten  grOfsere  Mittel  aof- 
aubringen,  wurde  ^ne  Sammlung  veranstaltet,  au  welcher  als 
ersten  Beitrag  am  23.  März  1887  der  Kaiser  selbst  800000  Yen 

fab.  Es  Bollte  ausdrücklich  eine  Selbstbcstcuerung  der  Wohl- 
abenden sein,  denn  nur  Beiträge  über  1000  Yen  w^irdon  an- 
genommen. DiejeniLren.  welche  sich  beteiligten,  wurden  durch 
Verleihung  von  Medailien  nnsj^ezeichnet.  !ni  i^anzen  sind  so 
rund  zwei  und  eine  halbe  Miiiioa  Yen  zusammengebracht.  In 


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701 


kleioercm  Ma'satabe  sind  solche  Beiträge  etwas  ganz  Regelmäfsiges, 
namentlich  ftir  Wege-  und  Brückenbautpn,  Errichtung  von  S^clmlen 
u.  dergl.  iSolche  OpterwillijLj;keit  wird  durch  X'crlcihung  von  iSake- 
schalen  aus  Gold,  Silber  oder  Lack  von  Staats  wegen  auch  öffent- 
lich anerkannt ' .  An  dem  so  zu  stmde  gekommenen  öffentlichen 
Werke  werden  auf  HolzUilckhen  auch  die  Namen  der  Geber 
und  der  Belrag  der  Spende  zu  aUg^ndnor  Kenntnis  gebracht'. 
Da  solche  Behriige  meist  in  einer  Weise  ejogeaammcK  werden, 
der  sich  der  einzelne  der  Sitte  nach  kaum  entzi^en  kann,  so 
erhalten  sie  dadurch  im  wesentlichen  den  Charakter  einer  steuer- 
artigen Belastung  der  wohlhabenderen  Klassen.  Gegenüber  der 
unvollkommenen  Besteuerung  des  Einkommens,  nnmentlich  n\m 
Gehalt  \wd  Renten,  ist  dies  eine  allerdings  unregelmn'siao  Art 
der  Ausgieiehung.  Auch  sonst  (  rdcn  vielfach  nicht  unerheb- 
liche Antbrderuugen  zu  mehr  oder  weniger  öffentlichen  Zwecken 
an  die  Beamten  erhoben,  z.  B.  für  Unterstützung  von  iStudenten, 
die  zum  Clan  gehören,  u.  dergl.*. 

Wie  ^ro  s  die  für  öffentHche  Zwecke  geleisteten  Beitrage  im 
ganzen  sem  mögen,  lälst  sich  nicht  sagen.  Unter  den  Einniumcn 
der  Bezirke  sind  verrechnet: 


1879/80 

1880  81 

1881  82 

1882  83 
1883/84 


24040  Yen 
57708  - 

112469  - 
167  295  - 
337916  - 


1884/85 
1885/86 

1880  87 
1887y88 


832549  Yen 
313065  . 

41()r)9G  . 
409732  - 


In  dem  höchsten  Jahre,  1886  87,  kamen  auf  die  Bezirke 
Okayama  43805  Yen,  Miyagi  40294  Yen,  Chiba  36509  Yen, 
Shimane  35422  Yen,  auf  diese  vier  Bezirke  also  allein  ein  Drittel. 
Im  Jahre  1887/88  hatte  den  höchsten  Betrag  Shiga  mit  41106 
Yen,  1884/85  Hiroshima  mit  61 458  Yen. 


I  Beispielsweise  waren  im  Budget  für  Ibb^  bd  dafUr  3910  Yen  aus- 
gesetzt 

*  Auch  für  religiöse  Zwecke.  Neubau  und  UnterliRltuii;;  von  Tem- 

5 ein,  Abhaltancr  der  Tempelfeste  u.  deigl.  werden  auf  solche  Weise  be- 
euteude  Summen  zusammengebracht. 

'  So  kommt  es  in  Tokyo  hftufig  vor,  dafs  Schttler  und  Stadenten 
einer  Provinz  umsonst  oder  ?o  gut  w'w  unisongt  Unterkunft  finden  in 
einer  Art  Alumnat,  welches  von  lieiträgen  der  au«?  dieser  Provinz 
stainmtniden  Beamten  unterhalten  wird.  Für  die  hühei  cn  Beamten  haben 
derartige  Einrichtungen  wesentlich  den  Zweck  ihrer  Klientel  geeigneten 
N;^^^l^v^^■ll^;  zu  Mcheni.  Der  Zusammenhang  der  privaten  Farh^chuU-n 
Diit  dem  Partei-  und  Klieuteuweseu  ist  eines  der  merkwürdigsten  Kapitel 
der  jungjapanieehen  Gesehielite.  ENe  ^Kriegsschnte''  8aigos  in  Kagosmma, 
wo  der  Aufstand  von  l^TT  organisiert  wunle,  die  Okumascbe  Schule  in 
Waseda  bei  Tokyo  seien  als  bduumte  Beispiele  genannti  die  sich  übrigens 
leicht  vermehren  liefsen. 


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702 


X  4. 


K;u'h  (\rv  Suitiatik  der  1  iiternchtaverwaltuiig  betrugen  die 
Schenkungen  i'Ur  uiFeutliche  öchulen  ^ 


1877 

736  rS2  Yen 

1883 

585  8^»3  Yen 

1878 

809958  - 

1884 

495  540  - 

1879 

589687  - 

1885 

352  411  - 

1880 

575608  - 

1886 

24L^auO  - 

1881 

773787  - 

1887 

486942  •  * 

1882 

566486  - 

1888 

748739  - 

In  d«  Mi  N.ichlaiiöen  seit  1881  ist  die  wirtschaftliche  Krisis 
wiederum  dcutlii  h  erkennbar  Im  Jahre  1881  waren  es  8  Prozent 
iiDer  ISchuleinnahmen,  1886  2,o  Prozent,  1887  5,6  Prozent,  1888 
wioder  8  Fr<mmt  Von  der  Summe  de«  Jahres  1887  wurden  allein 
flir  die  Ofientlichen  VoUbBschulen  435946  Yen  geacfaenki  Unter 
den  Bezirken  stand  1887  Niigata  an  der  Spitse  mit  50090  Yen. 
Ihm  folgten  Saitama  mit  40875  Yen,  Gumma  mit  26  809 
Yen.  Miye  mit  2*) 268  Yen,  Okayama  mit  24  621  Y'en, 
Akiui  mit  22  502  Yen  u.  s.  w.  In  den  reichen  Ikzirkeu  Tokyo 
und  Osaka  (ohne  Nara)  wurden  nur  jt  14  65i)  und  8370  Yen 
geschenkt.    An  letzter  Stelle  st«4it  Yamanashi  mit  218  Yen. 

Zu  beachten  ist,  dal's  sicli  obige  Summen  nur  aut  Geld- 
schenkungen  besiehen,  nicht  auf  sommge  Zuwendungen  an  Land, 
Oebttuden,  Bttchenif  Instrumenten  u.  s.  w.,  welche  nicht  uner- 
heblich sind. 

Neben  den  Cicldleistungen  der  Bevölkerung  ftr  öffentliche 

Zwecke  ist  endlich  noch  zu  erinnern  an  die  persönlichen 
l>ienstt'  In  cn-^ter  Linie  ist  zu  erwähnen  der  AliiiUirdienst, 
der  bei  dem  ^^eringen  Bedarf  an  Rekruten  äulserst  unfrleich  auf 
der  Bevölkerunjr  lastet.  In  den  lündlichen  (lemeinden  liabon  die 
persönlichen  Dienste  iür  den  \\  egebau  eine  gewistie  liedeuLun^. 
Schaffen-  und  Oeschworenendlenst  europäischer  Länder  ist  un- 
b^annt.  Das  unbesahlte  Ehrenamt,  in  aer  Lokalverwaltune  des 
alten  Japan  nicht  gelten,  hat  sich  bisher  bei  dem  neuen  Japan 
keiner  grollen  Beliebtheit  erfreut.  Wo  iXXr  Selbstverwaltungs- 
zwecke Auaschüsse  errichtet  sind,  haben  die  lokalen  Vertretungen 
sich  beeilt,  ihnen  (Jelfidter  zu  i><'\vi]]i'j:en.  die  nach  japanischen 
Lebensverhältnis.'^en  niclit  unbetrachtiioli  sind.  Die  Mitglieder 
der  ständigen  Aussciiiis-se  der  Pezirk.'^tag^o  z.  B.  erli.ihen  fiir  ihre 
bescheidene  Thiitigkeii  ein  Monat^E^giiial^  das  nirgends  weniger 

'  d,  Ii.  nicht  Privat-  uud  nicht  St.iatsprhulpn         Dio  Zahlen  aus 
btat.  Jahrb.  VIII  507  ff.   Ältere  Angaben  weichen  mehrfach  ab. 
'  Neben  einer  sonstigen 

Eännahme  von     1 465:^07  Yen  aus  ScImlgoUfM-n, 

727  9*^8   -     Übertrag  vom  Vorjahr, 
472587   -     Zinsen  etc., 
4  14>)0'J1   -     ans  Gemeindeinittebi, 
1  274  .W'J    -      aus  Bezirksmittcln. 
lG9>>i9   •     au.H  anderen  Einnahmen. 


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X  4. 


TOS 


als  30,  vielfach  40.  in  Niigaüi  sogar  50  Yen  btiträgt.  Die  Orts- 
ausscbiis^^c  ftir  Kontrolle  des  ^Schulbesuches,  bei  welchen  ein  Grund 
für  betrachtliclie  Difitcn  gar  nicht  ersichtlich  ist,  sind  aus  Er- 
sparni.sgnindeii  abgeschafit  Die  neuen  Venvaltungsgesetze  von 
1888  und  1 890  haben  in  dieser  Richtung  für  eine  gesundere  Ent- 
wickelung  Bahn  gemacht  und,  wie  6B  scheint,  mit  Erfolg.  Dab 
gegenwärtig  in  den  kleineren  Gemeinden  der  Ortivorsteher  der 
IWel  nach  sein  Amt  nnentgdtUch  Aihren  soll,  scheint  wenig 
Schwierigkeiten  zu  machen.  Es  wäre  erfreulich,  wenn  das  a£- 
gemeine  Jagen  nacli  Bezahlung  aus  dem  öffentlichen  Säckel  nur 
eine  vorübergehende  Erscheinung  der  Übergangszeit  gewesen  witre. 


Achtes  Kapitel. 
Die  Staatsschuld. 

Vorbeineikunc.  Da«  Material  für  die  Darstellune  der  Staats- 
Bcbulden  ist  teils  den  firlftutenuigen  so  den  Jiudgets  und  Abrechnangen, 
teils  der  (»esetzf^eliung  zu  entnehmen.  In  Betracht  kommt  femer  der 
Schul dentilgUDgspiau  von  187^/7U,  engliach  veröfi'entlicbt  z.  B.  iu  der 
Japan  Wedclj  BlaU  1879  B.  10^.  Ans  einem  Bericht  Uber  die  Staats- 
schuld  von  1890,  der  mir  in  Übersetzung  nicht  vorlag,  hat  mir  HeiT 
Ishizuka  Auszüge  gemacht.  —  Daf»  in  verschiedenen  Quellen  der 
Betrag  der  einzelnen  Schuldarten  verschieden  hoch  angegeben  wird,  hat 
seinen  Grund  darin,  dafs  i'riiliei  vielfach  vorläufige  Zahlen  mitgeteitt 
sind,  welche  sich  bei  endgültiger  Rt^friilierung  als  zu  hoch  herausstellten, 
uamentlich  bei  den  RentenablösutigsscheineUf  der  ^Alten"  und  der  „Neuca*' 
Sclmld.  —  Auf  die  Papiergeld  ausgäbe  ist  in  dieson  Kapitel  des  nMheren 
nicht  zurfickzukommen.  —  Eine  ältere  Arbeit  über  den  Gegenstand  dic:»es 
Kapitels  ist  J'.  Mayet,  Die  japanische  Staatsschuld.  Zwei  Vor- 
träge, gehalten  am  26.  September  und  12.  Oktober  ISIH,  in  Mitteilungen 
der  Deotscben  Gesellsehaft  ete.  Ostasiens  II  259  ff.  (1879). 

Das  Gleichgewicht  zwischen  Ausgaben  unil  Eiii- 
njiliraen  wurrl"  in  flen  Anfangszeiten  der  nnuon  Ordnun<^,  wie 
man  .sich  erinnern  wirrl.  durch  Ausgabe  von  Papiergeld  her- 
gestellt. 8piUer  diente  der  l^-.-^«  rvelondo  diesem  Zwecke,  wie 
gleichfalls  bereits  ausgeführt^  teilö  zu  wirklicher  Ausgleichung  am 
Schlüsse  der  Rechnungsperioden,  teils  im  Laufe  des  Finanzjahres, 
um  yorUbes^heDd  entstehenden  Bedttrinissen  bis  zum  Eingang 
der  zur  Deckung  bestimmten  Einnahmen  abzuhelfen.  Dieses 
System  hatte  mannigfache  Nachteile  im  Grefolge.  Es  wirkte  un- 
gtinstig  auf  den  Geldumlauf  und  das  Agio,  denn  zu  Zeiten,  in 
welchen  die  Kassen  leer  und  der  Umlauf  unter  dem  Publikum 
grois  war,  vermehrte  es  noch  die  Geldmenge.   Dag^u  kam 


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704 


X  4, 


durch  die  Ilauptsteuerzahlungstermine  einr  erhebliche  Menge  von 
Zetteln  nicht  nur  vorüberi^ehcnd  in  die  Staatskassen,  sondern 
wurde  wieder  ^anz  dem  Lmiaui  entzogen.  Weitra:  aber  tulirte 
die  UnmOglidikeity  die  Zettel  üborhaupt  rechtseitig  wieder  cm* 
zuziehen,  allmäUidi  m  einer  dauenideii,  Dicht  unerhebUcben  heim- 
lichen Vermehrung  der  Papiergeldmenge. 

Im  Zusammenhange  mit  den  al^meinen  Mafsregeln  zur 
Besserung  der  Valuta  entschlo's  man  sich  daher  1884  nach 
europäisch oni  Muster  die  im  Laufe  des  Finanzjahres  nur  vorllbf^r- 
gehend  nötif^en  Mittel  durch  A (Hjj^abr  von  S  c  h  a  t  z  s  r  h  r  i  n  e  n 
(OkurasLo  8hoken^  aufzubrin^^en  (Gesetz  24  vom  2U.  September 
1884),  welche  durch  Verniiti«  lung  der  Nihon  Ginko  erfolgt.  Die 
Schatzscheine  wurden  bei  Hanken,  namentlich  der  Nihon  Ginko, 
»eit  Begründung  der  Depoaitenkasse  aber  vor  allem  bei  dieeer 
untergebracht.  Da  sie  einen  für  japaniecfae  VerhAltoiaae  aehr 
niedrigen  Zins  zahlt  (neuerdings  fUr  Postsparkasseneinlagen  s.  B. 
4,a  Prozent),  so  ist  auch  für  die  Schatzscheine  eine  ▼erhältnis- 
mäfsig  niedrige  Verzinsung  erforderlich*  In  den  letzten  Jahren 
soll  sie  gegen  fünf  Prozent  betragen  haben  Etwas  Genaueres 
über  die  Ausgabe  der  Schatzscheine  zu  erfahren,  war  bisher  nn- 
mögh'ch'.  Erst  das  Budget  für  1881M>0  enthielt  eine  An^iabe 
liber  den  Maximalhetrag  der  aufczugebeDden.Schatzscheine.  näm- 
lich 13  iMillioneu  Yen,  1890  91  14960000  Yen.  Der  einzige 
Anhalt  war  bisher,  dals  seit  1886^87  die  Abrechnungen  bezw 
Budgets  die  Ausgabe  Verzinsung  von  Schatzscheinen  enthalten, 
woraus  man  wenigstens  einen  Schlafs  auf  die  durchscfanittliehe 
Höhe  dieser  schwebenden  Schuld  machen  kann.   Es  war  nlmlich 

zu  ö  Prozent  eiDCB 
die  Ausgabe     Kapital  eotspreehoMi 


Abrechnung  1886/87  530 562  Yen  10  61 1 240  Yen 

1887  88  716225   -  14324500  - 

188H  89  412444    -  8248880  - 

Budget        1889  90  354288   -  7084  760  - 

1890/91  443804   -         8876080  - 

Die  Summen  sind,  wie  man  sieht,  naht  unbedeutend  und 
im  Interesse  der  Kkunrtellung  der  Finanzlage  Jap^ms  wftre  die 
Veröffentlichung  genauerer  Angaben  sehr  zu  wOnschen.  Dafs 
die  Ausgabe  von  Schatzscheinen  zu  einer  Verachleiening  der 
thstzachuchen  VerhttltniBae  dienen  kann,  zeigt  die  erst  1889  be- 


'  Auf  meine  Krktin(liptinpen  im  Finanzininisfonnm  habe  ich  »tele 
nur  ausweichende  oder  ottenbar  imricbtige  Auskunft  erlmlteu-  Auf  meine 
Anfraj^e,  vamm  Uber  die  UObe  der  Ausgabe  von  Schatsschcinsa  niehts 
veröüentlicht  würde,  erhielt  ich  imm  Ii  Kncle  1hh7  die  bcxsichiiende  Ailt- 
wort,  daa  könne  dock  für  niemanden  Interesse  haben. 


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X  4.  * 


705 


8f  itigte  Mitschleppung  eines  Terkappten  Deficits  von  mehr  ab 

7  Millionen  Yen  seit  188(P. 

S t a a 1 8 an  1  f  i h en  zur  Deckung  öffentlicher  Ausgaben  waren 
zwar  an  .sich  friilier  in  .Inpan  nicht  unbekannt.  Neu  aber  war 
es,  wenn  man  sich  zu  dieacia  Zwecke  durcii  Ausgabe  von  Süiais- 
schuldacheinen  an  das  Publikum  wendete.  Die  eroten  auf  diese 
Weise  ftlr  aufserordeDtliche  Zwecke  in  Japan  selbst  1878  und 
1884  aufbrachten  Sumraen  wurden  noch  als  besondere  Fonds 
▼errechnet,  wtthrend  allerdings  die  hieraus  von  1 884  bis  1  B8ü  l^ir 
aligemeine  Zwecke  zeitweilig  entnommenen  Summen  in  den  Ab- 
rechnungen als  „geliolirno**  Holder  erscheinen.  Erst  seit  l«><f) 
stellen  tVw  durch  Anieiiicn  er/.ielten  Einnahmen  direkt  im  all- 
gemeinen iiiidfj^et  resp.  den  Abrechnun^'en,  wie  4  is  sLiion  vor  1875 
mit  dem  Erlös  der  beiden  Londoner  Anleihen  gemacht  war. 

Der  Ursprung  der  Staatsschuld  ist  im  ersten  Kapitel  dieses 
Buches  im  Zusammenhang  mit  der  allgemeinen  Entwtckelung 
der  Finanzen  dartfestellt  worden.  Die  folgende  kurze  Übersicht 
soll  nur  die  auf  jede  einzelne  Scbuldart  beattglichen  wichtigsten 
Thatsachen  geben.  Das  in  anderem  Zusammenhang  eingehend 
behandelte  Papiergeld  bleibt  dabei  unberücksichtigt. 


i.  Die  Zusammensetzung  der  Staatsschuld. 

a.  Die  „Al^<'  '  „Neue  Schuld'*. 

(Gesetze,  namcntiicb  82  vom  ü.  März  ItTIJ  und  95  vom  25.  Mai  1875.) 

Diese  beiden  Schuldarten  sind  entstanden  durch  Eonsolidiemog 
der  seit  1844  von  den  Han,  den  alten  Landesherrschafteo  ge- 
machten. Schulden  an  Geld  und  Korn.  Die  aus  der  Zeit  von 
1844  bis  I  Sfi?  stimmenden  Verbindlichkeiten  bilden  die  „Alte 
J>chiild".  Sie  w  ird  vom  Staat  in  50  gleichen  Jahresraten  von 
\S1'6  bis  1922  zurückgezahlt.  Sie  ist  unverzinslich,  so  dafg 
die  jfihrliche  Auslosung  der  auszuzahlenden  Papiere  diesen  einen 
losurtigen  Charakter  giebt.  Mit  der  steinenden  Chance,  ausgelost 
zu  werden,  nehmen  die  Papiere  allmählich  an  Wert  au.  Der 
iBOrsenkurs  ist  1881  unter  lt>  (fUr  100)  gesunken,  seit  1888  auf 
etwas  über  30  frestiegen. 

Der  als  ^Alte  Schuld  ^  anerkannte  Betrag  war  138751^^8 
Yen,  wovon  aber  ein  Teil  bar  ausgezahlt  ist.  so  dafs  in  Bonds 
nnr  ausgegeben  sind  lU  972  725  Yen.  Der  noch  ausstehende 
Betrag  war 

'  W'ip  schon  erwähnt,  wurdo  bei  Verlegiini^  des  Finanzjahres  der 
im  April  talli^e  GrunUsteuertertnin  nucU  xu  deu  Eiuuahmeii  des  Vur)ahre.<i 
««reehnet  itaa  dies  praktisch  dureh  Ausgabe  von  Scbatzscheioen  enndj^- 
ncht    Erst  l^^^     wurde  das  durch  ÜberweiBung  von  7500000  Yen  aus 

dem  IJesf'rvf'tV.nds  beseitiL't 

Forschungen  (i^)  X  4.  —  Katbgeu.  45 


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706 


X  4. 


am    1.  Jiüi    1881       8  992  222  Yen 

-  1.    -      1885       811PR17  - 

-  31.  Mäi-z  1890       7  022544  - 

Die  jährliche  Rückzahlui^  beti^  219454  Yeo. 

Die  „Neue  Schuld*'  stellt  die  Verbindlichkeiten  der  Hau 
dar,  die  vom  Jahre  1868  bis  zu  ihrer  Beseitigung  (1871)  ent- 
stinden  sind.  Sie  werden  von  1875  bis  1896  zurückgezahlt  und 
mit  vier  Prozent  verzinst,  halbjährlich  im  Jum  und  Dezember 
zahlbar  Der  anerkannte  Beti*ag  war  15243372  Yen;  Bonds 
sind  ausgefertigt  fUr  12418175  Yen.  Der  noch  ausstehende  Be- 
trag war 

am    I.Juli    1881       11 053425  Yen 
1.   -     1885      10652850  - 

-  31.  Mftrz  1890      10551275  • 

Wnhrend  bis  1885  jährlieli  etwa  104  000  Yen  zurtickjrezahlt 
sind,  hat  man  sich  in  den  letzten  Jahren  auf  je  1<  M)00  Yen  be- 
scliiiiukt.  Der  Kurs,  der  1881  nur  52  bis  53  betrug,  war  1887 
auf  90  gestie;^'en. 

Beiden  Schuldarten  gemeinsam  iat^  dals  die  Schuldscheine 
auf  Namen  gestellt  sind.  Sie  sind  Teräufserlich,  was  aber  da- 
durch erschwert  ist,  dafs  Yor  der  jähtüchen  Zieliaiig  und  den 
Zinsterminen  jedestnal  zwei  und  einen  halben  Monat  lang  die 
Veräufserung  verboten  ist  (so  seit  Nr,  50  vom  17  Aprü  1876). 
Überhaupt  sind  die  Vorschriften  Uber  die  Eintragung  u.  s.  w. 
denkbar  unbohtilflieh  und  umständlich.  Da  das  die-^e  Dinge 
rpi^elnde  Crcsetz  von  auf  andere  Schuklarten  ( Kinsatsu-. 

Chitauroku-,  Kinrokubondsj  ausgedehnt  ist,  mögen  auch  noch 
die  Bestimmun <i:en  hervorgehoben  werden,  dafs  nach  UeiielK'n 
der  Verwaltung  Zins  und  Kapiuil  m  Gold,  Silber  oder  Papier 
eesahlt,  dafa  auch  abmehen  von  Zinffula  und  Endtmiii  der 
Tilgung  das  GesetE  jederzeit  geändert  werden  kann. 

b.  Die  Kiusatsuscheiue  (alte  und  neue). 

Die  Kiniatsuecheine  sind  ausgegeben  in  Umtausoli  gegen 
Papiereeid,  stellen  also  die  Konvertierung  der  schwebenden  an- 
▼ersinslichen  Papierschuld  in  ainstragende  ObUgationen  dar  (vgt 
im  ersten  Kapitel  S.  458  f.).  Sie  sind  ausgegeben  auf  Grund  des 
Gesetzes  121  vom  30.  März  1873.  mit  (>  Prozent  in  Gold 
verzinslich  und  binnen  15  Jaliren  nach  Ausgabe  in  Gold  rtuk- 
zahlbar.  Die  Amortisation  sollte  1881  beginnen.  Sie  sind  aut 
den  Namen  gestellt  Die  Zinsen  werden  Anfang  Dezember  ge- 
zahlt. 

In  anderem  Zuiammenhange  ist  erklärt,  warum  Ton  dieeen 
Bond»  aulangH  nur  ein  gennger  fietrag  vom  Pubiikum  au%enonmieiL 
wurde.  Von  diesen  auf  Namen  gestellten  in  Gold  aahlbaren  Scheinen 


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X  4.  707 

flind  bis  Ende  1883  6  669  250  Ten  ausg^eben.  Schon  187677 
ftnden  die  eraten  Rückzahlungen  statt.   Im  Umlauf  waren 

am    I.Juli    1881       5174200  Yen 

-  1.    -      1885       5884950  - 

-  81.  Miira  1890      3990100  - 

SiV'  sind  meist  in  fcston  HMndon  und  wpt  tlcn  wonig  geiiandrlt. 

I  lurch  Xr.  48  vom  2"^.  1 'o/omber  l^S;^«  w  urde  dem  Publikum 
eine  neue  Art  von  Kinsatsuscheincu  angeboten,  aut  den  Inhaber 
lautend.  Zins  von  (i  Prozent  und  Kapital  in  Silber  zahlbar,  die 
Zinsen  im  Mai  und  November  fUllig.  Die  Rückzahlung  beginnt 
5  Jahre  nach  dar  Ausgabe  und  Ist  ^nen  30  Jahren  zu  beenden. 
Bis  zur  Aufnahme  der  Barzahlungen  smd  von  diesen  Obligationen 
7729900  Ten  ausgegeben,  wovon  big  zum  31.  Mftrs  1890  10000 
Yen  zurückgezahlt  waren.  Im  Unterschied  von  allen  älteren 
Staatsschuldscheinen  können  diese  Papiere  von  Ausländem  er- 
worben werden. 

c  Chitsorokn-  (freiwillii^  RenteDabldsiings-)  ijcheine. 

Bei  dem  1H74  h\a  1875  gemachten  Versuch  die  Renten  der 
Shizüku  freiwillig  abzulösen  (8.  448  f.  K  wurde  die  Hälfte  derKapital- 
abhndung  in  achtprozentigen  auf  den  Namen  gestellten  Staatsschuld- 
soheineD  gegeben.  Der  Gesamtbetrag  dieser  Scheine  war  16  565 850 
Ten.  Die  Tilgung  begann  1876/77  und  wurde,  dem  Gesetz  ent- 
sprechend, im  Finanzjahr  1883/84  beendigt  (Hauptgeeetse  425  und 
420  Tom  27.  Dezember  1873). 

d.  Kinrokn-  (Renten-)  Schein«. 

Durch  die  allgemeine,  zwangsweise  Ablösung  aller  Renten 
(Kinroku)  der  Kwazoku  und  Shizoku  im  Jahre  1S7(>  (S.  4r)(»ff. )  er- 
hielten alle  bisherigen  Rentenempfänger,  abgesehen  von  den  kleinen 
zur  Ausgleichung  dienenden  Barzahlungen,  Staatsschuldscheine  auf 
den  Namen  gestellt  und  zu  5,  6,  7  und  10  Prozent  ▼erzinslich. 
Die  Zinsen  sind  fiülig  im  Mai  und  KoTember,  Die  Rückzahlung 
sollte  1882  beginnen  und  1907  beendet  sein  (Gesetz  108  vom 
5.  August  1876). 

nach  der  endgültigen  Regulierung  ausgegebene  und  der 
noch  ausstehende  Betrag  war: 

endgültiger  Betrag 
za  5  Prooeiit  zu  6  IVozent  zu  7  Prozent  zu  lOProzeut  snaaninieD 

Yfn  Yen  Yen  Yen  Yen 

31412405  25003705   108242810  9202655  173861575 

am  ].  Juli  1885 

30925125   24612815    lüüoül090    6  736355  168835385 

45* 


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708 


X  4. 


MD  Sl.  Hän  1890 

ZQ  5  Prozent   zu  »j  Prozent   zu  7  Prozent   zu  10  Prozent  zusammen 

Yen  Yen  Yen  Yen  Yen 

30769745   24U6285     20436885        —  75322915 

Die  zehnprozentigen  Kinrokuschetne  sind  schon  1886/87 
vollständig  getilgt  Die  grofsc  VerntindoroDg  der  siebenprosentigeii 
ist  in  der  Hauptsache  durch  Konvertierung  bewirkt. 

Die  Vfriiiilserung  der  Kinrokuscheine  wnr  nnfuTip?  ver- 
boten. Nachdem  dies  atifgehoben  war  (Nr.  25  vom  V*.  Si'jitrralKT 
187fi),  sind  (He  siebenprozentig-en  zum  wichtigsten  Spielpapier 
der  l)or8e  gcwordon.  Der  Kurs,  der  im  September  1878  mit 
84.ii>  einsetzte,  ti»  I  anhaltend,  bis  er  im  De/.ember  1880  tjl,*« 
crreiclite.  Er  stieg  dann,  bis  er  im  Dezember  1885  das  Pari 
übeiBchritt,  Im  Juni  1880  sogar  etwas  über  110  stand.  Infolge 
der  Konvertierung  bat  sich  dann  der  Kurs  dem  Pari  wieder  ge- 
nAbai. 

e.  PriesterablOson^sscheine, 

Gevrisse  Renten  von  Shtntq>rieBtern  wurd«i  dmdi  Oeeets 
82  Tom  Mlirz  1877  durch  den  f^nf&chen  Betrag  mit  acht  Prozent 

▼erzinshcher  Staatsschuldscheine  kapitalisiert.  Ausgegeben  wurde 
von  diesen  im  Jahre  1878  ein  Betrag  von  334050  Yen  (aufsei 
46361  Yen  barer  Zahlungen  für  Beträge  unter  25  Yen).  Die 
Tilgung  begann  1880/81  und  war  1886/87  beendigt. 

f.  Anleihe  xnr  Unterdrftekvng  des  Anfstandes 

in  Satsnma. 

Um  die  Kd^fen  des  Biirj^erkrieges  in  Kyushu  1877  anzu- 
bringen, lieh  die  Kiigierung  von  der  Adeisbank  (der  15.  National 
bank)  die  Summe  von  15  Millionen  Yen,  wovon  bei  Besprechung 
der  Gründung  dieser  Bank  (S.  185)  schon  die  Rede  war.  Die 
Anleihe  sollte  mit  fUnf  Prozent  verzinst  und  in  einer  Summe  1897 
zurückgezahlt  werden.  Als  1883  die  Privilegien  der  ßank  anf- 
gehoben  wurden,  sind  ihr  flinf  Millionen  zurttckgezahh  und 
der  Zinsfufs  auf  7>  j  erhöht.  Es  ist  der  höchste  Zins,  welchen 
gegenwärtig  der  Staat  fUr  irgend  einen  Teil  seiner  Schuld  zahlt. 


g.  Die  Industrieanleihe  (Kigyo  K<»saij. 

Es  ist  dies  die  erste  in  Japan  zu  öffentlicher  Zeichnung  auf- 
gelegt Anleihe.    Durch  Gesetz  7  vom  30.  April  und  die  Ana* 

nihrungsverordnung  13  vom  1.  Mai  187?^  wurde  die  Auflefnin:^ 
dieser  Anleihe  nn«reordnet,  um  Itir  eine  Kcihe  von  öffentlichen 
Arbeiten  (Eisen  baiiuen,  Häfen,  Bergwerke)  und  tUr  UoterstUtsung 


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709 


gt^werbliciierUnterDeiimuii^en  aulkoroi  deutliche  Nüttel  zu  beschuffeD. 
Der  Zinsfiirs  wurde  auf  6  Prozent,  der  Auagab^un  auf  80  fest- 
gesetzt.   Der  Nomiiuilbetrag  der  Anieilie  war  12  500000  Ten, 

der  wirkliche  Erltki  also  10  Millionen  Die  Anleihe  ist  durch 
jährliche  Auslosungen  in  beliebiger  Höhe  von  1880  bis  19h2 
zu  tilgen.  l>ie  Zinsen  werden  im  Juni  und  Dezember  gezahlt. 
An  Ausländer  bollten  die  Scheine,  die  auf  den  Inhaber  lauten, 
weder  verkautt  noch  veiptandet  werden,  was  neuerdings  durch 
Verordnung  des  1- iiiauzministers  vom  14.  November  1888  auf- 
gehoben ist.  Die  Emission  erfolgte  durch  die  Erste  National- 
und  die  MitBuibank. 

Die  Anleihe  lag  drei  Monate  lang  zur  Zeichnung  auf.  Wa- 
rum man  solange  wartete,  bis  sie  um  fast  )Vg  Millionen  Ubtn*- 
Zeichnet  war,  ist  nicht  ersiclitlicii  Es  wurden  geseichnet  13  951  750 
Yen,  davon  allein  in  den  Bezirken 

Tokyo      7  529500  Yen 
Osaka      2447650  • 
Kyoto      2025600  - 

BUsammen   12002750  Yen 

Von  dem  Nominalbetrag  standen  aus 

am    1.  JuU    1885       109^*6250  Yen 
-  31.  Mär/.  1890      10710200  - 

I  He  Anleiiie  sank  sofort  nach  der  Ausgabe  etwas  unter  den 
Jb^ii  issionskurH  und  fiel  bis  auf  6l),»io  im  Sommer  l^iil.  jVIit  dem 
Siiiktu  des  Zinsluises  stieu  sie  dann,  bis  sie  Anfang  188«)  pari 
überschritt.  Der  höciistc  i:iand  war  im  Fruhjolir  1887  mit  107,70 
erreicht   Seitdem  ist  der  Kurs  dauernd  Uber  pari  gebheben. 

h.  Die  A'akasendo-Eisenbahuanleihe. 

Am  28.  Dezember  1883,  an  demselben  Tage,  an  welchem 
die  Ausgabe  der  neuen  Kinsalsuscbeine  angeordnet  wurde,  erschien 
das  Gesetz  47,  wonach  zum  Zwecke  der  Erbauung  einer  E^n- 
bahn  von  Tokyo  nach  Kyoto  eine  siebenprozentigc  Anleihe  im 
K'>ininalbetrage  von  20  Millionen  Yen  nach  und  nach  zu  Offent- 
li<'}ier  Zeichnung  aufgelegt  werden  sollte.  Der  Name  der  An- 
leihe kommt  dali"]-  d  ifs  nach  der  -ir^i iiünglichm  .\K>i(  ht,  die 
Eisenbahn  im  we.sciitlichen  (hm  Naka^endo  fol;^en  sollte,  der 
nördlichen  Reichsötiali>e  /.wischeu  den  beiden  Haupisüidten.  Die 
Zinsen  sind  im  Juni  und  Dezember  fäUig,  Die  ^Schuldscheine 
lauten  ausdrücklich  auf  Papiergeld,  sind  auf  den  Inhaber  gestellt 
und  können  von  Auslttodem  erworben  werden.  Die  Rückzahlung 
sollt»*  fünf  Jahre  nach  der  Ausgabe  beginnen  und  in  weiteren 
25  Jahren  beendet  sein.  Die  Ausgabe  eriölgte  durch  Vermittelung 


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710 


X  4. 


der  Nilion  Ginko.  Die  bei  Auflegung  der  Induötrieanleibe  an- 
gewandte Methode  eines  festen  Emissionskurses  wurde  nicht  wieder 
angewendet,  sondern  nach  englischem  Muster  ein  Miniinaleinissioos- 
kurs  bekannt  gemacht  Die  Regi^ung  behielt  sich  Tor,  nur  die 
höheren  Gebote  zu  berücksichtigen  und  ver8|irach,  bei  erentuefler 
Überzeichnung  die  mit  höheren  Geboten  gezeichneten  Beträge 
nicht  zu  reduzieren.  Dies  Verfahren  ist  auch  bei  den  späteren 
Anleihen  nicht  ohne  Erfolg  angewandt  worden.  Dureh  ^'er- 
ordnuTip:  vom  23.  Januar  1884  wurden  die  ersten  5  Millionen 
aufgelegt,  zu  zeichnen  bin  zum  20.  Februar.  Schon  am  13.  Mai 
wurde  die  Auflegung  weiterer  5  Millionen  bis  zum  10.  Juni  an- 
geordnet, und  um  die  Zeichner  zu  befried^eUi  gab  man  nicht  5, 
sondern  10  Millionen  aus.  Der  Mimmaikurs  war  beidemal  90. 
Die  letBlen  5  Millionen  wurden  am  13.  Juni  1885  aufgelegt  zum 
Mimmaikurs  von  95  (Börsenkurs  am  15.  Juni  97ySo).  Der  Ge- 
samterlOs  hat  18290650  Yen  betragend 

Die  Nakasendoanleihe  wurde  bei  ihrem  Erscheinen  auf  der 
Börse  im  August  1884  mit  04  notiert,  stieg  schon  im  Oktober 
1885  über  pari  und  erreichte  im  Juni  1S8(>  beinahe  120.  Wegen 
der  1889  beginnenden  Amortisation  und  der  drohenden  Konver- 
tierung ist  sie  bis  Ende  1!^!^9  in  die  Nähe  von  pari  gesunken. 
Die  erste  Tilgung  in  Höhe  von  nur  lUUOO  Yen  hat  1889  stau- 
gefunden. 

Da  zur  Vollendung^  der  be*(onnenen  St-mtseisf-nbahnbauieu 
die  durch  die  Nakabeuduaulciiiu  aujgebrachteu  6uuimcii  uiehi  aus- 
reichten, wurde  durch  Kaiserlk^e  Verordnung  6  vom  29.  Januar 
1889  eine  neue  Bisenbahnanleihe  im  Betrage  von  zwei 
Millionen  Yen  in  füniprozentigen  Papieren  ausg^eben,  weldhe 
im  einzelnen  sich  vollständig  der  gleicn  zu  erwähnenden  konver- 
tierten Anleihe  anschliefsen.  Zum  Minimalkurs  100  aufgelegt, 
ergab  die  Anldhe  dnen  Erlös  von  2007074  Yen. 

i.  iMariiieauleihe. 

Zur  Beediaffung  aufserordentHcher  Mittel  fOae  Zwecke  der 
Marine  verfügte  die  Kaiserliche  Verordnung  47  vom  12.  Juni 
1886,  dafs  &ä  dem  Wege  einer  iüniprozentigen  Anleihe  binnen 
drei  Jahren  17  I^Iillionen  Yen  aufgebracht  werden  sollten.  Di» 
Zinsen  sind  Im  Mai  und  November  faUig.  Im  tibrigen  entsprechen 
die  Bestimmungen    den   betreffs   der   NakasendoanieLhe  er> 

1  Nftmlicfa  Februar  1884  4  500397  Yen  statt  4500000, 

Juni  \S-^4  9  000  1x4  •  -  9  0O>iO<»o, 
Juni       \HX'>    4  7^iOG9    -       -     4  750  000. 

Lhvi  erste  iünission  war  aiso,  wenu  man  vom  Kuntgewinn  absieht,  mÜ 
7jTr ...»  die  dritte  mit  7,»^/o  su  versimeii. 


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X  4. 


711 


lassenen.  Die  Amortisation  soll  fünf  .lahre  nach  der  Ausgabe 
beginnen  und  in  weiteren  30  Jahren  (also  1924)  beendet  sein. 

Die  Autlage  erfolgte  durchweg  zum  Pari-Minimalkurs  Die 
17  Millionen  sind  in  vier  Serien  aiisir»'{];oben,  1886,  1887.  1888 
und  1889  im  Hetrage  von  tunt"  sechs,  zwei  und  vier  Millionen. 
Der  Gesamterlöa  war  17244  153  Yen  ^  Der  Kur»  hat  öich  um 
pari  bewegt,  anfangs  etwas  darüber,  seit  Ende  1889  etwas  dar- 
unter. 

k.  Die  Konvertiemofifflaiileihe  (Seiri  Kosai). 

Nacb  dem  glänzenden  Erfolge  der  ersten  Serie  der  Marine- 
anleihe —  statt  der  geforderten  fttnf  waren  sechzehn  und  eine 
halbe  Million  gezeichnet  -  wurde  noch  im  selben  Jahre  eine 
weitaussehende  Operation  unternommen  Die  Kaiserliche  Ver- 
ordnung 66  vom  16.  Oktober  ISSt)  vertügte  die  allmaliliclie  Aus- 
gabe von  höclisit  iis  175  Millionen  Yen  tiinfprozeutiger  Staatsschuld- 
scheine,  durch  welche  alle  Staatsschuldseheine  ersetzt  werden  sollten, 
welche  sechs  Prozent  Zinsen  oder  darüber  gaben.  Die  „Konver- 
tierten" lauten  auf  den  Inhaber,  kdnnen  aber  auf  Wunsch  auf 
den  Namen  eingcu^i^^  werden.  Die  Amortisation  soll  f&nf 
Jahre  nach  der  Ausgabe  beginnen  und  in  i^n&ig  Jahren  beendet 
sein  (für  die  1887  ausgegebenen  also  1942).  Die  Zinsen  sind 
im  Juni  und  im  Dezenioer  fällig. 

Die  zu  konvertierenden  Papiere  sind  die  Kinrokuscheine  zu. 
6  und  7  Prozent,  die  Kinsatsuscheine  (alte  und  neue),  die  In- 
dustrie- und  die  Nakasendoanleihe,  im  ganzen  nach  dem  damaligen 
Stande  rund  1 22,6  Millionen  siebenprozentige  und  40,»  3Iillionen 
sechsprozen  tige. 

Uber  den  Gang  der  Konvertierung  ist  amtlich  meines  Wissens 
nichts  Genaues  veröffentlicht  Im  wesentlichen  hat  man  bisher 
von  Zeit  zu  Zeit  gröfsere  Posten  siebenprozentiger  Kinrokuscheine 
zur  Rt&ckzahlung  ausgelost,  den  Inhabern  aber  den  Umtausch 
in  Konvertierte  angeboten.  Soweit  die  Glilubi^^er  Barzahlung 
vorgezogen  haben,  sind  die  Mittel  dazu  durch  Ausj:;abe  von  Kon- 
vertierten beschafft,  teils  durch  öffentliche  Zeichnung  (November 
ISSf)  10  Millionen,  März  1889  Millionen  ),  teils  durch  direkten 
Verkauf  an  die  Nihon  (tinko  (  V'eionUi.  4<»  vom  16  Juni  1^88). 
Kach  den  Ansätzen  dejs  Etats  der  letzten  Jahre  tur  \'crzin.sung 
der  Staatsschuld  scheint  es,  als  ob  die  Bereitwilligkeit  der  Staats- 
gläubiger in  den  Umtausch  au  willigen  dadurch  erhöht  würde, 
oals  ihnen  bei  der  Verzinsung  ein  Vorteil  gewährt  wird  durch 


»  Nämlich  1886      5187  832  Veu 
1887      6  048715  - 

l.^K      2  01)4  210  - 
1889      1  no;^  :*m  . 
Die  whkiiciie  Verzinsung  Uetxügt  also  Prozent. 


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712 


X  4. 


Behissunf?  des  letzten  (Coupons,  wodurch  sie  Zinsen  eventuell  fiir 
tünt"  Moiiaie  als  Präniie  erhalten.  Um  die  Konvortienni^^  zu 
fördern,  ist  auch  der  ZinstiiTH  bei  der  Postsparkasse  iierab^e^tzt 

Bis  zum  :^1.  Marz  18*.UJ  sind  für  85112400  Yen  Konver- 
tierte ausgegeben  \  dagegen  die  obengenannten  sechs-  und  sieben- 
prozentigen  Schuldarten  von  171,a  MiUionen  auf  87  163370  Yen, 
also  rund  um  84  Millionen  yermindert.  Von  der  AbDAhme 
kommen  82  Millionen  auf  die  siebenprozentigen  Kinrokuichein& 

Der  Kurs  der  Konyertierten  tet  dem  der  Marineanleihe  an- 
geflihr  gleich. 

1.  Die  auswärtigen  Anleihen. 

Für  den  Bau  der  ersten  Eisenbahnen  wurde  im  Jahre  1870 
eine  Anleihe  von  euier  Million  M  4880000  Ven)  in 
London  ahgeachlosBen.   Der  Zinsiuls  war  0  PkDzenty  der  EmissionB- 

kurs  98,  der  wirkliche  Erlös  mithin  4  792400  Yen.  Die  Schuld 
ist  )m  zum  Finanzjahr  1881  82  planmälsig  zurückgesahlt 

Eine  zweite  auswärtige  Anleihe  ist  187^5  wiederum  in  London 
abj^oRchlossei),  um  die  liarraittel  ftir  die  freiwilli;;e  Ablösung:  der 
Kenten  der  Samurai  zu  })esohafFen.  Der  Abbeiihifs  bildet  «  iu«^ 
der  dunkelen  Blatter  in  der  japanischen  Finanz^M-schieine  An- 
scheinend unter  dem  Einflüsse  de»  damaligen  auislandischeii  iuit- 
^ebers  des  Finanzministeriums^  eines  amerikanischen  Generals 
Williama',  wandte  sich  die  aum  Abschluß  der  Anldhe  abgeschickte 
Kommisaion,  bestehend  aus  K.  Yoshida  und  Williams,  suoächst 
nach  \\'ashington,  um  die  Anleihe  in  Amerika  unterzubringen. 
Kach  allerlei  vergebliehen  Versuchen  mufsten  die  Herren  sich 
dann  doch  nach  London  begeben,  wo  die  Oriental  I^anking  Cor- 
poration, die  man  hatte  umpfohen  wollen,  sieh  schlieIVlicli  benit 
fand,  die  Anleihe  zu  vorrnittein.  Das  Ei^eutündiehe  war  nun. 
dat's  die  Kommi.ssaif  iiuigrichaft  verlandeten,  dais  die  angesehene 
Bank  ihren  Verpflichtungen  nachkonimm  werde,  unddafsdiese  Bürg- 
schaft von  einer  ob^kureu  auierikania<hcu  Firma  übernommen 
wurde.  So  kommt  es,  dafs  z.  B.  Okuma  in  seinem  Bericht  vom 
4.  Januar  1874  ttber  die  Finanzlage  sagte,  die  Anleihe  sei  Ja 
England  und  Amerika*^  abgeschlossen.  Nach  Black  (Young 
Japan  11  361  ff.)  hfltte  das  amerikanische  Flaus  für  seine 
Bürgschaft  2'/s  Prozent  Kommission  (292800  Yen)  erhalte 

*  Nämlich  his  zum  1.  April  IS^T       10t<l-{2*)0  Yen 

-  -    -      -     18X8      «H4I9950  ^ 

-  -    -      -     1«><9      (\\  54(»>^JM)  - 

-  •    -       -     H90      .^.">irJ4«Hj  - 

In  den  Abreehnuugcn  sind  als  Einnahme  durch  Ausübe  der  Kouver- 
tieften  cingoßtellt  1?<^7  f<i<  721»  hJh  Ven,  1  tf9  881  Yen.  Von  1«I90 
an  wird  für  die  Knnvertierunf;  ein«  bt  s..ii<iere  Rechnung  gofiilirt 

*  Vgl.  über  diesen  Ehrenmann  und  seine  Fähigkeiten  Japan  Weeklj 
MaU  1875  S.  m 


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X  4. 


713 


Ka<  }ulrm  es  kurz  darauf  fallierte,  hätten  di»-  Biicher  die  2^  a  Prozent 
K  Diiimission  ausgewiesen  „minus  2  Prozent  ntournierf .  Wohin 
diese  iSumme  von  Uber  234 '^')0  Yen  «^egan;:eii,  :4ei  unerkliirt  ge- 
blieben. Wie  dem  auch  »ei,  sonderbar  ist  jedenfalls  der  ganze 
Vorgang.  Die  Abrechnungen  für  die  Zeit  von  1868  —  1875  weiben 
neben  4123574  Yen  für  Zinsen  und  Kommiasion  fUr  die  aus- 
wÄrtige  Schuld  noch  den  ungeheuerlichen  Posten  von  772027 
Yen  auf  ak  «Ausgaben  fllr  Kontrahierung  der  auswärtigen  An- 
leihe (oder  Anleihen)^,  was  £Mt  fUnf  Prozent  des  firlitoea  beider 
Anleihen  aoBmacht 

Die  Anleihe  von  1878  wird  mit  7  PMzent  verzinst  und  ist 

zum  Kurs  von  92,5  aufgelegt,  so  dafs  der  Nominalbetrag  von 
2400000  /  ^  117120<}0  Yen  einen  Erlös  von  10833 (iOO  Yen 
ergab.  l>ie  Tilgung  erfolgt  in  regelmälsigen  Raten  bis  \S91. 
Der  Kurs  des  Papieres  in  London  stflit  dauernd  er}i(})lich  über 
pari.  Der  no<'li  au-säteiiende  JSomiuaibeU^  dieser  bchuid,  wohl- 
gemerkt in  Uold,  war 

am   1.  Juli   1881      9685336  Yen 

-  1.  -  1885  8015400  - 
'  31.  März  1890      5826232  - 


II.  Die  Bedeutung  der  Staatsschuld. 

Die  einzelnen  T^le  der  japanischen  Staatsschuld  tragen  einen 

sehr  verschiedenartigen  CbaraKter.  l)ui*ch  Anleihen  ist  nur  ma, 
kleiner  Teil  der  Schuld  entstanden.  Beinahe  die  Hälfte  der 
Staatsschuld  ist  an  die  Stelle  alter  N'erpHichtungen  des  iStaates 
getreten,  der  dem  Adel  und  den  Shi/.oku  <t  huldigen  Renten. 
In  den  JStaatsschuldscheinen  haben  diese  so  /.u  sagen  einen  K'»r- 
per  erhalten.  Ihre  allinahüche  Tilgung  bedeutet  die  \'«'r\vea- 
durig  eines  Teils  des  Nationaleinkommen«  zur  Kapitalbiidung. 
Fast  191  Millionen  der  inneren  und  mit  Eiureclmung  der  zweiten 
Londoner  Anleihe  202.«  Millionen  der  gesamten  verzinslichen 
Schuld  haben  in  diesen  Verhältnissen  ihren  Ursprung.  Ein  weiterer 
Teil  der  Schuld  entstiramt  dem  alten  R^me  direkt,  die  söge« 
nannte  „Alte  Schuld"*.  Der  gewaltsamen  Neuordnung  sind  di<> 
..Neu.'  Sebald"*,  die  Satsuma  Anleihe  und  im  wesentlichen  die 
Papiergeldschuld  zuzuschreiben,  fast  154  Millionen  (ohne  die  heim- 
liche Papieraiisgabe).  .Aus  eifientliehen  modernen  .Anleihen  stam- 
mend, teils  für  nn'litnrisehe  Zweeke.  teils  direkt  tur  wirtachaft- 
liclie  Anlagen,  bleibt  mithin  nur  der  verhaimismalsi^  ;;eringe  Be- 
trag von  i^ut  50  Millionen.  Die  folgende  t'bersicht  möge  das 
noch  einmal  dar  Deutlichkeit  halber  zeigen: 


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9 


X  4. 

a.  Verpflicktuugea  der  alten  Ordnung 

2i;i44(il50  Yen. 

Alte  Schuld  10072  725  Yen 

Chitsuroku-fcJcheine  105G5800  - 

Zweite  Londoner  Anleihe  11712000  - 
Kmroku-Scheine  173861575  • 

PriMtar- Ablösung  334050  - 

b.  Kcvolutionsachulden  15^778729  Yen. 

Neue  Schuld  12  41817:»  Yen 

Sutsiima- Anleihe  15000000  - 
Papi(  r«relfl  \  of^zieller 

liciütmtbetrag  12ü  360554  - 

c.  Investitione-  und  RllBtungsanleihen 

563Ö0OOO  Yen. 

Erstf  Londoner  Anleihe     4880000  Yen 
induötrieanieilie  12  500  000  - 

Euienbahnanleihen  22  000  000  - 

Marineanleihe  17000000  - 

d.  Aumchliefslich  zur  Konvertierung  einer 
Sehuldart  in  die  andere  (daher  nicht  mit  zu- 
sammenzurechnen) diente  die  Ausgabe  von  99511 550  Yen^. 

KinsHt8U8cheine  14  399 150  Yen 

KonvertieniriL'sanlcihe 

(31.  März  itiUO)  85 1 12400  - 

Der  amtliche  Being  sttmtlichw  unter  a  fau  c  aufgestdltai 
Schuld titel  war  also  fiiet  424  Millionen*,  ohne  Papieigeld  gut 

297  Millionen. 

Dafs  daneben  in  den  Schatzscheinen  und  den  Verpflichtungen 
ih  r  I  >e|>08itenkas8e  eine  schwebende  Schuld  entstanden  ist,  wurde 

bereits  erwühnt. 

Die  aufgetUhrten  liüclij>tbotr;ig(.'  der  einzeln»'n  Schuldarttin 
siiid  nun  uiclit  gleichzeitig  eingetreten.    Durch  Tilgung  und  Neu- 

'  Ein  nicht  genau  zu  bestimmcmli  r  Betrag  entfUlIt  allortliug^s  davon 
auf  das  vor  lt>{i6  audgegebeue  Terhtohal|>apieigeld  und  würde  unter  a 
gehören. 

'  Die  im  November  1890  ini  Leben  getretene  Schuld  bei  der  Nihou 
Ginko  von  22  .Millionen  Yen,  die  zur  Einlijntng  von  Pajnei^geld  bestiaiPt 
»ind,  würde  gleichtails  bierber  gehören. 

*  Es  ist  nlebt  aufoer  «cht  so  lassen,  daft  dies  die  antliehen  ZsUsn 

sind,  die  Bicli  dure)i  ili*-  }i<MUiIiclio  Papieransgabe  om  mehr  als  22  Hillionen 
YeUf  also  auf  446  Millionen  erhöben. 


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X  4. 


715 


auBgabe  sowie  diucli  Regulierung  hat  der  Oesamtbetrag  der  Ver- 
schuldung (immer  ohne  die  heinuiche  Fäpierau^be)  sich  folgen- 
dennaTsen  entwickelt: 


Am 


.TiiniiA.r 

1873 

181  343*)55  Yen* 

1874 

181)802667    -  * 

1875 

141368162  - 

i\jtj 

Juli 

187& 

Ato  mW  \fW 

1876 

148924724  • 

1877 

X  V.'  f  ff 

336225677  - 

1878 

375  250  357  - 

187Q 

3fir?  307  074.  . 

m 

1880 

3:,H047  201  . 

18H1 

3ri2  428  Q68  - 

1882 

340  770  706  - 

1883 

;3;i5ci(Wwl9  - 

1884 

326617411  - 

1885 

328962159  - 

April 

1886 

324062057  - 

1887 

307077525  - 

1888 

301260180  - 

Januar  1889 

294  892  756  - 

Marz 

1890 

295510822  • 

•  3 
-  3 

Mit  Ausnahme  des  Jahre«  1884  8.')  hat  bicli  die  Staatsschuld 
also  seit  dem  höchsten  Stande  des  Sommers  1878  stetig  ver- 
mindert, im  ganzen  um  80  Millionen  Yen  in  elf  und  dreiviertel 
Jahren.  Um  das  richtig  zu  beurteflen,  mufs  man  allerdings  nicht 
au(ser  Augen  lassen,  dafs  zu  dieser  Verminderung  der  Reserve- 
fonds stark  in  Anspruch  genommen  ist.   £s  war  der  Bestand 


1.  Juli  1878 
1.    -  1881 
1.    -  1885 
31.  Januar  1889 
31.  März  1890 


des  fieservefoDds 


5l2»)«i81>l 
55  7U;U99 
46575  297 
15  15büU3 
10000000 


Yen 


also  Schuld  minus 
Reaervefondg 


324456  75ö 
296  635  469 
282  386  356 
279  733  765 
285510822 


Yen 


Die  Verminderung  der  Passiven  des  Staates  betrug  also  in 
Wahrheit  knapp  39  Millionen^.   Das  ist  um  so  mehr  als  eine 


1  Darin  sind  löOOOOO  Yen  Heat  der  jShimoDoeeki-Entscb&tigQiig 
(Ö.  &i)  enthalten. 

*  Dnreh  Beseitigung  der  heimlichen  Papierau^^be  erhSht  rieh  die 

Summe  jiuf  runti  Hl  Milliouen,  <»line  Berücksichtigung  der  Almahme  dos 
Keservetbnds  auf  etwas  Übet  100  Millionen  Yen.    Weuu  der  Fioau^e- 


üiyiiizüü  by  GoOglc 


71(i  X  4. 

rtJbpektable  Leistung  aiiziiM'lit'ii,  als  f]h'  Zu»ainrnentjetzunjz  der 
Sclmltl  (  ine  sehr  viel  gUuötiK*ir<j  geworden  i.^t.  seitdem  die  ganze 
Energie  aul  die  ßeuserung  der  \N  ährurig  gerichtet  wurde.  \  on 
der  Summe  der  Ötaataschuld  war  187Ö  ein  Drittel  Papiergeld, 
1890  weniger  aU  ein  Siebentel.  Die  niemals  bedeutende  äulsere 
Scbuld  ist  dauernd  vermindert;  schon  1885  nur  mehr  die  Hlllfte, 
betrügt  Bic  gegenwärtig  nur  mehr  ein  Drittel  der  ursprünglichen 
Summe.  Die  innere  Schuld  ohne  da»  Papiergeld  hat  sieb  da* 
g'  i^en  etwas  anders  entwickelt.  I^urch  diu  Konvertierung  von 
I*a|iier  in  zine»trap^cnde  Stajitsschuldächeine  wie  dun  h  das  Auf- 
treten neuer  liediirlniss» .  die  auf  dem  Anleihewege  gedeckt  sind, 
w  urden  von  187H  biö  KSüU  für  mehr  aU  5.i  i^Iillionen  Yen  ueue 
Schuldtitel  in  Umlauf  gesetzt  Dies  hatte  die  Folge,  dafs  zuerbt 
eine  nur  langsame  Abnahme,  seit  1884  aber  ein  erneutes  An- 
steigen stattfiuid,  so  dals  Anlang  1889  der  Stand  ron  1878  wieder 
erreicht  war  und  gegen  wältig  Überschritten  ist.  Seit  der  Rentra- 
ablOsung  bat  sich  nämUcii  die  innere  Schuld  (ohne  Papieigeld) 
folgendennafsen  entwickelt: 


• 

1 


1.  Juli  1^77 

1.    -  1678 

1.    -  1879 

1.   -  1880 

I.   -  1881 

1.   -  1882 

1.   -  1888 

1.    -  1884 

1.    -  1885 

1.  April  1S86 

1.    -  lbö7 

1.     -  1888 

31.  Januar  1B89 

31.  März  1890 


228871  930  Yen 

241699  070  - 

238  070  802  - 

2383513Ü1  - 
236194193  - 

234826390  - 

228109881  - 

224  709081  - 

231  000  227  • 

237  905  297  - 

232159548  - 

240099088  - 

241896294  - 

249619334  • 


Hat  sich  der  Betrag  dieses  Teiles  der  Schuld  neuerdings 
wieder  yergrölsert,  so  ist  trotzdem  die  zur  Verzinsung  erfordere 
liehe  Summe  doch  gesunken.  Einerseits  sind  die  hoch,  mit  8,  9 
und  10  Prozent  verzinsten  Schiüdtitel  ganz  beseitigt,  anderseits 

hat  die  begonnene  Konvertierung  schon  jetzt  eine  erlie})Iiolje  Kr- 
leiehterung  gebracht.  Dir  folp^endo  I'lier.sn  ht  der  gesamt* n  Staatä- 
sciiuid  ohne  Papiergeld  wird  das  verdeutlichen.    Es  wai^ 


miobter  (»raf  Matsukata  in  seiner  Budgetrede  vom  t>.  Dezi'inber  1<"^^H> 
im  Ahgpordnetenlitm«»»'  bchnnptt  to .  «eit  1^7^  pcien  jsiUrlic!i  lurchschnitt- 
licb  10  MUUoueu  getilgt,  ao  hat  er  eleu  Muud  doch  etwas  voll  ge- 
noDMUsn« 


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■ 

X  4.  717 

am  i.  Juli  im    am  1.  Juli  Ibüb   am  61  März  1890 


Yen 

Yen 

Yen 

unverzinslich 

8992223 

8  119817 

7022544 

zu  verzinsen 

mit  4  ^'  u 

11  052425 

1 0  652  850 

In 5öl  275 

-  5^0 

40  412555 

30  925125 

134882145 

-  6«/o 

42410565 

42955715 

46  736  485 

-  7<"o 

117924151 

129576490 

46253117 

-    7^  j  «/o 

10000000 

10000000 

-    8  "  0 

9901 500 

115275 

488000 

-  10  ^'o 

9185110 

6  736  355 

240366529 

239081627 

255445566 

Erforderlicher  Zins 

15S16600 

14752927 

13958066 

Die  dnrelisclniittliciic  Veizinsiing  der  Schuld  betragt  also 
189()  nur  mehr  5,5  "  o  gegen  in  den  beiden  ersten  Jahren*, 
liaupttypuö  der  iSchuldtitel  sind  nicht  mehr  die  öiebenprozentigen, 
oondem  die  fünfprossentigeny  welche  achon  mehr  als  die  Hfllfte 
der  Staatsschuld  darstelleD.  Bei  den  Elmiasionen  TOn  1886  bis 
1889  hat  der  Staat  noch  nicht  5  Prozent  m  geben  gehabt, 
während  die  erste  innere  Anleihe,  die  von  1878,  trotz  einer  Ver- 
zinsung von  mehr  als  acht  Prozent  nur  mit  grolser  Mtthe  nnter- 
gebracnt  ist.  Das  wieiitigste  Wertjjapier,  die  siebenprozentitren 
Kinroku  standen  Mitte  I^ezember  l^'^n  auf  61,.;.  der  Zinsfuls  war 
also  ll,3*; '^'o.  Ende  1885  standen  sie  }iari.  der  Zinstuis  war  also 
7"«',  und  -t  lion  1886  tbiprten  die  füntprozentigen  Papiere  auf 
pai'ij  eine  i_anz  aulserordentlicli  rasche  Besserung. 

Vm  die  Amortisation  der  einz.elnen  SchTildarten  hat  die 
Regierung  sich  ziemhch  freie  Hand  gewahrt.  Die  Gesetze  ent- 
halten regelmälsif^  einen  Termin,  innerhalb  dessen  die  Tilgung 
erfolgen  soll.  Wieviel  ab^  in  jedem  Jahre  getilgt  wird,  ist  bei 
allen  Arten  der  inneren  verzinsfichen  Schuld  dem  Finanzminister 
▼orbehalten,  B*tir  die  Finanzverwaltung  ist  das  äufserst  bequem, 
da  die  Tilgung  auf  ein  Minimum  beechrünkt  werden  kann,  wie 
das  tlintsiiehlif'h  1877  78  der  F'all  war.  Seit  Beginn  der  Kon- 
vertierun;^  sind  bei  versf  hiedenen  %'(  r7.insliclien  Schuldartcn  jähr- 
lich nur  jo  10000  ien  zurückgezahlt    Die  Gefahr  dieses  Öystems 


1  L&fat  man  die  unverzinsliche  Schuld  we^,  so  waren  es  6.«,  6,« 
und  ^K^'  l'rozent  in  den  drei  .Jahren.  Für  die  iriliindische  Sebu]«!  allein 
stellt  sich  das  Zinsenerfordeniis  auf  14  .VJ4  70<i  Veu  ,  14  191  79^  Yen  und 
."j.^O  229  Yen  gleich  8.4 ,  (5,4  und  5,«  Prozent  der  verzinelicheD  inneren 
Schuld.  —  In  Zaknnft  wird  die  Durchsc-hnitttverzinsung  noch  erheblich 
niedriger  sein,  nicht  nur  infolge  der  fortschreitenden  Konvertiernnf?,  son- 
dern auch  wegen  der  unverzinslichen  Schuld  von  22  Milhouen  bei  der 
Nibon  Ginko. 


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718 


X  4. 


ist  natttiHchy  dafs  man  die  wttnachenswerte  Amortisation  über- 
luuipt  auf  ein  Minimum  beschrftnken  wird,  wenn  die  Finanzlage 

etwas  been^j^t  oder  das  Parlament  unbequem  werden  sollte.  Fdr 
die  Staatsgläubiger  ist  also  die  Einrichtung  nicht  unKKlenklieh, 
namentlich  bei  Anleihen,  die  unter  pari  ausgegeben  sind  und  bei 
welchen  auf  den  Gewinn  bei  der  Auslosung  gerechnet  wird. 

Zur  Festigung  des  Staatskredites  wurde  gegenüber  solchen 
P>wägungen  1878  ein  Plan  angenommen  (zuerst  erwähnt  im 
Budget  für  1878  79  vom  4.  September  1878),  wonach  einerseits 
die  feste  Summe  von  20  MillioDen  Yen  jährlich  ftbr  den  Dienst 
der  Staatsschuld  —  Verzinsung  und  Tilgung  —  bestimmt,  ander- 
seits ein  Tilgungsplan  aufgesfcdlt  wurde,  wonach  die  Schuld  in 
28  Jahren,  also  bis  1906,  ganz  beseitigt  werden  sollte.  Dif  >er 
Plan  behandelte  die  wichtigste  Aufgabe  jenes  Momente,  die  Be- 
seitigung des  Papiergeldes,  ganz  nebcnsüchlich  —  bis  1902  sollt»^n 
davon  8ü  Millionen  im  Umlauf  l)leiben.  Es  war  irut  dafs  man 
den  Plan  im  einzelnen  niciit  genau  befolgte.  Den  Grundgedanken 
der  Tilgung  der  Schuld  bis  190(5  hielt  man  aber  noch  längere 
Zeit  fest,  wie  seine  Erwähnung  in  den  Erläuterungen  zum  Budget 
ftbr  1886/87  beweist  Die  seit  1884  neu  emittierten  Staatspapiere 
hatten  allerdings  bereits  erheblich  ausgedehntere  Tifgangslennuie^, 
aber  erst  duitm  die  im  Herbst  1886  angeordnete  RouTertierung 
wurde  der  ganze  alte  Tilgungsplan  über  den  Haufen  geworfen, 
da  die  Ronvertierten  erst  binnen  55  Jahren  nach  der  Ausgabe 
getilgt  werden  müssen. 

Beibehalten  ist  dagegen  aus  dem  Plan  von  1878.  dafs  für 
den  Dienst  der  Staatsschuld  j«nhrlich  20  Millionen  Yen  bestimmt 
werden,  woraus  übrigens  auch  die  Verzinsung  und  sonsti^ren 
Kosten  der  Ausgabe  von  Schatzscheinen  zu  bestreiten  sind. 
Thatsitohlioh  ist  rar  die  Schuld  jedesmal  dne  grOisere  Summe 
ausgegeben  worden.  BcgelmAfsig  kommt  mehr  ala  ein  Viertel 
der  Staatsausgabe  auf  die  Schuld,  in  einiselnen  Jahren  sogar  mehr 
als  ein  Drittel.  (Vergl.  die  Zahlen  S.  124.)  In  Zukunft  dürfte 
sich  das  wohl  ändern,  da  aus  den  Mitteln  des  Budgets  im  ganzen 
nur  noch  acht  Millionen  Yen  fi\r  die  Einziehung  von  Papiergeld 
erforderlich  sind,  die  Tilgung  des  gröfsten  Teiles  der  Schuld  abtT 
durch  die  Konvertierung  auf  eine  lange  Reihe  von  Jahren  verteilt 
wird.  Nur  180(3  und  1807  wird  ein  sehr  erheblicher  Bedarf 
eintreten,  da  die  zehn  Millionen  der  Satsuma- Anleihe  und  der 
Best  der  „Neuen*^  Schuld  dann  zurttckzusahlen  sind,  deren  Tilgung 
bei  dem  niedrigen  ZinsfuTse  von  vier  Pnmmt  Torher  sicher  nur 
gana  langsam  betrieben  wird.  Die  auswärtige  Schuld  erreicht  im 
selben  Jahre  ihr  finde. 

An  sich  kann  es  kein  Bedenken  erwecken,  wenn  die  Schulden- 
tilgung etwas  langsamer  vor  sich  geht,  wenn  sie  nur  nicht  gmnm 


<  1920  für  die  neuen  Kinastmischeine,  1915  Ükt  di«  Makasendo- 

anleihe. 


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719 


aufhört.  Die  iSchuldentil^ung  ist  in  der  Hauptsache  der  Preis, 
mit  welchem  der  Umsturz  und  die  Abscliatiung  der  alten  Ver- 
liältuisöc  bezahlt  wird.  Es  liegt  kein  Grund  vor,  damit  die  Gegen- 
wart höher  ab  nötig  zu  belasten.  Eine  stärkere  Amortisation 
wäre  dann  allerdings  wttnachenBwert,  wenn  zu  nieht  direkt  pro- 
duktiYen  Zwecken  die  Staatsschuld  erheblich  vennehrt  wttrde. 

An  sich  ist  die  Staatsschuld  nicht  sehr  bedeutend,  noch  nicht 

das  Vierfache  der  Jahreseinnahme,  wobei  noch  zu  beachten  ist» 
dafs  Schulden  der  Kommunalverbände  bisher  kaum  vorhanden 
sind.    Ferner  .stehen  der  Staatsschuld  gewisse  Aktiva  gegenüber : 

aufser  dem  Fonds  zur  Einlösung  dns  Papiergelde.s  namentlich  die 
Staatseisenbahnen  ^  und  die  Ireüich  bisher  wenig  rentabeln 
Forsten. 

Seit  1673  hat  der  Japan itse he  Sfeiat  sich  nicht  wieder  an  den 
europäischen  Geldmarkt  gewendet.  Allerdings  aclieinen  darauf 
zielende  Pläne  im  Herbst  1880  und  wieder  1884  bestanden  zu 
haben',  aus  denen  aber  nichts  geworden  ist.  Gegen  austandische 
Anleihen  besteht  in  weiten  Kreisen  in  Japan  ein  starkes  Vor- 
urteil Dazu  tragen  einmal  mangelhafite  \  orstellun^en  über  die 
wirtscha^che  Bedeutung  der  Heranziehung  iremaen  Kapitals 
bei^.  Dann  spielt  die  Furcht  vor  politischen  Einmischungen 
frHTiuler  Mächte,  welche  durch  die  au-^länflisrhen  Anleihen  lierbei- 
getiihrt  werden  könnten,  eine  grolse  Kode.  Der  Hinweis  auf 
Ägypten  ist  beliebt.  Durch  thörichte  Ausländer*  sind  die  Japaner 
in  dieser  ganz  schiefen  Auffassung  bestärkt.  Diese  Erwägungen 
sind  so  mllchtig  gewesen,  dais  fraher  die  Vefttufserung  von  Titeln 
der  inneren  Schuld  an  Fremde  aligemein  ▼erboten  war.  Eb^ 
die  seit  1884  aufgelegten  Anleihen  (Neue  Kinsatsu-,  Nakasendo-, 
Marine-,  Konvertkrte  Schuldscheine),  seit  1888  auch  die  In- 
dustriföinleihe  können  von  Fremden  erworben  werden.  Wie  \m- 
begründet  die  früheren  I^m  snr^rnisse  waren,  dals  d'w.  Fremden 
sich  der  ganzen  Schuld  bemächtigen  würden,  hat  seither  die  Er- 
fahrung gezeigt,  da  aus  Mangpl  an  Bekanntschaft^  aus  Mifstrauen 
u,  8.  w.  die  Ausländer  nennenswerte  Beträge  der  Schuld  über- 
haupt nicht  erworben  haben,  obeieich  &  B.  Zeichnung;  der  ersten 
ümissionen  der  Kakasendoanldhe  einen  guten  Gewinn  gegeben 
haben  würde. 

1  Bei  einem  YAmfnh  von  o  Prozent  stellt  sieb  ihr  Kapital  wert  auf 
mindestens  50  Millionen  Yen. 

»  Das  erste  Mal  zur  Zeit  der  Pünik  wegen  des  Agios,  das  zweite 
Mal.  die  Aufnahme  der  Barzahlungen  vorbereitet  wurde.  Die  Ver- 
handlungen von  lö^^']  scheiterten  dem  Vernehmen  nach  daran,  dafs  in 
London  sehr  lltotige  Bedingungen  gestellt  worden,  wKhreiMi  der  inUn« 
dische  Geldmarkt  eine  unerwartete  AufnahmeflUiigkeit  bei  nach  rinken- 
dem  Zingftifs  zeigte. 

'  Daun  müsse  man  doch  das  Geld  nachher  wieder  an  das  Ausland 
herauszahlen,  ist  ein  oft  gehörter  Einwand. 

*  [ch  '^rinnere  nameutii(  Ii  nn  Sir  Jnhn  Pope  HenneflSJt  da« 
enfant  terrible  der  englischen  Kuloiaalverwaltung. 


720 


Dafs  man  sich  in  Japan  scheut,  sich  direkt  wioder  an  (^n^ 
Ausland  zu  wenden,  hnt  aber  endh'ch  einen  sehr  triltigen  Onin«! 
in  den  Weltwalinm^^svcrhaltnissen  Eine  Sil  heran  leihe  wurde 
man  in  Europa  woiil  nur  schwiT  unterbringen,  jedenfalls  niclu 
besser  als  im  eigenen  Lande*.  Vor  einer  Goldanleihe  aber  »cheut 
man  sich  nicht  mit  UDrecht,  da  die  dadurch  ttbernommeiie  liest 
gans  unberechenbar  ist Inwieweit  dnrch  böfsentechnische  Mani- 
pulationen ein  derartiges  Risiko  beseitigt  oder  wenigstens  verringert 
werden  Icann,  ist  hier  nicht  za  erOrtem. 

Ist  bisher  die  Staatssehuld  in  der  Hauptsaclir  im  Inlande 
untergebracht!  so  ist  es  wohl  der  Mühe  wert,  auf  die  Bedeutung 
der  Schaffung  einer  St.iatsschuld  in  europäischen  Formen  für 
die  japanische  V  o  1  k  s  w  i  r  t  s  r  !i  n  f  t  kurz  hinzuw»  i-fn.  Eine 
verzinsiichc,  durch  ühf-rtragbare  UbligatiuTvn  (lnrL''f'sl<  Ute  Schuld 
gab  der  Hcvolkcrung  ein  bis  dahin  unbckanuteö  Mittel  der  An- 
lage von  Kibpai  ni.Hsen  und  von  Vermögen,  während  ftir  die^>eii 
Zweck  die  aUe  Gesellschaft  nur  den  Erwerb  von  Grundbesitz 
und  dessen  recht  unToUkommene  Bekibung  kannte.  Die  an 
anderer  Stelle  hervomhobenen  socialen  Verschiebungen  sind  hier- 
durch  wesentlich  gefordert,  namentlich  der  wachsende  Einfluis 
des  Kaufmanns-  und  Kapitalistenstandes.  Durch  die  Schaffung 
dw  staatlichen  Wertpapiere,  welche  der  Entstehung  anderer  Wert- 
papiere voranp^inp:.  ist  ein  ci«rentlicher  Geldmarkt  fiir  Japan  erst 
gesell nft'nn.  Ein  ro^n-lniarsifrer  Handel  mit  Wertpapieren,  di» 
Eifeku  liborse,  ist  t  iH.stunden  Für  den  japanischen  Staatskr»  <lii 
ist  (las  in  doppelter  ^^'eise  wit-htif»-.  Das  inländische  Puiilikuni 
ist  an  derartige  \  ermögensaniageu  gewöhnt  worden,  so  dais  in 
Überraschend  leichter  Weise  die  Staatsanleihen  der  letaten  Jahre 
im  Inlande  unterprebracht  werden  konnten.  Das  ist  aber  weiter 
auch  wichtig  für  die  eventuelle  Aufnahme  von  Anleihen  im  Aus- 
lande.  Wenn  in  Japan  selbst  ein  aufiiahmefhhiger  Markt  ftlr 
solche  Papiere  ist,  so  ist  das  fUr  den  japanischen  Staat  wie 
den  ausländisrhrn  GlfiuhiL»'»»r  wichtig  .Iapnni5«che  Wertpipiere 
im  Auplande  wtinU  n  eine  ^anz  andere  Siclieriieit  bieten  als  vjole 
exotische  EfTekton,  di»-  ausschliefslich  auf  den  europäischen  Geld- 
markt angewioscn  snid. 

Auf  die  in la Uliischen  Veruiögensverhältnisse  fsUlt  ein  gewisses 
Licht  durch  einige  Üb^chten  ttbor  den  Besitz  an  Schuldtitdu 
in  den  verschiedenen  Landesteilen.  Für  frühere  Jahre  ( 1 88 1  ~  1 885) 
beziehen  sie  sich  nur  auf  die  auf  Namen  eingetragene  Schuld« 
Für  1887  ist  verotTentlicht,  wieviel  an  Zinsen  in  den  einzelnen 
liesirken  gezahlt  ist.   Veiigleichbar  sind  die  Zahlen  infotgedessen 


*  Der  Kurs  Osferreiehiselier  BUberrente  anfangs  1891  in  Berifa 

entspricht  ungefähr  dem  Knn  der  ffinfjprozentigeu  Fapteie  in  Tokyo. 

Die  Londoner  Anleihen  «in«!  prinacht  nach  dem  Verhältnia  von 
4»8  Yen  für  100  jL  .  Uni  aber  100  /i  zurückzuzahle«,  sind  in  den  letzten 
Jahren  1ms  zu  670  Yen  erforderlich  gewesen. 


biyilizüü  by  GoOglc 


X  i. 


721 


1032620  - 

-  76 

4» 

645535  > 

48 

396331  - 

•  29 

395173  - 

29 

282770  . 

21 

273147  - 

-  20 

230716  - 

-  17 

220076  . 

-  16 

215724  - 

•  16 

oiehL  Im  FinaiiBjahr  1887/88  sind  danach  y<m  einer  nadi- 
gewiesenen  Summe  von  13691 129  Yen  ansgeBahit  in 

Tokyo  6716371  Yen  oder  491  PemiiUe 

Oaasa  (ohneNara) 
Kyoto 
Kanagawa 

Aichi 
Hyogo 
Miye 

Yamaguchi 
Shiga 
Niigata 

dagegen  in 

C)kiiiawa  2580  Yen 

Yamauaölii  26 152  - 

Iwate  32104  - 

Hokkaido  33785  - 

Nara  34843  - 

Miyagi  36660  - 

Miyazaki  43307  - 

Fukushima  45519  - 

Tottori  48504  - 

Wie  sehr  die  Bentenablttrang  mit  der  V<  i  ln  <  itung  der  Schnld> 
titel  im  LAnde  mBammenhttngt^  zeigen  die  Zahlen  i&  Yamanashi 

und  die  anderen  nördlichen  Bezirke,  %vo  es  sehr  wenig  ^Shizok^ 
giebt,  während  in  Okinawa  keine  Ablösung  stattgefimrlen  hat 
und  in  Miyazaki  die  dort  hauptsäclilich  zur  Verwendung  ge- 
kommenen Zehnprozentigen  bereits  amortisiert  sind. 

Das  Vorwiegen  der  Bezirke  mit  grol'sen  Städten  hat  seinen 
Ursprung  wie  in  dem  grOfseren  WoUstaiidey  eo  in  der  weitw 
▼orgesdirittenen  wiitschaftliclien  £ntwickelung.  Doch  iit  nklit 
aufaer  Augen  zu  lassen,  was  namentlich  bei  Tokyo  in  Betracht 
kommt,  dafs  die  Banken  einen  eehr  grofsen  Teil  der  Staatspapiero 
besitzend  Nicht  zu  veri: essen  ist  auch,  dafs  der  ffrö&te  Teil 
des  Adels,  namentlich  fast  alle  ehemaligen  I  nTideminten  ge- 
zwungen sind,  ihren  Wohnsitz  in  Tokyo  zu  hal)en. 

Die  einzelnen  iSehuichurten  sind  in  ziemlich  iihnlichem  Ver- 
hältnis über  das  Land  verbreitet.  iSur  von  den  Kinsatsuscheinen 
waren  allein  in  Tokyo  846  Tanaendstd.  AuffiJknd  ist,  dals 
gerade  bei  den  eigentnchen  Anleihen  das  Übmewicht  des  hanpt- 
BtadtlBchen  Beiirkes  weniger  groia  ist,  nttmlidi  bei  der  Marine- 


'  Durc  h  Einrechnung  der  TöOOOO  ^'en  Zinsen  fiir  die  Satauma-Alllcllke 
würde  der  Anteil  Tokyos  noch  mehr  vergrörsert  werden. 

Foriicbun(;eii  (45)  X  4.  —  Butbgru.  46 


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722  X  4. 

anleihe  451,  der  Nakaaendoanleihe  424,  der  Industrieanleihe  241 
Tausendstel.  Von  letzterer  kamen  dagegen  auf  Osaka  auf 
Kyoto  152  Tausendstel.  Bei  der  Nakasendo-  und  der  Mahue- 
anleihe  ist  auch  Kanagawa  stärker  beteiligt. 

Viel  wiciiiiger  wäre  nun  freilich  zu  wissen,  in  welchen  Hän- 
den die  Staatspapiere  sich  befinden.  Wenigstens  fUr  einen  ge- 
wiBsen  Teil  können  wir  das  nun  nachweisen  ans  der  Statisäk 
der  staatlich  b^u&ichtigten  Banken:  Nihon  Ginko,  Shokm  Ginko 
und  der  Nationalbanken.  Die  Summe  der  von  diesen  beeeaaenen 
Staatspapiere  stieg  von 

66720670  Yen  su  Ende  1881  auf 

72009  405    -     -     -  1883 

76  428  901    -     -      -  1885 

86779862    -     -      -  1887 

Von  letaterer  Summeaind  aber  8 419 800  Yen  an  Schatssebeben 

abzusetzen.  Von  den  verbleibenden  83360000  Yen  kamen  auf 
die  Nationalbanken  66  220  000  Yen,  die  Shokin  Qtnko  1  590  ODO 
Yen,  die  Nihon  Ginko  15550000  Yen.  Der  Besitz  der  letzteren 
an  Effekten  i^t  nach  iliren  Jahresberichten  noch  f^rhehlieh  ge- 
wachsen ^  Der  Besitz  der  Banken  Ende  1887  war  also  gleich 
etwa  36  Prozent  der  ganzen  inneren  Schuld.  Von  den  fünf- 
urozentigen  Kinrokuscheinen  waren  fast  neun  Zehntel,  von  den 
kinsatsuscheinen  zwei  Drittel  im  Bankbesitz,  von  der  „Alten" 
Schuld  imd  der  Industrieanleihe  dagegen  nur  etwa  ein  FttnfteL 
Aus  dem  Gesagten  ergtebt  sieh  aber  auch  die  bemerkens- 
werte ThatBache,  dals  die  Vermehrung  des  Bedtees  der  Banken 
an  Staatspapieren  mehr  als  ausreicht,  um  die  verhältnismftiaig 
starke  Nacbnrage  nach  diesen  in  den  leisten  Jahren  an  er- 
klllren. 

Aufser  diesen  Summen  an  l'flckten  in  den  stnatiich  beauf- 
sichtigten Banken  befinden  sich  weitere  Suramen  noch  direkter 
unter  Kontrolle  der  Fiuanzverwaltung.  Das  sind  einerseits  die 
zu  hinterlegenden  Kautionen,  namentlich  der  Böi'sengesellscha^en 
(fittt  800000  Yen),  der  Bdisenmakler  o.  s.  w.,  anderseits  die 
von  der  De^ositenkaase  angelegten  Gelder.  Ende  1887  waren 
in  der  Depositenkaase  25828000  Yen  hinterlegt.  Bestand  davon 
ein  Teil  aus  Schatzscheinen  und  war  wolil  auch  eine  gewiaae 
Summe  bar  bereit  zu  halten,  so  darf  man  immerhin  annehmen, 
dafs  gegen  20  Millionen  nominal  in  Siaatsjx-ipieren  vorhanden 
waren.  Femer  ist  zu  erinnern  :in  *lie  an^eieLiten  Summen  des 
Hulfsfonds  sowie  den  gleiohlalis  ui  Eilekten  angelegten  bhimono- 
sekifonds. 


'  Kiif^n  m89  betrug  bei  der  Mli«  ti  Ginko  der  Nwninalwcrr 
des  eigeueu  Besitzes  au  Staatspapieren  17*J&0iH>0  Vea 

de»  in  Fuieven  tngelegten  Fonds  zur  Einlösung 
der  Kationalbwdaioten  15705000  • 


biyilizüü  by  GoOglc 


X  4.  728 

Auch  hier  bandelt  es  sich  um  Beträge,  die  gerade  in  den 
Jahren  der  neii<  n  Anleihen  rasch  gewachsen  sind'.  Dagegf-u 
ist  der  frühere  nicht  unerhebliche  Besitz  des  Reserveibnda  an 
Staatspapieren  allmählich  veräulkTt  ^, 

Aub  allem  dem  ergicbt  sich,  dals  von  den  im  Inlande 
gegenwärtig  vorhaDdencn  Staatsschuldscheinen  im  Nominalbetrage 
▼on  etwa  240  Millionen  Ten*  wahrscheinlich  kaum  die  Hlllfte  in 
den  Händen  des  Pablikams  ist,  ein  Verhältnis,  denen  Bedeutung 
nicht  zu  unterschätzen  ist  ftir  die  Durchführung  der  Konver- 
tierung,  tUr  die  richtige  Würdigung  des  inländischen  Geld- 
marktes u.  s.  w. 

Aua  der  BanlvSlatistik  ergiebt  sich  auch,  dal's  an  der  Zeichnung 
auf  ilic  neuen  Anleihen  sehr  wcsentHch  die  Bauken  beteili^^t 
waren,  welche,  wie  früher  ausgeführt,  für  ihre  Gelder  wahrend 
der  Krisenjahre  keine  genügende  Verwendung  finden  konnten. 
So  amd  1884  aufgelegt  die  ersten  15  Millionen  Nakaaendoanldhe. 
Im  Laufe  dieses  Jahres  sind  von  den  öffentlichen  Banken  „er- 
worben" 10454800  Yen.  Im  Jahie  1885  wurden  5  Millionen 
aufgelegt,  von  den  Banken  erworben  4936800  Yen.  Dagegen 
sind  bei  der  regen  Oeschaftsthiitigkeit  des  Jahi^ee  nur  OOOli^O 
Yen  Marineanleilie  erworben,  während  5  jVTi1h*onf*ii  atitgelegt  waren; 
1887,  wo  6  MiUionen  auigelegt  wurden,  haben  dagegen  die  Banken 
2  5U6  700  Yen  erworben. 


^  Die  Po8tei>arkaBBe  hatte  deponiert 

Ende  1881  im  FSnanzministoriain  1016  508  Yen 

-  iss;j  -  -  2160  772  - 
•    1885  in  der  Depositenkasae  8319  527  - 

-  18Ö7  •  -  -  17058768  - 

Im  flQl&fonds  waren  angel^ 

in  Effekten  aa&erdem  i»  der  Depositen- 

kasae 

80.  Juni  1881         427241  Ten  — 

-  1883        8  715  513  - 

-  1885       5  836  871   -  Ende  lö85      1  muüO  ieu 
31.  März  1887       7  471983  -  -     1887      3245072  - 

-  1888      10002197  -  — 

*  Wieviel  das  ß:ewe8eD  sein  outf,  ist  mir  nicht  bekannt.  Im 
Schul(U•ntilp^n^^=^ll!:lJl  wini  ftn  Ti1p;nn!T^Tnnci8  (G«'n?fiikikin)  von  20  Mil- 
lionen als  ziuätrageiiiier  lleätandteiJ  des  Keaervefouds  genannt  Von  der 
eingetragenen  Sebald  waren  „im  Flnusminirteiinm"  1.  Jtdi  1882  27  801 700 
Yen,  1.  Joü  1884  14515948  Yen,  acitdero  ist  nichts  mehr  angegeben. 

•  Über  die  10  Million  n  >;it8uma- Anleihe  wie  über  die  neue  Zwei- 
undzwanzia^milliDnen-Sebnld  bei  der  Nihon  Ginko  sind  Scboldscbeine 
nicht  auagesteUt. 


46* 


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724 


SchUfs. 

Wir  haben  unsere  Untersiiehungt'ii  dureligeiiihrt  zunäclist 
rein  in  der  Absicht,  zur  Kenntnis  des  modernen  Japan  beizu- 
tragen. Vielleicht  ist  die  Hoffiiung  nicht  zu  ktthn,  obSb  dtnm 
aucn  ein  praktischer  Natzen  ndi  eiveben  mdjg;e.  BekanntM^iaft 
mit  den  wirtschaftlichen  und  Bnanzidlen  Einrichtungen  des  Lan- 
des ist  eine  Vorbedingung  für  den,  welcher  wirtschaftliche  Unter- 
nehmungen in  Angriff  nehmen  und  erfolgreich  durchführen  will. 
Dafs  ftir  d'x'  ^^'eiterentvviekclung  Japans  Her  Mangel  an  Kapital 
und  an  einem  gebildeten  Untcmehraerstande  eines  der  llaupr- 
hemmnisse  ist,  habe  ich  zu  zeigen  gesucht.  Gründliche  Abhüllc 
kann  zunächst  nur  vuin  Auslande  kommen  Es  .steht  damit  in 
Japan,  wie  in  occidentalischen  Ländern  gestanden  hat  und 
zum  Teil  nodi  steht  Dafs  aber  Japan  zur  läitwidcelung  seiner 
wirtschaftlichen  Erftfte  ausländisches  Kapital  wie  anslitodische 
Erfahrung  und  Arbeitagewöhnung  anwende,  das  wird  einstweflen 
verhindert  durch  die  unglückliche  Lage  seiner  Beziehungen  cuni 
Auslande. 

Tn  dem  modernen  Japan  herrscht  der  heifsc  Wunscli,  als 
gleichberechtigt  in  den  Kreis  dos  occidentalischen  Völkernclita 
autgenommen  zu  werden,  der  Wunj^ch,  einerseits  die  Vertügimg 
über  den  Zolltant'  zurückzuerlangen,  anderseits  die  in  Japan 
lebenden  Ausländer  der  einheimischen  Gerichtsbarkeit  und  Steuer- 
gewalt zu  unterwerfen. 

Was  zunächst  die  Gerichtsbarkeit  betrifft,  so  hilft  es  nicbts, 
darauf  hinzuweisen,  dafs  die  gegenwärtige  Ezterrit<malität,  so- 
lange die  Ausländer  auf  die  wenigen  offenen  Plätze  beschränkt 
sind,  wirklidi  keine  erheblichen  Milsstände  im  Gefolge  hat.  Die 
Beseitigung  der  tn  mden  Gerichte  vom  nationalen  Gebiet  ist  all- 
niflhlieh  eine  Art  Ehrenpunkt  geworden  und  eine  scharfe  Waffe 
der  Ai^ifAtion  gegen  jede  einheimische  Regierung,  welche  in  diesrr 
Fra«i^c  sich  lau  verhalten  vviü'de.  Di''  allgenieinf  Erlaut)nis  liir 
Fremde,  sich  im  ganzen  Lande  niederzulassen,  würde  aber  bei 
Aufrechterhaltung  der  Konsulargerichtsbarkeit  in  der  That  zu 
endlosen  Schwierigkeiten  Anlafs  geben.  Auch  kann  ehriicher- 
weise  nicht  bestritten  werdeui  dais  die  SteuerpriTÜegien  der  Aus- 
länder und  das  Festhalten  an  einem  längst  veralteten  Zolltarif 
unbillig  sind.  Eine  Reform  dieser  Zustände,  die  vielbesprochene 
VertragsreTision  (Joyaku  kaisei)  ist  in  jeder  Hinsicht  wünschens- 
wert. 

Die  iSciiwierigkeiten  sind  freilieh  trrofs.  Zunächst  best*'b«  ii 
mancherlei  der  Revision  fcindliclic  Interessen.  Kiieuso  wie  manchen 
der  fremden,  einmal  ansässigen  Kuut  leutc  eine  Änderung  dcü  Ix?- 
stehenden  Zustandes  unbequem  wilre,  ebenso  lebhaft  wehren  sich 


biyilizüü  by  GoOgl 


X  4. 


725 


die  weDiffen  Chrofinmleniehmer,  die  es  bisher  in  Japan  giebt,  ge^en 
die  Ge&ordung  ihrer  Monopolgewinne  dnrch  Schaffung  einerJS^n- 
kofrenz  im  Iniande.  Dem  Mifstrauen  der  Ausländer  gegen  die 
japanische  Justiz  entspricht  auf  japanischer  Seite  eine  ganz  un- 
verständige Angst  davor,  dafs  ausländische  Kapitalisten  sich  des 
Grundbesitzes  und  alier  gewinnbringenden  Unternehmungen  be* 
mächtigen  würden. 

Hier  ist  uiciit  der  Ort,  diejäe  iii  Japan  zum  Überdrufs  wieder- 
holt» EiOrtenniMi  noch  einmal  in  jeder  Richtung  ausführlich 
8U  bdiandefai.  Nur  einige  whrtschafluehe  Betrachtungen  mödite 
ich  mir  gestatten. 

Ganz  unbegründet  scheinen  mir  die  zuletzt  erwähnten  ja- 
panischen Besorgnisse.  Die  japanische  Nationaleitelkeit,  welche 
glaubt,  dafs  alle  Welt  nur  auf  den  Augenblick  warte,  wo  man 
siclj  auf  die  Ausbeutung  Japans  stürzen  könne,  würde  einen 
sciiwiTcn  Stofe  erhalt('n,  wenn  jetzt  Japan  plötzlich  vollständig 
fremdem  Unternehmungsgeist  geöflhet  würde.  Bei  der  Hohe  der 
Preise  des  GnindhesitBes,  bei  der  ungenügenden  Bekanntschaft 
mit  der  japanischen  Sprache,  mit  den  Einrichtungen  des  Landes^ 
bei  der  geringen  Leistungsfähigkeit  der  Arbeiter,  bei  der  Un- 
möglichkeit,  genügend  gebildete  einheimische  Betriebsbeamte  su 
erhalten,  wird  es  voraussichtlich  lange  dauern,  ehe  die  Beteiligung 
des  Auslanflps  mich  nur  in  solchem  Mafso  eintritt,  wie  sie  tür 
die  Kntwickelung  Japans  wünschenswert  ist. 

} '.( tv  hti^rter  ist  im  Gegenteil  die  Frage,  ob  es  sich  denn 
luv  das  Ausland  lohne,  den  japanischen  Wünschen  weit  ent- 
gegenzukommen. Ich  glaube  allerdings,  dafs  es  sich  lohnt. 
Die  Höhe  des  ZinsfuCses  ist  im  aUgmeinen  in  Japan  so,  dafs 
die  Ankge  des  in  den  Ländern  des  Westens  nach  besserer  Ver- 
zinsung suchenden  Kapitals  in  vielen  Fällen  lohnend  sein  würde. 
Die  kommunalen  Körperschaften  werden  t\lr  den  Zweck  öffent- 
licher Unternehmungen  Geld  brauchen.  Handels  und  Krworbs- 
gesellschafien  werden  die  bisher  imbekannte  Heschatiung  von 
Kapital  auf  dem  Wege  der  Obligationenau^gabe  anwenden. 
Aktiengesellschaften,  welche  für  an  sich  berechtigte  Bestrebungen 
gegenwärtig  nicht  oder  nicht  mit  genügendem  Kapital  ins  Leben 
treten  kdnnen,  werden  möglich,  wenn  die  Aktien  nicht  auf  den 
engen  japanischen  Geldmarkt  angewiesen  sind  und  werden,  eben- 
so wie  andere  gewerbliche  Unternehmungen,  reichlichen  Gewinn 
abwerfen,  wenn  Elemente  Einflufs  erhalten,  welche  Er&hrung  in 
der  Orj/aTii^ation  gröfserer  Unternehinnngen  haben .  Etenicnte, 
welche  kreditwürdig  sind.  ii.  s.  w.  Solehe  Elemente  wird  man, 
so  unangenehm  das  dem  jungen  Japan  sein  mag,  der  Kegel  nach 
nur  unter  Ausländem  finden.  »Solchen  Elementen  wird  aber  un- 
zweifelhaft der  Erfolg  sicher  sein.  Es  giebt  eine  Menge  Unter- 
nehmungen, die  grofser  Ertragsstdgerung  filhig  smd,  landwirt- 
schaftiiche,  s.  B.  die  Kultur  von  Tabak  und  anderen  Handels- 
gewächsen,  mit  der  Landwirtschaft  zusammenhängende,  wie 


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726 


Zuckerraffinerie,  ferner  Bergbau,  eine  Anzahl  industrieller  Unter- 
nehmungen. 

Nun  giebt  es  fireilich  Leute^  die  sagen,  der  einzelne  habe  ja 

vielleicht  Öewinn  aus  solchen  Unternehmunp:en.  Im  gansen  alir 
hätten  wir  kein  Interesse,  die  Produktionstühigkcit,  die  Industrie 
anderer  Lander  zu  lieben.  Diese  Ansicht  verkennt,  dafti  gt>ra(1<' 
im  g:anzen  betrachtet  allerdings  treoide  Völker  an  der  industriellen 
Kntwickehmg  anderer  Länder  ein  Interesse  haben,  insofern  niclit 
nur  die  Kaufkrait  ^eliobeu,  sondern  auch  die  intemationale 
Arbeitsteilung  und  damit  der  Bezug  vieler  Dinge  aus  dem  Aus- 
lande gefitrdert  wird.  Was  speciell  Japan  betrifft,  so  darf  man 
nicht  vergessen,  dals  eben  Japan  gewisse  Dinge  nicht  selbst  he^ 
vorbringt,  von  diesen  aber  um  so  mehr  beziehen  wird,  je  mehr 
der  inländische  Konsum  und  die  inländische  Knufkrat^t  wächst 
Von  den  greisen  Gruppen  der  japanischen  Einfuhr  kommen  cU 
vor  allem  die  Erzeugnisse  der  Wollenindustri*^'.  namentlich  aber 
die  der  Eisenindustrie  in  Betracht.  Japan  kann  nur  einen  ganx 
kleinen  Teil  seines  Eisenbedarfs  selbst  decken.  Je  melir  iber 
dieser  Bedarf  infolge  der  wirtschaftlichen  Hebung  steigt,  um  so 
mehr  wird  es  sich  fUr  Eisen  und  Eisenwaren,  Maschinen  und 
Instrumente  an  das  Ausland  wenden  mttssen.  Die  Ansicht,  dals 
wir  an  der  Erttfinung  und  wirtsdiai^cheii  Hebung  Japans  kein 
Interesse  hätten,  kann  ich  also  nicht  teilen. 

Das  grölste  Hindernis  in  dieser  Richtung  ist  augenblicklich 
der  in  der  letzten  Zeit  in  so  unerquicklicher  Weise  sich  breit 
machende  Is^ativismus,  eine  nationale  Sel!)st1ilH?^hebunL^  die  tllr 
den  Fernerstehendcn  nieht  Irei  von  einer  gewissen  Komik  utl 
Die  Einführung  kunslitutioiieller  Staatsformen  hat  zunächst  die« 
Stroauiiig  verstärkt.    Wir  hahen  aber  eine  zu  gute  Meinung  von 
der  gesunden  Natur  der  Masse  des  japanischen  Volkes  —  von 
dem  halbgebildeten  Ldtteratentum  abgeseiien  — ,  als  daft  wir  nicfat 
glauben  Mllten,  daft  die  Flegeljahre  des  Parlamentarismus 
bältnismäfsig  rasch  werden  überwunden  werden.  W^oUen  die  Japaner 
sich  unserer  Rulturwelt  einfllgen,  so  mttsseo  sie  einsehen,  dals 
nicht  in  der  Verschärfung  des  Hassengegensatzes  ihre  Zukunft 
liegt.    Wir  geben  den  Nativisten  darin   ganz  recht,  dafs  das 
„Lernen  von  der  Krfalirung  des  Westens""   in  der  bisiier  be- 
triebenen \^'eise  nieht  immer  sehr  erfolgreich  ^^ewesen  ist.  Nur 
verstehen  wir  das  in  etwas  anderer  Weise.    Es  ist  nicht  dauiii 
gethan,  dals  man  Aulserlichkciten  nachahmt,  daü  man  einige 
Sachverständige  heute  hier,  morgen  dort  „mietef*  (wie  der  be- 
seiehnende  und  geschmackyoUe  Ausdruck  lautet),  auf  deren  Rat 
man  dann  doch  nur  halb  hört,  und  dafs  man  einige  junge  Leute 
auf  kurze  Zeit  nach  Europa  schickt    Wir  haben  im  Veriaid 
unserer  Untersuchung  ^ehen,  wie  trotz  aller  ^wesdichen  Er- 
fahnmo-eTi"  geradezu  typisch  die  verschiedensten  weniger  wiinschensr 
wertcn  \  orgünge  im  gesellselnirtliehen  Treben  .T'i  j»ans  sieh  eln-nao 
abspielen  wie  in  Europa.    Im  em^elneo  iieise  sich  leicht  zeigen, 


biyilizüü  by  GoOglc 


X  4. 


727 


wie  ei  kerne  Dninmlieit  gegeben  hat^  die  nicht  auch  in  Japan 
wieder  anftandite^  wenn  auch  nur  vorilbergehend  ^ 

£r8t  wenn  man  so  weit  fortgeachritten  sein  wirtl,  dal's  Japaner 
mit  Aualändern  sich  zu  wirklich  ernster  und  ehrlicher  Arbeit  vier- 

einigen ,  niclit  zur  Nachahmimg ,  sonrlem  zur  Schafliing  eines 
Neuen,  von  dem  Goethes  hfibsches  Wort  gilt,  dals  Orient  und 
Occident  nicht  mehr  zu  trennen  sind,  erst  dann  ist  die  höchste 
Entfaltung  zu  erwarten,  deren  Japan  fähig  ist  und  die  wir  dem 
schönen  Lande  wiUischen. 


'  Am  klarsten  ist  das  auf  dem  Gebiete  des  Geld-  und  Kreditwesens 
zu  verfolgen,  wo  ich  a]'^  flrfistische  Beispiele  die  Projekte  erwähne,  auf 
Grundbesitz  iuudierte  Bauknoten  auszugeben,  die  Cr^dit-Mobilier-Pläne, 
die  Ideen  über  industrielle  NntzbannachuDg  der  Sparkasseogelder,  die 
Vrrtrf'tiing  extrem  -  inflationistischer  Ansichten  u.  s.  w.    Au^  don  ,T;ihr 

§ängcn  des  Keizai  Zasshi  und  Jiii  Shimpo,  die  bei  den  Litterateu  sieh 
es  nöcbsten  Ansehens  erfreuen,  hefse  sich  die  scherzhafteste  Musterkarte 
TolkswirtschafUidien  Unsinns  zoBanunenstellen ,  wie  die  Vorsehiäge  der 
Ersetzung  des  ^nzen  GetreidebaiieB  durch  Sttdenknltur,  der  Abeebaffang 
aller  Zölle  u.  deigl. 


üiyilizüQ  by  Google 


statistische  Tabellen. 

Die  Nummeni  der  Bezirke  entoprecben  deaen  anf  dar  Karte. 


üiyiliZüQ  by 


X  4. 


731 


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Digitized  by  Google 


782 


X  4. 


2.  Die  alten  Landschaften  nach  Fläche  and  Einwolmersahl 

Ende  1887, 

mit  Trenntiiig  des  Tosando  in  Tosando  und  Alt-Osbu,  rsA*  Tab»  Z. 
(Spalte  2  und  4:  Stat  Jahrb.  VIU  29.) 


Landschaft 


FlSehe 


£Sn  wohn  er- 
zähl am 

ber  16S1 


Khi  - 
wohner 
auf  den 
Quadmt* 
ikilonieter 


2 


3 


1.  Kinai  

2.  Tokaido  

3.  Tosando  

4.  Alt-Oahu  (vgl.  Tab.  3) 
.5.  Hokurikudo  .... 

6.  SaniDdo  

7.  Sanyodo  

a.  Nankaido  

9.  Saikaido  

10.  Hokkaido  

11.  Sado  

12.  Oki  

13.  Awi^i  

U.  Iki  

15.  Tsushima  

IG.  Ryukyu  

17.  Ogasawara  

Japan   


445,« 

2  658,« 
2  602,7 
4  247,s 
I  ."»77, s 
1  087,T 
1  570,s 
1  561,8  I 
2617,5 
6095^ 
56,» 
2U 
36.T 

8,«  ; 

44,7 
156,9 

4,6 


6878 
41008 

40  14;? 
G5  r^io 
24  H35 
16  776 
24  219 
24  088 
40371 
94012 
868 
338 
566 
133 
689 
2  420 
69 


2397861 
8941331 

4  001  254 
4  205  264 
3  6>*1  «54 
1  761  .503 
3  988  042 
3  500  320 
5582  788 
289866 
109648 
33202 
187559 
84  7H8 

373  146 

539 


i4  794,4 


349 

218 
100 

64 
151 
105 
165 
145 
138 
3 
126 

98 
331 
261 

4.5 
1-55 


382416 


39069691 


lo2 


biyilizüü  by  GoOglc 


X  4. 


7Sd 


3.     Die  Provinzen,  Kuiii,   nach  Fläche  und  Ein- 
wohnerzahl am  31.  iXzember  1887,  nach  Landachaften 

geordnet. 

S~  ie  Flächen  aoa  Whitney,  Dictionarj  of  Uoads  etc.  1889  S.  200  ff.  «- 
e  Dmwohnentahlen,  von  denen  WhitnevB  abwdcbend,  nach  tStat^ 

Jahrb.  VUI  30 


Laaaaehafi 
und 
Ph>vins 

van  v.'L 

Fläche 
Qua- 
dratri 

1 

Ein- 
wouner 

I.  KinaL 

1.  Yamaabiro  .  . 

73,08 

480  33:^1 

2.  Yamato  .... 

201,42 

491  49S 

KawacDi  .  .  . 

c\r^t\  o »  >  »Ii 

4.  Settsu  .  .  .  ,  . 

%)\)  'K\  , 

il 

239  068, 

n.  Tokaido. 

1.  Iga  

47,s4 

1 

104629! 

2  I'«'    .  ... 

2:n,ii 

(mK  373 

3.  Sliirna  

34.< 

4.  Owari  (Bishu) 

K4,07 

871  524 

5.  Mikawa  .... 

20S,48 

5»)7  95 1  , 

6.  Totoini(Enehu) 

1%,44 

465  21 X 

7.  Soruga  

211^77 

439  751) 

8.  Rai  (Kosbu)  . 

2><9,R5 

438  781 

87,«t 

1768:}6 

10.  Sagami  .... 

128,44 

44248:^1 

11.  Mnsaabi  (Ba- 

2  530  047 

12.  Awa  (ßoshu)  . 

165  <  »24 

i:',  Kazn-sa  .  ,  .  . 

140,27 

465  923 

14.  Shimoaa  .  .  .  . 

206,fio 

760  95:i 

15.  Hitaahi  .  .  .  . 

;i^i4,Rft 

77s  030 

ilL  Toeando. 

.! 

1.  Omi  ...... 

257,16 

666  567  ' 

2.  Mino.  

402,**7 

79S  395 

3.  Hida  

2()S,nf> 

116  523 

4.  Shiuano  (Shin- 

853,  :a 

1  101  499 

Landschaft 
ond 
ProvinE 


Fläche 
Qua- 
dratri 


Ein- 
wohner 


5.  Kozuke(Joshu) 

6.  ähimotsoke .  . 

IV.  Alt-Oshu 
(zum  l'oäando  ge- 
hörig) 

1.  Iwaki  .... 

2.  Iwashiro  .  , 

3.  Bikazen.  .  . 

4.  lüknchtt.  .  . 

5.  Rikiigo(MutBu 

6.  Xlfjtsi  .... 

7.  Ugo  


V.  Hokurikudo 

1.  W:ikjisa 

2.  Kchizen 


4.  Notü.  . 

5.  Etehu 

6.  Echigo 

7.  Sado .  . 


VI.  Sanindo 

1.  Tamba 

2.  Tango. 

3.  Tajima 

4.  Inaha 

5.  Hoki .  , 

6.  Uumo  . 


407,85 

411,tY 


I 


659  7:'.7 
659533 


429,8a 

4.>3  461 

497,M 

531  272 

676 122 

s30,9e 

599018 

672,44 

568824 

•*)46,«3 

653  960 

742,57 

722607 

54,7» 

91  216 

2!7,«^ 

511  695 

147,HS 

454  140 

1  19.^r. 

301  732 

266,41 

739787 

767,04 

1583284 

56,a« 

109648 

206,«7 

328227 

7(),V4 

172  124 

165,  SR 

209  417 

9>^,r>» 

175>^'t7 

12r..'.7 

218  U90 

181,«« 

358  2m8 

Digitized  by  Google 


734 


X4. 


Laudächaft 
und 
Provinz 


Landschaft 

und 
Provinz 


7.  Iwami 

8.  Oki.  . 


YXI.  Sauyodo. 

1.  Harima  .  .  .  . 

2.  Mimasaka.  .  . 
8.  Bizen  

4.  Bitchu  .... 

5.  Bigü  

6.  Aki  (GdBhu) 

7.  Suwo  .  .  .  .  . 

8.  Nagato  (Gho< 

ahn)  


Vrn.  Nankaido, 

1.  Kü  (Kishu)  .  . 

2.  Awaji  .  .  .  . 

3.  Awa  

4.  Sannki  

5.  lyo ...... 

6.  Tom  


IX.  >  :i  1  k  a  id  o. 

1.  Chiku;sen  .  . 

2.  Cbikugo  .  .  . 

3.  Buzen  .... 


232,8» 

21,88  ' 


237,43 

170,R6 

92,s7 
154,71 
229,84 
264,27 
174^1 


198,1 


360,88 
36,69 

269,9« 

100,69 

826,M 
458,w 


107,94 


299550 

83202 


717  084 
244  816 
358  791 
452  68:3 
528  411 
769184 
552844 

364229 


697  6.H 
187  5.59 
676895 
658115 
906  542 
561114 


515  705 
450:i01 
361682 


4.  Bungo .  . 

5.  Uiien  .  . 
|,  6.  Higo  .  .  . 
I  7.  Hynga.  . 

8.  Osumi  .  . 
j  9.  Sataama. 


X.  Iki  

XL  TanalainA.  . 

XII.  Byukyu  .  . 

XIII.  Hokkaido 

1.  Oshima  .  . 

2.  Shiribeshi  . 

3.  lähikari  .  . 

4.  Teshio.  .  . 

5.  Kitami .  .  . 

6.  Iburi.  .  .  . 

7.  Hidaka  .  . 
a  Tokaclu.  . 
9.  Knahiio  .  . 

10.  Nemuro  .  . 

11.  Chiahima  . 

XIV.  Ogaaawaia- 
I       jima  .  .  . 


282,M 
412,tt 

510,96 

!81,u 

207,10 

44,7« 
156,91 


:J09,7» 

:300,M 

823,8« 

565, 7R 

740,15 

456,ss 

391,41 

660,99 

571,19 

237,a 

980,a 


4,00 


641014 
1216590 

1 0:31  V.7 
427  m 
386  5^^ 
551  704 

347** 
3D7dl 
878146 


119^79 
49073 
:302^2 
4-JiJl 

2:^7 

12973 
10611 
2043 
4258 

42»37 

53» 


üiyilizüü  by  GoOgle 


X  4. 


735 


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I  -  t:  iT  r  —  —  1-  r:  71  r:  /.  tc  —  o  x    i  qc  '~ 

•  *  -t-  ~.  r  -  c  71  r:  I    r  /.  c  -t  —     x      c  -  -tJ  <— •  Ä  i  -  •  t  yj 

( -  [  -  --j  —  t-~  I  I-  r:  -/  '>\  f  ~  M  —  -r      "T-  tc      ~.  ^ 

~_  :jr  r".  71  r".  c  T-  C  c  ~.  —         i  -  — <  3;  '.t  er  7?  — ^ 

^  C'^  W*  wj-  W*  **Z  t'^  -JC  'i^  C»-  C£r  '^•i  C^-  *^ 


%c  X  o  -r     c  r:     c  t'j  ®  o    tc  Aö^oa  «DöoooaOS»^ 

CC- ^  c^- 71  —      —  ?J  —  ?i      ^  ^  ^01^  ^ 


~  r:  ~  —  v'  >t  7 1 t:  —  r:  rt  c  1^  X  5^  VT  ^  o 
r".  'T  71  r:  /"  »—  Ci     (-  f  — :  1"      ?i  j7  CT",  -r  :r.  i~  «o 

•    f  --c-  --.     1-«  e<i  Q  1"      ^     —  o     t-  r  :r  r:  —  71  n  tt^ 

~.  i.-;-  -tC  t-       00  O»  ^  «-j  »  X  ».5  >35  r-  C5  »O  Ot  «D  r-«  O       ä  *Ä 


c  --T  '-c  »T  r»  c:  —  '/  »T  rT  71  ~  X  1-  n  ^ 
'~7ir  r':r:"C'*"7ir:  x     Ti*r'7  7i7i  —  ^7-r•M■•^^:l7^ 


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X  4. 


787 


5.  Staatsverwaltungsaus^raben  1880 — 1889  (ohne  die 
Auögaben  für  b taatsacliuld  und  andere  Dotationen). 

(Stat  Jahrb.  V  m«^  VI  ^ff.,  VIU  8b2fL,  iX  l^^ff.  —  VgLancha  1^.) 


Finanz- 
iahr 

GebAlter 

sonstipe 
persön- 
liche 
Kosten 

Bnrean- 

KOBien 

Bauten 
und  Re- 
paraturen 

Verse  hie- 
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1000  Yen 

1000  Yen 

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8929 

8328 

3167 

7934 

841^ 

1881/82 

10889 

8071 

2879 

1881 

14097 

87267 

1882^83 

11307 

8  315 

2998 

2940 

11777 

37  3:^7 

1883/84 

12220 

8  119 

2  909 

2  636 

13  621 

39  505 

18ö4-b.^ 

13  225 

9  220 

2  971 

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14  925 

43281 

188r)/8() 

10384 

7  596 

2  245 

3  507 

14689 

38421 

(9  Monate) 

188a/87 

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2  574 

3  8:^6 

2  496 

29404 

54  9:^6 

1887-88 

17  577 

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2373 

2S825 

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18  175 

2201 

3405 

2  305 

30  714 

56  800 

Anmerkung.  DSe  dnu  leinten  Jahre  rind  mit  den  Vo^alnen 
nieht  vergleichl  ;ir  wegen  ToUatAndiger  VeiBebiedenheit  der  Etataanf- 
Stellung  und  Einteilung. 

„Sonstige  p<»r8Önliche  Kosten"  scbliefsen  bis  1885  Reisekosten,  Re- 
munerationen und  8old,  Ernährung  und  Bekleidung  der  Armee  ein,  in 
den  drei  letzten  Jahren  nur  Keisekoaten. 


Foxsfihongm  (4S}  X  4.  —  Bathgm. 


47 


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738 


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.52  4.56  100 
.52.536  100 
51  386  100  1 
47  236  100 
46  886  1(X) 
46  041  100 
40  616  063 
33  351  100 
22  986  100 

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742 


X  4 


8.    Bilanz  der  Nihon  Ginko  am  31.  Dezember  188d« 
(Fünfisehnter  Semesterberwht  dv  Nihon  Ginko.) 


Haben 


Soll 


2  IM  71ö 


29040355 


16  678  667 


26322946 


IH  70:)  :>92 


16  927428 


lOÖOOUOO 


81875 


31517  846 


146  607  4«6,146  607  m 


y«»  8taAt8kaM8eDT«rw«ltnf, 

OnTlia>icn  den  StaAto  

Featea  Depositum  

Anw<^angen  

Accepte  

774  71  y  Fnrderangen  gogon  den  Staat. 
1  3e<U  UUO  Depositum. 

Verkehr  mit  Privatei. 

Feste  Depomten  

Laufend*'  Depoiiten  

Anwi'iäungeu  

Acrt'pte  

16890  400  Darlrhen. 

681  '>H.5  Duilrln  n  rxwf  hpptimmto  Zeit 
5.%3  269  Diskontierte  Handcispaptere. 
6598726  AuslIndiMhe  Weeheel. 
68751  Atislagen. 

ßEBknotei. 

A  tisgefprti>t  79  108  ({'^2  Yen. 

im  Besitze  der  Bauk  4  811  647  - 

16  678  667  SUaUtchlldBdieiBe. 

Bamn  ud  aitliiüMlief  Oeid. 

25  666  9721  Barren. 

655974  Analfin'^^ipchp  Mthr/fn. 

N  ationalbankii  1 1 1  e  n  kunto. 

DepoaitoiD  der  Nationalbanken  . 

^DBOn  ia  Quid  

18705292  Btaatnchuldacheine. 

16927428  A/^entnren  and  Korrespondeiiten. 

Gewian-  aad  Verlistkoito. 

Gewinn  

Verlufitreeerve  

Vom  vorigen  Seraealer  überMigea 

Kapitalktate. 

Grundkapital  

10  000  000  Davon  noch  nicht  eingezahlt 

Beeerveibnds  

Nicht  abgehobene  Diridenda  .  . 

818751       ttehinde  aad  Iireatar. 

Katie. 

OoIdmUnzen  ....  143109 
Silber-Einyen-StUcke  .  28  794  120 
Silberne  Schetdemfinaen      98  76 1 

NickelinünKen  .  .  .  39  282 
Kupfermünzen  .  .  .  -475 
PapiergeM   405925 

N;itlnii  Ubanknoten  .  .  1086917 
Anweisungen  etc.    .   .  954256 

Snaime. 


31  517 


Yen 

19  071  424 
11960  070 
1 

23O0O, 


13500 

184  656] 
446531 
20555 


81654495 


968864 


74  297  0051  74  297  005 


14169460 


12359 


16  705  793, 
4636671 

12359 

1 097  269, 
150000 

203218i   1450  472 


20000000 

4759700 

6821  24760382 


146  607  480  146  6u7  486 


.\nmerkung.   Wegen  Abrundung  der  Zahlen  auf  ganze  Yen  atunmoD 
die  Summen  mit  der  Summierung  der  £inzelpoBten  nicht  genau. 


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X  4. 


743 


9,   Aua-  und  Einfuhr  von  Gold  und  Silber  1872-1889. 
(Nach  den  Annnal  Retorns  of  the  Foreign  Trada) 


^  

Ausfuhr 



 .  

Einfuhr 

Jahr 

Gold 

1  Öilbor 

Banunon 

Gold 

•Silber 

aammen 

1 
1 

9 

ö 

K 
u 

a 

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7 
« 

Ten 

Tmi 

T«ü 

1872 

2684786 

1 796 109 

4480895 

— 

3691510 

3691510 

1878 

2614  0S5 

2508872 

5122927 

2013007 

1066685 

3080542 

1874 

8126290 

5868912 

18995202 

2700 

1069031 

1071731 

1875 

1060S845 

4060626 

14663971 

26515 

271807 

298322 

1876 

5  872  356 

4  803  345 

10  675  701 

721  465 

7545776 

8  267241 

1877 

0  777 

3219  494 

9441  271 

162  281 

2Ü11  21S 

2  173  499 

1878 

4  601  08^^ 

3  727  570 

8  328  653 

243 

2  IKS  ,s,>s 

2  m  101 

1879 

4  749  m 

«029  229 

12  778  864 

731  mV) 

2  403  138 

3  134  804 

1880 

5Sn8  174 

7:m819 

13  222  993 

20  618 

3  617  612 

3  638  230 

1881 

2  246^x9 

5  243  658 

7  490  547 

150 

1  a55  997 

1  856  147 

1882 

1  251  035 

3  179  162 

44;i0197 

500 

6  160  224 

6160224 

1888 

1009570 

2146995 

8156565 

559 

5450942 

5451501 

1884 

1423654 

8581418 

5005072 

299  202 

5312557 

5611759 

1885 

402636 

3763809 

4256446 

608813 

6988028 

7546841 

1886 

302542 

9323905 

9626447 

1159468 

8012405 

9171873 

1887 

86236 

10949252 

11035488 

12S9527 

7611739 

8871266 

1888 

450284 

7383160 

7833444 

1203252 

7529239 

8  732  491 

1889 

268  010 

4920520 

5  188  530 

749  924 

13423322 

14  173  246 

Anmerkung.  Der  Verkehr  mit  Korea  ist  erst  seit  dem  Februar  1884 
eingerechnet 

Die  Werte  sind  bU  1887  in  Gold-  und  SUberyen  angegeben,  1888  tmd 
1889  nur  in  SUbeiyen. 


üiyilizüü  by  LiOü^le 


744 


X  4 


10.   Postämter,  PoBtsendungen,  Telegramme  und  Post- 
sparkaaien  nach  Beiirken  im  Jahre  1887. 
(Stat  Jahrb.  Vni  315,  318,  386.  459.) 


Auf- 

Auf 

Pcatapai 

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2896916 

3306588 

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1  078  992 

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127 

2659697 

229 

10573 

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155951 

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2  199870 

224 

3  616 

75  974 

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60  470 

147  444 

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1  •  f 

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141 

22  !l.VJ 

26  216 

14  479 

2i^.  Aomori  .... 

61 

1  07^<  572 

20() 

31  IIH) 

53  »<26 

4-'.  sl4 

24.  Vaiiiatrata  .    .  . 

114 

1  6in>4:J 

220 

43  555 

79  6.jU 

44  491 

2ö.  AkitH  ..... 

lO 

1  :i74  512 

207 

25  068 

63130 

24 

20.  l'  ukui  .... 

47 

1 454  141) 

246 

30147 

198640 

121 102 

27.  lahikawa    .  .  . 

41 

2053640 

279 

31427 

255350 

163370 

28.  Tojaina .... 

49 

1335969 

184 

45456 

116584 

109 128 

29.  Tottori  .... 

41 

749  asi 

192 

15  699 

29  664 

18817 

80.  Shimane.   .  .  . 

1  4fK)  1»42 

204 

9  724 

165  WO 

101647 

81.  Okayamn    ,    ,  . 

2  272  0.S2 

216 

19  961 

114  819 

79  705 

32.  ilirofiliima  .   .  . 

120 

2  304U51 

180 

40b«>a 

137  769 

1     75 174 

Digitized  by  Google 


X  4. 


745 


Zahl 

AUl- 

gegebene 

Auf 

AUl- 

gegebene 

PoBteparkasBen 

100 

der 

PoBtseiidnn- 

Telf- 

Neueinzah- 

RAitlrk 

DQbIXK 

Poet- 

tyon    Uli    IT1  — 
I^CII   IUI  III 

r*  1  ti  - 
Li 

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Auflsah- 

ländischen 

woh- 

im  inlän- 

(ohne zuge- 

lull vor 

\'erkehr 

dischen 

schriebene 

lungen 

flbeifaaupt 

Yetkehr 

Zinsen) 

] 

-) 

•> 
.  > 

4 

Yen 

98.  xtunagaislii    •  • 

112 

2588091 

283 

68425 

336595 

197659 

34.  Wakayama    .  . 

o/v 

80 

1663919 

268 

^A  AAif9 

10907 

146554 

101261 

85.  TofcHBliima .  .  . 

48 

1 113  306 

166 

15  797 

109971 

99632 

3<).  Khiine  .... 

113 

2  423  Ob  1 

156 

45  187 

261  713 

165411 

87.  Kochi  .... 

1  005  788 

1  <9 

16  220 

s:^-,8i 

72  827 

3b.  rukuoka    .   .  • 

,ws 

2  31. >  219 

195 

64  048 

2;«  ;i40 

140  879 

39.  Oita  

1  'ju^  :v>ä7 

1.56 

14  9<3 

122  -VM) 

78  608 

3!> 

SI5  IHI4 

25  627 

4*''  V/W  • 

41  714 

IX  88:3 

41.  Kumamoto .   .  . 

145 

2  075  853 

201 

3:3  416 

124  830 

75  6:38 

raiyazan    .   .  . 

62 

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18 

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17 

2935 

1334 

4".  Ilokkaiil.    .    ,  . 

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70  ^44 

Jftf  an  1887  .... 

3917 

136655274 

346 

2607344 

16891446|88^2fi66 

(dam  3 
in  Ko- 
r»'a,  1  ii! 

'1.1/ 1:  in  Kort>»  und  Cliina 

■ 

9  974 

3580 

China) 

1886  .... 

4054 

121265456 

312 

2383.585 

12425162 

6  639633 

1885  .... 

4187 

115068846 

301 

1 780  2>'2 

6  761833 

3356893 

1884  .... 

4878 

A  AAL  #\A^^  ^%A.  k 

112862308 

297 

2572 124 

4  688  181 

1  9S8  778 

1883  .... 

.5H73 

106  <,)4  496 

288 

2  484  .^68 

1  886  2 1>^ 

747  741 

1HhS2  .... 

5520 

99  32  <  M  2 

271 

2  701  406 

76S  035 

594  222 

iN^l  .... 

509:3 

84  177  162 

232 

2  642  :v^n 

r,v4  5s6 

524  739 

IMHO 

013  225 

ISV) 

2  099  ;>>7 

Gll  :387 

443  410 

1879  .... 

;;v»i>5 

.5«  047  229 

157 

1  8:30  578 

472  261 

264  436 

1877  .... 

:3742 

38060  267 

109 

974100 

92297 

34004 

1875  .... 

.3.502 

26161594 

77 

570608 

20559 

5335 

1873.   .  .  . 

1500 

10.550902 

82 

186448 

1871  .... 

179 

565934 

? 

Aninerktiiig.   Is  Spalte  3  and  5  ist  Ws  1885  der  ausIXndische  Verkehr 

eingeBchlossen. 

Ifi  S(,;iltp  '  firzit^hoii  sicli  die  Angabt'n  von  l^^T'  bi^*  l'^'^5  auf  (laß  im  gleichen 
Kaieuüerjahrt;  l>egmueude  Fiaauziahr,  al&o  1875  aut  die  Zeit  vom  L  Juli  1875 
bit  aiO,  jTimi  1876,  1885  anf  die  Zeit  v<m  1.  Juli  1885  bia  31.  MArz  1886. 

In  Spalte  6  iehtieAen  die  Zahlen  von  1875  bis  1881  die  sogeNbriebenen 
Zinsen  ein. 


Digitized  by  Google 


746 


X  4. 


11.  Versteuerte  Wagen  nach  Bezirken  im  Winter- 
halbjahr 1887—88. 
(Nach  Stat  J«hrb.  Vni  886  ff.) 


>»  itgtril 

mit 
Pfarden 

be- 
fpannt 

sha 

Hand- 
last- 

karren 

kanaa 

ZusaiiUQeo 

Benrk 

über- 
hauDt 

a#WHapv 

auf  100 

Qnadiat- 

kilometer 

1 

2 

:i 

4 

5 

6 

7 

1.  Tokyo.   .   .  . 

1614 

ÜU  386 

184 

101  182 

12  569 

2.  Kyoto  .... 

24 

7  4  .^') 

17  906 

59 

25  424 

558 

(.>8aka  .... 

21 

17  145 

::{6  9:^4 

2  085 

56  185 

3148 

4.  Kaoagawa  .  . 

174:^ 

7.549 

;i3  325 

95 

42  712 

1206 

&  Bjogo  •  .  •  . 

207 

7  603 

30251 

2071 

40132 

467 

<l  NagMuld .  .  . 

2  147 

2305 

4  4,52 

123 

7.  Nügata  .  .  . 

29 

4  471 

9587 

14  087 

III 

8.  Saituna  .  .  . 

1814 

3  324 

29206 

23 

:i4  367 

888 

9.  GnmmA  .  .  . 

121K 

2  108 

14149 

23 

17  498 

279 

10.  Chiba  .... 

945 

4  4.53 

15215 

14 

20  627 

410 

11.  IbiinU    .  .  . 

1064 

3  597 

11 141 

1 

15  803 

266 

12.  Tochigi   .   .  . 

1  745 

2  986 

13  049 

62 

17  842 

281 

Ha.  Nara  .... 

40 

2  2iV2 

s  4Gn 

2G4 

11032 

a55 

18.  Miye  .... 

140 

til'J 

34 

28  824 

507 

14.  Aichi  .... 

2^2 

^;  <;75 

49  79Ü 

43 

5s  S()6 

1  219 

15.  Shizuoka  .    .  . 

169 

4  105 

24  650 

81 

21>  V)Ö5 

373 

W.  Yamaaaflhi  .  . 

517 

4  778 

12 

5  889 

132 

17.  Shiga  .... 

16 

2  7^5 

16  344 

136 

19  231 

483 

18.  Gifo  .... 

270 

2  722 

19456 

7 

2245.5 

217 

19.  Nagano  .  .  . 

742 

2  998 

21520 

34 

25294 

192 

20.  Miyagi    .  .  . 

871 

2o:m 

6027 

3 

8935 

107 

21.  Foknahima  .  . 

1263 

2  743 

8688 

22 

12  716 

96 

22.  Iwate  .... 

71 

877 

794 

1742 

13 

23.  Aomori   .  .  . 

615 

900 

1097 

2  612 

28 

24.  Yamagata   .  . 

252 

3  146 

9685 

21 

13104 

142 

25.  Akita  .... 

16 

1892 

2615 

3 

4526 

89 

2«.  Fukui  .... 

:} 

1928 

4  471 

6  402 

152 

27.  Ishikawa  .   .  . 

0 

2  210 

4158 

6373 

i.j2 

Digitized  by  Google 


X  4 


747 


fieark 

Wagen 

mit 
Pferden 

be- 
spannt 

Jinriki- 
sha 

last- 
karren 

Ochsen, 
kauen 

Zosammen 

über- 
banpt 

auf  100 
Quadrat- 
kilometer 

1 

2 

3 

4 

5 

6 

7 

28.  Tojana  .  .  . 
29«  Tot  tori   .  .  . 

80.  Shhnaae  .  .  . 

81.  Okayama.  .  . 

32.  Hiroshima    .  . 
St.  'S  ;iniH<;ucW  .  . 

34.  NV'akayama  .  . 

35.  Tokushima  .  . 

36.  Ebiuie  .... 

37.  Kochi  .... 
d&  Fnkaoka  .  .  . 
69.  Oita  .... 

40.  Sica  .... 

41.  Knmamoto  .  . 

42.  Iifya«dki .  .  . 

43.  Ragoshima  .  . 
4o.  Uokkaido    .  . 

13 
6 
1 
8 

12 
5 

10 

6 
82 
110 

1243 

1368 

2  146 
1005 

5  345 

3  215 
.i  64  J 
2670 
2  716 

4  876 
874 

6  009 
2  068 
2423 
3121 

641 
974 
489 

8081 
1920 
1094 

12249 

12788 
.5  14-2 
.•)  .VM 
3  314 

14  346 
771 

20  916 
2206 
499S 
5267 
102 
528 
1948 

2 
8 
1 
1 

74 
144 

26 
205 
2 

2 

92 
879 
678 

48 

4412 
4074 
2108 

17608 

16014 
8  863 
81^8 
6  056 

19427 
1  653 

27  007 
4386 
7416 
8480 
1122 
2180 
8728 

107 
116 

28 
271 
199 
147 
175 
145 
277 

24 
551 

71 
800 
118 

15 

23 
4 

flau  Japan  (olme 
Okiaawa)  1887.  . 

1886.  . 
1885.  . 

1884.  . 
1883.  . 
1882.  . 
1881.  . 
1880.  . 
1879 .  . 
1878.  . 
1877.  . 
1876.  . 
1875.  . 

17202 
18114 
10526 
9  574 

7  153 
4  A4.". 
2  4:{A 
1  792 
1  36.5 
1129 
782 
509 
864 

190819 
176278 
166058 

169908 

170  079 

166  584 
lül  984 
UU).>31 
1.54  sPk) 

142  6.56 
136  761 
125258 
118921 

675184 

521876 
474290 
457910 

420  705 
397  371 
'Ml  554 
316  664 
258  50H 
196  939 
158  240 
129976 
115680 

8929 
6604 
5949 
5883 
4107 
3639 
3  118 
3  109 
2  517 
1912 
1  786 
1462 
1707 

790134 

717872 
656823 
642775 
602044 

572  137 

.M.5  091 

412  455 

297  .569 
257200 
231672 

206 
189 
178 
169 
158 
151 

i;^ 

127 
109 
90 
78 
68 
61 

üiyiiizeQ  by  GoOglc 


748 


X  4, 


12.    Seeschiffe  (einschl.  Dampfschiffe  und  Sege]- 
schiffe  earopttischer  Bauart  auf  BinnengewttBsero) 
nach  Besirken,  Ende  1887. 

(Nach  Stat.  Jahrb.  VIII  375—381,  auch  V  344  und  Ul  350.) 

1  Kakn  ^  180,4  1. 


l3€ZirK6,  lu  weiciien 
die  Schiffo  ihren 

Seejanken 

(von  mehr  al? 
50  Koku  Gehalt) 

Segdsehiffi) 

enropfiischer 
Bauart 

Dampftehife 

Hdmatabafen  haben 

Zahl 

Gehalt 

Zahl 

Gehalt 

Zahl 

Gdialt 

Pferde^ 

kräf^e 

1 

2 

4 

5 

- 

1  ' 

Ö 

Tonn<-ii 

ToDoeu 

1.  Tokyo.   .   .  . 

370 

65  323 

118 

9360 

143 

47  54^3 

8  92>* 

2.  Kyoto  .... 

o9 

7  6<2 

6 

293 

96 

S,  Oaaka  .  .  .  . 

569 

319  974 

80 

9759 

AA 

92 

10209 

2€e)4 

4.  Kanagawa  .  . 

521 

76900 

15 

731 

a  A 

12 

822 

272 

5.  Hyogo.  .  «  * 

1  789 

222821 

Ol 

31 

7  916 

5 

786 

184 

6.  Nagasaki .   .  . 

M  A  A 

444 

68  982 

228 

a  rfa  Aa  A 

18210 

A4 

81 

3090 

845 

7.  Niigata    .   .  . 

466 

101 834 

3 

a  aA 

142 

AO 

23 

787 

636 

10.  Chib«  .... 

Ann 

873 

82  .%H7 

1 

19 

*  A 

12 

266 

239 

11.  Ibaraki    .    .  . 

2 

;ü9 

3 

1  ^3 

4 

71 

53 

l:V  Miye  .... 

409 

61  22X 

6 

422 

ü 

198 

108 

14.  Aichi  .... 

789 

31 

3  501 

6 

565 

in5 

15.  Shizuoka .   .  . 

346 

09  006 

30 

1  969 

11 

104.^ 

2.>^ 

17.  Shig»  .... 

1 

90 

27 

1  178 

442 

20.  Miyagi    .   .  . 

44 

7  487 

41 

1  033 

4 

47 

21.  I'^itaishiina  .  . 

4 

498 

2 

162 

3 

45 

33 

22.  Iwate  .... 

75 

7121 

22 

521 

3 

57 

7o 

23.  Aomon    .  .  . 

290 

36058 

12 

617 

24.  Yamagata   .  . 

52 

9772 

1 

56 

25.  Akita  .... 

105 

25086 

4 

247 

26.  Fokni  .... 

178 

50860 

1 

220 

3 

119 

50 

27.  Ishikawa  .    .  . 

5^5 

«0  690 

12 

4S! 

5 

:iOO 

lo7 

28.  Toyama  .    .  . 

533 

131  553 

1 

284 

4 

1092 

257 

2^.  Tüttori    .    .  . 

61 

9  294 

2 

156 

80.  Hhimane  .   .  . 

455 

48  897 

5 

164 

60 

31.  Okayama .   .  . 

645 

75  7M1 

1 

44 

32.  Hiroshima    .  . 

1  271 

193  .S64 

82 

3 

54 

30 

33.  Yamagnchi  .  . 

1114 

187018 

^1 

148 

7 

180 

72 

biyilizüü  by  GoOglc 


X  4 


749 


Bezirke,  in  welchen 

die  Schiffo  ihren 

Seejunken 

:voii  iin'hr  als 
Koku  Gehalt) 

SegeUchiflFe 
europäischer 
Bauart 

Dampiaehifiia 

HeiouitsbAfeo  haben 

Zahl 

Gehalt 

Zahl 

Gehalt 

Zahl 

1  Gehalt 

Pterde- 
kräfte 

1 

2~ 

:\ 

4 

6 

7 

8 

t>l.  v\  akiiv  ;iuia  . 

««1 

Kokt! 
1 IH  l.>9 

TOODSII 

2 

Tonnen 

10 

11 

3ö.  Tokushima  .  . 

.V,  (i;{s 

— 

— 

— — 

Ott  l?u:n.A 

OD.  JLnime  .... 

1 

221  '>S'» 

,s 

415 

2 

209 

50 

,U.  KOCDl  .... 

197 

'A'2  .■».■»2 

8 

248 

2 

70 

41 

r  lUQIOKft  ... 

370 

39  646 

21 

1017 

35 

20 

ov.  vntft  .... 

513 

57494 

1 

7 

I 

5:3 

35 

40.  osga  .... 

147 

16847 

11 

246 

1 

3 

4 

41.  Knmmnoto  .  • 

721 

58747 

3 

42 

I 

13 

6 

42.  Miyattki .  .  . 

ia2 

36041 

5 

847 

49.  EiffOtliiiiia  .  . 

381 

37703 

13 

1713 

3 

581 

143 

44.  Okinawm  .  .  . 

109 

10620 

8 

272 

2 

797 

147 

45.  Hokkmdo    .  . 

276 

o3  073 

68 

4998 

19 

884 

343 

Japan  

17  194  {2851 247 

796 

60717 

450 

71514 

15784 

dam  Schiff«  im  Be- 

sita  von  Verwal* 

tungsbehtfiden  .  . 

2 

258 

36 

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754 


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15.   Ernteertrag  der  wichtigsten  Feidfrtiebte  nach 

Bezirken  im  Jahre  18S7. 

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X  4.  755 


16.   Ernteertrag  einiger  wichtiger  laadwirtschaft 
lieber  Erseugniise  nach  Bezirken  1887. 

(Nach  Stat.  Jahrb.  VIII  87-92.) 


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50779 

145  318 

1  aj6292 

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1  1884  sind  in  Ebimennd  Fokooka  geringe  Mengen  Hanf  nnchgewiescu. 

4«* 


756 


X  4. 


17.  Verbreitung  der  Pachtwirtschaft  in  Japan  1887. 
(Nach  Stat  Jahrb.  VUI  94  ff.  —  Vgl.  Tabelle  U  Spalte  3-6  und  lU 


Vom  I^iiTCiitüfuor 

Von  l'äclitoru 

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Japan   

2795707 

1511307 

Aum.  Die  Flächeoaugabcn  stiminea  mit  der  GiuodbesiUstatiatik  uicht 
gans  überdn. 


biyilizüü  by  GoOglc 


X  4. 


757 


18.    Steuerpflichtige  Handelsbetriebe  1885. 
(Vgl.  S.  -m.  -  Nach  8tat.  Jahrb.  V  196-216.) 


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25. 

Akita  .... 

2  41t' 

15  .w 

l  ukai  .... 

4  t.7t' 

17  :'.(is 

14,4 

Ishikavra  .    .  . 

r>  ii;;5 

l!Ki 

'r'tvulna  .    .  . 

:i0  292 

4öiy 

h  lU 

24,t 

29. 

To'ttori    .   .  . 

12:^07 

3082 

15.S89 

18,« 

^liiinane  .    .  . 

18  8B8 

2f.  <  i-jO 

14  ^'.i7 

2^i.- 

31. 

Oka^ama     .  . 

H(\  '_»:17 

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M  oyö 

82. 

Hiroebima    .  . 

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64  219 

13483 

77  702 

28,4 

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Kuchi  .... 

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■»  _ .  1 

i'ukuuka  .    .  . 

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4  'JU-i 

Jiij  7fJo 

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39. 

Oita  ... 

20114 

2H747 

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S.-iga  .... 

17  4: in 

2.  '.  2^!t 

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Kniiiuinoto 

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1 .' ' 

•iL'. 

.Mi  va/,akL  .    .  . 

1  150 

7  ^<tl 

4:1 

KAiaroahima  .  . 

10  1s7 

2409 

6,1 

-1  !. 

<  »kiiiJiwa  . 

1  ^47 

637 

2  4^4 

■ ''.  i 

'\'>. 

lliikkiitdo 

(11  -Mi; 

^ 

l'J  >  4'4 

Jai»aii  11  281  8.>.'> 

1 6i»;i  iii~4  1 

21, 

.\  Ti  m  c  r  k  u  n 
der  Bezirk  Nemaro 


\'on  «le»)  damals  iii  5 
mit  iuägesamt  nur  3169 


Bezirke  ^'rtcilten 
UauBhaituogeo. 


Hokkaido  fehlt 


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768 


X  4. 


19.   Fabriktabelle  von  1886. 

(Vgl.  S.  384.  —  Nach  StHtiätiinrheu  Tabellen  des  Mmist«!riam8  für  Land- 
wirtochtft  and  Gewerbe  fid.  III,  IndiutEie,  S.  4—46.) 


Be^rk 


'^"hl  '  I  andere 

'^''^    Beamte  Aibetter^  Httlfs- 
'  ^  kitfte 


Fabri- ! 
ken  I 


.1. 

1  ^ 


Ein- 
nehmeo 

Ten 


6 


gaben 


1.  1  okyo  .  . 

2.  Kyoto  .  . 
:\.  Osaka 

4.  Kanagawa 

5.  Hyogo 

6.  Nupannki 
H.  SaitarriH 
y.  <iuinina 

11.  Ibaraki 

12.  Tochigi 

13.  Miye  . 

14.  Aich!  . 
15-  Shizuoka 
10  Yamanashi 

17.  Shiga  . 

18.  Gift  . 

19.  NHErinro 

21.  Fukutihima 

22.  Iwate  . 
24.  Vamagata 
2.^.  Akita  . 
2H.  Fukui  . 
27.  Ishikawa 
2H.  Toyama 

Tottori 
80.  Shimane 
.'U.  Okayatiui 

Hiroshima 
X\.  Vaina^uchi 
:i4.  Wakavama 
^5.  TokuBhima 

86.  Bhime  . 

87.  Kochi  . 
8^.  Fukuoka 
f?9.  Oita  . 

40.  Saga 

41.  Kumatnoto 

40.  liokkaido 


77 

1 

,  470 

6  9<16 

1014 

2  714  747 

2  445  797 

67 

19 

1  160 

619 

385  102 

,^1  ^^60 

3o:» 

9  428 

1  07.3 

1 .56>^    I  ". 

144X  l-"  5 

y 

27 

1084 

37 

120 1^9 

56  0>Ni 

27 

67 

3552 

159 

467409 

391472 

23 

96 

1987 

879 

880  140 

:-41  ^96 

11 

47 

573 

255 

124  612 

120  739 

s 

2(J 

346 

66 

I88  04<i 

176  745 

4 

13 

32 

114 

17  247 

16  'S2t> 

3 

20 

394 

16 

93  957 

103 .546 

7 

47 

523 

47 

161  276 , 

144  676 

60 

132 

2810 

287 

896367 

^59869 

7 

2») 

908 

76 

87*. 

77<»l.> 

74 

109 

3  971 

12 

66.5  446 

601  805 

12 

24 

1  192 

485 

48  699 

55  461 

134 

222 

4  65() 

1  305 

»;ti.;  .j:,4 

.V»7  423 

UM 

.564 

10817 

7.52 

3  IZiUl 

2  8^6  1''2 

ö 

'S 

479 

1169 

184  520,  20t»241 
10881  11462 

8 

176 

68 

12 

64 

7(»2 

116 

145  771 

116x:-fct 

19 

702 

11274 

15  199 

1  185  266 

1  m  (  M5 

13 

46 

614 

136 

171  577 

l.Vi  629 

11 

25 

267 

21 

28  369 

29  712 

19 
16 

26 

73  088 

60  48.5 

2 

3 

73 

17 

9  196,        7  414 
1886491  1605.54 

28 

72 

1662 

684 

14 

.52 

9^0 

% 

.592  2:i4 

562  915 

4 

18 

41K 

.50  0.56 

60  929 

r, 

64 

327 

17 

26  186 

87  918 

4 

22 

105 

14 

12  7^W 

7  561 

2 

19 

161 

23 

12  373 

V2  453 

8 

6 

187 

8 

3  287 

4  .540 

5 

28 

m 

7 

11994 

10  2H4 

4  075 

641 

319  m 

27'  • '2 

10 

M 

34^ 

35 

34  743 

30  Wl 

9 

58 

89.5 

85 

60186 

60511 

8 

36 

S3:? 

50 

62420 

579.54 

1 

2 

21 

41  7.37 

41 .5:33 

10 

15 

100 

103 

51 086  j  o:il39 

941 

:)850 

78948 

259S6 

14420099  U8  218  580 

1 

Summe,  89  Besirke 


Dabei  roa  tolehen  Fabrikeo,  von  welchen  nur  Ein- 
nahme oder  nur  Auegabe  angegeben  


82721 


104494 


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X  4. 


759 


20.    Wareneinfuhr  und  Ausfuhr  dem  Werte  nach 

186b— 1Ö89. 

(Nach  der  Htuadelaatadstik,  veiglicheD  his  1878  mit  den  yon  den  eng- 
laechoi  KonwilateD  ermittelten,  seit  l'^TR  mit  den  vom  Stntistisehen  Amt 

beieehneten  Silberwerten») 


Attsftihr 

Einfbhr 

Juiir 

nach  der 
Handels- 
statistik 

nach 
Silber  werten 

nach  der 
Haadels- 
statiatik 

nacli 
Silberwerten 

1 

2  1 

3 

4 

5 

Yen 

Mexik. 
Dollars 

Yen 

Mexik. 
Dollars 

1868 
1869 
1870 
1871 
1872 
1873 
1874 
187') 
1876 
1-77 
iö78 

15  55^3  473 
12  908  978 
14543  013 

17  968  609 
17026647 

21  142  015 

18  780  079 
17  967  930 
'/>7  •''•■'5  1 57 

22  976  416 
25  524571 

20  435  133 
11  475  »145 
15  143  246 
19184805 
24294582 
20  660  994 
20  164  585 
17  917  845 

22  866  708 
26259419 

Silberyen 

10  693  072 
20  7H3  653;^ 
33  711  6:i8 
21916  728 
26174815 
27  617  264 
22  924  587 
29  ;3:32  447 

27  062  797 
32  563  865 

15  0<:)0  371 
17;V-><16:31 
31  V20  641 
17  74.5605 
26188441 
27  44:^  368 
'24  '226  6'29 
'28  174  194 
9'\  <m;9  (MH 

'25  871  881 
33  265  760 

Silberyen 

1879 
1880 

1881 
1882 
\m 
1884 
1885 
1886 
1887 
1888 
1889 

28  175  770 
28  395387 

31  0r>8  888 
37  721  751 

36  268  020 
:^J871  466 

37  l  ir.cni 
48.H76  3i3 
52407681 
65  loT,  .-,10 
70060  706  . 

28  742  724 

29  873400 
33  0<  1:5  824 
39  499  9.34 
38  516  100 
:i.3  9S4  (HO 
37  146  692 
48  870  522 
52407681 
65  705  510 
70  060  706 

32  95;j  002 
.%6'26  601 

31  191  '246 
•29446  594 
28444  842 
29  672  647 
2V>  356  968 

32  168  432 
44304252 
65  455  2:34 
66103  767 

36  951  824 
41  101  987 
35  308  685 
32  844  334 
32  014.550 
32  1.56  404 
:^2  71«i057 

37  637  138 
51  699  770 
65  4.55  234 
66103  767 

Anm.   Über  die  Beredmung  der  Wertzahlen  vgl.  S.  410.  Hier 

ist  noch  zu  beachten: 

1.  Die  Wiedereinfuhr  ist  bis  1872  nicht  berticksichfiL't,  vnn  1^73  bis 
1878  von  der  Ausfulir  abgezogen,  seit  1879  zur  Kmlubr  ge/ühlt. 

2.  Die  Wiederausfuhr  ist  bis  1872  nicht  berücksichtigt,  von  1873  bis 
1878  von  der  Einfuhr  abgeasogen,  seit  1879  zur  Ausfuhr  geaftUt 

3.  Der  Humlel  mit  Korea  (seit  1876)  fehlt  in  .Spalte  2  und  4  bis 
mm  Januar  18>4,  in  Spalte  3  und  5  dage^ien  nur  bis  l^lx  ein- 
schlieislich.  Dadurch  erklärt  sich  in  der  Hauptsache  der  Unter- 
schied der  Zahlen  in  Spalte  :2  und  3  1879  bia  1883. 


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760 


X  4. 


21.  Vergleicli  der  Ausfuhr  japanischer  Erzeugniste  dem 

Werte  nach  1883  und  1888. 

(Nach  den  Anntuü  RefamB  of  the  Foreign  TndA.  Die  Nammem  der 

Waiett  die  des  BetaniB  von  1888.) 


Teu 

Ten 

670t''.i 

I7*;:,t; 

m 

öl  (>U<.> 
9084 

1  L'(15 

0050 

3627 

'.)'.*'.• 

1  A4') 

IV 'Mo 

:v.t 

:;2iü 

1  1  .")7 1 
1  \  tt  M  r.  1.  »1  i 

i.'i  7-"i7 

14  7*jJ 

:^4HH 

1  ^  .(tlj.  1 1  1 

126(> 

6124H16 

6106490 

1  11 

147 

122«  i7i' 
2227 

12 

1 

4  i.K^- ; 

Ware 


Waie 


löö6 


A.  Lsedwirtsebaft- 
liflhe  Erzeognisse. 

15.  ( iiuseug  .    .  . 

19.  Menthol  •  Kry- 

stallo  .... 

20.  Pfeffeiujüuüüi . 
8^11,17. 18.22-24. 

26.  Anilcre  nffi- 
/.iiiellc  PMan- 
/♦■II  .... 

32  <J  erste        .  . 

3H.  lloliiien.  Krbseii 

Hr>.  Kuatiiiiien  .  . 

40  Mehl  .... 

AI.  Iiifipirer  . 

49.  Kartofteln  .  . 

.')lt.  Ii'ujjs  .... 
öl.-VJ,  .     .  . 

67.  Wci/j'u  .    .  . 
88.  >  limalz  und 
I'hI-  .... 
i^2.  '.»4.  Waclw  .  . 
95-104.8eidealJer 
Art,  Cocotts  tt. 
(Drains    .    ,  . 
lißj.  FcUorii   .    .  . 
108.  Haar  n.  Wolle 
109  1.' ^<  Häute  u. 

VrWr  .... 

11».  iJJ.Thee  aller 
Art    ...  . 

3L'  :  l>  i uiiiwolie.  . 

1.>U  liuiti  .... 

144  Tabak  in  Blät- 
T'm  .... 

Mi;.  )l-rr  .  . 

löt  L*'ii  iPalnirii- 
fViserf .... 
1  ".7.  1  .ili. '11/ wiebeln 


B.  Erznii: ilr- 
Waldes  uiiii  tier 
.la;,Ml. 

(\.  Kampiier  . 
7.  Kaninheröl 
12.  Hirschliom, 
weiches .  . 
1;1  Gallen  .  . 
14.  « Jentian.  . 
4-^.  Pilze  .  . 
lOO.  Hirgrligü weihe 
107.  Pelzwerk  . 
1  17.  Uariibii!* 
14^,  Holzkohlen 
IGI.  XuT/liolz  . 


Im 


1  017  itoT 

95  m 

720 

49  «80 

2  •;72 

59166 

14 

47  024  I 
223  76a  i 


t 


.:t?7  7'*T 

18191 

4  l  '>4 
1^  '»vi 
72  7;^ 


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C.  Er/eii<:ni8se  Aw 

Meeres. 

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'!7  -  '■>'.K  Kischtj 
1 !,  Fnnori  (See- 

44.  1  loshiiiori  ides 

Iti.  Kiiiitf^n  (Agar 
Agar) 

.Vi.  Sectanjz 
■'>>.  H:iiii.>^i  •  'i  .11 
""'.t  -<■>:'..  MuHicheln 
<>4.  Oaraeeitaj  .  . 
89.Tbmn   .   .  . 

1  i.'^chwiirhs 
112    IM  .Miisehol- 

£.t.lial«'ii  . 


ijlcieln'n  I 
45.  Tn']);ui|.; 


Snniuie  A. 


43447%6  271392b.> 


D.  Miuerale  usd 
Metalle. 

27.  Schwefel  .  . 

■'.  1.  .     .     .  . 

I  \lltilll01l  .  . 

7.i.    74.  liroüzö 
(auch  alte).  * 


2UUU77 


1  1171 
133  740 

830» 

208282 

221 
V.\:>  (12^.1 
Ui;;  7;{»> 

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64  274 

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4  vn* « 


biyiiizua  by  GoOglc 


X  4. 


751 


Ware 


Yen 

y.-n 

Ivupfei- 

f<  1  Kiseu  .... 

17 

? 

M.  lilci  .... 

IGT 

V 

bö  Zinn  .... 

70.7!.87.8ongtiffe8 

Metall     .    .  . 

4  710 

14  r.n» 

]41<    I .•);'..  Kohlen  . 

A  in;  (1:57 

1867!*o*; 

löö.  r'oko  .... 

1 

4u 

168.  >^oiisfige  Mine- 

ralien.  .   .  . 

397 

E.  Ei'zt'uguihbe  «h'i 
Indsstri«. 

1.  Hii*  her,  .    .  . 
2— '■>.  Papier 
I(i  Loiin  (  \  oi;<'l- 1 . 
21.  Aciduui  Nitri- 
cum  .... 
28  SchwefelBäur«' 
P,L  HloTM.  Liqueuie 
th'>.  Jrjuke  .... 
65.  Sofft  .   .   .  . 

"f^i.  iMetiängdrabt  . 
80.  Kupferdrftht  . 

82.Ei«cnnii^ol  . 

8^^  i:iy.'iHlr:iht  .  . 

N'i.  Messingblech  , 

9i>.  HfibÖl  ,  .  . 
lin.  hed»'r  .  .  . 
124-120.  iiaumwoii- 
Stoffe  .... 

Xai.  Srid.  'l'iisch(Mi- 
tücbur    ,    .  . 
1S8.  Andere  Seiden- 

127— i2y.  ioi--  un. 

m.  138  -14'>. 
vNiiilcn.'  .'stotl'c 
titnl  Klcidui);,^^- 
btru'ke  .  ,  . 
143.  H  .  Tabaks, 
labrikate 

il  04.  i\  upl'ermüuzü  u 
68.169.FScher.  . 
170.  Möbel  .  .  . 
17:*  .TiiirikisliH 
IT  !  Zniidliölzi  i 
IT".  Matt 011  .  .  . 
176.  Papieriaternen 


2«  OOÖ 

I  11417 

21744? 

261267 

193 

2006 

4U7 

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25474 

1- 

22  4iy 

1  121 

14  989 

7  4.52 

2  'jf;2 

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567 

10792 

8299 

7788 

822 

206308 
258034 


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Ü.J41U 
22727 


67862 


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62  22;; 

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1 1 1  f;.v_' 

21 

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740  'J.i4 

Itifj 

148224 

850 

30446 

6402 

Ware 


17*.».  \Vand.%hinne 
1^0.  isl.  Seifo  . 
1^2.  Strohbänder 
185.   IN).  Kegen. 

schirme  .  . 
187. 188.8ohiffe 
l>i^  liambuswnren 
1    .  Hronzewaren 
1 '.»•_'.  Kupfer- u, 
Mesring  waren 

lyö.  Eiöün waren  . 
196.Elfenbein  waren 

1!»7.  Lackwaie:! 

Papierwaren  . 
2011.  Por/ellau-uud 

Thon  waren 
2o2.  Einailwaren  . 
200.  liolzwareu 
163.  165-167.  171. 
172  177  I7s. 
l6o.  1^1.  104. 
198  201.  2o:i  — 
2ii."»  \"(>rschie- 
tlrne  Industrio- 
^^^jirudukte 


Suiiuiu-  K. 
K.   \  erscIiiedciM's 


1888 

1  1883 

•  iO  l  2>0 
40  iÖO 
288557 

102  21) 
j       1  174 

H">  .",(»7 
2'.  *  ooo 
2i7;{:is 

205  782 

13628 

126820 
99258 

44884 

2'.t  .^^^.') 

24  041 
42095 
•'»^i*  »'49 
18  082 

58762 

V 

2^  47» 
519  723 
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1  295  B16 

2^*  l»;2 

548766 
27355 
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Hl  (>7<; 

44ti720  2  42218S 


l.iSH-ill 

:>[i.;  7f;:; 


3281116 

40  (\'<2 


Aiixiiilir  iiliei'hniipt 
Davon  A    E    .  . 


HA  S!>n;H3  ;i58I2  428 
<ia  303  472'35  4^3012 


V  ou  letzterer 
Summe  kommen 
auf  A  

B  . 

C.  . 

D.  ,    .    .  . 


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0,1  ^/o 
6,7<Vo 
6,s»/o 


AnnM'rkunj^.  1.  Die  Abpcnzuni; 
/Avischeu^  A  und  M  i.st  hier  laid  da  et- 
\yn!^  zwfifelhatt.  was  aber  kaum  das 
\  rrhaltnis  im  allgemeinen  ändert, 

2.  Tiiter  F.  „Versehiedeiicß-  dürfte 
der  Anteil  der  ludu^trieprvdukte  giüfser 
.^ein  als  in  obiger  Proz«ntberecnnnng. 

Hei  Imher  Bereelinnn;^  .  ■  ■  daa  Gre- 
.siniteri:ei)nis  aber  für  Indii.-triei  i  /eni 
tiisBe  kaum  über  Wo  biuuuö  l'üi 
und  Uber  70/o  för  1883.  Die  Kupfer 
inun/rii  .ciMllteti  dajje^en  \-.in  den  In- 
duätiieprudukteu  ausgebe  Uiuüfieu  werden. 


Digitized  by  GoQ§I 


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763 


23.     Grund  Steuerreform.     Grund  ateueraufkomnien 
in  jedem  Bezirke  vor  der  Reform,  nach  dem  6atz 
von  1873  und  nach  dem  von  1877. 


(Nach  dem  Bericht  von  1882  ttber  die  Gmodateuenefonn.) 


Vor  der 

VT        t  Ji 

Nach  dem 

Nach  dem  * 

Besiik 

Satz  von 

Reform 

1873 

1877 

Yi»n 

Y.n 

1.  Tokyo  .... 

360076 

648  lüüi 

2.  Kyoto  .... 

912834 

760  695 

■A.  n--nkn      ,    ,    .  . 

2  747  i)32 

2  50;;  231 

2  086  0''>5 

4.  Kaimgawa  .    ,  . 

^'U  260 

;>U5  249 

Hyogo  .... 

Sai») 

2SIH)214 

2  440  7 18 

2  U;i3  932 

6.  u.  40.  Nagasaki  (n. 

1  828  879 

1  436  874 

1  197  39.'i 

7.  Niiorata  .... 

1  692  408 

1  962  040 

1 1;;',5  o;*3 

^.  Saitama  .... 

1  399  705 

1  725  707 

1  438  089 

9.  Gumma  .... 

825  9M 

N^vv^^  ^^^^  A 

940829 

788608 

10.  Cfiiba  ..... 

1  8U>!  603 

1  5;^  KJO 

1  278  467 

11.  Ibaraki  .... 

1  391  Ö17 

1  336  431 

1  113  693 

a  X  x*^  9 

12.  To«:higi  .... 

814  479 

913  371 

761  144^ 

13.  Miye  ..... 

1  908  4.*i3 

1  718  062 

1  431  718 

14*  Aichi  

2  099  773 

2  117  8)><6 

1  764  901 

15.  Shizuoka    .   .  . 

1  309  771 

1  417  672 

1  181  H94 

16.  Yamaoadd .  .  . 

486028 

502107 

17.  Shiga  

1  6:U  387 

1  440  502 

1  200418 

18.  Gifii  

1  214  373 

1  *^R5  983 

1  0.54  084 

19.  Nagaoo  .... 

1  143  700 

1  516 

20.  MivaGTi  .... 

tll  1  7.ÖQ 

702  882 

21   FuKUshima  . 

1  1'»*^'  018 

1  "'I-.O  4.<3 

1  0*^5  -lO'-t 

22.  Iwate  

499  532 

H07  HOO 

«i06  329 

28.  AonKMfi  .... 

526505 

546951 

4.'>.'>  790 

24  YsmiRPTitA  ... 

1  185  978 

1  0^ }  *>56 

M53  546 

26.  Akita  .... 

840  s94 

s20  089 

68.3  407 

26.  Fukai           .  . 

830  288 

7t)  [  778 

634  X 1 4 

27.  u.  2s.  lahikawa  (u. 

Toyamai 

2  563  744 

1953  019 

1  627  515 

29.  u.        Shimanc  (ti. 

Tottorij  . 

1  526  013 

1  492  765 

1  243  971 

1         fit  (1  TT\U 

Ol*    ^'KHjfctUlH       •       •  • 

82.  Hiroshima  .    .  . 

1  516  779 

1540  076 

1288. '197 

3iH,  Vama^chi  .    .  . 

691  205 

576  004 

34.  Wakavama.   .  . 
a5.  Toknshima  .  .  . 

1  079  542 

920  886 

767  405 

784  245 

730  7:^? 

608944 

36.  Ehime  .... 

2  041  574 

1  770  216 

1475  180 

81.  Kochi  

1  098  680 

707  800 

ö^f)  s"?3 

BS.  Fukuoka     .   .  . 

2  ::t05  195 

1  699  971 

1416  643 

89.  Oita  

1  008  358 

853  967 

711639 

41.  Kuraainot  )      .  . 

1  511  036 

1  l-i 

1  027  670 

42. 11.  }•"..  Kn^L':' i-liiiriii  fn. 

]  70.*. 

1  237ril2 

Zusammen  Altjajtan  . 

.... 

52  36ö  Oi>o 

^  49  462  946 

41219139 

Digitized  by  Google 


764 


X  4 


24.   O  rundsteuerreform.    Vermehrung  und  Vermin- 
derung der  vermessenen  Flache  und  der  Orand- 
steuer  nach  dem  Satze  von  1873  und  1877. 


(Nach  dem  Beiicht  von  1882  Ober  die  Qnmdsteaenefom.) 


Bezirk 

Ir  lache 

1 

1878 

1877 

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2b.  r  UKUi  

27.  u.  2H.  iBhikawa  (mit  Toyama) 

.S54414 

6W725 

2'J.  u.  .(U.  »^biauuie  (mit  lotion) 

o2I)  861 

."^ (i42 

'M.  Okayama  .   

lUO  T:.i8 

1  LS  676 

:!'2.  Hiro.shima  

2A  298 

V:iMiaguebi.  ...... 

71  :i41 

118  979 

'M.  \N  :iknyfim.i  

12  7os 

3>').  '1  okiiähima  

129  167 

J70  3OJ 

86.  Ehime  

362122 

87.  Ko  Iii  

2m  U22 

390  SfyO 

ÖOs  S4ii 

'Ax.  Fukuoka  

G05  223 

tit^s  :>:i2 

;j'J.  Oita  

100  .*).'.o 

154  391 

296  719 

41.  Kuinainoto  

m  161 

277  852 

4H3  3ti6 

42.  u.  4ii.  Kag08hima(imt  Mijraxaki) 

35  583 

283094 

862769^  , 

2905109 

11 14H  9W 

Anmerkung.  Die  kursiv  uc^^ctzten  Zahieu  be/.eichaen  die  Ver- 
Duiuderung  im  Gegensätze  zu  den  Zanleu  in  gewÖbnlicLer  Schrift,  welche 
die  Vermebnmg  aiudräcken. 


biyilizüü  by  GoOglc 


X  4.  7Ö5 

25.  Grundstaaerreform.  Acker-,  Bauland  und  ISals- 

f^^arton,  Vormehr iing  und  Verminderung  der  ver- 
messenen Fläche  und  der  Grundsteuer  nach  dem 

Satz  von  1^73  und  1877. 
(Nach  dem  Bericht  von  16^2  über  die  GruDdateaerreform.) 


Fliehe 

Steuer 

! 

Steuer 

Beniic 

lö73 

lö77 

Cbo 

Yen 

Yw 

1.  Tokvo 

4 .572 

285  oa5 

177  550 

9   Kvoto      .  ,   

82018 

231  007 

25  058 

247  o:w 

603  833 

4  Kanajrawa  ....... 

92  240 

16  439 

93  278 

Ä.  Hvoiro  

37  439 

;?rr 

778  455 

a.  u.  40.  Nacrasaki  (u.  Satra)  . 

141  511 

414  ''i35 

649  721 

7.  Niisata  

86666 

288688 

826S9 

SaitazDft  ........ 

25  2<>8 

301  :;(0 

18 :3(J9 

Qumaia  

19  075 

82  621 

OS  452 

10.  Chiba  

49  284 

293  :W2 

544  701 

11.  Ibaraki  ........ 

36  d'.iS 

(i9  908 

289  485 

12.  Tochiiri  

15  032 

75  (  »93 

72  Kl  5 

13.  Mive  

39042 

jy7  ö92 

481  443 

14.  Aichi  

51 449 

8602 

341610 

lA.  Shizuoka  

41371 

86  672 

145  881 

16.  Yainanashi  

25  01  >s 

10  065 

7'^nU 

17.  ^ibkra  

A  f  •  ••••••••• 

13  667 

203  830 

440  392 

18.  Giro  

83880 

26562 

179126 

Xai;nno  ,    *    .    ,    ■    •    .  . 

73  039 

m  286 

157  551 

20.  Miva'ä  

31  142 

67 .5:^2 

45  567 

'21    pDRUshlma  ....        .  . 

.30  983 

60  868 

142033 

Iwate  ......... 

33  WA 

Hl  .'.63 

0  933 

2ti  Aomori  ....... 

42  7><9 

IJ  710 

77  145 

24  Vfljnairata  ....... 

43  ;V)5 

180  302  1 

347  915 

25.  Akita  

67978 

28  99*^ 

164  304 

26.  Fukui  

19  759 

73  200 

199  222 

91  u  28   Iflhikawa  (n  Tovama) 

l<i7  106 

625  :'i24 

940  158 

2V).  u.  80.  Shimane  (u.  Tottori)  . 

:M<  986 

47  73! 

293  385 

Hl.  Okayama  ....... 

39  045 

106  025 

187  814 

•  >J.  Mir' ':-niniri  ....... 

-J_  •  '^•) 

an.  Yamaguchi   . 

ö  M6 

139  330 

250  711 

34.  Wakavama  

15252 

158  688 

313163 

X}.  Tokuahiina  

2  ^9 

07  612 

ISO  291 

86.  £bime  

4»;  353 

31 1  084  , 

Ö98  728 

37.  Kochi  

23  125 

400  910 

517088 

88.  FnkQoka  

12  182 

617910 

898066 

Oita  

20  198 

159  570 

299508 

41.  Kumanioto  

45  217 

280 136  \ 

482  998 

42.  u.  43.  Kagotibiuia  (u.  Miyazaki) 

110  6,34 

Ol  803 

304  954 

Zusammen  .Altjapan  ..... 

15>^8  123 

3  485  193  1 

11605404 

Anmerkung.  Die  kursiv  cesetzten  Zahlen  bezeichnen  die  Ver- 
mindf>rung  im  Gegensatz  zu  den  Zuüen  in  gewöhnlicher  iijchriftf  weiche 
die  V  ermehrung  ausdrücken. 


üiyilizüü  by  Google 


766 


X  4. 


26.   Verminderung  der  Grundsteuer  durch  das  Ge- 
sets  22  vom  26.  Aagast  1889. 


Der  Betrag  der  üerabBetzung  wsr  in  jedem  Bezirk : 


Bezirk 

Von  Ta 

Von  Hata 

ZoBaniincn 

Yeit 

1.  Tokyo  

7  246 

2.  Kyoto  

59  UÜ  1 

9563 

68673 

3.  Osaka  (ohne  Nam)  .... 

173.189 

39508 

213  097 

4.  Kanagawa  

18  782 

IX  7S2 

5.  Hyoffo  

6.  mgftBRki  

7.  Niiguta  

249  206 

24  462 

273  608 

16919 

6811 

237^ 

40  064 

400»>4 

Saitama  

51 639 

1084 

52  723 

9.  Gumma  

27  119 

27  119 

10.  Chiba  

42  31.5 

42815 

11.  Ibar.iki  

34  679 

34  679 

12.  Tochiei  

21  196 



21  19() 

Sa.  Nara  

77522 

8419 

85941 

13.  Miye  

142  266 

14  807 

1.56  m;:^ 

14.  Aichi  

1:34  867 

32  24^ 

167  113 

15.  Shizuoka  

54  89S 

14  123 

69  021 

16.  Vamanashi ....... 

12895 

12><95 

17.  Shiffa  

128  r>98 

10  464 

139  062 

18.  Gifu  

70  098 

16  987 

87 .5H.5 

19.  Nagano  

2.3927 

102 

24029 

20.  Miyaxri  

21.  Fukushima  

42  267 

42  267 

22.  Iwate  

17  328 

4381 

21  709 

23.  Aomori  

11590 

8104 

um 

2i.  Vamagata  

23185 

23  18.5 

2.^).  Akita  

9  088 

1  <>.S3 

10  721 

26.  Fukui  

49  09.') 

1  077 

.50  172 

27.  Ishikawa  

57  936 

57  9.86 

28.  Toyama  ........ 

30.'V51 



.8<j;v>i 

29.  Tottori  

67  857 

10  424 

78281 

90.  Shimane  

62795 

9574 

723«9 

31.  Okayama   . 

146895 

27  736 

174  631 

32.  Hiroshima  

125451 

21737 

147  188 

33,  VamagucUi  

— 

34.  Wakayama  

99466 

1968.'» 

119  l.»l 

80.  Tokushima  - 

35  595 

22  0.58 

r48 

36.  Khime  (ohne  KagawaJ .    .  . 

85728 

16889 

10261« 

3<ja.  Kagawa  

54  665 

4097 

37.  Kochi  

78  210 

7  089 

81  149 

38.  Fiikiioka  

69  84.5 

7  303 

76 

39.  üita  

59  670 

17  841 

77  511 

40.  Saga  

41.  Kumumoto  

48  770 

5018 

6.^1:^4 

19  715 

82  849 

42.  Miyazaki   

6s:{_>i 

16  073 

843^4 

43.  Kagoshima  

1      60  679 

Japan   

1   2  783  787 

454  4ir 

Siimmipnmu'  der  Kolonnen  crgieht  ein  um  ein  gering*^  al>- 
weirlicjuics  HcBultat  (2  783  710  und  455  174),  wohl  infolge  von  Druck- 
fehlern. Hier  siod  die  im  Kwampo  (Staatsanaeiger)  amtlidi  veiOfl«nU 
lichten  Summen  dugeeetat 


biyilizüü  by  GoOglc 


X  4. 


767 


27.  Vergleich  der  wirklichen  Preise  Ton  ▼erkauftem 
Ackerland  mit  dem  Grandsteuerwert  im  Durch- 
schnitt der  Bezirke.  1883—1886. 

(Vgl.  S.  28öff.  und  5»2ff.) 


Der  dorchachnittlieh  bexahlt«  Ftem  war . . .  Ftozent  dm  OnuMlateaenrertai 


im  BesiA 

1888 

1884 

1885 

1886 

1 

2 

3 

4  5 

1.  Tokvo  ...... 

172 

148 

157 

184 

2.  Kyoto  

128 

112 

99 

99 

a  Osaka  

106 

? 

? 

58 

4.  Kiinagawa  .... 

202  ; 

131 

126 

5.  Hyogo  

87 

78 

74 

6.  Nacaeaki  

— 

112 

X09 



7.  Niigftta  

— 

177 

156 

154 

8.  Saitfima  

137 

III 

119 

112 

9.  Gumma  

121 

115 

98 

10.  Chiba  

— 

144 

133 

11.  Ibaraki  

i:U 

104 

96 

97 

12.  To.  higi  

07 

101 

91 

78 

13.  AMiye  

61 

55 

14.  Aichi  

123 

99 

95 

102 

1.5.  Shi/.uoka  

125 

106 

105 

16.  Yamanashi 



U9 

152 

1:« 

17.  Shiga  

— 

117 

18.  Gifu  

144 

110 

101 



19.  Nafjnno  

2V»1 

213 

222 

180 

20.  Miyam  

98 

93 

88 

81 

21.  Pakiuhifna  .... 

94 

77 

79 

85 

22.  Iwate  

139 

133 

117 

115 

2?..  Antnori  

11") 

93 

69 

65 

'24.  V ariiagata  

— 

124 

l;J5 

III 

25.  Akita  

181 

124 

118 

99 

26.  Fiikui  

— 

128 

122 

27.  Isliikawa  

— 

55 

DO 

o7 

28.  Toyama  

97 

64 

75 

75 

29.  Totton  

S4 

77 

72 

.iO.  hoimane  

1.» 

125 

101 

31.  Okayama  

7.^ 
**ß 

64 

67 

82.  Hiroshima  

114 

79 

59 

59 

Ynmnp^ucht  .... 

i:>l 

141 

141 

ä4.  Wakavama  .... 

66 

60 

35.  Tokuehima  .... 

132 

94 

89 

!  79 

'.M\.  f>hime  

IKi 

10<) 

1  94 

85 

37.  K''«'h!        .    ,    .   ,  . 

-•»4 

89 

f  ukuiikH  

92 

1  90 

84 

87 

89.  Oita  

1  11« 

103 

40.  Saf^a  

(?."» 

67 

56 

41.  Kuoiarnoto  .... 

84 

7-\ 

79 

73 

42.  Miyazaki  

52 

51 

55 

'  ■  1^  .'.^'osiiima  .... 

80 

69 

56 

44 

im  üurch!<chnitt  aller  Be- 

zirko,  für  welche  Ad- 

gabeo  vorliegen    .  . 

111 

99 

93 

biyiliZüQ  by  GoOgle 


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769 


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772 


X  4. 


30.    Das  Aufkommen  von  Steuern  der  verschiedenen 
Arten   (direkte,     V  erbrau  c  ha-,    Verkehrs  steuern)  in 
Staat  und  Kommunalverbändeu  in  den  Finanzjahren 
1880/81,  1882/83,  1884/85  and  1886/87. 


Steuer 


A.  Direkte  Stouern. 

1.  Gruudbtüuer  den  Staates   .  . 

2.  -        der  Bezirke  .  . 

3.  -  tler  (Jemriiideii  . 

4.  •         ZuüLhlagzuta  Hiilfs 

fonds  .... 

5.  Fläcbensteaer  der  Gemdnden 

Aa.  Oiuodsteuern  .... 


Mhub-  lind  Huiirfhalfiiugasteueni 

der  Bezirke  

7.  Desgl.  der  l^erncii  il'  n      .    .  . 
ö.  Gewerbesteuer  der  Bezirke  .  . 
9.  Verschiedene  St«aem  der  Bezirke 
lu.  <  iewoi  iK'fteuorn  der  Gemeinden 

11.  N'ei^ohiedcne  Steuern  der  Ge- 
iueiuden  

12.  b^ikin  

\ ;     V  1 1  i  e  r  e  direkte.  Steuern  . 


8amme  A.  Direkte  i^tenera  .  !~T 

H.   \' 0  r  b  rau  f  Ii  öS  teuern. 


n^2;M(ilÖl 
6431896 
8501657 

4^9  711 
(>s9  :v.}A 

58468899 


268dm 

1  .".7{  007 
1  bU»272 
13  548 

757061 
12112766 


Um 


¥«tt 


4a  ^42  löö  4Ü  42Ö  Ü<J6|4:^  274 
9508312 
9507565 


9803066|lU5O3^ 
8  792109  4388406 


1*14  4^♦L> 

1  110  42*» 


Hol  :m 


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2>H>  '-7;t 


6438298 


3639832 

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1  062  505 
117  784 


3637605 

2fn:V2i»n 
3102491 


2  \tM  +x» 
1^;24I 

4»m 


Geträuket»teuerii  ..... 
14.  Tabftksteuer  

\.'k  Kucheiisfeaer  

l*',.  SliovtjHfeuer  ....... 

17.  .Mi'(Ii/.inf;{*'iUT  

Bn.   Eiirentlichc  Verbraucbs- 
.'^ttMK-rii  

h.  Ilnkkaidoproduktensteuem   .  . 

r.t.  /üii»!  


292881 


1200  074     öüi>ii;  yu^s^u 
885273    7690711  68Ugl 

16047  073 14660  O^ül 

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C.  VerkehrBsteuern. 

2(1.  \\':i^'rii!^t*MUT  

21.  Sfliitrst.ijcr  

22.  S(»'ni)irls(t'U(.'l'U  .... 

2^!.  < iriiclitskoBten .  .... 

21.  I?ür.-^('i)st(ii»'rii  

2-'.  N<itionalb:inkf't(nit'r  . 


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SCcnem  ......... 

Dieselben  ohne  Zölle  


1811 754  2ü(i4ÖÜU 


1818133881029401499932 
792^9258  10038218296534 


ijiyilizüü  by 


Register, 


(Dio  Zahlen  bezeichnen  die  Seiten.) 


Ablösung  der  Renten   des  Adels 
und  der  Shizoku  8L  Höf., 
bis  m  2ü2  f. 

Ackerbauhulfsfonds ,  siehe  Hülfs- 
fond«. 

Ackerbausystem  300.  SÜA  f. 
Ackerland  212  ff.,  28fi  ff.,  200-^04. 

:i54  ff.,  Mfi  f.,  519i  m 

584  f.:  Tabelle  27,  auch  1  u.  Iii. 
Adel,  siehe  Buke7~t)aimyo,  Kuge, 

Kwazoku. 
Adelsbauk  m,  IM. 
Adoption  142. 

Agio  und  Agiotage  456— 4S5;  Ta- 
belle 22- 

Ai    (Polygonum  tinctorium) 
Tabelle  Ifi, 

Ainu,  Ureinwohner  des  nördlichen 
Japan  14. 

Akcchi  Mitsuhide  25,  .'^U. 

Aktiengesellschaften  101_,  155^  235, 
;^5  ff. 

Aktionäre  der  Nationalbanken  IHl. 
Altonteil  14L  142. 
Altersklassen  der  Bevölkerung  141. 
Alte  Schuld  435,  2Üü  f.,  114. 
Ankoku  daiuo  523  Anm. 
Antimon  Ml  f.,  372. 
Arbeitsteilung    in    der  Industrie 
374  f. 

Arechi  534,  5M  f  ,  m  , 
Arisujxawa,  Kaiserl.  Prinz  22. 
Armeuvvt'sen,    siehe   auch  Hülfs- 

fonds  118.  489,  645,  655. 
Ashikaga,  Adelsfamilie  24  f. 
Aufnahme  der  Barzahlungen  4X5. 

4iiL 

Aufstände  und  innere  Unruhen  seit 
1868  77j  Mli  445.  m  488;  siehe 
w  ei  terSatsuma-A  u  fs  t  and. 

Ausfuhr  310,  315,  ML  328,  .332  ff-, 
m.  f.,  "3i2-.'M5.  359,  365,  371, 


39öf.,  392,  402.  4D4ff.,  412—414, 
oai  f.;  Tabell.^  9,  20,  2L 
Ausfuhrsteuer  von  Sake  in  Okinawa 
ßÖL 

—  im  Hokkaido  filfi  f. 
Ausfuhrzölle  521  ff; 

Ausgaben  der  Bezirke  644  f.,  655, 

664  f.,  672.  mL 
Ausgaben  der  Gemeinden  6.58,  auch 

672. 

Ausgaben  des  Staats,  für  die  Pro- 
vinzialverwaltung  100.  6.35 ;  für 
Polizei  102,  6''>5 ;  auswärtige  An- 
gelegenheiten 104:  Lanaesver- 
teidifrnng  107;  Rechtspflege  109; 
Gefiingnisse  109  ,  655;  Unter- 
richtswesen 114;  Armenwesen 
119:  öffentlicheBauten243i  über- 
haupt 124,  443  f.,  477,  6M  ff.,  auch 
Tabelle  L 

Ausländer  in  japanischen  Diensten 
ÜÜff..  114,  122.  377, 

—  in  Japan  139,  406. 
Aussetzungen  488. 
Ausstelhi  lipon  12Ü» 
Auswärtigti    Allgelegenheiten  28, 

45,  59,  75,  1D2  f.,  ä9L 
Auswärtige  Schuld  196^  245,  435, 
448-4.W,  496,  112  f.,  m 

Badehäuser,  Steuer  649^  668,  675^ 
Baishin  40. 

Bakufu,  der  übliche  Name  für  die 
Shogun-Regierung  28,  44  ff.,  80. 

—  seine  Einnahmen  42  f. 

—  sein  Ende  ßü  ff., 
Bambus  :i39. 

Banknoten,  siehe  auch  National- 

buuknoten  173,  202,  207—213. 
Banknotensteuer  1^  209.  621  f. 
1  Bankziusfufs  22si  f. 


774 


Barbiere,  Steuer,  649.  668.  675.  685. 
Bataten  ]^ 
Bauamt  WL 

Bauland  (Hausgrundstücke)  146  f., 
22a  f.,  201  f.,  514,  5a2,  5;^)  f., 
559.  583;  Tabelle  13» 

Baum\\Ä29,  340-342;  Tabelle  16, 

Baumwolleneinfijhr  34L  il6i  593. 

Bauinwollpreise  342. 

Baumwollspinnerei  341,  3Si2  f. 

Beamte  84  flf.,  9Ö  ff.,  115^  122j  125, 
130  f. 

Beiträge  lOL  646^  652,  700-2QL 
Bergbau  367—372,  50Q. 
Bergleute  362, 
Bergregal  25<2.  368  f.,  59Q, 
Bergwerksteuer  368i  372,  :iüil 
Besitztitel  (Chiken)  281,  521  ff.,  534, 
545, 

—  Gebühren  545,  628  f. 
Bevftlkerung,  gesetzliche  135;  Ta- 
belle 1-4. 

—  landwirtschaftliche  292  —  299; 
Tabelle  U. 

—  Fischfang  treibende  3fi2  ff. 
Bezirk^anleilien  646. 
Bezirksausschufs  100,  2Ü2  f. 
Bezirkseinteilung  7—9,    75^   95  f. 

und  Tabelle  4» 
Bezirksfinanzen  100,  642—658  ,  663 

bis  6i<5. 
Bezirkshauptmann  96  f. 
Bezirkssteuern  525  .  528,  56Ö-562, 

616,  620,  642. 
Bezirkshauptstädte  7 — 9,  141». 
Bezirkstage  78,  IQO,  64i,  657,  684. 
Bezirksverwältung  96  ff.,  100,  644  ff. 
Bibliotheken  30,  L16. 
Bier  396. 

Biko-chochiku-kin  siehe  Hülfsfonds. 
Bilanz  der  Shokin-Ginko  2DÖ« 

—  der  Nihon-Ginko  204 ;  Tabelle  8. 
Billard.  Steuer  626. 

Binsen  339. 

Bi^rsen  229  -  241.  471.  483. 
Br»rsenst«-uern  622—624. 
Bohnen  *S0— :^^2,  53Ö. 
Bohneneinfuhr  332. 
Bonin-Inseln  siehe  Ogasawara. 
Boycottieren  von  Ausländem  401. 
Boyeki  Shokwai  409. 
Bu   (Teil),    Viertel    eines  Ryo, 

Münze,  158  ff. 
Buaikin 

Buchweizen  .3.30. 
Buddhismus  17j  22,  23. 
Jiudgetwesen  43,  435  ,  439,  441  f., 

446,  498—5057^ 
—"der  Bezirke  644  ff.,  664  ff.,  68Ö  ff. 
Bugyo-Äroter  45  ff. 


X  4. 


Bukan  34. 

Buke,  Kriegsadel  27,  32. 

Bukin,  Bezirkssteuer  187475  642. 

Bukka  Shimpo  siehe  Chugwai  B.  Sh. 

Centralisation,  politische  und  wirt-  • 
schaftliche  24  ff.,  126^  256^  ^ 
429  f..  436. 

Chiba,  Bezirk,  Finanzen  von,  67?^ 
bis  6ö5;  s.  auch  363. 

Chihanii  24 

Chiho-kwan-  kwaigi ,  Präfekten Ver- 
sammlung liL 

Chiho-zei  Bezirk.-<steuern. 

Chiii  =  Bezirkshauptmann. 

Chiken  siehe  Besitztitel. 

China,  sein  Einflufs  auf  Japan, 
16  ff.,  30,  80,  110,  129  f. 

— ,  neuere  Beziehungen  zu  (siehe 
auch  Formosa),  186,  4Ö6,  470 
Anm.,  484  Anm  L 

Chishima,  japanischer  Name  der 
Kurilen. 

Chiso  =  Grundsteuer. 

—  -wari  =  Grundsteuerzu.^chl«^ 
Chitsuroku,    freiwillig  abgelöste 

Renten,  448  -450. 

—  scheine  70L  214. 

Cho,  Längenmafs  =  109.<w  m. 

—  Laudmafs  =  O.wn  ha,  12Ü  Cho 
=  119  ha. 

Chokunin  86. 

Choshu  (Nagato),  die  südwestlichste 
Provinz  der  japanischen  Ilaupt- 
insel  64  ff.,  71,  85. 

Chugwai  Ihikka  Shimpo,  wichtigste 
japanische  Handelszeitung,  seit 
18  <6,  jetzt  unter  dem  Piamen 
Shogyo  Shimpo,  herausgegeben 
von  Masuda  181.  408  Anm.  2. 
466,  622. 

Civilprozesse.  Zahl  der,  631. 

CrWit  Mobilier  218. 

Daiio  Dayin  18,  75,  29. 
Daijokwan,  Staatsrat  18,  72.  75,  79, 

86. 

Daikwan  42. 

Daimvo  24,  32  ff.,  55,  23  ff. 

—  Za'hl  34. 

—  Rechte  und  Pflichten  35—39. 
Dai-Shin-in,  Ka-nsationshof,  78i  108. 
Den-Ta,  bewftssertejj  Feld.  Reisland. 
Depositen  bei  den  Nationalbanken 

190. 

—  bei  der  Shokin  Ginko  198, 

—  bei  der  Nihon  Ginko  206:  vgl. 
auch  Sparkassen. 

Depositen kasse  (Yokin  kjoku)  228, 
51öf.,  2Ö4. 


r  '    I  >  Coogle 


X4. 


775 


Dichtigkeit  der  Bevölkerung  137. 

H03,  »56;  Tabelle  4x 
DiebstäHTiÖS. 

Dienstbotenvermittler,  Steuer  650. 

668.  675.  680. 
Direkter  Handel  4M  f. 
Dispositionsbesehränkungen  der 

Grundbesitzer  und  Bauern  SJÜ  f., 

522. 

Dividenden  der  Nationalbanken 
m  f. 

—  der  Shokin  Ginko  198, 

—  der  Nihon  Ginko  2M  f. 

—  der  Eflfektenbüraen  '2^6. 

—  der  Roisbörsen  240. 

—  der  Mhoii  Yuf<en  Kwaifha  210.  f. 

—  der  Niliun  Tetsudo  Kwaislia  iiälL 
Do,  die  alten  grofsen  Landschaften, 

5  und  Tabelle  2  u.  iL 

Doppelwährung  160,  162j  167. 

Dortaula^e  151. 

Doshin  Kwaisha  409. 

Dualismus  der  obersten  Staats- 
gewalt 23,  27, 


Effektenbörsen  229- 

 steuern  622-624. 

Eheschliefsungen,  Zahl  144. 
Ehrenämter  2Ö2  f. 
Eichgpbühron  632. 
Kid  di's  Kaisers  von  1868  73. 
Eigentumsdelikte  131,  4ä£. 
Eigyo-zei  s.  Gewerbesteuer. 
Einfuhr  310,  315^  32L  328^  332, 

336  .  341.  dltr^  -Mf.,  .m 

4ööf.,  405^  412.  415-418;  Ta- 

belle  9,  20, 
Einfuhrzölle  59L  oSS  ff. 
Einkommen  428  -  430.  j»88. 
Einkommensteuer  429,  586  —589. 
Einnahmen  der  Bezirke  652.  673. 

682. 

Einnahmen    der   Gemeinden  66Ü 

(auch  673). 
Eiiiuuhmen  des  Staates  im  Ganzen 

443,  686-688. 

Eisenbahnanit 

Eisenbahnauleihen  24ä  ff.,  435.  509. 

2Ö9  f.,  m 

Eisenbahnbaufonds  iiöS;  siehe  auch 

Nakasendo- A  nleihc. 
Eisenbahnen  245—255,  223  f. 
Eigenproduktion  und  -Einfuhr  37Ü f., 

417.  m 

Enomoto,  Samurai  der  Tokugawa, 

jetzt  Vicomte,  IL 
Erbrecht  142. 

Erntebesichtigung  siehe  Kemmi. 
Emtestatistik  310-314,  325i  Ta- 
belle 15  u.  Ifi, 


Ertrag  des  Ackerbaus  .313  f. ,  325, 

3il  ff.,  Mß,       f.,  571-571, 
Eta  (Unreine)  41,  61.  r^2l. 
Eto  TL  ~^ 
Exportbank  siehe  Shokin-Ginko. 
Exportgesidlschaften  195.  409. 
Expropriation  282. 
Exterritorialität  406,  224. 

Fabrikiudustrie  32ti  ff. ;  Tabelle  12. 
Faserstoffe  339  f. 
Feuerversicherung  229. 
Fideikommisse  282. 
Finanzjahr  442,  498  f. 
Fiimazmini.>>tenuui  75,  497. 
Finanzverwaltung  im  alten  Regime 
42  f.,  4£L 

—  nach  der  Revolution  436,  49ß  bis 
.505. 

Fischerbevölkerung  362 — 364. 
Fischfang  :m  36.5. 
— ,  Steuern,  Ü78.  b^3,  685. 
Fischmärktc,  Steuern  676. 
Flächonsteuer     der  Gemeinden 

ßaÜ  ff. 
Flöfserei,  Steuer  685. 
Förderung     der  Volkswirtschaft 
12öff.,   193,  226,  242,  246  ,  250. 
261,  2fifi"gM"272.  im  Anm.  L  m 
H2üff.,  38L  4Öüff..  4Qfif.,  m 
'     G45,  655,  658, 


419. 


6.M1. 


Formosa.  Expedition  nach,  1874  77, 

261.  266.  441  459. 
Forsteinnahmen  63Ü  ff. 
Fracht^iätze  siehe  Transportkosten. 
Freuuleuhafs  in  Japan  28j  57,  59, 

61.  21  f..  127.  132.  467,  719. 
Friedensliürf^schaft  48. 
Fu,  hauptstädtische  Bezirke  (Tokyo, 

Kyoto,  Osaka),  7:  siehe  Bezirke, 
Fudai  33,  44:  f. 

Fünfzelnite    Nationalbank  siehe 

Adelsbank. 
Fujita  409,  4ß8, 
Fujiwara,  Adi  lsfaniilie  2L 
Fukiu  (Pro54titutions8teuerJ  102,  644, 

6.56—658,  mi  Anm.  2:  s.  auch 

383. 

Fukuzawa,  einfliifsreicher  Journa- 
li.-'t  (Jiji  Shinipo)  und  Besitzer 
der  Privatschule  Keio  Gijiku  116. 
130,  132.  157,  351,  222. 

Furukawa  w69. 

Fushimi  (unweit  Kyoto),  G«fecht 
bei,  69. 

Gebäudesteuer  642  f.,  fififi  f. 
Gebühren  der  Zollverwaltung  596. 
—  vom  Besitzwechsel  621  ff. 


776 


X  4. 


Gebühren  von  Besitztiteln  545. 
Ü2öf. 

—  der  Makler 

—  in  Civilprozesaen  629  f. 

—  für  Jaguficheiu«'  681. 

—  der  Rechtsanwälte  632» 

—  von  Mafsen  und  Gewichten  632. 

—  fiir  den  Schutz  gegen  Nach- 
druck 632. 

—  der  Post-  und  Telegraphenver- 
waltim^?  fm  ff. 

Geburti'iifrequcnz  ISH. 
Gefangniftwe.sen  109^  64^5.  855. 
Gehalt  der  Beamten  M  f.,  9Ö. 

—  der  Offiziere  löL 

—  der  Lohrer  118. 
Gehaltsteuer  586. 

Geisha,  TSnzeriunen  und  Sänge- 
rinnen, Steuer  676.  685 ;  s.  auch 
383  Anm.  L 

Geldstrafen,  Einnahme  von,  681 
Anm. 

Geldumlauf  160.  168.  165.  178,  176, 
216,  468  f,  ^  17^479—' ßT7  485. 
491,  425  f. 

Gemeindearbeit  24^3,  659,  m 

Gemeindefinanzen  643.  658—668. 

Gemeindeschuldeu  <)(>2. 

Gemeindesteuern  400,  560—562,  598. 
601  Anm.  2j  622  Anm.,  628  Anm. 
2,  622  Anm.  2  ,  643,  659—66.8. 
694  Anm. 

Gemeindesteuern  im  alten  Regime 
50,  59K,  622. 

Gemeindeverfassung  im  alten  Re- 
gime 4ä  ff- 

—  seit  18(>8  22  ff..  6^ 
Gemeindevorsteher  99^  645. 
Gemeineigentum   am  Grund  und 

Boden  21  Anm.,  ^Ih  Anm. 
Gendarmerie  101. 
Generäle,  der  Herkunft  nach,  8^ 
General  View  of  Financial  Policy 

483,  41L 
Genro-in,  Senat,  76,  78,  82- 
Genvji  siehe  Hara. 
Gerichtskosten  629. 
Gerstenbau  826^  328  f. 
Gerstt'npreise  829i  53£L 
Gesandtschaften  102. 
Geschlechter,  Zahlenverhältnis  140f. 
Ge-!»'tzü:ebung,  Formen  der,  88. 
Gesundheitswesen    118,    (545.  655, 

6ä6  f, 

Getränkesteuern  597— (>07. 
Gewerbestatistik  8«!  -8x7;  Tabelle 

[><  und  L2. 
Gewerbesteuern    42^    445  ,    649  ff., 

t>59  ff.,  662  ff.,  074,  682, 
Giji-in  IlL 


Gilden  (moderne)  12L  IhL  366,  39ä 

bis  4Ö2. 
Ginko  =  Bank. 
Ginseng  884. 

Go,  der  tausendste  Teil  eines  Koku 

Go ,  Viceminister  der  Finanzen 
425. 

Go-Daigo  Tenno,  regierte  nach  of- 
fizieller Auffassung  1819— 1.8:^^, 
24  38i 

G^enin  28,  42. 

Go-kinai  siehe  Kinai. 

Goldausfuhr  61.  1.58.  162.  166.  170 
Anm.;  Tabelle  9. 

Goldproduktion  166,  .870,  322. 

Goldwährung  IM  ff. 

Goninpiimi  zj^  48. 

Goroju  4dL 

Go-san-ke  33» 

Goto  Shojiro,  Samurai  aus  Tosa, 
jetzt  Graf,  TL  24  Anm.,  77.  2fiS 
Anm.  L 

Goyokin,  Vermögenssteuern.  88,  43. 
Grains  (.Seidenwurmeier)  ;i44,  4iU. 
Grasland  siehe  Hara. 
Grofssiegelbewahrer  82  Anm.  3. 
Gründungen  198,  247,  382  f.,  498. 
Grundbesitz  nn  achten  .lahrh.  2L 

—  in  der  Feudalzeit  518  ff. 

—  in  der  Gegenwart  226 — 296. 
352  ff..  535  ff.,  557,  559i  Tabelb- 

4,  6,  liL 
Grundbesitzer  154,  292—296. 
Grundbuch  99,  281,  622  f. 
Grundsteuer  2L  512— .58.5,  691—700 

(siehe  auch  Steuer);  Tabelle  ^ 

bis  80, 

—  im  Altertum  2L  512. 

—  in  der  Feu<lalzeit  513  ff. 

—  in  der  Gegenwart  ,546 — 562. 

—  in  Okinawa  .556. 

—  im  Hokkaido  5.57. 
Grundsteueraufkommen        .5;-t6  ff., 

552  ff,  569,  621  ff.:  Tabelle  ii, 

28  und  80. 
Grund.steuerfreiheit  514  f.,    521  f-^ 

533.  584  f.,  544  f ,  .548. 
Grundsteuergesetz  von  1878  52f>. 

—  von  1877  528. 

—  v<m  18^  546  ff. 

—  von  1889  542. 

Grundsteuerrefonn  279,  432,  441. 
445.  520—^)46:  Tab^e  2:^—27. 

—  -Verfahren  .529—5:54. 

—  -Kosten  5:it,  .545  f. 

—  -  Wirkungen  5.'i5 — 54.8. 

 Vorschläge    für    die  Zukunft 

697-  700. 
Grundsteuerreformbureau  529. 


X4. 


777 


GnmdstPuerTcvision  1885  "89  229 
Anm.,  543  f. ,  547i  Tabelle 

Gnindftftniorrfickstände        ff-  567. 
Grundsttuerteruiiue    508  Anin.  1^ 
5Mi  f. 

Grundsteuerwert  280^  521j  524  f., 
053  f.,  570-575,  582—585. 

—  -Berechnung  53Ö  f.;  siehe  auch 
Landpreise  und  Tabelle  2L 

Grundstcuerzahlung  in  natura  und 
in  Geld  515j  o^Ü  ff.,  5M  f ^  ÜIS  f. 

GnmdsteuerzuschlÄge  der  Bezirke 
und  Gemeinden  525,  528.  560  bis 

fvili.  SäSTTBee.  682; 

Tabelle  28. 
Grundstückspreise     siehe  Land- 
preise. 

Gumi  =  Handelsgesellschaft. 
Gun  soviel  wie  Kori. 
Gwatinusho,  Ministerium  der  aus- 
wärtigen Angelegenheiten. 
Gyofteikwan  22. 

Hafengelder  596. 
Han,  „Zaun",  Clan  40,  44,  75. 
Handel,   inländischer  (siehe  auch 
BörsenX  ^  ff.,  3^  ff,  4Ö4. 

—  auswärtiger,  402  —  421 .  siehe 
auch  Zollwesen. 

Handelsagenten  der  Daimyos  38, 

Handelsgewerbe   3ül  ff. ;  Tabelle 

HL 

Handelskammern,  japanische,  12L 

—  der  fremden  Kaufleute  403, 
ILL 

Plandelskrisis  siehe  Krisis. 
Handelsstatistik    ÜÜff.;  Tabelle 

iL  20,  2L 
Handelsverträge  siehe  Verträge. 
Hanf  340j  Tabelle  lü. 
Hannin 

Hara  ~=  Heide,  wildes  Grasland, 
Ödland,  2^0  f.,  515^  532,  535,  5:39; 
Tabelle  13, 

Hara  Zenzaburo  193. 

—  Rokuro  m 
flata  =  Trocken  fehl. 
Hatamoto  42. 

Haus  und  Wohnung  145.  229. 
Hauseigentum  290-  292. 
Hanspriindstücke  siehe  Bauland. 
Hau^hiiltuugen,   Gröfse   der,  14^3; 
Tabelle  4. 

—  landwirtschaftliche,  29i<f;  Ta- 
belle HL 

—  der  Fischer  3fi2  ff. 
Haushaltungs-  und  lläusersteuern 

Ü4fi  ff.,  652,  ßü2  ff.,  fififi  f , 


Hauaherrschaft  142,  auch  Tabelle 

Hausierer  15U,  670. 

Hausmeiertum  21,  23^  55^  124* 

HaiisTniiiisterium  75i  22. 

Hauötrunk  mi  (vgl.  392). 

Hausvermftgen  siehe  Krougut. 

Hazardspiel  468. 

Heerwesen  im  alten  Regime  42i 

—  seit  1868  IL  8L  104  ff. 

Heide  siehe  Hara. 

Heimin,    das    gewöhnliche  Volk 

(siehe  auch  Stände),  41,  12-5,  153. 
Heimliche  Papiergelaausgabe  siehe 

Yobisatsu. 
Hidetada,  der  zweite  Shogun  aus 

dem  Hause  Togukawa,  Shogun 

1605—1623,  stirbt  16:^2,  28. 
Hideyoshi  siehe  Toyotomi. 
Hirozawa,  Samurai  aus Choshu.  Ih 

I2x 

Hirse  329  f. 
Hishoku  ^ 

Hitotsubashi ,  Nebenlinie  des  Hau- 
ses Tokugawa,  siehe  Yoshinobu, 
33,  60,  63. 

Hizen,  westliche  Provinz  von 
Kyushu,  IL  85. 

Ho,  Landmafs.  ß  Fuf»  ins  Geviert 
Tsubo  5K 

Hoio  23,  25. 

Hokkaido,  die  nördlichste  Land- 
schaft, Yezo  und  Kurilen  um- 
fassend, 3, 122  Anm.2^  3fi4f  (siehe 
auch  Kaitakushi). 

— ,  Besteuerung  im,  557 ,  612,  614, 
616-  tnx. 

Holzausfuhr  359. 

Hongkong,  Scheidemünzen  von, 
12^  Anm.  2x 

Hongkong  and  Shanghai  Banking 
Corporation  218. 

Honshu,  der  neuerdings  übliche 
Name  für  die  japanische  Haupt- 
insel, 4- 

Hoseikvoku  89. 

Hülfsfonds  480,  510 f,  552,  ,562—568, 
671.  fiii3. 


Ii,  die  in  Hikone  (Omi),  regierende 
'     landesherrliche  Familie,  34j  45, 

.59-61. 
i  Indigo  334. 
Industrie    im    alten    Regime  3ii» 
323. 

Industrieanleihe  46L,  509  ,  20:^  f., 
711,  214. 
;  Industriefonds  509. 
Inflation  4(H,  466^  472. 
Inkyo  siehe  Altenteil. 


778 


X4. 


Iiiouye,  Kaoru,  Samurai  aus  Choshu, 
jetzt  Graf,  71,  85,  178.  487  f., 
522.  524. 

Itiipaki,  Samurai  aus  Tosa,  jetzt 

Graf,  IL  7^  IL  m 
Ito,  Hirobumi,  Samurai  aus  Chosbu, 

jetzt  Graf,  TL  78,  79,  82,  85,  157, 

IM  Anm..  174.  m. 
Iwakura,  Hofadliijer,   68,   70.  72, 

23  Anm.  2.  75,  77,  173,  24ü:  457. 

4ß7.  ^ 

Iwiiwjiki  Yataro,  Samurai  aus  Tosa, 
2fififf. 

—  Yanosukc,  Bruder  des  Vorigen, 
266;  siehe  auch  Mitsu  Bishi  Ge- 
sellscbaft. 

lyenari,  elfter  Shoguu  aus  dem 
Hause  Tokugawa,  1787  -  18:37, 
stirbt  1841,  55. 

lyemitrtu,  der  dritte  Shogun  aus 
dem  Hause  Tokugawa,  Shogun 
1623-1651,  stirbt  1652  .  2L  32, 
52,  5a 

lyemocni,  vierzehnter  Shoguu  aus 
dem  Hause  Tokugawa,  1858  bis 
1866,  bis  1858  unter  dem  Namen 
Yoshinori  Fürst  von  Kii,  60, 
64,  ÜL 

lyeyasu,  der  erste  Shogun  ans  dem 
Hause  Tokugawa,  Shoguu  1603 
bis  1605,  stirbt  1616,  26,  28,  30, 

JTagd  359-360. 

Jagdscheine  360,  ß^L 

Japaner  im  Aus  lande  13H  f. 

Jiji  Shimpo  siehe  Fu kuzawa. 

Jingikwan  18,  12* 

Jinrikisha  (von  Menschen  gezogene 

Karren  zur  PersonenbefÖrd<'rung) 

243  f.,  383i  Tabelle  LL 
Jisha-Bugyo  4lL 

Jovaku  Kaisei  s.  Vertragsrevision. 
Jun^- Japan  115  f.^  125,  127,  IM 
Justizverwaltung  im  alten  Uecii 
iL 

—  unter  der  neuen  Ordnung  75, 

78,  mf. 


tegime 


Kabinett  75.  79,  ^ 
KagoshimäTBesehiefsung  von,  65. 
Kiugunsho,  Marineministerium  75. 
Kaiser  18j  3ö  ff-,  57,  68,  70,  73,  83, 
86,  124. 

Kaitakushi,  Kolonialamt,  Iii  Anm. 

2,  122  Anm.  2,  377  Anm.  2.  filfif. 
Kampher  .359,  4113. 
Kanda  Kohei  521. 
Kaninchenschwindel  4fi2  Anm.  L 
Kanjo-Bugyo  45  f. 


Kaoku-zei  (-wari)  s.  Gebäudcsteuer. 
Kapitalistische  Betriebsformen  i^J, 

362,  395. 
Karo  42,  55,  7Ö, 
KartotiVhi  aLt2  f. 
Kartonsteuer  sii'he  Seidensteuer. 
Kassationshof  7^. 
Kassenbestand  der  Nationalbauken 

mL 

—  der  Nihon  Ginko  203—206. 

—  der  öffentlichen  Banken  4i<L 
Kataster  517,  534,  547,  o70,  öli 
Katsu  Awa,  Samurai  der  Tokugawa, 

jetzt  Graf,  IL 
Kaufmannsstand  409,  578. 
Kawase   Kwaisba    177,    20L  2Üfe 

Anm.  2. 
Kciki  siehe  Yoshinobu. 
Keizai  Zasshi,  VolkswirtschaftUche 

Zeitschrift,    hrrausgegebeu  von 

Taguchi,  268  Anm.  L  422  Anm.  2. 
Kemmi  (Emtebesichtigung)  alfi 

52L 

Ken,  Langenmafs  =  L*i 

Ken,  Provinzialbezirke,  7 — 9,  Tö, 

siehe  Bezirke. 
Keramische  Industrie  302. 
Kidü,  Samurai  aus  Choshu,  7Li  Ii 

Anm.,  75,  77i 
Kifukii^  Beiträge  646,  652,  701. 
Kigyo  Kosai  s.  Industrieanleihe. 
Kin,  l»fund,  =  öÜÜ  g. 
Kinai,  die  Landschaft  um  Kyoto 

und  Osaka  5^  14j  Tabelle  3.' 
Kiuroku,  die  Reuten  der  Kwazoka 

und  Shizoku  451  Anm. 

—  Scheine  siehe  Kiutenablösungs- 
scheine. 

Kinsat^u  —  Papiergeld. 
Kinsatsuscheine    195,    21-3,    45Ö  f-^ 

478j  Tiiß  f.,  7LL  ILL 
Klassensteuer  694  Anm. 
Klima  5. 

Kobau,  japanische  Goldmünze,  ein 

Ryo,  62,  15ä  ff. 
Kobet«u-wari  siehe  Ifaushaltung«- 

steucm. 

Kobusho,  Ministerium  der  öffent- 
lichen Arbeiten,  75,  88» 

Kocho  siehe  Gemeindevorsteher. 

Körperverletzungen  und  Tötungen; 
488. 

Kohlen  3ß8  ff.,  4U.  42<L  jüi 
Kojisteuer  KOI. 

Kujiki,  ältestes  japanisches  Ge- 
schichtswerk, vollendet  712  il 
Chr.,  1£ 

Koku,  Hohlmafs  =  180,w  L 

Kokudaka  29,  35  f.,  513, 

Kokushu  19,  23  f.,  32. 


X  4. 

Kolonialatnt  siehe  Kaitakushi. 
Komat^u,  Samurai    aus  Satsuma, 

68,  70,  Ii  Anni. 
KommunaltiiiHnzen  fi41— «H."), 
Kommunalsteuem    siehe  Bezirks- 
^  steuern,  Gemeindesteuern. 
Kommimalverbände  IQQ  f. 
Konkurse  488. 
Konoike  177. 
Konsuln  9a  IM. 

Konvertierung    der  Staat^ischuld 

+55,  494,  Iii  f.,  IM. 
Korea,  Beziehungen  zu,  öj^  17,  38, 

77 ,  im  Anm.  ^  186,  406^  4ofi 

5nm.  1,  462,  4M  Anni., 
Kori,  Kreise  (Landkreise),  19,  28. 
Ko!?u  -  wari    siehe  Ilaushältungs- 

steuern. 

Kotoku  Tenno,  regiert  645—654, 

17.  20.  241. 
Kreditkrisis  siehe  Krisis. 
Kreiß  siehe  Kori,  Ku. 
Kreishauptmann  98. 
Kreisverwaltung  98^  64.5. 
Kriej^rainistcrium  liL 
Krisis  von  L^e^x  m  177,  4,').S. 

—  von  1874'7.n  178,  465. 

—  von  m2m  ~Ig8,  121  f.,  221, 
22if.,  22L  234"r7240,  254,  2.56. 
257,  260,  22a  284,  ^ÜTT 
320,  350.  3.5>5-357.  3Saff.,  412, 
415.  MT  48.5-491.  542,  553ir, 
ßÖfif.,  617,  625,  68iL 

Krongut  83^  19L  202i  214.  211  f., 
368. 

Ku,  Stadtkreise  98,  99,  lÖÖ. 

—  bis  1878  Amtsbezirke  2S. 
Knchonhandel  399,  filßf. 
Kueheusteuer  612 — 614. 
Künstler,  ausübende,  Steuer,  650, 

668,  675.  685,  s.  auch 

Küstenvertoidip^ingsfonds  510,  700. 

Kuge,  Hofadel,  30. 

Kultur,  Alter  der  japanischen,  15. 

Kunaisho,  Ministerium  des  kaiserl. 
Hauhes,  75. 

Kuni,  Bezeichnung  der  alten  Pro- 
vinzen, 7—9,  19_,  und  Tabelle  3. 

Kunigaye,  Gebietstausch,  39. 

Kupfer  aiö  f.,  403,  414,  592  Anm.  L 

m 

Kurilen,  die  seit  1873  japanische 

Inselkette  zwischen    lezo  und 

Kamtschatka  4. 
Kuroda   Kiyotaka,    Samurai  aus 

Satsuma.  jetzt  Graf,  70,  ai^Anm. 
Kurse  der  Börsenaktien  23&  f.,  241 

Anm. 

—  der  Kentenscheine  224. 
Kwaikei-kenza-in  s.  Rechnungshof. 


779 

Kwaisha  38^  ff. 

Kwambakku  19,  25,  69, 

Kwan,  Klamme,  Gewicht  =  1000 

Momme  =  3.76  kg. 
Kwanto,  die  Ebene  um  Tokyo,  22, 

26. 

Kwazoku,  die  moderne  Bezeichnung 
der  Adligen,  35,  75.  125.  m 
Anm.  1,  185,  282,  294;  s^ielüTuuch 
Ablösung  der  Renten,  Adelsbank. 

Kyo,  Minister,  19,  75. 

Kyobusho,  Kultusministerium,  75. 

Kyodo  Unyu  Kwaisha  2^ 

Kyoto,  alte  Hauptstadt  (seit  793X 
31,  5Ü. 

Kyushu,  die  südwestliche  der 
grofaen  japanischen  Inseln,  4. 

I^ack  333  f. 

Laiidklassen  211  f..  514,  541  f. 

Landkreis  siehe  Kon. 

Landpreise  285—287,  28ä  f.,  5Sä  bis 

585;  Tabelle  2L 
Landschaften  siehe  Do. 
Landsmaunschaftliches  Element  in 

der  neuen  Regierung  11  f. ,  M  f., 

124  f.,  128, 
Landwirtschaft  29fi  — 357:  Tabelle 

13—17,  auch  21— 28T~8iehe  auch 

Grundsteuer. 
Landwirtschaftlich  benutzte  Fläche 

2!  19  ^303,  324  f.;  Tabelle  13. 
Landwirtschaftliche    Betriebe  303 

bis  3Ö4. 

Landwirtschaftliche  Bevölkerung 

297-290:  Tabelle  14. 
Landwirtschaftliche  Lehranstalten 

113. 

Lastkarren  244,  273;  Tabelle  IL 
Lebensversicherung  229. 
Lcder  310,  3m  :m. 
Leihhäuser  siene  Pfandleiher. 
Legitimistische  Strömungen  2,  57, 
6L  61, 

Licenzsteuem  528  f.,  608,  611,  lilüf., 
615.  624. 

Liukiu  siehe  Ryukyu. 

Löhne  423,  425,  426—428,  4Ö9. 

Löhnung  der  Soldaten  und  Poli- 
zisten lÖtL 

Lohnarbeit  373,  421—428. 

Machi-Bugyo  von  Yedo  45,  46,  4ü. 

—  von  Kyoto  5iL 

-  von  Osaka  5JI 
Maebara  TL 
Märkte  149,  676,  fiÜL 
Mais  330. 

Makler  230,  238,  622. 


780 


X  4. 


Mandokoro  2^ 

Maniecn  2üä  Anm.,  469. 

Marine  4S  Anm  2^  75.  IM  ff. 

Marineanleihe  494,  710,  114^ 

Maniya  Ginko  211  Anm. 

Maauda  iöii  Anm.  2,  4ÖM  Anm.  2, 48fi. 

Matsukata  Masayoshi,  Samurai  aus 
Satsuma,  jetzt  Graf,  seit  18^*1 
Finanzminister,  seit  1891  auch 
Ministerpräsident,  4'>4  Anm.  Sj 
475,  IM  Anm. 

Mlitteii  ÜäL 

Medizinsteuer  614—616,  ßiL 

Mehl  m 

Meiji,  Name  der  gegenwärtigen 
Ära  seit  1868,  also  1890  ^  2^ 
Jahr  Meiji. 

Metallre.Herve  der  Finanzverwal- 
tuug  466,  473,  402  f., 

Met.^uke  46. 

Mexikanische  Dollar  (Piaster,  Peso) 

mif.,  164,  167.  LI4. 
Mietflwohnungeii  140. 
Mikado  siehe  Kaiser. 
Minamoto,  Adelsfaniilie 
Ministerien  im  iL  Jahrh 
—  .seit  1871  75j  79, 
Mini.Hterjjnlsifient  79, 
Mission  .Militaire  TT,  IM  Anm.  1, 

408  Anm.  2. 
Mito,  Fürsten  von,  Nebenlinie  des 

Hauses  Tokugawa  'Mi,  üÜ  ff. 
Mitsu  Bishi  GesellschäTTisiehe  auch 

Nihon  Vusen  Kwaishauudlwasaki) 

187,  261,  2üÜff.,  272.  ;m,  m 
Mitsui  TlL  207,  217,  22^  2ö9,  m 

Mobilisierung    des  Grundbesitzes 

2iÜ  f.,  287—289,  \m  f. 
Mombusho,  Unterrichtsministerium, 


22. 


Momme,  Gewicht  —  JV»  g. 

Mon,  der  hundertste  Teil  eines  Sen. 

Mori,  die  in  Choshu  (Nagato)  re- 
gierende landesherrliche  Familie, 
2^  25,  .^4,  64, 

Münze  (in  Gsäta)  164,  176.  686  ff. 

Müuzreform  186911  IM. 

MünzverM'irrung  nach  Öffnung  der 
Häfen  61,  llÜ  ff. 

Mugi  =  G<'treide  (Gerste,  Weizen, 
Hafer)  a2iL 

Mujiu  469. 

Mutsuhito,  der  seit  1867  regierende 

Kaiser,  Ü8  f. 
Mut^u  Muuemitsu  üÜIi  f. 


Äagon  18,  72, 
Nai-Daijin  18,  68,  ffiL 
Naikaku  =  Kamnett  7.%  1^ 


Naikoku  l\suun  Kwaisha  (Tran.s- 

Iwrt-Gesellschaft)  121.  2^  f. 
Naimusho,  Ministerium  des  Innern. 

Nakano  4ÖÖ  Anm.  2,  4fiä. 
Nakasendoan leihe  247,  4ä<Ö  f.,  509. 

209  f..  711.  Iii. 
Naka.scndobahn  246  f. 
Nanushi  48. 

Natioualbanken  177-  194.  2ö2i  Ta- 
belle 7j  -Kapital  186,  -Reserve- 
fonds 181i  -Umsatz  1»7 f. :  -Aktiv- 
geschÄfte  liki  f. ;  -Depcsiten  190: 
Kas.-^enbestand  191 ;  liividende 
mi  f. ;  Steuer  6277" 

Nationalbaukgesetz  von  1872  17!?>. 

—  von  1876  m  f. 

—  von  188:^  IM  f. 
Nationalban  knoten  168,  HÜ  f.,  184  f.. 

4^2.  464  621. 
NationjTTT^inheit  57,  66,  76,  132. 
Nativisinuö  siehe  Fremdenhafs. 
Neue  Schuld  435,  2Ö5  f.,  114, 
Neuland  (Rodland)  520,   ^  Mhi 

!  Nihon  ~  Japan. 

I  Nihon  Ginko  178,  184,  199—216, 
I     4Ü1  f.;  Tabelle^ 

Nihon  Tet.>«udo  Kwai.sha,  Japan. 
;  Eisenbahngesellschaft  121,  246. 
'     249  f.,  224. 

j  Nihon  Vusen  Kwaisha,  Japan. 
I  Post-Dampfsehiffahrtsgeaellscnaft 

126.  269—272,  22^ 
I  NolMuia{?a  siehe  Ota. 

Nofthoumsho,  Ministerium  fürLanJ- 
j     Wirtschaft  und  Gewerbe  75,  120 ff. 

Notabein- Versammlungen  2iii 

Notendeckung  2Ö^  ff. 
l  Notstände  üti2  ff. 

Ochsenkarren   244,  806  Anni.  Li 

..  Tabelle  LL 

Öffentliches  Land  277. 

Ölfiiung  der  Häfen  59  ff.,  M  f-. 
,     ioa  lt.,  AHL 

()lpr«Mse  m 
I  Olsteuer  48L  44-'). 

Ogasawara,     janan.    Name  fler 
I      Bonin-Inseln,  <,  664. 
j  Okinawa,  gegenwärtige  amtliclic 
Bezeichnung  der  Ryukyu- Inseln. 
4,  Öi. 

—  Besteuerung  in,  556^  60L  ^ 
612.  614,  626.  ^ 

Okubo,  Samurai  aus  Satsuma,  lü, 
73,  77,  78,  266,  487.  522.  524. 

Okunia  Snigenobu,  Samurai  au-» 
Hizen,  jetzt  Graf,  1878-18«0 
Finanzminister ,    71,    75_.    178  f. 


X4. 


781 


m,  m,  2fi2  f.,  43a  ff . ,  4^  460^ 

4fiairr471_,   474,   524  f. ,  IM 
Anm,  iL. 
Okura  409. 

OkurHi<ho,  Finanzinini8tc>riuin,  19. 

75,  4Öfif. 
Oinettiukc  4(L 
Ono  177.  17H.  m 
OrdenHiimt  hlL 

Oriental  Banking  Corporation  164, 

196,  112. 
Omkn       50.  1.52.  ITL 
Osaka  SKoBon  Kwainlia  2fiä. 
Ota  Nohunapa  25,  2AL 
Oyo  Hiromoto  ^  Üß, 

Pacht  Wirtschaft  358-357,  531,  57K 

TabcH«'  Ii 
Paketbefiirdorung  258. 
PapifrpcKl       71,  159,  IGl,  155  ff., 

1^:^,  434  f.,  45^06. 
Papiorinau!«trie  'Mi,  374,  391. 
Papierpflanzen  3^39. 
Parlainontarischo  Strömungen  73, 

27  ff.,  m. 
Parzellen  575. 
Pensionen  der  Beamten  S2, 
Petroleum  370,  372,  415,  üülL 
I'faiuUeiher  21S-223,  3^3. 
l'ieflVrmfinzöl 

Pferde,  Verwendung  als  Zugtiere, 

244,  m  Anm.  1,  Tabelle  IL 
Pferdebahnen  121. 
Pferdehaltung  :«)8— 310. 
Pflanzenwachs  3:^3. 
Pikul,  Handelsgewicht  =  ßö  kg. 
I'ilze  m 

Poekenimpfung  LIM  Anm.  2^ 
Polizei  97,  9^.  M  f.,  109.  644,  655. 

672.  m. 

l*c)lizeiprAfektur  in  Tokyo  97i  lül  f., 

6.58. 
Puronai  248. 

Po«t  ZU  f.,  255-257,  276;  Tab.  HL 

—  Einnahmen  Vu]-\  ff. 
l^ostsparkasse  226—228.  480,  510  f. 

uncf  Tabelle  IIL 
Prägung  von  Münzen  unter  dem 
alten  Ilegime  158  ff. 

—  seit  1870  165, 

Prefswesen  117.  125,  131.  237,  467, 

472  Anm.  2^  i21x 
Priesterablösungsscheine  454  Anm. 

TOS,  ILL 
l'rimogenitursystera  142. 
Privatbanken  216  ff.:  Tabelle  L 
Privatei"*enbahnen  246  f.  243. 
Privatland  21^  ff. ;  Tabelle  13j  auch 

4  und  iL 

Privatechulen  115j  648i  lüi  Anm.  3. 


Produktensteuer  im  ilokkaido  616 
bis  614. 

Prostitutionsbesteuerung  s.  Fukin. 
Provinzen  siehe  Kuni. 
Provinzialverwaltung  im  alten  Re- 
gime 42  ff. 

Rangklasscn  der  Beamten  86. 

Raps  333i  Tabelle  HL 

Realkredit  21»  ff-,  225,  281,  282  bis 
28.5  '^SP  627  f. 

Rerhnu'n^hof  89,  m 

Rechnungswesen  97i  420  f.,  f. 

Rechtsanwälte,  Steuer  der,  682. 

Rechtspflege  siehe  Justizverwal- 
tung. 

Reformversuche  vor  der  Revolution 
von  1868  65,  68. 

Re^istergebuhren  627—629. 

Rei,  Titel  der  Bezirkshauptleuto 
in  den  Ken-Bezirken  bis  1886  IJfi. 

Reichsbank  siehe  Nihou  Ginko. 

Reisausfuhr  'dlh  f.,  414i  592,  fiöL 

Reisbau  311—324,  35fi,  äiSf.;  Ta- 
belle 15. 

Reisbörsen  237-241^  317—  .324; 
-steuern 


>>> 


524. 

Reishandel  232  ff.,  312  ff..  522^  522. 
Reisland  (Ta)  280.  304,  311.  3.56, 

.531.  .536,  559,  58li  Tabelle  13. 
Reispreise  316—324  ,  350,  4fifi,  487, 

.531.  .5:^^  -543,  5>1L  OOIi  Tab.  22. 
Rei.**stninnfen.  Steuer.  677,  6S5. 
Rcitiifcrile..  Steuer,  677,  6.S5. 
Renten  siehe  Ablr»8ung. 
Rent<'nablösungsscheine    178.  181, 

224,  2Mf.,  450  ff.,  464  ,  702T, 

TTT:  214_ 
Rentensteuer  442,  449,  4.54,  586. 
Report  on  Taxation  von  Gubbins 

433. 

Republik  in  Yezo  1869  2LL 
Reservefonds  441i  Ml.  455.460.463, 

473,  478,  480,  483,  41Ü  f.,  505  bii 

.508,  703,  2LL 
Restaurants,  Steuer.  649j  668^  675, 

6H.5 ;  siehe  auch  383i 
Ri,  Langenmafs,  3927.27  m. 
Richardson-Angelegenheit  65  wnd 

üü  Anm. 

Rikugunsho,  Kriegsministerium  Hl 
Rin,  der  tausendste  Teil  eines  Yen. 
RindWeh  306-  308. 
Rinder,  Steuer,  67.5,  685. 
Ronin,  Samurai  ohne  Herren,  56, 

61,  65,  72 
Röshin  44a 

Rückvergütung  der  Getränkesteuer 

m 

—  der  Tabaksteuer  ßÖiL 


782 


X4. 


Ryo,   Münzgewicht    verschiedener  1  Seeproduktensteuer    im  Hukkaido 

Gröfse  158  ff.  I  616-618. 

Ryukyu,  die  Inselcrnippe  zwi.'«<-hen  !  Seeversicherung  2*2><. 

Kyushu  und  Fonnosa,  siehe  Seidenausfuhr  ;i44  f.,  404,  414,  h^i, 
Okinawa       95.  Seidenzucht  29,  :H2— 347. 

Seidenfi  landen  H78  f. 
Sa-Daijin  IS,  72,  7o.  '  Seidengilde  4(>1  f. 

Saga  tcuno,  regiert  810— Ö23,  20.  i  Seidenpreise  346  f. 
Salgo  Takamor^  Samitni  ans  Sat-  Seidensteuern  436. 
suma  67,  70.  75,  77,  85,  701  !  Se;  in  J.x  .   .  , 
Anm  8.  Seiri  Kosai  .niehe  Kou\  f  rrieruns;. 

Sa-iu,  dan  spätere  Genro-in  75.         Sckigahara  (zwi.^^chen  Gifu  und  dem 
Sakeanfsehlag  in  Tol^o  596,  601  I     Hiwa  See),  Schlacht  bei,  2^ 
Aiiiii.  2.  i  Selb.stmorde  4><^. 

Selbstverwaltung  100,  131j  702. 
Sen,  der  hundertste  Teil  emes  Yol 
Senat  siehe  Gi  iirr»  in. 
Sesshn,  Kegent,  ll>. 
Shaku,  Fuls  =  0,«03  m. 
Shibusava   Eiiehi,    Samurai  aas 

Cho.shu,  178.  m  iM  f. 
Sliihosho,  Justizministerium,  75. 


Sakebrauerei  315,  374,  392— d97. 
Sakepreise  603—605. 
Sak.  Steuer  597—607. 
Salzgärten  280,  366,  535  f.,  559. 
Salzgewinnung  366. 
Salznandel  43. 
Salzpreise  367. 
Samtgemeinden  9U. 

Samurai,  siehe  auch  Shizoku,  40,  !  Shikken  2S, 
42,  56,  71,  110.  I  Shikoku,  die 


kleinste   <ler  vier 


Sangi  IK  72.  7" 
Sanji-iu  76  Anm.,  69. 


grof^en  japanischen  Inaein,  4. 
Slumada  178. 


Santo  Saneyoflhi,  Hofiuleliger,  seit  |  Shimasu.  die  in  Satatuna  r^erewle 
  "    "    --f,  75,  79,      landesherriiche  FtaniUe,  25,  34, 


1884  Pörst,  65,  70,  72 

378 

Sankinkotai  37,  03. 
Sano,  Finansniinister  1880/81,  474 

Anm.  1. 
Sai<aki,  Samurai  aus  Tosa,  71. 
Sat-Cho,  die  Vereinigung  der  Sat- 

sutna-  und  Chc^^huleute,  71,  85. 
Sat?<uma    die    süflliili  te  Provinz 

von  Kyu.shu,  04  tt",  09  t}'.,  77,  85. 
Satsuma-Anleihe  185,  457,  708,  714. 
Satsuma-Aufstand  77,  Hl,  104,  114. 

IHÖ,   267,  453.  456  f.,  461,  701  . 

Aniu.  2.  1 
Schatzscheine  482,  501,  704.  I 
Schaubuden,  Steuern,  676.  6s,5. 
Schauspieler,  Steuer,  675,  685;  siehe 

auch  388 
Scheidemünzen  174  f. 
SchiefHbnden.  Steuer,  669,  676,  685. 
Schitl'bau  273,  487. 
Sehiffohrt  259-273,  275;  Tabelle  12. 
SchitlVteiier  620  f.,  6">0,  677,  685. 
Sciiitlsvcrkehr    nnt  dem  Auslände 

264  ,  266,  271,  407  f. 
Schlächterei,  Steuer,  677, 685,  siehe 

auch  30S. 
Schulbesuch  III  f. 
Schuldentilgttugsplan  465,  703,  718. 
Schwefel  :!7()  f.,  372. 
Schweinehaltung  306  Anm.  2.  I 
Seemannsschule  267. 
Seeproduktenausfhhr  365.  i 


6:3,  70. 

Shimouoscki- Angelegenheit  und 
Indemntt&t  64  IT.,  510. 

Shinnin  86. 

Shiutokultus  57,  75. 

Shisoku,  neue  Beseiehnung  de« 

Samurai-Standes,  77.  81.  101.  12-%, 

132.  141.  153  t^',.  178  f..  Isl.  294 

447  ti". ;   Tabelle   6;   .siehe  auvh 

Ablösung  der  Renten. 
S)ii>,   der   hundertste  Teil  eanea 

Koku  =  1,8  1. 
Sho  —  Ministerinm  18,  72. 
Shogun  22,  28  f.,  42  ff.,  55,  68. 
Shogyo    Shimpo    siehe  Chugwmi 

Hukka  Shimpo. 
Shokin  Ginko  172,  194—199. 
Sho.^ibidai,  Statthnlter  des  Shogima 

in  K^oto,  31j  50. 
Shotoku  Taishi  (UmayadoX  Kegent 

593-621,  17.^ 
Shova  gleich  Nanushi. 
ShoVen  21.  22,  24,  513. 
Shoyu.  Soja,  Bohnensaoce  328.  33L 
-  Herstellung  397  f. 
Shoyusteuer  44.5,  611  f. 
Shu,  Achtel  eines  Rvo.  160. 
Shugo  23  f. 

Silln  r-Au!»-   und    -Eintuhr  158 
162,  164,  169  fi'.,  I9ti;  Tab.  9. 
Silberproduktioa  169,  370,  372. 
So  (Cniso)  a>  Grundsteuer. 


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X4. 


783 


Socjima,  Samunu  ans  Hken,  jetst 

Graf.  71,  77. 
Soja  lielke  Shoyu. 
Sojabohne  330  f.;  TabeUe  15. 

Sonin  86. 

Sori  Daijm,  Ministeiprilsident,  79. 
Soshi  127. 

Sparkassen  190.  217,  226-228. 
Specie-Bank  äiehc  Skokia  Ginko. 
Spekulation  292,   235,   240,  3ä7, 

468  ff    1-::   1'':;  f. 
Spt'ciaUbnd.s  ölu. 

iSpirituoBeueinfuhr  HUT  (Hiplu*  auch 
Sake). 

Spiritus  m  Anm.  2.  509. 
Staatsauleiheu  I8o,  4;^,  464  ,  4d4, 

705,  708—718. 
Staatsdien.'tt  fsielte  auch  Beamte, 

G.  halt)  84  ff. 
Staut-seisenbahiu  ii  24.j  Ö". 

 Einnahmen  686,  (m. 

Staatsfabnkn  6:^6—638. 
Staatskasseiiweäeu  188,  202,  498. 
Staatsschuld  193,  207  ,  435,  448  ff., 

70a-724. 

—  Gesamtbptrap;  714  f. 
St}uits.«<chuU'u  Ii.'}. 
Staat.-«8treich  von  1868  68  ff. 
Stmlte  49  f.,  99,  147  ff.,  152. 
Stadtkreis  siehe  Ku. 
8tftnde23,  40  f.,  77  f.,  81,  116, 125  ff., 

1.52  ff.,  294  ff.,  409:  Tabelle  6. 

Sifh«'  auch  Umwälzung  in  der 

japuninchen  Gesellschaft. 

Statistisch  CS  Amt  89,  121  Anm.  1. 

Stempelabgaben  von  Besitstiteln 
54,-,. 

^  von  Tabak  608. 

—  von  Medizinen  615. 

—  von  Urkunden  625  f. 

—  vom  Besitzwechsel  627—629. 

—  in  Civilprozessen  629—621. 
Stfnipohnarken,  Vertrieb  498. 
Sterblichkeit  i;iä. 

Stenerauf  kommen  im  Oansen  689 

bis  692;  Ta]>cll.-  29  iiiid  :iO. 
Steuerexekutioucu  487,  494,  553 
bis  5.56. 

St.  u.  rlast  445  ,  477  ,  586  ff.,  .560, 
.576  ff.,  nam.  580—582.  -5?^«.  (m,  cm, 
611,  613,  619,  621,  6.51  ff.,  662  f., 
Oberhaupt  694-696;  Tabelle  29. 

Steut  rr-  f  1  Tuen  von  1876  445. 

—  von  iö-su  478. 

—  von  1882  476  f. 

—  Vorschläge  697—700. 
SteufT'«trHfpn  .548,  600.  609.  619, 

620,  62;5,  628. 
Steuersystem     690  ff«;  TabeUe 
30. 


Steuerverwaltung  97,  497  f.,  551, 
599  f.,  609.  611,  617,  619,  655. 

Stroh  339,  573. 

Studenten  im  Auslande  lOSi. 

Stückelung  des  Papiergpldea  und 
der  Banknoten  173,  464. 

Sumitomo  869. 

Sumitsii-in  80,  89. 

Sumo  siehe  Ringer. 

Sun,  Zoll  »  cm. 

Ta  Roisland. 
Tabuk  im  f  :  Tabelle  16. 
Tabakindustrie  898  f.,  609  f. 
Tabnksteuer  607    61 1. 
Tänzerinnen  siehe  Geisha. 
Taihoryo  18,  20. 

Taikomoehi,  Spaftmacher,  Steuer, 

67^. 

Taiko-Sama,  »iche  Toyotomi. 

Taira,  Adolsfamilie,  22. 

Tairo  45,  .59,  61. 

Takashima  268,  369. 

Tamano  Hobumi,  Priester,  Soldat, 
dann  PrSsident  des  Kassations- 
hofes, 85. 

Tambetsu  -wari  siehe  Flachensteuer. 

Tan,  ein  Zdintel  Cho  =  9,9n  are. 

Tarifkonvention  von  Yedo  66^  163, 
410,  591. 

Teishinsho,  Bfinisterinm  l&r  Ver- 
kehrswesen, 79,  89,  258,  271. 
Teilungsverl>ote  519. 
Telegraph  257  f.,  276. 

—  Einnahmen  (VM  f. 
TeiniM'lgütt'i-  .514.  o-V>. 

Tenno,  amtliche  Bezeichnung  d«i 

japanischen  Kaisers. 
Textilindustrie  303,  874,  387—890. 
Theater  :iO  Anm.  1,  117,  157,  2-59 

Ania.  1,  SSS,  668  f.,  676,  68.5. 
Thee  :*^7-889. 

Theeausfuhr  *38,  404,  414,  593. 
Theehäudlergilde  402. 
Theenreise  m 

To,  der  zehnte  Teil  eines  Koku, 

^  18  1. 
Togwai  86. 

ToKaido  (<  t  i  he  Meeratrarse),  die 
KfiJ*tenlaii<i»chaft  von  dor  Owari- 
zur  Tokvoebene,  5;  TabelU-  3. 

Tokaidobann  247,  255. 

Tokugawa,  Adelsüunilie,  26,  83,  54^ 
68,  70,  85. 

Tokyo,  der  1868  eingeführte  Name 
von  Yedo,  78,  152. 

—  Finanzen  von  Rf>:^— 678. 
Tosa,  die  südlichste  Proviiu  von 

Shikoku.  68.  70,  71,  85. 
Toyotomi  Hideyoshi  25,  241,  513. 


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784 


Tozamu 

Trade-Dollar  1«7.  ' 
Trannportko'^tiMi  273—276.  373  f. 
TrockeiitVld  2öO,  2^0  ,  304  .  324  ff.. 

581  f.,  536,  559;  Tabelle  13. 
T.mibo,  Landmafs  ^  3,*  Quadrat- 

Tsuohi  nigyo,  Thoufiguren  in  6rÄ- 
bern«  16. 

U-Daijiu  18,  72,  Vt. 
U-m75. 

Umwälzung  in  der  iä|Miii-rli.  n  (Je 
s.  IlHclmft  MO,    110,   12»,   154  ff., 
237  ,  3n2  ff.,  373  ff*.,  408  Anm.  2, 
409,  422  f.,  720. 

Univori<itHt  .Vi  Anm.  3,  110,  U3  f., 
126,  132  Anm. 

UnterritOitowciien  75,  109  ff.,  645, 
f'.r.r,,  n.-'^,  702. 

Urbeberri^t  120,  632. 

¥erbranch  von  Fleiaeh  808. 

—  von  Kpis  31^. 

—  von  Tabak  334. 

—  von  Zncker  336. 
-  von  liaumwolle  341. 

—  von  S«'idc  343. 

—  von  Salz  866  Anm.  4. 

—  von  ^ke  396,  606. 

—  von  Sliovu  398. 
"N'erbrauchöiM^öteuerung  691  ff.;  Ta- 
belle 30. 

V.  rfa-sung  von  1^90  sO,  129. 
Verkauföverbote  für  Ackerland  519. 
Verkehrswege  242  f. 
VerkehrBvesen  im  alten  Regime 
241. 

Verkehrs  woHon,    Ministerium  für, 

79,  89,  258,  271. 
Vcrh'gunp:  der  H«'.'*idenz  73. 
Vcniu'önuugeu  des  Ackerlandes  513, 

514,  516  f.,  532,  672, 
Verpfändung  von  Orundbesits  Bieke 

Kenlkr<(15t. 

—  von  M(>l)ilien  siehe  l'fandleiher. 

—  von  HäuHcm  292,  627  f. 
Ver.«iehie(hMie  St<Miern  649  ff.)66äff., 

675—678,  6S:{,  üö5. 
VeTSchuWung    des  Grondbeeitae« 

283^285,  :?52  f. 
A'erträge  Japüns  mit  dem  Auslande 

.-»9  f..  66,  1<)3,  406,  590,  597,  724. 

—  Hestfttigung  durch  den  Mikado 
66. 

Vertragsrevifiion  406,  697,  724  f. 
Verwaltungsgericht  89  Anm.  4» 

Viehhaltung  .100-  :nO. 
V i<'h hande  1  »»teu er  (524 . 
VogelätcUeu,  Steuer,  685. 


X4. 

Volksvertretung  79  129. 

Volkswirtsehaft^rat  121. 
Vorschusse  des  Staats  b06. 


Wagen  243—245,  273,  276;  Ta^ 
belle  11. 

Wagenstcuer  618—620,  650,  677, 

685. 

Wakadoshivori  45. 
Wald  280,  287,  :357-a59,  515,  5:^2, 

5:^5,  .583,  638  ff. ;  Tabelle  13. 
Wari  Kommanalsteuer. 
Wartegcld  87. 
WecbselBtempel  625. 
Wegewesen  45,  242      645,  655. 
658  f. 

Wehrpflicht  102  f.,  702. 
Weizenausfuhr  327. 
Weizenbau  :^26  -  328}  Tabelle  15. 
Weizeupreise  327. 
Werften  272. 

Wrrtlverfchming    der   Au4^  und 

Einfuhr  409  f. 
I  Wertverhältuia  von  Gold  und  Sil- 
ber >     160, 169  Anm.,  410,  459  £, 

.504,  591. 

Wirtschaftspolitik  siehe  Fürderuug 

der  Volkswirtschaft. 
WoehenauBweise  der  Nihon  Ginko 

210. 

Wohlthätigkeit^anstalten  in  Tokyo 
119. 

Wohnbi  v..lkening  136;  Tabelle  4. 
Wolleustoffe  342.  390,  417,  593. 


Yamagata,  Samurai  aus  Choshu, 

jetzt  Graf,  71. 
Yatoi  86. 

Y<»(lo.  (l»  r  alt»  Name  von  Tokyo 
(siielie  auch  dies),  Verwaltougs- 
organisation  unter  dem  alten 
Ri'^Mnir  in  f. 

—  Vertrag  von,  66,  163,  410,  591. 

—  Gefecht  in,  70. 

—  IlesidcnE  73. 

Yen.  japanische  Wäbrungsmünxe, 

164. 

Yeso,   die   nördlichste    der  vier 
grorsi-n  japanigichen  Inseln,  3,  70. 
Yobisatsu  460,  474,  478. 
Yoritomo  23. 

Yose,  „Abendtheater«,  Steuer,  668, 
677,  685;  8.  auch  3*^. 

Yoshimnne,  der  achte  Shogun  aus 
dem  Hause  Toktigawa,  Shogun 
1717—1745,  stirbt  IT'^l,  vor  1717 
Fürst  von  Kü,  37,  44.  4«,  49,  54, 
i  57. 


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X  4. 


785 


Yothinobn  (auch  Koiki,  zuweilen  i 
fälschlich  Yoshihisa  genannt), 
fünfzehnter  und  letzter  Shogun 
aus  dem  Hause  Tokugawa  1B66 
bis  1867,  Sohn  des  Fürsten  Nnriaki 
von  Mtto,  adoptiert  vom  Prinzen 
von  Hitotsabaahi,  60,  G3,  67  ff. 

Ziisshu-zei  s.  Verschiedene  Steuern.  1 
Zeitungen  siehe  Prefswesen. 


Zinsfufs  228-226,  472  Aikiii.3,  717. 

Zollclnnahmen  595. 
Zoiitiirif  GU,  410,  591  f. 
Zollwescn  410,  417,  500--597. 

Zucker  :W-:^:?7. 

Zuckereinfuhr  336,  403,  415,  593, 
597. 

Zuckerpreise  337. 
ZündhölzerfabrikatioB  380. 


Furitciiongon  (45)  X  4.  —  KAthgen. 


50 


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Piertir'nclie  Hurbuetulruck«r«i.   Htv|>hiin  <'oit>«l  ti  Co.  in  Alconlmrg. 


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Wrlii!;  von  KUNCKF.R  Ä  iniMHI/»T  in  LKll'ZKi. 


Zur  deutschen  Social-  u.  Gewerbepolitik  der  Gegenwart. 


Inhalt:  l: 

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R  (mI  0  u  und  A  u  f  s  ft  t 


von 


Gustav  Schmoller. 


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Zum  socialen  Frieden. 

Kino  Dai'stclinni:  der  sociriliKditisrhrn  Kr/icluin'::  tlos  oncriisrhon 
Volkrs  \m  ]VMinzebut<'ii  .Tnhilmnrlorf. 

Von 

Gerhart  von  Schulze-Gaevernitz. 

Z\v<.i  HriniN-.    \f*^0.    Pn  is  IS  M 


Zür  LitleralBiiescIiictile  der  Staats-  ifl  Söcialwissßüsclianeii. 

Von  Gustav  Schmoller. 

8.    li^tiH.    Tn  ih  ü  M. 

Ali  •  I  .  .  ,  -  ■  .  1 1 '  I . ;  ;  ' 

Kt>  Im  U<>«'  I>i(-  iii'iicrvti  An 

iiikI  y  ■  '  MlM-rt  I 

'i  ;.,  K.  .  -  Ti 

Agrarpolitische  Zeit-  und  Streitfragen. 

V  o  r  t  r  l\  ?  o .  R  o  f  o  1-  n  t  p  und  (i  n  t  a  c  h  t  p  n 


August  von  Miaskowski. 

imj.    Preis  6  M.  40  Pf. 


fnhftll:  t.  Social |ir>li(iMi<hr>N  nii<i  <1««n  ftchwolxer  Alpoii.    Ifi'^»*.   i.  Hie  Lae«  t|«><i  Baiif>ni- 
RtaiKlPH  in  l'r.  -^l.    S.   I'  '  '     •     '  .      t  . 

IHx.{    4.   I»i«'   '  i,tuni'«v. 

S.    1>IW    AllerbclUrt  in  Ii; 

Iii  I|(Wc||I~ 

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\>^l.    II.   Wik  Ki'IkiIiiiiii;  tifi  l'«<r  Wuoli'  • 

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ri«>ri*riu-h«>  lloniucli<IrucVprpt.    ^^lrpllan  üftk»-!  A  Co.  in  Ailcuiiitr^. 


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