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Full text of "Archiv für Anthropologie, Völkerforschung und kolonialen Kulturwandel"

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ARCHIV 

rCR 

ANTHROPOLOGIE. 



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Holsstlehe 

aus dom iflngnphischen Atelier 
ron Friedrich Vieweg und Sohn 
in Brannwhweift. 

Papier 

»tu der mechanischen Papier • Fabrik 
der Gebrüder Vieweg tu Wendhnusen 
bol Braun schwelg. 



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ARCHIV 



FÜR 

ANTHROPOLOGI E. 

ZEITSCHRIFT 

FÜB 

NATURGESCHICHTE UND URGESCHICHTE DES MENSCHEN. 

Organ 

der 

deutschen Gesellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 

Herauagegcben 

von 

0. E. v. Baer in Dorpat, E. Desor in Neuenburg, 

A. Eoker in Freiburg, F. v. Hellwald in Canstatt, W. Hia in Leipzig, 

L. Lindenschmit in Mainz, G. Luoae in Frankfurt a. M., L. Riitimeyer in Basel, 

H. Schaaffhauaen in Bonn, O. Semper in Würzburg, R. Viroho w in Berlin, 

C. Vogt in Genf und H. Weloker in Halle. 

Redaction: 

. A. Eoker, L. Lindenschmit 

und der Generalaecretair der deutschen anthropologischen Gesellschaft. 



Siebenter Band. 

Mit in den Text eingedruckten HolzBtichen und lithographirten Tafeln. 




BRAUNSCHWEIG, 

DRUCK UND VERLAG VON* FRIEDRICH VIEWEG UND SOHN. 



1 8 7 4 . 



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Die Herausgabe einer Uebcrsctzung in französischer and englischer Sprache, 
sowie in anderen modernen Sprachen wird Vorbehalten. 




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I. 



Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 

Von 

Prof. Dr. Ohr. Aeby 

in Bert». 



n. 

(Fortsetzung v. Nr. XV, Band VI, S. 263.) 

(Hierzu Tafel I— -IV.) 

a. Normaler Männer- und Weiberachädel der Schwei*. 

Wiederholt ist, namentlich in neuerer Zeit, die Behauptung aufgestellt worden, dass 
männliche und weibliche Schädel des Menschen sowohl hinsichtlich ihrer absoluten Grosse, 
als auch in Anbetracht ihrer Form spocifische Verschiedenheiten darbieten. Am weitesten 
ist in dieser Beziehung wohl Welcker 1 ) gegangen, der sie geradezu gleich zwei verschiedenen 
Species aus einander gehalten wissen will. Weniger schroff hat später Ecker») auf gewisse 
Unterschiede hingewiesen und zuletzt Weissbach 3 ) durch eingehende Messungen den Nach- 
weis zu liefern gesucht, dass die Gestaltung des Schädels von dem Geschlechte in eigentüm- 
licher Weise beeinflusst werde. Freilich stimmen die von ihm gefundenen Resultate im 
Einzelnen sehr schlecht mit denjenigen Welcker ’s, ja sie stehen zum Tlieil mit denselben in 
offenem Widerspruche. Von einer endgültigen Losung der Frage kann mithin noch nicht die 
Rede sein. Ich selbst habe schon früher 4 ) auf Grund eigner Untersuchungen gegen die un- 
bedingte Gültigkeit einzelner der aufgestellten Sätze Einspruch erhoben. Ich hielt es jedoch 



*) Welcker, Wachsthum und Bau des menschlichen Schädels, Leipzig 18432, und „Kraniologische Mitthei- 
lungen“, Archiv für Anthropologie, I, 18645. 

*) Ecker, „Leber eine charakteristische Eigentümlichkeit in der Form des weiblichen Schädels“, Archiv 
für Anthropologie-, I, 18643. 

*) Weissbach, „I)cr deutsche Wciherschädel“. Archiv für Anthropologie, 111, 1868. 

4 ) Acby, l>io Schädel formen des Menschen und der Affen. Leipzig, 1867. 

Archiv far Aithropolwrle. Bd VII. Heft 1. 1 



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2 • : . Prof. Dr. Chr. Aeby, 

für geboten, «Ire. ganze Angelegenheit auf breiterer Grundlage, als es damals geschehen, einer 
erneuten Prüfung zu unterziehen, ist sie doch theoretisch und praktisch wichtig genug, uin zur 
sorgfältigsten Prüfung aufzufordern, theoretisch, weil es zweifellos von Interesse ist, zu wissen, 
ob auch der Mensch gleich so vielen Thieren in seiner Kopfbildung durch das Geschlecht be- 
einflusst werde, praktisch, weil es in der Timt von Vortheil wäre, dieses Geschlecht in jedem 
einzelnen Palle wenigstens mit einiger Sicherheit nm Schädel bestimmen zu können, ln 
orsterer Hinsicht verdienen alle Unterschiede Beachtung, seien sie an und für sich auch noch 
so geringfügig und individuell auch noch so oft verwischt, in letzterer gewinnen nur diejenigen 
Bedeutung, die wenigstens in der Mehrzahl der Fälle mit Entschiedenheit ausserhalb der 
Grenzen der individuellen Schwankung sich erhalten. Es versteht sich übrigens von selbst, 
dass die Grösse dieser letzteren auch für den theoretischen Werth gefundener Unterschiede 
nicht ausser Acht darf gelassen werden, und es scheint mir, dass, namentlich bei Weissbach, 
nicht wenige der aufgeführten und durch Mittclzahlen gestützten sogenannten Geschlechts- 
verschiedenheiten in keinem Verhältnisse stehen zu den individuellen Verschiedenheiten, die 
oftmals so beträchtlich sind, dass ein einziger Schädel von extremer Form hinreichen würde, 
um das gefundene Resultat wenn nicht in das Gcgentheil umzukehren, doch wenigstens er- 
heblich abzuschwächen. Für mich unterliegt cs kaum einem Zweifel, dass die zwischen Wciss- 
bach und Welcker obschwebenden Widersprüche wenigstens zum Theil derartigen Ursprunges 
sind und die Wahrheit in der Mitte liegt, das heisst, dass im gegebenen Falle ein typischer Ge- 
schlechtsunterschied gar nicht vorhanden ist Sie lassen sich freilich auch mit der Annahme 
erklären, dass hei verschiedenen Stämmen und Ra^en die Geschlechtseigenthumlichkeiten des 
Schädols in gleichfalls verschiedener, vielleicht sogar entgegengesetzter Weise sich aus- 
prägen. Wir haben füglich keinen Grund, eine derartige Möglichkeit von der Hand zu weisen. 
Sicher erscheint es zur Zeit noch völlig ungerechtfertigt, von Eigentümlichkeiten des männ- 
lichen und weiblichen Schädels im Allgemeinen zu sprechen und innerhalb eines gewissen 
Kreises gewonnene Befunde ohne Weiteres auf andere Kroiso zu übertragen. Es ergeht viel- 
mehr die Mahnung, die betreffenden Verhältnisse vor Allem an Angehörigen des gleichen 
Volkes Oiler Stammes sorgsam zu prüfen, und erst später, wenn zuverlässige Thatsachen in 
hinreichender Menge vorliegen, nach einem allgemeinen Gesetze zu forschen. 

In diesem Sinne habe ich meinen Untersuchungen 20 Schädel der deutschen Schweiz 1 ), 
nämlich 10 männliche und 10 weibliche, zu Grunde gelegt. Herkunft und Geschlecht der- 
selben sind genau nachgewiesen, da ich sie während der letzten Jahre von den Leichen der 
hiesigen Anatomie seihst gesammelt habe. Sie stammen sämmtlich von Erwachsenen und 
wurden auf gut Glück aus einer grösseren Anzahl von Genossen herausgegriffen, einzig mit 
Rücksicht darauf, dass sie möglichst unversehrt und nach unbefangenem Urtheilc mit keiner auf- 
fälligen Missgestalt behaftet waren. Ihnen noch andere beizugesellen, hielt ich für überflüssig. 
Ich bin eben der Meinung, dass Unterschiede, welche durch die gewählte Schädelzahl nicht 
deutlich angezeigt werden, überhaupt keine Beachtung verdienen; geht doch Welcker*) soweit, 

0 Keiner Diaaentin-TypuR uml Mi&chfortnen deswillen nach Hia und Kütimcyor, l'ravia helvetica. 
Basel und Genf, 1804. 

8 ) Welcker, Archiv für Anthropologie, Bd. 1, S. 124, 



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3 



Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 

zu behaupten , dass die Eigenartigkeit des weiblichen Schädels fast durchweg schon aus dem 
Mittel von drei Individuen sich erkennen lasse. In der Wiedergabe der gefundenen Zahlen 
beschränke ich mich auf die Mittel- und Grenzwerthe. 



rt. nirnschädel. 

Wir beginnen mit der Zusammenstellung der grössten Durchmesser in den drei Haupt- 
richtungen '), um erst im Ganzen und Grossen eine Vergleichung zu ermöglichen. 





Grundlinie- 


Länge. 


Breite. 


Höhe. 




Mittelwerth in mm 


«7,7 


178,7 


146,5 


127,4 




Grenzwerthe in mm . 


85,0—93,0 


162,5—183,0 


138,0—156,0 


120,0—136,5 


Männer 


Differenz der Grenz* 
werthe in mm u. Proc. 
des Mittel werthe». . 


8,0 mm = 9,1 % 


20,5 mm = 11,4 % 


18,0 mm = 12,3% 


16,6 mm = 12,9% 




Mittelwerth in mm 


85,0 


172,7 


148,6 


126,2 




Grenzwurthe in mm . 


81,0—92,0 


156,0 — 178,5 


138,0—151,0 


120,0—130,0 


Weiber 


Differenz der Grenz- 












werthe in mm u. Proc. 
des Mittelwerthe» . . 


10,0 mm = 11,6% 


22,5 mm = 13,2% 


13,0 mm = 9,1 % 


10,0 mm = 7.9 % 



Die geringere absolute Grösse des weiblichen Schädels stimmt mit den Angaben aller 
bisherigen Beobachter überein. Dass in unserem Falle bei der Grundlinie der obere, bei 
der Breite und Höhe der untere Grenzwerth zu dem Ausfälle nichts oder nur wenig beiträgt, 
dürfte das Werk des Zufalles sein. Werden die Durchmesser des männlichen Schädels gleich 
100 angenommen, so erhalten wir für den weiblichen: 

Grundlinie. Grösste Länge. Grösste Breite. Grösste Höhe. 

97,9 98,6 97,3 99,1 

Der Unterschied erreicht somit nirgends ganz 3 Proc. Hinsichtlich der individuellen Schwan- 
kungsind dom männlichen Schädel in der Breite und Höhe, dem weiblichen, wenn auch weniger 
entschieden, in der Länge und in der Grundlinie weitere Grenzen gezogen. 

Durch Reduction auf die letztere erhalten wir folgende Werthe: 

■j Gemäss den von uns angenommenen Grundsätzen sind diese Hauptrichtungen selbstverständlich nach 
der Grundlinie orientirt. 



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Prof. Dr. Chr. Aeby, 



i 



4 





Grundlinie. 


Grösste Lange. 


Grösste Breite. 


Grösste Höhe. 


|M i tte 1 w erth . . . 


100 


203,8 


107,0 


145,3 


1 Grenzwerthc .... 


- 


191,3 — 2lO;2 


161,5-183,6 


199,0-156,9 


| Differenz der Grenz- 










' werthe 


— 


18,'J 


32,1 


17,9 


.Mittelwerth . . . 


100 


201,0 


1««,0 


140,0 


1 Grenzwertlie .... 


— 


189,0—208,5 


149,1—174,2 


139,1—158,0 


er | Differenz der Grenz- 










V werthe 


— 


19,5 


15,1 


18,9 



Die Zahlen stimmen nicht ganz genau mit den früher („Schädelformen“, S. 11) von 
mir gegebenen überein, weil sie tlieilweise mit Hülfe anderer Schädel gewonnen sind. Nichts- 
destoweniger stehen sie gleich jenen in entschiedenem Widerspruche mit den Angaben von 
Ecker und Welcker, wonach den weiblichen Schädel im Gegensatz zum männlichen relativ 
geringere Höhe und Breite kennzeichnen soll, und ebenso mit denen von Weissbacb, welche 
für jenen zwar gleichfalls geringere Höhe, dafür aber auch grossere Breite in Anspruch 
nehmen. Meine Befunde gestatten keinen Schluss auf typische Geschlechtsunterschiede, und 
es darf in dieser Beziehung wohl ganz besonders hervorgehoben werden, dass beiderseits nicht 
nur die Mittelwerthe, sondern auch die oberen und unteren Grcnzworthe fast genau Zusammen- 
fällen. Die Breite allein macht davon eine Ausnahme, aber auch hier überschreitet der 
männliche Schädel den weiblichen so gleichförmig nach unteu wie nach oben hin, dass weiter 
nichts als eine grössere Veränderlichkeit des ersteren bewiesen wird. Den Differenzzahlen 
zufolge hält sich diese für die Höhe und Länge in beiden Geschlechtern annähernd auf gleicher 
Stufe. Sie gilt auch für die Breite des weiblichen Schädels, erhebt sich dagegen für diejenige 
des männlichen Schädels auf das Doppelte. Individuell fallt also sowohl die geringste, wie 
die grösste relative Schädelbreite innerhalb des von uns durchforschton Gebietes auf Seiten 
des Mannes. 

Geringere Höhe imd merklich verschiedene Breite ergiebt sich für den weiblichen Schädel 
auch dann nicht, wenn wir in herkömmlicher Weise die ganze Schädellänge zur Reduction 
bonützen. Wir erhalten daun nämlich auf Grund der Mittelwerthe; 





Lange. 


Breite. 


Höbe. 


Mäouer 


100 


82,0 


71,3 






(77 0 — 88,6) 


(07,0—76,7) 


Weiber 


100 


82,6 


73,1 






(77,7—94,9) 


(71,2—80,1) 



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Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 5 

Hiernach sind die untersuchten Schädel entschieden brachycepbal und zwar im Wider- 
spruche mit der gegentheiligen Angahe Welcker’s 1 ) die weiblichen in nicht geringerem Grade 
als die männlichen. Ihre Breite, gemessen durch die Grundlinie, versetzt sie in die höhere 
Abtheilung der Breitköpfe oder Eurycephalen 3 ). 

Die eben gemachte Erfahrung, dass die Männer- und Weiberschädel der deutschen Schweiz 
in ihrem Himtheile keine die Hauptdurchmesser berührenden Formenunterschiede darbieten, 
schliefst natürlich nicht aus, dass solche möglicherweise in anderen Beziehungen zu Tage 
treten. Dieses zu prüfen, soll in erster Linie die genaue Lagebes tim mutig einiger besonders 
wichtiger Punkte vorgenommen werden. Als solche gelten uns der Vorder- und Hinterrand 
eines jeden Wirbels, sowie die Stelle seiuer stärksten Vorwölbung in der Medianebene. 
Letztere erscheint der Einfachheit wegen unter der kurzen Bezeichnung von „Stirn“, „Scheitel“, 
„Hinterhaupt“. Erstere fallen mit der Nasenwurzel, mit der Mitte der Kronen- und Lambdan- 
naht, sowie mit dem Hinfcerrande des Foramen occipitale zusammen. Das untere Ende der 
genannten Nähte, entsprechend den beiden Seitenecken des Scheitelbeines, verdient gleichfalls 
Berückscih tigung. Die Scheitelordinate entspricht der grössten Höhe, die Summe der Stirn- 
und Hinterhauptaabscisse der grössten Länge des nach der Grundlinie oriontirten Schädels 8 ). 



') Welet er, Wachsthum und Bau de# menschlichen Schädels, S. -KJ. 

*) Acby, Schüdeliörmen, S. »4. — Der Vorwurf von Sc haa f fha u sen („Uober die Urform de* mensch- 
lichen Schädel*“, Abhandlungen aus dem Gebiete der Naturwissenschaften u. ». w. Bonn dass die Ein- 

thcilung der Schädel in breite und schmale mit NuchUioilen verbunden sei, weil die grösste Breite der 
einzelnen Schädel mit verschiedenen Stellen Zusammenfalle , wäre nur dann gerechtfertigt, wenn bloss in der 
grössten Breite ein Unterschied sich bomerlclich machte und meine Messungen bald inner-, bald ausserhalb 
derselben stattgefundun hutteu. Ich habe nun aber („Schädclfonnon“, S. 31) unter Zahlenbelcg nachgewies^n, 
dass, geringe und offenbar zufällige Schwankungen abgerechnet, die Zu- oder Abnahme der Breite stet« in der 
ganzen Länge de» Schädels und nicht bloaa an einzelnen Abschnitten stattfindet. Im Uebrigen (heile ich 
gleichfalls die Ansicht, dass für die vollständige t'harakterisirung einer bestimmten Schädelform nicht nur 
das Maass , sondern auch die Stelle ihrer grössten Breite unerlässlich sei. Es liegt mir überhaupt nichts 
ferner , als die Meinung, dass alle Form verschieden heit der Schädel in der Steno- und Eurycephalie aufgehe. 
Wohl aber halte ich noch jetzt dafür, dass sie in weit höherem Grade al* Dolicho- and Brach yoephalie dazu 
angethan sei, den typischen Rahmen für die feineren Nuancirungcn abzugebeu. 

3 ) Hinsichtlich der in deu Tabellen aufgefuhrten Zahlen mache ich ein für allemal darauf aufmerksam, 
dass alle Ordinaten oberhalb der Grundlinie mit positivem, unterhalb derselben mit negativem Vorzeichen auf- 
geführt sind. Gleiches gilt für die Abecissen , je nachdem sie vom Nullpunkt aus nach vor- oder nach rück- 
wärts sich erstrecken. 



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Höben 




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iWeiber .... 112,9 129, S 83,7 73,2 15,6 — 41,2 — 34,6 — 71,7 — 39,8 

(110,6— 114,6) (128, 5— 133,3) (74,2—91.3) (««,3—77,7) 1 (10,3—23,8) (-29,3—49,0) (-29,5—39,5) (-62,4—77,0) (-32.4 - 46,9) 










Beitrüge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 7 

Ein irgendwie erheblicher und charakteristischer Unterschied zwischen männlichem und 
weiblichem Schädel dürfte aus den vorstehenden Zahlen, abgesehen von der absoluten Grösse, 
kaum abzuleiten sein, zumal wenn wir den Mittelwerthen die obersten und untersten Grenz- 
werthe zur Seite stellen. Dass bei dem Weibe der Scheitel etwas weiter nach hinten liegt 
als bei dem Manne, kommt bei der Flachheit seiner Wölbung nicht in Betracht. Vielleicht 
ist es auch nur Zufall, dass bei ersterem das untere Ende der Lambdannaht eine Verschiebung 
nach vorn zu erleiden scheint, zumal die unteren Grenzwerthe nahezu Ubereinstimmen. Sollte 
dem jedoch nicht also sein, so wäre darin ein Anklang an frühere Entwickelungstufen zu 
sehen. Von weiteren Einzelheiten hebe ich nur noch die relativ gleiche Länge des Hinter- 
hauptes in beiden Gescldechtern hervor, weil ich selbst in einer früheren Mittheilung („Schädel- 
formen“, S. 12) geglaubt hatte, dem weiblichen in dieser Beziehung einen Vorsprung ein- 
ränmen zu sollen. Es beweist dies wiederum, wie vorsichtig man geringe Unterschiede in 
den Mittelwerthen zu lieurtheilen hat, wenn nicht eine sehr lange Reihe von Einzelbeobach- 
tungen dahinter steht und den Einfluss weniger einseitig entwickelter Formen auf die Ge- 
sammtheit in die richtigen Schranken eindämuit. Der Neigungswinkel des grossen 
Hinterhauptloches gegen die Grundlinie ist hei Männern und Weibern von gleicher Grösse, 
nämlich dort von 15,3 (0 — 27)", hier von 15,5 (5 — 29)“. Ich hatie noch für einige Punkte des 
Schädelgrundes die Abscissenwerthe bestimmt und stelle sie hier tabellarisch zusammen. Bei 
den Oeffnungen ist deren Mitte gerechnet. 



Länjfcnverhiiltnisflo 

(Ins 

Hirnschädels. 


Tu bereu luni 
spinosum. 


Synchondrosis 
Fphcno- 
bas darin. 


Kommen ovale. 


1’orus acusticuft 
ext. 


Foramen stylo- 
mastoideum. 


I. Absolute Werthe 












in min.: 












Männer . . * 


30,6 


23,9 


22.8 


3,0 


— 6,0 




(47,0—54,0) 


(19,0—25,0) 


(21,0—25,0) 


(0—6,5) 


(-3, 0-9,0) 


Weiber ........ 


00,3 


22,2 


24,4 


5,7 


— 2,6 




(40,0—57,0) 


(19,n-25,0) 


(20,0-28,0) 


(2,0-11,0) 


(— 0-7,0) 


11. Relative Werthe, 












Grundlinie = 100: 












Männer 


57,0 


27,5 


2*3,0 


3,4 


- 6,8 




(54,8—02,8) 


(21,3-29,4) 


(23,8—29,4) 


(0-7,1) 


(- 3,3-9,!)) 


Weiber 


58,8 


25,8 


28,4 


6,6 


— 8,0 




(54,1 — 61,9) 


(21,8 — 28,3) 


(23,5-31,8) 


(2,3-12,6) 


(— 0 — 8,3) 



Die äussere Gehöröffnung und das For. stylomastoideum scheinen hiernach beim Weibe 
um ein Weniges nach vom verschollen zu sein. Für die übrigen Punkte wird der Unterschied in 
den Mittelwerthen durch die Uebereinstimmung in den Grenzwerthen zum mindesten sehr 
zweifelhaft gemacht. 



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Die Ordinatcnhöhe der äusseren Oohöröffnung verhält Bich in beidon Geschlechtern Übereinstimmend. Sie erreicht beim Manne 
14,3 (8 — 17), beim Weibe 14,6 (9 — 18) mm absoluter Grösse oder dort 16,3 (9,4 — 19,6), hier 17,0 (10,6—20,9) Procent der Grundlinie. 

Wir bedürfen zur Ergänzung des linearen Schädelbildee noch der Querdurchmesser. Nach dem von uns angenommenen Messungs- 



8 



Prof. Dr. Clir. Aeby 




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') Pie „obere“ Wirbelbreüe ml »pricht jeweilen dem groasten Querdurchme*«er, ohne Rücksicht auf die Stelle, wo er »ich eben befindet. Die „untere“ 
Breite int beim Stirnwirbel der Einnehnürung oberhalb der Jochfort aStae de» Stirnbeine», tieim Schläfenwirbel vorn dem gegenseitigen Abstande der Tubercula 
ep.nora, hinten demjenigen der äua*eren ( iehöröffnungen in der Mitte ihre» oberen Rande» entnommen. Heim H i nt er ha u p t» wirbel fallt er zwi»clien die hervorra- 
gendsten Theile der Prosselforteatze. (jiefüsi- and Nervenöffnungen sind wie früher von der Mitte au» gerechnet. 




9 



Beiträge zur Kenntniss der Mikroeephalie. 

Stirn- und Hinterhaupts wirbel verhalten sich in allen Theilen gleichwerthig und schwan- 
ken auch ungefähr innerhalb derselben Grenzen. Letztere liegen dagegen, wie schon früher 
hervorgehoben wurde, für den Mann ungleich weiter auseinander, als für das Weib. Nichts- 
destoweniger ist die mittlere Breite dieselbe, mit Ausnahme der Gegend der Tubercula spi- 
nosa, welche, wenigstens in den vorliegenden Fällen, beim weiblichen Schädel schmächtiger 
erscheint. Die Angaben von W eissbach (Archiv für Anthropologie Bd. HI, S. 68) und 
Welcker (Wachsthum und Bau des menschlichen Schädels S. 66), wonach der weibliche 
Schädel gegen den Grund hin und zumal in der Ohrgegend eine ansehnliche Verschmälerung 
erfahren soll, findet keine Bestätigung. Ebensowenig die Mittheilung des ersteren (a. a. O. 
S. 76), dass im Weibe die Foramina stylo-mastoidea verhältnissmässig näher zusammen, die 
Foramina ovalia dagegen weiter auseinander liegen. 

Besondere Berücksichtigung verdient die Form des grossen Hinterhauptloches. Sie ist 
in beiden Geschlechtern dieselbe, indem der Querdurchmesser im Marino 84,1, im Weibe 84,3 Proc. 
des Längsdurchmessers beträgt Hinsichtlich der Grosse scheint das Weib nicht bloss absolut, 
sondern auch relativ etwas weniger günstige Verhältnisse darzubieten als der Mann. Bei- 
folgend dio Belege: 



Hinterhauptsloch. 


Länge. 


Breite. 


I, Ahaolute Werth e in mm. 


Männer 


38,9 


32,7 




{36—41) 


(90—38) 


Weiber 


85,8 


30,2 




(31-40) 


(27—33) 


II. Relative Werthe; Grundlinie = 100. 


Männer 


44,3 


37,3 




(40,8—48,2) 


(34,0 — 44,7) 


Weiber 


41,7 


35,2 




(36,5—45,6) 


(31,8 — 38,2) 



Der Formcharakter eines Schädels hängt nicht allein von der geraden Entfernung be- 
stimmter Funkte, sondern hauptsächlich auch davon ab, in welcher Weise zwischen denselben 
seine Oberfläche sich auswölbt Wir gewinnen hierfür einen, wenn auch nicht ganz genauen, 
doch immerhin ausreichenden Maassstab durch die Vergleichung der betreffenden Bogenlinie 
mit der dazu gehörigen Sehne. Ausserdem lässt sich hoffen, auch auf diese Weise für die 
typische Gliederung des Schädels und die Grösscnvorhältnisse seiner einzelnen Abschnitte zu 
einem brauchbaren Ausdrucke zu gelangen. Wichtig sind vor allen anderen die Bogenlinien 
der Medianebene, welche von der Nasenwurzel bis zum hinteren Rande des Hinterhauptloches 
reichen und durch Kronen- und Lambdanaht geschieden werden. Die Horizontalbogen 
fallen vorn und hinten auf die grösste Breite des Stirn- und Hinterhauptwirbels , seitlich 
zwischen die unteren Ecken des Scheitelbeines. Der senkrechte Quer- oder Frontalbogen 
endlich umspannt vom oberen Umfange der äusseren Gehöröffnungen aus dio Scheitelhöhe. 
Die Scheitelbeinhöcker zerlegen ihn in drei Theile, den unpaaren „Scheitelbogen u in der Mitte 
und den paarigen „Schläfenbogen“ zu beiden Seiten. Er gehört ausschliesslich dem Schläfen- 
wirbel an. 

Archiv fir Anthropologie, lld. VII. lUft 1. 2 



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# ii oj in fl 




11 



Prof. l)r. Chr. Aeby, Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 

Von den drei Bogenlinien des .Schädeldaches ist die horizontale weitaus die umfänglichste. 
Die mediane bleibt fast genau um ein Dritthoil und die frontale noch um weniges mehr hinter 
ihr zurück. Bezogen auf die Grundlinie zeigen sie sämmtlich lieim Weibe etwas geringere 
VVerthe als beim Manne, was in der Richtung der Median- und Horizontalebene hauptsächlich 
dem Stirnbeine zur Last fallt. Anderweitige Geschlechtsunterschiede bringt nur der Frontal- 
bogen zum Vorschein, indem sich beim Weibe dessen Scheiteltheil auf Kosten des Scblüfe- 
theilcs ansehnlich erweitert. Die beiden Scheitelhöcker kommen in Folge davon etwas tiefer 
und zugleich auch weiter auseinander zu liegen. Weissbach ist in seinen Untersuchungen 
(Archiv für Anthropologie Bd. III, S. 71) zu dem gleichen, Welcker dagegen („bau und 
Wachsthum“ S. G6) zum entgegengesetzten Ergebnisse gelangt 

Für manche Verhältnisse erhalten wir einen einfacheren Ausdruck als den in der vorher- 
gehenden Tabelle enthaltenen dadurch, dass wir in allen drei Hauptebenen den Umfang des 
Schädeldaches gleich 100 setzen und danach die einzelnen Segmente proccntisch berechnen. 



Umfang 

dos 

nirnschädels. 


M < 


1 d i a d i 


ebene. 




11 o r i 


i z o n t i 


i 1 e b c i 


n c. 


Frontalebene 1 !. 


Stirn- 

wirbel. 


Schläfen* 

wirbel. 


Ilinter- 

Imnpts- 

wirbel. 


Total. 


Stirn- 1 
Wirbel. 


Schläfen- j 
wirbel. 


Hinter- 

haupts- 

wirbel. 


Total. 


Schlafen- 

bogen. 


Scheitel- 

bogen. 


Total, 


Minner, Mittelwerth 


34, y 


34,0 


31,0 


100 


35,1 


30,0 


£5,6 


100 


55,4 


44,4 


100 


Grenzwerthe 


31,3—86,2 


31,3 — 35,6 


28.3—32,5 


— 


33,2—37,4 


37,2-40,8 


23,2—28,4 


— 


50,8-61,4 


38,7—49,1 


— 


Differenz der Grenzwcrthe 


4.» 


4,3 


4,2 


— 


4,2 


3,6 


5,2 


— 


10.6 


10,4 


— 


Weiber, Mittelwerth 


34, 8 


34,1 


31,4 


100 


35, <1 


38,6 


36,4 


100 


53,4 


47,6 


100 


Grenzwerthe 


32,7 — 87,3 


32,0—86,4 


30,0 — 33,3 


— 


32,9—37,4 


86,6 — 41,0 


23,8—28,6 


— 


50.0—55,2 


44,7—50,0 


— 


Differenz der Grenzwerthe 


4,6 


4,4 


3,3 


— 


4,6 


4,4 


4,8 


1 — 


5,2 


6,3 


— 



Wir erkennen sofort die Richtigkeit der aus der vorigen Tabelle gezogenen Schlüsse. 
Ausserdem sehen wir, dass in den Medianbogen die drei Wirbel fast gleichförmig sich theilen. 
Nur deijenige des Hinterhauptes kommt um beiläufig 3 Proc. zu kurz, während derjenige der 
Stirn seinen Nachbarn um etwa '/j Proc. übertrifft. Im Horizontalbogen überwiegt der Schläfen- 
wirbel, doch kommt ihm der Stirnwirbel ziemlich nahe. Bedeutend schwächer dagegen ist 
der Hinterhauptswirbel. Im Frontalbogen bleibt beim Manne die Scheitelgegend um 11, beim 
Weibe nur um 5 Proc. hinter der Schläfengegend zurück. Die individuellen Schwankungen 
der einzelnen Segmente betragen im Ganzen ausserordentlich gleichförmig 4 bis 5 Proc. des 
ganzen Bogens. Nur beim Manne steigen sie in der Frontalebenc sehr auffälliger Weise 
auf das Doppelte. 

Um den Grad der Krümmung in den verschiedenen Gebieten des Schädels zu unter- 
suchen, berechnen wir die säuimmtlichen Bogen in Procenten dor ihnen zugehörigen Sehnen 



Der paarige Schläfenbogen wurde in der Horizontal- wie Frontalebene hier vollständig, mithin gegen* 
über der vorigen Tabelle doppelt gerechnet. 

2 * 



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12 Prof. Dr. Chr. Aeby, Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 



W öl bungs Verhältnisse 

des 

H i rnschäd eis. 


M o 


tl i a n o b c 


i n e. 


H o r i 


z o n t a 1 e 


bene. 


Frontalebene. 


Sürn- 

wirbel. 


Sehläfen- 

wirbel. 


Ilinter- 

haupta- 

wirbel. 


Stirn- 

wirbel. 


Schläfen- 

wirbel. 


Hinter- 

haupts- 

wirbel, 


Schläfen- 

bogen. 


Scheitel- 

bogen. 


Männer 


118,0 


109,7 


119,1 


151,9 


105,4 


122,6 


106,7 


115,0 




110,7 — 115,2 


100,8—112,2 


115,5 — 120,6 


146,0-159,2 


103,0—106,7 


109,7—182,5 


102,4 — 111,3 


106,8—117,7 


Weiber 


112,4 


110,7 


118,2 


149,3 


106,1 


122,8 


103,6 


117,2 




109,1 — 114,5 


107,6—112,5 


115,6-121,4 


145,2—156,8 


104,4—107,6 


116,5 — 130,7 


102,4—106,2 


0 
§ 

1 



Schwache Krümmung nach allen Richtungen, mit Ausnahme derjenigen des queren 
Scheitelabschnittcs, ist ein hervorragender Charakter des Schläfenwirbels. Der Hinterhaupts- 
wirbel bietet ziemlich gleichförmige, doch der Quere nach etwas stärkere Wölbung als entlang 
der Medianebene. Der Stirnwirbel ist in dieser ziemlich Hach, dafür der Quere nach weitaus 
steiler gesprengt als irgend einer seiner Genossen. Stirn- und Hintorhauptswirl>ol legen 
übereinstimmend, wenn auch in verschiedenem Grade, ihre stärkere Wölbung der Quere 
nach, während eine solche bei dem Schläfenwirbel mit der Medianebene zusammenfallt. 

Geschlechtlich machen sich etwelche Verschiedenheiten geltend. Median wie horizontal 
besitzt der Scheitelwirbel beim Weibe eine etwas stärkere Wölbung als beim Manne. Stirn- 
und Hinterhauptswirbel verhalten sich dagegen gerade umgekehrt. Ebenso igt in der Krontal- 
ebene der Schläfenbogen des Weites flacher, sein Scheitelbogen schärfer gekrümmt als 
derjenige des Mannes. Inwiefern es sich jedoch hierbei um wirklich ständige Verhältnisse 
handelt, dürfte um so zweifelhafter sein, als Weissbach (Archiv für Anthropologie lid. m, 
S. 70 bis 75) durch seine Untersuchungen zu thoilweise gerade entgegengesetzten Ergehnissen 
ist geführt worden. 

Wir gehen zum Inhalte der ganzen Schädeloberfläche und ihrer wichtigsten Bezirke über. 
Die einzelnen Wirbel verlangen selbstverständlich gesonderte Prüfung'). Ausserdem halte 
ich es für zweckmässig, den Grund vor dem Gewölbe im gewöhnlichen Sinne des Wortes zu 
scheiden. Nehen der Reduction der absoluten Grössenwerthe auf die Quadratgrundlinie als 
Einheit bietot auch die proccntische Berechnung mit Zugrundelegung der gesummten Schädel- 
oterfläche Aussicht auf Erfolg. 



') Die Grenze zwischen Stirn- und Schläfenwirhel ist durch die vorhandenen Nähte deutlich genug vor- 
gezeichnet und schliesst von vornherein jegliche Meinungsverschiedenheit aus. Anders dagegen verhält 
es sich mit derjenigen zwischen Schläfen- und Ilinterbauptswirbel , da zwischen beide als dem typischen 
Schädelgerüstc fremder Bcstandtheil das Felsenbein sich eiuschiebt. Ich habe dasselbe einfach, um beiden 
Theilen gerecht zu werden, in der unmittelbaren Verlängerung der Lambdanaht halbirt und die hintere 
llälite dem IliuterhanpU- , die vordere dem Schläfenwirbel zu gut geschrieben. Es outsprioht dies auch 
seiner Stellung gegenüber der hiuteren und mittleren Schädelgrube. 



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14 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

An Oberfläche bleibt «1er weibliche Schäilel ungefähr um 7 Proc. absoluter Grösse hinter 
dem männlichen zurück. In beiden Fällen beträgt sie annähernd das Neunfache des Quadrats 
der Grundlinie. Davon gehört etwa ein Fünftel dein Schädelgrunde, der Rest dem Schädel- 
dache an. An diesem ist der Schläfen Wirbel, an jenem der Hinterhauptswirbel mit nahezu 
zwei Drittheileu dos Ganzen betheiligt. Von der ganzen Schädelfläche nimmt der Schlafen- 
wirbel mehr als die Hälfte für sich in Anspruch. Am stiefmütterlichsten ist der llinterhaupts- 
wirbel bedacht. Weitere Einzelheiten ergeben sich von selbst aus der Tabelle. 

Hinsichtlich des Geschlechtes treffen wir in erster Linie auf die bemorkenswerthe That- 
sactie, dass der weibliche Schädel in der relativen Grösse seiner Oberfläche um ein Weniges 
von dem männlichen übertroffen wird, freilich, was nicht au&ser Acht zu lassen, nur auf Rech- 
nung seines oberen und nicht auch seines unteren Grenzwerthes. Trotzdem kommt der 
Scbädelgrnnd des Weibes demjenigen des Mannes absolut gleich und übertrifli ihn relativ 
demgemäss um ein Merkliches. Das Verdienst gebührt ausschliesslich den beiden hinteren 
Wirbeln. Gleich dem früheren Befunde über den linearen Umfang des Schädels in medianer, 
horizontaler und frontaler Richtung widerspricht dies der Angabe von Welcker („Wachs- 
thum und Bau“, S. 67), dass beim Weibe die Sehiideldecke ein beträchtlicheres Uebergewicht 
über die Schädelbasis besitze, als beim Manne Eben so wenig findet die Behauptung von 
Hascbke 1 ), dass im Weibe der Schliifenwirbel vorwiege, eine Bestätigung. Das von ihm 
hauptsächlich angerufene Scheitelbein (a. a. O. S. 1!)) lässt ihn vollständig im Stiche, indem 
es in beiden Geschlechtern relativ fast genau die gleichen Gröasenverhältnisse darbietet. Ich 
habe nämlich dafür folgende Wertbe gefunden : 



Beide 

Scheitelbeine. 


Abnolute OrösBC 
i n qcm. 


1 Relative Grosse. Relative Orösse. 

Quadratgrundlinie = 100. t Ganse Schädelfläche =100. 

| 


Männer 


282,4 


367,2 


40,3 




(230,4 — 309,0) 


(815,4—424,0) 


(37,8—43,7) 


Weiber .......... 


261,6 


354,7 


40,1 




(242,9—275,6) 


(302,7—415,8) 


(37,0—43,8) 



Ein unzweifelhaftes Uebergewicht besitzt in unserem Falle der weibliche Hinterhaupts- 
wirbel, und zwar nicht nur in den Mittel-, sondern auch in den Grenzwerthen. Absolut steht 
er trotz der im Allgemeinen geringeren Grösse seines Besitzers so ziemlich auf gleicher Stufe 
mit dem männlichen Genossen, eine dem Verhalten der beiden anderen Wirbel gegenüber 
wohl zu beachtende Thatsache. 

In der Frage von den quadratischen Inhaltsverhältnissen des Schädels scheinen mir die 
Eingangscbeneu der sogenannten Schädelgruben gleichfalls der Berücksichtigung werth zu sein 
in Anbetracht der wichtigen Gliederung, welche der Schädelgrund in engem Anschlüsse an den 
Schädelinhalt durch sie gewinnt. Selbstverständlich gestatten nur geöffnete Schädel eine 
derartige Prüfung und ich sah mich daher leider genölhigt, meine Untersuchung auf drei 

*) Uusohke, Schädel, Hirn u. Seele. Jena, 1864, S. 21. 



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15 



Beiträge zur Kenntnis» der Mikroeephalie. 

männliche und eben so viele weibliche Schädel zu beschränken. Der Umfang sämmtlicher 
Eingangsebenen vertheilt sich auf die einzelnen folgendermaasscn in Procenten des Ganzen; 





Vordere .Schädelgrnbe. 


Mittlere Schädelgrube. 


Hintere Schädelgrnbe. 


Männer 


24,7 


36,5 


SS, 8 




(24,4-25,2) 


(34,9—39,0) 


(36,6—40,0) 


Woiber . 


26,9 


83,2 


39,6 




(25,8-28,5) 


(31,3—35,6) 


(38,2—40,3) 



Die hintere Schädelgrube ist also entschieden die umfänglichste, wenngleich nur mit ge- 
ringer Uoberlegenheit gegenüber der mittleren. Ob bei dieser, gleichwie bei der vorderen, die 
bei Männern und Weibern vorhandenen Unterschiede typisch sind oder nicht, lasse ich bei 
der Spärlichkeit des vorliegenden Materials dahingestellt An und für sich nehmen die Ein- 
gangsebenen der drei Schädelgruben einen etwas grösseren Raum in Anspruch als der 
Schädelgrund, nämlich 24,3 Proc. der gesammten Schädeloberfläche bei den Männern und 
24,8 Proc. bei den Weibern. Es setzen uns diese Zahlen in den Stand, den Werth der ver- 
schiedenen Sehädelgrubcn, bezogen auf die Quadratgrundlinie, für dos aus den sämmtlichen 
untersuchten Schädeln gewonnene Mittel ihrer relativen Oberfläche festzustellen. 

Vordere Scbädelgrube. Mittlere Schädelgrube. Hintere Schädelgrube. 

Männer 57,1 84,3 89,8 

Weiber 58,9 72,7 86,7 

Die Mikrocephalen werden lehren, wie wichtig es ist, auch für diese Beziehungen einen 
genauen Ausdruck gefunden zu halten. 

Noch harrte der Cubikinhalt der untersuchten Schädel der Prüfung. Sie vorzunehmen, 
stellen wir den absoluten Werthen die nach dem Cubus der Grundlinie berechneten zur Seite. 



Cnbik inhalt 
des Hirnachädels. 


i 

Absoluter Inhalt 
i n ebem. 


Relativer Inhalt. 
Cubikgrundlinie = 10». 


Männer 


1483,1 


220,0 




(1293—1724) 


(182,0—252,8) 


Weiber 


1312,7 


207,2 




(1192—14641 


(175,1—246,1) 



Die Geräumigkeit des weiblichen Schädels ist im Mittel um 170 ebem oder beinahe 12 
Proc. kleiner als die des männlichen. Dort wie liier übertrifft sie das Doppelte de* Cubus der 
Grundlinie, doch befindet sich auch hierin das Weib um beiläufig C Proc. im Nachtheil, ein 
Unterschied , der freilich in Anbetracht der sehr beträchtlichen individuellen Schwankungen 
kaum schwer in die Wagschale fallen dürfte. 



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16 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

Die Yertheilung des ganzen Schädolinhaltes auf die einzelnen Wirtel konnte direct 
wieder nur bei den schon erwähnten sechs Schädeln geprüft werden. Sie gestaltete sieh wie folgt : 



C u b ik in hall 
des Hirnschädels. 


Ganzer j 

j Schädelinhalt. 


Stirnwirbel. 


Schläfenwirbel. 


IlinterhauptBwirbeL 


Männer 


! 

100 


17,9 


1 

66,1 


16,0 






(16,5—18,8) 


(65,3 — 67,7) 


(15,8-16,5) 


Weiber 


100 


16,8 


64,4 


19,3 






(14,1-17,7) 


(62,5—65,9) 


(18,1-20,0) 



Stirn- und Hinterhauptswirbel theilen sich hiernach ziemlich gleichförmig in etwa ein 
Drittheil des Schädelraumes; der Rest gehört dem SchläfeuwirbeL Ob der Verschiedenheit 
der ersteren in den beiden Gruppen irgend welcho Bedeutung beizulegen ist, mag Angesichts 
der geringen Anzahl von gemachten Beobachtungen fraglich bleiben, und dies um so mehr, 
als Huschke (a. a. O. S. 47) fiir den Hinterhauptswirbel gerade das gegentheilige Verhalten 
in den beiden Geschlechtern angiebt und auch vom Schläfenwirbel behauptet, dass er beim 
Weibe entschieden im Vortheile sich befinde. Sei dem nun wie ihm wolle, fUr die spätere 
Beurtheilung thicrisclier und mikrocephalcr Formen ist es jedenfalls von Vortheil, mit Hülfe 
dieser procentischen Werthe den absoluten wie relativen Gehalt der einzelnen Schädelwirbel 
auf Grund der früher gefundenen Mittelzahlen für Mann und Weib zu berechnen. 



Cu bikinli alt 
des Hirnschädels. 


w L * JI 1 — 

Ganzer 

Schädelinhalt. 


Stirnwirbel. 


Schläfenwirbel. | 


Ilinterhanpts- 

wirbel. 


I. Absolute Werthe 
in ebem. 

Männer . * 


1483,1 


1 

' 

265,5 


980,3 


237,8 


Weiber 


1312,7 


214,0 


815,4 


253,3 


11. Relative W e r t h o j 
Cubikgrundlinie = 100: 

Männer ........... 


220,0 


39,4 


145,4 


35,2 


Weiber . 

• 


207.2 


33,8 


133,4 


40,0 



Ich habe die für die Berechnung der vorstehenden Tabellen verwendeten sechs Individuen 
auch benutzt, um Uber die Grössen Verhältnisse der so wichtigen hinteren Schädelgrube ins 
Klare zu kommen. Ich erhielt für die Männer 10,2 (10,0 — 10,3), für die Weiber 9,9 (8,8—10,7) 
Proc. des ganzen Schädelinhaltes. Dies Verhältnis wie oben auf sämmtliche Männer- und 
Weiberschiwiel übertragen ergiebt für jene 151,3 ebem absolute Grösse und 22,4 Proc. der 
Cubikgrundlinie, für diese 130,0 ebern absolute Grösse und 20,5 Proc. der Cubikgrundlinie. 



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17 



Beiträge zur Kenntnis» der Mikrocephalie. 

Die Form Verhältnisse dos normalen Hirnschädels durften, so weit sie für Vergleichungen 
nothwendig und der Messung überhaupt zugänglich sind, in all dem Vorgebrachten wohl einen 
hinreichenden Ausdruck gefunden haben. Ich verzichte daher auf weitere Angaben und will 
nur noch hervorheben, dass der für die Gestaltung des Schädelgrundes so wichtige Winkel, 
unter dem sich dio Pyramidenachsen nach vorn hin schneiden , der „ Pyramiden winkel“ in 
beiden Geschlechtern die gleiche Grösse besitzt, nämlich im Mittel 121 (110 — 135)°. 



ß. GosichtSBchädel. 

Zu dem C'harakterbilde des Schädels werden auf Seiten des Gesichtes die wichtigsten 
Zuge vom Gerüste des Oberkiefers geliefert. Der Unterkiefer kommt orst in zweiter Linie 
in Betracht. Wir wollen daher zunächst jenes der Prüfung unterworfen und die Lagebestim- 
mung der ihn begrenzenden Hauptpunkte vornehmen. Als solche gelten uns in der 
Medianebene vorn die Wurzel und die Spitze der knöchernen Nase in Verbindung mit dem 
Vorderrando des Oberkiefers dicht unterhalb des vorderen Nasenstachels, hinten das obere 
und untere Ende des freien Vomerrandes, letzteres von gleicher Bedeutung für die Nasen- 
scheidewand wie für den knöchernen Gaumen. Ausserhalb der Mediauebene bedingt nach 
hinten der Flügelfortsatz den typischen Abschluss. Seine zur Messung benutzte Achse geht 
durch die Mitte seiner Innenplatte. Ferner habe ich als besonders bedeutungsvoll die drei 
Angelpunkte des Jochbogensystemcs, den Aussonrand der Sut. zygomatico-frontalis, das untere 
Ende der Sut. zygomatico-maxillaris und die Mitte des Gelenkhöckers am Schläfenbeine ndt 
in Betracht gezogen. 



Archiv für Anthropologie. IW. VII. Il«fi I 



3 



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I. Absolute Werthe 


















19 



Prof. Dr. Chr. Aeby, Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 

Fügen wir gleich noch die maassgebendon Querdurchmesser hinzu, um da« Ganze der Ge- 
sichtsbildung Überblicken zu können. Wir halten uns, wie schon beim Hirnschädel, je weilen 
an die ganze Breite. Die beidseitigen Suturae zygomatico-frontales fassen die „obere“, die Su- 
turae zygomatico-maxillares die „untere Gesichtsbreite“ zwischen sich ein. Der Querabstand 
der Flügelfortsätze bezieht sich auf deren Spitzen, derjenige der Jochbogen auf die seitlich 
hervorragendsten Punkte. 



Breiten ver hü ltnissc 
des 

Gesichtsschädel s. 


Nasenwurzel. 


Obere 

Gesichtsbreite. 
(Sut. syg.-front.) 


Untere 

Gesichtsbreite. 
(Sut. zyg.-inax.) 


Querahstand 

der 

FlögelforUäUte. 


Querabstand 

der 

Joch bogen. 


I. Absolute Werthe 
l n mm : 

Männer ........ 


i 

27,8 


103,7 


91,1 


43,2 


132,7 




(28—31) 


(98 — 112) 


(84—100) 


(40-48) 


(127—139) 


Weiber . 


26,1 


99,2 


89,0 


40,2 


126,1 




(21-31) 


(94—106) 


(87—92) 


(38—42) 


(121—134) 


II. Relative Werthe; 
Grundlinie = 100: 

Männer ........ 


31,7 


118,2 


103,8 


49,2 


161,3 




(26.8 — 36,5) 


(107.5—124,1) 


(96,7—112,6) 


(44,1—54,5) 


(136,7—163,6) 


Weiber 


30,4 


115,5 


103,6 


46,6 


146,8 




(24,7—3542) 


(1*16,7—125,5) 


(99,8—112,3) 


(43,1 — 51,0) 


(142,0—154,6) 



Entsprechend der geringeren Kopfgrösse ist das weibliche Gesicht absolut etwas kleiner 
als da« männliche, relativ stellt es ihm jedoch vollständig gleich. An specitischen Formver- 
schiedenheiten ist die Ausbeute spärlich genug. Weder die für das Weib behauptete grössere 
Breite der Nasenwurzel ( Woissbach, a. a. O., 8. 79), noch die gleichfalls angenommene grössere 
Breite des ganzen Gesichtes, verbunden mit geringerer Höhe (Weissbach, a. a. O., S. 77), 
findet eine Bestätigung. Dagegen erscheinen mit wenigen Ausnahmen die Abscisscnwerthe 
des weiblichen Gesiebtes um Weniges höher als diejenigen des männlichen. Jenes ist daher 
jedenfalls nicht ortbognather (Weissbach, a. a- 0„ S. 79) als dieses, ob wirklich prognather 
(Welcker, Waclisthurn und Bau, S.66), dürfte Angesichts der sehr geringfügigen Zahlenunter- 
schiede wohl schwerlich entschieden zu bejahen sein. Wirkliche Verschiebung noch vorn 
zeigen nur die beiden Endpunkte des Jochbogens, zumal der hintere, entsprechend den schon 
früher nach gewiesenen Lagerungsverhältnisseu der äusseren Gehörötfnung in den beiden Ge- 
schlechtern. Für die Ftlugschaar ist solches, entgegen den Angaben von Weissbach (a. a. 
O. S. 76), entschieden nicht der Fall. Auf die kleinere Jochbogenbreite des Weibe« lege ich 
um so weuiger Gewicht, als mir früher („Schädelformen", S. 12) die gleichen, nur in etwas 
anderer Weise ausgewählten Schädel für das Gegentheil zu sprechen schienen. 

Besondere Berücksichtigung verdient noch die Augenhöhle. Ihre Seitenränder sind liereits 
durch die obere Gesichts- und die Nasenwurzelbreite hinreichend bestimmt, dagegen wissen 

8 * 



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20 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

wir noch nicht« über ihre obere und untere Begrenzung und doch spielt diese im Aussehen 
des ganzen vorderen Schädelabschnittes eine sehr hervorragende Rolle. Der höchste und 
niedrigste Punkt ihrer Eingangsötthung soll deshalb gleichfalls in unser Coordinatensystem 
eingetragen werden. Ausserdem habe ich ohne Rücksicht auf letzteres deren grösste Breite 
und Höhe gemessen, sowie auch den Winkel aufgesucht, unter dem eine durch ihre Seiten- 
ränder gelegte Ebene sich mit derjenigen der anderen Seite vor der Nasenwurzel schneidet. 
Ich will ihn den Orbitalwinkel nennen. 



Vordere 


Oberer Rund. 


Unterer Kund. 


Grösste 


Grösste 


Orbital- 


Orbital offnung. 






Ordinate. 


j Abaciuse. 


Höhe. 


Breite. 


Winkel. 


I. Absolute Wert he 
















in mm: 
















Männer ........ 


6,0 


94,4 


— 23,0 


75,9 


33,5 


37,2 


138« 




(1, 0-8,0) 


(89,5—101,0) 


(-20,0—25,0) 


(69,5—81,0) 


(30—36) 


(35—41) i 


(132—150) 


Weiber . 


6,0 


93,2 


— 23,0 


77,2 


33,6 


36,4 


137® 




(3,0— 9,0) 


(88,0-100,0) 


(-21,0—26,0) 


(72,0—81,0) 


(31-86) 


(35—39) 


(135—143) 


II. Relative Werttae; 
Grundlinie = 100: 
















Männer 


6,8 

(1,1-9,11 


107,6 

(104,1-111,4) 


— 26,2 
(_22,9—29,4) 


86.5 

(81,8-90,1) 


38,2 

(33,7—42,4) 


42,4 

(37,5—45,1) 


— 


Weiber . . 


7 fl 

(3,6-10,3) 


108,5 

(105,1—112,3) 


— 26,8 
(-23,8—28,9) 


89,9 

(83,8—92,0) 


39,1 

(35,2-40,7) 


42,4 

(39,1-45,6) 

1 





Von einer relativ beträchtlicheren Weite der weiblichen Orbitalöffnung, wie sie Weiss- 
bach (a. a. O-, S. 79) und Huschke (a. a. O., S. 22) herausgerechnet haben, ist nichts vor- 
handen. Sie tritt in beiden Geschlechtern durchaus gloichwerthig auf. Ihre Breite iiber- 
tritft die Höhe nur um Weniges. Von letzterer kommt bloss ein Fünftel oberhalb, der Rest 
unterhalb der Grundlinie zu liegen, eine für die Architektur des normalen Menschenschädels 
bedeutungsvolle Thatsache. 

Die Formverhältnisse des Unterkiefers erfordern zu ihrer Bestimmung eine Reihe von 
Maassen. Seine „gerade Länge“ reicht in der Medianebene vom Kinn bis zur Verbindungs- 
linie der beiderseitigen Winkel, seine Bogenlänge verbindet diese Winkel entlang dem nntoren 
Rande des horizontalen Abschnittes. Die Höhe des aufsteigenden Astes wird in der Rich- 
tung des Hinterrandes vom Winkel bis zum Scheitel der Gelenkfläche gerechnet. Der Quer- 
abstand der beiden Winkel und der Kinnlöcher (Kinnbreite) giebt über die Breitenverhältnisso 
genügenden Aufschluss. Ergänzend habe ich die Grösse sowohl des Kieferwinkcls, als auch 
des nach vom offenen, zwischen den beidseitigen Condylenachsen gelegenen „Condylen- 
winkels“ beigefiigt. 



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Beitrüge zur Kcnntniss der Mikrokephalie. 



21 



Unterkiefer. 


Gerade 

Länge. 


Bogenlänge. 


Winkel- 
i breite. 


l Kinnbreite. 


Hohe den 
n u fst eigen den 
AstCB. 


Kieferwinkel. 


Condylen- 

winkaL 


I. Absolute Werthe 
















in mm: 
















Männer 


70,9 


189,0 


993 


47,4 


64,0 


125,1» 


139,3« 




(63-75) 


(177—200) 


(92—110) 


(43—62) 


(67—78) 


(114—136) , 


(120—156) 


Weiber 


69,3 


182,2 


89,6 


44,9 


60,0 


126,8» 


140,6° 




(62 — 76) 


(170—195) 


(83—96) 


(40—«) 


(53—70) 


(122—132) 


(134—163) 


II. Rel&ti ve Wert-he; 
















Grundlinie = 100: 
















Männer 


80,8 


215,5 


113,6 


64,0 


72,9 


— 


— 




(72,3 — 84,8) 


(205,6-219,8): 


(102,1- 123,6) 


(49,3—59,0) 


(65,4—78,5) 






Weiber 


30,7 


212,1 


104,3 


62^ 


69,9 


— 


| — 




<70,4 — 84,1) 


(198,2—222,2) 


1 (95,4 — 1 10,8) 

1 


(47,0-57,9) j 


(60,8—86,4) 







Von all den untersuchten Grossen Verhältnissen des Unterkiefers weist nur Eines mit 
Entschiedenheit nicht allein in den Mittel-, sondern auch in den beidseitigen Grenzwertlien 
auf eine Geschlechtseigenthümlichkeit hin. Die beiden Winkel liegen in Folgo stärkerer Con- 
vergenz der aufsteigenden Aestc beim Weibe beträchtlich näher beisammen als beim Manne, 
eine Erscheinung, die auch von Weissbach (a, a. O., S. 79) ist bemerkt worden. Alle wei- 
teren von diesem betonten angeblichen Geachlechtseigenthümliclikeiten (a. a-O., S.80) erweisen 
sich als nicht stichhaltig. Das weibliche Kinn ist nicht breiter, der weibliche Kiefer nicht im 
Ganzen Bacher gekrümmt als der männliche. Wollte man auf den Befund überhaupt Werth 
legen, so wird durch unsero Zahlen sogar das Gegenthoil bewiesen , da die Länge des Unter- 
kiefers, auf dessen Winkelbrcite bezogen, beim Manne im Mittel nur 189,4, beim Weibe da- 
gegen 203,3 beträgt. Ob auf die geringe Grösscnversehiodenheit der Kieforwinkel viel zu geben 
ist, scheint mir zum mindesten zweifelhaft. Sie stimmt übrigens sehr gut mit der von Welcker 
(Archiv f. Anthrop. Bd. 1, S. 111) gefundenen überein und steht daher gleich ihr im Gegen- 
sätze zu der viel beträchtlicheren von Weissbach (a. a. O., S. 80). Den Unterschied in den 
Condylenwinkeln halte ich nicht für bedeutungsvoll, da er offenbar nur durch die unteren und 
nicht auch durch die oberen Grenzwerthe gestützt wird. 

Schliesslich sei noch des Gebisses mit wenigen Worten gedacht. Ich habe nur die obere 
Zahhreihe berücksichtigt und auch bei dieser nur zwei Punkte, nämlich die grösste Breite und 
die Stellung der Schneidezähne, ins Auge gefasst. Erstere wurde zwischen den Aussenflächen 
der Mahlzähne direct gemessen. Für letztere suchte ich in dem Winkel, den die Zahnachse 
mit der Gaumenebene bildet, einen Ausdruck zu gewinnen. Derselbe ist leicht aus drei Linien 
zu construiren, wovon zwei den freien Rand des inneren Schneidezahnes mit dem liinteren Nason- 
stachel und dem Vorderrande des Oberkiefers dicht unter dem vorderen Naseustachel ver- 
binden, während die dritte von diesem Vordorrando zum hinteren Nasenstachel sich hinzieht. 



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22 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 





Obere Zahnbreite. ! 

1 


Schneidezahnwinkel. 


I. Absolute Werthe in mm: 






Minner 


62,8 


HW,** 




(50—68) 


(SU — 114) 


Weiber 


61,0 


100,4« 




(58—64) 


(97—103) 


11 . Relative Werthe; 
Grundlinie = 100: 






Männer 


71,7 


— 


Weiber 


71,7 





Die Zahnbreite ist also relativ genau dieselbe. Auch die Schiefheit der Sclineidezähnc 
hält sich beiderseits ziemlich auf gleicher Höhe. Im Milchgebisse ist dieselbe eine weit ge- 
ringere. Ich erhielt dafür als Mittel aus fünf Beobachtungen einen Worth von 88,8 (82 — 

Die Schneidezähne stehen also hier fast genau senkrecht and um mehr als 10* steiler denn 
im bleibenden Qebisse. 



y. OesammtBchädel. 

Das Schlussergebniss unserer Untersuchungen an männlichen und weiblichen Schädeln 
lässt sich in der Hauptsache dahin zusammcnfassen , dass die letzteren als Ganzes unzweifel- 
haft nur eine Verschiedenheit der Grösse, nicht aber auch der Form darbieten. Etwas be- 
trächtlichere Ausdehnung des Schädelgruudes, grössere gegenseitige Entfernung der Scheitol- 
höcker in der Gewölbelinie und geringerer Querabstand der Unterkieferwinkel, das ist so 
ziemlich Alles, was unsere Forschung dem Weibe als eigen zugewiesen. Aber auch dieses Zu- 
geständniss ist nur ein bedingtes, ein auf den engen Kreis der Untersuchung beschränktes, 
sind doch unstreitig sorgfältige Beobachter auf anderem Boden theilweise zu ganz entgegenge- 
setzten Ansichten geführt worden. Die bisherigen Erfahrungen laufen somit darauf hinaus, dass 
von all den namhaft gemachten sogenannten Geschlechtseigenthümlichkeiten des mensch- 
lichen Schädels keine einzige Anspruch auf allgemeine GUltigheit machen kann. Es bleibt 
daher vor der Hand noch sehr zweifelhaft, ob dazu berechtigte überhaupt existiren. Jeden- 
falls liegt für uns kein Grund vor, männliche und weibliche Schädel im Fortgange unserer 
Arbeit auseinanderzulialten. Wir werden vielmehr den „normalen Menschen“ durch das 
Mittel beider Geschlechter vertreten lassen und uns so einen Maassstab verschaffen, der ge- 
schlechtlich vollkommen neutral mit gleicher Sicherheit an das männliche wie an das weibliche 
Individuum sieb legen lässt, selbst in dem Falle, dasa dessen Ileimath Gegenden angehört, in 
denen die GeschlechtscigentbUmlicbkeiten des Schädels sich möglicherweise in anderer Weise 
äussern als in der upsrigen. 

Inwiefern mänuliche und weibliche Schädel vielleicht an anderen Merkzeichen als die- 



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23 



Beitrage zur Kenntniss der Mikrocephulie. 

jenigen der Maassverhältnisae erkannt werden können, an Zierlichkeit, feinerer Structur der 
Oberfläche und anderes mehr, mag dahingestellt bleiben. Ich will jedoch die Bemerkung 
nicht unterdrücken, dass auch diese für das von mir speciell durchforschte Gebiet höchst 
zweifelhaften Werthes sind und in zahlreichen Fällen gänzlich im Stiche lassen. Ich ver- 
spreche mir daher auch von einer Sortirung geschlechtlich unbekannter Schädel nach Ge- 
schlechtern, wie sie Welcker empfohlen hat, keinen Gewinn, wohl aber hege ich die Be- 
fürchtung, dass speciell für die Frage der Geschlechtscigenthümlichkeiten des Schädels ein der- 
artiges Verfahren mehr Unheil als Nutzen stiften würde. 



b, Normaler Kinderschädel. 

Welches auch das Wesen der Mikrocephalie sein mag, so viel steht fest, dass die ihr un- 
gehörigen Schädelformen räumlich vielfach den kindlichen Formen sich nähern. Auch diese 
nach allen Richtungen hin sorgfältig zu prüfen, wird daher zum strengen Gebote, will man 
erfahren, ob diese Annäherung eine nur in den allgemeinen Grössenverhältnisscn begründete, 
also bloss zufällige, oder aber eine auf Aehnlichkeit der inneren Architektur beruhende, also 
eine wirkliche und deshalb typische sei. In Ermangelung von Neugeborenen habe ich zu 
diesem Behufe die Schädel zweier weiblichen Früchte vou neun und acht, sowie. einer männ- 
lichen von sieben Monaten >) untersucht, und zwar, was ich ausdrücklich hervorhebe, nicht etwa 
im trockenen, sondern im feuchten Zustande. Letzterer allein kann über dio wahren Form- 
verhältnisse sehr jugendlicher Schädel Auskunft ertheilen. Ersterer liefert in vielen Be- 
ziehungen ein Zerrbild, da namentlich der Schädelgrund wegen der vielen noch unver- 
knöcherten Partien eine unverhältnissmässige Verkleinerung erfahrt*). Maaase und Be- 
nennungen sind die im vorhergehenden Capitel gebrauchten. Ebenso halte ich mich 
an die bereits dort gehandhabte Anordnung des Stoffes. Als Grundlage der Vergleichung 
dient überall das Mittel des normalen Männer- und Weiberschädels unter der Rubrik „Er- 
wachsener“. 



a. II j r q > c h i d e I. 

Die grössten Durohmesser verdienen in erster Linie unsere Beachtung. 



ü Ich habe die betreffenden Fruchte mit obiger Altersbestimmung in der hiesigen Sammlung vorgefun* 
den, kann jedoch keine Garantie für deren absolute Richtigkeit übernehmen. Ks hat dies indessen für die 
uns speciell berührenden Fragen keine wesentlichen Nachtheile, zumal die drei Schädel, wie wir una bald 
überzeugen werden, in der Hauptsache sehr übereinstimmend aich verhalten nnd über ihre relative Alterafolge 
kein Zweifel obwaltet. 

*) Gleich Anderen habe ich früher selbst den Fehler Isegangen, Messungen am trockenen Kindcrschadel 
vorznnehmen. Die in dem Abschnitte „Schädelformen des Kindes“ in meinen „Schidelformen des Menschen 
und der Affen, S. 43 u. ff.“ mitgctheiUon Resultate sind daher zum Theif entschieden unrichtig und müssen 
durch die in gegenwärtiger Abhandlung enthaltenen ersetzt werden 



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24 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 





Grundlinie. 


Lfinge. 


Breite. 


lluhc. 


I. Absolute Werthe in mm : 










Erwachsener 


S6,a 


175,7 


144,5 


126,6 




(81,0—93,0) 


(156,0—183,0) 


(188,0—156,0) 


(120,0—136,5) 


Foetua von 9 Monaten 


57,0 


113,0 


82,0 


89,0 


Foeta» von 8 Monaten 


44,0 


87,5 


71,0 


67,0 


Foetua von 7 Monaten 


36,5 


73,0 


55,0 


54,0 


11. Relative Werthe; 










Grundlinie — 100: 










Erwachsener 


100 


202,4 


166,5 


146,1 






(189,0-210,2) 


(151.5—183,6) 


| (139,0—168,0) 


Foetua von 9 Monaten ....... 


100 


198,0 


143,8 


156,1 


Foetua von 8 Monaten 


100 


198,9 


161,1 


152,3 


Foetu» von 7 Monaten 


100 


200,1 


150,7 


147,9 



Die absolute Grösse der kirchlichen Schädel hat für unsere besonderen Zwecke einen 
zu untergeordneten Werth, als dass wir uns bei einer Besprechung derselben aufhalten 
sollten. Um so wichtiger dagegen ist die relative Grösse, zumal Bie eine entschiedene Form- 
verschiedenheit zu begründen scheint. Länge und Höhe erleiden keine bedeutenden Schwan- 
kungen und halten sich innerhalb der Grenzen des Erwachsenen, doch so, dass die Lauge hinter 
dem Mittelwerthe zurückbleibt, die Höhe ihn übersteigt, eine Erscheinung, die vielleicht nur 
zufälliger Natur ist, aber immerhin, namentlich gegenüber der gegen theili gen Angabe von 
Welcker (Wachsthum und Bau, S. 7C), hervorgehoben zu werden verdient. Auffällig 
schwankend verhält sich die Breite. Ausserdem erreicht sie den Mittelwerth des Erwachsenen 
nicht nur nicht, sondern sie wird sogar in zwei Fälleu von dem unteren Grenzwerthe des 
letzteren übertroffen. Eine relativ geringere Breite des kindlichen Schädels ist übrigens be- 
reits von Welcker (a. a. O., S. 72) mit Zahlen belegt worden. Er hat freilich als Reductions- 
basis die ganze Schädellängc genommen, doch ändert dies auch in unserem Falle nichts am 
Resultate. 





Lange. 


Breite. 


Höhe. 


Erwachsener 


lfJO 


82^3 


72,2 






(77,2—94,9) 


(67,6—80,1) 


Foetu* von 9 Monaten 


100 


72,6 


78,8 


Foetua von 8 Monaten 


100 


81,1 


76,6 


Foetu» von 7 Monaten 


100 


75,3 


74,0 



Der kindliche Schädel besitzt also in der That eine gestrecktere Eiform als der erwachsene. 



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Lungen* und llöiieiiverliältniifx« 



Beitrage zur Kenntnis» der Mikrocephalie. 25 




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26 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

Den kindlichen Schädel kennzeichnet hiernach im Gegensätze zum erwachsenen geringeres 
Vortreten des hinteren und stärkeres Vortreten des vorderen Scliädelendes. Jenes beruht 
darauf, dass das Hinterhaupt vom Schädelgrunde an steiler anfsteigt, dieses ist darauf zurilck- 
zufuhreD, dass nicht nur der Scheitelpunkt der Stirn weiter nach vorn reicht, sondern auch 
ihr Fusspunkt in der Gegend der Nasenwurzel sich rückwärts verschiebt. Die Stirnlinie des 
Kindes durchkreuzt also diejenige des Erwachsenen in der Art, dass ihr unteres Ende hinter, 
ihre Mitte vor dieselbe zu liegen kommt. Noch auffälliger jedoch als dieses ist die Ver- 
schiedenheit in der Stellung der beiden Quemähte. Beide nähern sich im Erwachsenen mehr 
der senkrechten als im Kinde, aber der Grund dieser Lageveränderung ist keineswegs der- 
selbe. Zwar drehen sich beide um eine Querachse nach rückwärts, aber so, dass letztere bei 

Eig. J. 



v 




Schädel des Erwachsenen (Mittel ; starke Linie) und des 9 m o n n 1 1 i c h e u foelu« 
(schwache Linie) auf die Merlianehene bei gleicher Grundlinie projicirt. 

UH Grundlinie; O Hinterhaupt»-, V Scheitel-, F Stirnpunkt; -V Nasenspitze; Sl Vorderrand de« Oberkiefer»; 
P Hinterrami des harten Gaumens (unteres Endo der l'Hugsehaar), — n llinterrand des for. oc -ipitale; 

« Nasenwurzel; pa porus aeustieus oxternus; p t Wurzel, pt' Spitze des Klügelfortsutzes; »f Sut. 
zygomaticn-frontalis; : m Sut. zygoinatico.mftxtllaris; IV Richtung der Sutura lambdoidea; 
ec' Richtung der Sut. coronalis. 

der Kronennaht mit dem Fnsspunkte, bei der Lambdanaht mit dem Scheitelpunkte zusammen- 
fällt. Jene verharrt daher mit dein unteren, diese umgekehrt mit dem oberen Ende oder der 
Mitte in der anfänglichen Stellung, während der Rest in eine neue übergeht. Das nach unten 
stark keilförmig zugeschnittene Scheitelbein des Kindes wird in Folge davon mit zuneh- 
mendem Alter mehr quadratisch und zwar in der bemerkonswerthnn Weise, dass während 
vorn sein unterer, hinten sein oberer Randabschnitt mit dem übrigen Schädel und zumal mit 



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27 



Beitrage zur Kenntnis» der Mikroccphalie. 

dem Schade] gründe im Wachsthum gleichen Schritt hält, dort seine Mitte mehr und mehr 
zuriickhleibt, hier sein unteres Ende der Umgebung voraus eilt Die Uebersctzung der obi- 
gen Zahlen in die wirkliche Schädelform lässt diese bedeutsamen Verhältnisse noch schärfer 
hervortreten (Fig. 1). In den übrigen Längen- und Höhenverhältnisseu folgt der kindliche 
Schädel so ziemlich dem Gesetze das erwachsenen. Die berechneten Werthe halten sich inner- 
halb der individuellen Schwankungsgrenzen, immerhin so, dass sie bald sämmtlich Uber oder 
unter das Mittel sich stellen, bald zu beiden Seiten desselben sich ordnen. Etwas Charakte- 
ristisches ist daraus nicht zu entnehmen. Das Typische des kindlichen Schädels ist also jeden- 
falls in den zuerst betonten Verhältnissen zu suchen. 

Der Neigungswinkel des Hinterhauptloches zur Horizontalen misst beim ^monatlichen 
Foetus 29, beim «monatlichen 25,3, beim "monatlichen 18° gegenüber den 15,4 (0 — 29) 4 des 
Erwachsenen. Seine Grösse ist also im Einklänge mit der im Ganzen höheren Stellung des 
Hinterhauptes eine verhältiiissmässig bedeutende '). 

Von weiteren Punkten des Hirnschädels habe ich im Simie der bereits namhaft gemachten 
nur noch die Sutura spbeuo-basilaris und die äussere GehöröfTnung untersucht und folgende 
Werthe erhalten: 



• 


Sy nchondrosis 1 
spheno-basilaris. J 
Abscisse. 


Porus acusticus ext. 


Abecisse. 


Ordinate. 


I. Absolute Werth« in mm : 








Erwachsener 


23,0 


4,3 


14,4 




(19,0-26,0) 


(0—11,0) 


(8—18) 


Foetus von 9 Monaten 


13,5 


8,0 


4,0 


Foetus von 8 Monaten j 


10,5 


4,0 


0 


Foetus von 7 Monaten 


10,0 


8,0 


0 


II, Relative Werthe; 








Grundlinie = 100: 








Erwachsener ! 


26,6 


6j0 


10,6 




(21,8-29,4) 


(0-12,6) 


(9,4—20.9) 


Foetus von 9 Monaten 


28,7 


14,0 


7,0 


Foetus von 8 Monaten . . .... 


23,8 


9,1 


0 


Foetus von 7 Monaten ....... 


27,4 


8,2 


0 



Die Sut. spheno-liasilaris scheint hiernach ihren anfänglichen Standpunkt festzuhalten 
Dagegen wandert die äussere GehöröfTnung gleich dem unteren Ende der Lauibdanaht mit 
zunehmendem Wachsthum nach hinten. Ausserdem erhebt sie sich allmiilig über die Grundlinie. 

Wir kommen zur Untersuchung der Breilenverhältnisse. 

t) Welcker vertritt auffälliger tVeire gerade den entgegengesetzten Standpunkt, iudeni er angiebt, da*, 
das Hinterhauptsitein im Neugeborenen mehr horizontal liege und c-rtt epäler »ich anfriehte (.Bau u. Wacha- 
thum“, S. 76). 

4 * 



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Querabstand 



28 



Prof. Dr. Chr. Aeby 







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Schläfenwirbel der Ucbcrgnng sich vollzieht. Denen Verjüngung nncb rückwärts bringt es mit sieh, dass an der Grenze 
zwischen Gewölbe und Basis die grösste Breite nicht mehr ül>er den äusseren Gehörgang, sondern weiter nach vorn in die 
Gegend des Kiefergelenkes zu liegen kommt. Die Schmalheit in der hinteren Hälfte des Schädclgrundes lindet auch in der 
geringem Kntterimng der C'arotidcncanäle einen Ausilruek. 

I las llinterhauptsloch zeigt nelien gleicher Buudung wie l>eim Erwachsenen auch ungefähr dieselbe relative Grösse. 




Beitritte zur Kenntnis» der Mikrocephalie. 



29 



Hinterhaupt Bloch. 


Lttnfre. 


Breite. 


1. Absolute Werthe in mm: 






Erwachsener 


37.3 


31,4 




(31— 11) 


(27—38) 


Foetu» von 9 Monaten 


22,0 


18,0 


Foetns von 7 Monaten * . 


15,0 


12,0 


II. Relative Werthe; 






Grundlinie ss 100: 






Erwachsener 


43,0 


3(1,2 




(36,6 — 43.2) 


(31,8 — 4t, 7) 


Foetu* von 9 Monaten 


38,0 


31,0 


Foetns von 7 Monaten 


41,1 


.32,8 



Passjder Antheil der einzelnen Wirbel an der Bildung des Schädels beim Kinde ein 
anderer ist als lieini Erwachsenen, dafür haben die vorstehenden Mittheilungon bereits eine 
Anzahl von Belegen geliefert. Weitere erhalten wir aus der Untersuchung der Hauptbogen- 
linien des Daches. 

(Siehe Tabelle auf folgender Seite.) 

Von den drei Hauptlmgen des Schädeldaches unterscheidet sich nur der horizontale durch 
verhältnissuiä.ssig geringere Lange von demjenigen des Erwachsenen, während die beiden 
übrigen genau dieselben Grossenverhältnisse darbieten. Es orwahrt sich daher auch in 
unserem Falle die Angabe von Welcker („Wachsthum und Bau“, S. 73) nicht, dass im Kinde 
der Median bogen des Schädels verhältnissmässig grösser sei als im Erwachsenen. Dagegen 
gewinnt er eigenthiindiche Gliederun "«Verhältnisse dadurch, dass sich der Schläfenwirbel auf 
Kosten seiner Nachbarn ansehnlich verbreitert. Auch der Horizontalbogen wird eigenartig 
durch die Kürze seine» Hinterhnuptsstückes, während im Stirn- und mehr noch im Schläfen- 
wirbel eine derartige Verkürzung ebenfalls, jedoch nicht in so entschiedener und durch- 
greifender Weise, sich bemerklich macht. 

Sehr schön tritt in den vorstehenden Zahlen die starke keilförmige Verschmälerung des 
Scheitelbeines zu Tage. Setzen wir nämlich die Sehne seines oberen Bandes gleich 100, so 
entspricht derjenige des untern im Erwachsenen 87,2, im 9monatlichen Footns dagegen nur 
68,3, im 8 monatlichen 6!), 8 und im 7mnnatlichen 77,6. 

Die Keduction der einzelnen .Schüdelsegmento auf die betreffenden Bogen als Einheit 
vervollständigt das Gesagte. Wie beim Erwachsenen, so sind auch hier in der Horizontal- 



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*) Im Gegensätze Köm Schädel des Erwachsenen int hier unser Horizontal bogen etwas kleiner, nl» der in gewöhnlicher Weise gemessene. Letzterer erreicht nämlich 
beim Omonatliclicn Foetus 325, heim Hmonatliehe» 252 und beim Tmouatlichen 210 min. 

















Prof. Dr. Chr. Aeby, Beitrüge zur Kenntnis* <lcr Mikrocephalie. 31 

und Frontalebene die paarigen Bogenthoile in ihrer beiderseitigen Ausdehnung, mithin gegen- 
über der vorhergehenden Tabelle doppelt gerechnet. 



Umfang 

de« 

11 i r n • c h ä d e 1 s. 


Mediane 


bene. 




Hör 


i i o n t n 


(ebene 




F* r o n 


t a 1 e b e 


n e. 


•Stirn wirbel. 


Schläfen- 

wirhel. 


Hinter- 

haupts* 

wirbel. 


Total. 


Stirnwirbel. 


Schläfen- 

wirbel. 


Hinter- 

haupts- 

wfrbel. 


Total. 


Schläfen- 

bogen. 


Scheitel- 

bogen. 


Total. 


Erwachsener . 


34,7 


84,0 


31,2 


100 


35,0 


38,8 


26,0 


100 


53,9 


46,0 


* 100 




(31,3—37.3) 


(31,3 — 36,4) 


(28,3 —33,3) 




(32.9—37,4) 


(30,0—11,0) 


(23,2—28,0) 




(50.0— 6 1,4) 


(38,7—50,0) 




Foetus von 9 Mon. 


31,5 


39,1 


29,4 


— 


37,8 


39,9 


22,3 


“ 


54,1 


45,9 


— 


Foetus von 8 Mon. 


33,9 


39,5 


20,0 


— 


39,9 


37,8 


22,2 




58,8 


41,2 


— 


Foetus von 7 Mon. 


32,7 


39,5 


27,8 




33,0 


42,6 


24,4 


— 


56,5 


43,5 





Wir heben hervor, dass im Kinde die mediane Breite des Schläfenwirbels diejenige im 
Erwachsenen um volle 5 Proc. des ganzen Schädelumfanges übertriftt. Diesem Umstande ist 
auch hauptsächlich die ausgesprochenere Keilform des Scheitelbeines zur Last zu legen, da 
seine untere Breite auf allen Altersstufen über eine verhältnissmässig gleich grosse Partie der 
Schädelwand sich erstreckt Der llinterhauptswirbel steht in horizontaler Richtung um 
wenige Procente zurück, der Stirnwirbel befindet sich unzweifelhaft etwas im Vorsprunge, 
wenngleich nicht in so entschiedenerWeise, als es den Angaben von Welcker (a. a. O. S. 76) 
gemäss vielleicht hätte erwartet werden können. 

Ueber die Wölbung des kindlichen Schädels giebt die nachstehende Tabelle Aufschluss, 
zusammengesetzt aus den Procentwerthen der einzelnen BogenstUcke bezogen auf die dazu- 
gehörigen Seimen. 



Wölbungsverhältnisse 

des 

Hirnschädels. 


Medianebene. 


II o r 


lcontalebene. 


Front« 


1 e b e n e. 


Stirn wirhel. 


Schläfen- 

wirbel. 


llinter- 

haupts- 

wirbel. 








Schläfen- 

bogen. 


Scheitel - 
bogen. 


Erwachsener 


112,7 


110.2 


118,6 


150,6 


105,7 


122,7 


105.1 


116,1 




(100.1— 115, J 


112,51 


(115,5 — 126,6) 


(145,2-159,2) 


(103,0-107,2) 


(109,7 — 132,5) 


(102,4— 11M) 


(108,8—120,0) 


Foetus von 9 Monaten . . 


113,5 


113.4 


111,1 


140,7 


102,6 


103, 2 


106,9 


1-28,1 


Foetus von 8 Monaten'. . 


117,3 


112,7 


103,1 


156,4 


101,6 


108.0 


108,7 


118,0 


Foetus von 7 Monaten . - 


114,3 


116,3 


117,1 


124,0 


110,4 


128,1 


105,4 


1 13,2 



Mit den Krütnmurigsvcrhältnissen der Schädelwand ist cs beim Kinde insofern eine eigene 
Sache, als dieselben wegen der Dünnheit und Nachgiebigkeit der Knochen zweifellos aut sie 



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32 



Prof. I)r. Chr. Aeby, Beitrüge zur Kenntnis» der Mikrocephalie. 

ein wirkenden mechanischen Einflüssen in hohem Grade zugänglich sind. Möglich, dass daraus 
wenigstens zum Theil die Ungleichheit der drei geprüften Individuen sich erklärt. Zwei der- 
selben l>esitzeu ein auffällig flaches Hinterhaupt, während in diesem Punkte das dritte dem 
Erwachsenen nahe steht. Dafür zeichnet sich denn freilich dessen Stirn durch grosse Flach- 
heit in der Quere aus. Entlang der Mittellinie liesitzt letztere überall ansehnliche Rundung. 
Gleiches gilt für den Schläfenwirbel, im völligen Widerspruche mit dem Befunde von Welcker 
(a. a. O., S. 7G), dass im Neugeborenen die Sngittalnaht der Scheitelbeino flacher gesprengt »ei 
als später. Es ist auch nicht wohl anzunehmen, dass in unseren Fallen gegen die Geburt hin 
eine Aenderung der Krümmungsverhältnisse stattgefunden hätte. Der Scheitel! logen der 
Frontalebene scheint schärfer gekrümmt zu sein als im Erwachsenen. 

(Siehe Tabelle auf folgender Seite.) 

Verglichen mit der Grundlinie hält sich die Gesammtoborfläche des Schädels ziemlich 
genau innerhalb der Schranken des normalen Schädels, wenngleich entschieden unterhalb des 
von diesem gebotenen Mittels. Dagegen ist deren Vcrtheilung auf die einzelnen Haupt- 
bezirke insofern eino andere, als der Hinterhuuptswirbcl zu Gunsten seiner lieiden Genossen 
entschieden beeinträchtigt wird Es widerspricht dies der Angabe von Husch ke (a. a. O., 
S. 15), dass rler Stirnwirbel nach der Geburt an relativer Ausdehnung gewinne. Er theilt 
im Gegeutheil mit dem Schläfenwirbel das Loos der Verkleinerung. Bei letzterem geschieht 
dies hauptsächlich auf Rechnung des Scheitelbeines. Der Schädelgrund erscheint dabei nur 
wenig betheiligt und die dem Schläfen- und Keilbeine ungehörigen Abschnitte des Schädel- 
daches erfreuen sich sogar einer ansehnlichen Vergrössserung, wie aus der Vergleichung der 
Maasse des Scheitelbeines mit denjenigen des ganzen zugehörigen Wirbels unzweideutig 



hervorgeht. 








Scheitelbeine. 


Absolute Grosse in qum. 


Relative Grösse; 


Relative Grösse; 






Quadratgruudliue 


Ganze Schadcltliiche = 100. 






= 100. 




Erwachsener. 


272.1 


300,9 


40.2 




(230,1—309,0) 


(302,7 — 4243) 


(37,0—437) 


Fuetus von 9 Mo nuten 


118,5 


305.5 


45,9 


Foetu» von 8 Monaten 


65,8 


339,9 


41,9 


FoetUN von 7 Monaten 


473 


358,6 


41.7 



In der Entw icklung der Basis gegenüber dem Dache gestattet der Befund keinen sichern 
Schluss. Sie gestaltet sich nämlich im Ganzen lieiin Erwachsenen wold um ein .Weniges gün- 
stiger gegenüber dem Foettts von B und b Monaten, nicht aber gegenüber demjenigen von 
7 Monaten ')■ Dagegen ist nicht zu verkennen, dass sie bei allen dreien auf Seiten des Hinter- 



') Die Uesultatc der Messung stellen anscheinend iin Widerspruche mit dein aus der einfachen Betrach- 
tung verschiedenaltriger Schädel gewonnenen. Nach diesen gilt es vro lll kaum als zweifelhaft, dass der 
Schädelgrund des Kindes entschieden kleiner sei im Verhältnisse zmn Ganzen als derjenige des Erwachsenen 
und Welcker („Bau und Wacbatlimi)', S. 7ZI erblickt hierin geradezu eines der auffälligsten Merkzeichen. 
Nichtsdestoweniger ist der Widerspruch mehr ein scheinbarer als ein wirklicher und einfach dadurch zu 
lösen, dass im erwachsenen Schädel der Grund, in seinem ganzen Umfange abgetlaeht, voller von dem Gewölbe sieh 

(Fortsetzung siehe beite 31.) 

I 



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34 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

hauptswirbels zu kurz kömmt und dieser Ausfall nur durch das Verhalten der beiden übrigen 
Wirbel gedeckt wird. Es steht dies im Einklänge mit unserer früheren Erfahrung, wonach der 
kindliche Schädelgrund in seiner vorderen Hälfto die volle Breito des erwachsenen besitzt, in 
seiner hinteren Hälfte dagegen eine bemerkliche Verschmälerung erfahrt 

Es bleiben endlich, um das Gesammtbild des kindlichen Hirnschädels zu gewinnen, noch 
dessen cubische Verhältnisse zu erforschen übrig. 



Cubikinhalt des 
Hirnschädels. 


' j j 

Ganzer ... 

_ , , , Stirnwirbel. 

Schädel. 


Schläfen- i 
Wirbel. 


Hinterhaupts- 

wirbel. 


1. Absolute Werthe in ebem : 
Erwachsener 


1 

1397,9 


1 

239,8 


912.8 


245,3 


Foctus von 9 Monaten 


(1192 — 1724) 
383,6 


71,0 


269,0 


43,6 


Foetus von 8 Monaten 


191.9 


37,2 


125,1 


29,6 


Foetus von 7 Monaten 


98,2 


21.7 


94.1 


12,4 


II. Relative Werthe; 
Cubikgrundlinie = 100: 










Erwachsener 


213,6 


36,6 


139,4 


37,6 


Foetus von 9 Monaten 


(175.1-252,8) 

207,1 


88,3 


145,3 


23,5 


Foetus von 8 Monaten 


225,2 


43,7 


146,8 


34,7 


Foetus von 7 Monaten ....... 


202,0 


44,7 


131,8 


26,5 


III. Relativo Werthe; 
Ocsammtinhalt — 100: 










Erwachsener 


100 


17,1 


65,2 


17,6 


Foctus von 9 Monaten 


100 


(14,1—18,8) : 
18,5 


(62,5—67,7) 

70,1 


(15,8—20,0) 

11.4 


Foetus von 8 Monaten 


100 


19,4 


65,2 


15,4 


Foetus von 7 Monaten . 


100 


22,1 


65,3 


12,6 



Das Resultat ist der Hauptsache nach das bereits bei der Aussenfläche des Schädels ge- 
wonnene. Der relative Ocsammtinhalt entspricht beim Kinde vollkommen demjenigen des 



absetzt, während dies beim Kinde nur theilweise der Fall ist. In diesem erscheint derselbe anscheinend ver- 
kleinert, indem wegen des Mangels der Zitzen forts&tze und der Schmalheit der l’aukenbeine seitlich aeine 
später horizontal liegenden Randabschnitte in die Fläche der benachbarten Schädelwand nach oben umbiegen 
und auch »ein Ilinterhauptsgebiet schon vom vorderen Umfang de* For. occipitale an rasch nach hinten auf- 
steigt. In Folge davon streckt er sich innerhalb engerer Grenzen zu einer im ganzen ebenen Platte. Dem 
Auge erscheint in leicht erklärlicher Täuschung nur diese als Grund, während die aufgebogenen llandtheile 
mit dem Gewölbe zu»ainmenfliessen. Messungen führen natürlich zu den gleichen Ergebnissen, wenn sie 
sich statt an die wirklichen, durch die Beziehungen des Hirnschädel» zu Gesiebt und Hals gezogenen Ränder 
des Grundes an seine scheinbaren Grenzen halten. 



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35 



Beitrüge zur Kenntniss der Mikrocephaüe. 

Erwachsenen. In der Vertheilung auf die Wirbel jodoeb finden Aenderungen statt, indem der 
vorderste auf Unkosten des hintersten sich ausweitet. Für den mittleren ist nichts Charak- 
teristisches zu erkennen, da er wohl in einem Falle vergröasert, in den beiden anderen da- 
gegen völlig unverändert auftritt- Mit den Zahlen von Huschke (a. a. O. S. 46) sind die 
unsrigen, weil nach anderen Principien gewonnen, nicht zu vergleichen. Die hintere Schädel- 
grube fand ich in Uebereinstimmung mit seinen für den Neugeborenen gemachten Angaben 
beim 9monatlichen Foetus mit 5 Proc. des gesammten Schädelinlialtes (19,2 ebem und 10,4 Proc. 
der Cubikgrundlinie) vertreten , also mit einer Grösse , die in jeder Beziehung nur etwa der 
Hälfte derjenigen des Erwachsenen entspricht. 



f. ßesichtaschädel. 

Das kindliche Gesicht gewinnt gegenüber dem erwachsenen ein sehr scharfes und eigen- 
artiges Gepräge durch die Abwesenheit der Zähne und der dazu gehörigen Kieferfortaätze. 
Seine Höhe wird dadurch im Ganzen notliwendigerweise herabgedrückt. Gleichwohl ist 
dies im Ganzen nur von untergeordnetem Belange, da ja das Gleiche in weit späterer 
Periode durch den Verlust des Gebisses sich wiederholt, ohne dass deshalb eine Rückkehr 
zum kindlichen Typus stattfände. Die Wahl unserer Hauptpunkte ist übrigen!) eine derartige, 
dass sie durch den Zustand des Gebisses in keiner Weise berührt wird. 

(Siehe die Tabelle auf folgender Seite.) 

Der kindliche Gesichtsschiidel ist relativ um vieles niedriger als der erwachsene, gleich- 
zeitig aber auch in seiner Mittellinie gegenüber der Schädelachse nach vom hin verschoben, 
also stärker prognath. Hinsichtlich der Höhe ist die äusserst geringe Entfernung des hintern 
Gaumenrandes (unteres Ende der Pflugschaar) vom Schädelgrunde bei dem 7- und ömonat- 
lichen Foetus bemerkenBwei tli und deren rasche Zunahme beim Foetus von 9 Monaten. Volle 
Bestätigung findet der Ausspruch von Welcker (Wachsthum und Bau, S. 80), dass der 
Menschenschädel von der Geburt an mit einer Gaumenlinie wachse, welche der Basis des 
Schädels gleich bleibt. Zeugniss dafür liefern nicht nur die relativen Abscissenlängen , son- 
dern auch die aus denselben mit Hülfe der Ordinaten leicht zu berechnenden Gaumenlängen 
selbst. 

Die stärkere Prognathie des kindlichen Gesichts beschränkt sich auf dessen mittleren 
Abschnitt und lässt die Seitentheile fast gänzlich unberührt, so dass jener kielartig hervortritt. 
Die Sutura zygomatico-maxillaris liegt nur wenig weiter nach vom als im Erwachsenen, und 
die Sut. zygomatico-frontalis rückt sogar etwas weiter nach hinten. Dafür schiebt sich der 
Gelenkhöcker des Schläfenbeines auffällig weit nach vorn. In Folge davon büsst der Joch- 
bogen nicht unbeträchtlich au Länge ein. 

Die Abnahme der Prognathie im wachsenden Schädel nachzu weisen, fallt nicht schwer. 
Wie aber ist sie zu erklären? Man hat wiederholt nach der Lösung dieser Frage gesucht 
und sie, da die relative Gesichtslänge sich gleich bleibt, hauptsächlich in einer Rotation des 

6 * 



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Längen* uud Höhen* I I Vorderrand 



36 



Prof. Dr. Chr. Aeby 











37 



Beitrage zur Kenntniss der Mikrocephalie. 

vordem Scbädelendes nach abwärts zu finden geglaubt. Virchow l ) verlegt die betreffende 
Drehachse an daa hintere, Lissauer 1 ) umgekehrt an das vordere Ende des Keilbeinkörpers, 
während Ecker *) einer Drehung an beiden Punkten daa Wort redet. Wir haben indessen 
schon früher gezeigt, dass die Stellung des Keilbeinkörpers zum Körper des Hinterhaupts- 
beines typisch während des Wachsthums keine Aenderung erfahrt, dass somit, wenn eine 
Drehung wirklich stattfindet, ihr Mittelpunkt nur zwischen Keilbein und Pflugschaar gesucht 
werden kann. Ecker und Liss&uer treffen hier zusammen, gehen aber sofort wieder aus- 
einander, indem ersterer eine Drehung des ganzen Stirnwirbels, letzterer nur eine solche der 
Nasenscheidewand zusainmt dem Siebbein annimmt Immerhin scheint auch er den Gedanken 
Ecker's nicht gänzlich zurückzu weisen, da er an einer Stelle (a. a. O. S. 421) das Stirnbein 
des 8mon&tlichen Foetus als rückwärts rotirt bezeichnet. Unsere Erfahrungen über die Rich- 
tung der Kronennaht haben bereits bewiesen , dass dem nicht so Ist Sie haben ferner ge- 
zeigt, dass die Mitte dieser Naht nicht, wie die Rotationstlieorie es verlangt und Ecker in 
seiner schematischen Zeichnung (a. a. O. S. 301) auch dargestellt bat*), mit abnehmender 
Prognathie nach vorn, sondern in» Gegentbeil nach hinten verschoben wird. Damit ist der 
ganzen Hypothese die thatBächliche Unterlage entzogen, ganz abgesehen von dem ferneren, 
der Drehung entgogenstehenden Bedenken, dass, wie unsere Zahlen lehren, die Nase von der 
angenommenen Drehung so gänzlich unberührt bleiben soll. Es kann somit nur noch an die 
isolirte Drehung der Nasenscheidewand im Sinne von Lissauer gedacht werden. Ich will 
hier die Frage nicht weiter berüliren, ob der Mechanismus des Schädels einem derartigen Vor- 
gänge an und für sich günstig ist, und einfach untersuchen, ob er thatsächlich stattfindet 
Ich gehe dabei von der Anschauung aus, dass jede Drehung der Nasenscheidew'&nd uin ihr 
hinteres mit dem Keilbeine verbundenes Ende nach abwärts nothwendigerweise den von ihrem 
oberen Rande oder der Siebbeinplatte mit der Achse des übrigen Schädclgrundcs (Hoxley's 
Linie) gebildeten Winkel in entsprechender Weise verkleinert *). Derselbe muss daher, die 

l ) Virchow, Schädelgnmch 8. 71. 

a ) Lissauer, .lieber die Ursachen der Prognathie u. s. w.* ; Archiv iur Anthropologie, Bd. V, S. 417 u. ff. 

®) Ecker, .lieber die verschiedene Krümmung des Sch udolr ohres u. s. w. - ; Archiv für Anthropologie, 
Bd. IV, S. 301 u. ff. 

4 ) Es ist wahr, Ecker spricht nur von den erwachsenen Schädeln des Neger» und de» Europäers, ohne 
deren Entwicklungsgeschichte irgendwie zu berühren. Es liegt aber zu nahe, die beidseitigen Formenreihen 
mit. einander in Parallele zu bringen, aJ« das« ich auf den Nachweis von der Unzulänglichkeit der Ecker*- 
Bchen Theorie für die specifiseho Umformung des kindlichen Schädels in den erwachsenen hätte verzichten 
mögen. Ich will hier nicht, untersuchen, inwiefern sie ausreicht, die Eigenthümlichkcit des Negerschädel* 
gegenüber dem Europäerschädel zu erklären ; nur sei die Bemerkung gestattet, dass nach meinen Erfahrungen 
die Kronennaht auch im Neger zum Mindesten nicht weiter zurückliegt als im Europäer. Ich erhielt nämlich 
(Schädel formen S. 93 bis 06) für dieselbe als Mittel aus 36 Fallen eine relative Abecittettlänge von 86,3 (67,3 — 100,0), 
während sie bei unseren 20 Schweizerschädeln nur 84,7 (74,2 — 05,4) beträgt. Es könnte dies freilich auch die 
Folge einer relativ geringeren Entwicklung des Stirnwirbel« im Neger »ein , doch fehlt mir gegenwärtig da« 
Material, diese Möglichkeit thatsachlich zu erprolien. 

5 ) Auch dieser Umstand spricht keineswegs zu Gunsten der Drehungstheorie von Ecker. Der betreffende 
Winkel betrügt bei den vier von ihm gegebenen Durchschnitten europäischer Schädel 137, 140, 147 und 153, 
oder im Mittel 144,2°, während er bei den danobonstehenden Durchschnitten stark progn&ther Neger 120, 140. 
147 und 150, also im Mitte) nur 141,5° erreicht. Die weniger steile Richtung des hinteren Vomerrandes bei 
den letzteren darf also wohl auf eine Formeigenthümlichkeit de« ganzen Knochen« im Anschlüsse an die ge- 
samrnte Gcsichtabildung bezogen, keineswegs aber als Ausdruck einer geringeren Drehung demselben ange- 
■prochen werden. Ein ausgesprochen prognuther Negerschadcl unsrer Sammlung mit einem Winkel von 142° 
lehrt dasselbe. 



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38 



Prof. Dr. Chr. Acby, 

Richtigkeit der Lissauer’schen Theorie vorausgesetzt, in den mit ausgesprochenerem Progna- 
thismus ausgestatte ton Kinderschädeln grosser sein, als in den weniger prognathen .Schädeln 
der Erwachsenen. In Wirklichkeit ist nun freilich gerade das Gegonthcil der Fall, wie aus 
der nachfolgenden Zusammenstellung auf das Unzweideutigste hervorgeht. 





Basiswinkel. 


Vorderes Ende 
Ahscisae. 


de» Oberkiefer». 
Ordinate. 


Mann von 47 Jahren 


153« 


85.0 


68,5 


Mann von 23 Jahren ........ 


148« 


78,1 


69,7 


Mann von 22 Jahren • . * 


Ul» 


85.7 


61,6 


Weib von 30 Jahren 


145» 


81,3 


63,4 


Weib von 26 Jahren 


ISO» 


83,9 


64,2 


Woib von 60 Jahren ’. . . 


155» 


83,0 


61,3 


Foetufi von 9 Monaten 


152« 


98,2 


42,1 


Foetue von 8 Monaten . 


138« 


92,0 


37,3 


Foetus von 7 Monaten 


133» 


94,5 


39,7 



Damit ist also auch die letzte der aufgestellten Drehungstheorien als unhaltbar erwiesen 
und wir müssen wohl oder übel nach einer anderen Erklärung für die Abnahme der Prognathie 
im wachsenden Schädel uns umsehen. JVelcker findet eine solche, allerdings verbunden mit 
der von uns bereits verworfenen Knickung des Keilbeines (a. a. O. S. 79), hauptsächlich in der 
beträchtlichen Zunahme der Gesichtshöhe ohne Veränderung der relativen Länge des Schädel- 
grundes und der Gaumenlinie. Dadurch werden beide an ihrem vorderen Ende natürlich 
weiter auseinander gedrängt und ihre mit der vorderen Gesichtslinie gebildeten Winkel in 
entsprechendem Maasse verkleinert. Welcker betrachtet aber bekanntlich den oberen der- 
selben, den sogenannten Nasenwinkel, als Mooss der Prognathie eines Gesichtes. Der Worth 
dieses Maasses ist allerdings ein zweifelhafter, aber nichtsdestoweniger besteht die Behauptung 
zu Recht, dass in der beträchtlich vermehrten relativen Gesichtshöhe der eigentliche Grund 
für die geringere Prognathie des Erwachsenen zu suchen »ei. Freilich entscheidet dieselbe 
nicht au und für sich, sondern nur in Verbindung mit der schiefen Stellung, welche das Ge- 
sicht gegenüber dem Schädelgrundo und dessen Achse besitzt. Vergegenwärtigen wir uns die 
Sachlage an der Hand unseres Coordinatensystems. 

Das stärkere Höhenwachsthum des Gesiebtes führt natürlich zu einer Verschiebung seiner 
Gaumenlinie gegenüber dem Sehädelgrunde, und zwar offenbar in der Richtung der wichtig- 
sten, unter sich annähernd parallelen beiderseitigen Verbindungsbriicken, der Jochbeine und 
der Stimfortsätze des Oberkiefers. Senkrechte Stellung der letzteren bedingt einfaches Vor- 
rücken in derOrdinatenlinio und lässt die in der Horizontalen gemessene Prognathie durchaus 
unberührt. Diese bleibt daher für den erwachsenen Schädel dieselbe wie für den kindlichen. 
Schiefe Stellung dagegen zieht nothweiuligerweise neben der senkrechten Entfernung vom 
Schädelgrunde auch eine Verschiebung parallel mit demselben nach sich und zwar nach der- 
jenigen Seite hin, welcher die genannten Brücken selbst sich zuneigen. Weichen dieselben 



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Beiträge zur Kenntniss der llikrocephalie. 



39 




von der Senkrechten nach hinten zu ab, so tritt das Gesicht, je höher es wird, uin so mehr 
zurück. Vollzieht sich aber die Abweichung nach vorn, so tritt es in gleichem Grade stärker 
hervor. Wir erhalten somit bei vollkommen gleicher Länge desselben dort abnehmende, hier 
zunehmende Prognathie. Dass das Gesicht nun wirklich in ersterer Weise in den Schädel- 
grund eingepflanzt ist, lehrt schon die oberflächlichste Prüfung. Mithin ergiebt sich auch ein 
Zurücktreten seines vorderen Oberkieferrandes während des Wachsthums als eine mathema- 
tische Nothwendigkeit und es bleibt nur zu untersuchen, ob das Maass desselben ausreiche, 
um die wirkliche Abnahme der Prognathie zu erklären. Die nebenstehende C'onstruction 
(Fig. 2) am Gesichte des ümonatlichen Foetus und des Erwachsenen lässt keinen Zweifel darüber, 

dass solches in der That der Fall ist. Beide 
Gesichter sind auf dieselbe Basis reducirt 
und lassen die Imrührten Verhältnisse so- 
fort erkennen. In beiden ist die Richtung 
der die Höhenzunahme vorzugsweise be- 
dingenden Stützpfeiler eingetragen und 
zwar diejenige des Jochbeines durch die 
Verbindungslinie der Suturae zygomatico- 
frontalisundzygomatico-maxillaris(;/ — zm), 
diejenige des Stirnfortsatzes durch eine vom 
höchsten zum tiefsten Punkte der vorderen 

Orbitalöflnung gezogene Gerade (os — otj. 
Gesicht des Erwachsenen (Mittel; (tarko Linie) und ,, . „ , 

de, »monatlichen Foctu. (schwache Linie), auf die Jochbein- und Orbitalhn.e des Erwachsenen 
Medianebene bei gleicher Grundlinie projicirt. sind unter sich völlig parallel, desgleichen 

B Vordere, Ende der Grundlinie; M Vordcr™d de. Ober- mit ^ Urbitellinie <lea Kindes. Dagegen 
kiefer«; P Hmterrand des harten Gaumens ; M'P 4 , MPac* 

Kinde« durch Construction der Gesichtshohc de» Er- erscheint die Jochbeinlinie des letzteren 
wack&enen angepaast; N Nasenspitze. — n Nasenwurzel; (vielleicht nur individuell) UIU ein Weniges 
os Oberer, 0« Unterer Rand der vordem Orbitalöflnung; ... - . , . . « ... 

sf Sntur. zygometico-frontalis; r» Sut lygomatico-muil- ate,ler «-ufger.ch tet. Verschieben wir nun- 
lari»; ft Wurzel, pf Spitze de» Flügelfortaatzee. mehr in der durch die drei ersteren vorge- 
zeichneten Richtung die Gaumenlinie (PJ/) 
des Kindes so weit, dass sie in eine derjenigen des Erwachsenen entsprechende Entfernung 
vom Schädelgrunde zu liegen kommt, so deckt sie die letztere auch fast vollständig (VM'). 
Jedenfalls kommen die geringen Abweichungen gegenüber den so beträchtlichen individuellen 
Schwankungen gar nicht in Betracht. Ebensowenig ist es von wesentlicher Bedeutung, dass 
das vordere Ende relativ eine etwas grössere Strecke durchläuft als das hintere. Auch dies 
ist vielleicht nur individuell, wenigstens erfolgt bei dem untersuchten Foetus von acht und 
von sieben Monaten die Verschiebung der Gaumenlinie ohne jegliche Aenderung ihres Neigungs- 
winkels zur Grundlinie. Im Uebrigen bestätigen beide die Richtigkeit der obigen Ausein- 
andersetzungen und ich erachte es deshalb als völlig erwiesen, dass die typische Abnahme 
der Prognathie im wachsenden Schädel weder in einer verhältnissmässigeu Verkürzung noch 
in irgend welcher Drehung des Gesichtes, sondern ausschliesslich in dessen relativer Höhen- 
zunahme verbunden mit schiefer Einpflanzung in die Schädelbasis begründet sei. Dadurch 
gewinnt die letztere eine ftir die Gesichtsbildung ungeahnt« Wichtigkeit» Je steiler sie statt- 



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40 Prof. Dr. Chr. Aeby, 

findet, um so prognatber, je weniger «teil, um so weniger prognath wird der Schädel unter 
sonst durchaus gleichen Wachsthumsverhältnissen am Kudu seiner Entwicklung uns entgegen- 
treten. Wir troffen daher hier auf eine Quelle passiver Prognathie, die wohl zu unterscheiden 
ist von activer, in einer wirklichen relativen Lnngenzunahine des Gesichtes begründeten. 

Sehr auffällig ist die in der Stellung des FlUgelfortsatzes {pt — pH) während des Wachs- 
thunis auftretende Veränderung. Im Kinde bildet derselbe mit der Schädelachse einen nach 
hinten offenen stumpfen, im Erwachsenen dagegen einen spitzen Winkel. Ich betrachte dies 
hauptsächlich als Druckwirkung von Seiten des Gesichtes, und dies um so mehr, als die 
beiderseitigen Lageveränderungen vollständig parallel geben. Daas dabei keine Drohung des 
ganzen Keilbeines im Spiele sein kann, bedarf nach dem früher Mitgetheilten nicht erst des 
Beweises. Wohl aber wäre es denkbar, dass eine solche zwischen dessen Körper und grossem 
Flügel stattfindet, da beide zur Zeit der Geburt bekanntlich noch gänzlich getrennt sind und 
die im Verlaufe des ersten Jahres sich vollziehende Verwachsung wohl kaum sofort eine völ- 
lige Erstarrung znr Folge haben dürfte. 



breitcDverhältuiftfte 

de* 

GetichtBschädel*. 


Nasen- 

wurzel. 


Obere 

Gesicht*- 

breite. 

(Sut. ij-g.- i 
front.) 


Untere 
GesichU- 
breite. 
(Sut. zyg.- 
tnax.) 


Spitzen 

der 

Flügel- 

fortaitze. 


Querabstand 

der 

Jochbogen. 


I. Abaolute Werth« 
iu mm: 












Erwach teuer 


26,9 


101,4 


90,0 


41,7 


129,4 




(21-31) 


(94-112) 


(84-100) 


(38—48) 


(121—139) 


Foetu* vou 9 Monaten 


14,0 


30,0 


53,0 


24,0 


69,0 


Foetu» von 8 Monaten . 


16,5 


50,0 


36,5 


19,0 


57,0 


Foetu* von 7 Monaten . 


12,0 


42,6 


29,5 


10,5 


46,5 


II. Relative Warthe; 
Grundlinie =r 100: 












Erwachsener 


31,0 


116,8 


103,7 


48,0 


149,0 




(24,7 — 36,5) 


(107,5— 125^5) 


(96,7—112,3) 


(43,1—64,5 


(136,7—168,6) 


Foetu* von 9 Monaten . 


24,6 


106,2 


93,0 


42,1 


121,1 


Foetu* vou 8 Monaten . 


37,5 


113,6 


81,8 


43,9 


129,5 


Foetu* von 7 Monaten . 


32,8 


116,4 


80,8 


45,2 


127,4 



Geringe Jochlmgen- und untere Gesichtsbreite kennzeichnen den Kinderschädol. Soweit 
er jetloch an den Hirnschädel sieb anscbliesst, zeigt er gleich diesem ein demjenigen des Er- 
wachsenen ähnliches Verhalten. 



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Beitrage zur Kenntnis» der Mikrocephalie. 41 



V ordere 
Orbitalöffnung. 


Oberer Rand. 


Unterer Rand. 


Gröaate 


Orbital- 

winkel. 






Ordinate. 


Abscisse. 


Höhe. 


Breite. 


I. Absolute Werthe 
















in mm: 
















Erwachsener 


6,0 


93,8 


— 23,0 


76,5 


33,5 


96,8 


137,5« 




(1,0— 9,0) 


(88,0—101,0) 


(-20,0-26,0) 


j (69,5—81,0 


(30—361 j 


(35—41) 


(182—150) 


Footas von 9 Monaten . 




61,0 


— 12,0 


62,0 


19,0 


24,5 


121« 


Foetus von 8 Mouaten . 


5,0 


46.5 


- 8.5 


36,0 


16,0 


18,0 


123° 


Foetua von 7 Monaten . 


3,3 


39,0 


— 6,0 


30,0 


18,0 


15,0 


135® 


II. Relative Werthe; 
















Grundlinie = 100: 
















Erwachsener 


6,9 


108,0 


— 26,5 


885 


38,6 


42,4 


— 




(1,1-10.3) 


(101,1-112,3) 


(-22,9—29,1) 


(81,8-92,01 


(33,7—42,4) 


(37,5—45,6) 




Foetua von 9 Monaten . 


6,1 


107,1 


— 21,0 


91,2 


33,3 


43,0 


— 


Foetus von 8 Monaten . 


11,3 


105,5 


— 19,3 


81,8 


36,4 


40,9 


— 


Foetua von 7 Monaten . 


9,1 


106,8 


— 16,4 


82,2 


35,6 

i 


42,2 


— 



Die vordere Orbit&löffhung des Kindes scheint sich von derjenigen des Erwachsenen nur 



durch eine verbältnissmässig geringere Höhe und zwar auf Kosten des Geeichtsendes zu unter- 
scheiden. Der geringere Werth des Orbitalwinkels erklärt sich leicht aus der weiter nach 
hinten geschobenen Lage des Jochfortsatzes am Stirnbein. 



Unterkiefer. 


Gerade 

Länge. 


Bogenlänge. 


Winkel- 

breite. 


j Eiunbreite. 


Höhe 

de» 

aufsteigenden 

Astes. 


Kiefer- 

winkel. 


I. Absolute Werthe 














in mm: 














ErwachHCDCr 


70,1 


185,6 


94,7 


46,1 


62,0 


125,9° 




(62—75) 


<17<V-200) 


(83—110) 


(40—52) 


(53—73) 


(114—136) 


Foetua von 9 Monaten . 


29,0 


85,0 


53,5 


26.5 


18,0 


185,0° 


Foetua von 8 Mouaten . 


21,0 


62.0 


37,0 


20,0 


15,0 


136,0° 


Foetus voll 7 Monaten . 


18,5 


62,0 


27,5 


17,0 


12,0 


133,0» 


II. Relative W'ertlio; 














Grundlinie = 100: 














Erwachsener ...... 


60,7 


213,3 


109,0 


53,1 


71,4 


— 




(70,4 — 84,6) 


(193,2—222,21 


(95,4 — 128,6) 


(47,0-59,0) 


(00,8—96,4) 




Foetus von 9 Monaten 


50,9 


149,1 


93,8 


46,5 


31,6 


— 


Foetus von 8 Monaten . 


47,7 


140,9 


84.1 


45.5 


34,1 


— 


Foetus von 7 Monaten . 


60,7 


142,4 


75,3 j 


46.6 


32,8 


— 



Archiv für Anthropologie. Bd. VII. Heft 1. 0 



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42 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

Der kindliche Kiefer ist in der Winkelgegend weniger geknickt eis der erwachsene. 
Daher setzt sich auch sein, ohnedies sehr niedriger, aufsteigender Tbeil weniger scharf von dem 
horizontalen ab. Dieser steht noch in jeder Beziehung hinter seiner späteren relativen Aus- 
dehnung zurück, weniger jedoch der Breite als der Länge nach. Sein Bogen ist in Folge 
davon entschieden flacher und besitzt auf die Winkelbreitc bozogen nur eine Länge von 
158,7 — 167,5 — 189,1 gegen eine solche von 189,4 und 203,3 im Erwachsenen. 

Den Zahntheil des kindlichen Oberkiefers habe ich für keiner besonderen Beriicksich- 
tigung werth gehalten. 



y, Uesammttchädel. 

Alles zusammengenommen, besitzt der kindliche Schädel eine Reihe von Eigenthümlich- 
keiten, die ihn unstreitig speciflsch von dem erwaclisenen unterscheiden, wenngleich im Ganzen 
und Grossen der spätere Bauplan nicht zu verkennen ist. Wir betrachten als die wichtigsten 
auf Seiten des Hirnschädels die geringere Breite, zumal nach hinten zu , die stärkere Median- 
wölbung im Vorder- und die schwächere im Hinterhaupte, die ansehnliche Länge der Scheitel- 
beine zunächst dem oberen Rande und die daherigo stärkere Convergenz der Kronen- und 
Lambdanaht nach abwärts, die Kleinheit des Hinterhauptwirbels nach Flächenausdehnung 
und kubischem Gehalte, letzteres zu Gunsten des Stirnwirbels, endlich die nach vorn gerückte 
Lage der äusseren Gehöröffnung. — Für den Gesichtsschädel heben wir geringere Breite in 
allen nioht unmittelbar an den Himschädel anstossenden Theilen, Kleinheit des Unterkiefers 
und vor Allem von der Entwicklung des Gebisses unabhängige geringe Höhe des Oberkiefer- 
abschnittes nebst dadurch bedingter Prognathie als besonders charakteristisch hervor. 

In allen übrigen Punkten nähert sich der kindliche Schädel dem erwachsenen oder stimmt 
er selbst völlig mit ihm überein. Namentlich sind die Längenverhältnisse des Hirn- und Ge- 
sichtsschädels zur Grundlinie bereits endgültig geordnet. 



0 . 8 e h ft d e 1 der Mikrooephalen. 

Meine Untersuhcungen erstrecken sich auf neun Fälle von Mikrocephalie, deren Vertreter 
man als erwachsen oder wenigstens als dem Endpunkte ihrer Entwicklung äusserst nahe 
stehend betrachten kann. Als zehnter gesellt sich ihnen Mähre bei, doch nur auf Grundlage 
der Angaben und geometrischen Zeichnungen von C. Vogt *), da mir die Gelegenheit fehlte, 
den Schädel selbst zu prüfen. Nach abnehmender Capacität des Hirnraumes geordnet, liefern 
sie mit Beifügung des Alters, Geschlechtes und gegenwärtigen Aufbewahrungsortes der be- 
treffenden Präparate folgende Uebersicht 

*) ^lieber die Mikrocephalen oder Affenmenschen*, Archiv f, Anthropologie, Bd. 2. 

’} Mit Ausnahme der neuen Fälle *ind eimmtliche von mir anfgeführten Mikrocephalen anch den Unter- 
suchungen von C. Vogt zu Grunde gelegt worden. — Der Mikrocephale von Jena int der von Theile in 
der Zeitschrift von Henle und Pfeufer, 3. lieihe, Bd. XI, 1861, beschriebene. 



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Beiträge zur Kenntnis« der Mikrocephalie. 43 



Name. 


Capacität 
des Hiraraumcs 
in cbom. 


Alter 

in 

Jahren. 


' 

Geschlecht. 


Aufbewahrungsort. 


Unbekannte aus der Insel .... 


926 


Uebcr 40 


Weiblich. 


Bern. 


Jos. Peyer 


660 


30 


Männlich. 


Bern. 


L. Racke . 


603 


20 


Männlich. 


Eltville (Nassau). 


0. Mahre ....... . . . . 


556 


44 


Männlich. 


Halle. 


Friedrich Sohn 


451 


18 


Männlich. 


Berlin. 


Michel Sohn 


370 


20 


Männlich. 


Berlin. 


Schütteindreier ......... 


865 


31 


Männlich. 


Güttingen. 


Mikrocepbale von Jena ..... 


358 


26 


Männlich. 


Göttin gen. 


S. WyM 


857 


17 


■Weiblich. 


Bern. 


M. Mihler 


205 


33 

1 


Weiblich. 


W ürzburg. 



Die Sprösslinge der Familie Moegle, deren Schädel den Sammlungen von Stuttgart und 
Tübingen angehören, werde ich nicht in den Kreis der allgemeinen Besprechung ziehen, und 
zwar weniger deshalb, weil sie jugendlichen Alters verstorben sind , als weil sie wegen ganz 
unregelmässiger Verbiegung und zum Theil durchaus unsymmetrischer Verschiebung ihrer 
Wandungen den Werth vieler an ihnen genommenen Maasse äusserst problematisch machen. 
Der zuverlässigeren und bemerkenswertheren unter ihnen soll gelegentlich gedacht werden. 

Den Maassstab für die Mikrocephalen bildet überall der „normale Schädel“. Als solchen 
wähle ich das schon bei der Prüfung der kindlichen Schädel in Anwendung gezogene Mittel 
der von mir untersuchten männlichen und weiblichen Erwachsenen. Von der etwaigen 
Stammesverschiedenheit befürchte ich keinen Nachtheil, da der Einfluss einer solchen, wenigstens 
innerhalb der Qrenzen unseres Beobachtungsmateriales, gegenüber der mikrocephalen Miss- 
bildung jedenfalls verschwindend klein ist. 



a. Hirn Schädel. 

Wir betrachten es wie bisher als erste Aufgabe, die grössten Durchmesser der untersuchten 
Hirnschädel in den drei Hanptebenen, sowie auch die Länge der Grundlinie festzustellen und 
damit wenigstens im Ganzen und Grossen den Charakter eines jeden zu bestimmen. Die 
procentische Berechnung der einzelnen Durchmesser auf die gleichen Durchmesser des „nor- 
malen Schädels“ , sowie auf die Grundlinie und die grösste Länge des zugehörigen Schädels 
bilden die erläuternde Beigabe. 



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l) In dem im Kinjrangc dieser „IteitrÄge“ enthaltenen Abschnitte über neue Fälle von Mikrocephaiie wurde die grösste L^inge und Höhe de» Schädels der 
Unbekannten aus der Insel, des Jos. Peyer und der S, Wysa mit etwa* anderen Werthen verseichnet als es hier geschieht. Ich mache deshalb, um falschen 
Schlussfolgerungen vorzubeugen, ausdrücklich darauf aufmerksam, dass die betreffenden Durchmesser überhaupt nicht, identisch sind. Dort wurden sie in herkömmlicher 
empirischer Weise ohne Rücksicht auf ihre Stellung zur Grundlinie, hier jedoch in strenger Orient irung nach dieser angenommen. Sie verlaufen daher, namentlich für 
die Lange, in beiden Füllen nicht ganz in gleicher Richtung. 













45 



Prof. Dr. Chr. Aeby, Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 

als der Grundlinie; in allen anderen Fällen behauptet letztere, wie bereite bemerkt, den 
Vorrang. Unter sich zeigen sie ein sehr verschiedenes Verhalten. Annähernd gleichförmig 
verkleinert sind sie nur bei Jos. Peyer, bei Fried, und Michel Sohn, sonst erscheint das 
Gleichgewicht überall durch die eine oder andere gestört. Ks geschieht dies von Seite der 
Breite bei Kacke, wo sie besonders gross, und bei Mähre, wo sie im Gegentheil auffällig 
klein ist Ebenso stellt sich hinsichtlich einseitiger Ausbildung in der Richtung der Höhe die 
Unbekannte aus der Insel in scharfen Gegensatz zu Schütteindreier, dem Mikrocephalen 
von Jena, S. Wyss und M. Mahler. Bezeichnen wir demnach die gleichförmig verkürzten 
Durchmesser mit Null, die zu wenig verkürzten mit die zu stark verkürzten dagegen 
mit — , so erhalten wir: 





Länge. 


Breite, j 


Höhe. 


Jo«. Peyer, Friedrich Sohn, Michel Sohn 


0 


0 


0 


L. Racke 


0 


+ 


0 


0. Mähre 


0 


— 


0 


Unbekannte aus der Insel 


0 


0 


+ 


Schüttelnd reier, Mikrocephalo von Jena, S. Wys«, M. Mahler 


0 


0 


— 



Absolut wie relativ sinkt die Höhe am tiefsten und es ist wohl nicht zufällig, dass ihre 
stärkste Abnahme gerade mit dem höchsten Grade der Mikrocephalie zusammenfallt. Die 
Breite wird von der Reduction in der Regel etwas härter betroffen als die Länge. 

Mit Beziehung auf die zugehörige Grundlinie halten nur die Durchmesser der Unbe- 
kannten aus der Insel denjenigen des normalen Schädels Stand ; sie allein ergiebt sich mithin 
als einfach verkleinerte, freilich etwas zu hoch geratlicne Ausgabe des letzteren. Ueberall 
sonst kommen sie mehr oder weniger zu kurz. Die Länge bietet bei S. Wyss \pd den beiden 
Sohn die ungünstigsten, bei Jos. Peyer und M. Mahler die günstigsten Verhältnisse, auch 
hier jedoch ohne das Minimum der Norm zu erreichen. Auf Seiten der Breite geschieht letz- 
teres nur bei Racke, alle anderen begnügen sich mit weitaus geringeren Werthen. Am 
schlechtesten entwickelt tritt sie bei Mähre und den beiden Sohn, nur wenig besser bei 
Scliüttelndreier und der AVyss auf. M. Mäkler und Joa Peyer halten ungefähr die 
Mitte zwischen diesen und Racke. Demnach sind alle Mikrocephalen ausgesprochene Schmal- 
schädel, ja sie erreichen selbst nicht den untersten Grad der bei normalen Menschenschldeln 
gefundenen Stenocephalie ’). Nichtsdestoweniger übertrifft bei ihnen die Breite ausnahmslos 
in sehr entschiedener Weise die Höhe, im Gegensätze zu den normalen Stenocephalen , bei 
welchen das Gegentheil stattfindet ’). 

Das Ergebniss unserer bisherigen Untersuchung läast sich dahin zusammenfassen, daas, ab- 
gesehen von dem in seiner Bedeutung noch zweifelhaften Falle aus der Insel, der mikro- 



*) Als solche habe ich (Aeby, Schädelformon, S. 33) bei einem Congoncger 2 X 60 = 120 gefunden. Als 
oberste Grenze der Stenocephalie wurde von mir (a. a. O. S. 35) 152 oder bei Rechnung nur Einer -Schädel, 
hälfte 76 angenommen. 

*) Aeby, Schädelformen, S. 26 und 27. 



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46 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

cephole Hirnschädel keine einfache Verkleinerung, sondern eine wirkliche Umformung des 
normalen darstellt. Jeder der Hauptdurchmesscr vermag dabei einen durchaus individuellen 
Standpunkt zu vertreten. Daher ist auch auf das so beliebte Verhältnis« zwischen Länge und 
Breite kein grosses Qewioht zu legen und namentlich entbehrt die Vermuthung von Vogt'), 
dass der Mikroceph&lc in diesen Punkten den Racentvpus seiner Eltern beibehalte, jeder 
thatsächlichen Begründung. Angesichte der vielfachen inneren Verzerrungen, welche wir bei 
den betreffenden Schädeln bereits angetroffen haben und noch antreffen werden, ist dies auch 
von vornherein höchst unwahrscheinlich Wir haben bemerkt, dass die Breite in der Regel 
verhältnissmässig etwas mehr abnimmt, als die Länge. Daher erscheinen auch die Schädel 
der meisten Mikrocephalen in der Ansicht von oben etwas gestreckter als die normalen. 

Um es recht augenscheinlich zu machen, wie wenig in der Entwicklung der grössten 
Schädeldurchmesser den Mikrocephalen ein einheitliches Gepräge zukommt, stelle ich dieselben 
nach abnehmenden Werthon unter den Hauptrubriken der Länge, Breite und Höhe, die 
Grundlinie als gemeinsamen Maassstab angenommen, noch besonders zusammen. 



Länge. 


Breite. 


Hohe. 


]. Unbekannte aus der Insel. 


1. Unbekannte aus der Insel. 


1. Uubekanute aus der Inaet. 


2. Jos. Peyer. 


2. Racke. 


2. Racke. 


3. M. Mahler. 


3. MShler. 


3. Jos. Peycr. 


4. Mikrocephalc von Jena. 


4. Joe. Payer. 


4. Mähre. 


6. Racke. 


5. Mikrocephalc von Jena. 


6. Fried. Sohn. 


6. Mähre. 


6. ^ WysB. 


6. Mahler. 


7. Schütteindreier. 


7. Schütteindreier. 


7. Mikrocephale von Jena. 


8. S. Wyw. 


\ 8. Fried. Sohn. 


8. Mich. Sohn. 


9. Fried. Sohn. 


9. Mähre. 


9. S. Wy«*. 


10. Miefe. Sohn. 


10. Mich. Sohn. , 


10. Schütteindreier. 



Die Rangordnung in den drei Durchmessern ist nur für einen einzigen Schädel, nämlich 
denjenigen aus der Insel, dieselbe; für alle anderen wechselt sie innerhalb mehr oder weniger 
weiter Grenzen. Mit der absoluten Capacität steht sie natürlich in keinem directen Zusammen- 
hänge, da bei dieser ausserdem die absolute Grösse der Grundlinie in Betracht kommt. Eine 
besondere Zusammenstellung der betreffenden Ordnungszahlen halte ich im Interesse einer 
ebenso raschen, wie belehrenden Uebersicht nicht ftir überflüssig. Ich behalte dabei die Reihen- 
folge bei wie sie durch die abnehmende Länge bedingt wird. 

>) A. a. O. 8. 166. 



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Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 



47 





Länge. 1 


Breite. 


Höhe. 


Unbekannte ans der Intel .... 


1 


1 


1 


Jo». Peyer . ' . 


2 


4 


3 


M. Mähler 


3 


3 


6 


Mikrocephaie von Jena 


4 


5 


7 


Racke ..... 


6 


2 


2 


Mähre ' • . . . 


6 


9 


4 


Schütteindreier 


7 


7 


10 


S. WyM . . . 


8 


6 


9 


Fried. Sohn 


9 


8 


6 


Mich. Sohn 


10 


10 


8 



Der mikrocephalo Schädel ist eine Reduetionsform des normalen. Welche Rolle ist dabei 
seinen typischen Abschnitten zugetheilt? Dies zu ergründen , gehen wir in gleicher Weise 
wie bei den normalen Schädeln vor, indem wir erst die linearen, dann die quadratischen, endlich 
die kubischen Verhältnisse ins Auge fassen. Als Rangordnung der Schädel soll überall die 
schon Eingangs nach abnehmender Capacität aufgestellte beibehalten werden. 



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Beiträge zur Kenntnis» der Mikrocephalie. 



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60 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

Nach den bereits mitgetheilten Ergebnissen über die grössten Durchmesser der Mikro- 
cephalenschädel kann die Wahrnehmung nicht überraschen, dass dieselben in den Längon- 
und Höhenverhältnissen ausserordentlich verschieden sich verhalten. Völlig vereinzelt steht 
die Unbekannte aus der Insel, deren Schädel relativ in Stirn- und Hinterhauptsende den 
normalen Schädel deckt und in der Scheitelhöhe sogar nicht unmerklich überragt. Dio übrigen 
Schädel nehmen einen durchaus anderen Standpunkt ein (Fig. 3 und 4 ). Sie bleiben aus- 
nahmslos hinter dem Umfange des normalen Schädels zurück, keineswegs aber nach einem 
übereinstimmenden Gesetze, sondern fast ein jeder in besonderer, nur ihm eigener Weise. 
Nach dem Grade der Depression im Stirn- und Hinterhauptsabschnitte gelingt es leicht, sie 
in eine fortlaufende Reihe zu ordnen. Eröffnet wird dieselbe durch L. Racke, der von der 
normalen Bildung nur durch occipitale Depression sich unterscheidet, indem dio Stirn in der 
Steilheit des Aufsteigens noch ganz der letzteren entspricht Bei Jos. Peyer ist die occipitale 
Depression etwas schwächer, dafür aber mit einer frontalen verbunden. Beides, nur in ge- 
steigertem Grade, kehrt auch bei Mähre wieder. Von hier aus fuhrt einfache Vermehrung 
der frontalen Depression zum Mikrocephalen von Jena und zu M. Mähler, ebenso einfache 
Verschärfung der occipitalen zu Fried. Sohn. Beide Vorgänge verbunden erzeugen die 
Form von Michel Sohn, aus welcher durch Zunahme der Depression auf occipitalor Seite 
S. Wyss und durch entsprechende Verschärfung auf frontaler Seite als letztes Glied Schütteln- 
dreier erstellt wird. 

In diesem ganzen Reductionsprocesse folgen sich in einfacher concentrischcr Verkleine- 
rung, kleinere Ungenauigkeiten natürlich abgerechnet, vier Schädel, der des normalen Men- 
schen, derjenige von Jos. Peyer, von Mähre und von Schutteindreier. Der Rest schiebt 
sich vermittelnd zwischen sie ein, indem dessen Angehörige einseitig frontale oder oocipitale 
Depression vorzugsweise erleiden und so in der einen Richtung dem höheren, in der anderen 
dem niedrigeren Typus die Hand reichen. 

Uebersichtlich lassen sich die verwandtschaftlichen Beziehungen der mikrocephalen For- 
men ohne Rücksicht auf das genaue Maass der Depression folgendermaassen veranschaulichen: 

Normaler Schädel. 

Occipitale Depression. j Frontale Depression. 

Hacke. 

Fcyar. 

Mähre. 

Fried. Sohn. Mikroc. v. Jena. — Mähler. 

Michel Sohn. 

■ „ - 
S. W y a s. 

Schütteindreier. 

Nach dem Grade der zunehmenden Depression ordnen sie sich in nachstehenden Doppel- 
reihen mit besonderer Berücksichtigung der concentrisch an einander schliessenden Formen: 



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Beiträge zur Kenntnis« der Mikrocephalie. 

Fig. 8 und 4. 



51 





Schädel des normalen Menschen and von Mikrooephalen, bei gleicher Grundlinie (ÜB) auf die 
Medianebene projicirt, Die in den Znhlentabellen enthaltenen Punkte sind sammt der Richtung der Kronen- 
und Lambdanaht gleich wie in Fig. 1 in die Contonrlinien eingezeichnet. 
a Normaler Schädel; b L. Racke; c Jos. Peyer; d G. Mähre; e Mikrocephale von Jena; / M. Mahler; g Fried. 
Sohn; h Michel Sohn; » S. Wyas; k Schütteindreier. 



7* 



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52 



Prof. Dr, Chr. Aeby, 

Oocipitale Depression. Frontale Depression. 

Normaler Schädel. . • . . . Normaler Schädel. — Racke. 

Peyer . . Pcyer. 

Jens. 

Mähre. — Mähler Mähre. — Fried. Sohn. 

ftseke. 

Fried. Sohn. — Michel Sohn. . . S. Wysa. 

S. Wysa Michel Sohn. — Mikroc. v. Jena. — Mahler. 

Schütteindreier. .... . Schütteln dreier. 

Gehen wir nunmehr etwas näher auf das Einzelne ein. Der Stirn liegt nur bei der Un- 
bekannten aus der Insel und bei Racke eine steil aufs teigende Linie zu Grunde, bei allen 
anderen wendet sie sich in geringer Höhe oberhalb der Grundlinie entschieden nach rück- 
wärts. Bei hochgradiger Depression, wie namentlich bei Schüttelndreier und auch bei der 
Mähler, erfolgt dies so plötzlich, dass ihr unterer Rand in querem Wulste über die höher ge- 
legene Fläche vorspringt. Es geschieht dies um so mehr, wenn, wie gerade bei den ge- 
nannten, auch die Stirnhöhlen bedeutende Ausdehnung erreichen. Boi Schüttelndreier 
blähen dieselben das Stirnbein zu einer dünnwandigen Blase von 14 mm sagittalem und 
26 mm verticalem Umfange aus, ohne dessen senkrechten Abschnitt zu überschreiten. Bei 
der Mähler dagegen dringen sie in die Decke der Augenhöhle vor und treffen hier, wenn- 
gleich ohne offene Communication , wenigstens auf Einer Seite mit den gleichfalls mächtig 
entwickelten Keilbeinhöhlen, welche durch die kleinen Keilbeinflügel hindurch ihnen entgegen- 
wachsen, zusammen. Hierdurch verdickt sich die Decke der Augenhöhle, trotzdem sie ganz 
dünnwandig und durchscheinend ist, bis auf 9 mm und wölbt Bich wulstig Uber Siebplatte und 
kleinen Keilbeinflügel nach der Schädelhöhle hervor. Schüttelndreier und Mähler sind 
durch die auflallige Grösse ihrer Stirnhöhlen sicherlich höchst merkwürdig. Nichtsdestoweniger 
Ist die Behauptung von C. Vogt (a. a. ü. S. 169), dass alle Mikrocephalen eine ausserordent- 
liche Entwicklung dieser Höhlen darböten, zum Mindesten eine sehr übertriebene. Bei Racke, 
S. Wyss und Peyer darf diesolbe keine übermässige, und bei dem Mikrocephalen von Jena 
sowie den beiden Sohn muss sie sogar eine schwache genannt werden. Es dürfte sich also 
dabei wohl mehr um individuelle als typische Verhältnisse handeln. Dass die Stirnhöhlen 
nicht kleiner und enger sind als beim normalen Menschen beweist weiter nichts, als dass, was 
schon von vornherein zu erwarten war, ihr Wachsthum unabhängig ist von demjenigen der 
Schädelhöhle. Das stärkere Vortreten der Nasenwurzel, wie es bei den meisten Mikrocephalen 
beobachtet wird, ist jedenfalls nur theilweise ihnen zur Last zu legen. 

Vom Scheitel genügt es, darauf hinzuweisen, dass sein Höhepunkt durch den mikro- 
ccphalen Typus nach vorn verschoben wird, und zwar in der Regel selbst über die äuaserste 
Grenze der Norm hinaus. 

Besondere Wichtigkeit beansprucht das Hinterhaupt. Geringere Grade der Verkürzung, 
wie bei Racke, Peyer, Mähre, dem Mikrocephalen von Jena und der Mähler flachen es ab, 
ohne seine Rundung aufzuheben, stärkere Grade derselben lassen es abgestutzt in querer Kante 
nach oben zum Abschluss gelangen. Besonders auffällig wird dies, wenn, wie bei Friod. 
und Michel Sohn, daneben die senkrechte Depression eine nur massige ist, während durch 



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53 



Beitrüge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 

den Hinzutritt dieser letzteren der Ueberg&ng vom Scheitel zum Hinterhaupte ein milderer 
wird. S. Wy ss und Schütteindreier dienen hierfür als Beleg. 

Die grossere oder geringere Länge des Hinterhauptes ist nicht das alleinige Werk des 
Hinterhauptwirbels. Ebensowenig Rind sämmtliche Kopfwirbel bei deren Zustandekommen 
gleichmässig betheiligt. Bei den Mikrocephalen ist solches vielmehr hauptsächlich Sache des 
Schläfenwirbels, dessen Vorderrand bei langem wie kurzem Hinterhaupte die gleiche Stellung 
bewahrt, während der Hinterrand in entsprechender Weise sich verschiebt. 

Auffällig ist bei allen Mikrocephalen die Steilheit des Hinterhauptloches. Peyer allein 
hält sich noch innerhalb der Grenzen normaler Schwankung, seine Genossen gehen mehr oder 
weniger weit darüber hinaus. Senkrechte Hebung und wagerechte Verschiebnng des hinteren 
Bandes der Oeffnung theilen sioh in die Erklärung. Jene spielt bei der UeberfUhrung des 
normalen Typus in den mikrocephalen, diese bei den verschiedenen Abstufungen des letzteren 
die Hauptrolle. Das Hinterhaupt selbst erscheint dabei unmittelbar in Mitleidenschaft gezogen. 





Lange de« Hinterhauptes 
in Procenten 
der Grandlinie. 


Neigungswinkel des 
Hinterhauptloches znr 
Grundlinie in Graden. 


Normaler Schädel 


71,9 


15,4 






(0-29) 


Unbekannte ans der Insel 


77, t 


16 


Jos. Peyer 


54,2 


20 


M. Mahler 


49,6 


81 


Mikrocephale .von Jena 


47,9 


31,5 


G. Mähre ...» 


43,0 


35 


Schütteindreier 


37,8 


39,5 


L. Racke 


37,3 


34 


8. Wy« 


31.4 


38 


Michel Sohn 


29,8 


44 


Fried. Sohn 


29,1 


45 



Dos längere Hinterhaupt führt somit ein flacher, das kürzere ein steiler gestelltes RUcken- 
marksloch im Gefolge, ein weiterer Beleg für die schon früher 1 ) von mir behauptete Ab- 
hängigkeit der Stoilbeit des Hinterhauptlochcs von der Länge des Hinterhauptes. Eckor’) 
hat dieselbe in Frage gestellt und die Ursache der verschiedenen Steilheit vielmehr in einer 
verschiedenen Krümmung der Schädelbasis finden wollen. Wir können davon absehen, dass 
eine solche nach unseren früheren Auseinandersetzungen überhaupt unzulässig erscheint, und 
nns auf den Hinweis beschränken, dass eine derartige Krümmung, die Möglichkeit derselben 



*) Aeby, Schidelformen S. 17. 

*) Koker, „Geber die verschiedene Krümmung des Schädelrohros u. b. w. u Archiv für Anthropologie, 
Bd. IV, S. 287 u. ff. 



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64 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

zugegeben, die von Ecker angenommene Wirkung nun imd nimmermehr zu erzielen ver- 
möchte. Bekanntlich gilt ihm als Maas« für die Neigung des Hinterhauptloches der soge- 
nannte Condvlenwinkel , das heisst der von der Ebene des For. rnagmun mit der Ebene des 
Clivus gebildete Winkel (a. a. O. S. 296), Dieser ist beim Neger kleiner als beim Europäer, und 
daraus folgt nach Ecker, dass bei jenem die Schädelbasis weniger gekrümmt sei als bei diesem. 
Diese Folgerung ist jedoch eine völlig unrichtige; denn es lehrt die einfache Construction, dass 
durch eine derartige Krümmung der genannte Winkel nicht nur nioht grösser, sondern im 
Gegentheil kleiner werden müsste. Schon um dies zu verhindern und den Winkel nur auf 
der anfänglichen Grösse zu erhalten, wird eine V erlängerung des Scbädeldachos in der Median- 
ebene nothwendig; noch viel mehr aber ist dies der Fall, wenn der betreffende Winkel mit 
der Krümmung des Schädelgrundes sogar an Umfang gewinnen soll. Der Kern der Sache 
liegt also unter allen Umständen in der Verlängerung des Schädelgewölbes und dem dadurch 
bedingten stärkeren Hervortxeten des Hinterhauptes. Ecker selbst (a. a. 0. S. 301) macht 
ja gerade die stärkere Entwicklung der Bogen für die stärkere Krümmung des Schädcl- 
rohres verantwortlich. Auch nach ihm ist somit jene das primäre und folglich sein wirkendes 
Moment kein anderes als das meinige, nur dass er dasselbe mittelbar durch die Krümmung 
des Schädelgrundes für die Stellung des Hinterhauptloches von Folgen sein lässt, während 
ich ganz unmittelbar das Vorwachsen des Hinterhauptes dafür in Anspruch nehmo *). Eine 
nebenbei gebende Krümmung des Schädelgrundes böte nicht nur keine Vortheile, sondern 
müsste, wie bereits nachgewiesen, gerade das Gegentheil von dein berbeiführen , was Ecker 
durch sie zu erzielen geglaubt bat- Der Schädelgrund der Mikroceph&len ist auch in Wirk- 
lichkeit um nichts flacher als derjenige normaler Menschen. Der von der Siebplatte mit der 
Achse der Tribasilare gebildete Winkel umfasst bei S. Wyss 155, bei Schütteindreier 142, 



*) Ecker („Ueber die verschiedene Krümmung des Schädelrohres", Archiv für Anthropologie Bd. IV, 
S. 299) h&t mir mit Unrecht den Vorwurf gemacht , als erblickte ich in der Kürze des Hinterhauptes die 
unmittelbare Ursache der steileren Aufrichtung des Kommen magnum , während beide Momente doch die 
nothwendige Folge einer gemeinsamen Ursache seien. Dass letztere Anschauung auch die meinige ist, geht 
aus den obigen Auseinandersetzungen wohl zur Genüge hervor. Ich habe ihr auch schon früher einen durch- 
aus unzweideutigen Ausdruck gegeben , indem ich mich (Scbädelformen , S. 18) dahin aussprach , dass „die 
individuellen Schwankungen (in der Stellung des for. magnum) in vielen Fällen, ja, wo sie irgendwie bedeu- 
tend sind, wohl in der Regel nicht localer Natur, sondern in den allgemeinen ßildungsverhältnissen des Ilimschädels 
begründet" seien. Ich habe freilich damals diese allgemeinen Verhältnisse zu einseitig in eine Hebung und Senkung 
des ganzen Scbädelgewölbes mit Drehpunkt um das vordere Ende des Schädelgrundes verlegt. Eine solche spielt 
allerdings in der Gestaltung von Hinterhaupt und Hinterhauptsloch eine bedeutende Rolle, doch immer erst 
in zweiter Linie. In erster Linie ist für dieselbe das relative Grüesenverhältniss des ganzen Schädeldaches 
zum Schädelgrunde maassgebend. Auch darin bin ich von Ecker missverstanden worden, dass er mich 
(a, a. 0.) jeden Zusammenhang zwischen Stellung des Hinterhauptloches und IUceneigenthümlichkeit leugnen 
und Alles nur auf Schwankungen individueller Natur zurückführen lässt. Ich habe nur gesagt , dass wegen 
der Grösse der individuellen Schwankung bei Individuen ein und derselben Race die steilere Stellung des for. 
magnum „an und für sich" (a. a. O. S. 18) nicht, wie einige Forscher annehmen, einen Racenunterschied 
bedingen könne, eie sei eben stets eine secundäre. Das schliesst aber natürlich nicht aus, dass für Racen mit 
durchschnittlich kurzem Ilinterhaupte die steilere, für solche mit durchschnittlich langem Hinterhaupte die 
flachere Stellung des for. magnutn zur Eigentümlichkeit werde. Dass dem in derThat so sei, habe ich sogar 
durch eine eigene Tabelle (Scbädelformen, S. 17) nachzuweisen gesucht Der Unterschied in Ecker'« Auf- 
fassung und der meioigen liegt also keineswegs in einer verschiedenen Werthung der bereits vorhandenen 
Verhältnisse, sondern in der Verschiedenheit des Momentes, das wir uns für ihre Entstehung maassgebend 
denken. 



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55 



Beitrüge zur Kenntnis* der .Mikrocephalie. 

bei Mähre 139 und bei Jos. Peyer 137* gegenüber 147 (137 — 155)° als Mittel von 10 nor- 
malen Deutschen und 142 (129 — 150)“ als Mittel von 5 Negern. 

Wichtig ist die Richtung der beiden grossen Quernähte des Hirnschädels, weil ja durch 
sie die Gebiete der einzelnen Wirbel ihre Begrenzung finden. Beide verhalten sich bei den 
Mikrocephalen auffällig verschieden. Die Kronennaht verharrt in ihrer normalen Stellung, frei- 
lich innerhalb der weiten Schwankungsgrenzen, welche uns bekannt geworden. Bei der Unbe- 
kannten aus der Insel, bei J. Peyer und Mähre verläuft sie ziemlich schräg nach vorn und 
oben und erinnert dadurch einigermaassen an fötale Verhältnisse. Bei Racke verschiebt sie 
sich ausserdem im Ganzen gegen das vordere Schädelende zu, und zwar in einem Grade, der 
unter regelrechten Verhältnissen niemals beobachtet wird. 

Ganz anders die Lainbdanaht. Diese steht nur bei dem Schädel aus der Insel an der 
richtigen Stelle. Sonst erscheint sie überall nach vorn verschoben und zwar um so mehr, je 
weiter die Verkürzung des Hinterhauptes gediehen. Ausserdem erfahrt aber auch ihre Rich- 
tung eine völlige Umkehr. Dieselbe goht beim normalen Schädel bekanntlich zwar steil, doch 
sehr ausgesprochen nach hinten und oben, bei den Mikrocephalen dagegen nach vorn und oben. 
In Folge davon kommt bei letzteren mit sehr kurzem Hinterhaupte ihre Mitte über oder selbst 
vor den Nullpunkt der Grundlinio, dom vorderen Umfange des grossen Hinterhauptsloches, zu 
liegen. Dass ihr unteres Ende im Allgemeinen weniger tief herabreicht als beim normalen 
Schädel, dürfte einfach aus der im Ganzen höheren Lage des Hinterhauptes abzuleiten sein. 
Bei der Kronennaht macht sich in dieser Beziehung mehr das Gegentheil, wenngleich nicht 
ohne Ausnahme, geltend. Der mikroccphale Hirnschädel erscheint mithin in seiner hinteren 
Hälfte gehoben, in seiner vorderen gesenkt, und es fallt bei ihm der untere Rand des Scheitel- 
beines in Folge davon nach vorn hin ungleich steiler als beim normalen Schädel ab. 

Ueber die Lagerungsverhältnisse einiger weitern Punkte des Mikrocephalenschädels giebt 
die nachfolgende Tabelle Aufschluss. 



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56 



Prof. Dr. Chr. Aeby 



LänRenverhaltnisBe 

de* 

Hirnschidels. 




Abscisse. 






Porua acusticus ext. *) 


Tuberculum | 
spinosum. 


Synchondrosis 

«pheno- 

basilaris. 


Foramen 

ovale. 


Foramen 

stylo- 

mafltoideum. 


Canalis 

caroticus. 


Abscisse. 


Ordinate. 


L Absolute Wer the 
in mm : 

Normaler Schädel .... 


50,4 


23,0 


23,6 


— 4,3 


? 


4,3 


14,4 


Unbekannte aus der Insel 


(46,0-67,0) 

38,0 


(10,0—25,0) 

18,5 


(20,0—28,0) 

19,0 


(— 0—9,0) 
— 8,0 


4,0 


(0—11,0) 
- 2,0 


(8-18) 

10,0 


Jo». Peyer 


46,5 


25,0 


25,0 


— 5,0 


7,0 


6,0 


13,2 


L. Hacke 


51,0 


22,0 


27,0 


0 


9,0 


11,0 


16,0 


Q. Mähre 


? 


1 


? 


? 


? 


17,0 


20,3 


Fried. Sohn 


44,0 


? 


27,0 


0 


7,0 


10,0 


19,0 


Mich. Sohn 


47,0 


? 


28,0 


0 


8,5 


11,0 


19,0 


Schüttclndreier 


55,0 


31,0 


31,0 


4,0 


11,0 


16,5 


13,4 


Mikrooephale von Jena . 


47,0 


24,0 


27,0 


— 1,0 


10,0 


7,0 


11,0 


S. Wyss 


49,0 


23,7 


31,3 


8,0 


13,5 


18,0 


12,0 


M. Mahler 


41,0 


22,5 


22,6 


— 2,0 


6,0 


7,0 


10,0 


IL Relative Wcrthc; 
Grundlinie = 100: 

Normaler Schädel . • . . 


58,2 


26,6 


27,2 


— 4,9 


8,0 


6,0 


16 r 6 


Unbekannte aus der Insel 


(64,1—62,8) 

64,3 


(21,8—29,4) 

26,4 


(23,5 — 31,8) 

27,1 


(— 0—9,9) 
— 11,0 


5,7 


(0—12,5) 
— 2,9 


(9,4—20,9) 

14,3 


Jos. Peyer 


57,2 


30,8 


30,8 


— 6,1 


8,6 


6,1 


16,3 


L. Racke * . 


66,2 


28, C 


35,1 


0 


11,7 


14,3 


20,8 


G. Mähre 


? 


? 


7 


? 


7 


19,6 


23,2 


Fried. Sohn 


53,5 


? 


82,8 


0 


8,5 


12,1 


23,0 


Mich. .Sohn 


57,2 


? 


34,0 


0 


10,4 


13,3 


23,0 


Schütteindreier 


63,1 


36,6 


35,6 


4,5 


12,6 


17 r 2 


15,4 


Mikrocephale von Jena . 


63,5 


32,4 


36,5 


- M 


13,6 


9,4 


14,8 


S. Wy»» . . 


62,8 


30,4 


40,2 


10,3 


17,3 


23,1 


16,4 


M. Mahler 


60,6 


32,1 


32,1 


— 2,9 


7,1 


10,0 


14^ 



Die Verkürzung des Hinterhauptes steht im Zusammenhänge mit einer aUgemeinen Ver- 
schiebung der seitlichen .Schädolabschnitte. Sie rücken nacli vorn, die vorderen naturgomäss 
weniger als die hinteren. Beim Tuberc. spinosum macht sich die Lageveränderung nur noch 
wenig bemerklich, beim for. ovale, stylomastoideum und carnticum, sowie auch bei der äusseren 
Oehöriiffnung gelangt sie mit grosser Entschiedenheit zur Geltung. Benachbarte Gebiete 
werden dadurch zusammengcschoben und gleichsam nach vorn hin zusammengestaut, am 
meisten bei S. Wyss und Schütteindreier. Das for. stylomastoideum kommt in gleiche 



') Die Stellung der beidseitigen äus.eren Oehüröffnungen war bei einigen Sebiideln, x. B. Beyer, nicht 
ganz FymmetriReh. Die obigen Zahlen entsprechen dem Mittel der beidseitigen Befunde, 



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Beitrage zur Kenntnis« der Mikrooephalie. 57 

Linie mit dem vorderen Umfange des grossen Hinterhauptloches oder selbst vor dasselbe zu 
liegen und die Gohöröffnung erfahrt eine so starke Verschiebung, dass sie sogar die Grenzen 
des kindlichen Typus um ein Merkliches überschreitet. Ihre Ordinatenhöhe erfahrt dabei im 
Ganzen weder eino Zu- noch eine Abnahme, so dass also ihre Wanderung in einer der Grund- 
linie parallelen Ebene sich vollzieht. Die etwas höheren Werthe von Mähre und den beiden 
Sohn bieten nichts Typisches. 

Eine Verlegung nach vorn macht sich, den Schädel der Insel abgerechnet, auch an der 
Synchond. spheno-basilaris bemerklich. Sie entspricht nicht nur durchweg den höchsten 
Grenzwertlien des normalen Schädels, sondern überschreitet sie auch in der Mehrzahl der 
Fälle, in Einem (Schütteindreier) sogar sehr beträchtlich. Es spricht dies für eine Ver- 
kürzung des Schädelgnmdcs in seiner vorderen Hälfte. Die Vergleichung der Achsenlänge 
des Tribasilare (Linie von Huxlcy) mit derjenigen des ganzen Schädelgrundes (Linie von 
Aeby) sowie der Siebplatte liefert hierfür eine weitere, nicht anzufechtende Bestätigung. 





Abtsolute Grösse 


i n mm. 


Grundlinie = 100. 


Lange de« 
Tribasilare 




Grundlinie. | 


Lauge 

des 

Tribasilare. 


Länge 

der 

Siebplatte. 


Länge 

de« 

Tribasilare. 


Länge 

der 

Siebplatte. 


= 100. 
Lauge der 
Siebplatte. 


Normaler Schädel (Mittel 
aus 6 Beobachtungen) . . 


«6,6 


57,7 


31,2 


66,6 


359 


54,1 




(61-91) 


(52 — 64) 


(27—36) 


(59,1—73,6) 


(31,0—40,9) 


(42,2—69,2) 


Jos. Peyer 


bl 


58 


27 


71,5 


33,3 


46,6 


L. Kacke 


77 


69 


? 


76,6 


? 


? 


0. Mähre 


er 


63,4 


28.5 


72.9 


32, b 


44,9 


Schütteindreier 


87 


65 


28 


76,5 


82,2 


43,1 


Mikrooephale von Jena . • 


74 


52 


? 


703 


? 


? 


S. WjM 


78 


66 


26 


73,1 


33,8 


46,4 


M. Mälilcr 


70 


54 


? 


77,1 


? 


? 



Wir erfahren aus diesen Zahlen, dass die Verkürzung des Schädelgrundes der Siebplatte 
zur Last fällt. Das Triliasilare ist absolut eben so gross und relativ natürlich grösser, als 
im normalen Schädel, unter den Eigentümlichkeiten der mikrocephalen Form jedenfalls eine 
der bedeutendsten. Wir kommen später darauf zurück. 



Archiv Wr Aathropolegt*. Ikl. VII. Htft 1. 



b 



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II. 

Zur Archäologie des Balticum und Russlands. 



Von 



C. Grewingk 

ln Dorpat. 



L)ur berühmte dänische Altertumsforscher J. J. A. W o ranne lieferte in den Aarböger £ 
nord. Oldk. og Hist. 1872, S. 309 — 430, unter dem Titel: Ruslands og det Scandinavisko Nordens 
bebyggelse og aeldste kulturforlmld, einen Beitrag für vergleichende, vorhistorische Archäologie 
des europäischen Nordens. Worsaae schrieb diese Abhandlung’ in Folge einer Aufforderung 
seiner, bei Gelegenheit de« ersten Moskauer archäologischen Congresses gewonnenen, russischen 
Freunde, und musste es in der Timt Jedem, der für slavische Altertumskunde Interesse hat, 
besonders lieb sein, Anschauungen und Urtheüe eines namhaften Archäologen aus Gegenden 
zu vornehmen, in deren Nachbarschaft sich noch zu Anfang des XII. Jahrhunderts ein sla- 
visches Königreich befand. Andererseits durfte es aber doch Ulmrraschen, Jemanden an die 
Lösung jener Aufgabe zu einer Zeit gehen zu sehen, da mau in Russland eben erst augefangen 
hat, das verhältnissmässig spärliche monumentale archäologische Material zu sichten und zu 
Hause zu vergleichen, da ferner jede neue, dort in der hezeichneten Richtung nur ein wenig 
sorgfältig ausgeftilirte Untersuchung auch neue und unerwartete Resultate in Aussicht stellt, 
und da ausserdem die in Norddeutschland und namentlich von der Berliner Gesellschaft für 
Anthropologie etc. in Angriff genommenen archäologischen Arbeiten weitem sehr wiinschens- 
werthe Aufschlüsse über frühere westslaviscbe Zustände zu bringen versprechen. Kaum 
braucht hier daran erinnert zu werden, wie wenig materielle Zeugnisse einer heidnischen oder 
ältest-christlichen slavischeu Cultur man bisher in Russland gesammelt hat. l)io nördliche 
Hälfte dieses Reiches wies selbstverständlich vorherrschend finnische uud ausserdem einige 
litauische, hingegen nur sparsame slavische Alterthümer auf, und ergaben die Untersuchungen 
der Herren Chodakofski, Glinka, Uschakoff, Wolkonstein und Semcntofski in den 

8 * 



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60 



C. Grewingk, 

Gouvernements Olonetz, Nowgorod}, Twer und Witebsk, seihst in Betreff einer allgemeinen 
Feststellung specifisch russischer alter Denkmäler, nur dürftige und unsichere Resultate, welche 
nicht einmal als Controle früherer slavischer Wohnplätze am Wolchoff, Ilmensee, im Wolga- 
gebiet des Gouvernements Twer und im oberen Diinagebiete zu verwcrthen sind. Fast ebenso 
mangelhaft ist aber das monumentale archäologische Material zur Lösung der Waräger 
Frage, in welcher noch neuerdings im europäischen Roten (Wcstnik Jewropü) und im Journal 
d. Minist d. Volksaufklärung von Historikern viel Staub aufgewirbelt wurde. Rndlich konnte 
der Zeitpunkt zum Vergleiche scaudinavischer und russischer ältester Besiedelung»- und Cultur- 
verhältnisse vielleicht auch deshalb als nicht ganz glücklich gewählt erscheinen, weil die 
durch Sprachforschung in Aussicht stehende (W. Corsson und J. Taylor) erweiterte Kennt- 
niss etruskischer Vergangenheit bald neues Licht in die Dunkelheit des westeuropäischen 
und insbesondere auch des scandinavisehen Bronzealters zu briugeu verspricht. 

Die erwähnten Bedenken erwiesen sich indessen gegoniiher der Schrift Worsaae’s als 
grössteutheils gegenstandslose, weil diese Schrift keine spociellen, sondern lediglich allgemeine 
Vergleiche bringt und weil sie den obenangegebenen Titel nur am Kopfe trägt, ihre einzelnen 
Seiten dagegen die Ueberschrift „Nordeuropas tidligste bebyggelse og eulturudvikling* führen. 
Gerade dieser fjh&rakter der Abhandlung W orsaae’s forderte aber unwillkürlich, sowohl zu 
ergänzenden und kritischen Bemerkungen, als zu einer etwas eingehenderen Darlegung des 
gegenwärtigen Standpunktes der osteuropäischen, gewisse Gebiete treffenden archäologischen 
Kenntnisse auf. Boi letzterer Darlegung wurdon in den nachfolgenden Blättern einerseits 
das Ostbalticum, d. h. die Region im Osten einer das Weichsel- und Torueä-Elv-Gebiet verbin- 
denden Linie, und namentlich das Balticum russischen Antheils, sowie alle früheren oder noch 
bestehenden finnischen Areale Russlands betont, anderseits alier das tymhologische oder 
Gräbermaterial besonders berücksichtigt. Aus naheliegenden Gründen der Zweckmässigkeit 
dienten, soweit es möglich war, die dänischerseits aufgestellten Culturperioden und deren 
Untorabtheilungen zum Ausgangspunkt der Betrachtungen. 



Das Steinal tcr. 

Worsaae lässt diese Culturperiode in eine ältere und jüngere Epoche, und erstem noch 
in zwei geologisch oder paläontologisch geschiedene Abschnitte zerfallen. Sein erster Ab- 
schnitt des älteren Steinaltere, d. i. die Eis- oder Mammuthzeit, entspricht etwa der diluvialen 
glacialen, und der zweite Abschnitt, d. i. die Küchenabfall- und Renthierzeit , der diluvialen 
postglacialcn Periode schwedischer Forscher, wie man sich davon in A. Erdmann's oxposd 
des form, quatern. de la Suedc, Stockholm 1868, mit Atlas, überzeugen kann. 

Fassen wir zunächst des älteren Steinalters ersten Abschnitt inB Auge. DerseJlie 
fällt nach scandinavischer Anschauung in jene Vergletscherungsperiodo, welcher das milde 
subtropische Klima der Tortiärzeit vorausgegangen war. Frankreich und England bildeten 
während der Eiszeit eine zusammenhängende, weit nach Nord reichende Halbinsel. Sund und 
Belt existirten nicht, dagegen aber vielleicht eine canalartige, dem Thale dos Finja-See entlang, 
von Osten nach Westen durch Schonen ziehende Wasser Verbindung (Erdmann, a a. O., p. 73). 



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Zur Archäologie des ßalticum und Russlands. 61 

Das arktische Meer communicirte mit dein bottnischen und finnischen Busen und der Ostsee 
überhaupt, wie aus dom Vorkommen der subfossilen Yoldia und anderer arktischen Mollusken 
erschlossen wurde. Beim allmähligen Abschmelzen der 1000 Fusg mächtigen Eisdecke, sagt 
Woran ae, drang die Cultur von Süden nach Norden vor, und musste das, was für West- 
Kuropa in Betreff des Vorriickens der Bevölkerung und Cultur von Süden nach Norden galt, 
auch fUr Russland zur Geltung kommen. 

Zu diesen Dar- und Vorstellungen von der Glacialzeit wäre zu 1 «merken , daas die An- 
sichten über dieselbe und die damalige Verbreitung des Wassers und Landes oder deren Ur- 
sache bei namhaften Geologen in mancher Beziehung auseinandergehen. Ausserdem hat bei- 
spielsweise die erwähnte Annahme oder Voraussetzung einer Verbindung der Ostsee und des 
Polarmeeres zur Diluvialzeit neuerdings dadurch an Halt verloren, dass die Anzahl muth- 
masslich arktischer subfogsiler Muscheln Scandinaviens wegen Nachweises einer Fortexistenz 
derselben in der gegenwärtigen Ostsee auf ein Minimum beschränkt wurde. Wie wenig aber 
die Bedingungen bekannt sind, unter welchen sioli die europäische Biunenfauna entwickelte, 
lehrt Unio linnattis Lam, eine Muschel, die jetzt auf Südfrankreich beschränkt ist, jedoch zur 
vorrömischen und vielleicht noch zur römischen Zeit in Deutschland (Hessen) lebte und seit 
dieser Zeit, d. i. seit etwa 2000 Jahren, von dort verschwand. Obgleich nun in Betreff solcher 
Fragen noch manches Dunkel herrscht, so lassen sich doch für die erste Besiedelung des euro- 
päischen Diluvialbodens einige allgemein gültige Sätze aufstellen. Gehen wir zunächst von 
der Thatsache aus, dass am Schluss« der Tertiärzeit und in der beginnenden Quartärzeit oder 
Diluvialperiode der grösste Theil unserer nördlichen Halbkugel mit Wasser bedeckt war, dass 
ferner Europa die Gestalt einer Insel besass, die sich von Westen nach Osten erstreckte, und 
dass sowohl Scandinavien als Schottland Inseln bildeten. Zur Zeit dieser Inselexistenz oder 
der Vergletscherung des diluvialen Landes, oder einer mehr oder weniger bedeutenden Sub- 
mersion desselben, können in dem betreffenden Areal nur solche Menschen gelebt haben, die, 
aus der subtropischen Tertiärzeit stammend, mit in die diluviale Eiszeit hinübergenommen 
wurden. Fehlte aber der Mensch während und am Schlüsse der Tertiiirperiode, so erschien 
das erste menschliche Wesen der Quartärzeit jedenfalls in einer, der diluvialen Vereisung 
nicht unterworfenen Region der nördlichen oder südlichen Halbkugel und verbreitete sich zu- 
nächst dorthin, wo ihm weder Meer noch Eis, noch andere bedeutende Hindernisse der Exi- 
stenz und Wandorbewegung entgegentraten. Die Vegetations- und Temperaturverhältnisse 
des biblischen Paradieses, oder des Gartens zu Eden, mit allerlei Bäumen, lustig anzusehen 
nnd gut zu essen und wo die Menschen unbekleidet umherwandeln konnten, stehen mit den 
wissenschaftlichen Anforderungen au einen Ursitz der Menschheit im besten Einklänge. 
Niemand wird eine solche Centralstelle dort und dann suchen, wo und als ein Vereisungspro- 
cess begann, sich steigerte und ein Maximum erreichte, weil sich unter solchen Bedingungen 
dem Kampfe ums Dasein zu grosse Schwierigkeiten entgegenstellten. Beim Bestimmen der 
Localität des Paradieses ist man theologischerseits in sofern glücklich gewesen, als dasselbe 
in eine asiatische, der Vergletscherung anscheinend nicht unterworfen gewesene Region (Abieh, 
H., Vergleichende geolog. Grundzüge, im Mdm. de l’Acad. des sc. de St. Pdtersbourg, T. VII, 
1858, S. 159. Geolog. Beobachtungen, Tiflis 1867, S. 22) verlegt wurde, doch möchte das 
armenische Hochland als Paradies — wenn man für Armenien nicht die tropischen Bodin- 



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C. Grewingk, 

gingen der Tertiärperiode gelten lassen will — zu nördlich gegriffen sein. Wenigsten» 
lehren uns die Verhältnisse der Sinai-Halbinsel, wo bereits im IV. Jahrtausend v. Chr. Kupfer 
für den Pyramidenbau gewonnen wurde, dass, selbst wenn zwischen Moses und der christlichen 
Zeit tiefgreifende klimatische Veränderungen statthatten, hier in oder vor dieser Zeit, unter dem 
30° n. Br., felsenglättende Gletscher hiuabstiegen (ü. Fraas), und dass sich dort (Wilson) eine 
armselige Bevölkerung mit bienenkorbartigen Steinhäusern und steinumkränzten Gräbern auf- 
hielt Das von Einigen als Urheimath der Menschen angesehene, weiter südlich, einst zwischen 
Afrika und Vorderindien telegene, jetzt submergirte Lemuren -Land konnte ftir die erste Exi- 
stenz des Menschen jedenfalls bessere äussere Bedingungen darbieten. Ohne Zweifel standen 
die ersten Menschen auf einer sehr niedrigen Stufe der Intelligenz, und schritt ebenso un- 
zweifelhaft die Menschheit als Ganzes in der Intelligenz vorwärts Dennoch fand im Laufe 
der anthropozoisclien Zeit hier und da ein Culturrückschritt, sowie der Untergang von Völker- 
stämmen statt. Es ist viel leichter, die Sinaiten der Eiszeit und einen grossen Theil der 
gleichzeitigen Bewohner Europas als der Fortentwickelung weniger fähige Auswanderer oder 
Flüchtlinge bewohnbarerer tropischer Regionen auzusehen, denn für fortschrit tliche Glieder der 
ganzen Menschheit zu halten. Gewiss ist der Mensch bis zu einer gewissen Grenze als kosmo- 
politisches Geschöpf zu bezeichnen, doch kann er sich dom Einflüsse bedeutenden Klima- 
wechsels nicht entziehen. So wenig der Nordeuropäer ungestraft unter Palmen wandelt, so 
gewiss verkümmert der Tropenbewohner im hohen Norden, und dürfen wir nicht die That- 
sache übersehen, dass die arktischen, wenn nicht ganz, so doch nahezu unter den Bedingungen 
einer Eiszeit lebenden Menschen beim Kampf ums Dasein wenig und jedenfalls nicht so weit 
vorgeschritten sind, wie die Vertreter gemässigter Zonen. Mit Hebung des Bodens und 
wachsender Zunahme des Festlandes, sowie mit der für Europa sich günstiger gestaltenden 
Klimazone, folgten einer ersten Einwanderung verschiedene andere. Die unfähigeren, schwä- 
cheren Einwanderer wurden von bildungsfähigeren und kräftigeren vernichtet, vertrieben oder 
amalgamirt, oder es geschah hei vertauschten Rollen das Umgekehrte. So wird man, beispiels- 
weise, die zur Mnmmnthzeit lebenden Bewohner Frankreichs nicht für eine locale Neu- 
schöpfung, sondern lur Einwanderer zu halten Indien, die durch körperliche und geistige Eigen- 
schaften dem schwäbischen Rcnthiermenschon überlegen waren. England und Schottland 
konnten, wohl schon über die Eisdecke hin, mit Thieren und Menschen, die aus Süden kamen, 
besiedelt werden, belebten sich jedoch viel leichter nach dem Aufhören ihrer Inselnatur. 

Das Mammut)], als Kennzeichen einer localen, beim Zurüekweichen der Gletscher sehr 
frühe beginnenden anthropozoisclien Periode, hat dem nördlichen und mittleren Schweden 
gefehlt und fand sich bisher auch in Schonen (bei Malmö) nur einmal ein Stosszahnfragnient 
dieses Thieres. Ebenso lieferten die Diluvinlgehildo Fmn-, Est- und Livlands nur spärliche 
uud sehr schlecht erhaltene Mammuthreste. Erst südlich vom 57.“ Br. zeigte sich am Düna- 
laufe, bei Ringmtindshof in Livland, ein wohlerlialteues linkes Femur des Rbinoceros antiqui- 
tatis Blumb. und bei Witebak im 55." Br. und 48.° L. ein beinahe vollständig erhaltenes 
Mammutbskelet, zum Bew eise, dass die bezcichneten Individuen in dieser Gegend und namentlich 
vom 57.“ Br. südwärts zweifelsohne gelebt haben. In Kurland, in den Gouvernements Kowno 
und Wilna, sowie in Norddeutschland, mit dem jüngsten Funde bei Dömitz in Mecklenburg, 
werden Mammuthreste häufiger, und gilt dasselbe für die sich im Osten an das Balticum 



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Zur Archäologie des Balticum und Russlands. 63 

schliessende Region Innerrusslands. In Sibirien, wo die Ueberreste des Mammuths am 
massenhaftesten Vorkommen, fanden sich bisher doch noch keine Anzeichen vom Zusammen- 
leben dieses Thieres und des Menschen. Auch ist im ganzen Areal Russlands noch kein 
Steinwerkzeug mit Sicherheit aus diluvialen oder älteren quartären Ablagerungen nach- 
gewiesen. Die Angabe vom Zusammen Vorkommen eines Celt aus Bronze, einer Pfeilspitze aus 
gegossenem Kupfer nebst Lanzenspitzo aus Stein, mit einem Mammuthmahlzahne und der 
Kinnlade eines Bibers in 20 Kuss Tiefe, beim Dorfe Sagorje im Gouvernement Moskau, ist 
unter Vorbehalt nufzunehmen (Verbandl. d. estn. Ges. VII, Dorpat 1871 , Hoft 1, S. 22) 
und erscheint insofern hier ohne Bedeutung, als jene Bronze- und Kupfersachen , wie später 
erörtert werden wird, jedenfalls nicht älter als die südrussischen Scythengräber sind. Herrn 
A. N. Gontschoroff zu .Samara verdanke ich die Zusendung des Schiidelfragmontes (os pa- 
rietale) eines jungen Menschen und der mit demselben, am inneren Knie des „Atruba“ genann- 
ten Wolgaarmes, beim Dorfe Chrätsclitschewka, im Kreise Stawropol, auf vier Werst Aus- 
dehnung gesammelten Reste vom Mammuth, Rhinoceros, Riesonhirseh, Ren, Bison (Bos priscus 
Boj.), Elenn, Pferd und Kamee), und haben alle diese Reste die bekannte dunkelbraune Fär- 
bung von Knochen, welche lange im Wasser lagen. Der letztere Umstand legt aber die Vcr- 
muthung nahe, dass die in Rede stehenden Menschen- und Thierknochen aus geringerer oder 
grösserer Entfernung her in die bezeichnete Bucht der Wolga zusammengefuhrt wurden lind 
sieb hier somit, wenigstens zum Theil, an secundärer Lagerstätte befanden- Ein anziehendes 
Beispiel der Möglichkeit eines Ztisammengeratliens diluvialer Thierreste und alluvialer, dem 
Eisenalter angehöriger Meuschenresto, liefert der Reisebericht des Akademikers Lepechin 
(Volist. Sammlung gelehrter Reisen in Russland. Russisch III, S. 303) vom Jahre 1768. Dieser 
Gelehrte fand 33 Werst von Simbirsk, an dem in ilie Swäga fallenden Flüsschen Birutsch, 
beim Dorfe Nagatkina, Elephanten- (resp. Mammuth-) Knochen und bemerkt dazu, dass man 
nicht nötliig habe, sie fiir sehr alt zu halten, da man 1767 beim Graben eines Brunnens am 
Birutsch, 1'/, Faden tief, ganze Haufen von Mensehonknochen ohne Särge , jedoch nebst eiser- 
nen Spieosen und anderen Waffen fand, und da doch bekannt sei, wie sich die asiatischen 
Völker beim Kampfe der Elephanten bedienten. 

Als Kennzeichen einer besonderen paläolithischeii Periode ist auch die unvollkommene 
rohe Bearbeitung der Steinwerkzeuge hingestellt worden. Dieses Kriterium wird 
indessen nur in dem Falle für die Feststellung einer diluvialen, der Mammuth- und Eiszeit 
entsprechenden, paläolithischen Epoche Werth haben, wenn solche Werkzeuge in nachweislich 
diluvialem Boden vorkamen. Dem Osthaltieum und Innern Russlands fehlt es nicht an roh 
gearbeiteten Werkzeugen des Steinalters, wohl ober, wio bereits oben bemerkt, an solchen nus 
Diluvialgebildcn. Auch ist es nicht wahrscheinlich , dass beim Sammeln der Steingeröthe 
dieses sehr aufliillige geologische Moment des Vorkommens seihst von Laien übersehen wurde, 
und haben wir somit vorläufig keine thatsächlichen Beweise der Existenz des Mammuth- oder 
Eiszeitmenschcn im Osthaltieum und in Russland, während in Mähren und Mitteldeutsch- 
land, Belgien, England und Frankreich dieselben vorhanden sind. 

Der zweite Abschnitt des älteren Steinalters oder die Renthicr- und Kjökken- 
mödd inger- Periode besass noch Worsaae ein noch immer bedeutend rauheres Klima als 
die Gegenwart. Dieser Zeitraum stimmt, wie gesagt, etwa mit der postglacialen diluvialen 



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Epoche schwedischer Geologen überein, in welcher die Ostsee ein vom Eismeer getrenntes, 
jedoch mit der Nordsee verbundenes Bocken darstellte, und die Ostsoefauna ihren arktischen 
Charakter verloren hatte, das Festland indessen noch, z. B. zwischen Malmö und Lund auf 
Schonen, hochnordische, jetzt südlich nicht über 61* Br. vordringende Birken- und Weiden- 
arten führte. 

Die Trennung einer Ren- und Manunuthperiodc beruht auf der Voraussetzung, dass diese 
Thiere nicht gleichzeitig lebten. Obgleich nun auch Beispiele aus Belgien und der Schweiz 
vorliegen (E. Dupont, l’homme pcndant les äges do la pierre dans les environs de Dinant sur 
Meuse, 2. ödit. 1872, und L. Rütimeyer, Ueber die Renthierstation von Veyrier am Saleve, 
Archiv für Anthropologie VI, 59), wo die Fauna der Renzeit von derjenigen der Mammuth- 
zeit verschieden erscheint, und wenn ferner Schuasenried in Schwallen Renreste ohne Manmmth 
brachte, so waren dagegen im Iloblefels desselben Landes in einer Schicht beide Thiere ver- 
treten und wird man im Allgemeinen vom Zusammenleben derselben auszugehun und eine locale 
bald längere bald kürzere Dauer des Rens anzunehmen haben. Sowohl schwäbische als franzö- 
sische Renthiertnenschcn jagten zur Eis- und Mammuthzeit das Ren. In dieselbe Periode 
könnte man auch jene Menschenreste bringen, die unter dem alten Pe|ieriu von Latium mit 
Renknochen, und in der Knochenbreccie des Libanon mit Reu- und Elennresten, sowie mit 
KlintHakes (Tristram, Report on the mammals of Palestina for tbe year 18ti6) angitroffen 
wurden. Im östlichen Theile SUdeuropas und namentlich in den Wolgagouvernements 
Simhirsk. Samara und Saratow fehlt es ebenfalls nicht an Beweisen eines Zusammenlebens von 
Ren, Mammuth, Rhinoceros, Elenn und Riesenhirsch und lehrt die Existenz des letzteren, dass 
bereits zur Diluvialzeit ein Tlieil der Wolgaebeiie dem Nomadenleben günstig, das heisst un- 
Iwwaldet war, weil die nach innen und aussen gebogenen Zinken das Riesenhirschgeweihes 
den Aufenthalt dieses Thieres in Waldungen wenigstens so lange nicht gestatteten, als das 
Geweih von ihm getragen wurde. In höheren Breiten Europas waren die Verhältnisse des 
Thierlebens andere. Zwischen Lappland und Schonen wurden noch keine fossilen Renraste 
gefunden und fehlen sic den Kjökkenmöddinger. Andererseits lagerten sowohl die, von Ni lsson 
einer besonderen Art zugestellten, Renraste Schonens, als die des gewöhnlichen Cervus ta- 
randus L-, in Dänemark, Schleswig, Holstein, Mecklenburg, Pommern, in der Provinz Preussen 
und im Gouvernement Kowno, vielleicht nur mit einer Ausnahme, allcsammt in Torf-, Moor- 
oder Wioscnmergelhildungen, die ohne Zweifel zumeist alluvialer Natur sind, wenn auch leider 
nur in wenigen Fällen die betreffende Torf- und Mourflora auf gewisse, ein rauheres Klima 
bedingende Hypnum-Arten untersucht wurde. In Liv-, Est- und Kurland sind nur einmal 
und zwar in Südlivland (Neu-Kaipen, Schriften d. estn. Ges., Dorpat 1857, Nr. 6, Ueber die 
frühere Existenz des Renthiers in den Ostseoprovinzen) fossile Renreste vorgekommen und 
wird man diese Provinzen mit dem grössten Theile Finlands, Schwedens und Norwegens zu 
den, während der südlichen Ren- und Mammuthzeit, Ren-freien oder sehrRen-arnieu Regionen 
zählen müssen. Eine solche Lücke im Vorkommen des Rens, sowie andererseits die durch das 
Vorhandensein des Eleuns und einer Fuchsart (ira Göteborg Län bei Uddewalla, nach Erd- 
mann, a- a. O., S. 83) bewiesene Möglichkeit einer Rcnexistenz während der schwedischen 
Glacialperiode weist aller daraufhin, dass sich das Ren sowohl von Ust nach West, als von 
Süd nach Nord verbreitet hat. Im Ren Schonens werden wir eine südliche, im kleinen Ren 



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Zur Archäologie des Balticum und Russlands. 65 

Spitzbergens und des Tschuktschenlandes, sowie im Karibu der Eskimos, nördliche Varietäten 
des älteren oder Ur-Renthiers erkennen. Das heutige sporadische Auftreten des Cervus tarandus 
im Gouvernement Nowgorod scheint eine Erscheinung neuerer Zeit zu sein, da dieses Thier 
sich doch wohl sonst besser in der Erinnerung der Esten erhalten hätte. Die allgemeine Be- 
nennung des Ren im Estnischen ist pöhja pödr, das heisst Nordelenn. Im üorpater Sprengel 
und im District Allentaken des estländischen Kreises Wierland führt es auch den Namen 
Touras oder Tobras, entsprechend dem Lit. touras und sanscr. sthuras für eine ausgestorbene 
Rindorart, deren Erinnerung sich in den Volkssagen der Esten (Kalewipoeg) im wilden Alets- 
Saerg (Waldochse) erhielt. Ausserdem lit. touras (Ur, Bos primigenius) gerieth Übrigens im letti- 
schen Liv- und Kurland auch der lit. stumbras (foüfurpoy, Bos priscus), lett. sfibrs, sumbrs, 
poln. z’ubr, nicht ganz in Vergessenheit. Die nach Poläkoff (Sapiski d. geogr. Ges. zu 
St. Petersburg, 1873 und Bericht an den Socretair der Ges.) im Kreise Kargopol des Gou- 
vernements Olonetz an der Tichmanga und Ünega mit künstlichen Feuersteinsplittern, Lanzeu- 
und Pfeilspitzen aus Feuerstein, Topfscherben, Biber-, Vögel- und Fisch-, insbesondere Hecht- 
knochen zusammen gefundenen Renreste brauchen nicht hohen Alters zu sein, da das Ren sich 
hier an der Südgrenze seines Verbreitungshezirkes befindet und die Biberexistenz auch nicht 
weit zurück zu datiren sein wird. In Livland konnte ich Biberreste in heidnischen, dem 
XVIL Jahrhundert ungehörigen Eisengräbern (Kauler-Kalns beim Dunicn Gesinde am Burt- 
necksee) und auf einer alten heidnischen Opforstätte (Uppur Kains, Opferberg) beim Sarum 
Gesinde, in der Nähe Wendens nachweisen. 

Was endlich das aus Rengeweih hergestellte vorhistorische oder heidnische Geräth 
betrifft, so hat das Ostbalticum bisher kein Exemplar und Norddcutschland vor Kurzem zum 
ersten Male bei Neu Brandenburg in Mecklenburg (Verband], d. Berliner Ges. für Anthropo- 
logie etc, 1872, Deo.) eines geliefert. Von Kjökkenmöddinger, wie sie au Seelands Nord- 
küste und am Kattegat verkommen, kann aber an der eigentlichen Ostseeküste nicht die Rede 
sein, weil die Auster, als wesentlicher Bestandtheil der Küchenabfälle, im Innern der Ostsee nicht 
gelebt hat, und diesem Wasser überhaupt, und namentlich in der Osthälfte, ein zur Anhäufung 
massenhafter Speisereste erforderlicher Molluskenreichthum abgeht und abging. Auf der 
kurischen Nehrung wurden in der Nähe schön geschliffener Feuersteiumeissel grössere Quan- 
titäten Fischreste (Steinalter der Ostseeprovinzen in Schriften d. geh estnischen Ges. IV, 
Dorpat 1805, S. 58) gefunden, die a,ber auch auf Adlcrmahlzeiten zurückgetuhrt werden könn- 
ten, während die Fischabtällo der eisenfUhrenden Wolliner Pfahlbauten durchaus nicht 
alt sind. Bei den Ruinen des 055 v. Chr. am Zusammenfluss des Bug und Dniepr, und näher 
ersterein, gegründeten Olbia beobachtete man ebenfalls Speiseabfälle vom Rind, Pferd, Hund, 
Adler (Klauen von Aquila elangn), Stör (Accipenser stellatus), Karpfen und von Cerithien 
des Schwarzen Meeres, Reste, die aber höchstens das Gründungsalter Olbias haben und nicht aus 
der Diluvialperiode stammen. 

Al» Kennzeichen des zweiten Abschnittes des älteren Steinalters hat W orsaae auch noch 
die Fertigkeit, mit der man dun Feuerstein zu schlagen, zu schärfen und ohne Anschliff zu 
Geräth zu verarbeiten verstand, aufgestellt, während v. Maack (Archiv für Anthropologie, 
HI, 1808, S. 267) die nicht geschliffenen Flintmeissei und Messer aus den Kjökkenmöddinger 
als Vertreter seines älteren neolithischen Steinalters bezeichnet. Das Moment des Feuer- 

Archiv fUr Anthropologie. IUI. VII. Heft 1 und 1. 9 



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C. Grewingk, 

steioschlagens kann aber hier selbstverständlich erst dann ins Gewicht fallen, wenn die ent- 
sprechenden Gerathe in älteren oder jüngeren Diluvialgebilden gefunden wurden. Vorkomm- 
nisse letzterer Art sind aus dem ostbaltischen und russischen Areal noch nicht bekannt, wie 
die nachfolgende Uebersicht lehrt, welche ich zum Zweck einer Kenntniss der in den beseich- 
neten Regionen bisher aufgefundenen Geräthe aus geschlagenem Flint hersetze. 

Finnland lieferte (H. J. Holmberg, Focrteekning och Afbildningar af Fintka fornlemniugar in Bidrag 
tili Finlands Natur kännedom etc., Helsingfors 1663, mit Karte und Tafeln, S. 27) an sicheren Funden nur 
vier Exemplare : einen im Sande bei Björneborg gefundenen kunstfertig gearbeiteten Dolch von der im ganzen 
Westbalticum verbreiteten Form (Nilsson, Steinalter, Fig. 66, Schonen; Madien, Antiq., Tab. 34, Fig. 2 und 
Tab.35,fig. 13 aua Dänemark; Lindenechmit, Alterth. I, Heft 7, Tab. 1, Fig. 4, Hannover; Lisch, Fr. Fr, 
Tab. 30 f. 1 u. 2, Mecklenburg); ein Messer gemeinster Form aus dem Kirchspiel Wihtis (Hol mb erg a. a. 0., 
Fig. 61 u. 68) und, als abhanden gekommene Stücke, eine Speerspitze aus dem Kirchspiel Kiide, sowie eine Pfeilspitze. 
Die sonst noch in Finnland und im Gouvernement Olonetz, mit Ausnahme seiner östlichen Kreise, gefundenen Lan- 
zen- und Pfeilspitzen bestanden ans einheimischem Kiesehichiefer oder Quarz. Kübnikoff sammelte im Kreise 
Wütegra eine Pfeilspitze und im Kreise Pudosch einen mnthmaasslicheu Bohrer aus Flint (Stein Werkzeuge, S. 25) und 
fand Herr Pol iik off (s. oben) im östlichsten Kreise desGouvernements Olonetz, Namens Kargopol, sowohl amTudo- 
sero (Tudsee) als an derTichmanga und Onuga künstliche Feuersteinsplitter, sowie Lanzen- und Pfeilspitzen aus 
Feuerstein, welcher wahrscheinlich dem dortigen anstehenden Bergkalk entstammte. Sehr bedeutend kann indessen 
die Feuersteinindnstrie hier nicht gewesen sein, da sich sonst ihre Producte in grösserer Quantität nach West 
verbreitet hätten. Est-, Liv- und Kurland lieferten unter mehreren Hunderten von Steinwerkzeugen bisher 
nnr eine Speer- und acht Pfeilspitzen aua geschlagenem Flint, ln Livland fanden sich, ausser einer Feuerstein- 
pfeilapitze, die nebst kunstvoll gearbeitetem Dioritbeil mit Schaftloch, bei Laisholm, nördlich von Dorpat (Zur 
Kenntniss der St ein Werkzeuge, in Verhandl. d. gel, pstn. Ges., Dorpat 1872, Nr. 360) angetroffen wurde, alle 
übrigen hier zu erwähnenden Stücke nur in der Hingebung des Burtnecksee , von woher beim Gute Olthof 
(Ostrominsk) bereits ein Beil mit Schaftloch und ein nndurchbohrte* Beil aus Diorit, sowie bei Ohlershof, wei- 
ter östlich, ebenfalls ein Beil mit Schaftloch aus Diorit- Porphyr und ein grosser erratischer Block mit dänischer 
Runenschrift des XL Jahrhunderts bekannt sind. Dem Eifer des Grafen C. Sievers, früheren Besitzers von 
Osthof, verdankt man die Auffindung der bezeichn eten Flintaachen. Nächst einer kleinen, aus einem Geschiebe 
hergestellten, 34 mm laugen mit Schaftzunge versehenen Pfeilspitze vom Ufer des Burineck-See, beim gleich- 
namigen Pastorat, worden in der Umgebung des zum Gute Osthof gehörigen Bauerhofea Sweineck, zwischen 
dem See und dem rechten Ufer der in ihn fallenden Ruije, nach fortgesetztem, fleisBigem Suchen sechs Pfeil- 
spitzen und eine Lanzenspitze oder Mesner gefunden. Drei der Pfeilspitzen lagen im Gartenland des Bauer- 
hofes, auf einem quadratischen Raume von etwa 120 Fuss Seite zugleich mit vier Kernstücken, einem halben 
Hundert Spanen und mehreren Hundert kleiner natürlicher Bruchstücke oder unveränderter Geschiebe des 
Feuersteins. Unter allen bearbeiteten Stücken erreichte nur das erwähnte Messer von blattartiger, rhombischer, 
doppelipitziger Form (Nilsson, Steinalter Tab. V, 80) eine Länge von 87 mm bei 31 mm grösster Breite, 
während die Maaase an drei anderen, ähnlich gestalteten Pfeilspitzen nur 27 bis 45 mm Länge, 16 bis 2«) mm 
Breite, ferner an einer dreieckigen Spitze mit einem concaven und zwei convexen Rändern, 15, 11 und 2 mm. 
sowie endlich au zwei mit Schaftzunge versehenen Spitzen bis zu 37, 13 und 7 mm betragen. Diesen Dimen- 
sionen entspricht das Maas» der grössten Kernstücke von 30, 20 und 12, Bowie das der Schlagspäne von 17 
bis 40, 5 bi« 30 und l / t bi« 9 mm Länge, Breite und Dicke und ebenso die Kleinheit der Geschiebe und natürlichen 
Bruchstücke. Letztere und die Mannigfaltigkeit des Feuerstoinmaterials, das bald gelbbraun, halbdurchsichtig 
und cbalcedonariig, bald hellgelb oder hellgrau bis milchfarben, bald bläulich und undurchsichtig, bald dunkel- 
grau und durchscheinend ist und sich an den bearbeiteten Stücken entweder in frischem oder stark ver- 
wittertem Zust-andu zeigt, stellt einerseits die einheimische Arbeit und andererseits die Einfuhr von drei der 
rhombischen Spitzen — zu welchen das Matcriul nicht dem benachbarten Areal entstammen konnte — ausser 
Zweifel. Auch ist es offenbar, dass die Hersteller und Besitzer dieser FJintsachen eine solche Fertigkeit im 
Bearbeiten und namentlich im Zähneu der .Schneiden belassen, wie sie nur dort zu erringen war, wo viel und 
frischer Feuerstein zu Gebote stand. Nicht weit vom obenerwähnten Gartenstück wurden sowohl Skelette 
nebst Topfscherben, als ein ausgehöhlter Baumstamm mit Skelet unter Steinpflaster, wie cs scheint nicht sehr 
hohen Alters, bemerkt, doch twidarf die Localität noch genauerer Untersuchung. — Als ein zweiter Punkt 
Livlands, wo ich auffällig viel kleine Feuersteinbruchstücke und ausserdem einen Dioritmeissel fand , ist eine 
sandige Uferbucht der kurischen Aa, gleich unterhalb Dubbcln bei Riga, zu bezeichnen. An beiden Locali- 
taten, Bowie in den russischen Ostseeprovinzen überhaupt, konnte es sich jedoch nur um eine nothdürftige Er- 
gänzung von eingeführten FeuerBteinwaffen handeln, da diesem Areal der anstehende Feuerstein fehlt und die 
in demselben sparsam anzut reffenden Flintgeichiebe, weil sie eben nicht frisch aus dem Muttergestein kommen, 



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II - — 



67 



Zur Archäologie des Baltieurn und Russlands. 

sich wenig zur Bearbeitung eignen. Die Angabe den Vorkommens von F euerate i ngerit h in den Gräbern des 
Ziblaberges im Kreise Ludsen des Gouvernements Witebsk (.Steinwerkzeuge a. a. 0., S. 18) neben Bronze 
und Eisen ist mit Vorsicht aufzunehmen. Aus den Gouvernements Kowno, Wilna und Minsk wurde 
bisher noch keine geschlagene Speer- oder Lanzenspitze» und aus dem Gouvernement Wilna nur ein unvollen- 
deter Meissei dieser Hcrstellungsweise (Steinwerkzeuge a. n. 0., Nr. 325) bekannt. Dass aber hier bei sorg- 
fältigerem Sammeln mehr dergleichen Material zu Tage kommen wird, geht aus manchen Andeutungen hervor. 
Die Provinz Preussen und insbesondere das Samland brachten nur wenig Pfeilspitzen aus Feuerstein und 
echte Longfläcker, die weiter in West häufiger gefunden werden. Ich erwähne hier einen Meissei von Tapiau 
an der Prcgel; ferner aus einem Grabhügel von Wiskiauten, bei Kranz im Samland, bei einem tieferliegenden 
Skelet ein rohes messcrartiges Flintstück und bei einem höher lagernden zweiten Skelet ein Meeeer aus Feuer- 
stein nebst zerbrochenem Steinbeil mit Schaflloch; dann ein Beil aus der Schloditter Waldung bei Pr. Eylau 
und das Fragment eines schneidenden Werkzeuges von Cremitten im Kreise Rastenburg des Regierungs- 
bezirkes Königsberg. Pfeilspitzen aus Stein, und wahrscheinlich aus Feuerstein, werden vom Urnenfelde bei 
Grüneiken im Kirchspiel Szabienen des Kreises Darkehnen im Regierungsbezirk Gumbinnen neben einem tym- 
bologischen Inventar von Bronze-Uelt, römischen Münzen der Jahre 138 bis 161 und 337 bis 861 n. Ohr., 
Fibeln und Pferdegebiss aus Eisen, Glasperlen etc. angegeben. Derselbe Bezirk lieferte im Arys-See bei Werder 
ein Instrument zum Schneiden aus gelbem Flint und ein ähnliches Stück aus der Nachbarschaft eines 
Steinkistengrabes mit Aschenurnen bei Arys. Bemerkenswerth ist dann noch das Umenfeld zwischen Wellen- 
berg und Braunswalde, */ 4 Meilen südlich Manenburg, in dessen oberflächlicher Culturschicht verschiedene Pfeil- 
spitzen aus Flint, acht Stcinmeissel und Hämmer, zwei Polirsteinchen und drei Mahlsteine, dann Urnen mit 
Bronzering und Eiscnfibel darin, sowie in grösserer (4 bis 5') Tiefe über einem Steinpflaster ein gut gearbeitetes 
Messer, Klammern und andere« Gerat h aus Eisen gefunden wurden. Ein roh gearbeitetes Messer oder eine 
Lanzenspitze aus schwarzem Feuerstein fand man ferner in einem Grabe mit äusserem Stein ring und Skelet, 
beim Bahnhof von Briesen unweit Graudenz im Regierungsbezirk Marienwerder. Berichtet wurde endlich noch 
für denselben Regierungsbezirk von einem roh behauenen Meisael von 14 cm Länge bei Freystadt und einem 
etwas kleineren aus dem Wieder See bei Lessen, ferner von einem Beil aus Wengorzin, einem Meissel aus 
Papau und einer Pfeilspitze von den Hügeln an der Mocker bei Thorn. In Betreff der Herkunft des Materials 
dieser ostpreussischen Flintsachen mag der schwarze Feuerstein vom Briesengrab einheimischer sein, da Flint- 
geechiebe in dieser Gegend nicht selten sind, sich jedoch ebenso wie der sogenannte todte Kalk des unteren Memel- 
gebietes und die von Livland über Kurland nach Preussen hin an Quantität allmälig zunehmenden Flintgerölle 
nicht leicht bearbeiten lassen. Ein Meissel aus altprauaischem Grabe, doch ohne genaueren Fundort, wird 
(Altpreuse. Monatsschrift IV, 671) im Gegensatz zu einem anderen Flintmeissel entsprechender Grahesherkunfl 
aufgeführt, welcher aus gebändertem oder geflammtem Flint besteht, wio er in Ostproussen nicht vorkommt 
ln» Süden der Regierungsbezirke Marien werder und Gumbinnen tritt uns aber im rechtseitigen Weichselgebiet 
Polens, wo man sich der zu Tage gehenden, fcuerateinreicben Kreidefonnation nähert, die Bearbeitung des 
Feuersteins und die ausgedehnte Benutzung desselben in viel deutlicherer und sehr lehrreicher Weise ent- 
gegen. Wir verdanken Herrn J. Przyborowski (Wyoecski archeologiczne po prawym brzegu Willy. 
Warszawa 1874) die KenntnisB der dort massenhaft vorkommenden Geräthe aus Flint. Er sammelte sie zwi- 
schen Narew und Wkra und namentlich in der Nähe des letzteren Flusses bei Lelewo, Popielzyn. Gadowo und 
Kosaew, sowie am rechten Weichselufer in der Umgebung von Ploek bei Osnica, Borowiczek, Grabow ka und Belin, 
und ebenso bei Warschau an 7 Punkten in der Nähe der Stadt, dann bei Tarohominie, Targowka etc. Hier fanden sie 
Bich überall an Begräbnissplätzen mit Deckelurnen für Asche und mit kleineren Thongefässen, welche unter kreis- 
förmigem Pflaster aus angebrannten Steinen, oder unter Stein&nbäufungen, oder ohne solche in 1 bis 2 Fass 
Tiefe Rtanden und über welchen am Friedhofe von Dotrzyma bei Warschau Thonglocken gestülpt waren. In 
der Nähe des Begräbnissplatzes hei Osnica Wurde hart an der Weichsel noch ein besonderer Verbrennung»- 
platz bemerkt. Mit Ausnahme eines Beiles aus Diorit und eines herzförmigen Stückes aus Glimmerschiefer, * 
sowie einiger Handmühlsteine, war an dem übrigen üerithe ans Stein nur der Feuerstein vertreten. Zu den 
von Herrn Przyborowski genau beschriebenen und ahgebildeten Formen finden wir die Analoga im ganzen 
ßalticum und anderwärts wieder, und zwar wie sie beispielsweise von Lisch (Friederico-Fr., Leipzig 1837, 
Tab. 27 und 19), Nilsson {Steinalter, Hamburg 1868, Tab. 8 und 5) und Lubbock (Vorgeschichtliche Zeit, 
Jena 1874, Tab. I, Fig. 81 bis 126) dargestollt wurden. Herr Przyborowski führt auf: kleine, zur Erzeu- 
gung von Risswunden mit gezähnten Schneiden versehene Pfeilspitzen von dreieckiger, gewöhnlich mit 
einer ooncaven und zwei convexen Seiten versehener Form (Nilsson, Fig. 94 bis 96), oder solche mit Schaft- 
zunge T (N i 1 »so n , Fig. 106 und 108) und nur wenige etwas längere Pfeilspitzen: ferner sehr verschieden ge- 
formte messorartige Werkzeuge mit stumpfem Rücken oder mit doppelten, geraden, schrägen oder krummen 
Schneiden und mit oder ohne Schaftzunge oder Einkerbungen zum Befestigen eine» Stieles ; dann viereckige 
oder meisseiförmige Stücke mit breiter, gerader oder schräger, oder convexer ehenflächiger oder ansge* 
höhlter Schneide, und namentlich auch die bei Nilsson (Fig. 86 und 37) als Worfgeräth bezeichneten Formen 

9 * 



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C. Grewingk, 

von Lindormabacke und von Rügen, wo sie als regelmässige Beigabe der Stein graber Vorkommen; endlich 
Kernstücke und Späne und zwar von ersteren z. 13. bei Flock 20 Exemplare und von letzteren etwa 1000 
Stück. Die Beschaffenheit des Feuersteins, die geringe, »eiten bis 95 mm betragende Lange der bearbeiteten 
und rohen Stücke, sowie das Vorkommen von Kernstücken und Schlagspänen und die neuhergesteilten, nicht 
gebrauchten, sowie die abgenutzten Gerätbe, machen es unzweifelhaft, das* hier von den Indigenen einhei- 
mische Feuersteingeschiebe bearbeitet wurden, welche aus dem feuersteinführenden Kreidemergel und der 
Schreibkreide oberhalb Warschau, jenseits des Wiepr* und namentlich am oberen Laufe dieses Flusse« an- 
stehen. Ferner passt sieh aus der Häufigkeit der kleinen Pfeilspitzen und schneidenden Werkzeuge aus Flint, 
eow’ie aus den über grössere Areale fast im Zusammenhänge ausgedehnten Begräbnissplätzcn mit solchem 
Steingeräth auf eine zahlreiche, in der Nähe grösserer Flüsse sesshafte Bevölkerung schlicsaon, die man wegen 
der äusserst seltenen, zugleich vorkommenden Culturartikel aus Metallen ins Steinalter zu setzen und beim 
Mangel aller grösseren Speer* und Dolchformen aus Flint, sowie beim Vorhandensein von ausgehöhlten Hand- 
mahlsteinen (bei Kossew und Xassielsk im Wkra-Oebiet) als friedliche, der Fischerei, Jagd und vielleicht auch 
dem Aokerbau zugethane ansehen kann. Obgleich sich diese Bevölkerung der Feuersteingerät he fast aus- 
schliesslich bediente und grosse Fertigkeit in der Bearbeitung des Flints durch Schlagen, Spalten oder plötz- 
lichen Seitendruck oder stumpfen Stoss beHaas, so deutet das Fehlen jedes angeschliffenen Feuersteinsttiekes auf 
wenig entwickelten Schönheitssinn oder auf Unkenntnis« des Schleifen«. Und doch bringen andererseits die 
Untersuchungen des Herrn Przyborowski die Beweise dafür, dass dienet Steinaltervolk in das Stadium der 
Eisenzeit zu treten anting und mit hochentwickelter fremder Cultur in Berührung kam. Unter den sieben 
alten heidnischen Begräbnissplätzen bei Warschau lieferte nämlich der von Targowka neben den Messern und 
Pfeilspitzen aus Flint auch ganz gleichgeformte Gegenstände aus Eisen. Von den drei hierher gehörigen, an 
beiden Enden gleichgestalteten Eisenmessern hatte eines von 65 mm Länge einen dicken krummen Rücken 
und entsprach genau der Form eines F’lintmcstcrs von Popielzvn an der Wiera; die beiden anderen mit un- 
ebenem Rücken waren wie von einem grösseren Stück Eiaen abgebrochen und hatten 86 bis 38 mm Länge 
bei 8 bis 9 mm Breite. Ein viertes Eisftnmeseer mit Angel ist deshalb weniger bedeutungsvoll, weil dergleichen 
Formen auch ohne F'euerstcinmuster denkbar und sehr häufig sind . während dagegen eine zwei*clmeidige 
eiserne Pfeilspitze gewissen bei Targowka vorkommenden Flintspitzen (Nüssen , Fig. 47 und 106> vollkommen 
entspricht. F^a scheint somit, als hätten die F’lintnienBchen Polens, nachdem sie das Eisen kennen gelernt, das- 
selbe zu Gegenständen verarbeitet, welche in Zweck und Form sich eng an ihr früheres F'lintgeräth schlossen. 
Jedenfalls wird im vorliegenden Falle jene Ansicht der Herren Fallmnnn undWhrigt, dass die Pfeilspitzen etc. 
aus Stein Nachahmungen von Vorbildern aus Bronze und Eisen gewesen seien, mit welchen sich arme Leute 
begnügen mussten, nicht zur Geltung kommen dürfen, und um so mehr als, entsprechend der Ableitung des 
Hammers von hatuar, Stein oder Fels, das Messer, poln. noz, russ. nosh, lett. nasis und vielleicht auch das estn. 
liuga mit dem litauischen nagis, Feuerstein, zusammenhätigt, oder mit anderen Worten letzterer hier sowohl 
das Material als die Urform und den Namen des Messer« abgegeben hat. Wenn wir aber guten Grund zur 
Annahme haben, dass die einstige Bevölkerung Polens fast direct aus dem Stein- in das Eisenalter trat, so handelt 
cs sich nun noch um die FYage. wann dieses Eisen alter für sie begann? Der Erhaltungszustand der Eisen- 
messer und Pfeilspitzen spricht an und für sich nicht für ein hohes Alter derselben, und lieferte der Be- 
gräbnissplatz von Dotrzyma bei Warschau eine Urne mit Ohrring aus feinem Bronzedraht und ein Armband 
aus Eisen, ferner ausserhalb der Urnen ein Paar verrostete Pfeilspitzen und eine F'ibel aus Eisen, sowie Röhr- 
chen und Spiralen aus Bronzeblech, dann einen silbernen Ohrring mit drei Reihen Kügelchen, wie man der- 
gleichen aus Gräbern des IX. und X. Jahrhunderts kennt, und endlich gereifte oder mit farbigen Streifen ver- 
sehene längliche Glasperlen. Leider hat die schön gearbeitete F'ibel jene wenig charakteristische Form mit 
zurück- oder aufwartsgebogenem unterem Bügelfortsatz, wie sie z. B. von Capsehten an der kurischen Küste 
bei Libau (Kruse, Necrolivonica, Dorpat 1842, Tab. 33, Fig.q und‘t), oder von einem Grabe der Margarcthcn- 
insel bei Ofen (Lindenschmit, Alterthümer heidn. Vorzeit III, Heft 2, Taf. 1, Fig. 4) oder aus Rheinhesaen 
(a. a. 0. II, Heft 7, Taf. 3, Fig. 12 bi» 14) etc. hekannt ist. Auf ein neuere» Dasein weisen auch die Gräber 
von Popielzyn an der Wkra mit Aschenumen, die 1 Fqm tief unter Pflaster mit gebrannten Steinen standen, 
mit zahlreichem Feuersteingeräth, einer Pfeilspitze und ßroche aus Eisen, sowie einem Bronzeknopf (vergl. 
Zeitschrift f. Flthnologie 1871, S. 12), der mit Silberdraht verziert war. Die Hägelchen mit Aschenurnen zwi- 
schen Grahowk» und Osnica bei Plock brachten sogar eine Urne mit silbernem Ohrring und deutscher Münze 
de* X. Jahrhunderts. Endlich Bammelte man in den Gräberstätten jener Gpgend mit den Flintaachen eine 
Nadel au» Knochen, Glasperlen und darunter eine grüne mit rosa F'leeken, Pfeilspitzen und Messer aus Eiaen, 
einen einfachen Silberring von der Art, wie 6ie in Polen mit Münzen des IX. bis XI. Jahrhunderts zusammen 
Vorkommen , ferner ahle- und stopfnadelartige Stücke und eine Haarnadel mit Knopf und Oese aus Bronze, 
sowie einen 155 mm langen Celt mit Schaftlappeu | Paalstab) aus Bronze. Nach dieser Bronzewaffe zu urtheilen, 
hat die Steinalterbcvölkerung hier bereits in der Zeit des westbaltischen Bronzealters gelebt, jedoch sehr ge- 
ringe oder so gut wie keine Beziehungen zu den Vertretern des letzteren gehabt, da sie sonst wohl kaum die 



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Zur Archäologie de« ßalticum und Russlands. 6lt 

Formen ihrer Feuersteingerät he zum Mutter der eisernen genommen hätte. — In Süden und Osten der von 
Herrn Przyhorowski untersuchten Gegenden beginnt jene« ausgedehnte Gebiet ru Tage gehender, feuerstein- 
führender, eenonischer Kreide, in welchem man über die einheimische Herkunft und Verarbeitung des Feuer- 
steins kaum in Zweifel «ein wird. Der Flint «oll z. B, auch an dem Steingerath der g all irischen Dörfer Oftrowa, 
Koshiski, Mokrowa und Doroshowa (Arbeiten d. I. arch. Congr. zu Moskau 1871, 8. 223) reichlich vertreten sein, ln 
Wolhynien fanden sich bei Jumpol Speerspitzen aus Feuerstein in einer Graburne (Steinwerkzeuge S. 20 u. 6ö) und 
ebensolche an nicht ln-sonder» gekennzeichneten Punkten bei Krzemenez etc. Podolieu lieferte Flintpfeil- und 
.Lanzenspitzen aus dem Dniestrgebiet zwischen Kamenetz-Podolsk und Mohileff (Mittheil. d. Wiener anthropol. Ges. I, 
126 und II, 80); Poltawa aus dem Kreise Solotonoshsk. beim Dorfe Prochorofka und beim Nebengute Michai- 
loff, im Sande des linken Dnieprufars (Wcstnik d. arch. Ges., Moskau 1869, S. 208 und Trudü oder Arbeiten 
d. I. Moskauer arch. Congr., 1871, S. LXYI) Pfeilspitzen aus Feuerstein und zugleich zahlreiche au« Hronzo 
sowie eine vierkantige aus Eisen. Jekatherinosiaff brachte kunstvoll hergestellte Pfeilspitzen. Messer und 
Sägen aut Flint, die sich in einem rundlichen Thongcfaase befanden und ebenda beim Schädel eines Skelettes 
zwei Lanzen- und Pfeilspitzen aus Feuerstein, ltn Gouvernement No wo tscliorkask oder dem Donschen 
Kosackenlande enthielt der Krugli Kurgan (runder Grabhügel) bei Roitoff (v. Tiesenhausen, in Comptes 
rendues de la com m. arch. de St. Petersbourg 1868) zwei Skelette mit daneben ruhenden, behauenen Feuorstein- 
splittern und durchbohrten Knochenkugeln und sind diese Koste jünger als die, tiefer als sie, in demselben 
Hügel ruhenden Gegenstände aus all griechischer, kaum vor das IV. Jahrhundert v. Ihr. zu setzender Bronze. 
Aus dem Kreise Busuluk des Gouvernement# Samara sind mir ebenfalls Pfeilspitzen und Messer au» Feuer- 
stein durch Herrn Gon ii€ bar off bekannt geworden und lieferten die Kuincn von Bulgar im Gouvernement 
Kasan (Arb. d. I. Mosk. Congr., S. LXXXV) dieselben Gerat he aus einem feuersteinähnlichcn Material der 
dortigen pennischen Formation oder Dyas, und aus echtem, der Kreide entstammendem Flint. Das (ionverne- 
ment Wladimir brachte eine Speerspitze aus Feuerstein von Murom an der Oka (Westnik der arch. Ges. zu 
Moskau, 1. Chronik, S. 9 und 14, mit Holzschnitt); Kostroma viel Pfeilspitzen vom See Xerichta; Wätka 
(nach Alabin's Bemerkungen, Wutku 1865, S. 31 bis 33, oder nach „Steinwerkzeuge“ a. a. O , S. 24 und nach 
Nowos truj eff in Arbeiten d. I. arch. Congr. zu Moskau, S. 604 und 609) Feuerstein-, Speer- und Lanzenspitzen 
aus den Kupfer, Bronze und Eisen führenden Grabhügeln von Ananjinsk bei Jelabuga an der Kama; 
Wologda und Archangel (Arb. d. 1. arch. Congr. zu Moskau, S. 332 und 361, mit Tab. Hla, f. 1 bi« 10) 
Pfeil-, Lanzenspitzen, Messer und sogar Bohrer uus Feuerstein des daselbst anstehenden Bergkalkes. und er- 
hielt sich hier die Erinnerung an den einstigen Gebrauch solcher Gegenstände bis auf den heutigen Tag. 
Dieselbe Kalkformation lieferte, wie oben erwähnt wurde, ira Kreise Kargopol des Gouvernements Olonets, 
den Feuerstein zu Lanzen- und Pfeilspitzen. 



Aus dieser Uebersicht und den zugehörigen Krörterungen ergiebt sich, dass in den 
feuer stein reichen, von der ostbaltischen Küste mehr oder weniger weit entfernten Arealen 
Russlands, das Geräth aus geschlagenem Feuerstein ein einheimisches, ziemlich allgemein be- 
nutztes Fabrikat war. Die ostbaltische Küstenregion erscheint dagegen arm an solchem Geräth, 
unter welchem nur ein Paar Stücke aus west baltischen Gebieten anstehenden Feuersteins und 
zunächst aus Schonen, Seeland und Rügen, oder aus Gebieten, die mit denselben lebhaft ver- 
kehrten, stammen. Die Einfuhr dieser Stücke erfolgte nicht in einer jüngeren diluvialen (post- 
glacialen) Renzeit, sondern in der Alluvialperiode und war somit der Verkehr zwischen West- 
und Ostbalticum damals ein sehr geringer. Sowohl die wenigen aus West kommenden Flint- 
Artikel, als ein Theil der einheimischen können einem specifischen Steinalter angehört haben, 
docli wird sich dieses Problem erst nach Heranziehung anderer, später zu berücksichtigender 
Momente, gehörig erörtern lassen. Den Beweis dafür, dass ostbaltisches und innerrussisches 
Geräth aus geschlagenem Feuerstein ausserdem sowohl während baltischer Bronzewaffen- als 
namentlich auch Eisenkenntniss in Gebrauch standen, brachten uns die aufgefuhrten Gräberfunde 
aus der Umgebung von Marienburg in Ostpreussen, dann von Grüneiken in Masuren, ferner 
von der rechten Seite des polnischen Weichsel gebiete«, sowie aus den Gouvernements Poltawa 
und Wätka. Wie aber Aehnliches auch für das Westbalticum und Umgebung Geltung hat, 
mögen die nachfolgenden Bemerkungen und einige, namentlich in die Bronzewaffenzeit ge- 



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70 



C. Grewingk, 

hörige Beispiele bekräftigen, wobei die Frage, ob die Werkzeuge aus Stein oder Metall dem- 
selben Volke oder verschiedenen Völkern angehörten, vorläufig unberücksichtigt bleibt. 

In Schweden ist, mit Ausnahme Uplands, das Zusammen Vorkommen von geschlagenen Flintartikoln und 
von Bronzogeriith (Hildebrand, heida, Zeitalter in Schweden, 1873; Montelius, Antiq. Tidskr. f. St., 
p. 173, und friin Jernaldern, p. 21) keinem Zweifel unterworfen. Hervorzuheben wären aus Skandinavien: 
ein Steinkistengrab im Kirchspiel Skifwarp (Ni 1 h so n, Dronzeultor , S. 71, 88, 143, Fig. 19) mit zwei 
Fcuersteinspeerspitzen , einem Paalstab und Schwert aus Bronze; dann das Kiwikmonument Schonens mit 
zwei Feuersteinpfeilspitzen neben Bronze; ferner zwischen Lund und Malmö Gräber mit Steinsetzung, Ske- 
letten, Bronze- und Klintsachen; iiu Baunhöi bei Wester «Agger eine grosse Steinkiste mit Skelet und 
Lanzenspifze aus Feuerstein und in etwa» höherem Horizont eine zweite Kiste mit Bronzedolchklinge. 
Auf Seeland untersuchte Wonne (Annaler for nordisk Oldkyndighed, 1838 — 1839, S. 170) bei Holböharde, 
Kirchspiel Veilby, Amt Fried rieh »bürg, zwei Hünenbetten mit Grahkammern, in welchen hei Skeletten Stein- 
geräthe, Bernstein und Eisenstücke lagen uod bringt L. Zink (Aarbüger f. 1871 = Archiv für Anthropologie 
V, Corresp. Nr. 1, 2 und 4) au» Seeland noch mehrere Beispiele vom Zusammenvorkommen von Flintgeräth 
und Bronze in Gräbern. Im Urnenfelde von Fuhlsbüttel bei Hamburg (Archiv für Anthropologie, 1873, Corresp. 
Nr. 6) fanden sich zwei kleine eiserne Sichelmesser, Fibeln aus Bronze und Nadeln aus Knochen und ein verzierter, 
bereit» einmal zerbrochener, dann wieder neu angebohrter Steinhammer ausserhalb der Urnen. Die Bronze 
enthielt in Procenten 90,8 Kupfer, 5,9 Ziun, 1,0 Eisen, 1,2 Blei und 1,1 Zink, Nickel und Cobalt. Das Museum 
zu Hannover weist sieben Pfeilspitzen aus Flint auf, die neben einem Bronzeschwert gefunden wurden und barg 
ein Grabhügel mit unterirdischen Steinkisten, bei Meppen in» Osnabrückachen (Wächter, Statistik S. 18Ö), neben 
Urnen und thönernen Götzen, auch ateineme und metallene Speerspitzen. Einige der Hünengräber (Krock- 
und Tnrndalhügel) auf der Insel Sylt, an der Westküste Schleswig», wiesen nach Ausgrabungen der Jahre 
1870 bis 1872 verbrannte und unverbrannte Menschenreste in Steinkisten auf, nebst geschlagenem Schab* 
messen Säge und angeschliffenem Meissel aus Feuerstein, kleinen und sichelförmigen Messern aus Eisen. Schwert, 
Dolch und Fibel aus Bronze (Lin donschm it, Altorth, heidn. Vorzeit, III, 3, Tafel 1), sowie Schmuck aus 
Bronze und Gold. In England ist das Zusammenvorkommen von Stein* und Bronzesachen bei unver* 
brannten Menschen resten (Oversigt for 1859, p. 109) häutig. Ein Eichenstammsarg bei Scarborough in York- 
shire (Will iamson, W., Description of theTumulu» of Gristhorpe, 1836) enthielt zwei Pfeil- und eine Lanzen» 
spitze aus Feuerstein neben Bronzedolch. Fränkische Gräber bei Namur (Berliner Ges. f. Anthrop., 1872, 
Deo. 14) lieferten roh geschlagene Feuersteinstücke neben Eisen, Bronze, Gold, Silber, Glas, Email und Bern- 
stein. Bei Körner im Gothaschen zeigte ein hoher Grabhügel im Walde Langel zwei, durch eine horizontale 
Steinplattenlage getrennte Grabstellen, von welchen die obere ein Skelet auf Eichenbrettera nebst zwei Thon- 
gefässen , Steinbeil und Bronzecelt, das untere ein Skelet nebst Pfeilspitzen aus Feuerstein barg. Unter den 
hierher gehörigen, von Klopfleisch (Archiv für Anthropologie V, Corresp. S. 78) aus Thüringen aufgeführten 
Befunden hebe ich einen Grabhügel mit gemischter Bestattun gBweiae hervor, in welchem »ich Flint- und 
Knochenpfeilspitzen neben Fibel, Ohrringen und einer reichverzierten römischen Puteru aus Bronze befanden. 
Auch die Lausitzer Kegelgräber mit Steinkiste und Aschenurnen führten (Schuster, Hcidcnsehunzen, Dresden 
1869. S. 34) steinerne (Flint-) Waffen und Geräthe in Gesellschaft von Bronzewaffen. Dasselbe gilt für die 
Gräber von Dabei etc. in Mecklenburg* Endlich hat auch die Opferstätte von Pulkau hei Eggenburg , etwa 
acht Meilen nordwestlich von Wien, jüngst (MittheiL d. Antbropol. Ges. zu Wien, 1873, Nr. 1) für jene Region 
ein freilich noch nicht ganz befriedigendes Beispiel des Zusammenvorkommens von Bronze (Gussformenl und 
Werkzeugen aus Stein und Bein, neben Uenkclurnen, Anzeichen von Todtenverbrcnnung und Resten vom 
Torfhund, der Torfkuh, einer Bospriniigcuius-Kacc. Edelhirsch, Dammhirsch, Schwein, Schaf und Ziege gebracht. 

Ich sch Hesse diese Betrachtungen mit dem Ergobniss, dass für das Ostbalticum und Russ- 
land ein älteres Stoinalter, im Sinne Worsa&e’s, weder durch materielle Zeugnisse früherer 
Cultur, noch durch geologische Kennzeichen, oder durch Combination beider Momente nach- 
zuweisen ist. Das Fehlen oder die Seltenheit der Roste höherstehender Thiere, wie M&mmuth, 
Rhinoceros, Höhlenbär, Hyäne, Ren etc., im scandin&vischen Norde» nebst Finn-, Est- und 
Livland und namentlich in den zahlreichen, aber kleinen Hohlen der devonischen Sandsteine 
Liv- und Kurlands scheint anzudeuten, dass diese Region während der Diluvialzeit auch fUr 
die Existenz des Menschen nicht sehr geeignet war. Zu einer Bestimmung dessen, wie weit 
der Schluss der Diluvialperiode im Ostbalticum zurückzudatiren ist, oder wann die Bewohn- 
barkeit dieses Areals ungefähr begonnen, lassen sich die alluvialen, aus Quellen stammenden 



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Zur Archäologie des Balticum und Russlands. 71 

Kalksinter- oder Kaiktuffabsätzc benutzen, welche in den russischen Ostseeprovinzen zu ihrer 
grössten Entwickelung in einem acht Fuas mächtigen Lager bei Lobenstein, im livländischeti 
Kirchspiel Neuhausen gelangt sind. Auf Grundlage einer Beobachtung, die zu Gotthartsberg 
in Mittellivland über das Maass oder Quantum solcher Sinterbildung während eines halben 
Säculum gemacht werden konnte, berechnet sich das Alter jenes Lobensteiner Lagers zu 5000 
Jahren. Viel Werth lege ich übrigens meiner Berechnung nicht bei, weil sie — ausser anderen 
hier nicht weiter zu verfolgenden geologischen Bedenken — für einen Zeitraum von mehreren 
Jahrtausenden gleiche genetische Bedingungen voraussetzt und weil eine locale Bildung nicht 
genügt, um den Beginn einer vielleicht viel älteren Periode in weit ausgedehntem Areal zu 
bestimmen. Dr. G. Berendt beobachtete am kurischen Haff (Geologie d. kur. Haffs, Königs- 
berg 1869) an Stellen, die nach einer, auf gewissen hypothetischen Voraussetzungen beruhenden, 
Berechnung vor 2400 Jahren 8 bis 10 Fuss höher als jetzt übor dem Wasserspiegel lagen und 
sich seit jener Zeit bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts senkten, Feuerstätten im Torf- 
moor zwischen Baumstubben, als Beweise und Spuren ältester dortiger Menschenexistenz. 
Nicht weniger schwierig und unsicher wie dergleichen Bestimmungen, erscheint die so häufig 
erörterte Lösung der Frage, ob die prähistorischen und ältesten Bewohner, oder die Ur- 
bevölkerung Europas während der Eiszeit oder im Steinalter zum finnischen Stamme gehörte 
oder nicht. Zunächst wäre zu bemerken, dass im Interesse dieser Frage damit wenig gewonnen ist, 
wenn ein tüchtiger Ethnograph, wie Fr. Müller, darauf Werth zu legen scheint, dass viele Forscher 
jenes europäische Volk (?), welches sieb der steinernen Waffen und Geräthe bediente, für einen 
Zweig der mongolischen oder hochasiatischeil Race halten. Denn wenn auch kaum daran 
gezweifelt werden kann , dass diese Baue ihre Wanderung nach West sehr frühe begann , so 
ist es doch schon eine sehr gewagte Hypothese, die Lappen und Finnen bereits vor der Ein- 
wanderung der Gelten einen grossen Theil Mitteleuropas bewohnen zu lassen und darf man 
nicht vergessen, dass zwischen der europäischen C'eltenzeit und den französischen oder 
schwäbischen Mammuth- und Renmenschen noch manches Jahrhundert oder Jahrtausend 
hegen mag. Selbst die sehr verbreitete Anschauung, dass die finnische Race sich im nörd- 
lichen Europa über Schweden und Norwegen bis nach Dänemark ausdehnte, erscheint, 
soweit sie auf Bestimmungen des mangelhaft bekannten eigentlichen finnischen Skelettypus 
beruht, als schwach begründet, und wissen wir (Antiq. Tidskr. f. Sverigo I, 278), dass auch 
in Schweden bei weitem nicht alle Schädel der Steinzeitgräber vom kurzköpfigen Lappen- 
typus sind. Wer daran Gefallen findet ein isländisches Urvolk, weil es Fena geliiessen, und 
die langköpfigen Basken, weil deren Sprache agglutinativen Bau zeigt, oder die Ligurer, weil 
sie brachj’cephal sind, zum finnischen Stamme zu stellen, mag es tliun. ln Betreff einer Reihe 
von (finnischen) Livenschädeln des IX. bis Xni. Jahrhunderts habe ich jüngst (Sitzungsber. d. 
estn. Ges., Dorpat 1874, Mai) deren starke Dolicbocephalie nachgewiesen und scheinen dem- 
selben Typus auch die von Dr. H. Schoeler gemessenen, 1 60 bis 200 Jahre alten Estenschädcl 
anzugehören. Hieraus folgt, dass man nach solchen allgemeinen Kennzeichen des Schädel- 
baues, sowohl die langköpfigen Troglodyten und Waldmenschen der Mammuth- und Renzeit, 
als andere zu derselben Schädelkategorie gehörige sehr alte Bewohner Europas ebensogut zum 
turaniachen (hier finnischen im engeren Sinne) als arischen Stamme stellen kann. Wie ge- 
wagt Worsaae's Hypothese eines nach dem Abschmelzen der europäischen Eisdecke noth- 



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72 



C. Grewingk, 

wendigerweise von Süden nach Norden erfolgenden Vorrückens der menschlichen Bevölke- 
rung sowohl im Allgemeinen als speciell für Russland ist, ging bereits aus der Einleitung 
dieses Capitels hervor. Dasselbe gilt auch von Worsaae’s Ausspruche: dass sich die primitive 
Lebensweise in den abgelegenen, versteckten Regionen des Nordens am längsten erhalten 
konnte. Denn wir verfolgen dieselbe in durchaus nicht versteckter, sondern ganz offener 
Weise und in zusammenhängender grosser und nicht allein auf den hohen Norden be- 
schränkter Ausdehnung an ausgestorbenen und lebenden Völkerstämmen bis ins heidnische 
Eisenalter und in unsere Gegenwart hinein und vermissen hier zunächst die gehörige Fähig- 
keit zum Fortachreiten oder zur Entwickelung in eigener oder fremder Cultur. 

Wenden wir uns jetzt zum jüngeren Stelnalter oder derZeit der megalithischen Denk- 
mäler und Pfahlbauten Europas. 

Die grossen Steinkammern und Ganggräber, welche uns in Frankreichs bretonischen 
Dolmen, in Englands Cromlcchs, in Dänemarks und Schonens Döss, Dössen, Dysa oder Steen- 
dysser und in Norddeutschlands Hünengräbern, Riesenbetten und Jettenstuhen (Schleswig) 
entgegentreten, findet man weder in Norwegen und im mittleren und nördlichen Schweden, 
noch in Finn-, Est-, Liv- und Kurland, noch in russisch und preussisch Litauen und Polen 
und in den übrigen Gebieten des nördlichen und mittleren Russlands. Elienso fehlt ns auch 
im Ostbalticuni an von Menschenhand aufgerichteten grossen Einzelsteinen und Steinpfeilern, 
da die finnisch-estnischen Ukko-Kiwid (Opfer- oder Donnergottsteine), Kiwi-Mal (Blocksteine) 
und Neitai-Kiwid (Jungfernsteine) riesige, von ihrem ersten quartären Lagerplatze nicht mehr 
fortbewegte erratische Blöcke sind- Boi dem Reichthum des Ostbalticmn an dergleichen 
Blöcken und deren Anhäufungen erscheint es überhaupt geiroten , sieh gegenüber den nicht 
seltenen Angaben und Vernmthungen von künstlicher Zusammenstellung solcher Steine recht 
vorsichtig zu verhalten. So wage ich nicht am Stegclu-kains (Ziegelberg) gegenüber der 
Ruine von Angermiinde, nördlich Windau in Kurland (Magazin d. lett. liter. Oes. XIV, 2, 
Mitau 1869, S. 142) dort, „wo auf der Oberfläche viel grosse Steine liegen und einer in der 
Mitte, von II Fuss Länge, wie von Menschenhänden auf kleinere Steine Hach niedergelegt ist,“ 
ein megalithisches Denkmal zu erkennen. Als östlichster „Dolmen“ (sic) ist vielleicht die 
Grabstätte bei Seefeld im Kreise Kartlmus des Regierungsbezirkes Danzig (Altpreuss. Monats- 
schrift 1873, S. 596) zu bezeichnen und würde etwa hier v. Maack » (Archiv für Anthropo- 
logie HI, 287) megalithisches Steinaltervolk (Gaelen oder Liguren) aufhören, um weiter nach 
Osten seinen cryptolithischen, der Nationalität nach noch völlig unbekannten Steinmenschen 
Platz zu machen. Sehen wir aber auch von diesen wunderlichen Anschauungen ab, so ist 
das ausgedehnte Kehlen von eigentlichen Dolmen oder Hünengräbern mit Steinbeilen und Metall- 
gerüth oder ohne dasselbe, wie sic in Dänemark, Schleswig-Holstein, Hannover, Mecklenburg 
und bis zum Weichselgebiet Vorkommen, immerhin denjenigen Archäologen in Erinnerung zu 
bringen, welche im Steinringe, den der Eskimo um sein Sommerzeit legt, und in dem Tunnel, der 
zu seiner unterirdischen Winterhütte führt, die wahren Modelle der Gräber mit Steiuringen 
und der Gangbauten erkennen wollen, und ebenso denjenigen Forschern, welche die Besiede- 
lung und Cultur Nordeuropas der von Süd nach Nord vorrückenden Eisschmelze oder zurück- 
weichenden Eismas.se folgen lassen. Obgleich somit der Dolmeueultus in den bezeichneten 
Gegenden keinen Eingang fand, so ist Worsaae doch erfreut, ihn als Beweis eines .beinahe 



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73 



Zur Archäologie des ßalticum und Russlands. 

fest angesiedelten, Ackerbau und Haustkierzucht treibenden Volksstammes* 1 , wenigstens im 
Kaukasus, dann in der Krim und bei Odessa , sowie in der Türkei und Wolhynien mit Podo- 
lien wiederzufinden. Wie weit aber Worsaae berechtigt war, aus den betreffenden Denk- 
mälern auf deren cidturhistorische und nationale Beziehungen zum europäischen resp. skandi- 
navischen Norden zu schliessen, werden wir bei nachfolgender Durchmusterung dieser Denk- 
mäler leicht ersehen. 

Zunächst berichteten P. S. Pallas (Bemerk, auf einer Reise in d. eüdl. Statthalterschaften d. russ. Reiches, 
Leipzig 1803, II, 201) und 40 Jahre später Dubois de Montpereux (Yoyaga autour du Cauca»c, Paris 
1843, T. V, 820) über einen Begrähnissplatz bei Tokluk oder am Cap Meganom in der Klimm, wo sich von 
Osten nach Westen in einer Ausdehnung von 82 Schritt, eine Reihe von 10, oberflächlich in Quadraten von 
vier Arschin, oder in Rechtecken von vier und zwei Arschin, aus Steinplatten aufgerichteten Kisten präborn 
vorfanden, unter welchen einige am südlichen Ende einen höheren Stein aufgewiesen zu haben scheinen. Eine , 
zweite, doch nur aus drei Einzelgräbern bestehende Reihe lag zwei Faden südwärts von der ersten und 
zeigten sich an ihrem östlichen Ende ein mit Steinen rund umsetzter flacher Hügel, sowie zwei Vierecke aus 
»teil aufgerichteten Steinplatten, deren eine, an der Südseite stehende, länger als die übrigen war. Aehnliche 
Gräber und ein Paar Grabsäulen von mehr als Fadenhöhe bemerkten beide Reisende (Pallas II, 278. Du- 
bois V, 40) bei Tschokrakkoi am Tamansker Busen und glaubte Pallas in dem 18 Werst davon entferntcu 
Hügel Kuuk-Oba das Monnmentum Satvri I. (407 bis 393 v. Chr.) Strabo’s zu finden. Bei Gaspra am Cap 
Limati-Burun beschreibt Dubois (a. a. O. VI, 73. pl. XXX, f. 4) dann fünf von Norden nach Süden anein- 
andergereihte, den Tokluker entsprechende pierres levees oder überirdische Kistengräber, die im Innern 7 
Fürs Länge und 8 Vs Fnsa Breite und Höhe maossen und aus einzelnen, 10 Zoll dicken Seitenplatten und einer 

1 F ns» 2 Zoll dicken, 6*/ a Fass breiten und 8 Fum langen und daher vorspringenden Deckelplatte bestanden. 
Endlich beobachtete Pallas (II, 207) bei Sudagh , Koos und Otuus Lcicbensteine aus Sandsteinplatten von 

2 Faden Höhe, */a Arschin Breite und etwas weniger Dicke, die auch als Grenzzeichen dienten, sowie auf der 
Landzunge Fanar und bei Korssun (II, 68 und 69) zahlreiche kreisförmige oder ovale, der Erdoberfläche gleiche 
Steineinfassungen von 4 bis 6 Arschin Durchmesser, die er den Chersoniten Strabo’s zustellt, während man die 
Gräber dieser Griechen und deren Nachkommen jetzt nicht weit von Sewastopol, beim erwähnten Korssun, oder 
Cherson, in unterirdischen, in den Fels gehauenen, mit Nischen für Leichen versehenen und Münzen des I. bis 
XI. Jahrhunderts n.Chr. führenden Grabkammern kennt. Von den Kistenpräbern bei Tokluk bemerkt Pallas, 
daiis sie einem wenig zahlreich vertretenen Volksstamme angehören und weder tatarisch noch jüdisch seien 
und dass die von Tschokrnk-Koi vielleicht von Tscherkessen stammen. Dubois geht weiter und vergleicht 
diese Gräber mit den von ihm am Atakum, beim Fort St. Nikolaus in Circassien (a. a. O. I, 43 und Atlas 
Serie IV, pl. XXX, f. 5 und 6) beobachteten. Er schreibt sie all stammt den Kimmeriern Strabo’s zu, die 
aus Kleinasien kommend am Dniestr und Bug und zuletzt als dänische Cimbern erscheinen. Das Gebäude 
seiner Hypothese krönt er schliesslich durch folgenden Ausspruch (a. a. 0. V, 821): „Dane le nord de TEurope 
uous a von» l’equi valent des cos monnmenU (Kimmeriern) dans les pierres levces de la Bretagne et dans le» 
Steinkisten (coflres de pierre) de Ille de Rughen et des rives de la Baltiquc. L’enceinte cireulaire en pierre 
rappelle aussi les tombes des Hildens heros lithouaniens, formte d’un tumulus ccrase ou aplati, entoure d’un 
cercle do groe blocs erratiques de granite.“ Zu den bisher aufgeführten Gräbern steht vielleicht in einiger 
Beziehung der neuerdings (Nachrichten d, ross. geogr. Ges., Bd. IX, St. Petersburg 1878, Nr. 6, S. 214) in 
der Nahe von Inkermann, heim Bau der Eisenbahn nach Sewastopol, auf dem Absätze einer Anhöhe aufge- 
deckte BegriibniRsplatz. Hier fand man Einzelgräber mit ursprünglich frei zu Tage gehenden, später ver- 
schütteten Steinkisten, in welchen von Norden nach Süden gerichtete Skelette von Erwachsenen und Kindern 
nebst Holzkohlen lagen. Die vertiealen Kisteuwände waren ans rohen Steinen der Umgegend ohne jegliches 
Biudungsraittel hergestellt und mit nicht behauenen Steinplatten zugedeckt und wie» jede Kiste gerade *o viel 
Raum auf, als zur Bergung des Todten nöthig war. Einem hier gefundenen einzelnen Schädel ohne Stirn ist 
keine besondere Bedeutung beizulegen. 

Die liier beschriebenen Gräber der Krimm erinnern äusserlich jedenfalls an Dolmen und 
Bautasteine oder Menghirs, sowie an Kistengräber und Steinsetzungen Nordeuropa«, doch 
erscheint es gewagt, ja kaum erlaubt, an eine höchst mangelhafte, «len etwaigen Gräber- 
inhalt nicht oder wenig berücksichtigende Kenntnis« «ehr bedeutungsvolle Schlüsse Uber natio- 
nale Zugehörigkeit zu knüpfen. Bei solchem Verfahren würde man z. B. die obenerwähnten, in 

Archiv für Anthropologie. Bd. VII. H<"ft 1 uud 9. }Q 



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C. Grewingk, 

den Fels gehauenen, unterirdischen Grabgemächer von Korssun hei Sewastopol , mit ihren 
unterirdischen Treppengängen, Tragpfeilern und Nischenreihen für die Todten, wenn sie uns 
ohne Inventar gegeniiberträten, leicht in Beziehung setzen können zu den etruskischen Gräbern 
von Sutri und Nepi etc. Auch ist nicht daran zu zweifeln , dass bei sehr verschiedenen 
Nationalitäten und in ausgedehnten, jedoch klimatisch und geologisch verwandten Gebieten 
gewisse einfache, kaum anders denkbare Behausungsformen sich auf über- und unterirdische 
Todtenwohnungen und Behälter übertrugen, die endlich zum Sarge führten. Worsaao 
setzt die Kistengräber der Krimm ferner noch in Beziehung zu den podolischen, im Dniestr- 
gebiete zwischen Ivamenetz-Podolsk und Mohileff befindlichen Kurjeme (Kurganen), welche 
Freiherr O. Petrino (Mittheil. d. Anthrop. Ges. in Wien I, 126) Dolmen nennt. An nor- 
dische Dolmen hat man sich endlich durch die in der Türkei, am Fusse des Balkan bei 
Tschipka — nach Angabe des dortigen Bürgermeisters — in einem Grabhügel Vorgefun- 
dene, aus Steinen aufgebaute Kammer mit Skelet, Pfeil und Bogen erinnern lassen. Mit 
demselben Rechte könnte aber auoh das von F. Ilocbstetter für ein scythischeu gehaltene, 
steinerne Denkmal im Eichonwalde zu Logowce in Podolion (a. a. O. I, 94) als Menghir oder 
Bautastein beansprucht werden. Hochstetter macht die Bemerkung, dass die Kurgane 
Südrusslands wenigstens äusserlich ganz den sogenannten Hünen- (Hunnen) oder Wenden- 
gräbern in Deutschland, den Kumanierhügeln in Ungarn, den Dolmen Südfrankreichs und 
Nordafrikas, den Antas in Spanien und Portugal, sowie den Tschudengräbern im Altai ent- 
sprechen , und hat man von anderer Seite darauf hingewiesen, dass die Hünenbetten des ßal- 
ticum den Eisengräbern der Provinz Coimbatador im englischen Hindostan (Archäologin britann. 
XXI, 1828, 1, und Keferstein, Kult. Altortli. I, 243) ähneln. Dergleichen allgemeine , mit 
wenig Arbeit und Nachdenken zu Stande kommende und daher vielfach irrige und mangel- 
hafte Parallelen dürften aber höchstens darin Werth haben, dass sie, wie bereits oben für 
cbenflöchige Bauten bemerkt wurde und hier für kegelförmige gelten würde, die Wiederkehr 
und Allgemeinheit mancher primitiver, oder entsprechende geistige Entwicklungsstudien ver- 
rathender, menschlicher Gedanken und Ausführungen beweisen, während man in den ältesten 
und neuesten überall wiederkehrenden Formen von Meisscl, Messer, Beil, Hammer etc., oder 
in der Verwerthung derselben Xaturproducte nicht einmal nöthig hat auf psychologische 
Grundprincipien zurückzugehen. Es wird auch Niemandem einfallen, darauf allein eine natio- 
uale Verwandtschaft von Verstorbenen begründen zu wollen, dass man zu Todtenbehältern 
verwerthetc hohle Baumstämme (Einbäume), sowohl bei den Vertretern de« Bronzealters in 
England (s. oben Searborougb), Jütland, Schleswig, Holstein, Mecklenburg und Böhmen, 
als bei denjenigen eines späten Eisenalters im Gouvernement Wätka — nicht weit von der 
Stadt Slobodskoj, am Gipfel de« Gorodischtsche Spassopodtschurchinsk, an der Wätka — und 
ebenso in historischer Zeit bei den Bewohnern der Steppe Berel im Altai an der Katonda 
(Comptes rendues de la Commission archeul., St. Pdterabourg 1886, XIII und XV) antritft. 

Kehren wir zu den Kistengräbern der Krimm zurück, so glaubt Worsaao »eine Ansicht 
von deren nationaler Zugehörigkeit noch dadurch bekräftigen zu können, dass 12 sichelför- 
mige, im Gouvernement Cherson gefundene Bronzemesser ihn dergestalt an Formen des 
scandinavischen Bronzealters erinnern, dass er dieselben in directe Beziehung zu den Ver- 
tretern jener Periode oder deren Vorfahren bringt. Wie wenig Grund aber Worsaae auch zu 



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Zur Archäologie des Balticum und Russlands. 

dieser Annahme hatte und wie unstatthaft es ist zu dergl. wichtigen Schlüssen auf Grund- 
lage flüchtiger Formbetrachtung und Formvergleichung eines einzelnen Artikels und ohne 
Berücksichtigung anderer Momente zu gelangen, sollen nachfolgende Erörterungen beweisen. 

Ein niedriger Grabhügel auf dem Gute Kosoreaowo im Chersonschen Krem» Bobrinetzk enthielt die er- 
wähnten Meiner und zwei doppelschneidige Beile au« Bronze oder Kupfer, wohlerhalten in Asche liegend, sowie 
ein topfartiges Gcfäs» aus rothem Sandstein. Die gegossenen, nicht eigentlich Bichel-, sondern mehr sensen- 
förmigen, auf der einen Seite glatten, auf der anderen, vom stumpfen Rücken zur Schneide, mit drei Riefen 
versehenen Messer (Sapiski der Odeasacr Ges. f. Geschichte III, 1853, S. 567 mit Tafel) schwankten in ihrem 
Gewicht zwischen */ 4 nnd % Pfund russisch und waren verschieden grosB und zwar, nach einer Bemerkung 
über ihre Verwendbarkeit zum Scalpiren, von etwa 6 bis 8 Zoll Sehnenlänge. Von den Beilen hatte das eine 
Aufwulstungen an beiden Seiten des Schaftloc 1 e«, 5 Zoll Länge, 2 Zoll Breite und 1% Pfund Gewicht, das 
andere, weniger schön gegossene, 6% Zoll Länge, 2% Zoll Breite und l*/ 6 Pfund Gewicht. Das steinerne 
Gefctas von roher Arbeit war 3% Zoll hoch und fiel nach innen in drei Stufen ab. Was jene Messer betrifft, 
so ist mir deren auffälliges, nicht zugespitztes, sondern breit abgerundetes Ende, au anderen Formeu derselben 
Art noch nicht vorgekommen. Am nächsten steht der chersonschen Form ein Exemplar aus Blödesheini in 
Rheinhesscn (Lindenschmit, Altert!», heidn. Vor», I, Heft 12, Taf. 2, Fig. 0) und folgen dann die mit 
ähnlichen Reifen versehenen Sicheln aus Italien (Lindenschmit, VaterL Alterth. zu Sigmaringen, Tab. 41, 
Fig. 2 und 3) und aus der Höhle beim Kloster Beoron mit römischen Zahlenzeichen (a. a. 0., Fig. 4 und 5), 
sowie aus den Pfahlbauten im Bieler See (Lindenschmit, Alterth. heidn. Vorz. I, Heft 12, Tab. 2, Fig. 7), 
ferner aus Böhmen (mit Gusserz zusammen), Schlesien, der Mark Brandenburg (Gusaform) und Mecklenburg 
(Lisch, Fr. Fr., S. 131, Tab. XVII, Fig. 7) und aus Schweden (Xilsson, Bronzealter I, S. 148, Fig. 41). Dabei 
wäre aller hervorzuheben, duss solche sichelförmige, gereifte Messer in Seandiuavien seltener sind, als in 
Mittel- und Südeuropa. Für .Schabmesser der Gladiatoren (strigilis, «rAryyi«) können die chersonschen Formen, 
wie geschehen, nicht gehalten werden, weil jene rinnenartig gebaut sind (Mi Hin, Mythol. Gallerie, 3. Aus- 
gal*, Berlin 1848, Tab. 133, Fig. 588; Mus. Borbon. Bd. VII, Tab. 16 von Ilerculanum, und Lindenschmit, 
Alterth. heidn. Vorz. II, Heft 4, Tal». 4, Fig. 4 bis 7, röm. Herkunft aus Mainz), doch muss man sich durch 
sie jedenfalls an entsprechende Sichclformen de« elassischen und etruskischen Alterthums erinnern lassen. Ain 
wenigsten stimmt mit den Chtnonmessorn die, bis auf das kurz umgebogene Ende, gerade, waflenartig«, 
weil am Griff mit kleinerer oder grösserer Quer- oder Parirstange versehene naqie dc-s Kronos, Vertumnus 
und Sylvan (Millin, 1. c. Tab. 1, Fig. 1; Tab. 91. Fig. 291; Tab. 116, Fig. 289 und Lindenschmit, 
Alterth. I, Heft 12, Tab. 2, Fig. 3, von Winterlingen) und nicht viel besser die verwandte, «lern These us 
auf römischen Darstellungen (Millin, Tab. 96, Fig. 386*) heigegebene und deu dakischen oder thrakischen 
Schwertern der TrajansBiule vollkommen entsprechende Form, welcher sich eine andere, schmale und 
halbkreisförmige, ältere, etruskische Sichel des Perseus (1. c. Tab. 15, Fig. 387 und 387*) anschliesst Viel 
mehr Aehnlichkeit zeigen die wahrscheinlich ältesten SicheJformen mit einem zur Schneide im Winkel 
stehenden Griffe, wie sie aus ägyptischen, phönicischen , griechischen und römischen Darstellungon bekannt 
sind und z. B. bei der Vestalin Claudia (143 v. Chr., 1. c. Tab. 12, Fig. 291) oder auf einer Münze des 
Kaisers Commodus (1. c. Tab. 28, Fig. 91) in der Darstellung des Sommert als Kind gefunden werden. Fassen 
wir aber die doppelschneidigen Bronze- oder Kupferheile des chersonschen Fundes genauer ins Auge, so 
fehlen diese Formen dem Bronzealtcr Scandinaviens ganz und erscheinen dort erst viel später als 
eiserne tapar-üxir. Dagegen finden wir sie in Ungarn (Lindenschmit, Alterthümer II, 3, Tab. 2, 
Fig. 1) und unter den »ehr alten Bronzesachen von der ägäischen Insel Thermia (Franks, l*roceedings of the 
Soc. of Antiq. London III, 437), sowie unter Dr. H. Schliem ann’ß trojanischen Alterthümcrn (Atlas, Tab. 84, 
Fig. 665) und zwar beispielsweise eine kupferne, «ehr einfache, von 176 mm Länge und 65 mm Breite, aus 
der obersten 2 Meter mächtigen Cult ursehieht. deren Beginn man in das III. Jahrhundert v. Chr. verlegen könnte. 
Die trojanischen, d. h. thrakischen einfach gebauten Beilformen aus der zweiten, 2 bis 4 Meter, oder aus 
der dritten, 7 bis 10 Meter tiefen Schicht Sch liemann’s bestehen au« Bronze mit 91 bis 96 Proc. Kupfer 
und 9 bis 4 Proc. Zinn. Sehr oft erscheint aber die doppelschneidige Form in der bekannten, bald kurz, bald lang 
gestielten ein- oder zweihändigen Hipcnni« griechischer, etruskischer und römischer Darstellungen de» Vulkan 
(Millin, 1. c. Tab. 7, Fig. 26; Tab. 36, Fig. 125; Tab. 84, Fig. 838*), des Apollo Smintheus von der Insel 
Tenedos im ägäischen Meere (1. c. Tab. 18, Fig. 59. Schaumünze des ('aracal)a, 211 bis 217 n. Chr.), des 
Orpheus auf rothfigurirter griechischer Vase des V. Jahrhunderts (Monum. ineditidell’ Instituto IX, Tab. XXX) 
mit gleichzeitiger Harpe und Bipennis; der Krieger etruskischer Vasenbilder (I. c. Tab. 137 bis Fig. 501 ***) 
und der Amazonen (l. c. Tab. 169, Fig. 595 und Tab. 161, Fig. 593), bei welchen letzteren di© Nähe Hekubns 
mit der Aschenurne darauf führen könnte, den Steintopf des Chersongrabes für einen Aschenbehälter zu 
halten. Ein entsprechende»;, doch besser gearbeitetes Gefass wurde in einem Grabhügel beim Dorfe Bo- 
jarka, im chersonschen Kreise Ananjefsk gefunden, wonach Aussicht vorhanden ist, diese Art Gräber noch 

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C. Grewingk, 

mehrfach vertreten and deren Inhalt genauer erforscht zu aehen. Vorläufig liegt ee am nächsten, in den 
chcnsotischen senaenförmigen Meaaera eine jener altgriechiachen Grundformen zu erkennen, die sich über 
ganz Europa und namentlich durch Grussgriechenland und Etrurien auch nach Skandinavien verbreiteten. 
Doch muss ich andererseits auf ein Paar anscheinend doppclschneidige, schwach gekrümmte, am Ende 
nicht spitze, sondern abgerundete und mit Andeutung einer Angel versehene Kupfermcsacr von 10 Zoll 
Sehnenlänge und 2 Zoll grösster Breite hinweisen, welche nehat Gelten und Pfeilspitzen aus Bronze oder Kupfer 
in Gräbern beim Dorfe Malaja Kaincscnka im Kreiae Busuluk des Gouvernements Samara gefunden wurden 
und in Beziehung stehen könnten zu den chersonBchen Messern. Wie später umstand lieh erörtert werden wird, ge- 
hören jene Samara-Funde zu einem grossen, asiatisch-europäische?» oder altaiach-uraliaehen alten Culturgebiete, 
welche« »ich von Ostsibirien (Gouvernement Jcnisseisk) über Westaihirien und an beiden Seiten de« Ural herab ins 
Wolga-, Don- und Dnieprgebiet verfolgen lässt und, bei Eiaenkenntniss, gekennzeichnet wird durch Verwerthung 
von Kupfer und Bronze zu eigenthümlich geformten menschlichen oder thierischen Geatalten, «o*rie zu Spiegeln, 
Dolchen, Messern, Gelten, Beilen, Hauen und Pfeilspitzen. — Sollten indessen sowohl die chersonschen Messer als 
ein neuerding« in einem Grabhügel de» Kreises Miuss in» Gouvernement Xowotscherkask gefundene» einfach 
gebautes Beil mit Schaftloch, von 2% Wcrachok Länge, l l / 4 Werschok Breite an der Schneide und s / 4 Wer- 
»chok Höh© am gelötheten runden Rücken, und ebenso gewisse Celtc aus Gräbern beim Dorfe Zurbince, im Kreise 
Swenigorod doa Gouvernements Kijeff, wirklich alte südacandinavischo Bronzeformen sein, »o müssten sie 
vor das scandinavische Bronzealtcr Worsaae’s, da« ist vor 800 v. Clir. oder in den Anfang dieser Periode 
gesetzt werden. Im Sinne Wor»aao’* könnten ferner di© tAuriscben Kiatengräber, als Vorläufer »eandi- 
navischer Steendysser, zu jenem sagenhaften Volke führen, das mit Odin und den Äsern von dem angeblich 
an der Küste des Schwarzen Meere* belegend» Asgaard durch das mittlere Russland gezogen »ein «oll. Man 
dürfte aber auch nicht viel dagegen haben, wenn Jemand jene Gräber der Krimm den Gothen des 
III. Jahrhunderts n. Chr. zustellen wollte, von deren fortge»et*ter Existenz Procop's christliche Gothi 
Tetraxitao am Kuban und an der Westseite des taurischen Bosporus bi» zum Jahre 548, dann der Bischof 
Johannes im VIII. Jahrhundert, sowie Kuhruqui« (1253), Barbaro (1436), Rusbek (1554 bi» 1564) und 
Mondorf (17C0) Zeugnis« geben, und deren ganzer Gottesdienst nach de« Letztgenannten Mittheilung in 
der Verehrung eines uralten Baume« bestand. E» muss hier indessen auch daran erinnert werden, das© die 
Altersbestimmungen der Dolmen und Dysser Schonen» und Dänemark» weit auseinander gehen. Da» bekannte 
«üdenglische Stonehenge-Monument lässt g. B. Xilsson (Ureinwohner. Bronzcalter. Nachtrag, Heft II, Ham- 
borg 1806) als Denkmal de« Baals-Cultus etwa 500 v. Chr. errichten, wahrend Fergusson (Rüde »tone mouu- 
ments, London 1872) den zum Theil römischen Ursprung desselben nachzuweisen sucht. 

Dn.s zweite* Hauptkennzeichen des jüngeren Steinalters, die Pfahlbauten, lassen wir 
hier bei Seite, weil es dem grössten Theile des Ostbalticuni ganz fehlt and weil die unter 
diesem Namen oder als Inselansiedelungen bekannten Wohnplätze im Regierungsbezirke 
Bromberg, in Posen, Pommern und Mecklenburg dem Eisenalter angehören. Als Merkmal des 
jüngeren Steinalters ist auch eine bereits recht entwickelte Ceramik hingestellt worden, wie 
sie sich in den Urnen und namentlich den Urnendeckeln des Dolmentumulus bei Stage auf 
der Insel Moen (Madsen, Antiquitds prdhistor. du Dänemark, Copenhague 1869, Tab. XVI, 
f. 4 et 6) in der gelungenen Nachbildung fossiler Kreide-Spatangen ausspricht. Etwas Aelm- 
liches fehlt dem Ostbalticuni und Russland ganz, doch haben gewisse daselbst gefundene, in 
der Folge besprochene Deckel-, Gesichts- und Stempelurnen einen besonderen Charakter und 
gehören einer viel späteren Zeit an. PolaekotTs (s. oben) zugleich mit Stein werk zeugen im 
Kreise Kargopol des Gouvernements Olonetz gesammelten Umenscherben sind in Betreff 
ihrer Ornamentik und des eigentümlichen , zu denselben verwendeten Materials noch un- 
vollkommen bekannt. 

Wenden wir uns jetzt zu einer eingehenden Betrachtung der das Steinalter vor Allem 
charakterisirenden Stein Werkzeuge, von welchen im Ostbalticuni etwa 1500 Stück be- 
kannt wurden, während in schwedischen Sammlungen (O. Montelius, Stenaldern och Brons- 
aldern, Stockholm 1872) 35,000 freilich vorherrschend aus Flint bestehende Stein gerüthe aufbe- 
wahrt werden, unter welchen 33,000 auf Götaland kommen. Als Kennzeichen des jüngeren scandi- 



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Zur Archäologie des Balticum und Russlunds. 77 

navischen Steinalters wurde zunächst die besonders kunstfertige Bearbei tu ngs weise der Stein- 
geräthe aufgestellt und zum Theil darauf bin der Gegensatz einer paläo- und neolitbisclien Periode 
— doch nicht im Sinne l)r. v. Mnack’s — begründet. Man betonte das Angescliliffen- 
sein der Geräthe aus Feuerstein, welchem aber jedenfalls das Behauen dieses Materials voran- 
ging, so dass eigentlich nicht recht ersichtlich, warum die Aneignungen der Fertigkeit des Be- 
hauens und Scbleifens in derZeit stets so weit auseinander gelegen haben sollten. Worsaae's 
Scheidung des scandinavischen Steinalters in die beiden Perioden der behauenen und ge- 
schlitTenen Feuersteine fand übrigens schon in Dänemark selbst einen Gegner anJ.Sm. Steen- 
strup. Die Seltenheit angeschliffener Werkzeuge aus Feuerstein darf im ostbaltischen Kiisten- 
Areal, wo die entsprechenden ungeschliffenen oder geschlagenen Werkzeuge selten sind und der 
anstehende Feuerstein vermisst wird, nicht autfallen, scheint sich aber, wie uns Polen lehrte, 
auch auf einen Theil der ausgedehnten senonischen, Hintreichen Gebiete Russlands zu erstrecken. 
Von engeren Beziehungen oder einem lebhafteren Verkehr zwischen westbaltiscben Feuerslein- 
schleifem zu ihren ostbaltischen Nachbaren und Zeitgenossen kann somit ebensowenig die 
Rede sein, wie 1 bei den Feuersteinschlägern. 

Finnland und das westliche Olonctz lieferten unter Hunderten gut gearbeiteter Steinwerkzenge kein ge< 
echliffenes Feuersteinstück und ebenso Liv- und Estland; Kurland zwei .Meusel {Steinalter der Ostseeprovinzen 
Nr. 15 und Nr. 125); das Gouvernement Witebsk (Arbeiten d. 1. arch. Congr. zu Moskau 1871, S. LXXIY, 
Fig. 20) einen; Wiltta (Steinwerkzeuge, Nr. 326 und 329) zwei; Kowno kein Exemplar dieser Art und die 
Provinz Preussen auch nur wenige. In den Sammlungen des geheimen Archivs nml der Gesellschaft Prussia 
zu Königsberg land ich 1865 (Steinalter d. Ostseeprov. S. 56) unter 150 Steinwerkzeugen lünf, und in Privat- 
handen acht Exemplare aus geschliffenem Feuerstein. Seit jener Zeit ist nur über 11 neue Funde berichtet 
worden, so dass jetzt 27 ostpreussische alte Flintartikel bekannt sind, von welchen 16 geschlagene Stücke 
bereits oben aufgeführt wurden. Die übrigen angeschliffenen Exemplare sind folgender sechs Meisselchen 
nebst natürlichen Flintsplittem und Heilen aus anderer Steinart, einer Figur ans Bernstein und Aschenurnen- 
seherben, hei Nidden auf der kurischen Nehrung; Fliutgerüth nebst Mosaik- und Glasperlen sowie Bronze- 
und Eisenartikeln, welche denjenigen aus Gräbern des IX. bis XII. Jahrhunderts von Äschernden in Livland 
entsprechen, von einem Begrübnissplatze mit Aschenurnen, an den Korallenbergen, südwestlich von Kositten 
auf der kurischen Nehrung; ein geschliffener Mcissel neben Hechtkiefer aus einer Mergelgruhe von Marquardt- 
Streitswalde bei Heiligenheil ; ein Messer, dessen Kücken aus Knochen und dessen Schneide aus geschliffenen 
Flinttäfelchen besteht, nebst Netzstrickhaken aus Knochen, gefunden in der Tiefe des Pr. Holländer-Canals; 
zwei Meissei von Nordenburg und Gerdaunen, ein Meissei von Grünweitschen, südöstlich von tiumhinneu. 
Weiter süd- und ostwärts sind von geschliffenem Flintgeräthe auch nur einzelne Exemplare aus den Gouver- 
nements Minsk und ßrodno und zwei aus dem Gouvernement Kijeff bekannt, dagegen mehrere aus den Gou- 
vernements Wolhynien, Podolien, Kasan, Kasan, Wladimir, Kostroma, Wologda und Wiitka. 

An dem nicht aus Flint bestellenden Material der Steinwerkzeuge des Ostbalticum und 
Russlands ist das Angeschliffensein die gewöhnliche, selten vermisste Erscheinung. Ein zum 
Anschlcifen dienender ausgehöhlter Schleifstein aus Granit wurde im Beischwitzer Walde bei 
Rosenberg im Kreise Heilijenbeil des Regierungsbezirkes Königsberg in einem an Steinwerk- 
zeugen reichen Areal gefunden. Dann ergrub man bei Petrolin im Kreise Borissow des Gou- 
vernements Minsk (Steinwerkzeuge, Nr. 352) einen solchen Schleifstein und erwähnt Polaekoff 
(a. a. O.) vom Tudsee, im Kreise Kargopol des Gouvernements Olonetz, neben Beilen aus Kiesel- 
schiefer sowohl Fragmente flacher Steine, auf welchen Werkzeuge geschliffen wurden, als Steine 
zum Behauen der Steingeräthe, entsprechend denjenigen in Nilsson's Steinalter, Tab.I. Die 
Schaftlöcher wurden meist mit hohlen metallenen Bohrcylindem von 1 mm Wandungsdicke (Stein- 
werkzeuge, Taf. I, Fig. 12) getrieben, und spricht fUr die Existenz solcher Instrumente, ausser 
problematischen Rostspuren, namentlich ein von Weissig bei Camenz, im Kreise Bautzen der 



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C. Grewingk, 

Oberlausite Sachsens, stammender, wahrscheinlich wendischer Bohrcylinder (Klemm, Germ. 
Altertlmmsk., 183G, S. 159) aus Bronze. Die Bohrung erfolgte unter Drehung und gewöhnlich 
von zwei Seiten her, da die Wände der Schaftlöeher häufig kreisförmig gereift sind und sich 
beiderseits nach innen verjüngen. Beile, die in der Gegend des Schaftloches barsten, wurden 
dergestalt umgearbeitet, dass diese Gegend nun die Bahn oder den Rücken eines kürzeren 
Beiles mit neugebohrtem Schaftloch abgab. An einigen unvollendeten Beilen ersieht man 
(Steinalter, Nr. 52 d.), dass die Durchbohrung des Sclmftloches auch mit einem massiven Stempel 
oder auf andere, jedoch unvollkommenere Weise, bewerkstelligt wurde. Ein bohrerartiges 
Instrument aus Feuerstein sammelte Rtibnikoff (s. oben) im Kreise Pudosch des Gouverne- 
ments Olonetz. In Betreff der aus Stein hergestellteu Formen verräth sich ein hoher Grad 
von Kunstfertigkeit und Geschmack namentlich an mehreren ostbaltischen Beilen mit Schaft- 
loch, die, obgleich an weit von einander entfernten Punkten, wie zu Lihhola in Nord-Estland, 
auf den Inseln Uoon und Oesel (Carmel), daun bei Laisholm in Nordlivland und zu Boczijkowie im 
Kreise Lepel des Gouvernements Witebsk gesammelt (Steinwerkzeuge, S. 31), doch wie nach einem 
Muster angefertigt zu sein scheinen. Ausgezeichnet ist auch ein Dioritbeil mit Schaftloch aus dem 
Kirchspiel Letala in Finnland (Holmberg, 1. c. S. 28, Fig. 64), dessen Form fast genau wieder- 
kehrt an einem Exemplar aus Basalt von Hurfva (Nilsson, Steinalter, Fig. 178) und an 
einem anderen (Kemble, horae fer., PI. III, Fig. 11) aus Mecklenburg. Im Uebrigen brachte das 
Ostbnlticum einfache und Hohlmeissel, dann Beile mit Sehaftloch in sehr mannigfachen, Blatt 
und Bahnseite treffenden Abänderungen, worunter doppelschneidige und Spitzheile selten 
sind, ferner durchbohrte Scheiben und Kugeln, sowie endlich auch Ringe, kurz Geräthe, die 
aHesammt (vergl. die beiden Tafeln znm Steinaltcr der Ostseeprovinzen 1865 und eine dritte zur 
Abhandlung: Steinwerkzeuge des Ostbalticum 1871) keine absonderlichen Formen aufweisen. 
Die am kunstvollsten gearbeiteten Steinwerkzeuge lehrte der Kreis Petrosawodsk des Gouverne- 
ments Olonetz in zwei Beilen mit Schaftloch kennen, deren Riickentbeile einen Bären (Exem- 
plar aus dem Bezirke Koshsk) und einen Elcnnkopf (beim Dorfe Podosero gefunden) darstellen, 
und an einige Bronze-Hauen der Gräber von Ananjina bei Jelabuga im Gouvernement Wätka 
erinnern. 

Das zu dem Steingeräth verwendete Material bilden zunächst die nicht sehr harten, 
das heisst die Härte des Feldspathes nicht übersteigenden, doch ausserordentlich zähen Grün- 
steine (Diorit und Diabas) sowie die verwandten Diorit-, Diabas- und Uralitporphyre, dann 
folgen verschiedene Schieferarten, während unter 365 Nummern nur 15 Sienit, Granit und 
Gneiss aufweisen. Alle diese Gebirgsarten sind in Geschieben der nördlichen Hälfte Russ- 
lands und in Ostpreussen vertreten. Serpentin und Nephrit fehlte ganz. Der Feuerstein 
wurde bereits besonders abgehandelt. 

Die Herkunft anlangend willWorsaae die kunstvoll gearbeiteten, nicht aus Flint her- 
gestellten Steinwerkzeuge des Ostbalticum aus Seandiuavien kommen lnsscn. Es veranlasst« 
ihn hierzu wahrscheinlich die Aehnlichkeit einiger Stücke beider Areale und Holmberg’s 
Behauptung, dass unter 28 gefällig geformten alten Steinwerkzeugen Finnlands, die aus 
wellenförmig strahligem Sienit bestehenden eingefuhrt sind, weil dieses Gestein in Finn- 
land nicht anstehend vorkommt. Die Behauptung Holmberg’s erscheint aber mangelhaft 
begründet, weil sowohl das Vorhandensein solcher finnländiscbeti Sienitgeschiebe, als eine 



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Zur Archäologie des ßaltieum und Russlands. 79 

Herkunft der bezieblichen Geräthe aus Ost, wo namentlich die Gouvernements Olonetz, Arch- 
angel und Wologda, wie bemerkt wurde, sehr kunstfertig gearbeitete Stein Werkzeuge lieferten, 
möglich und sogar wahrscheinlich ist. Einige geschmackvoll geformte, mit Schaftloch ver- 
sehene Beile Liv-, Est- und Kurlands, wiesen freilich auch einen anscheinend aus West in- 
geführten Nadelporphyr auf, «loch ist in dem Steingeräthe dieser Provinzen der wellenförmig 
strahlige Sienit Holmberg's nicht vertreten. Jedenfalls haben — wie bereits am Flintgeräth 
gezeigt wurde — die wenigen, vielleicht aus dem Westbalticum eingeflihrten Steinwerkzeuge nur 
geringe Bedeutung gegenüber den im üstbalticura und Russland selbst angefertigten. Als 
Zeugen oder Beweise einheimischer Arbeit und zum Theil auch des Arbeitsortes dienen 
insbesondere die, bei Herstellung der Beil-Schaftlöcher mit Bohrcy lindern , berausfallenden 
Stucke und ebenso die, in Bearbeitung oder Umarbeitung begriffenen Steingeräthe. Von den 
hcraiisgebohrten, früher irriger Weise für Bohrstempel gehaltenen Stücken sind im Osthalticum 
bereits 1 3 Exemplare bekannt, nämlich von der Insel Oesel (Gut Käset) und von Kabillen bei 
Goldingen in Kurland je eines; von Äschernden an der Düna und im Kirchspiel Lassen der kur- 
ländischen Oberhauptmannschaft Illuxt je zwei; von den Dörfern Rubieza uml Nowosielce 
des Gutes Warnowicz im Kirchspiel Ueberlauz Ostkurlands vier; von Kreszlaw sin der I)Una, 
im Kreise Dünaburg, des Gouvernements Witebsk eins und endlich aus «lein Kreise Boriasow 
des Gouvernements Minsk zwei. Unvollendete Steinbeile (Steinwerkzeuge Fig. 8 bis 12) 
sammelte man in Ostkurland (Laasen) sowie in den Gouvernement« Wilna (Li«la) und Minsk 
(Borissow). Werkstätten für Steingeräthe, wie deren noch jüngst eine von Eckernförde (Berlin. 
Ges. f. Antlir. 1872, Juli 13) besprochen wurde und wie man sie lür Flintwerkzeuge aus Däne- 
mark, Rügen und Mecklenburg kennt, sind (s. oben) im ostbaltischen Küstenareal, am Burtneck- 
See in Livland, für eingewanderte, und in Polen bei Plock, Warschau sowie im Narew- un«l 
Wkra-Gebiet, für einheimische Feuersteinschläger angezeigt Da aber die meisten der ost- 
baltischen nnd innerrussischen alten Werkzeuge aus Stein einheimische Fabrikate sind , so 
werden die oben aufgefUhrten, obgleich auch in anderen benachbarten Ländern vorkommenden 
Gebirgsarten oder Materialien derselben, für inländische zu halten sein. Selbstverständlich 
suchte man behufs Anfertigung eines Stein werk Zeuges zunächst nach Geschieben, deren 
Form dem herzustellofiden Gegenstände möglichst entsprach. 

In Betreff des Zweckes der hier in Rcdo stehenden Steingeräthe des Osthalticum und 
Russlands hat es den Anschein, als seien viele der Meissei und durchbohrten Beile nicht gerade 
zum täglichen Gobranch bestimmt gewesen. Beim Ackerbau waren sie im geschiebe- 
reichen Boden nicht zu verwerthen. Dann fand inan ihre Schneiden oft scharf und unversehrt 
und wurden sie nicht selten erst nach dem Auffinden beschädigt. Ferner erscheint die Schärfe 
der Schneiden gewöhnlich an einem dutmen, gleichsam ursprünglichen, und nicht an einem 
verkürzten und verdickten, d. h. bei anhaltender Benutzung mehrmals zugeschlifienem Blatte. 
Endlich fällt es nicht wenig auf, warum, wenn die zahlreich vorkoinineudeu Meissei, Beile und 
Hämmer aus Stein als Alltagsgoräth gedient halten , neben ihnen so wenig andere, z. B. 
messerartige Instrumente oder Lanzen und Pfeilspitzen gefunden wurden, zu deren Herstel- 
lung in fiintarinen Gebieten die einheimischen quarzreichen Schiefer ein ganz gutes Material 
abgaben, das als solches — wie die Lanzonspitzen aus Gräbern bei .Marienburg und einiges 
Geräth aus Finnland uml Olonetz beweisen — wohl bekannt war. Ebenso vermisst man 



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SO C. Grewingk, 

aber auch neben den obigen Steinwerkzeugen jene« primitive Geriith aus Horn und Knochen, 
zu welchem das Material kaum irgendwo fehlte und zu dessen Bearbeitung, wie Einige meinen, 
die steinernen Instrumente besonders dienten. 

Dieser Mangel »« Gegenständen au» Knochen überrascht namentlich bei uml neben dem halben Tausend, von den 
Herren Kuckzinski, Üutenjeff, Uübnikoff und Tüschinski (Arb. d. i. arch. Congr. zu Moskau 1871, 
S. LXXXIV, 184 bit 186 und 232) in den Gouvernement» Witebsk, Olonetz und Archaoge), gesammelten Meisselu 
und Beilen aus Stein. Besonderes Interesse erwecken daher die von J. S. Polak off (s. ölten) an der Tick- 
manga im Kreise Kargopol des Gouvernement« Olonetz, neben Feuersteinsplittorn, Topfscherben und Resten 
vom Reh, Biber uud von Vögeln und Fischen (insbesondere Zierratken aus Hechtwirbeln) gefundene Harpune aus 
Knochen mit Oebr zum Befestigen eines Stricke*. Ira Ostbalticum russischen Antheil* ist mir bisher nur ein 
Knochendolch von Asuppen im Abau-Gebiet Kurlands und ein behauenes, waffenartigeB Knochenstück aus 
einem Grab« beim Dorfe Uzänü (Gräber Litauens, S. 145) im Kreise Wilkomir des Gouvernement Kowno 
bekannt. In der Provinz Preusaen wurde dagegen Geräth aus Knochen, Zähnen und Elenn- oder Hirsch- 
geweih einige Male gefunden. Ausser dem erwähnten Messer und Netzstrickkaken des Pr. Holländer-Canal» 
lieferte ein Grabhügel von Wiskiauten bei Kranz in Samland, neben Skeletten mit Flintmesser eine Nadel 
aus Horn uud ein kunstvoll aus Knochen gearbeitetes Gurtende, und werden ferner aus den Gräbern bei Ma- 
rienburg (Altpr. Monatsschrift. X, 72) Strick- und Bohraadeln neben Lanzenspitzen aus Schiefer angegeben. 
Aus polnischen Flintgrübern lernten wir nur eine Knochennadel von Plock keimen. Was aber das Gouver- 
nement Wätka an Geräthen aus Bein lieferte, scheint ziemlich neuen Ursprungs zu sein. Hier fand man 
nämlich an der Pishma, in Erdwällen mit Brandstätten, AsclienJagen und Topfacherben, einen King aus 
Kupfer und viele Gegenstände aus Knochen, wie geschnitzte Idole und Figuren mit Flügeln und Speer- 
und Pfeilspitzen, Meissei, Schnallen uud Nadeln mit und ohne Oehr, die wahrtch ein lieb zum Tlieil aus 
Ilengeweih bestanden , da man in ihrer Gesellschaft auch ein behauenes Stück Rengeweih ergrub. Ein 
Burgberg (GorodiBchtsche) an der Nemda, beim Einfall derselben in die erwähnte Pishma, enthielt ferner 
(Alabin, Bemerkungen über einige Alterthümer des Lande* Wätka. rusiisch 1860) Speer- und Pfeilspitzen, Halter 
uud Platten aus Knochen, kreisrunde Scheiben aus Stein, Schleifsteine, blaue Glasperlen, Schmuck aus Kupfer 
und Bronze, Messer aus Eisen sowie Platten und Figuren aus (?) Zinn. Es hat fast den Anschein, als hätten 
wir hier die Vorläufer der heut zu Tage in den Kreisen Schenkursk und Cholinogorü des Gouvernement* 
Archangel recht entwickelten und verbreiteten Industrie der Knochen-, Geweih- und Wallross- oder Mammuth- 
zahnbearbeitung. 

Die Vcrwerthung der Steingeräthe zu Waffen war eine beschränkte. Die Beile mit 
meist schlecht centrirten, nicht im Schwerpunkt befindlichen Schaftloch konnten nicht als 
Wurfbeile dienen, und dürfen die sehr zierlichen oder am Rücken mit Thierdarstelluugen 
versehenen Beile kaum Für Streitäxte, sondern eher Für Segesten oder Zeichen kriegerischer 
und pries terlicher Würde gehalten werden. Die weberechifflormigen Steine (Steinalter f. 23 
und 24, und Gräber Litauens in Verhdlg. d. gel. estn. Ges. VII, Heft 1 u. 2, S. 203) gehören, 
wie die Dobelsberger Waffenniederlage im Kirchspiel Autz Kurlands, mit etwa 60 Exemplaren 
derselben bei 700 Waffenstücken, bewiesen hat, nicht ins Steinalter, sondern in ein recht 
spätes Eisenalter und dienten dem Krieger zum Schärfen seiner Beile, Lanzen und Schwerter. 
DaFiir aber, dass die Steinbeile des Ostbalticum doch auch als Waffen benutzt wurden, sprechen 
sowohl ihre Fundörter als Ueberlieferungen. So geht bei den Letten Kurlands die Sage (Mag. 
d. lettischen lit Ges. XIV, Stück II, 37), dass auf dem Sparenberge im Doblenscben (s. weiter 
unten) mit Steinhämmern Krieg geFiihrt (ar akminu ämarim) worden sei. Dann berichtet 
Cap. XV. der Inglinga-Sage, wie die Eistir (Esten) mit des Wassers Herz, d. i. mit Steinen oder 
steinernen Waffen, die Schweden unter König Ingwar in Eistland, wo es „al Steini* heisst, 
schlugen, einem Punkte, den man an der Strandwiek Estlands (Steinalter S. 74) und am wahr- 
scheinlichsten bei der Röthelkirche am Tubbri Mäggi (Berg) zu suchen hat Endlich besteht 
auch bei den Lappen (Castren, Reiseerinnerungen S. 90) die Sage, dass sie einst in Feind- 



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Zur Archäologie des Balticum und Russlands. 81 

schuft gelebt hätten mit einem Volke „Kivikäet“, d. h. Leuten, die Steinwatten führten. Von 
Fundörtern der Steinbeile, die für Verwerthung derselben zu Waffen sprechen, erwähne ich 
folgende : 

Auf der Insel Oese] das Sehlachtfeld bei Carmel vom Jahre 1206, wo auch ein Bronzedolch (Holzmayer. 
Kriegswesen der alten Oeseier. Arenshurg 1867, S. 9) vorkam und der Burgberg von Prüde ; in Estland: 
der Kampfplatz von Assamala bei Borkholm im Kreise Wierland, an welchem jcdinfalla erat nach dem X. Jahr- 
hundert gekämpft wurde; in Li vland: der Versammlungsplatz und Burgberg Tilliorra den Gutes tVarbue im Kirch- 
spiel Polwo dos Kreises Werro; der Pilskalnn (Schloasberg. Burgberg) bei Praulen im Kirchspiel Las (lohn des Kreises 
Wenden; dioRuino von Stockmannshof an der Düna im Kirchspiel Kokenhusen, wu früher ein Burgberg oder eine 
Bauerfeste; das Schloss Ascheraden an der Düna, in derselben Gegend; in Kurland: der Pilskains oder Schanzen- 
berg am Sparensee, zum Gute Xeu Sessau im Kirchspiel Doblen gehörig ; der Stuppelborg, ein aufgeworfener Hügel 
bei Ilse n berg im Kirchspiel Nerfl, wo auch Feuersteinsplitter mit Silber daran (Steinwerkzeuge Nro. 206) und 
Sachen ans Eisen und Bronze gefunden wurden; im Gouvernement Kowno: derPilskalns bei Popiläny an der 
Windau; das Gut Rumänny, unterhalb Kowno, wo einst das Haupt-Remorc Shemaiteua (Blau. Gräber S. 83) stand; 
der heidnische Opferplatz von Alezoten bei Kowno; der Burgberg bei l'zäni im Kreise Wilkomir, wo im 
Xn. Jahrhundert die Burg Utens erbaut sein soll; im Gouvernement Wilna: bei Kernow an der Wilia, 
einem muth männlichen Kriwensitzc und bei Wilna seihst; im Gouvernement Minsk: heim Uorodischtscbe 
(Burgberg) des Dorfes Dziedzitowize im Kreiso Borisaow. Aus Ostpreussen iat mir mit der speeiellen An- 
gabe des Vorkommens au einer Heidenschanze nur der Steinhammer von Ziegcnherg bekannt, doch werden 
sich jedenfalls dort mehrere dergleichen Fundörter nachweisen lassen. 

Wenn wir somit ersehen haben, dass von den genauer bekannten ostbaltischen Stein- 
geräthen nur ein Theil als Werkzeuge und Waffen verwerthet wurde, so liegt es nahe, 
einen anderen und vielleicht nicht «len geringsten Theil, in den Dienst des heidnischen 
Cultus zu stellen und namentlich dem Tödtcn und Zurichten der Opferthiere geweiht sein 
zu lassen. Es ist bekannt, und habe ich bereits an anderer Stelle (Steinwerkzeuge S, 40 ff.) 
specieller dargelegt, welche Bedeutung gewisse Steingerätlie bei Indern, Aegyptem, Römern, 
Oermanen und Scandiuaviern batten and wie dieselben namentlich beim Opfercultus der 
Aegypter, Phöuicier (Punier) und Römer zur Verwendung kamen. Dasselbe lehren uns für die 
litauischen , slavischen und finnischen Völker sowohl die Benennungen der Steinwerkzeuge 
(a. a- O. S. 42) als der Werth, weichen man den Steinbeilen als segenbringenden und heil- 
kräftigen Gegenständen noch heut zu Tage beilegt. Namentlich ersieht man aus den Be- 
nennungen, mit deren Beziehungen zum Donner und Blitz und den betreffenden Gottheiten, 
dass die Steinwerkzeuge im Geruch der Heiligkeit standen und stehen. Von der Existenz 
der Opferbeile bei den Litauern, resp. Shemaifern, erfahrt man noch bei Gelegenheit der 
Einnahme der Holzburg Pillenen (Gräber Litauens, S. 68) durch Ordensritter im Jahre 1339, 
da während derselben mehr als 100 der Belagerten ihre Häupter dem Opferbeil einer alten 
Priesterin (Waidelotiu) darbioten, die sich selbst den Todesstoss giebt, als der Feind in die 
Burg dringt. Endlich lehrten die obenaufgeführten Fundörter der Steinwerkzeuge nicht 
allein ein Paar muthmaasliche Opferplätze kennen, sondern dienten ja die meisten, zur Ab- 
wehr des Feindes besonders geeigneten, unter den Namen Burg-, Schanzen- oder Bauerberge 
bekannten Zufluchtsörter der oben bezeiebneten Völker auch als Versammlung!?- und Opfer- 
plätze. Gegen die Ansicht einer Verwerthung der Steinwerkzeuge als Cultusgeräth und als 
Beweis einer sehr niedrigen Culturstufe der ostbaltischen Indigenen liesse sich auf das 
seltene Vorkommen von Steinbeilen in Gräbern liinweisen. Doch ist es einerseits leicht 
möglich, dass beim Modus der Todtenverbrennung, das Vertrauen auf eine unkörperliche, 
geistige Unsterblichkeit so gross war, dass man — wie ein Theil der ostbaltischen nur Asche 

Archiv für Anthropologie, lid. VII. Heft 1 und 2. j| 



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82 



C. Grewingk, 

und keino Cnlturgegenstände enthaltenden Gräber lehrt — auf diese Bei gäbe der Hinterlassen, 
schal't keinen Werth legte, oder dass, wo die .Steinbeile neben anderem Geräth fehlen, 
der Stein als unveränderliches und unverbrennliches Material dem Todten nicht ins Grab 
folgte, oder endlich, dass ein Werkzeug, welches dazu bestimmt war, den geweihten Tod oder 
Uebergang in ein besseres Leben zu vermitteln , nur göttlichen Zwecken auf Erden diente, 
und, behufs weiterer Erfüllung dieser heiligen Aufgabe, im Diesseit bleiben musste. Wenn im 
frühesten Steinalter die Steinwerkzeuge einen so hohen Werth haben mochten, dass der rohe 
Naturmensch sie nicht den Todten ins Grab mitgab, so mussten die Gründe für dieselbe Er- 
scheinung bei den Vertretern einer hoch entwickelten, die Kenntnis« von Metallen involviren- 
den .Steinbeiltechnik besondere gewesen sein. Da es aber nicht wahrscheinlich ist, dass sich 
die meisten Besitzer ostbaltischer Steinwerkzeuge um ihre Todten gar nicht weiter gekümmert 
haben sollten, so lässt sich auch noch die Vermuthung aussprechen, dass die vereinzelt und 
nicht an Burgbergen etc. gefundenen Steingeräthe zu überirdisohcn Holzkisten-Grä- 
bern gehörten, welche zur längeren Erhaltung von Menschenresten, Thon gofässen und Cultur- 
sachen aus Holz, Knochen, Eisen oder Bronze wenig geeignet waren. Dergleichen, aus 
Holzscheiten hergestellte, in den Eugen mit Birkenrinde ausgekleidete und gehörig an den 
Boden befestigt« Todtenkisten traf ich 1848 bei den nomadisirenden Samojeden der Kanin- 
Tundra vereinzelt, doch nicht gar selten an und findet sich diese Beetattungsweise, sowie das 
Aufbewahren der Verstorbenen auf Bäumen, bei mehreren sibirischen Stämmen. 

Wir sind nun so weit gelangt, um an den Versuch einer Bestimmung des Alters der in 
Rode stehenden Steinwerkzeuge gehen zu können. Bewiesen wurde die Möglichkeit der 
Menschenexistenz und somit auch der .Steinwerkzeuge in einer frühen alluvialen, durch Ren, 
Bison und Ur gekennzeichneten Periode namentlich derjenigen ostba) tischen und daran gren- 
zenden Gebiete, wo diese Thiere jetzt nicht mehr lelien. Der Versuch, ein Zeiten aa-xs für das 
Alter der Alluvialperiode zu finden, ergab, dass das finnisch-litauische Osthalticum vor 5000 
Jahren ohne Zweifel bewohnbar war. Zu erinnern ist ferner liier wie beim älteren Steinalter 
daran, dass die schlechte oder gute Bearbeitung, oder das Behauen, Anschleifon und Durch- 
bohren der Stein Werkzeuge an und für sich und ohne andere Momente nicht als Beweise einer 
in der Zeit weit auseinander liegenden Herstellung derselben dienen dürfen. Das Einzel vorkommen 
von Steingeräthcn in grösserer Tiefe alluvialen Bodens, oder, wie wir gesehen, das Zusammen- 
vorkommen derselben mit Resten des local ausgestorbenen Bibers, oder selbst von Haus- 
thieren (im Gouvernement Kostroma, Mortillet, Materiaux pour l’hist. de l'homme II, 558), oder 
ihr stärkerer Zersetzungszustand könnten in der That leicht dazu verleiten, dergleichen 
Exemplare, beim Fehlen von Anzeichen einer gleichzeitigen Metallkenntniss, in die beginnende 
Alluvialzeit oder in ein specifisches Steinalter zn setzen, doch fehlt es bei solchem Verfahren 
jedenfalls an der rechten wissenschaftlichen Begründung. Mehr und bessere Anhaltspunkte 
für die relative und absolute Altersbestimmung der Steingeräthe bietet dagegen ihr Vorkommen 
in Gräbern, als den am besten gekennzeichneten Stellen, oder, ausserhalb derselben, in 
unzweifelhafter Zusammengehörigkeit mit beliebigen Culturproducten. 

Muthmaasslich höheren Alters und, weil ohne begleitendes Metallgeräth, vielleicht dem 
specifischen oder ungemischten Steinalter angehörig, sind folgende, in dem uns zum Vor- 
wurf dienenden grossenAreal bisher bekannte Steinwerkzeuge aus Gräbern mit verbrannten 



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83 



Zur Archäologie des Balticum und Russlands. 

oder unverbrannten Mensel lenresten, oder auch solche, die mit unbestatteten Menschenknochen 
zusammen gefunden wurden* 

Aua der Provinz I’reussen: auf der kurischen Nehrung, nördlich von Schwarzort, ein Steinbeil und 
Aschouurne an einer Grabstelle mit Steinkreit sowie bei Nidden (s. o.) geschliffene Flintmeiaael nebst Bernstein* 
figur und Aachen urnenacherben ; auf Samland bei Wiskiautep ein Grabhügel, der unter dem Rasen eine Brand- 
stätte mit Topfscherben und in 50 cm Tiefe Menachenknoehen, die mit Ausnahme der Schädeltheile durch 
einander lagen, sowie einen kleinen geschmiedeten" Meissei und eine Nadel aus Bronze enthielt, dann aber, 
37 cm tiefer ein menschliches Skelet nebst Fliutmeeser und geborstenem Steinhammer mit Schaftloch, sowie 
eine Nadel aus Horn, und noch- 50 cm tiefer ein zweites Skelet nebst Flintmesser und kunstvoll aus Knochen 
gearbeitetem Beschlag eines Gurtendes aufwies, wobei noch zu bemerken, dass beide Skelette Langschädel he* 
sassen und auf der rechten Seite mit scharf angezogenen Knien lagen. Eine geschlagene Spitze und ein Messer 
aus Flint nebst Skelet in einem Grabhügel mit äusserem Steinring heim Briefen Bahnhof (s. o.) und eine Stein- 
axt bei Aachenurnen auf der Feldmark der Domaine Brodden l»ei Mewe. Ein Sienithammer aus einem Grab- 
hügel bei Müggenburg im Amte Labiau; eine saniere Steinaxt bei den flachen .Steinhaufengräbern mit Urnen 
zu Fischbach bei Rastenburg im Regierungsbezirk Königsberg. Aus Polen: an der Weichsel bei Plock und 
Warschau, sowie im Narew- und Wkra-Gebiet («. o.) viel geschlagenes Flintgeräth, gewöhnlich ohne be- 
gleitende Metallartikel, an Begräbt) isspl&tzcn mit Aschen-, Deckel- und Stempel-Urnen. Ein Steinbeil und 
eine Pfeilspitze wurden in der Nähe gewisser, bei Piatnica und Lelewo, zwischen Narew und Wkm befindlicher 
Steinkiirtengrnber gefunden, von welchen (nach Przyhorowski a. a. O.) eines, bei Atidzin, ein Skelet nebst 
Handvoll grüner Glasperlen enthalten haben soll. Aus Kurland: ein Steinbeil von einem Kirchhof, der in 
neuerer Zeit Büdlich von der Popenkirche in Ost der Stadt Windau au einer Stelle angelegt wurde, die 
den Namen Wezzi-Kappi (alte Gräber) führt; ein F euersteinmei wel mit Knochendolch und Schädel bei 
Aiuppen im Abaugebiet und ein an geschliffene* Granitbeil nebst Menschenaschc in einem Hügelgrabe 
(Kreewukaps. Roaaengrab) bei Kandau in derselben Gegend; ein kunstvoll gearbeitetes Steinbeil mit Schaft* 
loch, aus Uralitpnrphyr, in einem Steinkistengrabe mit Aachen urnen bei Neu-Selburg, westlich von Jacob- 
stadt an der Düna. Aus Livland: Messer und Pfeilspitzen ans Feuerstein beim Sweineck-Getunde am 
Burtnecksee, nicht weit von Skeletten. Aus Estland: ein schön gearbeitetes Beil mit Schaftloch nebst Schädel 
hei Lihhola im Kirchspiel Kegel des Kreises Harrten. Au» dem Gouvernement Witebsk: verschiedenes 
Steingeräthe aus den hohen Grabhügeln mit Monsclie nasche beim Sinnoje Osero (blauer See) im Kreise Sebesch; 
zwei Steinmeissel nebst Skelet in 3 l / a Fnsa Tiefe bei der Kreisstadt Lepel; ein gefällig geformtes Steinbeil 
mit Schaftloch im sogenannten Rognedian-Grahhögel, am Ausflüsse der Dryssa im Kreise Polotxk. Aus dem 
Gouvernement Minsk: ein geschliffener Meissei aus Feuerstein mit Aschenurnen, in einem angeblich aus 
behauenen Steinplatten bestehenden Kistengrabe, bei Suckow im Kreise Minsk. Aus dem Gouvernement 
Kijeff: an mehreren Punkten (Stcinwerkzeuge S. 21) und namentlich Steinwerkzeuge nebst Henkelumen für 
Todtenasche in einem oben geschlossenen Kistengrabe aus Steinplatten, an der Muka beim Dorfe Gniliza. 
Aus Wolhynien: die bereit» oben erwähnten Feuersteinspitzen aus Gräbern mit Aschenurnen. Aus Galizien: 
im Kreise Tschertkowsk, beim Dorfe Berem&nny, in der Nähe des Zusammenflusses von Strnb und Dniestr, in 
einem Grabhügel mit Steinkiste und drei Skeletten, neben jedem derselben ein geschliffenes Beil oder Meissei 
aus Feuerstein. Aus dem podolischen Dniestrgebiet ein Grab mit 15 Skeletten in sitzender Stellung und 
bei der nand eines jeden eine Steinaxt. Aus dem Gouvernement Jek athcrinoalaff: Feuersteinspitzen, 
Messer und Sägen in einem Topfe bei einem Skelet. 

Steingerätb neueren Ursprungs, das nicht ins Steinalter, sondern zumeist ins 
Eisen alter gehört, ist von nachfolgenden Punkten bekannt: 

In Posen: Steinbeile und ei- oder kftseförmige Steine neben Bronze, au» Aschenumcngräbern von Alt- 
I#au*ke bei Schwerin an der Warthe, im Kreise Birnbaum, und von Zahorowo am Przmenter See im Kiwiaa 
Borost; dann vielleicht ebenfalls hierher gehörig, die Urnen fei der mit Steinsetzungcn bei Lussowo, zwei Meilen 
von Posen, sowie die Urnenstätten auf einer Insel der Warthe, bei der Kreisstadt Schrimm, von welchen 
Dlugoscz im Cupitel „de urna sarmatica“ seiner Chronik bemerkt, dass sich daselbst gewisse Urnen als 
Naturprodncte in der Erde fanden. Im Regierungsbezirk Brom borg: aus Urnengräbern mit oberflächlicher 
quadratischer oder rectangulärer Steinpflaeterung bei Slotowo und zwei Meilen von der Station Nackcl, auf 
dem Gute Dobceszc wko , Steinwerkzeuge und Bronzeschmuck. In Polen an der Weichsel, Wkra und dem 
Narew (*. o. S. 67) geschlagenen Flintgeräth und ein Üronze-Celt (Plock). sowie Eisen-, Bronze- und Silberartikel 
de» IX. bis XL Jahrhunderts (Plock, Warschau, Popielzyn) von Begräbnissplitzen mit Aschenurnen nnd kleinen 
Thongefässen. Im Regierungsbezirk Marien werder Ostpreußens aus Gräbern am Nogatufer bei Marienburg 
(a. n. U.), Stcingeraih, Rronzering und Eisenfibel, mit und in Aschonumen mit Siebdeckeln (Dalptaus) und 

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Stempeln. Im Regierungsbezirk Königsberg: ein Hammer aus Stein, Lausen spitzen und Sicheln aus Eisen, 
Fibeln aus Bronze und Silber und römische Münzen von «1 bis 117 n. Chr. (Domitian und Trajan) in 2 bis 
2*/a Fuss hohen Aschenurnen von Rosenau bei Königsberg. Ein Streitkolbcn aus Sandstein neben Oerath aus 
Eisen und Bronze, römischen Silbermünzen des II. Jahrhunderts n. Chr., Thon* und Glasperlen und Bernstein- 
stücken bei Polwitten auf Samlund in Grabstatten mit oberHächligem Steinpflaster und Aachenurnen in 4 bis 
5 Fuss Tiefe darunter. Auf der kuriachon Nehrung bei Rositten (s. o.) geschlagene Flintwerkzeuge nebst Eisen* 
uml Bronzeartikel, die vom IX. Jahrhundert an datiren können. Bei Barthen im Kreiie Rastenburg ein Streit- 
hammer aus Stein, auf der Höhe eine» Ilügeh mit Urnen gräbern der Eisenzeit, d, i. mit dreierlei eisernen 
Lanzenspitzen. Im Regierungsbezirk Gumbinnen bei Grüneiken (s. o.) Spitzen aus Flint, Pferdegebisa aus 
Eisen, römische Münzen von 323 bi» Stil n. Chr. etc. in Lrnengr&bern; bei Arys, in der Nahe eine« Stein- 
kistengrabe» mit Aschenurne und Bronzering ein geschlagenes Flintstück. Im Gouvernement Kovno, bei 
Kurschanv an der Windau im Kreise Schaulen, Steinbeile bei Skeletten aus einem Grabhügel, in dessen Nähe 
andere Grabhügel mit Gerippe auf Steinplatten und mit Schädeln, die auf eine eiserne Kette gereiht waren. In 
Kurland: aus Aschanuracngr&bcrn von Capsehten bei Libau, ein Steinbeil mit Schaflloch neben Eisen, 
Bronze und Bernstein; aus einem Grabe bei Wen tau, oberhalb Wimlau, ein Beil mit Schaftloch und ein 
weberschi fltormiger Schleifstein mit Rronsegerith. In Livland: auf der Insel Moon, in der Nähe der Kirche 
daselbst, das Fragment eines Beiles mit Schaflloch nebst Bronze. In Finnland: von Luwiakapell im Kirch- 
spiel Euraaminne {Holmberg a. a. 0. S. 29) ein Sienitbeil nebst rothen und gelben Emailperlen, die in finn- 
ländischen Eisengräbern nicht selten sind. Im Gouvernement Witehsk und im Kreise Ludsen, am Zibla- 
Berge, Steinwerkzeuge neben Gegenständen aus Eisen, Bronze, Silber. Glas, sowie Kaurimuscheln in Gräbern 
mit Skeletten und äusseren Steinkreisen; bei Franopol ein Skelet mit Drahtringclpanzcr, Eisenschwert und 
Steinbeil mit Schaftloch; bei Koniecpole ebenfalls neben einem Skelet ein Steinbeil mit Schaflloch und ein 
früher als Pflugschaar bestimmter Olt, sowie eine Lanzenspitze und Axt aus Eisen und Fibel aus Bronze; im 
Kreise Roeiten am Iiasnasec, bei Malü Bor ein Grabhügel mit zwei Steinbeilen und neueren Bronzeaachen, <la 
ein benachbartes Grab mit Helm ans Bronze oder Kupfer, eisernem Beil sowie Draht, Schellen und armbrtut- 
formiger Fibel au» Bronze versehen war, und letztere Fibel genau einigen Exemplaren der Livengräber 
Ascheradeus, an der Dünn, aus dem X. und XL Jahrhundert entspricht. Weiter östlich erwähne ich hier 
aus dem Gouvernement Wladimir folgender, in Meränen-Gräbem des X. und XI. Jahrhunderts, gefun- 
dener Steingeräthe : eine Feuersteinpfeibpitze, ähnlich Nr. 6h der Nord, üldsager (Arbeiten des I. arc-h. Congr. 
zu Moskau 1871, S. 725, Tab. XXX, Fig. 20) aus einem Grabhügel beim Dorfe Wamilki, südlich Susdal, zu- 
sammen mit verbrannten oder angebriinnten Menschenresten, Bruchstücken eines Thonringes, Glasperlen 
und einer Bronzeplatte mit Verzierung. Ein anderer, neben dem vorigen betindlicher und anscheinend ziem- 
lich gleichzeitiger Grabhügel enthielt eine germanische Münze, nach welcher derselbe etwa in das X. oder 
den Anfang des XI. Jahrhunderts zu setzen ist. Beim Dorfe Nowoeelki lieferte ein Meränengrab das Bruch- 
stück einer Pfeilspitze aus Stein neben Pfeilspitze und Schnallo aus Eisen und noch ein anderes Grab nicht 
genauer bestimmte SteinmeisKcl. Im Kreise JurjcfT befand sich am Ufer der Nerla beim Dorfe Poträichi, unter 
einer Gruppe von Grabhügeln, die Bronze und Silber enthielten und naeh ihren Münzen etwa dem X. Jahr- 
hundert angchörten, ein Hügel mit Topfscherben und einem Beil mit Schaftloch ans Diorit. Ein ähnliches 
Beil wurde an der Ssara, bei Gorodez, südlich Roetoff, neben einer Stelle ausgegrabe», wo sich auch mehrere 
in Buchara geprägte Dirhems der I. Hälfte des X, Jahrhunderts befanden. In der Nähe von Peroslawl lieferte 
ein Grabhügel bei Gorodischtsche (Trudü oder Arbeiten d.Mosk. arch. Congr. 1871, S. 746 und S. 842, Tab. 33, 
Fig. 25, und Tab. 25, Fig. 10) in 2*/ a Arschin Tiefe eine Aschenurne, unter welcher Kohlen, ein eiserner 
Ring, schlüsselartige Anhängsel, ein grosser viereckiger Schmuck, Perlen, eine Waage aus Bronze und ein 
steinernes Meisselchen lagen. Au» einem nicht näher bezeichneten Grabhügel des Gouvernement Wladimir 
wird (Iswettija, d. arch. Ges. zu St. Petersburg IV, S. 165, Tab. 2, Fig. 36) eines geschmackvoll gearbeiteten 
Steinbeiles mit Schaftloch Erwähnung gethan, das von einem der eben erwähnten Fundörter stammen könnte. 
Im Gouvernement W&tka enthielten die Ananjinskpr Grabhügel bei Jelabugn an der Kama neben Skeletten 
(Trudü, d. Mosk. arch. Congr. Tab. 4. Fig. 62 bis 66) Feuerstcinpfeilspitzen und Waffen und Geräthe au« 
Bronze, Kupfer und Eisen. Aus dem hohen Norden wurde bei Kola, im Gouvernement Archangel, von einem 
alten Begrabniwplatze ein Sarg mit Schädel und Steinbeil bekannt. Eine relative Altersbestimmung gestatten 
auch die tief im Süden aus einem Kurgan des Gouvernement Nowotschcrkask bei Skeletten gefundenen 
Feuersteinstücke, weil sie in einem höheren Horizonte lagen, als einige griechische Bronzen desselben 
Hügels. 



Ausser der groben Scheidung eines Stein- und Eisenalters 1 aasen die vorliegenden Ueber- 
sichten aber noch die Trennung eines specifischen oder ungemischten Steinalters von einem 
gemischten, d. i. neben Eisenkenntnisa bestehenden, zu, und lehren ferner die mit ein wenig 



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Zur Archäologie des ßalticum und Russlands. 85 

alter Bronze aasgestatteten Gräber von Wiskiauten in -Sainland und von Plock in Polen, dass 
daselbst der vorherrschende Gebrauch von Steingeräthe, oder das Steinalter auch kurz vor einem, 
oder während eines baltischen Bronzealters bestand. Die polnischen Begräbnissplätze des rech- 
ten Weichselgebietes mit Eisen-Messern und -Pfeilspitzen in Form steinerner, bewiesen end- 
lich, dass sich in dieser Gegend — den einzigen Bronzefund von Plock ausgenommen — das 
Eisenalter dem Steinalter unmittelbar anschloss, oder dass hier vielleicht schon frühe neben dem 
Feuersteingeräth auch etwas eisernes zur Verwendung kam. Das Zusammenvorkommen von 
Stein werkzeugen und Eisen zeigt sich im üstbalticum an Gräbern und Begräbnissplätzen mit 
römischen Münzen des I., IL und IV. Jahrhunderts und mit Anzeichen einer vom IX. bis XI. 
Jahrhundert statthabenden Existenz. Im fernen Osten findet man dieselbe Erscheinung an 
den finnischen Meränengräbern des X. und XI. Jahrhunderts. Zur Kategorie der nicht dem 
specifischen sondern dem gemischten Steinalter angehörigen Steinwerkzeuge könnten auch 
jene obenerwähnten Exemplare gestellt werden, welche auf Kampfplätzen des X. bis XIV. 
Jahrhunderts gefunden wurden, und au welche sich alte Sagen oder noch im Munde des 
Volkes befindliche Ueberlieferungen knüpfen. Ferner sind die muthmaasslich mit metallenen 
Cylindern durchbohrten und mit gereiften Schaftlöchem versehenen Steinbeile so lange hier 
unterzubringen, als die Möglichkeit des Herausbohrens von Schaftlochstücken ohne Metall- 
cylinder nicht erwiesen wurde. Endlich mögen die Steinbämmer mit thierisch geformten 
Rücken aus dem Kreise Petrosawodsk im Gouvernement Olonetz und die ähnlich gebauten, 
weiter östlich, im Gouvernement Wätka gefundenen Bronzehauen in der Entstehungszeit nicht 
gar weit auseinander liegen. 

Hand in Hand mit der Verschiedenheit eines specifischen und eines gemischten Stein- 
alters geht auch eine Verschiedenheit der Bestattungs weise. Die vorgelegten Uebersichten 
lassen, ungeachtet der verhältnissmässig sehr geringen Zahl von Gräbern mit Steingerätb, 
dennoch deutlich erkennen, dass nur wenige dieser Gräber unverbrannte, die meisten dagegen 
verbrannte Todtenreste enthalten und dass der letztgenannte Bestattungsmodus der jüngere 
ist Als sehr altes Grab mit Skelet und Steingerätb zeichnet sich der Grabhügel beim Briesen- 
Bahnbof, nicht weit von Graudenz aus, doch fehlen ihm wie allen bisher bekannten Steinzeit- 
gräbern des Üstbalticum und Ruaslanrls jene Anzeichen einer hochentwickelten Steinalter- 
cultur, wie sie z. B. vor nicht langer Zeit aus einem Grabe von Braunshain bei Hohenkirchen 
im Kreise Zeitz des Regierungsbezirkes Merseburg bekannt wurden, dessen steinernes Inventar 
in 40 Hämmern, mehreren Messern und Pfeilspitzen, Handmlihlstein, Haken und Pflugschaar, 
Trinknäpfen, Kugeln, Nadeln und Mondgötzen bestand. Das blosse Zusammenvorkommen von 
Steinwerkzeugen und Menschenknochen an drei Punkten Est-, Liv- und Kurlands ist noch 
kein hinreichender Beweis einer erfolgten Bestattung und haben wir im üstbalticum ausser 
den erwähnten Vorkommnissen nur noch ein hierhergehöriges aus dem Gouvernement Witebsk 
und ein nicht ganz sicheres aus Polen, während weiter südlich in Galizien, Podolien und Jeka- 
therinoslaff Steingräber mit Skeletten nicht selten zu sein scheinen. Die Steingeräthe in Skelet- 
gräbern aus den Gouvernements Archangel, Wätka, Kowno und Nowotscherkask stammen 
wahrscheinlich aus einer späteren Eisenzeit. Als anziehendes Beispiel desUeberganges von der 
älteren Sitte des Bestattens der Todten zu deren Verbrennung und zwar bei gleichzeitiger 
Gegenwart von alter Bronze ist der bereit« mehrfach erwähnte Tutnulus von Wiskiauten in 



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86 



C. Grcwingk, 

Samlami hervorzuheben. Alle übrigen Gräber mit Steingeräth brachten verbrannte Menschen- 
reste und kommen auf Posen drei Localitäten, auf Bromberg eine und auf Polen zahlreiche ; auf 
den Regierungsbezirk Marienwerder zwei, Königsberg sechs, Gumbinnen zwei; auf Kurland 
drei, Witebsk zwei, Minsk, Kijeff und Volhynien je eine; auf da* Gouvernement Wladimir vier. 
Dass sich an diesen Gräbern eine grosse Mannigfaltigkeit im Bau ausspricht wird nicht über- 
raschen. Sie erscheinen entweder ganz ohne äussere Kennzeichen , oder mit oberflächlicher 
oder unterirdischer Steinsetzung und Steinpflasterung, ferner als Hügel die äusserlich mehr 
oder weniger auifallcn und im Innern Asche ohne Urnen oder Aschcnurnen in Steinkisten 
enthalten, sowie endlich auch als Steinhaufen. Wenn wir nicht etwa die Hypothese von über- 
irdischen Holzkistengräbern des Steinalters zur Geltung kommen lassen wollen, so erscheint 
somit das specifische Steinalter des Ostbalticum durch Gräber nur schwach vertreten und zwar 
viel schwächer in der älteren Beslattungsweise unverbrannter, als in der jüngeren verbrannter 
Todten. Mit der beginnenden und zunehmenden Eisenkenntniss nahm die Todtenverbrennung 
ganz überhand. 

Was die Verbreitung der Steinwerkzeuge und einige zum Theil damit zusammen- 
hängende allgemeine Culturverhältnisse ihrer ursprünglichen, namentlich ostbaltischcn 
und benachbarten Besitzer betrifft, so ist zunächst darauf hinzuweiseu, dass das an nicht, oder 
besonders gekennzeichneten Punkten vorkommende Steingeräth zumeist in Wassernähe (vgl. 
die archäologischen Karten in Holmberg’s Foerteckning etc. und Hartmann’s vaterländ. 
Museum zu Dorpat, 1871, sowie die hier gegebenen Uebersichten I gefunden wurde, woraus 
sich auf eine, in grösserer Anzahl oder während längerer Zeit vertretene, vorzugsweise am 
Wasser lebende und namentlich Fischerei treibende Bevölkerung sch Hessen lässt. Wie aber 
schon die vereinzelt jedoch in gewissen Grenzen zahlreich vorkoinmendeu Steinwerkzeuge die 
Vermuthung einer bereits sesshaften Bevölkerung nahe legen, so wird man darin noch mehr bestärkt 
in den Fällen, wo, wie in Polen, mehrere grosse Bcgräbnissplätze nicht weit von einander ange- 
troflön werden und es sehr wahrscheinlich ist, dass sich Wolmplätze in der Nähe dieser Gräber- 
stätten befanden. Nach einem einzigen z. B. von Selburg in Kurland bekannten Steinkisten- 
grabe mit 18 Aschenurnen und einem Steinhammer lässt sich dagegen die Sesshaftigkeit noch 
nicht mit Gewissheit annehmen, weil dasselbe nicht noth wendiger Weise ein Familienbegräbniss 
war. sondern in ihm vielleicht mehrere ziemlich gleichzeitig Umgekommene bestattet wurden. 
Thatsächliche Beweise datur, dass die liier in Rede stehende Bevölkerung des specifischen 
Steinalters — entsprechend den Bewohnern einiger ins Steinalter gehöriger Schweizer Pfahl- 
bauten — Ackerbau und Weberei trieb, liegen uiclit vor, da die auf Getreidebau hinwei- 
senden Handmahlsteine der Steingräber des ulten Alyem bei Marienburg und die von Plock 
in Polen dem gemischten Steinalter angeboren können. Das Vorkommen von Steingeräth auf den 
ostbaltischen Inseln ist ferner kein Argument einer etwaigen Schiflfabrtskunde, weil eine 
Verbindung dieser Inseln mit dem Festlande jährlich durch Eisdecken liergestellt wird. Ein 
sich zu höherer Stufe erhebender Culturzustand der ostbaltischcn Steinalterbevölkerung geht 
aber daraus hervor, dass im Laufe der Zeit das anfänglich als Werkzeug und Wnfle dienende 
Steingeräth zur unpraktischen Segeste und znm üpferinstrumente wurde, und auch daraus, 
dass man zum Durchbohren der Steinbeile sich der Metallcylinder bediente. Im seereiclien 
Finnland und Gouvernement Olonetz finden wir ein durch grosse Anzahl und kunst- 



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Zur Archäologie des Balticum und Russlands. 87 

fertige Darstellung der Steingeräthe ausgezeichnetes Areal und weise ich vorgreitead hin 
auf die Möglichkeit der Beziehungen des .Steinaltervolkes dieser Region zu den mutlmiaasslich 
in historischer Zeit entstandenen, in Granit geritzten, Fischerei und Jagd darstellenden Fels- 
bildern am Ostufer des Onegasees. Weil aber in dem bezeichneten Areal die Fabrikation der 
Stein Werkzeuge zu so hoher Vollkommenheit gelangte, und weil im nördlichen Theile der 
schwedischen Provinz Norrland das Steingerath häutiger ist, als im südlichen und ausserdem 
dieses Gerätli dem der gegenüberliegenden ostbaltiscben Küste entsprechen soll, so hat man in 
Schweden (H. Hildebrand, d. heidn. Zeitalter in Schweden. Deutsch, Hamburg, 1873, 
S. 71) die Vermuthung ausgesprochen, dass die norrländisehe Steinaltercultur ein Ausläufer 
der finnländischen oder überhaupt einer weiter östlich belegenen sei. Hiermit wäre der 
von mir bereits abgewiesenen Hypothese Holmberg’s, nach welcher fast alle kunstfertig ge- 
arbeiteten Steinwerkzeuge Finnlands, während des Bronzealters, von scnndinavischen Vertretern 
des letzteren oingefiihrt worden sein sollen, die Annahme einer ganz gegenläufigen, ost-west- 
lichen und älteren Culturbewegung gegenübergestellt. — Nächst dem finnländischen Areal 
sind im Ostbalticum als an einzeln vorkommenden Steingeräthen reiche Gebiete die Inseln 
Oesel und Moon, vor Allem aber jenes Areal zu bezeichnen, das sich zu beiden Seiten der 
Düna, d. i. sowohl im östlichen Theile Kurlands, als im gegenüberliegenden Gouvernement 
Witebsk, oder in noch weiterer Begrenzung zwischen Drissa und Friedrichsstadt ausdehnt und 
Stein Werkzeuge nicht allein in auffälliger Anzahl, sondern auch von unzweifelhaft einheimischer 
Arbeit (Verhandl. d. estn. Ges. zu Dorpat VII, 1, S. 13) lieferte. Dieser Erscheinung an der 
Düna entsprechend zeichnet sich der Weichsellauf sowohl in Pulen als in der Provinz Preussen 
aus. Die flintgeräthercichen Begräbnissplätze am rechten Weichselufer bei Warschau und 
Plock haben die einheimische Herstellung und sehr ausgedehnte Benutzung dieser Gcräthe 
bei einer Fischerei, Jagd und Ackerbau treibenden, wenig kunstsinnigen und bereits mit 
Eisenkenntniss versehenen Bevölkerung kennen gelehrt, deren Cultiirzustand wahrscheinlich 
demjenigen der weiter flussabwärts und näher dem Meere Lebenden nachstand. Denn es ist 
gerade der untere Wcichsellauf der Provinz Preussen und namentlich dessen Ostseite durch 
das häufige Vorkommen schöner Steinwerkzeuge gekennzeichnet. Als Fundorte sind hier die 
Umgebungen vonThom, Kulm, Graudenz, Marienwerder und Marienburg hervorzuheben, während 
an der Westseite der Weichsel die Kreise Carthaus, Neustadt und Danzig (Altpr. Monats- 
schrift 1873, S. 595) auffallend wenig altes Steingerath brachten. Die weiter westlich und 
südlich belegenen pomerellischen, aus der Umgebung von Neu-Stettin, Schlocbau etc. von 
Kasiski (Schriften d. naturforschend. Ges. zu Danzig HI, Heft 1 und 2) beschriebenen Vor- 
kommnisse von Steingernth habe ich nicht in den Kreis meiner Betrachtungen gezogen, doch 
sei beiläufig bemerkt, dass in diesem Gebiete Stein Werkzeuge wieder häufiger erscheinen. 
Ein Steinbeil mit Schaftloch wird aus Eisengräbern mit Skeletten, ein Streithammer sowie 
ein Flintmesser und eine Flintpfeilspitze neben eisenfuhrenden Wenden- und Steinkisten- 
Gräbern mit Aschenurnen angegeben und hört man von Werkstätten für Bearbeitung des 
Feuersteins, welcher auch in geschliffenen Stücken, Sägen etc. vertreten ist. Selbst an Hand- 
mahlsteinen und Kornquetschern fehlt es hier nicht. 

Für die Nationalitäts- und Herkunftsbestimmung der ostbaltischen Steinalter- 
bevölkcrung haben wir in den vorliegenden Betrachtungen wenig feste Anhaltspunkte ge- 



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C. Grewingk. 

Wonnen. Einen solchen lieferten diejenigen der aufgeführten Begräbnisstätten , au welchen 
eine Continuität der Benutzung vom specifischen Stein- durch das Bronze- bis ins Eisenalter 
zu verfolgen ist, weil hier die Möglichkeit vorliegt, aus der nationalen Zugehörigkeit der 
jüngsten Gräber auf diejenigen der ältesten zurückzuschliessen. Nehmen wir beispielsweise 
die polnischen Begräbnissplätze am rechten Weichselufer, so ist dort die Continuität der Be- 
völkerung vom Steinalter bis ins Eisenalter ebenso wahrscheinlich wie ihr slavischer Cha- 
rakter. Ein dem Begräbnissplätze von Osniea, bei Plock an der Weichsel, nahebelegenes 
Steinkistengrab führte ausserdem Urnen und Topfscherben mit eingestempeltem Hakenkreuz, 
jenem nicht seltenen Anzeichen (Tyszkiewicz, O Kurhanach, Berlin 1868, Tab, VIII, Fig. 2, 
Tab. XII, Fig. 4 und 6 aus Böhmen, Tab. XVI, Fig. 6 bis 8 und 10 auf Bleiplatten vom Bug) 
Blavischer Ceramik. Vergleichen wir nun die Gräberstätte von Osniea mit der recht gut be- 
kannten im alten Alyem, zwischen Willenberg und Brauns walde bei Marienburg, so finden 
wir an beiden, ausser denselben allgemeinen Kennzeichen der Bestattung, zunächst Stein- und 
Eisengeräth, ferner entsprechende Pfeilspitzen, gestempelte Urnen und auch Handmahlsteine, 
sowie endlich Verbrennungsplätze in der Nähe der Gräber, so dass hier offenbar gegenseitige 
engere Beziehungen oder gar nationale Bande bestanden und seit dem specifischen Steinalter 
bestanden haben mögen. Die nächsten Capitel werden noch besser lehren, wie sich gegen 
die Continuität einer bis auf den heutigen Tag im Ostbalticum weilenden finnisch-litauischen 
und auch slavischen Bevölkerung wenig Einwände erheben lassen und dass als erste Be- 
wohner des ostbaltischen Küstenstrichs finnische aus Osten, und litauische aus Süden einge- 
wanderte Stämme anzunehmen sind. Wenn aber Professor R. Vircbow in seiner populären 
Abhandlung Uber die Urbevölkerung Europas (Sammlung wissensebaftl. Vorträge, Nr. 193, 
Berlin 1874) bemerkt, .dass uns bis jetzt nichts zur Annahme berechtigt, dass die finnischen 
Stämme in Europa eine Steinzeit gehabt haben, da weder in Finnland noch in Estland ein 
Grab mit Beigabe von reinem Steingeräth aufgedeckt und noch weniger daselbst Steingriber 
mit charakteristischen Schädeln augetroffen wurden,“ so muss ich einmal daran erinnern, 
dass die archäologische Kenntniss dieser Gegenden eine noch mangelhafte ist, und dann darauf 
aufmerksam machen, dass Finnland und Olonetz sehr zahlreiche und Estland, nebst den von 
Esten bewohnten Inseln und nördlichen Gebieten Livlands, doch auch schon mehrere Stein- 
werkzeuge lieferten, von welchen hier gezeigt wurde, dass ein Theil immerhin dem specifischen, 
ein anderer dem gemischten Steinalter angehört haben könnte. Nach Herrn Virchow's An- 
schauung müsste auch für den grössten Theil der lettischen und litauische!! steingeräthereichen 
Areale die Steinalterbevölkerung wegen Mangel an Steingräbern geläugnet werden. In Betreff 
der „charakteristischen“ finnischen Schädel sind wir im Ostbalticum al>er in nicht geringer Ver- 
legenheit, die sich wohl erst daun geben wird, wenn wir die gehörige Quantität Wogulen- und 
auch andere finnische Schädel besitzen werden. Unsere schwedischen Nachbarn nehmen für ihr 
Stein-, Bronze- und Eisenalter drei verschiedene Culturvölker an und heisst es bei Hildebrand 
(a. a. O. S. 70) dass „dort, wo typische Geräthe der Steinzeit unter Fundobjecten der Bronze- 
zeit Vorkommen, sie dieser Periode nicht eigen, sondern von ihr geliehen sind.* Obgleich 
sich gegen diese Lehren einige Einwände erheben lassen, so kommen wir mit denselben hier 
insofern nicht in Collision, als sie nichts enthalten , was dagegen sprechen könnte, dass Ver- 
treter des westbaltischen Bronzealters als Fremde zur ostbaltischen Steiualterbevölkerung 



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Zur Archäologie des ßalticum und Russlands. 89 

gelangten und bei derselben einige materielle Erinnerungen ihrer einstigen Gegenwart hinter- 
liessen. Wie aber im Vorhergehenden nachgewiesen wurde, dass die Beziehungen des Ostbalticum 
zu den westbaltischen , durch Feuersteine oder andere Gebirgsarten ausgezeichneten Gebieten 
und deren Vertretern des Steinaltera sehr geringe waren, so wird das nächste Capitel lehren, 
wie arm das Ostbalticum an materiellen Culturzeichen und Zeugnissen eines Bronzealters 
überhaupt und zwar eines, seit dem HL Jahrhundert v. Chr., ausschliesslich aus West kom- 
menden ist. Ferner haben wir erkannt, dass ein ostbaltisches vom westbaltischen unabhängiges 
und letzteres überdauerndes Steinalter existirte, welches der westbaltischen Bronzewaffenzeit 
parallel lief und dieselbe vielleicht überdauerte. Endlich machte sich sowohl im Ostbalticum 
als in einem grossen Theile des europäischen Russlands ein directer Uebergang aus dem Stein- 
alter in die Culturperiode des Eisens bemerkbar und lieferte, wie wir gesehen, Polen hier- 
für in jüngster Zeit sehr anziehende Beweise, während im Fiebrigen das Hinterland des Ost- 
balticum, in Betreff der Steinwerkzeuge und des Steinalters überhaupt, noch sehr wenig be- 
kannt ist. Die Vertretung eines specifisch slavischen Steinalters kann vielleicht in den un- 
teren Karpathen, oder am Nordabhange derselben und tiefer landeinwärts gesucht werden. 
Wann die Trennung der litauischen, Blavischen und germanischen Stämme eintrat, ist zu 
entscheiden der Zukunft Vorbehalten. 

Worsaae schliesst das Capitel seines jüngeren Steinalters mit dem Ausspruch, dass in 
dieser Periode zwei ganz verschiedene Culturströmungen in Russland stattgefunden haben, 
nämlich eine von Süd-Ost oder Süden, mit hochentwickelter Steinaltercultur, d. h. mit festen 
Wohnplätzeu, Hausthieren, Ackerbau und Begräbnissgcbräuchen nach Südrussland gelangende 
Strömung und eine zweite von Nord-Ost und Ost kommende rohe, vorzüglich finnische. 
Eine dritte C’ulturströmung des Steinalters lässt Worsaae endlich von West her sowohl auf 
die Lappen als bis nach Polen und ins Innere Russlands hinein wirken. Gegenüber diesen 
und früher erwähnten Aussprüchen und Ansichten Worsaae's beschränke ich mich auf die 
nachfolgende gedrängte Darstellung der Ergebnisse aller vorausgehenden Betrachtungen. 

Im Ostbalticum und im europäischen Russland wurde die Existenz einer Steinalterbevöl- 
kerung bisher nur für die Alluvialperiode, nicht aber für die diluviale Mammuth- und Ren- 
oder Kjökkenmödingerzeit nachgewiesen. Das Ostbalticum (Livland) war ohne Zweifel bereits 
vor 5000 Jahren bewolinbar und wurde vielleicht schon vor 2500 Jahren (am kurischen Haff) 
bewohnt. Die Beweise einer in sehr früher alluvialer Ren-, Ur- und Bisonzeit statthabenden 
Besiedelung dieses Areals sind nicht befriedigend und die Daten für ein specifisches metall- 
freies oder ganz metallunkundiges Steinalter nicht zahlreich. Die ältesten historischen 
Zeugnisse einer Bewohntheit des Ostbalticum und der Nordküste des schwarzen Meeres bringt 
uns das Eindringen südlicherer, dein Steinalter entrückter Cülturvölker und zwar für ereteres 
im HI. und für letztere im VH Jahrhundert vor Christus. Nach der dort vorübergeh enden 
und hier länger anhaltenden Erscheinung dieser Culturvölker setzte ein mehr oder weniger ge- 
mischtes Steinalter der Indigenen noch geraume Zeit fort. Gegen die Wahrscheinlichkeit einer seit 
jenem Steinalter bis ins eigentliche Eisenalter und bis auf den heutigen Tag eine gewisse locale 
Continuität aufweisenden Bevölkerung sind auch bei Berücksichtigung der Völkerwanderungen 
wenig Einwände zu erheben. Aus diesem Grunde lässt sich in der nördlichen Hälfte des 
europäischen Russlands eine finnische Steinalterbcvölkeruug und deren Herkunft und Vor- 

Archiv für Anthfo|»"l'*Ki*'. B\L VII. Heft I uiul 2. J2 



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90 



C. Grewingk, 

dringen von Ost her annehmen, während in der südlichen Hälfte, iin Anschlüsse an eine 
Mythische Bevölkerung, lito-slavische Stämme dergestalt aus Süden vorrückten, dass die 
vorausgehenden litauischen Stämme zuerst au die Ostsee gelangten und die slavischen hinter 
ihnen blieben. Die finnische Steinalterbevölkerung des Ostbaltieum stand vielleicht in einiger 
Beziehung zur norrländischen Schwedens, doch trat weder sie noch die litauische in einen 
regen Verkehr mit den durch geschlagene und geschliffene Flintworkzeuge gekennzeichneten 
westbaltischen Gebieten. Im Hintergründe des Ostbaltieum zeigt sich diese Unabhängig- 
keit von westbaltischer Steinaltercultur in den Arealen anstehenden Feuersteins und nament- 
lich an einem nicht mehr ganz im specifischen Steinalter stehenden einstigen Bevölkerungs- 
theile Polens. Das Steinalter der ostbaltischen Küstenprovinzen tritt weniger an Gräbern 
mit Steinwerkzengen, als in vereinzelt und meistens an nicht besonders gekennzeichneten 
Stellen vorkommendem Steingerätbe in die Erscheinung. Diese Steinalterbevölkerung lebte 
vorherrschend in Wassernähe und zwar in einzelnen, nicht allzuweit begrenzten Gebieten, 
wo sie einen gewissen Grad der Sesshaftigkeit, jedoch ohne Pfahlbauten, vertrat und Fischerei 
und Jagd trieb. Beweise ihrer Kenntniss des Ackerbaues, der Viehzucht und Hausthiere 
sowie der Woberei und Schifffahrtskunde fehlen, während die einer Metallkenntniss ange- 
deutet sind. Von materiellen Zeugnissen einer Verwerthung der Geweihe und Knochen 
zu Geräth oder Waffen sind nur wenige Beispiele bekannt. Geräthe aus Stein dienten 
ihr im specifischen Steinalter als Werkzeuge und Warten, in späterer Zeit sowohl als 
Abzeichen der Würde wie als Opferinstrumente, ln der Herstellung von Steinwerkzeugen 
aus einheimischem Material war man im Ostbaltieum wohlbewandert und bearbeitete einige 
derselben in weit ausgedehnten Gebieten, gleichsam nach einer Schablone. Zur höchsten Ent- 
wickelung gelangte dieser Industriezweig im finnischen Norden fesp. dort , wo das heutige 
Gouvernement Olonctz liegt. Die ostbaltische specifische Steinalterbevülkerung befand sich in 
Betreff der Ceramik auf niederer Stufe der Cultur. Megalithische Denkmäler und Gräber 
wurden von ihr nicht hergestellt und ging sie von der Todteubestattung in Hügeln, und viel- 
leicht auch schon in Steinkisten, zur Todtenverbrennung mit Behr verschieden construirten 
Gräbern Uber. Das ostbaltischo Steinalter bestand während der westbaltischen Bronzeperiode, 
zog jedoch von deren Cultur geringen Vortheil. Hiermit hängt ein im Ostbaltieum durch die 
Bronzecultur nur wenig vermittelter, beinahe directer Uebergang vom Steinalter zum Eisen- 
alter zusammen, so dass dem specifischen oder metallfreien, ein mit Eisenkenntniss verbun- 
denes, gemischtes Steinalter folgte. Der Anfang des letzteren ist in das erste Jahrhundert 
n. Chr. zu setzen, und kann in einigen Gebieten das Vorherrschen steinerner Geräthe und 
Watten noch einige Jahrhundert, der untergeordnete Gebrauch derselben dagegen bis ins 
XI. Jahrhundert und darüber hinaus angedauert haben. Die Existenz und Continuität finni- 
scher und lito-8lavischer Stämme ist nach deren Schädelbau, wegen mangelhafter Konntniss 
desselben, im Ostbaltieum während des specifischen und gemischten Steinalters nicht zu be- 
weisen, bestand aber daselbst, obgleich Verschiebung, Scheidung, ja sogar Auflösung einzelner 
Stämme und fremder Eindrang statthatte oder statthaben konnte. 



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Zur Archäologie des Balticum und Russlands. 



91 



Das Bronzealter des Ostbalticura. 



Dänische Archäologen verlegen dos Bronzealter Norddeutschlands, Dänemarks, Norwegens 
(mit Drontheim als Nordgrenze) und Schwedens nehst zugehörigen Inseln entweder in die 
Jahre 800 bis 100 v. Chr. (Worsaae), oder bis Christi Geburt (Schmidt, le Dänemark au 
point de vue de l’archdologie, Paris 1868), während unter den schwedischen Forschern Nilsson 
(Bronsäldern, 3. Auflage, 1873) den Anfang dieser Periode tief in das IL Jahrtausend v. Chr. 
setzt und C. F. Wiberg in Gefle (Archiv f. Anthrop. IV, 1870, S. 11) diesel!>e einige Jahr- 
hunderte vor Christi Geburt beginnen lässt H. Hildebrand (heidn. Zeitalter in Schweden, 
Hauiburg 1873) vermeidet eine Zahlenangabe für das Beginnen der Bronzezeit und schwankt 
in derjenigen ihres Aufhörens zwischen dem L und HI. Jahrhundert, weil die allgemeine 
Benutzung des Eisens zu Waffen im Norden noch nicht für das L Jahrhundert ganz festge- 
stcllt, im HI. Jahrhundert aber zweifellos ist Sowohl dänischer-alsschwedischerseits(Worsaae, 
Nilsson, Montoliun) schied man das westbaltiche Brouzealter in zwei Culturperioden oder 
Gruppen und trennte Worsaae, mit dem wir es hier zunächst zu thun halten, dasselbe nach 
der Bestattungsweise in einen älteren Abschnitt mit Bestattung unverbrannter und einen 
jüngeren mit derjenigen verbrannter Menschenreste. Dr. v. Maack vereinigte sein megali- 
thisches Stein altervolk (Archiv f. Anthrop. in, 1868, S. 267 ff.) mit den Vertretern des Wor- 
saae 'sehen älteren Bronzealters. 

In dem bezoichneten grossen we-stbaltischen Areal wird diese Periode durch eine Bronze 
gekennzeichnet ..welche insbesondere zu Waffen verwerthet wurde, sich durch eine bestimmte, 
in gewissen Grenzen schwankende chemische Zusammensetzung auazeiebnet, ferner durch die 
Art der Bearbeitung auf hoch entwickelte Technik und ausgebildeten Formensinn hinweist 
und mit diesen letzteren Eigenschaften, ohne allmäligen Uebergang von unvollkommener zu 
vollkommener Fabrikation und ohne engen Anschluss an das Steinalter erscheint. 

Verfolgen wir nun zuerst die Vorkommnisse solcher Bronzegegenstände im Ostbalticum. 

Finnland lieferte nach Holmberg (Bidrag tili Finlanda Naturkännedom etc. Heftet IX, llelsingfors 1863, 
p. 26, Tob. XX, Fig. 66 bi* 67) bisher nnr folgende vier Exemplare: iwei l'aalstäbe mit Spirallinien darauf 
(Fig, 65) aus einer Grandgrube zu btaflansby im Kirchspiel Helsinge, entsprechend einer Form aus Schweden 
(Nilsson, Bronzealter, Fig. 18) und einen anderen, mit bteingerathe zusammen gelundenen, bereits von uns früher 
erwähnten, aus dem Kirchspiel Skifwarp, sowie einen dritten aus Lund; ferner ein etwa 20 bj Zoll langes 
Schwert mit dreieckiger Klinge and Nietlochern am Griff (Fig. 66), aus dem Kirchspiel Storkyro. sehr ähnlich 
einem Mecklenburger Schwert (Lisch, Fr. Fr., Tab. XV, Fig. 6) von derselben Lange und einem anderen 
(1. c. Tab. VIII, Fig. 1), von Greese stammenden, mit vier Nietlochern; endlich einen ohne Grilf 13 bis 14 Zoll 
langen Dolch (Holmberg, Fig. 67), der in Ermann'* Archiv XXII, 1863, S. 182, als ellenlanges Kupfer- 
schwort bezeichnet wird, ans einem Steinhanfcngrahe zu Kasaberg bei Strömsby im Kirchspiel Kyrkslaet, von 
der im ganzen Westbalticnm vorherrschenden Lunzeltfonn der Bronzeschwerter und Dolche und von Uolmberg 
noch besonders mit einem Exemplare aus Westergotland (Fig. US) verglichen. Est-, Liv- und Kurland 
brachten auch nicht mehr als folgende vier Gegenstände au* alter Bronze, da zwei früher (Heidn. Gräber 
Litauens. Dorpat 1870, S. 160) hierher gestellte Gelte des Mitauer Museums nicht aus Bronze, sondern aus 
Eisen bestehen: erstens eine geschmackvolle, am horizontalgereiften Schaftloche mitOehr versehene, gegossene 
Lanzenspitze (Sitzungsher. d. estn. Ges. zu Dorpat, 1871, Sept., Fig. n) in allbekannter westbaltischer Form, von 
der Insel Moon; dann einen in drei Fuss Tiefe einer Viehweide bei Tahhui auf der Insel Oeiel ausgegrabenen 
1‘aalstab (Holzmaycr, Kriegswesen der allen Oeselcr. Gymnasiälprogramm, Arnsberg 1867, Tab. I, Fig. 4), 
entsprechend dem schwedischen Exemplar Fig. 30 in Nilsson’» Brunzealter, sowie endlich zwei anders 



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92 



C. Grewingk, 

ungewöhnlich geformte Paulstäbe vom Gute Altona (lctt. Altene) an der linken, kurischen Seite der Düna, 
gegenüber Klauenatein bei Kokenhusen in Livland, von welchen ein Exemplar bei der grossen Ceberschwem- 
mung der Düna 1837 zu Tage gefördert wurde und die «ich beide dadurch auszeichneu (Wochenschrift Inland, 
Dorpat 1841, Nr. 42; Kruse, Necrolivonica, Dorpat 1842, S. 24, Tab. IX, Fig. 4, und Bähr, Gräber der Liren. 
Dresden 1850, Tab. XVI, Fig. 2), das« Blatt und Schaft fast im rechten Winkel Zusammenkommen, ähnlich 
einem Exemplar des Berliner Museum« iKemble, horae fer., PI. IV, Fig. 12) ans Preussen und an die Blatt- 
form eines Werkzeugs aus Stein von Lüneburg (Lindenschmit, Alterth. heidn. Vorz. I, lieft VIII, Tab. I, 
Fig. 7) erinnernd. Aus dem Gouvernement Kowno wird ausser einigen zweifelhaften Bronzeschwcrtern und 
einer Bronzeaxt „römischer“ Form, nur eine ganz sicher hierher gehörige, auf dem Gute Sawi&chki bei Janoff 
an der Wilia, nordöstlich von Kowno gefundene Haue au* Bronze angegeben, welche sich von einigen in 
Mecklenburg' Holstein und Thüringen bekannt gewordenen alten Hauen (heidn. Gräber Litauens, S. 151 u. 199) 
nur in nebensächlichen Dingen unterscheidet. Die Provinz Preussen lieferte dagegen schon mehr alte Bronze- 
artikel. Hervorzuheben sind zwei Schwerter auf« Moorgrund des XeuBtädter Feldes bei Braunsbcrg in Erme- 
land (Verz. den Antiquarium d. Ges. Prusiiia zu Königsberg, Nr. 865). Eines der Schwerter gehört zur Kategorie 
der Formen mit Schilfblatt-, oder Lanzettartigem, gerilltem Blatte und einem Griffe, der mit oberer spiral auf- 
gerollter Querstange versehen ist, d. h. einer Form, die ganz entsprechend im Westbalticum (Nilsson, Bronze- 
alter, Fig. 6; Nord. Oldsager Fig. 134 bis 136; Lindenschmit, Alterth. heidn. Vorz. I. 3, Tab. 3, Fig. 7 von 
Stettin), bei Ilallstadt (Sacken, Grabfeld von Hallstadt, Tb. V, Fig. 10), sowie im Canton Waadt (Lindenschmit 
a. n. 0. L 7, Taf. 2, Fig. 2) gefunden wurde, und in Betreff de« Griffe!?, mit Ausnahme der Qaerstange. an eine 
italienische Gussform (a. a. 0. I. 1, Taf. 2, Fig. 10 bis 12) erinnert. Dieses Brauniiherger Schwert ist 2 Pfund 
20V 8 Loth schwer, 64 Ctm. lang, wovon 15*4 auf den Griff kommen, welcher mit vier Nieten an die 4 mm 
lange, starke Angel befestigt wurde und dessen Parirstange 7 mm Länge hat. Die grösste Breite des mit zwei 
parallelen Hohlreifen auf jeder Seite versehenen Blattes beträgt 42 mm bei 7 mm grösster Dicke. Dann wurde 
bei Ncnkau im Regierungbezirk Danzig, in einem Steinkistengrabe, neben schönen farbigen Glasperlen ein 
Bronzering gefunden, der nach seiner chemischen Zusammensetzung (Altpreuss. Monatsschrift 1873, S. 597) 
hierher gehört. Wenn aber die SteinkiBtengräber mit Gesichteurncn des Regierungsbezirks Danzig allesammt 
zum Bronzealter gestellt werden, so ist darauf so lange wenig zu geben, als die Analysen ihrer Bronzen fehlen 
und die Thatsachc ihres Eisengehaltes vorliegt. Ferner sind aus Ostpreussen bekannt: ein kleiner Meissel 
und eine Nadel aus dein Knochenlager eines bereits im Stcinaltcr genau beschriebenen Grabhügels von Wia- 
kiauten iu Samland, sowie aus demselben Gräbergebiet ein kleiner Streitkolben der gewöhnlichen etruskischen 
Form (Lindenschmit, Alterth. 1, Heft 8, Tab. 2, Nr. 2 aus Rom, Nr. 1 und 5 aus Buiern), wie dergleichen 
aus dem Westhalticum schon in einigen Exemplaren (Nilsson, Bronzealter Tab. V, Fig. 63 von Schonen; 
Tab. III, Fig. 33 von Gotland; Lisch, Friderico-Fr., Tab. XXV, Fig. 13 und 14 aus Mecklenburg) vorliegen; 
ein Celt mit Schaftrohr und einer Oese von Gross Hubniken, nahe einer bemsteinreichen Küstenregion We»t- 
samlands; Bruchstücke von Celten auf einem Felde des Gutes Dunkershöfen, l*/g Meilen nördlich Königsberg 
und ein vollständiger Celt, der beim Vorwerk Lindenau des Gutes Gross Barthen, 2% Meilen östlich von Kö- 
nigsberg, ausgepflügt wurde; von Pogauen, zwischen den letztgenannten Punkten und eine Meile nördlich von 
Gross Barthen, ein PaalHtab (Lindenschmit, Alterth. I, 1, Taf. 8, Nr. 9) ähnlich dem oben von der Insel 
Moon erwähnten. Aus dem Regierungsbezirk Gumbinnen wird unter dem mannigfaltigen Inventar der Urnen- 
stätte bei Grüneiken im Kirchspiel Szabienen, d. h. zusammen mit steinernen Pfeilspitzen, Perlen aus Glas und 
Mosaik, Geräth aus Eisen und neuer Bronze, sowie weströmischen Münzen von 138 bis 161 und oströmischen 
von 337 bis 361 n. Chr., ein Bronze-Colt aufgeführt. Beim Grabenziehen fand man am Wonsz-See im Kreise 
Lötzen einen Celt mit Oehr (Lindenschmit a. a. 0. I, 2, Taf. 2); zwei andere Celte kamen aus dem Wolkaaee 
bei Johannisberg und ein Celt ohne genaueren Fundort (Altpr. Monatsschrift V, 85), gleichfalls ans Ostpreu&sen. 
Das «ee reiche Masuren lieferte endlich noch vom Ufer de* Spirding-Sco einen schönen Streithammer, der in 
der halben Höhe de* Schaftloches, rechts eine */ g Zoll, links eine weniger tiefe, kleine nicht ganz rundo Ver- 
tiefung aufwies; dann Pfeilspitzen und Keulentheile aus Bronze (Altpr. Monatsschrift VI, 656) von einer Urnen- 
statte beim Gute Brödinen in der Nähe Sensburgs. In Polen wurde auf einem Begrähnissplatze bei Plock, am 
rechten l fer der Weichsel, mit Aschenurnen und vielem Geräthe aus Feuerstein, Glasperlen, Pfeilspitzen aus Eisen, 
modernen Bronzesachen und Münzen de* IX. bis XI. Jahrhunderts auch ein Paalstab von 156 mm Länge ge- 
funden. Weiter westlich hört mau an der linken Weichselseite gerade nicht oft von Funden alter Bronze. 
Kasiski (a. a. O.) giebt vom Wi Imsee bei Neu-Stettin eine Schwertklinge und von anderen Fundörtern dieser 
Gagend Pommerellens Pfeilspitzen und Nadeln aus Bronze an, auch lieferte Tempelburg im Kreise Neu-stettin 
des Regierungsbezirks Köslin ein Paar Celte. Bei Bythin im Samstcr Kreise Posen« wurden zwischen den 
Dörfern Witkowice und Kiaczyn, *% bis 3 Fui« tief, hart an einem grossen Steine, soch* Celt«, der kleinste 
10 und 4, der grösste 17 und 4 cm lang und breit, »owic zwei kleine durch Joch verbundene Stiergcstalten 
au* Kupfer (Verhau dl. d. Berliner Ges. f. Anthropologie. 1873, Dec. 6., mit Abbildung) ergraben. Ein schön 
erhaltenes Bronzeschwert fand man bei Lippchnc im Regierungsbezirke Frankfurt a. 0. und zwar nicht gar 



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Zur Archäologie des Balticum und Russlands. 93 

weit vom Soldiner Pfahlbau, der aber keine Bronze enthielt. Ervr&hmmg*werth sind ferner die fünf Gum- 
formen aus Stein für Messer, Knopfsiehc). Meiesei und für andere kleine Gegenstände, welche man 
(Anzeiger f. Kunde d. deutschen Vorzeit, 1867, Nr, 2, mit Tafel) 4 Kuss tief am Schennützei-See bei Buckow, 
eine Meile von Müncheberg antraf Endlich haben auch die bronzenen einasigen Dcichaelwagen mit Stier* 
und Vogelköpfen zwischen Frankfurt und Drossen, sowie von Oberkehle im Kreise Trebnitz Xiederschlesieos 
und von Burg an der Spree nicht geringes Interesse erregt. 

Verzeichnet sind in dieser Ueborsicht 41 Gegenstände aus alter Bronze, wovon 38 Waffen, 
d. i. 16 Gelte, 8 Paalstäbe, 5 Schwerter, 2 Pfeilspitzen und in Einzelstucken : Dolch, Beil, 
Meissei, Lanzenspitze, Kolben, Keule, Hane, sowie drei nicht kriegerische Artikel, nämlich 
1 Bing und 2 Nadeln. Auf preussischem Gebiete wurden im Westen der Weichsel 13 Stück, 
d. i. 8 Gelte, 2 Schwerter und zu einem Exemplar: Pfeilspitze, King und Nadel, im Osten der 
Weichsel 18 Stück, nämlich 8 Gelte, 2 Paalstäbe, 2 Schwerter und zu einem Exemplar: 
Beil, Meissei, Pfeilspitze, Kolben, Keule und Nadel gefunden. Polen lieferte von der rechten 
Weichselseitc einen Faalstab und, wie oben bemerkt worden, Kowno 1 Stück, die Provinzen 
Kur-, Liv- und Estland 4 und Finnland ebensoviel. Im Hintergründe des Ostbalticum 
breitet sich ein Gebiet oder oino Zone aas, in welcher hierher gehörige Bronzefunde fast 
ganz vermisst werden und z. B. in Polen, woher wir ein Beispiel kennen lernten, auch bei 
weiter vorgeschrittener archäologischer Kenntniss dieses Landes kaum in grösserer Anzahl 
zu erwarten sind. Weiter südlich hört man erst wieder am Nordabhange der Karpathen 
(Trudü, d. I. Moskauer arch. Gongr. 1871, S. 223) von Schwertern, Opfermessern und Wurf- 
spiessen aus Bronze, die in Galizien, beim Dorfe BalitschU des Kreises Striiisk und auf dem 
Gute Saloszü des Kreises Solotschefsk ausgegraben wurden. Es folgen dann die Funde von 
Gelten aus Bronze oder Kupfer im Gouvernement Kijeff und Moskau (s. oben Steinalter) und 
zwar der Gelt von Moskau in Gesellschaft von Bronzepfeilspitzen, welche sich ebenso wie 
die galizischcn Funde dem eigentümlichen , insbesondere durch Bronzepfeilspitzen gekenn- 
zeichneten Typus alter südrussischer Bronzecultur anzuschliessen seheinen und jedenfalls von 
dem baltischen Bronzetypus verschieden sind. , 

In Betreff der Fundstellen sind fünf Gräberstätten mit Aschenurnen hervorzuheben, 
nämlich Wiskiauten (Streitkolben, Meissei, Nadel), Nenkau (King), Grüneiken (Celt), Brocdinen 
(Keule und Pfeilspitze) und Plock (Paalstab), wodurch wir einerseits an den jüngeren Abschnitt 
des scandiuavischen Bronzealters mit dem Modus der Todtenverbrennung, anderseits daran 
gemahnt werden, dass nach Montelius (Bronzealdern , Stockholm 1872) von Upplands 
alten Bronzeobjeeten nur eines aus einem Grabe kam. Der Grlinoiker Gelt könnte aus dem 
II. oder IV. Jahrhundert n. Chr. stammen und erinnern die Glasperlen des Nenkauer Kisten- 
grabes an dos waffenarme zweite dänische, in die Jahre 450 bis 600 n. Chr. gestellte Eisen- 
alter, während die Bronzen von Broedinen und Plock jedenfalls vor das IX. Jahrhundert zu 
setzen sind. Die übrigen Fundstellen der Bronzesachen sind nicht besonders gekennzeichnet, 
doch machten sich in ihrer Nähe sowohl Fundörter von Stein Werkzeugen als eine Besiede- 
lung in früher und später Eisenzeit bemerkbar. Die Vermuthung, dass die Schwerter von 
Braunsberg von einer Schlacht stammen, welche in jener Gegend zwischen heidnischen War- 
rniern und Ordensrittern geschlagen wurde, ist kaum zulässig. 

In der Form stimmen alle oben aufgefiihrtcn Gegenstände ans alter Bronze und nament- 
lich die Waffen, wie wir bei der Beschreibung sahen, ganz zweifellos mit wcstbaltischen 



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94 C. Grewingk, 

überein. Der chemischen Analyse wurden folgende der bezeichneten ostbaltischen Bronze- 
sachen unterworfen: 





Kupfer 


Zinn 


Zink 


Blei 


Bemerkungen 


Lanzenspitze von Moou • 


. . .93,0. . 


. 6,0. . 


. Spur . . 


. . 0,87 . . 


. Museum zu Mitau. Ehmcke. 


Paalstab von Oe*el . . . 


. . .80,5. . 


. 13,0 . . 


• » • • 


, . 0,35 . . 


. Museum zu Arenabarg. * 


Paaletab von Altona . . . 


. . . 89,25 . 


. 9,8. . 


. . „ . . 


. . 1,86 . . 


. Museum zu Mitau. . 


Ring von Ncnkau .... 


. . .92,5. . 


. 6,0. . 




. . Spur . 


. Altpr. Monatsschrift a. a. O. 



Diese Zusammensetzung lässt sofort die Uebereinstimmung mit deijenigen vieler alter 
Bronzen Europas erkennen und namentlich, wenn man, wie ca vorläufig gestattet erscheint, 
den Unterschied zwischen sehr geringem und ganz fehlendem Zink- und Bleigehalt fallen lässt, 
und hier keinen Werth legt auf die Thatsache, dass auch dem heutigen scandinavischen 
Kupfer bei geringem Zinkgehalt das Blei fehlt, das britische Kupfer dagegen (Wibel, 
Cultur der Bronzezeit, Kiel 1865, S. 63) zinkfrei ist und Blei nur in bestimmten Fällen ent- 
hält. Unter solcher Voraussetzung finden wir Bronzen, die den obigen entsprechen, überall 
im Westbalticum (Bibra, Freih. v., Bronzen und Kupferlegirungen, Erlangen 1869) und 
in Grossbritannien, dann in Böhmen, Ungarn, Oesterreich, Baiern und Baden, den Rheinlandcn 
mit Nassau und Hessen, der Schweiz, Savoyen und Frankreich, Sicilien (Grossgriechenland), 
Carthago und Troja, ferner in altgriechischen und seytbisehen Gräbern der Nordküste des 
schwarzen Meeres, sowie im altaisch-uraliachen Gebiete und endlich auch in Niniveh. Ebenso 
unverkennbar ist andererseits der Unterschied zwischen alten baltischen und gewissen römischen 
Bronzen, indem unter letzteren die vorchristlichen durch höheren Bleigefialt, die nachchrist- 
lichen meist durch höheren Zinkgehalt gekennzeichnet sind. Die etruskischen Bronzen weisen 
ganz verschiedene bald der allgemein verbreiteten , gewöhnlich als griechischen bezeichneten, 
bald der römischen Legirung entsprechende Zusammensetzungen auf. 

Mit unseren nstbaltischen Fundörtem alter Waffenhronze schliesst sich ihr Vorbreitungs- 
bezirk für den ganzen Umfang der Ostsee und zwar dergestalt ab, dass diese Bronze im Ost- 
balticum nur durch 28 Stücke vertreten ist und nach Süden, Süd-Ost und Osten ganz auf- 
hört, dagegen nach Westen an Quantität und Schönheit zunimmt Nach Montelius (Steiu- 
äldern och Bronsäldern, Stockholm 1872) sinil aus Norrland und dem eigentlichen Schweden 
(Svealand) 150, aus Götaland 750 und aus Skäne 1600 Nummern Bronzesachen bekannt geworden, 
während unter den von mir oben erwähnten 13, zwischen Weichsel und Oder gefundenen 
Exemplaren, das Zusammenliegen von sechs Celten (in Posen) und das Vorkommen von Guss- 
formen (Frankfurt) für eine im Westen der Weichsel ausgedehntere Benutzung von Bronzeartikeln 
spricht. Wie die im vorigen Capitel für das Steinalter erörterten und im nächsten Capitel für 
die ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt dargelegten Culturzustände ostbaltischer und 
namentlich finnischer Indigenen lehrten und lehren werden, können die im Ostbalticum ge- 
fundenen Bronzewaffen weder von solchen Indigenen hergestellt, noch auch von denselben als 
Kriegsbeute zu Wasser eingeführt, sondern höchstens im Handel acquirirt sein. Wir haben sie 
daher mit westhaitischen Vertretern des Bronzealters kommen zu laasen, ohne dass, wie Holm- 
berg für Finnland der Ansicht ist, die alten Bronzesachen zugleich mit fremden Steinwerk- 
zeugen ins Land kamen, da gezeigt wurde, wie es wahrscheinlicher ist, dass sich die finnländische 
Steiualtercultur nach West resp. ins schwedische Norrland ausbreitete. Am nächsten liegt es, 
die in Finnland und auf den livländiscben Inseln gefundenen Bronzewaffen aus oder Uber 



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Zur Archäologie des Ualticum und Russlands. 95 

Schweden und Gotland kommen zu lassen, während die Paalstäbe von Altona in Kurland 
und die Haue aus dem Gouvernement Kowuo mehr auf Norddeutschland hinweisen und die 
ostpreussiscbe alte Bronze sowohl auf Wasserwegen als auf westlichen Landwegen eingefiihrt 
sein kann. Wenn aber die Einfuhr aus West kaum zu bezweifeln sein wird, so bleibt doch noch 
die Frage zu erörtern, woher die baltische alte Bronze überhaupt stammte. Denn dass sie, 
insbesondere anfänglich, nicht im Balticum selbst hergestellt oder verarbeitet wurde, folgt nächst 
anderen, später erörterten Gründen, aus dem Fehlen oder geringen Vorhandensein baltischer 
Zinnerze und der damaligen Unkenntniss scandinavischer Kupfererze, sowie daraus, dass von 
den älteren zu den jüngeren Artikeln des scandinavischen Bronzealters sich kein Fortschritt, 
sondern ein Rückschritt in Technik und Formensinn zeigt. Zur F.rörterung dieses Problems 
der ersten Herkunft und des ältesten Herstellungsortes baltischer alter Bronzen würde ich 
mich indessen bei der geringen Anzahl ostbaltischer Bronzewaffenfuude hier weder berufen 
noch berechtigt fühlen, wenn nicht das Ostbalticum folgenden , wie mir scheint, sehr wesent- 
lichen Beitrag zur LöBung desselben geliefert hätte. 

Bei der Filialkirche „Peterscapelle“ an der Küste des Rigaer Meerbusens, etwa sechs 
Meilen nördlich von Riga, wurde an dem mit Nadelholz bestandenen DüneDnbhange ein Grab- 
hügel von vier Faden Durchmesser, sechs Fuss Höhe und miteinFuss dicker Lehmdecko aufge- 
graben (Mellin in JahresverhdL d. kurländ. Ges. f. Lit und Kunst. Mitau 1822, S. 28 bis 32; 
Kruse, Necrolivonica. Dorpat 1842, Generalbericht S. 13 und 21, Beilage D, S. 1, Tab. XXI, 
Fig. 1 bis 5; Grewingk, Heidn. Gräber Litauens, Dorpat 1870, S. 98, 125, 149), welcher einen 
ziemlich grossen, runden, unglasirten irdenen, Asche, Kohlen und Ueberbleibsel von Knochen 
bergenden Topf mit beschriebener Deckplatte aus Blei enthielt, in dessen Umgebung sich zwei 
Statuetten aus Bronze von fUnfZoll (163 Millim.) und einem Fuss Höhe, ferner ein 2 1 /, Fuss langer 
eherner oder kupferner Schild mit eingegrabeuen Figuren, sowie Bronze- und Silbermünzen 
befanden. Für die Zuverlässigkeit der Mittheilung spricht sowohl die Persönlichkeit des Be- 
richterstatters, nändicli des damals nicht weit von Peterscapelle ansässigen, durch seine Karte 
Livlands bekannten patriotischen Grafen Mell in, als die Fundzeit (vor 1820), zu welcher sowohl 
die allgemeinen als die das Ostbalticum betreffenden archäologischen Interessen zu gering waren, 
um hier einen archäologischen Betrug oder Scherz wahrscheinlich zu machen. Wenn aber 
WorBaae (Russlands bobyggelse, S. 77) von der Unzuverlässigkeit dieses Fundes spricht, so 
verwechselte er dessen Inhalt offenbar mit gewissen, ein paar Meilen von Peterscapelle, eben- 
falls auf dem Gute Koltzen, in Gräbern mit Skeletten gefundenen Bronzesachen, welche von 
Kruse (Lc.) mit jenen von Peterscapelle zusammengeworfen wurden, sich jedoch durch meine 
späteren Untersuchungen als zinnfreie Bronzen der Eisenzeit manifestirt haben. Von dem 
Inventar des Grabes bei Peterscapelle erhielten sich leider nur die kleinere Statue und vier 
Münzen. Die im Mitauer Museum befindliche und von mir in Abgüssen dem Museum zu 
Mainz und dem bei der Petersburger Akademie befindlichen, zugestellte Statuette scheint einen 
zum beginnenden Kampfspiel vorbereiteten Athleten darzustellen. Die procentische Zusammen- 
setzung ihrer Bronze ist: Kupfer 91,4, Zinn 6,1, Zink 0,8 um) Blei 1,2 und stimmt mit derjenigen 
der Lanzenspitze von Moon und des Ringes von Neukau ganz gut überein. Die andere, ein 
Fuss hohe, mit weisslicher Oberfläche, d. i. Zinnoxyd-Patina versehene Statue aus Bronze, 
zeigte ein Gewand und hohen Kopfschmuck, woraus man auf eine Diana schloss. Von den 



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96 



C. Grewingk, 

begleitenden Münzen wurden bestimmt (Kr usea.a.O., Beilage I), S. 2 und Tab. XXI, Fig. 3 bis ö), 
eine Bronzemiinze des Königs Demetrius Poliorcetes (294 bis 287 v. G'hr.), eine in dieselbe 
Zeit fallende, vortrefflich erhaltene silberne aus Syrakus und zwei silberne Tetradrachmen von 
der Insel Thasos. Eine altgriechiscb-cyrenäische Bronzemünze fand ferner Fr. Kruse bei 
Dreimannsdorf, etwa zehn Meilen nördlich von Peterseapolle, auf einoin Begräbnissplatze hart 
am Meere, neben anderen Bronzefragmenten, Perlen etc. (Kruse a, a. O., Bericht S. 22 und 
Beilage D, S. 2 und Beil. V, S. 7 Anm., Tab, 56, Nr. 1) und betrug deren procentische Zusammen- 
setzung 73,47 Kupfer, 7,02 Zinn und 19,51 Blei. Dann lieferte auch die Insel Oesel (Kruse a.a.0., 
Beil. I)., S. 2 und Tab. 56, Nr. 2) eine schön erhaltene altgriechische BronzemUnze der Stadt Panor- 
mos (Palermo). Endlich wurden griechisch-sicilianische, oder altgriechische und macedonische 
Münzen des III. Jahrhunderts v. Chr. auch von Gotland und Schonen (O. Montelius, Re- 
mains from the Iron Age of Scandinavia, 2 Parts, Stockholm 1869) l>ekannt. An altgriechi- 
schen Münzen jener Zeit hat sich ferner die (bleifreie) Zusammensetzung unserer Statuette 
von Peterscapelle nachweisen lassen, und erinnern z. B. Hercules und Poseidon auf den 
Münzen von Peterscapelle (Kruse a. a. O., Tab. 21, Fig. 3 und 4) in ihrem Habitus gleichfalls 
an unsere Statuette. Ich setzte bereits an anderer Stelle (heidn. Gräber Litauens, s. o.) aus- 
einander, warum man das Grab bei Peterscapelle wahrscheinlich einem Griechen oder Römer zu- 
zustellen habe, der vielleicht auf grossgriechischem, aus Sicilien resp. Syracus, zur Zeit Hieron's IL 
(265 bis 224 v. Chr.) kommenden Fahrzeuge absichtlich in die Ostsee segelte und schliesslich an 
deren unwirthlicher Küste sein Grab fand. Von einer phünicischen Reise konnte kaum dio 
Rede sein, da die Hauptstation der Phönicier, Gades, bereits im IV. Jahrhundert v. Chr. zer- 
stört worden war und sich auch sonst nichts Phönicisches am Funde entdecken liess. Ebenso 
musste der Gedanke an Etrusker wegen der Bestattungsweise, — welche mit der Aschenurne 
und Bleiplatte darauf an alte Gräber Tamans erinnerte — , und wegon der altgriochischen 
Münzen abgewiesen werden. Dabei kam die Statuette von Peterscapelle noch besonders in 
Betracht, ausser welcher mir im Ostbalticum nur noch eine antike, 4 Zoll lange, einen römi- 
schen Krieger mit Helm, Lanze und Schild darstellende Figur bekannt ist, deren unter Alter - 
thümern aus Gerrnau und aus Kapornen von Biescobniken bei Heiligenkreuz in Samland (Alt- 
preuss. Monatsschrift VI, 367) erwähnt wird, die aber wohl kaum vor das L Jahrhundert 
n. C'br. zu setzen sein wird. Die Pcterscapellcr Statuette liess nämlich an und für sich die Wahl 
zwischen etruskischer und römischer Herkunft frei, weil sie mit ihrem ziemlich plumpen Bau, ins- 
besondere dem zu grossen Oberkörper und zu starkem Halse und Nacken, nicht gerade auf hohe 
griechische Kunst hinweist und weil nicht allein die Römer ihre Statuen so hoch schätzten, dass 
sie sie mit sich herumtrugen und sogar in Schlachten und daher wohl auch auf Seereisen 
mitnahmen, sondern weil auch bei den reichen Tyrrhenern oder Etruskern (Horaz, Epist. II, 
2, 180), Bronzefiguren zum gewöhnlichen Schmuck der Häuser gehörten und weil wir von 
etruskischen Bildwerken durch Plinius (Hist, nat 34, 7, 16) hören: „Signa tuscanica per 
terras dispersa, quae in Etruria factita non est dubiuni.“ Der 2*/j Fuss lange kupferne Schild, 
dessen eingegrabene Figuren keine oder jede Deutung zulassen, erinnert an einige westbal- 
tische Funde alter Bronzescbilder, deren Ornamentik eine fortlaufende Spirale (Nilsson, 
Bronzealter, Fig. 43; aus Schweden) oder punktirte Kreise, mit und ohne punktirte Schwimm- 
vögel (Nord. Ohls. Nr. 203, 204 und 206 von Hnlland in Schweden) zeigt. Gäbe es übrigens 



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Zur Archäologie des Balticum und Russlands. 97 

auch keinen zweiten Fund eines solchen alten Schildes im Balticum, so würde damit nur be- 
wiesen sein, wie süditalische oder grossgriechische Seefahrer und wohlausgerüstete Krieger 
nur selten ins Balticum kamen , selten daselbst lange verweilten und daher auch selten dort 
starben. Der Mangel an Angriffswafien neben jener ausgezeichneten Schutzwatie ist auffällig 
und nicht allein aus dem hohen Werthe, welchen diese Artikel jedenfalls für den weit von 
der Heimath entfernten Krieger hatten, zu erklären. Wenig überraschend erscheint dagegen, 
dass zur bezeichneten Zeit süditalische Seefahrer überhaupt ins Balticum gelangt waren. 
Denn da Pytheas bereits 334 v. C'hr., von Massilia aus, die nordische Wiege des Zinns be- 
suchte und die Küste ausserhalb der Elbmündung und im Gebiete der Eidermiindung kannte, 
und da ferner kaum daran zu zweifeln ist, dass damals der Bernstein friesischer Inseln nach 
Italien gelaugte, ja da endlich sich sogar in Schottland an Münzen und Sculpturen (N. Wilson, 
Arch. of Scotland, p. 197) die Anzeichen altgriecbischer Cültur finden Hessen, so darf es 
nicht wundern, wenn sich im Anschluss an Pvtheas’ Reise die Seefahrten weiter ostwärts 
aiiBdehnten und durch Kattegat und Sund und mit den Stationen Schonen, Gotland und 
Oesel, endlich bis zur Küste des Rigaer Meerbusens, auf demselben Seewege führten, welchen wir 
im Eisenalter als ältesten nördlichen, historisch beglaubigten kennen lernen werden. Die 
alte, auch von Müllenhof (Deutsche Alterthumskuude I, Berlin 1870) festgehaltene Ansicht, 
dass sich grossgriechische oder andere zeitgenössische Seefahrten niemals aus dem Mittelmeer 
nach der Ostsee erstreckten, und dass der samländische Bernstein nicht früher als im I. Jahr- 
hundert n. Chr. in den Handel kam, oder dieser Fundort den Römern nicht vor dieser Zeit 
bekannt wurde, ist somit dahin zu ergänzen, dass bereits im HI. Jahrhundert v. Chr. ein Ver- 
kehr zwischen Sicilieu und dem Ostbalticum bestanden hat und dass sogar Beweise directer 
Verbindung vorliegen. Die Unwirthbarkeit des Ostbalticum und die niedrige Culturstufe 
seiner Bewohner forderte indessen nicht zum fortgesetzten oder häufigeren Besuche dieser 
Gegend auf. War aber die Samländer Quelle des Bernsteins erst einmal, sei es durch Grie- 
chen oder Römer, oder die Vertreter des westbaltischen Bronzealters entdeckt, so setzte sich 
die Lieferung dieses Materials nach Italien auch indirect und möglicher Weise zu einer Zeit 
fort, wo der genannte Fundort, oder die Straase zu ihm, nicht oder ungenau bekannt waren 
und erst mit Nero’sBeruateinritter ein Landweg nach Samland genauer bekannt, oder wieder 
in Erinnerung gebracht wurde. 

Wenn wir somit durch ein Grab mit Münzen und durch Münzfunde nicht besondere 
gekennzeichneter Localitäten die Beweise directen und vielleicht auch zum Tbeil indirecten 
Verkehre zwischen Mittelmeer und Ostsee im IH. Jahrhundert v. Chr. haben, so ist, nach 
allem übrigen archäologischen Material des Balticum, anderseits nicht zu bezweifeln, das« die 
bezeichneten überseeischen Verbindungen nur geringe waren. Dennoch liefern diese geringen 
namentlich directen Beziehungen eine nicht unwesentliche Stütze jener, auf Grundlage anderer 
Forschungen, aufgestellten Hypothese vom italischen Ursprünge oder Heerde ältester hai- 
tischer Bronzecultur. Combiniren wir nämlich die Hauptmomente unserer früheren Betrach- 
tungen mit einigen anderen und zwar zunächst: Pytheas’ Reise im IV. Jahrhundert v. Chr., 
dann die unverkennbare Aehnlichkeit gewisser italischer, resp. grossgriechischer und etrus- 
kischer Bronzeformen mit vielen alten westeuropäischen und namentlich auch baltisohen, ferner 
die allgemein angenommene Abnahme dieser Aehnlichkeit, oder besser der quantitativen und 

Archiv für Anthropologie. B<1. VH. Heft 1 und i. 13 



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98 



C. Grewingk, 

qualitativen Vertretung solcher Bronzeartikel von Westen nach Osten, d. i. von England 
nach und durch Scandinavien und die in derselben Richtung, z. B. für Schweden, von Schonen 
nach Ost beobachtete (Hildebrand, Dr. H.,das heidn. Zeitalter in Schweden, Deutsch, Ham- 
burg 1873, S. 72) Abnahme des Alters der Bronzesachen, hierauf die durch Giessstatten be- 
wiesene, im ßalticum selbst während länger anhaltender Einfuhr roher Bronze, oder 
ihrer beiden Hauptbestandtheile stattgehabte Herstellung von Bronzegeräth, und schliesslich 
die Gegenwart süditalischer Seefahrer und Münzen des UL Jahrhunderts n. Clir. im nördlichen 
Theile des West- und Ostbalticuui sowie das Vorkommen des Bernsteins in etruskischen Grä- 
bern desselben Jahrhunderts, combiniren wir, wie gesagt, alle diese Daten, so kommen 
wir zu dem woblberechtigten Schlüsse: 

Dass seit der letzten Hälfte des IV. Jahrhunderts v. Chr. griechische, resp. massaliotische, 
oder durch Griechen vermittelte Bronzecultur an der Ostküste der Nordsee, d. i. an der Küste 
von Holstein, Schleswig, Dänemark und Norwegen bekannt wurde und sich von hier zuerst 
landwärts und dann — bei der immer weiter östlich vorrückenden Bekanntschaft der Cultur- 
völker des Mittelmeeres mit West- und Ostsee und der gleichzeitig fortschreitenden eigenen 
Cultur der baltischen Bewohner — der Nordküste der Ostsee entlang ausbreitete, bis im UI. 
oder im Anfänge des IL Jahrhunderts v. Cbr. eine italische resp. gross griech ische , von Sicilien 
ausgehende Seefahrt durch Kattegat und Sund Uber Schonen, Oeland, Gotland und Oeeel zur 
Kenntnis» des Rigaer Meerbusens führten. 

Wenn hier griechischer, sowohl massaliotischer als sicilianischer Verkehr betont wurde, 
so blieb dabei die Möglichkeit einer gleichzeitigen Einfuhr und Verbreitung etruskischer Bronze- 
fabrikate nicht ausgeschlossen, konnte aber keine directe, zu Wasser erfolgte sein. Die — so lange 
Corssen und Taylor uns nicht eines Bessern belehren — als semitischer Stamm lydischen 
Ursprungs zu betrachtenden Etrusker mögen bis 500 v. Chr. die italischen Meere beherrscht 
haben und nach ihren mit Lotos verzierten Strausseiern, sowie nach ihren Götzenbildern und 
Smaragden einen ausgedehnten Seehandel mit Griechen, Phöniciern undAegyptern getrieben 
haben, Uber die Säuien des Hercnles kamen sie aber kaum hinaus. Auch bestanden sie 
schliesslich nicht die Concurrenz mit Phöniciern und Griechen, denn es war nach 500 Syrakus 
in die Hegemonie des tyrrhenischen Meeres getreten und folgte man, wie wir gesehen, von 
Syrakus aus den Massalioten im Befahren nordischer Meere. 

Bekanntlich werden neuerdings von mehreren Archäologen entweder alle oder die meisten 
alten baltischen Bronzesachen fiir etruskisches Fabrikat gehalten. Am Schicksal der Celtomanie 
und dem Bestreben fast alle Erscheinungen baltischer Bronzealtercultur auf mehr oder weniger 
directe ägyptisch-phönicische Quellen Zurückzufuhren, sind wir gewarnt, ein grosses Areal während 
längerer Zeit nicht unter den ausschliesslichen Einfluss eines C'ulturvolkos auch in dem Falle 
zu stellen, wo es sich vorzugsweise um materielle Dinge handelt. Bei den Formen baltischer 
alter Bronzen kann nur von einer mehrseitigen Beeinflussung die Rede sein , d. h. sowohl von 
einer fremden, sei es nun vorherrschend etruskischen, grossgriechischen, oder anderen, die 
Einfuhr verschiedener Fabrikate umfassenden, als von einer einheimischen, welche während 
des im ßalticum mehrere Jahrhunderte anhaltenden, fast ausschliesslichen Gebrauches der 
Bronzegerätlie schwerlich ausblieb. Bchn speciellen Vergleiche etruskischer und baltischer 
Bronzen wird man von einer gegebenen etruskischen Bronzeindustrie und deren Artikeln aus- 



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99 



Zur Archäologie des Balticuni und Russlands. 

zugehen und nicht darnach zu fragen haben, woher diese Industrie gekommen und ihre ersten 
Muster genommen, oder ob sich ihre geometrische und organische Ornamentik bis in die 
assyrisch-ägyptischen Darstellungen verfolgen lässt, oder warum in ihr diese oder jene Form 
fehlt. Da ferner die Metallindustrie der Etrusker nicht die alleinige war und blieb, sondern grie- 
chische (Kolonisten an mehreren Punkten der Mittelmeerkilste gleichfalls Stätten derselben 
besassen und durchaus nicht alle etruskischen Formen specifisclie sind, so wird, wenn es sich 
um befriedigende Ergebnisse handeln soll, die Forderung eines weiteren und gründlichen 
Vergleiches baltischer und grossgriechischer oder anderer alter Bronzen eine billige sein. Die 
bisherigen vergleichenden Forschungen haben vorherrschend Formverhältnisse und Ornamentik 
alter Bronzen, sowie Darstellungen auf Vasen und Wandgemälden und dann noch einige 
historische Daten im Auge gehabt und verwertheb Von einer besonderen Auswahl der zu 
vergleichenden Objecte war gewöhnlich nicht die Bede und ebenso auch nicht von ihrer 
Vergesellschaftung mit anderen Gegenständen, oder von den speciellen Verhältnissen ihrer 
Fundstätte, oder von einer im Uebrigen genauen, namentlich naturhistorischen Untersuchung 
derselben. Dieses erste und unvollkommene Verfahren konnte in vielen Fällen bei mangel- 
hafter archäologischer Grundlage kein anderes sein und wird es dort überall bleiben, wo un- 
geachtet zahlreicher archäologischer Objecte doch nur wenige zuverlässige und gründliche 
Untersuchungen und Beschreibungen vorliegen. Bei und mit solcher Methode darf man aber 
nicht erwarten, dass die Frage Uber die Herkunft baltischer Bronze bereits zum Abschlüsse 
gekommen sei, und erscheint es hier am Platze, in einer Frage, wie die in Rede stehende, 
das Verfahren an sich, an einigen Fällen kritisch zu beleuchten und die Hauptmomente und 
Ergebnisse der auf den Nachweis alter italisch-baltischer Beziehungen gerichteten Formstudien 
schärfer ins Auge zu fassen. 

Ohne Berücksichtigung der psychologischen Nothwendigkeit einer Gleichheit oder grossen 
Aehnlichkeit gewisser Grundformen hat man letztere Momente für die einfachsten Formen der 
Dolche, Messer, Meissei, Beile, Celte, Lanzen- und Pfeilspitzen, Sicheln, Hals-, Handgelenk- 
und Fingerringe, Klapperbleche etc. als Beweise gleicher Herkunft und Quelle gelten lassen, 
auch wo sic an den verschiedenen Fundörtern vonGeräth verschiedenen Ursprungs begleitet wur- 
den. Wir fanden bereits im Verlaufe dieser Abhandlung Gelegenheit darzulegen, wie gewisse 
Bronze- oder Kupfersicheln von Cherson am Schwarzen Meere, bei. grosser Aehnlichkeit mit 
scandinavischen Formen derselben Art, doch weder specielle Beziehungen beider Regionen, 
noch gar dieselbe nationale Zugehörigkeit beweisen, weil neben den Cbersonschen Sicheln 
eine doppelschneidige Bronze- oder Kupferaxt (Bipennis) vorkam, welche wir sowohl aus Trojas 
Alterthümem als von der Insel Thermia, nicht aber aus dem scandinavischen Bronzealter und 
auch aus Italien nicht in natnra, sondern nur aus bildlichen griechischen, etruskischen und 
römischen Darstellungen kennen lernten. Bronzecelte von Jelabuga an der Kama (süd-öst- 
lich Kasan) oder von der unteren Wolga, deren Form scandinavischen oder irländischen 
Exemplaren entspricht, worden wir erst dann richtig würdigen, wenn wir die stumme Gesell- 
schaft, in welcher sie sich hüben und drüben befinden, gehörig berücksichtigen. Es wird auch 
nicht gestattet sein, Paalstäbe (mit Sehaftlappen) und Celte (mit Scbaftrohr) ähnlicher Form und 
chemischer Zusammensetzung aus dem Balticum, Irland, Moselgebiet, Thuner See, aus Pfahl- 
bauten lombardischer Seen und Terramaralagern am Po oder am Busen von Toronto und in 

13 * 



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100 



C. Grewingk, 

apulischen Funden alle mit einander ohne Weiteres auf etruskische Quellen zurückzuführeu, 
weil wir die Gieasstätten dieser Formen auch von mehreren ausseritalischen Punkten kennen 
und weil damit die Möglichkeit einer anders gerichteten bis gegenläufigen Verbreitung derselben 
innerhalb eines langen Zeitraumes gegeben ist. Ganz gleichgeformte Halsringe und andere 
Ringe aus alter Bronze sind im Balticura und Irland, bei Celten, Römern, Etruskern und 
Griechen Italiens. Griechenlands und Trojas, sowie von dem 720 bis 605 v. Clir. zerstörten 
Niniveh bekannt und gehören auch die Klapperbleche (Crotalen) zu Artikeln, welche in West- 
europa nicht durchaus auf etruskische Form und Herkunft zurückgeftihrt zu werden brauchen. 
Wenn ferner Dr. Wi berg in Gefle (Einfluss der Etrusker und Griechen auf die Bronzecultnr, Archiv 
für Authropologie JV, S. 11 ff) den Unterschied zwischen griechischen, lanzett- oder schilf- 
blattfÖnnigOD und den etruskischen , einfacheren mit geradlinig verlaufenden Schneiden ver- 
sehenen Dolch- undSchwertklingen besonders hervorhob, ist es doch nicht möglich, diesen 
Unterschied, soweit er die Hcrknnft begründen soll, z. B. für Finnland zu verwerthen, wo an 
den beiden dort gefundenen Exemplaren von Schwert und Dolch beide Formen vertreten sind. 
Dennoch wird kaum zu bezweifeln sein, dass die lanzettförmigen Bronzeklingen im Balticum vor- 
herrschen und haben deshalb die entsprechenden grossgrieebiseheu Dolchklingen von Cumae für 
die baltisch-genetische Frage ungleich mehr Werth, als die altgriechischen aus Mncedonien 
oder von der jonischen Insel Ithaka Das Schwert von Braunsberg in Ostpreussen mit ver- 
nietetem (griechischen) und an seiner oberen Querstange spiral aufgerolltem (etruskischem) 
Grifte spricht auch nicht gerade lür die scharfe Scheidung gewisser griechischer und etruskischer 
Schwertformen, und kann hier beiläufig erwähnt werden, dass Griffe mit der bezeichneten Auf- 
rollung auch an altaischen Bronzewaffen Vorkommen. Die Etrusker kannten ausserdem sowohl 
kurze, krumme SchwerterlDennis, I, 253 und H, 478) mit Vogel am Griffe — with a bird perched 
on the hilt — , als breite römische, mit geradlinig begrenzter und etwa 45 Grad messender 
Spitze. Ein endgültiges Urtheil in Betreff der angeblichen Kleinheit der Griffe ist wegen 
mangelnder Messungsreihen nicht möglich (Archiv für Anthropologie V, Correspondeuzblatt 
S. 02) und hat diese Kleinheit bei ganz entschiedenen Stich- oder Stosswaffen nicht einmal 
grosse Bedeutung, während der Unterschied verzierter und unverzierter Griffe jedenfalls in 
keiner Beziehung zur Grösse derselben steht. Sehr bezeichnend für die Gemeinsamkeit 
italischer und baltischer Eormen sind anderseits vor Allem die breiten dreieckigen Dolchklingen, 
welche man aus dem Balticum durch Sachsen, Süddeutschland, die französische Schweiz, Lom- 
bardei (Peschiern) bis nach Süditalien und schliesslich bis zum grossgriechischen Panormos 
(Palermo) verfolgte. Dasselbe gilt für die Form eines Streit kolben- von Uddcwalla, welche 
selbst Nilsson (Bronzealter, 1863, S. 144, Fig. 64) als etruskische anerkennt; dann für die Ln 
den Gräbern Oelauds gefundenen Bronzespiegel muthmaasslich grossgriecliischer aus Brente- 
sion (Brundusium, Brindisi) stammender Arbeit; feiner für gewisse im Balticum und Etrurien 
wiederkehrende Formen spiraler Armschienen, Schmucksachen und Löffel (Nord. Oldsager 265. 
Nilsson, Bronzealter, Fig. 56), sowie für die bekannten Räucherwagen und Metalltrompeten. 
Etruskische Formen giebt auch C'onze (Sitzungsberichte d. k. k. Ak. der Wiss. LXIV, 505, 
und LXXII, 221) in den Bronzefunden von Grachwyl, Dürkheim, Hallstadt und Kaltemau zu, 
und werden wir in Betreff der Ornamentik baltischer Artikel des Bronzealters zu notiren lialien, 
dass sie eine vorherrschend geometrische ist und dieser gegenüber die culturhistorische und 



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Zur Archäologie des ßalticum und Russlands, 101 

organische von Schiften und Vögeln ganz in den Hintergrund tritt. Das grösste/ Verdienst 
uni den Nachweis der Bedeutung etruskischer Bronzeindustrie dir ganz Westeuropa- erwarb 
sich jedenfalls Dr. L. Lindenschmit, auf dessen letzte vortreffliche Abhandlungen Uber -Ur- 
sprung und Herkunft von Geräthen des Eisenaltere im Rheingebiet etc. und über den Grab- 
fund vonArmsheim (Beilagen zum Bd. III, Heft 1, und Heft 3, Taf. 2 der Alterth. beidu. Vorzeit) 
ich hier, obgleich sie dem Eisenalter gelten, doch besonders aufmerksam mache, weil in den- 
selben auch auf die grosse Verwandtschaft von Form, Ornamentik und Herstellungsweise bal- 
tischer Schutzwaffen (Helm, Schild, Harnisch) und nahezu aller im Balticum sowie vieler im 
Elb- und Rheinlande, Holland. Belgien und Frankreich, Schweiz, Salzkammergut und Böhmen 
gefundener Arten von Gefassen aus alter Bronze mit italischen resp. etruskischen Formen 
hingewiesen wird. Nichtsdestoweniger werden wir sowohl die alte Bronzeindustrie als den 
Handel mit deren Fabrikaten nicht allein in die Hände der Etrusker, sondern auch in die 
der Grossgrieehen, Massalioten und Gelten legen dürfen. Denn es spricht hierfür zunächst die, 
ungeachtet hoch entwickelter Technik, doch so grosse Verschiedenheit im Goschmack uud 
Stil der Metallgerätbe, welche entweder griechische oder Nachahmungen griechischer Muster 
sind, oder mit halb etruskisch-celtischen , barbarischen Thier- und Menschenfiguren, z. B. auf 
Gürtelblechen der Hobenzollem-Gräber erscheinen , uud ebenso deren Verschiedenheit im 
Vorkommen und der chemischen Zusammensetzung, welche viel zu bedeutend ist, um mit 
Dr. Gentbe anzunehmen, dass die in germanischen Gebieten vorherrschenden Waffen, Geräthe 
und Schmuoksachen aus Erz von Arretium stammen. Als Beweis und Beleg der immer 
gründlicher werdenden vergleichenden Formstudien möge aber hier noch der Hefteln 
oder Fibeln gedacht werden, welche man ebenso wie die Erzgefässe, entsprechend den Leit- 
lossilien, als Leithronzen bezeichnete, was um so zutreffender ist, als die Leitfossilien 
geologischer Formationen, wenn man unter ihnen einzelne Arten versteht, bekanntlich 
nicht für alle, sondern nur für bestimmt begrenzte Bildungsräume einer Formation 
Geltung haben. Zuerst wurde hervorgehoben, dass eine Varietät der armbrustförmigen 
sogenannten römischen Fibel mit verlängertem, nach oben zurückgebogenem, unterem 
Bügelende (Alterth. heidn. Vorzeit II , 7, Tab. 3) in Italien, Frankreich, Grossbritannien, 
Schweiz, Suddeutschland, resp. Baiern, in den Rheinlanden und Holland, dann in Niedersachsen 
und weiter östlich im ganzen Elbgebiete, ja bis ins Ostbalticum hinein unter den heidnischen 
Altertbümem vorkommt. Dieselbe Form in Schweizer Pfahlbauten und in baltischen Liven- 
gräbern des IX. Jahrhunderts war gewiss eine anziehende Erscheinung und ein Beweis hohen 
Alters und langer Dauer, hatte aber sowohl in diesen, als in allen Fällen, wo die chemische 
Zusammensetzung der Fibeln und die Verhältnisse ihres Vorkommens sowie der sie beglei- 
tenden Culturobjecte sich als verschieden berausstellteD, sonst sehr wenig Werth für den Nach- 
weis etwaiger gegenseitiger Beziehungen der Fundörter. Nach dieser ersten Formstudic der 
Fibel erkannte mau (Lisch, Jahrb, f. Mecklenb. Gesch. XXXV, 99; XXXVII, 218 und 
H. Hildebrand, das heidn. Zeitalter Schwedens, Hamburg 1873, S. 24, Fig. 4 bis 13), dass 
die sogenannte römische Fibel als Grundlage vieler dem Eisenalter angehöriger Fibelvarie- 
täten Schwedens, Dänemarks, Hannovers, Mecklenburgs, Englands und Ungarns gedient habe. 
Für das Balticum ist mm in der That jene Grundform eine römische, d. i. von Rom kommende, 
gewesen, während wir sie bereits oben als griechische, aus den Gräbern der Chersoniten 



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102 



C. Grewingk, 

bei Sewastopol in der Klimm, mit Münzen des I. bis IV. Jahrh. v. Chr. kennen lernten. Gegenüber 
solchen ^ewissermaassen modernen oder Eiaenalter-Filjelformeu steht nach Dr. H. Hildebrand 
(Sjtbdier i jämforande formforskning I. Bidrag tili spännets historia in Antiquar. Tidskrift för 
SWrige IV, 1772, S. 15 bis 142) als älteste baltische und im Balticum erdachte, originelle 
Form der reinen Bronzezeit, die aus zwei Stücken zusammengesetzte und mit Loch im Dorn 
versehene Fibel (Nord. Old-S. 51, Fig.228), von welcher Hildebrand mit Unrecht meint, dass 
sie nie mit Eisen zusammen vorkommt, da wir in den Gräbern von Sylt (Linden sch mit, Alterth. 
heidn. Vorz. III, 3, Taf. 1, Fig. 5) ein solches Beispiel finden. Ebenso gewagt scheint es mir, 
diese Fibel für eine originelle baltische Form zu halten, da sie auch von Perugia in Etrurien 
(vergl. Lindenschmit a. a. O. I, 8, Tab. 3, Fig. 7, und Nord. Olds. S. 51, Fig. 230)' bekannt 
ist und ihre spirale, an manchen anderen baltischen Nadeln und Schmucksachen wieder- 
kehrende Aufrollung ausserdem in altitalischen Formen häufig vorkommt. Zwischen diese 
älteste, somit kaum im Balticum erfundene, und die oben bezeichnet« neue, dem Eisen- 
alter ungehörige baltische Fibel lässt sich endlich noch eine dritte baltische Form aus oinem Stück 
mit gewölbtem Bügol, langer Nuth und an der Wurzel spiral gerolltem Dorn (Alterth. heidn. 
Vorz. LH, 1. Beilage, Fig. S. 12) stellen, welche in Bronze und Gold aus Etrurien und Italien 
überhaupt, sowie aus der Schweiz, Frankreich, Irland, den Rheinlanden, Holstein und auch 
aus den Gräbern von Hallstadt bekannt ist. — Schliesslich mag hier noch der vergleichenden 
Formbetrachtung von Wagen, Stieren und Vögeln aus Bronze oder Kupfer gedacht werden, ans 
weloher R. Yirchow (Verhaudl. d. Berliner Ges. £ Anthropologie, 1873, Dec. 6), ungeachtet 
spärlicher und in Betreff des Vorkommens wenig lehrreicher und auch nicht chemisch analy- 
sirtcr Materialien, eine Verschiedenheit der Fabrikate und damit der Verkehrswege ableitete. 
Die sUdfranzösischen (Toulouse), rheinischen (Speyer) und gewisse ungarische Wagen sollen 
nämlich auf andere Entstehungszeit, Herkunft und Verbreitung hinweisen, als die Wagen- 
formen und Thierdarstellungen von Stationen oder Strassen in Siebenbürgen (Radkersburg 
und Szatwaros-Stuhl), Ungarn (Pressburg), Steiermark (Judenburg, Negau mit Helmen, Stret- 
weg mit altgermanischem Nerthus- Wagen), Salzkammergut (Ilnllstadt), Mähren (Byciskala- 
Höhle) und einem Gebiete, in welchem ein V erkehrsweg die March hinauf und die Oder hinab 
ins Balticum führte. Weil es sich hier jedoch nur um ein Paar Bronzeartikel (s. o. S. 93) 
handelt und weil die Kesselwagen unschwer auf die Form etruskischer Räucherwagen zurück- 
zuführen sind, so sprach sich Herr Friedei (a. a. O.) gegen eine etwaige Einfuhr derselben 
ins Odergebiet aus — indem er sie wegen der daselbst (Schermützel-See) Vorgefundenen 
Giessformen für einheimisches Fabrikat ansah — und betrachtete die in Mecklenburg (Peccatel) 
und in Schweden (Lund) gefundenen entsprechenden Objecte als Kriegsbeute aus Gräbern 
Etruriens, worin man ihm kaum sofort beistimmen wird. 

Ungeachtet der nicht geringen Un Vollständigkeit und Unvollkommenheit aller vorgelegten 
und anderer ähnlicher Forschungen oder deren Grundlagen gehen aus denselben dennoch ganz 
unzweifelhafte Beziehungen zwischen alten italischen und baltischen Bronze- 
formen hervor und muss es in der That Wunder nehmen, wenn noch jüngst der oben erwähnte her- 
vorragende schwedische Archäologe Dr.H. Hildebrand (Antiquar. Tidskrift IV, 1872, S. 15—142) 
sich dahin äussert, dass er die ältesten Formen nordischer Bronze nicht in Italien finden könne, 
während Nilsson (Ureinwohner. Bronzealter, Nachtrag I, Hamburg 1865) schon dadurch, 



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Zur Archäologie des Balticum und Russlands. 103 

•lass er die Etrusker und Pelasger zu den Phöuiciern stellte, die Möglichkeit einer italischen 
Existenz alter baltischer Bronzeformen zugab. Andererseits überrascht es nicht wenig, wenn 
Dr. H. Qenthe in seiner verdienstvollen Abhandlung Uber den etruskischen Tauschhandel 
nach dem Norden (Archiv f. Anthrop. VI, 25), ganz ohne Berücksichtigung der Mangelhaftig- 
keit naturhistorischer und Fundörter-Studien , Alles was von ausseritalischen alten Bronzen 
etruskischen Formen ähnelt oder gleicht, bona fide als etruskisches Fabrikat ansieht und zur 
Construirung von Handelsstrassen verwerthet. Der unvermittelte Gegensatz oder das gänz- 
liche Auseinandergehen scandinavischer (Hildebrand) und germanischer (Genthe) Ansichten 
mag aber damit Zusammenhängen, dass Schweden und Dänen seit längerer Zeit gewöhnt sind, die 
V ertreter ihres Bronzealters im Liebte einer durchaus selbständigen Bronzeindustrie oder „Cultur“ 
zu sehen, während man von deutscher Seite jetzt geneigt ist diese Selbständigkeit auf ein 
Minimum herabzudrUcken und wegen gewisser, nicht zu leugnender Unterschiede baltischer 
und originaler etruskischer Bronzesachen — die dem Kenner baltischer alter Bronzen z. B. 
beim Betrachten von Taf. I bis III zu Noel des Vergers’ l'Eturie, Paris 1862 — 1864, sofort 
auilällen müssen — sogar zur Annahme einer für den barbarischen Norden besondere Artikel 
liefernden etrurischen Bronzeindustrie gegriffen hat. Berücksichtigen wir indessen, dass die 
Zeugnisse einheimischer Bronzeverarbeitung in keinem der scandinavischen Lande ganz ver- 
misst werden (Antiquar. Tidskr. of Nord. Oldskr. 1855 — 1857, p. 85; Annalea Aarböger f. 
Nord. Uldkyndt u. Hist, 1853, 121—149; 1868 II, 129, oder auch Nilsson, Bronzealterl, 1863, 
S. 149, Fig. 48, und 62 undWorsaae, Nord. Uldsager, Fig. 213 und 214) und dass sie ausserdem 
in der Mark Brandenburg (Schermützelsee im Regierungsbezirk FranlcAirt), Mecklenburg (Hol- 
zeudorf), Sachsen (Grossenhain), Böhmen (Freistadt I, Hannover (Amt Medingen), Anhalt (Zerbst), 
Hessen (Amt Grüneberg), auf der Insel Anglesea etc. durch Erzkuchen, Bronzestangen und 
insonderheit durch Gussformen für einfache Waffen und Geräth, wie Meissei, Paalstäbe, Gelte, 
Lanzenspitzeu und Messer vertreten sind, so wird man diesen Gebieten jedenfalls einen 
gewissen Grad einheimischer und mehr oder weniger selbetändiger , vom fremden Einflüsse 
befreiter Industrie zuschreiben dürfen. Eine solche Ansicht gewinnt ferner noch dadurch an 
Halt, dass sich nn den jüngeren Artikeln des scandinavischen Bronzealters weniger Kunstsinn 
und geringere Technik offenbaren soll, als an den älteren und dass die complicirteren und 
aus mehreren Stücken bestehenden, im Balticum noch nicht gefundenen Guasformen, wie 
z. B. die für Schwerter und Dolche mit Griffen leichter verloren gehen konnten, als die 
einfachen. Endlich muss auch jener Umstand, dass unter den baltischen Bronzen nur ge- 
wisse Waffen, Geräthe und Scbmucksaehen verteten sind und manche altitalische ganz fehlen 
oder selten sind, als Beweis einer beschränkten Einfuhr von Bronzeartikeln gedeutet werden. 
Das seltene Vorkommen von Eisen bei alter, schön gearbeiteter Bronze mutbmaasslich 
italischer Herkunft, erklärt sich aber einfach daraus, dass jenes, den Groasgriechen und 
Etruskern seit mehr als einem halben Jahrtausend v. Chr. bekannte, jedoch gegenüber der 
Bronze seltene Material wenig in den Handel und Verkehr kam. 

Nachdem wir bereits für das 1H. Jahrhundert v. Chr. die Benutzung der Wasserstrasse 
zwischen Mittelraeer und Ostsee kennen lernten, auf welcher dem Balticum zuerst massalio- 
tische und dann sicilianische Bronzeartikel zukamen, ohne dass der Verkehr auf diesem Wege 
ein lebhafter wurde, so müssten sich bei einer etrurischen oder italischen Herkunft vieler 



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C. Grewingk, 

baltischer Bronzesaehen und bei einem damit zusammenhängenden lebhaften Landverkehr 
zwischen beiden Gebieten auch die Wege nach weisen lassen, welche dieser Verkehr ein- 
schlug. Dass der Landhandel der Etrusker mit ihren Metallfabrikaten ein sehr ausgedehnter 
war ist festgestellt und noch .jUngst von Dr. ILGenthe (a. a. O.) betont worden. Die bis 
nach Graubllndten und Tyrol hinein aufgefundenen Gräber mit etruskischen Inschriften (Planta, 
im Anzeiger f. Schweizer Alterth. IV, 301), welche denjenigen von Villanova gleichen sollen, 
scheinen sogar ftir dortige etruskische Ansiedelungen, oder wenigstens für einen dahin gerich- 
teten directen Verkehr der Etrusker zu sprechen, ohne dass der Zeitraum, in welchem Solches 
geschah, genauer zu bestimmen ist. Auch die sehr alten, durch gewisse Culturpflanzen von 
Ü. Heer nachgewiesenen, selbstverständlich indirecteti Beziehungen der Schweizer Pfahlbau- 
bewohner zu Afrika, könnte man durch etruskische Vermittelung erklären. Dann beweisen 
die Funde etruskischer, seit 550 v. C'hr. geprägter, Gold- und Silbernilinzen am Gr. Bernhard, 
bei Innsbruck und bei Jonquibrea im Departement Vaueluse einen einst stattgehabten Handel der 
Etrusker, oder mit Etruskern, von den Thälern dos Arno und Po über die Alpen. Von 500 
bis 350 v. Chr., oder bis zur Zeit, als die nach Italien eindringenden Gelten und andere 
Stämme zur Ruhe kamen, mochte der Handel ein vorherrschend einheimischer sein; von 350 
bis etwa 150 v. Chr. war aber vielleicht der reiche Celtenbauer ein Hauptabnehmer etruskischer 
Waare und der eeltische Kaufmann der Hauptverbreiter etruskischer Handelsartikel, oder 
es vermittelten die oben erwähnten in Grauhündten und Tyrol angesiedelten Etruskerin dieser 
Zeit den Verkehr Uber die Alpen. An dem Handel mit etruskischer Waare konnten 
sich indessen auch Massalioten betheiligen. Da ihnen die Bernsteinquelle der Nordsee seit 
dem IV., und seit dem IIL Jahrhundert v. Chr. wohl aucli die der Ostsee bekannt war, so 
mochte ihr — im Gebiete des Rhoncthales, der südlichen Schweiz, Lombardei, des Potliales 
und im italienischen Tyrol, durch häufiges Vorkommen massaliotischer Münzen des IV. und 
UI. Jahrhunderts bewiesener — Handel, wenn auch nicht, wie Genthe meint, vorzugsweise 
auf das Beziehen und Eintauschen etruskischen Bernsteins, so doch auf Lieferung von Kupfer 
und Zinn gerichtet gewesen sein. Wie erfahren die Massalioten selbst in der Bronzeindustrie 
waren, lässt sich daraus ersehen, dass die Römer (Mommsen, Rom. Geschichte HL 217) von 
denCelten Galliens metallene Geschirre zu verzinnen und versilbern lernten, und diese Gelten 
ihre ersten technischen Kenntnisse jedenfalls von den Massalioten erhielten. Man will eine 
Bernsteinstrasse durch Saar- und Rheingebiet ins Aarthal und am Neuenburger und Genfer 
See vorüber ins Rhonethal verfolgen, doch wurde auf diesem Wege der Bemsteiu eben so gut 
und vielleicht besser in den massaliotischen als in den etruskischen Handel gebracht Letz- 
terer soll seinen Weg auch Über Grenoble (Cularo) und das Thal der oberen Isere, den kleinen 
Bernhard und von den Quellen der Doria und dieser entlang nach Ivrea (Eporeida) und schliesslich 
zum Po genommen haben. Da aber Syrakus bereits seitdem IV. Jahrhundert v. Chr. oder seit 500 
im Seehandel eine Rolle spielte, so mag es seinen Bernstein sowohl durch massaliotischen, als etruski- 
schen Handel erhalten haben. Der Bernstein von Corneto, ALsium undCaere(Genthe,S.257)kann 
endlich auch durch phönieische Vermittelung nach Etrurien gelangt sein. Beiläufig bemerkt ist nach 
dem Funde altgriechischer, von 460 bis 358 v. Chr. datirender Münzen in der Gegend von Schubin 
bei Bromberg, eine alte Bernsteinstrasse zwischen Olbia am Bug und Ostsee gemuthmaasst wordeD. 

Die Grossartigkoit etruskischer Metallindustrie spricht sieh am besten darin aus, dass im 



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Zur Archäologie des ßalticwn und Russlands. 105 

Jahre 205 v. Chr. Arretium der Flotte des Scipio 3000 Schilde, ebensoviel Helme, 50,000 
Lanzen und au Beilen, Spaten und Sicheln so viel geliefert haben soll, als 30 grosse Schilfe 
zu ihrer Ausstattung brauchten. Seit dem Ende des II. Jahrhunderts geriet!) der etruskische 
Landhandel Uber die Alpen ins Stocken, weil Cimbern und Teutonen einfielen, und lenkte 
der Handel mit dem Norden und namentlich mit dem baltischen Bernsteinlande erst mit 
Beginn der christlichen Zeitrechnung in ruhige Bahnen ein. Eine Bernsteinstrasse lässt sich 
längs der unteren Weichsel und zwar zu beiden Seiten derselben durch Münzfunde verfolgen. 
Die bei Inowraclaw, Schubin, Löbau, Marienburg, St.Albrecht, Lischkau und Schöneck gefundenen 
Münzen datiren von 30 v. Chr. bis 270 n. Chr., d. i. von Augustus bis Aurelian und vertheilen 
sich dergestalt, dass die jüngeren Münzen zur Küste hin zahlreicher erscheinen, und dass 
somit der Bernsteinhandel den Landweg gegangen ist. Nach einer Münzpause von einem 
Jahrhundert folgen dann ostpreussijcbe Funde byzantinischer Münzen aus dem ganzen V. und 
einem Theile des VI. Jahrhunderts, die aber auf dem Seewege ins Land kamen, da sie nicht 
allein bei Marienburg, Pelplin und Sch wetz, sondern auch bei Putzig und Brösen gefunden 
wurden. Nach einer abermaligen ostbaltischen Münzpause von zwei Jahrhunderten zeigen 
sich vom VHI. Jahrhundert an arabische und dann angelsächsische sowie deutsche Münzen. 
So unverkennbar diese Verkehrsstrassen sind, so sehr fehlt es an dem befriedigenden Nachweise 
von Wegen, welche diesseits der Alpen bis ins Balticum selbst führten und durch entschieden 
vorrömische Bronzestationen gekennzeichnet sind. Die Strasse Uber den Bernhardpass ins 
Rhein- und Moselgebiet und eine andere durch Etschthal, Brennerpass und Innthal, oder durch 
das Salzburgische (Hallstadt) zur Donau befriedigen aber doch mehr als jene von einigen 
nicht sehr gewissenhaften Pfadfindern über den Brennerpass muthig bis nach Rügen, oder 
von der Donau durch das Waag-Thal und Oberungarn zur Weichsel und Ostsee geführten 
Wege. Der von It. Virchow zum Theil aus der Verschiedenheit nordischer und rheinischer 
alter Bronzen gefolgerte Weg der Bronzecultur, welcher im Süden durch die March, im Norden 
durch die Oder und Weichsel bezeichnet ist, wurde bereits früher besprochen. Virchow be- 
merkt (Verhandl. d. Berl. Qes. f. Anthr., 1873, Oet. 16) weiter, dass dieser Weg fast der Eisen- 
bahn Uber Breslau nach Wien entspricht, d. i. der Linie, welche zwischen Ostrau und Prerau 
einen niedrigen Rücken überschreitet, welcher das obere, schon mährische Oderthal vom 
Marchthal scheidet. Jenseits dieses Bergrückens fuhrt der Weg nach Süden bis an den Punkt, 
wo eine Anzahl römischer Hauptstrassen bei Carnutum, in der Nähe von Pressburg, Zusammen- 
kommen. Gegen den Marcb-Üder-Weg hätten wir hier nichts einzuwenden, ins Gebiet der 
Weichsel und namentlich ins rechtsseitige sind die alten Bronzeartikel jedoch kaum direct aus 
dem Süden, sondern viel wahrscheinlicher aus bronzereichen westbaltischen Regionen ge- 
kommen. Bereits vor einiger Zeit waren gewisse Unterschiede zwischen alten Bronzen 
des Ostsee- und Donau-Gebietes sowie derer aus Hallstadt und den Schweizer Pfahlbauten etc. 
nicht unbemerkt geblieben. Sie gaben unter Anderem Herrn Worsaae Veranlassung zur 
Aufstellung einer nördlichen, d. i. baltischen Bronzeculturgruppe und einer südlichen, Süd- 
deutschland, Böhmen, Oesterreich, Ungarn, Griechenland und Italien umfassenden, neben 
welchen beiden noch eine dritte westliche, am wenigsten entwickelte Gruppe für Eng- 
land, Frankreich und Spanien bestehen sollte, die aber schon deshalb zweifelhaft erscheint, 
weil man allgemein der Ansicht ist, dass sich die alten BroDzen Grossbritanniens und Frank- 

JLrchiT für Anthropologin. R4. VII. H«fl 1 und S. J 4 



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106 



C. Grewingk, 

roichs den italischen mehr nähern als die baltischen. Dr. Hildebrand (a. a. O.) glaubt 
anderseits, nach mühsamen Studien, eine besondere Hallstadter Cultnr aufstellen zu dürfen, 
die er nördlich vom Fichtelgebirge, Rhön und Taunus, über Hannover und Dänemark bis 
nach Schweden verfolgt, während er eine zweite Verbindungsstrasse zwischen ungarischer 
und nordischer Bronzecultur an der Ostseite der Elbe hinziehen lässt- Dr. Genthe (a. a. O.) 
findet dagegen in dem Hallstadter Gräberinventar die ganze Entwickelung der etruskischen Kunst, 
vom assyrisch-phönicischen Stil bis zur etruskisch-celtisohen Mischform. Da gewisse Hall- 
stadter mit Bernstein ausgelegte Schwert- und Dolchgrilfe aus Elfenbein etruskische Arbeit 
sein können, so lässt Genthe allen Hallstadter Bernstein mit etruskischen Waarcn eingeführt 
sein. Waren aber die Beziehungen zwischen Etruskern und Hallstädtern wirklich sehr enge, so 
muss es aufiällen, warum die bei jenen häufigen Bronzepfeilspitzen, bei diesen so selten sind, dass 
Sacken den Hallstädtern nichtmetallische Pfeilspitzen vindicirt. Bei den in Betreff früherer 
Handelswege so verschiedenen dänischen, schwedischen und deutschen Anschauungen, die nur 
darin übereinstimmen, dass man mehrere Verkehrastrassen im untersten Elbgebiete Zusammen- 
kommen oder wenigstens von SO., S. und SW: dabin uud zur Nord- und Ostsee streben sieht, 
wird eine Hauptaufgabe zukünftiger archäologischer Forschung sein, nicht allein altitalische 
Bronze formen und Ornamentik an beliebigen zwischen Italien und der West- und Ostsee 
gefundenen Bronzesachen, sondern von Fundörtern naohzuweisen, die nicht schon die Stempel 
römischer Beeinflussung tragen, oder womöglich eine Unterscheidung dieses Einflusses und einer 
früheren Cultnr gestatten. Nach den sich mehrenden Funden römischer Alterthiimer in 
Mecklenburg (Häven), Seeland, Norwegen uud Schonen, sowie nach dem Vorkommen römi- 
scher Familienmünzen in der Provinz Nerike, war der Verkehr des Balticum mit Rom seit 
Augustus oder seit 30 v. Chr. viel reger als man bisher angenommen hat. Ausserdem ist der 
römische Zinnbandel mit England im l. Jahrhundert v. Chr. durch Diodor festgestellt und 
könnte auch gemuthmaasst werden, dass die aus dem West- und Ostseegebiete fortgezogenen 
Cimbem und Teutonen die Fühlung mit der Heimath vielleicht nicht ganz verloren und so 
lange Culturvermittler waren, bis sio auf den Raudischen Feldern des Pogebietes, 101 v. Chr., 
mit ihror ganzen Waffenherrlichkeit vernichtet wurden. 

Wenden wir uns von dieseu Erörterungen der Herkunft baltischer oder der gegenseitigen 
Beziehungen baltischer und altitalischer Bronzen zur Frage über Herkunft und Nationalität 
der Vertreter des baltischen Bronzealters, so begegnen wir auch hier einer sehr grossen Ver- 
schiedenheit der Ansichten. Wahrend man lur das Ost balticum kaum in Zweifel sein wird 
über die Identität oder Continuität der im Steinaller und in späterer Zeit daselbst lebenden 
Bevölkerung, nimmt z. B. Hildebrand (Heid». Zeitalter S. 70 und 72) für jede der drei 
bekannten Culturepochen Scamlinaviens und des Westbalticum überhaupt ein besonderes 
Culturvolk an und sagt, dass dort, wo typische Gerätlie der Steinzeit unter Fundobjecten der 
Bronzezeit Vorkommen, sie dieser letzteren Periode nicht eigen, sondern von ihr dem Stein- 
altervolk entliehen sind. Wenn aber nach Montelius (a. a. O.) in Schweden die Geräthe 
aus Stein nachweislich während der ganzen Bronzezeit in Gebrauch waren, und wenn 
sowohl Montelius als Hiidebrand das Zusammen Vorkommen von Stein- uud Bronzeartikeln, 
sowie das Zusammenleben von Stein- und Bronzealter- Menschen zugehen, so kommt L. Zinck, 
nach dem Studium der Gräber Seelands und dem dortigen Vorkommen von Stein- und 



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107 



Zur Archäologie des Balticum und Russlands. 

Bronzewaffen, Werkzeugen und Schmuck in denselben Grabhügeln zu der Ueberzeugung, 
dass man es mit der Hinterlassenschaft eines Volkes (Archiv für Anthropologie V, Cor- 
respondenzblatt Nr. 4, S. 3!t) zu thun habe. Man wird sich indessen auch ohne diesen Ein- 
wurf der Ansicht Hildebrand’s so lange nicht bedingungslos anschliessen dürfen, als das 
Balticum archäologisch doch noch viel zu wenig genau durchforscht und beschrieben ist, 
und als diese Ansicht für das Bronzealter, mit dem wir es hier zunächst zu thun haben, von 
den unerwiesenen oder unwahrscheinlichen Voraussetzungen ausgeht: dass erstens die ältesten 
Bronzesachen mit Einwanderern ins Land kamen, welche mit der Bronzeindustrie und den 
Bronzetjuellen vollkommen vertraut, sich sofort bleibend ansiedelten; dass ferner zu der- 
selben Zeit in dem betreffenden Gebiete entweder gar keine, oder auf so niedriger Entwickelungs- 
stufe befindliche Menschen lebten, dass letztere sich nicht aufTauschhaudel mit Bernstein einliessen 
und von etwaigen Einwanderern weder ainalgamirt und cultivirt noch geknechtet und als Acker- 
hauer, Weber etc. verwerthet wurden, oder dass endlich in ein und derselben Zeit kein Unterschied 
zwischen reichen, mit Waffen, Geräth und Schmuck ausgestatteteu Kriegern oder Vornehmen und 
mehr oiler weniger armseligen, nur mit Steinaxt, Flintmeaser, Pfeilspitzen u. dergl. m. versehenen 
Niederen bestanden, haben sollte. Berücksichtigt man endlich, wie nuch bei nomadisirenden 
Steinaltervölkern eine gewisse Raumbeachränkung in der Bewegung und eine Continuität 
des Aufenthaltes für grössere, doch nicht schrankenlose Räume und für längere Zeit bestehen 
musste und macht man sich erst von jenem alten Vorurtheile frei, welches den Culturzustand 
oder die Fähigkeiten aller baltischen Vertreter der Flintwerkzeuge auf eine möglichst nie- 
drige Stufe und tief unter den der heutigen Lappen oder Samojeden stellt, so wird es nicht 
schwer fallen z. B. aus dem Zusammenvorkommen von etwas Eisen und viel ältesten schönen 
Bronzesachen mit Steinwerkzeugen in Gräbern der friesischen Insel Sylt und in der Umge- 
bung Hamburgs (s. oben S. 6tt) ein Zusammengehen oder eine Gleichzeitigkeit der Zeugnisse 
eingefülirter, hoch entwickelter, bereits das Eisen kennender Bronzecultur und einer indigenen 
Steinaltercultur zu erkennen. Auch erinnert die Aufstellung und das Erscheinenlasscn dreier 
ganz verschiedener westbaltischer Stein-, Bronze- und Eisenvölker an jene mit ihrem hervor- 
ragendsten Vertreter L. Agassiz jetzt wohl zu Grabe getragene Theorie vom Untergange 
alles Lebenden am Schlüsse einer geologischen Periode und von durchgängiger Neuschöpfung 
mit Beginn der nächstfolgenden. 

W orsaae ist der Ansicht, dass die Vertreter des baltischen und auch des mitteldeutschen 
Bronzealters gleichsam eine Völkergruppe bildeten, woraus folgt, dass diese im scandiuavischen 
Sinne eingewanderte Bevölkerung entweder zahlreich erschienen ist, oder bei grosser Pro- 
pagationsfahigkeit sich im Laufe der Zeit Uber ein sehr grosses Gebiet ausgebreitet hat. 
Id Betreff der Nationalität der baltischen Bronzealterbevölkerung fehlt es nicht an Hypo- 
thesen. Es ist allbekannt, dass der Nestor scandinavischer Archäologen (Nilsson) in der- 
selben einen semitischen Stamm und insbesondere Phöuicier erkennt, die sich im II. Jahr- 
tausend v. Chr. von Paphos bis Schonen und darüber hinaus verbreiteten, während man nuch 
damit zufrieden sein könnte, wenn nachgewiesen wäre, dass die Phöuicier nach der Zerstörung 
von Gades im IV. Jahrhundert v. Chr. sich in Dänemark und Schweden angesiedelt hätten. 
Hildebrand (a. a. O. S. 7(i ff.) hält das scandinavische Bronzealtervolk für ein indogerma- 
nisches, jedoch nicht germanisches. Nach v. Maack soll das eigentliche megalithische, die 

14* 



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108 



C. Grewingk, 

ältere Bronzezeit einschliessende Steinaltervolk aus Gaelen oder Liguren bestanden haben, 
welchen im Balticum die Kymren, Kimbern oder Celten, und diesen dann Nordgermanen, d. i. 
gothische, bei Tacitus erwähnte, Völker folgten. Von anderer Seite lässt man den celti- 
schen, d. i. nicht thrakischen Völkerschaften, die, auf Dareios’ scythischem Feldzuge zuerst 
508 v. Chr. genannten, thrakischen Geten und Geneten Herodot’s (440 v. Chr.) oder Veneten 
des Ptolomäus (welche neuerdings zu Slaven oder Litauern gestempelt wurden) folgen und 
weit nach Norden Vordringen, oder auch die Guttones oder Gntti des Pythoas im IV. bis 
III. Jahrhundert v. Chr. im Weichselgebiete erscheinen. Als Vertreter germanischer Urzeit 
und eines Bronzealters sollen eudlicb Sachsen sowohl Holstein, als die Gegend der Nieder- 
elbe inne gehabt haben, während Sueven oder Ostgermanen nomadisirend in Norddeutsch- 
land bis zur Weichsel umherstreiften u. s. w. u. s. w. Bei der Mangelhaftigkeit aller hierher- 
gehörigen historischen Daten wird es aber wohl am zweckmässigsten sein, von der leichter 
festzustellenden Nationalität westbaltischer Vertreter des ersten Eiscnalters auszugeheu und 
zunächst zu erörtern ob die westbaltische Bronzealterbevölkerung deren Vorfahren sein 
können oder nicht. 

. Behufs leichterer Orientirung fasse ich schliesslich die Ergebnisse der vorliegenden Be- 
trachtungen noch zu folgender allgemeinen Uebersicht zusammen. 

Im Umkreise der Ostsee wurde die autochthone Steinalterbevölkerung zuerst im Gebiete 
der heutigen dänisch-preussischen Halbinsel mit den cingeführten Fabrikaten einer hoch ent- 
wickelten Bronzeindustrie bekannt. Auf dem Wasserwege brachten von W est her massalio- 
tische Seefahrer des IV. Jahrhunderts v. Chr. diese Fabrikate als Tanschartikel zu den frie- 
sischen Inseln und der benachbarten Küste und führte eine süditalische, resp. grossgriechische 
Seereise im HI. Jahrhundert v. Chr. bis zur Ostküste des Rigaer Meerbusens. Die Wasser- 
strasse zwischen Mittelmeer und Ostsee wurde direct nur wenig benutzt In viel ausge- 
dehnterer Weise gelangten die Fabrikate grossgriechischer und etruskischer Industrie auf 
Landwegen über die Alpen und sowohl in die bezeichnet« Halbinsel, als in die benachbarten 
baltischen Regionen, ohne dass jedoch die Stationen der Verkehrswege diesseits der Alpen 
und namentlich in Norddeutschland festgestellt wären. Indirect war der Verkehr, weil es 
im Balticum an nach gewiesenen Resten oder anderen Beweisen dauernder Ansiedelungen 
oder Hnndelsstationen der Grossgriechen oder Etrusker fehlt. Der Einfluss einer nicht allein 
durch Bronzegeräth vertretenen Cultur der genannten siideuropäischen und vielleicht auch 
anderer, mitteleuropäischer Volksstämme, machte sich au einem Theile der westbaltlschen, im 
I-aufe der Zeit mehr oder weniger gemischten Bevölkerung besonders bemerkbar und führte 
unter Anderem zu einer einheimischen, eigenen, vorzugsweise auf die Herstellung einfacher Watten 
und Geräthe gerichteten Bronzeindustrie. Die damaligen Bewohner von Dänemark und Schonen 
thaten sich vor den übrigen Balten hervor, wurden ausgezeichnete Seefahrer und gleichsam die 
Vikinger des Bronzealters. Sie dehnten ihre Fahrten über die ganze Ostsee aus und gelangten zur 
Ostkiisto des bottnischeu Busens (Storkyro), dann in den finnischen (Helsinge) und in den rigi- 
schen Basen mit den vorliegenden Inseln (Oesel und Moon), sowie nach Samland (Wiskiauteu. 
Ilubniken) und in das frische Haff. Ins Innere des Ostbai ticum drangen sie, oder ihre Bronzenrtikel 
mittelst mehr oder weniger schiffbarer Flüsse: auf der Dtina bis Altona und auf der Memel 
(Niomen) mit Wilia bis Janoff, auf derPregel und zahlreichen Landseen bis tief nach Gumbinnen 



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Zur Archäologie des Balticum und Russlands. 109 

(Johannisburg) und auf der Weichsel bis Plock. Diese Gegenden und selbst das Bernsteinlaud 
reizten sie weder zur festen Ansiedelung noch zum lebhaften Tausch verkehr , da sich von 
einer Hinterlassenschaft der Vertreter westbaltischer Bronzecultur im Ostbalticum nur wenig 
vorfindet. Aus demselben Grunde Übten sie keinen oder nur sehr geringen Einfluss auf ihre 
finnischen und litoslavischeu Nachbaren aus. Wahrend somit die Halbinsel zwischen Nord- 
und Ostsee nebst anliegenden Inseln und wohl auch Schonen im baltischen Bronzoalter die 
Centralgebiete für eine ins Ostbalticum zu Wasser gerichtete Verbreitung der Bronzeartikel 
abgaben, so brauchten sie es nicht in demselben Maasse für die Regionen in West der Weichsel, 
d. h. für das Oder- und Elbgebiet zu sein, weil sich hier sowohl die Einfuhr alter Bronzeartikel 
aus Siid, als eine einheimische Fabrikation derselben bemerkbar macht. Im Hintergründe 
des Ostbalticum hören die Anzeichen eines baltischen oder anderen Bronzealters ganz auf 
und erscheinen, nach nicht unbedeutender räumlicher Unterbrechung, dann sowohl im östlichen 
als südlichen Russland zwei ausgedehnte Gebiete eigenartiger, altaisch-uralischer und schwarz- 
meerischer Kupfer-, Bronze- und Eisencultur, die in der Folge besonders behandelt werden 
sollen. — Gegenüber den äusserst geringen Anzeichen einer Vertretung des westbaltischen 
Steinalters im Ostbalticum, ist während des Bronzealters eine Steigerung der gegenseitigen 
Beziehungen unverkennbar. Dennoch beschränkte sich, nach den vorliegenden Daten, die 
Einfuhr alter Bronze ins Ostbalticum fast ganz auf Angrifl’swaften. Von letzteren kam den 
südlichen, litauischen Theilen dieses Areals mehr zu als den nördlichen, finnischen. Das Sam- 
land wies die an alter Bronze reichste Loealität des Ostbalticum auf, an welcher (Wiskiauten) 
gleichzeitig ein tymbologischer Beleg für den Uebergang vom Stein-, durch das Bronze- ins 
Eisenalter angetrotten wurde. Wie aber das ostbaltische Steinaltcr während einer älteren 
Periode des westbaltischen Bronzealters bestehen konnte, so mag die alte astbaltische Bronze 
zur jüngeren Periode des letzteren gehört haben und der Schluss der Bronzezeit mit dem im 
I. Jahrhundert n. Chr. beginnenden ostbaltischen Eisenalter zusammengefallen sein. Und da 
man bereits im ostbaltischen Steiualter von der Bestattung unverbranuter zu derjenigen ver- 
brannter Todter übergegangen war, so blieb man auch im Brouzealter oder der Cebergangs- 
zeit vom Stein- zum Eisenalter bei letzterer Sitte. Eine höhere Culturentwickelung musste 
seit dem I. Jahrhundert n. Chr. unter römischem Einfluss Platz greifen, wie wir im Eisenalter 
erörtern werden. Gegen die Continnität der ostbaltischen, finnischen, litauischen und slavischen 
Bevölkerung hat man lür das Bronzealter ebensowenig Einwände zu erheben wie für das 
Steinalter. 



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Inhaltsübersicht. 



Einleitung S. 59. Steinalter, älteres. Abschnitt I. Eiszeit und erste Menschen S. 60: Mammuth; 
rohgearbeitet et» Steingeräthe S. 62. Abschnitt II. Iletithier und Kjökkenmöddinger S. 69. Geschlagenes Feuer- 
Bteingerüthe ; dessen Vorkommen im Ostbalticum und Russland; Herkunft; Alter S. 65. Bewohnbarkeit des 
bezeichneten Areals. Nationalität europäischer Urbevölkerung 8. 70. Bteinalter, j finge res. Megalithiseke 
Grabstätten S. 72; die in der Krimm S. 73; sudrussische Bronzemesser angeblich scandinavischen Charakters; 
Pfahlbauten; Ceramik 8. 74; Steinwerkzeuge. Schliff derselben, Herstellung ihrer Schafthkber, Form, Material 
und dessen Herkunft. Anfertigungsort 8. 76, Zw r eck und Vorkommen auf Kampf*. Opferplätzen und Barg* 
bergen S. 79, Alter «nd Vorkommen in Gräbern 8. 82; Bestattungsmodus S. 85; Verbreitung der St ein Werk- 
zeuge und ihrer einstigen Besitzer S. 86; Culturv erhält nisse, Nationalität. Herkunft und Dauer letzterer S. 87. 
Schliusbctrachtung S. 89. 

Bronzealter des Ostbalticum, Zeitbestimmung und Eintheilung bei Dänen und Schweden. Fundstellen 
und Formen alter Bronzen im Ostbalticum und im Hinterlande desselben S. 91. Analysen und Vergleiche: 
Herkunft S. 94; Griechengrah des III. Jahrhundert* an der Küste des Rigaer Busens und haitische Fundörtor 
altgriechischer Münzen; Pytheaa’ Reise; Seeverkehr zwischen Mittelmeer und Ostsee 8. 95. Beziehungen 
etruskischer und grossgriechi scher Bronzen zu baltischen und das bei dnren Nachweis verfolgte Verfahren nebst 
Kritik und Ergebnissen S. 98. Verschiedenheit scaudinavischer und germanischer Anschauungen S. 103. Land- 
handel und Metallindustrie der Etrusker, Grossgriechen und Massalioten. Handelsstrassen über die Alpeu und 
diesseits der Alpen zum Balticum hin nach Genthc. Virchow, Hildebrand u. a. 8. 104. Herkunft und 
Nationalität des« baltischen Brunzealtervolkes S. 106. Schluss 8. 108. 

(Das heidnische Eisenalter des Ostbalticum etc. folgt in einem der nächsten Hefte des 
Archivs für Anthropologie.) 



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in. 

Ausgrabungen im südlichen Spanien. 



Dr. A. Scheteligr. 

(Hierzu Tafel V bi» XVII.) 



Die Oertliclikeit des im Folgenden zu beschreibenden Gräberfeldes im südlichen Spanien 
erfordert es, dass wir mit einigen Worten der archäologischen Bedeutung Andalusiens ge- 
denken. Almunecar, auf das wir gleich zurückkommen werden, theilt mit Cadiz, Malaga, 
Adra (Abdera) und anderen Städten eine Lage an der Küste des Mittelmeeres, die es für 
eine frühe Colonisation befähigte. In der Mitte zwischen den beiden letztgenannten Plätzen 
gelegen, aber vor ihnen ausgezeichnet durch einen damals vorzüglich grossen Hafen, musste 
es den ersten wie späteren Ansiedlern, die von der Seeseite kamen, eine willkommene Station 
bieten. Aber seine Abgeschlossenheit in einem nur nach Süden offenen Bergkessel, der es 
noch heute eine fast völlige Isolirtheit verdankt, war auch damals unzweifelhaft die Ursache, 
dass die besitzergreifenden Stämme es nur als festen Punkt, als Sehiffsstation und nicht als 
Stütze eines bedeutenderen binnenländischen Handels benutzten. Wir finden daher heute 
wohl Spuren der ersten und der ferneren Colonisten in Form phönicischer und römischer 
Münzen und Schmucksachen, aber keine Beste einer grösseren bleibenden Niederlassung ausser 
dem vor der Stadt ynd am Eingänge des ehemaligen Hafens gelegeneu Schlosse mit römischen 
Fundamenten und maurischem Überbau, und einigen gut erhaltenen Resten römischer Wasser, 
leitung etwa eine Viertelstunde ausserhalb der Stadt Der Querschnitt dieses auf mehreren 
Bogen über verschiedene Thaleinschnitte hergeführten gemauerten Canals beträgt circa zwei 
Fuss nnd dürfte in dieser regenarmen Gegend kaum mehr als die Bedürfnisse der Bewohner 
eines Castells gedeckt haben, wie jenes, das am Eingänge der heutigen fruchtbaren Alluvial- 
ebene (Vega), damals wie ein verlorener Posten auf einer Felseninsel angelegt war. 

Heute entwickelt sieb freilich ein anderes Bild vor unseren Augen. Schon die 
Araber, die kühnen Nachfolger der griechischen (byzantinischen) Ansiedler, bisleckten die 



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112 



Dr. A. Schetelig, 



zweite 1 ) Felseninsel gleich hinter dem alten Castell mit ihren malerisch angeordneten Häuser- 
m aasen , deren Fundamente und Erdgeschosse die frühe arabische (zum Unterschied von der 
späteren maurischen) Bauweise zeigen, und nahmen als Ackerhauvolk iiald die Cultivirung des 
allmälig austrocknenden Hafens in Angriff, der nun als lachende, mit werthvollem Zuckerrohr 
bestandene Ebene nur in einzelnen Funden von Schiffsresten seine ehemalige Bedeutung 
errathen lässt. Die Castilianer sind die Erben der Mauren geworden — sie fügten den ein- 
oder zweistöckigen Häusern der Monacos die übliche obere Gallerie hinzu, ohne an der engen 
Stra&senordnung oder am Innern der Gebäude etwas zu ändern, und pflanzten bis auf unsere 
Tage die einfachen Gebräuche des orientalischen Ackerbaus fort — bis auf die Geräthe, ja 
bis auf deren Namen, 

Wenn sich in dem engen Rahmen dieser Skizze kein Platz für die gothische Periode fand, 
so sündigen wir darin nur mit den meisten Beschreiben) spanischer Geschichte und Archäo- 
logie, die den Ereignissen vom V. bis XI. Jahrhundert eine unverhältnissmässig geringe Be- 
deutung verleihen. Die Dunkelheit dieses Zeitraums wird allerdings nur durch wenig archäo- 
logische Funde aufgchellt, da ausser den Kronjuwelen von Guarrazar (in der „Real Armeria“ von 
Madrid und im Museum des Louvre) und einigen Münzen im „Casino de la Reiua“ (ebenfalls 
Madrid) nichts in Spanien die Anwesenheit der mächtigen, schlankgewachsenen und blond- 
haarigen Gothenratje zu bezeugen scheint, die doch heute noch ein deutlich erkennbares Ele- 
ment in dem anatomischen Charakter des spanischen Volkes abgiebt. Freilich mehren sich 
die historischen Zeugnisse, je mehr wir uns von der römischen Zeit entfernen und das septi- 
manische Reich entstehen sehen, doch bleiben die Quellen trübe bis über die Periode des Cid 
hinaus, der selbst noch der geschichtlichen Beglaubigung bedarf. Von den ersten Bewegungen 
der vielen deutschen Stämme in Spanien im V. und AH. Jahrhundert ist uns keine Spur, kein 
Denkmal geblieben; kein Gebäude, kein Grabmal zeugt von ihren Sitten. Nur die Sage hat 
sich hier und dort ihrer bemächtigt und deutet uns die Stätten längstvergaugener „gothiscber“ 
Wohnsitze an. So geht auch in Altnunecar die Rede von der „alten Stadt“, die im Westen 
von der jetzigen, am Ufer des kleinen Rio seco gelegen habe und deren Bewohner ihreTodten 
auf den Bergabhängen in der Nähe begraben hätten, ohne dass Jemand etwas Anderes als 
die volkstbümlicbe Ueberlieferung hierfür anzuführen vermöchte. 

Für mich freilich war während meiner mehrwöehentliehen Anwesenheit in Almunecar 
im Frühjahre 1873 diese Tradition in Verbindung mit der Angabe einzelner unbeachteter 
Gräberfunde ein Fingerzeig, den ich nicht unbeachtet lassen konnte. Nachfragen bei ver- 
schiedenen Weinbergbositzcrn der Umgegend liessen bald feststcllen, dass allein in diesem 
Jahrhundert, ja unter den Augen der letzten Generation eine ausserordentlich grosse Anzahl 
von Gräbern auf den nächsten Höhen aufgedeckt und vernichtet worden, und speziellere 
Nachforschungen an geeigneter Stelle hatten denn auch, Dank der Mitwirkung eines ge- 
schätzten Freundes, DonEugenio Diaz, den Nachweiseines nicht unbedeutenden Gräberfeldes 
zur Folge, das ich seiner Situation wie seinem Inhalte nach nunmehr zu beschreiben gedenke. 

Da wo die erste HUgelreihe die Vega nach Westen ahschliesst, 20 Minuten von der Stadt 
und dem Bache (Rio seco), beginnt gleich oberhalb der letzten Zuckorrohrterrasse und circa 



J 



>) Eine Occupation durch Römer oder Griechen ist nicht auagencblouen, aber bi» jetzt unbewiesen. 



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113 



Ausgrabungen im südlichen Spanien. 

50 Kuss über dem heutigen Niveau des Alluviums auf dem sanften Abhange ein grösstentlieils 
unbebautes Feld, das sich bis zum Kamme erstreckt (circa 120 Fuss) und wiederholten Cultur- 
versucheu widerstanden hat, weil der Thonschieferboden offenbar nicht überall genügend in 
Verwitterung übergegangen ist, um dem Weinstocke oder selbst dem Feigenbäume Halt zu 
gewähren. In diesem harten, von festen Felsmassen vielfach unterbrochenen Erdreich finden 
sich mehrere Reiben von Gräbern in ziemlich regelmässiger Anordnung, wenn auch nicht in 
ganz gleicher Tiefe. Alle sind horizontal angelegt , so dass am Küssende , das immer nach 
Osten gerichtet ist, etwa 1 bis 2, am Kopfende (gegen Westen) 2 bis 4 Fuss Erde sich Uber 
ihnen berechnen. Sie haben die Form eines Sarkophages, d. h. sind am Kopfende breiter als 
am Küssende und in der Mitte am breitesten. (Grösste Messungen: Länge = 193 cm, Breite 
und Tiefe = 45 und 48 resp.) In der Bauart weicht kaum eins von dem anderen ab. Auf 
dem nackten Boden erbebt sich in Gestalt des Sarges ein Gebäude aus flachen , auf einander 
gelegten Thonsehieferstücken, deren glatteste Kante nach der Innenseite gerichtet ist und so 
demselben ein regelmässiges Aussehen verleiht Nur stellenweise lässt sich eine engere Ver- 
bindung der aufeinander lagernden Platten erkennen: ein grober Mörtel füllt hier und dort 
die Fugen in anscheinend kunstloser Weise aus. Die Decke wird unabänderlich durch grosse 
Steinplatten hergestellt, die theils dem Thonschiefer, theils anderen Felsarten angehören. 
Mehrere Male fand ich Exemplare eines porösen, aus dem Küstengebiet herstammenden Kalk- 
steins vor. Immer ist die Bedachung sorgfältig ausgeführt, d. h. die kleinen Fugen und 
Ritzen sind mit Sand und Steinchen verstopft, so dass in den meisten Fällen die innere 
Räumlichkeit wenigstens partiell wohlerhalten geblieben, während in anderen allerdings durch 
hineingefallene Erde, am häufigsten aber durch abgebröckelte Stücke der Thonschieferplatten 
die Knochen und andere Fundgegenstände verletzt und zerstört sind. 

Allo Gräber enthalten Skelete in der Rückenlage, einige mehr als eins, selbst bis zu drei 
und vier. In letzteren Fällen tritt in der Lage eine Aenderung ein. Durch das Beisetzen 
einer zweiten Leiche wird schon an und für sich die Anordnung der Knochen eine abweichende 
werden und oftmals Zusammengehöriges ziemlich weit auseinander fallen. Hier sind aber die 
Grenzen einigermaassen bestimmbar. Dahingegen muss ich diejenigen Fälle besonders 
erwähnen, wo die Lage eine gewaltsam gestörte zu nennen ist, so dass eine andere Art des 
Begräbnisses als die in der Rückenlage wahrscheinlich wird. So fand ich in einem Grabe 
auf einem horizontal ausgestreckten Skelet die Knochen eines zweiten (Abbildungen der 
betreffenden Schädel siehe I a und 6) folgendermaassen vertheilt: Die meisten Wirbel und 
Rippen von b lagen auf und bei dem rechten Femur von a, das rechte Femur von b mit sei- 
nem Kopfe in der Nähe des linken Os ileum von a, das linke in der Gegend des rechten Os 
ileum, der rechte Humerus von b bei seinen Wirbeln, der linke über dem Os sacrum von a, 
die Filsse mit denUnterenden der Tibiae und Fibulae alle auf dem linken Oberschenkel von a. 
Die Beckenknochen waren zum Theil zerstört, zum Theil weiter abgefallen. Auch lag der 
Schädel von b aus demselben physikalischen Grunde (höhere Lage vor der Verwesung) in 
grösserer Entfernung. Ein ähnliches Verhalten wiederholt sich zwei Mal in den von mir 
untersuchten Gräbern, ein Mal in beinahe gleicher Weise, ein ander Mal so, dass das zweite 
Individuum mit dem oberen Körpcrtheile zwar auf dem unteren und demselben parallel liegt, 
dagegen mit den Unterextremitäten in Flexion erscheint. Solche Lageanomalien können nur 

Archiv für Anthropologie. B<1. VII. lieft 1 und 2. 15 



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114 



Dr. A. Schetelig, 

durch die Annahme einer Bestattung in absichtlich gewählter und bei der Enge des Raums 
mit Gewalt erzwungener Beerdigung in sitzender Stellung erklärt werden und sind ihrem 
ganzen Wesen nach wohl zu unterscheiden von jenen Fällen, wo nach geschehener Verwesung 
die trocknen Knochen von Freundeshand gesammelt und (wahrscheinlich aus Familienrück- 
sichten) in ein Grab zu anderen Leichnamen gelegt worden. Fälle dieser Art habe ich zwei 
Mal nochweisen können. Hier ist gewöhnlich nur eine Minderzahl von Knochen repräsentirt 
und es fehlen immer die kleineren, während bei ungestörter Lagerung und sorgfältigem Nach- 
suchen fast alle und in naher Vereinigung sich vorfinden. 

Zur Seite des Kopfes steht in jedem Grabe ein Thongefass — in einigen zwei — in auf- 
rechter Stellung, rechts oder links oberhalb des Schulterblattea In Bezug auf die Form dieser 
stark gebrannten, unglasirten, aus dünnem rothem Thon in ziemlich einfacher Weise ange- 
fertigten GefäsBe verweise ich zunächst auf die Figuren der Tafel XVH, die besser als eine 
Beschreibung das Charakteristische wiedergeben. Trotz ihrer nicht unbedeutenden indivi- 
duellen Verschiedenheiten stellen sie niemals Urnen, sondern unzweifelhaft Flaschen vor, 
deren Hals wohlgeformt, deren Basis nicht immer gleich stark eingezogen ist. An einigen 
erkennt man eine Art von Gussöffnung der Mündung, an allen bewundert man den geschickt 
aufgesetzten, grossen, aber den Oberrand des Gefässes nie überragenden Henkel. Ornamente 
sind nur zwei Mal und nur in schwachen Bogenlinien vorhanden. Die Herstellung ist auf 
der Drehscheibe geschehen. 

Andere Fundgegenstände sind nur spärlich vertreten. In einem Grabe mit Resten von 
vier Skeleten entdeckte ich unter den Handknochen eines Individuums in der Rückenlage 
einen stark oxydirten, sehr einfach gearbeiteten, mit kleiner unscheinbarer Platte versehenen 
Fingerring, sowie ebenda zwischen den Oberschenkeln ein eisernes Instrument mit waJir- 
scheinlich dazu gehörigem dickem Bronzering. Das Instrument ist in Fig. 20 auf Taf. XVII 
in Vs Grösse in seinen Umrissen abgebildet und hat eine seltsame Form, die bisher keinen 
sicheren Schluss auf seine Bestimmung erlaubte. Gegen die nahe gelegte Annahme, dass der 
halbmondförmige Ausschnitt eine Schneide vorstelle, lässt sich wohl ein für alle Mal der auf 
der Vorder-, wie Rückseite deutlich wahrnehmbare, aus Streifen bestehende Beschlag von 
Eisenblech anführen, der auch Über der Kante des Halbmondes liegt. Dass die beiden leicht 
verjüngten und abgesetzten Enden in Holz eingelassen gewesen, ist noch heute an den Ab- 
drücken der Fasern in der dicken Patina ersichtlich. 

Wichtiger, wenn auch unscheinbarer sind die in den Gräbern vorhandenen wenigen Reste 
römischer Ziegel, theils in dem Gefüge der Seitenmauern , theils ausserhalb des ganzen Baues 
in dem überliegenden Erdreich gefunden. An den meisten dieser Bruchstücke liess sich ihre 
Herkunft von römischen Leistenziegeln ') insofern deutlich erkennen, als sie von 2 bis 3 cm 
Dicke waren, oft von nicht unerheblicher Flächenausdehnong und einige Male mit einer Leiste 
an der erhaltenen Kante versehen. Ausserdem habe ich einige Backsteine roherer Arbeit 



*) Diu Leisten römischer Dachziegel Bind gewöhnlich keilförmig mit einem Anschnitt am dicken Ende 
für den nächsten Ziegel in der Längsrichtung. Wo nur eine Keihe vorkommt, wie an Gräbern, findet sich 
eine gleichmäßige Leiste, wie in meinen Bruchstücken. Vollständige Beispiele davon sind im Museum von 
Marseillu (Palais Borelli) zu sehen, die einem grossen «pätrömischen Gräberfeld in der Mitte der Stadt 
entnommen sind. 



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Ausgrabungen im südlichen Spanien. 115 

angetroffen, die andere Dimensionen zeigten. Ihre Bruchfläche war sehr buntscheckig, da 
sich in der rohen Masse Sand , kleine Kiesel und selbst eine nicht unbedeutende Beimischung 
von Kalk vorfand, in Streifen« und Biischelform. Einer dieser Ziegel war unversehrt und 
maass 31, 19 und fi cm, auch die zerbrochenen Stücke Hessen sich auf eine ähnliche Grösse 
und Form zurückfUhren. 

Einen willkommenen Fund bilden die Schädel. Zwar ist es mir unmöglich gewesen, 
aus den beiläufig 30 Grabstätten mehr als 20 Schädel zu heben, und auch von diesen sind einige 
sofort in Trümmer zerfallen, andere auf dem Transport in die Stadt zerbrochen, so dass für 
die wissenschaftliche Verwerthung nur etwa 13 oder 14 übrig geblieben sind. Sie theilen mit 
allen übrigen Vorgefundenen Knochen deron äusserste Zerbrechlichkeit und Hessen sich wie 
jene zwischen den Fingern zerreiben, was wohl als eine Folge der langsamen aber ununter- 
brochenen Austrocknung in dem glühenden Boden Südspaniens anzusehen ist, die eine all- 
mälige Entziehung dos Knochenleims ermöglicht, ohne durch feuchte Verwesung desselben 
einen raschen Verfall herbeizuführen. Zur Erhaltung der übrigen war eine wiederholte Prä- 
paration nöthig. Doch sind diese Objecte selbst heute noch so zart, dass ich mir z. B. nicht 
getraut habe, dieselben mit Schrot anzufüllen und aus dom Grunde eine Ausmessung des Vo- 
lums der Schädelkapsel unterblieben ist. 

Auch in Bezug auf diese Schädel will ich vorzugsweise auf die Tafeln verweisen, die in 
mathematischer Zeichnung von 12 Cranien je vier Aufnahmen in halber Grösse gelten. Alle 
diese Aufnahmen schneiden sich in rechten Winkeln, und zwar ist die Horizontale durch die 
Mitte der äusseren Ohröffhung und den unteren Rand der Orbita gelegt. Nicht immer hat 
eine ganz tadelfreie Befestigung und Aufstellung ermöglicht worden können (wegen der 
erwähnten Mängel und des zum grössten Thoil fragmentarischen Charakters des Materials). 
So lässt die Vorderansicht des Schädels 20,2 in Bezug auf Stellung manches zu wünschen 
übrig. Uober die Stellung der zu den einzelnen Schädeln gehörigen und mit ihnen verbun- 
denen Unterkiefer habe ich zu bemerken, dass die Befestigung derselben an den Schädeln aus 
materiellen Gründen unmöglich und daher eine separate Zeichnung erforderHch war, die 
später auf der Glastafel den Schädeln untergeschoben wurde. 

Um hier gleich das Sachliche zu erledigen, kann ich bei aller Anerkennung der von 
Lncae eingeführten Methode des mathematischen Zeichnens nicht umhin, für etwaige anzu- 
stellonde Messversuche auf einige unvermeidliche Ungenauigkeiten aufmerksam zu machen. 
Vielleicht dass cs Anderen leicht wird diese Fehler zu meiden, deren Grenzen für meine Hand 
zwischen 1 und 3 mm schwanken und einige Male gar diese Ziffern überschreiten. Ein 
wesentlicher Grund scheint mir in der Reduction, und zwar nicht so sehr in der durch die- 
selbe bedingten Verkleinerung des Gegenstandes, als in der mehrfachen Uebertragung und 
Bearbeitung desselben mittelst Feder und Tuscho zu Hegen. Wie unter solchen Beeinträchti- 
gungen die Benutzung von Schädelzeichnungen in Viertelsgrösse für irgend etwas Anderes 
als die blosse Anschauung sich empfiehlt, ist mir nicht ersichtlich. 

Diese vollständige Zahl von Abbildungen, die ich hiermit den Craniologen zur Verglei- 
chung mit Schädeln anderer Reihengräber übergebe, erlässt mir eine allgemeine Beschreibung. 
Die Schilderung anatomischer Einzelheiten wird den Abbildungen vorangestellt werden. Die- 
jenigen Dimensionen, welche sich in einer mathematischen Zeichnung nicht messen lassen, 

15* 



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116 Dr. A. Schetelig, 

wie Höhe, Länge der einzelnen Schädeldachknochen und Umfang, sind auf einer besonderen 
Tafel gegeben, 

Angesichts der geringen individuellen Grösaenditferenzen und der daraus gewonnenen 
Meinung Uber ihre Zusammengehörigkeit, sowie ihren verbal tnissinässig primitiven Charakter, 
stellte ich mir die Aufgabe, sie nach ihren Dimensionen und ihren Hauptformen mit den 
Schädeln der heutigen Einwohner von Almunecar zu vergleichen und erlangte die Erlaubnis 
auf dem Campo Santo des OrtB in jener Sammlung von Knochen, die alle drei Jahre durch 
die Ausräumung der nicht erblichen Nischen um ein Erhebliches vergrössert wird, eine Unter- 
suchung anzustellen. Die Umstände waren nicht besonders günstig, so daas ich nur einige 
Maasse von etwa 20 Schädeln nehmen konnte. Auch diese verzeichne ich auf eine Tabelle. 
Die äussere Erscheinung dieser Schädel weicht in mancher Beziehung von denen aus den 
Reibengräbern ab. Während diese bei einer grösseren Eckigkeit und Rauhheit im Allge- 
meinen vorn und hinten abgestumpft erscheinen, tritt bei jenen die Hinterhauptschuppe vor 
und hilft eine vollkommenere Eiform hersteilen. Die modernen Schädel, sämmtlich den letz- 
ten Jahrzehnten angehörig, sind vorzüglich glatt und abgerundet, mehr gewölbt und daher 
grösser an Umfang, trotzdem aber springen sowohl Arcus supracil., als besonders auch die 
Oberkiefer meistens vor. In den Hauptmaassen der Schädelkapsel Boden wir eine nicht zu 
übersehende Aehnlichkeit. Die alten Schädel haben einen Breitenindex von 72, Höhenindox 
von 73, die neuen 74 und 75. Diese Annäherung, sowie die gleiche geringe Differenz zwischen 
den Indices derselben Schädel, besonders aber die Wiederholung einer ähnlichen Gruppirung 
der individuellen Dimensionen um das arithmetische Mittel (Tabelle C) scheint mir einiger 
Aufmerksamkeit wertli zu sein. 



Alle geschilderten Verhältnisse geben uns reichlichen Stoff für den Versuch einer Erklä- 
rung dieser Grabstätten. In erster Linie ist auf die Form und den Bau der Gräber selbst 
hinzuweisen, sowie auf ihre Anordnung in Reihen. Diese Momente wiederholen sich hier in 
gleicher Weise wie in den Reihengräbern, die wir von der unteren Donaugegend durch Süd- 
deutschland bis an den Rhein, ja bis nach ') Frankreich hinein haben verfolgen können und 
die nach der Ansicht der meisten Forscher deutschen, oder wenigstens vorzugsweise in Deutsch- 
land sesshaften Stämmen angehören. Die charakteristische Bcstattungsweise in Reihen erhielt 
sich durch fast ein Jahrtausend und überdauerte oft genug römischen Einfluss, um erst durch 
die Einführung christlicher Friedhöfe verändert zu werden. Auch die Steinconstruction ist 
nichts Ungewöhnliches, sie kommt mehrfach in Deutschland und selbst in Frankreich vor. 

Diese Hindeutung auf einen nordischen Ursprung wird freilich durch die begleitenden 
Gelasse in sofern in Zweifel gestellt, als dieselben in ihrer Form von allen denen abweichen, 
die in deutschen Reihengräbem gefunden sind. In letzteren wiegt dio Umo vor oder ein 
ihr nahe stehendes Thongeräth — in unseren spanischen haben wir ein ganz neues Gefüss 

*) Costa de Beauregard, Le« Süpaltaree de S. Jean de Belleville. 



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117 



Ausgrabungen im südlichen Spanien. 

vor uns, das bei aller Rohheit seines Materials einen classischen Einfluss kundgiebt. Für un- 
sere Gefässe gewinnen wir nur aus den Grabfunden Unteritaliens und einiger griechischer 
Inseln ') Vergleichsformen, und auch diese sind nicht direct wiederzuerkennen, sondern haben 
mancherlei Abänderungen erfahren und verrathen einen gewissen individualisirenden Geist 
des Arbeiters. Namentlich dürfte der schon erwähnte Henkelansatz, der Prüfstein des Ge- 
schmacks in der Töpferei eine Kunstfertigkeit verrathen, die vielen unserer modernen Indu- 
striellen ein lehrreiches Beispiel gäbe. 

Die übrigen Vorgefundenen Gegenstände lassen sich mit wenigen Worten erledigen. Das 
eiserne Geräth muss vorläufig auf seine Deutung warten — der Bronzering erfordert keine 
besondere Erklärung — der silberne Fingerreif wäre bei uns eine seltene Erscheinung, zeigt 
immerhin eine nacbrömische Epoche an, darf uns aber in der silberreichsten Gegend Europas 
nicht Wunder nehmen, wo schon die Phönicier Bergwerke besassen und der bekannten Sage 
nach die Anker und Ketten ihrer Schiffe von diesem Metalle anfertigten, um möglichst viel 
exportiren zu können. 

Die Bruchstücke römischer Ziegel begrenzen die Periode dieser Gräber nach abwärts. 
Während also die wichtigeren Indicien ihnen einen Platz zwischen den spätrömischen und den 
ersten maurischen Colonisationen anweisen und wir in ihnen leicht nordische und östliche 
Bestattungsformen wieder erkennen, wird die Feststellung eines bestimmten Zeitraumes, sowie 
die Bezeichnung eines Volksstammes schwerer. Vom Beginn des V. Jahrhunderts an treten 
auf dem ausgedehnten Kampfplatz der iberischen Halbinsel deutsche Stämme auf, Alanen, 
Vandalen, Sueven und Westgothen, die zwar rasch nach dem Süden Vordringen, aber im All- 
gemeinen und namentlich im Anfang mehr den Norden und die östlichen Küstenländer 
in Besitz halten. Unter den ersten Eindringlingen in die bätische Provinz sind die silingi- 
schen Vandalen — aber schon 419 werden auch die astingischen Vandalen von Römerschaaren 
aus ihren Sitzen in Galläcien nach Bätika gedrängt, von wo sie 429 nach eisern Siege über 
die Sueven bei Mesida unter Geiserich nach Afrika ziehen. Ihnen folgen in der Herrschaft 
Uber Bätika die Sueven, die jn für eine kurze Zeit sich die Beschäftigung der Westgothen in 
Gallien zu Nutze machen und ihre Macht über den grössten Theil der Halbinsel ausdehnen 
konnten, bis sie, 456 von den Westgothen unter Theuderich definitiv nach dem Nordwesten 
geworfen, unter ihren Besiegern verschwinden. Von nun an bleibt die Herrschaft der West- 
gothen überSpanien eine ungestörte, sie vernichten noch in demselben Jahrhundert die letzten 
Reste der Römerherrschaft und treten durch eine Reihe sittlicher Entwickelungen in jene 
merkwürdige ethnographische Rolle ein, in welcher sie durch viele Jahrhunderte der iberischen 
Halbinsel deutsche Verfassung und Sitten in römischer Form zuführten — in der sie den 
Grund legten zu jenem thatkräftigen kostilischen Volkscharakter des frühen Mittelalters, 
dessen rauhere Seiten wir in manchen Zügen gothischen Ungestüms schon früh vorgezeichnet 
finden. 

Nach diesen geschichtlichen Andeutungen können die andalusisclien Gräber den Sueven, 
Vandalen oder Westgothen angehören, ja selbst die Alanen sind nicht ausgeschlossen, die in 



■) So in der Sammlung antiker Gegenstände von Cypern, im Museo Egidano in Florenz. Auch in meiner 
i’rivataammlung sind antike „asiatische“ üefisse, die Seitenstücke bilden können. 



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118 



Dr. A. Schetelig, 

der ersten Zeit die carthaginiensische Provinz besessen und also nicht fern wohnten. Schrei- 
ben wir sie aber dem VI. Jahrhundert und mithin den Westgothen allein zu, so haben wir 
die Abwesenheit aller Anzeichen des damals schon tief ins Volksbewusstsein eingedrungenen 
Katholicismus und Beiner Gebräuche zu überwinden. Noch weniger scheint das VII. Jahr- 
hundert Träger solcher Bestattungsweise sein zu können, da schon König Reccared, der grosse 
Reformator westgothischer Sitten (587 zur Regierung gekommen) wesentliche Veränderungen 
des Volkscharakters eingeleitet batte, als er das Verbot der Mischehen, die letzte Trennung 
zwischen Gothen und Römern aufhob und ein gemeinsames Gesetzbuch herausgab. Wenn 
auch Uber die spätere Form der Beerdigung kaum etwas Anderes bekannt geworden, als dass 
sie immer einfacher und weniger umständlich wurde, so ist doch nicht anzunehmen, dass eine 
speciflsch germanische Bestattungsweise solche Verschmelzungsprocesse übenlauern konnte. 

Auch die den Leichen beigegebenen Qefassc sprechen für die angedeutete Periode. Nach 
einer früher zum Tlieil entwickelten Anschauung sind sie aber als Erzeugnisse einer localen, etwas 
rohen, aber nicht geistlosen Bearbeitung griechisch-italischer Vorbilder aufzufassen. Sie kön- 
nen durch den betreffenden Volksstamm hereingebracht sein, da z. B. die Westgothon in ihren 
Sitzen an der unteren Donau schon früh mit griechischer Cultur bekannt geworden und durch 
ihre dreimalige Eroberung von Rom, durch ihre Zuge vor Athen und Sparta und später durch 
die beständigen Kämpfe und Friedcnsverhandlungen zwischen dem tolosanischen und abend- 
ländisch-römischen Reich einen häufigen Verkehr mit den Vertretern jener Civilisation unter- 
halten hatten. Natürlicher ist es aber zu glauben, dass germanische Völker auf ihren Kriegs- 
wanderungen die Reste heimischer Industrie bald abstreiften und verloren, und dass sie, wenn 
sie auch Schwerter zu schmieden verstanden, die friedliche Beschäftigung mit der Töpferkunst 
erst dann wieder aufnahmen, als sie allmälig in Spanien zur Ruhe gelangten und von den 
anfangs ihnen feindlichen, später aber friedlich nebon ihnen wohnenden römischen Colonisten 
und deren Abkömmlingen die ihnen überlieferten Formen gern annahmen. Selbst im VI. Jahr- 
hundert wiederholte sich noch einmal dieser Einfluss, als nach der Zerstörung des afrikanischen 
Vandalenreichs durch Beiisar die Griechen 567 das fünfmonatliche gothische Interregnum be- 
nutzten und die Küste von Andalusien besetzten. Mit den Hauptstädten wurde ihnen ein 
broites Stück Land unterthan und es gelang erst Sisebut, 612 sie zu vernichten und auf Al- 
garbien zu beschränken. 

Es liegt aber kein genügender Grund vor, diese letztere Beeinflussung für unsere Zwecke 
zu verwerthen. Im Gegentheil dürfte die Beibehaltung des specifisch heidnischen Gebrauchs 
der Beigabe von ') Trinkgefässcn bei keinem der deutschen Stämme in Spanien das VI. Jahr- 
hundert überdauert haben. Die Vandalen und Gothen kamen schon als Christen des albani- 
schen Bekenntnisses nach Spanien (die Sueven noch als Heiden). Wollen wir alter auch gern 
glauben, dass erst allmälig ein Eindringen des neuen Glaubens in die Völker und eine Um- 
gestaltung ihrer alten Gebräuche sich denken lasse, so veranlasst uns Nichts, gerade diese 
Sitte noch nicht in das VI. oder gar das VII. Jahrhundert hinein für möglich zu erachten. 
Und so erblicken wir in diesen Funden ein Anzeichen früher Bestattung, das mit der primi- 
tiven Grabform gleichen Schritt hält. 

1 ) Iu einer der Flaschen hatte eich ein fester Klumpen am Boden zusainmengeballt, der aus einer dunklen 
harzigen Masse bestand. Honig/' oder zuckerhaltiger (Malaga) Wein? 



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119 



Ausgrabungen im südlichen Spanien. 

Der archäologische Werth der beschriebenen Gräber wird erhöht durch die grosse Aus- 
dehnung, welche dieselben nach allen Berichten früher gehabt haben müssen. Denn überall 
auf den die Vega umkränzenden Hügeln hat die Hacke des Arbeiters beim Weinbau solche 
Grabstätten aufgestört *). Viele von diesen werden nach ihrem Inhalt (an Urnen mit Asche, 
Gläsern, Münzen und goldenen Schmucksachen), sowie nach ihrer Form (Bedachung mittelst 
Leistenziegel) für rein römische angeeprochen werden müssen. Andere dagegen sind mit den 
unserigen übereinstimmend gewesen. Sind wir mithin nicht berechtigt an das Walten eines 
ausgebreiteten germanischen Stammes zu glauben, der gleich nach der römischen Aera, als 
schon die Bucht zu versanden begann, in dieser Ebene ein friedfertiges Dasein führte? Die 
Tiefe der Grabstätten, zu der noch 1 Fuss des von der schrägen Uberfläche im Laufe der Zeit 
abgespülten Erdreichs zu rechnen ist, die mühselige Wiedereröffnung der Gräber behufs Be- 
stattung anderer Leichname, der sorgfältige Bau, das Fehlen von KriegswafFen — Alles redet 
zu Gunsten eines sesshaften, die Rechte der Familie achtenden Volkes, das bei der Bestattung 
seiner Todten einen festen Ritus beobachtete, indem es sie gegen Morgen schauen Hess und 
ihnen ein Weihgeschenk zu Häupten stellte. 

Auch eine Vererbung gewisser von mir hervorgehobener anatomischer Charaktere ist 
nicht unmöglich. Die heutige Bevölkerung ist zwar zur Hälfte mindestens maurischen Blutes. 
Aber die Lage des Orts, den man selbst in unseren Tagen nur auf dem Saumthiere oder zu 
Schiffe erreicht, weist darauf hin, dass das gothische Element (sein Vorhandensein zugegeben) 
hier drei Jahrhunderte lang fast ungestört geherrscht haben muss. 

Riviera di Ponente, März 1874. 



Beschreibung der Schädel von Almunecar. 

1) LA. 8. Gesichtsknocben fehlen, ebenso Theile vom Stirnbein, der grösste Theil des Keil- 
beines und viel von der Hinterhauptsschuppe. Näthe offen. (Taf. V, VI, VII, VIII.) 

2) I. B. 8 . Gesichtsknochen, rechtes O» temporum, das ganze Keilbein etc. fehlen. Kräftiger 
Schädel, stark prominirende Nasenbeine, zwei Lineae nuchae, Linea semicircularis superior 
ausgeprägt. Beginnende Verknöcherung der Sagittalnath. (Taf. IX, X, XI, XII.) 

3) I. 7. 8. Starker ausgewachsener Schädel. Zähne abgeschliffen, die Alveolen der Weisheits- 
zähne schon obUterirt. Starke Lineae nuchae, deutliche Linea semicircul. sup. (Taf. XIH, 
XIV, XV, XVL) 

4) H. a. Jugendlich. Es fehlen die Gesichtsknochen und Theile von der Basis. (Taf. XIII, 
XIV, XV, XVI.) 

5) II. b. <J? Gesichtsknochen fehlen, eine Lücke im linken Os parietale. Aeussere Tafel 
stark arrodirt. Starker Arcus supraorbital. In der Schädelhöhle Spuren von Verwach- 



J ) Ja selbst heute, wo ich dies schreibe, fordern auf dem von mir bearbeiteten Felde Arbeiter in meinem 
Aufträge weitere Gräber zu Tage. 



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sung der Pfeilnatli. Starker Sulcus der Art. mening. media, der rechts in der Spur der 
Kranznath verläuft. 

6) II. c. Der linke Gesichtsschädel, das linke Schläfenbein und Theile von der Hinterhaupts- 
schuppe fehlen ; Sagittal- und Coronalnath zeigen beginnende Verknöcherung. Der obere 
Theil der Schuppe leicht abgesetzt. Alt! (Taf. IX, X, XI, XIL) 



A. 





Länge. 

i 


Breite. 


Höhe. 


Hori*. 

Um* 

fang. 


Länge 1 
d. Os 
front. J 


Länge 
d. Os 

pariet. 


Länge 

d. Os 

occip. 


Vertik. 

Um- 

fang. 


nb 


bn 


I. 6. 


175 


129 








125 


123 













I. A. 


179 


125 


121 


505 


116 


130 


s — 


800 


j 


— 


I. B. 


183 


137 


139 


332 i 


130 


; uo 


120 


(155) 


: — 


- 


I. 7. 


175 


130 


130 


502 


125 


125 


112 


~ 


• 95 


89 


II. a. 


170 


181 


— 


490 


130 


116 


— 


305 


— 


— 


II. b. 


172 


126 


122 


482 


115 


120 


115 


(i«) 


99 


— 


II. c. 


186 


130 


136 


515 


135 


126 


— 


(160) 


105 


100 


II. d. 


17» 


130 


128 


480 


120 


120 


110 


300 


96 


93 


II. e. 


174 


132 


136 


492 


120 


120 


115 


300 


103 


96 


II. 10. b. 


172 


128 


— ! 


488 


18 t 


180 


115 


— j 


— 


— 


10. c. 


188 


132 


132 


512 


180 


126 


— 


316 


106 


98 


20. 1. 


194 


136 


141 


530 


130 


130 


130 


310 


— 


— 


20. 2. 


— 


— 


— 


500 


120 


i 130 
1 


110 


1 (155) 


— 


— 



B. Schädel vom Compo Santo. 



C. 



Alter. 


L. 


Q- 


H. 


Umfang. 


ca. 30 


180 


126 


120 




ca. 30 


169 


129 


130 




ca. 30 


180 


129 


135 




alt 


1S6 


135 


136 




tlo. 


180 


139 


137 




do. 


183 


134 


138 




jung 


182 


140 


132 




ca. 20 


171 


127 


128 




aber 20 


182 


128 


143 




30? 


187 


133 


133 




30? 


lb2 


126 


139 


510 


jung 


180 


140 


133 


520 


jung 


181 


132 


136 


517 


unter 25 


180 


138 


138 


520 



Neue Schädel. 



Alte Schädel. 



Breiten- Höhen- 
index. Index. 




Breiten- Hiihen- 

Index. Index. 

78 p* 76 

77 77 

78 78 

79 1*79 



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Ausgrabungen im südlichen Spanien. 



121 



Alter. 


L. 


Q 


H. 


Umfang. 


unter 35 


184 


1 

136 


189 


522 


do. 


183 


143 


133 


620 


unter 30 


171 


136 


137 


490 


sehr alt 


178 


131 


133 


604 


ca. 40 


176 


139 


HO 


620 


alt 


181 


187 


137 


— 



7) II. H. Jung S. Gesichtsknochen fehlen, <lo. Theile des linken Seitenbeines, äussere Tafel 
lädirt Näthe offen. fTaf. V, VI, VII, VIII.) 

8) II. e. 8. Gans erhalten. Alle Zähne vorhanden und wenig abgeschliffen. Käthe alle 
offen. Zwei Linn. nuchae. Schwache obere lin. semicircul. (Taf. V, VI, VII, VIII.) 

9) 10. c. S. Kräftiger Schädel eines Erwachsenen. Sagittal- und Coronalnath in begin- 
nender Verknöcherung. Hinterrand des Foramen inagnum und der Processus alveolaris 
ausgebroehen. Squama prominirt. Schläfenlinien wenig ausgesprochen, dagegen Arcus 
supraciliaris deutlich. (Taf. XIII, XIV, XV, XVI.) 

10) 10. b. Jung. Fehlend: Rechtes Os teniporum, linkes ebenso, grösster Theil des Os occip., 
Theile des linken Olierkiefers. Alle Käthe offen, ein Os triquetrum in der Lambdanath. 
Weisheitszähne in Durchbruch. (Taf. V, VI, VII, VIII.) 

11) II. d. S? Wohl erhalten. Foramen magnum bimförmig mit der Spitze nach vorn. 
Sagittal- und Coronalnath theilweise verknöchert- Alle Zähne heraus, Sapp. verloren. 
Schwache Linn. semicircul. und nuchae. (Taf. V, VI, VII, VIII.) 

12) 17. t. Erhalten. Käthe ofTen. Arcus supracil, Linn. semicircul. sup. et inf. Eine 
Lin. nuchae. Arcus supracil. (Taf. XIII, XIV, XV, XVI.) 

13) 20. 1. t> . Grosser starker Mannsschädel, äussere Platte des Stirnbeins und der Kiefer 
stark lädirt. Sagittalnath wulstig und verwachsen, ebenso der obere Theil der Lauibda- 
nath. Linea semicircul. inf. vorhanden, super, schwach. Zähne abgeschliffen. Weisheits- 
zähne vorhanden. (Taf. IX, X, XI, XII.) 

16) 20. 2. Gesichtsknochen, linkes Os temporum und Theile des Occiput fehlen. Pfeil- und 
Krcuznath zum Theil verknöchert. (Taf. IX, X, XI, Xn.) 

KB. Die gegebenen Schädelmaasse sind nicht nach der Zeichnung, sondern nach der 
Wirklichkeit genommon. nb (Tab. A.) ist die Entfernung vom vorderen Rande des Hinterhaupt- 
loches zum Ansatz derOssa nasi, bn von demselben Punkt bis zur Spina nasalis des Oberkiefers. 

Für das Kacbmessen an den Zeichnungen bemerke ich speciell, daas der dicke Schatten- 
strich, namentlich rechts vom Gegenstand, durch ein Versehen immer aussen angelegt, also 
innerhalb desselben der Zirkel anzusetzen ist. 



Archiv für Anthropologie. IW. VII. Halt 1 und t. 



16 



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122 



Dr. A. Schetelig, Ausgrabungen im südlichen Spanien. 



Erklärung der Tafeln. 

Tafel V bia XVI geben die im Text erwähnten 48 Schädelzeichnungen in halber Grösse. Es ist keine 
Auswahl getroffen, sondern jeder Schädel genommen, der nicht gar zu sehr zerstört oder durch Druck entstellt 
war. Die Bezeichnungen Ia, II b, 10c u. s. w. haben keinen Bezug auf den Text, sondern wiederholen nur 
die Angabe des Fundorts nach der ursprünglichen Bezeichnung an Ort und Stelle, sind also nur der Bequem- 
lichkeit wegen beibehalten. Sie dienen übrigens auch zur Identiticirung der einzelnen Schädel in seinen vier 
Aufnahmen. 

Wie schon im Text gesagt, ist die Stellung des Schädels nicht immer eine völlig tadellose, da einige Male 
das Fehlen der Basis oder der Gesichuknochen eine ganz genaue Controle nicht ermöglichte. In der Seiten- 
ansicht vonla, Taf. V ist der Unterkiefer wohl zu weit herabgesunken, in der Seitenansicht vou 10c, Taf. XIII, 
sowie in der Vorderansicht desselben Schädels Taf XV zu sehr gehoben. 

In Bezug auf die etwa anzustellenden Mousse verweise ich auf die im Text gegebenen Cantelen. 

Die Gefasee sind auf Taf. VII dargestellt. Fig, 1 bis 16 geben da» Vorhandene (ohne Rücksicht auf die 
Reihenfolge der Gräber) in */ 8 Grösse nach geometrischer Zeichnung. Fig. 17, 18 und 10 sind Wiederholungen 
von 16, 9 und 7, haben etwas mehr als */ s Grösse, ln der Camera lucida gezeichnet, stellen sie die Form 
besser dar, verhalten sich aber selbstverständlich nicht wie die mathematischen Zeichnungen. Auf 2 und 9 
lassen sich Ornamente erkennen, die durch ein gezahntes Holz gewonnen sind. Alle übrigen Linien stammen 
aus dem technischen Verfahren her, sind zum Theil mit dem Finger, zum Theil mittelst des Spatels herge- 
stellt, aber nicht concentrisch, sondern rechts unten anfangend und links oben endigend. 

Auch Fig. 20 ist etwas über l / g Grösse. 



Nachschrift. 

Der Silberringr 

von Almunecar, der mir zur Analyse übergeben wurde, war fast vollständig in Cldorsilber 
und Silberchlorür verwandelt, so dass nur ein sehr geringer Kern metallischen Silbers erhalten 
war. An der Oberfläche befanden sich ausserdem kleine Abtheilungen von Kupferehlorid 
und Kupfercarbonat neben reichlichen Beimengungen von Calciumcarbonat (Kreide). 

Zur Analyse wurde zunächst eine Reduction im Wasserstoft'strom vorgenommen, die aus- 
tretenden Gase und dann der Rückstand untersucht. In 0,642 Gramm des letzteren wurden 
bei der durch Herrn H. Brockmanu im hiesigen Laboratorium ausgefülirten quantitativen 
Bestimmung nach Abzug des Chlore und Calciums gefunden: 



Silber 80,54 Proc. 

Oold 0,85 . 

Kupfer 6,61 . 

Eiaen 2,50 „ 



160,00 Proc. 

Da ausserdem weder Blei noch Schwefel, Arsen oder Antimon etc. nachweisbar waren, so 
lässt sieli mit grösster Wahrscheinlichkeit folgern, dass das zu dem Ringe verwendete Silbermetall 
weder aus Bleiglanz noch aus einem Silber und Kupfer haltenden Mineral (Fahlerz, Roth- 
gültig etc.) hergestellt worden ist. Vielmehr scheint die Masse eine aus Gediegen-Silber und 
aus regulinischem Kupfer künstlich bereitete Legirung zu sein. Auch der relativ sehr 
hohe Goldgehalt spricht entschieden hiefUr. 

Dr. F. WibeL 



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IV. 



Haben die Phönicier oder die Carthager Amerika gekannt P 

Von 

Dr. H. Hartogh Heys van Zouteveen. 

Nebst einigen SchluBshemcrkungen von Dr. Alexander v. Frantzius. 



1. Uralte Vor- A xtekisch e Ruinenatädte in Chiapas und Central am erika. — 
Der Licentiat Dr. Diego Garcia de Palacio giebt in seinem „Amtlichen Bericht an den 
König von Spanien über die Centralamerikanischcn Provinzen Salvador und Honduras iin 
Jahre 1576“ (aus dem Spanischen übersetzt und mit erklärenden Anmerkungen und einer Karte 
versehen von Dr. A. v. Frantxius in Heidelberg, Berlin, New-York und London 1873) eine 
Beschreibung der alten, schon damals fast gänzlich in üppiger Tropen Vegetation versteckten und ganz 
unbewohnten Ruinenstadt Copan, wo man die Trümmer von Gebäuden von solcher Kunst und Pracht 
fand und noch findet, welche, wie Palacio ganz richtig bemerkt, bei den Einwohnern der Provinz 
Honduras unter einem so barbarischen Geiste, wio sie ihn zur Zeit der spanischen Eroberung 
zeigten, niemals hätten entstehen können. Palacio machte schon 1576 die sehr richtige und wohl 
zu beachtende Bemerkung, dass die damaligen Bewohner der Umgegend jede Tradition über den 
Ursprung und die Ursachen des Verfalls jener Bauwerke vollständig aus ihrem Gedächtnisse ver- 
loren hatten, ein ganz unumstösslicher Beweis dafür, dass diese Bauwerke weit älter als die Civili- 
sation der Azteken *) sind , was auch aus ihrem eigentümlichen, gar nicht aztekischen Charakter 
hervorgeht *). In der mexikanischen Provinz Chiapas liegen uralte Trümmer einer anderen uralten 
Indianerstadt, nach einem von den Spaniern nahe dabei gegründeten Dorfe, Palenque, benannt 
Diese Ruinen gehören nach ihrem Styl derselben Civilisation als die von Cop&n an. Auch sie lagen 
in Cortez Zeiten im Urwahle verborgen (Prescott, Conquest of Mexico, Book Vll* chapter 3 
and Appendix, part I.), und auf ihr Alter können wir daraus schliessen, dass im bekannten Werke: 
„Monuments anciens du Mexique et du Yucatan; Palenque, Ococingo et autres 
ruines de Pancienne civilisation du Mexique; Collection de vues, bas-reliefs, morceaux 
d’architecture, coupes, vases, terres cuites, carte» et plans, dessines par M. de Waldeck, ouvrage 



*) Die Erbauer di euer Prachtbauten waren die einst hochcmlisirten Mayavölker, deren jetzt auf niedriger 
Culturatufe lebenden Nachkommen noch immer die alten Wohnsitze einnehmen. (Anm. d. Dr. ▼. Fr.). 

a ) Auf dem rechten Arm der Statue aus Copan, die sich auf dem Titelblatt de* I. Theils von Stephen’* 
•Centralamerika“ befindet, steht unzweifelhaft der phönicische Buchstabe B. 

16 * 



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124 



Dr. H. Hartogh Heys van Zouteveen, 

public sous les auspicC« de S. £. M. le ministre de Tinstruction publique, Paris 1860, Herr Ton 
Wal deck in der „Explication des planches“ das Folgende sagt: „On voit sur l’extreme bord de 
la pyraiuide, au dessus du tronc prt?a duquel est assis mon Indien, un autre tronc plus volumineux 
encore, que le premier; cet arbre a ötc abattu pour faire le desaus de Taute] de Palenque et une 
table du presbytere, c’ctait un cyprea de 6 pieds 9 pouces de diametre, dont les couches con- 
eeutriques font remonter Tage » deux inille ans.“ I)a nun schwerlich angenommen werden kann, 
dass schon Bäume auf den Gebfladen wachsen, zur Zeit, dass Palenque von einem mächtigen Volke 
bewohnt wurde, so geht hieraus unzweifelhaft hervor, dass Palenque schon vor 2000 Jahren in 
Trümmern lag und diese Civilisation ungefähr eben so weit hinter uns liegt als der zweite Pu- 
nische Krieg, durch dessen fatalen Ausgang die Seemacht Carthagot gestürzt wurde. 

Auf den Mauern der alten Ruinenstadt Palenque findet man Bas-reliefs, welche zwei ganz 
verschiedene Monschenracen vorstellen. Die erste, die der Sieger, mit grossen Augen, hervor- 
ragender Nase, die nicht durch einen einfallenden Winkel von der niedern zurficktretendcn Stirn 
getrennt ist l ) und mit zurücktretendem bartlosen Kinne, ist unzweifelhaft eine amerikanische Ur- 
race *). Die zweite, die Uacc der Besiegten, welche durch die Sieger unter die Füsse getreten 
oder getödtet werden, ist keiner amerikanischen liace ahnlicli, aber erinnert in ihren Zügen an die 
semitischen und kushi tischen Stämme von Vorderasien; sie besitzt eine gerade Stirn, kleine Augen 
mit schweren Augenbrauen, eine krumme Nase, welche aber weniger hervorragt als bei dem ersten 
Volke und durch einen einfallenden Winkel von der Stirn getrennt ist, das Kinn ist vortretend 
und dieses Volk tragt einen Bart. 

Eine weitere Anspielung auf Verbindungen mit Völkern der alten Welt findet man darin, «lass 
in Palenque Abbildungen von Elephantenköpfen auf den Mauern gefunden werden (Fig. 5, 
6, 7, 8). Elephanten leben in Amerika nicht, Mastodonten können schon wegen der fehlenden 
oder (in Fig. 8) nach oben gerichteten Stosazflbne nicht gemeint sein, welche letzte Hypothese 
auch die Trümmer von Palenque wohl zu weit in die Vergangenheit zurücksetzen dürfte. Das 
Fig. 6. Fig. 6. Fig. 7. 




Erklärung der Figuren 5, 6 t 7. Brei „Katuns“ oder Hieroglyphen, worauf El epbantenköpfe ahgebildct 
sind, von der Ruine in Palenque, welche man „temple aux trois table«“ nennt. Copirt von „planche“ 36, 37 
und 38 des Werkes: „Monuments ancieiiB du Mexique et du Yucatan.“ Es scheint Herrn von 
Wal deck nicht aufgefallen zu sein, dass es Elophantcnköpfe waren, da er sonst in seiner „Explication des 
planche«“ diese Bemerkung nicht zuriickgehalten haben würde. Dieses verbürgt uns, dass die Abbildungen 
nicht mit Vorbedacht oder unbewusst durch den Zeichner mehr elephantenartig gemacht sind, als die Originale. 

•) Wohl kein Racenunterschied sondern das Resultat künstlicher Deformität. (Anm. d. Dr. v. Fr.). 

3 ) Auffallend war mir die Aehnlichkeit dieser Race mit den Abbildungen der Incaa von Peru, welche ich 
in der Zeitschrift „die Alte und Neue Welt“, in einem Stücke „Die .Sonnenbraut“ gefunden habe, und welche 
nach alten (lemälden, welche in Lima aufbewnhrt werden, gemacht waren. Es ist der fälschlich so genannte 
Aztckische Typus. 



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Haben die Phönicier oder Carthager Amerika gekannt? 125 

Volk, das Elephantcn abbildete, niuns solche Thiere, welche die Carthager bekanntlich in allen 
ihren Kriegen mitführten, gekannt haben. Vor 2000 Jahren waren die Carthager wohl dag einxige 
Volk, doa zu gleicher Zeit Elephanten hatte und auch Schiffe gross und schnell genug, um diese 
Thiere nach Amerika hinüberzubringen. Die Schnellheit der phönicischen und carthaginiensischen 
Schiffe stand bei gutem Winde ungern Clipperschiffen nicht, und unsern Dampfschiffen nur wenig 
nach, wie Movers durch viele Beispiele erwiesen hat Im ersten Punischen Kriege haben die Car- 
thager mehr als 100,000 Soldaten in 350 Schiffen transportirt, wie wir aus dem Polybius wissen. 

Fig. 8. 




Eine Figur des Ras-rcliefs der süsseren westlichen Siule von der Ruine in Palenquc, welche man den 
„Palast“ nennt Auf dem Helm des Krieger» sieht man einen Elephanten (?) mit erhobenem Rüssel. Nach 
„planehe“ 13 desselben Werkes von Herrn v. Wal deck. 

2. Sagen der Alten über ein Festland im Atlantischen Ocean; das Sargasso- 
meer bei den Carthagcrn bekannt — Aus mehreren Stellen der griechischen und römischen 
Schriftsteller geht hervor, dass die Phönicier und Carthager ein Land kannten ausserhalb der 
Säulen des Herkules gelegen, womit sic Handel trieben und dessen Vorhandensein sic den anderen 
Völkern verheimlichen wollten. Dieses Land kann kein anderes gewesen sein als entweder: 

1) Eine im Atlantischen Ocean gelegene Inselgruppe. 

2) Ein Thcil der Westküste von Europa. 

3) Ein Thoil der Westküste von Afrika oder 

4) Amerika. 

Keine der im Atlantischen Ocean gelegenen Inselgruppen ist gross genug, um schiffbare 
Flüsse zu besitzen. Diodorns (Libr. V, c. 19) sagt dass das betreffende Land schiffbare Flüsse 
besass, also kann es keine dieser Inselgruppen gewesen sein. In der Erzählung de facie orba 



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126 



Dr. H. Hartogh Heys van Zouteveen, 

lunae lässt Plutarchus durch Sy 11a seinem Bruder Lamprius erzählen, dass er in Carthago 
einen Fremden gesprochen hatte, der auf einer Insel jenseit* der Säulen des Herkules gewesen 
war, Ögygia genannt; im Nordwesten dieser Insel lag eine zweite Insel und beide Inseln lagen 
in einem sehr grossen Meerbusen, was eine Anspielung auf die Antillen und den Mexikani- 
schen Meerbusen sein dürfte 1 ); wenigstens findet man weder an der Westküste Kuropas, noch an der 
Westküste Afrikas eine solche in einem Meerbusen gelegene Inselgruppe. Plutarchus (de 
vita Sertorii, c. 8) sagt, dass Sertorius in den Fluss Boetis (der Guadalquivir) ein Schiff ein- 
laufen sah, das von den zwei atlantischen Inseln kam, welche, wie man meinte, in 10,000 Stadien 
Entfernung lagen. In den Meropis von Theopomp uh sagt Silcnus, dass die Meropiden 
auf einem Festlande wohnen, weiter als Libyen und die Insel deH Oceans gelegen, wo cs grosse 
Städte und wunderliche Thiere giebt, und wo Gold und Silber ho allgemein sind, dass sie weniger 
Werth haben, als das Eisen, was eine Anspielung auf Mexiko sein dürfte. Avienus drückt sich 
sehr klar aus, da er sagt: „Fertiles in Oceauo jacero terras, ultraque eum alia litora 
alium jacere orbem.“ Orbis Terraruin war bei den Römern Asien, Europa und 
Afrika zusammen, er wurde vom Ocean umgeben. Hier wird sehr deutlich gesagt, dass dieser 
orbis nicht der einzige ist, dass der Ocean auch von der andern Seite seine Grenze hat, und da 
ein anderer orbis liegt Die fruchtbaren Länder im Ocean sind ohne Zweifel die Azoren, die 
Kanarischen InBcln, Madera, die Bahama-Insel oder die Antillen; dieser andere orbis jenseits des 
Oceans, was würde er anders sein können, als das Land, welches wir Amerika nennen! 

Achnlich wie Avienus drückt sich Plato in der bekannten Atlantissage aus, wenn er den 
ägyptischen Priester zu Solon sagen lässt: 

„Es war eine Insel gelegen gegenüber der Meeresstrassc, welche ihr die Säulen 
des Herkules nennt Diese Insel war grösser als Libyen und Asien zusammenge- 
nommen und war der Weg zu anderen Inseln, und von den Inseln konnte man über- 
gehen nach einem gegenüberliegenden Festlande, das den wahren Ocean umgiebt, 
denn dieses Meer, das innerhalb der Säulen des Herkules gelegen ist, ist nur ein 
Hafen mit engen Eingang, aber das andere ist das wirkliche Meer und das darum- 
liegende Land mag in Wahrheit ein Festland genannt werden. In einer anderen Stelle 
sagt Plato, dass diese Insel von Poseidon (eine Gottheit Phünici&chou Ursprungs!) entdeckt wor- 
den und zwischen den Zwillingsbrüdern Atlas und Gadirns vertheilt worden sei, was eine Anspie- 
lung auf Carthagische (Atlas) und Ilispano-Phönioiscbe (Cadix oder Gadirus) Colonicn sein dürfte. 
Gebrauchten die Hispanischen Phönicier Iberische oder in der Rückfahrt Atlantische Matrosen, so 
dürfte dieses ein unerwartete» Licht auf die unläugbare Verwandtschaft der Baskischen Sprache 
mit den Ursprachen Nordamerikas werfen. 

^Aristoteles (citirt bei AlliacuK (Cardinal d’Ailly) Imago mundi c. VII.) und Seneca 
(citirt bei Roger Bacon, opus inajus, Fol. 183) sagen, dass man von Hispanien aus über das 
Meer fahrend, in wenigen Tagen Indien erreichen könne. Sollte dieses nicht auf demselben Miss- 
verständnisse beruhen, wodurch Columbus, als er in Amerika landete*, glaubte, dass er Indien er- 
reicht habe, und beweist es nicht, dass jene eine Ueberlieferung von dem Dasein Amerikas besassen ? 
Man sehe auch: Ael. III. hist., Erathosthcnes bei Strabo I. e. IV, p. 103, Ed. Tauchn. 

*) Warum nicht auf Britannien*/ (Anm. d, Dr. v. Fr.) 



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Haben die Phönicier oder Carthager Amerika gekannt? 127 

ln dem Pseudo-Aristoteles liest man (Mirabiles Auscultationes, c. 84), dass der 
Carthagimenaischc Senat aus Furcht, dass die Colonisten sich vom Mutterlande unabhängig machen 
würden, befahl, dass Jeder, der wiederum nach dem Lande jenseits des Oceans gehe, mit dem Tode 
bestraft werden sollte. 

Zwischen Europa und Amerika liegt im Atlantischen Ocean eine Stelle, die sogenannte Fucus- 
bank von Cuervo und Flores (das Sargasaomeer), wo so viele Algen sich befinden, dass die Schiffe 
dadurch belästigt werden und darum diese Stelle meiden. Dass die Carthager wenigstens dieses 
Sargasaomeer kannten, geht aus einer anderen Stelle von Avienus hervor, wo er, von einer Reise 
des llimilco sprechend, welche vier Monate dauerte, sagt : 

„Adjicit et illud, plurimum inter gurgitcs extare fucum, et eaope virgulti vice 
Retinere puppim.* 

Ueber das Sargassomeer sehe man auch Scylax, PeripL c. 112; T heophrastus, Hist, 
plant. IV, 71; Aristoteles, Mirab. auscult., c. 148. 

3. Sagen der ursprünglichen Amerikaner über Fremde, welche in uralten 
Zeiten aus dem Orient mit Schiffen nach Amerika gekommen waren. 

Der Popol-Vnh, das heilige liiic.li der Ureinwohner Guatemalas erzählt, dass einmal vor 
sehr langen Zeiten ein Häuptling, Quetzalcohuatl genannt, mit ungefähr 20 Gefährten in Pa- 
nuco ') in Mexiko landete. Dieser Quetzalcohuatl war weiss, hatte einen Bchwarzen Hart und 
lange schwarze Haare, Bei der Entdeckung von Amerika durch Columbus lebte dort kein ein- 
ziger woisser Stamm und die Ureinwohner Amerikas haben »ehr wenig Bart. In der Kleidung 
von Quetzalcohuatl und seiner Gefährten erkennt man leicht die Tunica der Alten wieder. Sie 
trugen nämlich lange Kleider von schwarzer Leinwand oder von Tuch, ohne Kragen, am Halse 
rund ausgeschnitten, mit breiten offenen „Aenneln“ welche den Ellenbogen bloss licsscn. Sic 
gingen von Panuco nach Tulla in Guatemala, sie bearbeiteten das Gold und das Silber, waren in 
allerlei Künsten sehr erfahren, vorzüglich im Bearbeiten von Edelsteinen und wussten auch vieles 
von dem, was sich auf die Ernälirnng des Menschen und den Ackerbau bezieht. Nach einiger Zeit 
kehrte Quetzalcohuatl nach dem Orient, den Ort der anfgehenden Sonne, von wo er gekommen 
war zurück, und sagte bei seiner Abreise, dass er sie Bpätcr wieder besuchen kommen würde. Als 
Cortez in Mexiko ankam, glaubten die Mexikaner, dass er der damals zu einem Gotte erhobene 
Quetzalcohuatl, dessen Abreise ungefähr 2000 Jahre vor dieser Zeit, wie sie sagten, stattfand, 
oder einer seiner Abkömmlinge sei. 

Die Quiches-Indianer haben eine Sage, dass die Götter rothe Erde nahmen, um den ersten 
Menschen zu bilden, eine zweite ihrer Sagen spricht von schwarzen und weisson Menschen, welche 
mit den rothen Menschen in Verkehr traten, was beweisen dürfte, dass diese Indianer schon lange 
vor den spanischen Zeiten mit weisssn und schwarzen, also nicht amerikanischen Menschen in Be- 
rührung gewesen waren. 

Eine uralte peruanische Sage, welche Prescott (Conquost of Peru) mittheilt, sagt, dass 
auch da die erete C’ultuV von weissen, bärtigen, aus dem OBten, aber zu Lande gekommenen 
Männern eingefillirt worden sei. , 

t) Panuco (eigentlich Panco) bedeutet auf Mexikanisch: Stelle der Ankunft von Leuten, welche 
über das Wasser kamen; es heisst auch Panutta, d. i. Stelle, wo sie aus dem Schiffe gestie- 
gen sind. 



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128 



I)r. H. Hurtogh Heys van Zoteveen, 

Die frühesten Veberlieferungen der Irokesen („The Galaxy“, Juli 1872, S. 94) sprechen von 
einem fremden Volke, das in Schiffen gekommen und an der Küste südlich von den Irokesen ge- 
landet war, das Land im Süden der Grossen Sceen eroberte, sich zahlreich vennehrt« und Festungs- 
werke baute. Später wurden sie besiegt und znrückgeworfen. Später kam dieses Volk wieder 
zurück, unterwarf sich eine Zeit lang den Eingeborenen, wurde aber endlich von diesen in einer 
grossen Schlacht bei Onondaga ganz und gar besiegt, nach dem Norden getrieben und aus dem 
Irokesenlande verjagt. Dio Irokesen nannten dieses Volk „Steinerne lticsen“. Neben einem der 
a!t«n von Schoolcraft mitgetheilten „l’icture Writings“ der Irokesen bildet dasselbe die sogenannte 
Behistun-Inschrift ab, um die Achnlichkeit von diesen beiden, die in verschiedenen Continenten 
gefunden sind, hervorzuheben. 

Bernard de Sahagun (angeführt in „the Galaxy“, S. 94), die grösste Autorität unter den 
spanischen Schriftstellern der Eroberungszeit, dessen Werk von dem „Kath von beiden Indien“ 
unterdrückt wurde, weil es gegen ihre Ansrottungspolitik gerichtet war, spricht von einer bei den 
Eingeborenen Neu-Spaniens allgemein angenommenen Ueberlieferung von einer fremden Atlanti- 
schen Colonie, welche vor Christi Geburt nach den Küsten Floridas kam, über den Mexikanischen 
Meerbusen segelte, in Yucatan landete und dort grosse, in seiner Zeit schon in Trümmer liegende 
Städte baute, wovon die grösste ungefähr 1000 Jahre vor der Ankunft der Spanier zu Gruudeging. 

4. Baal in Atlantis. All das Vorhergesagte unterstützt die Ueberzeugung, dass Amerika, 
oder wenigstens ein Theil davon, schon in vorchristlichen Zeiten einem Volke der Alten Welt, am 
Wahrscheinlichsten den l’böniciern und besonders den Carthagern bekannt war. Diese Annahme 
wird aber noch durch unzweifelhafte Phönieischc oder Altweltliche Alterthümcr, die in Amerika 
gefunden sind, bestätigt. Schon in Karstner’s Archiv für die gesummte Naturlehre, Th. IV, 
S. 456 V. V„ findet man eine Abhandlung von F. W. Sieber, worin eine Mittheilung über einen 
eine griechische Inschrift enthaltenden, in Trinidad gefundenen Stein sich findet Im Jahre 1869, 
den 16. October wurde aber in La Fayette, Staat New-York, ein viel wichtigeres Stück gefunden. 
Es ist eine alte Statue von Alabaster von mehr als 10 Fuss Länge, gut bearbeitet und mit einer 
Inschrift von 13 Buchstaben auf dem rechten Arm. Die Statue lag unter den Wurzeln eines 
Ilemlockbanmes und trug Spuren, dass sie früher mit Farben bemalt gewesen war. (Die ausführ- 
liche Schilderung findet sich in der Amerikanischen Zeitschrift „the Galaxy“, Juli 1872, S. 83). 
Die Inschrift lassen wir hier folgen (Fig. 9). 



Fig. 9. Fig. 10. Inschrift auf der Statue. 




Die „Galaxy“ sagt, diese Inschrift sei eine phönieischc und bedeute: Lord Thammur of the 
Heavens, the Baal. Um Gewissheit zu erlangen, copirte ich die Inschrift und fragte meinen Freund 



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129 



Haben die Phünicier oder Carthager Amerika gekannt? 

den Semitologen, Professor In ge bo 11 in Delft und Herrn Cohen, Privatducent in der Chal- 
däiscben, Hebräischen und Syrischen Sprache in Assen, was das Ihr eine Inschrift sei, ohne 
weder Fundort noch die angebliche Deutung ihm anzugeben. Herr C o h e n sagte, die Inschrift 
sei in einer Semitischen Sprache abgefasst, welcher, konnte er nicht sagen, gut lesen konnte er sie 
auch nicht. Professor Ingeholl sagte, die Iuschrift sei phonicisch, er las die Worte „Thatu- 
niur, Herr der Himmel“ und sic stamme wahrscheinlich aus dem Orient. Nun ist aber das 
phünicische Alphabet noch kaum 30 Jahre lang bekannt, ist also die Statue 40 Jahre alt, dann 
kann hier an keinen Uumbng gedacht werden. Nun ist sie wohl unzweifelhaft viel älter als 40 
Jahre, muss also echt sein. Herr Moses C. White, M. D., Professor of Pathology and Micros- 
eopy in Yale College, Xew-IIaven, Ch, hat dieselbe mikroskopisch untersucht und erklärt kleine 
darin befindliche Löcher (wie von Stecknadeln gemacht) für die Arbeit von Meerinsekten (wohl 
eher von Weichthieren). Er sagt wörtlich in einem in „the Galaxy“ mitgcthcilten Briefe: „On 
first examining these pin-holes with a magnifying glass, I was Struck with astouishment, and men- 
tally exclaimed: These pores were surely never made by human hands! Ilow can this beautiful piece 
ofstatuary he of modern origine! To me, the pin-holes, rounded out as they are, appear to be tbc 
work of inseet-borers and give evidenec of ancient origin .... I vrent again the next day and spent 
liours looking at the niinute hole», uuder powerftil illuminalion, and with achromatic glasses mag- 
nifying forty five diameters: and still the beantiful finisli of every pure or pin-hole appeared to me 
strongly opposed to the idea timt the Statue was of modern workmanship. I hoar, timt some 
learned men think the holes were made with needles. I havo tried to make needleholes upon 
limestone and upon gypsum, hutlcanuot produce such holes as I find upon the Statue .... Afewdays 
since I found in rny cabinet a small piece of limestone, taken front an island in the Ohio river, 
and on a surface containing petrefaclionB. I find holes exactly similar to tho»e which are so 
abundant on the Onoudaga Statue.“ 

Er beendet seinen Brief wie folgt: 

„When, how, where and by wliom the Onondaga statue was oonstrncted, are questiong I consider 
worthy of the most careful investigation by the inost skilful and learned antiquarious. Tbough not 
fally decided, I incline to the opinion, that the Onondaga statue is of ancient origin.“ 

Zweifel au der Aechtheit der Statue können jedenfalls meines Erachtens nach nur dadurch 
entstehen, dass einige Leute überhaupt bei allem Amerikanischen sogleich an Humbug denken. 
Gelten aber für Amerika dieselben Bedingungen wie für andere Weltthcile, so muss nmn zugeben, 
dass die Statue üebt ist. Wäre dieselbe in der alten Welt gefunden, so würde Niemand die Aecht- 
heit im geringsten bezweifeln. Was Amerika angeht, so muss inan, unseres Erachtens entweder 
schlicssen, dass Carthager oder Phünicier die Statue dorthin gebracht haben, oder nmn muss alle 
Hoffnung attfgeben, jemals aus in Amerika gefundenen Alterthfimern irgend einen Schluss auf die 
Urgeschichte dieses Contincnts zu machen. Nehmen wir an, dass die Phünicier und Carthager 
Amerika gekannt haben, so erklärt sieh Plato's Atlantissage von selbst. Durch Phünicier (Po- 
seidon) entdeckt, wurde es mit carthagischen (Atlas) und hispano-phönicisehcn (Cadix) Colonien 
bedeckt. Wahrscheinlich wurden die ersten Entdecker zufällig von der afrikanischen Küste (Afrika 
ist bekanntlich von deu Phönicieni umsegelt und seine nordwestliche atlantische Küste von den 
Cartliagern bis in die tropischen Gegenden erforscht worden) durch Sturm in da» hohe Meer ge- 
trieben und wider ihren Willen von dem Aequaturialstrom und den Passaten nach Amerika hin- 

Archiv fOr Anthropotaffl*. KU. Vil- H«ft 1 und S. yj 



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130 



Dr. H. Hartogh Ileys van Zoute veen, 

übcrgefiührt. Einmal bekannt wurde es dann mehrmals besucht und Colonien daselbst gegründet. 
Diese Colonien (Atlanten) halfen den Phönieiern in ihren Versuchen, um die Griechen aus dem 
westlichen Mittelmeere zu verjagen. Die Griechen siegten aber (Plato erzählt, dass die Athener, 
die bis Tyrrhenien fortgeschrittenen Atlanten besiegten), und aus Furcht, dass die Griechen auch 
in und über den Ocean Vordringen sollten, Hessen die Phönicier in wahrem phönicischen Styl die 
Atlantis angeblich in den Fluthen verschwinden, um durch dieses Märchen den Handel auf diesem 
Continent allein in Händen zu behalten. Zu demselben Zweck erfüllten sie das grosse Meer von 
Atl, das Meer der Finsterniss, mit allerlei Schreckensgestalten. „Ausser den Säulen des Herkules“, 
sagt ein Carthaginiensischer Schriftsteller, „ist eine Insel mitten im Ocean, reich an Pflanzenwuchs 
und dem Baal Hamon geweiht Die Natur erscheint da schrecklich, denn als ein Schiff der Insel 
naht, heben sich die die Insel umgebenden Wogen mit Wuth empor, während indessen der übrige 
Ocean ruhig wie ein See (lake) bleibt“ Noch später war den Befehlshabern der carthagischen 
Flotte empfohlen, alle fremden Schiffe, welche sie ausser den Säulen des Herkules fanden, zu 
Grunde zu richten l ). 

Nach dem Ende des zweiten Punischen Krieges wurde die carthagische Flotte auf wenige Schiffe be- 
schränkt und Spanien von den Römern erobert Dadurch sind vielleicht die alten amerikanischen 
Colonien nicht weiter besucht und die dort angesiedelten Colonisten von den Eingeborenen ausge- 
rottet worden. Dass den Römern beinahe nichts von diesen alten transatlantischen Colonien der 
Carthager bekannt wurde oder wenigstens von ihnen an uns überliefert wurde, dürfte seine Er- 
klärung darin finden, dass die Phönicier bekanntlich ihre Entdeckungen mit freimaurerischer Schweig- 
samkeit für sich behielten, dass in der carthagischen Flotte nur die Loobsen die Geheimnisse des 
Curses kannten, dass bei der Zerstörung von Carthago durch die Römer von den 700,000 Ein- 
wohnern dieser Stadt 650,000 umkamen und die punische Literatur beinahe ganz verloren ging, 
dass die in dem Tempel von Baal Hamon und nur da allein aufbewahrten Karten von den InBel- 
colonien Carthagos mit dem Tempel selbst zu Grunde gingen, und dass die Römer mit der Unter- 
jochung der Mittelmeerländer zu viel zu thun hatten, um an die weit entfernte Atlantis zu denken. 
Dass sie aber nicht ganz ohne Nachrichten darüber waren, darf man, wie wir gesehen, aus einigen 
Stellen ihrer Schriftsteller schliessen. 

Haag, 23. Öctober^l873. 



Eine Bestätigung meiner Ansichten über den Aufenthalt der Phönicier in Amerika finde ich in dem 
Bericht, den ich im Dagblad van Zuid-Holland en’a Gravenhage vom 21. October 1873 lese *). Der Bericht 
lautet: Die „America“, eine in Bogota in Neu-Granada herauskommende Zeitung theilt mit, das« ein 
gewisser Don Joaquin de Costa auf einem seiner Landgüter ein steinerne* Denkmal entdeckt haben soll, 
welches von einer kleinen Colonie Phönicier aus Sidon im 9. oder 10. Jahr der Regierung des Königs Hiram, 
Zeitgenossen des Königs Salomo aufgerichtet worden ist. Der Stein enthält eine Inschrift von acht Zeilen 
in schönen Buchstaben, doch ohne Interpnnction und ohne irgend eine Trennung zwischen den Worten.“ 
Einigermassen verdächtig ist, dass Sidonier ihre Zeitrechnung von Hiram dem König von Tyrus »Unten 
sollten, und dass gerade dieser König genannt ist, der einer der wenigen phönicischen Könige ist, von denen 
wir den Namen kennen. 

Auch in der illustrirten Zeitung „Ueber Land und Meer“ 1873 Decbr. Nr. 11, S. 207 abgedruckt. 



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Haben die Phönicier oder Carthager Amerika gekannt? 



131 



Schlussbemerkungen. 

Die Behauptung, es hätten die Phönicier ihre Fahrten bia Amerika ausgedehnt, ist bekannt- 
lich nicht neu. Da dieselbe aber schon seit so vielen Jahren immer wieder aufs Neue aufgetaucht 
ist, so sind wir wohl zu der Frage berechtigt: wo ist die Schaar der Gläubigen, die von 
der Wahrheit jener Behauptung durchdrungen, sie als eine unbestreitbare Errungenschaft 
der Wissenschaft betrachtet? Auffallender Weise ist ihre Zahl sehr gering und die Lehre von 
einem Verkehr zwischen Europa und Amerika, bei welchem die Phönicier die Vermittler spielten, 
fand niemals einen gQnstigen Boden. Diese Tbatsache hätte gewiss einen Jeden, der mit neuen 
Beweisgründen für die alte Behauptung eintreten zu können glaubt, veranlassen müssen, dieselben 
einer möglichst strengen Prüfung zu unterwerfen. In wiefern der Verfasser der obigen Abhand- 
lung dies gothan hat, -wird daher unsere Aufgabe sein zu untersuchen. Derselbe bringt uns ausser den 
alten bekannten Wahrscheinlichkeitsgründen, auf die wir hier nicht weiter einzugehen nöthig haben, 
zwei neue Belege, denen er besonderen Werth beizulcgen scheint Der erste derselben besteht in 
den Zeichnungen von Wandverzierungen aus den berühmten Ruinen von Palenque, in diesen glaubt 
Herr Hartogh Abbildungen von Elephantenköpfen zu erkennen. Dass in den von ihm gegebenen, 
genau nach den im Waldeck'schen Werke enthaltenen Tafeln copirten Zeichnungen eine ent- 
schiedene Aehnlichkeit mit Elephantenköpfen vorhanden ist, wird in der That Niemand bestreiten 
wollen. Aus dem Umstande aber, dass Herr v. Waldeok, der jene Zeichnungen an Ort und 
Stelle entwarf, in der Beschreibung auf jene Aehnlichkeit nicht aufmerksam macht, möchten wir 
gerade den entgegengesetzten Schluss ziehen, nämlich den, dass er selbst jene Köpfe nicht für 
Elepbantenköpfe angesehen hat und dass dieselben daher wohl nur das Resultat der Phantasie des 
Lithographen sind. Zu diesem Schlüsse glauben wir berechtigt zu sein, weil der bekannte Reisende 
Stephens, der einige Jahre später ebenfalls sehr genaue Zeichnungen jener Ruinen anfertigen 
liess, dieselben Figuren l ) (Bd. II, S. Hl 6 und 34H) ganz anders aufgefasst hat und zwar so, dass 
in seinen Zeichnungen durchaus keine Aehnlichkeit mit Elephanten hervortritt Ueberhaupt ist zu 
berücksichtigen, dass die meisten jener Figuren, welche als Wandverzierungen oder Inschriften 
dienten, in so eigenthümlich phantastischer Weise dargestellt sind, dass eB oft schwer zu unter- 
scheiden ist, ob die Köpfe Menschen- oder Thierköpfe darstellen sollen. So naturgetreue Abbil- 
dungen, wie sie ebenfalls in uralten Zeiten von den Renthierfranzosen und nach den neuesten 
Funden in der Thayinger Höhle von den Renthierschweizern angefertigt worden sind, finden sich 
auf den Ruinen der Mayavölker nicht 

Aber auch in dem Falle, dass die Abbildungen so naturgetreu wären, dass wir sie unzweifel- 
haft für Elephanten halten müssten, so liefern sie noch keineswegs den Beweis, dass die Elephanten 
in Schiffen von der alten Welt hinübergebracht sein mussten. Könnten es denn nicht Abbildungen 
jener Mastodonten sein, von denen Ch. Rau*) nachgewiesen hat, dass sie in der neuen Welt noch 



*) J. L. Stephen«, tncident« of travel in Centralamerica, Chiapas and Yucatan. London 1842. 
*) Ch. Ran, North American Stone Implements. Report of the Smitheonian Institution. 1872. 

17 * 



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13-2 Schlussbemerkungen. 

mit «lern Menschen zusammen lebten? Die Anwesenheit der Phönieier in Amerika ist daher 
durch jene Abbildungen durchaus nicht erwiesen. 

Als zweiten Beleg dafür, dass die Phönieier in Amerika waren, führt Herr Hartogh eine 
Mittheilung aus der amerikanischen Zeitschrift. „Gslaxy“ an. Der dort mitgetheiite Fand wäre in 
der That ein sehr merkwürdiger, wenn es zweifellos feststände, dass die aus Alabaster gefertigte 
Figur altphünicischen Ursprungs sei und wenn sie, wie der Geognott sich auszudrücken pflegt, 
sich auf primärer Lagerstätte befinde. Was den ersten Punkt betrifft, so steht nur so riel fest, 
dass einige Schriftzeichen allerdings semitische sind. Viel wichtiger ist aber die zweite Bedingung, 
der genaue Nachweis über die Art der Auffindung und über die Fundstätte selbst. Da wir auch 
in Kuropa bei jedem Funde zunächst verlangen, das» deijenige, der ihn mittheilt, ein zuverlässiger 
Gewährsmann sei und Beweise liefert, dass er sich nicht habe täuschen lassen, derartige Garantien 
aber in unserem Falle über ilic Art der Auffindung nicht in genügender Weise gegeben werden, 
so dürfen wir, so lange es nicht von ganz zuverlässigen Gewährsmännern festgestellt ist, dass jede 
zufällige oder absichtliche Täuschung ausgeschlossen ist, jenem Funde noch nicht die Bedeutung 
beilegen, welche Herr liartogh ihm beigelegt hat. Auffallend ist ee schon, dass seit der Ver- 
öffentlichung des Fundes im Jahre 1860 bis heute demselben von Seiten amerikanischer Archäo- 
logen so wenig Beachtung zu Theil wurde; dieses Schweigen ist gewiss ein sehr bezeichnendes. 
Wenn ich im vorliegenden Falle eine besonders strenge Prüfung der Thatsachen verlange, so ge- 
schieht die» nicht etwa aus übertriebener Zweifelsncht, sondern bei einer Frage von so grosser 
Tragweite und Wichtigkeit für die Völkerkunde scheint es mir ganz besonders nöthig zu sein, 
mit aller Vorsicht zu Werke zu gehen. Mit Hecht ist man in der letzten Zeit der Ansicht der- 
jenigen entgegengetreten, die in jeder Aelmlichkeit, die bei weit von einander durch Kaum und 
Zeit getrennten Völkern oder Racen beobachtet wurde, eine Verwandtschaft oder einen einst- 
maligen directen Verkehr zu wittern pflegen. Dieser Anschauung gegenüber hat bei den Ethno- 
logen der neueren Zeit die Uebcrzeugung immer mehr Eingang gefunden, dass der menschliche 
Geist unter ähnlichen Verhältnissen selbstständig und unabhängig von anderen Vorbildern dieselben 
Gedanken entwickeln könne, deren oft wunderbare Uebereinstimmung schon so manchen Reisenden, 
der es sich zur Aufgabe machte, die Lebensweise bisher unbekanuter Völkerstämme in fernen Wclt- 
theilen zu beobachten, in nicht geringes Staunen versetzte. 

In unserem Falle würden wir daher, wenn die vorgebrachten Beweise sich als richtig erwiesen 
lrätten, den Schluss ziehen müssen, dass die Mayaeultitr keine selbstständige, sondern eine thoil- 
weise von den Phönieiern entlehnte Bei. Die bis auf Einzelnbeitcn sich erstreckende Aelmlichkeit 
jener alten Bauwerke mit denen der Culturvölkcr des Orients hat allerdings schon manchen Besucher 
derselben zur Annahme eines directen Verkehrs beider Völker verleitet; noch niemals ist es jedoch 
gelungen, die Richtigkeit dieser Vennutliungen zu («-weisen. Die Erfahrung bat dagegen gezeigt, 
dass die Schwierigkeit der Ucbertragung der Cnhur von einer Nation auf eine audere unendlich 
grösser ist als man es anzunehmen geneigt ist. Selbst gegen die Einführung der wohlthätigsten 
und nutzenbringendsten fremden Neuerungen pflegen sich die auf niedriger Bildungsstufe stehenden 
Völker in merkwürdig beharrlicher Weise ablehnend zu verhalten und um so mehr ist dies der 
Fall, je niedriger der Bildungsgrad ist, auf dem sie stehen. 

Die Möglichkeit der Ueberfahrt phönicischcr Schiffe bis nach Amerika wird man gewiss 
nicht in Abrede stellen können. Einen Einfluss auf die Cultur würden aber die Phönieier nur 



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Schlussbemerkungen. 133 

durch langjährigen lebhaften Schiffsverkehr ansgeübt haben können, niemals aber wäre so etwa» 
durch einige zufällig verschlagene Schiffe möglich gewesen. Hätte ein regelmässiger Verkehr 
stattgefunden, so müssten wir dies wissen. Die Zeit, in der die Phönicier aus dem mittelländischen 
Meere hinan» bis in den atlantischen Ocean vordrangen, ist uns nicht ganz unbekannt, sie liegt 
durchaus nicht etwa im Dunkel der fernsten Urgeschichte verborgen; dennoch besitzen wir aus 
jener Zeit, aus der uns so manche andere geschichtliche Ueborlieferungen aufbewahrt worden sind, 
durchaus keine Belege, die auf transatlantische Fahrten hindeuten. 

Zum Schlüsse noch eine Bemerkung über die zuletzt angeführte neueste „Bestätigung“ der 
Hartogh’schen Behauptung. Ich kann es mir kaum denken, dass der Verfasser es im Ernst als 
eine „Bestätigung seiner Ansicht über den Aufenthalt der Phönicier in Amerika“ ansieht, wenn 
er sich auf den in einer in Bogota erscheinenden Zeitung mitgotheilten Fund eine» Steindenkmals 
beruft, dessen phönicische Inschrift aus dein 10. Jahrhundert v. dir. herrühren soll. Dass diese 
Mittheilung eine blosse Erfindung ist, bei der man, um ihr den Anstrich der Glaubwürdigkeit zu 
verleihen, die bekannte Bibelstelle (2 Chron. 8, V. 16 — 18), welche sich auf die üphirfahrten de» 
König Salomo bezieht, zu Grunde gelegt hat, liegt auf der Hand. Da jedoch sogar Gelehrte so 
kühn gewesen sind das vielgesuchte Goldland Ophir nach Peru und Mexiko zu verlegen, so dürfen 
wir e» auch wohl dem amerikanischen Zeitungsschreiber verzeihen, wenn er zur Unterhaltung 
seiner Leser in acht amerikanischer Weise darthut, welche grosse Ehre ihrem Lande einst zu 
Theil geworden ist. Mehr als da» Stcindenkinal mit der Inschrift würde es aber wohl die Leser 
interessirt haben, wenn er nicht vergesset) hätte mitzuthcilen, dass die Phönicier bei jener Fahrt 
450 Centuer Gold nach Hause brachten. Dass die Phönicier au» dem rothenMeer ausfahrend den 
indischen Ocean sowie das stille Meer durchschiffend nach 12 Monaten in Guayaquil angclangt 
»ein »ollen, setzt einen »ehr starken Glauben voraus, wir müssen aber nicht vergessen, das» jene 
Zeitungsnotiz für Leser ans dem spanischen Amerika geschrieben ist 

Nachdem die obigen Bemerkungen niedergeschrieben waren, finde ich in der „Köln. Zeitung“ 
vom 16. Mai 1874 eine ähnliche kleine Notiz wie die soeben erwähnte nnd zwar entnommen ans 
dein „Journal Officiel“. Dieselbe schliesst sogar mit den Worten: „Jeder Tag bringt neue Be- 
weise, das« der amerikanische Continent lange vor Columbus und zu verschiedenen Zeitperioden 
Besucher nnd Coloniiten aus der alten Welt gesehen hat“ 

Natürlich ändert auch diese Notiz nicht iin geringsten unsere Ueberzeugung. 



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y. 

Kleinere Mittheilungen. 



X TJeber die neuentd eckten Knoohenhöhlen bei Tbayingen und Freudenthal 
im Canton Sohaffhausen (Schweiz). 

Aus einer brieflichen Mittheilnng von L. RUtimeyer an A. Ecker. 



Zu der kurzen Anzeige über die bemerkens- 
wort heil Funde in den bei Schaff hausen Ausge- 
beuteten Knochenhöhlen , welche Herr College 
Fr aas vorläufig mitgetheilt hat (Correspondenz- 
blatt, März 1874) kann ich vor der Hand noch 
nicht gerade viel Neues beifügen, da ich erst »eit 
Kurzem mit der Untersuchung der Ausbeute von 
Thierüberresten mich beschäftigen konnte. 

Eine einlässliche Darstellung der gesäumten 
in Thaingen beobachteten Verhältnisse wird wohl 
in nicht ferner Zeit von Herrn Ueallehrer Merk 
veröffentlicht werden, unter dessen sorgfältiger 
Leitung die dortige Höhle ausgebeutet worden. 
Leber die Frendenthaler Höhle steht ebenso ein 
Bericht zu erwarten vom Herrn Dr. Fraas und 
Herrn Prof. Karsten, welche diese Loealitat mit 
grösster Sorgfalt untersucht und völlig ausgeriiumt 
haben. Auch die Thayinger Höhle ist nun gänzlich 
geleert und steht mithin neuen Ansiedlern zur 
Verfügung. Obgleich aber die Eisenbahn direct 
zur Höhle führt, so steht kaum zu erwarten, 
das» sie sobald wieder so fremdartigen Inhalt 
bergpn wird, wie die so lange verborgen ge- 
bliebene. 

Bei meinem ersten Besuche der Höhle im 
verflossenen Januar hatte ich den Eindruck, dass es 
»ich um ähnliche Verhältnisse handle, wie in den Ren- 
thierstationen am Saleve und bei Villeneuve, über 
die seiner Zeit im Archiv ein Bericht erstattet 
worden, der noch seither eine Bestätigung erhalten 
hat durch eine überaus reiche nene Sendung vom 
Saleve, welche indes» zu der bisherigen Liste von 



Thieren nur wenig Neues fügte. Renthier, Pferd, 
Alpenhase, Schneehuhn bildeten auch in Thayingen 
den Hauptinhalt des damals zu Tage geförderten 
Knochen vorrathes and es fragte sich, ob die ein- 
zige Mammuth-Zahnlaroelle, welche zum Vorschein 
gekommen war, nicht zufällig mit dem diluvialen 
Schutt in die Höhle gekommen »ein möchte. 

Bei meinem zweiten ßesnehe, im verflossenen 
Monate, wo mir der gesammte Inhalt der Höhle 
vor Augen lag, gestaltete sich das Bild der dort 
aufgespeicherten Thierwelt schon anders. Immer 
noch lieferten zwar Renthier, Pferd, Alpenhase das 
Hanptcontingent der in einem Dutzend grosser 
Kisten znsammengehäuften Knochen, und über den 
Betrag einzelner Thiero mögen Sie sich eine Vor- 
stellung bilden, wenn ich beifüge, dass eine rasche 
Abzählung z. B. für den Hasen 430 rechte Unter- 
kieferhälften, für das Renthier 250 letzte Back- 
zähne der einen Unterkieferhälfte ergab. Auch der 
Hirsch, von ähnlicher Riesen grosse wie in Veyrier, 
der Steinbock, Fuchs, Wolf, Bär u. s. f. fehlten 
nicht, aber sie erschienen in ganz anderer relativer 
Vertretung als in Veyrier. Für den Bär blieb es 
bei dem einzigen Schädel, den ich im Januar selbst 
zu Tage gefördert hatte, während nun Fuchs und 
Wolf in grosser Zahl erschienen, und zwar der 
erstere allem Anscheine nach in verschiedenen 
Arten , worin die zahlreichste wohl mit dem Eis- 
fuchs zusammenfallen wird. 

Allein hieran gesellte sich nun eine Anzahl 
von Thieren von noch fremdartigerem Gepräge, 
unter welchen vorläufig nur der Vielfrass, da» 



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136 



Kleinere Mittheilungen. 



Mammuth und Nashorn nebst Bison priscus ge- 
nannt werden mögen. Immerhin also noch Thiere 
von nordischem Gepräge. Um so mehr mögen Sie 
sich meine Ueberraschung denken, als endlich in 
dieser Gesellschaft, die ja für eine wohl wesentlich 
postglaciale Ablagerung selbst in der Nähe der 
Alpen nicht mehr so unerwartet erscheinen konnte, 
auch der Höhlenlöwe, zwar spärlich, aber in unzwei- 
deutigen Ueberresteu zum Vorschein kam. Also 
selbst hier, mitten im Kern des erratischen Ge- 
bietes, Reuthier und Löwe als Zeitgenossen, seihst 
hier die kosmopolitische Gesellschaft wie in Belgien, 
Südfrankreich, England. 

Dass unter diesen Umständen Hansthiere fehl- 
ten, war zu erwarten, doch wird es um so wichti- 
ger sein, irgend welchen Spuren von solchen die 

Fig. 



grösste Aufmerksamkeit zuzuwenden. Aber auch 
von allerlei anderen Thieren, welche man sich nur 
in diese sonderbare Gesellschaft denken durfte, wie 
etwa Höhlenbär, Hyäne u. s. f. hat sich einstweilen 
nichts gezeigt. Eine reiche Ausbeute versprechen 
dagegen die Vogelknochen, unter welchen sich 
neben dem Schneehuhn namentlich der Schwan 
ziemlich reichlich vorzufinden scheint. 

Nicht minderes Interesse verdienen die Spuren 
der Anwesenheit des Menschen in der Höhle von 
Thayiugen. Es mag wohl am Platze sein, auzu- 
deuten, dass der Bericht des Herrn Merk den Alter- 
thumsforschern das Vollendetste von menschlicher 
Kunstfertigkeit ans so entlegener Zeit zur Kennt- 
nis« bringen wird, was bisher zum Vorschein ge- 
kommen. Die vortreffliche Reuthierzeichnuug, von 
11a. b 




Auf Renthiergeweih eingeritzte Zeichnung eines weidenden Renthiers aus der Höhle bei Thayingen. 



welcher Herr Fraas spricht, ist nicht das einzige 
Kunstwerk aus dieser Localitüt 1 ). Es fanden sieh 



*) Von dieser Renthiorzeichnung geben wir hierbei 
eine t'opie (Fig. 11 «), die nach einer von Prof. Ford. 
Keller in Zürich veröffentlichten Lithographie ge- 
stochen ist. Dan grasende Thier ist mit einer über- 
raschenden Naturtreue dargestellt . wie sie die noch 
alles Idealismus haare primitive Kunst allerorte zeigt 
und wie wir sie z. B. auch an den altägyptieehen Thier- 
zeichnnngen bewundern. Da* Geweih mit der breiten 
Augeneprosse, die Behaarung, die Stelluug der Beine, 
alles ist vortrefflich wiedergegeben und au dem Ori- 
ginal überrascht namentlich auch das Nasenloch, da«, 
wie man eB bei einer weidenden Kuh beobachten kann, 
weit geöffnet ist. Es ist hier nur das untere Ende 
der Stange dargestellt, erst später fand sich da« dazu 
gehörige obere Stück, welches (wie ein sogenannter 
Commandoitab der französichen Höhlen) von einem 



noch fernere ähnliche Darstellungen theila auf Ren- 
thierhorn, theila auf Plättchen von Braunkohle, 
welche also wohl die ersten Schiefertafeln lieferte. 
Eine Zeichnung eines Zebra-ähnlichen Thieres, auf 
Renthierhorn, ist sogar so vortrefflich erhalten 
und so überaus zierlich auageführt, dass ich zweifeln 
möchte, ob ein Schnitzler im Berner Oberhtude im 
Stande sein möchte, mit den Meisseln jener alten 
Künstler solche Darstellungen zu liefern. Ja selbst 
in Sculptur liegen derartige Arbeiten vor, in Form 
eines aus Knochen geschnitzten Thieres, dessen 

runden Loche durchbohrt ist, so dam» das Stück viel- 
leicht an einem Riemen getragen w’erden konnte. — 
In b ist der Querschnitt der Stange gegeben. Die 
Zeichnung findet «ich zum grösseren Theil auf der 
convexeren Fläche. E. 



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137 



Kleinere Mittheilungen. 



Deutung vielleicht auf einen Büffel hiuausgeheu 
wird. Der Untersuchung der Ueberreste vom Pferd, 
wovon mindestens sehr grosse und sehr kleine 
Thiere sich schon dem ersten Ueberblick aufdräng- 
ten, sowie derjenigen der Rinder, die fast durch- 
weg auf Überaus mächtige Thiere hinweisen, sind 
durch solche Vorlagen bedeutsame , aber leider 
keineswegs leichte Aufgaben gestellt. 

Es mögen diese Bemerkungen genügen, um 
die Erwartungen, die von mancher Seit« an die 
Untersuchung der Thayinger Höhle geknüpft wor- 
den sind zu i echtfertigen. Nicht nur der Ort, inner- 
halb des von unserer Phantasie für diese Zeitepoche 
mit Gletschern gefüllten Raumes zwischen Jura und 
Alpen, sondern auch der reiche Inhalt weist ihr 
unter den schon so zahlreichen Fundstätten vom 
Zusammenleben des Menschen mit einer heute fast 
durch und durch fremd gewordenen Thierwelt eine 
höchst ansehnliche Stellung an und wir dürfen 
daher der Berichterstattung des Herrn Merk mit 
um so grösserem Interesse entgegenseheu , da er 
nicht nur die Ausbeutung mit grosser Aufmerk- 
samkeit überwacht hat, sondern namentlich auch 
der Iteproduction jener alten Kunst werke alle Sorg- 
falt zuznwenden die Absicht hat. Was den zoolo- 
gischen Theil der Aufgabe an betrifft, so werden Sie 
vielleicht dereinst, wenn es nüthig erscheinen sollte, 
nach vollendeter Arbeit etwas einlässlichem Mit- 
theilungen einen Platz im Archive einräumen. 

Was die Freudenthaler Höhle anbetrifft, so 
möchte ich hier dem zu erwartenden Berichte der 
Herren Frans und Karsten so wenig vorgreifen, 
als dem Berichte des Herrn Merk über das so- 
genannte Kesslerloch. Auffällig war mir nur bei 
dem Ueberblick der zwar kleinen aber von Herrn 
Professor Karsten im schönsten Raume seiner 
das ganze Gebiet dieser alten Scenen beherr- 
schenden Behausung mit der woblthnendrten Pietät 
aufgestellten Sammlung auffallend, die wesent- 



lich andere Vertretung der verschiedenen Thier- 
arteu in den zwei so uahe bei einander liegen- 
den Höhlen. Bär und Wildschwein, in Thayingen 
so selten, sind in Freudenthal viel reichlicher ver- 
treten. Rind und Steinbock scheinen selten zu 
sein u. s. f. Wie sorgfältig die Freudenthaler 
Höhle untersucht wurde, zeigten die Ueberreste 
von Spitzmaus, von Natter u. s. f., welche aufge- 
hoben waren. 

War so mein Besuch in Thayingen und Schaff- 
hausen, der mir so reiche neue Fundstätten für 
das in der Schweiz bisher nur an den beiden Enden 
des Genfer Sees und unter relativ ungünstigen 
Bedingungen, d. h. wenigstens am Saleve nicht in 
Höhlen, die zu bleibendem Aufenthalte des Men- 
schen sich eigneten , sondern bloss in Fels- 
schutt aufgedeckten Renthieralters zur Kenntniss 
brachte, in jeder Beziehung erfreulich und beleh- 
rend, so können Sie sich mein Vergnügen denken, 
als ich bei der Rückkehr nach Basel eine Knochen- 
sendung von dem verdienten Historiker des Jura, 
Herrn Berginspector Quiquerez in Delsberg vor- 
fand, welche Reuthier, Stein bock und Eisfuchs aus 
einer Höhle bei Delsberg enthielt. Fast wie vor 
20 Jahren sich unerwartet der Vorhang lüftete, 
der so rasch die Periode unserer Pfahlbauten zur Ent- 
hüllung brachte, öffnet sich also nun auch in unseren 
Bergen allerorts die noch altere Bühne des Men- 
schen ohne Hausthier. Und bis in die Eiseubahn- 
zeit ging es. bevor dies Alles, zum Theil in un- 
mittelbarer Nachbarschaft von Dörfern und Städten 
mit Schulen und Sammluugen aller Art, in einem 
Lande, wo man sich nicht über Mangel an Beob- 
achtangssinn beklagen darf, zu Tage kam. Welche 
Aufforderung, nicht still zu stehen! 

Basel, 17. Mai 1674. 

Mit herzlichem Grus* 

L. Rütimeyer. 



II. Gesellschafts-Angelegenheiten. 



A. 



Die Statistik der Farbe der Haare, der Augen und der Haut der Bevölkerung 
des deutschen Reiches. 



In der zweiten Sitzung deB Congresses der 
deutschen Anthropologen zu Stuttgart am Freitag, 
den 9. August 1672 (s. Bericht über die dritte 
allgemeine Versammlung der deutschen anthropo- 
logischen Gesellschaft zu Stuttgart, Braunschweig, 

Archiv Jbr Anthropologie. Bd. VII. Heft 1 and 2. 



Vieweg und Sohn, 1872, S. 31) stellte der Unter- 
zeichnete den Antrag. dass die von der Gesellschaft 
zur Erhebung der Schädelstatistik bestellte Com- 
mission ersucht werde, in ihren betreffenden Be- 
zirken zugleich auch Erhebungen, nicht nur Über 

18 



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138 Kleinere Mittheilungen. 



<lie Körpergrfnise, sondern auch über die Farbe der 
Haare und Augen zu machen, da erat hierdurch 
in Verbindung mit der Schädelform ein voll- 
ständiges Bild des Völkertypus gegeben werde *). 
Dieser Antrag wurde von der Gesellschaft ange- 
nommen. Die betreffende Commissiou, welche aus 
den Herreu His, Krause, Virchow, Schaaff- 
hausen. Kölliker, Luoae, Welcker und dem 
Unterzeichneten besteht, hat aber, soviel bekannt, 
darüber keine weitere Berathung gepflogen; der 
Vorsitzende derselben jedoch, Herr Prof. Vi rchow, 
hat auf der Versammlung in Wiesbaden im Sep- 
tember 1873 (s. Bericht über die vierte Versamm- 
lung etc. S. 29) diesen Antrag abermals an die 
Versammlung gestellt und in zweckmaesigater 
Weise forinulirt. Der bezeichnet« Zweck soll auf 
zweierlei Weise erreicht werden: 

1) Durch statistische Erhebungen über 
Farbe der Haare, Augen und der Haut in 
den Schulen und 

2) durch bei Gelegenheit der Hekrn- 
tirnug gemachte Erhebungen über Farbe 
der Haare, Augen und Körpergrösse (viel- 
leicht auch über die Körper kraft). 

Ueberdies soll 

3) die bestehende Commission ermächtigt wer- 
den, in den einzelnen Theilen Deutschlands Special- 
commissionen für die Sammlung und Bearbeitung 
des Materials über die physische Beschaffenheit der 
Bevölkerung und zwar vorzugsweise der ländlichen 
mit Rücksicht auf die ethnologischen Verhältnisse 
ins Leben zu rufen. 

I. Die statistische Erhebung in den Schu- 
len wird wohl ohne Zweifel die wichtigsten Ergeb- 
nisse liefen». Allerdings wird im erwachsenen Alter 
munches ursprünglich blonde Haar dunkel, da aber 
niemals eine wirklich dunkle Race mit hellem 
Haar geboren wird, so ist man berechtigt anzu> 
nehmen, dass Alles was im Alter zwischen 6 und 
14 Jahre»» blondes Haar hat, der blonden Race 
zugerechuet werden darf. 

Es wurde daher vorgeschlageu : 
einen Antrag an die deutschen Regie- 
rungen zu richten, dass die Schulvor- 
stände in allen deutschen Staaten ange- 
wiesen werden, eine statistische Zn- 



*) Dieser Autrag ist in dem Berichte über die 
Versammlung in Wiesbaden (S. 28) nicht ganz 
genau wiedergegeben, indem da nur von einem sol- 
chen auf Berücksichtigung des übrigen Skelets (ab- 
gesehen vom Schädel) die Rede ist, während derselbe 
so lautete, wie oben angegeben. 



sammenstellung über die Farbe des 
Auges und der Haare der Schüler (mit 
Angabe des Alters) zu machen und dass 
dieses Material der Gesellschaft zur Be- 
arbeitung mitget heilt werde. 

Dieser Antrag wurde von der Gesellschaft 
angenommen, und es ist von dem derzeitigen Vor- 
stande der deutschen Gesellschaft an die deutschen 
Regierungen in Folge davon in diesem Augenblicke 
(Mai 1674) folgendes Gesuch versendet worden: 

„Die Generalversammlung der deutschen an- 
thropologischen Gesellschaft hat in ihrer Sitzung 
vom 16. September v. J. zu Wiesbaden (wie aus 
dem beigelegten Berichte S. 29 bervorgeht) die 
Xothwendigkeit anerkannt, zum Zwecke einer ge- 
nauen ethnologischen Erforschung .der gegenwär- 
tigen Bevölkerung Europas und namentlich Deutsch- 
lands Erhebungen zu veranlassen, welche die Ver- 
breitung der blonden und der braunen Individuen 
in den einzelnen Landestheilen zum Gegenstände 
haben. Als der beste Wog, zu einer Uebersicht 
zu gelangen, erscheint eine Aufnahme der Schul- 
kinder nach der Farbe der Augen, der Haare und 
wenn möglich der Haut, wobei die jüdischen Kinder 
besonders ausznscheiden wären. Eine derartige 
Aufnahme ist jedoch nur dann durch ganz Deutsch- 
land zu ermöglichen, wenn die deutschen Regie- 
rungen uns amtlich zu Hülfe kommen und die 
Lehrer aller Schulen anweisen, Zusammenstellungen, 
etwa nach Maassgabe des beifolgenden Formulars 
zu machen. Der grosse wissenschaftliche, in ge- 
wissem Sinno sogar politische Nutzen einer solchen 
Arbeit ist in dem beigefügten Berichte auseinander- 
gesetzt und wir hoffen daher keine Fehlbitte zu 

thnn, wenn wir die Staatsregieruug ganz 

ergebenst ersuchen, Anordnungen zu treffen, wo- 
durch die Schulvorstände angewiesen werden, im 
Laufe dieses Sommers, wenn möglich im Juni oder 
Juli, durch dio einzelnen Lehrer eine statistische 
Zusammenstellung über dio Farbe der Augen, der 
Haare und der Haut der Schüler zu machen und 
dieses Material der deutschen anthropologischen 
Gesellschaft zur Bearbeitung mitzutheileu. 

Der Vorstand der deutschen Gesellschaft für 
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 

Dr. Ose. Fruas, Vorsitzender. 

Dr. Ludw. Limlenschmit, I. Stellvertreter. 

Prof. R. Virchow, II. Stellvertreter. 

Dr. A. v. Frantzius, Generalsecretär. 

Carl Groos, Cassenführer. 

Mai 1874. 

Beigeschlossen ist folgendes Formular: 



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Kleinere Mittheilungen. 139 

Schule (Volksschule, Gymnasium etc.) zu 

Zahl der Schüler , darunter Juden ...... 



Davon haben 











Gesaimntzahl. 


Darunter Juden. 




1. 


blaue Augen, blonde Haare, weisse Haut .... 








2. 


P " 


braune „ 








3. 


• , 


braune „ braune „ .... 








4. 


graue Augen, blonde Haare, weisse Haut .... 








ö. 


B B 


braune „ , .... 






6. 


« » 


braune „ braune „ .... 








7. 


B B 


schwarze „ „ „ . . ♦ . 








8. 


braune Augen, blonde Haare, weisse Haut . . . 








9. 


i» b 


braune . » „ ... 








10. 


i» b 


braune „ braune „ ... 








11. 


» j» 


schwarte „ „ „ ... 







II. Der zweite die statistischen Erhebun- 
gen bei der Rekrutirung betreffende Antrag 
wurde ebenfalls angenommen und in Folge dessen 
folgendes Gesuch an das Reichskanzleramt gestellt: 
Dem hohen Reichskmizleramte 
überreichen wir ganz ergebenst beifolgenden Be- 
richt über die letzte Generalversammlung der deut- 
schen anthropologischen Gesellschaft, in welchem 
auf Seite 26 und 29 die Gründe dargelegt sind, 
welche es in hohem Ma&aso wünschen* Werth er- 
scheinen lassen, dass bei Gelegenheit der Rekruten- 
aushebung für die deutsche Armee (wenigstens 
ein Mal) Aufzeichnungen über die Farbe der Augen, 
der Haare und der Haut der anszahebenden Mann- 
schuft gemacht werden. Es liesso sich auf diese 
Weise für die einzelnen Länder, Provinzen und 
Bezirke in Kürze eine Uebersicht über die Ver- 
keilung der blonden und der braunen Elemente 
der Bevölkerung gewinnen, welche, ergänzt durch 
eine entsprechende Schuistutistik, die wichtigste 
Grundlage für die Ethnologie unseres Vaterlandes 
gewähren würde. Möglicherweise würde zugleich 
eine ähnliche Erhebung in den einzelnen Truppen- 
körpern vorgenommen werden können, um auf 
eiumul für die betreffenden Altersclasseu das ge- 
summte Material zusummenzubringen. Das Maass 
der Körperlänge wird schon jetzt festgestellt. Eine 
gleichzeitige Feststellung der Körperkraft wäre sehr 
erwünscht. Unsere Gesellschaft w'ürde sehr gerne 



bereit sein, das gesammelte Material, falls ihr das- 
selbe zur Verfügung gestellt würde, bearbeiten zu 
lassen. 

Sollte eine solche Einrichtung als eine dauernde 
bedenklich erscheinen, so würde es für die wissen- 
schaftlichen Zwecke, welche wir vertreten, schon 
genügen, wenn wenigstens ein Mal, vielleicht schon 
im Laufe dieses Jahres, die von uns beantragte 
Anordnung zur Ausführung gelangte. 

Unser ganz gehorsamster Antrag geht dem- 
nach dahin, das hohe Reichskanzleramt wolle ver- 
fügen, dass bei der Rekrutenaushebnng der deut- 
schen Armee in allen deutschen Staaten Aufzeich- 
nungen über die Farbe der Augen, des Haares und 
der Haut vorgenommeu werden , und dass sow ohl 
dieses Material als auch die Aufzeichnungen über 
die Körperlange, vielleicht auch über die Körper- 
kraft bezirksweise gesammelt werden. 

Einen entsprechenden Formnlurentwurf er- 
lauben wir uns beizul egen. 

Der Vorstand der deutschen Gesellschaft für 
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 

Dr. Ose. Fraas, Vorsitzender. 

Dr. Ludw. Linden sch mit, I. Stellvertreter. 

Prof. B. Virchow, II. Stellvertreter. 

Dr. A. v. Frantzius, GeneraWcretar. 

Carl Groos, Casscnführer. 

Mai 1874. 



18 * 



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140 



Kleinere Mittheilungen. 
Formular. 



Land. 




Provinz. 




Kreis. 


Name. 


Alter. 


Grosse. 


Farbe der 


Augen. 


Haare. Haut. 













Die Behauptung von der Existenz zweier ver- 
schiedener Typen inmitten der deutschen Bevöl- 
kerung, einer hochgewachsenen blonden und einer 
kleinen schwarzen, ist bekanntlich nicht neu, and 
wir begegnen derselben in den verschiedensten 
Theilen Deutschlands. Wahrend mau aber in Be- 
treff der ethnologischen Bezeichnung des einen 
Typus, des hochgewachsenen blonden, ziemlich 
übereinstimmender Ansicht zn sein scheint, indem 
man ihn als germanischen ansieht , gehen die An- 
schauungen in Betreff des zweiten sehr weit aus- 
einander. Während in meinem engeren Vater- 
lande Baden die Forscher in der Localgeschichte 
ihn kurzweg als celtisch 1 ) bezeichnen» haben 
Andere in benachbarten Ländern ihn liguriscli ge- 
nannt, und heute will man bei unseren westlichen 
Nachbaren Finnen daraus machen und setzt diesen 
das arische Element des erstgenannten Typus 



*) S. u. a. meine Crania Germaniae, $. 2, 
Ö2 und <J3. 



entgegen. — Eine genaue Feststellung vor Allem 
der Thataachen der Existenz der zweierlei Typen 
in ganz Deutschland, des Xahlenverhältnisses der- 
selben an verschiedenen Orten muss aber natürlich 
allen weiteren Untersuchungen vorangehen. In 
Deutschland ist jedoch kaum ein Anfang zu derartigen 
Untersuchungen gemacht, wenigstens ist mir ausser 
den Hdlde r’aehen *) und meinen eigenen, die noch 
nicht abgeschlossen sind *), nichts von solchen be- 
kannt. Die grosse Wichtigkeit der oben mitgetheilten 
Anträge auf die statistischen Erhebungen in den 
Schulen und bei der Rekrutirnng ist daher ein- 
leuchtend, und es ist nur zn wünschen, dass ihnen 
vollkommen entsprochen werde. 

A. Ecker. 



*) Beitrüge zur Ethnographie von Württemberg, 
Stuttgart 18G7. ( Separat abd ruck aus : Schriften des 
württemb. Alterthumsvereins, Heft 7) und dieses 
Are hi v, Bd. 11, 8. 51. 

8 ) Bericht über die Versammlung in Stuttgart, 
S. 91# 



B 



Der badische anthropologische Verein, ein Zweigverein der deutschen Gesellschaft für 
Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte. 



In den Statuten der deutschen anthropolo- 
gischen Gesellschaft ist in §. 2 gesagt, dass dieselbe 
ihre Zwecke zu erreichen suche: in erster Reihe 
durch Gründung von Localvereinen und der Ver- 
einigung dieser zu gemeinsamem Wirken etc. Lenser 
badisches Land ist iu der Bildung solcher mit zuerst 
vorgegangen und schon bei der constituirenden 



Versammlung in Mainz, ain 1. April 1870, war der 
Freiburger anthropologische Verein durch seinen 
Bevollmächtigten mit mehr als 80 Stimmen ver- 
treten. Bald bildeten sich eben solche Vereine 
oder Gruppen in Heidelberg und Mannheim und 
Einzelne traten da und dort dem deutschen Vereine 
bei. In eine nähere Verbindung waren die ein- 



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Kleinere Mittheilungen. 



141 



seinen Vereine, Gruppen und Personen nicht ge- 
treten, nnd es hatten wohl die einen der enteren 
von dem Bestehen der anderen kaum anders als 
durch Vermittelung des Correspondenzblattes Kennt- 
nis« erhalten. Nachdem die Nothwendigkeit einer 
solchen Verbindung sich mehr und mehr heraus- 
gestellt batte, traten ira October 1873 eine Anzahl 
Mitglieder in Freiburg zusammen, und es consti- 
tuirte sich, in Folge einer von den Theilnehmern 
au dieser Zusammenkunft erlassenen Aufforderung 
mit dem 1. Januar des Jahres 1874 der oben 
genannte badische anthropologische Verein, dessen 
Aufgaben in den hier folgenden Statuten näher 
bezeichnet sind. 

Statuten. 

§• i. 

Der badische anthropologische Verein 
bildet einen Bestandtbeil der „deutschen 
anthropologischen Gesellschaft“ uud sucht 
als solcher die wissenschaftlichen Zwecke dieser 
(siehe §. 1 der Statuten dieser Gesellschaft) zu ver- 
folgen, d. h. alle in «lie Anthropologie, Ethnologie, 
Urgeschichte und verwandte Disciplinen einschla- 
genden Studien zu pflegen und zu unterstützen. 

Im Besondern stellt er sich die Aufgabe, die 
vorgeschichtlichen Forschungen im badi- 
schen Lande zu fordern und zu unterstützen, 
das gesammelte Material vor Verschleppung zu 
bewahren und wissenschaftlich zu verwerthen. 




Der Vereiu besteht aus ordentlichen und 
ausserordentlichen Mitgliedern. Jedes ordent- 
liche Mitglied giebt jährlich einen Beitrag von 
mindestens — 4 Mark (= 5 Francs), wovon 3 
Mark in dieCasse der deutschen anthropologischen 
Gesellschaft fliessen. 

Personen, welche sich durch Nachrichten, Zu- 
sendungen u. s. w. um den Verein verdient machen, 
können zu ausserordentlichen Mitgliedern des ba- 
dischen Vereins ernannt werden, selbstverständlich 
ohne dadurch zugleich die Mitgliedschaft der all- 
gemeinen deutschen anthropologischen Gesellschaft 
zu erweben. Ausserordentliche Mitglieder sind zu 
keinen Geldbeiträgen verpflichtet. — Für ausser- 
gewöhnliche Verdienste kann der Verein Ehren- 
mitglieder ernennen. 

§.3. 

Die ordentlichen Mitglieder des badischen Ver- 
eins nehmen an allen Rechten der Mitglieder der 
deutschen anthropologischen Gesellschaft Theil und 
erhalten monatlich das Correspondenzblatt dieser 
Gesellschaft unentgeltlich zugesandt. 



§• 4. 

Die Geschäfte des Vereins werden durch einen 
Vorstand geleitet, der aus einem Vorsitzenden, 
einem Stellvertreter und einem Rechner besteht. 
Die Mitglieder des Vorstandes werden von der Ge- 
sellschaft auf drei Jahre gewählt und sind nach 
Ablauf dieser Zeit wieder wählbar. Die drei 
Beamten müssen in derselben Stadt wohnen und 
diese ist für die bezeichnet« Wahlzeit Vorort des 
Vereins *). 

§.5. 

Alle drei Jahre findet in einer Stadt, in wel- 
cher wenigstens 30 Mitglieder wohnen, eine Gene- 
ralversammlung statt, in welcher Bericht erstattet, 
der Vorstand und Vorort gewählt und Vorträge 
gehalten werden. 

§• 6 

Der Verein legt keine eigenen Sammlungen 
an. Alle durch ihn erworbenen Gegenstände wer- 
den den schon bestehenden vaterländischen Samm- 
lungen der Vereinsbezirke (siehe §. 7) ein verleibt. 
Als solche Sammlungen sind zu betrachten: 

1) Die Sammlung im Rosgarten zu Konstanz; 

2) die fürstlich fürstenbergische Sammlung zu 
Donaueschingen; 

3) die archäologische und ethnographische Samm- 
lung der Universität Freiburg; 

4) die Grossh. Alterthumssammlung in Karls- 
ruhe; 

5) die Sammlung des Alterthumsvereina und das 
Grossh. naturhistorische Museum in Mann- 
heim; 

6) die archäologische Sammlung in Heidelberg. 

§. 7. 

Die Vereinsbezirke des badischen anthropolo- 
gischen Vereins setzen sich aus den folgenden 
Amtsbezirken zusammen : 

1) das Seegebiet umfasst die Aeroter: Kon- 
stanz einschliesslich Radolfzell, Ueberlingeo, 
Stockacli, Pfullendorf, (Kosgnrten -Sammlung 
in Konstanz); 

2) das Baargebiet (fürstlich fürstenbergische 
Besitzungen) umfasst die Aemter: Mösskirch, 
Engen, Donaupschingen , Yillingen, Triberg, 
Wolfacht Bonudorf, Neustadt, (fürstliche Samm- 
lung in Donauescliingen); 

3) das 0 her r hei n gebiet umfasst die Aemter: 
Waldshut, St. Blasien, Säckingen, Schopf heim, 
Lörrach, Schönau, Müllheim, Breisach, Staufen, 
Freiburg, Emmeudingen, Waldkirch, Etten- 
heiin, Lahr, Offenburg, (archäologische lind 



l ) Für die nächsten drei Jahre ist Fr ei bürg 
Vorort, der Unterzeichnete Vorsitzender. Prof. Weid- 
mann Stellvertreter und Herr D. H. Meier Rechoer. 



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142 



Kleinere Mittheilungen. 



ethnographische Sammlung der Universität dann aber auch, weil es, besonders in einem nem- 
iu Frei barg); lieh langgestreckten Lande wie Raden, einem ein- 

4) das Mittelrheingebiet umfasst die Aemter: zigen Manne uicht möglich ist, auf erhaltene An- v 

Achern, Kork, Oberkirch, Bühl, Baden. Rnstadt, zeige von Funden heute in den Odenwald, morgen 
Karlsruhe, Ettlingen, Durlach, Bruchsal, Biet- au den Bodenseo zu eilen , endlich weil man in 
ten, Pforzheim, (Grossh. Alterthumssammlung Localsammlungen gern bereit ist. alles Gefundene 

in Karlsruhe); aufzubewahren, während man in grösseren Landps- 

5) das Unterrheingebiet umfasst die Aemter: Sammlungen genöthiort ist, eine Auswahl zu treffen 

Sinsheim, Eppingeu, Mannheim, Heidelberg, uud somit zu scheumtisiren. 

Schwetzingen, Wiosloch, Weinheim, Eberbach, Was die oben genannten Regierungserlasse 

Mosbach, Adelsheim, Buchen, Boxberg, Tanber- betrifft, so hat 

bisebofskeim, Werthheini. (Sammlung des Al- 1) das grossherzogl. Ministerium des 

terthumsvereins und Grossh. naturhistorisches Innern siinunt liehen Bezirksämtern des Landes 
Mnsenni in Mannheim und archäologische Nachricht von der Gründung des V'ereins, seinen Auf- 
Sammlung in Heidelberg). gaben und seiner Gliederung in Bezirke gegeben, 

die Vorstände dieser, an welche die gemachten 
§* Funde eiuzusenden sind, namhaft gemacht und 

Die Ausgaben des Vereins, soweit sie durch überhaupt die Bestrebungen de* Vereins dringend 
die Jahresbeiträge nicht gedeckt werden, sollen aus lie ** Förderung von Seite der Bezirksaugehörigen 
freiwilligen Beiträgen bestritten werden. empfohlen. 

Im Wesentlichen gleich lautende Verordnungen 
wurden erlassen 

Der Verein zählt heute 175 Mitglieder und ist 2) von der grossherzogl. Oberdirection 

in erfreulichem W achathume Iwgiiffen. Von !>e- des Wasser- und Strassenbaus an sämmtliche 
sonderer Wichtigkeit und naclinhinuugswerth er- grossherzogl, Wasser- und Strassenbau- 
Bcheint uns die in $j. 7 vorstehender Statuten ge- inspectiouen ; 

geliehene und vom grossherzogl. badischen Mini- 3) von der Generaldirectio n der grosa- 

sterium genehmigte Eintheilung des Landes in herzogl. Eisenbahnen an sämmtliche Eisen- 
einzelne Gebiete, deren jedes einen Vorstand hat, bahn haninspectioneu und an die Bezirks* 
der die Vermittelung einestheils mit den Behörden, bahningeuieure; 

andernthcils mit den Findern und Eigenthümern von 4) von der Domuuendi rect i o u an »ämmt- 

Fundstücken bildet und an welchen, nach den gleich zu liehe grossherzogl. Domänen Verwaltungen , 
erwähnenden Regienugserlassen, von sämmtlichen Dezi rksforsteien uud an den Wiesenbau- 
Funden der betr. Bezirke Nachricht zu geben resp. m eiste r. 

dieselben einzuaenden sind. Dass diese Funde laut Diese Verordnungen hat der Vorstand drucken 

§. 6 der Statuten fünf bis sechs verschiedenen Samm- und an die Mitglieder vertheilen lassen, so dass 
langen einverleibt werden »ollen, wird vielleicht jeden Augenblick von diesen auf Grund derselben, 
vou Manchem als unzweckmäßig betrachtet wer- wenn es nöthig ist, die Unterstützung der Behörden 
den; es mag daher darauf hingewiesen werden, angerufen werden kann. 

dass diese Einrichtung sich ebenfalls auf zahlreiche Die Organisation des badischen Zweigvereins 

Erfahrungen stützt. Eine Centralisation an einem lässt hoffen, das* von nun an alle Funde im Bereiche 
Orte (Karlsruhe), wie sie früher angestrebt wurde, desselben mit derselben Sicherheit zur Anzeige kom- 

war aus verschiedenen Gründen nicht durchzu- men, mit welcher etwa der Fand der Leiche eines 

führen, einmal weil das Localinteresse sich eben neugeborenen Kindes der Polizei gemeldet wird, 
vorzugsweise nur den Localsammluugcn zuwendet, Ecker. 



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VI. 



Referate. 

L Zeitschriften — und Bücherschau. 



1. J. Labbock. Die vorgeschichtliche Zeit, 
erläutert durch die Ueberreste des AI- 
terthums und die Sitten und Gebräuche 
der jetzigen Wilden. Autorisirte Aus- 
gabe für Deutschland. Nach der dritten Auflage 
des Originals aus dem Englischen von A. Pas- 
sow. Mit einleitendem Vorwort von R. Vir- 
chow. Jena, II. Cos tu noble, 1874. I. Band, 
mit 180 Illustrationen in Holzschnitt, einem 
Grundriss und zwei lithogr. Tafeln. 

Mit Freude begrünen wir das Erscheinen einer 
deutschen Uebersetzung dieses «len Forschern im 
Gebiete der Urgeschichte sowie allen Freunden 
prähistorischer Studien itn Original längst vor- 
t heilhaft bekannten Huches, das in der That eine 
Lücke in unserer Literatur anszufülten bestimmt 
ist. Wir glauben für diejenigen unserer Leser, 
denen das Werk noch fremd ist, die Vorzüge 
desselben nicht, besser klar machen zu können, 
als indem wir uns im Wesentlichen dem anschliessen, 
was Virchow in seinem einleitenden Vorwort 
darüber ausgesprochen hat. „Um dasjenige zu 
▼erstehen, was die prähistorische Forschung zu 
Tage fördert“, sagt Virchow, „an die Geräthe 
und Fabrikate, die Wohnungen and Befestigun- 
gen, die Schädel und «las sonstige Gebein, welches 
nach Jahrtausende langer Verborgenheit an das 
Licht tritt, zu deuten, um daraus die Menschen der 
Urzeit in ihrem körperlichen und geistigen Verhalten, 
ihren Sitten und Gebräuchen, ihrem Wissen und 
ihren Vorurtheilen wieder zu erschlossen , dazu 
reicht weder der prähistorische Stoff, noch der 
blosse Scharfsinn des prähistorischen Forschers 
au*. Die Mittel dazu liefert in vielen Fällen erst 
die Beobachtung des lebenden Menschen, wie sie 
für die Vergangenheit bei den Historikern, für 
die Gegenwart bei den Ethnographen aufgesucht 
werden muss. Denn was an einzelnen Orten 



noch gegenwärtig Gebrauch ist, das hat an ande- 
ren seit Meuschengedenken aufgehört, es zu sein, 
und von noch andern erfahren wir erst aus der 
Durchforschung der Erdrinde selbst, dass einst- 
mals auch dort Menschen mit solchen Gewohn- 
heiten gelebt haben.“ 

Diese stete Berücksichtigung des ethnographi- 
schen Moments, wenn mau so sagen darf, in der 
Urgeschichte, wie sie ja auch schon auf dem 
Titel angegeben ist, begründet den einen grossen 
Vorzug dieses Buches. Weiter ist es die dem 
Verfasser zu Gebote stehende reiche Erfahrung, 
die dem Leser sofort ein gewisses Vertrauen ein- 
flösst und zwar wie Virchow richtig bemerkt, 
nicht durch die Bestimmtheit seiner Aussagen, 
sondern ira Gegentheil durch die Vorsicht, mit der 
der Autor sich ausspricht und die allerdings gegen 
die Sicherheit, mit der in populären Schriften die 
Urgeschichte des Menschen dargestellt wird, scharf 
absticht. Es ist in der Wissenschaft wie im ge- 
wöhnlichen Leben; wie hier Erfahrung vorsichtig 
macht — da Erfahrung nach Goethe'« Ausspruch 
darin besteht, dass man erfahrt, was man nicht zu 
erfuhren wünscht, — so lernen wir dort Beschei- 
denheit und Behutsamkeit, die nirgends mehr von 
Nöthen sind, als in eiuem so dunklen Gebiete, wie 
dem in Rede steheuden. 

Wir empfehlen dem deutschen Publikum das 
treffliche, durch eine gute Uebersetzung ihm nun 
so zugänglich gemachte und von der Verlagshand- 
lung in bekannter Weise vorzüglich ansgestattete 
Buch auf das Angelegentlichste. E. 

2. Der vorgeschichtliche Mensch. Ursprung 
und Entwickelung des Menschengeschlechts. 
Für Gebildete aller Stände. Begonnen von 
Wilhelm Baer. Nach dessen Tode unter 
Mitwirkung von Professor Dr. H. Sch a aff- 



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144 



Referate. 



Lausou vollendet und herausgegebcu von 
Friedrich v. Hellwald. Mit über 500 in 
den Text gedruckten Illustrationen und 10 
Tonbildern. Leipzig, 0. Spanier, 1874. 

Es war gewiss ein zeitgemäßes Unternehmen, 
den heutigen Stand unseres Wissens auf einem so 
eifrig gepflegten Gebiete in kurzen Umrissen dar- 
zustellen und die Ergebnisse der Eiuzelforschung, 
die in so vielen Schriften zerstreut sind, in einer 
jedem Gebildeten verständlichen Form zusammen- 
zufusseu. Dass die Ausführung eines solchen Un- 
ternehmens nicht leicht ist, wird jeder mit der 
prähistorischen Wissenschaft Vertraute gerne zu- 
gehen. Das Popularisiren einer noch bo jungen und 
in der Entwickelung begriffenen Disziplin, in der 
noch so vieles streitig ist, ist an und für sich eine 
schwierige Sache und es ist für diese Wissenschaft 
ganz besonders zu beherzigen, was unser Nestor 
C. E. v. Baer in seiner Autobiographie über den 
Gegenstand im Allgemeinen ausgesprochen hat. 
Er sagt: „Ich habe immer auch der Lehre an ge- 
hangen, dass die Wissenschaft popularisirt werden 
muss; nun aber, da die Arbeit im Gange ist und 
die Früchte der Finder nnd Erfinder auf unzäh- 
ligen Mühlen vermahlen werden, kommen mir diese 
doch wie die Knochenmühlen vor, welche die Reste 
lebendiger Organismen in ein formloses Pulver 
umändem, um damit das Feld zu düngen und dem 
Volke Nahrung zu verschaffen. Das ist sicher ein 
guter Zweck, allein zu leicht kommt dabei auch 
unwahrer, also ungesunder Stoß* in das Pulver und 
er ist nicht mehr kenntlich, da alle Zeugnisse des 
Abctammungsprozesies verloren geben**, und dass 
auch beim besten Willen „ungesunder Stoff in das 
Pulver“ kömmt, wird jeder Fachgenosse zugeben, 
der die Verwirrung wuhrgouommen hat, die nur 
z. B. die Begriffe: Steinzeit, Bronzezeit etc. in 
manchen Köpfen angerichtet haben. 

Wir glauben den Verfassern daa Zengniss aus- 
stellen zu dürfen, dass sic ihre schwierige Aufgabe in 
trefflicher Weise gelöst haben, was um so höher anzu- 
schlagen ist, als die Darstellung sozusagen nicht 
auH einem Guss erfolgte, Bondern, wie weiter 
nnten zu ersehen, vermittelst einer Theilung der 
Arbeit entstanden ist. Um so mehr hätten wir 
gewünscht, dass die Tonbilder weggeblieben waren, 
die in der That nicht der Aufgabe entsprechen, 
welche die zeichnenden Künste in den Natur- 
wissenschaften zu erfüllen haben. Begriffe lassen 
sich, besonders wenn sie ohnehin nicht klar waren, 
mcHtificireu, Anschauungen nur schwer. Der Laie 
z. B., der das Bild gesehen „ein Gastmahl zur 
Bronzezeit“ wird dieses bestimmte Bild im Kopfe 
behalten und sieb unter einer „Bronze -Familie“ 
etwas ganz Apartes voratellen. Diese positiven 
Bezeichnungen erhalten so eine noch viel grössere 
Schärfe, als sie leider schon haben ; deun gewiss 
wäre es, wie wir bei dieser Gelegenheit bemerken 



wollen, überhuupt viel zweckmässiger, anstatt Stein- 
zeit Zusagen „vormetallische Zeit“, indem ja 
doch das Fehlen des Metalls das charakteristische ist 
und die „Zeit der Metalle“ im Ganzen dieser 
entgegenzustellen, innerhalb welcher dann die 
„eisenlose“ und die „Eisenzeit“ zu unter- 
scheiden wären. Der verehrte Herausgeber sagt 
in seiner Vorrede ganz richtig, der ernste Forscher 
nehme an den Bildern keinen Anstoss. Allerdings 
nicht, aber für diesen ist ja auch das Buch nicht 
geschrieben. Es ist sicherlich an der Zeit, dass 
auch bald ein wissenschaftliches Handbuch der 
prähistorischen Wissenschaft erscheine, allein es 
wird wohl für dieses eine andere Form gewühlt 
werden müssen, etwa entsprechend der des R. 
Wagner’schen Handwörterbuchs der Physiologie 
und kann nicht das Werk eines Einzigen, sondern 
muss das Produkt einer Association sein. — 

Was nun den Antheil der einzelnen Autoren 
am vorliegenden Buch betrifft , so war es dem 
Schöpferder Idee desselben, W. Baer nur vergönnt, 
nebst der Einleitung die vornietallische Zeit 
zu bearbeiten (S. 1 bis 308). Nach seinem Tode 
übernahm Fräulein J. Mestorf die Schilderung 
der Zeit der Metalle (S. 309 bis 444). Dann 
folgt aus der gewandten Feder unseres F. v. 
II e 1 1 w a 1 d eine Schilderung des vorgeschichtlichen 
Menschen in Amerika und Oceanien (S. 445 bis 
498) und deu Schluss bildet ein Capitel von dem- 
selben Verfasser über Alter, Abstammung und 
nllmülige Entwickelung des Menschengeschlechts. 
— Auf Einzelnes eingehend, wollen wir durchaus 
uur im Interesse einer zweiten Auflage bemerken, 
dass das Citat von Sehenchzer S. 39 unrichtig 
ist; es heisst im ersten Vers „von einem alten 
Sünder“ (nicht „armen“), und diesem wird in 
Ver» zwei entgegengesetzt „der neuen Bos- 
heitBkinder“ (nicht „heutigen Menschenkinder“). 
Ferner ist S. 140 von einer Steinspitze die Rede, 
die deu Lendcnmuskel (soll heissen „Lenden- 
wirbel“) eineB jungen Rimthiers durchdrungen 
hat. — Die Ausstattung ist, wie von der Spainer’- 
schen Verlagshandlung nicht anders zu erwarten 
war, eine vortreffliche und die zahlreichen Holz- 
stiel]» verdienen alles Lob. Wir empfehlen daher 
das lehrreiche Bneh dem lesenden Publikum auf 
das Beste. E. 



3. Pcrty, Maximilian. Die Anthropologie als die 
Wissenschaft von dem körperlichen und geisti- 
gen Wesen des Menschen. Leipzig und Heidel- 
berg , C. F. Winter’ sehe Verlagshandlung. 

2 Bde. 8«. 

Unter „Anthropologie“ hat man bekanntlich 
im Laufe der Zeit sehr Verschiedenes verstanden. 
Als das Wort zuerst gebraucht wurde, verstand man 
darunter insbesonder die Lehre von der physischen 



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Referate. 



145 



Natur des Menschen, wobei man bald mehr den 
Ban (Anatomie), bald mehr die Lebensäus&crongon 
(Physiologie) im Auge hatte. Später, am Ende 
des vorigen und Anfang dieses Jahrhunderts war 
ob dagegen die Psychologie, die sich fast ausschliess- 
lich dieses Namens bemächtigte. Beidemal war es 
aber das menschliche Individuum, mit welchem 
sich die Anthropologie beschäftigte. Die heutige 
Anthropologie aber hat es mit der Menschheit, 
d. h. mit der Gattung, Ordnung, Classe, Reich: 
Me nsoh, wie man die Abtheilung nun, je nach 
seiner Anschauung von ihrer Stellung zum Thier- 
reich nennen mag, zu thun und wird am ersten 
durch den Begriff: Naturgeschichte oder Zoologie 
der Menschheit gedeckt. — Der Verfasser des 
obgenannten Buchs, dessen Entwicklungsgeschichte 
noch zum Theil in die Zeit der Herrschaft der 
Naturphilosophie lallt, hat in dem ersten Band 
desselben die Anthropologie in dem altern 
Sinn, d. h. als Lehre vom menschlichen Individuum 
behandelt, indem er eine populäre Anatomie, 
Physiologie und Psychologie giebt. Wir können 
daher diesen ersten Band, als unserer Aufgabe fern 
liegend, ganz beiseite lassen. — Der zweite Band 
beschäftigt sich mit der menschlichen Gattung uud 
verdient also allein den Namen „Anthropologie“ 
in dem heute ziemlich allgemein gültigen Sinne. 
In dienom zweiten Bande behandelt der Verfasser 
die Urgeschichte und Cultu rgeschich te 
sowie die Ethnographie. Das vierte Buch (des 
ganzen Werkes) S. 1 bis 187 behandelt die Ent- 
stehung des Menschengeschlechts und Beine Aus- 
breitung in Racen und Völker (Urgeschichte und 
Ethnographie), das fünfte, von 8. 191 an die Cul- 
turgeBchichte, aus deren Gebiet er aber schliess- 
lich auch noch auf die politische Geschichte der 
Völker übergeht, so dass wir in diesem Rahmen 
der Anthropologie von einer populären Anatomie 
des Menschen bis zu einer Schilderung der Politik 
Bisinarck’B gelangen, ein allerdings ziemlich um- 
fassendes Gebiet Der Verfasser verr&th jedenfalls 
eine grosse Belesenheit, zugleich aber auch, dass 
er unter den Hauptgebieten der Anthropologie, 
Anatomio, Linguistik, Archäologie, keinem als 
eigentlicher Fachmann näher getreten ist 

E. 

4. Corazzini, Francesco. 1 tempi preistorici o 
)e antichissime tradizioni coiifrontate coi risul- 
tati della seien za moderna. Verona. 1874. 8 Ü . 
3G6 S. 

Wer diesseits der Alpen die kleine Schrift des 
Professors Corazzini über die vorhistorischen 
Zeiten liest, dürfte mit seinem Urtheile einiger- 
maassen in Verlegenheit gerathen. Das Buch ist 
gut und befriedigt doch nicht. Wir bezweifeln 
nicht, dass, wie der Verfasser in seiner Vorrede 
betont, sein Buch einzig in seiner Art sei, — 
Archiv (Br Anthropologie. Hd. VII, Haft 1 und f. 



natürlich für Italien. Corazzini will, und er hat 
getreulich gehalten was er versprochen, alle auf 
die ersten Epochen der Menschheit Bezug nehmen- 
den Thatsachen und Entdeckungen zusammen fassen, 
um sozusagen der Weltgeschichte als Einleitung 
zu dienen. In Deutschland, wo sich das Interesse 
des grossen Publikums früher als in Italien den 
prähistorischen Studien zugew&ndt hat, dürfte das 
Bedürfnis* nach einem ähnlichen Werke kaum 
mehr vorhanden sein; wir besitzen in dieser Hin- 
sicht schon lange, was auf der Alpenhalbinsel bis- 
her fehlte. Daraus erklärt sich leicht, dass Professor 
Corazzini dem gebildeten Leser deutscher Zunge 
kaum irgend etwas Neues zu erzählen hat, wenn- 
gleich vom wissenschaftlichen Standpunkte aus 
rühmend anerkannt werden muss, dass er mit 
grosser Sorgfalt und dunkenswerthera Eifer alles 
Wissenswerthe gesammelt und mit merkwürdiger 
Knappheit des Styles darzustellen verstanden hat. 
Auch kennt dor Verfasser alle einschlägigen Ar- 
beiten nicht bloss in romanischen Sprachen, sondern 
auch in germanischen und nordischen Idiomen. 
Man wird schwerlich eine Thatsache, irgend einen 
vorgeschichtlichen Fund von Bedeutung nennen 
können, der nicht in Corazzini *s Buch gebüh- 
rende Erwähnung gefunden hätte. Soweit können 
wir der vorliegenden Arbeit nur alles Lob spenden 
und sind wir auch überzeugt, dass dieselbe in 
Italien den prähistorischen Studien manchen Freund 
gewinnen wird. Weniger einverstanden erklären 
wir uns mit der Aufnahme des ganzen geologischen 
Lehrgebäudes, welches freilich nur in kurzen Um- 
rissen den ersten der drei Theile bildet, in welche das 
Buch zerfallt. Nicht, dass in den der Geologie 
gewidmeten 140 Seiten wissenschaftliche Verstösse 
vorkämen, vielmehr ist davon — einige fehlerhafte 
Schreibungen von Eigennamen abgerechnet (z. B. 
Huxel ey statt Huxley und Hackel statt Haeckel 
auf S. 142) — so viel gesagt, als ein so eng be- 
grenzter Raum gestattet, allein die Vermengung 
der Geologie mit den prähistorischen Studien ver- 
mag überhaupt nicht unsern Beifall zu finden; es 
scheint uns weit ausgeholt beider Laplaceschen 
Nebeltheorie zu beginnen um auf die ältesten 
Spuren des Menschen zu kommen, deren früheste 
mit dem Postpliocän, also einer der uns nächst- 
gelegenen Erdperioden beginnen, denn an dem 
Menschen der Miocänzeit erlauben wir uns einst- 
weilen noch bescheidene Zweifel zu hegen. Was 
der Verfasser dem Leser an geologischem Wissen 
mittheilt, dünkt uns zu viel und zu wenig zugleich: 
zu viel wenn er einschlägige Kenntnisse bei seinem 
Leser schon voraussetzt, zu wenig im gegentheili- 
gen Falle, und hätten wir es sicherlich vorgezogen, 
wenn dioser gesammtc Stoff in kurzen Strichen 
auf wenige Seiten zusAmmengedrängt worden wäre, 
um Raum für das eigentlich Prähistorische zu 
gewinnen. Prähistorisch im strengen Sinne des 
19 



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146 



Referate. 



Wortes ist freilich die geologische Vergangenheit 
unseres Planeten anch, allein man hat sich doch 
in der Wissenschaft daran gewöhnt, diese Bezeich- 
nung nur mit Beziehung auf die Anwesenheit des 
Menschen auf Erden, wovon die Geschichte keine 
Kunde erhalten hat, zu gebrauchen. Die weite 
Ausdehnung des Begriffes „ prähistorisch tt hat den 
Verfasser auch wohl veranlasst, die Schöpfunga- 
sagen der meisten Völker in den Rahmen seines 
Buches aufzunehmen. Bo hoch nun auch das 
ethnographische Interesse an diesen Sagen zu ver- 
anschlagen ist, für die Urgeschichte besitzen sie 
Werth nur dann, wenn sie durch anderweitige 
wissenschaftliche Kritik beglaubigt worden sind. 
Unserer unmaassgeblichen Meinung nach ist die 
Gegenüberstellung der ältesten Traditionen mit 
den Kesnltaten der neueren Forschung in Coraz- 
zini’s Bach sehr knapp ausgefallen, richtiger ge- 
sagt, der für die geologische Darstellung verwen- 
dete Kaum gestattete offenbar dem Verfasser nicht 
mehr auf die beabsichtigte Confrontirung einzn- 
gehen ohne dum eigentlichen prähistorischen Stoffe 
weiteren Abbruch zu thun. Da Professor Coraz- 
zini auch auf dem Gebiete der Schöpf ungssagen 
sich orientirt zu haben scheint, so bleibt es be- 
dauerlich, dass er sich über dieses interessante 
Thema nicht des Längeren verbreitete, wenn er 
wirklich in der Lage war, die wissenschaftliche 
Kritik zu fordern. Die beiden Capitel über das 
Alter der Erde und das Alter der Menschen nach 
den ältesten Traditionen würden wir aber, falls 
sie weggeblieben wären, wohl kaum vermisst 
haben. In dem Abschnitte über die Ursitzc und 
den Urzustand der Menschheit, beruft sich der 
Autor gleichfalls auf die Mythen, um das Wahn- 
gebilde einer ursprünglichen Vollkommenheit zu 
verscheuchen, glaubt aber an eine durch dieNoth- 
wendigkeit gegen die wilden Thiere zu kämpfen 
erzwungene Eintracht und wirkliche moralische 
Glückseligkeit, eine Ansicht, die wir natürlich weit 
entfernt siud, zu theilen, wenn wir auch darauf 
verzichten, sie hier zu widerlegen. Mit grossem 
Interesse wird dagegen das Schlusscapitel über die 
Ethnologie Italiens gelesen werden, worin Professor 
Corazzini den Stand des prähistorischen Wissens 
über die Halbinsel eben so geschickt als übersichtlich 
darstellt. F. v. H. 

5. Marshall, W. E. A phrenologist amongst 
tlie Todas. London 1873. 8*. 

Ein hübsch ansgestattetes, mit guten Photo- 
graphien versehenes Buch. Zu bedauern ist nnr, 
dass der Verfasser, ein britischer Stabsoffizier in 
der indischen Armee, vor allem Phrenologe ist, 
und von der Anthropologie und ihren heutigen 
Aufgaben keine Kenntnis« zu haben scheint. Sonst 
hätte er doch wohl wenigstens die Instructionen 
irgend einer der europäischen anthropologischen 



Gesellschaften berücksichtigt. Trotzdem finden sich 
da und dort recht gute Beobachtungen. Von vor- 
züglicher Hilfe war ihm hierbei ein Missionär 
(Metz) der Baseler Missionsgesellachaft, der schou 
über 20 Jahre in diesen Gegenden gelebt hatte 
und der Todasprache mächtig war. Die Todas *), 
der kleine Rest eines aus dem Norden gekommenen, 
ein dravidiBches Idiom sprechenden Volke«, bewohnt 
die Plateaus der Nilagirigehirge im Dekkau., Die 
Männer haben im Mittel eine Höhe von 5 Fuss 
8 Zoll, die Weiber von 5 Fass 1 Zoll. Die Haut 
braun , der Körper nngemein reichlich behaart, 
Haare schwarz, Bart voll. Gestalt wohl propor- 
tionirt, schlank; Gesicht oval, länglich, Nase im 
allgemeinen schmal, Nasenlöcher weit. Prognathis- 
mus selten; Lippen fleischig, Augenbrauen hori- 
zontal. Schädel dolichocephal (wie besonders an 
der Abbildung Xr. 5 des Weibe« zn sehen, die 
auch sehr deutlich den weiblichen Schädelcharaktcr, 
wie ihn Referent aufgestellt, wahrnehmen lässt). 
Schädel seien übrigens, da das Volk die Todten 
verbrennt, nicht zu erhalten. Verfasser ännsert 
gelegentlich seine (auf phrenologische Gründe ge- 
stützte) Ansicht, dass die dolicho- und stcnoccphale 
Form die niedrigere sei und sich allmälig zur 
hracbycephalen entwickele, welche letztere im Kampfe 
um« Dasein die grösste Aussicht habe, die andere 
zn überleben ; auch betont er Beziehungen zwischen 
Schädelform und Körporgestalt , so bestehe z. B. 
eine solche zwischen Brachycephalie und breiten 
Schultern. Die Todas, etwas über 713 Seelen stark, 
sind ein armes Hirtenvolk, das in Dörfern wohnt, 
keinen Ackerbau treibt, vorzugsweise von Milch 
Bich nährt, Fleisch nur einmal jährlich geniesaend. 
Die zum Theil merkwürdigen Sitten des Volkes 
werden eingehend beschrieben nnd als Anhang ist 
eine Grammatik der Todasprache von Rev. Pope 
beigegehen. E. 



6. Westafrika vom Senegal bisBengucla. 
Reisen und Schilderungen ans Senegambien, 
Ober- und Niederguinea. Herausgegeben von 
R. Oberländer. Leipzig. Otto Spanier, 
1874. Mit zahlreichen Holzstichen and zwei 
Karten. 

Die nächste Veranlassung zu der Herausgabe 
dieses Buches war, wie der Verfasser in der Vor- 
rede sagt, die von der deutschen Gesellschaft zur 
Erforschung Innerafrikas ausgerüstete, an die West- 
küste Afrikas abgegangene Expedition. Das er- 
höhte Interesse, welches diese Regionen dadurch 
fürdas deutsche Publikum gewonnen haben, verlangte 
eine genaue geographische und ethnographische 
Schilderung der bisher erforschten Gegenden und 
der Verfasser, mit der einschlägigen Literatur wohl 
vertraut und durch nAhrahafte Forscher in seinen 



*) Todowars (v. Kl öden Geographie). 



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Referate. 



147 



Bemühungen unterstützt, ist dieser Forderung in 
vollem Maasse gerecht geworden. In einem in 
Aussicht gestellten Nachtrag sollen dann die Resul- 
tate der deutschen Expedition selbst mitgetheilt 
werden. Die Ausstattung ist, wie man es von der 
Verlagshandlung gewohnt ist, eine vortreffliche. 

E. 

7. Gent he, Ueber den etruskischen Tauschhandel 
nach dem Norden. Neue erweiterte Bearbeitung 
des im Archiv (Bd. VI, S. 237 u. ff.) abgedruck- 
ten Aufsatzes, mit einer archäologischen Fund- 
karte. Frankfurt a. M. 1874. 8®. 

8. F. Keller, Archäologische Karte der Ostschweiz. 
Zweite durchgesehene Auflage. Zürich, Wur- 
ster n. Comp., 1874. 8®. 

Diese Publikation des bekannten Entdeckers 
der Pfahlbauten bietet weit mehr als der Titel 
erwarten lässt. Es ist ein kleines Buch, das neben 
der trefflichen Karte eine sehr lehrreiche Text- 
beilage und zwei Tafeln enthält. Die er s ter * ent- 
hält einmal: 

I. Erläuterungen, d. i. die nothwendigen Er- 
klärungen zu den Zeichengruppen der Karte, die- 
selben sind in folgende Abschnitte gethcilt: 

Vorhistorische Zeit: 

A. Steinperiode. Pfahlbauten. Steindenk- 
mäler. Schalensteine. Steinzeitgräber. Steingeräthe 
in Torfmooren. Erdwerke. 

B. Bronze periode. Pfahlbauten, Bronze- 
zeitgräber« Bronzegerät he. 

II. Historische Zeit: 

C. Eisenperiode. Gallo - helvetische 
Zeit. Pfahl banten. Gallo-holvetische Gräber. Gallo- 
helvetische Gräber und Grabhügel. Etruskische 
Gräber. Gallische Münzen. Refugien. 

Rom ische Zeit. Grenzen. Castra. Castelle. 
Mansioues. Specolae. Tempel und Altäre. Amphi- 
theater. Ansiedlungen (Gebäude). Mosaikböden und 
Säulengänge. Orte wo Legionsziegel und wo 
römische W asserleitungen gefunden wurden. Gräber. 
Strassen , Meilen- und Leugensteine. Brücken. 
Inschriften. Münzschätze. Bildwerke von Bronze. 
Goldgeräthe. Landwehren. Schlachtfelder. Stein- 
brüche. Bergwerke. 

Alamannische Zeit. Al am annische Gräber. 
Betbauern. Hoideuhüttchen. 

Diese Erläuterungen Rind durch Illustrationen, 
die eine ziemlich grosse Tafel (Taf. II) füllen und 
auf welcher sich z. B. Abbildungen von Pfahlbauten, 
Hügelgräbern, Wartthünnen , Refugien , Schalen- 
steinen etc. Anden, noch mehr verdeutlicht. 

II. Weiter ist eine geographische Ueber- 
aicht beigegeben, die die auf der Karte verzeich- 
neten archäologischen Angaben für 14 Cantone 
unter Hinweisung auf die betreffende Literatur 
anfzählt. 



Die erste Tafel trägt die zwischen Augsburg, 
Strassburg, Resanfon , Genf, Aosta und Mailand 
in der Peutinger’schen Tafel und dem antoni- 
nischcn ltincrar genannten Stationen in zwei kleine 
Kärtchen ein. — 

Was endlich die Karte selbst betrifft, bo ist 
sie sehr übersichtlich nud Bcheint uns die auf der- 
selben getroffene Wahl der Zeichen im Allgemeinen 
sehr nachahmungswerth. E. 

9. Handelmann und Pansch, Moorleichen- 
funde in Schleswig-Holstein. Kiel 1873. 8®. 
Mit zwei photogr. Tafeln. 

Die Verfasser haben von dem vielfach besproche- 
nen, im Jahre 1871 gemachten Funde einer Leiche 
im Moore von Rendswühren ausgehend, auch die 
übrigen ähnlichen Funde im genannten Lande, so 
weit sie bekannt geworden, im Ganzen 14, zuRara- 
mengestellt und es hat dahei der erstgenannte Ver- 
fasser den archäologischou, der andere den anthro- 
pologischen Theil bearbeitet. Die Rendswührer 
männliche Leiche betreffend, so haben, wie seiner 
Zeit aus den Zeitungen bekannt geworden, zwei 
Gerichtsärzte in gänzlicher Verkennung des Zu- 
standes der Leiche und in übertriebenem Dienst- 
eifer es leider für angezeigt gehalten, eine gericht- 
liche Section vorzunehmen und dadurch die nach- 
folgende Untersuchung, insbesondere des Anthro- 
pologen sehr beeinträchtigt. Jedenfalls ergab aber 
diese, so wie die Beschaffenheit der Kleidungs- 
stücke, welche den Leichnam umgaben, das» die 
Zeit, in welcher derselbe noch den Lebenden an- 
gehörte, eine uns sehr fernliegende ist, und 
Aehnliches gilt auch für die übrigen Leichen, 
unter denen nicht wenige weibliche, so dass der 
Gedanke entstehen konnte, es seien die betreffenden 
Individuen — wie dies ja bei schmählichen Ver- 
brechen und für Ehebrecherinnen üblich war — 
zur Strafe in Sumpf und Moor versenkt worden. 
Eine genauere Zeitbestimmung ist vorderhand 
nicht möglich. 

10. Hartig, Ueber den Gebrauchs Wechsel als 
Bildungsgesetz für Werkzeugforcnen. (Separat - 
abdruck aus den Protokollen der 78. Haupt- 
versammlung des sächsischen Ingenieur- und 
Architektenvereins, anafährl. in d. allgem. 
Weltausstellungs-Zeitung 1873, Nr. 1 bis 4). 

Versuch einer natürlichen Entwickelungs- 
geschichte der Werkzeuge von ihren einfachsten 
Anfängen an. 

11. Völkerkunde von Oscar Peschel. Leip- 
zig 1874. 8°. 570 S. 

Wenn die Anthropologie heutigen Tags auch 
in Deutschland eine Modewissenschaft geworden 
ist und Schriften, welche den Namen dieser Wissen- 
schaft auf ihrem Titel führen, sich dadurch von 

19 * 



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148 



Referate. 



vorn herein einer beeondern Empfehlung erfreuen, 
so hat in der anthropologischen Literatur doch 
wohl selten ein Buch eine so günstige Aufnahme 
gefunden, wie das unter dem schlichten Titel 
„Völkerkunde“ erschienene Werk von 0* Peschol. 
Wir dürfen es dem Verfasser wohl glauben, wenn 
er in der Vorrede sagt, „dass ein Schriftsteller 
sich nicht leicht aus innerem Drange entechliesst, 
etwas zu veröffentlichen, was auch nur annähernd 
einem Handbuche gleicht.“ Wer die geistvollen, 
geographischen, geschichtlichen undculturgcschiclit- 
liehen Werke des Verfassers gelesen und sich nicht 
nur an dem anziehenden Inhalt, sondern auch an 
der anmuthigen und lebendigen DarstellungsweiBO, 
welche Peschel’s Schriften charakterisiron, er- 
freut hat, der wird von vornherein etwas anderes 
erwartet haben, als ein nach gewöhnlicher Weise 
verfasstes Handbuch. Der Verfasser hat in der 
That mit grossem Geschick die Aufgabe, der er 
Bich durch äussere Verhältnisse veranlasst, unter- 
zog, bo gelöst, dass er seiner ihm eigentümlichen 
schwangvollen Darstellungsweise treu bleibend, 
dennoch ein systematisches Buch über Völkerkunde 
geliefert hat, welches mit vollstem Recht auch auf 
den Titel eines Handbuches Anspruch machen darf. 

Pesch eis Völkerkunde besteht aus einer 
systematisch geordneten Anzahl von Abhandlungen, 
von denen einige schon früher als selbstständige 
Arbeiten erschienen sind; als Einleitung sind darin 
indessen auch die allgemeinen Fragen der Anthro- 
pologie über den Ursprung des Menschen mit 
Berücksichtigung der Darwinschen Lehre, sowie 
ein kurzer Abriss der Urgeschichte des Menschen 
mit eingeschlossen, so dass kein wichtiger Gegen- 
stand des ausgedehnten Gebietes der Anthropologie 
unberücksichtigt geblieben ist. Wenn diese Be- 
handlungsweise, die einzelnen Abschnitte als selbst- 
ständig abgeschlossene Abhandlungen zu geben, 
ihrer Natur nach den Leser mehr fesseln muss als 
eine blussc trockene systematische Zusammenstel- 
lung, so kommt dem Verfasser noch die seltene 
Gabe zu Gute, mit besonderer Klarheit und mit 
wenigen wolilgewählten Worten den wesentlichen 
Inbegriff und die Grundsätze der einzelnen Disci- 
plincn ho hinzustellen, dass auch derjenige Leser, 
der bisher jene vielleicht nur dem Namen nach 
kannte, dadurch einen klaren Einblick in dieselben 
erhält; es gilt dies namentlich von den Abschnitten 
über f'raniologie (die Körpermerkmale) und über 
vergleichende Sprachforschung (die Sprachmerk- 
male). Boi der leider nicht ganz seltenen Neigung 
einiger Gelehrten auf die ihrem Fachstudium fern- 
liegenden Disciplinen, bei mangelnder Einsicht in 
dieselben mit Geringschätzung herabzublicken, ist 
es wohl zu erwarten, dass durch die in diesem 
Buche jetzt so bequem gebotene Belehrung bei 
manchem von Jenen eine gerechtere Würdigung 



der einzelnen zur Anthropologie gehörigen Wissens- 
zweige Platz greifen werde. 

Die einzelnen Abschnitte des allgemeinen 
Theils, ja wir können fast sagen des ganzen 
Buches, gewinnen dadurch einen besonderen Werth, 
dass sich überall als leitender Gedanke die Beur- 
theilung der einzelnen Mensehenracen nach ihrem 
sittlichen Standpunkte hindurchzieht, und ge- 
wis&ormuas&en den Ausgangspunkt und das Ziel des 
ernststrebenden Cnltnrhistorikers bildet. Mit beson- 
derer Vorliebe scheint der Verfasser daher in dem 
grossen Abschnitt über geistige Entwickelung des 
Menschengeschlechts (die technischen, bürgerlichen 
und religiösen EutwiekelungBHtufen)denjenigenTheil 
behandelt zu haben, der die religiösen Regungen 
bei unentwickelten Völkern und die verschiedenen 
Religionslehren umfasst. Auch hier gilt wieder 
das oben in Bezug auf Klarheit und Kürze der 
Darstell ungsweiao Gesagte ; wir können dem Ver- 
fasser daher nicht dankbar genug sein, dass er 
uns hier mit den hochwichtigen Ergebnissen der 
neuesten Studien über die nichtchristlichen Reli- 
gionen bekannt macht. Einen besonders wohl- 
thuondon Eindruck macht es auf jeden unbefangenen 
Leser gerade in der Behandlung dieses Gegen- 
standes, der so oft mit schlecht angebrachtem 
Eifer besprochen wird, eine ruhige, völlig vorur- 
teilsfreie und rein objective Anschauungsweise 
zu finden. 

Auch in dem spcciellen Thcilo bildet die Ab- 
schätzung der bürgerlichen, sittlichen und geistigen 
Entwickelung der einzelnen Kacen, nach Peschol ’s 
eigenen Worten „eine unerlässliche Aufgabe der 
Völkerkunde“, den Schwerpunkt der ganzen Dar- 
stellung des Wesens derselben. Der Verfasser hat 
auch diese Aufgabe mit ganz besonderem Geschick 
gelöst, was um so weniger zu verwundern ist, da 
er, als ein Geograph ernten Ranges, die Reife der 
menschlichen Gesellschaft nicht nnr von ihren 
ßegubungeu abhängig macht, sondern auch die 
Abhängigkeit und Rückwirkung von der Gunst 
und Ungunst deB Wohnortes der Racen mit in 
Rechnung zieht. Andererseits begnügt er sich 
als Historiker nicht damit, nur den gegenwärtigen 
Standpunkt der Cnltur der verschiedenen Racen 
und ihrer Unterabtheilungen darzustellen, sondern 
er entrollt uns in anziehender Weise und immer 
in bündiger Kürze ein Bild der Culturentwickelung 
von der frühesten /eit bis in die Jetztzeit* 

Was dioGruppiruug and Classification des Men- 
schengeschlecht*?« in sogenannte Racen anbelangt, so 
verzichtet P esc hei von vornherein auf ein natür- 
liches allgemein befriedigendes Eintbeilnngsprincip; 
zu einem solchen fehlen uns noch zu sehr Detail- 
kenntnisse, sowohl der Körpcrmtirkmale als auch 
der sprachlichen Verhältnisse vieler Völkerstämme. 
Die Einteilungen anderer Ethnologen sind daher 
als mehr oder weniger gelungene Versuche zu 



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Heferate. 



149 



betrachten. Mit Rocht hobt Pesch el hervor, dass 
die Sprache allein nicht als Merkmal zur Classi- 
fication benutzt werden kann, weil sie kein dauern- 
des Merkmal ist. Nicht nur die Sprache selbst 
ist veränderlich, sondern es sind auch die Beispiele 
nicht selten, dass Volker eine andere Sprache an- 
nahmcn und nicht nor eine mit der eigenen nahe 
verwandte, sondern auch ganz anderen Sprachen- 
Systemen angehörige, wovon wir in Amerika die 
grossartigsten Beispiele bei den jetzt englischspre- 
chenden Negern der Vereinigten Staaten und bei 
den spanischsprechenden Indianern der spanischen 
Republiken sehen. 

Peschei stellt sieben Racen des Menschen- 
geschlechts auf. Kigenth Cimlich und neu ist seine 
Zusammenstellung und Vereinigung des malayischen 
Stammes, der mongolischen Völker und der ameri- 
kanischen Urbevölkerung zu einer gemeinsamen 
Raoe, der er den Namen Mo ngolonähn liehe 
Völker giebt. Wenn auch die Aehnlichkeit der 
gegenwärtig zu beiden Seiten der Behringstrasse 
wohnenden Völker nicht nachgewieseu ist, sondern 
im Gegentheil eine Anzahl sehr durchgreifender 
Verschiedenheiten hei den asiatischen Völkern und 
Eskimos beobachtet wurde, so ist die Ueberein- 
stimmung und Aehnlichkeit vieler körperlicher 
Merkmale bei der übrigen Urbevölkerung Amerikas 
und den oben genannten asiatischen Völkern so 
wenig wegzuleognec , dass die von Peschei vor- 
geschlageno Vereinigung sich gewiss den Beifall 
der Ethnologen erwerben wird. 

Ein so treffliches Buch wie die PeschePsche 
Völkerkunde wird unserer Ueberzeugung nach nicht 
nur dadurch forderlich für die Wissenschaft wirken, 
dass es sich durch die mannigfaltigen bereits er- 
wähnten Vorzüge einen grossen Leserkreis erwerben 
and der in Deutschland noch immer nich^ genug 
gepflegten Wissenschaft der Ethnologie eine grosse 
Zahl von Freunden zuführen wird, sondern wir 
können es mit Zuversicht aussprechen, dass dieses 
Buch in Znkunl't unseren wissenschaftlichen Reisen- 
den ein unentbehrlicher Führer und Begleiter sein 
wird, aus dem er im reichsten Maasse Belehrung 
und Anregung schöpfen kann. Es kann daher gewiss 
nicht fehlen, dass ethnologische Mittheilungen in 
den Reiseberichten der aus unbekannten Gegenden 
beimkehrenden Forscher künftig eine viel wich- 
tigere Stelle einnehmen und uns ein weit werth- 
volleres Material liefern werden, als es bisher oft. 
geschah. Wer es erfahren hat, wie mühselig es 
früher für den wissenschaftlichen Reisenden war, 
sich die nöthigen ethnologischen Kenntnisse über 
das von ihm zu durchforschende Gebiet zu ver- 
schaffen, wer da weise, wie mangelhaft ehemals 
das Bekannte angeordnet war und wie wenig die 
noch zu lösenden Fragen an grössere leitende 
Ideen angeknüpft waren, der muss jetzt denjenigen 
fast beneiden, der von Wissensdrang getrieben 



hinausziebt und durch das Studium dieses inhalt- 
reichen Buches über die Ausdehnung und Bedeu- 
tung seiner Aufgaben belehrt, den Weg, den er 
zur Erreichung seines Zieles einzuschlagen hat, 
sicher vorgezeiohnet findet. 

A. v. Frantzius. 

12. Bericht über Erscheinungen im Gebiete 
der Descendenzlehre vom Jahre 1873. 
a) Oscar Schmidt, Descendenzlehre uud Dar- 
winismus. Leipzig 1873. 8°. 308 Seiten und 
26 Abbildungen in Holzschnitt. 

Wie bekannt gehört der Verfasser zu 
den entschiedensten Bekennern und Vertheidigern 
nicht nur der Descendenztheorie , sondern auch 
der Selectiotislehre. Diesen seinen Standpunkt 
hebt er seihst in dem Vorwort scharf hervor mit 
den Worten Fechner’s, „es gilt in der That 
hier ein fundamentales Entweder, Oder“, es ist 
nicht thunlich, in der Mitte stehen zu bleiben, 
soudern man muss jetzt „Farbe bekennen - . In 
diesem Sinne ist das Buch durchgeführt, klar and 
consequent von Anfang bis Ende, sehr zu empfeh- 
len für Jeden, der sich in diesen Fragen orieutiren 
will. Die Darstellungsweise ist nicht streng histo- 
risch, giebt aber im Anschluss an die einzelnen zu 
besprechenden Fragen dennoch alle wesentlichen 
Phasen, welche die Descendenztheorie in ihrer 
Entwickelnng durchgemacht hat. So werden bei 
Gelegenheit des Artbegriffes die Ansichten Lin- 
ne’s, Cuvier’s nnd Agassiz's nebeneinander 
gestellt, später die Naturphilosophie eingehend 
besprochen. Schmidt stimmt hier nicht ganz mit 
Hackel überein, insofern er Goethe den Ruhm, 
die Descendenztheorie mit Lamark zum ersten 
Mal aufgestellt zu haben, bestreitet. Er erkennt 
ihn weder als „offenen Verkündiger“ noch auch 
als „einen gewis&ermaassen poetisch inspirirteu 
Propheten der Descendenzlehre“ an. NachSch m i dt’s 
Ansicht ist Goethe nicht bis zu der AnRchanung 
von der wirklichen Umwandlung einer Art in eine 
andere Art vorgedrungen, sondern bei dem Be- 
streben stehen geblieben , die verschiedenartigen 
Formen der Lehewelt durch Beziehung auf ein 
ideales „Urbild“ zu verstehen. Dieses selbst aber 
hat er sich nicht als je wirklich existirend vorge- 
stellt, sondern es war ihm nur daB Abstractum des 
Schema, „an welches sich die Natur in ihrem 
Schaffen zu halten hat“, doch hebt der Verfasser 
sehr gut hervor, wie Goethe trotzdem in hervor- 
ragender Weise diese Fragen gefördert habe, indem 
er nicht nur „tiefere Gedanken über die organische 
Natur hegte, als seine Zeitgenossen u , sondern auch 
sehr erhebliche Einzelentdeckungen machte. 

Kurz nnd sehr hübsch wird im VII. Capitel 
die Entwickelung der neueren Geologie geschildert, 
ans welcher mit Xothwendigkeit das Wiederauf- 
leben der Descendenztheorie hervorgehon musste. 



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150 



Referate. 



und das X. enthält eine lichtvolle 1 Erstellung 
der Thiergeographie hauptsächlich nach Rüti- 
meyor’s und Wallace’s bekannten Unter- 
suchungen. Im XI. Capitol folgt sodann der Ver- 
such, die Desccndenzthcorie praktisch auzuwenden 
auf eine einzelne Thiergruppe, d. h. einen Stamm- 
baum zu construiren und zwar für die Wirbel- 
thiere. Verfasser meint, und gewiss mit Recht, 
dass ein jeder solcher Versuch die Erkenntniss zu 
fordern im Stande sei, auch dann selbst, wenn 
„das Wahrscheinliche sich schliesslich als unwahr 
heraussteilen sollte “ und belegt dies durch ein 
Beispiel aas dem Gebiete moderner Sprachforschung. 
Das Buch schliesst mit einem Capitol über die 
Herkunft des Menschen, in welchem sich der Ver- 
fasser den Ansichten Darwin's, Hackel 1 s und 
auf dem Gebiete geistiger Entwickelung denen 
von äteinthul, Lazarus Geiger und Frie- 
drich Müller anschliesst. 

b) Charles Darwiu, „das Variireu der 
Thiere und Pflanzen im Zustande der 
Domestication. Deutsch von Victor Ca ras. 
2. Ausgabe. Stuttgart 1873. 8°. 2 B&nde. 

Das berühmte Buch des Verfassers liegt nun 
in zweiter deutscher Auflage vor. Im Wesentli- 
chen ist es, kleine Verbesserungen abgerechnet, 
unverändert geblieben, nicht nur, was das einer 
Vermehrung kaum noch bedürftige kolossale Ma- 
terial von Thatsachen anbelangt, sondern auch in 
Betreff der theoretischen Ansichten des Verfasser», 
welche derselbe gegen Ende des zweiten Bandes 
in seiner „provisorischen Hypothese der Pange- 
nesis“ zusammengefasst hat. Die Ausstattung des 
Werkes hat in dieser zweiten Auflage noch ge- 
wonnen. 

c) J. W. Spengel, „die Fortschritte des Darwi- 
nismus“. Coln und Leipzig 1874. 8®. 908. 

Das Buch enthält eine Besprechung der neue- 
sten Erscheinungen auf dem Gebiete der Ent- 
wickelungstheorie. Zuerst erwähnt der Verfasser 
die Untersuchungen L. Würtenberger’s über 
Ammoniten , sowie die grosse Monographie der 
Kalkschwümmc von Häckel. Dann folgen Go- 
lick’s interessante Beobachtungen über die Acba- 
tinellinen der Sandwichinseln , von welchen dort 
185 Species mit etwa 700 Varietäten bekannt sind mit 
reicher Ausbildung von verbindenden Zwischen- 
formen , nicht nur zwischen Arten, sondern zum 
Theil auch zwischen Gattungen. Es folgen dann 
zwei einzelne Beobachtungen von Potts über 
Umwandlung der Lebensgewohnheiten von Pflanzen 
und Thiuren. Verfasser geht sodann über zur Be- 
sprechung der Thatsachen, welche Licht uufden 
Stammbaum des Thierreichs werfen können, Kowa- 
lewsky und Kupffer mit ihrer Aacidienent- 



wickelung, St. George Mivart, „On thegenesis 
of species“ werden erwähnt. 

Es folgt eine Besprechung der neueren An- 
sichten über die Abstammung des Menschen. Die 
Ein würfe, welche Joachim Barrande aus den 
Fossilien des böhmischen Silurs gegen die Descen- 
deuztheorie abgeleitet hat, sowie diejenigen, welche 
Mivart zu begründen und Darwin in der 
neuesten Auflage der „Entstehung der Arten“ zu 
entkräften sucht«, werden erwähnt; die gegneri- 
schen Schriften von Kölliker, Askenasy, M. 
Waguer besprochen. 

Ausführlich referirt der Verfasser über die 
wcrthvolleu Untersuchungen Hermann Müllers 
„Anwendung der Darwinschen Lehre auf Bie- 
nen“, sowie über die von Riley in 8t. Louis über 
Anpassungen von Insekten an Blumen. Verfasser 
stellt darauf eine Anzahl neuer, in der Literatur 
zerstreuter Fälle von Mimicry in dankenswerter 
Weise zusammen. 

Schliesslich wird noch über die Schriften 
von Kölliker, Charlton, Bastian, Wigand, 
F i t z i n g e r und des Referenten berichtet. 
Freiburg i. Br. Weismann. 

13. Revue d’Anthropologie p. P. Broca (den 
Inhalt von Bd. I utidBd. II, Heft 1, a. Archiv 
VI, S. 160). Band II (1873) enthält folgende 
Originalarbeiten: 

Heft 2: 

Broca, Rech, sur la direction du trou occi pital et 
sur Ich anglcs occipitaux et basilaires. 
Bertrand, Celtes, Gaulois et Francs. Les Geltes. 
Topinard, du prognathisme facial superieur. 
Ronsselet, tableau de« ra^ee de l'Inde centrale. 
Prunieres, distribution des dolmens dans le 
depa^ti'inent de la Lozere. 

Ferner euthält das Heft eine Revue pre- 
historique von Cazalis de Fondouce. 

Heft 3 : 

Huiny, uouveaux renseignements sur les Indiens 
Jivaros. 

Chudzinski, contribution ä Tanatomie du negre. 
Sasse, sur l’indice nasal des eränes neerlandais. 
Bertrand, Geltes, Gaulois et Francs. 

Girard de Riallc, memoire sur l'Asie centrale. 
Roujou, les phenomönes et les terrains qnater- 
naires et postquaternairesdans le basem de la Seine. 
In einer revue critique werden von Dureau 
die neueren Arbeiten über die Charaktere des weib- 
lichen Schädels, von Hovelocque die „Celten der 
Linguistik“ besprochen. 

Heft 4: 

Broca, la ra$e celtique ancicnne et moderne 
(Arvernes et Armoricains, Auvergnats et Bas 
Bretous). 

Bertrand, Geltes, Gaulois et Francs. III. (Les Geltes 
et les Gaulois d'apres les fouilles.) 



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Referate. 



151 



Girard de Rialle, inem. sur l’Asie centrale (Schluss). 

Pinard, Esquimaux et Koloches, idees religieuses 
et traditions des Kaniagmioutes. 

Ferner: 

Fortsetzung der Revue prehistorique von Ca- 
zalis de Fondouce. 

Rand III, 1874, Heft 1: 

Lagneau, recherches ethnologiques Bur les popu- 
lations du Bassin de la Saöne. 

Chudzinski, nou vollen observations sur le Systeme 
mnsculaire du Negre. 

Girard de Rialle, leg peuplea del’Asie centrale. 

Moreno, deacription des cimetieres et paraderos 
prehistoriques de Patagonie. 

Faidherbe, quelques mota sur l'ethnologie de 
Parchipel canarien. 

Quatrefagea, revuo critiquo über die Moriori 
der Chataminsein und die Maori Neuseelands. 

Fortsetzung der Revue prehistorique von 

Cazftlia de Fondouce. 

Heft 4: 

Topinard, etude sur Pierre Camper et sur 
Pangle facial dit de Camper. 

Par rot, nouv. note sur la grotte de l’eglise a 
Excidenil (Dordogne). 

Hovelocque, »ept c raues Isigares. 

Meynier et Eichthal, note sur les tumuli des 
anciens habitants de la Siberie. 

Broca, les Akka, ra$e pygmee de TAfrique centrale. 

In der revue critiqne bespricht Broca die 

neuen Arbeiten Über die italische Ethnographie. 

Fortsetzung der Revue prehistorique von 

Cazalis de Fondouce. 



14. Archivio per l'antropologia e la etno- 
logia. Von Paolo Mautegazza. (s. Archiv 
IV, S. 340 und 370 und Archiv VI, S. 161). 

UL Band. Heft 2: 

La Neogencsi, Brief von Morselli an Mante- 
gazza. 

Mautegazza, due parole di risposta. 

Capellini, congresso internaz. etc. a Bruxelles 
1872. 

Cornalia, gli scheletri sant’ Ambrosiani scoperti 
nel 1^71 in Milano. 

Mantegazza, della capacita delle foase uasali e 
degli indici rinocefalico e cerebrofacciale nel 
cranio unmno. 

Zunnetti (Brief an Pigorini), dei vasi in terra 
cotta come criteri di cronologia. 

Regalia, sopra due femori preistorici creduti, di 
un macacns. 

Heft 3 und 4 : 

Panceri, lettera al Prof. Mantegazza (1. über 
Häufigkeit der Stirnnabt bei Araboaegyptern. 
2. Operationen an den Genitalien in Südafrika 
(mit Abb.). 3. über Bildungsfähigkeit der Neger). 

Lombroso, sulla statura degli Italiani. 

Puini, Nirvina. 

Morselli, alcone osservazioni sui crani siciliani 
del Museo Modenese. 

IV. Band, Heft 1: 

Mantegazza, dell’ espreesione del dolore. 

ßellucci, paleoetnologia doll' Umbria. 

Coppi, le valve dell’ unio nelle Terremare. 

Morselli, sopra un cranio scafoideo del Museo di 
Modena. 



n. Verhandlungen gelehrter Gesellschaften und Versammlungen. 



1. Association fran^aise pour l'avancem^nt 
des Sciences 1873. Congres de Lyon. 

Diese, derjenigen unserer Naturforscher und 
der british Association nachgebildete Wander Ver- 
sammlung, die im Jahre 1872 zum erstenmal und 
zwar in Bordeaux zusammentrat l ), versammelte 
sich im vorigen Jahre in Lyon. (Juatrefages 
hielt die Eröffnungsrede „über das Jahrhundert der 
Wissenschaft w und schloss mit den bezeichnenden 
und nicht misszuverstehenden Worten: Persevürons, 
et avec la patrie pour but, la soience pour 
moyen, le passe pour le^on, l'avenir pour esperance, 
n'oublions rien et travaillons. Die wichtigsten in 
der anthropologischen Section gemachten 
Mittheilungen sind die folgenden : Lagneau sprach 
über die Bevölkerungen des Beckens der Saöne 
und anderer Zuflösse der Rhone. Nach diesem 



l ) S. dieses Archiv, Band V, 8. 475. 



Forscher sollen in der vorhistorischen Zeit minde- 
stens drei verschiedene Racen in diesen Gegenden 
existirt haben, eine sehr alte dolichocephale mit 
niederer Stirn , starken arcua superciliares , eine 
brachycephale mit rundem Schädel, breitem und 
kurzem Gesicht und eine (minder) dolichocephale 
mit schmalem, orthognathen Gesicht. In histori- 
scher Zeit ist diese Gegend von vorzugsweise 
(nicht ausschliesslich) celtischen Völkern bewohnt, 
rnndköpfig, mit braunem Haar and von kleiner 
Statur, die von den G & 1 e n (gross, blond, dolicho- 
cephal) einem germanischen Stamm, zu dem auch 
die Burgunder gehören, verdrängt wurden. — An 
der daran sich knüpfenden Discussion betheiligten 
sich Broca, Hovelocque u. A. — Chauvet 
machte Mittheilungen über die Ansgrabang einer 
Höhle (grotte de la Gelie) in der Charente, die in 
der Nähe zweier Dolmen gelegen ist. Mortillet 
brachte wieder den „precurseur de 1’hommo“, den 
tertiären Menschen des Abbe Bourgeois aufs 



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152 



Referate. 



Tapet , von dem zuletzt nuf dem Congresa in 
Brüssel die Rede war 1 ). Die Frage, ob das Terrain, 
in dem die Kieselwerkzeuge gefunden wurden, ein 
unberührtes sei, hält Mortille t durch die Grabung 
der Brunnen für in bejahendem Sinn entschieden ; 
dass die Kiesel von Menschenhand bearbeitet Heien, 
hält Mortillet entgegen den Anschau ungen der 
Minorität der iu Brüssel erwählten Commission (bei 
der sich u. A. Steenstrup und Virchow be- 
fanden) aufrecht. Ala eine wichtige Stütze für 
seine Behauptung von der Existenz «ine** tertiären, 
vom heutigen specifisch verschiedenen mensch- 
lichen Wesens, eben dem sog. precurseur, führt 
Mortillet an, dass die mit der Formation, in wel- 
cher die Kiesel sich fanden gleichzeitigen Säuge- 
thiere von den heutigen so verschieden seien, dass 
die Geologen nicht nur verschiedene Species, son- 
dern sogar verschiedene Genera daraus machten 
und dass nicht wohl anzunehmen sei, dass Verände- 
rungen, welche diese Umwandlung der Sängethier- 
welt bedingten, allein am Menschen sollten spurlos 
vorübergegangen sein. — Für diese Ansicht führte 
dann Hovelocqne auch noch linguistische Gründe 
ins Feld. 

Eine Reihe interessanter Mittheilungen knüpfte 
sich an die am 23. August unternommene Exkur- 
sion nach der vorhistorischen Station von 
Solutre, bei welcher die Herren Arcelin und 
Dncrost die Führer machten. Bei der Discussion 
wurden auf den Vorschlag Broca’s vier Punkte 
aufgcstellt: 1) die Terrain Verhältnisse; 2) die 
Pferde; 3) die Kieselinstrumente; 4) die mensch- 
lichen Regte. Wir werden im Archiv, zugleich 
auch mit Rücksicht auf die denselben Gegenstand 
behandelnde Arbeit von Ducrost und L artet 
(etudes sur la Station prehistorique de Solutre, in 
den Archives du museum d'histoire naturelle de 
Lyon, I, 1872) ausführlicher auf diesen Gegen- 
stand zurückkommen. Ein weiterer Besuch galt 
dem merovingi8chcu Kirchhof von Unmasse, 
über welchen I)r. Gosse von Genf Bericht er- 
stattete. Lubac theilt die Resultate seiner Aus- 
grabung der Höhle von Neron zu Sayons mit. 
Zunächst der Oberfläche fanden sich Werkzeuge 
der neolithischen, weiter unten der paläolithischon 
Periode, von letzterer in zweierlei Schichten. Die 
Fauna besteht aus zweierlei wilden Pferden, das 
eine grösser als das von Solutre, das andere klein 
und dem schottischen Pony vergleichbar, dem 
Renthier, Ur und Wisent, Hirsch, Cervus 
megaceros, Reh, Steinbock, Hyäne, Höh- 
lenbär, Wolf, wildem Hund (?). Selten sind 
die Reste vom Mammuth, Felis spelaea und 
ganz besonders von Rhinoceros tichorhinns. — 
Gegen die Deutung eines Knochens (Unterkiefers) 



l ) S. dieses Archiv, Band VI, S. 235. 



als den eines Hundes, wurde Einsprache erhoben 
und derselbe (von Broca, Gaudry) für den eines 
Wolfes erklärt. — Ollier do Marichard legt 
eine archäologische Karte des Vivarais vor (die 
alte Landschaft Vivarais, das römische Ilelvia, ent- 
spricht ziemlich dem Departement der Ardeche. 
Red.). Die Dolmen nehmen den südlichen Theil 
des Gebiets ein. die vorhistorischen Höhlen öffnen 
sich nn den Ufern des Ardecheflusses und seiner 
Nebenflüsse. Höhlen und Dolmen aus der neolithi- 
schen Zeit; beide, wie auch die Tumuli finden sich 
fast ausschliesslich auf die Kalkformation beschränkt. 
— Prunieres (de Marvejols) referirt über seine 
zahlreichen und interessanten Untersuchungen der 
Dolmen in der I^ozere, deren Verbreitung er 
schon bei der vorigen Versammlung durch eine 
Karte illustrirt hatte. Prunieres sucht besonders 
den Umstand zu erklären, dass, wie bekannt, die 
Reste der Industrie nicht in allen die Gleichen 
sind, dass sich z. B. im Norden nur solche von 
Stein finden, während sich im Süden auch Bronze, 
Glos etc. und in denen Afrikas sogar Eisen findet. 
Prunieres findet in den ältesten Dolmen der Lo- 
zere nur Gegenstände von Stein und Knochen und 
schreibt die Errichtung dieser Denkmäler einer 
Raca der vormetallischen Zeit zu. Dieses Volk, 
das in einzelnen Gegenden nur vorübergehend ver- 
weilte und verschwand, ehe es die Metalle kennen 
lernte, wurde in anderen sesshaft und reicht durch 
seine Abkömmlinge zu den heutigen Bewohnern 
herab. Jahrhunderte lang fuhr es hier fort, seine 
Todten in die alten Grabstätten zu begraben und 
fügte dadurch zu den Steinwerkzeugen der ältesten 
Zeit successive solche von Bronze, Glas. Ja, meint 
Prunieres — und gewiss nicht mit Unrecht — 
weiter; in manchen isolirten Gegenden würde 
ohne die römische Occupation und das Christen - 
thum dies anch heute noch atattfinden. So erklären 
sich nach dem Verfasser einzelne Werkzeuge vor- 
geschrittener Industrie, welche er da und dort iu 
Dolmen der Löz^re fand, so das Vorkommen von 
eisernen Werkzeugen in denen Afrikas, so endlich 
die Verbote Carl’s des Grossen, die laichen in die 
heidnischen Grabstätten zu begraben. — Chantre 
legt eine archäologisch o Karte de» mittleren Laufes 
der Rböne vor, die, mit denen von Ollier und 
Prunieres, zeigt, dass die topographische Auf- 
nahme der vorhistorischen Stationen auch in Frank- 
reich mit Eifer betrieben wird. Es wird sich dadurch 
eine neue Aufgabe für den internationalen Congresa 
ergeben, die Uobereinkunft über die zu wählenden 
Zeichen auf den archäologischen Karten. — Car- 
tailhac machte den Schluss der Mittheilungen 
mit einem Vortrag über eine Dach seiner Meinung 
bestehende gross« Kluft, zwischen der paläolithischen 
und neolithischen Periode. Nach einer hieran sich 
knüpfenden Discussion, an der auch Broca, der 
sich gegen diese Anschauung aussprach, Theil 



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Referate 



153 



nahm, schloss clor letztere die Sitzungen der anthro- 
pologischen Section. 

Von den Vorträgen in den allgemeinen Sitzun- 
gen ist an dieser Stelle nur der von Berti 1 Ion 
über die population fran^nise (Mortalite u chaque 
age en France et en chaque departement, en ehaque 
mois de Pannen etc. et pari, com pa ree ii lit morta- 
lite du dop. du Rliöne) zu erwähnen. E. 

2. Versammlung der „British Association“ zu 
Bradford vom 17. bis 25. September 1S73. 

An Stelle des zum Vorsitzenden gewählten, 
aber durch Krankheit am Erscheinen verhinderten 
Dr. Joule, war der Vorsitz dem Professor der 
Chemie A. \V. Williamson übertragen, der in 
seiner Eröffnungsrede die dringende Xothwendig- 
keit einer systematischen und wissenschaftlichen 
V olksbild nng auseinandersetzt e. 

Der Vorsitzende der anthropologischen Section, 
Dr. Beddoe, eröffnet« die Sitzung mit einem Vor- 
trag über die Urgeschichte der Grafschaft York- 
shire und die Geschichte der ethnologischen Ele- 
mentoderjetzigen Bevölkerung und deren physischen 
Charakter. 

Die im Süden Englands so häufig nufgefun- 
denen Ueberreste aus der palüolit hi sehen Zeit 
fehlen dort fast gänzlich, dagegen ist die Zeit der 
polirteu Steinwerkzeuge daselbst sehr schön ver- 
traten und ganz besonders zahlreich finden sich in 
den Gräbern aus der späteren Zeit Bronzesachen. 

Ob die rnnden und die länglich eiförmigen 
Grabhügel zwei verschiedenen Racen augehören, 
ist noch nicht mit völliger Sicherheit entschieden. 
Man glaubt, dass ein Volk von kleiner Statur, mit 
laugen Schädeln das Altere gewesen sei, es begrub 
seine Todten in den eiförmigen Grabhügeln. Die 
spätere Race ist schlank, kurzsehädelig und begrub 
ihre Todten in den rnnden Hügeln mit Bronze- 
Leigaben. Von beiden Racen findet man auch in 
der jetzigen Bevölkerung die entsprechenden Typen. 
Beddoe wirft die Frage auf, ob die filtere Race 
etwa Iberier seien? die spätere hält er für keltisch, 
da es erwiesen sei, dass die Römer in Yorkshire 
Kelten (Brigantes und Parisii) antrafeu. Obgleich 
wahrend der römischen Zeit der Einfluss auf die 
( ultur ein sehr bedeutender gewesen ist, so war 
der ethnologische gewiss nur ein sehr geringer. 
Eine Vermischung mit der eingeborenen Bevölke- 
rung hat daher höchstens in einigen grösseren 
Städten stattgefnnden, woselbst eine zahlreiche 
römische Bevölkerung wohnte. Von der Eroberung 
durch die Angeln lässt sich wenig sagen, da der 
Typus derselben sich nicht von dem scandinavischeu 
unterscheidet. Dr. Beddoe ist dennoch geneigt, 
die sogenannten Dänengräber eher den englischen 
und friesischen Niederlassungen zuzuschreiben als 
denen der Dänen. Sehr bedeutend war der ethno- 
logische Einfluss, den die normännische Eroberung 

Archiv für Anthropologie. Bd VH. Heft 1 und 1 . 



auf die Bevölkerung von Yorkshire ausgeübt hat. 
In der gegenwärtigen Bevölkerung sind durch 
Professor Phillips drei von einander abweichende 
Typen unterschieden ; der erstere umfasst die 
schlanken, blauäugigem Menschen mit laugen Ge- 
sichtern und hellbraunen oder röthlichem Haar: 
der zweite die breiten, mit ovalem Gesicht, braunen 
oder grauen Augen und braunem oder röthlicheiu 
Haar; der dritte die kleinen Menschen mit runden 
Gesichtern, dunkeln Augen und sehr dunkeln meist 
schwarzem Haar. Den ersten dieser Typen betrach- 
tet Beddoe als den norwegischen, den zweiten 
als den englischen und den dritten als eine 
Mischung aus Iberiern, Britokelten, Römern, Bre- 
toneu und französischen Elementen. 

Da» im vergangenen Jahre erwählte Comitee 
hatte die Instructionen für Reisende nach den 
neuesten Anforderungen der Wissenschaft ans- 
gearbeitet. Von Col. Lane Fox wurden diese 
ausserst vollständigen, aus 100 Abschnitten be- 
stehenden Instructionen, die auf alle Details ein- 
gehen, die nur irgend für einen Anthropologen 
von Interesse sein können, der diesjährigen Ver- 
sammlung vorgelegt. 

„Die Schlange in ihren Beziehungen zur 
frühesten Bearbeitung der Metalle“ war der Ge- 
genstand eines Vortrags von Miss A. W. B u c k- 
1 a li d. Bei weitem die meisten Sagen von Schlaugen 
stellen diese als Hüterin verborgener .Schätze dar 
oder als Entdeckerin von edlen Metallen oder iu 
sonst einer Beziehung zu diesen. Alle Könige, 
Heroen nnd Götter, welche in Begleitung der 
Schlange auftrateu. ihre Form annahmen öder mit 
ihrem Symbol geschmückt sind, waren gewöhnlich 
mit gelieimnissvoller Macht über Reichthümcr, 
Ackerbau nnd atmosphärische Einflüsse begabt. 
Die ersten Stämme, welche die Schlange als ihr 
Emblem trugen, waren demnach die ersten Metall- 
arbeiter. Miss Buckland schreibt daher die Ent- 
deckung der Metallbearbeitung den Turuniern zu, 
denn die Arier uud Semiten, statt die Schlange zu 
verehren, sahen in ihr eine Verkörperung des 
Bösen. Diese Turanier verbreiteten sich vom Innern 
Asiens oder von Indien aus durch den übrigen 
Continent nach Afrika uud Europa, vielleicht er- 
reichten sie sogar Amerika. Sie belassen indessen 
nur die Kenntnis* das im reinen Zustande ange- 
troffene Gobi. Silber und Kupfer in beliebige For- 
men zu schmelzen. Miss Buckland ist daher 
geneigt, die Entdeckung der Gewinnung der ge- 
nannten Metalle aus den entsprechenden Erzen 
«len Ariern , als den Nachfolgern der frühesten 
Schlangen anbetenden Racen znzuschreiben. 

In einer ausserst überzeugenden Weise wies 
E. B. Tylor die gegenseitige Stellung der Sitt- 
lichkeit zur Religion und ihren beiderseitigen Zu- 
sammenhang nach. Er schilderte ihre ersten Er- 
scheinungen bei «leu rohesten Stämmen uud zeigte 
20 



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154 



Referate. 



wie das früheste sittenlose Rcligionssystcin sich zu 
einem sittlichen entwickelt hat l ). 

Mr. Hy de Clarke sprach über die ver- 
gleichende Chronologie der Einwanderungen de» 
Menschen nach Amerika in Beziehung zur verglei- 
chenden Philologie. Er behauptete, es existire 
keine ausschliesslich eingeborene Sprache, Gram- 
matik oiler Cultur in Amerika, dieselben stehen in 
einem Zusammenhang mit den Sprachen und der 
Cultur der alten Welt und daher nimmt er eine 
ursprüngliche Gemeinsamkeit der Kacen und der 
Civilisation an, deren weitere Entwickelung aber 
unterbrochen wurde. 

Unter der grossen Zahl der der diesjährigen 
Versammlung eingereichten ur geschichtlichen und 
archäologischen Abhandlungen, zeichnete sich be- 
sonders diejenige von Mr. Pengol ly über Kiesel- 
werkzeuge ans der Kenthükle aus. Der Ver- 
fasser hat schon seit 27 Jahren eine grosse Thätigkeit 
in der Untersuchung und Erforschung des Inhalts 
jener berühmten Höhle entwickelt; er weist in den 
tiefsten Schichten zwei ganz verschiedene Ablage- 
rungen nach. Die sogenannte Höhlenerde ent- 
halt ei-, lanzettförmige oder zungetiförmige Werk- 
zeuge, die aus Flintsplittern verfertigt sind, zugleich 
mit diesen fand man einige Harpunen, Nadeln und 
Ahle von Knochen, ln der allerunt ersten Ablage- 
rung, welche Breecie genannt wird, wurden nur 
wenige Werkzeuge und diese von weit primitiverer 
Art als die vorigen angetroffen. Sie bestanden 
aus natürlichen Kieselstücken und waren nicht 
künstlich bearbeitet; auch fanden sich keine 
Knockenwerkzcugo in der Breccie* Beide Ablage- 
rungen scheinen daher durch grosse Zeiträume von 
einander getrenut zu sein. 

Auch in diesem Jahre war bei der Versamm- 
lung eine grosse Zahl von ethnologischen Schriften 
eingegaugeu. Herr Wyatt Gill, der viele Jahre 
als Missionär auf der polynesischen Gruppe der 
Ilervey (Cooks) Inseln gelebt hatte, legte eine 
Anzahl sehr interessanter Gegenstände vor, die er 
daselbst gesammelt hatte, darunter auch eine — 
Seelenfullc. Wenn ein Eingeborener einen Zauberer 
beleidigt oder ein grosses Unrecht begangen hat, 
so schreitet Letzterer zur Anfertigung eines neuen 
Hinget« in seiner Kette. Diese wird uufgehilngt 
und, wenn zufällig ein Schmetterling oder ein kleiner 
Vogel durch den Hing fliegt, so verkündigt der Zau- 
berer, dass die Seele des Schuldigen in Gestalt jene» 
Thieres in die Falle gerathen sei, worauf die Freunde 
de« Schuldigen durch Geschenke den Mcdiziiimaim 
zu besänftigen suchen, damit er die Seele befreie; 
gelingt ihnen dies nicht, so stirbt der Seelenlose bald 
an Trübsinn oder einer sonstigen Seelenstörung. 
v. F r. 

*) Derselbe Gegenstand wurde von dem Vor- 
tragenden in »einem vortrefflichen grösseren Werke: 
„Die Anfänge der Cultur“, Leipzig 1673, behandelt. 



3. Societe d’ Ant hropologie de Paris (s. Ar- 
chiv, Band V, S. 474). 

Juli 1872. 

Broca, über die Richtung des For. raagnnm. 

Humy (Janneau), Anthropologie von Camhodga. 

Leborgne, über die Entvölkerung der Gambier- 
Inseln. 

Letourneau, Tsekelo, Fürst der Bammtoa. 

August 1872. 

Lag n cau, über den Ursprung der Berbern. 

Sa r non, über die Wanderungen der Pferde. 

B a t a i 1 1 a rd , über die Zigeuner Südeuropas. 

Berti Hon, mösologie (influemicc des milieux). 

L a g n e a u , über die celtischen Völker. 

October 1872. 

Bataillard (Fortsetzung der vorgenannten Ab- 
handlung). 

November 1872. | 

Faidherbe, über den künstlichen Prognnthismus 
der Maurinnen am Senegal. 

Roujou, über ethnologische Typen in Frankreich. 

Pinart, über die Koloschen (Alaska). 

Po/.zi , über Entfärbung der Haut des Negers 
unter klimatischen und pathologischen Einflüssen. 

Brulfert (resp. Quatrefages), über Ursprung 
und Schwinden der polynesischen Race. 

Daily, Über die Proportionen der Gliedmassen 
und ihr relatives Wachst linnis Verhältnis*. 

Hainy, die Negritos auf Formosa und im japani- 
schen Archipel. 

December 1872. 

Topin ard, über einen neuen Craniophor. 

Cazulis de Foudouce, über die vorhistorischen 
Begräbnisstätten in Südfrankreich. 

Broca, über den Einfluss der Erziehung auf 
Grösse und Form des Kopfes (ausführlicher in 
Revue scientifiquc 1873, I. S. 1132). 

Januar 1873. 

Jouvencel, Einfluss der Erziehung auf Volum 
und Form des Gehirns. 

Topin ard, über die verschiedenen Arten von 
Proguatkismus. 

Broca, die Horizontalebene des Kopfes nnd die 
trigonometrische Methode. 

Roujou, über das Haar eines Franzosen mit sehr 
länglichen) Querschnitt. 

Faidherbe, über die afrikanischen Dolmen. 

Berti llon, meaologie. (Forts., s. oben August 
1872.) 

Februar 1873. 

Broca, Tequerre flexible auriculaire — le gonio- 
metre auriculaire — quelques res ultat« de la 
determination trigonometrique de fangle alveolo 
condylien et de 1‘angle biorbitaire. 

Roy er, die Craniologie der quaternären Epoche. 

Leguay, über Gegenstände aus Hirschhorn, aus- 
gegraben in der Cito von Paris. , 



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Referate. 



155 



Topin ard, über den prognathisrae maxillaire 
superieur. 

Hroca, drei Schädel der Renthierzeit von Lan- 
ger ie- Rasse. 

März 1873. 

ßertrand, über dio Grösse der Hände in der 
Bronzezeit. 

Du re au, über ein im Eise gefundene« Mastodon. 

Uro ca, der Demi-goniometre facial. 

L a g n enn , über die Gelten. 

Bertram!, über Gelten und Gallier. 

Br oca, über die Leporideu (Bastarde von Hasen 
und Kaninchen). 

April 1873. 

Assezat, über die Colonisation von Algier. 

Martin, Chinesen und Miaotze. 

4. Memoires de laSociete d’Anthropologie 
de Paris. 2. Sörie. Tome I, fascic. 1. 

Per i er, des races dites herberes et de lenr eth- 
nogenie. 

Lopic, recherches sur la Institution des instniments 
en silex et en bronce des ages prehistoriques. 

Broca, sur la mensaration do la capacite du träne. 

5. Anthropological Institute of Great 
Britain andlreland. (S. Archiv Bd. VI, S. 162.) 

Sitzung vom 5. November 1872. 

Staniland Wake, Man and the Ape. 

Dunbar lleath, the Moabite Jars. 

C. Blake, on humain remains and other articles 
bronght froui Iceland by Capt. Burton. 

Jones, on some implements bearing murks refe- 
rable to Ownership, Tallies and Gambling from 
the caves of Dordogne. 

Gooper King, discovery of a Flint implenient 
Station in Wishmoor Bottom near Sandhurst. 

Sitzung vom 17. Deceniber 1872. 

Staniland Wake, the origin of serpent-worship. 

Godwin-Austen, on gar«» liill tribes, Bengal. 

Sitzung von» 6. Januar 1873. 

Jackson, the atlnnteau race of Western Europe. 

Shortt, the Kojahs of Southern India. 

Burton, the primordial inhahitants of Minna 
Gera es. 

Sitzung vom 4. Februar 1873. 

Distant, the inhnbitants of Car Nicobar. 

Cal der, some Account of the wars of exstirpation 
and habits of the native tribes of Tasmania. 

Sitzung von» 18. Februar 1873. 

Lubbock, note on the Macas Indians. 

Topley, relation of the parish boundaries iu the 
sonth-east of England to great pbysical featurea, 
partic. to the chalk escarpment. 

Sitzung vom 4. März 18 78» # 

Campbell, on the Looshaiv. 



Dnucan Gibb, stone iraplements and pottery 
from Cunada. 

Hoddes Westropp, on Yenthor flints. 

S i t z u n g v o in 1 8. M ä r z 1873. 

Harris, the concurrent contempornncous progre^s 
of renovution and Waste in auimated frames. 

Harris, theories regarding intellect and instinct. 

Sitzung vom 1. April 1873. 

Bnsk, remorks on a collection of 150 ancient 
peruvian skull» etc. 

Davis, on ancient peruvian sknlls. 

Price, on the peruvian pottery. 

Bnsk, human skull and fragments of the red Deer 
found at Birkdale. 

Sitzung vom 22. April 1873. 

Reid, religious belief of the Ojibois or Santenx 
Indians. 

Whitfield, rock inscriptions in llrazil. 

Atkinson, the danish ospect of the local nomen- 
cluture of Cleveland. 

Hutchings, congecration of the serpent as an 
etublem not an object of worship among the 
Druids. 

Sitzung vom 6. Mai 1873. 

Holland n. Frauke, Vorlage von Photograph» een 
und Gerätschaften von Ainos und von Japane- 
sischeu Darstellungen derselben. 

Distant. eastem Coolie labour. 

Ho worth, the westerly drifting of Nomodes. 
pt. X, the Alans or Lesghs. 

Sitzung vom 20. Mai 187 3. 

Desor (Brief an Lubbock mit Photographieen), 
on prehistoric objects found at Krasnojarsk 
on the Jeni Sei Siberia. 

Franks, Harrisou, Allport, Vorlage von 
Photographieen und Schädeln vom Caucasu*, 
von Tasmanien! und von der Osterinsel. 

H. Clarke, on the egyptian colony and lnnguage 
in the Caucasus etc. 

Sitzung vom 3. Juni 1873. 

Busk, note on a ready method of measuring the 
cubic capaeity of skulls (mit Taf. XI und XII). 

R o 1 1 e » t on , exhibition of bronce speara from the 
Cherwell. 

Franks, exhibition of Mw and Arrows ofModoc- 
lodians. 

D n n b h r H e a t h . on a mural inscription in large 
Samaritan characters fron» Gaza. 

Ho worth, etrietnres on Darwinism pt. II, the 
extinction of Type*. 

Sitzung vom 17. Juni 187 3. 

Busk. occurence of bronce swords iu the Isis. 

Waller, on bronce iraplements found in Kent. 

Price, on old pottery found near Colney llntch. 

Charlesworth, exhibition of a perforated sharks 
tooth from the Suffolk trag. 

Holland, ou the Ainus. 



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156 



Referate. 



Stow, account of cm interview with a tribe of 
Bushmans in S. Africa. 

Mackenzie, specimen» of native australian lan- 
gnages». 

S ho r 1 1 , a briet account of tliree microcepbales \ mit 
Taf. XV uu<l XVI). 

Du neun Gibb, on a Patoo-Patoo frora New- 
Zealand. 



Walter Gregor, the bealing art in tbe north 
of Scotland in the olden time. 

Carmichael, on a hypogeuw at Valacinie 1 of Uist. 

Bogu «cheffsky, note on heatheu ceremonies still 
praetised iu Livonia, Ku-sia. 

Ho worth. the westerly drifting of Nomade* from 
the Vth to the XIX*!» Century p. XI, the Bul- 
gariaus. 



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Taf. I 




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I 



Lüh * J • 



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Taf.ll. 





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Taf.m 




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VII. 



Mittheilungen über in friesischen Landen des Herzogthums 
Oldenburg vorkommende Alterthümer vorchristlicher Zeit. 

Von 

Fr. V. Alten in Oldenburg. 



1 . 

Die Kreisgruben in den Watten des Herzogthuins Oldenburg. 



Da manchen Lesern der nachstehenden Blatter, besonders in Süddcutschland, einige der darin 
vorkommenden Ausdrucke nicht geläufig sein dürften, so hat der Verfasser nachstehend eine Zu- 
sammenstellung und kurze Erklärung derselben versucht» 

Heb au stein. Steinernes Instrument zum Behauen von Steinworkzeugen. 

Bohl weg. Ein ans gespaltenen Bohlen (Holzplanken) und ähnlichem Material (Balken, Strauch) 
erbaute Strasse. 

Bollwerk. Ein Einbau in das Wasser mit fast senkrechter Wand, zum Anlegen der Schiffe 
geeignet. 

Darg. Unter den Marschen liegende Moorschicht. Eine Süsswnsserbildung, die sich nicht 
als Brennmaterial verwenden lässt. 

Deich. Ein Damm, welcher das dem Wasser abgewonnene Land vor Ucberfluthungcn 
schützt. 

Ebbespiegel. Niedrigster Wasserstand bei der Ebbe. 

Faste* Wall. Der Ausdruck der Schifferbevölkerting für festes Land. 

Feldstein. Ausdruck für Kiesel und solche Steine, welche den sogenannten Findlingen, dem 
Geröll der norddeutschen Ebene, angeboren. 

Gras-Soden. Viereckige' Rasenstücke, welche zum Einfassen oder zum Bedecken der Deich- 
dossirungen und zn ähnlichen Zwecken verwandt werden. 

Groden ist entweder umdeichtes, dem Wasser in neuerer Zeit abgewonnenes oder nicht ein* 
gedeichtes, jedoch nur von hohen Finthen überschwemmtes Land. 

Klei (Thonerde) Ut die Bauerde der Marschen. 

Klei-Soden ist dasselbe wie Gras-Soden, nur dass letztere sandigem, erstere dem Kleiboden 
der Marschen entnommen sind. 

20 • 



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158 Friedrich v. Alten, 

Marsch ist da» angcsehwemmtc Land der Meeresküsten und der Flüsse. Leute res wird auch 
Fluasmarsch genannt. 

Moor-Plaggen. Der Vegetationsdecke dea Mboree entnommene, ziemlich dünne und nicht 
ganz regelmässig geformte Moorstücke. 

Moor-Soden. An» der Vegetationsdecke des Moores gestochene, viereckige Moorstücke. 

Nabe. Derjenige Theil des Rades, in dem die Achse steht. 

Planke. Ein der LSnge eines Baumstammes nach abgesägtes oder gespaltenes Brett. 

Riff. An den Küsten der Nordsee versteht man darunter eine in der See befindliche Untiefe, 
welche bei der Ebbe nicht völlig frei von Wasser wird. 

Schienge. Ein Einbau von Pfählen und Busch (Faschinen) in da» Wasser zur Kegulirung 
der Strömlingen. 

Schlick. Der sich an den Küsten niederschlagende Schlamm, aus dem die Marschen ge- 
bildet sind. 

Schwellholz. Diejenigen Balken, auf denen der Oberbau ruht. 

Sieb Schleuse, die mit Thüren versehene OcfFnung in den Deichen, zur Abführung des 
Wasser» aus dem Lande oder auch zur Durchfahrt mit Schiffen. 

Sieltief. Der Canal, der das Wasser unmittelbar durch das Siel führt. 

Soden. Abgestochene Scholle, deren Vegetationsdecke von Grasland oder Moor. 

Tief. Canal, welcher da» Wasser aus dem Lande ableitct; besonder» derjenige Theil, welcher 
vor dem Siel nach der See hinfflhrt. Anssentief geheissen. 

Warf siehe Wurth. 

Warp dito. 

Watt. Ausserhalb des Deiches bclcgcne Landstrecken, welche von jeder Flnth überströmt 
werden und nicht mit einer Rasendecke überzogen sind. 

Wurp siche Wurth. 

Wurth. Ein vor dor Eindeichung der Marschen aufgeworfener Hügel, um »ich und die Habe 
vor der Fluth zu sichern. 



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Die Kreis-Gruben in den Watten des Herzogthums Oldenburg. 



159 



Die Kreisgruben. 

Ehe ich mit dem materiellen Theile der Beschreibung der Ausgrabungen in den Watten be- 
ginne, sei es mir gestattet, einige Worte über die Marschen und Watten der Nordaeeküsten vor- 
auszuschicken, um den Leser, welcher nicht das Glück gehabt, die Musik der Wogen zu gemessen, 
der nicht den tief düsteren, wehmütliigen Eindruck der Wattenmeere gehabt, ein flüchtiges Bild der 
Gegend, wohin ich ihn bitte mich zu begleiten, zu entwerfen. Es würde zu weit fuhren, wollte ich 
mich mit der Entstehungsgeschichte der Marschen beschäftigen; ich möchte in dieser Beziehung auf 
Griesebach, Ubbelohde, Arens und das vor Kurzem erschienene verdienstvolle Werk des 
Professors Prestel in Emden verweisen. Ans allen diesen Darstellungen gewinnen wir dieUeber- 
zengung: 

1. dass Moore, welche jetzt als Darg von Jütland bis Holland die Unterlagen der Marschen, 
manchmal in wechselnden Schichten, bilden, in vorgeschichtlicher Zeit bis an die Küsten reichten; 

2. dass die Küsten der Nordsee seit vorgeschichtlicher Zeit im Sinken begriffen sind, wie das 
Vorkommen von kalkhaltigen Organismen und Infusorien der Nordsee in dem tief unter der 
Marsch gefundenen Darg zu zeigen geeignet ist; 

3. dass in Folge dieses Sinkens das Meer die Küsten vielfach überströmte, nnd der Schlamm, 
welchen Ströme und Strömungen den Küsten zutTihrten, da niedergeschlagen wird, wo Strom und 
Gegenströmung oder andere Ursachen Ruhe eintreten lassen; hier und da wird auch die Meinung 
aufgestellt, dass die Berührung von Süss- und Salzwasser die raschere Verdichtung der in dem 
Wasser aufgelösten festen BestandtheUe begünstige; 

4. dass di« Marschen zu Zeiten der Römer schon vorhanden waren. 

Was die Beschaffenheit des Niederschlages an den Küsten, Schlick genannt, angeht, so ist 
kein Zweifel, dass eine grosse Masse durch die Flüsse in das Meer geführt wird, aber auch das 
Meer bringt diesen Schlamm mit, ja bildet denselben zum Theil selbst, wie die Untersuchungen 
Ehrenberg’s undPrestePs ergeben haben. Ersterer sagt hierüber: „Die mikroskopische Unter- 
suchung hat wiederholt ergeben, dass in allen Theilen des Schlicks ans der Elbe, Jahde, Ems und 
Schelde sich Formen von kieselschaaligen Seethieren Anden, nnd zwar, ganz abgesehen von allem 
Organischen, welches durch Umwandlung nach dem Tode unkenntlich geworden sein mag und 
sein muss, in einem noch abzuschätzenden Mischungsverhältnis« von organischen, marinen, vor- 
zugsweise festen Bestandteilen , welche wohl nicht unter Vw de* Volumens angenommen werden 
können, wenn anch eine scharfe Berechnung nicht möglich“. 

Sobald nun diese im Wasser fein aufgelösten Bestandteile in Folge von Ruhe Gelegenheit 
haben , sieb niederzuschlagen , so lagern sie sich auf dem Boden ab , nach und nach erhöhen sich 



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160 



Friedrich v. Alten, 



diese Ablagerungen, es siedeln sieh Salzwosserpflanzcn ad, welche vermöge ihrer Structur besonders 
geeignet, den feinen Schlick beim Abfliessen der Ebbe aufzufangen, so dass die Ablagerung schon da- 
durch wesentlich gefördert wird, welcher dann der Mensch durch Anlage von kleinen Gräben und 
niedrigen Verzäunungen noch zu Hülfe kommt. Haid pflegt sich dann eine zweite Vegetations- 
decke zu bilden, welche aber noch den Salzgowächsen angehört; sobald Auch diese in Folge der 
fortwährenden Erhöhung des An wachse«, der Trockenheit erliegen, tritt die dritte Begrünung ein, 
welche den SüsBwasserpflanzen zumeist an gehört; lohnt es sich der Kosten , so wird ein ao gewon- 
nenes Areal, welches bald Polder, bald Groden genannt wird, mit Deichen umzogen und so selbst 
vor den höchsten Finthen geschützt In wenigen Jahren verschwindet der Salzgehalt des Hodens 
und wird so fruchtbar, dass er lange Jahre des Düngers nicht bedarf. Die allgemeine Annahme 
geht nun dahin, dass unsere Küsten zwar noch im Sinken sind, aber der durch dieses Sinken her- 
beigefuhrte oder begünstigte Landverlust vielfach durch Anschwemmungen ausgeglichen wird. Inwie- 
fern das Sinken die entsetzlichen Verwüstungen , welche in historischer Zeit grosse Wasserfluthen 
über die Marschländer brachten, beförderte, mag dahingestellt sein ; uns muss es für den Augenblick 
genügen, zu wissen, dass unsere ganze Nordseeküste von dem nagenden Meere weit zurückgedrängt 
ist, ja dass weitaus der grösste Theil der Marschen längst wieder von der „Balzen" Fluth über- 
strömt sein würde und der Kiel vermuthlich schon wieder da die Wellen pflügte, wo jetzt die 
Schaar des Pfluges die fetten Schollen umlegt, wenn nicht der Mensch jene bitteren Finthen mit dem 
ganzen Scharfsinn seines Verstandes und der urkräftigen Faust des Friesen bekämpfte. Trotz 
dieses unausgesetzten Kampfe« ist es aber noch lange nicht gelungen , all’ die Schätze an reichen 
Fluren wiederzugewinnen , welche das heimtückische Element dem Menschen nahm; dazu gehören 
noch viele Jahrhunderte und wer weiss, wer Sieger in diesem Kampfe bleibt, die elementare Ge- 
walt oder des Menschen Wille! Diese in vorgeschichtlicher und geschichtlicher Zeit unter- 
gegangenen Landstriche, jetzt Watten genannt, erstrecken sich von der Westküste Jütlands bis 
fast gegen den atlantischen Oceau. Was ihre Ausdehnung betrifft, so mag liier nur bemerkt 
werden, dass die Watten des Herzogthums Schleswig allein auf 52 Dm geschätzt werden. Ueber 
die gegenwärtige Beschaffenheit dieser Hulbmeere möchte ich, soweit es mir erforderlich scheint, 
ein paar Worte cinfögen, und zwar hauptsächlich, um anzudeuten, mit welch* unmessbaren Schwierig- 
keiten eine Durchforschung derselben vom Standpunkte deB Altertumsforschers aus verbunden 
ist Man kann dieses täglich von der Fluth zweimal überströmte Gestade füglich in zwei Zonen 
theilen. Erstlich die feste nnd zweitens die weiche. Diese letztere ist es, mit der wir es vorzugs- 
weise zu thun haben; Bie zerfällt in zwei Unterabtheilungen, und zwar in solche des Anwachsen 
und solche des Abbruches. Was zunäclist das feste Watt angeln, so ist es meistens Klei, von 
Sand überdeckt Eine Untersuchung dieser endlosen Flächen in alterthümlicher Hinsicht ist so 
gut wie hoffnungslos, weil der Sand alle Spuren menschlicher Cultur überdeckt und ebnet, nur wenn 
heftige Stürme, besonders östliche, diese überdeckten ehemaligen Eilande abschälen und den Klei 
wieder an das Tageslicht fördern, erscheinen die alten Cultnrzeichen, wie weiter unten einige Beispiele 
zeigen werden, bis andere Winde und Strömungen den Sand wieder über diese Spuren legen, der 
von Neuem Alles in die trostloseste Einöde versenkt Noch weit schwieriger und hoffnungsloser ist 
die Untersuchung der im Anwachs begriffenen Küstenstriche, einestheils, weil dort durch den fort- 
währenden Schlickniederschlag Alles bedeckt wird, anderenteils, weil dieser Schlick von breiartiger 
Weichheit ein Fortkommen nur sehr schwer und nicht ohne Gefahren gestattet; Gefahren, welche. 



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Die Kreisgraben in den Watten des Herzogthums Oldenburg. 161 

wenn auch nicht in gleichem Maasse, mit den Untersuchungen der in Abspülnng, Abbruch oder 
Abschälung begriffenen Flächen gleichfalls verbunden sind. Diese letzteren bieten auch noch 
andere Schwierigkeiten, von denen ich zunächst des steigenden Wassers gedenken muss. Da die 
zu untersuchenden Oertliclikeiten naturgemäss da am leichtesten zu Tage treten, wo die Ab- 
schälung am meisten vorgeschritten ist — also nahe dem Punkte des niedrigsten Wasserstandes 
zur Ebbezeit, so folgt daraus von selbst, dass die Untersuchung auf wenige Stunden beschränkt ist, 
weil das rasch steigende Wasser sehr ernst zur Umkehr mahnt; denn es ist nicht leioht, sich in 
dem tiefen Schlick, in welchen man bei jedem Sohritt fast bis zum Knie einsinkt, zu bewegen. 
Diese im Abbruch liegenden Watten unterscheiden sich auch darin von dem Festen und im An- 
wachs Liegenden, dass sie weit unebener und von vielen Waaacrrillen, meist mit steilen Ufern, durch- 
zogen sind; diese zwingen zu grossen Umwegen, denn e« ist sehr gewagt, sie zu überspringen. 
Das Watt, besonders das im Abbruch liegende, ist verrätherisch ; man meint festen Fuss ge- 
winnen zu können, aber statt dessen sinkt man unergründlich ein. — Habe ich es doch erlebt, 
dass mein wahrlich nicht ängstlicher Begleiter — ein alter, harter Jägersmann — vor Ermattung fast 
umsank. Diese Ungleichheit der Festigkeit des Grundes erschwert das Fortkommen doppelt und 
mahnt aufs Acusserste , stets das Plätzchen, wohin der nächste Schritt gesetzt werden soll , zuvor 
mit vorgeBtrecktem Stabe zu untersuchen; — deshalb ist es auch so bedenklich, jene erwähnten 
Rillen zu überspringen. Die ungleicho Festigkeit des Grundes findet ihre Erklärung wohl haupt- 
sächlich in dem Umstande, dass die Wellen vielfach Löcher und Rillen in den festeren Untergrund 
reissen, und diese dann iur kurz oder lang gelegentlich wieder mit Schlick angefüllt werden. 
Man stelle sich eine meilenweit« Fläche vor, unterbrochen von den Hügelchon der Röhrenwürmer, 
Muschelhäufchen, an denen sich hie und da ein Büscbelchen Seetang angesiedelt hat, überströmt 
mit rieselndem Seewasser; kein Plätzchen, um sich ruhend niederlassen zu können; kaum dass et 
gelingt, ein paar Schaufeln Erde zusammenzubringen, um den sehr erforderlichen, wohlgefüllton 
Frübstückskorb trocken hinstellen zu können, dabei die heisse Sonne über dem Haupte, das Auge ge- 
blendet durch Reflex auf den glänzenden Schlick ; — das ist so ungefähr ein Bild des Schlickwattes, 
dessen todte Einöden höchstens von dem Gekrächze sich klüglich in weiter Ferne haltender Scevögel 
belebt wird. Der Schlick selbst aber droht nicht allein fast bei jedem Schritte, uns der langen, be- 
sonders auch wegen der scharfen Muscheln erforderlichen, dicken Stiefel zu berauben, sondern be- 
reitet uns auch, wenn wir glücklich auf dem Arbeitsfelde angelangt, um mit dem Spaten die Ar- 
beit zu beginnen, die grössten Schwierigkeiten. Arbeiten im Sande sind eine wahre Wohlthat 
gegen diese im fliessenden oder zähen Schlick, von dem Alles dicht bis zur Unkenntlichkeit um- 
schlossen ist, so dass Nichts übrig bleibt, als den ausgeworfenen Schlamm mit den Händen dureb- 
zukneten , jeden noch so unbedeutend erscheinenden Gegenstand in einer Lache abzuspülen, um 
ihn in den meisten Fällen unbefriedigt fortzuschleudern. Ist man so glücklich, wie wir es waren, 
bcachtengwerthe Ueberreste längst vergangener Zeiten zu finden, dann entsteht die Frage, wie sie 
retten vor der Fluth? Schwer beladen mit dem Arbeitszeug, mit Schlamm gefüllten Urnen (denn 
an eine Untersuchung des Inhaltes ist an Ort und Stelle nicht zu denken), mit wuchtigen Hölzern 
oder unendlich leicht zerstörbarem Korbgeflecbt, mit gebrechlichen, in Darg cingeschlossenen 
Eierschalen , schwammigen Holztbeilohen , Steinen , Scherben und Kohlenstücken , keucht der Ar- 
beiter und der Forscher, gefolgt von der steigenden Fluth, auf grossen Umwegen, durch den knie- 
tiefen, sich schwer nnd innig anschmiegenden Schlick dem , faste Wall“ zu — ; hat er ihn glücklich 

Archiv (Sr Aathrapslefta. M. VII. H.ft I. 21 



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162 



Friedrich v. Alten, 



erreicht, so sinkt er in Schweiss gebadet in das weiche Gras, überschaut noch einmal das bereits 
wieder unter Wasser stehende Arbeitsfeld, sucht sich des zähen Schlickes zu entledigen, und kehrt 
in das freundliche Gasthaus binnen Deichs herzlich müde zurück. Dort aber lässt es ihm keine 
Ruhe; gar bald sehen wir ihn in grossen Waaserkübeln die Fundstücke reinigen und nochmals 
mit Hand und Loupe untersuchen, und erst damit ist seine Tagesarbeit vollendet. 

Das ist ein flüchtiges Bild des schlicklaufenden Alterthümlers. Es liegt nahe zu sagen, 
warum wird die Untersuchung nicht im Boot vorgenommen? Die Schwierigkeiten, ja auch Gefahren 
nnd besonders der Zeitaufwand sind so wesentlich, dass eine solche fast ausgeschlossen ist. Man 
ziehe nur Wind und Wetter in Betracht, ferner dass man in die sogenannte Sieltiefe, selbst mit 
dem kleinsten Boote, nur zu der bekanntlich veränderlichen Fluthzeit einlaufen kann. Erst wenn 
Alles, Wind und Wetter, günstige Fluth und Ebbeceit, auf das Glücklichste zusammen trifft, erst 
dann könnte davon die ltede sein; und wann ist in unserem wechselvollen Klima daran zu 
denken! 

Nachdem ich versucht habe, dem mit den Verhältnissen unserer Watten nicht vertrauten Leser 
durch dag Vorstehende einigermaassen eine Vorstellung zu geben, wende ich mich jetzt zu meiner 
eigentlichen Aufgabe. 

Das Vorhandensein eigentümlicher Kreisringe in den Watten, das Vorkommen von Urnen 
in denselben, wenigstens von zahlreichen Scherben, war lange bekannt, ehe es gelang, eine nähere 
Untersuchung dieser Kreise, vor 50 Jahren Brunnengräber geheisBen, vornehmen zu können; erst 
imSommer 1872 vermochte derVerfasser dieser Blätter eine solche, begleitet und wesentlich unter- 
stützt durch den Inspector des Grossherzoglichen Naturaliencabinets , Herrn Wiepken, durclizu- 
führen. 

Die mir bekannte älteste Nachricht, welche über die erwähnten Kreise auf uns gekommen, 
ist die des Pastors Nicolai von Borkum um 1789. Dieser bemerkte damals auf dem Borkumer- 
Bif, westnordwärte vom Borkumer Thurm, ein Feld von Kleiboden, welches durch anhaltenden 
heftigen Ostwind trocken gelegt war; der Pfarrer untersuchte dies Feld, welches er für einen alten 
Warf hielt, und fand dort 9 Brunnen, darunter 3 Tonnenbrunnen , in gerader Linie, doch in ziem- 
lichem Abstand von einander. Die sechs übrigen waren von Basen zierlich aufgesetzt; noch bei 
diesen in Westen befand sich ein grosser runder Hatz, 90 Fuss im Durchmesser, welcher aus einer 
doppelten Reihe von Basen sehr zierlich zusammengesetzt war. An der östlichen Seite dieses 
Platzes fand sich gleichfalls ein Brunnen von Kleirasen. Sowohl innerhalb als ausserhalb des 
Rasenzirkels fanden sich viele Stücke von zerbrochenen Urnen, sowie sehr zahlreiche Beste von 
Schafen, besonders deren Schädel, aufgehäuft. In geringer Entfernung davon wurden noch zwei 
kleinere vollkommen runde Basenplätze, von etwa 40 Fuss Durchmesser, bemerkt und seitwärts 
von denselben nach Norden ein langer zugeschlämmter Graben, beinahe 50 Fuss breit. Der mit 
Hülfe des Schulmeisters angcstellte Versuch, vollständige Urneu zu erhalten, schlug, trotz allen 
Grabens, fehl, bis nach einem halben Jahre die Wellen Alles wieder bedeckt hatten, und damit 
eine weitere Untersuchung unmöglich wurde. Auch südwärts von Borkum, am Ufer der Wester- 
Ems wurden 1815 Spuren von Kuhställen und Brunnen gefunden. Auch der bekannte Forscher, 
Amtssecretair Rose fand in Ostfriesland und Ilarlingerland meistens auf den hohen Sandrücken 
ähnliche Kreise von 10 bis 20 Fubb Durchmesser; bei Ausgrabungen kamen Keile, Hämmer, 
Messer, Pfeilspitzen und dergleichen von Stein zu Tage, auch Pfriemen von Knochen, Schaalen 



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Die Kreisgruben in den Watten des Herzogthums Oldenburg. 163 

von Hülsenfrüchten, Eicheln, verkohltes Stroh und viele Kohlenreste fanden sich. (S. Müller’« 
Zeitschrift für deutsche Cult Urgeschichte, wo auch auf Verwandtes in anderen Gegenden hinge« 
wiesen wird). 1855 entdeckte der Pfarrer Sohmedes zu Wangerooge, nachdem die grosse Sturrn- 
fluth einen sehr bedeutenden Tkeil der Inael verwüstet hatte, 8 bis 25 Fuss unter der bisherigen 
Oberfläche und den fortgerissenen Dünen-Brunnen, von Kleisoden aufgesetzt, sowie Tonnenbrunnen *), 
Grundmauern und Marschweiden, in denen noch Tausende der Spuren von Rindviehheerden deut- 
lich zu sehen waren. 

Aehnliches ist 1866 auch auf dem Nord weststrandc der Insel Langeroog bemerkt worden, dort 
fanden sich sogar eiserne Instrumente, deren Beschaffenheit uns ebensowenig über das geringe 
Alter dieser Dinge in Zweifel lassen kann, wie die Tonnenbrunnen Wangerooges, auf denen noch 
die Fassmarken sichtbar eingerissen. In neuester Zeit fanden sich gleiche Dinge auf Sylt bei 
Keitum, worüber ich der Güte des Herrn Professor Handclmann in Kiel nachstehendes, ihm von 
Herrn C. P. Hansen mitgetheiltes Schreiben verdanke: „Während des letztverflossenen Herbstes 

(1872) ist durch die fast fortdauernden südlichen Luft- und Meeresströmungen an dem Strande südlich 
von WeBterland ein grosser Theil des alten Grundes, worauf weiland Eidum gestanden, blossgelegt 
und sind nicht wenige alte Staven- und Brunnenplätze, Gartenwälle, Wege mit Wagenspuren und 
Pferdefusstapfen sichtbar geworden, über welche alle die dortigen Dünen hinweggescbritten sind 
im Laufe der letzten vier Jahrhunderte. Einige der aus Kleisoden gebauten Brunnen ragten 
3 bis 4 Fuss aus dem Wasser und Untergründe hervor und waren zum Theil noch mit hölzernen 
Kähmen versehen, die durch spitzgemachte Pfähle mit den Kleisoden befestigt waren. Ich skiz- 
zirte einen derselben, welcher sehr sorgfältig gemacht war (und noch sichtbar ist); er maass oben 
im äusseren Durchmesser 4 1 /« Fuss, die Oeffnung P/4 Fubb ragte 3 Fuss hervor. Im Juli dieses 
Jahre« war längst von alledem nichts mehr zu sehen. 41 

Bemerkens weither erscheint die Beobachtung des Pfarrers Nicolai schon deshalb, weil dadurch 
fast völlig nachgewiesen, dasB jenes Riff, dessen südwestlicher Strand jetzt 16 500 Fuss vom Leucht- 
thurm zu Borkum entfernt ist, einst wirklich einen Theil der Insel ausmachte; bemerkenswerth ist 
ferner, dass, wie es scheint, keinerlei Reste von Mauern oder Instrumenten gefunden sind, wohin- 
gegen die Tonnenbrunnen wieder sehr zur Vorsicht mahnen. Um die Bedeutung jener Entdeckung des 
Pfarrers Nicolai näher zu ergründen, besuchte ich im laufenden Sommer die InBel, durchsuchte 
die Kirchenbücher, in welchen gerade Nicolai so manche von seinem frischen Geiste zeugende 
Bemerkung gemacht, fand aber leider Nichts über den beregten Gegenstand, ebensowenig konnte 
ich von den ältesten Leuten irgend Etwas erfahren; allgemein wurde gesagt, dass das Riff gegen- 
wärtig nur an einem einzigen Punkte von geringer Ausdehnung bei Behr anhaltendem Ostwinde 
trocken laufe, doch sei dann Nichts von den obenerwähnten Dingen zu bemerken. Es scheint 
daher, dasB das Riff weiter abgespült und somit auch wohl jene letzten Spuren einer früheren 
Cultur von den Wellen verschlungen sind. 

Ehe ich zu der näheren Beschreibung der an den Küsten Oldenburgs ausgegrabenen brunnen- 
artigen Vertiefungen übergehe, sei es mir gestattet, einige zu erwähnen, welche früher beobachtet sind. 
In geographischer Reihenfolge geschah dies zunächst östlich von Wilhelmshafen, dem sogenannten 



*) 0. v. Las ins. Wangeroog and Mine Seezeichen, 
zu Hannover 1867, S. 168. 



Zeitschrift des Architekten- und Ingenieurverein« 
21 • 



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164 



Friedrich v. Alten, 



Dauensfelde, ferner westlich des Kriegsbafens in der Kühe vom Bandter Kirchhofe, da, wo ver- 
muthlich das uralte Bandt, 1511 bis 20 untergegangen, gestanden. Dort, berichtet Strackerjan 
1825, waren Spuren von einem viereckigen, mit einer doppelten Reihe von Soden eingefassten 
Platte, nicht fern davon sah man eine runde Einfassung, in der eich Scherben fanden, deren Ur- 
sprung Strackerjan indess nicht auf AschenkrQge, sondern auf Kochtöpfe zurüekgefülirt wissen 
will. Diese Beobachtung des um die oldenburgieche Localgeschichte so hochverdienten Amtmanns 
Strackerjan leitete meine Aufmerksamkeit auch anf die nördliche Küste der Jahde, doch konnte 
erst im Juli 1873 eine Untersuchung auf dieser Küste nebst der östlichen des Jeverlandes ermög- 
licht werden. Die Begehung des Wattes begann nicht fern von Mariensiel (siehe die Karte) in 
östlicher Richtung. Des tiefen Schlickes wegen war dieser Weg höchst beschwerlich und ohne 
Resultat, bis die Gegend von Bandt erreicht wurde; hier fand ich genau der Klostermann’schen 
Stelle gegenüber da wo die Steindossirung beginnt, eine Ansiedelung, dereu Grundriss (Fig. 1) 
zeigt. Sowohl die kleineren Kreise, als die gössern sind direct in den Darg (Moor) eingegraben 
und mit Soden umfasst. 

Die erste dieser kreisförmigen Gruben a liegt, 25 Schritt von der Steindossirung des Vor- 
landes von dem Deiche entfernt, im Watt, die zweite 6 18 Schritt von der ersten und die dritte 
c, 3’/i Meter im Durchmesser haltend, etwas westlich, 25 Schritte von der zweiten, im Watt. 

Etwa 150 Schritt südöstlich von diesor dritten Grube siebt man einen untergegangenen Wald 
(s. d. Karte des Banter-Groden), dessen Baumstümpfen eine ziemliche Fliehe bedecken. Der 
Wald bestand vorzugsweise aus Birken, Kiefern und Erlen, er wurzelt im Darg (Moor). Zieht 
man in Betracht, dass die Gruben und die Wurzelstöcke sieh im Moor befinden, so liegt der Schluss 
sehr nabe, dass die Ansiedelung bereits vor der Bildung der Marschen, also vor dem Sinken der 
Küstenmoore und Ucbcrfinthung derselben durch das schwammablagernde Meer, vorhanden ge- 
wesen sein dürfle. Die Bewohner waren nicht genöthigt, sich der Mühe des Moorsodenstechens 
zn unterziehen, da sie dasselbe vorfanden. Das Wurzeln der Bäume im Moor aber glaube ich 
als ein sicheres Zeichen ansehen zu müssen, dass sie vor Bildung der 6 bis 7 Fuss dicken Marsch, 
in der nicht ein Wurzelstock zu bemerken, dort standen, da während der Bildung derselben das 
Moor, von Salzwasser durchdrungen, für Sflsswasserpflanzen unfruchtbar wurde. Ein anderer 
Grund, welcher die obige Annahme wesentlich unterstützt, ist die Beschaffenheit der Fondslücke, 
welche, wie mir scheint, auf ein sehr hohes Alter hinweiBen. Die in den Gruben Fig. 1 a und i> 
Vorgefundenen Scherben, nur solche wurdcu gefunden, da die Wellen Allee zerschlagen haben, sind 
der masaivegten Art, auf dem Bruch reichlich mit Kies gemischt, durchgehend schwarz und sehr 
wenig hart, bo dass sie fast den Eindruck machen, als seien sie an der Luft getrocknet, wenn nicht 
verglaste Schlacken, sowie deutliche Kohlenspuren nnd der sehr dünne rothe Ueberzug einiger 
bestimmt dartbäton, dass die Scherben dem Feuer aasgesetzt gewesen sind. Ebenso weisen die 
sehr selten vorlc ommendeu und dazu noch sehr rohen Verzierungen, wie ich meine, auf ein hohes 
Alter hin , nicht weniger die in der Grube a Fig. 1 unter den Resten der Urne gefundenen , roh 
behauenen Feuersteine, sowie der dazu benutzte Baustein selbst (siche Fig. 3); auch ist zu be- 
merken, dass kein bearbeitetes Holz ausser einem Pfahle gefunden wurde, welcher aber wahrschein- 
lich von früheren Schiengenarbeitern herrührt und wohl die Ursache der Zertrümmerung der Urne 
in der Grube b (Fig. 1) wurde, da man unmittelbar an demselben zahlreiche Scherben fand. Die 
Untersuchung der erwähnten Ansiedelung ergab nun folgende Resultate. \ 



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Die Kreisgruben in den Watten des Herzogthuins Oldenburg. 165 

Die 88 Centimeter Durchmesser haltende Grube a geigte an ihrer Oberfläche zunächst zwei 
Feldsteine, von denen der eine keilförmige offenbar um die Urne an denselben anzulehnen etwas 
ausgehöhlt worden ist, der zweite fand sich in einem stumpfen Winkel, also wiederum der Run- 
dung der Urne nachgehend, gegen den ersten gestellt; vor diesen Steinen stand denn auch 
wirklich zu Tage der Rest einer zerschellten Urne von 3 Scherben, an den mit a bezeichneten 
Funkten der Fig. 2. Die Urne scheint ohne Henkel gewesen zu sein, ist schwarz, grobkörnig, 
zeigt keinerlei Verzierungen und war ohne Füsse, ihre Form, Höhe und Durchmesser lässt sich 
nicht bestimmen, doch scheint der Boden der Urne ausgebaucht gewesen zu sein (Fig. 10), wie 
denn alle anfgefundenen Scherben auf Gefässe mit weiter Oeffnung und rundem Boden hindeuten ; 
es geht dies aus den Randstücken hervor, welche denen der erhaltenen Urnen vom Hohen 
Wege Fig. 12, 13, 14, sehr gleichen. Der ganze Umkreis der erwähnten Grube wurde jetzt 
freigelegt, und sofort stellte sich heraus, dass es der Boden eines Grabes war, denn bald zeigten 
sich einige starke etwa 1 Fuss unter der Urne liegende Birkenwurzeln, und in gleicher Höhe mit 
dem Rande der erwähnten Steine, viele Scherben, welche offenbar mit Absicht hingelegt waren, 
ln Folge dieser Bemerkung wurden die Kanten des ganzen Umkreises sorgfältig untersucht, und 
fand sich, dass derselbe völlig mit Scherben und ein paar Feldsteinen eingefasst war; sämmtliche 
Scherben waren von grober Arbeit und mit Ausnahme von wenigen schwarz. 

Ber Boden selbst war mit Schlamm bedeckt und erwies sich nach dessen sorgfältiger Ent- 
fernung als leicht gewölbt, und mit Scherben, welche immer etwas übereinander fassten, völlig wie 
gepflastert (Fig. 2). Die Scherben und Steine wurden sorgfältig gesammelt und möglichst in ihrer 
ursprünglichen Lage wieder auf ein angefertigtes Modell des Bodens hingclegt. Nachdem alle 
Gegenstände von Interesse zusammengelesen, wurde mit den Nachgrabungen fortgelähren; es 
fand sich noch unter dem Platze (Fig. la), wo die Urnenreste standen, ein Behaustein von 
Quarzfels (Fig. 3), sowie mehrere Feuersteine, an denen der Beginn der Bearbeitung zu bemerken, 
sowie ein Kiesel länglicher Form, in der Mitte verdünnt, der wohl zu dem Senksteine zu rechnen 
sein dürfte. AuBser den erwähnten Fundstücken, wurde der Strand reichlich mit Scherben bedeckt 
gefunden, und viele- Anzeichen lassen sicher vermuthen, dass die Küste einst dicht bevölkert war. 
Unter den Scherben fanden sich auch manche Ucnkelstückc, sowie einige wenige mit rohen Zier- 
rathen versehen, und zwar mit ungleichmässigen, roh eingerissenen senkrechten Strichen oder auch 
wohl eingedrückten, ungleichen Löcherchen, im Kreise um die Urne; einige zeigen auch vertiefte 
Parallelkreise. Die erwähnte Untersuchung hatte so viel Zeit in Anspruch genommen, dass wegen 
der überströmenden Fluth an ein Fortarbeiten nicht mehr gedacht werden konnte. Erst am 15. 
Juli war es mir möglich mich wieder an die Küsten zu begeben, diesmal um nicht allein dicNord- 
küstc des Jahdebusens, sondern auch die ganze Ostküste Jeverlands zu untersuchen. 

Sobald es der Wasserstand erlaubte, liess ich die Arbeiten zunächst an den grossen Kreisen 
6 und c beginnen. Sehr bald wurde hier die Ueberzcugung gewonnen, dass diese, von denen 
grosse Ausbeute erhofft, total zerstört und abgespült seien. Ausser einigen Scherben wurde nichts 
gefunden. Andere Versuche bei ähnlichen, durch das stehengebliebene Wasser gekennzeichneten 
kreisförmigen Vertiefungen, hatten ebenfalls keinen Erfolg. Es war also offenbar, dass die ganze 
Küste, je weiter in See, desto stärker abgespült war, besonders machte sich dies an den, den Darg 
dicht durchziehenden Baumwnrzeln bemerkbar, welche zum grossen Theil blosslagen und vielfach 
abgeschält erschienen. Obige Wahrnehmungen gaben zunächst Veranlassungen die Küste in öst- 



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Friedrich v. Alten 



licher Richtung entlang zu gehen, überall fanden sich Spuren von Bewaldung, an vielen Punkten 
auch zahlreiche Scherben, von denen manche« aufgcsammelt wurde, bis an den Punkt, wo die 
Steindossirung in Östlicher Richtung ihr Ende erreicht; hier zeigten sich wieder dieselben Kreise, 
theilweise von Soden aufgesetzt, bei anderen zeigten sich nur noch deren Spuren und längliche 
Vierecke, sowie 200 Fuss von derselben Steindossirung entfernt, viereckige, durch gespaltene 
Planken eingefasste Gruben, deren Ecken von starken Balken, im Innern durch Spreitzen, oben 
und unten gegen den Erddruk auseinander gehalten wurden. Von diesen viereckigen Gruben 
untersuchte ich die grösseren genau, und fand, dass die Spreitzen eingelassen und mit einen» Zapfen 
versehen waren, das Holz schien mit einem scharfen Instrumente bearbeitet, es zeigten sich keine 
Sägesoknitte. Bis auf 2 l /a Meter Tiefe wurde der Boden, trotz des Eindringens des Wassers aus- 
gehoben, dann aber musste die Arbeit aufgegeben werden. Gefunden wurden in dieser Grube, 
welche nahezu 1 Meter lang und 70 Ccntimeter breit war, verschiedene Scherben, Knochen and 
Schlacken, alles dies lag in einer Tiefe von nahezu 1 Meter auf einem Flechtwerke von Zweigen*), 
welches wie ein flacher kreisförmiger, mit nur niedrigem wulstartigen Rande versehener Korb 
aussah. Sechzig Schritt östlich dieser Grube lag eine zweite ähnliche, aber völlig quadratisch 70 cm 
gross, die Construction war ganz dieselbe, doch war ihre Zerstörung viel weiter vorgeschritten, 
und ergab die Untersuchung gar keinen Anhalt für den Zweck derselben. 

Achtzig Schritt von der erwähnten ersten viereckigen mit Planken umpfählten Grube, lagen 
die mit Soden eingefassten Kreise dicht nebeneinander, sowie eine länglich viereckige, letztere bei 
2 l /j Meter Länge nur etwa 70cm breit. Diese Grube, welche nicht mehr mit Soden umfasst, war 
mit olivengrünem festgestampften Dünger angefÜllt, in welchem sich ausserordentlich viel Scherben 
fanden, und zwar eigentümlich nesterweis, auch Knochen (Rind, Schaf) und dergleichen wurde 
hervorgeholt, aber kein bearbeitetes IIolz oder Stein, alles lag ziemlich an der Oberfläche, auf dem 
Darg und im Dünger. Die sehr nahe bei diesem Viereck befindlichen Kreise waren beide von 
Soden und zwar von Grassoden umsetzt, sie hatten einen Durchmesser von etwa 70cm; darin fand 
sich nichts als schwärzliche Reste mit zerbrochenen Muscheln durchsetzt. Trotzdem dieser Schlamm 
ausserordentlich flüssig, liess ich ihn fast ganz entfernen, es ergab sich aber nichts weiter als jene 
Dinge, welche durchaus keinen sicheren Fingerzeig für die Bestimmung der Grube abgeben 
konnten. Der ganz in der Nähe befindliche zweite Kreis hat jedenfalls wohl später als Cisterne 
gedient. In der Richtung nach dem Lande zu zeigte sich nämlich eine etwa 3 1 /* Meter lange 
Rinne von Eichenholz, welche in die Grube mündete. Diese von etwa 6 cm Randhöhe und 12 cm 
Breite lag auf Soden und einigen SchwelUiölzern , deren Bearbeitung mich vermuthen lässt, dass 
diese beiden Anlagen weit jünger sind, es scheint dies besonders daraus hervorzugehen, dass die 
Einfassung von Grassoden und nicht von Moorsoden war, ferner keine Gegenstände in diesen 
Gruben gefunden wurden, welche auf die Zeit der Urnen zurückweisen, wohl aber der hölzerne 
Griff eines eisernen Messers, dessen Enden nach der Klinge zu mit einem messingenen Ring um- 
schlossen, dieser Griff zeigt mancherlei geometrische Verzierungen, wie wir sie auf friesischen 
Dingen des 15. und 16. Jahrhunderts gewohnt sind zu sehen. 

Bei der weiteren Untersuchung der Küste in östlicher Richtung fanden sich überall noch viele 



•) Diese wie die anderweit geschilderten Flechtwerke, erinnern an die von Dr. Much am MannharU- 
Gebirge entdeckten Ansiedelungen. Siehe Mitth. d. Anthrop. Ge»ell*chaft in Wien, Bd. L, S. 166 u. f. 



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Die Kreisgruben in den Watten des Herzogthums Oldenburg. 167 

Scherben and Reste von einem untergegangenen Walde, welcher noch über da« Bandteraussentief 
hinaus bis an die östliche Seite des Bandtergrodens nahezu dem Kirchhofe gegenüber bis an den 
Rand des Ebbespiegels verfolgt werden konnte. Dieser Wald hat, wie es scheint aus Nadelholz, 
Birken und Erlen bestanden. 

Von nicht geringem Interesse war auch die Entdeckung eines Weges (siehe die Karte des 
Bandtergrodens), welcher 133m östlich von der Mündung des ßandtersielcB entfernt in schnur- 
gerader südöstlicher Richtung von der Südspitze des Bandtergrodens gegen den Bordumersand 
(Ballastplatte) gerichtet ist, derselbe ist 5m breit und zu beiden Seiten mit einem, jetat schlamm- 
gefüllten, 2 m breiten Graben begrenzt. Der Grund des Weges ist Darg, ebenso die Ränder der 
Gräben, bis zu zwei Meter Tiefe. Gegen das Marientief zu, in dem sich der Weg verliert, zeigten 
sich mancherlei liegende Blöcke und starke Aeste, sowie Reste von starken , schräg eingegrabenen 
Pfählen, so dass die Meinung auftauchen muss, dass dieser Weg, entweder ein von den Wogen 
zerstörter Bohlweg oder vielleicht auch ein alter Deich oder Bollwerk gewesen sein könne, für die 
letzte Annahme sprechen die gegen den Wegkörper geneigten, nicht zugeapitzten aber einge- 
grabenen Pfühle, deren letzte etwa 20cm langen Reste allein noch vorhanden. Wenngleich ein 
lebhafter Südwestwind nicht dazu einlud, nach dem Bordumersand überzusetzen, um nach der 
Fortsetzung des Weges am jenseitigen Ufer zu forschen, so wurde diese etwas nasse Fahrt doch 
unternommen, aber ohne jeden Erfolg, sei es, dass das Wasser in Folge des Windes nicht genügend 
abgelaufen, sei es, dass die Spuren durch den aufgetriebenen blauen Sand völlig verdeckt waren, 
jedenfalls dürfte, wenn anhaltende Ostwinde den genannten Sand um 100m weiter trocken legen, 
noch manches zu Tage gefordert werden, was ein neidisches Geschick mir augenblicklich ver- 
borgen hielt. 

Ein anderer Punkt, an dem man diese eigentümlichen Kreise fand, liegt ganz in der Nähe 
von Accum, einem Dorfe in Jeverland, dort stiess man bei Anlage eines Eiskellers 1872 auf einen 
cylindriachen , ein Meter Durchmesser haltenden Moorhügel, mit kegelförmigem Abschluss, 4m 
unter der Oberfläche, des 10m über dem Meeresspiegel sich erhebenden Sandhügels, die Gast ge- 
nannt. Bei näherer Untersuchung ergab es sich, dass das Ganze aus Moorsoden kreisförmig auf- 
gesetzt war, diese standen auf dem Sande, welcher auf 4 */* in Tiefe Bich als reiner Scesand erwies. 
Bei Oeffnnng des Kegels fanden sich viele Schädel von Hornvieh, mit sehr kleinen entstehenden 
Hörnern, untermischt mit Erde, Holz und Urnenscherben , ohne Verzierungen, von grobem 
Gefüge. 

Das ist leider Alles, was ich über den beachtenswerten Accumer Fund beizubringen vermag, 
da die Eiskellergrube wegen des cindringenden Wassers und der aufsteigenden Dünste wieder 
verschüttet wurde. 

Diese beiden Funde , welche in Bezug auf den Bau der Kreise noch so Manches im Dunkeln 
lassen, sollten glücklicherweise eine Ergänzung in einer Ausgrabung an der südlichen Spitze des 
Jahdebusens, bei Dangast, dem freundlichen Seebade bei Varel, finden. Das flutende Meer wird 
bei Dangast nicht von den geraden Linien langgezogener Deiche eingeschränkt, sondern man ge- 
langt allmählich von dem auf einer ansehnlichen Anhöhe einer Diluvialbildung gelegenen Varel, 
durch die Senkung des Dangastermoorea bis zu dem Seebade, das an dem Bteilen Rande des 
vom Meere bewegten, weit in den Jahdebuscn vorspringenden Gewässers liegt. Hier hoch über 
dem Meere steht das Conversationshaus mit seinen freundlichen Umgebungen, von dessen Veranda 



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168 



Friedrich v. Alten, 



der Blick über den ganzen Meerbusen schweift. Die mächtigen Formen der Festungswerke und 
Rauten von Wilhelmshafen , noch überragt von den schlanken Masten, bilden gegen Norden den 
Hintergrund, während weiter östlich die dachen Oberahnschen Felder, insulare Rente des ehe- 
maligen Festlandes mit ihren Wolken von schimmernden Seevögeln, die enge Einfahrt in die 
Jalule zu schliessen scheinen, lehrte uns die zu unseren Füssen brausende Fluth nicht, dass das 
offene Meer in unserer nächsten Nähe. 

Der erwähnte Vareler Höhenzug, mehr ein Vorposten jener Hügel, welche den Geeststrand 
gegen die Marsch abschliessen , flacht sich nach Westen und Osten ab. In den Vorsprüngen 
dieser Höhen, östlich des Conversationshauses , an dem Punkte, wo der Besitzer des Seebades be- 
deutende Abgrabungen hat vornehmen lassen, fanden sich unter dem Sande runde cylindrische 
Moorhaufen mit abgerundeter Bedachung, welche die Arbeiter nicht wenig belästigten. Von dieser 
auffallenden Erscheinung unterrichtet, wurde sofort eine Untersuchung beschlossen, da es als un- 
zweifelhaft erschien, dass jene Hänfen nichts anderes als Kreisgräber seien. 

Die genannten Stätten liegen etwa SOOra östlich von dem Conversationshause, und zwar 3 bis 
3 1 /* m unter dem Dünensande, aber doch noch im Sande. Die erste Gruppe lag nach dem Strande 
zu, war aber leider durch die Arbeiter schon vielfach zerstört, so dass sich nicht mit Sicherheit 
feststellen liess, wie Bie gruppirt gewesen ist. Die Grössenverhältnisse waren denen von Randt etc. 
ähnlich, doch sind die Moorsoden der Umrandung nicht auf die Kante gestellt, sondern mit der 
Breitseite aufeinander gelegt. Eine andere Abweichung von der weiter unten zu betrachtenden 
Construction, zeigt sich darin, dass die bei Dangast gefundenen Grabstätten im Innern schichtweise 
durch IIolz, bearbeitetes oder unbearbeitetes, getrennt, und mit Moorerde gefüllt erscheinen, 
während die in den Watten aufgedeckten im Innern dergleichen nicht enthalten. 

Trotz dieser Abweichung, deren Ursache wohl in dem weniger festen Material zu suchen, ent- 
spricht die Grundidee dieser Stätten genau der in Bandt, Accum und den weiter unten zu be- 
schreibenden. Eine andere Gruppe von drei Gräbern lag hart am Rande des abgegrabenen Ter- 
rains, eine dritte von drei dergleichen Moorsodenerhöhungen fand sich noch in derselben Sand- 
grube, etwas weiter landeinwärts. Die vorgenommene Messung ergab, dass die beiden Gruppen 
3 l / f m unter der Oberfläche lagen. Die Construction zeigt, dass diese Stätten ebenfalls cylindrisch 
aus Moorsoden zusammengesetzt, nnd die kuppelformige Einwölbung der Bedachung durch all- 
mähliches Einrücken gewonnen war (siehe Fig. 4). Auch diese Einsenkungen standen in ihrer 
ganzen Tiefe noch im Sande, ja es scheint als bestimmt angenommen werden zu dürfen, dass die- 
selben ursprünglich so tief eingesenkt waren, und nicht etwa der Sand sich später über dieselben 
gelagert hat, da gerade über der Moorsodenbedachung sich in trichterförmiger Weise andere Erd- 
arten im Rande der Abgrabung zeigen. Fig. 4 wird das Gesagte klarer machen. Die Tiefe 
dieser Stätten beträgt 2 bis 3 m, bei einem Durchmesser von 78cm bis 2 1 /,m. Es dürfte nicht un- 
angebracht erscheinen, darauf hinzu weisen, dass die germanischen Hütten auf den Reliefs der An- 
toninsäule und diebeiLubbock (die vorgeschichtliche Zeit, Band I, S. 51) dargestellten schottischen 
Bienenkorbhäuser, eine unverkennbare Aehnlichkeit mit unseren Kreisgruben zeigen. 

Remerkenswerth bleibt bei den Dangaster Stätten, dass sich bis dahin bei denselben keine 
Düngerstätten, wie wir ihnen später begegnen werden, gefunden haben, auch sind dieselben nicht 
mit Thon umstampfl, wie die anderweit in den Watten aufgedeckten. 



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Die Kreisgruben in den Watten des Herzogthums Oldenburg. 169 

Die geöffneten Groben enthielten in drei Schichten, deren jede durch gespaltenes Holz von 
einander getrennt war: 

1. Bearbeitetes Holz, bestehend aus stumpf zugespitzten Pfählen, von weichem Holz (Erlen), 
deren Dimensionen sehr verschieden, sie wurden vorzugsweise an den Wänden gefunden. 

2. Durchbohrte dünne Späne, ziemlich glcichmässig breit und rautenförmig übereinander- 
gelegt, so dass das Ganze ein Gitterwerk bildete, jede Raute von etwa Ccm ins Geviert; dies Gitter 
wurde auf der untersten Schicht gefunden. Die gespaltenen Holzspäne selbst sind drei Centimeter 
breit und etwa zwei Millimeter dick. Da wo diese Brctterclien sich kreuzten waren sic durchbohrt 
und mit einem runden Pflock befestigt. 

3. Bruchstücke eines Griffes oder Handhabe. Am oberen Endo knopfartig sich verdickend. 
Das Bruckstück misst 8 cm Länge und 2 cm Durchmesser. Der Knopf wird vermutblich 3 cm 
Durchmesser gehabt haben. Diese Hölzer scheinen, mit Ausnahme der kleinen Pflöcke, aus weichem 
Holz, besonders Erlen, gemacht zu sein, doch fand sich auch die Rinde der Birke. 

4. Rest eines Geflechtes, anscheinend von Weiden. 

6. Kinnbacken, Zähne, Wirbelknochcn , zerschlagene Knochen von Schaf und einer sehr 
kleinen Rindviehrace, weit kleiner als sie gegenwärtig im nördlichen Deutschland vorkommt. 

6. Vogelknochen. Sämmtliche Knochen sind pergamentartig, der in ihnen enthaltene Kalk 
ist aufgelöst und nur die Leimsubstanz zurückgeblieben. 

7. Flügeldecken deB carabus cancellatus, eingeschlossen in Moorsoden. 

8. Das Bruchstück einer Scheibe von Granit von 2'/»cm Dicke, nach dem äusseren Rande 
zu veijüngt. Der Halbmesser beträgt 6*/,cm. 

9. Scherben von einer Urne von halbgebranntem Thon, freilich ziemlich fein geschlemmt, 
aber ans freier Hand gearbeitet und sehr schwarz. 

Am 7. Juni 1873 hatte der Besitzer des Seebades die Güte mir mitzutheiien , dass wiederum 
ein Grab 216m östlich des Badchauses nahe dem Meere gefunden, und er dasselbe habe erhalten 
lassen, um die Untersuchung zu ermöglichen. Dies Grab hatte einen Durchmesser von l*/ t m und 
eine Höhe von reichlich 2m. Die Bauart war ebenso wie die der übrigen, der Inhalt ergab an- 
gebrannte Holzstücke, Kohlenrestc, Scherben, ziemlich dünne, von denen einer einen Griffansatz 
zeigt, gespaltenes und rundes Holz schichtweise, sowie auch einige Knochenreste, welche diesmal 
aber fest, und offenbar im Feuer gewesen Bind. Etwa 70 Schritt weiter südlich fanden sich die 
Ueberbleibsel eines ähnlichen Grabes, dessen oberer Trichter nicht weniger wie 5 Vj m Durchmesser 
hatte, bei D/jm Tiefe, in welcher sich eine Kohlenschicht mit einigen Scherben zeigte, auch die 
bereits erwähnten Flügeldecken fanden sich. 

Nach mündlichen Mitthcilungcn der Gegend seit lange kundiger Leute sollen früher in den 
Watten zwischen Daugast und Eckwnrdersiel vielfach Kreise von Moorsoden bemerkt sein, theils 
sind dieselben gegenwärtig wieder verschlickt, theils ganz weggespült, doch Bildet man nicht selten 
Umenscherben auf den Watten. 

Von Dangast wenden wir unsere Schritte den Ueberbleibseln der Oberahnsclien Felder zu. 

Diese Reste eines einst reichen Landgebietes zeigen das Bild eines ohne Schutz gelassenen 
Marschbodens, dessen tiefere Erdschichten je nach ihrer Dichtigkeit, früher oder später von den 
Brandungen heimgeaucht und unter dem oberen festeren Kleiboden weggewaschen werden. Dieser 

Archiv fttr Anthropologi«. Id. VII. H«ft 2 22 



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170 



Friedrich v. Alten, 



stürzt in die Tiefe, es bilden sich Kinnen mit steilen Kündern, die die Zerstörung in das Innere 
des Feldes tragen und werden auf diesem Wege die Inseln in immer kleinere Partikeln zerlegt* 

Von allen Seiten den abflachenden Unterspfllungen ausgesetzt, stürzt eine Scholle nach der 
andern in die Wogen und gar bald werden die Eilande, diese Vorwacht der südlich und westlich 
die Küste deckenden Deiche, nur noch als flache Sandbanke da sein, wenn nicht menschliche Ein- 
sicht, Ausdauer, Kraft und Wille ihnen zu Hülfe kommt. 

Der zweckmässigste Punkt, um diese Inseln vom Festlande aus zu besuchen, ist Eckwardensiel. 
Doch ist nur zurFluthzeit auf ihnen zu landen, wie mich Bchlimme Erfahrungen gelehrt, denn kaum 
war die Iliilftc des Weges, welcher etwas verspätet angetreten, zurüekgelegt, als ein sanftes Schieben 
unseres Kahnes auf dem Schlick uns andeutete, dass an ein Weiterkommen nicht mehr zu denken. 
Was blieb übrig als den „Sprung überßord“ und versucht, die Eilande, knietief im Schlick watend 
zu erreichen. Nach einem üusserst anstrengenden, wegen der Killen oft grosse Umwege erfor- 
dernden Marsches, gelang es , nicht ohne manchmal der Gefahr des Steckenbleibens ausgesetzt zu 
sein, endlich den sogenannten Durchschlag (ein von Faschinen erbautes Schiengenwerk, welches 
15000 Fuss lang von der Küste nach den Inseln geführt ist, um die Aufschlickung zu befördern) 
zu erreichen, und nach einem weiteren sehr beschwerlichen Gange von einer halben Stunde auf 
dem glatten Stackwerk, die Insel zu betreten. Dieselbe bietet in der Hütte*) der Schlengen- 
arbeiter, von denen wirrnit grosser Gastlichkeit empfangen wurden, Schutz gegen Wind und Wetter. 

Nachdem wir uns von den argen Strapatzen des Schlick* und Schlengcnlaufens einigermaassen 
erholt, und uns am kräftigen Brot, den vortrefflichen Kartoffeln der gastfreien Bewohner der 
Hütte erquickt, gingen wir an die Arbeit An dem Punkte, wo das Meer die Ufer der Insel in 
einer Höhe von etwa 9 bis 11 Fuss abgespült, kletterten wir über das schützende Buschlager zum 
Strande hinunter, hier fanden wir eine Anzahl jener mehr erwähnten Kreise, und zwar an der 
Westseite, welche sich in zwei Keihen auf etwa 100 m längs der Küste hinziehen. 

Dielte Reste der sogenannten Kreisgräber liegen an dein Punkte, wo das Feld sich so wesent- 
lich im Abbruch befindet, dass höchst wahrscheinlich in kurzer Frist auch die* letzte Spur der- 
selben verschwunden, wie dies an anderen Punkten der Insel, wo noch vor wenigen Jahren viele 
solcher Kreise sichtbar waren, bereits geschehen ist, nur hier und da fanden sich weiter östlich 
noch Spuren davon, meist kenntlich an den zahlreichen Scherben. Sowohl die Kreise als auch die 
viereckigen Küchenabfälle und Düngergrube n sind gegenwärtig mit sehr weichem Schlamm gefüllt. 
Die erwähnten Kreise, welche besonders auf den Inseln im Jahdebusen Spuren von Verbindungen 
untereinander zeigten (siebe Lubbock, S. 51), liegen nicht in regelmässigem Abstande von 
einander entfernt, man findet zwischen oder hinter denselben fast stete eine Dünger- oder Küchen- 
abfallgrube. Die zweite Reihe der Kreise ist stets auf die Lücken der ersten gerichtet, ein Um- 
stand, der sich bei den später zu besprechenden Ansiedelungen wiederholt, selbst da, wo sich die 
Keihen bis auf vier hinter einander steigern. Diesemnach wäre also zunächst die Annahme 
gerechtfertigt, das» wir es nicht allein mit Gräbern, sondern mit Ansiedelungen zu tliun habeu, 
welche etwa folgenden Grundplan (Fig. 5) gehallt haben mögen. 



*) 1874 am 21. Februar ging die Fluth 9 Fuss hoch durch die Hütte, die Arbeiter wurden genöthigt sich 
auf den First des etwa 3 Fuss höher liegenden Daches zu retten, dort brachten sic qualvolle fünf Stunden 
zu, bis endlich die Wasser verliefen. Alle Habe der Arbeiter war verloren, doch ersetzte Mildthatigkeit Manches. 



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Die Kreisgruben in den Watten des Herzogthums Oldenburg. 171 

Dieser Grundplan scheint mir ein deaüicber Fingerzeig, dass es Sitte war, die Verstorbenen ' 
ganz in der Nähe der Wohnstätten zu begraben (siehe Haddien). Die Form dieser Gräber ik 
kreisrund, ihr Durchmesser wechselt sehr, von 1 bis 2 m, die Tiefe lässt sich sehr schwer be- 
stimmen, da dieselben bis auf 2 bis 3 Lagen der Soden fortgespült sind; nimmt man indes« die 
jetzige Höhe der Insel an, so müssen die Gräber etwa 9 bis 11 Fuss tief gewesen sein. Wie schon 
oben erwähnt, bildet der Grundriss derselben einen Kreis, die Moorsoden sind deshalb keilförmig 
geschnitten, wie Fig. 6 und 7 zeigen. Dieselben sind auf die Kante gestellt und haben gewöhn- 
lich ein Maas» von 23 cm Länge, 17 bis 20 cm Breite am oberen Ende, bei etwa 14 cm Dicke 
am Kopfende und ungefähr 7 cm am Fuss (Fig. 7). Ehe man den eigentlichen Bau begann, 
grub man in den Klei eine cylinderfÖrmige Grube mit einem Durchmesser von (z. B. Fig. 8) 

1 m 4" 20 cm -f- 15 cm. Der Boden derselben war kesselformig, in einigen Fällen auch leicht 
gewölbt (siehe Ban dt), diesen belegte man mit Moorplaggen, auch wohl gespaltenem Holz oder 
Scherben. Auf dieser Unterlage begann dann der Bau, zu dessen weiterer Verdichtung der oben 
erwähnte Spielraum von etwa 10 bis 15 ein mit Thon umstampft wurde, das Ganze wurde dann 
mit Moorsoden eingedeckt, wie es oben bei Dangast (S. 168) beschrieben, eine Annahme, die 
nicht zu gewagt, weil verschiedene Beobachter zu verschiedenen Zeiten, auch auf den Obcrahnschen 
Feldern, diese Gräber in der beschriebenen Weise gesehen haben. Construiren wir uns diesem- 
nach einen Durchschnitt der Gräber, so würde derselbe etwa gemäss Fig. 8 erscheinen. Was 
nun den inneren Raum (A) angeht, so ist derselbe offenbar nicht immer, nur zu einem Grabe 
benutzt, es fanden sich nämlich Anzeichen, woraus hervorgeht, dass die Urnen etagenweise in 
demselben aufgestellt waren, diese Stockwerke oder Etagen waren durch ohne Metallinstrumente 
gespaltenes IIolz gebildet. Betrachten wir jetzt den Inhalt der Begrfibnissstätten u. s. w., so ist 
im Allgemeinen zu erwähnen, dass in den oberall nischen Gräbern keinerlei Spuren von Metall oder 
mit Metall bearbeiteter Gegenstände Vorkommen, wenngleich es an bearbeiteten Sachen nicht 
fehlt, sowohl in Gräbern als anderweit, leider aber keine erhaltene Urne, alle waren von den 
Wellen zertrümmert. 

Schon vor mehr als 3G Jahren hatten diese Kreise und die darin gefundenen Urnenscherben 
die Aufmerksamkeit des jetzigen Oberbaudirectors Lantus in Oldenburg erregt, aber auch damals 
waren keine erhaltenen Urnen gefunden. In einer reichlich mit Scherben versehenen Kreisgrube 
fand ich dio Reste eines durchbohrten Holzes (Fig. 9) mit kurzen Handhaben, etwa wie die Winde 
eines altväterlichen Webestuhles. 

Die ganze Länge betrügt 35 cm, der Durchmesser etwa 19. 

In der Mitte, da wo sich die Löcher für die Handhaben befinden, verdickt sich das Holz; jene 
selbst haben eine Länge von im Ganzen 26 cm, eine Breite von 3 1 /« und 2 cm, an den Enden sind 
sie stumpf zugespitzt. Die Löcher für dieselben entsprechen letzterem Maas», doch sind sie nicht 
rechtwinkelig, auch nicht im gleichen Abstand angebracht Nicht fern davon fand sich in einer anderen 
Grube das Bruchstück eines ähnlichen Instrumentes, ferner das Bruchstück eines auf beiden 
Seiten glatt bearbeiteten thierischen Beinknochens. Auch bearbeiteter Stein, anscheinend einem 
Wurfspeer angehörend, von 9 cm Länge, ein Schleuderstein (Kiesel) von etwa 3 cm Durch- 
messer, und das Bruchstück eines Wetzsteines (Kieselschiefer) wurden gefunden. In demselben 
Grabe wurde, nachdem die Fluth den zähen Schlamm durchwaschen, auch noch ein Spindelsteiu 

22 * 



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172 



F riedrich v. Alten, 



'entdeckt. Derselbe, an den Seiten ge m eissei t, ist von sehr schwarz gebranntem, mit Glimmer durch- 
setzten Thon. (Fig. 11, Durchmesser 33 mm, Höhe 20 mm.) 

Auch ein Kuhschädcl, dem die Hörner fehlten, kam aus einer der Kreisgruben, die Maasse 
weichen wesentlich von den unserer jetzigen Race ab ; dieselbe muss weit kleiner gewesen sein 
als unsere heutige kleine Geestrace. Dass diese Beobachtung nicht auf einem zufälligen Um- 
stande beruht, wird sich weiter unten ergeben. 

Die Maasse sind folgende: Grösste Länge 432 mm, grösste Breite 179 mm. Wegen Fehlens 
der Hörner kann die Breite zwischen den Hörnern nicht angegeben werden. Wie bedeutend die 
Differenz, ergeben die nachstehenden Maasse des Schädels einer hiesigen Geestkuh kleiner Race: 



Grösste Länge ..... 490 mm 
„ Breite 212 „ 



Breite zwischen den Hörnern 106 „ 

Eine genauere Vergleichung mit dem weiter unten beschriebenen, und von Herrn Professor 
Rütimcycr frcundlichst bestimmten Schädel ergiebt, dass auch dieser dem Bob longifrons oder 
der Brachycerosrace (Torfkuh) angehörte. Unter den Bruchstücken von Urnenscherben, welche 
zwischen den vorher erwähnten Gegenständen gefunden wurden, befinden sich nur wenige roth- 
gebrannte Stücke, welche indess, wie die schwarzen auf dem Bruch, auch reichlich Quarzstück- 
chen zeigen, keines der Stücke trägt Verzierungen, nur zwei der Bruchstücke haben einen Fuss- 
ansatz der primitivsten Art, indem der Thon an dieser Stelle in Etwas zusammengedrückt erscheint. 
Die Vorgefundenen Ränder scheinen särnmtlich von ziemlich weiten Gelassen herzurühren, kein 
einziger deutet auf die starke Verengung, welche die Bpäter zu erwähnenden Gefasse zeigen. Die 
Dicke der Scherben ist sehr ungleich, sowohl unter sich, als bei denselben Scherben; einerlei ob 
roth gebrannt oder schwarz. 

Die viereckigen Düngerstätten auf den oberahnischon Feldern sind Behr verschiedener Form, von 
G3 cm bis 2 m Länge bei nur Yt m Breite; auch sie scheinen mit Moorsoden umsetzt gewesen zu sein. 
Der Dünger, in dem Stroh, Schilf und Gerstenkörner zu erkennen, war offenbar sehr stark ver- 
dichtet, so dass ich glaube annebmen zu sollen, dass derselbe von den Bewohnern als Brennmaterial 
benutzt wurde, wie dies noch heute hier und da in den Marschen und Halligen geschieht 

Die Abfallgruben haben ähnliche Formen, waren meistens kleiner, doch batte man ihnen mittelst 
Spreitzen grössere Dauerhaftigkeit gegeben. Diese Spreitzen bestanden aus gespaltenen Balken, 
deren eines Ende einen Ausschnitt zeigte, während das correspondirende Stück mit einem in diesen 
Ansschnitt passenden Zapfen versehen war. 

Auch au diesem Holzwerk zeigt sich keine Bearbeitung durch Metallinstrumentc. 

Verschiedene fossile Thierknochen, Rind und Schaf, meistens Markknochen, gespaltene oder 
zerschlagene, lagen in dem Schlamme, zwischen ihnen fanden sich Scherben, Massen von geöffneteu 
Muscheln, aber keine Austernschalen. 

Nach weiter eingezogenen Erkundigungen bei den sehr ortskundigen Schiengenarbeitern sind 
auf der anderen Insel, dem sogenannten kleinen Felde oder Uoltwarden, keine dergleichen brunnen- 
artige Gräber vorgefunden, dahingegen ist mir vor Kurzem zu Ohren gekommen, dasB dieselben in 
der Gegend von Eckwarden auf dem sogenannten Solthöruer-Watt Vorkommen und auch dort bereits 
vor Jahren mel fach Urnen gefunden seien. 

Hiermit den Jahdcbusen verlassend, wenden wir uns nördlich nach dem Hohen Weg (Fedder- 



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Die Kreisgruben in den Watten des Herzogthums Oldenburg. 173 

warder-Siol). Der westliche Rand des das Fedderwarder Fahrwasser begrenzenden Strandes 
erstreckt sich, nur hier und da von Rillen unterbrochen, welche aber nirgend die Schifffahrt während 
der Ebbe gestatten, bis nach Helium, der alten Sagenreichen Insel, jetzt Sandbank und eines der 
gefährlichsten Riffe der Nordsee, wie sein wracknmstarrter Strand zeigt. Folgt man dem west- 
lichen Rande des Sieltiefes and verfolgt später das Fahrwasser, so gelangt man nach einer halb- 
stündigen sehr anstrengenden Wanderung, etwa 1000 m nördlich der äussersten Landbaoko, an den 
Ort unserer Untersuchungen, den sogenannten Hohen Weg, welcher von jeder gewöhnlichen Fluth 
in bedeutender Höhe überspült wird. Der Grund ist hier Schlick und die Ufer sehr steil ; vielfach 
von den leckenden 'Wogen unterspült, zeigen sieb nach jeder Fluth nicht unwesentliche Verän- 
derungen des Ufers, da immer grosse Schollen den unterwühlenden Wellen zum Opfer fallen, wie 
ich bei einem dreimaligen Besuch dieser Stätte Gelegenheit hatte zu beobachten. Dieser Rand ist 
das Feld unserer Thäligkeit, denn hier begegnen wir den Kreisgruben, welche auch hier wieder 
das Zeichen alter Ansiedelungen sind, da ihre ganze Anlage und Umgebung sich den übrigen 
Anlagen ähnlich zeigt. Der Durchmesser wechselt zwischen 2 m und kaum 63 cm; diese Grube hatte 
noch jetzt eine Tiefe von gegen 2m. Nehmen wir eine Senkung des Bodens nicht an, so muss 
dieselbe unter Berücksichtigung der Höhe des Festlandes ursprünglich gegen 18 Fass Tiefe gehabt 
haben. Mehrfach zeigten sich Spuren eines inneren Aushaues durch Holzwerk, besonders auffallend 
war das Vorkommen von übers Kreuz eingeschlagenen rohen Pfählen. Diese Pfahle, ungeschickt 
mit stumpfen Instrumenten zugespitzt, zeigten sich stets tiefer als die gefundenen Urnen, so dass, 
in Hinblick auf das schlammige Erdreich, der Gedanke nahe liegt, dass sie zwischen dieselben 
gestellt waren, was bei der Stärke der Pfahle wohl möglich. 

ln einer Länge von fast 500 m zieht sich die erwähnte Ansiedelung am Ufer entlang, und 
zwar hier und da noch in 5 Reihen (siehe Fig. 5), wenn man die bereits zur Hälfte versunkenen 
Reste, welche am Bteilen Uferrande liegen, in Betracht zieht. 

Unter grosser Mühsal drang ich nördlich möglichst weit vor und erreichte auch glücklich den 
Rand der Schlickgegend, d. h. den Beginn des Sandes, hier alter war weit und breit keine Spur 
der so leicht kenntlichen Moorsodenkreise zu erblicken. Stunden lang wandert« ich in diesem 
Wattenmeere umher — der trostlosesten Ocde — aber vergeblich, bis das steigende Wasser zum 
Rückzug ernstlich malmte. Die Frage, ob sich hier nicht doch noch ganz ähnliche Ansiedelungen 
befinden, ist übrigens damit keineswegs entschieden, da diese überhaupt bis dahin nur da entdeckt 
sind, wo der alte Marschboden, welcher, bei den Einbrüchen des Meeres mit Sand überdeckt, dnreh 
Abschälung wieder zu Tage gekommen ist. Gehe ich jetzt zu dem Einzelnen über, so ist zunächst 
zu erwähnen, dass im Ganzen, die halb eingestürzten eingeschlossen, gegen 60 Gräber in dieser 
Gegend von mir gezählt worden, von denen ich einige 40 einer Untersuchung unterzogen; in allen 
fand ich mindestens Scherben, in weuigen Urnen, und auch diese zumeist umgestürzt, ein deutliches 
Zeichen von dem Wüthen des Meeres. 

Die Formen der Urnen und Gefässc, sowie ihre Grössenvcrhältnisse ergeben sich aus den bei- 
gefügten Zeichnungen. In den Bemerkungen über die Fundstücke von Dangast und Oberahn 
konnte ich nur Weniges über die Fabrikation andeuten, deutlicher geht dieselbe aus dem Funde 
auf dem Hohen Wege hervor. Hier finden sich Urnen, deren Bruch sehr viel Quarz- und Granit- 
körnchen zeigt, wie Fig. 12, 13 und 14, welche alle drei mit der Hand gearbeitet, auch ohne Füsse 
oder Henkel und von hellerer Ziegclfarbe sind; Fig. 15 und 16 sind von weit feiner geschlemmtem, 



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Friedrich v. Alten, 



schwarz-grauem Thon, wenn auch nicht auf der Drehscheibe, so erschienen sie doch mit weit mehr 
Fleiss gearbeitet» Die schwane Färbung ist nicht glänzend, sondern eher matt und rauh zu nennen, 
so das« an ein Glätten der Oberfläche oder eigentlichen Farbezusatz nicht gedacht werden kann, 
wohl aber an ein Brennen mit Erlenblättern , ein Process, den unsere Ziegelbrenner noch heute 
üben. Sie haben einen weit engeren Ilals und sind mit drei Füssen versehen. Aehnlichc Gcfusse 
sind sowohl auf den friesischen Halligen, an der Wattkäste Schleswigs, als auch in den Marschen 
zwischen Elsfleth und Oldenburg hart am Seestrande gefunden. 

Ilervorzuheben ist hier noch, dass Fig. 12 mit einer Art Flechtwerk von Stroh (s. d. Abbild.) 
umwickelt U'ar; um dieselbe gestellt fanden sich Rindviehknochen, ein Sticrschädel, dessen Breite 
zwischen den llörnern nur 165 mm beträgt, bedeutend weniger als unsere heutigen schwächsten 
Stiere, und der Kinnbacken eines Hundes, dem Bau des sogenannten Torfhundes der schweize- 
rischen Pfahlbauten gleich (Fig. 17). ln dieser Urne, welche mit einem Stein verdeckt war, zeigte 
sich ganz deutlich die Form eines menschlichen Schädels, welche indes», obgleich die Urne mit 
aller Vorsicht von mir auf den Schlick gestellt wurde, doch nach einigen Stunden zerflossen W'ar. 
Was die Wandungen der obenerwähnten Urnen angeht, so erscheinen die von röthlichem Thon 
weit dünner als die von schwärzlichem, bei allen aber sind sie höchst ungleich. In Betreff der Auf- 
stellung der Urnen, von denen eine mit einem gespaltenen Kieselstein geschlossen war, ist zu be- 
merken, das« dieselben meistens in der Mitte der Gräber stattgefunden hat; manchmal fanden sich 
neben ihnen Bruchstücke anderer Urnen, in einigen fand sich sogar eine erhaltene und zwei zer- 
schlagene Urnen neben vielen Scherben, überall aber viele verglaste Schlacken (s. Haddien), auch 
Reste von Kuhhörnern, dergleichen Knochen (s. Haddien), Stier- und Kuhschädcl, augenscheinlich 
zur Umsetzung der Urnen verwandt, welche ebenso auffallend kleine Dimensionen zeigen, wie der 
Schädel von Oberahn ; so misst der Kuhschädel , welcher der gütigen Bestimmung des Hrn. 
Prof. Rütimeyer gemäss dem Bos longifrons angehörte, zwischen den Hörnern nur 139mm. 
Ferner das obere Schädelstück eines Stieres, das der gleichen Bestimmung gemäss der Primigenius- 
race des Bos tanrus augehören soll. Der Inhalt der Urnen beschränkte sich auf Kohlenreste , ver- 
glaste Schlacken, Gerstenkörner und das Fig. 20 abgebildete sichelförmige Instrument, welches 
dem Kinnbacken eines Pferdes entnommen zu sein scheint. Dasselbe ist nahezu fossil. Auffallend 
war ferner, dass sich fast in allen Gruben gespaltene Feldsteine (Granit) fanden, wie diese denn 
überall am Strande umherlagen, von 50 bis 210 mm Länge. 

Unter den Bruchstücken, mit welchen der Strand bedeckt, fand sich ein schwarz gebranntes, 
reichlich mit Quarz und Glimmer gemischtes, welches an seiner äusseren Seite eine reliefartige 
Erhöhung zeigt, die strichartig von oben nach unten läuft. 

Dieselbe Art Verzierung (Fig. 21) findet sich auf drei anderen röthlich gebrannten Bruch- 
stücken, von denen eines kleine Knubben als Fässchen zeigt. Auf dem Bruch erscheinen auch 
diese Stücke schwarz und gleichfalls mit Quarz u. s. w. gemischt. Die erwähnten Verzierungen 
laufen in gleicher Entfernung parallel und zwar in einer Entfernung von 53 bis 75 mm von ein- 
ander. Ausser diesen Bruchstücken fand sich noch eines, welches eine eingehende Beachtung ver- 
dient. Es ist das Bodenstück eines nicht grossen Gefusses von schwarz gebranntem Thon, reich- 
lich mit Quarz und Granitsplitterchen gemischt Die Dicke des Bodens beträgt II mm, die der 
Wandung 5 mm. Auf der äusseren Fläche des Bodens findet sich ein Zeichen mit einem 



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Die Kreisgruben in den Watten des Herzogthums Oldenburg. 175 

feinen Instrument scharf cingeritzt, so deutlich, dass selbst die Stellen zu erkennen, wo das be- 
treffende Instrument abgeglitten (Fig. 22). 

Ein zweiter Scherben, gleichfalls schwarz gebrannt und reichlich mit Quarz und Granit durch- 
setzt, hat die ungewöhnliche Dicke von 15 mm. 

Schliesslich möchte ich im Allgemeinen darauf hinweisen, dass keine Urne andere Verzierungen 
zeigt als Kreise oder, wie es scheint, mit dem Nagel oder rundem Holz eingedrückte Vertiefungen 
(s. Fig. 30 und 31), niemals kommen Spiralen, punktirte oder geschlängelte Linien vor. 

Damit die Reihe derjenigen Dinge Bchliessend, welche ich selbst aus den Gräbern gehoben, 
gehe ich zu denen über, welche von Anderen in denselben gefunden und mir übergeben sind. Es 
ist zunächst eine Bronzegiessform (Fig. 23), eine CompoMtiou von bläulichem Thon und feinem 
Sand, ähnlich dem in Haddien (s. Abtheilung IL) gefundenen Wetzsteine. Die Form scheint zum 
Giessen für eckige Kettenglieder von Wehrgehangen gedient zu haben. An Bronze selbst wurde 
ein Stück, 29 g wiegend, gefunden, welches die Figur 24*) einigermaassen wiedergiebt Wozu 
der Gegenstand gedient, ist nicht ganz klar; den an den Enden befindlichen Vorrichtungen 
nach scheint das Stück einer Fibula angehört zu haben, vielleicht auch das mittlere Vorderstück 
eines Kopfschmuckes. Soweit die stumpfen Formen es zulassen, glaube ich In der Darstellung 
eine sitzende menschliche Figur mit einem Vogelkopfe ^Eule) zu erkennen, zu beiden Seiten 
derselben befinden sich wilde Thiere oder mächtige Hunde, welche die Tatze der Figur auf die 
Knie legen. 

Bei den früheren Funden ist der Inhalt der Urnen leider ganz vernachlässigt, ich muss mich 
daher hier darauf beschränken, die Abbildungen nebst Maassen und eine kurze Beschreibung der 
Art derselben zu geben. 

Fig. 25 ist von schwarz gebranntem Thon, war mit drei Fässchen und Henkel versehen. Ge- 
funden wurde dieselbe 1867 in der Gegend von WaddensersieL 

Fig. 2G von röthlich gelbem Thon und feiner Wandung; der Bruch zeigt viel Quarz und 
Granitsplitter, ist offenbar mit der Hand gearbeitet, wurde 1852 in einer Kreisgrube gefunden und 
zwar auf dem Hooge Warf (ein Hügel nahe am Ausfluss des Fedderwarder Sieltiefes, linkes 
Ufer). Diese Urne hat keine Füsse, aber unter dem ausgebauchten Boden einen Rand. In derselben 
fand sich das unter Fig. 26 gleichfalls abgebildete Gcfass von gleicher Arbeit. 

Fig. 27, Bchwarze Urne, aber von nicht geschlemmtem Thon. 1867 auf dem Hohen Wege ge- 
funden in einer Kreisgrube. 

Fig. 28, Urne mit drei Fässchen von schwarzem nicht geschlemmten Thon, gefunden auf dem 
Hohen Wege. 



*) Der Herr Dr. Eugen Seil zu Berlin hatte die Güte, die tJntersnchung der Bronzen zu leiten, der- 
selbe äuasert sich über die Zusammensetzung im Allgemeinen wie folgt : 

Die wenigen, zur Untersuchung vorliegenden Bronzen Btammen entschieden aus einer Zeit, wo die Kunst, 
Metalle zu legiren, noch auf einem höchst unvollkommenen Standpunkte war, denn die einzelnen Stückchen 
zeigten deutlich Adern metallischen Kupfers. Die Masse, aus denen die Proben bestehen, ist eine Bronze von 
Kupfer, Zinn und Eisen. 

Was das Eisen angeht, so möchte der Verfasser erwähnen, dass dasselbe sehr wohl auf anderem Wege 
•ich äusBcrlich mit dem Fundstücke verbunden haben könnte, da in den Marschen sowohl, als in den Watten, 
•ich nicht selten Anfänge von Thoneisenbildongen zeigen. 



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Friedrich v. Alten, 



Ausserdem finden sich in der Sammlung noch drei Thongefässe, offene Töpfe, von röthüchem 
Thon (Fig. 29, 30, 31). Alle drei sind in den Jahren 18G6 und 1867 in der Kühe von Fedderwar- 
dersiel gefunden. 

Eine Anzahl dort gefundener Scherben, eämmtlich von röthüchem Thon, zeigen die in den 
Abbildungen gegebenen Verzierungen (Fig. 32 und 33); ganz ähnüch sind Bie an anderen Punkten 
der Marsch und in den Pfahlbauten des ßodensees gefunden worden. Merkwürdig erscheint, dass 
keine der erhaltenen Urnen oder Gefasse dergleichen Verzierungen zeigt. 

Es erübrigt jetzt noch, die sogenannten KQchenabfÜlle und Düngergruben zu betrachten. Die 
Lage beider Objecte war ähnlich wie in Oberahn, doch weicht ihre Construction von jenen hier 
und da ab, es fand sich z. B. eine Abfallgrube, kreisrund mit gespaltenen Bohlen von 6 Fuss Länge 
Umschlagen, in der sich schichtweise Scherben, aufgebrochene Muscheln, gespaltene Markknochen, 
Kinnladen von Kälbern, Schafen sehr kleiner Race u. s. w. fanden. Die Schichten waren durch 
sogenannten Darg getrennt Andere hatten quadratische Form, so eine Düngergrube von 130 cm; 
sie war gleichfalls mit rohen Pfählen und noch 2 m langen Planken Umschlagen, deren Zusammen- 
stürzen durch ineinandergefügte stärkere eichene Rahmbalken oben und unten gehindert wurde, 
aber weder die Zapfen, noch die Verkerbung oder die eingestemmten Löcher zeigen eine Spur von 
scliarfen Metallinstrumenten. Ucber dieser Düngerstätte fanden sich ebenfalls Pfähle kreuzweis 
eingeschlagen. Die Durchmesser der Hölzer sind in Folge der äusserst rohen Bearbeitung sehr 
verschieden, übersteigen indess 12 cm nicht Der in der Grube befindüche , sehr festgestampfte 
Dünger hatte eine dunkel olivengrünc Farbe und zeigte dcuüich Spuren von Vegetabiüen. Scher- 
ben kommen in den Düngerstätten nicht vor, wohl aber allerlei bearbeitetes Holz (Fig. 34 und 35.) 
Das in dem oberen Ende befindliche Loch ist, wie es scheint, mit einem stumpfen Instrument ein- 
gebohrt und ist nicht rund, sondern zeigt abgestumpfte Ecken; auBserdcm fanden sich Pfählchen 
und eine Anzahl kleiner Pflöcke , welche zum Zusammenhalten mehrerer dünn gespaltener Spähne 
gedient haben. Auffallend war das häufigere Vorkommen von gespaltenen Eichcnholzspähnen, 
welche oben stärker und schmäler, nach unten fein, keilförmig, bis zur Biegsamkeit, aber etwas 
sich verbreiternd ausüefen. Diese Spähne wurden vielleicht bei der Fabrikation der Urnen und 
anderer Thongefässe gebraucht. Die Form eines anderen hölzernen Instruments ist in Fig. 36 
abgebüdet, seine Bestimmung ist mir nicht ganz klar, möglich, dass es der Rest einer Hacke oder 
einer Art Spaten ist. Wie schon erwähnt, waren die Formen der Mehrzahl der Abfallgruben, 
denen auf Oberahn im Allgemeinen gleich, wenn auch einige Abweichungen Vorkommen, so z. B. 
eine dreieckige- mit Holz ausgepfahlte Grube, welche indess keine anderen Fundstücke erbrachte, 
als die bereits bekannten ; dahingegen fanden sich in einer anderen von der gewöhnlichen Form 
und ohne Holzverpfählung die Reste eines Geflechtes von Weiden, wie es scheint. Ob dies Ge- 
flecht ein Korb in unserem Sinn gewesen, möchte ich bezweifeln, da die stärkeren Querstäbe zu 
weit voneinander lagen, ich vermuthe vielmehr, dass cs der Rest eines zum Fischfang bestimmten 
Korbes gewesen, wie sie noch heute hier zu Lande, besonders zum Aalfang, vielfach benutzt wer- 
den. Aus derselben Grube kam noch das (Fig. 37) abgebildete hölzerne Instrument, welches leb- 
haft an da» in Uaddien (b. Abtheilung II) ausgegrabene (Fig. 1) erinnert und wie dort zwischen 
aufgebrochenen Muscheln gefunden wurde, zu deren Oeffnung es gedient haben mag. 

In einer anderen Abfallgrube fanden sich, wie in allen übrigen, zahlreiche gespaltene Knochen, 
auch Kuhhorner, ein Eberzahn, ein Knöchelchen aus dem Vorderfusse eines SchweineB, und mitten 



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Die Kreisgruben in den Watten des Herzogthums Oldenburg. 177 

in einem durchstochenen Stück D arg, in welchem ein Urnenreet» ein Hühnerei*). Auch in anderen 
Gruben wurden Reste von Eierschalen als Einschluss in dem Darg gefunden. Zu bemerken ist, 
dass diesen Dingen siimmtlich der Leim entzogen, im Gegensatz zu denen in Dangast aufgedeck- 
ten, wo den Knochen der Kalk entzogen und nur die Leimsubstanz übrig. 

Ausser den im Vorstehenden beschriebenen Gegenständen fand ich auf den Watten, meistens 
durch die abgelaufene Ebbe aus dem Schlamm der untersuchten Gruben aasgespült, verschiedene 
Fischnetzbeschwerer, darunter einen von Tuffstein, welcher kreisförmig gewesen und in der Mitte 
durchbohrt ist; ein zweiter, ein roher Feldstein, ist in der Mitte rund herum eingekerbt, um die 
betreffende Schnur oder dergleichen darum zu binden. 

Da die Küste östlich von Fedderwardersiel überall an wächst, auch nach Aussage der Scblengen- 
arbeiter, welche ich bisher benutzt, dort gegenwärtig keine Spuren von Kreisgräbern vorhanden waren, 
so begab ich mich, bie und da vom Deich aus die Watten überblickend, nach Waddensersicl, wo 
freilich, wie von dortigen Einwohnern behauptet wurde, bis dahin nichts Aehnliches bemerkt war. 
Da die Küste dort indes* in Abbruch liegt, so hielt ich es für rathsam, dieselbe einer genaueren 
Untersuchung zu unterziehen; ich hatte mich denn auch in meinen Erwartungen nicht getäuscht, 
denn etwa 800 m nordöstlich von dem Funkte, wo in der Sturmfluth von 1685 die alte Wad- 
denser Kirche mit einem Theile des Dorfes untergegangen, entdeckte ich Soden umstellte Kreise. 
Es scheint, als ob die noch vorhandenen die letzten Reste der Gräber, da sie sämmtlich erst bei 
sehr niedriger Ebbe, ja eines sogar erst bei niedrigstem Wasser zu Tage traten. Ihre Grössen- 
Verhältnisse sind den vorher beschriebenen gleich, auch der Schnitt und die Beschaffenheit der Soden 
ist derselbe wie in Oberahn, aber die Soden waren nicht eigentliche Moontoden, sondern wohl aus 
der nächsten Umgebung genommen. Die Zerstörung dieser Kreise war fast völlig, nur noch eine 
Schicht der Soden machte sic bemerkbar, daher fanden sich auch keine völlig erhaltenen Urnen 
vor. Die Untersuchung bot überhaupt ganz ungewöhnliche Schwierigkeiten, thcils weil es wegen 
der Flüssigkeit des Schlicks überhaupt sehr mühsam war, bis an die Kreise heranzukommen, 
theils wegen der so ungleichen Tiefe desselben, so dass nur nach vorhergegangener Untersuchung 
mit einem Stabe ein Weiterschreiten gewagt werden konnte. Nicht geringere Schwierigkeiten 
bot die Untersuchung der Ansiedelung selbst, denn auch hier fanden sich länglich viereckige 
Düngerstätten und Abfallgrubon zwischen den Gräbern , da wegen der rasch wiederkehrenden 
Fluth , theil weise im Wasser gearbeitet werden musste. Hätte nicht ein glücklicher Zufall ein 
treibendes Boot an jene Stelle geführt, so würde es nicht möglich gewesen sein, die gemachten 
Funde fortzubringen, da tlas rasch steigende Wasser zu schleunigster Flucht mahnte. Soweit 
die Umstände es erlaubten, habe ich die Gräber gezählt, ich sah deren acht, von denen aber 
nur vier genauer untersucht wurden; dasselbe gilt von den Abfallgruben und Düngerstätten, 
nur hier und da konnten wegen der missgünstigen Fluth flüchtige Untersuchungen angestcllt wer- 
den, welche aber doch das Resultat der Gleichinässigkeit mit den auf dein Hohen Wege u. s. w. 
gefundenen lieferte. Gefunden wurde in den Gräbern: 

Eine Anzahl Scherben, unter denen mehrere recht dünne, roth gebrannte sich befinden. 



*) Cäsar fand bei den Britten schon Hühner. Die Annahme, dass das Huhn schon weit früher auch in 
unserem Norden bereits Hausthier gewesen und wahrscheinlich von Osten eingeführt, hat neuerlich Victor 
Hehn, besonders auf sprachliche Gründe gestützt, nachgewiesen. 

Archiv för Anthropologie. Bil. VII. Hrfl I. 23 



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178 



Friedrich v. Alten 



Der Thon ixt im Ganzen feiner, enthält nicht #o viel Steinchen, die ganze Arbeit ist eine sorgfäl- 
tigere wie bei den früher beschriebenen, auch zeigen sich hier und da parallele Kreise als Ver- 
zierung angebracht. Leider fand sich keine einzige unversehrte Urne, nur eine ist soweit erhalten, 
dass sie deutlich auf die unter Abtheilung Hoher Weg (Fig. 15) dargestellte Form hinweist, auch 
die technische Beschaffenheit ist dieselbe, schwarz gebrannter Thon mit drei Füssen. Die Um- 
stände, unter denen diese Urne gefunden, bietet ein besonderes Interesse. Sie stammt aus der 
Grube, welche unmittelbar an dem Rande des Wassers erst bei niedrigster Ebbe zu Tage kam. 
Der ganze obere Theil der Grube war von den Wellen abgeschlagen, so dass nur noch eine Reihe 
Soden lag. Schon der erste Spatenstich ergab bearbeitetes Holz; dies war ein Wink für vorsich- 
tige Untersuchung und nicht lange währte es, so kam ein völliges Wagenrad Fig. 38 (vergleiche 
Lindenschmit, vaterl. Alterth. der fürstl. hohcnzollernschen Sammlungen, S. 136 bis 141) zu 
Tage, aber keine Spur von Metall zeigte sich. Mit der grössten Behutsamkeit wurde das ganze 
Rad, welches genau die Grube in ihrer Peripherie ausfüllte, blossgelegt, und zu grosser Ueberraschung 
fand sich in der Mitte des Rades auf der Nabe eine Urne, deren obere Hälfte von den Wellen ab- 
geschlagen, jetzt noch einen Durchmesser von 244 mm hat, sie Bteht auf dreieckigen Füssen. 
In derselben fanden sich Kohlen, Schlacken, Reste von einer Muschel und ein rundes Steinkügel- 
chen von 12mm Höhe und 10mm Breite. Das Rad, auf dem die Urne stand, zeigt eine Nabe 
von etwa 40cm Höhe. Es ist dieses Maass nur annähernd anzugeben, weil nur die eine Hälfte zu 
retten war, wohingegen es gelang, einen grossen Theil Speichen ziemlich unversehrt an das Tages- 
licht zu bringen; eB sind deren zehn vorhanden und zwar von Eichenholz. Dieselben sind nach 
dem Ende, mit welchem sic in den Kranz befestigt waren, abgerundet und stumpf zugespitzt, am 
entgegengesetzten Ende, wo sie in die Nabe eingelassen, verstärken sich die Speichen und erscheint 
der Durshsclmittoval. 

Die Maasse sind folgende: 

Länge 475 mm 

Breite am Nabenende 35 „ 

Durchmesser ... 25 „ 

Das Achsenloch in der Nabe selbst hat etwa einen Durchmesser von 110 mm gehabt. Die 
Breite der Felgen beträgt etwa 70 mm, ihre Dicke ebenfalls 70 mm, die Länge scheint 560 mm, 
vielleicht 800 betragen zu haben. Da, wo die Felgen zusammenstossen, sind zu beiden Seiten des 
Querschnittes Löcher eingebohrt, in welche stumpf zugespitzte Pflöcke von Eichenholz eingetrieben sind, 
wodurch die Felgen mit einander in Verbindung gebracht worden. Diese Pflöcke sind etwa 21 cm 
laug. Die Speichen sind in der Art in die Nabe eingelassen, dass diese ganz durchbohrt erscheint, 
ebenso die Felgen, beides gemäss der Fora» der Speichen, im Kranze rund, in der Nabe oval. 

Bemerkenswerth erscheint, dass sich keinerlei Spuren der Bearbeitung des Holzes mit scharfen 

Mutallinstrumenten zeigt, ebensowenig fanden sich anderweite Spuren von Metall, als Reifen oder 
sonstiger Beschlag, Nicht« deutet auch nur darauf hin. In einer anderen Kreisgrube fand 

sich gleichfalls eine Art Rad, jedoch, wie es scheint, neueren Datums, die Felgen sind weit 

massiver, von Buchenholz und viel genauer gearbeitet; wenn sich auch kein Beilhicb an denselben 
erkennen lässt, so zeigen doch die Pflöcke, welche die Felgen mit einander verbinden, an den ab- 
gestumpften Spitzen deutlich Spuren einer Bearbeitung mit scharfen Instrumenten, schärfer als 
Steinwerkzeuge dieselben hervorrufen konnten, ebenso sind deutlich die Spuren eines Metallbohrers 



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Die Kreiegruben in den Watten des Herzogtums Oldenburg. 179 

za erkennen, welcher bei Bohrung der Löcher für die Speichen angewandt wurde. Die Maasse der 
Felgen, von denen nur zwei gerettet werden konnten, sind 55 cm Länge, 10 bis 12 cm Durchmesser, 
7 bis 8 cm Dicke. Die verbindenden Pflöcke sind von Kichenholz und etwa 19 bis 20 cm lang. 
Auch in dieser Grube zeigten sich Reste von Aschenkrügcn. 

Ob die erwähnten Räder nur in die Gräber gelegt, um den daraufgestellten Urnen eine festere 
Unterlage zu geben, oder ob dieselben mit Religionsgebräuchen Zusammenhängen, möchte in 
diesem Falle schwer zu entscheiden sein. 

Wie an den anderen Fundstellen war auch hier der ganze Strand mit Scherben abersäet, aber 
nur zwei von den zahlreich aufgesammelten Bruchslucken zeigten eine Spur von Verzierung, 
welche in parallelen Kreisen bestanden haben. Die Beschaffenheit der Scherben unterscheidet 
sich wesentlich durch die Farbe, einige sind röthlich, diese scheinen die älteren, weil sie auf dem 
Bruch vielerlei Sternchen zeigen, obgleich die Wandfläche sehr dünn. 

Zwischen den Kreisgruben fanden sich auch hier, wie am Hohen Wege und auf den Inseln des 
Jahdebusens, länglich viereckige Gruben, welche eich theils als Dflngergrubcn, theils als Küchen- 
abfiille zeigten, es fanden sich in demselben grosse Massen geöffneter Muscheln, gespaltene Mark- 
knochen und bearbeitetes Holz, ganz in der Art, wie es in den übrigen Ansiedelungen gefunden 
wurde. 



23 * 



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II. 



Ausgrabungen bei Haddien im Jeverland, nebst einigen Nachrichten über 
ähnliches im Herzogthum Oldenburg. 



In Jeverland, östlich von dem Kirchdorfc Waddewarden, dessen schöne, mit behauenem Granit und 
Quadersandstein bekleidete Kirche St. Johannis nebst dem sehr merkwürdigen Taufstein, wohl 
eine besondere Betrachtung verdiente*, liegt, tief in der Marsch, das Dorf Haddien, durch welches 
die Strasse von .Jever nach dem Hafenorte Hoocksiel führt» 

Das Dorf Haddien, ehemals der Sitz eines Dynastengeschlechtes gleichen Namens, liegtaul* 
einem ansehnlichen Wurp, in welchem beim Umgraben der Gärten nicht selten Scherben von Urnen, 
auch menschliche Gebeine gefunden wurden. 

Dies Dorf ist seiner Lage nach eines der äussersten alten Ansiedelungspunkte in den Marschen; 
etwa 8000 Fuss östlich von Haddien finden sich die Reste des Packenser alten Deiches, dessen 
Kntstchungszeit uns nicht bekannt *), während die Namen der hart an demselben liegenden Ort- 
schaften theilweise schon um die Mitte des 12. Jahrhundert« erscheinen, als z. B. Wiarden; diese 
Ortschaften liegen übrigens gleichfalls auf Erhöhungen, sogenannten Warpen, sind mithin wohl lange 
vor Anlage der Deiche entstanden. Der nächste, östlich vom Packenser alten Deich 3500 Fuss ent- 
fernte Deich ist 1571 erbaut, derselbe heiBst jetzt Mitteldeich, weil noch weiter östlich, etwa 1600 
Fuss der erst in diesem Jahrhundert erbaute eigentliche Seedeich liegt» 

Die Annahme, dass die Wurpen lange vor der Erbauung der Deiche entstanden, bedarf kaum 
einer näheren Erörterung, doch möchte ich noch erwähnen, dass nicht alle Erhöhungen, welche 
diesen Namen führen, als künstliche erscheinen, manche dürften auf natürlichem Wege entstanden 
sein. Derjenige Hügel, um den ehemals mehrere von geringerem Umfange gelegen haben sollen, 
von «lern hier des Näheren die Rede sein soll, ist aber bestimmt von Menschenhänden aufgeworfen. 



*) Nach deu Mittheilungen von Outhof, Verhaal van alle hoge Waterfloden, dürfte anzuoehmen sein, dass 
Bedeichungen bereits um die Mitte des 7. Jahrhunderts ziemlich allgemein waren. Im Asega-Bnch finden 
sich schon Andeutungen eines Deichrechtes. Von 1308 ist das älteste Deichrecht. Dat geheele Dijckrecht 
des Landes Salland. Ein Jahrhundert früher (1218) bestimmte der Laudt&g zu Upstallaboom, für alle sieben 
Seeland»?, dass nachbarliche Dorfachaften wegen dringender Gefahr, vereint die gleiche Last der Herstellung 
des Seedeiches zu tragen hätten. 



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Friedrich v. Alten, Ausgrabungen bei Haddien im Jeverland etc. 181 

Er liegt zwischen dem Orte Waddewarden und Haddien, etwa 1300 Fubs von letzterem Orte ent- 
fernt, der alt© Weg führte sorgsam um denselben, während die neu angelegte Strasse den HQgel 
an seiner südlichen Seite durchscbneidet 

Meines Erachtens war hier eine Stätte religiöser Verehrung, ich glaube dies einestheils aus 
der Benennung der Erhöhung Bauga-Barg, Ringstätte, schliessen zu dürfen, anderntheils sind auch 
Uoberlieferungen auf uns gekommen, welche jene Ansicht noch deutlicher beurkunden. 

Dem Volksglauben nach hausen nämlich feurige Geister auf jenem Hügel, zu Zeiten geht dort 
ein feuriger Eber um, im 16. Jahrhundert hielt man den Bauga-Barg für den Sammelplatz der 
Hexen. In neuerer Zeit, d.h. vor etwa 60 bis 80 Jahren, wollte man oft Flämmchcn auf dem Hügel 
gesehen haben, hier also mussten Schätze vergraben sein, bei nächtlicher Weile wurde dann auch 
danach geforscht, und sicher in Folge dessen, eine Anzahl Urnen zertrümmert, wie dies noch 1822 
oder 1823 geschehen. Damals begannen die ersten Abgrabungen, etwa 4 bis 5 Fuss wurden ab- 
getragen, man fand Skelete, steinura setzte Urnen, sowie einen Hügel von grösseren und kleineren 
Kieselsteinen, von 8 bis 10 Fuss Durchmesser, in dieser steinlosen Gegend, ein wohl zu beachtender 
Umstand, auch Bronze und Eisensachen wurden entdeckt, doch ist von Alledem nichts erhalten. 
Eine Reihe von Jahren später, wurden die Abgrabungen fortgesetzt, um etwa 5 bis 6 Fuss, auch bei 
dieser Gelegenheit sind Bronzen und Urnen gefunden, erstcre gingen als Kinderspielzeug unter, 
letztere wurden zertrümmert. Gegenwärtig ragt der Hügel noch etwa ö bis 6 Fuss über die um- 
liegenden Weiden empor, bei einer Ausdehnung von etwa 200 Fuss von Süd zu Nord und 150 Fuss 
von West zu Ost 

Im Frühling 1872 wurde mir die Miltheilung gemacht, dass mit dem gänzlichen Abfahren des 
Hügels wieder begonnen sei; sofort begab ich mich an Ort und Stelle, und fand bereits, leider ein 
bedeutendes Stück ganz abgefahren, soweit wie es die punktirte Linie auf dem Plane angiebt 
Mehrere der unten beschriebenen Gegenstände, wie Nr. 3 bis 9, waren bereits gefunden, doch war 
die Oertlichkeit noch genau zu ermitteln. Es ergab sich aus diesen Ermittelungen, dass die 
Asclienkrüge sämintlich auf den 33 bis 80 Centiraeter von einander entfernten Kohlenschichten, 
in denen sich ausserdem noch viele Scherben *), Glasschlacken , Thierknochen und Hörner fanden, 
gestanden hatten, sie waren meist umgeben von einigen Steinchen, Glasschlacken, Hörnern, auch 
Kinnbacken von Schaf und Rindvieh. Eine dieser Urnen stand auf die andere gestülpt, in beiden 
fanden sich Kinderknochen. Die Glascorallen und das unten beschriebene Metall - Congloim rat 
fanden sich auf gleicher Ebene mit den Skeleten. Siehe das Kärtchen 1, 2, 3, 4. 

Nachdem diese Verhältnisse klargestellt, begann ich die Ausgrabungen fortzusetzen, bald fand 
ich bei D die auf dem Plane angedeuteten Skelete, deren Länge die gewöhnliche Durchschnitts- 
grosse nicht überstieg, eher dahinter zurückblieb, sie betrug durchschnittlich 169 Centimeter. 
Zwischen ihnen fanden sich gleichfalls Scherben, aber kein Gefüss, so dass es scheint, dass dieselben 
nicht ursprünglich sich dort befunden haben. Anderer bei demselben gefundenen Sachen ist unten 
gedacht 

Die Skelete lagen in zwei Reihen, etwa 12 Fuss von einander entfernt, und zwar in der 
Richtung von Südwest nach Nordost Die Arme lagen flach neben dem Körper, ebenso die Beine 

>) Wiederholt habe ich bei Ausgrabungen bemerkt, dass sich unter den Scherben viele fanden, welche 
Verzierungen trugen, geometrische Formen, ich musste dabei an den Gebrauch indischer Völker (Pundjab) 
denken, welche noch heute, bei der Verbrennung der Leichen ein irdenes Gefass zerbrechen. 



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182 



Friedrich v. Alten, 



nicht gekreuzt, die Fite*? etwa» nach ein wärt« gekehrt Die Schädel aller Skelete, mit Ausnahme 
zweier, haben schwere Verletzungen, welche von stumpfen Instrumenten herzuröhren scheinen, 
manche derselben waren gänzlich zertrümmert. Bei einem derselben befand sich der Unterkiefer 
im Hinterkopf, dieser Schädel lag auf dem Beckenknochen eines Skeletes (2), welches in kauern- 
der Stellung zwischen zwei anderen Skeleten bei D lag. 

Schliesslich nahm ich noch Veranlassung, den Klei an verschiedenen Stellen durchgraben zu 
lassen, bei dieser Gelegenheit stiess ich bei B etwa 25 Centimeter Tiefe auf eine Döngerstätte 
(reichlich 2 Meter tief unter dem höchsten Punkte des Hügels) in welcher da« Schilf zwischen dem 
sehr harten , dunkelolivengrünen Dünger sehr wohl zu erkennen war. Die Stätte seihst erschien 
mit einer faserigen Borke verdeckt, was mich vermuthen lässt, dass der fest gestampfte Dünger 1 ) 
als Brennmaterial gedient haben mag, man suchte dies durch das Ueberdecken mit Borke, gegen 
die Witterung zu schützen. In derselben Gegend etwas weiter seitwärts in die Tiefe gehend, aber 
nur um ein geringes, fand ich bei JK nicht allein zahlreiche Muscheln der Mytilus edulis, summt- 
lieh aufgebrochen, sondern auch den Fuss eines sehr massiven, kleinen Thongefaeses , welches auf 
dem Bruch viele Kieselstückchen zeigt. Auch gespaltene Knochen und bearbeitetes Holz wurde 
hervorgezogen. Das umgebende Erdreich war Darg. Gehe ich jetzt zu der Beschreibung der 
einzelnen Fundstücke über, so habe ich wieder mit den Küchenabfullen zu beginnen. Das bereits 
erwähnte Holz besteht aus zugespitzten Pfahlchen, von denen eins bis auf den innern Kern, von 
etwa 4 Millimeter Durchmesser völlig mit Kalk durchdrungen, so dass es klingend und als fast 
völlig fossil anzusehen ist. Dies Stück hat eine Länge von 1 6 Centimeter, im Durchmesser von 22 
Millimeter nach unten sich verjüngend nnd in einer scharfen Spitze auslaufend, an denen sich die 
Anwendung von eisernen Instrumenten nicht erkennen lässt. Weiter fand sich eine Art hölzerner 
Messerchen, fast geformt wie unsere heutigen Austern messer, sic scheinen zum Oeffnen der Muscheln 
gedient zu haben (wie Fig. 37 Tafel XVIII) und das Fragment eines Holzes, in welches ein Pflock 
eingetrieben , dasselbe könne wohl von einem hölzernen , ausgehöhlten Gefass herstammen. Die 
Knochen gehörten sämmtlich dem Rindvieh und Schaf an, wobei zu bemerken, dass beide Itacen 
weit kleiner gewesen sein müssen als die heutigen. (Die Erweiterung der Untersuchung dieser Stätte 
ist Vorbehalten.) Das unmittelbar auf dem Darg liegende Erdreich ist Klei, woraus der ganze Hügel 
besteht. Diese ganze Schicht ist übersäet mit Knochenresten, sowohl menschlichen wie thierischen, 
besonders auch Pferdeknochen. Unmittelbar über der oben erwähnten ältesten Schiebt fanden 
sich auch die Skelette, jedoch völlig in Klei eingeschlossen, so dass die Losarbeitung derselben 
nur mit grosser Mühe, mittelst kleiner Spaten und grösseren Messern gelang. Es fand sich keine 
Spur von Holz oder stofflichen Gegenständen, aber in der llüftgegend der bei 1 und 3 (siehe die 
Karte) angemerkten Skelete, zeigten sich Reste von total oxydirten eisernen Ringen, sehr wahr- 
scheinlich Gürtel oder Wehrgehänge, ausserdem fand sich ura die Taille des Skeletes bei 3, ein 
dünner, hohler Bronzegürtel oder Reif, von 5 Millimeter Durchmesser, dessen Inneres mit Flachs- 
faBer durchzogen. Nur durch die grösste Sorgfallt gelang es ein fingerlanges Stückchen davon zu 
retten. Bei einem anderen waren noch Spuren von einem eisernen Gürtel oder Wehrgehängc 
um die Hüften zu bemerken. Was die Schädel der Skelete angeht, so zeigten sich drei 



*) Noch heute wird Dünger als Brennmaterial in den Marachen hie und da benutzt. 



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Ausgrabungen bei Haddien im Jeverland etc. 183 

Spitzköpfe und ein Stampfkopf 1 ); einer der Spitzköpfe, von dem mittleren Skelete, war ganz zer- 
trümmert. 

Diese Schädel kommen denen in Nilsson’s Werke, das Steinalter oder die Ureinwohner 
Skandinaviens, sehr nahe, noch mehr aber gleichen sie den Escbricht’s Vortrage über die Ge- 
rippe der Hünengräber beigegebenen Zeichnungen*). 

In gleicher Höhe mit den Skeleten bei F (siehe die Karte) wurde ein Haufen zusammen- 
gerosteter Metallstücke gefunden, etwa 30 bis 40 Centimeter Durchmesser. 

Bei meiner Ankunft fand ich diesen Haufen bereits von den Arbeitern zertrümmert, dieselben 
hatten Schätze in demselben vermuthet. 

Bei genauer Durchsicht und Reinigung der Stücke, ergab es sich, dass dieselben aus Bruch- 
stücken von Waffen, Rüstungsgegenstanden und Schmucksachen bestanden, auch ein Wetzstein 
(Kunstproduct von bläulicher Farbe, anscheinend Thon und Sand gemischt) fand sich. Sowohl 
metallisches Eisen wie Bronze ist vorhanden. Manche dieser Bruchstücke waren augenscheinlich 
eiserne Ringe gewesen, von denen einer von 6 Millimeter Durchmesser, mit sehr dünnen auf- 
gelegten, in Farallelkreisen laufenden Silberstreifchen verziert ist, jeder dieser Streifehen hat einen 
Millimeter Durchmesser (Fig. 39 T. XIV). Andere Ringe zeigen desgleichen Spuren von ähn- 
lichen Verzierungen, während andere kleinere, nur von Eisen gearbeitet, auch hohl gewesen sind. 
Der Durchmesser derselben wechselt zwischen 7 Millimeter bis 3 Centimeter. Aufrechtwinklige 
Glieder (eiserne Bruchstücke), welche zu Wehrgehängen gedient haben können, kommen darin vor. 
Ferner eine eiserne Schnalle, von 4 Centimeter Länge und 3 1 /* Centimeter Breite? (Fig. 40 T. 19). 
Besonders auffallend erscheinen die, gleichfalls in demselben Conglomerate gefundenen Bruch- 
stücke einer eisernen Rüstung, so schwer, dass inan dieselben für Bruchstücke einer Pferderüstung 
halten sollte. Ihre Form ist gewellt (Fig. 41 T. 19) auch scheint es als ob die Ränder mit 
Parallelstrichen gravirt gewesen. 

Viele dieser Gegenstände sind hohl gearbeitet, sie scheinen einem Pfcrdegebisa angehört 
zu haben. Einer der bereits erwähnten Wetzsteine (Diorit) von 8 Millimeter Durchmesser, 
7 Centimeter Länge und 2 l / t Centimeter oberer, und 6 Millimeter unterer Breite, also fast dreieckig, 
lag zwischen denselben Bruchstücken, ein anderer, mit den nachstehend zu bemerkenden Glas- 
perlen liegend, veijüngt sich nach beiden Seiten. Länge C Centimeter, Breite in der Mitte 1 */j 
Centimeter, an den Enden 8 bis 9 Millimeter, ln demselben Haufen fanden sich Eisenatückc ver- 
schiedener Länge, welche aneinandergepa&st die Form von kurzen eisernen Schwertern oder langen 
Dolchen geben (Fig. 42 T. 19). Eines derselben hat jetzt noch die Länge von 44 Centimeter bei 
einer Breite von 3 Centimeter, das Zweite hat 22 Vi Centimeter Länge und 2 l /j Centimeter Breite, 
das Dritte 16 Centimeter Länge und 3*/i Centimeter Breite. Alle drei sind in der Form, soweit 
es sich noch erkennen lässt, einander sehr ähnlich gewesen. 

An Perlen (A a. d. Karte) wurden 42 Stück 5 ) gefunden, darunter 10 kleine von rothem Thon 
und eine grössere, welche zu beiden Seiten etwas ausgeschweift und unten abgestumpft ist, tlie- 



*) Wahrscheinlich gleich Langköpfe oder Randköpfe. Red. 

*) Siehe amtlicher Bericht über die 22. Versammlung deutscher Naturforscher und Aerete 1844. 8. 92. 

*) Zwei lange und vier runde Perlen aus diesem Hügel befinden sich in der Alterthümersammlung zu 
Emden. 



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184 



Friedrich v. Alten, 



selbe ist in ihrer Höhe durchbohrt Andere sind vier- oder fünfeckig, etwa von 2 Millimeter Durch- 
messer und 1 Centimeter Länge. Der Rest besteht aus Glasperlen, einige sind Indigoblau, andere 
erscheinen wie mit Schmelz überzogen, welcher Bich bei Berührung leicht abschuppt, die meisten 
der Perlen sind zu drei bis vier Stück stabartig aneinander gereiht, ihr Durchmesser ist 4 bis 6 
Millimeter. Am meisten fallen diejenigen in die Augen, welche durch die Figur 43 der Tafel 
19 wiedergegeben werden. Es ist augenscheinlich, dass dieselben in noch flüssigem Zustande 
zusammcngebogen sind, wie die Nähte, wo sich die Wände treffen, deutlich zeigen, auch sind die 
Löcher in denselben nicht rund. Zu bemerken ist, dass ganz ähnliche Perlen bereits 1825 in der 
Gegend von llusum und Westrittrum, beides Dörfer zwischen Wildeshausen und Oldenburg, in 
Todtenhügeln (Kegelgräbern) im Sande gefunden sind, dieselben sind weit besser erhalten, be- 
sonders die hellen Farben 1 ). Die Farben gehen durch die ganze Fläche, erscheinen somit nicht 
aufeinander, sondern aneinander gelegt, wie bei der Mosaik, aber doch verschmolzen. 

An Bronzesachen wurden in dieser Schicht gefunden: Ein Bronzeringelchen (Fig. 44 T. 19) von 
IVj Centimeter Durchmesser, verziert mit einigen vertieften Strichelchen, ferner das Bruchstück eines 
Ccltes, Reste einiger Spangen oder Glieder (Fig. 45 T. 19), sowie ein Haarzängelchcn (Fig. 46 T. 19). 
Ausser diesen Dingen fanden sich an verschiedenen Stellen zwischen den Knochen, auch 14 Stück 
knöcherne Damsteine, von denen 12 Stück verloren sind, dieselben sind aus dem Fesselgelenke 
eines Pferde» oder Rindes gearbeitet und zwar geschliffen. An der abgeplatteten Seite findet 
sich ein konisch eingearbeitetes Loch, dasselbe ist schief eingebohrt, Durchmesser desselben 4 
Millimeter, Höhe 2 Centimeter, Durchschnitt an der Abplattung 3*/ f Centimeter (Fig. 47 T. 19). 

In der dritten und jüngsten Schicht fanden sich die Aschenkrüge, in verschiedener Feinheit 
und Grösse. Besonders muss der eine derselben unsere Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen. 



Seine Höhe ist 315 Millimeter 

Grösste Breite 218 „ 

Mündung 93 „ im Lichten 

Halsenge 79 „ 

Dicke des Thones an der Mündung . 6 „ 

Durchmesser des Fusses 98 „ 



Die Verzierung zeigt die Figur 48 Tafel 19. Der Thon ist von hellgelblicher Farbe, wie 
unsere hellen Ziegelsteine, und zeigt keine Spur von kleinen Sternchen oder gestampftem Gra- 
nit, er ist »ehr fein geschlemmt Sein Inhalt besteht neben Kohlen, verkohlten Knochen u. s. w. aus 
vielerlei Eisenresten, Stücken von Waffen, Nieten und von meist unkenntlichen Gegenständen, 
mit Ausnahme des (Fig. 49 T. 19) abgcbildeten Messers, welches hohl gewesen sein kann, w'enn 
nicht der Kern dem Verrosten rascher ausgesetzt gewesen ist als die festere Umgebung. In einem 
der Bruchstücke fand sich der Rest eines kittartigen, gestrichelten RingeB, auf der Oberfläche zeigt 
sich noch Kupferoxyd. In demselben Stück finden sich Blasen, welche verglast erscheinen. Die 



') Nach vom Hofrath Hausmann in Göttingen 1825 angeatellten Untersuchungen ist das blaue Glas durch 
Eisen gefärbt, das rothbraune und grüne durch Kupfer, das gelbe durch Spiessglanz, das weiese durch Zinn, 
das gelbbraune Bich in die Orangef&rbe ziehende durch Kupfer , welchem vermuthlich Spiessglanz zugeführt 
wurde. 

Dieselben färbenden Bestandtheile hat man in römischen Glaspasten aufgefunden (siehe Oldbg. Blätter 
1826, Nr. 8). 



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4 



Ausgrabungen bei Haddien im Jeverland etc. 185 



nächste Urne ist von sehr grobem Thon, auch Behr steinhaltig und völlig schwarz. Die Maasse 


sind folgende: 




Höhe etwa • • . 


200 Millimeter 


Breite 


175 , 


.Mündung abgebrochen. 




Fnsi .... 


• 106 


Dicke der Wand 


■ 12 , 



Sie enthält verbrannte Knochen, Glaschlacken und ein Eisenconglomer&t, unkenntlich. 



Die nächsten beiden Urnen (Fig. 50 T. 19) waren aufeinander gestülpt, dieselben sind von 
grobem schwarzen Thon, stark mit Quarz gemischt. Der untere, äussere Theil der grösseren 
erscheint roth gebrannt, der obere ist schwarz, das Innere etwas heller. Die kleinere ist überall 
schwärzlich. In der grösseren Unteren, deren Maasse folgende: 

Höhe 147 Millimeter 

Breite 148 n 

Mündung ♦ • . • 120/27 „ 

Fass abgerundet, 



Wanddicke ... 7 bis 10 Millimeter 

fand sich ausser Knochen, Kohlen, verglaste Schlacken, ein Wetzstein von nahezu dreieckiger 
Form, wie bereits ein ähnlicher erwähnt, ferner mehrere eiserne hohle (4 mm) Hinge, wie auch ein 
solcher mit eckigen, 7 Millimeter breiten Flächen und ein Dolchmesser, wie oben bereits be- 
schrieben, aber etwas kleiner, und nicht hohl. Auch das viereckige hohle Glied (Eisen) eines Wehr- 
gehäuftes wurde gefunden, sowie ein ovaler Hing. 



Besonders beachtcnswerth scheint eine in der Mitte durchbohrte, kittartige, harte, kreisförmige 
Tafel (Zinnscheibe), an deren Oberfläche sich bedeutende Spuren von Kupferoxyd zeigen. Die 
in Fig. 51 T. 19 angedeuteten Verzierungen sind eingeritzt, und befinden sich nur auf der einen 
Seite. Die Dicke dieses Täfelchens, welches den Eindruck des Knaufs, eines hohlen Schmuck- 
gegenstandes macht, beträgt 10 Millimeter. Die bereits erwähnte aufgestülpte Urne (Fig. 50), 
deren Maasse folgende 

Höhe .... 90 Millimeter 
Breite ... 99 „ 

Mündung . . 88 „ 

Halsenge . • 85 „ 

enthielt neben einem Conglomerate von Knochen, Eisen und verglasten Schlacken, noch den Rest 
eines eisernen Ringes von 5 Millimeter Durchmesser, 4 Vs Centimeter Länge und 2 Centimeter 
Höhe, und den eines Kammes von grauem Horn, auf dessen oberer Seitenfläche eine Verzierung, 
wahrscheinlich von Metall, angebracht gewesen ist, cs zeigt sich an dieser Seitenfläche ein Ein- 
druck und auch ein Loch für ein Stiflchen. Ferner fanden sich noch vier aneinanderpassende 
Bruckstücke eines etwas gewölbten, rautenförmig gestrichelten Täfelchens (Fig. 52 T. 19). 
Dasselbe besteht aus feingeschlämmtem weissen Thon oder Kreide. Ebenso die Hälfte eines 
glatten, rautenförmigen Täfelchens von gleicher Substanz, in der Mitte hatte dasselbe ein Löchel- 
chen, vielleicht um das Täfelchen als Amulet zu tragen. 

Anbh für Aotbropototf*- Bd. VII. H«fl 9. 24 



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186 



Friedrich v. Alten, 



Zwischen den unten liegenden Knöchelchen kamen noch zwei kleine Thonperien zum Vor- 
schein, von denen die eine sich durch ihr dunkele» Koth besonders auszeichnet. 

Die letzte der Unten von sehr grober, schwarzer Masse, enthielt nichts als Knochenreste. 
Unter der Masse der gefundenen Scherben zeigte keine einzige feinere Arbeit, oder Feinheit 
des Thones, alle Bruchfläclien waren stark mit Kies (Quarz) durchsetzt, und erscheinen, besonders 
was die Henkel angeht, sehr schwerfällig gearbeitet. Nur auf zwei Scherben wurden Verzierungen 
gefunden, kreisförmige Striche um die Urne laufend, oder schräg gestrichelt. 

Mich auf diese tliatsächlichen Mittheilungen beschränkend, behalte ich mir vor, diesen Bericht 
zu vervollständigen, Bobald die Ausgrabungen fortgesetzt werden. 



Jeverland. 

Im Kirchspiel Minsen wurde 1731 ein Silberfund auf den Grundstücken des Lübbe Simons, 
gemacht, wie das nachstehende Document näher angiebt. 

Ew. Hochfürstlichen Durchlauchtigkeit haben Wir hiedurch in aller unterthänigkeit zu refiriren 
keinen Umgang nehmen sollen, dass vor einigen Tagen ein armer Mann in Minsens Kirchspiel 
(auf den Grundstücken des Lübbe Simons) nahmens Ike Jannen etwa Zwey Fusb tief in grüner 
Erde, bey Gelegenheit, dass Er einen Wühl Schloot ausgraben wollen, Zwey Pfnnd 14 Loht Silber 
gefunden, welches in Röhren gegossenen lange figurirte Stangen, so in der Runde zusammen ge- 
wunden, und an einem Ende mit einem Auge am andern aber mit einem Knop auch theils mit 
Zwey Augen gemaoht sind und in andere 15 kleine gebrochene Stücke besteht 1 ). Wir haben 
solches Silber wohl Verwahrt und ohnversehrt anhiro bringen, und in Ilochfürstl. Rente Kammer 
ausstellen lassen, bis Ew. Hochfürstl. Durchlauchtigkeit ob es dem armen Manne wieder zurück, oder 
stalt dessen geldt und wie Viel gegeben werden solle gnädigst befehlen, oder sonst darüber in 
Höchsten gnaden zu disponiren geruhen werden. 

Die Wir uns damit zu gnaden empfehlen und in submissester Devotion ersterbe. 
Durchlauchtigster Fürst 
gnädigster Fürst und Herr! 

Ew. Hochfürstl. Durchlauchtigkeit Zu dero Rente Cammer hics. Verordnet* Präsident, vice 
Präsident, Rähte und Assessores. 

Jever, den 11. May 1731. 

Tralens. 

In Tralens bei Waddewarden, fand man 1815 beim Graben eines Brunnen 10 Fuss tief sehr 
weichen Schlamm und in demselben Bretterwerk und Pfähle. 



') Ce scheint kaum zweifelhaft, dass wir es hier mit dem Ringgelde zu ttmn haben, 
ln Folge eines Rescriptes d. d. Zerbst den 25. Juni 1731 wurde die eine Hälft« des Kunde« dem Finder 
zugesprochen, die andere Hälfte aber zum Bau der Kirche in Jever verwandt 



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4 



Ausgrabungen bei Haddien im Jeverland etc. 187 

Drei Fuss davon entdeckte man vier Fuaa unter der Oberfläche einen Misthaufen von Schaf- 
raiat, der eine Tiefe von etwa 4 '/» Fuss hatte, worin eich Knochen von kleinen Schafen fanden, 
sowie auch an verschiedenen Stellen Stroh und Aachenhaufen, noch früher fand man daselbst in 
einer andern ähnlichen Grube, in einer Tiefe von etwa 10 Fuaa, einen Vorrath von strohiger 
Maase, Viehmist und bearbeitetes Hole. 



Wiarden. 



Im Warf, worauf dieses Dorf steht, fand man in einer Tiefe von 12 bis 14 Fass desgteiehen 
Mist und zwar in einem hölzernen Kasten. 






Hohenkirchen. 

Hier fand man in einer kleinen, bereits 1826 als abgetragen bezeichncten Warf, zuerst schwarze 
Erde, dann weisslichen Thon, welchem Sand bis auf das Mayfeld folgte, auf diesem entdeckte man 
Asche von verbranntem Stroh, zerfallenen Ziegeln, vermuthlich nicht gebrannt, und bearbeitetes 
Hob. 



Jever. 

Im Schlossgartcn wurde 1869 (?) ein geschliffener Axthammer von Hornblende gefunden. 



Länge 


. . 120 Millimeter 


Schneide 


, . 45 


• 


Grösste Dicke ....... 


, . 55 


n 


Höbe 


47 


i» 


Durchmesser des Loches • . . 


. 22 


n 



Beiläufig sei hier bemerkt, dass bei Jever im Jahre 1850 circa 2000 Stück römischer Münzen 
gefunden wurden, und zwar von Augustus Vitellins, Domitian, Nerva, Hadrian, Titus, Vespasian, 
Sabina, Julia, Marciana, Plauliua, Matidia, Antoninus Pius, Marc- Aurel; bei Jreysvidie 1872 im Moore 
neun römische Silbermünzen, unter ihnen drei von Vespasian, Marc-Aurel und Faustina jun. 



Upjever. 

In diesem Forst wurde 1874 beim Auswerfen von Gräben, eine Steinaxt von Kieselachieferstein 
gefunden, sie ist kantig geschliffen, das Loch nur auf einer Seite angefangen zu bohren, jedoch 
ohne Kern. 

Länge 185 Millimeter 

Schneide 41 „ 

24* 



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188 



Friedrich v. Alten, 



Grösste Dicke 65 Millimeter 

Höhe 67 

Friesisohe Wade. 

Amt Varel, nebst den Kirchspielen Jade, Zetel und Bockhorn. 



Obenstrohe. 

1862 wurde hier ein Uaarzängelchen von Bronze gefunden, dasselbe ist 55 Millimeter lang 
und unten 15 Millimeter breit, die Schärfe am Schnitt ist etwas umgebogen. 

Segge horn. 

Im Jahre 1863 wurde in der Gegend von Seggehorn (Amt Varel) auf den Gründen des Meine 
Porten, in einer Tiefe von l 1 /, Fnss eine Anzahl von Urnen ausgegraben. Das Terrain ist ein 
von Norden nach Süden ansteigender flacher Sandhügel, gemischt mit einigen Kieseln und Feuer- 
steinen. 

Vor etwa 40 Jahren hatte sich dort der Vater des jetzigen Besitzers angesiedelt, und schon 
begonnen, den bezeichncten Hügel, Monneke Berg geheissen, abzugraben, bei dieser Arbeit fanden 
sich bereits zahlreiche 40 bis 50 Urnen, von denen indess keine erhalten, wie auch die übrigen 
Fundstücke, welche auch in mehreren Nadeln und einem halben runden Kamm von Metall bestanden 
hatten, verschwunden sind. Diese Mittheilung eines Augenzeugen sowohl, als auch die später ge- 
machten Ausgrabungen beweisen, dass hier ein sogenanntes Urnenfeld vorliegt Die weiter unten 
näher beschriebenen Urnen fanden sich nämlich in derselben Richtung, wie jene vor 40 Jahren 
gefundenen, an der östlichen Abdachung des Hügels, sie waren alle mit Steinen oder Scherben ge- 
deckt, standen auf dicht aneinander gelegten Feldsteinen im Sande mehr aneinander, auch waren 
sie mit gespaltenen Steinen umsetzt Die erste der Urnen war mit einem flachen Stein gedeckt, 
auf dem ein kleiner spitziger stand. 

Säinmtliche Urnen standen in der angegebenen Richtung, in zwei Reihen und zeigten sich 
als letzter Rest der früheren Zerstörung. Ks wurden sechs Urnen gerettet. Eine weitere Unter- 
suchung des Hügels gab kein Resultat 

Die Urne ist mit zwei kleinen Henkeln versehen, durch welche ein vertiefter Strich um die 
Urne läuft. Das Material bestell! aus hellem Thon, reichlich gemischt mit Quarzkörnchen. Aeusser- 
lieh hat sie einen geglätteten, gelblichrothen Ueberzug, sie enthielt ausser Knochenresten und einem 
Feuerstein, welcher vermuthlich zum Glätten der Urnen gedient, ein Haarzfingelchen von Bronze, 
Fig. 53, 5,5 Centimeter lang, an dessen innerer Seite amSchnitt, mehrere Pünktchen eingeschlagen, 
ferner ein Bronzemesser mit Oebr von der gewöhnlichen flachen Form, ohne jede Verzierung, 10,5 
lang und etwa 3 breit (Fig. 54). 

Diese Bronzegegenstände waren zwischen die Knochen gesteckt Die nahe dieser stehende 
Urne, weicht zwar in der Form von der vorhergehenden ab, doch zeigt sie dieselbe Arbeit und 
Material. 



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Ausgrabungen bei Haddien im Jeveriand etc. 189 

Höhe 13,7 Millimeter 



Durchmesser 15 

Hals 12 



Fuas 7,4 „ 

Ausser den Resten von gebrannten Knochen, fand sich noch ein zerbrochener Ring von dünnem 
Bronzedrath von 2,5 Durchmesser. 

In der ersten, auf die vorhergehende folgenden Urne, lag zwischen den Knochen der Rest einer 
sehr feinen Bronzenadel. 

Die geglättete Urne hat zwei Oehre, sie besteht aus röthlichem Thon mit Quarz gemischt, 
nnd hat gleichfalls einen rüthlichen Ueberzug. 

Höhe 23,5 Millimeter 

Durchmesser . 23,6 . 

Hals , 15,3 

Fuss * 10,4 „ 

Die auf die vorhergehende Urne folgende, wird die Form der ersten gehabt haben, auch die 
Arbeit und Material ist dasselbe, sie iBt mit Scherben gedeckt, doch so znsammengedröckt und 
zersplittert, dass nur die grösste Vorsicht eine Erhaltung ermöglichte, von einer Untersuchung des 
Inhalts musste abgesehen werden. Ihre Höhe beträgt etwa 32 Centimeter, der Durchmesser 37. 
Der Fuss ist platt 

Die drei noch zu erwähnenden Urnen standen nahe vor den Obigen, sie waren ebenfalls mit 
Feldsteinen umgeben. 

Die zunächst ausgegrabene war wie es scheint, bereits zerbrochen beigesetzt, wenigstens ge- 
lang es nicht, die zu derselben gehörigen Scherben zusammenzufinden , obgleich jede Sorgfalt an- 
gewandt wurde. 

Diese Urne ist von sehr roher Arboit, doch von hellem Thon, welcher reichlich mit Qarz ver- 
setzt ist Ihre Form scheint mehr meloDenförmig, mit flachem Fuss gewesen zu sein. Als Inhalt 
ergaben sich nur Knochen, welche mit Scherben sorglich verdeekt waren. 

Hieran reihte Bich eine kleine Henkelurne, verschlossen mit den Scherben eines flachbodigen 
Gelasses, Fig. 55 T. 19. Die in derselben enthaltenen Zähne beweisen, dass sie zum Bcgräbuiss 
eines Kindes gedient Das Material ist röthlich heller Thon mit Quarz gemischt 

Höhe 13,9 Millimeter 

Durchmesser 12,4 „ 

Hals 8,7 „ 

Fuss platt 5,9 „ 

Die letzte der Urnen ist von schwarzem Thon mit Quarz gemischt, aber mit groben, röthlichem 
Ueberzuge versehen. Dieselbe wurde zerbrochen in der Erde gefunden, doch war auch sie, wie 
oben genannte, an der zerbrochenen Seit« mit Scherben ergänzt Ihre Form ist fast melonenförmig 
mit plattem Fass, der obere Rand erscheint leicht übergebogen. Ausser Knochen fand sich noch 
eine 10,7 Centimeter lange Bronzenadel, mit abgeplattet rundem Knopf. Die Nadel verjüngt sich 
narb beiden Enden. 

In Neuenbnrg wurde 1872 beim Kartoffelnausnehmen der Bronzegriff eines Dolches oder 
Opforraessers gefunden, dessen Inneres Eisenoxyd zeigt Dasselbe ist Fig. 56 in natürlicher Grösse 



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190 



Friedrich v. Alten, 



abgebildet. Da ein Stück fehlt, »o kann da« Gewicht nicht angegeben werden. Soweit der ziem- 
lich angegriffene Zustand der Bronze erkennen lässt, scheint die figürliche Darstellung auf die 
Isis zu deuten. Das Metall ist weit homogener gemischt als das oben erwähnte, doch hat es eine 
eigentümliche faserige Structur, es besteht aus Kupfer, Eisen, Zin n und Zink. Das Oxyd gestattete 
eine quantitative Feststellung nicht, doch zeigten sich Spuren von Gold. Ganz ähnliche Messer- 
griffe hat man in Hügelgräbern bei Wildeshausen gefunden, auch bei Bonstetten, Antiquites suisses 
finden sich dergleichen abgebildet, dort wird bemerkt, dass sich dieselben mit eiserner Klinge, 
vüllig erhalten in den vaticanischen Sammlungen befinden. 



Bookhorn. 

In der Kirche zu Bockhorn wurde unter dem Altar eine Henkelurne von feinem schwarz- 
grauen Thon gefunden, sie enthielt drei Zähne, Asche und dergleichen. 

Höhe ist nicht angegeben. 

Durchmesser 10,3 Millimeter. 

Boden ist etwas gerundet und hatte drei Küsschen. 

Dangaster Moor. 

In dem zwischen Dangast und Varel liegenden Moor wurde 1862 eine Bronzespeerspitze 
(Fig. 57) 9 Fues tief gefunden. Dieselbe wiegt 78 Gramm. Sie ist sehr schart, wie es scheint 
durch Schleifen der Flächen. 

Butjadingen. Hayenschlot. 

Die Hälfte einer Bronzegiessform, vermuthlich aus christlicher Zeit (Fig. 58). 

Eckwarden. 

liier wurde beim Pflügen ein SpindelBtcin gefunden, von schwärzlich gebranntem Thon, ohne 
alle Verzierungen, doch etwas abgeplattet und ausgebancht Ferner eine an den Seiten abge- 
plattete Kugel von Kieselstein, vermuthlich ein Wurfgesohoss, von 73 Millimeter Durchmesser. 
Ganz ähnliche Wurfgeschosse wurden bei Ilemmingcn, in der Gegend von Hannover und Aurich, 
gefunden. 



Langwarden. 

Unter der nordwestlichen Ecke des sogenannten Hiesen-Kirchbofs, eines sehr hohen Wurps, auf 
dem ehemals eine Kirche stand, wurde weit tiefer als die Fundamente der ehemaligen Kirche, 
ein Skelet gefunden, neben dessen Oberschenkel eine nicht ganz vollendete Pfeilspitxe von hell- 
grauem Feuerstein und ein, wie es scheint, zum Bcbarfen llandschläger eingerichteter, schwärzlicher 
Feuerstein lagen. 



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Ausgrabungen bei Haddien im Jeverland etc. 



191 



Stollhamm. 

M. J. Itzen erzählt 1819 in den Oldcnburgischcn Blättern: vor vielen Jahren fanden Wähler, 
auf meinen Ländereien (vermuthlich dein ehemaligen Bett der Hete) 5 bis 7 Fürs tief mehrere 
Stücke altes Holz, vermuthlich Theile von Schiffsmasten und Brettern; ferner ein achteckiges 
Stück Kupfer, ohne Jahreszahl oder Zeichen, welches vielleicht zum Senkblei gedient hatte, und 
das sonderbarste einen Knäuel Zwirn oder Garn, der sich noch in kurzen Enden abwickeln liess. 

Im Anfänge 1819 fand man ebenfalls beim Wühlen, Reihen von Pfählen und einen steinernen 
Topf von weissgrauer Masse, auf demselben einen steinernen Deckel, und auf diesem an der Seite, 
einen Kinderschuh. In der Nähe fand man ausserordentlich grosse Pferdeknochen. Der Kinder- 
schuh war hinten sehr breit, nach vorn unverhältnissmässig schmal und mit einem Riemen be- 
setzt. 



Esenshammer Oberdeieh (Butterburg). 

Auf den Grundstücken des Hausmanns Gacting zu Butterburg, wurden um 1850 bei Ge- 
legenheit des sogenannten Wühlens, in einer Tiefe von 2‘/j Fass, Skelete gefunden, welche in 
Stroh cingewickelt waren, zwischen ihnen fanden sich Urnen mit Kohlenresten. Zwei Schädel 
werden im GrossherzogL Naturalicncabinet aufbewahrt, ihre Maasse sind folgende: 

1. Grösste Länge von der Stirn bis zum Hinterkopf 190 Millimeter 

Grösste Breite 140 , 

Breite der Stirn 105 , 

2. Grösste Länge von der Stirn bis zum Hinterkopf 179 Millimeter 

Grösste Breite 140 „ 

Stirnbreite 99 „ 



Wurth. 

Südlich von Rodenkirchen liegt nahezu 1200 Meter, zwischen Weser und dem Lockfloth, die 
Besitzung, des dem friesischen Häuptlingsgeschlcchte gleichen Namens entstammten Hausmanns 
A. Lübben, die Gebäude des Hofes stehen auf dem höchsten Punkte eines Wurth genannten 
Grundstückes, etwa 250 Meter westlich der nach dem genannten Dorfe führenden Strasse, es ist 
dies zugleich der westliche Rand der Erhöhung, welche von der Strasse bis zu diesem Punkte sanft 
auf etwa 5 Meter aufsteigt, dann aber ziemlich steil nach dem Ackeriande zu abfallt, in diesem 
fanden sich noch Reste eines Schiengen Werkes, nicht fem vom Ilofraum. 

Der erwähnte Weg, weicher von der Strasse zu dem Wohnhauee führt, durchschneidet die 
Wurth und theilt dieselbe in die grosse und kleine Wurth, die erstere, Grünland, liegt südlich, die 



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192 



Friedrich v. Alten, 



andere, Ackerland, nördlich des Weges, welcher von Gräben eingefasst ist Der südliche Theil 
bleibt ansteigend auf etwa 100 Meter in südlicher nnd westlicher Richtung, um sich dann, in leich- 
tem Abfall nach Süden und Osten, mit der Ebene zu vereinigen, während der südliche sich nach 
Norden und Osten in die Fläche verliert 

Das Ganze bildet ein Oval. An dem westlichen Rande der kleinen Wurth, den Gebäuden 
gegenüber, stand ehemals ein bedeutender Warp, Hüttenwarp genannt, gegenwärtig ist nur noch 
ein bäum bepflanzter Hügel, der sogenannte Berg, davon übrig. Als der jetzige Besitzer den Warp 
abflachen liess, fanden sich in demselben Netzbesohwerer, deren weiter unten noch näher gedacht 
werden wird. Das ganze Grundstück, welches ungefähr 30 Morgen gross, ist mit Urnenscherben 
übersäet, nicht weniger ist es bemerkenswerth, dass sich auch hier, wie in den Watten und bei 
I jenen, zahlreiche flach gespaltene und kugelarlige Feldsteine vorfanden. Dies alles hatte die Auf- 
merksamkeit des Besitzers rege gemacht, und ihn veranlasst, Alles was gefunden wurde zu be- 
wahren, bis die Einrichtung der Sammlung oldetiburgiseher Alterthümer ihn veranlasstc, die ge- 
machten Funde derselben zu übergeben, und zugleich freundlichsl zu gestatten, weitere Unter- 
suchungen vorzunehmen, welche dann auch im April und October 1873 ausgeführt wurden. 

Zu diesem Zwecke wurden eine bedeutende Anzahl Gräben in verschiedener Richtung von 
5 bis 7 Meter Länge und 1 bis 2 Meter Tiefe ausgehoben. In der oberen Kleischicht, welche 50 
bis 60 Centimeter stark, fanden sich nur einzelne Scherben, in der darauf folgenden Knicklage von 
40 Centimeter Dicke, welche stark mit Holzkohlen gemengt war, kamen viele Scherben und ge- 
spaltene Tbierknochen zum Vorschein, nur an einem Punkte kam ein Schcrbencomplex zu Tage, 
welcher vermengt mit verbrannten Knochen, einer grossen Urne von schwarzer Farbe angehörte. 

Unter der oben erwähnten Schiebt kam der Urboden zu Tage ; ein weiteres Graben in diesem 
verhinderte das stark aufsteigende Grundwasser. Nur an einem Punkte, auf der sogenannten grossen 
Wurth, gelang es, bis auf den Darg vorzudringen, doch zeigten sich, soweit derselbe wegen des 
Wassers zu untersuchen möglich, in diesem keine Culturreste. 

Was nun die in dem genannten Grundstücke gemachten Funde überhaupt angeht, so ist zu 
bemerken , dass sich dieselben sämmtlich unter und in dem mit Kohlen- und Aschenrosten durch- 
setzten Knickboden befanden. 

Wenn auch keine einzige Urne erhalten gefunden wurde, so gelang es doch zwei so weit her- 
zustellen, dass die Form derselben zu erkennen. Sowohl die Form, als besonders die Furbe und ilas 
Material, deuten auf nahe Verwandtschaft mit den bei Fedderwardersiel gefundenen hin. In 
einer der Urnen, welche auf der Oeffnung stand, und mit Knochen, ABcheuresten und Schlacken 
gefüllt war, fand sich ein formlos zusammcngeschinolzenes Stück Bronze im Gewicht von 3*/» 
Gramm. 

Die Analyse ergab: 

Kupfer 87 Proc. 

Zinn 12,2 „ 

Eisen 0,8 „ 

100 Proc. 

Gefunden wurde: 

1. In dem Hüttenwurp drei Senksteine, sämmtlich sehr roh, stumpf, kegelförmig gearbeitet. 



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Ausgrabungen bei Haddien im Jeverland etc. 193 

von röthlioher Farbe und wenig gebrannt, an dem dünneren Ende durchbohrt, sie gleichen den bei 
Nilsson abgebildeten völlig. Der grösste von ihnen hat eine Höhe von 230 Millimeter. 

2. Vier kleine Senksteine von gebranntem , sch wangrauen» Thon, von denen drei scheibe n- 
urtig platt, der vierte flach abgerundet ist. Ferner das Bruchstück einoB durchlöcherten Senk- 
«teines, auf dein Kopfende etwas eingedrückt. 

3. An bearbeiteten Knochen, ein zu einer Nadel bearbeiteter Vogelknochen. Derselbe wurde 
in einer Tiefe von 93 Centimeter auf dem Grünlunde zwischen dem mit Kohlen gemengten Knick 
gefunden. Die Nadel scheint zum Netzstricken verwandt zu sein (Fig. 59). 

4. Eine lehr grosse Urne von etwa 50 Centimeter Durchmesser (Bruchstück) von schwarzem, 
mit feinen Quarzkörnehen gemischtem Thon, sie ist geglättet, mehr flach, schualenartig als hoch, 
bei einem Durchmesser von reichlich 50 Centimeter. Die Verzierungen erscheinen einge- 
drückt. 

5. Eine Urne (Bruckstück) von sehr grossem Umfange und mit amgebogenem Kunde, die- 
selbe wurde, wie die vorhergehende, in dem Aekerlande in einer Tiefe von etwa 70 Centimeter ge- 
funden. 

Sie ist ohne alle Verzierungen, gleichfalls von Bchwarzem Thon, gemischt mit Quarzkömehen, 
und, wie die vorige, von starker Wandung, doch nicht geglättet, Oberhaupt von gröberer Arbeit» 
Ein drittes Bruckstück zeigt ganz ähnliche Formen und Material, scheint auch so ziemlich von der- 
selben Grösse gewesen zu sein. Beide Urnen wurden unter gleichen Verhältnissen, nahe dem öst- 
lichen Rande der kleinen Wurth gefunden. 

6. Ein kleines, nach oben ausgeschweiftes Gcfitas von 58 Millimeter Durchmesser und 42 
Millimeter Höhe, dessen Fuss flach, welches mit Knoehenbreeeio gefüllt erschien. Die Wandung 
ist sehr stark, der Thon sehr glinmierhaltig und schwärzlielu 

7. Der Fuss eines Gelasses (Bruchstück, Becher) von hellgrauem, glatlpolirteti, feingo- 
sehläni inten Thon von CiO Millimeter Durchmesser. 

8. Ein Gefass (Bruchstück , schwarz) mit flachem Boden von 64 Millimeter Durchmesser, 
welches ebenfalls nach oben ausgeschweift erscheint. Wandung 9 Millimeter dick. Ausserdem 
noch viele flache Bodenstücke von Gefasson, und Nehr starke Henkel. Die Scherben zeichnen sieh 
durch ihre Starke aus. 

9. Ein Spindelstein von schwärzlichem Thon, ohne Verzierungen oben und unten abge- 
plattet. 

10. Urnenscherben, bei welchen die Verzierungen öfters mit einem kammartig gespaltenen 
Holz eingerisaen zu sein scheinen. Der Thon ist schwarz. 

Figur 60 ist mit schwarzgrauem Thon überzogen und mit einem abgerundeten Holz oder mit 
dem Nagel schuppenartig eingedrückt, ähnlich den in den Kreisgruben gefundenen; auch in den 
Pfahlbauten kommt dasselbe Muster vor. 

Figur 61 zeigt um den Rand laufend, zwei vertiefte Striche , und unter demselben Löcher, 
welche in ungleichmüssiger Entfernung mit einem Sföekchon hineingestochen sind. 

Der Thon ist schwarz, alle drei sind sehr stark. 

Figur 62, mit scharf übergebogenem Rande, ist gleichfalls schwarz gebrannt mit vertieften 
Rillen und halbkreisförmigen Eindrücken, welche rautenförmige Vierecke gebildet haben, verziert. 

Archiv für Anthropologie. Bd . VII. Heft S. 25 



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194 Friedrich v. Alten, 

11. Eine Thonplatte von schwarzem Thon, grob gemischt (mit rothem Ueberzug), ihre Dicke 
betrügt 14 Millimeter. 

12. Eine runde Scheibe von Thon, auf der einen Seite glänzend schwarz, geglättet, auf der 
andern rauh, in der Mitte durchbohrt, von grauer Farbe. Der Durchmesser ist 39 Millimeter, die 
Dicke 4 Millimeter. 

13. Eine Scheibe von grauem Thon, zu beiden Seiten mit den Fingerspitzen eingedrückt. 
Durchmesser 18 Millimeter, Dicke ungleich 10 und 5 Millimeter. 



Rodenkirchen-Oberdeioh. 



Kaum eine Viertelstunde von der genannten Wurth zieht sich der Rodenkirchener-Oberdeicb 
durch das Land, nahe diesem wurde auf den Grundstücken des Hausmanns Hayen daselbst, vor 
einigen Jahren, die (Fig. 63) abgebildetc Urne bei Gelegenheit des Wühlens, auBgegraben. 

Dieselbe ist von grauem Thon mit Quarr, gemischt, nur äusserlich mit feinerem Ueberzug, sic 
hatte oben am llande zwei Löcherclien, welche offenbar zmn Durchziehen einer Schnur gedient 
haben, auch scheint sie mit einem Deckel versehen gewesen zu sein, da oben um den inneren Rand 
der Mündung eine Kante läuft. 

Ganz in der Nähe wurde 1862 ein in Stroh eingewickeltes Skelet, sechs Fuss tief, ausgegraben, 
von dem der Schädel im Naturaliencabinet zu Oldenburg aufbewahrt wird. 

Grösste Länge 186 Millimeter 

„ Breite 139 „ 

Stirnbreite 98 „ 

Die Form ist der des Schädels von der Bntterburg ähnlich. 



Dedesdorf. 

Am rechten Weserufer wurde 1870 der Thurm der Kirche abgebrochen , unter dem Funda- 
mente desselben fand man im blauen Thon 15 bis 20 Fuss tief zahlreiche Skelete in sitzender 
Stellung, sowie mehrere ausgehöhlte Baumstämme, angeblich von weichem Holz mit Eichenholz- 
deckeln, in denen sich gleichfalls Skelete befanden. 

Die Maasse des einen Scliädels sind folgende: 

Grösste Länge von der Stirn bis zum Hinterhaupt 179 Millimeter 

Grösste Breite . 136 , 

Stirnbreite 89 - 



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Ausgrabungen bei Haddien im Jeverland etc. 



195 



Colmar. 

1869 wurde im Moor de« Hausmanns Tirame, 7 Fuss tief ein keuleuartiges Instrument von 
Holz gefunden, dessen keulenartige Verdickung etwa 20 Centimeter. Die Länge des Stiele« beträgt 
35 Centimeter. Da« Ganze ist aus einem Stück gearbeitet und verjüngt sich ein wenig nach dem 
Ende zu. 



L 1 e n e n. 

Beim Bau der Eisenbahn von Elsfleth nach Brake wurde ein nach der Mitte leicht ansteigendes, 
etwa 20 Morgen haltendes Grundstück der Frau Wittwe Menke durchschnitten, dasselbe hat den 
Namen Ockern 1 ), später ist noch ein Weg hindurch gelegt worden; diese Arbeiten veranlassten die 
Anlage von etwa 6 Fuss tiefen Grüben, bei welcher Gelegenheit eine Menge Urnenscherben, 
Knochen, gespaltene Feldsteine, manche kugelförmig, und schichtweise auch Kohlenreste gefunden 
wurden, ganz ähnlich wie in der Wurth. 

Durch Herrn W. Heye darauf aufmerksam gemacht, wurde dieses Grundstück näher unter- 
sucht, aber leider auch keine erhaltene Urne gefunden; auch hier zeigte sich, dass die eigentliche 
Fundstelle, etwa 80 Centimeter tief, unmittelbar über dem sogenannten Knick, in einer unfmeht^ 
baren eisenschüssigen Erde sich befindet. 

Die Scherben, welche fast alle von schwärzlichem, stark mit Quarz gemischtem Thon, unter 
denen auch Henkelstücke, waren von ungewöhnlicher Starke und mit Ausnahme eines einzigen 
ohne Verzierungen; dies Stück, gleichfalls von schwarzem, stark mit Quarz versetztem Thon (siehe 
Fig. 64), zeigt deutlich Eindrücke der Herzinuschel (Cardtum cdulc ). 

Ausserdem ist noch eines Spindelsteines zu gedenken, derselbe ist von schwärzlichem Thon 
gebrannt und mit der Hand gearbeitet. Er gehört zu der kleineren, flach gedrückten Art, mit ab- 
geplatteter oberer und unterer Seite. 



Dalsper. 

In der ersten Hälfte des Mai theilte mir Herr lleye ferner mit, dass zwischen Dalsper und 
Lichtenberg bei Elsfleth, sich eine ähnliche Erhöhung befinde, welche die IIohcii-Kämpe geheissen, 
ebenfalls mit Scherben übersäet sei. Wenige Tage später fand ich Zeit, diese Fläche in Augen- 
schein zu nehmen. Die Ackerkrume zeichnet sich von der Umgebung dadurch aus, dass sie 
dunkler und weit lockerer wie die der umgebenden Ländereien; auch finden sich in ihr, wie bei 
Wurth u. s. w., zahlreiche Stücke von zerschlagenen Feldsteinen, welche meistens rundliche Seiten 
zeigen, ebenso viele Feuersteine; beides findet sieh anderweit in der Umgebung nicht, ferner ver- 



*) Ockern soll nach Angal)« dortiger Einwohner soviel wie faulen bedeuten; anderwärts bezeichnet Ockern 
einen Winkel unter dem Dach, wohin Dinge geworfen, die dea Auf bewahren s nicht werth gehalten werden. 

25* 



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I 



196 Fried rieh v. Alten, 

glaste Schlacken und Kohlen. An ihrer westlichen Seite wird die Höhe von der Chaussee von 
Berne nach Elsfleth berührt, in deren Grabenrande sich mancherlei Knoehenreste, sowie zahlreiche 
Scherben fanden. 

Das Aeker- und Gartenland von Schröder und Heye’s Besitzung überschreitend , fand ich 
auf Sehröder’s Gründen zunächst einen Schleifstein von Quarzfels, dessen drei Seiten nicht 
bearbeitet erscheinen, die vierte zeigt eine coneave Abschleifung, welche gegen die Mitte etwas 
convex erscheint, mithin wird der Stein zum Wetzen oder Anschleifen flacher Gegenstände ge- 
braucht worden sein. 

Die Länge desselben beträgt 15 Centimeter 
die grösste Breite . . . . 6 „ 

die grösste Dicke .... 5 „ 

Die anstossenden Ländereien des Herrn Heye enthielten gleichfalls ausserordentlich viel Reste 
von zertrümmerten Urnen, zwischen ihnen fand ich einige sehr roh bearbeitete Feuersteine, davon 
einer plump pfricmcnföriuig geschlagen erscheint. Dersclbe»i*t auf einer Seite flach, die übrigen 
rundlich. Die ganze Länge beträgt 7* 3 Centimeter (Fig. 65). Ausserdem fand ich den Rest eines 
kegelförmigen Netzbeschwerere, ähnlich dem auf Wurth gefundenen. Die Ausbeute an Unicn- 
echcrhcn von grössere und kleinern Geßssen war überreichlich. Als charakteristisch verdient be- 
merkt zu werden, dass die Form denen von der Wurth und von dem Ockern geglichen zu lutben 
scheint, es zeigen sich dieselben starken Randungen und hohen Ansitze der Mündungen, auch die 
Thonmischuiig erscheint jenen sehr ähnlich, schwarz gebrannt, nicht stark mit Quarakömchcn, 
Glimmer und dergleichen gemischt Die Urnen scheinen theilwcise flache Böden gehabt zu haben, 
doch fehlen die Küsschen auch nicht, dahingegen wurde kein einziger Henkel gefunden , wohl aber 
Stücke mit Knubben, d. h. henkelartigen Ansätzen, welche nicht offen. Verzierte Stücke kamen 
nur drei vor, von denen eine, Figur <16, mit einem Sternrädchen eingedrüekt erscheint, die zweite 
scheint mit zwei Kreislinien umgeben gewesen zu sein, über welcher sieb dreieckig eingedrückte 
kleine Vertiefungen zeigen, in der Diagonale gehe» von dieser wieder drei Linien aus. Der dritte 
Seherben zeigt nur wellige mit einem Holze eingedrückte, vermuthlicli kreisförmig um die Urne 
laufende Vertiefungen. 

Am Schlüsse der vorstehenden Mittheihiiigen kann ich nicht unterlassen, dein Herrn Ober- 
baudireetor Lasins meinen wärmsten Dank auszusprechen, sowie nicht weniger den Herren Dr. 
Seil, Hofmaler Schilkiug und allen denen, welche meinen Plan, eine Uebersicbt der in den frie- 
sischen Landen vorkommenden, bisher wenig oder gar nicht beachteten vorchristlichen Alterthümer 
zu geben, mit Rath undThat Jahre hindurch, wie die Herren Inspector Tenge, Commandonr von 
Krohn, Ohmstede, A. Lflbbcn, Heye und viele Andere beförderte». 

Schon jetzt gewähren diese Untersuchungen, denen wie ich hoffe noch manche folgen soll, dem 
aufmerksamen Beobachter einen lehrreiche» Blick, nicht allein in die Lebensweise der Bewohner 
der von den Friesen eingenommenen Landstriche, solidem auch in die Conßguration des Landes 
selbst. * 

Dort wo wir diese Reste verklungener Zeiten finden , stehen wir auf dem Boden der jungen 
Marschiuseln und zwar zu einer Zeit, wo dieselben nur da dauernd bewohnt werden konnten , wo 



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Ausgrabungen bei Haddien im Jeverland etc. 197 

der Meiiiicli mit un^licberMülie lieh künstliche llilgel aufwarf, denn nur sehr sehen bot die Natur 
dergleichen Zufluchtsstätten. 

Meiner Meinung nach wurc es von nicht zu unterschätzender Bedeutung, dass diese llügel der 
Marsch, welche gleich den Grabhügeln der Geest* mehr und mehr abgetragen werden* endlich ein- 
mal in einer Karte verzeichnet würden. Ihre Wichtigkeit wird schon genügend durch die Funde 
von Haddien* Wurth, Dalsper u. s. w. bekundet. 

Während die an unseren Küsten in dem iiufgeschwcimnten Erdreich gemachten Funde wesent- 
lich auf eine jüngere Periode lün weisen (Bronze, Eisen* Glasperlen)* zeigen die Fundstücke in den 
Kreisgrübern * besonders bei Bandt* Federwardersiel und die Aufdeckungen in der Dargschieht 
bei Haddien* dass nicht allein beträchtliche Landstrecken von der See verschlungen sind, sondern 
dass unsere jetzigen Küsten einst Binnenland, wenn auch von vielen Wasseradern der grossen 
Ströme durchfurcht, doch wie es scheint dicht bevölkert waren und zwar zu einer Zeit, wo die 
Marsch noch nicht entstanden und das Metall in diesen Gegenden unt>ekannt war. 

Tn welch ferne* Zeiten uns diese Beobachtung!* n führen , zu welchen Schlüssen uns dieselben 
berechtigen, davon zu reden scheint mir noch zu gewagt, doch hoffe ich den Boden für weitere Unter- 
suchungen in etwas geebnet zu haben — mögte sich in den andern friesischen Ländereien die 
Möglichkeit ähnlicher Untersuchungen bieten — dann er*t wird es thunlieh sein, aus der Ver- 
gleichung der Fundstüeke u. s. w. Schlüsse zu ziehen, besonders über die Frage* welcher Völker- 
schaft die beschriebenen Alterthümer angehören. 



Erklärung der Abbildungen auf den Tafeln XVUI und XIX. 

NB. Die Figuren, bei welchen nicht besonders Tafel XIX angegeben ist, befinden sich auf Tafel XVIII. 



Fig. 1. Grundriss der AnBiedelungsre«'te auf dem Bandter-Groden. S. 164. 

„ 2. Boden der Grube Fig. 1 u. mit Crnenschurben bedeckt. S. 165. 

„ 3. Behauateiu aus Quarz aus der Grube Fig. 1 a. 8. UH. 

. 4. (Tafel XIX). Durchschnitt einer Kreisgrube bei Daugast. S. lf>8. 

„ 6. (Tafel XIX). Grundplan der Kreisgrubeu auf den Oberahn’schen Feldern. 8. 170. 

. 6. (Tafel XIX). Grundriss eine« solchen Grabbaues. S. 171. 

„ 7. (Tafel XIX). Eine« der keilförmig geschnittenen Stücke Moorsoden, aus welchen die Kreisform der 
Gruben gebildet ist. S. 171. 

» 8. (Tafel XIX). Durchschnitt des Grmbbaues mit seiner Eindeckung. S. 171. 

. 9. Reste eines llolzgeräthes aus diesem Grabe. S. 171. 

,11. Spindelstein aus der Grube von Überahn. S. 172. 

. 12 . ) 



. 14. 
. 15. 
, 1 ». 
. 21 . 
, 22 . 



j Thongeliiwe au* den Krejstfribem am Hohen Wege. S. 173. 

Ueßnbrnehatück. Ebendaher. S. 174. 

Eingeritzte« Zeichen auf dem Boden eine« Gefässes. S. 175. 



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198 Friedrich v. Alten, Ausgrabungen bei Haddien iui Jeverland etc. 

Fig. 23. Guasform aus einem Gemenge von Thon und Sand. 8. 175. 

„ 24. Bronxoatück. S. 175. 

„ 25. Geiass vom Waddenseraiel. S. 175. 

„ 26. Ebensolches vom Hooge Warf. S. 175. 

, 27. Ebensolche« aus einer Kreisgrube vom Hohen Wege. 8. 175. 

» 28. Urne mit drei Küsschen ebendaher. S. 175. 

. 29- I 

. 30. > Tbongefaase vom Fedderwardersiel. 8. 176. 

* 31. I 
32 1 

* 83* | ' r ° rz * ttr *° Gefäaascherbcn ebendaher. S. 176. 

* 

35. I 

" . Werkzeuge aus Holz aus den Kückenabfällen von daher. S. 176. 

I 37- I 

„ 38. Wagenrad aus einem Grabe des Waddensersiels. S. 178. 

II. Abtheilung. 

Aus den Gräbern von Haddien. 

Fig. 39. Bruchstück eines eisernen mit Silberstreifchen belegten Ringes. 

„ 40. Kleine eiserne Schnalle, 

„ 41. Bruchstück einer eisernen Rüstung (?) 

„ 42. Schwert von Eisen. 

„ 43, Verzierungen von Perlen, welche durch Verschmelzung verschiedenfarbiger Glasmosaikpasten her- 
gestellt sind. 

. 44. Kleiner Ring von Bronze. 

„ 45. Glied einer Kette von Bronze. 

„ 46. Stück eines Haarzängchens aus Erz. 

„ 47. Dam brettstein aus Pferdeknochen. 

„ 48. Graburne. 

, 49. Messerklinge von Eisen. 

„ 50. Graburne. 

„ 51. Ornament aus einer kittartigen Masse. 
n 52. Bruchstück eines verzierten Täfelchens aus weissein Thon. 

„ 53. Haarzängchen von Bronze. 
n 54. Messerchen von Bronze. 

„ 55. Grabgef&s« bedeckt mit einem andern. 

Fig. 56. Messergriff in Gestalt einer weiblichen Figur. Bronze. Gefunden bei Neuenburg. 

„ 57. Lauzenspitze von Erz. Gefunden im Dangaster Moor. 

„ 58. Die Hälfte einer Giessform. Gefunden im Ilavenshlot Budjatingen. 

„ 59. Nadel aus Yogelknochen. Aus den Gräbern von Wurth. 

„ 60 . > 

„ 61. | Verzierte Umenscherben. Ebendaher. 

. 62. ) 

„ 63. Grosse verzierte Graburne. Rodenkirchen. Oberdeich. 

„ 61. Verzierte Urnenscherben aua Lienen. 

„ 65. Bearbeiteter Feuerstein I . 

„ 66, Verzierte Umenscherben I *° B a P er - 

Die im Texte angegebenen Figuren 10 und 17 bis ind. 20, ein Steinwerkzeug und Thierknochen dar- 
stellend, waren nach den vorliegenden Zeichnungen nicht erkennbar und charakteristisch wiederzugeben, 
and sind deshalb ausgefallen. 



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vin. 

Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 

Von 

Prof. Dr. Chr. Aeby 

in Bern. 

III. 

(Fortsetzung von Nr. 1 dieses Bandes und Schluss). 

(Hierzu Tafel I bis IV). 



Wichtige Aufschlüsse sind von den genauen Breitenverhältnissen der mikroceplialen Hirn- 
schädel ku erwarten, da einerseits schon die allgemeine Uebersicht der grössten Durchmesser den 
Beweis geliefert, welch beträchtlichen Schwankungen gerade der quere unterliegt, anderseits 
alter auch die oberflächlichste Betrachtung hinreicht, um *u «eigen, dass in einem eintelnen Quer- 
durchmesser die Form des ganzen Schädels nur höchst unvollkommen zum Ausdruck gelangt. 



11 reiten Verhältnisse 
des 

HirnBchädels. 


Stirnwirbel. 


Schläfen wirbel. 


Hintorhauptswirbel. 


Querabstand 
der Cun&les 
carotici. 


Obere Breite. 
(Grösste 
Breite.) 


Unt. Breite. 
(Oberhalb d. 
Jochfort- 
sätxe.) 


Obere Breite. 
(Grösste 
Breite.) 


Untere Breite. 


Obere Breite. 
(Grösste 
Breite.) 


Untere 
Breite. 
(Proc. jugul.) 


Vorn. 

(Tuberc. 

spin.) 


Hinten. 
(Por. acust. 
ext.) 


1. Absolute Werthe in 


















mm: 


















Normaler Schädel 


122,0 


97,8 


144,5 


71,6 


123,9 


110,9 


80,8 


68,3 




(112,0—137,0) 


(88,0—107,0) 


(138,0-166,0) 


(06,0-80,0) 


(116,0-133,0) 


(103,0—119,0) 


(76,0—85,0) 


(51,0-67,0) 


Unbekannte aus der Insel . 


100,0 


83,0 


120,0 


60,0 


98,0 


95 


60 


44 


Jos. Peyer 


95 


88 


112 


58 


106 


92 


75 


52 


L. Racke ......... 


89 


83 


119 


64 


109 


96 


76 


48 


6. Mähre 


76 


7 


102 


7 


99 


88 


7 


? 


Fried. Sohn 


70 


72,5 


96,5 


53 


91 


82,5 


74 


52 



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200 



Prof. I)r. Chr. Aeby 





















201 



Beiträge zur Kenntnis« der Mikrocephalie. 

Alle oberen M nasse sind hiernach ungleich starker beeinträchtigt als die unteren; ausserdem 
wächst der Grad der Schädigung vom hintern zum vordem Schildelende hin so sehr, dass der 
Stirnwirbel oben wie unten um volle 20 Proc. hinter den Hinterhauptswirbel zurücktritt und diesem, 
dem er doch unter regelrechten Verhältnissen im Querdurchmesser überlegen zu sein pflegt, nun- 
mehr den Vorrang überlässt Der Schläfen Wirbel hält ungefähr die Mitte zwischen Stiru- und 
Hinterhauptswirbel. Die grösste Schädelbreite fällt ausnahmslos in seinen Bereich. Immerhin wölbt 
er sich seitlich nur wenig über den llinterhauptswirbel hervor und überlässt dadurch diesem im Gebiete 
des hintern Schädelendes fast unbestritten die Herrschaft. Trotz der stärkeren Beeinträchtigung 
der oberen Wirbelabschnitte behalten sie doch in der Hegel eine grössere Breite als die unteren. 
Nur Schütteln dreier und Mahler machen in dieser Hinsicht für den Schläfenwirbel, Friedrich 
und Michel Sohn für den Stirnwirbel eine Ausnahme. 

Dem Gesagten zufolge bildet eine keilförmige Verschmälerung von hinten und unten nach 
vorn und oben die eigentliche Signatur der mikrocephalen Schädel. Die untere Hinterhaupts- 
gegend erscheint relativ noch so wenig betheiligt, dass ihre Breite fast ganz derjenigen des nor- 
malen Schädels entspricht und nur in zwei Fällen, nämlich hei Michel Sohn und dem Falle aus der 
Insel, nicht völlig an den unteren Grenzwerth des letzteren hinanreicht. Der Ausfall ist indessen 
ein sehr geringer, abgesehen davon, dass die Unbekannte aus der Insel überhaupt nicht, von Gewicht 
ist, indem ihr der oben betonte Charakter der wahren Mikrocephalie gänzlich abgeht und ihre 
sämmtlichen übrigen Querdurchmesser nicht hinter den normalen Zurückbleiben. In der oberen 
Hinterhauptsbreite behaupten von allen wahren Mikrocephalen nur noch Racke und Mahler ihren 
Platz zur Seite der normalen Form und dies mit Werthen, die dem Mittel der letztem nahe kom- 
men. Aehnlich verhalten sich die genannten auch für die unteren Durchmesser des Schläfenwirbels, 
während der Mikrocephale von Jena nur eben noch zu den niedrigsten Grenzwerthon hinaufreicht, 
Schütteindreier aber und Peyer bereits mit Einein derselben sich begnügen. Der obere Durch- 
messer des Schläfen wirbeln entrückt gleich demjenigen des Stiruwirbels alle Mikrocephalen dem 
Gebiete des Normalen, welches nochmals zu betreten nur Racke und Peyer in der untern Stirn- 
breite gestattet ist. 

Ordnen wir mit Vernachlässigung kleinerer Verschiedenheiten sämmtliche Schädel für die ver- 
schiedenen Querdurchmesser nach abnehmenden Werthen, so erhalten wir folgende lehrreiche 
Uebersicht. 



Obere Breite de» Stirn- 
wirbsls, 

Normaler Schädel. — Intel. 

Peyer. — Racke. 

Mäkler. 

Schütteindreier. — Mähre. — j 
.Jena. — Wytt. — Fried, u. Mich. 
| Sohn. 



Schläfen wirbelt, 

Normaler Schädel. — Intel. 

Racke. 

Peyer. — Mähler. 

Jena. 

Wytt. — Schüttei n dreier. 
Mähre*. — Fried, u. M i c h. S o h n. 



Hinterhauptwirbeli, 

Normaler Schädel. — Intel. 
Racke. — Mähler. 
Peyer. — Jena. 

Wysa — Schütteindreier. 
Mähre. — Fried, u. Mich. 
Sohn. 



Archiv ftr Anihropoloft«- M. VII. H*ft 1. 



26 



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202 Prof. Dr. Chr. Aeby, 



Untere Breite des 


Schlafe 


nvrir bels, 


Hinterhaupt wir bels, 


Stirn Wirbels, 


^VÖrn. 


Hinten. 




Normaler Schädel. —1 


Normaler Schädel. — 


| Normaler Schädel. —1 


Normaler Schädel. — 


Insel. — Racke. — I'eyer.) 


Insel. —Ra ck e.— Mahler. 


jlnsel. — Racke. — Mahler. > 


Racke. — Mäkler. — 




Jena. — Schütteindreier. 


[peyer. — Jena ] 


Peyer.— Schüttelndreier. 








— Fried. Sohn. — Wyss. 








Jena ......... 


Mäkler. 


Peyer. — Mich. Sohn. 


Schütteindreier. 


Mich. Sohn. — Insel. 


Fried, a. Mich. Sohn. 








Wyss. 


Wyss. 


Wyss. 




Jena. 


Fried. Sohn. 


Mähre. — Fried, u. Mich. 




Schütteindreier. 




Sohn. 





Die verschiedenen Reihen entbehren in auffälliger Weise des Parallclismus, ein Beweis dafür, 
dass innerhalb des allgemeinen Entwickelungsgesetzcs der Mikrocepbalic jeder einzelne Schädel 
seine volle Individualität zn wahren weiss und durchaus eigenartig seinen Genossen gegenflbertritt. 
Wie sich dabei ein jeder von ihnen im Besonderen gebärdet, darüber geben auch ohne weitere 
Besprechung die mitgetheilten Zahlen und Tabellen wohl hinreichend Aufschluss. 

Was im Vorigen mit Bezug auf die ganzen Wirbel des llirnschädels mitgetheilt wurde, findet 
natürlich auch in einzelnen Abschnitten, namentlich in den Querabständen der wichtigsten Oeff- 
nungen, seine Bestätigung. Dies thatsächlick nachzuweisen, halte ich die Lagerungsverhältnisse 
der Eingangsöffnungen der Carotiscanäle für ausreichend. 

Das Hinterhauptsloch ist absolut durchschnittlich etwas enger als im normalen Schädel. Relativ 
befindet es sich jedoch nur dort im Nachtheil, wo das Hinterhaupt stark verkürzt auftritt. Der 
Längsdurchmesser genannter Oeffnung verkleinert sich dann in dem Grade, dasB er hinter dem 
Querdurclnnesscr zurückbleibt und aus dem Längsoval ihres Umfanges nicht bloss ein Kreis, sondern 
selbst ein Queroval gebildet wird. Racke, beide Sohn und S. Wyss liefern hierfür Belege und 
Schütteindreier entzieht sich diesem Schicksale nur dadurch, dass der Querdurcbmesser seines 
Hinterhauptsloches zu ungewöhnlicher Schmalheit herabsinkt. Es spricht dies für die Richtigkeit 
des schon früher Ausgesprochenen, dass die Verkürzung des Hinterhauptes innerhalb der Reihe 
unserer Mikrocephalen nur auf Horizontal-, nicht aber auf Verticalschub beruht. Der einzelne Fall 
gelangt in der nachfolgenden Tabelle genügend zur Geltung. 



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Beitrüge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 203 



Hinterhaupt Bloch. 


I. Absolute Werthe 
in mm. 


II. Relative Werthe; 
Grundlinie = 100. 


Länge. 


Breite. 


Länge. 


Breite. 


Normaler Schädel . . . 


37,3 


31,4 


43,0 


30,2 




(81—41) 


(27—38) 


(36,5— 18^1) 


(31,8—44,7 


Unbekannte aus der Insel 


36,0 


27,0 


51,4 


38,6 


Jos, Peyer . 


35,0 


30,0 


43,1 


37,0 


L. Racke 


31,0 


S1,0 


40,3 


40,3 


6. Mähre 


38.5 


28,0 


44.2 


32,0 


Fried. Sohn ...... 


30,0 


31,0 


30,5 


37,7 


Mich. Sohn 


29,0 


31,3 


35,2 


38,3 


Schütteindreier . . . . 


31,0 


28,0 


36,5 


83.0 


Mikroccphale von Jena . 


84,0 


27,0 


45,9 


86.5 


S. Wyae 


27,0 


28,0 


34,6 


35,0 


M. Mahler 


.32,0 


28,0 


45,7 


40,0 



Die grössten Uinfangslinien des Hiruschädelg sind auch für die Mikrocephalen in ihrer Ver- 
theilung auf die verschiedenen Wirbel verfolgt worden, allerdings nur für die Mittellinie in der 
früher eingehaltenen Ausdehnung. Für die horizontale Ebene fehlen leider in den meisten 
Füllen die Maasse des Stirn- und Hinterhauptwirbels und für die frontale wurden der Scheitel- 
und Schläfenabschnitt nicht auseinandergehalten , sondern in Ein» verschmolzen. 



26 * 



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204 



Prof. Dr. Chr. Aeby 



Umfang des 
Hirn Schädels. 




Medianebene. 




Stiru wirbel. 


Schläfen- 

wirbel. 


Hinterhauptfl- 

wirbel. 


Total. 


I. Absolute Werthe 
in mm: 










Normaler Schädel 


128,7 


121,4 


UM 


356,3 




(114—132) 


(106—133) 


(102—190) 


(331—376) 


Unbekannte aus der Insel « 


108 


103 


101 


312 


Jos. Peyer 


86 


91 


89 


266 


L. Racke 


60 


90 


85 


255 


G. Mähre 


79 


98 


78 


255 


Fried. Sohn 


83 


75.5 


77 


235,5 


Mich. Sohn 


77 


75 


78 


290 


Schütteindreier 


68 


73 


79 


220 


Mikrocephale von Jena . . . 


69 


72 


73 


214 


S. Wyss 


73,5 


65 


69,5 


208 


X. Mähler 


66 


74 


64 


204 


11. Relative Werthe; 
Grundlinie = 100: 










Normaler Schädel 


142,6 


139,8 


128.1 


410,5 




(138,1-151,7) 


(121,8 — 160,8) 


(115,7—151,7) 


(387,4—432,0) 


Unbekannte aus der Insel 


154,3 


147,1 


144,3 


446,7 


Jos. Peyer 


106,2 


112,3 


109,9 


328,4 


L. Racke 


103,8 


116,8 


110,4 


381,0 


G. Mähre 


90,7 


112,6 


89,6 


292,9 


Fried. Sohn . 


101,1 


92,0 


93,8 


286,9 


Mich. Sohn 


83,8 


91,4 


95,0 


280,2 


Schütteindreier 


80,0 


85,9 


93,0 


258,9 


Mikrocephale von Jena . • • 


93,2 


97,4 


98,7 


289,3 


8. Wyss 


94,2 


83,3 


89,1 


266,6 


M. Mähler 


94,3 


105,7 


91.4 


291,4 



Die Verminderung des absoluten Scliädelumfauges ist überall eine sehr bedeutende. Schon 
bei Raej^e und Peyer erreicht sie ungefähr ein Viertel des normalen Mittelwerthes , bei der 
Mähler und den beiden Sohn steigert sie sioli auf zwei Fünftel desselben. Uebrigens ist sie auch 
für ein und denselben Schädel nicht nach allen Richtungen hin eine gleichförmige. In den meisten 
Fällen leidet der mediane Bogen etwas mehr als der frontale, nur bei den Sohn und Schüttein- 
dreier erfolgt das Entgegengesetzte. Der Horizontalbogen stellt sich bei Peyer und Wyss 
günstiger, bei der Unbekannten aus der Insel ungünstiger als seine beiden Genossen ; sonst theilt 



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Beitrüge zur Kenntnis» der Mikrocephulie. 205 



Horizontalebone. 


Frontalebene. 


Stirn wirbel. 


Schläfen- 

wirbel, 


Hinterhaupts- 

Wirbel. 


Total 1 ). 


Halber Quer- 
um fang. 


Total. 


• 

9 

- 183,6 


101,5 


142,0 


528,7 


164,4 


328,8 


(163—200) 


94—113) 


(120—161) 


(488—657) 


(153-176) 


(311—355) 


135 


80 


117 


412 


148 


296 


118 


89 


111 


407 


125 


250 


? 


96,5 


9 


9 


125 


250 


? 


7 


? 


9 


7 


7 


? 


82 


? 


? 


101 


202 


? 


79 


? 


? 


94 


188 


? 


90 


7 


7 


100 


200 


? 


81 


7 


7 


100 


200 


84 


76 


99 


335 


100 


200 


9 


79 


7 


7 


95 


190 


211,4 


117,0 


163,6 


609,0 


189,4 


378,8 


(197,8-280,6) 


(106,8—122,9) 


(136.4 — 175,2) 


(654,6 — 623,3) 




(341,8—416,0) 


192,9 


114,3 


167,1 


688,0 


211,4 


422,8 


145,7 


108,9 


137,0 


502,5 


154,3 


306,6 


? 


124,0 


7 


7 


102,3 


324,6 


7 


? 


7 


7 


7 


7 


7 


99,9 


7 


7 


123,2 


246,4 


? 


96,2 


7 


7 


114,6 


229,2 


? 


106,9 


7 


7 


117,7 


235,4 


9 


109,5 


7 


7 


135,1 


270,2 


107,7 


97,4 


126,9 


429,4 


128,2 


256,4 


? 


112,9 


9 


7 


135,7 

1 


271,4 



er deren Schicksal. Es kommen also auch hier überall in der mannigiaclisten Weise individuelle 
Einflüsse zur Geltung. 

Relativ reicht nur die Insel an die Norm hinan; alle andern bleiben mehr oder weniger »elbst 
unter deren tiefstem Grenzwerthe zurück. Uin so mehr muss es auffallen, das« ein Segment de» 
mikrocephalen Schädel», nämlich der horizontale Schläfenbogen, bei Peyer, Racke, dem Mikro- 
cephalen von Jena und Mahler zur vollen Höhe der normalen Entwickelung »ich erhebt, »on«t 

*) Der in gewöhnlicher Weise bestimmte einfache Horizontal amfang ist etwas grösser als der hier ange- 
gebene, 429mm bei der Unbekannten aus der Insel, 415mm bei Peyer und 341mm bei S. Wyss. 



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2Ö6 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

alier derselben wenigstens nicht allzufern bleibt. Dadurch gewinnt der horizontale ScHläfenbogen 
das Uebergcwieht üb«r den medianen. Die beiden Quemähtc convergircn, wie schon früher an* 
gegeben wurde, nicht mehr wie beim normalen Schädel nach abwärts, sie verlaufen vielmehr ein- 
ander ziemlich parallel oder convergircn selbst nach aufwärts, ao dass das sonst nach unten keil- 
förmig zugeschnittenc Scheitelbein sich jetzt in entgegengesetzter Richtung verjüngt 1 ). Durch 
die obigen relativen Zahlen wird gleichzeitig bewiesen, dass hieran nicht ein gesteigertes Wacha- 
tliura des untern, sondern ausschliesslich ein vermindertes Wachsthum de« obern Parietalrandes 
die Schuld trägt. Der horizontale Schläfenbogen ist von allen Begränzungslinien des Schädel- 
gewölbes die einzige, welche in ihrer Entwickelung mit der Grundlinie gleichen Schritt gehalten 1 ). 

Um in leicht ersichtlicher Weise den Antheil zu bestimmen, der jedem Wirbel an der Bildung 
de» ganzen Schädelumfanges zukoinmt, berechnen wir wiederum den erstem in Prozenten de« 
letztem. 



Umfang des 
H truschädels. 


Mediaoebene. 


Horixon tal e 1 ms ne. 








Total. 


Stirnwirbcl. 


Schläfen- 

wirbel. 


Hinter* 
hau pls wirb. 


"3 

’S 


Normaler Schädel .... 


34,7 


84,0 


31,2 


100 


33,11 


88,8 


26,0 


100 




<31.;-!— a7,3| 


(31,3—36,4) 


<■28,3- . « 


— 


1 12,9— 37,1) 


(46,6—41,0) 


(28,2-28,6) 




Unbekannte aus der Insel 


31,6 


0 


32,4 


- 


32,7 


38,8 


-’-.l 


— 


Jos. Peyer 


82,4 


34,2 


33,4 


— 


29,0 


-44,- 


27.2 


— 


L. Racke 


SU 


85,3 


33,3 


— 


? 


? 


V 


— 


G. Mähre 


31,11 


33,4 


30,6 


— * 


? 


7 


? 


— 


Fried. Sohn 


BT>,2 


82,1 


32,7 


— 


? 


? 


? 


— 


Mich. Sohn ....... 


33,5 


32,6 


sä, a 


_ 


? 


v 


? 


— 


Schüttelndrcier 


80,9 


33.2 


35,9 


— . 


? 




? 


— 


Mikroccphale von Jena - 


32,3 


,43,6 


34,1 


— 


? 


* 


? 


— 


S. Wysa 


85,4 


31,2 


33.4 


— 


25.1 


45, t 


29 J) 


— 


M. Mahler 


82.4 


36,2 


31,4 


— 


? 


* 


? 


— 



ln der Medianebene de» normalen Schädels behauptet im allgemeinen der Slirnwirbel die 
erste, der Hinterhauptswirbel die letzte Stelle. Nur sehr selten rückt der letztere mit dem einen 



*) Anschaulicher als durch alle Zahlen wird diese Thaisache durch die Fig. 8 und 4 auf Seit« 51 dieees 
Bandes dargethan. Jedenfalls muss man sich hüten, den Grad der Convergenx der betreffenden Nähte dem 
gegenseitigen Langenverhältnisse des obern und untern Parietalrandes direct entnehmen zu wollen. Solche» 
wäre nur zulässig , wenn beide Ränder unten «ich parallel wären , was gewöhnlich nicht der Fall ist. Der 
schräger verlaufende Rand fallt natürlich verhältoissmässig länger aus als der weniger schräge. 

*) Von den Gliedern der Familie Moogle besitzt der 10jährige Jacob schon in sehr ausgesprochenem 
Grade die umgekehrte Keilform des Scheitelbeines. Bei dem 15jährigen Johann ist sie nicht vorhanden, 
indem der horizontale Schläfenbogen etwa wie bei Poyer um ein weniges kleiner ist, als der mediane. Der 
erst 6jährige Johann Georg zeigt ein regelrecht zugeschnittenes Scheitelbein. Die Erklärung hierfür darf 
nicht sowohl in dem noch jugendlichen Alter als vielmehr darin zu suchen sein, dass bei Johann Georg 
das mikroccphale Moment überhaupt weniger hervortritt als bei seinen Verwandten. 



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Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 207 

oder anderen seiner Genossen in gleiche Linie oder theilen sich alle drei Wirbel gleichfbnnig 
in das Ganze. Der mikrocephale Schädel verhält weh in dieser Hinsicht durchaus eigenartig. Ein 
jeder der drei Wirbel vermag die Oberherrschaft zu erreichen, ein jeder kann aber auch auf die 
niedrigste Stufe herabgedrückt werden, ohne dass mit Beziehung auf die allgemeine Schfidelform 
ein bestimmtes Gesetz sich aufstellen Hesse. Den kürzesten und klarsten Ausdruck dafür erhalten 
wir, indem wir für die einzelnen Schädel die Wirbel nach abnehmender Grösse gruppiren *). 

Normaler Schädel F — T — O Peyer, Racke ..... T— F — 0 Mich. Sohn ...... O — F — T. 

Fried. Sohn, Wyaa .... F — O—T Mähre, Mahler .... T — O — F Schütteindreier, Jena . O — T — F. 

Sehr unzweideutig bekundet sich der Einfluss der Mikrocephalie auf den horizontalen Jlogen. 
In diesem vergrössern sich Schläfen- und Hinterhauptswirbel , hauptsächlich aber der entere, auf 
Kosten des Stimwirbels. Der letztere fällt somit der Verkümmerung anheim. 

Ueber die Wölbung* Verhältnisse des Schädels giebt die nachfolgende Tabelle Aufschluss. 



Wölbungsverhält- 
nisse de« Hirn- 
■ chädels. 


Medianebene. 


Horizontalebene. 


Frontalebene. 


mm 


Schläfen- 

wirbel. 






Schläfen- 

wirbel. 


HinterhaupU- 

wirbe). 


Halber Um- 
fang. 


Normaler Schädel . . . 


112,7 


110,3 


118,6 


150,0 


105,7 


122,7 


125,2 




(109,1—115,2) 


(106,8—112,5) 


(115,5—126,6) 


(145,2—159,2) 


(108,0—10725) 


(109,7—1822») 




Unbekannte aus der Insel 


108,0 


110,7 


118,8 


185,0 


106,7 


12.1.2 


124,4 


Jo«. Peyer 


108,8 


108,3 


115,6 


124,2 


104,7 


120,7 


122,3 


L. Racke ....... 


100,7 


m,i 


113,8 


? 


108,5 


? 


120,2 


G. Mähre 


103,9 


109 Jj 


114,7 


? 


? 


? 


? 


Fried. Sohn 


105,1 


106,3 


114,9 


? 


103,8 


? 


1 14,8 


Mich. Sohn 


105,5 


107,1 


118,2 


? 


102,6 


? 


111,3 


Schüttelndreier .... 


103,0 


106,8 


119,7 


? 


105,8 


? 


113,8 


Mikrocephale von Jena . 


103,0 


106,9 


115,9 


? 


106,2 


? 


117,7 


8. Wysa 


106,0 


106,6 


113,9 


125,4 


104,1 


1 17,8 


121,9 


M. Mahler 


104,8 


105,7 


114,3 


? 


106,8 


? 


125,0 



Eine ausnahmslose, merkliche Abflachung in medianer wie horizontaler Richtung ist nur ftir 
den Stirnwirbel vorhanden. Schläfen- und Hinterhauptswirbel werden nur wenig oder selbst gar 
nicht von einer solchen berührt. Der Frontalebene gehören die grössten individuellen Verschieden- 
heiten an. Die starke mikrocephale Mäh ler weicht gar nicht von dem normalen Schädel ab, 
während anderseits die beiden Sohn und Schüttelndreier einer hochgradigen Abflachung 
Raum geben. Letztere führt selbstverständlich zu einer kielartigen Erhöhung des Schädeldaches 
entlang der Mittellinie. 



, ) F, Stirn-, T, Schläfen-, ö, Hinterhauptawirbel. 



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208 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 



Quadratoberflächo 




Stirn wirbel. 




Schläfen- 


de» Hirntchädels. 


Fornix. 


Basis. 


Total. 


Fora ix. 


Basis. 


i, Absolute Werthe 
in □ cm. 












Normaler Schädel ..... 


137,0 


27,2 


164,2 


338,0 


29,2 




(103,3 — 167,5) 


(21,2-32,5) 


(125,9—191,9) 


(297,6 — 390,5) 


(24,5—41,0) 


Unbekannte aus der Insel ■ 


88,2 


22,8 


111,0 


265,8 


31,9 


Jos. Peyer 


«6,6 


17,3 


82,9 


198,9 


80,7 


L. Racke 


64,5 


18,2 


72,7 


189,7 


30,1 


Fried. Sohn 


43,6 


36,8 


80,4 


151,4 


19,5 


Mich. Sohn 


34,8 


33,4 


68,2 


141,1 


22,0 


Schüttclndrcier 


21,6 


15,0 


36,8 


141,3 


25,2 


Mikrocephale von Jena . . 


28,1» 


18,2 


47,1 


125,8 


21,8 


S. Wyi» 


38,6 


13,5 


52.1 


1 33,9 


18,5 


M. Mahler 


23,4 


19,9 


43,3 


113,8 


17,7 


II. Relative Werthe; 
Quadratprundlinie = 100. 












Normaler Schädel 


181,8 


86,0 


217,8 


448,3 


38,8 




(152,!»— 216,4) 


(29,3—13,!)) 


(182,2 — 251,9) 


(350,4—516,9) 


(29,6—55,4) 


Unbekannte aus der Insel . 


179,8 


46,5 


22M 


542,5 


65,1 


Jos. Peyer 


99,9 


26,3 


126,2 


303,0 


46,7 


L. Hacke 


91,9 


30,7 


122,6 


319,9 


50,9 


Fried. Sohn ....... 


64,8 


64,8 


119,6 


225,1 


29,0 


Mich. Sohn 


61,8 


49,7 


101 


200,7 


32,8 


Schütteindreier 


28,8 


19,8 


48,6 


186,7 


33,3 


Mikrocephalc von Jena . . 


52,8 


33,3 


86,1 


229,8 


39,7 


S. Wyss 


63,4 


22,2 


86,6 


220,0 


30,5 


M. Mahler 


48,0 


40,3 


88,3 


231,8 


36,2 


III. Relative Werthe; 
Ganze Schädeloberfl. = 100. 












Normaler Schädel ..... 


20,2 


4,0 


21,2 


49,9 


4,3 




(16,4—22,0) 


(3, 4-4,7) 


(20,0—26,3) 


(47,4-53,2) 


(3.6— 5,9) 


Unbekannte aus der Insel . 


17,3 


4,5 


21,8 


62,8 


6,3 


Job . Peyer 


16,1 


4,2 


20,3 


48.8 


7,5 


L. Backe 


18,7 


4,6 


18,3 


47,9 


7,6 


Fried. Sohn 


12,4 


10,5 


22,9 


43,3 


5,6 


Mich. Sohn 


10,9 


10,6 


21,4 


44,1 


6,9 


Schütteindreier 


7,9 


5,4 


13,3 


50,7 


9.1 


Mikmoephalc von Jena . . 


10,8 


6,8 


17,6 


46,8 


6,1 


S. Wyss 


13,6 


4,7 


18,2 


46,8 


6,6 


M. Mahler 


9,8 


8,3 


18,1 


47,6 


7,3 



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Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 



209 



wirbel. 


Ilinterhanptswirbel. 


Ganzer Schädel. 


Total. 


Fornix. 


ßaaia. 


Total. 


Fornix. 


Itasin, 


Total. 


367,2 


60,9 


93,6 


144,5 


626,1 


149,9 


676,0 


(334,0—417,1) 


(40,5—60,5) 


(82,0-110,1) 


(129,3—161,3) 


(453,9—604,3) 


(133,5-166,5) 


(587,3—760,3) 


297,7 


36,0 


64,7 


99,7 


389,0* 


119,4 


508,4 


220,6 


35,6 


69,3 


94,9 


300,1 


107,8 


407,4 


219,8 


23,1 


80,6 


103,7 


267,3 


128,9 


396,2 


170,9 


17,4 


80,4 


97,8 


212,3 


136,8 


349,1 


163,1 


23,7 


64,8 


88,5 


199,6 


120,2 


319,8 


166,5 


14,3 


60,6 


74,9 


177,5 


100,8 


278,3 


147,6 


18,15 


60,1 


73,6 


168,8 


100,1 


268,4 


152,4 


19,2 


62,0 


8143 


191,6 


94,1 


285,7 


131,3 


15,0 


49,6 


64,6 


152,0 


87,1 


239,1 


487,2 


67,5 


124,2 


192,8 


697,7 


199,1 


896,8 


(427,3- 651,0) 


(53,4—79,7) 


(97,6—142,8) 


(161,9-222,1) 


(622.9 — 780,6) 


(163,7—218,6) ' 


| (813,5—983,7) 


607,6 


71,5 


132,1 


203,6 


793,8 


243,7 


1037,5 


349,7 


54,3 


90,4 


144.7 


467.2 


163,4 


620,6 


370,6 


39.0 


135.9 


17141 


450.7 


217,6 


668,3 


254,1 


25,8 


119,6 


145,4 


315,9 


203,4 


519,3 


242,5 


35,8 


96,3 


131,6 


296,8 


178,8 


475,6 


220,0 


18,9 


80,1 


99,0 


234,4 


133,2 


367,6 


269,5 


24,7 


109,8 


134,5 


307,8 


182,8 


490,1 


360,5 


31,5 


101,9 


133,4 


314,9 


154,6 


469,5 


268,0 


30,6 


101 41 


131,8 


310,4 


177,7 


488,1 


54,2 


7-5 


13,8 


21,3 


77,7 


22,2 


99,9 


(51,7-56,9) 


(5,5— 8,8) 


(11,9-16,3) 


(18,2—24,0) 


(75,4 — 80,2) 


(19,7—24,6) 




58,6 


6,9 


12,7 


19,6 


76,5 


23,5 


100 


66,3 


8,7 


14,6 


23,3 


73,7 


26,3 


100 


66,5 


6,8 


20,4 


26,2 


67,5 


32.5 


100 


48,9 


4,9 


23,0 


27,9 


61,9 


39,1 


100 


61,0 


7,4 


302 


27,6 


62,4 


37,6 


100 


59,8 


5,1 


21,8 


26,9 


63,7 


36,3 


100 


544» 


5,0 


22,4 


27,4 


62,6 


37,8 


100 


53,4 


6,7 


21,7 


28,4 


67,0 


33,0 


100 


64,9 


6.3 


20,7 


27,0 


63,7 


36,3 


100 



Archiv rer Anthropologie. B4. VH. lieft J, 27 



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210 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

Die absolute Abnahme der Schädel Oberfläche geht im Gänsen Hand in Hand mit derjenigen 
des Schädelinhalts , ohne jedoch einen allzustrengen Parallelismus festzuhalten. Sie steigert sich 
so sehr* dass die Mahler nur noch 35 Proc. der normalen Schideloberfläche beibehält. Es wird 
aber auch sofort ersichtlich* dass an dieser Verkleinerung Schädeldach und Schädelgrund in höchst 
ungleicher Weise betheiligt sind, und zwar zu Ungunsten des erstem. So entspricht es beispiels- 
weise gerade bei der Mahler nur noch beiläufig 29 Proc. der normalen Grösse* während dem Grunde ge- 
rade das Doppelte* nämlich 58 Proc., zukommt. Auf die gesummte Aus&enfläche bezogen* ist mit- 
hin bei allen Mikrocephalen der Sehädelgrund verhältnisHinüssig grösser* das Schädeldach in ent- 
sprechender Weise kleiner als beim normalen Schädel. Die 22 Proc. des erstem steigen bis auf 
39 Proc.* die 78 Proc. der letztem fallen bis auf 61 Proc. Wir Anden also wiederum bestätigt, 
dass die mikrocephule Umformung mehr in den obern als in den untern Abschnitten der Schädel- 
Wirbel zur Geltung kommt. 

Die Prüfung der auf die Quadratgrundlinie berechneten Schädelobcrfläche zeigt recht klar, 
wie wenig hinsichtlich der speciellen Bildungsverhältnisso Uebereinstimmung zwischen den ver- 
schiedenen Mikrocephalen vorhanden ist. Auch hier erweist sich ein jeder als durchaus eigenartig. 
Die Rangordnung stimmt nicht völlig mit der durch die Capacität des Hirnraumes bedingten, indem 
Kacke mit 78 Proc. der normalen Oberfläche an den Anfang, Schütteindreier dagegen mit nur 
noch 41 Proc. ganz an das Ende rückt. Das Schädeldach erfahrt eine so bedeutende Verkleinerung, 
dass es selbst im günstigsten Falle (Peyer) nur 65 Proc., im ungünstigsten (Schftttelndreier) 
vollends nur 34 Proc. des normalen Umfanges gleich kommt. Dafür erhebt sich der Schädel- 
grund sogar bis zum obern Grenzwerthc der Norm (ltacke) und selbst Schütteindreier vermag 
ihn nur auf 67 Proc. derselben, also auf einen dein der günstigsten Dachbildung ungefähr ent- 
sprechenden Werth, zu verringern. Unterhalb des tiefsten Grenzwertlies der Norm bleibt der 
Sehädelgrund ausserdem nur noch bei S. Wyss und auch bei ihr um keine bedeutende Grösse. 
Dass die Entwickelung von Schädelgrund und Schädeldach in keiner strengen Beziehung zur ge- 
sammten Oberfläche steht, lehrt die nachfolgende Uebcrsicht der nach abnehmender Oberfläche 
geordneten Schädel. 



Ganter Schädel. 

Racke. 

Peyer. 

Fried. Sohn. 
Jena. — Mahler. 
Mich. Sohn. — Wyss. 
Schütteindreier. 



Schädeldach. 
Racke. — Peyer. 



Schade I gr u nd. 
Racke. 



Fried. Sohn. — Wy§§. 
Jena. — Mäkler. 

Mich. Sohn. 
.Schütteindreier. 



Fried. Sohn. 

Jena. — Mahler. — Mich. Sohn. 
Peyer. — Wyss. 
Schütteindreier. 



Auffällig ist die geringe Ausbildung des Schädelgrundes bei Peyer und S. Wyss. Näheres 
Zusehen lehrt, dass bei jenem dem Hinterhaupts-, bei dieser dem Stirn- und Schläfenwirbel die 
Schuld zufallt. 

In der Entwickelung der einzelnen Wirbel gelangt vor allem die zunehmende Verkleinerung 
des Schädels nach vorn hin zu scharfem Ausdruck. Der hinterste grenzt in einem Falle (Kacke) 
noch an das Gebiet der Normalen und schrumpft höchstens um etwa dessen Hälfte ein (Schüttein- 
dreier). Der mittlere sinkt bereits auf etwa 76 (Kacke) bis 45 (Schütteindreier) und der vor- 



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211 



Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 

derate vollend» auf etwa 55 (Peyer) bis 22Proc. (Schütteindreier) davon herab. Im Einzelnen 
machen sich dann freilich vielfach individuelle Verschiedenheiten geltend, Peyer und Hacke sind 
durchweg die höchsten, Schütteindreier die niedrigsten Ziffern zugetheilt Ihre Genossen ent- 
behren einer derartigen Gleichartigkeit Fried, und Mich. Sohn sind im Stirn wirbcl entschieden 
im Vorsprung vor Jena, Wyss uud Mäkler. Sie verlieren denselben jedoch völlig im Schläfen- 
und zum Theil auch noch im Hinterhauptewirbel. Ordnen wir, indem wir den Nachweis für alle 
Einzelheiten den Zahlen überlassen, nach abnehmender Wirbelgrösse, so gelangen wir zu nach- 
stehender Reihenfolge : 



Stirnwirbel. 



Schläfen wirbel. 



Peyer. — Racke. — Fried. Sohn. 
Mich. Sohn. 

Jena. — Mäkler. — Wyas. 



Peyer. — Racke. 
Jena. — Mahler. 
Fried. Sohn. — Wyss. 



Schütteindreier. 



Mich. Sohn. 
Schütteindreier. 



Hinterhaupts wirbcl. 
Racke. 

Peyer. — Fried. Sohn. 

Mich. Sohn. — Jena. — Mahler. 
Wyss. 

Schütteindreier. 



Achten wir endlich noch auf den relativen Anthcil jedes einzelnen Wirbels an der Erstellung 
der gesammten Schfideloberfläche, so prägt sich ein sehr bestimmter Charakter der Mikrocephalie 
in ansehnlicher Vergrösserung des Hinterhaupts- und entsprechender Verkleinerung de« Stirn - 
wirbels aus, während der Schläfenwirbel im Allgemeinen normale Verhältnisse darbietet Peyer 
steht in dieser Beziehung der Norm noch am nächsten. Die übrigen Mikrocephalcn weichen der 
Mehrzahl nach nicht allzusehr von einander ab, und eine Störung wird nur dadurch veranlasst, dass 
sich bei Fried, und Mich. Sohn der Stirnwirbel auf Kosten des Schläfen wir beiß und hinwiederum 
bei Schüttclndreier der Schläfen wirbel auf Kosten des Stirnwirbels ungebührlich erweitert. 
In der relativen Ausdehnung der Oberfläche kann mithin beim Stirnwirhel der Charakter der 
Mikrocephalie sich verwischen, während dies bei dem Uinterhauptawirbel, wenigstens so weit 
unsere gegenwärtigen Erfahrungen reichen, niemals der Fall ist 

In all den bisherigen Besprechungen über die Oberfläche der Mikrocephalenschädel haben wir 
der Unbekannten aus der Insel keine Erwähnung getban. Die ihr angehörigen Zahlen beweisen 
klar genug, dass sie auch nach dieser Seite hin der specifischen mikrocephalcn Charaktere entbehrt 
und gänzlich den Typus der normalen Schädelform zur Verkörperung gelangen lässt 1 ). 

Besondere Beachtung verdienen die Scheitelbeine als die einzigen ausschliesslich dem Dache 
angehörigen Abschnitte des llirnschädels. Dass dieselben absolut wie auch relativ zur Grundlinie 
einer sehr beträchtlichen Verkleinerung unterliegen müssen, bedarf kaum noch des besonderen Be- 
weises. Ebenso steht, nachdem wir erfahren, dass im mikrocephalen Schädel die Verkümmerung 
von unten nach oben zunimmt, zu erwarten, das» sie im Vergleiche zur ganzen Schädeloberfläche 
einen kleineren Kaum beanspruchen werden, als im normalen Zustande, trotzdem in dieser Be- 
ziehung der Schläfenwirbel als Ganzes nirgends von der Regel Abweichendes darbot Es trifft die» 
in der That auch in der Mehrzahl der Fälle zu. Nur Mähler macht eine sehr auffällige Ausnahme, 



>) Jac. Moegle lag mir nur in einem Abguss vor, von dem ich nicht weis», in wie weit er rieh an 
das Original anschliesat. Für Johann und Johann Georg bin ich dagegen imStande, die genauen Maassc 
anzugeben. 



27 » 



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212 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

indem bei ihr das Scheitelbein zu dem ihm zugehörigen Wirbel sowohl, wie auch zur ganzen Sehädcl- 
fläche in normalem Verhältnisse steht. Wenig verkümmert im Vergleich zum übrigen Wirbel ist 
der Knochen bei Peyer, Kacke und Wyas, stärker beeinträchtigt bei den Sohn, bei Jena und 
Schütteindreier. Für die ganze Schädeloberfläehe kann diese Schwächung durch ungewöhnliche 
relative Ausdehnung des ganzen Schläfen wirbels verwischt (Schütte ln dreier) oder aber durch 
ungewöhnliche Kleinheit noch bedeutend verschärft werden (Fried, und Mich. Sohn). — Für die 
beiden Mocgle ist den Zahlen zu entnehmen , dass ihr Scheitelbein, namentlich dasjenige von 
Johann Georg, sich günstiger Fntwickelung erfreut. 





Absolute Werthe in 
□ cm. 


Relative Werthe; 
Grundlinie 100. 


Relative Werthe; 
Ganze Schädeloberfl. = 100. 




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30 


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3 

O 

H 


Joh. Moegle (löjährig) . . 
Joh. Georg Moegle (5 jährig) 


59,8 

66,7 


154,6 

193,5 


64,9 

69,4 


279,3 

329,6 


129,4 

136,2 


334,5 
394 ,8 


140,1 

141,7 


604,3 

672,7 


21.4 

20,2 


55,3 

56.7 


23,2 

21,0 


100 

100 



Ihrer Form nach lehnen sich beide Fälle unmittelbar an die am günstigsten gestellten Mikrocephnlon an. 
Demgemäss tritt auch das Uebergewieht des IlinterhauptBwirkels über den Stirnwirbel, wenn gleich deutlich, 
doch nur wenig hervor. Eine direct« Vergleichung mit älteren Schädeln ist leider nicht möglich , da ein 
mittlerer mikrocephaler Typus nicht existirt und wir nicht wissen können, welcher der verschiedenen indivi- 
duellen Formen die obigen Schädel, zumal der jüngste, bei weiterem Wachsthum sich genähert hätten. Ja 
es bleibt selbst fraglich , ob ihr Gepräge nicht ein durchaus eigenartiges geworden wäre , da die Zahl der 
überhaupt denkbaren individuellen mikrocephalen Formen mit den in dieser Abhandlung besprochenen jeden- 
falls noch lange nicht erschöpft ist. 



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Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 



213 



Beide 

Scheitelbeine. 


Absolute Grösse 
in □ cm. 


Relative Grösse; 
Quadralgrundliuie 
= 100. 


Relative Grösse ; 
Ganze .Schädel* 
fläche ss 100. 


Relative Grösse; 
Schläfenwirbel = 
100. 


Normaler Schädel 


272,1 


3G0,9 


40,2 


74,1 




(230,4 — 309,0) 


(302,7 — 424,0) 


(»7,0 — 43,7) 


(70,9 — 77,5) 


Unbekannte aus der Insel . 


216,0 


440.8 


42,5 


72,5 


•Io». Peyer 


157.1 


239,3 


38,5 


68,4 


L. Racke * 


147,6 


248,9 


37,3 


67,1 


G. Mähre 


? 


? 


? 


? 


Fried. Sohn 


106,1 


157,8 * 


30,4 


02,0 


Mich. Sohn 


98,7 


146.8 


30.9 


60,5 


Schütteludreier 


103,6 


136,9 


37,2 


62,2 


Mikroccphale von Jena . . 


92,7 


169,3 


34,5 


62,8 


S. Wyss . 


99,5 


163,6 


»4,8 


65,3 


M. Mähler 


100,5 


205,1 


42,1 


76,6 


Job. Moegle 


102,9 


222,5 


36,8 


66,5 


Job. Georg Moegle . , , , 


148,1 


302,2 


44,9 


76,6 



Die Eingangsebenen der verschiedenen Schädelgruben sind geeignet, ein Streiflicht auf die 
Gliederung der untern Gehirnfläche zu werfen. Ihrem Umfange sei deshalb hier gleichfalls eine 
Stelle eingeräumt. 





Grundlinie ss 100. 


Gesaramt fläche = 


100. 


Vordere 

Schädel* 

grübe. 


Mittlere 

Schädel- 

grube. 


Hintere 

Schädel- 

grube. 


Vordere 

Schidel- 

grube. 


Mittlere 

Schädel* 

grübe. 


Hintere 

Schädel- 

grube. 


Normaler Schädel 


68,0 


78,5 


88,1 


25,8 


34,8 


39,2 








♦ 


(24,4-28,5) 


(31,3-39,0) 


(36,6—40,3) 


Jos. Peyer 


40,2 


57,2 


72,0 


23,6 


33,6 


42,7 


L. Racke 


40,7 


71,8 


81,3 


21,0 


37,0 


41,9 


Schutteindreier 


25,1 


66,1 


59,9 


17.8 


39,7 


42,5 


Mikroccphale von Jena . . 


27,9 


63,1 


57,3 


18,8 


42,5 


88,7 


8. Wyss 


24,6 


68,9 


45,9 


18,8 


45,6 


35,6 


M. Mähler • 


26,7 


62,3 


59,9 


19,2 


37,7 


43,1 



ltelativ zur Grundlinie nähert sich nur Racke dem normalen Schädel. In der Vertheilung der 
Uesain ratfläche aller Gruben auf die einzelnen bedenkt letzterer die hinterste am beeten , die vor- 
derste am stiefmütterlichsten. Von den Mikrocephalen folgt nur Peyer ziemlich getreu seinem 
Beispiele. Schon bei Racke, mehr aber noch bei Schflttelndreier und Mähler, ist die vordere 
Grube entschieden verengt, die mittlere dagegen erweitert. Daneben behauptet die hintere 



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214 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

ungestört ihren Vorrang. Sie verliert ihn erst bei Wyss und dem Mikrocephalen von Jena da- 
durch, dass sie auf einen Theil ihre» Umfanges zu Gunsten der mittleren Grube, die also jetzt zur 
umfangreichsten wird, verzichtet, während die vordere Grube auf der Stufe von Mahler und 
Schfittclndreicr verharrt. Die Verkleinerung dieser letztem ist somit typisch fQr die raikro- 
cephale Bildung; flagegen kommen im Bereiche der beiden übrigen Gruben nicht unbeträchtliche 
individuelle Verschiedenheiten zur Geltung 1 ). 

Wir wenden uns zum Kubikinhalt des Hirnschädels, indem wir gleich denen absolute Werthe 
mit den nach der Kubikgrundlinie und den nach dem Gesumm tin halte berechneten zusammenstellen. 



*) Die Eingangso bene der hinteren Schadclgrube ist bei allen Mikrocephalen mehr oder weniger steil 
aufgerichtet. In Folge davon nimmt der quere Blutleiter einen entsprechenden, bisweilen selbst ganz senk- 
rechten Verlauf an, in schroffem Gegensätze zu seiner mehr horizontalen, dicht über das grosse Hinterhaupts- 
loch hinwegstreicheuden Richtung heim Orang und Chimpanse. 



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Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 



215 



Kubikiukalt des Hirnschädels. 


Ganzer 

Schädel. 


Stirn wirbel. 


Schläfen* 

wirbel. 


Hinterhaupts- 

wirbel. 


Hintere 

Schädel* 

gruhe. 


I. Absolute Werthe in QCm. 












Normaler Schädel 


1397,9 


239,8 


912,8 


245,3 


140,6 


Unbekannte aus der Insel * 


(1192—1724) 

926 


185,0 


592,0 


149,3 


98,7 


Jos. Peyer 


660 


116,0 


386,5 


157,5 


116,8 


L. Hacke . 


602,8 


79,6 


412,5 


110,6 


82,7 


G. Mähre 


555,0 


? 


? 


? 


? 


Fried. Sohn 


451,0 


68,0 


289,0 


94,0 


60,0 


Michel Sohn 


370,0 


40,0 


200,0 


70,0 


? 


Schütteindreier 


365,2 


38,1 


220,1 


107,0 


86,9 


Mikrocephale von Jena 


357,5 


38,6 


238,2 


80,7 


58,9 


S. Wyss 


857,0 


52,7 


220,1 


84,2 


62,0 


M. M&liler 


294,7 


30,0 


196,5 


6822 


67,2 


II. Relative Werthe; 
Kubikgrundlinie = 100. 












Normaler Schädel 


213,6 


36,6 


139,4 


37,6 


21,4 


Unbekannte aus der Insel ..... 


(175,1—252,8) 

269,9 


53,9 


172,5 


43,5 


28,8 


Jos. Pever 


124,1 


21,8 


72,7 


29,6 


21,9 


L. Racke 


132,0 


17 5 


90,3 


24,2 


18,1 


G. Mähre ............. 


84,3 


? 


? 


? 


? 


Fried. Sohn 


81,5 


12,3 


52,2 


17,0 


10,9 


Michel Sohn 


67,2 


7,3 


47,2 


12,7 


? 


Schütteindreier 


55,5 


5,8 


33,4 


16,3 


13,2 


Mikrocephale von Jena 


88^ 


9,5 


58,8 


19,9 


14,5 


S. Wyss 


75,2 


11,1 


46,4 


17,7 


13,1 


M. Mnhler 


85,9 


8,7 


57,3 


19,9 


19,6 


UI. Relative Werthe; 












Ges&romtinhalt = 100. 
Normaler Schädel 


100 


17,1 


65,2 


17,6 


10,0 


Unbekannte au» der Insel 


100 


(14,1 — 18,8) 
1 19,9 


(62,5-67,7) 

63,9 


(15,8—20,0) 

16,1 


(8,8-10,7) 

10,7 


Jos. Peyer 


100 


17,6 


58,6 


23,9 


17,7 


L. Racke 


100 


13,3 


68,3 


18,3 


13,7 


G. Mähre . 


100 


? 


9 


7 


? 


Fried. Sohn 


100 


15,1 


64,1 


20,8 


13,3 


Mich. Sohn 


100 


10,8 


70,3 


18,9 


? 


Schüttelndreier 


100 


10,4 


60,3 


29,3 


25,8 


Mikrocephale von Jena . 


100 


10,8 


66,0 


22,0 


16,5 


S. Wy« 


100 


«4,8 


61,7 


23,4 


17.4 


M. Mähler 


100 


10.2 


66,6 


23,2 


22.8 



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216 



Prof. I)r. Chr. Aeby, 

Die grosse Verschiedenheit in dem absoluten Kubikinhalte des Ilirnschädels ist uns bereits 
früher bemerklieh geworden. Hei Peyer entspricht er noch ungefiihr der Hälfte des normalen 
Schädels, bei Jena und Wyss sinkt er auf ein Viertel, ja bei Mahler sogar auf ein Fünftel des- 
selben herab. Dabei erscheinen wiederum die einzelnen Wirbel mit sehr ungleicher Elle gemessen. 
Dem Stirnwirbel wird am schlimmsten mitgespielt. Bei Peyer beträgt sein Binnenraum noch fast 
die Hälfte des normalen, bei Mahler sind nur noch 12 Proc. von dem letzteren vorhanden. Da- 
gegen bleibt in beiden Fällen der Hinterhauptswirbcl um 16 Proc. der eigenen Norm vor ihm im 
Vorsprung. Der Schläfen wirbel behauptet eine Mittelstellung. 

Bezogen auf die Grundlinie stehen alle Mikroeephalen weit hinter dem normalen Schädel zu- 
rück. Nur Peyer und Hacke bringen es über deren Cubus hinaus, die andern alle bleiben da- 
hinter zurück, am meisten Schütteindreier mit w r enig mehr als der Hälfte desselben. 

In der Vcrtheilung des ganzen Inhaltes auf die einzelnen Wirbel macht sich im Ganzen und 
Grossen sehr bestimmt das Bestreben geltend, den Schläfen wirbel ungefähr auf der Höhe des Nor- 
malen zu halten, dagegen den Hinterhauptswirbel zu Ungunsten des Stirn wirbels zu erweitern. Im 
Einzelnen freilich verschieben sich die Grenzen in mannigfachster Weise, indem ein Wirbel auf 
Kosten der andern sich uusdehnt oder zu deren Gunsten sich verkleinert So treffen wür in Mich. 
Sohn auf eine Vergrößerung des Schläfenwirbels neben Verkleinerung des Hintcrhauptswirbels, 
bei S. Wyss auf Verkleinerung des Schläfenwirbels unter gleichzeitiger Vergrößerung des Stirn- 
wirbels. Beispiele anderer Art liefern Peyer und Fried. Sohn. Das allgemeine Gesetz wird 
durch solche Ausnahmen nicht ausser Kraft gesetzt, wohl aber predigen sic wieder recht eindring- 
lich, mit welcher Zähigkeit die mikroeephalen Schädel nach allen Seiten hin ihre Individualität 
zu wahren bestrebt sind, und wie es deshalb durchaus unmöglich ist, sic zu einer einheitlichen, 
typischen Grundform zu verschmelzen. — Zwischen Inhalt und Oberfläche der ganzen Schade*! so- 
wohl, als auch ihrer einzelnen Abschnitte ist ein strenger Parallclismus nicht vorhanden. Die 
grossen Ungleichheiten in den besonderen Construetionsverhältnissen machen dies sehr begreiflich. 

Die Verkümmerung des Ilinterhauptswirbelfl betrifft früheren Nachweisen zufolge hauptsächlich 
den Deckentheil. Daher erklärt sich die verhältnissmässige Grösse der hintern Schädelgrube. Re- 
lativ zur Grundlinie kann sie selbst ganz (Peyer) oder wenigstens fast (M übler, Kacke) so gross 
werden wie im normalen Menschen. Sie erscheint daher im Vergleiche zura übrigen stark ver- 
kleinerten Gehirnraume ausnahmslos vergrößert, in einzelnen Schädeln um mehr als das Doppelte 
des ihr eigentlich gebührenden Inhaltes *). 

Der Unbekannten aus der Insel thun wür schliesslich nur noch Erwähnung, um ausdrücklich 
hervorzuheben , dass sie hinsichtlich des Schädelinhaltes gänzlich dem normalen Verhalten sich 
unterordnet Wir stehen daher nicht länger an, es auf Grund aller bisherigen Erfahrungen aus- 
zusprechen, dass ihr Schädel wohl gegenüber dem normalen eine nicht unbeträchtliche Verkleinerung 
erfahren hat, dass diese Verkleinerung aber in keiner Weise den Typus der Mikrocephalic an sich 
trägt. 

*) Der Kubikinhalt von Joh. Moegle beträgt 89 2 Kubikcentimeter oder 124,7 Proc., derjenige von Job. 
Georg Moegle 490 Kuhikcentimeter oder 142,9 Proc. der Kubikgrundlinie. Beide stellen sich daher in ihren 
relativen Werth en mit an di« Spitze der ganzen Reihe. Die Vertheilung des Gesammtinhaltes auf die ein- 
zelnen Wirbel konnte nur bei Johann geprüft werden und ergab die charakteristische Verkleinerung des 
Stirnabschnittes (Stirnwirbel 13,6; Schläfenwirhel 66,4; Hinterhauptawirhel 20,0 Proc. des ganzen Schädel- 
raumes). 



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217 



ßeiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 

Den Pyramidenwinkel habe ich bei den Mikroccphalen im ganzen kleiner als den normalen 
gefunden, nämlich 102 — 126“ gegenüber 110 — 135 (Mittel 121“). Bestimmte Beziehungen zur 
ganzen Schädelform aufzufinden, wollte mir jedoch nicht gelingen. Ich begnüge mich daher auch 
mit dieser summarischen Angabe. 



fi. üesichtsschädel. 



Zu dem Bilde des mikrocei>halcn Schädels liefert auch dessen Gesichtstheil zwar weniger stark 
hervortretende, doch immerhin bedeutsame Striche. Diese festzustcllen und ihre Beziehung zum 
Ganzen klar zu legen, verfahren wir nach den schon beim normalen Schädel befolgten Grund- 
satten. 



Archiv für Anthropologie. Bd. VII. H*ft i 



28 



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218 Prof. Dr. Chr. Aeby, 



Längen- und Höhenverhältnisse 
des Gesichtsschädels 1 ). 


N a 


s e. 


Vorderrand 


Wurzel. 


Spitze. 


des 

Oberkiefers. 


I. Absolute Werthe in mm. 


• 






a. Ordinaten. 








Normaler Schädel , . 


-2,6 


—25,6 


— 54,4 




(-0—0,0) 


(—20,0—84,0) 


( —50,0 — 58,0) 


Unbekannte aus der Insel 


—3,0 


—27,0 


—51,0 


Jos Peyer 


— i,0 


—26,0 


—54,0 


L. Hacke 


—2,0 


—25,0 


—50,0 


O. Mihro 


0 


—22,3 


—61,6 


Fried. Sohn 


—4,0 


—81,0 


—53,0 


Michel Sohn 


— 6,0 


—28,5 


—57,0 


SchüUclndreier 


—4,5 


—200 


— 63,0 


Mikrocephale von Jena 


— 4,0 


—20,0 


—62,0 


8. Wy 


— 2,5 


—19,5 


-50,0 


M. Mahler 


-2,0 


—21,0 


—49,5 


b. Abscissen. 








Normaler Schädel 


97,7 


100,2 


72,7 




(91,0 — 101,5) 


(93,0—108,0) 


(66,0—81,0) 


Unbekannte aus der Insel 


81,0 


89,0 


65,0 


Jos. Peyer 


92,5 


100,5 


77,0 


L. Kacke «... 


93,5 


98,5 


73.0 


G. Mähre . 


97,5 


106,7 


87,0 


Fried. Sohn . . . 


94,0 


98^ 


73,0 


Mich. Sohn 


92,5 


99,0 


75,6 


Schütteindreier 


100,5 


113,0 


88,0 


Mikrocephale von Jena 


86.5 


92,0 


78,0 




90,5 


99,0 


85,6 


M. Möhler 


83,6 


88,6 


73,0 



J) Diejenigen von Mähre ausgenommen gehören sämmtliche Maas» ne der rechten Gesichtshälfte an. Die 
bisweilen vorhandene Störung der beidseitigen Symmetrie beeinträchtigt deren Werth in keiner Weise, da 
das Wesentliche der mikrocephalcn Verbildung, welches uns hier allein beschäftigt, davon völlig unberührt bleibt. 



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Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 219 



Hinterrand der Pflugacha&r. 


Flügelfortaatz. 


Jochbogensy 


# t e m. 


Obere# Kode. 


Unteren Ende, 


Wurzel. 


Spitze. 


Sutura 

zygomatico* 

frontalis. 


Sutura 
zygomatico- 
m axillaris. 


Gelenkhöcker 

de# 

Schläfenbeinen. 


-0,2 


-26,2 


0 


—28,9 


4,8 


—33,8 


0,7 


(2,0 5,0) 


(—23,0—30,0) 




(—21,0—34,0) 


(1, 0-8,0) 


(—30,0—39,5) 


(4,0 3,0) 


-2,0 


-31,0 


— 1,6 


-33,0 


4,0 


—37,0 


-3,0 


— 2,5 


-25,0 


—2,0 


—30,0 


2.0 


—87,0 


1,5 


0 


—26,0 


0 


—29,0 


4,0 


—30,0 


0,6 


? 


—27,0 


? 


? 


9,0 


—31,0 


? 


0 


—23,0 


0 


—28,0 


i» 


—82,5 


? 


0 


—24,0 


0 


—29.0 


6,0 


—37,0 


? 


0 


—29,2 


— 6,3 


— 38,0 


6,0 


—37,0 


—9.0 


0 


— 26,0 


0 


—28,0 


4,0 


—35,0 


—5.0 


0 


—28,0 


—6,0 


—31,0 


6.5 


—33,0 


—4,5 


0 


-25,5 


—1,0 


— 27,5 


5,0 


—34,0 


—1,5 


27,9 


85,1 


34,9 


30,1 


79,1 


67,0 


24,1 


(25,0— 31,0) 


(31,0-42,0) 


(31,6 — 39,0) 


(26,0—38,0) 


(75,0—88,0) 


(49,0—64,0) 


(18,0—29,0) 


22, 6 


30,0 


29,0 


23,0 


54,0 


48,0 


14,0 


27,0 


33,0 


34,0 


33.0 


70,0 


65,0 


22,0 


27,0 


35,0 


37,0 


33,5 


76,0 


58,0 


26,0 


V 


43 5 


? 


V 


80,0 


65,5 


? 


29,5 


33,0 


35.5 


28,5 


70,0 


53,0 


? 


29,0 


35,3 


37,0 


33,0 


97,6 


52,0 


7 


38,0 


46,0 


43,0 


40,5 


81,0 


66,0 


29,5 


27,0 


86,5 


35,7 


35,5 


67,0 


61,0 


25.0 


30,0 


42,0 


41,0 


41.0 


75,0 


66,5 


32,0 


23,5 


31,0 


32,0 


29.0 


83,0 


53,5 


22,5 



28 * 



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220 



Prof. Dr. Chr. Aeby, J* 



Längen* und H öh en v erbäl tniase 
des (iesichtnBchädels. 


X a 


r e. 


Vorderrand 


Wurzel. 


i 

Spitze. 


des 

Oberkiefer«. 


H. Relative Werthe; 

Grundlinie = 100. 

a. Ordinnten. 








Normaler Schädel 


—3,0 


—29,3 


—62,7 




(—0—6,6) 


(—22,7—37,0) 


(—50,8—66,5) 


Unbekannte au« der Inael . 


— 4,8 


—38,6 


—72,9 


Jo«. Peyer 


—4,9 


— 32,1 


— 66,6 


L. Kacke 


-2,6 


—32,5 


—65,0 


G. Mähre 


0 


—26,6 


—69,1 


Fried. Sohn 


— 


—37,7 


— 64,6 


Mich. Sohn 


-7,3 


—34,6 


—69,5 


Schütteindreier 


—5.2 


—22,9 


— 60.8 


Mikrocephale von Jena 


— 6,4 


—27,0 


— 70,3 


S. Wys* 


-3,2 


—25,0 


—04,1 


M. Mahler 


—2,9 


—30,0 


—70,7 


b. Absciftten. 








Normaler Schädel • . • 


112,5 


116,4 


84,4 




(110,5—114,6) 


(111,2—119,2) 


(77.7-92,0) 


I n bekannte auB der Insel 


115,7 


127,1 


□0 


Job. Peyer 


114,1 


124,1 


95,0 


L. Racke 


121,5 


127,9 


94,9 


0. Mähre 


112,0 


122,6 


100,0 


Fried. Sohn 


114,6 


120,1 


88.9 


Mich. Sohn 


112,6 


120,7 


92,2 


Schütte! »dreier 


115,5 


129,8 


103,4 


Mikrocephale von Jena 


116,9 


124.3 


105,4 


S. Wyss 


116,0 


126,9 


109,8 


M. Mahler 


119,4 


126,4 


104,8 



Die absoluten Xahlcnwerthe lehren in »ehr auffälliger Weine, wie bei den Mikrocephalen da» 
Gesicht an der Verkleinerung de» Kopfe« nur in »ehr beschränktem Maasse Theil nimmt. Für 
die Höhe ist dies selbst gar nicht und für die Länge nur dort der Fall, wo ein unmittelbarer Ein- 
fluss des Hirnschüdels sich zu vollziehen vermag. Bei Mähre und Schütteindreier allein kom- 
men die Abseissen der Nasenwurzel und der Sut. zygoniatico - frontalis denjenigen des normalen 
Mittels gleich, sonst bleiben sie überall nicht allein hinter diesem, sondern selbst hinter dem klein- 
sten Grenzwerthe zurück. In den unteren Abschnitten des Gesichtes bricht sich eine geradezu 



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Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 



221 



Ilinterrand der Pflugschaar. 


Flügelfortsat*. 


Jochhogensystein. 




| 






Sutura 


Sutura 


Gelenkhöcker 


Oberes Ende. 


j Unteres Ende. 


Wurzel. 


Spitz'. 


zygomatico- 

frontaliü. 


zygomatico- 

maxiilaris. 


des 

Schläfenbeines. 


—0,3 


—30,2 


0 


—33,8 


5 fi 


] 

-38,9 


0,8 


(2,1 6,7) 


(—25,8— 84^2) 




(—24,0—38,3) 


( 144 - 9 , 1 ) 


(—34,9—44,2) 


(4,8 4,3) 


—2,9 


— 44,3 


—6,4 


-47,1 


5,8 


—52,9 


-M 


—3,1 


—30,8 


-2,4 


—37,0 


2,4 


—45,6 


1,8 


0 


— 34,4 


Ü 


—87,7 


5,2 


—39,0 


0,8 


9 


—30,9 


9 


9 


10,3 


—35,5 


? 


0 


—27,9 


0 


—34,0 


8,5 


—39,5 


9 


0 


— 29,1 


0 


— 35,2 


6,1 


—45,0 


? 


0 


-83,4 


-7,2 


—39,5 


6,8 


-42,4 


—10,3 


0 


-35,1 


0 


—37,8 


5.4 


—37,1 


— 6,7 


0 


—35,9 


—6,4 


—39,8 


8,3 


—42,2 


—6,8 


0 


— 36,4 


—1,4 


—39,3 


7,1 


—48,6 


-2,1 


32,1 


40,5 


40,2 


35,1 


91,1 


65,7 


27,7 


(28,9— 38,6) 


(35,6—47,6) 


(37,3-45,3) 


(30,6—40,9) 


(86,1 -96,2) 


(56,2-72,7) 


(19,8—84,2) 


82,1 


42,9 


41,4 


32,9 


77,1 


68,6 


20,0 


33.3 


40,7 


41,9 


40,7 


86,4 


67,8 


27,1 


36,1 


45,5 


48,1 


43,5 


98,7 


75,2 


as^ 


? 


49,9 


? 


? 


91,9 


75,2 


? 


36,8 


40.1 


43,2 


34,6 


85,3 


64,6 


9 


35,2 


43,0 


45,0 


40,1 


82,2 


63,4 


V 


87,8 


53,8 


47,6 


46,5 


95,6 


79,2 


33,8 


36,5 


47,9 


48,1 


47,9 


»0,5 


82,4 


33,8 


38,6 


63,8 


52,6 


52,6 


96.1 


85,3 


41,0 


33,6 


44,3 


45,7 


41,4 


90,0 


76,4 


32,1 



entgegengesetzte Richtung Bahn, indem deren Abgeissen ausnahmslos dem normalen Mittel nahe 
stehen oder es selbst über den höchsten Grenz werth hinaus überragen (Mähre, Schütteindreier, 
Wyw). Wir können daher im Ganzen und Grossen die vordere Gesichtslinie der Mikrooeptuden im 
Vergleiche zur normalen oben als etwas zurück-, unten als etwas vorgeschoben bezeichnen. 
Wichtig ist dabei die Thatsaelie, dass der Stützpfeiler des Ganzen, der Flflgelfortoatz des Keilbeines, 
wenn er seine Stellung überhaupt verändert, wohl von der letzteren, nicht aber von der ersteren 
Bewegung in Mitloidenscliaft gezogen wird. Verkürzung des oberen Gesichtsendes ist die natür- 



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222 Prof. Dr. Chr. Aeby, 

liehe Folge. Mahre und Schütteindreier besitzen im Allgemeinen das grösste Gesicht, der 
Mühl er ist da« kleinste gegeben. 

Unsern frühem Nachweisen zufolge besitzt die Grundlinie der Mikrocephalen durchschnittlich 
nur eine geringe Länge. Kein Wunder daher, dass durch Kednction auf dieselbe alle Gesichts- 
durch messe r eine beträchtlichere Steigerung erfahren, als dies beim normalen Menschen der Fall 
ist und dass ihm im Verhältnis« zum übrigen Schädel ein höherer Werth als sonst zukommt. An- 
sehnlichere Höhe und vor allem stärkere Prognathie ! ) treten in unzweideutigster Weise zu Tage. 
Lesenden* bemerkenswert!) ist daneben die Verschiebung des Flügelfortsatzes nach vorn, die so 
beträchtlich ist, dass in den meisten Schädeln der obere Längsdurchmesser des Gesichtes auch 
nach der Keduction noch kleiner ist als der mittlere normale, während der untere durch die Ke- 
duction diesem letzteren bedeutend überlegen wird. 

Eb ist belehrend, die beiden Durchmesser, den oberen vom Grunde des Flügelfortsatzes 
zur Nasenwurzel, den unteren von der Spitze des Flügelfortsatzes zum Vorderrande des Oberkiefers 
in Ihren absoluten wie relativen Abscissenwerthen übersichtlich zusammenzustellen. 





Absolute W e r t h e 
in mm. 

Gesiohtalänge. 


Relative Werthe; 
Grundlinie =s 100. 

Gesichtslünge. 






Oben. 


Unten. 


Normaler Schädel . . . 


62,8 


42,7 


72,3 


49,3 




(66—70) 


(81—48) 






Jos. Peyer . 


58.5 


35,0 


72,2 | 


54.3 


L. Racke ....... 


56.5 


44,0 


73,4 


51,4 


G. Mähre 


? 


? 


v 


? 


Fried. Sohn 


59,5 


44.5 


71.4 


54,3 


Mich. Sohn 


55,5 


42,6 


67,6 


52.1 


Schüttelndreier 


57,5 


48,5 


67,9 


56,9 


Mikrocephale von Jena • 


50,8 


42,5 


68,8 


57,5 


S. Wysa 


49,5 


44,6 


63,4 


57,2 


M. Mahler 


51,6 


44,0 


73,7 


62,9 



Woher nun diese thcilweisc, relative Vergrößerung des Gesichtes? Man möchte wohl in er- 
ster Linie an ein absolut gesteigertes Wachsthum denken, wenn ein solche» nicht bereits durch 
die vorgeführten Zahlen beseitigt wäre. Zum Ueberflusse will ich noch hervorheben, das« die 
absolute, vom vordem zum hinteren Nasendorn gemessene, Gaumenlänge gleichfalls dagegen 



l ) Dio Prognathie ist kein ahaoluter, sondern nur ein relativer Begriff. Kein Schädel ist an und für sich 
prognaih, er wird es erst durch die Vergleichung mit einem zweiten, dessen Oberkiefer weniger weit nach vom 
reicht. Eine andere Definition ist für vergleichend anatomische Untersuchungen völlig unbrauchbar. Dies 
schlieast jedoch keineswegs aus , dass wir auf rein anthropologischem Gebiete alle Schädel von einer ge- 
wissen Kieferlänge an schlechtweg prognath nennen , im Gegensätze zu den mit geringerer Kieferlingc be- 
gabten als den orthognathen oder selbst opisthognathen. 



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Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephulie. 223 

spricht, indem sie beim mikrocephalen und normalen Menschen innerhalb derselben Grunzen, dort 
zwischen 45 und 52, hier zwischen 43,5 und 52 mm sich bewegt 1 ). Der Grund der stärkeren 
Prognathie muss daher anderswo, nämlich in einer veränderten Stellung des Kiefergerüstes gegen- 
über dem Schädelgrunde, gesucht werden. Eine solche kann aber wiederum von zwei ganz ver- 
schiedenen Seiten ausgehen, von dem Kiefergerüste selbst, das nach vom rückt, wahrend der Grund 
stehen bleibt, oder aber vom Schädelgrunde, dessen vorderes Ende sich nach hinten zurückzieht, 
während das Kiefergerüst an dem ihm angewiesenen Platze verharrt. Heide Vorgänge sind offen- 
bar für das Zustandekommen der Prognathie von gleicher, für den morphologischen Werth der- 
selben dagegen von durchaus ungleicher Bedeutung. Zur Wirkung können sie ebensowohl isolirt, 
wie in gegenseitiger Combinalion gelangen. Was in unserem Falle geschieht, darüber lässt eine 
unbefangene Prüfung der Verhältnisse nicht lange in Zweifel. Verschiebung des Kiefergerüstes? 
So nahe sie liegt, erscheint sie unannehmbar, nicht nur, weil In der Abscissen länge des Oberkiefers 
die Mikrocephalen bloss ausnahmsweise absolut einen Vorsprung w*igen vordem normalen Menschen, 
sondern fast mehr noch , weil eine derartige einfache Verschiebung des Oberkiefers ohne gleich- 
zeitige Betheiligung des Flügelfortsatze« geradezu undenkbar ist Letzterer müsste sich um seine 
Wurzel so weit drehen, dass seine Achse, statt wie bisher im Erwachsenen schräg nach hinten, wie 
beiin Kinde schräg nach vorn verliefe. Dem ist jedoch nicht so. Selbst S. W vss bringt es filK*r 
die senkrechte Stellung zum Schüdelgrunde nicht hinaus und die anderen verhalten sich ganz 
wie normale Menschen. Von einer Wanderung des Kiefergerüstes kann also schlechterdings nicht 
die Rede sein und es bleibt uns nichts übrig, als zum allerdings gewaltsamsten Mittel, der Ver- 
kürzung deB Schädelgrundes, zu greifen. Wir können die» übrigens um so unbesorgter tliun, als der 
Nachweis, dass eine solche wirklich 3 ) besteht, an einer früheren Stelle dieser Abhandlung bereits 
geliefert worden ist und daher nur noch zu prüfen bleibt, ob sie ausreicht, den geforderten Nutz- 
effect thatsächlich zu erzielen. 

Vergegenwärtigen wir uns vor Allem die Zustände, welche für das Gesicht aus der Verkürzung 
des Schädelgrundes hervorgehen. Dass es jetzt relativ um ebensoviel weiter vorsteht, als jener sich 
zurückgezogen hat, ist wohl die nächste, doch keineswegs die einzige Folge. Der weichende 
Schädclgrund entführt natürlich die mit ihm verbundenen Gesichtsthcilc und veranlasst dadurch 
die von lins bereit« nachgewiesene Verkleinerung der oberen Gesichtslänge. Gleichzeitig verändert 
er auch die Richtung der Tragpfeiler des Gesichtes. Sie richten sich auf und vergrössern da- 
durch den Winkel, den ihre Höhenachse mit dem Schädelgrunde bildet. Wir haben nun schon 
früher hervorgehoben, welch grossen Einfluss dieser Winkel im wachsenden Schädel (und mit 
einem solchen haben wir es bei der Entstehung der Mikroceplialie doch zweifelsohne zu thun) 
auf die schlicBsliche Stellung des Oberkiefers hat und wie jede Vergrösserung desselben eine 
Steigerung der Prognathie veranlasst. Das mikrocephale Gesicht wird »Iho in doppelter Weise 



*) Vogt (Arch. f. Anthrop., Bd. II., S. 166) macht die befremdliche Angabe, da« er bei keinem der von 
ihm untersuchten erwachsenen Mikrocephalen eine Spur der Zwischenkiefernaht habe entdecken können. 
So wenig Bedeutung ich auch d et ganzen Sache beilege, ao will ich doch nicht unterlassen, sie auf deu 
richtigen Boden zn ruckzuführen. Fragliche Naht ist bei Racke wie gewöhnlich bei normalen Schädeln vor- 
handen. Auch Jena und Mahler fehlt sie nicht, doch ist sie, namentlich bei letzterer, nur von geringer 
Länge. — S. Wyss besitzt sie sehr schön. Bei Peyer ist sie gänzlich verschwunden. 

*) Für den Mikrocephalen von Jena hat schon Budge (Zeitschr. f. rationelle Medicin, 3. Reihe, Bd. XI, 
S. 217 und 223) auf diesen l'mstand hingewiesen. 



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224 



Prof. Dr. Chr. Acby, 

prognatb, direct durch «las Zurückgehen des Schädel grün des , indirect durch die damit verbundene 
Steilstellung seiner llöhenachse. Gelange es nun, die Grösse dieser beiden Factoren, sowie auch 
den Zeitpunkt, in welchem sie auf eine normale Schädelform einzuwirken beginnen, für den ein- 
zelnen Fall genau festzustellen, so wäre es ein Leichtes, den Grad der Prognathie zu berechnen, 
den der ausgewachsene Schädel besitzen muss, vorausgesetzt, dass keinerlei Störungen in seine Ent- 
wickelung eingrcifen. Leider ist dies nicht möglich. Immerhin lassen sich Ansätze finden, die an- 
nähernd ein richtiges Resultat zu erzielen gestatten. 

Der normale Schädel hat uns darüber belehrt, dass wenigstens vom 9 monatlichen Foetus 
an die Richtung, in welcher die Ilöhenzunahme des Gesichtes stattfindet, sich gleich bleibt. Die« 
berechtigt uns, dem Wachsthum de» Mikroccphalengesichtes denjenigen Winkel bei der Berechnung 
unterzulegen , unter welchem es später der Schädelbasis eingepflanzt erscheint Gemessen 
wird er wie früher durch die Jochbein- und die Orbitallinie, welche beide in ihrer Richtung nur 
sehr wenig oder selbst gar nicht von einander abweichen und daher das Mittel der ihnen zugehö- 
rigen Winkel ohne Weiteres als annehmbar erscheinen lassen. Etwas umständlicher ist es, die 
Verkürzung des Schädelgrundes kennen zu lernen. Anhaltspunkte dazu bietet das Tribasilare, 
von dem wir wissen, dass es bei allen Mikrokephalen im Verhältniss zur Grundlinie zu gross aus- 
fallt Es ist nun Sache der einfachsten Rechnung, zu erfahren, um wie viel diese Grundlinie nach 
vorn verlängert werden muss, damit das Tribasilare auf* die dem normalen Verhältnisse ent- 
sprechende Grösse herabgesetzt werde. Damit ist aber auch, wenn gleich nicht absolut genau, 
doch innerhalb der Grenzen der individuellen Schwankung, die wahre un verkümmerte Grundlinie 
und mit ihr das Maass der Verkürzung gewonnen, welches sie durch den Process der Mikroce- 
phalio erlitten hat Ein sehr einfacher Versuch kann uns nun darüber Aufschluss geben, ob diese 
Verkürzung von sich aus im Stande ist, eine so hochgradige Prognathie, wie wir sie hei den Mikro- 
cephalen gefunden haben, zu veranlassen. Ist dies nämlich der Fall, so muss durch die Reduction 
der mikroceplmlcn Maxillarahscisse auf die gehörig verlängerte Grundlinie das Gesicht in die nor- 
male Stellung zu rück geführt oder umgekehrt durch die Berechnung der normalen Maxillarahscisse 
nach einer im Maassstnbe irgend eines Mikrokephalen verkürzten Grundlinie das Gesicht in die 
prognathe Stellung dieses letzteren vorgeschoben werden. Der Erfolg zeigt jedoch , dass wir auf 
diese Weise die beiden Gesichter zwar einander zu nähern, doch nicht zur vollständigen Deckung 
zu bringen vermögen. Solches geschieht erst dann, wenn wir die gewöhnliche Maxillarabseisse des 
normalen Schädels durch diejenige ersetzen, welche der steilem Winkelstcllung des mikrocephalen 
Schädels entspricht und welche an dem früher aufgestellten Modelle des 9 monatlichen Foetusge- 
sichtes mit Leichtigkeit direct durch Construction kann gewonnen werden. Ich stelle im Nach- 
folgenden die erhaltenen Resultate zusammen, wobei ich mich auf diejenige Reihe beschränke, 
welche die Umformung ddfc normalen Kindergesichtes zum Mikroccphalengesichte zum Ziele hat 
Da sowohl der Verkürzuugsmodulus, als auch der Winkel, unter dem da« Gesicht dem Schädel« 
gründe aufsitzt, für jeden der untersuchten Mikrocephalen ein besonderer ist, so muss für jeden 
derselben die Rechnung besonders durchgefuhrt werden. 



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Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 



225 



Normaler Mensch. 


Mikrocephalen. 


Richtung«- 


Maxi Hart becisse. 


Maxillar- 


Grundlinie in mtn. 


winkel der 
Höhenachse 
des Gesichts. 


Normale 
Grundlinie 
= 100. 


Mikrocephal modificirte 
Grundlinie = 100. 


abscisse. 
Wirkliche 
Gruudlinie 
= 100. 


Wirklich. 


Auf normale 
Läuge be- 
rechnet. 


60° 


86,0«) 


Racke 


. 98,8 


94,9 


77 


88,5 


61« 


86,5 


Peyer 


. 92,9 


95, n 


81 


87,0 


70» 


90,8 


Mähre 


. 99,2 


100,0 


87 


95,1 


73« 


92,0 


Schütteindreier 


. 103,2 


103,4 


87 


97,6 


76° 


93,0 


Mahler 


. 107,6 


104,3 


70 


81,0 


77° 


»3,1 


Wyss 


. 100,5 


109,8 


78 


84,0 


78» 


93,7 


Jena 


. 98,8 


106,4 


74 


78,0 



Wir sehen hiernach, wie eine Vergrößerung des Richtungswinkels von 60 auf 78® eiu Vor- 
rücken des Kieferrandes um beinahe 8 Proc. bewirkt und wie dieses allmülige Vorrücken in Ver- 
bindung mit dem Vorküraungsraodulus der namhaft gemachten Mikroccphalon in der That hin- 
reicht, den normalen Menschenschädel mit mathematischer Noth wendigkeit auf diejenige Stufe der 
Prognathie zu bringen, welche den mikrocephalen Schädel zu einer so eigenartigen Bildung stem- 
pelt Nur bei Wyss und Jena liefert die Rechnung entschieden zu kleine Werthe, indessen ist 
dabei nicht zu vergessen, dass auch beim normalen Schädel die individuelle Schwankung eine sehr 
bedeutende ist und dessen von uns zur Berechnung verwendetes Mittel um ein ansehnliches hinter 
dom individuellen Maximum zurückbleibt. Des ferneren muss ohne Zweifel auch der Verflachung 
des Stirnbeines ein, wenngleich nur untergeordneter, Einfluss auf das Gesicht zugeetanden werden, 
indem durch sie die mit dem Gesichte verbundenen Fortsätze schräger nach vorn zu liegen kom- 
men und dem sich vordrängenden Gesichte einen weniger steilen Damm als unter normalen 
Verhältnissen entgegensetzen. Besonders deutlich prägt sich dies an der Schrägstellung des 
Nasenfortsatzes am Stirnbein aus. In Folge davon nehmen nicht allein die Nasenbeine eine weniger 
steile Richtung an, sondern es wird auch eine theilweise Entlastung der Nasenscheidewand erzielt, 
die jetzt ungehinderter nach vorn wachsen kaun, während sie sonst von dem genannten Fortsatze 
gleichsara zurückgestaut wird. 

Die Verkürzung des Schädelgrundes erklärt es zur Genüge, dass der Flügelfortsatz der Mikro- 
cephalen seine Wurzel verhältnissmässig weiter nach vorn legt, als] derjenige normaler Menschen, 



*) Ich wähle hier, um einen mit den nachfolgenden direct vergleichbaren Werth zu haben, als nor- 
male Maxillarabscisse diejenige, die sich durch Conatruction unmittelbar aus dom Geeichte des 9 monat- 
lichen Foetna ableiten läset. Das wirkliche Mittel unserer Beobachtungen ist um ein weniges kleiner (34,4). 
Für das Gesammtresultat ist es an und für sich völlig gleichgültig, ob die eine oder die andere Zahl in 
Rechnung gebracht wird. — Die geringen Unterschiede in den Ordinatenhöhen der verschiedenen Mikroce- 
phalen sind ohne wesentlichen Einfluss. Dass sie durch die Veränderung der Grundlinie mit der Ordinaton- 
höhe des normalen Schädels ebenfalls zur Deckung gelangen, ist beinahe überflüssig, besonders bemerkt su 
werden. 

Archir (Ir Anthropologie. Bd. VII. Holt t. 29 



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226 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

desgleichen, dass seine, beim Kinde noch schräg nach vorn gerichtete, Spitze weniger stark 
nach hinten verdrängt wird, als es bei einem in normaler Richtung wachsenden Gesichte der 
Fall wäre. — In unserer Reihe sind die hochgradigen Mikrocephalen prognather als die besser aus« 
gestatteten. Dass nichtsdestoweniger zwischen Schädelcapacität und Prognathie keine directe Be- 
ziehung vorhanden ist, bedarf nach dem bereits Mitgetheilten keiner weiteren Bekräftigung x ). 



*) Den Schädel von Hacke bezeichnet Vogt in «einer Beschreibung (a. a. 0. S. 161) ausdrücklich all 
einen solchen, der sich von den übrigen Mikrocephalen durch „den weit geringeren Vorsprung der Kiefer 
unterscheide. 1 * Nichtsdestoweniger misst er später (a. a. 0. S. 202) einen der höchsten Grade der Prognathie 
an ihm heraus. Es hätte ihm dies ein Fingerzeig sein sollen, dass die von ihm verwendete Jochbogenebene 
nicht identisch ist mit der physiologischen Horizontalebene und dass deshalb auch ein auf jene von 
der Stirnnaht aus gesenktes Loth keineswegs den Ansprüchen genügen kann, die er an eine auf dieser er- 
richteten Senkrechten glaubt stellen au können , nämlich das wahre Maas« der Prognathie , gemessen durch 
den Abschnitt, welchen sie vom Oberkiefer abträgt, auszudrücken. — Merkwürdigerweise zeigen Joh. und 
Joh. Georg Mögle, sowie Helene Becker keine Spur stärkerer Prognathie. Ihre Maxillarabecissen be- 
tragen, auf die Grundlinie reducirt, nur 88,2. 85,7 und 84,6 (Ordinaten: 66,2; 55,7 und 69,2). Welche Ein- 
flüsse hier das Vorrücken des Oberkiefers verhindert haben, vermag ich nicht zu sagen. Vielleicht ist ei 
nicht zufällig, dass zwei der Betheiligten rhachitisch waren. Jedenfalls geht so viel daraus hervor, dass 
auf dem Gebiete dee Gesichtsscbädela ebensowenig wie auf demjenigen des Himschädels von einem einheit- 
lichen Typus der Mikrocephalen die Rede sein kann. 



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Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 



227 



Breitenverhältnisse 

des 

Gesicht* Bchädels. 


Nasen- 

wurzel. 


Obere 

Gesichts- 

breite. 

(Sat. xyg.- 
front.) 


Untere 
Gesichta- 
breite. 
(Sat. iy*.- 

mm.) 


Querabstand 

der 

Flügel- 

fortsätze. 


Querabstand 

der 

Jochbogen. 


I. Absolute Werthe 
in mm: 












Normaler Schädel . . . 


26,9 


101,4 


90,0 


41,7 


129,4 




(21—81) 


94—112) 


(84—100) 


(38—48) 


(121—139) 


Unbekannte aus der Insel 


23 


94 


79 


37 


112 


Jos. Peyer 


22 


96 


86 


42 


124 


L. Racke 


20 


92 


81 


40 


116 


G. Mahre . 


20,0 


89 


86 


30,0 


113 


Fried. Sohn 


• 16,5 


87 


79 


37 fl 


107,6 


Mich. Sohn 


18,0 


90 


83 


37,0 


110 


Schütteindreier . ♦ . . 


24 


92 


90 


39 


116 


Mikrocephale von Jena . 


16 


79 


75 


35 


101 


8. Wyaa 


18 


82 


78 


34 


102 


M Mahler 


24 


90 


79 


36 


110 


II. Relative Werthe; 
Grundlinie = 100. 












Normaler Schädel . . • 


81,0 


1 16,8 


103,7 


48,0 


149,0 




24,7—86,5) 


(107,5 — 125,5) 


(96,7—112,6) 


(43,1-54,5) 


(136,7—163,6) 


Unbekannte aus der Insel 


32,9 


134,3 


112,9 


52,9 


160.0 


Jos. Peyer 


27,1 


118,6 


104,9 


51,8 


153,1 


L. Racke 


26,9 


119,4 


106,1 


61.9 


150,7 


G. Mähre 


22,9 


102,3 


97,7 


34,4 


129,8 


Fried. Sohn 


20,1 


106,0 


96,2 


45,6 


131,0 


Mich. Sohn 


21,8 


109,7 


101,1 


46,0 


134,0 


Schütteindreier .... 


28,3 


108,3 


105,9 


45,9 


138,9 


Mikrocephale von Jena . 


21,6 


106,7 


101,8 


47,3 


196,5 


S. Wyaa 


23,1 


106,1 


100,1 


43,6 


130,8 


M. Mahler 


84,3 


128,6 


112,9 


51,4 


157,1 



Absolut wie relativ erreicht die Breite des Geeichtes bei den Mikrocepbalen keine hohen 
Werthe. Nur drei von ihnen, Peyer, Racke und Muliler, halten sich in diceer Hinsicht duf der 
Höhe des mittleren normalen Menschen oder darüber, allen anderen ist ein tieferer Standpunkt 
angewiesen, namentlich durch die Nasenwurzel und den Stirntheil des Gesichtes, während dessen 
untere Hälfte sich etwas besser stellt Die geringe Jochbogenbreite verdient noch besonders be- 
merkt zu werden als Ausdruck einer nur massig entwickelten Kaumuskulatur *). 

>) Die von Vogt so stark betonte Annäherung der Schläfenlinie an die Medianebene des Schädels hat 

29* 



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228 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

Die mitgctheilton Tabellen lassen keinen Zweifel darüber, dass das Qesicht der Mikrocephalen, 
den schon erklärten Prognathisraus abgerechnet, in allen Punkten den normalen Verhältnissen 
entspricht. Ich halte es daher für überflüssig, für die vordere Orbitalöffnung und den Unterkiefer 
weitere Zahlenbelege beizubringen nnd beschränke mich auf einige sie betreffende Bemerkungen. 
Etwas steilere Richtung der Orbitalöffnung ergiebl sich aus bereits Gesagtem. Im übrigen ist 
eie ausgiebig geöffnet und nur in der Breite in der Mehrzahl der Fälle durch die allgemeine Ver- 
schmälerung der oberen Gesichtshälfte etwas beeinträchtigt. Bloss bei Kacke, Peyer undMähler 
ist sie noch entschieden breiter als hoch; sonst sind beide Durchmesser sich ungefähr gleich. Der 
Orbitalwinkel schwankt von 125° (Fried. Sohn) bis 135° (Peyer). Kr ist daher gegenüber sei- 
nem normalen Werthe von 132 bis 150 (Mittel 137,5“) im Nachtheil. 

Der Unterkiefer bietet im Ganzen nur eine massige Stärke. Sein Winkel hält sich innerhalb 
der normalen Schwankungsgränzen. Desgleichen der Condylenwinkel. 

Vom Gebisse ist nur die Schrägstellung der Schncidezähne zu erwähnen, durch welche der 
Prognathismns der Kiefer noch verschärft wird. Mähre allein macht eine Ausnahme. Beim nor- 
malen Schädel umfasst der von den Schneidezähnen mit der Gaumenebene gebildete Winkel 101,4 
(90 bis 114“), bei Mähre 97“. S. Wyss giebt ihm 115, Peyer 117 und Sohüttelndreier 120 
Grad’). 



y. Gesammtschädel. 



„Man kann demnach die Mikrocephalen im Allgemeinen als Wesen charakterisiren, bei welchen 
die Schädelkapsel eines Affen dem prognathen Gesichte eines Menschen von niederer Race auf- 
gesetzt ist“ In diesen Worten fasst Vogt (a. a. O. S. 172) das Gesammtresultat seiner bezüglichen 
Untersuchungen zusammen und die Neigung, seinem Aussprüche beizupflichten, ist gewiss für 
Jeden, der sich nur an die äusseren Umrisse und die allgemeine Erscheinung der mikrocephalen 
Formen hält, eine nicht geringe. Fragt man jedoch nach dessen thataächlicher Begründung, so 
dürften wohl kaum Unbefangene dieselbe als ausreichend anerkennen. Vogt giebt nur eine einzige, 
wenig ausgedehnte Messungsreihe , die zudem einem jungen, also mit erwachsenen Mikrocephalen 
nicht einmal ohne Weiteres vergleichbaren Chimpansö angehört Auf genauere Vergleichung 
der einzelnen Schädelsegmente ist keine Rücksicht genommen und doch ist gerade diese unerläss- 
lich, um sicher zu erkennen, in wie weit die Uebercinstimmung def Umrisse nur eine äusserliche 
oder aber eine auf den inneren Structnrverhältnissen begründete sei. Ich habe mich daher die 
Mühe nicht vcrdricsBcn lassen, eine Anzahl von Affenschädeln nach all den Richtungen, die ich 

durchaus nichts Befremdliches. Sie ist die oothwendige Folge der Verkleinerung der Hirnkapsel bei nor- 
maler Entfaltung des Schläfenmuskels. Uebrigens wissen wir jetzt, dass der letztere gar nicht einmal bis zu 
der von Vogt allein berücksichtigten oberen Schläfenlinie reicht, sondern bereits an der weit enger ge- 
krümmten unteren sein Ende findet 

’) Vogt (a. a. O. S. 180) hebt als .auffallend' hervor, dase in dem Milohgebiase von Joh. Georg Moegle 
die hinteren Backenzähuu des Unterkiefers sehr deutlich fünf Höcker auf der Krone zeigen. Da dies indessen 
die regelrechte Bildung ist, so wäre es viel .auffallender*, wenn sich die Sache anders verhielt«. Bekanntlich 
stimmt ja auch der obere hintere Backenzahn des Milchgebisses in seiner Kronenform mit dem ersten Mahl- 
zahne des bleibenden Gebisses überein. 



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229 



Beiträge zur Kenntnis« der Mikrocephalie. 

bereit« für den Menschen eingehalten habe, an untersuchen. An dieser Stelle kann ich mich um 
so leiohter auf die Anthropomorphen beschränken, als sie einerseits in der Mikrocephaleufrage haupt- 
sächlich ir. Betracht kommen, anderseits aber auch in allen für unsere Zwecke wesentlichen 
Punkten mit den übrigen Affen die grösste Uebereinstimmung darbieten. Die absoluten Grössen 
sind für uns von untergeordnetem Werthe; ich werde sie daher nur ausnahmsweise namhaft 
machen. Wer ihrer auch sonst au bedürfen glaubt, kann sie mit Hülfe der Grundlinie 1 ) unschwer 
berechnen. Die Schädel sind nach den Sammlungen und so weit mir diese bekannt geworden, 
nach den ihnen dort sugetheilten Nummern einzeln aufgeführt, um in gleicher Weise den Einfluss 
des Alters, wie denjenigen der Individualität zum Ausdrucke zu bringen. Im Interesse einer, 
wenigstens vorläufigen, raschen Orientirung füge ich den Tabellen jeweilen die obersten und unter- 
sten Grenzwerthe der Mikrocephalen ohne besondere Rücksicht auf den jeweiligen Besitzer bei. 

') Ihre absolute Ordne in Millimetern ist in allen Tabellen durch die eingeklammerten Zahlen hinter 
den Namen angegeben. 



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230 



Prof. Dr. Chr. Aeby 




*) Die drei Orangschädel von München, Göttingen (7) und Basel tragen noch alle Charaktere der Jugendlichkeit au »ich. Alle übrigen gehören älteren 
Thicren, die man wohl als erwachsen bezeichnen darf, an, trotzdem die Schädelbasis wohl noch nicht bei allen das typische Grenzmaass erreicht hat. 
a ) Die Stirnmaaase von Troglodytes sind eingeklammert, da sie nicht der eigentlichen Stirn, sondern dem queren Orbitalkamme angehören. 



231 



Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 

Das Schädeldach de» Chimpanse ist im Verhältnis» »um Schädelgrunde ansehnlich niedriger 
und auch etwa» kürzer als dasjenige de» Orang*. Die Stirn gestaltet sich nur scheinbar besser 
durch die mächtig vortretende Supraorbitalkante, während die Fortsetzung der eigentlichen Stirn* 
linie die Nasenwurzel wohl kaum überragen würde. Mit der Alterszunahme des Orang» ist eine 
allniälige Verkleinerung des Dache» gegenüber dem Grunde nicht zu verkennen, in scharfem Ge- 
gensätze zum Menschen, wo beide in ihrem Wachsthum durchaus gleichen Schritt halten. Auch 
nach anderer Seite hin ist ein bemerkenswertster Unterschied vorhanden. Beim Kinde conver- 
giren die beiden Quernähte sehr stark nach abwärts, beim Erwachsenen ist solches weniger der 
Fall, aber immerhin bewahrt die vordere ihre nach vorn, die hintere ihre nach hinten aufHteigende 
Richtung. Beim Orang ist in der Jugend sowohl wie im Alter die Richtung der beiden Quemähte 
eine annähernd parallele, dort erfolgt jedoch der Aufsteig schräg nach vorn, hier schräg nach hinten 
und oben. Die Richtung kehrt sich also im Verlaufe der Entwickelung geradezu um, und zwar 
hauptsächlich dadurch, dass die Mitte der Kronennaht nach rückwärts, da» untere Ende derLamb- 
danaht nach vorwärts gedrängt wird *). Der Mikrocephale besitzt im Gegensätze zum Affen nach 
vom aufsteigende Nähte und es beweist dies zur Genüge, dass die Entwickelung seines Schädel» eine 
durchaus eigenartige, von derjenigen des Affen nicht weniger als von derjenigen des normalen 
Menschen verschiedene ist Der ganzen Länge und Höhe nach passt er übrigens vollständig in 
den Kalmen des Affen und vielfach ist bei ihm der Stiratheil selbst ungünstiger ausgebildet als bei 
diesem. AehnlicheB gilt für die verschiedenen beim Menschen angemerkten Punkte und Oeff- 
nungen des Schädelgrundes. Besondere Zahlenangaben erscheinen mir überflüssig und ich gehe 
daher sofort zu den Breiten Verhältnissen über. 



M Aehnlich scheint sich die Sache bei anderen Anthropomorphen zu verhalten , wenigstens den Tafeln 
von Bischoff („lieber die Verschiedenheit in der Schädelbildung de» Oorilla, Chimpanse und Orang-Utang“, 
München 1067) nach zu urtheilen. Auch die niedrigeren Affen dürften im Allgemeinen dem Beispiele ihrer 
höheren Verwandten folgen, indessen habe ich beim erwachsenen Hylobates eine nach vom aufsteigende 
Kronennaht beobachtet. 



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232 



Prof. Dr. Chr. Aeby 



Querabstand der 


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233 



Beiträge zur Kenntnis» der Mikrocephalie. 

In der Breite bleibt da« Schädeldach de* Affen mit zunehmendem Alter gleichfalls mehr und 
mehr hinter dem Grunde zurück, seihst bis zu dem Grade, dass dieser in der Ohrgegend weit über 
jene« Innausragt. Davon ist bei einem Mikrocephalen niemals die Hede, denn Belbst bei Schüttein- 
dreier ist es nirht die ungewöhnliche Breite des Schädelgrundes, welche die Zitzen fortsitze seit- 
lich etwas hervortreten lässt, sondern die ltaschheil, womit der flache Seitcntheil der Schädelwand 
nach innen umbiegt. In dieser Hinsicht kann mithin die mikrocephalc Bildung nicht mit der aff- 
lichen verglichen werden. In der unteren Hinterhauptsbreite sind die Mikrocephalen gleich dem 
normalen Menschen den Anthropomorphen etwaB überlegen, dagegen stehen sie in der oberen 
Stirnbreite ebenso unzweideutig hinter ihnen zurück. 

Die Quemäbte des Schädeldaches halten uns beim Menschen, bei Mikrocephalen und Affeu 
Kigenthüinlichkeitcn vorgefllhrt, die in der Vcrtheilung des Medianbogens auf die verschiedenen 
Wirbel einen unverkennbaren Wiedelhall linden, wenn wir den Antheil eines jeden in Procenteu 
des Ganzen berechnen. Wir erhalten nämlich, den ganzen Mcdiaubogen zu 100 »»gesetzt: 





Stirnwirbel. 


Schlafen* 

wirbel. 


Hinter- 

haupts- 

wirbel. 


SatyruB Orang, juv. München <50 nun) . . . 


36,7 


34,8 


28,2 


— juv. Göttingen 7 (55 mm) . 


38,7 


26,8 


33,5 


— juv. Basel (63mm) . . • . 


85,9 


34.3 


29,7 


— München $j> (68 mm) . 


40,6 


81,9 


27 ja 


— GöUingcn 6 (68 mm) . 


43,6 


31,8 


24,5 


— Göttingen 8 (78 mm) . 


38,2 


32,8 


28,1 


Troglodytes niger (80 mm) 


35,3 


31,9 


32,8 




35,4 


38.4 


35,9 


Mikrocephale { . 

| Minimum . 


30,9 


31,2 


30,6 



Die Anthropomorphen schliessen sich dem normalen Menschen darin an, dass die Länge 
der einzelnen Wirbelbogen von vorn nach hinten abninmit '). Gleichzeitig kommt aber da» 
Uebergewicht de» Stirnwirbels und die Schwächung des Hinterhauptswirbels in viel entschiedenerer 



*) Nicht weniger beträchtlich ist das Uebergewicht des Stirubogcns bei niedrigeren Affen, wie aus den 
nachfolgenden Angaben hervorgeht. 





Stirnwirbel. 


Schläfen- 

wirbeL 


Hinter- 
haupt* wirbel. 


Myoetes Seniculus 


45,6 


33,3 


21,0 


Hylobatee 


41,2 


81,2 




Cercopith. pat&s 


40,7 


27,2 


32,1 


, cynosurus ..... 


43,7 


28,8 


27,1 



Archiv für Anthropologie. Bd. VII. Haft 2. 30 



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234 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

Weifte zur Geltung. Damit wird denn eine Bahn betreten , welche der von den Mikrocephalen 
eingehaltenen schnurstracks entgegenläuft, indem bei diesen gerade Verkürzung des Stirn- und 
Verlängerung des Hinterhauptbogens angestrebt wird. Immerhin kann individuell, wie beim 
Chimpanse und der S. Wyss, ein Ausgleich dieses Gegensatzes stattlinden. Bessern und zuver- 
lässigeren Aufschluss über die Bedeutung der einzelnen Wirbel für die gesammte Himkapsel 
liefert ihr Flächeninhalt. Derselbe ist so wichtig, dass ich glaube, ihn in zweifacher Berechnung, 
in Proccnten der Quadratgrundlinie und in solchen der Gesamtntoberfläche, vorführen zu sollen. 

(Tabelle auf folgender Seite). 

Halten wir uns für’s Erste an die Orange allein, so tritt für die Entwickelung ihres Schädels 
im Gegensätze zu deijenigen des Menschen eine doppelte Thatsache bedeutsam hervor. Die Ober- 
fläche der Hirnkapsel nimmt im ganzen mit zunehmendem Alter im Vergleiche zur Grundlinie ab 
oder mit anderen Worten diese wächst bedeutend mehr als die übrige Scliädelwand. Gleichzeitig 
wird die Stellung des Daches gegenüber dem Grunde immer ungünstiger, so dass diesem bei älteren 
Schädeln ein verhältnismässig grösserer ßrnchtheil der gesammten Aussenfläcbe zufallt als bei 
jüngeren. Trotz dieser sehr merklichen Umformung der Schädelkapsel bleibt jedoch der Antheil 
der einzelnen Wirbel an seinem Aufbau völlig unverändert. Wenigstens zeigen der älteste und 
jüngste Schädel genau dieselben Zahlen Verhältnisse, so dass wir sicher berechtigt sind, die bei 
den übrigen Schädeln auftretenden Schwankungen als bloss individuelle anzusehen. Es sind die- 
selben übrigen b weit davon entfernt, so weit gesteckte Grenzen zu besitzen, wie dies bei den Mikro- 
oephalen der Fall ist. 

Was nun diese letzteren anbelangt, so ist nicht in Abrede zu stellen, dass einige von ihnen 
in ihrer relativen Wirbelgrösse mit einzelnen Orangs ziemlich genau übereinstimmen. Daneben 
macht sich aber bei ihnen sehr entschieden ein Zug geltend, den Stirn wirbel herabzusetzen, und 
zwar über die individuellen Grenzen des Orangs hinaus. Namentlich geschieht die« auf Seiten 
des Daches, welches biB auf die Hälfte des kleinsten aflflichen Werthes herabsinkt, während der 
Grund durchgängig bessere Ausbildung zeigt, alB beim erwachsenen Affen, der in dieser Hinsicht 
auch von seinen jugendlicheren Genossen überflügelt wird 1 ). Der Hinterhaupts wirbel fordert ge- 
nau das Gegentheil zu Tage. Beim wachsenden Affen erweitert sich Bein Grundabschnitt unter 
dem Einflüsse der mächtigen Nacken mnskulatur allmälig über den ganzen Wirbel, beim Mikro- 
cephalen bleibt er ausnahmslos kleiner. Daneben kommt für letztem der hohe Werth des ganzen 
Wirbels, der beim Affen nur individuell auf Kosten des benachbarten Schläfenwirbels auftritt, 
durchweg zur Herrecliaft. Der Schläfenwirbel verhält sich auf beiden Seiten ziemlich gleicliförmig, 
so dass also nur in der Entwickelungsrichtung des Stimwirbels im Sinne der Verkleinerung und 
in derjenigen des Hinterhauptswirbels im Sinne der Vergrösserung ein typischer Unterschied des 
Mikrocephalen- und Orangschädels kann aufgestellt werden. 

Einige nicht unwichtige Aufsclilüsse liefert das Scheitelbein für die WachsthumRgeschichtc 
des Hiraschädels. 

J ) In der relativen Grösse des Stirn wirbele beim Affen liegt ein Beweis, das» die Verkürzung der Sieb- 
platte, die ihm gleich allen anderen Säugethieren im Gegensätze zum Menschen zukommt, eine ganz andere 
Bedeutung besitzt, als die beim Mikrocephalen beobachtete. — Bei dieser Gelegenheit will ich auch nicht 
unerwähnt lassen, dass ich bei einem jugendlichen Orang (Göttingen 7) den vorderen Keilbeinkörper noch 
viel stärker nach aufwärts geknickt gefunden habe, als dies beim Menschen der Fall zu sein pflegt. Ein 
höchst auffälliger Widersprach mit den von Lncae (, Affen- und Menschenschädel im Bau und Wachithum 
verglichen*, Archiv für Anthropologie, Bd. VI) gemachten Angaben und angestellten Betrachtungen. 



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236 



Prof. Dr. Chr. Aeby 



S 0 


heitelbeine. 


Relative 
Grösse; 
Grundlinie 
= 100. 


Relative 

Grösse; 

Ganze 
Schidelflä* 
che = 100. 


Relative 
Grösse; 
Scbläfen- 
vrirbel = 100. 


Satyrn 8 Orang, juv. München (50mtn) . . 


401,4 


45,5 


78,2 


— 


„ Götti offen 7 (65 mm) . 


373,9 


41,6 


73,5 


— 


, Basel (63 mm) .... 


316,0 


44,6 


74,9 


— 


Göttingen 6 (68 mm) . 


181,2 


33,3 


6^3 


— 


„ 8 (78mm) . 


148,6 


36,5 


67,6 


— 


„ 4 (78 mm) . 


184,6 


36,6 


63,0 






248,9 


42,1 


76,5 


Mikrocephale 


(Minimum 


136,9 


30,4 


00,5 



Dass der Grundlinienwerth der Scheitelbeine mit zunehmendem Alter sich vermindert t ist 
die nothwendige Folge der schon erwähnten relativen Verkleinerung der ganzen Schädeloberfläche. 
Das Verhältnis« zur letzteru wie zum Schläfenwirbel giebt uns aber den Deweis, dass unser 
Knochen mehr als seine Nachbarschaft im Wachsthum zurückbleibt. Eine so bedeutende Ver- 
kleinerung, wie in einzelnen Mikrocephalen , erreicht er jedoch beim Affen nicht Im Ganzen 
und Grossen verhält sich also die Wachsthumsgeschichte der Scheitelbeine des Affen ähnlich der- 
jenigen des normalen Menschen. 

Wir kommen zum Kubikinhalt der Affenschädel. 



l 



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238 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

Von welcher der beiden Berechnungsreihen wir auch ausgehen mögen, weitaus schärfer als 
in all dem Bisherigen kommt die Thatsache zur Geltung, dass durch die Mikrocephalie eine Ver* 
kleinerung des Stirn- und eine Vergrösserung des Hinterhauptswirbels angestrebt wird in einem 
Grade, der beim Affen nicht weniger als beim normalen Menschen weit über die äusscraten 
Grenzen individueller Schwankung hinausgeht Wir sind daher vollauf berechtigt, die von 
Vogt versuchte Identificirung des Mikrocephalen- und Afferischädels mit aller Entschiedenheit 
von der Hand zu weisen. In seinen inneren Structurverhältnissen entspricht, trotz aller ausseren 
Ähnlichkeit, der Mikrocephalenschadel dem Affenschädel nicht besser als dem normalen Menschen- 
schädel. Das Resultat wäre auch kein anderes geworden, weun wir statt des Oranges und Chim- 
panses, deren übrigens auch Vogt zur Vergleichung ausschliesslich sich bedient bat, irgend einen 
anderen Vertreter der ganzen Gruppe gewählt hätten. 

Es beweist dieser negative Befund natürlich noch keineswegs, dass überhaupt kein Zusammen- 
hang der mikrocephalen mit irgend einer normalen Schädelform statttinde. Um dies behaupten 
zu können, iBt es zuvor nothwendig zu untersuchen, ob sie nicht als ein Festhalten an einer fötalen 
Entwickelungsform des Menschen und Affen oder aber als ein Rückschlag in eine früher vor- 
handene, heutzutage verschwundene Schädelform zu deuten sei. 

Hinsichtlich der ersteren Möglichkeit lassen unsere bisherigen Erfahrungen keinen Augenblick 
im Zweifel, dass sie nicht vorhanden ist. Beim Affen wie beim Menschen haben wir mit aller 
wünschbar^i Bestimmtheit den Nachweis geliefert, dass zu keiner Zeit der fötalen Entwickelung 
eine Form äuflritt, die auch nur von Ferne mit der mikrocephalen Aehnlichkeit hat. Von einem 
Stehonbloiben auf einer solchen kann daher ein für allemal nicht die Rede sein. Ebensowenig ist 
daran zu denken, dass eine fötale Menschenform durch Einschlagen eines afflichen Entwicklungs- 
ganges zur Mikrocephalie führe, da wir nicht nur gezeigt haben, dass der Mikrocephale einem 
ganz anderen Ziele zustrebt als der Affe, sondern dass auch der letztere während seines Wachs- 
thumes die relativen Grössen Verhältnisse seiner Schädel Wirbel nicht weniger festhält als der nor- 
male Mensch. Vogt hat allerdings behauptet, die Wachsthumsgesetze des mikrocephalen Schädels 
seien die gleichen wie diejenigen des afflichen. Es fallt indessen nicht schwer den Nachweis zu 
liefern, dass alle seine darauf bezüglichen Berechnungen völlig illusorisch sind. Fürs Erste haben 
wir bereits betont, dass eine mittlere mikrocephale Schädelförm vom Erwachsenen, welche der 
Rechnung zu Grunde gelegt werden könnte, bei der enormen individuellen Verschiedenheit der- 
selben überhaupt nicht existirt. Fürs Zweite ist es dann sicherlich ein kühnes Unterfangen, eine 
kindliche Schädelform durch das Mittel aus einem fünf-, zehn- und fünfzehnjährigen Individuum 
darstellen und mit seiner Hülfe die Altcrsvergrösserung berechnen zu wollen , obgleich gerade der 
jüngste der drei Schädel seineu älteren Genossen nicht allein, sondern auch einem Theil der Er- 
wachsenen an Grösse bereits ansehnlich überlegen ist Wie kann unter diesen Umständen von 
Wachsthum überhaupt die Rede sein! Wir betonen nochmals, jeder Mikrocephale ist in seiner 
Form etwas durchaus Individuelles, und um sein wirkliches Wachst!» umsgesetz kennen zu lernen, 
ist es unerlässlich, ihn auf verschiedenen Altersstufen zu untersuchen. Nur die aufeinanderfolgen- 
den Formen eiu und desselben Individuums sind mit einander direct vergleichbar. In Ermangelung 
derartiger Untersuchungsreihen können wir dasselbe annähernd dadurch erzielen, dass wir ver- 
schiedenaltrige Schädel von möglichst gleichem Typus mit einander in Parallele bringen. In dieser 
Beziehung kann nun kaum bezweifelt werden, dass der 5jährige Johann Georg Moegle die 



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Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 239 

grösste V crwandtschaft mit den bestausgebildcten erwachsenen Mikroce|>balen , mit Racke und 
Peyer, besitzt, und dass er bei längerem Leben dem Verhalten der letzteren wahrscheinlich am 
nächsten gekommen wäre. Anhaltspunkte hierfür liefert uns die Richtung der beiden Quernähte 
und der Zuschnitt des Scheitelbeines, die geringe Abflachung der Stirn und ausgiebige Wölbung 
des Hinterhauptes in Verbindung mit vollständigster Integrität sämmtlicher Nähte, welche den 
Gedanken an einen baldigen Stillstand im Wachsthum unsern sonstigen Erfahrungen zufolge nicht 
aufkommen lässt. Berechnen wir nun für die Schädel von Peyer und Racke mit Zugrunde- 
legung desjenigen von Joh. Georg Moegle den Wachsthumsmodulus der Grundlinie, der grössten 
Länge, Breite und Höhe und vollziehen wir dasselbe für den erwachsenen Drang (Göttingen 6) 
auf Grundlage der beiden Jungen von München und Güttingen, so erhalten wir folgende Zusammen- 
stellung: 





Grundlinie 


Länge. 


Breite. 


Höhe. 


Jot. Peyer 

J. G. Moegle 


115,7 


120,5 


108,7 


110,0 


L. Backe 


110,0 


107,8 


115,5 


108,9 


J. G. Moegfe 


drang, Gött. 6 
drang, Mönchen 


136,0 


100,0 


111,6 


116,0 


Oranp, Gött. 6 
6rang, Gött- 7 

\ 


123,0 


99,1 


101,1 


100,6 



Der Gegensatz zwischen Mikrocephale und Affe ist ein sehr augenscheinlicher durch das 
mächtige Uebergewicht, welches bei diesem das Wachsthum der Schädelbasis vor demjenigen des 
Scliädeldachcs besitzt und welches so weit geht, dass die Basis noch fortwächst, nachdem das 
Dach bereits seine endgültige Ausdehnung gewonnen hat. Beim Mikrocephalen ist hiervon nicht 
das Geringste zu sehen, vielmehr offenbart er durch die Gleichförmigkeit Beines Wachstliums den 
ausgesprochensten menschlichen Typus. Ich wiederhole es, ich bin weit davon entfernt, den obigen 
Zahlen irgend welchen absoluten Werth beizulegen. Ich wollte mit ihnen nur beweisen, dass man 
mit Leichtigkeit und wenn nicht mit grösserer, doch mindestens ebenso grosser Wahrscheinlichkeit, 
das Richtige zu treffen , für das W achsthum der Mikroceplmlenschädel ganz das Gegenlheil von 
dem herausrechnen kann, was Vogt so zuversichtlich behauptet hat. Von welcher Seite her wir 
die Sache also immer angreifen mögen, stets kommen wir zu dem gleichen Resultate, dass die mikro- 
cephale Form sich schlechterdings nicht aus einer normalen Fötalform weder des Menschen noch 
des Affen ahlciten lässt Ihre Entstehung lässt sich daher auch nicht auf ein von dem normalen 
abweichendes Waclisthumsgesetz zurückfiühren. Somit bleibt, soll Bie überhaupt der Reihe normaler 
Bildungen nicht entrückt werden, nur noch die Möglichkeit eines Rückschlages auf einen heutzutage 
verschwundenen TypuB offen. 

Bekanntlich fehlt unB vorläufig noch die ganze Reihe von Formen, welche erforderlich sind, 
den Menschen direct mit den übrigen Tliieren in phylogenetischen Zusammenhang zu bringen. 
Deshalb möchte vielleicht im ersten Augenblicke eine Lösung der aufgeworfenen Frage ohne 



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240 



Prof. Dr. C h r. A © b y , 

Weiteres als unmöglich erscheinen. Nichtsdestoweniger glaube iah, dass wir auf Umwegen zu 
einer solchen gelangen können, wenn wir die Architektur einer Reihe von niedrigeren Thierschädeln 
auf ihren Typus untersuchen. Ich stelle daher im Nachfolgenden eine Anzahl darauf bezüglicher, 
in bisheriger Weise gewonnener Messungen vorerst zusammen. 



t^uad ratober fläche 
des 

H i r n » c h ä d e 1 s i ). 


Quadratgrund 


linie = 100. 


Gesammtoberfläc 


he = 100. 


Stirnwirbel. 


Schläfen- 

wirbel. 










Hinter- 

haupts- 

wirbel. 


Canis familiari« (83 mm) 


43,8 


81,6 


39,5 


154,9 


23,3 


52,6 


19,1 


— (62 mm) . • . . 


68,0 


130,8 


85,4 


234.2 


29,3 


55,8 


15.1 


— (54 mm) . 


80,7 


133,5 


36,8 


251,0 


32,1 


58,1 


14,7 


Felis Catu» dornest. (58 mm) 


58,3 


98,7 


35,2 


192,2 


30,3 


51,3 


18^ 


Cervus Capreolus (84 mm) ........ 


59,7 


106,6 


41,6 


207,9 


28,7 


61,3 


20,0 


Lemur Catta (? mm) 


V 


9 


7 


? 


22,8 


56,5 


20,7 


Mycetes Seniculus (74 mm) . 


39,4 


108,8 


37,2 


186,4 


21,2 


58,6 


30,1 


Hylobatea (spec.V) (59 mm) ........ 


101,2 


177,0 


69,3 


347,5 


29,1 


61,0 


19,9 


Innus (spec. ?) (51mm) 


78,0 


216,8 


72,7 


367,5 


21,4 


58,9 


19,7 


Cynocephalu» Mormon (68 mm) 


65,6 | 


196,9 


78,8 


341.3 


19,2 


57,7 


23,1 


Corcopithecus patas (46 mm) . 


135,6 | 


374,1 


112,3 


531,9 


25,8 


62,5 


21,5 



J ) Natürlioh sind auch hier bei der Überdächenmessung alte vorspringendeu Kamme u. s. w. weggelasaen 
und überhaupt nur diejenigen Wirbelabsohnitte berücksichtigt worden, welche an der Umgrenzung der eigent- 
lichen Schädelhöhle Theil nehmen. — Ala vordere» Ende der Grundlinie wurde derjenige Punkt gewählt, in 
welchem ein vom VorderrAnde der Siebplatte auf die Schädelaxe gezogene« Loth diese durchschneidet. 

Die ein geklammerten Zalileu beziehen «ich auf die absolute Länge der Grundlinie. 



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Beiträge zur Kenntnis« der Mikrocephalie. 



241 



Kubi kin halt des 
üirnschädels. 


K u b i k g r o n d 1 i n i e = 100. 


Geaamm ti n hall 


t = 100. 


Stirn w'irbel. 


.Schläfen- 

wirbel. 


Hinter- 

haupts- 

wirbel. 


Total. 


Stirn wirbel. 


Schläfen- 

wirbel. 


Hinter- 
hau pte- 
wirbel. 


Canis familiaris (83 mm) 


3,0 


8,9 


2,7 


15,5 


25,6 


57,1 


17,3 


— (62 mm) 


7,7 


14,6 


3,1 


25,4 


30,3 


57,5 


12,1 


— (54 mm) ...... 


7,8 


16,7 


4,0 


28,5 


27/S 


58,5 


14,0 


Felis catus dornest 


*fi 


9,4 


3,3 


17,2 


26,4 


53,9 


19,6 


Cervus capreolus . 


6,0 


9,9 


3,9 


19,8 


30.2 


50,0 


193 


Arctomy* Marmotta (36,5 mm) . . . 


? 


7 


? 


20,6 


20,6 


58,7 


20,6 


Mycetes Seniculua ......... 


? 


V 


? 


18,1 


? 


7 


? 


Hylobate« (spec. 


t 


? 


? 


44,4 


V 


7 


? 


Iuuus (spec. V) 


8,4 


31,5 


6,6 


46,5 


18,1 


67.7 


14,2 


Cynocephalus Mormon . 


8ß . 


34,8 


8,4 


52,8 


16,8 


67,1 


16,2 


Coroopithecus patas 


? 


? 


7 


95,5 


? 


7 


? 



Das Ergebnis* <ler vorstebendun Zahlenreihen ist ein ebenso klares wie überraschende«. Das- 
selbe beweist nicht nur, dass hinsichtlich der relativen Grösse der Schädelwirbel die niederen Affen 
völlig den Typus der Anthropomorphen einlialten, sondern dass dieser Typus, trotz aller Schwan- 
kungen in der speciellen Vertheilung, überhaupt ein die gauze Wirbelthierreihe beherrschender ist. 
Ueberall steht der Stirn Wirbel auf der Höhe des Ilinterhauptswirbels *), ja in der Hegel überflügelt 
er denselben in ausgiebigem Maasse. Hei den tief stehenden, weil verhältnisstnässig nur wenig 
ausgeweiteten Schädeln des Rehes, des Hundes und der Katze ist solches sogar noch mehr der 
Fall als bei denjenigen der Affen. Dieser einfachen und unzweifelhaften Thatsache gegenüber 
fällt die versuchte Deutung des Mikrocephalenschfidels als einer atavistischen Form unrettbar da- 
hin; denn wenn wir auch theoretisch zugeben müssen, dass manche Schädelformen zwischen der 
thierischen und der menschlichen existirt haben mögen, die uns verloren gegangen, so können 
solche doch niemals einen Typus besessen haben, der in so schneidendem Widerspruche steht 
zu der phylogenetischen wie ontogenctischen Reihe aller uns bekannten Formen. Alle Phylogenese 
baut fort auf einer gegebenen Grundlage. Die neutrale Grundform der jetzigen Menschen- und 
Affcnschüdel, wenn überhaupt eine solche jemals existirt hat, kann aber nur hervorgegangen sein 
aus einer niedrigeren Thierform, und diese stimmt hinwiederum völlig mit der jetzigen Affen- und 
Menschenfurra überein. Es ist daher geradezu unmöglich, dass zwischenhinein ein so auffälliger 
Wechsel des Typus stattgefunden hätte, zumal auch die Ontogenese einen derartigen Gedanken 
völlig fern hält. Wir behaupten deshalb mit aller Zuversicht: der Mi krocephalentypus passt 
in keine Entwickelungsreihe normaler Schädel hinein, er ist ein durchaus eigen« 



*) Cynoceph alus Mormon macht für die Quadratobcrflachc , nicht aber für den Kubikinhalt eine 
Ausnahme. — Die Betrachtnng einer längeren Reihe von Säugethierschädclu bestätigt auch ohne Messung 
die allgemeine Gültigkeit de« aufgestellten Gesetze». Nur für Walthiere findet dasselbe keine Anwendung, 
indessen stehen diese überhaupt «o abseits von den übrigen Säugethieren, dass sie für unsere Angelegenheit 
nicht ins Gewicht fallen. 

AtcWt für Anthropologie. Itd. VII. H*ft 2. • 



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242 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

artiger. In ihm äussert sich nicht die Vollziehung, sondern die Störung des nor- 
malen morphologischen Entwicklungsgesetzes. Mit anderen Worten, der Mikro- 
cephalenscbädel ist kein normales, sondern ein pathologisches Gebilde. Daher er- 
klären sich auch von selbst die ihm eigene ungemeine Veränderlichkeit der Form, die Häufigkeit 
asymmetrischer Verbildungen, sowie auch die zahlreichen Spuren theils noch bestehender theils be- 
reits abgelaufener Krankheitsprocesse, die mit dem Begriffe eines einfachen Rückschlages oder wirk- 
lichen Atavismus geradezu unvereinbar sind. 

Das Gesicht der Mikrocephalen wiederholt nach unseren eigenen Nachweisen, sowie auch 
nach dem übereinstimmenden Urtheile sämmtlicher Forscher den Typus des normalen Menschen- 
gesichtes so getreu, dass eine Vergleichung mit dem ganz anders gestalteten Affengesichte durch- 
aus überflüssig ist. Selbstverständlich gilt unB dessen stärkere Prognathie nicht als Atavismus, 
nachdem wir sie als die nothwendige Folge der pathologischen Umformung des Hirnschädels er- 
kannt haben. Es erscheint mir daher auch sehr fraglich, oh es gerechtfertigt ist, dasselbe mit Vogt 
dem prognathen Gesichte niederer Menschenracen gleich zu stellen. Die Prognathie der letzteren 
ist keine pathologische, sondern eine normale und es dürften desshalb auch ihrer Entstehung ganz 
andere Triebfedern zu Grunde liegen. Leider fehlte es mir bisher an dem erforderlichen Material, 
diese Verrauthung auf ihre ^tatsächliche Berechtigung zu prüfen. 



B. Centrales Nervensystem der Kikroceph&len. 

1. Rückenmark. 

Auf das Rückenmark der Mikrocephalen ist in den bisherigen Untersuchungen wenig oder 
gar keine Rücksicht genommen worden. Bischoff 1 ) erwähnt nur nebenbei, dass ihm bei der 
Helene Becker dessen Dicke „ganz verhältnissmässig“ zu sein scheine. Theile*) dagegen 
glaubt aus den am oberen Ende dieses Organes bei dem Mikrocephalen von Jena angestellten 
Messungen den Schluss ziehen zu sollen, dass „mit der Mikrocephalie zugleich Mikromyelie ver- 
bunden gewesen ist.“ Anderweitige Angaben sind mir nicht vorgekommen. Genaue Messungen 
an dem Rückenmark der S. W yB8 dürften daher nicht unerwünscht sein , da sicherlich kein Grund 
vorliegt, von vornherein eine Beschränkung des mikrocephalen Processes auf das Gehirn anzuneh- 
men. Zur Vergleichung benutze ich einige an dem normalen Organ eines 15jährigen Individuums 
erhaltenen Werthe, sowie die ausgedehnten Messungsreihen Stiiling’s bei einem 6jährigen 
Kinde und 25jährigen Manne. Die gemessene Stelle ist überall durch den an ihr entspringenden 
Nerven bezeichnet. Der grössten Breite und Dicke ist der Quadratinhalt des bezüglichen Quer- 
schnittes, Alles in Millimeter, beigegeben. 



*) Bischoff, Anatomische Beschreibung eines mikrocephalen 8jährigen Mädchens. Aus den Abhand- 
lungen der k. bsycr. Akad. d. Wiss. II. CI., XI. Bd , II. Abth. S. 20 (136). Mönchen 1873. 

*) Theile, lieber Mikrocephalie; Henle und Pfeufer, Zeitichr. f. ratioo. Medicin, 3. Keihe, XI. Bd., 
8. 232. 



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245 



Beiträge zur Kenntnis« der Mikrocephalie. 

S. Wy st» bleibt überall hinter dem 15jährigen, ja stellenweise selbst hinter dem 5jährigen 
Kinde zurück, wag, so wenig wir auch über die individuellen Grüssenschwankungen des Rücken- 
markes noch wissen, doch zweifelsohne als ein Missverhältnis« muss bezeichnet werden. Auch 
dieser Fall spricht für ein gleichzeitiges Bestehen von Mikrocephalie und Mikromyelie. Ob frei- 
lich beide immer und nothwendigerweise verbunden Auftreten, oder ob es sich hier nur um indi- 
viduelle Verhältnisse handelt, darüber können erst künftige Erfahrungen entscheiden. Jedenfalls 
erscheint es von nun an dringend geboten, soweit dies irgendwie möglich ist, bei Mikrocephalen 
auch das Rückenmark einer sorgfältigen Prüfung zu unterziehen. Namentlich versprechen wohl 
mikroskopische Untersuchungen werthvolle Aufschlüsse. 

Ueber da« Verhalten der vom Rückentnarke ausgehenden Nervenstänune und ihrer zugehörigen 
Ganglien vermag ich leider keine Mittheilung zu machen. Durch die Befunde am Rückenmark 
wird aber auch ihnen künftig einige Aufmerksamkeit geschenkt werden müssen. 



2. Gehirn. 



Der gegenwärtige Zustand unserer anatomischen Kenntnisse schliesBt vorläufig jeden Ge- 
danken an eine strenge Vergleichung verschiedener Gehirne aus. Der Zusammenhang der ein- 
zelnen Faserzüge und Zellengruppen, sowie ihre Massenvcrtheilung auf die verschiedenen gröberen 
Bezirke entzieht sich noch grösBtentheils unserer Beurtheilung ; daher bleibt es auch völlig zweifel- 
haft, in wie fern äussere Aehnlichkeil der Form als Ausdruck einer gemeinsamen inneren Archi- 
tektonik darf angesehen werden. Dass beide Begriffe sich keineswegs decken, haben wir bei den 
Schädeln sattsam erfahren. Hüten wir uns deshalb bei der noch mehr auf blosse Empirie ange- 
wiesenen Erforschung des Gehirnes vor voreiligen und allzuweit gebenden Schlüssen. 

Wir beginnen mit den absoluten und relativen Massen Verhältnissen des Gehirnes und zer- 
legen es zu diesem Behufe in drei Stücke, da« verlängerte Mark, da« Kleinhirn und Grosahirn. 
Die beiden letzteren werden durch die Zertrennung ihrer Stiele, da wo diese aus dem verlängerten 
Mark hervortreten, frei gelegt Vierhügel und Brücke bleiben mit dem verlängerten Mark ver- 
bunden. Leider fehlen für die meisten der beobachteten Mikrocephalengehirne die bezüglichen 
Angaben, so dass wir uns fast ganz auf unsere eigenen Erfahrungen angewiesen sehen *). 

(Tabelle auf vorhergehender Seite). 

Die Wägung der einzelnen Gehirn theile wurde erst nach geschehener Härtung in Weingeist ausgeführt. 
Die in der Tabelle angegebenen absoluten Gewichte sind daher nur indirect durch Berechnung der gefundenen 
relativen Werthe auf das Gewicht de« ganzen frischen Gehirns gewonnen worden. 







246 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

Wir ersehen hieraus, dass da« Hirnge wicht auf ein Vierte! oder noch weniger der Norm sinken 
kann , ohne deshalb die Existenzfahigkeit des betreffenden Individuums aufzuheben. Gleichzeitig 
findet auch der schon von anderer Seite aufgestellte Satz, dass von dieser Verkleinerung die ein- 
zelnen Hirntheile in sehr ungleicher Weise betroffen werden, seine volle Bestätigung. Das Gross- 
hirn kommt überall am schlimmsten weg und allem Anscheine nach um so mehr, je weiter die 
Mikrocephalie fortgeschritten. Trotz absoluter Verkleinerung erfahren daher verlängertes Mark 
und Kleinhirn relativ eine Vergrösserung. Es ist wohl kaum zufällig, dass diese bei den eigent- 
lichen Mikrocephalen (Peyer und Wyss) dem Kleinhirn in höherem Maasse zu Gute kommt als 
dem Marke. Bei S. Wyss wenigstens dürfte die stiefmütterliche Behandlung des letzteren als 
die einfache Folge der Rückenmarksverkleinerung anzusehen sein. Aehnlich scheint sich die Sache 
auch bei Margarethe N., dem Falle von Klüpfel *), verhalten zu haben, doch hat dieser unterlassen, 
Gewichtsbestimmungen vorzunehmen. 

Mancherlei Belehrung gewähren die linearen Durchmesser der einzelnen Gehirnabschnitte, 
sowohl in ihrem absoluten *) als auch in ihrem relativen, nach einem normalen Gehirne *) berechneten 
Bestände. 



1 ) Klüpfel, Beitrag zur Lehre von der Mikrocephalie. lnaugural-Dissertation (Präsidium von Hub. v. 
Luschka). Tübingen 1871, 8. 35. 

*) Die absoluten Werthe sind am bereits erhärteten Oehirn bestimmt worden und also in Folge der ein- 
getretenen Schrumpfung für da* frische Gehirn etwas zu klein. Für die Vergleichung unter sich büssen sie 
natürlich dadurch nichts an Werth ein. — Die absoluten Maasse für den Mikrocephalen von Jena, von 
Marg. N. und Mottey entstammen den Mittheilungen von Theile, Klüpfel und Micrjeie w sky. — 
Das Gehirn von Jos. Peyer hatte, als es in meine Hände kam, seine Form schon zu sehr verändert, als dass 
von Maassbestimmungen noch das Geringste zu hoffen gewesen wäre. Es fehlt daher in der obigen Tabelle. 

*) Die Maasse für das normale Gehirn habe ich an den bekannten Abbildungen von Reichert genommen, 
da mir zur Zeit ein mit hinreichender Sorgfalt gehärtetes Präparat nicht zur Verfügung stand und ich einer 
Anzahl von Durchmessern bedurfte, auf welche gewöhnlich keine Rücksicht genommen wird. 



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Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 247 




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248 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

Es bestätigen diese Zahlen nicht allein die bereits aus den Gewichten erhaltenen Resultate, 
sie erweitern dieselben auch ln doppelter Weise, indem sie darthun, dass die Verkümmerung inner- 
halb der einzelnen von uns angenommenen Gehirnab.Hchnittc gleichfalls eine verschiedene ist und 
dass die Art derselben bei den einzelnen Mikrocephalen ein durchaus individuelles Gepräge trügt. 

Auffällig gross und der normalen fast oder selbst ganz entsprechend ist die obere Breite des 
verlängerten Markes bei S. Wym und Mottey, zumal da bei der enteren sowohl seine Dicke als 
auch der Querabstand der Oliven bedeutend geschwächt erscheint. Die Oliven selbst zeigen in 
den beiden untersuchten Füllen kaum ein von dem normalen abweichendes Verhalten. Um so 
mehr tritt ein solches bei der Brücke hervor, die eine entschiedene, namentlich bei S. Wyss und 
dein Mikrocephalen von Jena, sehr weit gehende Verkleinerung, und zwar mehr der Lange als der 
Breite nach, erfahren hat. 

Vierhfigel und KUinhini werden von der Reduction ungefähr in gleichem Maassstabe be- 
troffen, letzteres jedoch bei den einzelnen Individuen hinsichtlich der Länge und Breite keineswegs 
in übereinstimmender Weise. Bei S. Wyss sind beide Durchmesser, bei Jena nur die Länge, bei 
Mottey die Breite stark verkürzt, während Margarethe N., von der Unbekannten aus der 
Insel gar nicht zu reden, natji beiden Richtungen hin günstigere Verhältnisse darbietet. 

Die grosse Ungleichheit der Schädelform, welche wir früher nachgewiesen haben, findet selbst- 
verständlich in der Gestaltung des Grosshirnes einen Ausdruck. Durchschnittlich leidet in unseren 
Fällen die Länge und, mit einziger Ausnahme von Marg. N\, auch die Höhe mehr denn die Breite. 
Aus der geringen Verkürzung der Ventrikeldurchmesser hei S. Wyss schlieasen wir, was auch 
Bchon bei anderen Mikrocephalen ist beobachtet worden, auf eine Begünstigung der StainmÜieile 
gegenüber den Mantclthcilen. Sehr bemerken« wertli verhält sich der Balken durch die auffällig 
schwache Ausbildung seines hinteren Abschnittes, der statt, wie es die Regel verlangt und wie es 
auch noch bei der Insel und bei Payer der Fall ist, gegen das Ende hin anzuschwellen, entweder 
seine anfängliche Dicke beibehält (S. Wyss) oder aber geradezu sich verjüngt (Jena, Mottey). 
Geschieht letzteres, so entsteht gleichzeitig eine mehr oder weniger ausgesprochene Verkürzung, 
wie eine solche auch bei II. Becker (Bischoff a. a. O. S. 20) bestanden hatte. Gleiche Befunde 
meldet Sander 1 ) von den Gehirnen der Mikrocephalen Pfefferte und Fried. Sohn, indem er 
sie gleichzeitig (a. a. O. S. 17) zu der Verkümmerung der Hinterlappen des Groeshirns in Beziehung 
setzt. 

Wir gewinnen einen einfachen Ausdruck für die lialkenlänge durch procentische Berechnung 
derselben nach der Länge der ganzen Hemisphäre. Dabei empfiehlt Bich eine Sonderung der- 
jenigen Abschnitt« dieser letzteren, die als Stirntheil und Hintcrhauptstheil den Balken zwischen 
sich fassen. Zur Vergleichung mögen auch sofort einige Affen- und fötale Menschengehirne *) 
herbeigezogen werden. 

*) Beschreibung zweier Mikrocephaleugebirne. — Separatabdruck au« Griesinger’« Archiv S. 4 und 5. 

2 ) ln Ermangelung wirklicher Gehirne haben die Abbildungen von Bischoff (Troglodytes) , Gratiolet 
(Uobrige Affen) und Beicher t (fötale Gehirne) da« Material zu diesen Messungen geliefert. — Auch den 
Zahlen von Pfeffer!«, Jena, Becker und Mottey liegen die veröffentlichten Abbildungen zu Grunde. 



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Beiträge zur Kenntnis» der Mikrocephalie. 



249 



• 


Ganze He 
Stirntheil. 


■misphärenlanf 

Balkentheil. 


= 100. 

Ilinter- 

bauptsthei 


Erwachsener normaler Meusch . . . 


23,7 


43,8 


32,4 


Menschlicher Foetua von 20 Wochen 


24,7 


35,6 


39.8 


, von 24 hi» 26 Wochen 


21,2 


44,9 


33,9 


„ von über 26 Wochen 


21,8 


41,5 


36,7 


Unbekannte aus der Insel 


21,6 


43,3 


35,1 


S. Wyw * 


25,0 


41,3 


83,7 


Pfefferle * . . 


17,1 


40,2 


42,7 


Mikrocephale von Jena 


19,4 


37,6 


43,0 


II. Becker 


22,2 


37,0 


40,8 


Mottey 1 ) 


24,0 


28,0 


48,0 


Troglodytes niger ......... 


20,2 


423 


37,5 


Satyr u» Orang 


21,6 


48,0 


30,4 


Cereopithecus Subaru» 


25,0 


41,7 


883 


Macucua rhesus 


19,4 


46,3 


34,3 


„ radiatu» 


21,2 


42,4 


36,4 


Cynocephalus spliiux 


18,4 


37,9 


43,7 


P Hormon ....... 


18,6 


45,4 


36,0 


Ateles belzebuth . 


20,8 


43,1 


86,1 


Cebuft npella 


18,7 


45,3 


35,9 


p capuciuu» 


17 *> 


43,7 


39,1 



Die Lingen&bnahme de» Balkens ist am geringsten bei S. Wvm und Pfefferle, am stärksten 
bei Mottey. Sie erfolgt ausschliesslich am hinteren Ende, da der llinterhauptstheil der Hemi- 
sphäre bei allen Mikrocephalen verlängert, der Stimtheil dagegen nahezu unverändert oder selbst 
(Pfefferle, Jena) verkürzt erscheint. In diesem Verhalten des Balkens liegt keine Annäherung 
an den Affentypus; denn bei all den aufgefuhrten Affen, mit alleiniger Ausnahme von Cynoceph. 
sphinx, ist der Balken mindestens von gleicher, oftmals aber auch von beträchtlicherer Länge als 
beim Menschen. Die ganze Erscheinung ist vielmehr auf eine Behinderung im normalen Wachs- 
thum zurückzuführen, indem, wie aus den Maas wen der fötalen Gehirne hervorgeht, der Balken 
nicht gleich in seiner vollen relativen Länge angelegt, sondern erst nachträglich durch Ver- 
längerung nach rückwärts auf diese gebracht wird. Die Kürze des Balkens führt natürlich eine 
Erweiterung des Querschlitzes am Grosshirn nnd eine freiere Lage der Vierhügel im Gefolge. 

Bei dieser Gelegenheit mag auch gleich auf die ganz eigentümliche Stellung hingewiesen wer- 
den, welche die Balkenachse des Gehirnes gegenüber dessen Stammachse bei den Mikrocephalen ein- 
nimmt. V Der von beiden eingeschlossene Winkel ist ausserordentlich klein (bei S. Wyss nur 30, 
bei H. Becker und Pfefferle etwa 28° gegenüber 70 bis 75* im normalen Gehirne) und daher 
die Lage des verlängerten Markes zum Grosshirn eine auffällig schräge. Der Grund liegt offenbar 



0 Nach den Mesmingen am wirklichen Gehirne wird für Mottey die Balkenlingc von Mierjeievsky 
etwa» geringer, nämlich za nur 25 Proc. angegeben (a. a. 0. S. 32). 

Archiv ttlr Anthropologin. B4. VII. Iloft 1. Q> 



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250 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 



in der Verkleinerung der hinteren Hemisphärenmassen, welche bei Bt&rkerer Entfaltung, namentlich 
in senkrechter Linie, durch radförmige Drehung des Hemisphären man tels um den Stamm eine 
Hebung der Balkenachse an ihrem hinteren Ende und so eine Erweiterung des genannten Winkels 
veranlassen. 

Es gewinnt den Anschein, als ob durch die Mikroeephalie nicht allein der Balken, sondern das 
weisse Commissurensystem überhaupt leicht geschädigt werde. Bei der S. Wyss habe ich nach 
einer Commissura anterior umsonst gesucht. Namentlich aber gehören Störungen in der Aus- 
bildung des Gewölbes nicht zu den Seltenheiten. Bei der IL Becker (Bischoff a. a. O. S. 21) 
und dem Mikrocephalen von Jena fehlt das Septum pellucidnm, indem Gewölbe und Balkenknic 
unmittelbar mit einander verschmelzen. Bei Mottey und S. Wyss verhalten sich diese Theile 
ganz regelrecht, dafür verkümmern aber die hinteren Gewölbeschenkel. Bei jenem sind die in 
das Unterhorn herablaufenden sogenannten Fimbrien sehr fein 1 )» bei dieser ist eine solche nur 
links, und dazu noch äusserst schwach, in ihrer ganzen Länge vorhanden, während sie rechts schon 
im Eingänge des Unterhornes in scharfem Saume frei ausläuft. Das Velum terminale (Aeby, 
Lehrbuch der Anatomie S. 854) ist trotzdem vorhanden. Peyer verhält sich in all diesen Punkten 
der Norm gemäss. 

Ueber die Ventrikel des Grosshimcs ist vor allem zu berichten, dass der seitliche, namentlich 
in der Gegend des hinteren Hornes, wiederholt nicht nur relativ, sondern absolut erweitert gesehen 
worden ist (S. Wyss, Jena, Mottey). Gleiches Schicksal trifft das Foramen Monroi bei Fehlen 
des Septum pellucidum. Die Commissura media ist bisweilen von auffallender Dicke (H. Becker, 
S. Wyss). Das Cornu Ammonis (Wyss), sowie die Fascia den lata können gänzlich fehlen (S. 
Wyss, Mottey). Letztere war auch bei der IL Becker nur undeutlich vorhanden. 

Sehr schwankend verhält sich die Breite der Ilirn Schenkel selbst bei sonst ziemlich gleicher 
Gehirnmasse. Wyss und Jena stehen in dieser Hinsicht in eigenthümlichem Gegensätze zu ein- 
ander. Leider müssen wir uns darauf beschränken, all diese Einzelheiten aufzuzeichnen, künftiger 
Erfahrungen gewärtig, die gestatten werden, sie nutzbringend für die Erkenntnis« des inneren 
Gehirnbaues zu verwerthen. 

Ganz besondere Sorgfalt wird, zumal in neuerer Zeit, den Windung» Verhältnissen des Ge- 
hirnes zugewandt. Ob man dabei gut tliut, sich ausschliesslich an das Grosshirn zu halten und 
daB Kleinhirn gänzlich zu vernachlässigen, lasse ich dahin gestellt. Jedenfalls dürfte dies nicht 
mehr geschehen, wenn Modificationen in seiner Lappenbildung , wie solche von Bischoff (a. a. O. 
8. 19 [135J) für die H. Becker sind angegeben w'orden, auch bei anderen Mikrocephalen sich 
wiederholen sollten. S. Wyss und Peyer lieferten in dieser Hinsicht durchaus negative Resul- 
tate. So viel steht also jedenfalls fest, dass wie in der Masse so auch im Bau das Kleinhirn von 
der Mikroeephalie nur wenig oder selbst gar nicht berührt wird. 

Ganz anders das Grosshirn. Hier führt, wie man schon lange weiss, die beträchtliche Ver- 
kleinerung des Umfanges zu einer mehr oder weniger beträchtlichen Vereinfachung der Windungen, 
ohne jedoch, was wir sofort betonen wollen, damit auch eine Verwischung ihrer allgemeinen Grund- 
züge zu verbinden. Wirklich krankhafte Veränderungen der Oberfläche sind bisher nicht gemeldet 



*) Berliner Gesellschaft für Anthropologie, Sitzung am 9. Marz 1872, S. 81. 



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251 



Beiträge zur Kenntnis« der Mikrocephalie. 

worden. Solche sind aber unzweifelhaft, wenigstens in dem Einen der von mir mitgetheillen neuen Falle 
vorhanden. Das eigentümliche Gepräge, welches der linkseitige Seheitellappen aammt den angrenzend 
den Gehirntheilen bei Jos. Peyer besitzt, ist offenbar die Folge einer krankhaften 'Schrumpfung 
und steht wohl im Zusammenhänge mit der rechtseitigen Parese seines Besitzers. Aehnliche dach- 
höckerige Beschaffenheit wurde auch bei S. Wyss in der vordem Hälfte der Schläfenlappen, 
namentlich im frischen Zustande, bemerkt. Der Process war indessen hier ein wenig eingreifen- 
der und längerer Aufenthalt in Weingeist verwischte die betreffende Zeichnung fast vollständig. 

Eines der wichtigsten Momente für die schliesslich« Gestaltung des normalen Menschen- und 
hohem Affengehiras liegt bekanntlich in der Scheidung seiner anfangs gleichförmig gewölbten 
Oberfläche in einen centralen und einen diesen ringförmig umschlicsscnden peripherischen Ab- 
schnitt. Sie wird begründet dureb verschiedene Energie des Wachsthums. Der centrale 
Abschnitt bleibt in diesem als Insel oder Ccntrallappen zurück, der peripherische tritt wallartig 
mehr und mehr über ihn hervor und macht ihn zum Boden einer offenen, der sogenannten Sylvi*- 
schen Grube (foBsa Sylvii), deren Rand nur auf eine kurze Strecke zwischen Stirn- und Schläfen- 
lappen unterbrochen ist. Später wölben sich die Ränder der Grul>e von vom, von hinten und oben 
her allmälig über den Grund derselben hervor, um endlich in dreistrahliger Sylvi’scher 
Spalte (fisaura Sylvii) sich zu vereinen und so den letztem der oberflächlichen Betrachtung 
gänzlich zu entziehen. Die Insel ist aus einer freiliegenden zu einer gedeckten, die Sylvi’sche 
Grube aus einer offenen zu einer geschlossenen geworden. Die Sylvi’sche Spalte durchzieht 
deren Decke und gestattet nur dann, wenn ihre Ränder ansein andergezogen werden, den Einblick 
in die Tiefe. Der Sprachgebrauch fasst den untern Strahl dieser Spalte als Stamm, die beiden nach 
oben gerichteten Strahlen als vorderen und hinteren Seitenast auf. Das zwischen den letztem nach 
unten vordringende Deckenstück wird noch besonders als Klappdeckel ausgezeichnet l ). 

Untersuchen wir nnnmehr die Mikrocephalen auf dieses so wichtige Verhältniss, so erkennen 
wir ohne Mühe, dass dieselben in der allgemeinen Differcnzirung ihres Gehirnes dem Gesetze des 
normalen Menschen treu bleiben, dass sie jedoch in der speciellen Ausführung desselben andere 
Wege einschlagen. Der peripherische Kingabschnitt wird früher und in eingreifenderer Weise von 



*) Die specielle Darlegung dieser bekannten und an und für sich so ausserordentlich einfachen Verhält- 
nisse könnte als völlig überflüssig erscheinen, wenn nicht die Literatur der Mikrocephalie eines bessern 
belehrte und uns bewiese, dass noch vielfach, theilweise allerdings durch nachlässigen Sprachgebrauch ver- 
anlasst, arge Begriffsverwirrungen vorhanden sind. Namentlich werden fast durchgängig Sylvi’sche Grube 
und Sylvi’sche Spalte als gleichbedeutend angesehen. Daher darf man sich nicht wundern, wenn Contro- 
versen wie die zwischen v. Mierjeievsky und Bi sch off auftanchen, indem jener der foesa Sylvii des 
Mottey (he Form eines umgekehrten, dieser diejenige eines aufrecht stehenden U mit kurzem Stiele 
zuschreibt. Mierjeievsky denkt offenbar nur an den untern, offen stehenden Theil der genannten Grube, 
Bischoff dagegen rechnet die durch Schliessung der oberen Hälfte entstandenen Spalten noch hinzu. So 
war denn freilich in der Ausdrucksweis« ein Widerspruch unvermeidlich. Noch viel schlimmer aber wirkt 
die Verwechslung der wirklichen Sylvi’scken Spalte mit den Randfurchen der offen gebliebenen Sylvi’- 
schen Grube, wie solches nicht bloss Vogt, der an seinen Schädelansgüssen den wahren Thatbestand un- 
möglich erkennen konnte, sondern auch Wagner und Theile, sowie, durch diesen verführt, später Sander 
ergangen ist Letzterer lässt sich sogar (a. a. 0. S. 7) verleiten, die anscheinend einfache Fortsetzung der 
Centralwülste, in Wirklichkeit die frei liegende Insel, als Klappdeckel in Rechnung zu bringen, trotzdem 
Theile ausdrücklich die völlige Abwesenheit der Insel hervorgehoben hatte, Sander also wissen musste, 
dass sein sogenannter Klappdeckel nicht ein hohl aufliegendes, sondern ein mit der liefern Gehimmasse ein- 
heitlich verwachsenes Gebilde sei. 

32 * 



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252 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 



der Verkümmerung befallen als der centrale. Daher sehen wir, dass bei den besser ausgcstatteten 
Mikrocephalengehirnen die Insel verhaltnissmüssig zu gross ist. Nur bei den Pseudo -Mikro- 
ccphalen, wie in dem Falle von Schüle *) und bei der Unbekannten aus der Insel 9 ), schließen 
gleich wie beim normalen Menschen die vorgewölbten Ränder der Sylvi’schen Grube in einfacher 
Spalte zusammen, bei den eigentlichen Mikrocephalen geschieht dies nur noch theilwoise und das 
untere Ende der Insel bleibt unbedeckt (J. Peyer*), Fried. Sohn 4 ), Mottey, Marg. N.), oder 
selbst gar nicht mehr, und die Insel bleibt völlig frei und kommt in ein und dieselbe Flucht mit 
der Umgebung zu liegen (Mikroc. von Jena 5 ), S. Wyss). Aber damit ist das Ende der möglichen 
Rückbildung noch nicht erreicht. Die Insel, die* bereits bei Jena und Wyss bedenklich einge- 
schrumpft sich zeigt, kann so sehr zurücktreten, dass über ihren unansehnlichen und kaum noch 
zu erkennenden Resten die Ränder der Sylvi’schen Grube nicht mehr in dreistrahliger, sondern 
in einfacher schräg nach hinten aufsteigender Spalte zusammenschliessen (II. Becker 4 ), 
Pfefferte). So lassen sich denn die sämmtlichen anscheinend so verschiedenen Formen mit 
Leichtigkeit auf ein und dasselbe Grundprineip zurückführen und als verschiedene» Grade ein 
und desselben Vorganges erkennen. Gleichzeitig geht daraus mit voller Sicherheit hervor, 
dass der Versuch von Vogt, das Verhalten der Mikrocephalen mit demjenigen der höheren Affen 
zu identificiren (a. a. O. S. 234) ein durchaus verfehlter ist und jeglicher thatsächlicher Grundlage 
entbehrt. Weit davon entfernt, in dem Verhalten der Sylvi’schen Grube und ihrer Ränder irgend 
welche gegenseitige Annäherung zu erfahren, stehen sich vielmehr in dieser Beziehung Affe und 
Mikrocephale ferner, als Affe und normaler Mensch, da jener im Vergleich zu diesem einen ver- 
grösserten, der Mikrocephale im Gegentheil einen verkleinerten, ja selbst auf Null rcducirten 
Klappdeckel besitzt. Die ganze Vogt’sche Lehre beruht auf einer Verwechslung von frei liegender 
Insel und Klappdeckel, von Randfurche der offenen Sylvi’schen Grube und Sylvi’scher Spalte, 
einer Verwechslung, die bei der Ersetzung wirklicher Gehirne durch Schädelausgflsse freilich nicht 
nur sehr verzeihlich, sondern geradezu unvermeidlich genannt werden muss. 

In all den von uns beobachtetem Fällen ist ein gewisser Parallelismus zwischen der Verkleine- 
rung der Insel und der Abnahme des gesammten llirnge wichtes nicht zu erkennen, indessen wäre 
bei dem geringen Umfange des bis jetzt vorliegenden Materials der Schluss, dass derselbe 



*) „Morphologische Erläuterung eine» Mikrocephalengehirnes.“ Arch. f. Anthropologie, Bd. V. 

3 ) Streng genommen gilt die» nur für die linke Hemisphäre; an der rechten lag die Spitze der Insel auf 
eine ganz kurze Strecke frei. 

s ) Bei Peyer werden die Verhältnisse auf der linken Seite durch die Schrumpfung der Uehirnraasse ge- 
trübt. Die Ränder der S y 1 v i ’ sehen Grub« schliessen unten zusammen und treten dafür an ihrem obern 
Ende, die Insel frei lassend, auseinander. Es entsteht dadurch das Bild einer dreitheiligen Sylvi’schen 
Spalte, das ja uicht mit einer wirklichen derartigen Spalte verwechselt werden darf. 

4 ) lieber Fr. Sohn liegen keine positiven Angaben vor, doch glaube ich an der von Sander geliefer- 
ten Abbildung die Insel in einer freilich nur schmalen Strecke unltedeckt zu erkennen. 

a ) Theile’a Angabe, das» hier die Insel völlig fehle, ist offenbar unrichtig. Als »ie muss vielmehr da» 
in seinen Abbildungen mit x bezeichnet« Stück gedeutet werden. Fig. 3 und 4 seiner Tafel zeigen die« zur 
Genüge. Fortsetzung der Centralwindung, wio Th eile glaubt, kann dies Stück unmöglich seiu, da eine 
solche immer an den Stirnlappen , niemals aber wie hier (man sehe nur Fig. 4) an den Schlafenlappen »ich 
anscbliesst. — Eine frei liegende Insel war nach Vogt (a. a. O. S. 235) wohl auch hei dem Mikrocephalen 
von Gratiolot vorhanden, obwohl Bi sch off (II. Becker, S. 25) dem widerspricht. 

4 ) Nach Bisehoff (a. a. O. S. 14) soll hier noch ein kleiner vonlerer Seitenafit hinter dem Schlafenlappen 
verborgen sein. 



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Beiträge zur Kenntnis« der Mikrocephalie. 253 

immer und überall vorhanden »ein muss, »am minderten ein verfrühter, Angesichte der »o mannich- 
faltigen individuellen Besonderheiten , die wir schon in anderen Gebieten beim Gehirn getroffen 
haben. Ob die Insel glatt oder mit flachen Kerben versehen ist, dürfte kaum von grosser Be- 
deutung sein. 

In der Darstellung der Windungsverhültnisse des Grosshirnes halte ich an derjenigen Auf- 
fassung fest, welche ich bereits in meinem Lehrbuche der Anatomie l ) gegeben habe und wonach 
in concentrischen Linien vier Urwindungen von vorn nach hinten den Stammtheil umkreisen. Da» 
Gehirn der Mikrocephalen bleibt diesem Typus völlig getreu , ja es bringt denselben insofern noch 
klarer zum Vorschein, als die Hauptzüge einfacher angelegt und weniger durch secundüre Zer- 
klüftungen und Verschlingungen verdeckt sind. letztere sind übrigeiiB individuell ebenso veränder- 
lich wie im normalen Menschen. Die Zerlegung in einseine Bezirke oder Lappen knüpft »ich eben- 
falls an die Anwesenheit zweier Querfurchen, des Sulcus fronto-parietalis oder centralis vom und des 
S. occipito-parietalia hinten. 

Die Centralfurche ist bei keinem Mikrocephalen bisher vennisst worden *). Bei den meisten 
war ihr Verlauf ein ziemlich geradliniger, bei einigen jedoch nahm sie eine mehr oder weniger 
ausgesprochene Sternfonn an. Der Fall von Jena zeigt die letztere nur schwach ausgeprägt, bei 
der S. Wyss (Taf. I und II) dagegen gewinnt sie eine so bedeutende Entwickelung, das» es 
zweifelhaft bleibt, welcher Theil als Repräsentant der Ilauptftirchc auzusehen sei. Nach langem 
Schwanken habe ich mich durch die Lage de» S. fronto-parietalis int., der bekanntlich hinter dem 
obem Ende der Centralfurche die Aussenflüche der Hemisphäre erreicht, bestimmen lassen. Un- 
glücklicherweise ist aber, auch die Deutung des letzteren bei der Wyss eine zweifelhafte, indem 
die einzige bis zum Ileniispharenrande aufsteigende Furche der medianen Ilemisphärenflache gar 
nicht unmittelbar mit dem Stamme des S. ealloso-marginalis Zusammenhänge Nach der Zeichnung 
und Beschreibung von TI» eile gilt indessen da» Gleiche für den Mikrocephalen von Jena. Die 
Frage ist von Wichtigkeit für die relative Ausdehnung von Stirn- und Scheitellappen, aber nach dem 
Stande unserer jetzigen Kenntnisse einmal nicht mit absoluter Sicherheit zu lösen. Ich muss es 
mir daher auch gefallen lassen, wenn vielleicht von anderer Seite eine andere Deutung vorgezogen 
wird. Im Ganzen ist der Verlauf der Centralspalte bei mikrocephalen Gehirnen etwas steiler als 
bei normalen. Bei J. Peyer fallt sie linkerseits in das Schrumpfungsgebiet der Hemisphäre. Trotz- 
dem lässt sie sich der ganzen Länge nach deutlich verfolgen. 

Auffällige Ergebnisse liefert der Sulc. oceipiUvpnrictali». Derselbe i»t von gleicher Beständig- 
keit wie die CVrilral furche *). Dagegen zeigt sie sich einer so bedeutenden Verkürzung zugäng- 
lich, dass sie, abweichend von der normalen Regel, die Aussenfläche der Hemisphäre gar nicht 



*) A e b y , Per Bau des menschlichen Körper». Leipzig 1671. 

a ) Bei der Besprechung der Windungsverh&ltni«<«e des Gehirnes sehen wir ein- für allemal von der Un- 
bekannten aus der Insel und dem Falle von S c li ü I e ab, da sich dieselben in keinem wesentlichen Punkte 
von der normalen Bildung entfernen. 

3 ) Bis oho ff hat [H. Becker, 8. 28 (144)) Unrecht, wenn er Sander die völlig« Abwesenheit dieser 
Spalt« bei Ir. Sohn behaupten lässt. Sander sagt |a. a. 0. S. 4) nur, dass an der lateralen Mantelfläche 
eine IlinterhauptHMpaltc nicht zu bestimmen gewesen sei. daraus folgt aber keineswegs, dass diese überhaupt 
gefehlt habe. Leider hat Sander die Mediantiiiche nicht untersuchen können. Im übrigen glaube ich 
gleich Bischof i an der Abbildung diese Furche auch an der Aussenilache der Hemisphäre rechterseits zu 
erkennen. 



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254 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

mehr erreicht, sondern ganz auf deren Innenfläche beschränkt bleibt. Schon Peyer weist auf der 
linken Seite eine Andeutung dieses Verhältnisses, zur vollsten Geltung aber gelangt es auf beiden 
Seiten bei S. Wyss, indem hier das ganze äussere Drittheil der innern Hemisphärenfläche von 
unserer Spalte unberührt bleibt und somit ein Verhalten darstellt, wie es nur von einer frühzeitigen 
fötalen Entwickelungsstufe , aber weder, von einem ausgebildeten menschlichen noch afTlichen 
Gehirn geboten wird. Von den Beziehungen des Sulc. occipito-parietalis zum Sulc. occipit&lis 
transversa« soll bei der Schilderung des Hinterhauptlappens die Rede sein. 

In den Windungsverhältnissen der verschiedenen Lappen beschränken wir uns auf das Wich- 
tigste, da über Einzelheiten, die überhaupt wohl nur individuellen Werth besitzen, die Abbil- 
dungen schon hinreichend, ja besser als alle Beschreibungen, Aufschluss geben. 

Im Stirnlappen gelangen die sämmtlichen normalen Windungszüge, wenigstens nach meiner 
Ansicht, zur Geltung. Bischoff glaubt freilich die Anwesenheit der dritten oder untersten Stirn- 
windung mehrfach bestreiten zu sollen, indessen, wie mir scheint, mehr gewissen Theorien zu 
lieb, als durch die Macht der Thatsachen gezwungen. Wenigstens sehe ich nicht ein, weshalb 
man auf Grund der letzteren dem Gehirn von Mottey oder des Mikrocephalen von Jena diesen 
Besitz streitig machen soll. Ja ich stehe selbst, Angesichts der von Bischoff gelieferten Abbil- 
dungen, keinen Augenblick an, denselben auch für die II. Becker in Anspruch zu nehmen und 
zwar nicht in der kleinen im Grunde der Sylvi’schen Spalte verborgenen und von Bischoff 
als solche gedeuteten, sondern in der grossen oberflächlich gelagerten, unmittelbar aus der 
vordem Ccntralwindung hervorgehenden und die genannte Spalte von vorn her begrenzenden 
Schlinge. Allerdings verlange ich von einer derartigen dritten Stirnwindung nicht, dass sie im 
Bogen den vordem Ast der Sy lvPschen Spalte umgreife, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil 
ich diese Anordnung nur als eine secundäre ansehe. Sie tritt erst dann ein, wenn die Sylvi’sche 
Grube in gehöriger Weise zum Verschlüsse gebracht wird. Ist aber die Insel sehr klein, so fehlt 
der Raum für die Entfaltung einer mittlern Schlinge, die als Klappdeckel von oben her vordränge 
nnd die erwähnte bogenförmige Knickung genannter Windung veranlasst«. Vorder- und Hinter- 
rand der S y 1 v i ’ sehen Grube schliessen dann in einfacher, mehr oder weniger geradliniger Spalte 
zusammen. Bleibt aber hinwiederum die Insel frei und unbedeckt, so ist gleichfalls keine Ver- 
anlassung zur Einknickung ihres vordem Randwulstes vorhanden und es geht die vordere Central- 
Windung direct in die dritte Stirnwindung über. Indessen auch hierbei bildet sich bisweilen eine 
kleine Grenzknickung aus (S. Wyss). Man irrt, wenn man unter diesen Umständen wie Sander 
und Vogt eine Verlängerung der vordem Ccntralwindung über das normale Maass hinaus, ja sogar 
eine gesteigerte Ausbildung des Klappdeckels zu erkennen glaubt 1 ). Mit dem letzteren hat die 
ganze Sache nicht das Geringste zu thun. Eg handelt sich ebensowenig um ein Uebcrtnaass auf 
Seiten der Centnilwindung, als um einen Mangel auf Seiten der Stirn Windung, sondern einzig und 
allein darum, dass ein in normaler Weise angelegter Windungszug, statt in mäandrischer Linie zu 



*) Das Zusammcnd rücken der Ränder der offenen Sy lvi* sehen üruhe , durch welche Vogt (a. a. 0. 
S. 235) einen afflichen Typus glaubt erstellen zu können, ändert nichta an der Sac!.e; denn es wird 
dadurch nicht die tief hcrabreichende eigentliche Central Windung dem Schläfenlappen genähert, wio dies den 
Affen eigen ist, sondern deren nach der Stirn herahlaufende Fortsetzung, die in Wahrheit nicht mehr ihr 
angehört, sondern bereits die gar nicht oder nur schwach differeuzirte Stirnwinduug darstellt. 



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Beiträge zur Kenntniss der Mikrocephalie. 255 

verlaufen und durch Ueberschiebungen die Zusammengehörigkeit seiner Endtheile äusserlich zu 
verstecken, in Folge gehemmten Langen wachsthums in einfacheren, auch oberflächlich leicht zu 
verfolgenden Biegungen seinen Weg durchlauft 1 ). Die vordere Centralwindung würde bei 
H. Becker und Mottey rechterseits von der obern Stirnfurche durchschnitten. Einen deutlichen 
Sulcus praecentralis besitzen Wyss und Peyer. Der wahrscheinlichen Uebcrbrückung des Sulcus 
calloso-marginalis bei erste rer und bei Jena wurde schon früher Erwähnung gethan. Bei der 
Wyss war der Sulc. olfactorius auffällig schwach. Von einein Siebbeinschnabel war weder bei ihr 
noch bei Peyer auch nur das Geringste wahrzunehmen. 

Am Scheitellappen ist zunächst die Schlängelung hervorzuheben, welche der hintern Central- 
windung in manchen Fällen zukommt Bei dein Mikrocephalcn von Jena ist sie nur schwach aus- 
geprägt, sehr stark dagegen bei S. Wyss, und bei der Marg. N. steigert sie sich in dem Maasse, 
„dass sie nahezu aufgeht in der Bildung der Wurzeln für die Wülste des Parietallappen b u (Arch. f. 
Anthrop., Bd. V, S. 498). Sonst bietet der Lappen, abgesehen von allgemeiner Vereinfachung 
seiner Oberflächenzeichnung, nichts von der Norm charakteristisch abweichendes. Alle drei Win- 
dungen sind vorhanden, die beiden unteren am vordem Ende einheitlich verschmolzen. Bei 
Peyer ist der ganze Lappen linkerseits stark verkleinert und in bereits hervorgehobener Weise 
entartet Nichtsdestoweniger lässt sich die Richtung der Hauptwülste und Furchen verfolgen und 
der Nachweis liefern, dass von der krankhaften Entwickelung hauptsächlich die zweite und mehr 
noch die dritte Windung betroffen wird. 

Der Schläfenlappen bietet bisweilen eine an vollständige Sonderung seiner beiden mittleren 
Windungszüge (Fr. Sohn, 1J. Becker). Liegt die Insel frei, so grenzt er sich oftmals nur un- 
deutlich davon ah. Bei S. Wyss ist die erste Windung links an ihrer Wurzel quer durch- 
schnitten, beiderseits an ihrem untern wulstig aufgetriebenen Ende vom vordem Rande her nach 
einwärts hakenförmig eingeschnitten (Taf. I, Fig. 2, x). Der innersten Windung fehlt bei S. Wyss 
mit dein Ammonshorn und der Zahnleiste auch der eigentliche Ilaken ; ihr Ende ist einfach abge- 
rundet Im ganzen zeichnen sich hei den Mikrocephalcn die Schläfenwindungen durch steilen 
Verlauf aus. Bei Peyer leidet die erste links durch Schrumpfung so stark, dass sie im ganzen ver- 
schmälert nach unten hin spitz ausläuft. 

Am Uinterhauptslappen sind, soweit wenigstens eingehendere Nachrichten vorliegen, sämmtliuhe 
typischen Gliederungen, zum Theil freilich höchst eigentümlich abgeändert, deutlich zu erkennen. 
Vor allem macht sich der Zwickel (Cuneus) bemerklich und zwar, mit einziger Ausnahme der 
H. Becker, in der beim Menschen üblichen Weise, wonach seine untere Grenzfurche, die fissura 
calcarina, mit dem Sulcus occipito-parietalis spitzwinkelig Zusammentritt und nicht, wie dies bei 
den Affen Regel ist, durch eine schmale Brücke (Gyrus cunei, Ecker) davon geschieden wird. Um 
so auffälliger sind die Veränderungen, welche sein Ursprung aus der ersten Scheitel windung im 
unmittelbaren Anschluss an die bereits beschriebene Verkürzung des Sulcus occipito-parietalis 
eingeht. Wo nämlich dieser letztere nicht bis zur obern Hemisphärenfläche aufsteigt, da fehlt der 
Hinterhauptswindung die laterale Ausbiegung; sie geht dann geradlinig dem Rande der 



*) Die freie Vereinigung der beiden Central Windungen am untern Ende eines Klappdeckels ist eine schein- 
bare. Es handelt sich immer nur um eine Knickung, jenseits welcher ein unmittelbarer Uebergang in die 
untere Stirnwindung stattfindet. 



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256 Prof. Dr. Chr. Aeby, 

Hemisphäre entlang über die HinterhaupUspalte hinweg nach rückwärts (Peyer links, S. Wyss 
beiderseits), ein Verhalten, das dem erwachsenen Affengehirne nicht weniger fremd ist als dem 
Menschengebirne und das sich nur einer fötalen Entwickelungsform des letztern, und mithin wohl 
auch des entern , an die Seite stellen lässt. Hinten biegt an der Spitze des Gehirns der Zwickel 
um das einfache oder gablich getheilte Ende der fissum calcarina herum direct in das zungen- 
fbrmige Läppchen Über. Eine quere Hinterhauptsfurche kommt an den meisten mikrocepbalen 
Gehirnen zum Vorschein, freilich in sehr wechselnder Weise. Vor nllem unterliegt ihre Länge 
beträchtlichen Schwankungen, indem sie ganz auf die Ausscnfläche des Zwickels sich beschränkt 
und dessen Innenfläche unbehelligt lässt (Jena [?], Mottey, Fr. Sohn [V]) oder aber auf die letz- 
tere hinübergreift und ihr so das Aussehen einer vom Hemisphflrenrande herabhängenden Schleife 
ertheilt (Taf. II, Fig. 5 und Taf. IV, Fig. 4 und 5*. [Der Stern steht iti Fig. 4 zu hoch]). Im letz- 
tem Falle dringt sie bald nur wenig (Peyer, rechts), bald aber bis zur Spitze des Zwickelkeiles 
(Peyer links, S. Wyss auf beiden Seiten) vor. Seitlich überschreitet sie gewöhnlich die zweite 
Hinterhauptswindung nicht; nur bei Peyer reicht sie auf der linken Seite über diese hinaus, in 
ununterbrochenem Anschlüsse an eine die zweite Schläfenwindung von oben her durchsetzende 
Lungsspalte. Hei Wyss theilt sie den Zwickel symmetrisch in eine vordere und hintere Hälfte; bei 
Peyer kommt gleich wie beim normalen Menschen dessen Hauptmasse hinter sie zu liegen. Hei 
ersterer ist sic ausserdem von so geringer Tiefe, «lass sie eigentlich nur eine quere Einkerbung 
zweier oberflächlicher seitwärts convexer Windungen darstellt, welche auR der obern Scheitel- 
Windung hervorgeheu und rückwärts ziehend ihr medianes Ende seitlich umgreifen. Sonst wird 
sie meistens nicht allein tiefer (Peyer, links), sondern auch dadurch, eigentümlich, dass sie, was 
bei der Wyss noch nicht geschieht, mit dem Sulcus occipito-parietalis in unmittelbare Verbindung 
tritt, indem die zwischen beiden eingeschobene Windung theilweise cinsinkt. Es trifft «lies Schick- 
sal deren hinteres Ende bei Peyer, deren vorderes bei H. Hecker. Dort schlingt sich die obere 
Hinterhaupts Windung auf «1er rechten Seite im gewöhnlichen S-formigen Verlaufe, nur quer am 
Ursprünge abgeschnürt, zwischen Sulc. occipito-parietalis und Sulcus occipitalis transversus hin- 
durch nach rückwärts, ohne jedoch die Hauptmasse des Ilinterhauptlappens unmittelbar zu er- 
reichen. Sie endet vielmehr anscheinend frei zwischen der Mitte dos Suleus transversus und einer 
von diesem quer nach innen zum obern En«le des Sulc. oceipito-pariet. verlaufenden Furche, «1er 
Versenkungsspalte ihrer hintern Hälfte. Bei II. Becker versinkt «las vordere Ende, daher läuft 
auch der Sulc. oceipito-pariet. nach aussen geradlinig in «len Sulc. transversus fort Der Zeichnung 
nach zu urtheilen, muss Mottey sich ähnlich wie Peyer verhalten haben, obgleich Mierjeiersky 
die Verhältnisse in anderer, wie mir jedoch scheint, nicht ganz zutreffender Weise auffasst. Es 
unterliegt für mich keinem Zweifel, dass wir in den soeben geschilderten Verhältnissen eine Hin- 
neigung an diejenigen Zustände zu erblicken haben, wie sie in so charakteristischer Weise bei den 
meisten Affen auftreten. Sie liefern uns Andeutungen einer sogenannten Affenspalte und de« dazu 
gehörigen Klappdeckels. Eine grössere Ueberidnstimmung als «liejenige zwischen der rechten 
Hemisphäre von Peyer und der linken vom Orang nach der von Gratiolet 1 ) gegebenen Abbil- 
dung lässt sich gar nicht denken, wenn wir davon absehen, dass bei letzterem der Anschluss der 
•queren Ilintcrhauptsfurche an «len Sulc. occipito-parietali« auf der Medianfläche des Gehirns erst 



l ) Gratiolet Memoire aur les plia cerebraux. Atlas. Taf. III, Fig. 1. Paris. 



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Beiträge zur Kenntnis« der Mikrocephalie. 257 

tief unten stattfindet. II. Becker ähnelt, kleinere Formverschiedenheiten abgerechnet, im frag- 
lichen Punkte etwa einem Cynocephalus oder Hylob&tes und ich kann Bischoff (a. a. O. S. 55) 
darin schlechterdings nicht beistimmen, dass hier eine sogenannte fissura perpendicularis ext- gefehlt 
habe. Ich halte vielmehr die von Ecker (Hirnwindungen, S. 35) aufgestellten Gesichtspunkte hin- 
sichtlich des Sulcus occip. transv. des Menschen und seiner Beziehung zur sogenannten Aficnspalte 
für unbedingt richtig. — Ein Zusammenhang der queren Hinterhauptsfurche mit der obum 
Scheitelfurche ist wie beim normalen Menschen so auch beim Mikrocephalen bald vorhanden, 
bald nicht. 

Ueber den Best der Hinterhaupts wind ungen geben die Abbildungen hinreichende Auskunft 
und dies um so mehr, als eine typische Verschiedenheit vom normalen Menschen sich nicht n&ch- 
weisen lässt. Die mittlere Aussen wind ung steht regelmässig mit der zweiten Scheitel windung im 
Zusammenhänge. Bei S. Wyss schrumpft sie rechts durch Convergenz ihrer obeni und untern 
Grenzfurche zu einer dreiseitigen Insel zusammen. Einen schwach entwickelten Sulcus oceipito- 
temporalis habe ich bei Peyer an getroffen. 

Ueber die relative Grösse der verschiedenen Gehirnlappen stehen mir keine eigenen Erfah- 
rungen zu Gebote. Auch bin ich zweifelhaft, ob die üblichen Methoden, sei es durch Messung 
der freien Oberfläche, sei es durch Wägung der ganzen Masse, das gesuchte Verhältnis zum 
wahren Ausdrucke zu bringen vermögen. Ihre Ergebnisse zeigen bei den verschiedenen Mikro- 
ccph&len nur wenig Ucbereinstimmnng, indem bald dieser, bald jener Lappen als der am 
meisten geschädigte hingestellt wird. Bei der ausserordentlichen Ungleichheit, welche wir schon 
auf anderen Gebieten des Gehirnorganes kennen gelernt haben, darf es übrigens vielleicht von 
vornherein als wahrscheinlich, wenn nicht geradezu als sicher angenommen werden, dass die Mikro- 
cephalen auch in der Lappenbildung keineswegs einem einheitlichen Typus sich unterordnen, son- 
dern vielfach individuelle Gestaltungen eingehen. 

Die Stellung des foramen Monroi zur ganzen Hemisphäre ist im normalen Gehirne eine ziem- 
lich wechselnde, indem ich dasselbe um 31 bis 46 Proc. der ganzen Hcinisphärenlänge von deren 
Stirnende habe abstehen sehen. Die von mir untersuchtet! Mikrocephalen und Affen bewegen sich 
innerhalb derselben Grenzen, nur dass bei jenen durchschnittlich die niedrigeren, bei diesen die 
höheren Werthe vorwalten. Ein Schluss ist daraus kaum zu ziehen. Soviel wird aber immerhin 
klar, dass in diesem Punkte keine Annäherung der Mikrocephalen an den frühem Fötalzustand 
stattffndct, wo wegen der geringem Ausbildung der hintern Gehirn m aasen das for. Monroi weiter 
zurück, ja Belbst in die Mitte des Organs zn liegen kommt. 

Fassen wir zum Schlüsse Alles, was wir über den Bau der mikrocephalen Gehirne in Erfahrung 
gebracht haben, zusammen, so kann nicht geleugnet werden, dass in gewissen Beziehungen eine 
Annäherung an den afflichen Typus sich kund giebt. Dieselbe betrifft nicht allein die allgemeinen 
Umrisse, sondern auch die Art und Weise, wie einzelne Windungen sich geberden. Doch diesen 
einzelnen Aehnlichkeiten stellen sieh sofort eben so viele Unähnlichkeiten gegenüber, ja eine 
genauere Prüfung ergiebt, dass gerade in den wichtigsten Punkten zwischen Mikrocephalen- und 
Aßengehirn die allergrössten Verschiedenheiten obwalten. Wo wäre ein Affe, dessen Insel frei 
liegt, dessen Balken am hintern Ende sich verkürzt und versclimächtigt, dessen Stile, oocipito- 
parietalis nicht auf die Aussenfläche der Hemisphäre hinübergreifl ? Es giebt keinen und für die 
«äramtlichen Angehörigen des afflichen Typus, soweit sie überhaupt hier in Betracht kommen, sind 

Archiv für Anthropologie. M. VII. Heft l. 



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258 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 



die betreffenden Vorkommnisse nicht weniger fötale Dorcbgsngsformen als für den Menschen. 
Von einer einfachen Zusammenstellung des Mikrocephalen- und de* jetzigen Affengehirns kann 
also ein für alle Mal nicht die Rede sein. Uni für jenes die atavistische Bedeutung zu retten, 
musste man auf eine uns völlig unbekannte Urform zurückgehen, von der aus die Diflerenzirung 
in Affen- und Menschengehirn stattgefunden. Eine solche dürfte aber wohl kaum so speciell an 
die menschliche Form sich angeschlossen haben, als es in Wirklichkeit bei den meisten Mikro- 
cephalen der Fall ist. Ausserdem bietet die grosse Verschiedenheit der Mikroccphalengehirne 
unter sich noch eine ganz besondere Schwierigkeit. Jede wahrhaft atavistische Formenreihe 
schreitet in einer ganz bestimmten Richtung fort und hält, um mich bildlich auszudrückeu, gleich- 
sam ein bewusstes Ziel im Auge. Bei den Mikrocephalengehirnen ist davon keine Rede, ln ihren 
Linien herrscht ein unsicheres Tasten, das bald diese, bald jene Form herausgreift, ohne dass ein 
bestimmtes und klares Streben dabei ersichtlich würde. Ein gemeinsames, doch ziemlich lockeres 
Band ergiebt sich für sie nur darin, dass sic siimmtlich als durch Behinderung im normalen 
Wachsthum und durch Ablenkung von der normalen, regelrechten Entwickelungsbahn entstanden 
sich nachweisen lassen. 

Ich will hier nicht auf die theoretische Frage eintrete n, ob der Begriff des Atavismus mit der 
ganz einseitigen, den Bestand des ganzem Organismus in hohem Grade gefährdenden Verkümme- 
rung eines durch Vererbung und Anpassung so hoch differenzirten Organs, wie Gehirn und 
Schadelkapscl, überhaupt verträglich sei. Unzweifelhaft atavistische Bildungen lassen sich ja beim 
Menschen in Hülle und Fülle nachweisen und keinem unbefangenen Morphologeu wird es einfallen, 
in ihnen etwas anderes als Hinweise auf einen gemeinsamen Typus, als Mahnungen eines allgemeinen 
morphologischen Entwickelungsgesetzes zu erblicken. Die völlig nutzlosen rudimentären Organe, 
welche anderwfirts zur vollen Leistungsfähigkeit sich ausbilden,die zahlreichen Varietäten an Knochen, 
Muskeln, Gelassen u. s. w., welche das Gepräge gewisser thierischer Organismen auf den Boden 
des menschlichen Körpers verpflanzen, sie bleiben ohne die Annahme einer gemeinsamen Urform, 
aus welcher durch Differenzirung Sonderformen mit zunehmender Schärfe und Präzisirung hervor- 
gegangen, völlig unverständlich. Aber ich glaube, dass wir hier überall sorgfältig zwischen zwei 
Arten von Atavismus, die ich als den speciellen und allgemeinen bezeichnen möchte, zu unter- 
scheiden haben. Jener erscheint in der engern phylogenetischen Entwickelungsreihe einer bestimm- 
ten Art und bringt in späteren Generationen gewisse Organe genau wieder in derjenigen 
Form zur Geltung, in welcher *ie deren Vorgängern eigen waren. Das geschieht, wenn 
für gewöhnlich rudimentäre Organe ausnahmsweise sich wieder höher entwickeln, wenn beispiels- 
weise an den Küssen unserer jetzigen Pferde die Seitenzehen des Hipparion von neuem erscheinen. 
Anders der allgemeine Atavismus. Derselbe bekundet sich nicht an zusammengehörigen Gliedern 
ein- und derselben Reihe, an Vorfahren und Nachkommen, sondern an Gliedern verschiedener 
Reihen, die durch Divergenz aus einer gemeinsamen Wurzel hervorgewachsen. Die Divergenz ist 
die Frucht der SonderWdingungen , unter welche die Urform in ihren verschiedenen Vertretern 
gesetzt worden. Wären diese Sonderbedingungen absolut starr und nach allen Richtungen scharf 
abgegränzt, so müssten auch ihre Producte in gleicher Weise einander gegenübertreten. Sie sind 
dies jedoch nicht, vielmehr ändern sie in einer gewissen Breite ab. Je näher daher die divergen- 
ten Reihen neben einander hinziehen, um so leichter wird es geschehen können, dass durch dieses 
Schwanken der gestaltenden Bedingungen einem Individuum oder einem Organe statt des 



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25 !> 



Beiträge zur Kenntnis« der MLkrocephalie. 

Charaktere der eigenen Reihe derjenige der Nachbarreihe aufgcdrQckt wird. Dahin rechne ich 
die zahllosen Varietäten, wie sie im menschlichen Körper als ASiklänge au thierischc Typen ge- 
funden werden, und deren Erklärung man gewöhnlich durch die Annahme eines gemeinsamen 
Grundtypus zu geben pflegt. Der Atavismus bezieht sich hier nicht auf einen einzelnen Vorfahren, 
sondern auf die gemeinsame Urform, welcher durch specielle Anpassung und Vererbung die 
verschiedenen Sonderformen entsprosst sind. Er ist mithin das sicherste und untrüglichste Kenn- 
zeichen der Blutsverwandtschaft verschiedener Können. Ob wir nun aber den speciellen oder den 
allgemeinen Atavismus ins Auge fassen, die Thatsachen, die wir im Gehirne und im Schädel der 
Mikrocepbalen angctroflen haben, lassen sich mit keinem derselben in Einklang bringen. Die 
Mikrocephalic erzeugt der phylogenetischen Entwickelungsreihe des Menschen völlig fremde For- 
men. Wie wir es schon einmal ausgesprochen haben, es vollzieht sich in ihr nicht das Gesetz der 
normalen morphologischen Entwickelung, dieses Gesetz wird vielmehr durch sie gestört. Sie ist 
mit einem Worte ein pathologischer Zustand. 

Es war nun folgerichtig, wenn Vogt, dem die Mikrocephalen als Ausflüsse des Atavismus 
gelten, ausschliesslich lebensfähige Individuen in Betracht zog. Für uns ist die Sachlage eine ganz 
andere. Ist die Mikrocephalic ein pathologischer Zustand, so kann sie nur im Zusammenhänge 
mit der ganzen grossen Reihe von Schädel- und Gehirnmissbildungen richtig aufgefasst werden, 
da es für die Form an sich ja völlig gleich ist, ob sich Lebensfähigkeit des Individuums mit ihr 
verbindet oder nicht. Jeder pathologische Vorgang steigert sich schliesslich zu einem Grade, der 
das Leben zur Unmöglichkeit macht. Sehen wir uns nun auf dem Gebiete der Missbildungen um, 
so stosseti wir allerdings auf Formen, welche unmittelbar an diejenigen der lebensfähigen Mikro- 
cephalen anknüpfen, doch der Lebensfähigkeit völlig entbehren und eine Brücke zur völligen 
Gehirnlosigkeit, zur Anencephalie, hinüberechlagen. 

Ich hatte Gelegenheit, zwei hierher gehörige Fälle zu beobachten. Der eine betrifft eine in 
der hiesigen pathologisch - anatomischen Sammlung aufbewahrte menschliche Frucht mit sehr 
ausgeprägter Encepk&locele posterior. Die ganze rechte Grosshirnhemisphäre ist durch eine Oeft- 
nung in der Mittellinie der Hinterhanptsschuppe nach aussen hervorgetreten, ihre Stelle von der 
linken Hemisphäre in Besitz genommen. Diese füllt die Schädelhöhle völlig aus, indem sie die Hirn- 
sichel in die Ebene des Einganges der rechten mittlern Schädelgrube zurüekgedringt hat. Die Form 
des Schädels seihst ist diejenige der ausgesprochensten und reinsten Mikrocephalie mit all den von 
uns geschilderten charakteristischen Merkmalen, der Convcrgenz der Kronen- und Lambdanaht 
nach aufwärts, der Verkleinerung des Stirn- und relativen Vcrgrösserung des Hinterhaupt- 
wirbels. Noch merkwürdiger ist ein Präparat der Berner Thierarzneischule , der Schädel eines 
mit Cyclopie behafteten neugeborenen Kalbes. Der Hirnschädel zeigt auch hier auf das Genaueste 
diejenige Bildung, welche den lebensfähigen Mikrocephalen eigen ist Der Stirnwirbel ist von 
äusserster Kleinheit, der Hinterhauptswirbel in allen Theilen verhältnissmässig stark ausgeweitet. 
Ich bin überzeugt, dass, wenn man erst auf derartige Bildungen wird haben achten lernen, deren 
Zahl sich rasch vorgrössern und zu einer langen Formen reihe gestalten wird, deren oberste 
Glieder als Mikrocephalen im gewöhnlichen Sinne des Wortes auf längere oder kürzere Zeit der 
Gesellschaft der Lebenden anzugehören, deren unterste Glieder unter verschiedenen Namen von 
der Geburt an einen interessanten Bestandteil unserer anatomischen Sammlungen zu bilden be- 
stimmt sind. Von besonderer Wichtigkeit ist jedenfalls die Thatsache, das» auch der Thierschädel 

83 * 



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260 



Prof. Dr. Chr. Aeby, 

in einer derjenigen des Menschenschädels völlig entsprechenden Weise mit Mikrocephalie kann 
behaftet werden. Unser Exemplar ist allerdings nicht lebensfähig, auch hatte es ausserdem im 
Gesichte tief greifende Entstellungen erfahren. Aber die Hoffnung ist jedenfalls eine durchaus 
berechtigte, wie jetzt lebensfähige menschliche, so mit der Zeit eben solche thierische Mikro* 
cephalen zur Beobachtung kommen zu sehen. Sicher verdient der Gegenstand die vollste Beach- 
tung von Seiten aller derer, die in der Lage sind, namentlich die Kreise unserer Hausthiere zu 
überwachen. 

Endlich noch ein Wort über die Ursachen der Mikrocephalie und die Zeit ihres Auftretens. 
Es wird kurz genug ausfallen. Die früher gegen die Nahte wegen vorzeitiger Verknöcherung 
gerichtete Anklage ist heutzutage wohl allgemein als eine grundlose anerkannt, da nicht nur hoch- 
gradige mikrocephale Schädel im ungestörten Besitze sämmtlicher Nähte sieh befinden, sondern 
auch nach den jetzigen Vorstellungen das Verschwinden einer Naht ebenso wohl Folge, wie Ursache 
des verminderten Knochenwachsthums sein kann. Man geht vielleicht zu weit, wenn man ihrem 
frühzeitigen Verschlüsse jeglichen Einfluss auf die sieh entwickelnde Schädelform ahspricht, aber 
jedenfalls ist sie bei der Entstehung der Mikrocephalie nicht das ursächliche Moment. Damit ist 
nun freilich der Schwerpunkt der ganzen Frage dem Gebiete des Schädels überhaupt entrückt, da 
dieser in anderer Weise als durch mechanische Beengung seines Inhaltes gar nicht wirken kann. 
Ich bin nun in der That geneigt, für die Entstehung der Mikrocephalie gerade diesen letzteren, 
nämlich das Gehirn, verantwortlich zu machen. Ich glaube, dass der ganze Prozess in diesem 
seinen Heerd hat und erst von ihm aus auf die Schädelkapsel übergreift» Die beiden soeben ge- 
schilderten Fälle sind für mich Belege, dass jede Verminderung des Schädelinhaltes, worin sie auch 
immer begründet sein mag und gleichgültig, ob sie reell durch mechanische Entfernung bereits 
vorhandener Massen (Encephaloeele) oder virtuell durch Behinderung ihrer vollen Entwickelung 
(Cyclopie) sich vollziehe, sofern sie nur ein hinreichend junges, in frischem Wachsthume begriffenes 
Individuum trifft, die specifische Mikrocephalie zur Folge hat. Lebensfähige Organismen werden 
wohl kaum je anders, als auf dem zweiten Wege, nämlich durch Behinderung des Wachsthums, zu 
gewinnen sein. Welcherlei Vorgänge dabei eine Holle spielen, dafür fehlen zur Stunde noch die 
thatsächliehen Nachweise. Wahrscheinlich sind sic verschiedener Natur. Klebs 1 ) freilich glaubt 
die ganze Formenreihe auf Druckatrophie zurückfuhren und ihre Ursache in eine, oft vorüber- 
gehende, wahrscheinlich spasmodische Uterinerkrankung verlegen zu können. Ob diese Erklärung 
für alle Fälle ausreicht und ob namentlich die wiederholt bei Mikrocephalen beobachteten, offenbar 
hydropische» Erweiterungen der Seitenventrikel sieh damit in Einklang bringen lassen, darüber 
erlaube ich mir vorläufig kein Unheil und bleibe der in Aussicht gestellten speciellen Nachweise 
gewärtig. 

Ueber das erste zeitliche Auftreten des mikrocephalen Prozesses lässt sich mit Bestimmtheit 
nur das Eine sagen, dass dasselbe jedenfalls in die intrauterine Periode fallen muss. Auch dürfte 
die Annahme kaum auf Widerspruch stossen, dass sein Erfolg Im Ganzen um so grösser sei, je 
früher und mit je grösserer Intensität die ihn einleitende Störung aufgetreten. Bei lebensunfähigen 
Individuen, wie beispielsweise Cyclopcn, handelt es sich wohl um Eingriffe in die früheste embryo- 



’) Verhandl. der phyHik. -raedic. Gesellschaft in Würzburg. Sitzung vom 7. Juni 1673. (Neue Würzburger 
Zeitung, Nr. 172.) 



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261 



Beiträge zur Kenntnis» der Mikrocephalie. 

nalc Anlage. Aber auch bei lebensfähigen beweint der Zustand der Insel, dass der Keim der Ent- 
artung bereit» in den ersten Monaten fötaler Entwickelung muss gelegt worden sein. Allgemein 
gültige Berechnungen lassen sieh nicht anstellen. Das zeitliche Auftreten der mikrocejdialen Ent- 
artung ist wie deren schliessliches Product in jedem einzelnen Falle ein individuelles, durch kein 
einheitlich?» Gesetz bedingtes. Aus der endlichen Gestaltung von Schädel und Gehirn können 
wir auch weniger einen Rückschluss ziehen auf die Zeit, in welcher, als vielmehr auf diejenige, 
vor welcher die Missbildung begonnen hat. 



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Erklärung der Abbildungen auf Taf. I bis IV. 



Tai'. I und II, Gehirn der S. Wy st in natürlicher Urßtw; Taf. 111 und IV, Gehirn von Jot. Peyer 
etwa* verkleinert im Umrisse de» Schädelausgusses. — Säramtliche Figuren sind aus grösserer Entfernung 
photographisch aufgenommen, direct auf den Stein durehgepaust und nach dem Präparate im Einzel« 
nen ausgeführt. Auf eine Iteataurirung des arg entstellten Gehirnes von Jos. Peyer habe ich im Intereaae 
der Objektivität verzichtet und die wahre Form durch den punktirten Umriss dos Schädelausgustes anzudeuten 
gesucht. Alle Windungen sind mit grossen, alle Furchen mit. kleinen Buchstaben ausgestattet. Die Bezeich- 
nungen sind (mit Ausnahme de» Sulcus temporal» mediua u. inferior) die in meinem Lehrbuchc der Anatomie 
angenommenen. Der leichtern Orientirung wegen lüge ich, sofern sie von den ineinigen abweichen, jewcilen 
noch die von Ecker in seinen „Hirnwindungen“ gewählten bei. Mit Hülfe der letztem ist es leicht, die Be- 
ziehungen zu der von den verschiedenen Forschern gebildeten Nomenklatur herzu stellen. 

I. Windungen. J. Intel. — C 1 , C a , Gyrus centralis aut., i>ost, — F 1 , F*, F 8 , G. frontalit aup., med., 
inf. — P 1 , G. e. Lobulus parietal» sup. (praecuneus); I n . G. parict. med. s. Lobulu» angularis; I* 8 , 
G. pariet. inf. t. Lobulus 8upramarginalis. — T 1 , T*, T*, G. temporal» sup., med., inf. — O 1 , O 2 , 0 *, 
G. occipital» sup. t. priraus (Cuneus), med. s. secundus, inf. s. tertiu»; CB, G. occipito - temporal» 
lateralis s. Lobulus fusiformis; O* G. occipito-temporalis raedialis S. Lobulus lingual». — F o, G. for- 
nicatus; U t G. uncinatus s. Hippocarupi. 

II. Furchen. /. 5, fissura Sylvii mit vorderem Aste / S 1 . — c, Sulcus centralis. — o p, 8. occipito- 

parietal» ». tissura parieto-occipitalis. — o (, S. occipito-temporalis. — cm, S. calloso-marginalia s. 
fornicatus. — f p, S. fronto-parietalis. — /*, / a , S. frontal» sup., inf.; /*, S. orbital»; — / 4 , S.olfac- 
torius. — p\ S. parietalis sup. s. inter-parietali»; p a , S. parietalis inf. — <*, **, **, 8. temporal» sup., 
med., inf. — o 1 , S. occipital» sup. externes; o a , S. ocoip. inf. ext t. longitudinal» inf.; o 8 , S. occi- 
pitalis inferior, int s. temporal» inf. ; © 4 , S. occipito-temporalis inf. ; 8. oocipitalis sup. int. s, 

fissura calcariua; o®, S. oceipitalis transversuB (steht auf Taf. I, Fig. 1 rechts an der unrichtigen 
Stelle; gehört weiter nach hinten in gleiche Linie mit o 8 auf der linken Seite). 

Nachträglich hebe ich noch hervor, dass die im Texte gegebenen Schädclanaichten der S. Wyss, des 
Jot. Peyer und der Unbekannten aus der Intel nach photographischen Aufnahmen etitworfeu sind. — Die 
Umrissfigureu der Mikrocephalen, sowie auch det Erwachsenen und des neunmonatlichen Fötut dagegen sind 
vermittelst meines Coordinateuapparates Punkt für Punkt uu den Schädeln aufgenommen worden und des- 
halb mathematisch genau construirt. 



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IX. 



Die Erzeugung der Steinwaffen. 

Von 

Paul Schumacher 

in Sjui Frnnoinro. 



lieber die Erzeugung der Pfeil- und Speerspitzen , Messer, Bohrer und Ähnlicher Gegenstände 
aus Feuerstein, Obsidian u. s. w., wie wir solche auf den vorhistorischen Kuchenabfallen, den 
Kjökkenmöddinger Dänemarks und den Muschelablageruiigen an »1er pacifisehen Küste, bis auf die 
jüngst vergangene Zeit herab, uuftinden, herrschen verschiedene Ansichten. Der eine spaltet den 
Obsidian vermittelst Anpressen eines spitzen Stockes, auf welche Weise die Obsidianmesser in 
Südamerika erzeugt werden sollen; ein anderer hämmert die Pfeilspitzen mit elastischen Schlügen 
(rebounding blows) u. *. w. Auf die letztere, die anscheinlicb richtige Weise, verfiel auch ein 
bekannter deutscher Gelehrter, welcher der praktischen Ausführung dieser Theorie wochenlang 
nachging, in welcher Zeit es ihm mit mancher mechanischen Geschicklichkeit gelang, grobe Stein- 
spitzen anzufertigen. 

Nachdem ich im vergangenen Jahre Gelegenheit hatte, verschiedenartige Steinwasen und 
Gerät hschaften zu sammeln, «larunter Pfeilspitzen von besonders gebrechlicher Form und feinem 
Bruche, regte sich auch in mir ein lebhaftes Verlangen, die Erzeugung zu ergründen , welche 
ich einer andern Lösung fähig hielt. Um jene Zeit brachten mich meine Streifzüge nach dem 
Klnmath-Flussc, am nördlichen Ende Ualifornions, wo ich mich einige Zeit unter den friedlichen 
noch in aller Freiheit lebenden Klamath-Indianern aufhielt. Unter ihnen fand ich Gelegenheit, die 
Verwendung mancherlei Gerätschaften, welche ich im Oregon, auf «len verfallenen Ansiedelungen 
ausgestorbener Stämme, sammelte, zu erratheu. Die Klamath-Indianer benutzen auch noch die 
Steinpfeile und ich nahm die Gelegenheit wahr, um mich in der Anfertigung derselben, von «lein 
Pfeilmacher, dein Waffenschmiede des Stammes, unterrichten zu lassen, was ich nachfolgend be- 
schreiben und bildlich veranschaulichen will — wie ich es bereits mit kurzen Worten in meinem 
Berichte an das Smithsonia» Institute gethan habe '). 



*) Sielte Report der Smith tothan Institutom IST! — befindet »ich zur Zeit (August 1874) noch, in d<»r Presse. 



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264 



Paul Schumacher, 



Zur Anfertigung der Pfeil- und Speerspitzen, Messer, Bohrer, Schabsteine etc. werden Horn- 
blende, Chalcedon, Jaspis, Achat, Obsidian, für die letzteren drei Gegenstände aber besonders 
Feuerstein gebraucht; überhaupt finden wir das Gestein verwendet, welches, mehr oder weniger, 
conchoidal oder imiHchelig in scharte Kanten bricht, wie es bei der Gattung Quartz, unter 
welche sich die genannten Arten reihen, und dem vulkanischen Glase, Obsidian, der Fall ist. 

Ein derartiger zu bearbeitender Stein wird dem Feuer für längere Zeit ausgesetzt um voll- 
ständig durchglüht zu werden, nachher rasch ausgekühlt und durch Schläge, auf die Seite der 
Spaltung, in blattartige Scheiben gebrochen. Die in Form und Dicke unregelmässigen Scheiben 
werden hierauf sortirt, indem für die Pfeilköpfe die kleinsten und der anzunehmenden Form am 
nächsten kommenden Stücke gewählt werden; grössere dagegen für die Speerspitzen; dünne, lange 
Splitter für Bohrer; handfbnnige Scheiben für Spaten u. s. w. 

Fig. 12. Fig. 14. 




In Fig. 1*2 sehen wir das Werkzeug, mit welchem die Scheiben in die verlangte Form ge- 
brochen werden. An einem P/i Fun langen Stiele« — der in Dicke und Form einem Pfeil- 
schaftc ähnlich ist — befindet sich eine Beinspitze h, welche in 13 in natürlicher Grösse dargestellt 
ist, die aus dem Zahne eines Seelöwen, seltener aus Hirschhorn, bei den gegen wärtigen Klamath 
auch schon au» Eisen besteht Die Spitze ist geschweift und gesattelt, wie es in Fig. 13 hervor- 
gehoben wurde, um den Stoss des Instrumentes auf die Kante des Steines zu dämpfen und 
andererseits durch den gehobenen Rand, oder Sattel, auf einen massig geringen Kaum zu be- 
schränken. 

Während die Erzeugung vor sich gebt ruht die Scheibe in der linken Hand in einem Lappen 
aus Hirschleder, um besser gehandhabt werden zu können und zwar so, dass die Breitseite au der 
Daumen wurzel anliegt und die obere Kante der Scheibe aus dem Leder hervor« teht (Fig. 14). Mit 
der Rechten wird das Brechwerkzeug geführt, dessen Stiel unter den Arm reicht und an den 
Körper angodrüekt wird, damit es mit Sicherheit geleitet werden kann. 



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265 



* Die Erzeugung der Steinwaffea. 

Die hauptsächlichen Stossbewegungen lassen sieb mit abc (Fig. 15) veranschaulichen. Mit der 
Stellung und Stoasbcwegung der Brechspitze, wie in a dargestellt, werden die groben Splitter ab- 
gebrochen, um den zu verfertigenden Gegenständen die rohe Form zu geben ; mit b werden eben falb* 
grössere, namentlich lange Splitter entfernt, deren Bruchnarben sieb bis nach der erhöhten Mittel- 
linie der Pfeilspitze hinziehen, wodurch die dünne niedliche Form erlangt wird; die Schneide und 
Spitze dagegen werden mit kurcem Bruche, welcher durch die Bewegung c erlangt wird, geformt 
und geschärft. 

Fig 15. Kip, 1U. 




Mit der Spitze oder dem zerbrechlichsten Theile einer Lanze, eines Bohrers etc. wird begonnen 
und dem stärkeren Ende zu gearbeitet, wie die Fig. 17 erklärt, WO die zu erlangende Form des 
Bohren» in gebrochenen Linien angedeutet ist. 




Um die Widerbakeu auszuarbeiten, wie z. B. bei dem Pfeilkopfe (Fig. 16), welcher auch noch 
einen Ansatz hat, wird eine Beinnadel verwendet, welche unter Fig. 18 in natürlicher Grösse darge- 
atcllt ist und mit den Stoasbcwegungen b und namentlich c — ohne einen Schalt — verwemlet wird. 
Ein kurzer Versuch wird es ermöglichen, auf diese Weise Pfeilköpfe zu erzeugen. 



Archir für Anthropologie. Bd. VII. Haft 2. 



34 



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X. 

Kleinere Mittheilungen. 



Der Onondaga-Rieae. 

(Am einem Briefe von Herrn C. Raa in New- York an Dr. ▼. Franfczius.) 1 ) 



„Ich habe in dem letzten mir zagekommenen 
Hefte des „Archive für Anthropologie* den Aufsatz 
des Herrn Dr. H. HartogkHeys vanZouteven: 
„Haben diu Phönicier oder die Cart hager Amerika 
gekannt?“ mit einein Gefühle gelesen, welches 
ich als ein Gemisch von Interesse, Erstaunen und 
Heiterkeit bezeichnen muss. Ihre in jeder Hin- 
sicht zu billigenden Schluasbemerkungen über- 
heben mich der Mühe, n&her auf den Gegenstand 
einzugeben, und ich beabsichtige nur, die Tbat- 
aache fcstzustelUm , dass der oben genannte Ge- 
lehrte in verzeihlicher Leichtgläubigkeit seine Theo- 
rie theilweise auf einen Schwindel erster Grösse, 
nämlich den berüchtigten Onondagarie»en , stützt. 
Diese ausGyps (d.h. der Steinart) verfertigte, mehr 
als 10 Fass lange und 2990 Pfund wiegende Statue 
wurde am 16. October 1869 auf der Farm von 
William C. Newell zu Cardiff in Onondaga County 
desStaates New- York im Boden gefunden. Beifol- 
gende Niunmpr von „llarper’s Weekly“ (vom 
4. December 1860) enthält eine getreue Abbil- 



Fig. lt*. 




Der Uuo»d.*ga-Rieüe. 



düng derselben. Wie Sie sieb denken können, er- 
regte dieser Fund ungeheueres Aufsehen, nament- 
lich unter den Ungebildeten, und gab zu den aus- 
schweifendsten Muthmaasenngen Veranlassung. Sie 
müssen nämlich wissen, dass der gewöhnliche Ame- 
rikaner, obwohl er iu den Angelegenheiten seines 



Berufes einen äusserst scharfen Verstand entwickelt, 
hei derartigen Veranlassungen eine an daa Fabel- 
hafte grenzende Harmlosigkeit an den Tag legt, 
und sich mit Wonne ganz absurde Geschichten 
aufbinden lasst. Entdeckt er später, dass man ihn 
behumbugt hat , so wird er nicht Ärgerlich , son- 
dern — lacht. Darin liogt ohne Zweifel eine ge- 
wisse Gemüthlichkeit. Viele Leute glaubten, die 
Figur sei ein versteinerter Riese, der sich vor 
Jahrtausenden leibhaftig in Onondaga County her- 
timgetrieben habe; die meisten jedoch hielten sie 
für eine Reliquie der alten Indianer, Kur* nach 
der Auffindung wurde der Steinriese nach New- 
York gebracht, wo ich ihn in Wood’s Museum 
(Ecke von Bruadway und dreissigster Strasse) 
gegen Eintrittsgeld in Augenschein genommen 
habe; und, wie ich höre, liegt er noch, sein verfehl- 
tes Dasein betrauernd, in einem Erdgeschosse des 
genannten Locales. I)iu Figur ist nicht ganx 
schlecht gearbeitet, und namentlich muss die künst- 
liche Herstellung der Verwitterung als sehr gelun- 
gen bezeichnet werden. Von einer Inschrift auf 
dum rechten Arme habe ich keine Spur wahrge- 
nommen. Doch hiervon später. Der eigentliche 
Urheber des Schwindels war ein gewisser H. B. Mot* 
ton, dem ein anderer schlauer Bursche, George Hüll, 
als Rathgeber und Helfershelfer zur Seite stand. 
Ausserdem waren noch verschiedene andere Per- 
sonen, natürlich lauter Ehrenmänner, in die An- 
gelegenheit verwickelt, so auch Newell, auf dessen 
Farn» der Riese zum Vorschein kam. Tausende 
von Dollars sind im Verlaufe des Geschäftes von 
Hand zu Hand gegangen. Aber gerade der Um- 
stand , dass so viele Mitwisser vorhanden waren, 
leitete zur Entdeckung des Humbugs; denn wenn 
Spitzbuben mit einander hadern, werden in der 
Regel ihre Schliche bekannt. An einem März- 
abend des Jahres 1870 kam der genannte Morton 



*) Nachfolgende Mlttlmilung rechtfertigt auf du volUtänd igele das Misstrauen, welche* Dr. v. Frantzius 
im letzten lieft (*. oben Seiteäl) gelegentlich de* Aufsätzen von Dr. Hartogi» Heys vanZouteven ausspntch. 

34* 



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268 



Kleinere Mittheilnngen. 



in Buffalo (New- York) an, und liea» noch spät in 
der Nacht den Redactcur deB „Buffalo Courier“ 
bitten , ihn im Gasthofe zu besuchen , da er ihm 
••ine wichtige Nachricht mitzutheilen habe. Dieser 
Herr leistete ohne Verzug der Einladung Folge, 
und erfuhr nun von Morton den vollständigen Her- 
gang des säubern Unternehmens. Am 14. März 
wurde der Inhalt der merkwürdigen Unterredung 
im „Buffalo Courier“ veröffentlicht, und zwei Tage 
später, am IG. März, enthielt der „New- York He- 
rnld“ einen Abdruck des Artikels, den ich aus- 
schnitt und in meine Mappe legte, um eine Wulfe 



den, und er habe bei der ganzen Sache nur ge- 
ringe Vortheile erzielt; ausserdem fange das Publi- 
kum an. die Aechtheit des Steinriesen zu bezwei- 
feln , und er wolle nun den Sachverhalt klar 
dnrlegen. Hierauf enthüllte er den Schwindel in 
seinem ganzen Umfange. Nachdem er auf die Idee 
verfallen war, eine Steinfigur herzustcllen, verur- 
sachte ihm die Beschaffung des geeigneten Materials 
nicht geringe Mühe, bis er endlich in den Gypfl- 
brüchen von Fort Dodge in Jowa einen Block von hin- 
reichender Grösse erlangte. Dieser Block wurde unter 
grossen Schwierigkeiten (zwölf paar Ochsen als 



Hig. 20. 





Die Ausgrabung «len Onondaga- Riesen 1 ). 



zur Bekämpfung des Riesen in der Hand zu haben, 
wenn er eine» schönen Tages in Europa nuflauchen 
sollte. Dieser Augenblick ist jetzt gekommen. 
Eine Uebersetzung des Artikel», welcher eine lange 
Spalte füllt, würde zu viel Kaum einnehmen, wes- 
halb ich mich darauf beschränke, die wesentlichen 
Punkte wiederzugeben. 

Zunächst theilto Morton dem Rcdactenr des 
„Buffalo Courier“ mit, cs sei ihm von seinen Ge- 
nossen, namentlich von Ilnll, übel mitgespielt wor- 



Zugthiere, Durchbrechen hölzerner Brücken n.s.w.) 
nach Chicago gebracht, und in der Scheune eines 
gewissen Burkhardt, eines Steinmetzen (marble-cut- 
ter), niedergelegt. Ein Bildhauer mit Namen Salcy 
(„one of the best aculptors in the country , and 
who drinks like a Back“) meiiutelte hier die Figur 



1 ) Wir geben diene Abbildung (aus Harpers Weekly) 
nur um zu zeigen , was man es rieh in Amerika 
kosten lässt, um die Leute zu beschwindeln. Red. 



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2G9 



Kleinere Mittheilungen. 



aas, welche Arbeit ihn zwei Monate , häutig sogar 
während der Nacht, beschäftigte. Um den Schall 
der il&mmerscbläge za dämpfen, wandte man die 
Vorsicht an, die Scheune von Innen mit Teppichen 
zu behängen. Säuren und Färbestoffe , deren Be- 
schaffung 90 Dollars kostete, dienten dazu, dem 
Riesen ein altes , verwittertes Ansehen zu gehen. 
Dann wurde die Figur in eine grosse, «ipenbeschla- 
gene Kiste gepackt, mit enormen Kosten nnchOnon- 
daga County geschafft und dort in aller Stille auf Ne- 
well « Farin begraben, um am 16. October 1869 wie- 
der au das Licht gezogen zu werden. Morton schien 
sich den schlechten Erfolg seines Geschäftes sehr 
zu Herzen zu nehmen. Wäre ihm der erste An- 
schlag gelungen, so würde er, wie er nagte, die 
Mutter des Riesen aus Eisen, Knochen und 
Gype (plaster of Paris) hergestellt, und ihre Ent- 
deckung in Onondaga County veranlasst haben. 
Die letzte , dienen Biedermann betreffende Notiz 
las ich vor drei oder vier Monaten im „Herald tf 
oder einer andereu hiesigen Zeitung, worin gesagt 
war, der Urheber des Onondaga-Riesen habe sich 
durch Erschlossen oder Erhängen aus der Welt 
geschafft. 

In den wirklich wissenschaftlichen Kreisen der 
Vereinigten Staaten ist der Sache nicht die 
geringste Aufmerksamkeit geschenkt worden , da 
man dort sogleich den Humbug witterte. Zum 
Beweine führe ich folgende Stelle aus einem Briefe 
au, den Professor Henry, der greise Director des 
Smithson'schen Institutes in Washington, am 
17. December 1869 an mich richtete: .,1t appeant 
tbat the Cardiff hoax is at length fully exposed. 
I was uuwiliing to huvo the name of the Institu- 
tion in any way connected with the affair, having 
had no faith in the autiquity of the statne from 
the first report of ita discovery. Such deceptions 
ought to be snbjected to a more severe cundcmna- 
tion than that wbich they usually receive in this 
country.“ 

Der iu der „Galaxy" vom Juli 1872 veröffent- 
lichte Artikel: „Tummuz and thu Mound Buihlera“ 
ist jedenfalls ein literarisches Curiosum, wie Sie 
zu ersehen Gelegenheit haben werden , da Sie 
gleichzeitig mit meinem Briefe das betreffende 
Heft der genannten Monatsschrift erhalten. Die 
Inschrift auf dem rechten Arm« der Statue muss 
der Einbildungskraft des Verfassers entsprungen 
sein: ich habe Nichts davon wubrgcnommeu. 
Schliesslich noch die Bemerkung, dass jener Arti- 
kel bei seinem Erscheinen von verschiedenen Sei- 
ten als ein Scherz — a roystifi cation — des Ver- 
fassers angesehen worden ist.“ 

New- York, im October 1874. 

C. Rau. 

Die mir soeben von einer mir unbekannten 
Hand aus New -York zugesandte Nro. 489 der 



daselbst erscheinenden Zeitschrift »The Nation“ 
veranlasst mich, der obigen Zuschrift des Herrn 
Dr. Rau folgende Bemerkung hinzuzufügen, die 
hier am besten ihren Platz findet. 

In einem auf S. 318 jeuer Zeitschrift befind- 
lichen Berichte über die Ende October in New- York 
abgehaltene Versammlung der dortigen orientali- 
schen Gesellschaft macht unter Anderem auch 
Herr J. üaininotid Trumbull von Hartford «ine 
Mittheilung über die Behauptung unseres Lands- 
mannes Schlottman n , welcher sich bekanntlich 
im Herbst d. J. in Innspruck für die Aechtheit der 
Oiiondagasteinfigur aussprach. Herr Trum bull 
fügt nun hinzu, dass dies auch im Archiv für 
Anthropologie von dem Verfasser eines 
Aufsatzes geschehen sei und der Heraus- 
geber desselben unterstütze die Behaup- 
tung jenes mit der Bemerkung, dass, wenn 
jenes Steindenkmal auf einen Betrug hin- 
ausliefe, man nichts mehr glauben könne, 
was aus Amerika käme. Dass diese Mittei- 
lung , wie angegeben wird . unter den Mitgliedern 
der Versammlung grosses Aufsehen und gerechtes 
Staunen erregte, wird ein jeder mit der Sache 
Vertraute sich denken können. 

Aus den angeführten Worten ersieht man nun 
aber ganz deutlich, «lass Herr Tru rabull nur den 
Schlusssatz des Aufsatzes selbst, der über die Phö- 
nizierfrage und Ül>er die Onoudngafigur handelt, 
und mit dem der Verfasser noch einmal am Schlüsse 
seine Ansicht zu erhärten sucht, gelesen hat. Die- 
sen Schlusssatz hat er unbegreiflicherweise für die 
Schlussbemerkungen gehalten, denn die eigent- 
lichen Sehlussbemerkungen des U utorzeichueten 
auf S. 131 bis 133, welche, indem sie den Ver- 
fasser auffordern, die Aechtheit der Steinfigur zu 
beweisen, gerade das Gegentheil von dem enthal- 
ten, was Herr Trumbull dem Herausgeber zum 
Vorwurf macht, hat er nicht gelesen. Ich möchte 
daher Aberhaupt bezweifeln, dass er das Archiv 
selbst in Händen gehabt hat. Mag die» indessen 
•ein, wie es will, auf jeden Fall tragt Herr Trum- 
bull die Schuld, dass durch seine ganz unrichtige 
Angabe da*» mit Recht hochgeschätzte Archiv und 
dessen ebenso hoch geschätzter Herausgeber bei 
der aus angesehenen Vertretern der Wissenschaft 
bestehenden orientalischen Gesellschaft in Miss- 
credit gebracht worden ist. Wir zweifeln daher 
nicht, dass es nur dieser Bemerkung bedarf, um 
Herrn Trumbull zu veranlassen, in der nächsten 
Versammlung seinen Irrthum zu verbessern und 
dem Herausgeber des Archivs gerecht zu werden ; 
wir zweifeln hieran um so weniger, da derselbe als 
Mann von Ehre dazu sogar verpflichtet ist. 

Heidelberg, 13. Decbr. 1874. 

Dr. A. v. Frantzius. 






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V. 

Referate. 

I. Zeitschriften — und Bücherschau. 



1. Revue d’Anthropologie p. P. Broca (s. oben 
S. 150, Band III, Heft 3). 

Broca, Etüde»* sur lea proprictes hygrometriques 
des crime* consideröes dans leura rapports avec 
lu craniometrie. 

Bereu ge r-Fernud, Etüde nur lea populstions de 
la Casamance (töte ouest de l’Afrique iuterfro- 
pical). 

Broca, Nouvcaux rem-eigne in ent« sur les Akka. 

Daleau et Gassies, Notice aur la Station de Joliaa. 

I)e Caix de St. Aymour, Etüde« sur quelques 
monument« megalithiques da la vallee del’Oise. 
Fortsetzung der Revue prebistorique von 
Cazalia de Fondouce. 



Iu der Revue critique bespricht Topin ard die ein* 
geborene oder Berberrace in Algerien. 

2. Archivio per 1’ Antropologia e la Et- 
nologia. Band IV, Heft 2 (s. oben S. 151). 

Mantegazza und Zannetti, I dne Akka del 
Miani. 

Tamaasia, Cranioroetria degli alienati edei delin* 
quenti in rapporto all 1 antropologia e la Medi- 
cina legale. 

Concezio Rosa, Scoperte polaeoetnologiche fatte 
nella valle della Vibrata ed in altri luogbi dell’ 
Abruzzo Teramano. 

Zoja, Di un teschio Boliviano microcefalo. 



II. Verhandlungen gelehrter Gesellschaften und Versammlungen. 



1. Anthropologien! Institute of Great Bri* 
tain aud Irelund (a. oben S. 155). 

Sitzung vom 11. November 1874. 

Galton schlägt vor, in den Schulen statistische Er* 
hebuugen über die physische Beschaffenheit der 
Bevölkerung machen zu lassen. 

Hutchinson explorations amongst aucient burial 
grounds of Peru. 

Sitzung vom 25. November 1873. 

Rudler referirt über die anthropologischen Ver- 
handlungen bei der Versammlung der British 
Association zu Bradford 1873. 

Leitner über die Siah Posb Kafirs in Hindu* 
Kush. 



Sitzung vom 9. Deceniber 1873. 

Harrison über die Hieroglyphen von der Oster- 
insel. 

Mc Kenny Hughes referirt über die Ausgrabung 
der Ha-Höhle, Yorkshire. 

Mc Kenny Hughes, On the occurence of felstone 
iroplemeuts of le Moustier type in Pont ne 
wydd cave. 

Busk, Notice of a human fibula of unusual form 
dieoovered in the Victoria cave. 

Ho worth, Introduction to the translation of the 
Han annals. 

Wylie, History of the Heung-Noo in their rela- 
tions with Chiua. 



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272 



Referate. 



Iloworth, The weiterly drifting of oomades ctc., 
pt. XII, the Huns. 

Sitzung vom 13. Januar 1874. 

Paale, Die Kag&s und ihre benachbarten Stämme. 

Clarke, Die Steindenkraäler der Khasi-Hills. • 

Busk über einen Samoyedenschädcl. 

Mar ah all, Schädel im Torf der Insel Ely. 

Sitzung vom 27. Januar 1874. 

Jahresnitzung. Berichterstattung. Rede doa Prä- 
sidenten. 

2. Socicte d’ A nthropologie de Paris(Fort- 
setznng von S. 155 in diesem Band). 

April 1873. 

Broca, Sur la queation oeltique : «ränes des Bas- 
Bretoun et des Auvergnats. Discunsion: Cle- 
mence Royer, Broca, Condercan, Gaus- 
ain, Lagneau. — Topinard, Du progna- 
thiame facial superieur. — Roujou, Station de 
Tage de la pierre polie d’Athis(Seine-ct-Oiie). — 
Roujou, Pointea ä tranrhant transversal com- 
parees aux tetes da flaches des äges de la pierre 
polie et du bronzo, daus lea environs de Paris. — 
Roujou, L’imperfection de la taille des silex, 
abstractiou faite de leur type, ne perniet pas ä 
eile seule, de leurassigner une data. — Reboux, 
Emigration du mamniouth. — Broca, Sur Pcn- 
docr&ne. — P i e 1 1 e , Sur la grotte de Gourdan. — 
Hamy, Sur quelques ossements humains decou- 
verts dans la troisienie caverne de Goyet, pres 
Nu in ec: he (Belgique). 

Mai 1873. 

Chaplain-Duparc, Sur Page des pretendues 
eiten lacustreR du Bear n. — Desor, Un mobilier 
hiatorique cn Siberie. — Bertrand, Deux morn 
de cheval eu bronzc. — Lagncau, Sur Peth- 
nologie des populations du sudouest de la 
Franc«. — B e r t i 1 1 o n , Remarques sur le denom- 
bremeut de la populatiou fran^aise. — Ber- 
traud, Sor lea Sigynne«. — Roujou, Sur la 
taille plus grande de quelques especes animalen 
actuelles pendant Tage de la pierre polie. — 
Roujou, Sur des photographion mexicainee. — 
Roujou, Sur rexintence des racoa blondes an- 
terieures aux Germains sur le sol de la Gaule. 
Discussion: Chavoe, Lagneau, Gaussin, 
II a 1 1 eg u en , de Ranne, d’Abbadie, CI. 
R o y e r. 

Juni 1873. 

De Quatrefages et Hamy, Races huroaines 
fossilen. Race de Canstadt- — Reboux, Den 
trois epoques de la pierre. — Martin, Note 
pour servir aux inntructions sur le Japon. — 
De Mortillet, Grotte» de l'Ardeche. Grscs 



et Carthaginois. — Broca, Nouvellen recbercheg 
sur le plan horizontal de la täte et sur le degre 
d'inclinaison des divers plana eräniens. — 
D'Abbadie, Sur la dnree comparee des genera- 
tiona on Afrique et en Europa. — Durand (de 
Gros), De Paction des milieux nur la forme de 
la täte. — Ilamy, Sur les fouille* du inont 
Dol. — Broca, C ränes du mont Hymete. — 
Giraldes, Moulage du pied de Ducornet. — 
Broca, Anciens crane» deformes inacrocephales 
des environs de Tiflis (regions du Pauca*c)* 
Diacnssion: Girard de Rialle, Broca, Ma- 
zard, Roujou. Leguay, Costeplaoe de 
Cantares, CI. Royer. — Roujou, Note nur 
une lmnde de bateleum serbes observe« en ju.il- 
let 1873, k Cboiny - le - Roi. Dibcusaion: 
de Scinalle, Bataillard, Mazard, Roujou, 
Girard de Rialle, IlovelAcque, Pilar. 

Juli 1873. 

De Mortillet, Sur den envois et des notes eoncer- 
nant Pepoque quaternaire, adresses ä la Societe 
par M. Hena. — De Mortillet, Sur les grottos 
de Menton. — • De Se malle, Mortalite dana la 
proviuce de Constantine. — Berti Hon, Denom- 
brement de PAlgerie depuin 1856. Algerie et 
Victoria compareen. — Faid herbe et Topi- 
nard, Instruction» sur Panthropologie dt* PAl- 
gerie. Discussion über die Anthropologie von 
Algerien: Coateplaue de Cantares, Du- 

bousset, Topinard, Martin, Bertilion, 
Lagneau, Lancereaux, Faidherbe, d’Ab- 
badie, Broca. — De Mortillet, Sur Photnme 
tertiaire. Discusnion: Roujou, Leguay, 

CI. Royer. — P. Topinard, Objets provenant 
du cimetiere burgonde de Raraanne (Ain). IHs- 
onssion: M. de Mortillet. — Bataillard, 
Recherchen ä faire sur les Bohemiens eu Algerie. 

October 1873. 

Chavoe, Rapport sur le voyage en Laponie de 
M. van Düben. Diacnssion: CI. Royer, 

Bertillon, Lagueau. — CL Royer, Sur un 
homme velu ne en Rusnie, et nur non tils äge de 
troiB ans et demi. DincuHnion : De Ranne, 

Poxzi, Assäzat, CI. Royer. — CI. Royer, 
Loin mathcinatiqucs de reversiou par Patavisme 
convergcut. — Bertrand, Age du bronze dans 
leg lacustren de la Suisse. — Perrin, Anomalie« 
inverses et par monstruosite des Systeme» pileux 
et dentaire chez deux individus oxhibes ä Paris 
aous le nom de Phomme-chien et son Als Fedor. 
Discusnion; de Quatrefages, Perrin, Cou- 
dereau, Broca, Giraldes, Bertillon, Rou- 
jou, CI. Royer. — Gaillardet, Les kjökken- 
raöddingset lesdebris de fabriquen de pourpre. — 
Onimus, Du laDgage considere com me pheno- 
mene automatique et d’un centre nerveux pho- 



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Referate. 



273 



norooteur. Discuasion: Proust, Onimu, 

Dureau, Broca, CI. Royer. 

November 1873. 

Visite de la SociAtA au musee de Saint-Germain. — 
A ree! in, Inoident de 1’anneau de Solutre. 
Discussion: de Quatrefages, de Mortillet, 

Broca, Coudereau, Lagneau, Qirard de 
Rialle, CI. Royer. — P. Broca, Sor lea eig- 
nes de SolutrA. — Hamy, Sur les oasements 
humains de Solutre. — P. Topin ard, De la 
raethode en erämometrie. DiBcussion: Ko- 

chet, Topinard, Broca, Lagueau, CI. 
Royer. 

December 1873. 

Paul Bert, Sur !e monstre pygopage connu soua 
le nom de Millie-Christine. Discussion: Cou- 
dereau, Bert, Dareste, Broca, Girald&s, 
Hureau de Villeneuve. — Julien, Obser- 
vation d’un caa de Noovos pilosua. — Piette, 
Sur la grotte de Lortet — CI. Royer, De 
Porigine des diverses races humaines, et de la 
race aryenne en particulier. — de Jouvencel, 
Sur l’origine des cavitAa connues aous le nom de 
Marmites des grants. DiBcussion: Bert, 

de Jouvencel, Broca, Guerin, de Mortil- 
let, Hamy, Leguay, de Qnatrefages, CI. 
Royer. — Topinard, De la morphologie 
du nez. 

Januar 1874. 

Hamy, Sur Pethnologie du aud-eat de laNouvelle- 
Guinee. — Dureau, Sur lea marmites des grants 
et lea puits-sApultures. — Girard de Rialle, 
Sur les cranes russes oflferts par M. de Khani- 
koff. — Dareste, Suite de la diacusaion des 
monstrea doublea. — Rapport de M. Daily aur 
Pouvrage intitule: fitudes aur les facultes men- 
talis des auimaux comparees k celles de lliomme, 
de M. Houzeau. — Bertrand, Sur quelques 
bronzea etrusqaes de la Ciaalpine et des pays 
transalpin«. — Hamy, Sur lea mAchoircs de 
Smeermaas. — Parrot, Note sur quelques habi- 
tats de l’bomme quaternaire des bords de la 
Vezere. — D’Omalius d’Halloy etLagneau, 
Sur lea question celtique. — CI. Royer, Origine 
et migration des diverses races humaines. — 
Broca, De Pinfluence dePhumidite sur la capa- 
cite des eränes. 

Februar 1874. 

Dareste, Rapport aur le concours du prix Go- 
dard. — D’Abbadie, Sur la loi des successions 
chez lea Rasquen fran^ain. — Hamy, Nouveaux 
docuraents aur l'ethnographie du cap York 
(Auatralie). — Ronjou, De quelques Instruments 
de pierre qui seraient encore employes dans le 
Afttfcl* nt/ Anthropolocl«. B4. VII. H*fl 3. 



midi de la France. — Bertrand, Celtes, Gau- 
lois et Francs. — Berthelot, Sur Pethnologie 
canarienne. — Mondi&re, Sur Panthropologie, 
ia demographie et la pathologie de la race anna- 
mite. — Velain, Obaervations antbropologiques 
faites sur le littoral algerien. — Magitot, 
Note sur la bifidite des canines inferieures cbez 
Phomme. — Bataillard, Sur la langue des 
Bohemiens. — Correapondance. — Faidherbe, 
Sur Pethnologie canarienne et sur les Tamahou. 

3. Anthropologische Section der „Asso- 
ciation fran^aiae pour PsTsncoment 
des Sciences u . Die Versammlung fand in 
diesem Jahr (1874) in Lille statt und wurde 
am 20. August mit einer Rede des Maire 
eröffnet. 

In der ersten Sitzung der anthropologi- 
schen Section (21. August) sprach Lagneau über 
die Ethnogenie der nordfranzösischen Bevölkerung 
und es wurde in der daran sich knüpfenden Discus- 
sion, an welcher Broca, Qnatrefages, Vogtctc. 
Antheil nahmen, selbstverständlich die Frage der 
Bracbycepbalie und Dolichocephalie der Finnen 
und Arier besprochen, ohne dass übrigens, so viel 
sich aus dem kurzen Bericht entnehmen lässt. Neues 
zu Tage kam. 

Chil aus Spanien sprach über die Bevölkerung 
der Canarischen Inseln, behauptete die Persistenz 
der alten Guanchen bis zum heutigen Tag, die sich 
durch affenartige Beweglichkeit der Zehen und 
Kletterfähigkeit auszeichnen sollen. 

Daily wendet sich gegen die craniologische 
Classification der Racen und stellt an die Section 
die Frage, ob nicht die nach dem Charakter der 
Haare in erste Reihe zu stellen sei, die aber nicht 
in bejahendem Sinne beantwortet wurde. 

In der zweiten Sitzung (22. August) sprach 
L e j e u n e über Renntbieratutionen im Pas de Calais ; 
Hamy referirte über den Stockholmer Congreaa. 
Mortillet hielt einen Vortrag über die Nicht- 
existenz eines besonderen Volkes der Dolmen, des- 
sen Resultaten auch Qnatrefages und Broca bei- 
pflichteten. Eine zweite Mittheilung Mortillet’a 
betraf die Bronzezeit, welche er in zwei Perioden 
abtheilt : epoque du fondeur (epoque de la penurie) 
und epoque du chaudronnicr (epoque de l'abon- 
dance). Mart inet las eine Arbeit über die künst- 
lichen Missstaltungcn des Schädels. Endlich hielt 
Broca einen grösseren Vortrag über die geogra- 
phische Verbreitung der baHkiscben Sprache, über 
welchen in der 

Dritten Sitzung (am 24. August) eine län- 
gere Discussion erfolgte. Assezat sprach über 
die Proportionen des Gesicbtsskelets. Dupont 
(Brüssel) über die quaternäre Epoche und das Be- 
35 



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274 



Referate. 



wolmtmiu Belgii'ns zu dieser Zeit Yün zwei Raren, 
einer auf den Höben ansässigen und einer höhlen- 
bewohnenden, welche letztere gegen Beginn der 
neolithischen Zeit von der ersteren unterjocht 
wurde. Gegen diese Anschauung erhob sich G. 
Mortille t, in dessen System eie nicht passt, mit 
ziemlicher Heftigkeit. Topin ard las eine Notiz 
über die Proportionen des Beckens bei Mensch 
und Säugethieren , Au gier und Julien über die 
Occipital- und Basilarwinkel des Schädels. Ho- 
velacque t heilte die Resultate seiner Unter- 
suchungen über das Hinterhauptsbein mit, dessen 
Querwölbung er 1>ei verschiedenen Racen gemessen 
hat. Pozzi las eine Arbeit, über den Werth der 
Muskel Varietäten in anthropologisch - zoologischer 
Beziehung. 

In der vierten Sitzung (26. August) machte 
Pr uni eres eine sehr interessante Mittheilung über 
die künstlichen Schüdeldurchbohrungen und die 
Sch&deiamulete der neolithischen Zeit. Es sind 
dies mit einem Worte vernarbte Trepanöffnungen 
an den Schädeln, die wahrscheinlich durch Scha- 
ben mit Kieaelwerkzengen gemacht wurden. Die 
Knocheuscheibchen , die, nach dem Tod, aus den 
Schädeln Trepanirter ausgesagt wurden und die 
meist mit Einschnitten etc. versehen sind, werden 
als Amulette betrachtet. Die betreffenden Schädel 
stammen theils aus Dolmen (der Lozere), tlieils 
aus der Grotte de Fhomme mort and anderen. — 
Girard de Kialle las eine Mittheilung über die 
Anthropophagie, an welche Broca, Vogt und 
Andere Bemerkungen knüpften. 

Fünfte Sitzung (27. August). Piettc ver- 
folgt die Geschichte des I mittels bis hinauf in die 
Rennthicrzeit. Broca spricht über den Orbital- 
index (Verhältnis* der Höhe zur Breite der Augen- 
höhle); derselbe wechselt von 65 bis 107. Die 
Mittel der Racen variiren von 95,40 (Hawaiicr; 
Chinesen 94) bis 77 (Guauchen) und Broca theilt 
die Racen in megasemea (95 bis 89), mesozemes 
(89 bis 83) und mecrozemeB (83 bis 77). 

4. Anthropologische Sectiou (D) der „Bri- 

tish Association for tbc ad v ancetnen t. 

of Sciences u , Versammlung zu Belfast, 20. 

AuguBt 1874 ! ). 

In der Eröffnungsrede behandelt Sir W. Wilde 
die frühere Geschichte der irischen Bevölkerung; 
SirG. Campbell sprach über die Völkor zwischen 
Indien und China; Drew ül>er die Vertheil ung der 
Menschenracen, welche das.Jummoo- und Kashmir- 
Gebiet bewohnen. Dann folgten Mittheilungen 
über prühistorisebe Funde in Irland, die Cratiogs etc. 



*) Als Quelle «laut! uns nur da* Athenäen m zu Gebot. 



5. Fünfte Allgemeine Versammlung der 
deutschen anthropologischen Gesell- 
schaft zu Dresden am 14. September. 

Ueber diese Versammlung wird, wie bisher, in 

dieser Zeitschrift ein besonderer ausführlicher Be- 
richt erscheinen. Wir beschränken uns daher auf 
die Mittheilung, dass für das nächste Jahr, Sep- 
tember 1874 bis 1875, Virchow zum Präsidenten 
und zum Versammlungsort für nächstes Jahr Mün- 
chen gewählt wurde. 

6, Bericht über den internationalen Con- 
gress für vorgeschichtliche Anthro- 
pologie und Archäologie in Stockholm. 
Von II. Schaaffhausen. 

Vom 7. bis 16. Angust 1874 wurde der sie- 
bente Congress für die oben genannten Wissen- 
schaften unter zahlreicher Betheiligung von her- 
vorragenden Forschern aus allen Ländern abge- 
halten. Von Ausländern wies die Liste 323 auf, 
zu denen eine noch grössere Zahl von Schweden 
hinzukam. Die meisten Mitglieder stellte auch 
diesmal Frankreich, nämlich 86, Deutsche waren 44, 
Dänen 42, Norweger 23, Engländer 29, Belgier 
ebensoviel, Holländer 15, Russen 13, Finnländer 14, 
Italiener 8 , Amerikaner 7 , Oesterreicher 6 an- 
wesend. 

Das Stockholmer „Dagblad“ hatte mit einem 
berechtigten Selbstgefühl auf die Bedeutung dieser 
Versammlung hingewiesen, indem m hervorbob, 
dass die wahre Grösse eines Volkes nur darin be- 
steht, dass es sein Scherflein beitrage, die Schätze 
des Wissens und damit die Bildung der Mensch- 
heit zu mehren; es seien Eroberungen höherer Art, 
die auf dem Kampfplatze der gemeinsamen Cultur- 
arheit gemacht würden. Zahlreich seien die Auf- 
gaben, welche ihrer Lösung harrten. Daher präge 
sich für diese Bestrebungen der internationale 
Charakter aus, und zugleich sei die wissenschaft- 
liche Arbeit unserer Tage demokratisch, denn nur 
die Aufklärung vermöge die ungleichen Gesell- 
schaftskreise zu vereinigen und zu versöhnen. Ganz 
Stockholm war während des Co n grosses in einer 
festlichen Stimmung. Die zuvorkommende Auf- 
nahme der Gelehrten von Seiten der Stadt, die 
trefflichen Veranstaltungen des Comites, welches 
die Versammlung vorbereitet hatte, die Ehren, 
welche der König den Gästen seiner Hauptstadt 
erwies, auch das herrliche Wetter, welches die 
Ausflüge nach Upsala und über den schönen Mälar- 
we begünstigte, machten die Zusammenkunft zu 
einer der glänzendsten in der Reihe dieser inter- 
nationalen Feste. Aber auch die wissenschaftliche 
Ausbeute, welche das Ergebnis« der Verhandlungen 
war, sowie der Gewinn, welchen der Fremde aus 



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Referate. 



275 



der Betrachtung der reichen Sammlung der Stadt 
xog, stellten den Wurth dieser Versammlungen 
ausser Zweifel. Die Sitzungen fanden in dem 
grossen Saale des Ritterhauses statt, in dessen un- 
teren Räumen Karten und Zeichnungen lehrreichen 
Inhalts, sowie Privatsammlungcn vorgeschichtlicher 
Gegenstände ausgestellt waren. 

Bei der Eröffnung des Congresses am Freitag, 
Nachmittags 2 Uhr hielt Graf Henning Hamil- 
ton die Bogrüssongsrcde. Er bemerkte, dass vor 
2 Jahren zwar derCongress in Brüssel den Prinzen 
Oscar von Schweden zum Präsidenten dieses Con- 
gresses gewählt habe, das« aber seitdem die Vor- 
sehung, nach dem schmerzlichen Hingange des 
Königs Karl XV, ihm ein höheres Amt, das eines 
Königs aufgetragen habe. Er erkennt die Mängel 
des nordischen Landes, bezeichnet es aber als einen 
Vorzug desselben für die archäologische Forschung, 
dass während im südlichen Europa schon überall 
eine hohe Cultnr sich entwickelt hatte, hier noch 
die prähistorische Zeit herrschte und viele Denk- 
male hinterlassen hat, deren Zeitbestimmung da- 
durch häutig möglich wird. Hierauf meldet Ca- 
pellini einen Grass des Kronprinzen von Italien, 
der den Congress in Bologna geleitet hatte nnd 
diesem seine Theilnahme bezeigen wollte. Sodann 
hiess auch der Sccretair des Couiites, Herr Hans 
Hildebrand, die Anwesenden willkommen and 
gab eine kurze Geschichte der schwedischen Alter- 
thumsforschung. Sodann schritt die Versammlung 
zur Wahl ihres Vorstandes und wählte zum Präsi- 
denten den Grafen Hamilton, zu Vice-Prftsiden- 
ten Hildebrand sen., Xilsson, Quatrefages, 
Franks, Virchow, Dupont, Leemans nnd 
Bogdanow, zam General-Secretair II. Hilde- 
brand ; zu Mitgliedern des Conseil«: Bertrand, 
Berthelot, Evans, von Quast, Schaaffhausen, 
Pigorini, Engelhardt, van ßeneden, Rygh, 
von Düben, Aspelin, Lerch, Römer und 
Whitney; zu Secretairen: Montelius, Retzius, 
Ckantre, Cazalis de Fondouce, Stolpe 
und Landberg. Ehrenpräsidenten waren der 
Gründer dieser Congresse, Capellini, und die 
früheren Präsidenten Worsaae und Desor. 

Der erst«; Abend schon vereinigte die Congress- 
genossen in dem Lustgarten zu Ilasselbacken , wo 
ihnen die Stadt ein glänzendes Fest gab. Hier 
hatte sich das am Tage angünstige Wetter auf- 
gehellt und in einer frohen Gesellschaft von nahezu 
1000 Menschen, die in fast allen europäischen 
Sprachen redeten, entstand unter den im Winde 
wehenden Flaggen aller Nationen und den rau- 
schenden Klängen einer vortrefflichen Musik ein 
so lebhaftes Treiben und Wogen auf einem nicht 
allzu grossen Raume, dass die auf einer geschmack- 
voll hergerichteten Bühne auftretenden Redner nur 



bei einem kleinen Theilc der Anwesenden Gehör 
fanden. Ober-Statthalter Frhr. von Ugglas for- 
derte zu einem Hoch anf Schwedens König und die 
ihm verbündeten Herrscher auf. Er dankte für 
die Ehre, welche der Stadt und dem Lande durch 
diesen Congress erwiesen werde, rühmte die für 
die Menschenbildung so wichtigen Studien, die er 
zu fordern bestimmt sei und meinte, dass, wenn 
auch die Mitglieder dessclbeu nicht neue Schätze 
des Wissens mit nach Hause bringen sollten , sie 
sich doch daran erinnern würden , hier ein frei- 
müthiges nnd redliches, ein freies und glückliches 
Volk gesehen zu haben, welches jede edle Arbeit 
zu schätzen verstehe und nach Aufklärung strebe. 
Don Gästen rief er ein schwedisches „varen väl- 
kornna 1 * zu. Bertrand erwiederte dankend mit 
dem Hinweis, dass die zahlreiche Versammlung 
von Männern aas ganz Europa besser sage, welche 
hohe Stellung die schwedische Wissenschaft, in der 
ein Lin ne. Borzelius und Scheele glänzen, ein- 
nehme, als seine Worte es vermöchten. Er fügte 
noch hinzu, dass die Franzoseu sich zu dienern 
Lande durch eine traditionelle Sympathie hinge- 
zogen fühlten und leerte das Glas auf das Wohl 
Stockholms. Für den herzlichen Empfang dankend 
sprachen dann Pigorini, de Selys-Longchamps 
und Schaaffhausen. In deutscher Rede liess von 
Quast den Gustav Adolph leben. Auch Evans 
dankte im Namen seiner Landsleute. Dann wurde 
das Zeichen zum Abendessen gegeben und die ganze 
Gesellschaft begab sich in die glänzend erleuchteten 
Säle des Restanrationsgebäudes, von dessen Baiko- 
nen herab sie nun, nach einer in verschwenderischer 
Fülle gereichten Bewirthung, den Garten in ein 
Lichtmeer verwandelt «ah, über dem eine grosse 
Gassonne flimmerte, deren Glanz bald von bengali- 
schen Flammen, bald von zischenden Raketen und 
knatternden Leuchtkugeln überstrahlt wurde. Nach 
der letzten Rakete sprang noch einmal ein Redner 
auf die Bühne, Rossander. Jetzt war Island die 
Losnng, welches ja gerade seinen tausendjährigen 
Eintritt in die Geschichte feierte. Er sagte, die 
skandinavischen Völker waren die letzten, die in 
die Reihe der civilisirten Nationen eintraten, aber 
ein kleiner lins blutverwandter Stamm war in einem 
fernen Winkel der Erde schon vor 1000 Jahren der 
fiusserste Vorposten menschlicher Cultur gegen das 
ewige Eis. Kr hat die Urkunden gesammelt, die Liebt 
verbreiten über eine Zeit, die wir vergessen haben. 
Die Geschichte dieses Volkes alter Ahnen ist die 
unsere, ihm kommt die Ehre zu, uns unterrichtet 
zu haben. Es hat stets gearlieitet und in Frieden 
gelebt! Das Mittel zum Frieden hat man vergeb- 
lich gesucht in den Religionen, im Handel, in dem 
erleichterten Verkehr, aber nur die Geist esarbeit ist 
das Vereinigungsband, sie bringt der Menschenseele 
edelste Saite zutn Tönen! Sie kennt keine Gren- 
zen, keinen Unterschied der Völker. Nichts kann 
35 * 



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276 



Referate. 



würdiger sein, a)a der Gelehrte, dessen Haar im 
Dienste für die Menschheit ergraut ist. Wissen* 
schaft ist ein strahlender Edelstein, der von allen 
Seiten Glanz ausströmt, ein heller Strahl desselben 
ist die Geschichtsforschung, die in den Runen ver- 
gangener Zeiten liest. Vergessen wir in diesen 
Tagen das Volk der Geschichtsschreiber nicht, wel- 
ches »ein Jubelfest feiert! 

Der Congress begann dann seine Arbeiten am 
8. August, Morgens 10 Uhr. Nachdem Herr 
H. Hildobraud einige Begrüssungsschriften vor- 
gclegt, theilte er in Bezug auf die erste Frage des 
Programms: „Welches i»t die älteste Spur des Men- 
schen in Schweden?“ das Ergebnis» der Unter- 
suchungen Tor eil s mit, wonach keine That sacke 
für die Annahme spricht, der Mensch habe in die- 
sem Lande schon zur Gletscherzeit gewohnt, alle 
Fände ans der Steinzeit gehören der späteren 
Periode der geschliffenen Steine an; die vor meh- 
reren Jahrzehnten in bedeutender Tiefe beim Söder- 
teiger Canal mit Kohlenrestcn gefundene Hütte ist 
neueren Ursprungs und durch den Einsturz eines 
Sandhügels verschüttet worden. Hierauf gab 
Raron vonKurck eine Uebersicht über die schwe- 
dischen Funde aus dem Steinalter; die ältesten 
wurden in Schonen und den Bildlichen Provinzen, 
in Rlekinge und Halland, auch in Rohuslän ge- 
macht. Er gluubt, dassSchouen von den dänischen 
Inseln aus bevölkert worden sei, denn die Stein- 
gcrutlie sind auf beiden Seiten des Sundes diesel- 
ben , wiewohl die ältesten Formen in Schweden 
nicht so unvernuHoht Vorkommen wie in Dänemark; 
beide Steinalter sind vielmehr vereinigt. Die Cul- 
tur folgte den Küsten und verbreitete sich dann 
nach dem Innern nnd nordwärts. Die Funde von 
Steingeräthen mit llausthierknochen in Westgoth- 
land gehören dem entwickelten Steinaltor an; wei- 
ter gegen Norden vermindern sich die Feuersteine 
mehr und mehr, wie überhaupt die Spureu des 
Steinalters aufhören. Am Mälarsee werden meist 
durchbohrte Hämmer und Steinbeile von Flint 
oder anderen Steinarten gefunden. Ein älteres 
Steinalter scheint in Schweden ganz zu fehlen, 
aber ältere Formen findet mau an der Küste, im 
Süden des Landes. Auch ein Rronzealter kommt 
nur den südlichen Provinzen zu. Er pflichtet 
Worsaae bei, der in Dänemark die Steincultur 
von West noch Ost sich verbreiten lässt, so dass 
die Kjökkenmöddinger nnd die Küstcnfunde in 
Seeland jünger sind als die Funde im Westen. Im 
mittleren Schweden, wo ein Rronzealter fehlt, ging 
das Steinalter dein Eisenalter gerade voran». Die 
Bronzeeultur überschritt nicht die südlichen Pro- 
vinzen, während die Eisencultnr das ganze Land 
eroberte. In den unteren Räumen des Ritterlmuaes 
hatte von Kurck eine Sammlung ältester Stein- 
geräthe ausgestellt. Worsaae fügt einige Worte 



hinzu über seine Eintheilung des dänischen Stein- 
alters in zwei Porioden, und wiederholt dass die alten 
Dänen nach Schonen sich verbreitet hätten. Die 
Funde beweisen ihm, dass die ersten Bewohner 
des Nordens von Westen gekommen sind, das« sie 
erst Jütland betraten, als die Küsten bevölkert 
waren , und dass sie viel später erst nach Seeland, 
Schonen und Finnland gekommen sind. 

Evans buatreitet, dass man das Steinalter da- 
nach eintkeilen soll, je nachdem die Werkzeuge 
polirt oder nur roh zngehanen seien, indem man diese 
alle Zeit für den gewöhnlichen Gebrauch benutzt 
hätte; man müsse die Eintheilung gründen auf die 
Lagerung der Gegenstände nnd auf die Tinerfauna, 
welche sio begleite. In Frankreich und Eng- 
land seien paläolit bische Werkzeuge mit den Kno- 
chen quaternärer Thiere zusammen gefunden wor- 
den. Wenn in Skandinavien die Gletscher länger 
bestunden als im übrigen Europa, so ist es be- 
greiflich, dass der Mensch wärmere Länder aofge- 
sucht hat nnd seine Spar in der ältesten Zeit im 
Norden fehlt. Worsaae bemerkt, dass die For- 
men der Steingeräthe dio Perioden besser bezeich- 
neten, als ob sie polirt seien oder nicht. Die 
Feuersteinmesser seien überall dieselben, aber 
nirgends begegne man, weder in England noch 
anderswo den schönen Dolchen aus Feuerstein, die in 
den Museen von Copenkagen und Stockholm so zahl- 
reich seien und dio neolitbische Periode Skandinavien» 
bezeiclmeten. Hamy wundert sich, dass Torei 1 
das Dasein des quaternären Monschon in Skandina- 
vien läugnc. Martins und Andere hätten das 
Alter der Hütte von Söderteige in dio Gletscher- 
zeit gesetzt. Desor hält die Berichtigung dieses 
Fundes für sehr «richtig. Er oriuuert daran, dass 
man in Frankreich, Deutschland und der Schweiz 
die Spur des Menschen mit Resten von Thieren 
nordischer Herkunft, sogar mit einer Flora der 
Polarzono gefunden habe. Kürzlich fand man bei 
Schaffhausen in der Schweiz ein Stück Rennthier- 
horn mit dem vortrefflich ausgeführten Bilde eines 
weidenden Rennthiers. Wenn damals unter dem 
47. bis 48. Grad der Breite dieselbe Thierwelt lebte, 
die heute unter dem 20. Grad lebt, wie soU es dem 
Menschen möglioh gewesen sein damals im Norden 
auszudauern, der Mühe hatte, 20 Grad südlicher 
sein Leben zu fristen. Es ist darum unwahrschein- 
lich, Sparen der paläolit hischen Zeit in Skandina- 
vien zu finden. Hildebrand erklärt, dass Toreil 
seine Zweifel über den Fund von Söderteige nicht 
näher begründet habe, dass er aber nach einer 
Mittheilung in der Stockholmer anthropologischen 
Gesellschaft seine Ansicht über diese Sache zu ken- 
nen glaube. Wahrscheinlich gehört diese Hütte 
der neueren Zeit an, jedenfalls ist ihre Geschichte 
viel zu zweifelhaft, um als Beweis für den quater- 
nären Menschen in Schweden zu gelten. Ber* 



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Referate. 



277 



trand glaubt, dass Desor zu viel behaupte, wenn 
er der Fauna der poläolit bischen Zeit in Frank- 
reich und der Schweiz einen nordischen oder gar 
polaren Charakter beilege. Die Ausräumung einer 
Höhle bei Bagnere» de Bigorre in den Pyrenäen 
zeigte unter 22 Thierarten nur 2, die jetzt dort 
verschwunden sind, darunter das Kenn. Bertrand 
bezweifelt, dass das südliche Frankreich jemals ein 
Klima besessen habe, wie das heutige Lappland. 
Quatrcfages erinnert daran, dass die Pyrenäen eine 
Bergkette darstellen, die Erhebung der Länder 
über dem Meer bewirkt ähnliche Klimate wie die 
höhere Breite, aber das Gebirgsklima ist ein ande- 
res wie das der Ebene, lloworth kommt auf 
die Steingerathe zurück. In Skandinavien , im 
mittleren und westlichen Europa bieten sie die- 
selben Formen dar, bis eine Veränderung eintritt. 
Die geschlagenen Feuersteine Schwedens und Däne- 
marks sind min in den anderen Ländern ausser 
Gebrauch. Ebenso geschah es in Neuseeland. Auch 
hier giebt es zwei Steinperioden, eine der rohen und 
eine der geschliffenen Werkzeuge, Diese kommen 
von den Maoris, welche in Jade oder anderen 
Mineralien dieselben Formen ausführten, welche sie 
früher den üeriitheu aus Holz und Knochen ge- 
geben hatten. In Europa ist mit der Bronze eine 
neue Zeit bezeichnet, sie trat zuerst in den süd- 
lichen Landern an als Stelle der Steingerathe. 
Später kam sie in den Norden, hier ahmte man 
die durch den Handel eingeführten Sachen nach 
in Stein. Das zeigen die dänischen Dolche. Er 
erwähnt ein Beil der Maoris, das man von einem 
im Norden gefundenen nicht unterscheiden kann. 
Auch fragt er, oh nicht in der zweiten Steinzeit 
Skandinavien, Jütland und die dänischen Inseln 
ein zusammenhängender Continent gewesen seien. 
Quatrefages giebt zu erwägen, dass das gleiche 
Bedürfnis* und die Anwendung gleichen Materials 
in verschiedenen Gegenden dieselben Werkzeuge 
habe hervorbringen müssen. Desor sagt gegen 
Bertrand, dass er seine Ansicht über das Klima 
der Vorzeit nicht nnr auf die Funde in den Pyre- 
näen stütze. Das Renn, der blaue Fachs, der 
Höhlenbär, das Elen hätten die Ufer des Rheins 
bewohnt und fanden sich jetzt im Norden. En- 
gelhardt spricht von neueren Funden auf der Insel 
Oeland, die einer Uebergangszeit zwischen den 
Kjökkenmöddinger und den Dolmen angehören. 
Zawisza theilt seine Funde in der Mammnthhöhle 
bei Warschau mit, es sind geschlagene Feuersteine 
von dem Madelaine- und Monstier-Typus und 
Geräthe von Knochen und Kennthiorhom, Knochen 
von 19 Arten, vom Mammuth, Bär, Elen, Hirsch, 
Renn, Reh, Pferd, Bison u. a. Der Hund fehlt, 
ebenso die Thongerätke. Er meint, der Gedanke, 
zu poliren sei dem Menschen eingegeben durch die 
Beobachtung, dass der Gebrauch den Feuerstein glatt 
machte und durch die Nothwendigkeit, flache Feuer- 



steine in den Schaft von Holz zu stecken. Die 
Lücke, die sich anderwärts zwischen rohen und 
polirten Gerfithen findet, zeigt sich nicht in den 
polnischen Höhlen. 

In der Nachmittagssitzung kam die Frage zur 
Berathung, welchen Wegen der Bernsteinhandel in 
der Vorzeit gefolgt sei. Vorher theilte llamy die 
Untersuchungen Martins mit über die quaternären 
Ablagerungen von Grenelle bei Paris. An den vor- 
gelegten Zeichnungen erkennt man die vollständige 
Uebereinandcrlagernug der verschiedenen Epochen 
der Steinzeit in Frankreich. Die archäologischen 
und anthropologischen Funde entsprechen den 
geologischen Thatsachen. Die Sandgruben von 
Grenelle können al» Typus der quaternären Schich- 
ten im Norden Frankreichs gelten. Stolpe be- 
zeichnet hierauf die Gegenden , welche den Bern- 
stein liefern, es sind zunächst die Küsten der Ost- 
und Nordsee. Sam 1 and in Ostpreussen ist die an 
Bernstein reichste Gegend der Erde, auch die 
Westküste Jütlands konnte einen grossen Theil 
Europas damit versehen. Der Bernstein Polens 
und Galliziens, sowie der sicilianische waren von 
keiner Bedeutung für die Cnlturgeschichte, wie- 
wohl der letztere iu den Tertiärschichten der Um- 
gegend von Catania häufig vorkommt. Der Han- 
del schlag zwei Wege ein, von der Ostsee ging der 
Bernstein, wie Plinius berichtet, nach Pannonien, 
von wo Griechen und Römer ihn holten, wie Münz- 
fuude beweisen, dann ging er von den Küsten der 
Nordsee durch das heutige Holstein über das 
westliche Deutschland nach der Schweiz. Es giebt 
Bernsteinfunde in Steingräbern von Westgothland, 
imEisenalter war er aber am meisten in Gebrauch, 
wie die Funde von Biörkö zeigen, wo über 1000 
Grm. gefunden wnrden ; aus der Bronzezeit ist nur 
ein Fund bei Eskilstun bekannt. Capellini 
weist auf den sicilischen und den Bologneser Bern- 
stein hin; er glaubt, dass der in den Nekropolen 
des ersten Eisenalters von Villanova und Marza- 
botto gefundene aus Italien Btammt, dass man aber 
später, als die Etrusker in Verkehr mit den nor- 
dischen Völkern getreten waren, sich lieber des 
gelben Bernsteins bedient habe, der italienische 
zeigt manche Verschiedenheit, gewöhnlich ist er 
röthlich und polychrom. Wiberg ist der Ansicht, 
die Handelswege seien den Flüssen gefolgt, der 
Elbe und Oder, dem Rhein und der Rhone. Vir- 
chow glaubt nicht, dass die Bewohner von Villa- 
nova und Marzabotto den italienischen Bernstein 
gekannt und angewendet haben. Sie bezogen 
denselben allein aus Deutschland, wo die südlichen 
Völker wohl auch Pelzwerk holten und alsTauscli- 
waare Elfenbein und Bronze brachten. Ho worth 
verneint die Frage, ob die Alten Bernstein aus Ita- 
lien bezogen hätten, denn er wurde zuerst im 
Norden und schon in der Steinzeit angewendet, in 



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278 



Referat*'. 



Italien erst zur Eisenzeit. Evans meint, die 
alten Handelswege seien wohl dieselben gewesen 
wie die, welche später Griechen und Römer be- 
nutzt hätten, ln Großbritannien habe man Bern- 
steinsachen von derselben Form gefunden, wie 
solche aus Schmelz, die im Laude gefertigt waren. 

Der folgende Sonntag wurde der Besichtigung 
der Kunst- und Alterthümer-Sammlungen , zumal 
des National-Museunis, unter der lehrreichen Füh- 
rung der Directoren gewidmet , auch wurden don 
Fremden in kleineren Kreisen von den angesehen- 
sten Bewohnern der Hauptstadt in zuvorkommend- 
ster Weise Einladungen zu Tbeil. Die bemer- 
kenswert hesten der im Ritter hause ausgestellten 
Sachen waren: eine nach der geologischen Karte 
aosgearbeitete archäologische Karte des Mälarthales 
nnd zahlreiche Bilder schwedischer Grabhügel, 
Steinsetznngen nnd Runensteine. Eine umfassende 
Aasstellung von Zeichnungen finnisch-ugrischer 
Altvrthümer hatte Aspelin gemacht, es waren 
Schmuckgeräthe , Gelasse, Menschenbilder, Grab- 
schädel und eine archäologische Karte dieses Ge- 
bietes, welches vom botiiischen Meerhusen und 
Öland im Westen bis zum Baikalsee im Osten, 
von Ishavet im Norden bis zur südlichen Grenze 
Curlands und bis zu einer Linie reicht, die Tara- 
bow mit Orenburg verbindet. Es fanden sich fer- 
ner da Lindberg's Photographien von Gegen- 
ständen des National-Museums und von Wand- 
malereien schwedischer Kirchen, von v. Kurck 
Steingeräthe und Knochen von Lindorraahacken 
und Kingfjön, ander«* von Graf Hamilton, von 
Graf Ehrenswörd die neu aufgenommenen Zeich- 
nungen der Felsenbilder von Bohuslän in natür- 
licher Grösse, von Bruzelins die der von ihm neu 
entdeckten Felseninschriften u. A. Am Montag 
den 10. August stand die Frage auf der Tagesord- 
nung: „Wie verhält sich in Schweden die Zeit 

der geschliffenen Steingeräthe? Sind die Funde 
dieser Zeit einem einzigen Volke zuzusclireihen 
oder haben mehrere Volksstämme zu gleicher Zeit 
das Land bewohnt? 1 * Sven Nilsson erinnerte zu- 
vor an alte Funde an der Ostseeküste zwischen 
Trelleborg und Falsterboo, wo man 4 bis 5 Fass mäch- 
tige Torfmoore findet; auf dem Boden derselben 
unter dem jetzigen Meeres&tande fanden sich Stein- 
geräthe, die, wie es schien, nicht einem Grahfunde 
angehörten. In Falaterboegnen liegt Y* Meile vom 
Land ein Torfmoor, da muss zuvor Land gewesen 
sein. Schonen hing ehemals mit Deutschland zu- 
sammen und sein nördlicher Theil war Skandina- 
viens Nordgrenze, darüber hinaus lagen nur In- 
seln. Dm Rennthier wunderte also von Süden ein 
und die fossilen Renuthierkuochen Schonens gehö- 
ren eingewauderten Thieren an. Die hier in den 
Torfmooren gefundenen bearbeiteten Renntbier- 
knochen halt er für die ältesten Sparen des Men- 
schen in Schweden. Montelius legt die Karte des 



südlichen und mittleren Schwedens vor, auf wel- 
cher 500 geöffnete Gräber der polirten Steinzeit 
verzeichnet sind ; sie liegen mit Ausnahme der 
Ebene von Falköping, die eine der fruchtbarsten 
Gegenden Schwedens ist , immer in der Nähe des 
Meeres oder au «len Wasserläufen. Am zahlreich- 
sten sind sie in WeRtgothland, Schonen, Bohnslän, 
Dalsland nnd dem westlichen Wermland. Es giebt 
vier Arten derselben, Dolmen oder Stendysser, 
Ganggräber oder Gallerieen, Steinkreise und Hügel. 
Die letzteren liegen jetzt fast alle in bebauten 
Landstrichen. Steinfunde sind bis jetzt 37000 ge- 
macht! Rygh hält die im Norden Skandinaviens 
gefundenen Steingerätho für lappischen Ursprungs. 
Von 900 Werkzeugen sind nur 350 von Flint, der 
über dem 65. Breitengrade in Norwegen nicht 
mehr vor kommt; die Messer, Beile, Meissei und 
Lanzenspitzcii sind hier von Schiefer und Sand- 
stein oder von Rennthierhorn. Ein bei Drontheim 
vor 3 Jahren entdecktes Kjökkenmödding enthielt 
solche Steingeräthe mit Elen- und Rennthierkno- 
chen. Rygh will diese Gcräthe, die einem ande- 
ren Volke zuzuschreiben sind, arktische nennen. 
Sie beweisen, «lass die Gegenden, wo sie eich fin- 
den, früher von Lappen bewohnt waren. Anch 
haben diese solche Goräthe bis znm Anfang dieses 
Jahrhunderts noch bcimtzt. Ein Fund bei Waran- 
gerfjord deutet auf ein von Jagd und Fischfang 
lebendes Volk, er lieferte nur ein Steingeräth; 
ebendaselbst sind Lappengräber. Bertrand 
fragt, ob das Renn im Nordeu zahm oder wild 
gewesen, für Frankreich und Deutschland nehme 
man den wilden Zustand an. Montelius sagt, 
dass man seine Reste nie in Küchenabfallen nnd 
Gräbern gefumlen habe. Hildebrand berichtet, 
dass man in den Gräbern der polirten Steinzeit 
Knochen der Hausthiere in Menge finde, zumal in 
Schonen und Westgothland, einige sind bearbeitet. 
Das Volk, welches die Stendysser baute, hatte 
zahme Thiere. Die Dolmeu und die Ganggräber 
weisen in Schweden nicht auf verschiedene Völker 
und Zeiten, welches auch Rygh’s Meinung ist. 
Die ersten kommen in Schweden und Dänemark 
längs der deutschen Küsten vor, sie verbreiten sich 
in Norddeutschland bis Holland und Polen und 
alle diese haben denselben Typus. Aber davon 
verschieden sin«! die französischen, englischen, 
spanischen und portugiesischen. Wenn auch von 
verschiedenen, damals in Europa lebenden Völkern 
solche Gräber gelmut sind, so liegt ihnen doch 
derselbe Gedanke zu Grunde, dem Todten eine 
Wohnung aufznrichten , wie er sie im Leben ge- 
habt hatte, denn man hielt «las jenseitige Leben 
nur für die Fortsetzung des irdischen. Auch in 
Italien findet man solche, die, wie des Cyrus Grab- 
mal, einem Hause gleichen. Worsaae bestreitet 
die Ansicht, dass Lappen und Finnen die Urbevöl- 
kerung Schwedens gewesen und später nach Nor- 



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Referate. 



279 



den gedrängt worden »eien, weil die polirten Stein- 
sachen dem südlichen Schweden angeboren nnd 
die arktischen Formen sich nur im nördlichen 
Theile der Halbinsel finden. Die Cultur drang 
aus dem Süden nnd Westen Europas in Dänemark 
und von hier in Schonen ein und breitete sich 
nördlich aus, eine andere kam von Russland über 
Finnland nach dem nördlichen Schweden und Nor- 
wegen, wo sie mit jener zusammentraf. Lappen 
können nicht als Ueberreste von Schwedens Ur- 
bevölkerung angesehen werden. Nachdem Daly 
einige Angaben über die ältesten Grabmäler Aegyp- 
tens gemacht, Bprach von (^u ast über die Verbrei- 
tung der Dolmen in Deutschland und 11 o worth 
über die Herkunft der europäischen Völker aus 
Asien, er meint, die Gegend des Cauca&us werde 
für die älteste Geschichte derselben wichtige Bei- 
träge liefern können. Hierauf weist Quatrefages 
auf die Racenanatomie hin, die bestimmt sei, die 
Frage nach den alten Völkern Europas zu lösen. 
Er vertheidigt die Ansicht, dass eine alte Bevölke- 
rung Europas durch eine arische Einwanderung 
verdrängt worden sei. Ihm erscheint es wichtig, 
dass das Rennthier, welches sich von Asieu bi» zu 
unserem Welttheil verbreitete, dasselbe ist, welches 
jetzt in der arktischen Zone lebt. In Bezug auf 
die Hausthiere bemerkt er, dass durch Zähmung 
in dem Laufe der Zeit unter günstigen Umstän- 
den neue Formen entstanden seien, die nun fort- 
beetehen, er nennt sie Races libres. Er bezweifelt, 
dass die Lappen Ureinwohner des Nordens gewe- 
sen seien, denn er habe Schädel aus den ältesten 
Gräbern untersucht, welche wesentlich verschieden 
seien von den lappischen. Virchow macht einige 
Zusätze zu der Bemerkung von Quast's über die 
Verbreitung der Dolmen in Deutschland, er hebt 
hervor, dass die Elbe eine Grenze der Steindenk- 
male sei, und dass sie in einigen Gegenden fehlen, 
wo kein Mangel an erratischen Blöcken ist, er 
tlieilt Worsaae’s Ansicht über die Verbreitung 
der Cultur im Norden. Die Ansicht, dass die 
älteste Bevölkerung Europas eine turunische ge- 
wesen sei, hält er für nickt hinlänglich bewiesen, 
keine Race zeige so viele Abänderungen als diese, 
weshalb man sich vor voreiligen Schlüssen hüten 
müsse. Man könne eine Reihe verfolgen von 
Lappen und Finnen durch ganz Asien bis zu den 
Eskimo*. Er meint die craniologische Kenntnis« der 
alten Raoen sei noch zu wenig vorgeschritten, um 
sichere Behauptungen aufstellen zu können: auch 
wüssten wir noch nicht , in wie weit die typische 
Form des Schädels durch individuelle Einflüsse nb- 
geändert werden könne. Quatrefages giebt 
die Lücken und Schwierigkeiten der anthropolo- 
gischen Forschung zu, er nennt den Menschen da« 
meist umherschweifende von allen Geschöpfen und 
erinnert an die unzähligen Mischungen der Volks- 
stäiume. Er hält es für unerlässlich, den Typus 



der Schädel der Vorzeit genau featzustellen und 
seine Spuren in der heutigen Bevölkerung nachzu- 
weisen. Wenn die Urform anch schwer wiederzu- 
finden ist, so muss sie doch einmal bestanden ha- 
ben. Die nach einer langen Reihe von Generationen 
zuweilen unter den Lebenden wiedererscheinenden 
Spuren des vorhistorischen Menschen, z. B. die 
Schädelbildung des Neanderthalers , ist ihm ein 
Beweis dafür, dass der Racencharakter unveränder- 
lich ist. Dasselbe lehre der Atavism bei den Thie- 
ren. Wir hätten den Ursprung des Menschen aber 
nicht mehr in der quaternären, sondern indermio- 
cenen Zeit zu suchen. Er läugnet eine von den 
Lappen zu den Eskimos führende Reihe, da die 
Behringsstrasse sie ahbricht; auch bestreitet er, dass 
nahewohnende Völker einander gleichen, da es leicht 
sei, Beispiele vom Gegentheil anzuführen. Virchow 
und Quatrefages tauschen noch einmal persönliche 
Ansichten aus, ohne das« eine Einigung erzielt 
wurde. Gegen 12 Uhr war der König in der Ver- 
sammlung erschienen, er wurde mit lebhaftem Bei- 
fallsrufe begrünt. Er hiess die Mitglieder in 
Schwedens Hauptstadt willkommen und liess sich 
neben dem Präsidenten, Desor, nieder, welcher 
dem Könige dankte, dass er den C'ongress mit sei- 
ner hohen Gunst und Gegenwart beehrt habe. Der 
König folgte nun den Verhandlungen bis zum 
Schlüsse, worauf er sich die Mitglieder des Conseils 
vorstelleu liess. 

Am Nachmittage las Pozzi eine Mittheilung 
von de Mortillet über das Nichtvorhandensein 
eines sogenannten Dolnicnvolkes. Diu Dolmen 
sind ihm nur Nachahmungen der Felsengrotten 
und können zu gleicher Zeit in verschiedenen 
Gegenden in Gebrauch gekommen sein. Hamy 
beschreibt einen au« der neolithischen Zeit stam- 
menden Dolmen der Umgegend von Paris und 
glaubt die Ausicht Mortillet’s bestätigen zu 
können, weil man in diesen Dolmen dieselbe Men- 
schenrace finde, wie in der Rennthierzeit. Lo- 
runge bestätigt Uvghs Angaben überein lappisches 
»Steinalter. Capellini beschreibt neue Funde 
im Gebiete von Bologna, den eines Brunnengrabes 
bei Bazzano und den einer Feuersteinwerkstätte. 
Bisher glaubte inan , das« die hier gefundenen 
Flintsachen eingeführt seien, jetzt weis» inan, dass 
sie hier gemacht sind und er fragt, ob man nicht 
ginmal dieselbe Entdeckung in Bezug auf den 
Bernstein machen werde, den man dort in den 
ältest ei^h^bern finde. Caznlis de Fondouce, 
de Bare untkßellucci berichten hierauf Über die 
ältesten Bernsteinfunde in Frankreich und Italien; 
sie gehören der Bronzezeit an oder dem Uebergang 
der polirten Steinzeit in diese. In dieselbe Epoche 
oder in die erste Eisenzeit gehören nach Chan t re 
die Funde in den savoyischen Alpen und in der 
Dauphine. Engelhardt glaubt, dass die zahl- 



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280 



Referate. 



reichen griechischen Münzfunde im Norden den 
Weg bezeichnen, den der Bernsteinhandel der 
'Weichsel und Donan entlang genommen hatte. In 
Dänemark ist der Bernstein sehr häufig in den 
Dolmen der Steinzeit, später wird er seltener, weil 
er vom Handel gesucht und theuer bezahlt wurde. 
Oppert giebt au, dass die verschiedenen Namen 
des Bernstein in den verschiedenen Sprachen kei- 
nen Aufschluss über seine Geschichte gäben. Er 
glaubt, dass die Phönizier ihn an den Küsten 
Frankreichs und Englands holten, wohin er vom 
Norden gelangte, ein anderer Weg führte ihn 
durch Deutschland der Donan entlang nach den 
Küsten des schwarzen Meeres. Dirks spricht 
Ober Bernsteinfunde in Holland. Landberg 
glaubt, dass man bei den Phöniziern nur den An- 
fang des Bernsteinhandels zu suchen habe. Salo- 
mo n undHiram schickten Schiffe nach dem Orient, 
um Bernstein und andere Kostbarkeiten zu holen. 
Der kananitische Cultus gebrauchte ihn bei den 
Opfern, diese Anwendung findet er noch im Liba- 
non. Er fand ihn in alten Gräbern, auch in sol- 
chen, die wahrscheinlich kananitischen Ursprungs 
sind. Bertram! kommt auf Mortillet’s Ansicht 
über die Dolmen zurück, er giebt nicht zn, dass 
die Höhlenbewohner die Dolmen errichtet, eine 
neue Race habe eB gethan und ihr Gebrauch habe 
sich auf dem von ihm angegebenen Wege ans- 
gebreitet. Evans meint, man soll bei der Erklä- 
rung der Dolmen die geologische Beschaffenheit 
des Landes nicht aus dem Auge verlieren, ihr Man- 
gel in gewissen Gegenden könne allein daher rüh- 
ren, dass es an Steinblöcken fehlte, sie zu banen. 
Sc hu aff hausen berichtet über alte Schädelfunde 
im Rheinland und in Westphalen. Bei Höchst 
wurde im Löss ein germanisches Grab gefunden 
mit einem Steinbeil an der Seite des Todten, der 
dolichocephale Schädel hat. die bekannte niedere 
Stirnbildung mit voriretendun Augenbranenbogen 
und breiter Nasenwurzel, er ist in Folge des Grei- 
senalters in einer Pachion fachen Grube durch- 
löchert. Er zeigt ferner das Bild des sehr prog- 
nathen weiblichen Schädels, der im vulcanischen 
Sande zu Coblenz gefunden ist und nach seiner 
Lagerung ein hohes Alter in Ansprach nimmt, und, 
am die niedere Bildung des deutschen Frauen- 
schädels der Vorzeit anschaulich zu machen, die 
vom Maler Philippart nach einem prognathen 
Schädel aus einem Grabe beiCamburg an der Saale 
gezeichnete Skizze dieses Mädchenkopfes, wie er 
im Leben ungefähr aiiBsah. Gegen Qnatrefages 
bemerkt er, dass die alten Scbädeltypen verschwun- 
den seien, und nur ausnahmsweise einzelne Merk- 
male derselben auftauchteu, woraus also nicht eino 
Beständigkeit des Typus, sondern gerade das Ge- 
gentheil folge. Wenn auch der viel besprochene 
Schädel den Kay-Lükke den rohen Schädeln der 
dänischen Vorzeit gleiche, so beweisen doch andere 



Merkmale, dass er der neueren Zeit angehöre. Auch 
erkennt er nur eine entfernte Aehnlichkeit leben- 
der Köpfe oder moderner Scbädel mit der Bildung 
der Ncanderthaler Hirnschale an. Für sehr wich- 
tig erklärt er den Fund eines Lappenschädels bei 
Hamm im alten Flussbett der Lippe, wo er 17 Fass 
tief im Gerolle gelegen hat. Er beweist, dass 
diese Rasse sich bis in das Rheingebiet verbreitet 
hatte. Wie an den photographischen Bildern ge- 
zeigt wird, ist nächst der kleinen rundlichen Schä- 
delform eine eigenthümliche Kieferbildung üas 
charakteristische Kennzeichen dieser Race. Sodann 
fordert er zur Beobachtung der alten Flussufer 
auf, die in vielen Stromthälern bereits beachtet 
sind. Ihre Bildung muss in die Gletscherzeit fallen 
und sie können deshalb als Zeitmesser benutzt 
werden. Am Rhein liegen auf denselben die älte- 
sten Grabstätten. Endlich legt er einen bei 
Rheine gefundenen durchbohrten Steinhammer vor, 
um den strahlenförmig geordnet 6 Steinmeissei 
lagen. Diese eigenthümliche Anordnung hat wohl 
eine religiöse Bedeutung. Einige der letzteren 
sind Geschiebe and scheinen fremden Ursprungs 
zu sein. Nur Montelius hat über einen ähn- 
lichen Fund berichtet, wo zahlreiche Steingeräthe 
in einem regelmässigen Halbkreise lagen. Ancb 
zeigte er einen bei Neuss 6 Fuss tief im Rhein- 
lehm gefundenen fast 3 Pfund schweren Thorham- 
roer von Blei. Genau dieselbe Form findet sich 
wieder an einem kleinen silbernen Amulet des 
Stockholmer Nationalmuseums (Nr. 131) das bei 
Täby mit kufischen Münzen des 9. bis 10. Jahr- 
hunderts gefunden worden ist. Dieser seltene Fund 
eines Thorhammers, über dessen Alter sich noch 
nichts Bestimmtes sagen lässt, giebt Veranlassung, 
den bis in spätere Zeit fortdauernden Aberglauben 
zu schildern, der sich an den unseren Vorfahreu 
heiligen Hammer knüpfte. In den Isländischen 
Sagen hat sich das Meiste davon erhalten. Er 
diente dazn, das Brautpaar zu weihen, Leichen 
einzusegnen, aber auch den Dieb su erkennen und 
mittelst des Hammerwurfs dio Grenzen des Eigen- 
thums zu bestimmen. Noch bei Frauenlob sagt 
eine Jungfrau, dass Gott Beinen Hammer in ihren 
Schoos geworfen habe. Schon J. Grimm glaubt, 
dass der Schlegel oder die heilige Keule, mit der 
der Sohn den alten Vater erschlag, um ihm die 
Gebrechlichkeiten des Alters zu ersparen, ursprüng- 
lich dasselbe Werkzeug war. Wie Al. Reiffer- 
scheid nachweist, wurde derselbe auch dem Manne 
an die Haast hür gehangen, welcher sich von seiner 
Frau hatte schlagen lassen, welcher seltsame Gebrauch 
noch gegen Ende des vorigen Jahrhunderts in einem 
Dorfe bei Nürnberg bestand. (Hopfner n. Zacher, 
Zeitschr. f. deutsche Philol. VI, S. 38.) V irc ho w be- 
merkt. dass erden erwähnten Schädel von Camburgfür 
mikroccphal halte und dass man deshalb aus seinem 
Prognathismus keinerlei Schlüsse über dos vormalige 



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Referate. 



281 



Aussehen der deutschen Mädchen machen dürfe. 
Hierauf legt Gratama Photographien der bemer- 
kenswerthesten Steiudenkmale der holländischen 
Provinz Drenthe vor und zeigt an, dass die Regie- 
rung viele derselben angekauft habe, um für ihre 
Erhaltung zu sorgen. 

Am 11. September wurde eine Fahrt nach 
Upaala gemacht. Der Eisenbahnzug fuhr, auf allen 
Stationen mit Lebehochs und wehenden Fahnen 
begrüsst, zuerst nach der alten Stadt, wo in den 
60 Fuss hohen und etwa 130 Fusa breiten Hügel 
der Freya ein Einschnitt bis zur Mitte gemacht 
war, Jn dem fast die ganze, von Hildebrand 
Vater und Sohn geführte Gesellschaft eintretcn 
konnte. Hier sah man an der ursprünglichen Stelle 
den künstlichen vom Feuer gerotheten Thonboden, 
auf dem der Scheiterhaufen gebrannt hatte und 
einen kleinen Haufen Steine, nnter denen die Kno- 
chenreste der Bestatteten und einige Schmuck- 
geräthe gelegen hatten. Kohlen, Thierknochen 
nnd Topfreste, die im Hügel gefunden waren, lagen 
ausgestellt, die werthvolleren Gegenstände, einen 
Ring aus Golddrath und einen geschnitzten Kno- 
chen, worauf ein kleiner Amor dargestellt ist, eine 
römische Arbeit, die die Errichtung deB Hügels in 
das 4. bis 6. Jahrhundert u. Z. weist, bewahrt da» 
Stockholmer Museum zur Seite der Funde aus dem 
schon früher geöffneten Odtnshügol; der Tborhügel 
ist noch nicht- geöffnet. Am Durchschnitt des aus 
Sand und Lehm aufgehäuften Hügels erkennt man 
schon an der verschieden gefärbten Erde, die wohl 
in Körben hinaufgebracht war, die künstliche Auf- 
schüttung. Von der Spitze des Hügels genoss man 
einen weiten Blick auf die Ebene von Upland, Stu- 
denten kredenzten in grossen Trinkhörnern den 
Meth. Nun ging nach einem Besuch der alten 
Kirche der Zug zurück nach Upsala. Hier empfing 
die Ankommenden auf dem Bahnhöfe eine statt- 
liche Schaar von Studenten mit ihren Bannern und 
mit Musik an der Spitze. Einer der Professoren, 
Herr Mesterton, begrüsst« die Gäste, die nun zwei 
trefflich gesungene Lieder anhörten; beim Värt- 
land hatten Alle das Haupt entblöst. Dann bewegte 
sich der Zug durch die geschmückte Stadt in den 
botanischen Garten, wo vor dem Orangeriehause, 
in dem Lin ne ’s Büste steht, gegen 1000 Personen 
an reich gedeckten Tischen bald sich gütlich 
thaten. Au Toasten war Ueberfluss. Grossen Bei- 
fall fand der von Quatrefagen auf „das weissc 
Mützenbattaillnn. u Ein Student trat vor und reichte 
dem Redner im Namen derCommilitonen die schwe- 
dische Studentenmütze, die dieser an dem Tage 
nicht mehr ablegte. Die gleiche Ehre ward Ca- 
pellini zu Theil, nachdem pr den Wunsch ausge- 
sprochen, dass auch der nächste (Ingress in Skan- 
dinavien , nämlich in Norwegen möge gehalten 
werden. Nachdem nun noch der Dom, die wissen- 

Archiv fltr AjiHiropolmrir. Bd. VII. 11*ft 1. 



schftftlichen Institute, die Bibliothek mit der Bibel 
desUlfila's gesehen waren, ging es zurück in die 
Hauptstadt. 

Am 12. wurde über die Kennzeichen des 
Bronzealters in Schweden verhandelt. „Giebt es 
eine Uebereinstimmung in Sitten und Gebräuchen 
dieser Zeit Schwedens mit anderen Ländern Euro- 
pas? In welchem Verhältnis* steht das Bronze- 
alter zu den voraufgegangenen Zeiten?“ fragte 
das Programm. Soldi stellte die Behauptung auf, 
dass die schönsten Steinbeile nur Nachbildungen 
vou Bronzebeilen seien. Er zeigte einen Stein- 
hammer aus dem Stockholmer Museum mit einer 
erhabenen Linie, welche er für nichts anderes hielt, 
als für die Copie einer G assnaht, die sich an dem 
zum Muster gebrauchten Bronzebeil befand. 
Hildebrand sagt, es frage sich, mit welchen 
Gegenständen der Hammer zusammen gefunden sei, 
er sei sicher nicht mit Bronzegeräthcn gefunden. 
Doch giebt er zu, dass gewisse Formen die Ge- 
genstände aus jüngerer Zeit nachahmten. Franks 
bemerkt, die Funde in den Pfahlbauten bewiesen, 
dass durchbohrte Hämmer der polirten Steinzeit 
angehörten, solche in England aber zeigten, dass 
man sich derselben auch ira Anfänge des Bronze- 
alters bedient habe. In England konnten Stein- 
hämmer unmöglich nach Mustern durchbohrter 
Bronzehämmer gemacht sein, da diese dort unbe- 
kannt sind. Die Behauptung Klemm 's, dass die 
Steinhämmer mit cylindrischen Bronzewerkzeugen 
durchbohrt seien, sei falsch, weil dies unmöglich 
sei. Soldi bleibt bei seiner Ansicht, dass man 
Bronze Werkzeuge in Stein nachgeahmt habe, diese 
hätten aber nicht zum täglichen Gebrauche gedient, 
sondern zu religiösen Zwecken und beim Begräb- 
niss. Dagegen spricht D e so r , er kennt kein Bronze- 
beil von der angegebenen Form ; auch von Kur ck 
sagt, die von Soldi bezeichneten kahufürinigen 
Hämmer würden niemals mit Bronzesachen ge- 
funden, sondern mit geschliffenen Flintgeräthen 
und in Gegenden, die gar kein Bronzealter haben, 
sie gehörten also in die Steinzeit. In diesem 
Augenblicke tritt S. Maj. der König mit beiden 
Königinnen in den Saal, von der Versammlung mit 
den lebhaftesten Beifallsbezeugungen begrüsst. 
Sie nehmen auf den für sie bestimmten Sitzen 
Platz und wohnen der Sitzung bis zum Schlüsse 
bei. Hildebrand hebt hervor, dass sich die 
skandinavischen Bronzesachen durch Schönheit der 
Form und Vollendung der Arbeit auszeichneten 
und man nur selten in südlichen Ländern etwas 
Aehnliches finde. In Ungarn könne die Bronzezeit 
nicht entstanden sein, denn daun müssten die dor- 
tigen Typen einem altern Entwickelungstadiura 
angehöreu als die schwedischen; es verhalte sich 
aber umgekehrt. Er zeigt den Unterschied 
zwischen den schwedischen und ungarischen Dolch* 
36 



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282 



Referate. 



klingen und Schwertern, diese lassen einen jüu- 
geren Typus erkennen, aber die ungarische Bogen- 
« pan ge hat eine ältere Form als die schwedische. 
In beiden lindern war das Bronzealter gleich- 
zeitig, stellte al>er eine verschiedene Enwickelung 
einer und derselben älteren und ursprünglichen Civi- 
lisation dar, welche wahrscheinlich der gemeinschaft- 
liche Ausgangspunkt für Europas ganze Bronze- 
zeit war. Hierauf erklärt Lorange, dass man 
das Bronzealter in Norwegen geläugnet habe, es 
sei aber durch Grabfunde und Felseninschriften 
bei Frederikshald, Bergen und Drontheiw und 
mehr landeinwärts bewiesen. Evans führt an, 
dass in England, Bronzedolcho in Gräbern häufig 
seien, Bronzeschwerter aber fehlen, auch Schwerter 
mit Bronzegriffen Beien selten, jene Dolche er- 
scheinen als die ersten Waffen im Beginne der 
Bronzezeit. Hildebrand berichtigt, dass nicht 
die ungarischen Dolche, sondern die schwedischen 
kurze Handgriffe hätten, die auf eine kleine Hand 
deuteten. Frhr. von Kurck berichtet, dass man 
nur in Schonen ältere Bronzen finde, wo auch das 
Stcinalter am meisten entwickelt gewesen sei , im 
übrigen Schweden kommen fast nur jüngere Bronze- 
sachen vor, denen die reiche Ornamentirung mit 
Spiralen fohlt. Gussformeu gebe es in Dänemark 
wie in Schweden nur für einfache Feite und ähn- 
liche Gegenstände ohne fernere Arbeit, sic gehören 
einer späteren Zeit an. Es scheine, dass ein frem- 
des kriegerisches Volk, welches sich das Land 
unterwarf, die schönen Bronzewaffen gebracht 
habe, die mit dem kleinen Messer, der Pincette und 
dem fein verzierten Rasiruiesser in jedem Grabe 
liegen; in den Frauongräbern liegen Armringe und 
anderer Schmuck von gleichem Geschmack. Die 
Funde bezeichnen oft grössere Niederlassungen, 
lra älteren Bronzealter finden wir kaum eine Spur 
des Ackerbaues und von Hausthiereu nur das 
Pferd. Nach längerer Zeit entstand das jüngere 
Bronzealter, welches zu friedlicheren Beschäftigun- 
gen überging. Woher kam dies Bruuzevolk? Von 
einem benachbarten Festland? Seiue Spur ist 
nicht bekannt. Aber die Fahrzeuge, die so oft 
auf den Blättern der ältesten Messer wie auf den 
Felseninschrifteu von Bohuslän abgebildet sind, 
deuten auf eine Meerfahrt, die später ein Gegen- 
stand der Aufzeichnung, eine geschichtliche Er- 
innerung war. Dies Volk kam schnell und zahl- 
reich und schaffte sich mit seinem Schwert Gehor- 
sam, es brachte diese Watten nicht als Tauschmittel 
oder Handels waare mit, denn eine feinere Cultur, 
wie sie in diesen Bronzewaffen und Gorätheu sich 
ansspricht, war nicht in solchem Umfang Bedürf- 
nis« jener Wilden, welche das Land dünn bevöl- 
kerten und kein Tauschmittel dagegen abzusetzou 
hatten. Keine Cultur ist bekannt, welche der Ur- 
sprung des nordischen Bronzealters sein könnte, 
keine Waffen sind gefunden, die an Schönheit sich 



mit den unseren messen könnten. Unter 100 
anderwärts gefundenen Schwertern ist eines oder 
ein Paar, welches jenen gleicht. Er findet Nils- 
ton ’s Hypothese, dass die Phönizier dies Volk ge- 
wesen, welches asiatische Cultur hierher gebracht, 
ansprechender als jede andere, hält aber die ganze 
Frage für noch nicht gelöst. Montelius lenkt 
die Aufmerksamkeit auf die Felseninschriften von 
Bohuslän. Ilolmberg’s ältere Abbildungen der- 
selben waren anvollkommen, Graf Ehrenswörd 
hat sie in natürlicher Grösse neu darstellen lassen. 
Die sehr gelungenen Tafeln sind unten im Ritter» 
liause aufgelegt, können aber ihres grossen Um- 
fangs wegen leider nicht ganz aufgerollt werden. 
Hildebrand, der Vater hat bereits vor mehreren 
Jahren bewiesen, dass diese Sculpturen der Bronze- 
zeit angeboren, weil sehr oft die charakteristische 
Form des Schwertes, die Spiralen nnd dergleichen 
dargestellt sind, sie sind überhaupt in einer von 
den Inschriften des Steinalters verschiedenen Weise 
gemacht; auch trifft man sie in den an Bronze- 
funden reichsten Gegenden. Dem Eisenalter kann 
man sie nicht zuschreiben, weil sie niemals Runen 
enthalten. Bruzelius berichtet, dass Holmberg 
sie 1848 noch dem Kisenalter zugeschrioben habe, 
Br uni us dem Steinalter. Er selbst hat in Schonen 
zwei neue Inschriften entdeckt, eine 1869 bei 
Simrislund, die andere 1873 bei Jerrestad. Die 
Darstellungen gleichen denen des Kivik- und des 
Viifara- Denkmals, sowie auch denen von Bohuslän. 
Er glaubt, dass sie das Andenken an irgend ein 
Kriegsereigniss auf die Nachwelt bringen sollen. 
Die Figuren sind Schiffe, runde Aushöhlungen, 
Kreise mit einem Kreuz, welches wohl Räder mit 
4 Speichen sind, Menschen, Pferde, Reiter, Schlan- 
gen. Die neu entdeckten Felseubilder liegen mit 
dem Denkmal von Viifara in einem Umkreis von 
einer Quadratmeile und zwei Meilen vom Kivik- 
steine entfernt. Alle in Schweden vorhandenen 
gehören wohl in die Bronzezeit, mit Ausnahme 
vielleicht der in Jämtland- Desor bemerkt, dass 
man im Jura sogenannte Napfsteine finde, es Bind 
erratische Blöcke, auf denen man ähnliche Vertie- 
fungen gemacht hat. wie sie sich auf diesen Felsen- 
bildern -finden. Haben sie irgend eine Beziehung 
zu diesen? Die Sorge, die Erinnerung an irgend 
ein Ereignis» den künftigen Geschlechtern zu über- 
liefern, verräth jedenfalls eine schon vorgerückte 
Geistesbildung. Sol di glaubt nicht, das» man 
mit Bronzewerkzeugen den Granit habe bearbeiten 
können. Man müsse Feuerstein oder Stahl Werk- 
zeuge dazu gebraucht haben, es sei bewiesen, dass 
die Aegypter sieb der letzteren bedient hätten. 
Hildebrand der Vater theilt mit, dass er in der 
Provinz Norrland ganz gleiche Felsen bilder ge- 
funden habe wie die im südlichen Schweden be- 
kannten. Hildebrand, Sohn sagt, dass iu allen 
schwedischen Landschaften solche Napfsteine in 



Referate. 



283 



grosser Zahl vorkämen, ihr Alter Bei schwer zu 
bestimmen; aber da» schwedische Volk verehre nie 
noch heute und lege Opfergaben in die schalen- 
förmigen Vertiefungen, um vor Krankheiten ge- 
schützt zu sein, oder Heilung zu erlangen. Ferner 
spricht eine isländische Sage von einem solchen 
Stein, der nur mit der skandinavischen Einwande- 
rung dahin gekommen sein kann, ln Schweden 
giebt man sogar grossen und tiefen Aushöhlungen, 
die nur das Wasser auf Felsen hervorgebracht hat, 
eine solche Deutung und nennt sie Riesenkessel. 
Engelhardt bemerkt gegen von Kurck, in Be- 
zug auf die Geschichte der Hausthiere, dass die 
Bewohner Dänemarks zu Ende des Steinalters 
bereits den Ochsen, das Schaf, die Ziege und das 
Schwein gehabt hätten. Sodann erwähnt er zwei 
Scnlpturen auf Stein tafeln der Dolmen in Däne- 
mark, sie stellen ebenfalls Räder und Schiffe dar. 
Virchow zeigt zum Beweise des Handelsverkehrs 
der Etrusker mit dem Norden das Bild eines Bronze- 
eimers mit Reifen; er ist in der Provinz Posen ge- 
funden und gleicht denen der Certosa von Bologna. 
Worsaae erklärt, dass man in Dänemark nichts 
Aehnliches gefunden, dass diese Gegenstände nicht 
alt seien, sondern dem binde der Bronzezeit ange- 
hörten. Gegen Virchow behauptet er, das» nur 
in dieser Periode Skandinavien aus dem Süden 
und vom Mittelmeer solche Erzeugnisse zugeführt 
erhalten habe, dass es aber iro Anfang des Bronze- 
alters seine einheimische Industrie besessen mit 
Formen, die ihm eigentümlich sind. Schaaff- 
hauseti erlaubt sich bei dieser Verhandlung die 
Ansicht eines der angesehensten deutschen Archäo- 
logen, die Li n den sch m it’s, zur Sprache zu brin- 
gen. Dieser läuguct, dass es in der älteren Zeit 
für die Bronze und für die feinere Metallarbeit 
überhaupt im Norden eine einheimische Kunst- 
arbeit und für Skandinavien eigentümliche For- 
men gegeben habe. Diese treten vielmehr in einer 
verhält issuiässig sehr späten Zeit, erst im 10. 
und 11. Jahrhundert auf. Viel früher und in um- 
fassender Weise entwickelte sich die Metallarbcit 
in den von deutschen Völkern besetzten früheren 
römischen Provinzen. Hier lässt sich diese Ent- 
wickelung stufenweise in den Erzeugnissen selbst 
aufweisen, welche in grösserer Fülle und Verschie- 
denheit der technischen Arbeit sowohl als des mehr 
oder minder wertvollen Materials vorliegen als 
im Norden. Der scheinbar etwas verschiedene 
Stil der nordischen Fundstücke von Gold und der 
silbervergoldeten Fibeln von jenen der fränkisch- 
alemannischen Friedhöfe ist aber aus derselben 
Ursache zu erklären, als der jener Schmuckgeräte, 
welche in Ungarn gefunden werden. Die Raub- 
xüge, welche von kühnen Seefahrern des Nordens 
und von kriegerischen Reite rvölkem des Ostens 
aus Frankreich und Deutschland unermessliche 
Beute heimbrachten, geschahen beide in einer 



Zeit, in welcher bei uns schon in Folge der christ- 
lichen Anschauungsweise die Schmuckgeräte nicht 
mehr in die Gräber gelegt und dadurch der Spät- 
zeit erhalten blieben, sondern nach dem Gesch macke 
der Zeit oft verändert und umgearbeitet wurden 
bis auf jene Ueberreste, welche Normannen und 
Ungarn als Beute wegführten. Nur in der späte- 
ren Eisenzeit ist eine selbstständige Beteiligung 
des Nonien» an der Metallarbeit nachweisbar. 
Aber was von feinerer Kunstarbeit auch in dieser 
Zeit gefunden wird, ist bis ins späte Mittelalter 
zum grössten Theil Erzengniss de» Auslandes. 
Ho worth glaubt, die Frage nach den Handels- 
beziehungen zwischen Südouropa und dem Norden 
hänge mit der zusammen, woher die Alten ihr Zinn 
bezogen. Man habe angenommen nur aus Korn- 
wallis. Nun wisse man, dass es Gruben in (ialli- 
zien und in Spanien gab, welche bis zur letzten 
Zeit der römischen Herrschaft in diesen Ländern 
bearbeitet wurden. Ein Engländer hat im 13. 
Jahrhundert Zinngruben in Panuonien, im Banat 
Temesvar, beschrieben. Die Bewohner des nörd- 
lichen Europa, welche die Etrusker mit Salz and 
Bernstein versahen, mögen diese Gruben gekannt 
haben. Er meint, dass die deutliche Verschieden- 
heit der Brouzegeräthe im nordöstlichen und iin 
westlichen Europa sich daraus erkläre, dass Panno- 
nien, einige Theile von Deutschland und Skandina- 
vien ihr Zinn von anderswoher holten als das 
westliche Europa und deshalb auch für die Bear- 
beitung der Bronze eine andere metallurgische 
Tradition bcsassen. Er fügt noch eine Bemerkung 
über das Bohren der Steinhämmer hinzu; er glaubt 
nicht, dass die Löcher mit einem abgebrochenen 
Röhrenknochen, oder durch einen Holzstab mit 
Sand gemacht seien, in der ausgestellten Samm- 
lung des Grafen Hamilton befinde sich eine un- 
fertige Steinaxt mit einer im Loche noch festsitzen- 
den cyltndrischen Erhöhung, diu ist zu gross, als 
dass sie mit einem Röhrenknochen gemacht sein 
könnte. Auch Evans hält die im Norden gefun- 
denen schönen Bronzegeräthe für eingeführt und 
erinnert an den Versuch Kellers mit einem cylin- 
drischen Knochenstück ein Loch in Stein zu boh- 
ren. Capellini liest einen Brief des Grafen 
Gozzadini, der Zeichnungen von kürzlich bei 
Bologna gefundenen Bronzesachen enthält. Es 
sind Pferdegebisse aus der ersten Eisenzeit und 
ein Schwert, wie ähnliche in den Gräbern von 
Villanova gefunden sind. Desor legt Bilder von 
Bronzegerät hen aus den Sammlungen Italiens vor. 
Die reichverzierten Gebisse, deren Stangen Pferde 
darstellen, beweisen, dass die Etrusker sieb nicht 
nur des Pferdes bedienten, sondern auch beflissen 
waren, es durch schönes Geschirr zu schmücken. 
Diese etruskische Kunstarbeit von Villanova und 
Golasccca ist aber viel älter als jene, zu welcher 
der von Virchow gezeigte Bronzeeimer gehört. 

81» • 



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284 



Referate. 



Man sollte nicht beide mit dem gleichen Namen 
als etruskische bezeichnen. 

Nachmittags spricht zuerst yon Quast über 
einen Bronzefund in Norddeutschland, dann En- 
gelhardt über einen in llalland gefundenen Schild 
und über Goldvasen aus der Bronzezeit; eine solche 
ist in llalland , eine andere in ßlekinge gefunden, 
ln Dänemark und Schweden sind im Ganzen 30, 
im übrigen Europa nicht mehr als 20 gefunden. 
Alle scheinen gemeinsamen und zwar etruskischen 
Ursprnngs zu sein. Evans macht Mittheilungen 
über die auf der Insel Harty in Kent gefundenen 
Bronzen. Es sind Gussformen für Beile und 
Meissei, diese Werkzeuge selbst, Hämmer, Messer, 
Bohrer und andere Gegenstände ans Bronze, Stücke 
rohen Kupfers, das Bruchstück eines durchbohrten 
Beils aus Blei und ein steinerner Wetzstein. Diese 
Sachen deuten auf die Werkstätte eines Metall- 
giessera nnd gestatten einige Schlüsse über die 
Art der Verfertigung der Bronzewerkzeuge. Die 
Schneiden der Beile wurden, wie es scheint, erst 
gehämmert, um sie zu härten und darnach auf 
dem Steine geschliffen. Das Loch wurde mit 
Hülfe eine« Kernes aus Thon gemacht , den man 
nach dem Guss mit einem kleinen Stecher heraus- 
zog. Franks theilt Analysen cypriscber Bronzen 
mit, die Dr. W. 11 i gilt vom britischen Museum 
gemacht hat. Drei sind von mehr oder weniger 
reinem Kupfer, eine erwies sich als Bronze, ein in 
der grossen ägyptischen Pyramide gefundener 
Gegenstand ergab reines Kupfer mit ein wenig 
Eisen. Er zeigt. Beile aus reinem Kupfer von 
Gungeria in Central-Indien , und schliesst mit der 
Bemerkung, dass tiiuu ein allgemein verbreitetes 
Kupferalter nicht aufstellen könne, dass es nur 
dort bestanden habe, wo man sich das Zinn nicht 
verschaffen konnte. Pigorini zeigt an, dass die 
italienische Itcgieruug nach den Wünschen des 
Congresses von Bologna eine der Terramarcn bei 
Parma, genannt Casaroldo, als Natiouuldeukmal 
bezeichnet und seine Erhaltung beschlossen habe. 
Dasselbe gehört der ersten Bronzezeit an; er schil- 
dert diu dort gemachten Funde. Nilsson ging 
nach dem CongreBse von Brüssel nach London, um 
die Alterthümer aus Cypern zu sehen, viele Gegen- 
stände sind den nordischen Funden sehr ähnlich, 
er hält deshalb auch die cyp rische Civilisation für 
phönizisch. Landberg, der bei der Auffindung 
dieser Gegenstände anwesend war, sagt, dass man 
ihren Kunststil nicht rein phönizisch, sondern 
gricchisch-phönizisch nennen könne. Bei allen 
semitischen Völkern ist die Bronze immer mit 
Vorliebe angewendet worden, wenn schon das 
Eisen in Menge vorhanden war; das ist noch heute 
der Fall. Kr glaubt, dass die Phönizier den Han- 
del mit dem Norden zwar eingeleitet aber nicht 
selbst ausgeführt haben. Von den pliönizischen 
Handelsstädten am Schwarzen Meer wurde die 



Bronze auf dem Landwege, den Flüssen entlang 
bis zur Ostsee gebracht. Der Norden erhielt «rie 
nicht aus erster Hand von den Phöniziern. Die 
rassischen Archäologen müssten über diese alten 
Verkehrswege Aufschluss geben können. Oppert 
meint, es möchte schwer sein, zu sagen, was phöni- 
zisch und was griechisch sei. Die Phönizier hätten 
das Zinn auf den CaBaiteriden geholt, das seien die 
britannischen Inseln, ihre Schiffe seien gross genug 
gewesen, um bis zum Norden zu fahren. Er will das 
in der Bibel schon genannte Eisen wenigstens im 
Orient nicht von der Bronze getrennt wissen. H am y 
liest eine Mittbeilung von Aspelin über dasStein- 
alter in Finnland, er theilt das Land für diese 
Periode in drei Theile : das eigentliche Finnland und 
das russische Carelien bis zum Westen des Brega- 
sces, das baltisch-lithaui&che Gebiet und die öst- 
lichen von Finnen bewohnten Länder. Diese Ge- 
biete unterscheiden sich sowohl durch die Formen 
der Geräthe als durch die dazu verwendeten Ge- 
steine. Worsaac glaubt, die Bevölkerung Finn- 
lands sei ans Asien gekommen und hätte Stein- 
gerütho mitgebracht, erst später habe auf sie eine 
Einwirkung von Westen her stattgefunden. Auf 
eine Frage Desor’s antwortet er, dasH die asiatische 
Bronzezeit und die Skandinaviens keinen Zusam- 
menhang butten, dnsB aber das Bronzealter Finn- 
lands nicht von Russland gekommen sei, sondern 
stets unter dem Einfluss von .Skandinavien geblie- 
ben Bei. Lerch stimmt dieser Ansicht zu. Graf 
Sa porta spricht über das Klima der quaternären 
Zeit und schliesst aus dem Vorkommen von ficus 
carica und einiger anderer Species im Tuff von 
Moret im Seinethal auf ein sehr feuchtes Klima 
Westeuropas im ßeginuc der quaternären Zeit und 
auf eine für ganz Europa ziemlich gleiche Tem- 
peratur, wofür auch andere Thatsachen sprächen. 
Dapont will durch die Höhlenfauna Belgiens zu 
ähnlichen Schlüssen gekommen »ein. Dosor lpgt 
Photographien der Pfahlbauten im Bielcr See vor 
nnd Graf Hamilton meldet eine Einladung des 
Grafen Ehrenswörd zur Besichtigung der Felsen* 
inschriften in Bohuslän. 

Atn Donnerstag den 13. wurde auf vierDampf- 
booten der Ausflug nach Björkö und Gripaholm 
gemacht. Der Vorstand des CongresBes fuhr mit 
dem Könige aut der Sköldmön (Amazone). Auf 
der erstgenannten Insel wurde nach herrlicher 
Fahrt Über den Mälar-Sce der Hügel erstiegen* 
von dem mau die Stelle sah, wo das alte Birka 
oder des heiligen Ansgarius Birkefeld lag, der hier 
zuerst in Schweden das Christunthum predigte. 
Die Stätte war von Gräben durchfurcht, und 
Stolpe, der die Ausgrabungen geleitet, die auf 
Kosten des Staates in den Jahren 1871 bis 1874 
gemacht worden, gab von der Spitze eines Grab- 
hügels, deren man hier noch 2000 zählt, einen 
Bericht über die mannigfaltigen Funde, die es 



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Referate. 



285 



gestatten, sich ein deutliches ßild von dem Lehen 
der Bewohner dieser im 8. bis 10. Jahrhundert, 
also zur Zeit der Wikinger, blühenden Stadt zu 
machen. Zuerst entdeckte man bei Herbstetürmen 
am Strande der Insel Bernstein, Kohlen, Nuss- 
schalen und dergL und die Untersuchung des See- 
bodens lieferte bearbeiteten und rohen Bernstein, 
hölzerne Geräthe, Löffel, Glasperlen, Hausthier- 
knochen. Die Tnmoli diese# grössten nordischen 
GrahfeldcH enthielten verbrannte Knochen, oft in 
einer Urne ans gebranntem Thone beigesetzt, Stücke 
eiserner Waffen und Werkzeuge, Bronzeschmnck 
und Thierknochen. Die Untersuchungen wurden 
nun in grösserem Maassstabe fortgesetzt. Die 
etwa 6 Hectare bedeckende „ schwarze Erde“ wurde 
auf einen grossen Brand bezogen ; aber es findet 
sich eine Menge brennbarer , jedoch nicht vom 
Feuer beschädigter Gegenstände; die zahlreichen 
Knochen nnd Bernsteiustücke sprechen schon da- 
gegen. Es ist jene Erde, die das Feld in einer 
Lage von 1 bis 2*/j Meter bedeckt, vielmehr aus 
Kohlen und Aschenresten und den Küchenabfallen 
menschlicher Wohnungen entstanden. Damals 
hatte man offene Feuerstätten, die jeden Tag ge- 
reinigt werden mussten. Auch fand man Reihen 
von Steinen in verschiedenen Richtungen , aber 
keine Grundmauern. An dreieckigen Stücken ge- 
brannten Thons, welche die Spalten der Balken- 
lagen der Holzhäuser ausgefüllt haben , erkennt 
man auf der einen Seite die Fingerspur, auf der 
anderen Eindrücke von Moos, womit man die 
Spalten der Wando dicht gemacht hatte; an an- 
deren Thonstücken haftet noch die Kinde von 
Weidenzweigeu. Die werthvollsteu Funde sind 
ein Silberschmuck von 16 Armringen und 2 Fibeln 
mit 39 ganzen und 360 zerbrochenen kufischen 
Münzen aus den Jahren 893 bis 967 nebst neun 
byzantinischen Münzen der Kaiser Constantinus X. 
und Romanus II. (948 bis 959). Dies Alles wurde 
in einer eisernen Mulde 30 cm tief gefunden. Noch 
einmal wurde ein ähnlicher aber kleinerer Silberfund 
gemacht. Viele einzelne Schmuckgeräthe in Gold, 
Silber und Bronze wurden gefunden, kleine silberne 
Löffel, Fibeln, Ringe, Knöpfe, Ohrringe, Nadeln, 
Wagen und Gewichte, Perlen von Glas, Bergkry- 
stall, Carueol, Achat, Amethyst, Bernstein, Kämme, 
alles im Geschmacke des jüngeren Eisenalters. 
Ferner sind anzufübren: eiserne Schwerter, Pfeil- 
spitzen, Messer, Scheeren, Beile, Nägel, Beschläge 
von Kisten, Schlösser nnd Schlüssel, Handwerks- 
gerithe verschiedener Art, eine Wetterfahne in 
Form einer Ente, ein aus Elennhorn gearbeiteter 
Menschentum, Würfel, Schachfiguren, Spielsteine, 
eine Flöte nnd Schlittschuhe aus Knochen, Wirtel 
aus gebranntem Thon, Stein, Korall und Blei, Hand- 
mühlen, Gusaformen, Reste von Gewebon, Garn, 
auch Thierhaare, Muschelschalen von Schwedens 
W'eatküste und fünf Kaurismuscheln, Bogar ein Stück- 



chen Steinkohle. Zuweilen sind auf den Gegen- 
ständen Figuren eingeritzt, aber niemals Runen. 
Die Thierreste gehören mehr als 50 Arten an, 
darunter sind alle unsere Hausthiere, ferner die 
Katze, der Luchs, der Marder, der Bär, der Wolf, 
der Hund, der Fuchs, die schwarze Ratte, sonst in 
Europa vor dem 13. Jahrhundert nicht bekannt, 
das Eichhorn, der Kastor, der Hase, das Elenn, das 
Seekalb, der Fischadler, der Auerhahn, das Birk- 
huhn, der weisse Storch, der Schwan, die Eider- 
gans, der Alk, der Cormoran. Bruchstücke von 
Rennthiergeweih sind wohl aus Lappland dahin 
gekommen; auch 11 unserer gewöhnlichen Süss- 
wasserfische sind vorhanden. Im Süden undOsten 
der Stadt sind noch Wälle sichtbar, einer war aus 
grossen Steinblöcken errichtet — Nach diesem Vor- 
trag begab sich die ganze Gesellschaft mit dem 
Könige anf die Fundstätte, wo die meisten in den 
6 Fuss tief ausgeworfeoen Gräben mit Stöcken 
und Regenschirmen zu arbeiten an fingen und auch 
einige so glücklich waren, ein kleines Andenken 
an das alte Birka zu finden und mitzunehmen. 

Nachdem der König seine Reisegenossen auf 
seiner Jacht buwirtlict hatte, während dieUcbrigen 
Erfrischungen im Freien genossen, verlies# er die 
Gesellschaft, welche nun weiter nach Gripeholm 
fuhr, dort zuerst das Schloss mit seiner in vielen 
Sälen aufgestellten reichen historischen Gemälde- 
sammlung besah und dann im Park die ersehnten 
Mittagstische, freigebig wie immer, gedeckt fand. 
Wenn auch unter Regenschauern, ging die Rück- 
fahrt am Abend doch in frohester Laune von Stab* 
ten. In dunkler Nacht langten die Schiffe, mit 
Feuerwerk und Böllerschüssen aller Orten begrüsst, 
am Riddarholme an. 

Am nächsten Tage, dem 14., war das Eisenalter 
in Schweden Gegenstand der Verhandlung. Vor- 
her theiltc noch Hagomans bezüglich der Tem- 
peraturverhältnisse der Vorzeit die Beobachtung 
mit, dass man bei Narour in grosser Tiefe beim 
Aaswerfen eines Fundamentes einen wilden Wein- 
stock gefunden habe und dabei eine schwärzliche, 
dickwandige Vase. Es war vitis lambrusca; jetzt 
wächst kein Wein mehr in dieser Gegend. Er 
theilt dann mit, dass Dolmen in Belgien selten, 
Tnmuli aber zahlreich seien, und nachdem er Funde 
von Bronzen und Bernstein namhaft gemacht, die 
er mit den Phöniziern in Verbindung bringt , Bagt 
er, das# noch Spuren des Baalcultus in Belgien 
nachweisbar seien. E. Cbantre spricht noch über 
{las Bronzealter in Frankreich, zumal im Rhone- 
gebiet. Er will es in zwei Perioden theilen, die 
erste begreift nur Schmuckgeräthe, die sich alle 
in der Nähe der Alpenpäsae finden; diese Gegen- 
stände sind neu und von Italien nach Frankreich 
eingeführt. Die zweite Periode zeigt eine einhei- 
mische Industrie, wie sie aus den Pfahlbauten des 
See« von Bourget, den zahlreichen Gießereien des 



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28li 



.Referate. 



Rhone- und Iaörthales und des Jura hervorgeht. 
Die Werkstitte von Larnaud zeigt eine Menge 
von Gerätschaften des MetaHgietssers. Er legt 
ein umfangreiches Album vor und erläutert die 
häufigen Uebereinstimmungen von Bronzearbeiten 
des Rhonet hals mit denen Skandinaviens. Ber- 
trand erkennt die Eintheilung des Bronzealters 
in zwei Perioden nicht An t es falle das erste Eisen- 
alter mit dem zweiten ßronzealter oft zusammen, 
ln Italien seien Dolche von Bronze und Eisen 
nebeneinander gefunden worden. Alle Civilisation 
Europas, auch die der Bronze, sei aus Asien ein- 
geführt, wie jetzt Amerika die Gultur aus unserem 
Welttheile erhalte. Er wünscht, dass man auf die 
vorgeschlagene Eintheilung verzichte. Hildebrand 
weist nach, dass die beiden Alter der Bronze für 
Schweden Geltung haben, wiewohl man Formen 
des Uebergangs begegne. Evans sieht mit Bor- 
trand eine Gefahr darin, zwei Bronzealter anzu- 
nehmen, das passe nicht für alle Länder. Desor 
aber will mit C ha nt re gewisse Formen und Zier- 
rathen als Entwickelungsstufen der Bronzezeit un- 
terschieden wissen; das Eisenalter besitze keinen 
charakteristischen Zug, sondern verschmelze mit 
dem späteren Bronzealter. Herr von Quast er- 
innert daran, dass die in Dänemark aufgestellten 
Stein-, Bronze- und Eisenalter nicht für alle Län- 
der gelten, mit den griechischen und römischen 
Bronzen späterer Zeit komme gleichzeitig das Eisen 
vor. Woraaae bekämpft die Ansicht Rertrand’s, 
dass cs in Frankreich und Italien kein reines Bronze- 
alter gebe, er sagt', dass man vor 20 Jahren in Frank- 
reich auch noch nicht an ein Steinalter habe glauben 
wollen, dasBertrand selbst jetzt in 2 Perioden ein- 
getbeilt habe. Auch Griechenland habe sein Bronze - 
alter gehabt, dos Kopenhagener Museum besitze 
von daher eine schöne Reihe von Bronzen, von de- 
nen mehrere mit skandinavischen Funden nahe 
übereinstimmen. Das griechische Bronzealter ist 
wahrscheinlich viel älter, es breitete sich aus nach 
Italien, Gallien, Britannien, und über Ungarn nach 
Norddeutschland und Skandinavien. In diesen beiden 
I«ändorn sind Bronze- und Eiaenaltur deutlich ge- 
schieden. Die Bewohner desNordcus haben aber nicht 
nur Kunstformen empfangen, sondern auch neue 
geschaffen während des Eisenalters. Per rin sagt, 
dass die Untersuchung der Pfahlbauten Savoyens, 
zumal des Sees von Bourget, deutlich zwei Perioden 
der Bronzearbeit erkennen lassen, die Funde von 
Eisen daselbst gehörten späteren Zeiten an. Lee- 
mans erkennt diese Eintheilung für Skandina- 
vien an, nicht aber für Holland. Die Alterthümer 
dieses Landes will er nur unterscheiden als mittel- 
alterige, römische und vorrömische oder paläolithi- 
eche. Be r trän d bezweifelt nicht ein reines und lange 
währendes Bronzealter im Norden, aber man ver- 
wechsele cs nicht mit dom , was man in Italien so 
nenne, wo z.B. in denTerramaren sich sehr wenig 



Bronze finde. Hermelin legt eine topographische 
Karte der prähistorischen Alterthümer der Um- 
gebung des Mälar-Sees vor, anf der Runensteine 
und Gräber mit verschiedenen Farben, roth und 
blau, bezeichnet sind; Montelius eine solche über 
die Verbreitung der Bronzefunde in Schweden. Die 
Trennung der Bronze- und Eisenzeit ist schwer, 
weil die Form der Gräber die gleiche ist* Er 
zählt in Schweden bis jetzt 2500 Bronzefunde auf, 
in Schonen , wo auch die Steinger&the so zahlreich 
sind, kamen 500 vor, im übrigen Lande 1000. Die 
Uebereinstimmung schwedischer Fnnde mit denen 
anderer Länder zeigt sich auffallend in einem in 
Lyon gefundenen Schwert mit Griff, ein Celt gleicht 
denen, die man in Sibirien findet. Nun macht 
Ghantre demCongresse den Vorschlag einer über- 
einstimmenden Bezeichnung der archäologisch-prä- 
historischen Karten. Ein solcher Antrag sei be- 
reits vom Grafen Przezdziecki dem Congresse 
in Bologna gemacht worden. Eine Commission, 
die man gewählt, habe wegen des Todes ihres 
Vorgesetzten der Sache keine Folge gegeben. Er 
habe bei der Anfertigung einer solchen Karte für 
das Rhonethal alle bisher erschienenen Arbeiten die- 
ser Art verglichen und eine neue Bezeichnung ge- 
wählt, die er in einer kleinen Schrift erläutert hat, 
die er mit der Bitte vorlegt, der Gongress möge 
eine neue Commission ernennen, um den Gegen- 
stand zu prüfen. Dupont hält die Frage nach 
dem Ursprung der Hausthiere für ebenso wichtig 
als schwierig und bittet dieselbe in Betracht zu 
ziehen. Er glaubt, dass das Pferd im Steinalter 
gezähmt war. Desor meldet, dass man kürzlich 
in den Höhlen bei Schaffhausen paläolithiache Ge- 
räthe und Knochen von Hausthieren gefnnden habe ; 
ebenso ist in der neolithiseben Periode ihre An- 
wesenheit in den Schweizer Pfahlbauten verbürgt. 
De Baye liest eine Mittheilung über von ihm 
entdeckte Sculptureu in den Grotten des Thals 
der Marne, sie sind erhaben und mit Feuerstein- 
beilen gemacht, sie steilen menschliche Figuren 
und Vögel vor, auch Beile mit ihren Scheiden. 
Sol di zweifelt, ob Feuerstein den Phorphyr be- 
hauen könne. De Baye berichtigt, dass es sich 
hi£r um Kreidewände handle, und bemerkt noch, dass 
diese Grotten durch Steinplatten verschlossen ge- 
wesen seien. II. v. Kure k tadelt, dass Hildebraud 
ein grosses archäologisches Gebiet des Nordens 
kurzweg „schwedische Provinz 14 genannt habe. 
Hildebrand erwidert, dass er diesen Ausdruck 
einigemal der Kürze wegen gebraucht habe, wor- 
auf von Kurck meint, dass dann der Ausdruck: 
„dänische Provinz“ ebenso kurz und richtiger ge- 
wesen sei. Endlich ladet noch Quatrefages zu 
dem in Paris nächstes Jahr zusammentretenden 
internationalen geographischen Congressc ein, 
namentlich diejenigen Mitglieder, welche Karten 
ausgestellt haben. 



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Referate. 



287 



In der Nachmittags-Sitzung hat Vodel zuerst 
das Wort; er spricht über das skandinavische 
Eis'üimlter. Auf Bornholm linden sich unzählige 
Skulpturen dieser Zeit, die älter sind als die Be- 
rührung mit den Römern. Mau kann hier in den 
Formen der dargcstellteu Gegenstunde einen all- 
mählichen Uebergang der Bronzezeit in das Eisen- 
alter wahrnehmen. Er glaubt deshalb, dass in 
Skandinavien der Gebrauch des Eisens lange 
vor dem Einfluss der römischen Cultur sich ent- 
wickelt habe. Rcgnault liest eine Mittheilung 
von Aspel in über die Bronzezeit der altai-uralischen 
Länder. Virchow vergleicht die Ueberreste von 
Birka auf Björkö mit seinen Untersuchungen ähn- 
licher verödeter Städte in Pommern, z. B. des alten 
Julin auf der Insel Wollin, an dessen Stelle wahr- 
scheinlich auch das sagenhafte Vineta lag. Er 
glaubt , dass man die Cultur der Ostseeländer bis 
herab nach Mähren verfolgen könne, und legt 
Zeichnungen und Funde vor. Dirks spricht über 
holländische Dolmen und den Inhalt der Terpen 
von Friesland; er zeigt Bronzen, Würfel, Spiel- 
steine, eine prächtige Spange, eine arabische Münze 
und eine mit Runen. Cazalis de Fondouce will 
eine Lücke zwischen der Rennthierzeit und der 
neolithischen Periode nicht zugeben, wiewohl Mor- 
tillet und Andere sie behaupten. Er nimmt ein 
Bronzealter im Süden Frankreichs an, die künstlichen 
Grotten der Provence gehören ihm an, aber hier 
ist die Bronze stets von feingeschliflenen Flint- 
geräthen hegleitet. Die Dolmen sind aus der Zeit 
des Uebergang* der Stein- in die Bronzezeit, sie 
enthalten sowohl begrabene als theilweise ver- 
brannte Menschenreste. An einem Unterkiefer 
vom Schaf aus einer Höhle findet er au der Art 
der Abreibung, dass das Thier gezähmt war. Pigo- 
rini besteht auf einem deutlichen Bronzealter der 
Terramaren Italiens, aber die Bronzen liegen stets 
in grösserer Tiefe. Soldi will das Fehlen des 
Eisens zwischen den Bronzesachen aus seiner 
raschen Oxydation erklären. Pigorini versichert 
aber, dass man die Spuren des Eisens in den Schich- 
ten der Bronze nicht übersehen haben würde. 
Schaaf fhau sen zeigt die Abbildung eines Gold- 
ringefl, der iu einem fränkischen Grabe bei Ander- 
nach am Rhein mit anderen Goldsachen gefunden 
ist. Seine Vermuthung, dass in der Inschrift latei- 
nische Buchstaben mit Runen gemischt seien, wurde 
von Prof. Dietrich in Marburg bestätigt, der 
darin den Namen Alachnine, d. i. Alkuin, las. 
Diese gemischte Schrift soll in angelsächsischen 
Urkunden, sowie auf Münzen von Northum berland 
sich häufig finden. Sodann macht er Angaben 
über die im Rheinland vorhandenen Dolmen und 
über die von der deutschen anthropologischen Ge- 
sellschaft beschlossene prähistorische Karte Deutsch- 
lands. Die Steindenkmale Deutschlands seien ent- 
weder Gräber oder Opferstellen, in deren Nähe 



dann gewöhnlich sich ein Grabfeld mit Aschen- 
urnen befinde , wie auch später die Begräbnisse in 
oder neben der christlichen Kirche stattgefunden 
haben. Ein ihm aus einem westphälischen Gang- 
grabe zugekommener Schädel sei ein wohlgebildeter 
dolichocepboler Germanen schädel , wie auch da» 
Schweriner Museum solche aus Steingräbern be- 
wahre. Diese Denkmale »eien von Germanen er- 
richtet, in deren alten Gebräuchen und Ueber- 
lieferuugcn sich Vieles finde, was auf einen Cultus bei 
diesen Steinen deutet. Sodann berichtet er über 
Grabfunde bei Wörbzig, woher er Schädel, Stein- 
um! Knochengeräthe und eine Bronzenadel erhielt. 
Ein Schädel bürg noch das in Adipocire verwan- 
delte Gehirn , welches er vorzeigt , an einem Kno- 
chen hat sich vertrocknete Blutsubstanz erhalten, 
in der das Mikroskop noch die Blutscheibchen ent- 
deckt. Auch lieferte dies Todtenfeld kurzgestielte 
Löffel aus gebranntem Thon, die sehr selten, aber 
schon in Höhlen mit Stein und Knochen Werkzeugen 
gefunden worden sind. Za vis za schildert noch 
eine zweite Knochenhöhle in Polen bei Krakau mit 
Resteu einer Antilope und wahrscheinlich des Lö- 
wen, gemischt mit neolithischen Geräthen. De 
Baye spricht über Pfeilspitzen aus Feuerstein mit 
querer Schneide aus Höhlen des Marnethaies , eine 
steckte noch in einem menschlichen Wirbel. 
Franks widerspricht der Ansicht, dass die Zei- 
chen auf dem erwähnten goldenen Siegelringe 
Runen seien, er hält sie vielmehr für ein sehr schö- 
nes Monogramm , wie man deren in England auf 
Gegenständen der Merovinger und Carolinger Zeit 
gefunden habe. 

Die Sitzung am 15. September beschäftigte sich 
zunächst mit den anatomischen und ethnischen 
Kennzeichen des vorhistorischen Menschen in 
Schweden. Ghaplain-Duparc berichtet über 
die Ausgrabung der Grotte Duruty bei Sordes au 
der Grenze von Bearn. Man fand einen Schädel 
und Skcletthoilu vom Manschen mit 55 durchbohr- 
ten, geschnitzten, und gravirten Zähnen vom Bär 
und vom Löwen und Flintsachen vom Typus der 
Höhlen von Vezere; ferner zwei übereinander! le- 
gende Feuerstellen mit gebrannten Knochen vom 
Renu, Pferde und Ochsen mit zahlreichen Feuer- 
stein in essern, endlich ein neolithisches Begräbnis« 
mit Resten von etwa 33 Personen und Feuerstein- 
geräthen der vollendetsten Arbeit. Er schliesst, 
dass es hier keine Lücke zwischen der Rennthier- 
und der neolithischen Zeit gebe und dass dieselbe 
Menschen race in den beiden Perioden der Stein- 
zeit hier gewohnt habe. Dupont sagt, dass noch 
heute die Jäger in Tyrol und selbst in Frankreich 
und Belgien die Zähne erlegter Thiere tragen. Er 
will in der quaternären Zeit des westlichen Europa 
zwei Volksstämme unterscheiden; der eine bestand 
aus Troglodyten mit einer entwickelten Industrie, 
der andere bewohnte dio Ebenen. Dieser besiegte 



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288 



Referate. 



jenen endlich vollend», und begrab seine Todten 
in den Höhlen. In einer derselben, bei Sclaigneaux, 
hat man die auch von Virchow untersachten auf- 
fallend grossen Schädel gefunden, die er als Ma- 
crocephalen bezeichnet hat, welche auch anderwärts 
Vorkommen. Dupont vermuthet, sie wären durch 
eine künstliche Deformation entstanden. Virchow 
stellt die Möglichkeit dieses Vorgangs in Abrede. 
Er glaubt, dasB sich ein Typus sehr lange erhalten 
kann, wenn die Bevölkerung unter gleichen Ver- 
hältnissen fortlebt, aber dies sei eben nicht der 
Fall , schon die Cultur wirke auf Hirn- und Schä- 
delbildung ein. Quatrefages räumt diese Ur- 
sachen der Abänderung ein und schreibt Broca 
das Verdienst zu, den Einfluss der Geistesbildung 
auf die Entwickelung des Schädels zuerst gezeigt zu 
haben. Wenn auf diese Art neue Racen entstehen 
können, so zeigt dagegen der Atavism die Bestän- 
digkeit des Urtypus, der nach 100 Generationen 
wieder auftreten könne. So sei der bei der Pariser 
Bevölkerung, zumal den Weibern, oft vorkommende 
PrognathismuB ein Erbtheil der Vorzeit. Vir- 
chow tadelt es, dass man auf einzelne Schädel- 
funde hin, wie auf den desKeanthorthalers, Rassen 
begründen wolle, diesem fehle die Basis und das 
Gesicht-, wären die fehlenden Theile vorhanden, so 
sähe er vielleicht ganz anders aus, als man sich 
jetzt vorstelle. Was man für Atavism halte, könne 
eine ganz unvermittelt auftreteude individuelle 
Abänderung sein. Auch Vogt habe irrigerweise 
die Microcephalen durch Atavism erklärt Qua- 
trefages erwidert, er habe die Race von Cann- 
stadt keineswegs bloss auf die Nennderthaler Hirn- 
schale begründet, sondern auf viele andere ähn- 
liche Formen, der Schädel von Gibraltar sei fast 
vollständig. Die Ansichten Vogt ’s habe er selbst 
in Cop»nhagcn bekämpft , dieser habe nur den 
8chüdel uud nicht die anderen Körpcrtheile der 
übrigens unfruchtbaren Microcephalen berücksich- 
tigt.. Hieran!' theilt von Düben in längerem Vor- 
trag daH Ergebnis» seiner langjährigen Unter- 
such ung der schwedischen Schädel mit. Er hält 
die Urauiologie für noch nicht reif, um eine ab- 
schließende Antwort auf die in der vorgeschicht- 
lichen Forschung überall sich bietenden Racen- 
fragen zu geben. Schwierigkeiten, die sich bei 
der Betracht ung der alten Volker auf dem Fest- 
lande Europas ergeben, kehren bei dem Studium 
der schwedischen Schädelforraen wieder. Wir 
fragen , wie unterscheidet sich der Schwede vom 
Gothen? Wie dieser von der vorhergehenden Be- 
völkerung, welche wir bis auf Weiteres die primi- 
tive nennen köuuen? Er untersuchte Hunderte 
von Schädeln der gegenwärtigen Bevölkerung Schwe- 
dens aus ollen Theilen des Landen und fand immer 
deii rlheu Typus. Der nämliche findet sich aber 
auch in den vorhistorischen Gräbern Schwedens, 
im Stein-, int Bronze- wie im Eisenalter, Die 



Unterschiede sind verschiedene Grade der Ent- 
wickelung, nicht Kennzeichen verschiedener Ra- 
cen; so sind die alten Schädel oft viel länger als 
die heutigen. Ob Schweden oder Gothen die heu- 
tige Bevölkerung bilden, ist zu wissen so wichtig 
nicht, da sie Stämme derselben Race waren, die 
bei ihrer Ankunft vielleicht einen verschiedenen 
Bildungsgrad besessen. Individuelle Abänderun- 
gen, welche die heutigen Schädel zeigen, finden 
•ich in derselben Häufigkeit bei den alten. Glaubt 
mau auch auf den ersten Blick wesentliche Un- 
gleichheiten zwischen 2 oder 3 Schädeln zu finden, 
so verschwinden diese wieder, wenn man eine 
grössere Zahl vergleichen kann und sorgfältige 
Untersuchungen macht. Hätten zwei Racen sich in 
Schweden gemischt, so würden sich die Unter- 
schiede derselben nicht in der kurzen Zeit von 
1800 Jahren seit der Einwanderung der Svear 
oder in 3000 bis 4000 Jahren, dem wahrscheinlichen 
Alter der Steindy saer, verwiieht und verloren ha- 
ben. Aegyptische Malereien zeigen uns, dass 
Racenmcrkmale nicht so leicht verschwinden. 
Wenn nun die primitive Race der Steindysser die 
nämliche war, wie die lebende, und diese eine un- 
vermischte ist , so mag man sie die svea-gothische 
nennen. Doch giebt es in den alten Gräbern einige 
Ausnahmeformen , von 100 in Dänemark und 
Schweden gefundenen Schädeln sind deren etwa 10, 
wovon 5 auf Dänemark und ebensoviel auf Schwe- 
den kommen. Sie sind alle aus Gräbern des Stein- 
altere und gehören deutlich eiuer anderen Race 
an, es sind die Schädel, welche Nilsson und 
Retz ins den Lappeu zuschrieben, und es ist ge- 
wiss, dass einige von diesen in dem Grade den 
Lappen gleichen, dass unsere gegenwärtigen kra- 
niologischen Kenntnisse nicht ausreichen, irgend 
einen Unterschied aufzufinden. Indessen giebt es 
andere Thatsachen, welche beweisen, dass dio Lap- 
pen nördlich der Ostsee eiugewandert sind, und 
dass sie niemals die skandinavische Halbinsel süd- 
lich vom 62. Grad bewohnt haben. Weitere That- 
sachen müssen erforscht werden, damit dieser 
Widerspruch sich lösen lässt. Zittel hat auf sei- 
ner Reise in die libysche Wüste unter unzähligen 
Feuersteinsplittern, die durch die Gluth der Sonne 
zersprungen waren, eine gewisse Zahl anderer ge- 
funden , die er als von der Hand des Menschen 
gemacht ansieht. Sie kommen von einer Stelle 
der Sahara, die wegen Wassermangels gänzlich un- 
bebaut und fast unzugänglich ist und nicht einmal 
von den Arabern besucht wird; sie liegt 20 geogr. 
Meilen westlich von der Oase Dachei. Mit Rück- 
sicht auf dio Untersuchungen Desor’s, Martin’s 
und seine eigenen, wonach die Wüste vor nicht 
allzu ferner Zeit unter dem Meere lag, und nach 
ihrer Hebung, als auch das Klima Aegyptens 
feuchter war, eine üppige Vegetation trag, fragt, 
er, ob jene Feuersteine nicht als ein Beweis zu 



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Referate. 



289 



betrachten seien, dass sie auch vom Menschen be- 
wohnt war. Desor giebt zu, dass einige der vor- 
gelegten Feuersteinstücke wie vom Menschen ge- 
schlagen aiwsehen, mahnt aber zur grössten Vor- 
sicht bei solchen Bestimmungen. Als der Brüsaeler 
Congress eine Commission ernannte zur Prüfung 
ähnlicher Feuersteinstücke , waren die Meinungen 
gutheilt, er aber sprach sich gegen die Verfertigung 
durch Menschenhaud aus, weil wesentliche Kenn- 
zeichen für eine solche Annahme fohlten. Hamy 
erwähnt solcher Flintstücke aus der Wüste von 
Theben in Aegypten, die denen aus den Höhlen 
Perigords sehr ähnlich sind , welche doch unzwei- 
felhaft vom Menschen herrühren. Engelhardt 
spricht über Grabhügel des Eisenalten, welcher 
Zeit auch die Runensteine angehören. Er kommt 
noch einmal zurück auf den Goldring mit angeb- 
lichen Runen und erklärt, dass es in Deutschland 
keine Runensteine gebe, dass sie die Grenze bil- 
den zwischen Schleswig und Holstein ; nur in der 
Schweiz sei einer gefunden. Er bezeichnet das 
Gebiet ihrer Verbreitung und schildert ihr Vor- 
kommen bis zura Beginn der christlichen Zeit, ln 
der letzten Sitzung am Nachmittag legt de Bayo 
Zeichnungen von Thongeräthen aus einer Grotte 
der Champagne vor, die er der Bronzezeit zuweist. 
Bellucci stellt die prähistorischen Funde zusam- 
men , die bis jetzt in Umbrien gemacht sind , wo 
man auch Werkstätten für die Herstellung von 
Stein Werkzeugen fand. Er theilt Analysen itali- 
scher Bronzen mit und sagt, dass bis jetzt prä- 
historische Geräthe aus reinem Kupfer nicht ge- 
funden seien. Lorange bringt die Gräber des 
norwegischen Eisenalters, von denen er in neun Jah- 
ren schon viele hat verschwinden sehen, in drei Ab- 
theilungen. Es sind zahlreiche Hügel mit Aschen- 
und Knochenresten in Urnen, nebst Bronze- nnd 
Eisensachen, die mit der Leiche auf dem Scheiter- 
haufen lagen; hier ist keine Spur von römischem 
Einfluss; oder die Hügel enthalten Bronze und 
Gold, zuweilen römische Kunstsachen, so eine Vase 
mit römischer Inschrift , die einzige in Skandina- 
vien gefundene, mit Ausnahme der im National- 
museum auf bewahrten , die dem Apollo Grannus 
geweiht and in Westmannaland gefunden ist. In 
anderen Anden sich beständig Gegenstände römi- 
schen Ursprungs. Das Eisenalter hält er in Nor- 
wegen für älter als in anderen Ländern. Oppert 
weist auf die Bedeutang der Sprachstudien für die 
ethnologische Forschung hin, die man theils ver- 
nachlässigt, theils auch überschätzt habe. Es gebe 
indoeuropäische Sprachen , aber nicht eine indo- 
europäische Race. Der alten europäischen Bevöl- 
kerung sei durch Einwanderung unzweifelhaft eine 
8prache asiatischen Ursprungs überliefert worden. 
Die Spanier redeten eine lateinische Sprache, seien 
aber nicht Römer, sondern Iberer. In den skandi- 
navischen Sprachen seien verschiedene Elemente 

Archiv für Aatliropolofrt*. B4 Vtl. H*fl S. 



gemischt, sie bezeugten auch das Vorhandensein 
einer früheren finnischen Bevölkerung. Schaaff- 
h aasen legt im Aufträge des Professors aus’ in 
Weerth zwei seltene Schmuckger&the aus Bern- 
stein vor, von denen das eine aus einem Grabe bei 
Korinth, das andere aus der alten Stadt Cumae 
in Campanien herrührt. Mehrere eckige Stücke 
des letzteren sind geschnitzt und menschliche Ge* 
siebter darauf dargestellt, eines zeigt deutlich die 
Züge eines Tataren. Das Bild eines Mongolen auf 
einem Alterthum aus Groasgriechenland ist höchst 
auffallend, weil die alten Griechen und Römer mit 
den mongolischen Völkern kaum eine Berührung 
hatten. Nur die vom Kaiser M. Antoninns an den 
Beherrscher Chinas im Jahre 166 geschickte Ge- 
sandtschaft ist bekannt. Doch wird berichtet, wie 
A. v. Humboldt angieht, dass schon 122 v. Chr. 
ein chinesisches Heer bis zum Caspischen Meere 
vordrang und noch einmal im Jahre 97 nach Chr., 
als auch ein römisches Heer io diesen Gegenden 
stand, ohne dass beide von einander wussten. 
Neuerdings will Js. Taylor in dem Etruskischen 
sogar eine altaische Sprache entdecken, und die etrus- 
kische Götterlehre soll dieselbe wie die de« finni- 
schen Epos Kalevala sein. Prarond liest hierauf 
eine Mittheilung über die ersten Funde bei Abbe- 
ville nnd über eine neu entdeckte Flintwerkstätte 
daselbst. Hildebrand macht einige Angaben 
aus einer Abhandlung von Aspelin über das 
Eisenalter des finno-ugrischen Stammes. Desor 
rühmt die reiche Ausstellung von Zeichnungen 
solcher Funde, hätte aber lieber die Gegenstände 
selbst gesehen. Lerch kündigt an, dass Aspel in 
in Verbindung mit der Universität von Helsingfors 
die Herausgabe eine» Atlas finnischer Alterthümer 
vorbereite. Oppert erwiderte auf einige Be- 
merkungen Landberg^s überden anthropologischen 
Werth der Sprachforschung und schloss mit der 
Erklärung, das» er Über Ursprachen der Völker 
nichts zn sagen wisse. Schon in der Sitzung am 
Morgen theilte der Vorsitzende mit, dass das Conseil 
vorschlage, der sehr freundlichen Einladung, die 
nächste Versammlung 1876 in Pesth abzuhalten, 
zu entsprechen. Die Versammlung gab dieser 
Wahl ihre Zustimmung. Auch war dem Conseil 
ein von zehn, meist deutschen Mitgliedern Unter- 
zeichneter Antrag überreicht worden, die Bestim- 
mung der Statuten aufzuheben, welche den aus- 
schliesslichen Gebrauch der französischen Sprache 
für die wissenschaftlichen Mittheilungen vorschreibt. 
Der nächste Congress wird über diesen Antrag 
einen Beschluss zu fa«acn haben. 

Man merkte der letzten Stunde der Verhand- 
lungen eine gewisse Unruhe an, denn das Fest in 
Drottningholm nahte heran, wohin der König alle 
Congressraitglieder für den Abend eingeladen hatte. 
Vor 8 Uhr landeten dort die fünf Festboote und 
ein Zug von etwa 900 Gästen stieg bei den Klängen 
37 



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290 



Referate. 



eines Fest marsches über die prächtig«. 1 , mit Teppichen 
belegte und glänzend erleuchtete Treppe hinauf in 
die oberen Gemächer de» Schlosses, liier empfiug 
sie der König mit beiden Königinnen in dem rei- 
chen Saale Oscars I., der mit den Bildnissen aller 
mit diesem Monarchen zugleich regierenden Für- 
sten geziert ist. Alle in Stockholm anwesenden 
Staatsruthe , die Reichsmarschälle und Seraphims- 
ritter, sowie die fremden Gesandten waren zugegen 
und es fehlte nicht, was solchen Festen erhöhten 
Glanz verleiht, ein reicher Kranz geschmückter 
Damen, von denen einige durch Schönheit blende- 
ten und viele in Juwelen strahlten. Der König 
begrüsste seine Gäste in längerer trefflicher Kedo. 
Er gedachte des schmerzlichen Verlustes, wegen 
dessen er auf das Vergnügen, «len Vorsitz bei dem 
Congresse zu führen, habe verzichten müssen und 
sprach den Bestrebungen uud Leistungen dieses 
internationalen Vereins für die prähistorische For- 
schung seine Anerkennung aus. Dann schilderte 
er die Stellung Schwedens zu den übrigen hin- 
dern Euroiwi’s. Er bezeichnet!.* die Aufgaben, die 
es auf dem Gebiete der Wissenschaft zu lösen habe, 
und bemerkte, dass das schwedische Volk fast das 
jüngste Culturvolk Europa 1 » sei. Die jüngsten 
Geschwister einer Familie müssten gewöhnlich 
eifriger und anstrengender arbeiten als die anderen, 
aber man pflege ihnen auch eine besondere Liebe 
und Nachsicht zu widmen nnd diese wolle er 
auch für Schweden in Anspruch nehmen. Ihm ant- 
wortete Worsaae mul ein dreimaliges Hoch scholl 
von Aller Munde. Nun wogte die MenschenfÜUe 
von Saal zu .Saal, die Unterhaltung war zwanglos 
und lebhaft, die Bewirthung an 14 reich gedeckten 
Tafeln königlich. Bei der Rückfahrt waren die 
Landhäuser am Mälar erleuchtet mit bunteu Lich- 
tern und bengaliBchem Feuer. Erst um Mitter- 
nacht erreichte man wieder Stockholm. 

Am Sonntag Morgen um 12 Uhr wurde der 
Congrees in feierlicher Weise in Gegenwart des 
Königs geschlossen. Graf Hamilton Bebilderte 
mit beredten Worten, was man von dieser Ver- 
sammlung gehofft und was sie geleistet habe. 
Viel Stof!' sei gesammelt und neues Licht über die 
Vorzeit verbreitet worden ; das sichere Fundament 
sei gelegt, auf dem die Zukunft das Gebäude der 
Wissenschaft errichten werde. Unter den Gelehr- 
ten seien angenehme und fruchtbare Verbindungen 
geknüpft oder erneuert worden. Er dankt dem 
Könige im Namen Aller für seine Theilnahine an 
den Verhandlungen nnd nennt glücklich das Land, 
wo die Wissenschaft am Throne solche Ehre und 
solchen Schutz findet, der ihr allzeit nützlich und 
oft nothwendig ist. Schweden wisse dies Glück 
zu schätzen, aber die Wissenschaft gehöre allen 
Völkern, darum rede er nicht nur iui Nainen sei- 
ner Landsleute, sondern bitte Se. Maj., von ihm, als 
dem Dolmetscher der Gefühle Aller, den Ansdruck der 



Ehrerbietung und tiefen Dankbarkeit entgegen- 
zunehmen. Auch dankte er der Residenz und 
den gelehrten Gesellschaften «les Landes für ihre 
Hülfe. Schweden, dem übrigen Europa so fern, 
habe dennoch stets gesucht, mit der Uivilisation 
gleichen Schritt zu halten. Es habe von Anderen 
so viel empfangen an Schätzen der Wissenschaft, 
dass es bei dieser Gelegenheit danach gestrebt 
habe, einen Theil dieser Schuld ahzutragen. Man 
habe wenigstens zu zeigen gesucht, dass man 
nicht zurückstehen wolle gegen andere Völker in 
der Liebe zur Wissen sebaft uud in der Hochach- 
tung gegen die, welche sie pflegen. I)en auslän- 
dischen Mitgliedern dankt er für ihr zahlreiches 
Erscheinen und hofft, dass sie dem schwedischen 
Lande und diesen Tagen, die allzuschnell dahin 
gegangen, eine freundliche Erinnerung bewahren 
werdeu. Mit einem begeisterten Hoch auf den 
König uud das königliche Haus, welches Desor 
ausbrachte, schloss die Feier. Nur der österreichi- 
sche Bevollmächtigte, Graf Xaluska, meldete noch, 
dass das ungarische Ministerium den nächsten 
Congress in Pesth willkommen heisse. 

Nachdem der König freundlich grüseend und 
Vielen die Hand reichend den Saal verlassen hatte, 
richteten die Gäste nach allen Seiten hin Worte 
des herzlichsten Abschieds mit der Versicherung, 
dass die verlebten Tage ihnen unvergesslich blei- 
ben würden. Das schöne Stockholm hielt aber 
beinahe Alle noch an diesem Tage fest und noch 
einmal vereinigte mau sich um Abend in der fest- 
lich erleuchteten Villa By ström, wohin Herr Ham- 
mer die fremden Mitglieder des ('ongiessea ge- 
laden hatte und wo diese eine reiche Sammlung 
von Kunstwerken und Alterthümern aufgestellt 
fanden. Als man in später Nacht sich trennte, 
leuchtete ein blendendes Kalk licht von der Spitze 
des malerisch über der Stadt gelegenen Hauses 
den Schiffen zur Rückfahrt und in dämmender 
Runenschrift las man die Worte: 

Ara at forntidu minncii! 

Ehre d«in Erinnerungen der Vorzeit! 

Bonn, den 15. November 1874. 



7. Ans der Generalversammlung des natur- 
liistoriscliun Vereins für Rheinland und 
Westphaleu in Andernach, am 26. Mai 
1874. 

Professor Schaaffhausen besprach einige 
Funde , die sich auf die Vorzeit unseres Rhein- 
landes beziehen und zum Theil auf die der näch- 
sten Umgegend. Die Flotte stolzer Schiffe, welche 



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Referate. 



291 



jetzt den Rhein befuhren, lässt kaum noch den 
Gedanken mit kommen , dass die ersten Anwohner 
unseres Stromes mit uusgchohlten Baum stimmen 
die Schifffahrt auf demselben bewerkstelligten. 
Dieser Einbaum ist das Vorbild des Kahnes und 
wie ein Rest der Urzeit ist er noch in Gebrauch 
auf den bayerischen Gebirgsseen wie auf den lauen- 
hurgischeu Gewissem, ln diesem .luhrhundert ge- 
brauchten die Ellerbecker sie noch auf dem Kieler 
Hafen. Wie Veliejus Paterculus erzählt, fuhr 
ein Häuptling der Germanen auf einem solchen 
Ein bäum über die Elbe, um den Caesar Tiherius 
za begrüben. Er fügt hinzu, dass dies ein ge- 
wöhnliches Fahrzeug bei ihnen sei. Es erwähnen 
auch Livius L. XXI. 26 und Plinins L. XIV. 41 
dieselben. Ein solcher Kahn aus Eichenholz be- 
findet sich im Wall raf rächen Museum in (’öln; 
er wurde 1857 auf der Wahner Huide, und zwar 
im Lindener Bruch heim Torfstechen gefunden, an 
einer Stelle, die vom heutigen Rhein etw'a 1 Stunde 
entfernt ist. Er lag 5 Fass tief umgekehrt im 
Torf, es fand sich aber nichts darunter oder in 
seiner Nähe, er ist 15 l /j Pan lang, in der Mitte 
nur 10 Zoll hoch, die Höhlung ist nur 7 Zoll tief, 
so dass es kaum begreiflich ist, wie ein Alenseh, 
der auf dem kleinen Sitze tm einem Ende sau, 
das Umschlagen des glatten, runden und etwas 
krummen Baumes hat vermeiden können. Solche 
im Torf (»der auf festem Lande gefundenen Kähne 
geben Auskunft über den früheren Waaserlauf der 
Ströme. Wiewohl man angiebt, dass die Agger 
sich bei Troisdorf ehemals getheilt und einen Arm 
uördlich abgegeben habe , der bei Wahn in den 
Rhein floss, so ist es doch viel wahrscheinlicher, 
dass der ’M) bis 40 Morgen grosse Lindener Bruch 
der Best eines alten Rheiunriues ist, der hier ver- 
sumpfte, und dass in noch früherer Zeit der Rhein 
die ganze Thalebene zwischen Wahn und Walber- 
berg, die drei Stunden breit ist, ausfüllte. Die 
stärkere Bewaldung des Lindes erklärt den mäch- 
tigeren Lauf der Ströme der Vorzeit nicht, von 
denen die alten Khei nufer an vielen Stellen des 
Thaies Zeugnis« gehen; es aiud die grössereu Glet- 
scher der sogenannten Eiszeit, womit man diese 
Erscheinung in Verbindung bringen muss. Dass 
aber der Kahn ein so hohes Alter uicht in An- 
spruch nehmen kann, geht daraus hervor, dass an 
seinen beiden Enden schürfe Beilhiebe erkeuubnr 
sind, die wohl nur ein Bronzebeil oder eine eiserne 
Axt hervorbringen konnte. Ein zweiter Kuhn solcher 
Art, es ist ein Buchenstamin, wurde vor l 1 * Jahre 
aus dem Laacher See gehoben, wo er schon 
seit 1870 sichtbar geworden war, indem das eine 
Ende über dem Wasser hervorragte. Herr Jür- 
geus S. J. hat ihn herausnehmen lassen und die 
vorgelegte Zeichnung augefertigt; er ist 12* Fass 
lang und 1 1 Fuss breit; iin Innern lagen fünf 
roh bearbeitete Lava blocke und Bimsstein, der dort 



den Uferrand bildet, also wohl vom See hiucinge- 
spült war. 

Hierauf legt er einen merkwürdigen Schädel 
vor, der im alten Bett der Lippe Ihm llnnim 27 Fuss 
tief bereits 1844 gefunden, uud ihm kürzlich von 
Herrn von Griesheim in Bonn übergehen worden 
ist. Es ist ein LapfienRchädel. Dieser Fund ist 
entscheidend für die mehrfach , aber oft ohne hin- 
reichende Gründe aufgestellte Behauptung, dass in 
der Vorzeit vor der indogermanischen Einwande- 
rung ein finnischer oder mongolischer Meuschen- 
stuium sich bis nach Westeuropa verbreitet habe. 
Die klciueu rundlichen Schädel der ältesten skan- 
dinavischen Steingräber gubeu die erste Veranlas- 
sung zu dieser Annahme. Der vorliegende Schade) 
hat in den Maasaen eine grosse Uebereinstimmung 
mit diesen uud zeigt die dieser Race zukoiiiuieiide 
eigenthümliche Bildung des Zahubogens. Die 
alteu Iberer und Ligurer gelten als vou filmischer 
Abstammung. Auch die Verwandtschaft des Bas- 
kischeu mit den finnischen Sprachen deutet auf 
gemeinsamen Ursprung. 

Sodann zeigt der Vortragende einen bereits im 
Jahre 1852 in einem Lavahruehe am Plaidter 
Hümmerich gefundenen Krotzenstein, in dessen 
Mitte, als er in zwei Stücke geschlagen wurde, ein 
Eiseil steckte, das die Form eines sehr grossen 
Hufnagels hat. Dasselbe liegt mit zwei Seiten und 
dem Kopfe der Lava dicht an, nach der anderen 
Seite befindet sich eine Höhlung, die hei der Auf- 
findung mit einer erdigen Substanz gefüllt war. 
Die eine Hälfte des Blockes, in der die abgebro- 
chene Spitze des Nagels sichtbar war, wurde leider 
nicht nufbewahrt. Die bestimmte Auslage des 
Grabenaufseher» Joh. Stein in Plaidt, der als ein 
glaubwürdiger Manu bekauut ist uud neben dem 
Blocke stand, als er zerschlagen wurde, lässt den 
Gedanken an einen Betrug nicht atifkommen. Eine 
unabsichtliche Täuschung wird durch deu genauen 
Fund bericht ebenso ausgeschlossen. Während man 
früher die Thätigkeit der Vulcaue am Niederrhein 
• in die tertiäre Zeit zurückversetzt«', in der sie jeden- 
falls ihren Anfang nahm, und das Meer den Fürs 
der feuerspeienden Berge noch bespülen lies»», wie» 
schon 1822 Steiuinger darauf hin. dass die 
letzten vulcanischen Eruptionen in der Eifel, am 
Rhein und in der Auvergne iu eine Zeit fielen, wo 
diese Gegenden rücksichtlich des Meeresstandes 
und der Tbalbildung bereits ihre gegenwärtige 
Gestalt erlangt hatteu. Diese Ansicht wurde durch 
von Oyn hausen und von Dechen bestätigt. Die 
Geologen hielten aber doch meist au der Annahme 
fest, das» die jüngsten Eruptionen in die vor- 
geschichtliche Zeit zu setzen seien. Dem Versuche 
Stein i n ge r’s, die bekannte ErzihlungdesTacit us, 
L. XIII. 57, von einem im Laude der Vibionen aus 
der Erde hervorgebrochenen Feuer auf ein solche» 
Ereignis» zu beziehen, traten schon 1824 Nee» 



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292 



Referate. 



v. Escnbeck und Nöggerath entgegen, die 
darin nur einen Wald- oder Haidebrand erkennen 
wollten. Noch einmal sprachen sich 1851 von 
Eich wald und 1853 Zimmermann dafür aus, 
dass jene Stelle des Tacitus ein volcanisches 
Ereigniss schildere. Die Unzuverlässigkeit der 
übrigen angeblichen Fände von Caltnrresten in 
den Bimssteinlagern bei Neuwied und unter der 
Lava in der Eifel haben von Dechen 1861 und 
Nöggerath, wie schon früher, noch einmal 1868 
nachgewiesen. Sowohl von Leonhard wie Dau- 
be u y verweisen deshalb die vulcanischen Ereig- 
nisse unserer Gegend in die Vorzeit, nur Scrope 
ist nicht abgeneigt, solche, wegen des frischen 
Aussehens mancher Lavaströme, noch in die Römer- 
zeit zu setzen. Was aber jene Stelle bei Tacitos 
angeht, so möchte die Deutung, dass sich dieselbe 
auf einen Wald- oder Haidebrand beziehe, doch 
wohl schwerlich festzuhalten sein. Die Worte : i g n e s 
terra editi deuten nur auf ein vulcanischcs Feuer, 
nur ein solches, nicht die gewöhnliche Erscheinung 
eines Waldbrandes, erklärt die abergläubischen Vor- 
kehrungen. dasselbe zu löschen. Schmutzige Klei- 
der galten den Römern auch als ein Mittel, das 
Einschlagen des Blitze« zu verhüten. Was den 
Menschen bei einom Wald- und Haidebrand am 
meisten belästigt, ist der erstickende Qualm uud 
Rauch; davon sagt Tacitus kein Wort. Dass 
unter den Juhones oder Vibiones die Ubier gemeint 
sein dürften, wird allgemein zugestanden. Dann 
kann aber unter der Colonia nuper condita nur 
Cöln uud nicht etwa eine der anderen Militarsta- 
tionen am Rhein verstanden werden. Da in der 
Nähe von Cöln niemals vulcanische Ausbrüche statt- 
fanden, so bleibt nur die Annahme übrig, dass man 
in Rom bei Mittheilung eines merkwürdigen Natur- 
ereignisses am fernen Rhein die Bestimmung der 
Oertlichkeit nicht genau genommen und einen Vor- 
gang, der vielleicht 12 Stunden von Cöln sich er- 
eignete, auf diese Stadt selbst bezogen habe. 



Wiewohl die Angabe, dass im Gebiete von Rom 
noch in geschichtlicher Zeit Lavaausbrüche statt- 
fanden, über die keine Nachricht vorliegt, wieder 
zweifelhaft geworden war, indem man glaubte, das« 
die Thongeräthe, die inan unter einer Peperin- 
ablagerung fand, durch einen angelegten Gang da- 
hin gelaugt oder durch eine Spalte hinabgefallen 
seien, so ist neuerdings durch eine Prüfung von 
Sachverständigen festgestellt, dass hier iuderThat 
menschliche Culturreste von einem I*avastrome 
überschüttet worden sind. Ebenso steht es jetzt 
unzweifelhaft fest, dass in Frankreich, dessen vulca- 
nische Bildungen in der Auvergne und im Vivarais 
mit denen nuserer Gegenden die grösste Ueber- 
ciustimuiung zeigen, der Mensch Zenge der letzten 
vulcanischen Ausbrüche gewesen ist. Es sind 
jetzt zwei Funde einer Lavabreccie vom Vul- 
can la Denise bei le Puy-eu-Velay vorhanden, 
welche Menschenreste einschliessen , die kürzlich 
Sau vage (Revue d'Anthropologie, Paris 1872. 2) 
beschrieben hat. Wie diese die Zeichen einer niederen 
Organisation an sich tragen, so ist dasselbe bei den 
menschlichen Gebeinen der Fall, die im vorigen 
Jahre bei einem Kellerbau in Coblenz mit Thier- 
knochen im vulcanischun Sande unter einer festen 
Britzschicht gefunden worden sind. Vou diesem 
Funde durch Herrn Geh. Rath Wegeier sofort be- 
nachrichtigt, konnte der Redner an Ort und Stelle 
noch die näheren Umstände feststelten, über die er 
schon bei der Anthropologen Versammlung in Wies- 
baden im September vorigen Jahres berichtet hat 
Zuletzt zeigt derselbe einen zierlichen eisernen 
Schraubenschlüssel von einem Radschlussgewehr 
aus dem Anfang des 16. Jahrhunderts, so wie 
einen aus gebranntem Thon roh gefertigten Spinn- 
wirtul vor, die nicht, wie ihm angegeben war, in 
einem Lavablocke, sondern zwischen den Blöcken 
eines Lavabruches auf der Spitze des Nasskopfes 
bei Andernach gefunden worden sind. 



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REGISTER DES SIEBENTEN BANDES. 



Seit« 

A eiteste Sporen des Menschen 136 

Aelteete Spuren des Menschen in Schweden . . 276 
Affenschädel, Vergleich mit dom der Micruee- 

phalen . 211 

Amerika, von Phöniciern oder Carthagern ge- 
kannt 123 

Ausgrabungen bei Haddien 180 

„ in Jeverland 180 

„ im südlichen Spanien 111 

, bei Birka 284. 285 

Balticnm und Kusslund, Archäologie 59 

Bernsteinhandel, Wege desselben 277 

Bcstattungsweiso in Russland, vorseitliche ... 85 

Bruuzealter des Balticnm 91 

„ in Schweden 261 

Bronzogeräth in Russland 70. 91 

Birka, Ausgrabungen 264. 285 

Gelten 71 

Clima der quaternären Zeit 284 

Congrees, internationaler in Stockholm 274 

Dangast, am Jahdebusen, Urnenfunde 107 

Dolmen und ihre Verbreitung 279 

, Volk derselben 279 

Einbaum aus dem Torf der Wahner-Haido . . . 291 
Eiszeit in Russland 60 



Eiscnalter Schwedens und Scandinaviens überhaupt 

286. 387 



Färbung der Haare, Augen, Haut. Statistik . . 

Fauna der Eiszeit 

Finnen 

Finnland, Steinalter in 

Friesische Alterthümer 157. 

Geechlechtsnnterschiede des Schädels 

Glacialzeit 

Gehirn der Microcephalen 

Geräthe, vorhistorisches, aus Renthiergeweib 65. 



P 7 



62 

71 

284 

165 

1 

60 

245 

136 



Heit« 

Gräber, spanische; Schädel und Thongeräthe . . 111 
Griei-hengrab des III. Jahrhunderts am Rigaer 



Busen . 96 

Handelsstrassen über die Alpen nach Russland . 101 
Haare-, Augen- und Hautfarbung, statistisch . . 137 

Haddien 180 

Juhdehasen, Ausgrabungen 167 

Je verland 180 

Kinderschädel 23 

Kistengräber der Krim 73 

Kjökkeumöddinger-Periode Russlands 63 

Knochenhöhlen bei Thayingen, Schweiz .... 105 
Kreisgruben der Watten Oldenburgs ...... 157 

Krim, Kistengräber 73 

Küchenabfalle der oldenbnrgischen Watten . . . 176 
Krotzenstein aus einem Lavabruch mit einem 

darin enthaltenen Eisen 291 

Lappenschädel aus dem Bett der Lippe hei Hamm 291 

Mammuth in Russland 61 

Männer- und Weiberschädel 1 

Marschen der Nordaeeküsteu 159 

Megalithische Grabstätten Russlands 72 

Menschen, älteste Spuren des, in Schweden . . 176 
Mensch, vorhistorischer in Schweden ..... 287 

Microcephalie 1 

Microoepbaler Schädel 42. 200 

„ j, Vergleich mit Affenschädel 247 

„ GesichUscbädel 211 

Microcephalen geh irn 245 

Nordsecküsten, Marschen derselben 159 

Oberahn, Urnenfnnde 169 

Onondaga-Riesc, der 267 

Pfahlbautenzeit Russlands 72 

Phdnicier, Verkehr mit Amerika 123 

Quaternäre Zeit, Clima derselben 284 

Renthicr und Löwe als Zeitgenossen 136 



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294 Register. 



Mt* 

Renthierperiode Russlands 63 

Kenthier in Schweden 277 

Rie»e, der Ouondaga 267 

Scandinavisches Eisenalter 285. 287 

Schädel, Geschlechtsunterschiede 1 

„ der Microecphaleu ........ 42. 200 

, des Kindes 23 

„ schwedische 280 

„ eines Lappen 291 

Schlickwatten der Nordseeküsten 159 

Schweden, älteste Spuren des Menschen in . • • 276 

n Steinalter in 276 

„ zur Zeit der polirten Steingeräthe . . 277 

„ Eisenalter in 285. 287 

„ vorhistorischer Mensch in 287 

Spanien, Ausgrabungen • 111 



Spuren, älteste des Menschen in Schweden . . . 276 
„ des Menschen in der Thayinger Höhle . 136 



Seite 

Steinalter in Schweden 276 

„ älteres in Schweden fehlend 277 

„ in Finnland 2*4 

Steinwaffenerzeugung 263 

Steinwerkzeuge der rassischen Vorzeit 63 

Steinzeit Rasalands 60 

Stockholm, Congress . 274 

Sylt, oxhumirte Urnen, Thierreste 168 

Thayingcr Knochenhöhle • 135 

Urbevölkerang Europas 71 

Urneu der Schlickwatten Oldenburgs 162 

Vor-aztekische Ruinenstädte 123 

Vorgeschichtlicher Mensch 143. 287 

Vorgeschichtliche Zeit 143 

Wangeroge, exhumirte Urnen, Knochen .... 163 
Watten des Grossherzogthams Oldenburg, Kreis- 
gruben 157 



Berichtigung. 

Seite 271 lies Xi. Referate, statt V. 



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I 

INIIALT DES SIEBENTEN BANDES. 



I. Beiträge znr Kenntnis« der Mikrocephalie. Von Prof. Dr. Chr. Aeby in Bern. II. (Fortsetzung.) 

Hierzu Taf. I. bis IV 1 

II. Zur Archäologie des Bnlticutn und Russlands. Von C. Grewingk in Dorpat 59 

III. Ausgrabungen im südlichen Spanien. Von Dr. A. Schetelig. Hierzu Taf. V. bis XVII 111 

IV. Haben die Phönicier oder Carthager Amerika gekannt? Von Dr. II. llBrtogh Heys van 
Zouteveen. Nebst einigen Schlusabemerkungen von Dr. Alexander von Frantzins. . . . 123 

VII. Mitteilungen über in friesischen Landen des Herzogtums Oldenburg vorkommende Altertümer 

vorchristlicher Zeit Von Fr. von Alten in Oldenburg. Hierzu Tafel XVIII. und XIX 157 

1. Die Kreiagruben in den Watten des Herzogthums Oldenburg 157 

2. Ausgrabungen bei Haddien im Jeverland nebst einigen Nachrichten über Aehnliches im 

Herzogthum Oldenburg 160 

VIII. Beiträge zur Kenntnis« der Mikrocephalie von Prof. Dr. Chr. Aeby in Bern. (Fortsetzung von 

Nr. 1 dieses Bandes.) Hierzu Tafel I. bis IV 199 

IX. Die Erzeugung der Steinwaffen von Pani Schumacher in San Francisco 203 



Kleinere Mittheilungen. 

V. I. Heber die neuentdeckten Knochenhohlen bei Thayingen und Freudenthal im Canton Schaff* 

hausen (Schweiz). Aus einer brieflichen Mittheilnng von L. Rütimeyer an A. Ecker . . 135 
2. Oesellschaftsangelegeaheiten. Von A. Ecker. 

A. Die Statistik der Farbe der Haare, der Augen und der Haut der Bevölkerung des deut- 
schen Reiches 137 

B. Der badische anthropologische Verein, ein Zweigverein der deutschen Gesellschaft für 

Anthropologie, Ethnologie and 1‘rgeschichte 140 

X. Der Onondoga-Riese. Briefliche Mittheilungen von C. Rau in New-York an Dr. v. Frantzius. 

Mit einem Nachwort des Letzteren 267 

Referate. 

VI. I) Zeitschriften — und Bücherschau. 

1. J. Lu block. Die vorgeschichtliche Zeit, erläutert durch die Ueberreste des Alterthums 
und die Sitten und Gebräuche der jetzigen Wilden 143 



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ti Inhalt. 

Seite 

2. W. Baer und Friedr. v. Hellwald. Dor vorgeschichtliche Mensch 143 

3. Maximilian Perty. Die Anthropologie als die Wissenschaft von dem körperlichen und 

geistigen Wesen dos Menschen * 141 

4. Corazzini, Francesco. I tempi preistorici o le antichissime tradizioni eonfroniato coi 

resultati della »cienza m odern a 145 

5. Marshall, W. E. A phrenologist amongst the Todas .146 

6. Oberländer, IVestafrika vom Senegal bis ßenguela 146 

7. Gen the, Uebor den etruskischen Tauschhandel nach dem Norden .147 

8. F. Keller, Archäologische Karte der Ostschweiz 147 

9. llandelmanu nud Pansch, Moorleichenfunde in Schleswig-Holstein 147 

10. llartig, Ueber den Gebrauchawechsel als Bildungsgesetz für Werkzeugformen 147 

11. Völkerkunde von Oscar Peschei 147 

12. Bericht über Erscheinungen im Gebiete der Desceudcuxlehro vom Jahre 1873 149 

13. Iievue d’Anthropologie p. P. Broca . 160 

14. Archivio per Pantropologia e la etnologia • 161 

XI. I) 1. Revue d’anthropologie p. P. Broca III. 3 271 

2. Archivio per l’antropologia e la etnologia. IV. 2 271 

VI. II) Verhandlungen gelehrter Gesellschaften und Versammlungen. 

1. Association frnngaise pour Pavancement des science* 1873 151 

2. Versammlung der „British Association“ zu Bradford vom 17. bis 26. September 1873 ...» 153 

3. Societe d’ Anthropologie de Paris 154 

4. Memoire* de la Societe d’ Anthropologie de Paris 155 

5. Anthropological Institute of Great Britain and Ireland 155 

XI. II) 1. Anthropological Institute of Great Britain and Irelaud 271 

2. Societu d’Anthropologie de Paris 272 

3. Anthropologische Section der Association frangaise pour Pavancement des Sciences. Ver- 
sammlung zu Lille am 20. bis 27. August 1874 273 

4. Anthropologische Section der British Association for the advancement of Sciences. Versamm- 
lung zu Belfast 20. August 1874 274 

5. Fünfte allgemeine Versammlung der deutschen anthropologischen Gesellschaft zu Dresden am 

14. September 1874. (Ausführlicher Bericht folgt) 274 

6. Bericht über den internationalen Congress für vorgeschichtliche Anthropologie und Archäo- 
logie in Stockholm vom 7. bis 16. August 1874. Von II. Schaaffhausen 274 

7. Aus der Generalversammlung des naturhistorischen Vereins in Andernach am 26. Mai. Von 

Demselben 290 



Verzeichnis der anthropologischen Literatur. 

(Insbesondere des Jahres 1873.) 

1. Urgeschichte. Von 0. Vogt 1 

2. Anatomie. Von A. Ecker 14 

3. Ethnographie. 

a. Allgemeines. Von Fried, v. Hellwald 18 

b. Europa. Von Fried, v. Hellwald 25 

c. Asien. Von G. Gerl and 36 

d. Australien und Oceanien. Von Prof. Meinicke..., 54 

e. Afrika. Von Prof. R. Hartmann 55 

f. Amerika. Von Fried, v. Hellwald 55 



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Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



I. 

Urgeschichte. 

(Von C. Vogt.) 



Der Bericht enthält, was mir von Anfang Mai 1873 bis Ende September 1874 zagekommen ist. 
Als ein erfreuliches Zeichen dürfte zu betrachten sein, dass der Eifer der Laien und Neugierigen, «reiche 
über jeden an sich unbedeutenden Fund grosses Geschrei erheben, nachgelassen zu haben scheint, 
während die ernsteren Studien im Gegentheile sich bedeutender Arbeit erfreuen. Das Literaturrerzeich- 
niss mag schon aus diesem Grunde an Umfang abgenommen haben. Sodann aber habe ich mich 
hinsichtlich Englands und besonders Italiens su entschuldigen. Es ist mir, namentlich aus Italien, fast 
Nichts zugekommen. Ob dies auf mangelhafter bucbhändlerischer Verbindung oder auf anderen Gründen 
beruht, vermag ich nicht zu entscheiden. 



Dänemark. 



C. Engelhardt. Statuettes romaines et autres ob* 
jets d'art, du premier &ge de fer. (Memoires de 
la Societe des Antiquaires du Nord, Volume III, 
pag. 47. 12 Tafeln. Viele Holzschnitte.) 

Obgleich Dänemark und Skandinavien überhaupt nie* 
mal» von den Römern betreten wurden, findet man 
dort viele römische Gegenstände , Medaillen , Vasen, 
Statuetten u. s- w., die Verfasser sehr genau beschreibt 
and gut abbildct. Sie stammen nach ihm aus der Zeit 
des Verfalls der römischen Kunst (Antonine nnd später) 
und müssen durch Tauschhandel dorthin gekommen 
•ein. 

E. Vedel. Recherche« sur leg reiten du premier 



age de fer dans Hie de Bornholm. (Memoires 
de la Societe des Antiquaires du Nord. Nouvelle 
Serie 1872. Avec 15 planches.) 

Die Fundstätten bestehen ans Brandplätaen (Brand- 
pletter) (über 1&00 durchforscht), Stcinhügeln (Steen- 
röser) und Steinkisten, ähnlich den Long barrows Groß- 
britanniens. Nur in letzteren Skelete. Verfasser un- 
terscheidet je nach der Form der Fibeln, der ein* oder 
zweischneidigen Schwerter mehrere Clasaen von Brand* 
plätten und hält die Steinhügel für die ältesten , die 
Steinkisten für die jüngsten Reste. Alle rühren von 
den Skandinaviern her, die schon lange vor Christi Ge- 
burt sich in Bornholm festgesetzt hätten. 



Deutschland. 



Carl Aeby. Ueber da« relative Alter der schwei- 
zerischen Pfahlbauten. (Correspondenzblatt, De- 
cember 1873.) 

Archiv flir Anthroyolugie. Bd. TIL Halt 4. 



Hermann Allmera. Die Kreiagräber der Nord- 
aeewatten. (Correspondenz - Blatt , September 
1873.) 

1 



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2 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



Ausgrabungen bei Langel. Vorläufiger Bericht 
Aber die Ergebnisse. (Correspondenzblatt, Au- 
gust 1873.) 

Wilhelm Baer, öchaaffliausen und Friedrich 
Hellwald. Der vorgeschichtliche Mensch. Leip- 
zig, Spanier. 576 S. Viele Holzschnitte und 
10 Thonbilder. 

Schon im Archiv für Anthropologie besprochen. 

Baati&n. Topf von Kessel bei Venlo (Limburg). 
Berliner Gesellschaft» 14. Juni 1873. 

Grosser, 0,75 Meter hoher Topf, mit kegelförmig xu- 
gespitzter Basis (Bronzezeit V). 

Bornemann. Prähistorische Wohn plätze bei Streg- 
da. Berliner Gesellschaft, 10. Januar 1874. 

Steinbeile, Topfscherben, Steine, auf welchen rothe 
Farbe zermahlen worden ist. 

v. Borosini. Alte Gräber bei dem Forathaus Lan- 
genlonsheim bei Kreuznach. Berliner Gesell- 
schaft, 14. Januar 1874. 

Angabe der Fundgegemu ände ohne nähere Beschrei- 
bung. 

Brewitt, Gräberfeld bei Saarn. Berliner Gesell- 
schaft, 10. Januar 1874. 

Fränkischer Kirchhof. 

Burmeiater. Alterthümer der Plata-Staaten. Ber- 
liner Gesellschaft, 15. November 1873. 

Grosaenthoils Berichtigungen von Angaben, die der 
Verfasser dem Congrease von Brüaael gemacht hatte. 

Caspar! Die Urgeschichte der Menschheit. Zwei 
Bände. Leipzig. Brockkaus, 1873. (Archiv für 
Anthropologie, Bd. VI, S. 224.) 

v. Cobaueen. Schlackenwall auf dem Limberg 
bei Saarlouis. Berliner Gesellschaft, 18. October 
1873. 

Keine Kohlen. Das Feuer aei von dem Angreifer 
angeateckt, nicht von den Kr bauern. 

Desor. Ueber altsibirische Bronzen. Berliner 
Gesellschaft, 10. Mai 1873. Siebe Schweiz. 

A. Eckor. Association fran^aise pour l'avancement 
des Sciences. Congres de Lyon 1873. (Bericht 
in dem Archiv für Anthropologie, Band VII, 
S. 151.) 

A. Ecker. Congrüs international d’Anthropologie 
et d’Archeologie pröhistoriquea. Compte rendu 
de la 6 rao Session k Bruxelles. (Archiv für An- 
thropologie, 8. 234.) 

A. Ecker. Pseodo-Pfahlbau im Schluch-See. (Ar- 
chiv für Anthropologie, Bd. VI, S. 307.) 

Engelhardt. Grabfund von Vallöby (Dänemark). 
Berliner Gesellschaft, 15. November 1873. 

Wundervolle Bronze, »Silber- und Goldaacben aus rö- 
mischer Zelt. 

Engelhardt. Gräberfund von Ringsted in See- 
land. Berliner Gesellschaft, 18. October 1873. 

Au« römischer Zeit. 



Fick. Cultur des Urvolkes der Indogermanen. 
(Correspondenzblatt, Juli 1873.) 

Fra&s. Schlagmarken auf Höhlenb&renknochen. 
(Correspondenzblatt, Mai 1873.) 

Fraas. Ueber die Höhlen von Thayingen und 
Freudenthal. (Correspondenzblatt, März 1874.) 

Frank Leslie. Centralamerikanische Hieroglyphen. 
(Correspondenblatt, Mai 1873.) 

A. v. Frantsiua. Die vierte allgemeine Versamm- 
lung der deutschen Gesellschaft für Anthropolo- 
gie, Ethnologie und Urgeschichte in Wiesbaden. 
(Archiv für Anthropologie, VI. Band.) 

von Frantzius. Versammlung der British Associa- 
tion zu Bradford vom 17. bis 25. September 1873. 
(Archiv für Anthropologie, Bd. VII, S. 153.) 

Emst Friedol. Archäologische Streifzüge durch 
die Mark Brandenburg. (Zeitschrift für Ethno- 
logie 1873, 6. Jahrgang, S. 245.) 

Bnrgwälle» Urnenfelder auf der Intel Töplitz nebst 
manchem, nicht archäologischem Beiwerk. 

Fritech. Ueber schlesische Gräberfunde von den 
Gütern Niklasdorf und Paulsdorf am Riesenge- 
birge. Berliner Gesellschaft, 15, Februar 1873. 
Urnen und gebrannte Knochen. 

Goiaeler. Bronzeschwert. Berliner Gesellschaft, 
25. Jauu&r 1873. 

Im Torf aus der Gegend von Briest. Sehr gross, 
fast i Meter lang. 

Gohr ich. Ueber den Schlossberg von Medewitz 
(Pommern). Berliner Gesellschaft, 10. Januar 
1874. 

Schwarze Cnltorscbicht mit Knochen, Uraenscberben, 
Kiaenresten. 

Hermann Gonthe. Ueber etruskischen Tausch- 
handel nach dem Norden. (Correspondenzblatt, 
Juli 1873. Archiv für Anthropologie, Bd. VI, 
S. 257.) 

C. Grewingk. Zur Archäologie de« ßalticmn und 
Russlands. (Archiv für Anthropologie, Bd. VII, 

S. 59.) 

Handelmann. Die Gräber der Bronzezeit auf der 
Insel Sylt. (Correspondenzblatt, Juni 1873.) 
Handelmann und Pansch. Moorleichenfunde in 
Schleswig-Holstein. Kiel 1873. 2 Photograph. 
(Archiv für Anthropologie, Bd. VII, S. 147.) 

Charl. Fred. Hart. Funde am Amazonenstrom. 
Berliner Gesellschaft, 14. Juni 1873. 

Portraiturneu aas Grabhügeln der Insel Marajö. 

Helm. Steinkistengräber in Karlikau und Nea- 
kau. (Correspondenzblatt, September 1873.) 

Hans Hildebrand. Beiträge zur Geschichte der 
Gewandnadeln. (Archiv für Anthropologie, Bd. 
VI, S. 150.) 



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Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 3 



H. Hüdabrand. Das heidnische Zeitalter in 
Schweden. Hamburg 1873. 

Hauptwerk für die nordischen Reste aus der Stein- 
zeit, älterer und jüngerer Bronze- und Eisenzeit. 

Hans Hildebrand. Kauri - Schnecken io einem 
schwedischen Grabfunde. Berliner Gesellschaft, 
10. Mai 1873. 

Mit Eisen waffen und Fibeln aus Bronze. 

G. Hildebrandt. Im Torf gefundener, hölzerner 
Fischkasten. Berliner Gesellschaft, 14. Juni 1878. 
Holzschnitt. 

75 Ccntimeter lang, 15 Centimeter breit. Viele Flache 
werden de nicht hineingegangen seinl 

v. Holder. Ausgrabungen auf dem Gräberfeld in 
Balingen. (Correspondenzblatt, Mai 1873.) 

Jagor. Funde aus der Knochenhöhle Cuera de 
Dima in Biscaya. Berliner Gesellschaft, 1 5. März 
1873. 

Zerschlagene Knochen von Hirsch. Pferd, Rind (zwei 
Raccn), .Steinbock, Biber. Eine Ahle aus Knochen. 

J entasch. lieber das Quartär der Gegend von 
Dresden nnd die Bildung des Löss im Allgemei- 
nen. (Archiv für Anthropologie, Bd. VI, S. 145.) 

v. Ihering. Gräberfeld bei Rossdorf. (Correepon- 
denzblatt, Juli 1873.) 

v. Kamienaki. Pfahlbau der Möwen - Inseln im 
Soldiner See. Berliner Gesellschaft, 14. Juni 

1873. 

Pfähle, Steinplatten, zerschlagene Knochen von 
Schwein, Hirsch, Reh, Fuchs, Bär, Biber, Torikuh. — 
Geräthe, Waffen und Schinucksachen aus Stein und 
Knochen. Keine Broiuegegonstande , dagegen Eisen 
(Lanzenspitze, Messerklingen etc). Virchow schreibt 
alles der jüngsten Eisenzeit zu. 

Walter Kauffmann. Urnen feld von Alyem. (Cor- 
respondenzblatt, November 1873.) 

Walter Kauffmann. Ausgrabungen bei Saskoc- 
lin. (Correspondenzblatt, Juni 1874.) 

Walter Kauffmann. Das Hüller Muschelgrab. 
Berliner Gesellschaft, 10. Januar 1874. 

Polemik zur Aulrechthaltung seiner Behauptungen. 

Klopfleisch. „ Heidengräber“ bei Zeitz. (Corre- 
Kpondenzblatt, Mai 1873.) 

Fr. Klopfleisch. Die Ausgrabungen zu Allstedt 
und öldialelien. (Correepondenzblatt, Februar, 
März, Mai, Juni 1874.) 

Kollmann. Ein Grabfeld in Regensburg. (Cor- 
responclenzblatt, April 1874.) 

J. Kollmann. Altgermanische Gräber in der 
Umgebung de« Starnberger Sees. Eine anthro- 
pologische Studie. Mit einer Tafel. München 

1874. 

Behandelt in trefflicher Weise die Hügelgräber einer- 
seits und Reihengräher andererseits. Dl« Schädel aus 
den Hügelgräbern Süddeutscblands und der Schweix 



sind vorwiegend brachycepbal , wie die heutigen; die 
aus den Reibengräbern vorwiegend dolichocephal ; er- 
stere sind Autocuthonen, letztere Eindringlinge; erstere 
Alemannen, letztere Franken. 

Krüger. Gesichtsurnen. (Correspondenzblatt, Sep- 
tember 1873.) 

Kuchenbuch. Alterthümerfunde bei Platiko an 
der alten Oder. Berliner Gesellschaft, 18. Octbr. 
1873. Kebet einer Tafel. 

Urnen mit Stein Werkzeugen , bearbeiteten Knochen- 
und Uronzeringen in einer Schicht von verkohltem Ge- 
treide und verkohlten Batkeu. — Unter diesem Cultur- 
boden im Sande zwei Skelete, von welchen eine# einen 
offenen Ohrring von Bronze trug. Im Culturhoden mit 
Feldsteinen ausgelegte Triebt ergruben , worin Thon- 
schcrben nnd Steine die einem heftigen Feuer ausge- 
setzt waren. Vier von Virchow untersuchte Schädel, 
die alle Germanenschidel des Westens seien. 

Kuhns. Gräber der Lüneburger Haide. Berliner 
Gesellschaft, 14. März 1874. 

Im Sande bestattete Leichen. Keine weiteren Reste. 
Virchow knüpft daran Beschreibungen anderer 
Schädel. 

IiButh. Das Steinzeitalter in Ägypten. (Corre- 
spondenzblatt, Mai 1873.) 

Lepsius. Ueber Buschmänner und Hottentotten, 
so wie über die Stein- und Eisenzeit im alten 
Aegypten. Berliner Gesellschaft, 15. März 1873. 

Die von Keil gefundenen Feuersteinraciscr acheinen 
sich durch atmosphärischen Einfluss von selbst gespal- 
ten zu haben. Die in Gräbern gefundenen »eien ge- 
schlagen , aber in historischer Zeit. In der grossen 
Pyramide habe man 1835 ein Stück Eben gefunden, 
das 5000 Jahre alt sein müsse. 

G. C. F. Lisch. Fensterurnen. (Correspondenz- 
blatt, Juni 1874.) 

G. C. F. Lisch. Kreiaomamente und römische 
Urnen. Berliner Gesellschaft, 11. Januar 1873. 

Lissauer. Karte der Fundstätten bei Danzig. 
(Correepondenzblatt, September 1873.) 

Lissauer. Gräberfeld bei Münsterwalde. (Cor- 
respoodenzblatt, Juni 1874.) 

John Lubbock. Die vorgeschichtliche Zeit erläu- 
tert durch die Ueberreste des Alterthums und 
die Sitten und Gebräuche der jetzigen Wilden. 
Nach der dritten Auflage aus dem Englischen von 
A. Passow. Leipzig, Costenoble, 1874. 2 Bde. 

Gute Uebersetzung de» bekannten Werkes mit Vor- 
wort von Virchow, 

J. M. Sparen römischen Einflusses auf die ältere 
Eieencultur in Norwegen. (Correepondenzblatt. 
Februar 1874.) 

J. M. Kjökkenmüdding in Norwegen. (Corre- 
epondenzblatt, Januar 1874.) 

J. MC. Zur Keramik der germanischen älteren 
Eisenzeit (Correepondenzblatt, März 1874.) 

1 * 



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4 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



J. M. Die Ausgrabungen auf der Mälarinsel 
Björkö. (Correspondenzblatt, April 1874.) 

B. MarggrafF. lieber das Vorkommen und die 
Bedeutung bronzener und eiserner Nägel auf rö- 
mischen und germanischen Begräbnisstätten. 
(Correspondenzblatt, Januar 1874.) 

Mehw&ld. Nachrichten über die neuesten archäo- 
logischen Funde. (Sitzungsberichte der Isis in 
Dresden. Jahrgang 1874, Januar bis März, 8.37.) 

Aus Zeitungen zusammengetrtgene Notixen. 

Oscar Montelius. S voriges Forntid, forsök tili 
framställning af den Svenska fomforskningens 
result&t. Sten&ldera og Brons&ldern. 5 Bogen. 
Stockholm, Norstedt und Söhne, 1872. (Archiv 
für Anthropologie, Bd. VI, S. 149.) 

Oscar Montelius. Staiens Ilistoriska Museum, 
kort beskrifning tili vägledning för de besökende. 
(Archiv für Anthropologie, Bd. VI, S. 150.) 

Montelius und Betsius. Ganggrftber in Schwe- 
den. (Correspondenzblatt, Juli 1873.) 

M. Much. Ein befestigtes Lager der Steinzeit 
auf dem ßisamberge in Wien. (Mittheilongen der 
anthropologischen Gesellschaft zu Wien, Bd. IV, 
Nr. 3 und 4.) 

Ein Wall, einige Tupfscherben, denen der Pfahlbau- 
ten ähnlich; Bruchstücke zweier polirter Hämmer, we- 
nige Fcuersteinsplitter, einige Mahlsteine. 

M. Much. Die Tumuli in Niederösterreich. Vor- 
trag, gehalten am 26. Februar 1874 im Vereine 
filr Landeskunde von Niederosterreich. Wien 
1874. 

ileiasen Le« berge oder I.ewerberge. 

Müller. Ein Leichenfeld auB vorchristlicher Zeit 
bei Uelzen. (Correspondenzblatt, October 1873.) 

Carl Pr. von Bordenskjöld. Die Felsenzeich- 
nungen Ostgothlands. Berliner Gesellschaft, 6. 
December 1873. Eine Tafel. 

Wahrscheinlich ans der Bronzezeit, im Typus den 
Kiwik-Zeichnungen ähnlich. 

Nowack. Grabfelder mit Urnen bei Königsborn. 
Berliner Gesellschaft, 15. März 1873. 

Obst. Chonosmumie. (Correspondenzblatt, Juni 
1873.) 

Oldenburgs ethnographisches Museum. (Cor- 
respondenzblatt, Mai 1873.) 

Ad. Pansch. Bericht über einen bei Ellerbeck 
am Kieler Hafen aufgefundenen alten Torfschädel. 
(Archiv für Anthropologie, Bd. VI, 8, 173.) 

Pawlowski. Funde bei St. Albrecht. (Cor- 
respondenzblatt, Mai 1874.) 

Philipp!. Töpfe, Stein- und Metallgeräthe bei den 
Indianern Chile«. Berliner Gesellschaft, 10. Mai 
1873. 



Beschreibung der Topfbereitung ohne Töpferscheibe. 
Funde von Stein- and lietallgeräthen. 

Poppe. Die Kreiegräber derNordseewatten. (Cor- 
respondenzblatt, October 1873.) 

Friedrich Rätsel. Die Vorgeschichte des euro- 
päischen Menschen. Mönchen, Oldenburg, 1874. 
Holzschnitte. 

Ungenügende Zusammenstellung bekannter Dinge. 

Carl Bau. Amerikanische Geeichtsvasen. (Archiv 
für Anthropologie, Bd. VI, S. 163.) 

Carl Rau. Ueber ein in Deutschland gefundene« 
Stein werk zeug. (Comspoodenzblatt, Februar 
1874.) 

Carl Bau. Grüne Steine. (Correspondenzblatt, 
Januar 1874.) 

W. Heiss. Alierthümer aus der Inkazeit. (Cor- 
reepondenzblatt, December 1873.) 

v. Röder. Die Wallberge bei Reitwein. Berliner 
Gesellschaft, 18. October 1873.) 

Umwallte Hügel mit Urnenscherben in Mauen. 

P. W. Hudler. Notes on Stone implementa from 
British Guiana. (Report. British Association, 
Bradford, pag. 148.) 

Instrumente, die theilweise mit solchen von der Nord- 
westhütte Nordamerikas übereinstimmen. Rohe Topf- 
scherben und Knochen vom Tapir und anderen Thieren. 

L. Rütimeyer. Ueber die neuentdeckten Knochen- 
höhlen bei Thayingen und Frendentbal im Can- 
ton Schaffhausen. (Archiv für Anthropologie, 
Bd. VII, S. 135.) 

L. Rütimeyer. Ueber die Rennthierstation von 
Veyrier am Sal£ve. (Archiv für Anthropologie, 
Bd. VI, S. 59.) 

H. SehaafF ha usen. Die BrunneDgriber der Nord- 
seewatten. (Archiv für Anthropologie, Bd. VI, 

S. 308.) 

v. Schab. Die Ergebnisse der neuesten Forschun- 
gen in den Pfahlbauten des Würmsees. (Corres- 
pondenzblatt, Juni 1873.) 

A. Schetelig. Ausgrabungen im südlichen Spa- 
nien. (Archiv für Anthropologie, Bd. VII, S. 111.) 

Schetelig. Ausgrabungen in Spanien. (Corres- 
pondenzblatt, September 1873.) 

Schillmann. Grabfelder in der Nähe von Bran- 
denburg. Berliner Gesellschaft, 10. Mai 1873. 

Mehre Urncnfelder ohne Besonderheiten. 

Schnitger. Urnenfeld bei Neu - Döbern in der 
Lausitz. Berliner Gesellschaft, 15. März 1873. 

Gewöhnliche und Bnckelurnen , gehenkelte .Schalen 
und Töpfe. 

Franz Schulz. Alte Ansiedelungen und Gräber 
bei Schivelbein (Pommern). Berliner Gesellscb., 
14. Juni 1873. 

Thonscberben. 



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Verzeichnis» der anthropologischen Literatur. 5 



Schuster. Schlackenw&ll bei Striegan in Schlesien. 
Berliner Gesellschaft, 14. Juni 1873. 

Anzeige. 

Th. Simon. Urnen bei Fuhlsbüttel. (Correspon- 
denzblatt, Juni 1873.) 

Spengel. Gräberfeld von Rosdorf. (Correspon* 
denzblatt, April 1874.) 

Spengel. Ueber den fossilen Schädel ans dem 
Neanderthal und ähnliche Formen aus der Göt- 
tinger anthropologischen Sammlung. (Correspon- 
denzblati, April 1874.) 

B. 8tark. Prähistorische Fände im Orient. (Cor- 
respondenzblnft, November 1873.) 

Stensel. Steinbeil aus einem Muschelberge der 
Insel San Amaro (Brasilien). Berliner Gesell- 
schaft, 10. Januar 1874. 

Kolossale geschliffen« Axt. 

Strobel. Ueber die Unionenscbalen in den Pfahl- 
bauten Oberitaliens und den Paraderos Patago- 
niens. Berliner Gesellschaft, 11. Januar 1873. 

Seien in Italien ein natürliches Vorkommen, in den 
Paraderos dagegen Reste von Mahlzeiten. 

Thärmann. Gräberfeld bei Hohenkirchen (bei 
Zeitz). Berliner Gesellschaft, 10. Mai 1873. 

Hünengräber mit .Steingeräth und Urnen ohne Knochen. 

▼. Troeltaoh. Pfahlbauten bei Constanz. (Cor- 
respon denzblatt, Mai 1873.) 

Unger. Uebersicht unserer Kenntnis« von den 
Pfahlbauten. (Correspondeozblatt, Januar 1874.) 

Unger. Dolmenartige Steindenkmäler in Olden- 
burg. (Correspondeozblatt, August 1873.) 

Virchow. Torfschädel und zwei alte Knochen- 
pfeifen ans Neu branden bürg. Berliner Gesell- 

schaft, 6. Decetnber 1873. Holzschnitt. 

Brachycepbaler Schädel mit starken Stirn Wülsten. 
Die Pfeifen aus der Sprosse eines Hirschgeweihes und 
aus Extrem itätenknochen eines kleinen Th leres (Hund?), 
letztere mit mehreren Löchern und einem für den 
Daumen. 

Virchow. Nordische Bronzewagen , Bronzestiere 
und Bronzevögel. Berliner Gesellschaft, 6. De- 
cember 1873. Eine Tafel. 

Die Miniaturwsgen lassen sich in drei Gruppen tbei- 
len: 1. Kesselwagen. Hierher die von Peccatel in 
Mecklenburg , Land in Schweden und Sxativaro* in 
Ungarn. 2. Platten wagen mit darauf stehenden Figu- 
ren. Der von Jadenberg in Steiermark und ein verlo- 
ren gegangener von Pennewitt in Mecklenburg. 3. 
Kinnxige Wagen mit Stier- und Vogelköpfen. Drei 
aus dem Odergebiet. Ferner bespricht Virchow zwei 
durch ein Joch verbundene Stiere von Bytbin (Posen), 
andere von Gr. Pankow, von Wiesbaden, Skierncs auf 
Falster. Vogel figuren von vielen Orten, besonders von 
Hallstadt; Bronzestier aus der Höhle von Byciskaia in 
Mähren u. s. w. 

Virchow. Altgriechische Funde. Berliner Ge- 
sellschaft, 14. Juni 1873. Eine Tafel. 

Steingeräthe verschiedener Art. Messer and Kerne 



von Obsidian , den von Unteritalien ähnlich. (Auch 
denen von Ungarn. C. V.) Kigenthüwliche* Thoa- 
gefaaa. Schädel. Fibulae aus Bronze und Silber. Ge- 
presste Goldstreifen. 

Virchow. Holzgötxen von den Guano - Inseln. 
Berliner Gesellschaft, 18. October 1873. Nebst 
einer Tafel. 

Seien den Idolen der Papuas und diesen selbst ähn- 
lich. 

Virchow. Gräber von Zaborowo in Posen. Ber- 
liner Gesellschaft, 10. Mai 1873. Eine Tafel. 

Gruppenweise gestellte Urnen, zum Tbeil von selt- 
samer Form. Kin Gcfäsa mit einem Ochsen köpfe als 
Stiel. Käse- und Kierateine. 

Virchow. Ueber einen bei Ellernitz (Wentpreus- 
sen) gefundenen Stein mit alterthümlichen Sculp- 
turen. Berliner Gesellschaft, 11. Januar 1873. 

Roh ausgearbeiteter Reiter. 

Rud. Virchow. Die Urbevölkerung Europas. 
Sammlung gemeinverständlicher Vorträge. Heft 
193. Berlin 1874. 

Populärer Nachweis, dass wir eigentlich von dieser 
Sache noch nichts bestimmtes wissen. 

Virchow. Die Dreigräber in Niederschlesien. 
Berliner Gesellschaft, 10. Januar 1874. 

R, Virchow. Das Hüller Muschelgrab. Berliner 
Gesellschaft, 12. Juli 1873. 

Etwas Polemik. 

Virchow. Ueber moderne Steingeräthe und über 
die Wege der Bronzecultur. Berliner Gesellschaft, 
18. October 1873. 

Sogenannt« .Messer“ werden ebenfalls in die Drasch- 
schlitten eingesetzt. Die Eskimos der Behringstrasse 
bringen di« feinen Vertiefungen der Steinmesser durch 
stumpfen Stuss oder Druck mittelst eines hölzernen 
Instrumentes hervor. Die ungarischen Obsidian messer 
aus Tokay gleichen ganz denen aus Auatolien. Die 
Bronzecultur des preussischen Nordens habe ihren Weg 
aus dem Süden durch Mähren und Schlesien gefunden, 
wie namentlich aus den mit Stierköpfen verzierten 
Bronzewagen etc. hervorgebe. 

Vobb. Alte Ansiedelung bei Cammin (Pommern). 
Berliner Gesellschaft, 12. Juli 1873. 

Instrumente von Knochen und Hirschhorn, Schädel- 
stücke vom Rind, Hund, Schwein; Topfscherben, den 
Resten der Pommerachen Pfahlbauten und Burgwälle 
ähnlich, beim Graben der Fundamente eines Hauses ge- 
funden. 

Heinrich Wankel. Eine Opferstätte bei R&igern 
in Mähren. Wien 1873. Drei xylographirte 
Tafeln. (Separatabdruck aus Bd. III, Nr. 3 der 
Anthropologischen Gesellschaft in Wien.) 

Mann, Weib und drei Kinder nebst einem Schwein- 
skelet ln einer 6 Meter tiefen Aschengrube. Axt, ge- 
rinnt« Steinplatte und eine groea« Schale. In der Um- 
gebung nur Steingeräthe und Knochen vom Hund, Pferd, 
Rind, Hirsch, Reh. Ob dies genügt, auf Opfer zu 
•eblicssen ? 

J. G. Wetzstein. Die syrische Dreschtafel. (Zeit- 
Bchrift für Ethnologie 1873. Fünfter Jahrgang, 
S. 270.) 



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€ 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



Für die Deutung der Benutzung von gewissen Stein- 
splitte rn interessant. Die Dreschtafel war übrigens 
auch Marterinstrument , und der fromme König David 
bediente sieb ihrer zur Behandlung der Kriegsge- 
fangenen. 

F. Wibel. Ausgrabungen bei Fuhlsbüttel, Harv- 
stehude uud Cuxhaven. (C-orrespondensblatt, 
September 1873.) 



F. Wibel und A. Schetelig. Pfahlbau bei Bux- 
tehude. (Correspondenzblatt, Juni 1873.) 

Karl Zittel. Die ältere Steinzeit und die Methode 
vorhistorischer Forschung. (Correspondenzblati, 
Juli 1873.) 

Zywitz. Wendengräberfeld bei Oliva. (Correa- 
pondenzblatt, September 1873.) 



England. 



Frank Calvert. On the probable existence of 
Man during the inioccue pertod. (Journal of 
the Authropological Institute, Vol. III, pag. 127.) 

Von einer aus miocenen Schichten zusammengesetz- 
ten Klippe, in der Mähe der Dardanellen „habe ich 
aelbat, sagt Verfasser, aus einer geologischen Tiefe von 
800 Fuss ein Knocheustück von einem Dinotberium oder 
Mastodon herausgezogen, auf dessen convexer Seite die 
unverkennbare Zeichnung eines gehörnten Säugethieres 
mit gebogenem Nacken, länglicher Brnat , langem Kör- 
per, starken Vorderfüaaen und breiten Füssen.“ Glaub'«, 
wer kann? Ich muss gestehen, daaa ich nicht weiaa, 
was ich mir .aus 800 Fuss geologischer Tiefe" für eine 
Vorstellung machen aoll. 

Boyd Dawkins. Report of the Comittee, appoiot- 
ed fort the purpose of exploriug the Settle Cave. 
(Report of the British Association« meeting hold 
at Bradford 1878, pag. 250.) 

Unvollendete Untersuchung der Victoria Cave, die 
drei Oecupatlunszciten zeigt: Hjäne in ältester, neoli- 
thische Menschen in mittlerer und Britwelah in histo- 
rischer Zeit. 

Goikie. The great Ice Age and its relation to 
the antiquity of man. London 1874. 

Verfasser minim zwei Eiszeilen an, in deren milder 
Zwischenperiode der Mensch in England erschienen sei. 

Sir Duncan Qibb. 8 tone implementa and frag- 
men ta of pottery from Canada. (Journal of tbe 
Anthropological Institute, Vol. IIT, pag. 65. Mit 
zwei Tafeln. 

Steinäxte, Pfeil- und Lanzenspiucn , Topfscherben, 
welche denen aus der geschliffenen Steinzeit Europas 
sehr ähnlich sehen. 

W. Wyatt Gill. NoteB on Coral-Cavea with hu- 
man boneB in Stalagmite on Mangaia, South Pa- 
cifique. (Report of the British Ansociation. Brad- 
ford 1873, pag. 144.) 

Auf der In9el Mangaia, die zu der Gruppe der Her- 
vc) -Inseln gehört, finden sich iu den gehobenen Ko- 
rallenriffen zahlreiche Höhlen, die als Wohnungen, Zu- 
fluchtsstätten und Begräbniasorte gedient haben. Die 
Reste sind alt für die Bewohner, relativ neuem Datums 
für uns. 

J, Sinclair Holden. On a hitherto undeacribed 
Neolithic Implement. (Report of the British 
Association. Bradford, pag. 146.) 

Sägen aus Feuerstein , die der Beachreibung nach 



ganz den in Dänemark gefundenen ähnlich sind und in 
Dolmens der Grafschaft Antrim gefunden wurden. 

Edouard Lartot and Henry Christy. Reliqoiae 
Aquitanicae, Part XIII, November 1873. Edited 
by Thomas Rupert Jonen. London, William and 
Norgate. 

Von Jones besorgte Fortsetzung des durch den Tod 
der beiden Unternehmer unterbrochenen Hauptwerkes 
über die Funde in der Dordogne. 

William Pengelly. Ninth reportof the Committee 
for Exploring Kents Cavern , Devonahire. (In 
Report of the British Association» meeting held 
at Bradford 1873, pag. 198.) 

Fortsetzung der Ausgrabungen ohne besondere be- 
merkeiiBwerthe Resultate. Höhlenhyäne , Pferd und 
Rhinoceroa wiegen unter den Knochen vor; ausserdem 
finden sich Reste vom Bär, Fuchs, Schwein, Hirsch, 
Megaceros, Elephant, II und fV) t Löwe und Machairodua 
mit Kieselwerkzeugen, die sich in zwei Kategorien thei- 
len lassen. Die Werkzeuge aus der Itreccie sind roher 
gearbeitet, während die aus der Knochenerde, die mit 
bearbeiteteu Knochen zusammen Vorkommen weit feiner 
sind. 

William Pengelly. Tbe flint and Chert Imple- 
ments found in Kenta Cavern, Torquay, Devon« 
ahire. (Report of the British Association. Brad- 
ford 1873, pag. 209.) 

Genauere Beschreibung der Kieselinstrumentc nebst 
Angabe der Schichten, worin sie liegen. Im Ganzen 
werden sieben Schichten unterschieden : drei mechani- 
schen Ursprungs, die unterste die Breccie, über welcher 
ein mächtiges Lager krystallinuchen Stalagmites sich 
ausbreitet , darüber die zweite mechanische Schicht, 
die Knochenerde (Cave eartb), die stellenweise ver- 
kohlte Lager angesch wem inten Holzes (Black band) an 
ihrer Oberfläche zeigt und von der obersten mechani- 
schen Schicht, dem schwarzen Schlamm (Black mould) 
durch eine Schicht körnigen Stalagmites geschieden ist. 
Alle Schichten enthalten Knochen; in den untersten 
(Breccie und kristallinischer Stalagmit) dominirt der 
Höhlenbär; in der Knochenerde und dem körnigen Sta- 
lagmit die Höhlenhyäne, in dem schwarzen Schlamme 
das Schaf. Kicselinstrumcntc finden sich in den drei 
mechanischen Schichten. 

John E. Price. 0n the Peruvian pottery sunt 
by Coosul Hutchinson. (Journal of tbe Anthro- 
pological Institute, Vol. III, pag. 100.) 

Aus vorspaniseber Zeit. I)ic Gefaste mit Gesichtern 
zeigen acht indische Nasen 



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Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 7 



, H. M. Wostropp. On Ventnor flints. (Journal 
of the Anthropological Institute, Vol. III, p. 69.) 

Natürlich zersprungene Feuersteine von den Ventnor- 
hügeln konnten von gehauenen Instrumenten nicht an* 
terschieden werden. J. Kvaus widerlegt die Behaup- 
tung. 



J. Whitfleld. Bock Inscriptions in Brazil. (Jour- 
nal of the Anthropological Institute, Volume III, 
pag. 114. Mit Tafel) 

In der Provinz Cearä, zwischen der Serra Ibiapaba 
nnd Serra Merioca, vierzig Meilen westlich von Sobral 
Sonderbare Linienieicben , die nach La ne Fox Thier« 
und Menschen daratellen sollen. 



Frankreich. 



Adrion Arcelin. L'ige de la pierre polie 4 Beth- 
Saoar (Palestine). (Materiaux, 2 d ‘ «4rie, Tome 
V, pag. 19.) 

Selen neolithische nnd nicht paläolitbisebe Reste, wie 
l.oois Lartet behauptet. Arcelin scheint schon in 
Anbetracht der häufigen Topfscberben, Recht zu haben. 

Adrion Arcelin. L’äge de pierre et la Classifi- 
cation prehistorique d’apre» les sources Egyp- 
tiennes. Reponse ä MM. Chabaa et Lepeius. 
Paris, Reinwald, 1873. 

Arcelin hält seine Behauptung von einem Steinatter 
in Egypten gegen die beiden Egyptologen aufrecht. 

Adrion Arcelin. L'incident de Tanneaux de So- 
lut re. (Bulletin de la Societe d’Anthropologie, 
Paris, 2 d * Serie, Tome VIII, pag. 793.) 

Lange und ergötzliche Geschichte eine« versuchten 
Betruges. Ein dermaler Arzt behauptet, eine bei So- 
lutre gefundene Phalange eines Kriegers, die in ein«m 
Bronzeringe steckt , gehöre dem Skelet an , welches im 
Beisein des Congresses von Lyon aufgegraben wurde. 
Ich habe selbst der Aufgrabung von Anfang bis Ende 
unmittelbar beigewohnt. Die Hände waren über dem 
Becken gekreuzt und wurden sorgsam aufgehoben. Der 
Bronzering stammt aus dem oberen Terrain, das einige 
'Jage nachher naebgestürzt war. 

Adrien Arcolin. I/age de pierre de la Classifi- 
cation prehistorique. Paris 1873. 

Aug. Baudon. Memoire« snr les silex trav&illes 
de l’atelier du Camp -Barbet ä Jonville, Canton 
de Mong (Oise). Beauv&in 1873. 8 Tafeln. 

Neolithische Instrumente, die mie unnöthigem Auf- 
wand von weitschicbtigeo Classificationen beschrieben 
werden. 

Alph. Baux. Sur une collection prehistorique 
japonaise. (Materiaux, 2 d * Serie, Tome IV, pag. 
92. Zwei Tafeln.) 

Pfeilspitzen von Quarz, Chalcedon, Jaspis, Feuerstein, 
Steinäxte, Topfscherben. 

A. Bertrand. Age du bronze dans les lacostres 
de la Suisse. (Bulletin de la Societä Anthropo- 
logie, Paris, Tome VIII, pag. 740.) 

Verfasser macht bei Gelegenheit der Schrift von 
Gross (s. d.) darauf aufmerksam, dass viele bei Morin- 
gen gefundene Gegenstände mit solchen aus Grabhügeln 
von Golasecca, Vandrcvanges und Boryzow , also aus 
Italien, Gallien und Litbauen übereinstimmen. 

Alex. Bertrand. Denx mors de cheval en bronze. 
M oeringen et Vaudrevanges. (Bulletin de la So- 
ciety Anthropologie, Paris, Tome VIII, 2** Serie, 
p»g. 450.) 



Die einerseits in den Pfahlbauten am Bielersee nnd 
andererseits im Moore bei Metz gefundenen Pferdege- 
biss« seien identisch, ebenso die Sicheln. Bei Müringen 
hab« man ein Eiseoschwert gefunden mit Bronzegriff. 
Also ezistlre keine Bronzeperiode. 

Alex. Bertrand. Sur le volume des mains des 
hommes de 1’Äge du bronze. (Bulletin de la So- 
ciete Anthropologie, Paris, Volume VIII, pag. 230.) 

Die Hände »eien so gross gewesen als jetzt. Die 
kleinen Handgriffe finden sich nur an Schwertern und 
Dolchen, mit welchen gestochen , nicht gehauen wurde 
und die kein« Bügel hatten. 

de Bonstetten. Carte arcböologique du Depar- 
tement du Var. Toulon 1873. 

Vortreffliche Karte der nrgeschichtlichen nnd histo- 
rischen Denkmäler and Fundstätten. 

Paul Broca. Dessins et scnlptures decouverta 
par M. Elie Massenat, ä Laugerie-Basse. (Bulle- 
tin de la Societe Anthropologie, Paris, Tom. VIII, 
2 de Serie, pag. 213.) Sur trois eränes döcou- 
xerts k Laugerie-Basse. 

Zeichnungen und Basrelief von Rennthier und son- 
derbare Statuette eines Thieres. Zwei der Schädel sind 
dolichocephale Weiberschädel , ähnlich denen aus der 
Höhle de l’Homme mort. 

Paul Broca. Sur les cr&nea du Solutre. (Asaoc. 
franc. avanc. scienc. Lyon 1873, pag. 651.) 

Untersuchung von 18 vorgeschichtlichen Schädeln 
dorther, 7 dolicbocephale , die übrigen mehr oder min- 
der bracbycephal. Diskussion. 

P. Broca. Sar les crimen de la caverne de 
THomme-mort (Lozfcre). (Revue d’Anthropologie, 
Tome II, pag. 1.) 

Beschreibung der Höhle, die nach den aufgrfundenen 
Instrumenten der geschliffenen Steinzeit angehört. In 
der Nähe derselben eine andere Höhle, die als Wohnung 
benutzt worden zu sein scheint. In der Grabböhle 
mögen etwa 50 Individuen begraben worden sein , von 
welchen 19 vollständige oder beinahe vollständige 
Schädel erhalten wurden, über die Broca genaue Un- 
tersuchungen miltheilt. 

Am. de Caix de Saint - Aymour. fitude zur 
quelques monumeuts megalithiqoes de la valide 
de rOia* (Vau real, Gency, Jouyle-Moutier). (Re- 
vue d'Anthropologie, Tome III, pag. 478.) 

Einige anfgerkhtete , gross« Steine und eine Grab- 
galerie (alle« seputcrale) bei Carneanx in der Gemeinde 
VaureaJ. Nichts besonderes. 

Calvert. Traces de Thomme tertiaire aux Darda- 
n eil es. (Materiaux, 2 d * Serie, Tome IV, pag. 96.) 



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8 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



Will im Miocen einen Dinotherium - oder Mastodon* 
Knochen gefunden haben , der eingekratzte Figuren 
zeige- Bis jetzt keine weitere Bestätigung. Es gebort 
in der That, wie die Materianx sagen, ein starker gu- 
ter Wille zu dem Glauben, dass der Tertiärmensch 
^phun Zeichner gewesen sei. 

Jules Carret. Exploration» de la grotte de Chal- 
les. (Chambery, Bottero, 1874. 100 S., 1 Taf. 

Separatabdruck aus Tome XIV des Memoire« et 
Documenta publies p&r la Societe Savoisienne 
d'histoire et d’archeologie.) 

Sehr weitschweifige und factisch resul tat lose Unter- 
suchungen über Bruchstücke von theilweise angebrann- 
ten Menschenknochen , welche in der bei Chambery 
gelegenen Grotte gefundeu wurden. 

E. Cartailhac. Discussion sur la lacune existant 
entre Tilge de la pierre taillee et T&ge de la 
pierre polie. (Association franfaise pour Tavan- 
cement de« Sciences. Session de Lyon 1873, 

p»g. 681.) 

Während Cartailhac eine bedeutende Lücke zwi- 
schen dit-scu beiden Perioden der Steinzeit annimmt, 
glauben Cazalis de Fondouce und Broca keine 
solche statuiren zu sollen. 

E. Cartailhac. Association fran^aise pour Tavan- 
cement des Sciences. Session de Lyon 1873. 
Section d' Anthropologie. Compte rendu. i v Ma- 
teriaux, 2 d ® serie, Tome IV, pag. 285.) 

Sehr vollständiger und genauer Bericht über die 
Verhandlungen der anthropologischon Section des Con- 
gresses von Lyon. 

E. Cartailhac. Nouvcaux dolmens dans les Py- 
röneee. (Materianx, 2 de serie, Tome IV, p. 397.) 

Angabe der Lage bei Saint Laurent de Neste. 

E. Cartailhac. L’&ge de pierre en £gypte. (Ma- 
teriaux, 2 do serie, Tome V, pag. 16.) 

Besame einer in Alexandrien im Dccerabcr 1669, 
stattgehabten Discussion, in welcher Lepsius behaup- 
tete, die von Lenortnant entdeckten Kiesel seien 
nicht von Menschenhand gefertigt, während Muriette 
die Fabrikation vertheidigte und nachwies, das« man 
solche Kieselinstruniente noch in historischer Zeit ge- 
braucht habe. 

E. Cartailhac. Un squelette humain de Tage du 
renne k Laugerie- Basse. Toulouse. 

Cazalis de Fondouce. Revue prehistorique. (Re- 
vue d’ Anthropologie, Tome II, pag. 307.) 

Enthält Resuqies, nebst genauer Angabe der Biblio- 
graphie, über folgende Gegenstände: 1. Solutre (Schrif- 
ten von Kerry und Arcelin; Ducrost und Lartet; 
Arcelln). 2. A. Munier, Decou verte» prehistorique« 
faites dans la ebaine de montagnes de la Gardeoie. 
3. Ernest Chantre (Deoou verte d’un tresor de l’äge 
du Bronce ä Realon (haute* Alpes) und Note sur la 
fiauae du Lehm de Saint Germain , au mont d'Or). 4. 
Ueber die Grotten und das Skelet von Mentone, haupt- 
sächlich von Ri viere. 5. Arbeiten von Joseph de 
Baye: Grottes prehistorique* de la Marne; Yieille- 
Andecy (Marne) pierre polie; fl ec h es ä träne hant trans- 
versal ; B*li*tique prehistorique. 6. Ueber die Frage 
der Gallier in Marzabotto von Mortillet und Goz- 
zadiui. 7. Ausgrabungen von Ed. Flouet bei Magny- 
Lambert (Cote d’Or); Untersuchungen von G. Spano 
auf der Insel Sardinien. 



Cazalis de Fondouce. Revue prehistorique. (Re- 
vue d’ Anthropologie, Tome II, pag. 681.) 

Reeume des Inhalts der , Matertau x“ , Volume VII, 
des „ Arclnvio par l'antropologia et l’etnologia“, Volum« 
I und II, der „Zeitschrift für Ethnologie*, Band III 
und IV. 

Cazalis do Fondouce. Revue prehistorique. (Re- 
vue d’Anthroplogie, Tome III, pag. 109.) 

1. Analyse des Inhalts des „Archiv für Anthropo- 
id®*« IV. und V. Bd. 2. Versammlung der Associa- 
tion fraa^alsv in Lyon. 3. Pfahlbauten in der Kister 
bei Leipzig von Jentzsch. 4. Notiz über Spanien. 

Caaalis de Fondouce. Revue prehistorique. (Re- 
vue d’ Anthropologie. Tome III, pag. 499.) 

1. Analysen der Schriften von Lenortnant, Cha- 
bas und Arcelln über die ersten Sparen der Cirili- 
sation und das ägyptische Stcinaltcr. 2. Der Abhand- 
lungen von G. Spano über Sardinien. 3. Der Ab- 
handlungen von A. Bertrand über die Bronzezeit. 

Caaalis de Fondouce. Revue prehistorique. (Re- 
vue d* Anthropologie , Tome II, pag. 106.) 

Enthält Ueberaicbten und Kritiken über: Den inter- 
nationalen Congress in Brussel , die Versammlung der 
British Association in Brighton, die Sitzung der Asso- 
ciation fran^aise in Bordeaux, die Untersuchungen von 
Da Silva in Portugal, Graf Wurmbrand in Oester- 
reich, von Ch. Martini über die Torfmoore des Jura 
und von Bianconi über die Sahara. 

Caaalis de Fondouae et Cartailhac. L'exposi- 
tion italieuue d’ Anthropologie et d’ Archäologie a 
Bologne 1871. (Materi&ux, 2 d * serie, Tome IV, 
pag. 109, 399.) 

Erschöpfender, mit Tafeln ausgestatteter Bericht über 
diese Ausstellung, welche den grössten Tbeil des bis 
dabin in Italien Gefundenen zur Anschauung brachte. 

Cazalis de Fondouce. Bericht über: ßtudea sur 
ls Station prehistorique deSolutre p&r M. TAbbe 
Ducrost et le Dr. L. Lartet in : (Materiaux, 2°** 
serie, Tome IV, pag. 69.) 

Ducrost, Abbe. Sur la Station prehistorique de 
Solutre. (Association fran^aise pour Tavancement 
de Science. Lyon 1873, pag. 629.) 

Kurzer Vortrag mit erschöpfender Discussiou über 
die merkwürdige Fundstätte . welche der Congress be- 
sucht hatte, bei welcher Gelegenheit ein Heerd mit 
darüber liegendem Skelete ausgegraben wurde. 

Ernest Chantre. Gart« archeologique d une par- 
tie du b&ssin du Rhone pour les temps prehisto- 
rique». Presentation de eränes. (Association 
fran^aise pour Tavancement des Sciences. Session 
de Lyon 1873, pag. 675.) 

Die Karte begreift alle Denkmäler und Fundstätten 
aus der Stein-, Bronze* und ersten Eisenperiode und 
erstreckt sich von Grenoble bis Dijon. 

Ernest Chantre. Fouillee du tumulus de la foret 
de Moidons (Jura) par M. E. Tubin. (Materiaux, 
2 d * serie, Tome IV, pag. 95.) 

Etwa 25 Skelete mit dem Kopfe nach innen. Arm- 
bänder von Gagat und Bronze, so wie andere Bronze- 
stücke, die zum Theil an Hnllstatt erinnern. 

Ernest Chantre. L’äge de la pierre et T&ge du 



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9 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



bronce en Troade et en Gr^ce. (Materiaux, 2“* 
Serie, Tome V, pag. 36.) 

Verfasser war aelbsc in Griechenland und har dorr 
gesammelt. Kr discutirt die Schliecnann’schen Re- 
sultate. 

Erneut Chantre. Fonderie de buche«) en bronce 
k Fernay (Isfere). (Materiaux, 2“* Serie, T. IV, 
p»g. 244.) 

Haufen von Bronzensten, an welchen noch die Gum* 
ränder vorhanden sind. 

Chaplain Duparc. Sur Tage de« pröteuduea eite« 
lacustreB duBearn. (Bulletin de la Societe d’ An- 
thropologie, Paris, Tome VIII, 2 nM> Serie, p. 438. 
Materiaux, 2“* Serie, Tome IV, pag. 456.) 

Die von Garrtgon angekündigten Pfahlbauten seien 
aus Baumstämmen gebildet, welche durch Feuer bear- 
beitet und mit ihren Wurzeln zusammen verflochten 
•eien, «o dass sie eine Art Boden bildeten. Ka finden 
sich dabei gehauene Stein wafl'en und Rcutithierrähne, 
freilich auch rohe Thonscherben. Gehörten also wahr- 
scheinlich der Rennthierxeit an (?). 

G. Chauvet. Sur la grotte de la G61ie (Charente). 
(Association fran^aise p. l’avanc. d. Sciences. Lyon 
1873, pag. 581.) 

Untersuchung einer ln der Nähe von Edon gelegenen 
Grotte. die ausser polirten Stcminstruraentcn auch spä- 
tere, durch oiuander gemeugte Ucberre*te enthielt. 

de Costeplane de Camare«. Dolmen de Com- 
balou. (Bulletin de la Societe d' Anthropologie, 
Paria, 2 d * serie, Tome VIII, pag. 9.) 

In der Nähe von .Saint Affrxjne (Aveyron). Enthielt 
mehre über einander liegende und durch Thonschichten 
getrennte Skelete, sonst nichts. 

F. Daleau et J. B. Gassies. Notice sur la Sta- 
tion de Jolia« (Commune de Marcamp«, Gironde). 
(Revue d'Anthropologie, Tome 111, pag. 471. Drei 
Tafeln.) 

Durch den Einsturz der Docke arg mitgenommene 
Grotte, in welcher zahlreiche Kiesel- und Knochen- 
inainuuente gefunden wurden, welche mit denen von 
Kyrie« und Moustier übemnstimmen. 

A. Dureau. Note sur les sepultures en forme de 
puit« et les excavations analoques. Angers 1873. 

Faidherbe. Sur les dolmeue d'Afrique. ( Bulletin 
de la Societe d'Anthropologie, Pari«, 2 de Serie, 
Tome VIII, pag. 118.) 

In Maroeco seien viele Dolmen, besonder# um Tan- 
ger und blonde Leute im Gebirge. 

A. Fermond. Notice aur les Agee de la pierre 
et du bronce dans la vallee de la Tardoire (Cha- 
rente). (Materiaux, 2 m# serie, Tome V, pag. 5.) 

Höhle von Rochebertier. Sehr reich, Kpochc von la 
Madeleine. Grotte» des Fadets bei Vilhonneur: einige 
Menschen knochcn, bearbeitete Thicrknochcn, Topischer- 
beii. Höhle bei Vilhonneur; Instrumente wie Moustier 
und Solutre. Plateau de Chez-Nadaud , Gemeinde VII- 
honneur: neolithisch. Bronzestation in der Nähe. 

Ed. Flouest. Note« pour servir ä letude de la 
haute antiquite en Bourgogne. Le tumolo« du 
boia de Langrea. Lea aöpulturea antehistoriques 
de Veunhaullea. Semur 1872. Zwei Tafeln. 

Archiv P»r Anthropologt«. Bd. VII. Heft 4. 



Das Skelet im Tumulus zersetzt, wahrscheinlich In 
sitzender Stellung, langes doppelscbneidiges Kisensch wert 
xur Seite, Rzodriueaser aus Brome, schwarzes Gcfaaa 
mit Deckel. An dem zweiten Fundorte Bronzeschwert, 
Broch» und Armband. 

E. Fornlor et Micaut. Atelier prAhistorique du 
bois du Kocher, en Pleudihen et Saint Helen, 
arrondiausment de Din&nt (Lotes du Nord). (Ma- 
teriaux, 2 1 '" sörie, Tome IV, pag. 163 et 248. 
Eine TafeL) 

Roh zugeschlagene Instrument« aus Quarzit , Quarz, 
Feuerstein, Jaspis. 

C. Gaillardot. Les kjökkenmöddings et les de- 
hris de fabrique« de pourpre. (Bulletin de la 
Societe d'Anthropologie, Parts, 2 d * Serie, T. VIII, 
pag. 750.) 

Die von von Ducker auf der Georgainsel bei 
Athen, so wie vou Le norm and auf Cerigo und vom 
Verfasser bei Sidon entdeckten Anhäufungen von 
Scbneckeuschaten seien nichts anderes aJs Le her roste 
von Purpurfabriken. Die Schalen seien nur an einer 
bestimmten Stelle geöffnet, die Oeffnung zu klein um 
das Tbier hcrausxunehmeu und stets sei nur eine Art 
verwendet: Murex trunculus oder brandaris. Der 
Nachweis scheint sehr vollständig und überzeugend. 

L. Galles. Dicouvert« de sepultures de Tage de 
bronce, au Kocher, en Plougouraelen. (Materiaux, 
2 m * serie, Tome IV, pag. 236.) 

Allee-Dolmen mit Hügel und Steinkreis, darin Hau- 
fen von Bracelets um die Arme des Skelet«. In einem 
andern Grabhügel eine gemauerte Grube (ohne Mort«!) 
um eine Bronzekiste, mit Deckel, in welcher Knochen. 

L. Gallo«. Conmient les dolmeus pourraient bien 
avoir etc construits par les Gaulois. (Materiaux, 
2 »* serie, Tome IV, pag. 459.) 

Gewisse Zeichen auf cmzelneu Dolmen (Gavr'innis) 
und gallischen Münzen seien gleich, mithin »eien die 
Dolmen von den Galliern erbaut. Man küunt« in der- 
selben Weise dartbun, dass die Neuseeländer die Er- 
bauer der Dolmen seien, denn viele Tättowiningen se- 
hen genau ebenso aus. 

P. Gervais. Debria humains recueillia daua la 
Confederation Argentine, uvec de« ossements ap- 
partenant a de« especes perdue«. (Materiaux, 
2 ro# serie, Tome IV, pag. 194.) 

Die Vergesellschaftung soll, mich Gervais, unzwei- 
felhaft sein. 

Gosse. La Station prehistoriqu« de Veyrier et 
Füge du Rcnue en Suisse. (Association franyaiae 
p, Tavancement d. Sciences. Lyon 1873, pag.674.) 

Kurze Notiz über die bekannte Fundstätte. 

de Gourguea. Dictionnaire topographique du 
Departement de la Dordogne. (Materiaux, 2® e 
serie, Tome IV, pag. 233.) 

Scheint ein verwirrter Vicomte zu »ein, der Alles 
unter einander würfelt. 

Haoul Guörin. Sur une pierre k baasin du fort 
Cousin (Eure). (Bulletin de la Societe d'Anthro- 
pologie, Paris, 2** serie, Tome VIII, pag. 115.) 

üb? 

2 



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10 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



K. T. Haray. Sur 17« ge des anthropulithra de 1» 
Guadeloupe. (Materiaux, 2”* Serie, Tome IV, 
pag. 99.) 

In dem von Ca vier nicht beschriebenen zweiten 
Blockt*, welchen das Museum besitzt, stak ein aus Jade 
roh gefertigtes , karaifcisches Amulet. einem Frosche 
ähnlich. 

E. T. Hamy. Sur les fouillea du Mont Dol. (Bul- 
letin de la Societe <T Anthropologie, Paris, 2 d * Se- 
rie, Tome VIII, pag. 569.) 

Von Sirodot angestcllte Forschungen haben erge- 
ben, das« Kiesclinstmmente vom Typus von Moustier 
mit Marorauth, Knocbennashorn etc. zusammen Vor- 
kommen. Monvtier sei also ebenso alt, wie St. Achenl. 

Joannin et Berthier. Nouvellea atationa prehis- 
toriques de Saone-et-Loire. (Association frau^aise 
p. l’avancement d. Science». Lyon 1873, pag. 619.) 

Aufzählung verschiedener oberflächlicher Fundorte 
von rohen Kiesclinstrumentcn und geschliffenen Stein- 
waffen im Departement der Saone-et-Loire. 

P. de Jouvencel. Sur Torigine de» cavitöa con- 
uuob sous le nom du Marmites des gcants. (Bul- 
letin de la Societe d’Anthropologie, Pari», 2“* Se- 
rie, Tome VIII, p. 936.) 

Seien durch Menschenhände ausgehöhlt. Verworrene 
Discussion darüber. Man braucht nur dem Ufer des 
ersten besten , in hartem Kalk oder Granit laufenden 
Alpcnhache« nachzugehen , um zu sehen , dass diese 
, Riesentupfe “ durch Rollsteine undSsnd hervorgebracht 
werden, welche das Wasser in wirbelnde Bewegung 
bringt. 

Phiiibert Lalande. Note sur les dolmens du 
Cantal. (Materiaux, 2“® serie, Tome IV, pag. 82.) 

Aufzählung der Hünengräber im Cantal. 

Philibert Lalande. Haches et pointes du type 
de Saint -Acheul trouvees dans les environs de 
Brive (Correze). (Materiaux, 2“* serie, Tome IV, 
pag- 266.) 

Aufzählung der Fundorte. 

Louis Lartet. Gravüre» ineditea de Tage du 
Renne, paraisaant repreaenter leMammouth et le 
Glouton. (Materiaux, 2”° sörie, Tome V, pag. 33.) 

Die Figuren des Elephantcn sind kenntlich, aber der 
VielfrassV Hm! 

Louis Lartet. Traces de Thorome prehistorique 
en Orient. (Materiaux, 2 m ® serie, Tome IV, pag. 
177. Holzschnitte.) 

Aufzählung der in Syrien. Palästina, Arabien und 
Aegypten gefundenen Stein Werkzeuge , Dolmen, Men- 
hirs u. s. w. 

Louis Lartet et Charles Duparc. Uno söpul- 
ture des anciens troglodytes des Pyrenees, super- 
posee» ä an foyer contenant des debris humains, 
aasocies a de» dent» sculptees de lion et d’oura. 
Paria, Massen, 1874. 67 Seiten, viele Holz- 

schnitte. (Materiaux, 2“® serie, T. V, p. 101.) 

Mustergültige Untersuchung eiuiger Grotten imThale 
derGave d’Oleron bei Sorde. Die Grotte, welche nach 
dem Besitzer Durutby genannt wurde, hat besonders 
höchst merkwürdige Reste geliefert, ans Bären- und 
Löweneckzähnen bestehend, die durchbohrt und mit 



allerlei Zeichen , Ornamenten und Zeichnungen ge- 
schmückt sind. Unter diesen heben die Verfasser die 
kenntliche Zeichnung eines Fisches und die eines See- 
hundes hervor, über welche letztere ich, nach Ansicht 
eines Abgusses, meine bescheidenen Zweifel habe. 
Herde und Begräbnissstätten in verschiedenen Niveaus 
und in diesen verschiedenen Ablagerungen Menschen- 
knochen und Instrumente, im unteren Niveau ähnlich 
denen der Rennthierhühlrn, Im oberen namentlich eine 
I.anzcnspitze oder Dolch, welche den analogen Kiesel- 
instrumenten Dänemarks sehr ähnlich ist. Die Schädel 
gehören in allen Niveaus der Racc von Cro - Magnoa 
an. „Nachdem wir dicao Race, sagen die Verfasser, 
in der von uns untersuchten Grotte D u r n t h y am 
Grunde gefunden haben, in ihrer künstlerischen Periode 
in Gesellschaft des Bären , des Löwen und des Renn- 
thlers finden wir sie noch in einer Grabstätte, die über 
den Herden aus der älteren Periode gelagert ist, zu- 
gleich mit Waffen, welche die Periode der geschliffenen 
.Steininstrumente einzuleiten scheinen, während welcher 
aus unserem Lande die oben erwähnten Thiere ver- 
schwunden waren.* 

L. Leguay. Sur des objeta en eorno de cerf trou- 
ves dans lea fouillea de la Cite, n Pari». (Bullet, 
de la Societe d'Anthropologie, Pari», Tome VHI, 
2 d# Serie, pag. 201.) 

Hammer- und Axtstiel aus Hirschhorn. 

Lojcune. Fouillea aux Noirea-Mottea. (Materiaux, 
2®* serie, Tome IV, pag. 150.) 

Verfasser sucht aus dem Anwachsen der Haiden erde 
(t«lte de bniyere), in welcher er in der Tiefe von 14 
Centimeter römische Topfscherben und in 55 Ccntime- 
ter Tiefe den Gipfel eines Tumulus aus neolithiseber 
Zeit fand, das Alter der letzteren auf 7000 bis 8000 
Jahre zu berechnen. Gossel et wirft ein, dass, je 
nachdem man die Topfscherben auf 2000 oder 1400 
Jahre setzte, das Alter des Tumulus um 2000 Jahre 
grösser oder geringer werde. 

F. Lenormant. Lea premicres civiliaationa. 
(Utudes d’hißtoire et d’archeologie. Paria 1874, 
II Volume.) 

•Sammlung verschiedener Abhandlungen, Ton welchen 
sich einige auch mit Urgeschichte beschäftigen. 

Vicomto Lopic. Lea grottea de Saviguy (Savoie). 
(Materiaux, 2“® serie, Tome IV, pag. 157.) 

Etwa 6 Kilometer von Aix-Ies-Bains an dem Berge 
Chambott«. In einer schwarzen Erde Herdstätten. 
Werkzeuge, Topfscherben aus der geschliffenen Stein- 
zeit, Hausthier- und Mcnschenknochen , letztere aufge- 
schlagen und mit Einschnitten von Kiesclinstrumenten 
herrührend. Verfasser schliesst daraus auf unzweifel- 
haften Kannibalismus der Bewohner. 

A. Locord. L'homme dans les breches osaeuses 
de la Corae. (Materiaux, 2 ma serie, Tome IV, 
pag. 98.) 

ln den Breccicn des Cap Com einige Fragmente, 
mit Lsgotnys, Mufflon, Ziesel, Waldmaus, Fuchs und 
Muscheln aus dem Meere, die noch gegessen werden. 

L. Lortet et E. Chantre. Etudea palöontolo- 
giquea d&ua le basain du Rhone, periode quater- 
naire. (Archivea du Museum d'histoire naturelle 
de Lyon. Tome pretnier. Folio. Lithographirte 
Tafeln.) 

Bis jetzt drei Lieferungen, die aber noch nicht bis 
zu den urgeschlchtllchen Resten vorgeschritten sind. 



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11 



Verzeichnis« der anthropologischen Literatur. 



M. de Lubac. Etüde sur l'cpoque da Moiistier, 
d'apres les fouilles faites dans les cavernes de 
Soyons (Ardeche). (Asboc. franf. pour Pavane. des 
Sciences. 1873, Lyon, pag. 663.) 

Hühl«? von Nero n bei Soyons mit zwei Schichten, 
olwn geschliffene, unten gehauene Kieselinstrumeute mit 
Knodien vom Pferd, Ken». Aucrochl, Hindi, Megace- 
ros, Kvh, Steinbock, Hyäne, Höhlenbär, Mummuth, 
Knochsnnashorn, Höhlenlöwe, Wolf oder Hund. 

H. Marlot. Station de Page de pierre aux envi- 
ron* d’Alise (Cöte d’Or). (Materianx, 2“* Serie, 
Tome IV, pag. 460.) 

Quaternäre Sande mit Mammuth etc. und Kiesel- 
ixten; ncolithbchc Steininstrumente an andern Orten. 

H. Marlot. Vestiges de Läge du bronce ü Cernois. 
(Materiaux, 2 m€ serie, Tome IV, pag. 465.) 

Nicht« besondere«. 

Meynier et Louis d'Eichthal. Note nur les tu* 
muli des anciens habitants de la Siberie. (Revue 
d’ Anthropologie, Tome III, pag. 266. 3 Tafeln.) 

Di« Hügel (Kurgan in der Volkssprache) «eien meist 
geöffnet, weil man Schätze darin vermnthete. Enthal- 
ten meist mehre Skelete, die mit jungen Birkenstätnmen 
bedeckt waren und auf dem Rücken ansgestreckt lie- 
fen, der Kopf nach Osten. Bei allen: Knochen von 
Schafeu, meist da« Becken (Ehrenatück bei den Kir- 
gisen). Ausserdem Waffen au« Knochen oder Eisen, 
Schmuck aus Knochen, Glasfluss, Quarz und Kupfer. 
In einem: Topfscherben — Eisen in jedem. Durchaus 
keine Bronze. Köpfe hrachycephal. Statur klein. (Je- 
hörten wühl den alten Tsdmden an , die mit den Tür- 
ken und Tataren Ähnlichkeit hätten. 

G. Millescamps et A. Hahn. Un cimetiere de 
Tage de la pierre polie ä Luzarches. (Materiaux, 
2 d * s4rie, Tome V, pag. öl.) 

(«rosse Mengen von neolithbehen Instrumenten. Die 
Schädel und Knochen an Broca übergeben. 

Oscar Montolius. Antiquites Suedoises arran- 
gees et decrites; dessineee par C. F. Lindberg, 
Stockholm. Holzschnitte und Text. 

Prachtvolles Album mit schönen Holzschnitten. 

Francoia P. Moreno Bis. Deacription des cime- 
tieres et paraderos pruhistoriquee de Patagonie. 
(Revue d’ Anthropologie, Tome III, pag. 72. Eine 
Tafel.) 

Die alten Tehuelches, von welchen die Grabstätten 
am Rio Xegro herrühren, begruben die Todten sehr ober- 
flächlich gruppenwebe, in hockender Stellung nnd in 
ein Fell eingenäht. Man findet dabei Pfeil- und Lan- 
zenspitzen , Kratzer und Messer , Scbleudersteine und 
Mörsel aus Stein, Topfscherben mit Li nie» -Ornamente», 
zerspalten« Knochen vom Huauaco, Coypu und ameri- 
kanischen Straus«, Schalen von Venus meridionalb und 
einer Art Volata. Msasstabelle von 45 Schudetn. Die 
Tafel giebt Abbildungen von Pfeil- und Lanzcnspitzen. 

G. de Mortiilet. Sur les grottes de Menton. 
(Bullet, de laSocieted’Anthropologiu, Paris, Tome 
VIII, 2 d * s^rie, pag. 596.) 

Drei weitere Skelete seien in der Grotte von ßaousse- 
Rousse gefunden wordeu. 

G. de Mortiilet. Sur Phomme tertiaire. (Ibid., 
pag. 671.) 



Erneute Aufzählung der Gründe , welche für inten- 
tionefle Bearbeitung der vom Abbe Bourgeois ent- 
deckten Kiesel sprechen. Dbcussion darüber. 

G. de Mortiilet. Le precurseur de Phomme. (Aa- 
sociation lranraise p. Pavane. d. scienc. Lyon 1873, 
pag. 607.) 

Erneute Behauptung, dass die von Abbe Bourgeois 
im Miocen entdeckten Kiesel intentionell bearbeitet 
, seien. Discuasion darüber. 

G. de Mortiilet. Grottes de PArdeche. Grecs 
et Carthaginois. (Bulletin de la Sociötc d' Anthro- 
pologie, Paris, Tome VIII, 2 d * Serie, pag. 537.) 

Von Ollier de Marich&rd als von Cartbagern 
herrührend beschriebene Gräber stammen aus der Zeit 
der Karolinger. Dagegen hat man in einigen Grotten 
griechbche Reste gefunden , in anderen ältere aus der 
Rennthierzeit. 

J. Ollier de Marich&rd. Notice sur la carte ar- 
chöologique du Vi varais. (Association framjaise p. 
Pa vance ment d. Sciences. Lyon 1873, pag. 664. Mit 
Holzschnitten.) 

Erläuterung der vorgelegtcn Karte, welche die urge- 
schicbtlichen und römbeben Denkmäler begreift. 

Jules Parrot. La grotte de Tourtoirac (Dor- 
dogne). (Bulletin de la Societö d‘ Anthropologie, 
Paris, Tome VIII, 2 de serie. pag. 140.) 

Rennthiergrotte am Ufer der oberen Veiäre. Nichts 
besondere*. 

Jules Parrot. Kouvelle note sur la grotte de 
Peglise & Excideuil (Dordogne). (Revue d' An- 
thropologie, Tome III, pag. 223. Zwei Tafeln. 
Abbildungen vou Kieeelinatrumenten.) 

Rcnnthicrhüble von geringer Bedeutung. 

Ed. Piette. Sur la grotte de LorteL (Bulletin 
de la Sociöte d’Anthropologie, Paris, Tome VIII, 
2** s4rie, pag. 903.) 

Grotte aus der Rennthierzeit, in welcher viele In- 
strumente aus Rennthierhorn, aber wenig Knochen von 
di«?*em Thiere sich finden, dagegen sehr häufig Hirsch, 
Pferd und Bär. 

Ed. Piette. Recherchen de veetigee prehistoriques 
dans la chaine des Pyrenees. (Materiaux, 2"“ Se- 
rie, Tome IV, pag. 445.) 

Grotte von Arudi mit schönen Instrumenten, worun- 
ter ein prachtvoll geschnitzter Coromandoetab mit dem 
Kopfe eines gehörnten Wiederkäuers, der eine Ziege 
oder die Saigs sein mag; eine andere nicht sehr ent- 
fernte mit gallbcben Resten; Grotte von Malvezie bei 
Luuhon , in historischer Zeit bewohnt , unter dem Sta- 
lagmitrnbodcn Instrumente, wie bei Madeleine, durch- 
bohrte Zähne etc; Grotte, von Lortet aus derselben 
Zeit. 

Ed. Piette. Sur la grotte de Gourdan, sur la la- 
cune qne pluaieurs auteurs placent entre P&ge 
du renne et celui de la pierre polie et sur Part 
paleolithique dans »es rapportaavec Part gauloia. 
(Bulletin de la Societe d’Anthropologie, Paris, 
Volume VIII, 2 d# serie, pag. 384. Materiaux, 
2“* serie, Tome IV, pag. 270. Kurze Anzeige 
von Gervais, Tome V, pag. 53.) 

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12 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



Hohle im Berge von Bouchet bei Montrejeau in der 
Gemeinde Gourdan (Pyrenäen). Am Boden eine Schicht 
eingeschweramten gelben Thones mit geritzten Gleischer- 
kieseln, ohne Leberreste. Darüber die Kennthierschicht 
mit Asche, Kohlen, Knochen und Kicselinstrumenten. 
Viele Knochen mit Zeichnungen , letztere in den tiefe* 
ren Lagern besser erhalten als in den oberen. Darüber 
neoliihische Schicht mit rohen Topfacherben, Dolch aus 
Knochen, Pfeife aus einem Vogelknocben etc. An 
zwei Orten dünne Bronzeschiebt mit llausthi«rknoche<i, 
BronzemeUsel und endlich historische Schicht mit Na* 
geln etc. von der vorigen durch ein Lager von Flcder- 
tuausguano getrennt. Die ununterbrochene, sehr klare 
Schichtenfolge, welche auch in andern Hohlen sich dar- 
stelle, sei ein Beweis gegen die Annahme einer Lücke 
zwischen Rennthier- und geschliffener Steiuzeit. Sehr 
vollständige Liste der in der Rennthierschicht gefunde- 
nen Tbiere, von OlfVftll und Alph. Mil ne -Ed- 
wards bestimmt. Ursus arctos; nieles taxus; canis 
lupua, vulpes; felis lynx; tuartes vulgaris; eriuaceus 
vnlgaris; arvicola ampbibia; lepus timidus; cervus ta- 
randua, elaphus; bos primigenius; capra primigenia, 
ibex ; antilope rnptcapra; equua caball us; sus ferus. 
Aqnila albicilla und eine andere Art von Adler; buteo 
cinereus; falco tinnunculus und noch ein Kalke; Nyctea 
nirea; bubo atbeniensis; corvus corax, cornix , pica; 
pyrrhocorax alpinus, graculus; loxia chloris; gailus 
sonneratis; tetrao albus, lagopua; grus primigenia ; anas 
bösch as und noch zwei Entenarten. Esox luciua. Nur 
Schädelreste von Menschen, mit atlas und axis; ein 
einziger Humerus von einem Kinde, ganz. 11 Schnecken 
und Muscheln , am Ocean , Mittelmeer oder beiden zu- 
gleich lebend. Helix nemoralis nur in den neolithischen 
und den oberen Schichten. Ein Commandostab mit 
drei Figuren eines Kreises mit einem Punkte im Cen- 
trum (Sonnenzeichen?) und Strahlen, die von der Pe- 
ripherie aus gehen. Auf einem anderen «in Kreis mit 
Centralpunkt, wo dl« Strahlen von letzterem nach der 
Peripherie hin gehen , wird ebenfalls als Sonnenzeichen 
gedeutet. Die Künstler der Pyrenäcngrotten gehören, 
nach dem Verfasser einer anderen Schule an , als die 
der Dordogne(J). 

Prunieres (de Marvdjols). Sur los objets de 
bronce , ambre , verre etc. m£16s aux silex et sur 
les ra^es humaines dont on trouve les debris 
daus les dolmens de la Losere, (Association 
früuyaise p. l'avancemeut d. Sciences, Lyon 1673, 
p. 683. Mit Holzschnitten.) 

Verfasser kommt zu dem Schluss« , dass die Erbauer 
der ersten Dolmens auf den Causa«* (Hochplateau) der 
Lozere sogar die geschliffenen Steinwaffen noch nicht 
kannten, dass aber die Sitte, Dolmens zu bauen sich bis 
in die historische Zeit an anderen Orten fortsetxte. Die 
Ra« der Dolmens der Lozere eei ursprünglich dolicho- 
cephal gewesen, habe sich aber mit benachbarten bra- 
chycepbalen Bevölkerungen gemischt. Prun irres 
zeigte hei Gelegenheit seiner Mittheiluug ein rundes, 
ans einem Schädel entnommenes Knochcnstück vor, aus 
dem man In Lyon uoch Nichts zu machen wusste; 
weitere Nachforschungen, deren Belegstücke auf dem 
Congresae in Lille vorgelegt wurden, haben bewiesen, 
dass eine eigentümliche Trvpauationsmethode von den 
Bewohnern der Dolmen geübt wurde und das« die 
Schädel derjenigen , welche die Operation Überstunden 
hatten, nach ihrem späteren Tode zu eigentümlichen 
Gebräuchen, wahrscheinlich Verfertigung von Amuleten 
dienten. 

Prunieres (de Marvejola). Distribution des dol- 
meu8 danB lo Departement de la Lozere. (Re- 



vue d’ Anthropologie, Tome II, pag. 286. Mit 
einer Karte.) 

Die Dolmen finden sich in diesem Departement nnr 
auf den jurassischen Hochplateaus, Causa«« genannt. 
Sie heissen auch dort Hünengräber (Tombeaux des 
geantsj. 

M. Reboux. Chronologie de la pierre. Paris, 
Ilennuyer, 1874. 17 S. Holzschnitte. (Sepa- 

ratabdruck aus Bulletins de la Societe d’Antbropo- 
logie, Paris, Juin 1873. 

Verfasser nimmt folgende Epochen an : I) Palioli- 

thische (pierre edatle); 2) Mesolithische (pierre tailleel; 
3) Neoltihinche (pierre poHci 

M. Reboux. Emigration du Mammouth. (Bulle- 
tin de la Societe d’Anthropologie, Paris, 2*® Serie, 
Tome VIII, pag. 348.) 

Die Auswanderung sei durch den Umstand bewiesen, 
du»* das Elfenbein der Stosszähne itn Norden weit 
besser erhalten sei, als im Süden, demnach jünger sein 
müsse. 

E. Riviere. Sur trois nonveaux squclettea hu- 
mains decouverta dans les grottea de Menton. 
(Materiaux, 2“* serie, Tome V, pag. 94.) 

Kopf amgeben von zahlreichen durchbohrten Schnecken- 
schalen. Kieaelinatrumeute. Sonst Alles übereinstim- 
mend mit dem ersten Funde. 

A. Roujou. Poterie perforee de Tage du bronce. 
(Bulletin de la Sociäte d’ Anthropologie, Paria, 2 m * 
Serie, Volume VIII, pag. 341.) 

Topfscherben mit Löchern. 

A. Roujou. Station de Tage de la pierre polie 
d’Athis (Seine -et -Oise). (Bulletin de la Societe 
d’Anthropologie , Paris, 2*”® Serie, Volume VIII, 
pag. 343.) 

Nichts besonderes. 

A. Roujou. Pointe« a tranchant transversal com- 
parees aux totes de flaches des age* de la pierre 
polie et du bronce, dans les environs de Paris. 
(Bulletin de la Societe d’ Anthropologie, Paris, 2 m • 
serie, Volume VIII, pag. 545.) 

Seien Meissei und keine Pfeilspitzen. 

A. Roujou. L’imperfection de la taille des silex, 
abstraction faite de leur type, ne pennet pas, ä 
eile seule, de leur assigner une date. (Bulletin 
de la Societe d 1 Anthropologie, Paris, 2 m * nerie, 
Volume VIII, pag. 547.) 

Der lange Titel sagt den ganzen Inhalt. 

A. Roujou. Sur la taille plus grande de quel- 
ques especes animales actuelles pendant Füge de 
la pierre polie. (Bullet de la Soc. d’Anthropol., 
Paris, Tome VIII, pag. 489. 

Stier, Hirsch and Eber seien grösser gewesen, als jetzt. 

A. Roujo.u. Etüde sur les terrains quaternaircs 
du bassin de la Seine et de quelques autres bassins. 
These pour le Doctorat Paris, Uennuyer, 1873. 
89 8. 

Vergleichung des Beckens der .Seine mit denjenigen 
der Somme, derViiaine, den belgischen und pyrenaiacben 
Ablagerungen. 



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13 



Verzeichnis« der anthropologischen Literatur. 



J. Sawisza. Recherche« archcologiques en Po- 
logne. Varsovie 1874. 21 Tafeln mit Holz- 

schnitten. Polnisch und französisch. 

Mammnthböble bei Wierszscbow , drei ‘Stunden von 
Krakau. Kieselinstrumente (Typus von Moustier und 
Madeleine), bearbeitet« Thierknocben, durchbohrte Zähne. 
Thiere: Mammut b, Höhten- und brauner Bär, Eten 

sehr zahlreich, Kennthier ebenfalls, Hirsch und Reh 
sehr selten, grosses Pferd sehr häufig, Bos priscus, 
Eber, Wolf, Fuchs, Polarfuchs, Hase, Dachs, Eichhorn, 
Maos, Gans, Stelzvogel. Weder Hund noch Töpferge- 
schirr. — Aeltere Höhle bei Wierszscbow. Haust hiere, 
Topfoherben. 



H. Toussaint et l'Abbd Ducrot. I* cheval 
dans la Station prehisorique de Solutrö. (Asso- 
ciation fran^aise p. Pavancement d. Sciences. Lyon 
1873, pag. 586.) 

Sehr genaue anatomische Untersuchung des Poneys 
von Solutrö, dessen zahllose Reste mit denen der Höhlen- 
thiere, des Moiumuth, Renn u. s. w. zusammen Vorkommen. 
Ein fast vollständiges Skelet findet sich im Museum 
von Lyon. Im übrigen dem jetzigen kleinen Pferde 
ähnlich , unterscheidet es sich von diesem durch die 
nicht verschmolzenen Metatarsalknochen. Die Verfasser 
kommen zu dem Schlüsse, dass das Thier gezähmt 
war (?J. 



Italien. 



Francesco Corazzini. I tempi preistorici o le 
autichissime tradizioni confrontate coi risultate 
della seien za modurna. Verona 1874. 



Bericht von Friedrich von Hellwald. Archiv 
für Anthropologie, Bd- VII, S. 146. 



Schweiz. 



E. Desor et L. Favre. Le bei äge da Bronce 
lacustro en Suisse. Dessin» par L. Favre. Neu- 
chatel, Sondoz, 1874. Gross Folio. 5 Chromo- 
lithographien, 2 Tafeln, 50 Holzschnitte. 

Prachtwerk mit vortrefflich ausgduhrten Tafeln. 
Unter dem „ schönen Bronzealter* versteht der Ver- 
fasser die Bronzeperiode, wo das Elsen zwar schon be- 
kannt war, aber nur noch als Zierrat h benutzt wurde. 
Der Text bildet ein vollständiges Resume über die 
Pfahlbauten dieser Zeit , ihre Bestimmung , die Cultur, 
die Art der Verfertigung des Schmucks, die Töpferei, 
Hauswirthschaft , Transportmittel , Begräbnisse , das 
Eisen und seine Rolle, den Handel, das Alter, Be- 
schreibung der Waffen, Geräthschaften, Schmuck gegen- 
stände, Vergleichung zwischen den Geräthschaften der 
Grabhügel und der Pfahlbauten, Menschenracen und 
Schluasbemerk ungen. 

E. Desor. Un mohilier prehistorique en Siberie 
(Balletin de la Societe d’ Anthropologie, Paris, 2 me 
Serie, Tome VIII, pag. 441.) 

Bronzegegenständ«, von Cb. Lapatine, Ingenieur, 
in Krasnojarsk gesammelt und die nicht den heutigen 
Bewohnern zugeschrieben werden können. 

V. Gross. Lea habitations lacustres da lac de 
Bieone. Delemont, Boechat, 1873. 8 lithogra- 

phirte Tafeln und Holzschnitte. 

Vortreffliche Arbeit über die Stationen von Lüscherz 
(Locraz), Hageneck und Oefeli (Gerofin), Latrigen, 
Chavannes aus der Steinzeit, Sutz (Stein und Bronze!, 
Nidau und Mörigen (Bronze- und Eisenzeit). Die letz- 
tere ist besonders reich und hat namentlich seltsame 



Sichelgriffe, ein Pfordegcbiss und viele Gussfonnen ge- 
liefert. 

Albert Heim. Ueber einen Fand aas der Kenn- 
thierzeit in der Schweiz. Zürich, Staab, 1874. 
(Mittheilungen der antiquarischen Gesellschaft in 
Zürich, Bd. XVIII, Heft 5. 4°. 1 Tafel.) 

Der Fund in der Höhle von Thaytngen , Canton 
Schaffhausen. Schon in diesem Archive besprochen. 
Die Begeisterung über den künstlerischen Werth der 
Zeichnung des Rennthiers scheint uns etwas zu weit 
getrieben. 

Ferdinand Keller. Archäologische Karte der 
Ostschweiz. Zürich, Wurster und Co n 1874. 

Ausserordentlich fleissige und genaue Zusammenstel- 
lung der Ucberblelhsel ans folgenden Perioden: 1. Vor- 
historische Zeit. A) Steinperiode. B) Bronzeperiode. 
II. Historische Zeit. C) Eisenperiode. (Gallo -helve- 
tische, römische und alemannische Zeit.) 

von M&ndach. Bericht über eine im April 1874 
im Dacheenbüel bei Schaffhausen untersuchte 
Grabhöhle. (Mittheilungen der antiquarischen 
Gesellschaft in Zürich, 1874. 4*. Zwei lithogra- 
phirte Tafeln.) 

Im Hintergründe der Höhle eine Steinkiste mit zwei 
Skeleten. Halsband von Steinperlen mit dem durch- 
bohrten Hauer eines Ebers, doppelt durchbohrte Stein- 
perle, Steinmeiasel, Ahle und Knochen, Feuersteinsplit- 
ter. Knochen von Wildkatze, Hase, Hund, Hirsch, 
Schwein. Mann und Weib zusammen begraben. Sion- 
typus. Ausserhalb der Steinkiste Reste von mehreren 
Individuen. Grab aus der Steinzeit. 



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14 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



n. 

Anatomie. 

(Von A. Beker.) 



Allport. Exhibition of casta of skull» and pho- 
tographa of Tasmaniens. (The Journal of the 
Anthropological Institute of Great Britain etc., 
Volume III, 2. S. 176.) 

Broca. Xouvelles rechercbes sur lo plan horizon- 
tal de la täte et sur le degre d’inclinaison des 
divers plan« craniens*. (Bulletin de la Society 
d’ Anthropologie de Paris, 2 do serie, Tome VIII, 

4. S. 542.) 

Broca. Sur les trois ornnes de l’cpoque du renne 
decouverts par M. Elie Maasünat a Laugurie- 
Basse. (1. c. VIII, 2. S. 217.) 

Broca. Sur lo demi-goniometre facial, (1. c. VIII, 
2, pag. 233.) 

Broca. Cränea du Mont Hymöte. (|, c. VIII, 4. 

5. 571.) 

Au« dem 3. bis 5. Jahrhundert vor Christus. 

Broca. Anden« cranes deformes macrocephales 
de« envirous de Tiflis. (1. c. VIII, 4. 8. 572.) 

Broca. Sur les cranes de Solutre. (1. c. T. VIII, 

6. S. 819.) 

Broca. Sur l’endocräne. Nouveaux instrumenta 
destinös a studier la cavite cranienne sans ou- 
vrir le cr&ne. (Bulletins de la Sociäte d’Anthro- 
pologie de Paria, 2 d « serie, Tome VIII, 3. S. 352.) 

JL’nter Endocräne verHehl Broca die innere Ober- 
fläche de« Schädels, piese an intakten (nicht aufge- 
sägten) Schädeln kennen zu lernen ist die Aufgabe, die sich 
Broca gestellt. Die Gegenstände, die Broca behan- 
delt, Bind: 1. Der Sicbschnabel. 2. Da* Trapez des 
Kndocräne, dessen vier Ecken gebildet sind durch die 
Kor. optica und Auditiva. 3. Die Instrumente, die 
Broca beschreibt, sind bestimmt, einerseits zur Kennt- 
nis» der Forinverhältnisae der inneren Schädeloberfläche, 
theils sind es Mess- Instrumente. E* sind: a) Das Cra- 
nioskop (ein .Schädelspiegel), b) Der »Porte- empreinte 
intra eränien“ (zur Abnahme von Abdrücken mit Mo- 
dcllirwaehs). c) Der Kndographe, zur Aufzeichnung 
der Krümmungen der inneren Schädelfläche. d) Auf 
indirekte Weis« erhält man ein Bild dieser, wenn man 
nach geometrischer Aufnahme der äusseren Oberfläche 
mit dem Tachymeter (siche uuten) eine Reihe von 
Punkten der inneren Fläche misst, e) Da« Millimeter- 
liäd'.hen (schon von Huscbke angewendet), f) Der 
Kndometre, ein Zirkel mit doppelten divergirenden 
Armen zur Messung der inneren Schädeldurchrnesser. 
g)_ Der Dickenmrasor (Pachymeter). b) Das Sphenoidal- 
Häkchen zur Messung des Angulus sphenoidalts (siehe 
Bulletins 1865, pag. 664). i) Le crocbet turciqne, dem 



vorigen ähnlich (für Sattel winkel, Condy len winket, Eben« 
des Clivus). k) Zur Messung des Trapezes des Endo- 
cranium dienen : Ia*s deux sondes acoustiques, la sond« 
optique ocdpitalc und eine Doppelscheibe, die es er- 
mögliche, ausserhalb de« Schädels die Stellung der Son- 
den so, wie sie innerhalb gerichtet waren, wieder her- 
zustellen. Endlich giebt Broca bei dieser Gelegenheit 
noch ein Instrument an zur Abformung des Quer- 
schnitte« des Mittelstücks lauger Knochen. 

Broca. De Pinfluence de Phumidite Bur la capa- 
citü des eränes. (I. c. IX, 1. S. 63.) 

Broca. Sur la mensuration de la capacite du 
eräne. (Memoires de la Societe d'Anthropologi« 
de Paris, 2 dfl Serie, Tome I, faac. 1. S. 63.) 

Broca. La raye celtiquc ancienne et moderoe. 
Arvemes et Armoricains, Auvergnats et Baa- 
Bretona. (Revue d 1 Anthropologie , Tome II, 4. 
S. 377.) 

Broca kommt zu dem Resultate, dass die craniolo- 
gischen Erfunde vollkommen mit dem stimmen , was 
die Geschichte, die Statistik der Körpergrösse und die 
anthropologische Beobachtung am Lebenden lehren und 
fasst dieses in dem Satz zusammen, dass die zwei Grup- 
pen gallischer Völker, welche Julius Cäsar als Gelten 
und Belgier bezeichnet* , zwei verschiedenen Raeen 
augehörten, deren antbropologfcche Charaktere sich 
noch heute, wenn auch durch Kreuzungen modificirt, 
in den betreffenden Gegenden erkennen lassen. Die 
Raoe der Belgier (die ky nie rische der Neueren) ist 
gross, blond und helläugig, der Schädel dolioüiocephal 
oder subdolicborephal , die der Gelten (gallische von 
Amedee Thierrj) ist kleiner, dunkler, der Schädel bra- 
chjcephal. 

Broca. Etüde*« aur le« propriütüs hygromötriques 
dea eräne« oonsideree« dau« leura rapporto avec 
la craniometrie. (Revue d' Anthropologie , T. III, 
3. S. 385.) 

Die hygroraetrischen Eigenschaften der Schädel kno- 
cben, auf welche zuerst Welck er aufmerksam gemacht 
hat, bilden, wie Broca in dieser ausführlichen Arbeit 
nachweist, eine bedeutende Fehlerquelle bei Messungen, 
indem, je nach dem Feucbtigkeitsgrade , Durchmesser, 
Krümm ungsverhältnissc und Capacität sehr wechseln.— 
Es tollte sich zwar von selbst verstehen, du» man frisch 
ausgegrabene feuchte Schädel nicht zu Messungen ver- 
wendet; der bestimmte Nachweis der Voränderungen, 
welche sie beim Trocknen erleiden, wird aber um so 
mehr hiervon abhalten. 

Broca. Lo» Akka, raye pvgmee de PAfrique cen- 
trale. (Revue d' Anthropologie , Tome III, 2. 
S. 279.) 



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15 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



Broca. Nouveau* renseignementn sur les Akka. 
(Revue d' Anthropologie , Tome III, 3, S* 462. 
Tafel VIII und IX.) 

Busk. Note on a ready method of measuring the 
cubic capacity of skulle. (The Journal of the 
Anthropological Institute of Great ßritain etc., 
Volume III, L S. 2üü und Tafel XI und XII.) 

Busk hat dem von ihm construirten Instrument den 
Namen Chore tnomet er gegeben. 

Busk. Notice of a human Fibula of unusual form 
discovered in the Victoria Cave. (The Journal 
of the Anthropological Institute of Great Britain 
etc M Volume III, ü. S. 392. Tafel XXIV.) 

Das Fragment, gefunden in Begleitung von Resten 
des HOhlenbären, der Hyäne, Rhinoceros, Bison und 
Hirsch, ist sehr dick (2",2 CircurolVrenz), der vor- 
dere Winkel stumpf, innere und hintere Fläche sehr 
wenig ausgehöhlt. 

Busk. Dfscription of a Samoiede skull in the 
Museum of Royal College of SurgeonB. Q. c. III, 

3. 8. 494. Tafel XXVI.) 

Chudzinski. Coutributions ü l'anatomie du Negre. 
(Revue d’ Anthropologie , Tome III, 8^ pag. 398. 
Tafel V.) 

Beobachtungen über Muskeln an der Leiche eines 
Negers von Guadeloupe und einer Negerin von Angola. 

Chudzinski. Nouvelles obeervations sur le sy- 
steine musculairc du Negre. (Revue d’Anthro- 
pologie, Tome III, 1* S. L. Tafel IJ 

Cornalia. Gli scheletri Sant Ambrosiani scoperti 
nel 1871 in Milano. (Archivio per TAntropolo- 
gia, III, 2. S. 233.1 

Coudereau. Sur le volume des mains des hommes 
de Tage du bronce. (Bulletin de la Societe d’ An- 
thropologie de Paris, 2 d# serie, Tome VIII, 2* 

S. 230.) 

Bor. Notiz über drei Sch&del aus den schweize- 
rischen Pfahlbauten. Bern 1873, 4°. Mit sechs 
Tafeln. 

Nr. 1 (grosses Schädeldach, Index 81.CI aus Greng 
bei Marten; Nr. 2 (Index 80,0 i» aus Lüscherz am 
Dielenee; Nr. 3 (Index 71,3 ) aus M origen am 
gleichen See. 

Durand (de Mor). De l’action de« milienx sur 
la forme de la täte. (Bulletins de la Societü 
d’ Anthropologie de Paris, 2 de Serie, Tome VIII, 

4. S. 566.) 

Beker. Kleine craniologische Mitthei langen. (Be- 
richte der Freiburger naturforschenden Gesell- 
schaft, IV, 2, S. 113.) 

Compensirende Erweiterung der Schädelhöhle durch 
Nahtknickung. 

Franks. Exhibition of photographs and skulle 
from the Caucasus. (The Journal of the Anthro- 
pological Institute of Great Britain etc., Vol. III, 

2. 8. 175 ) 



Giraldes. Moulage du piod de Dncorneh (Bul- 
letin de la Societe d'Anthrnpologie de Paris, 2 1 “* 
serie, Tome VIII, 4- S. 570.) 

lH*s ohne Arno* geborenen Malers. 

Girard de Rialle. Sur los eränes Russes offert« 
par M. de KhanikolV. (Bulletin de la Societä 
d’ Anthropologie de Paris. 2 d * Serie, Tome IX, L 

8. 12J 

Gosse. Ueber künstliche Verunstaltungen des 
Schädels; Brief an Virchow. (Verhandlungen 
der Berliner Gesellschaft für Anthropologie etc. 
Sitzung vom Li, März 1873, S. 75.) 

Grewingk. Ueber Liven- und Estenschädel. Vor- 
trag, gehalten in der Sitzung der gelehrten est- 
nischen Gesellschaft am 2IL Mai 1874. (Sepa- 
ratabdruck aus Nr. 201 der „ Neuen Dörpi»chen 
Zeitung“. Dorpat 1874, 8°.) 

Unter JUS Schädeln erwachsener Liven aus eiocr alten 
Begräbnisstätte am Ikalsee (9. bis J3. Jahrhundert) 
sind L5 dolichocepbal. 

Gruber. Ueber den Stirnfontane] Iknochen hei dem 
Menschen und den S&ugothiercn, 2 Tafeln. (Me- 
moire de TAcademie de St. Petersbourg, T. XIX, 
Nr. 

Gruber. Ueber die Verbindung der Scliläfeubein- 
schuppe mit dem Stirnbein etc. (Memoire de TAca- 
demie de St Petersbourg, Tome XIX, Nr. 5J 

Gruber. Ueber das zweigeteilte Jochbein, 1 Taf. 
Wien 1873. 

Hamy. Sur quelques ossements humains decou- 
verts dann la troisieme caverne de Goyet, pres 
Nameche (ßelgique). (Bulletin de la Soci£t6 
d'Anthropologie de Paris, 2 d * serie, Tome VIII, 
& S. 425.) 

Hamy. Sur les ossements humains de Solufre. 
(Bulletin de la Soci£t£ d’Anthropologie de Paris, 
2 d# serie, Tome VIII, & S. 842.) 

Hamy. Sur la mächoire de Smeermass. (Bulletin 
de la Societe d’ Anthropologie de Paris, 2 d *sürie, 
Tome IX, L S. 84j 

Beschreibung des von Lyell — Aller de» Menschen- 
geschlecht», deutsch von Büchner, Leipzig 1804, 
S. 202 — erwähnten menschlichen Unterkiefers aus 
dem Löss bei Mastricht. 

Hildebrandt. Einige Körpermaasse ostafrikani- 
scher Volksstimme. (Zeitschrift für Ethnologie, 

VI, 1, S. 76.) 

Hovelacque. Sept Grauen tsiganes. (Revue d’An- 
thropologie, Tome III, 2, 8. 234.) 

Humphry. Depression* in the parietal bones of 
an Drang and in Mau. Supernumerary molars 
in Drang. Mit Abbildungen. (The Journal of 
Anatomv and Physiology by Humphry and Tur- 
ner, 2 Series, Nr. XHI, November 1873. S. 136.) 



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16 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



v. Ihering. Heber außergewöhnlich breite Schä- 
del. (Mittheilungen aus dem Göttinger anthro- 
pologischen Vereine, im Auftrag des Vereins her- 
ausgegeben von I)r. v. Ihering. 1. Heft. Leipzig 
und Heidelberg 1874, 8*. S. 36.) 

Josoph. Morphologische Studien am Kopfskelet 
des Menschen und der Wirbelthiere. Breslau 
1873, 8». 

1. Die Gestalt des obern Th eil* der llintcrbuupta- 
scbuppi* als Charakteristikum des menschlichen Kopfes. 
2. lieber die Auffassung des Schädels als Wirbelcom- 
plex. 

Joseph. Krwiderung auf Professor Merkels Be- 
merkungen zur erstgenannten Abhandlung. (Yir- 
chow’s Archiv, Bd. IXL; auch als Separatabdruck 
erschienen.) 

Kollmann. Altgermiinische Gräber in der Um- 
gebung de» Starnberger Sees. Mit einer Tafel. 
(Sitzungsbericht der mathematisch-physikalischen 
Clasae der königl. hayer. Akademie der Wissen- 
schaften zu München 1873, Heft 3. München 
1873.) 

Sorgfältige Erforschung der in den Bügel- und 
Keihengräbern der genannten Gegend vorkommenden 
Echädelfonnen , deren Resultate sehr mit denen rum 
Referenten für Südwestdeutschland erhaltenen übcrcin- 
sti tarnen. 

Krause. Vom Tättowiren. (Mittheilungen aus 
dem Göttinger anthropologischen Vereine, im 
Aufträge des Vereins herausgegeben von Dr. v. 
Ihering. 1 Heft. Leipzig und Heidelberg 1874, 
8°. S. 46.) 

liissauor. Crania prussica. Ein Beitrag zur Eth- 
nologie der preußischen Ostaeeprovinzen. Mit 
vier Tafeln. (Zeitschrift für Ethnologie, VI, 3, 
S. 188.) 

Lombroso. Sulla statura degli Italiani in rap- 
porto all’ Antropologia ed all* igiene. (Archivio 
per l’Aütropologia, III, 3, 4. S. 373.) 

Die Resultate xusammengcstellt 8. 425. 

Lu sch an. Ein neanderthaloider Ungarschädel. 

(Mittheilnngen der anthropologischen Gesellschaft 
in Wien, Bd. III, Nr. 7, 1873. Auch als Sepa- 
ratabdruck erschienen.) 

Magitot. Note Bur la bifidite des canines infe- 
rieures chez fh online. (Bulletin de la Soci£t£ 
d' Anthropologie de Paris, 2 ,,e Serie, Tome IX, 1. 
S. 127.) 

Magitot* Des anomalies du Systeme dentaire con- 
siderees dans la Serie des ra^e« humainen. (Bobin. 
Journal de l'Anatomie et de la Physiologie nor- 
males et pathologiqucs de l’homme et des ani- 
mauz, Nr. 3, 1874. S. 275.) 

Mantegazza. Deila capacita delle foese nasali e 
degli indici rinocefalico e cerebrofacciale nel 



cranio umano. (Archivio per l'Antropologia etc., 

III, 2. S. 253.) 

Siehe auch dies«» Archiv, Bd. VI, Literat urverxcich- 
iüm, S. 19. 

Mantegozza e Zannetti. I due Akka del Muni. 
(Archivio per l'Aütropologia etc., IV, 2. S. 137.) 

Siehe über die»« Zwerg« ülker auch oben unter Broca. 

Marshall. Schädel im Torf der Insel Ely. (The 
Journal of the Anthropological Institute, III, 3. 
S. 497.) 

MetachnikofT. Ueber die Beechaffenheit der 
Augenlider bei den Mongolen und Kaukasiern. 
(Zeitschrift für Ethnologie, VI, 3, S. 153.) 

Meyer, A. B. Anthropologische Mittheilungeo 
über die Papuas von Neu -Guinea, l Mittheilungen 
der anthropologischen Gesellschaft in Wien, Bd. 

IV, Nr. 3 und 4, S. 87 ; auch Zeitschrift für Eth- 
nologie, Bd. V, Heft 5, S. 306. — Auch als 
Separatabdruck erschienen.) 

Meyer, A. B. Einige Bemerkungen über den 
Werth, welche im Allgemeinen den Angaben in 
Betreff der Herkunft menschlicher Schädel aus 
dem oetindi sehen Archipel beizu messen ist. (Mit- 
theilungen der anthropologischen Gesellschaft iu 
Wien, Nr. 8, S. 221.) 

Moyer, Ad. Beruh. Ueber den Fundort der von 
ihm überbrachten Skelete und Schädel von Ne- 
gritoB, sowie über die Verbreitung der Negritos 
auf den Philippinen. (Verhandlungen der Ber- 
liner Gesellschaft für Anthropologie etc. Sitzung 
vom 10. Mai 1873, S. 5.) 

Meyer, Ad. Bemh. Ueber die Papuas io Neu- 
Guinea. (Zeitschrift für Ethnologie, Band V, 
S. 306.) 

Meynort. Ueber Gehirnwindungen. (Anzeiger 
der Gesellschaft der k. k. Aerzte in Wien vom 
26. Juni 1873, Nr. 31; in: medicinische Jahr- 
bücher, herausgegeben von d«*r k. k. Gesellschaft 
der Aerzte, Jahrgang 1873, Heft 3, S. 84.) 

Miklucho - Maclay. Ueber Schädel und K&seu 
der Eingeborenen Neu-Guineas. (Verhandlungen 
der Berliner Gesellschaft für Anthropologie etc. 
Sitzung vom 6. December 1873, S. 188.) 

Miklucho -Maclay und A. B. Meyer. Ueber 
Negritos. (Pctermann's Mittheilungen etc., XX. 
B<L, 1. Heft, S. 19 und 22.) 

Morselli. Sopra un cranio scafoide del R. Museo 
d’ Antropologia di Modena. (Archivio per l’An- 
tropologia etc., IV, 1. S. 34.) 

Morselli. Alcune oaservazioni sui crani Siciliani 
del Museo Modenese e sulT Etnografia della Sici- 
lia. (Archivio per l'Antropologia etc., III, 3. 4. 
S. 452.) 



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Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



Morseili. Sopra una rara anomalia dell’ osbo 
malare. Modena 1872, 8°. Mit einer Tafel. (Aue 
Annuario della Societä dei Naturalisti in Modena. 
Anno VII, 1873.) 

Panceri. Le operazioni che nell' Africa orientale 
ai praticano augli organi genitalL Mit Abbildun- 
gen. (Archivio per l’Antropologia etc., III, 3, 
4. S. 357.) 

Pancerl. La frequenza della sutura frontale ne- 
gli arabi-egiziani. (Archivio per l’Antropologia 
etc., III, 3, 4. S. 354.) 

Pansch. Ueber die Furchong am Gehirn dee 
Menschen und der Säugethiere. (Ausztfg aus 
einem Vortrag, gehalten in der anthropologischen 
Section der 46. Versammlung deutscher Acrzte 
und Naturforscher in Wiesbaden, im September 
1873. Einzelnes Blatt, 4 Seiten, 8°.) 

Perrin. Anomalie« inverses et par monstruosit-e 
des systemes pileux et dentaire che* deux indi- 
vidus etc. (Siehe unter Roy er.) (Bulletin de la 
Societä d’Anthropologie de Paris, 2 m * serie, T. 
VIII, 5. S. 741.) 

Pincus. Ueber die Haare der Negritos auf den 
Philippinen. (Verhandlungen der Berliner Ge- 
sellschaft für Anthropologie etc. Sitzung vom 
18. October 1873, S. 155.) 

Bog&lia. Sopra due femori preistorici creduti di 
un macacus. (Archivio per l’Antropologia etc., 
III, 2. S. 282.) 

Boy er. Sur la craniologie de Tepoque quaternaire. 
(Bulletin do la Societe d‘Anthropologie de Paris, 
2 d ® Serie, Tome VIII, 2. S. 189.) 

Boyer, Clömence. Sur un homme velu ne en 
Russie et sur son fils, Age de trois ans et demi. 
(Bulletin de la Societä d’Anthropologie de Paris, 
2 d ® serie, Tome VIII, 5. S. 718.) 

Der auch in Deutschland producirte, im Gesicht ganz 
behaarte, „Huud* oder Waldmansch“. Abbildungen unter 
Andere» in der Gartenlaube. 

Sasse. Sur l’indice nasal des eränee Neerlandais. 
(Revue d’Anthropologie, II, 3. S. 416.) 

Sahaaff* hausen. Ueber die Ausgrabungen bei 

Wörbzig. (Aus den Verhandlungen des natur- 
historischen Vereins für Anhalt in Dessau, XXXI. 
Dessau 1874.) 

Schädel mit Knochen und Stcinwerkzcngcn (Hirsch) 
und fironxenadel. Gehirn in Adipocir umgowsndelt. 

Scheiber (Bukarest). Tabelle mit den Maasnen 
von fünf Bulgarensch&deln. (Verhandlungen der 
Berliner Gesellschaft für Anthropologie u. s. w. 
Sitzung vom 10. Mai 1873, S. 9.) 

Scholer. Messungen «ethnischer Schftdel. (Ver- 
handlungen der Berliner Geeellschaft fllr Anthro- 
Archiv (Sr Aathxttpologi*. Bd. VII. Heft 4. 



17 

pologie etc. Sitzung vom 18. October 1873, 
8. 163.) 

Shortt. A brief account of three Microcephales. 
(The Journal of the Anthropological Institute etc., 
III, 2. S. 265. Tafel XV und XVI.) 

Simon. Ueber die Persistenz der Stimnahh ( Vir- 
chow’a Archiv, Bd. LVIII, S. 572.) 

Spengel. Beschreibung eines neuen Schiulelmess- 
apparates; mit einer Tafel. (Mittheilungen aus 
dem Göttinger anthropologischen Vereine. Im 
Aufträge des Vereins herausgegeben von II. v. 
Ihering, Heft 1, S. 54.) 

Spengel. Ueber eine Modification des Lucae'schen 
Zeichenapparats. (Zeitschrift für Ethnologie, VI. 
1, S. 66.) 

Topinard. ßtude sur Pierre Camper et sur l'angle 
facial dit de Camper. (Revue d'Anthropologie, 
III, 2. 8. 193.) 

Topinard. De la methode eu Cranioim-trie. (Bul- 
letin de la Societe d’Anthropologie de Paris, 2"** 
serie, Tome VIII, 6. S. 651«) 

Topinard. I)e la morphologie du ne». (Bulletin 
do la Societe d'Anthropologie de Paris, 2 d ® serie, 
Tome VIII, 6. S. 947.) 

Topinard. Sur le prognatbisme maxillaire supe- 
rieur. (Bulletin de la Societe d’Anthropologie 
de Paris, 2 d ® serie, Tome VIII, 2. 8. 205.) 

Turner, On the relations of the cerebrum to the 
outer surface of the skull and head. (The Jour- 
nal of Anatomy and Physiology by Humphry 
and Turner, 2 series, Nr. XIII, November 1873. 
S. 142.) 

Turner. An illustration of the relations of the 
convolutions of the human cerebrum to the outer 
surface of the skull. (The Journal of Anatomy 
and Physiology by Humphry and Turner, 2 se- 
ries, Nr. XIV, May 1874. S. 359. Mit Abbild.) 

Während Bise ho ff und Broca Stifte durch Bohr' 
lüchcr des Schädels in das Hirn cinführen und dann 
nach Abnahme des Schädeldaches di« Hirnstellen, in 
welchen dies« Mecken, markiren, sägte Turner einzelne 
Scbädelstücko aus und zeichnete den darunter liegenden 
llirntheil. So entstand die beigegebene llimzeiehnung. 

Vlrehow. Ueber Schädel von Neu-Guinea. (Ver- 
handlungen der Berliner Geeellschaft für Anthro- 
pologie etc. Sitzung vom 15. März 1873, S. 65.) 

Virchow. Ueber rhachitische Synostose der Kno- 
chen des Schädeldaches. (Verhandlungen der 
Berliner Gesellschaft für Anthropologie u. s. w. 
Sitzung vom 15. März 1873, 8. 73.) 

Virchow. Ueber einen Aino-Schädel. (Verhand- 
lungen der Berliner Gesellschaft für Anthropolo- 
gie etc. Sitzung vom 14. Juni 1873, S. 121.) 

3 



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18 



Verzeichnis« der anthropologischen Literatur. 



Virehow. Bemerkungen zu dem Bericht von A. 
B. Meyer über die Papuas. (Verhandlungen der 
Berliner Gesellschaft für Anthropologie u. b. w. 
Sitzung vom 15. November 1873. S. 6.) 

Virehow. Ueber griechische Schädel. (Verhand- 
lungen der Berliner Gesellschaft für Anthropo- 
login etc. Sitzung vom 14. Juni 1873, S. 16.) 

Virehow. Ueber Golden -Schädel. (Verhandlun- 
gen der Berliner Gesellschaft für Anthropologie, 
Ethnologie und Urgeschichte. Sitzung vom 12. 
Juli 1873, S. 11.) 

Golden oder Goldi , ein Stamm im östlichen Amur- 
gebiet. 

Virehow. Ueber einen Torfscliidel aus Neubran- 
denburg. (Verhandlungen der Berliner Gesell- 
schaft für Anthropologie, Ethnologie und Urge- 
schichte. Sitzung vom 6. December 1873, S. 189.) 

Virehow. lieber menschliche Schädel aus Kra- 
kauer Höhlen. (Verhandlungen der Berliner Ge- 
sellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Ur- 
geschichte. Sitzung vom 6. December 1873, 
S. 193.) 

Weisbach. Die Schädelform der Türken. (Mit- 



theilungen der anthropologischen Gesellschaft in 
Wien, Bd. DI, 1873, Nr. 8 und 9. — Auch als 
Separatabdruck erschienen.) 

Wiedcrsheim. Ueber altgermanische Schädel in 
Unterfranken. (Vorläufige Mittheilung. W’ürz- 
burg 1874, 8». 15 S.) 

Zoja. Di un teschio Boliviano microcefalo. Mit 
4 Tafeln. (Archivio per l’Antropologia etc., IV, 
2. S. 205.) 

Zuckerkandl. Beiträge zur Lehre des mensch- 
lichen Schädels. (Mittheil äugen der anthropolo- 
gischen Gesellschaft in Wien, IV. Bd., Nr. 1 u. 2, 
S. 31.) 

1) Ueber aav aiiuet rische Uranien, welche ohne h'ahi- 
OMitcratiouen entstehen; 2) über die Nähte des Schä- 
dels. (Zeitpunkt und Reihenfolge der Obliteration); 
3) über die Spuren gesteigerten Knochenwacbsthuiu« an 
den Schädelknochen. 

Zuckerkandl. Nachträge zur Anatomie der Schä- 
delnähte. (Mittheilungen der anthropologischen 
Gesellschaft in Wien, IV. Bd., Nr. 5, S. 144.) 

Zuckerkandl. Ueber oxyccphale und acrocephale 
Uranien. (Mittheilungen der anthropologischen 
Gesellschaft in Wien, IV. Bd., Nr. 6, S. 153.) 



m. 



Ethnographie und Reisen. 

Allgemeines. 

(Von Friedr. von HeUwald.) 



Aequatorialzone. Die europäische Colonisation 
in der Aequatorialzone. (Ausland 1873, Nr. 25, 
S. 494; Nr. 26, S. 507.) 

Agassis, Louis. Evolution and permanence of 
type. (Atlantic Montkly, January 1874. 8. 92 
bis 101.) 

Alter, Ueber dos, des Menschengeschlechts in Ver- 
bindung mit der Geschichte der Erde. (Aus der 
Natur 1874, Nr. 4.) 

Anthropologie al Notes. (Athenäum, Nr. 2428, 
9. Mai 1874.) 

Aroelin, A. La question preliistorique. Paris, 
Douniol, 1873, 8°. 67 pag. 



Eaor, Wilhelm. Der vorgeschichtliche Mensch. 
Ursprung und Entwickelung des Menschenge- 
schlechts. Für Gebildete aller Stände. Nach des- 
sen Tode unter Mitwirkung von Professor Dr. H. 
SchaafFhausen vollendet, und herausgegeben von 
Friedrich von Hellwald. Leipzig 1874, 8°. 

Baer, C. E. v. Zura Streit über den Darwinismus. 
(Allgem. Zeitg. 1873, Nr. 130.) 

Bagohot, Walter. La lutte et le progres dans 
la vif* des nationn. (Revue scientifique 1873, 
Nr. 39.) 

Bagehot, Walter. L’origine scientifique de» na- 
tions. (Revue scientifique 1673, Nr. 34.) 



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Verzeichniäs der anthropologischen Literatur. 



Bagehot, Waltor. Physics and Politic«; or 
tbooghtn on the application of the Principles of 
„ natural acloction“ and „inheritance 1 * to political 
Society. London 1872, 8°. 

Ausführliche Besprechungen dieses trefflichen Buches 
siebe im Athenäum, Nr. 2364, vom 15. Februar 1873. 
Nature, Nr. 172, 8. 277. Isis, Nr. 2, 1873. Atlantic 
Monthly, vom Februar 1873, 8. 250 und Ausland 1873, 
Nr. 33, S. 646 ; Nr. 34, S. 665. 

B&in, Alexander. Mind and Body: the Theory 
of their relation. London, King and Co., 1873, 
8°. 2. cdition. Auch in deutscher Uebcraeisung 
unter dem Titel: „Geist und Körper. Die Theo- 
rien über ihre gegenseitigen Beziehungen.* 1 Leip- 
zig 1874, 8*. 

Besprechungen: im Quarterly Journal of Science, Jan. 
1874, S. 113. Populär Science Review, Januar 1874, 
S. 69. Nature 1874, Nr. 218, S. 178. — Die Freunde 
der dualistischen Weltauffassung, welche von jeher die 
herrschende gewesen, haben naturgemäss auch den 
Menschen so Mist in zwei gesonderte Theile zerlegt, iu 
einen materiellen, den sicht* und greifbaren Körper, 
und in einen immateriellen, den sie „Seele* 1 nannten. 
Dass sie den thatsäch liehen Nachweis der Seelenexistenz 
schuldig bleiben mussten, kümmerte sie um «o weniger, 
als dieser Begriff die beste Handhabe bot, den («eist 
dem Körper gegenübcrzustellen. Der G «ist, dessen Vor- 
handensein wohl der eingefleischteste Materialist nicht 
zu läugnen vermag , ohne ihn dennoch greifen zu kön- 
nen, er ist eben etwas von der Materie verschiedene», 
eine Seelenfunction; vielleicht ist auch der Geist die 
Seele selbst, wer kann dies wissen. Die Existenz der 
Seele läugnen, wie es der conseqnent dorchgeführte 
Monismus thun muss, ist zugleich ein Attentat an dem 
Geist, sofern dieser als unabhängig von dem Stoffe ge- 
dacht wird. Bain, kein Naturforscher, vollbringt 
dieses Attentat mit uns; er läugnet die Existenz 
einer Seele. Was mit dieser Negation von den all- 
gemein gültigen Anschauungen Alles zusammenbricht, 
dies kann sich Jeder selbst sagen. Bain ist ferner 
noch ein Anhänger von der Doctrin der Vererbung 
auf dem Gebiet« sowohl des Intellects als der Empfin- 
dung, eine Doctrin, ohne welche die bekannten That- 
sachcn bisher nicht erkannt werden konnten. Bain 
ist endlich der erste Psychologe, welcher sich die Auf- 
gabe gestellt hat, jedem Gedanken und jeder Empfin- 
dung ein physisches Gegenstück oder Äquivalent zu 
finden. Bain's Princip wurzelt in der scharfen Unter- 
scheidung zwischen dem Geistigen oder Subjectiven und 
dem Körperlichen oder Objektiven, während er gleich- 
zeitig den innigen Connex beider in jedem organisirten 
nnd bewussten Individuum betont. Es giebt keinen 
Grund für die Annahme, dass irgend eine der soge- 
nannten willkürlichen Bewegungen, nicht eben ao voll- 
ständig und nothwendig das Resultat rein physischer 
Vorgänge sei, als die Bewegungen der Planeten oder 
die Wiedergabe einer telegraphischen Depesche. Ver- 
stehen wir also Bain recht , so scheint auch ihm die 
physische Kette der Erscheinungen überall vollständig 
und in sich selbst genügend zu sein. .Sehr deutlich 
drückt er sich freilich nicht aus, so dass Douglas A. 
Spaiding in einer Besprechung des Bain’schen 
Werkes (in der Londoner „Nature“, Nr. 219, vom 
8. Januar 1874) last zu dem Schlüsse gelangt, trotz 
seiner durchaus realistischen Sprache habe Bain wenig 
anderes als das gefährliche Experiment ansgeführt, 
nenen Wein in alt« Schläuche zu fülleu. Da noch 
viele Ansichten uod Erklärungsversuche des britischen 
Professors lediglich Hypothesen sind, übrigens auch nur 
als solche gelten wollen, so nehme ich Abstand, hier 



darauf einzugehen, und verweise Jene, die sich dafür 
interesairen , auf das immerhin Icsenswertbe Buch. 
Baiu würde sich wahrscheinlich sehr dagegen ver- 
wahren, unter die Materialisten gezählt zu werden, und 
in der That gelangt der reine Monismus bei ihm nicht 
zu völligem Durchbruch ; werthvoll ist uns aber sein 
Buch jedenfalls dadurch, dass es die unlösliche Verket- 
tung der geistigen mit den physischen Phänomenen auf 
das Unwiderlegbarste dartbut und das Gehirn, welches 
auch ihm als der Hauptsitz der Yerstandeskräfte gilt, 
in seineu Beziehungen zu den geistigen Fähigkeiten 
einer eindringlichen Erörterung unterzieht. 

Baatian, Adolf. Ethnologische Forschungen und 
Sammlung von Material für dieselben. Jena 1873, 
8°. II. Band. 

Wie in seinen früheren Arbeiten kuunen wir auch 
hierin wieder den Fleiss und die enorme Belesenheit des 
weitgereisten Professors bewundern, zugleich aber wieder 
einige der schweren Mangel constatireD, die in Bastian- 
schen Schriften meist zu rügen sind. Freilich dürfen 
wir auch einige Verbesserungen erwähnen; es hat uns 
erfreut, die sonst XC bis C Seiten und darüber lange 
Einleitung in ein Vorwort von massiger Ausdehnung 
(XXII Seiten) verwandelt und, wenn auch embryonische, 
Anläufe zu einem Inhaltsverzeichnisse genommen zu 
selten; ja es ist ein solches sogar für den I. Band 
nachgerrageu, welcher dessen total ermangelte. In der 
Behandlung des Stoffes freilich hat sich w enig oder fast 
nichts geändert. Wir begegnen noch immer der ge- 
radezu tödtlichen typographischen Gleichförmigkeit und 
den Seiten, die zu zwei Dritt- und drei Vierthcilen mit 
polyglotten Fussnoteu in Petit gefüllt sind. Das ganze 
Buch mit seinen 375 Seiten Text zerfällt in nur vier 
Kapitel , wovon das erste : die amerikanischen Völker- 
bewegungen 50, das zweite: VÖIkerkreise in Afrika 
170, das dritte: völkergesdiichtliehe Wechsel in Mittel- 
asien 85, und das viert«: zur vergleichenden Mytholo- 
gie 21 Seiten lang ist ; weitere 24 Seiten werden durch 
Anhänge und Zusfttze ausgefüllt. Unterahtheilangen 
giebt es nicht. 

Wir wissen nun allerdings, dass die Werke Professor 
Basti an’ s nicht zur Unterhaltung geschrieben sind, 
und sind ganz damit einverstanden, dass die Ethnologie 
gerade wie jede andere Wissenschaft ein ernstes und 
mühevolles Studium erheischt. Warum man aber die- 
se» über Gebühr erschweren soll, anstatt cs nach Kräf- 
ten zu erleichtern, ist uns völlig unfassbar. Sicherlich 
werden auf diesem Wege der Ethnologie keine 
Freunde geworben. „Der Ethnologe findet sich für 
jetzt uach allen Seiten hin in bedrängter Lage, denu 
einmal drückt die Ueberfülle des Stoffes und doch feblt 
wieder die Hülfe zur Verarbeitung.“ So schreibt Professor 
Bastian sehr wahr in seinem Vorworte (S. XIII). 
Leider trägt auch sein neuer Band zu einer solchen 
Verarbeitung nichts bei. Man könnte dem entgegnen, 
dass ja ohnehin nur eine Sammlung von Material be- 
absichtigt sei. Wohl, doch muss eine derartige Samm- 
lung, soll sie anders von Nutzen sein, mit möglichster 
Uebersichtlichkcit und, was die zweite Hauptsache ist, 
mit ganz genauer, allergewissenhaftester Angabe aller 
benutzten Quellen ausgearbeitet sein. Wir befürchten 
aber sehr, dass, wer de» gelehrten Professors „Ethno- 
logische Forschungen“ benutzen will, dieselben erst, der 
Uebereichtlichkeit halber, in neue Formen giessen muss 
und dann erkennt, dass er erat nichts damit anfangen 
kann wegen Mangelhaftigkeit der Quellennachweis«*. 
Es ist Niemanden auch nur im Geringsten damit ge- 
dient, dass zu einer beliebigen Behauptung in Klammern 
beigesetzt ist, wir greifen natürlich auf gut Glück einige 
Beispiele heraus, „nach Herera* (nebenbei gesagt heisst 
der Autor Herrera), oder „nach Cogollado“ (wohl ein 
Druckfehler für Cogollado) ($. 23), oder einfach „Mi- 



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Verzeichnis» der anthropologischen Literatur. 



chells“ (8. 27), oder gar (S. 31) »Tour du monde," 
eine vielbändig*! und langjährige französische Zeitschrift; 
ein solches Vorgehen erinnert nur zu sehr an Jenen, 
der, um seinen Behauptungen höheren Werth zu ver- 
leihen , sie mit dem Sat 2 e einkleidete : »Humboldt 

sagt bekanntlich im Kosmos" u, s. w., und dann, aof- 
gefordert, anzugeben, an welcher Stelle des Kosmos 
Humboldt dies oder jenes sage, antwortete: »Suchen 
Sie es." Wir sind sicherlich weit entfernt zu glauben, 
daas Professor Bastian auch nnr Einen Satz schreibe, 
der sich nicht in dem von ihm angegebenen Autor 
fände, aber durch seine total ungenügenden Quellen- 
nachweise sind seine Angaben gerade so werthlos wie 
jene des obenerwähnten lluraboldtcitator«. Wir müssen 
darauf bestehen und können kein I- Tüpfelchen davon 
ablasaen, dass in W’erken wie das vorliegende die Quel- 
lennachweise mit genauester, ja peinlichster Angabe des 
Autors, Titels, Jahres, Ortes und Formats der Ausgabe, 
Band und Seitenzahl gemacht werden, sonst ist es 
schade um die Mühe de« Verfassers und die Herstel- 
lungskosten des Buches. Register fehlt noch immer. 

Bastian, Adolf. Geographische und ethnologische 
Bilder. Jena 1873, 8®. 

Dieter COO Seiten starke Band des vielgewanderten 
Berliner Professors enthält ausschliesslich gelegentliche 
Skizzen einzelner Reise * Episoden oder Mittheilungen 
aus den zurückgebrachten Sammlungen. Verschiedene 
der Artikel erscheinen hier zum crstenmalc int Drucke, 
eine Anzahl war vorher in Zeitschriften veröffentlicht. 
Sic waren dadurch zerstreut und zum Tbcil schwer 
zugänglich, we&shalb es dem Verfasser erwünscht er- 
schien , sie in einem Bande zu vereinigen. Professor 
Bastian meint zwar, es sei etwas leichte Waare, die 
er diesmal dem Publikum biete; allein wir glauben ihn 
versichern dürfen, dass die leichte seiner schweren Waare 
unendlich vorzuziehen ist. Hier haben wir endlich ein- 
mal ein Buch vor uns, welches man von Anfang bis 
zu Ende lesen kann, das sich der in ihrer Form durch- 
aus werthlosen Ci täte entschlägt, mit Einem Worte, 
gen lc«bar Ist. Der Verfasser geleitet uns abwechselnd 
nach Peru und in den Kaukasus, nach Arabien und 
Hinterindien, an die Westküste Afrikas und Syriens, 
zu deu Kalmüken und Buräten, nach Japan und Mexico, 
nach Russland und Mesopotamien , wie man sieht ein 
reiches Programm, worin wohl Jeder etwas nach sei- 
nem Geschmack finden kann. Das Kapitel »Darwin 
und die Wissenschaft* wäre unserer Meinung nach 
besser weggeblieben; wir stehen freilich in Bezug auf 
die Abstammungslehre auf dem schnurstracks entgegen- 
gesetzten Standpunkte des Professor Bastian, doch 
haben wir nicht das Geringste dawider, wenn gegen 
die Descendenztheorie wissenschaftliche Argumente ins 
Feld geführt werden; wohlfeiler JSpott dünkt uns je- 
doch w eder auf der einen noch auf der anderen Seite 
angezeigt. Die Ausstattung des Buches ist massig und 
die Broschürung von jener Art, die man als „Hollän- 
dern“ bezeichnet, eine Unsitte, die heutzutage im deut- 
schen Buchhandel nicht mehr Vorkommen sollte und 
als Rücksichtslosigkeit gegen den Käufer und Leser 
nicht scharf genug gerügt werden kann. 

Bi&nconi, J. Job. La theorie darwinienne et la 
creation dito indöpendante. Lettre a M. Ch. 
Darwin. Bologne, N. Zanichelli, 1874, 8°. 343 
Pag- 

Boiael, M. Ktudes anto-hiatoriqnea. Lea Atlantes. 
Paria 1874, 8®. 

Besprochen im Polybiblion, Mai 1874, S. 268. 

Brown, Robert. The races of Mankind; bring 



a populär deecription of tbe characteristica, man- 
ners and enatoms of tho principal varieties of 
the human family. 8°. Vol. I. 

Besprochen in Nature, Nr. 224, S. 279. 

Brunnhofer, Dr. Herrn. Culturgeachichtliches 
Ober Leichenverbrennung. (Globus, Bd. XXV, 
Nr. 23.) 

Brunnhofer, Dr. H. Die Culturaprachen und die 
SprachhciTflchaft. (Globua, Bd. XXIV, Xr. 5, 6, 
9, 10, 14, 16.) 

Candolle, A. de. Histoire dea Sciences et des 
savanta depuis deux sieclcs, suivie d'autres etudea 
aur les sujets acientifiques, en particulicr sur la 
selection dans l’espece humaine. Geneve 1873,8°. 

Besprechungen iio Athenänin, Xr. 2379, vom 31. Mai 
1873; Nature, Nr. 172, S. 270. 

Chlebik, Frans. Die Frage Ober die Entstehung 
der Arten, logisch und empirisch beleuchtet. 
Berlin 1873, 8°. 

Sehr ungünstig bcnrtheilt in Zarncke« Literarischem 
Centralblatt 1874, Xr. 18, S. 594 — 595. 

Civilisation. Our Civil iaation. (Cornhill-Magaz., 
June 1873. S. 671—686.) 

Clodd , Edw. The Childhood of the World: a 
simple acconnt of Man in E&rly Times. London 
1873, 8° 

Besprechung in Xature 1873, Nr. 188, S. 99. 

Communismus. lat der Communisums ein Er- 
zeugnias der modernen Cultur? (Allgem. Zeitg. 
1873, Nr. 72.) 

Antwort: Nein. 

Corazzini, Prof. Fr. 1 tempi preistorici o le an- 
tichissimo tradizioni confrontate coi rianltati delta 
scienza modema. Verona 1874, 8°. 

Darwin'ache, Die, Theorie und die Sprachwissen- 
schaft. (Allgem. Ztg. 1874, Nr. 20.) 

Duai, Dr. Ad. Streifzöge ins Gebiet der Men- 
schen- und Völkerkunde. (Güa 1874, Februar, 
S. 65—74.) 

Dubois-ReymoncL Ueber die Grenzen desXatur- 
erkennena. Von Emil du Boia-Reymond. Zweit« 
Auflage. Leipzig, Verlag von Veit u. Co. 1872. 

Der Verfasser dieser Schrift hält aeiu Unternehmen, 
die Grenzen des Naturerkennens festzustellen, für um 
so gerechtfertigter als hinsichtlich dieses Gegenstandes 
zwei Fundameutalirrthümer sehr verbreitet sind. Na- 
turerkennen oder besser naturwissenschaftliches Erken- 
nen ist nach unserm Antor Auflösung der Naturvor- 
gänge in Mechanik der Atome. Wo solche Auf- 
lösung gelingt , fühle sich unser CausalitätsbedürfniM 
„vorläufig befriedigt.“ Dieses Natorerkennen befriedige 
aber iu Wahrheit unser Caus&litütsbedürfnias nicht, und 
sei in Wahrheit kein „Erkennen." »Die Vorstellung, 
wonach die Welt aus stets dagewesenen und unver- 
gänglichen kleinsten Theilen besteht, deren Centralkrifte 
alle Bewegung erzeugen, ist gleichsam nur Surrogat 
einer Erklärung." Es ergebe sich, dass zwar innerhalb 
bestimmter Grenzen die atomlstische Vorstellung, für 
den Zweck physikalisch -mathematischer U Überlegungen 



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Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



brauchbar, ja unentbehrlich sei, dass sie aber, wenn die 
Grenzen der an sie zu stellenden Forderungen über* 
schritten werden, als Corpuscular- Philosphie in unlös- 
liche Widersprüche führe. Der Ursprung dieser Wider- 
sprüche soll in unserm Unvermögen liegen, etwas An- 
deres, als mit unseren äusseren Sinnen entweder, oder 
mit unserem inneren Sinn Erfahrenes uns vorzustellen. 
Setzen wir aber Kraft und Materie als gegebeu voraus, 
so »ei in der Idee die Körpsrwelt verständlich. — Diese 
Vorstellung des Autors von der einen Grenze des Na- 
turerkennen* ist nicht genügend forniulirt. Wir haben 
vor Allem einen formalen Begriff von der Einheit der 
Natur, und wir müssen diese Einheit als Objectivität 
letzter Instanz setzen, well in uns selbst, insofern wir 
denken, der Grund der einheitlichen Auffassung auzu- 
treffen ist. Dieser formalen Conceplion unseres Ver- 
standes entspricht allerdings eine objective Wirklichkeit; 
allein unsere Vorstellung von der Natureinheit kann 
stets nur durch positiv empirische Forschung näher be- 
stimmt werden. — So viel zur richtigen Vorstellung 
von der einen Grenze des Naturerkennens. An irgend 
einem Punkte der Entwickelung des Lebens auf Erden 
tritt nach unserem Autor etwas Neues, Unbegreifliches 
auf. Dies neue Unbegreifliche ist das Bewusstsein. Die 
Meinung, dass man im Laufe der fortschreitenden Er- 
kenntnis» dahingelangen könne, das Bewusstsein aus 
seinen materiellen Bedingungen zu begreifen. , hält un- 
ser Autor für einen Irrthum. .Durch keine zu ersin- 
nende Anordnung oder Bewegung materieller Theil- 
eben aber lässt sich eine Brücke ins Reich des Bewusst- 
sein* schlagen.“ Bewegung kann nur Beweguug er- 
zeugen; die mechanische Ursache geht rein auf in der 
mechanischen Wirkung. „Die neben den materielJeu 
Vorgängen im Gehirn einhergehenden geistigen Vor- 
gänge entbehren also für unsern Verstand des zureichen- 
den Grundes.“ Ob wir die geistigen Vorgänge im 
Gehirn je aus materiellen Bedingungen begreifen wer- 
den, ist nach unserem Antor eine Frage ganz verschie- 
den von der, ob dies« Vorgänge das Erzeugnis* mate- 
rieller Bedingungen sind, „Jene Frage kann verneint 
werden, ohne dass über diese etwas ausgemacht, ge- 
schweige auch sie verneint würde.* Da* Naturerken- 
nen ist also nach unserem Autor ei »geschlossen zwischen 
den beiden Grenzen, «welche einerseits die Unfähigkeit, 
Materie und Kraft, andererseits das Unvermögen, geistige 
Vorgänge aus materiellen Bedingungen zu begreifen, 
ihm ewig vorschreiben.* Was es mit der fraglichen 
• Unfähigkeit“ für eine Bewandtnis* habe, haben wir 
oben angedeutet. 

Entstehen. Das gesellschaftliche Entstehen neuer 
Species. (Gää 1873, Heft X, S. 573.) 

Favre d'Envieu, J. Abbe. Lea origines de la 
terrt* et de Phomme d’apres la Bible et d‘apr& 
la Science, ou Phexaineron genüsiaque considere 
dans Bes rapports avec les enseignements de la 
Philosophie, de la geologie, de la paleontologie 
et de Tarcheologie pröhistorique. Paris 1873, 8°. 

Im Polybibhon , Mars 1874. 8. 146 gelobt, daher 
wahrscheinlich nichts werth. 

Fechner. Einige Ideen zur Schöpfung«- und Eut- 
wickelungsgeschichte der Organismen. Leipzig 
1874, 8». 

Besprochen von Hartsen im Tbeol. Literaturblatt 
1874, Nr. 2 und von Professor Dr. Oscar Schmidt 
im Ausland 1874, Nr. 8, S. 141. 

Flint, Austin. The Physiology of Man. New- 
York 1872. 

Besprochen ia Nature 1873 Nr. 188, S. 98. 



Frauenatttdt, J. Zur Ethnologie. (Blätter für 
literarische Unterhaltung 1874, Nr. 1.) 

Uns nicht zu Gesicht gekommen. 

Frohschammer, J. Descendenztheorie, Teleologie 
nnd Philosophie. (Allgem. Zeitg. 1873, Nr. 13, 
H.) 

Frohschammer, J. Der naturwissenschaftliche 
and der philosophische Standpunkt für die Welt- 
betrachtung. (Allgem. Zeitg. 1873, Nr. 78, 79.) 

Frohschammer, J. Das neue Wissen und der 
neue Glaube. Leipzig 1873, 8°. 

Gabelentz, Georg von der. Sprachwissenschaft- 
liches. (Globus, Bd. XXV, Nr. 6, 7, 8.) 

Geikie, James. The great Ice Age, and its rela- 
tions to tbe antiquity of man. London 1874, 8 W . 

Sehr günstige Besprechungen im Athenäum, Nr. 2416, 
vom 14. Februar 1874; Natur«, Nr. 226, 8. 318; Nr. 
227, S. 339; Wiener Abendpost, vom 21. Februar 1874. 

Gerber, Gust. Die Sprache als Kunst. Bromberg 

1873, 8* II. Band, 1. Hälfte. 

Zarnckes Literarisches Centralblatt 1874, Nr. 8, 236 
nennt dieses Buch fleissig, gelehrt und gedankenreich. 

Gesichtsurnen. Europäische und amerikanische. 

(Globus, Bd. XXV, Nr. 3.) 

Giraud-Teulon, A. Des differentes formet* de la 
famille et des parentes chez les peuples barbares. 
(Bulletin de la Sociötö de Geographie. Paris 

1874, Jan vier. S. 89.) 

Kurze Inbaltsanxeige des Buches von Morgan. Sy- 
stems of consanguinlty and afflnity of the human fa- 
mility. 

Glaubensbekenntnis a eines modernen Naturfor- 
schers. Berlin 1872, 8°. 

Goblet d’Alviella. Sahara et Laponie. Leipzig 

1873, 12«. 

Grundlage, Die, der Ethnologie in den geogra- 
phischen Provinzen. (Zeitschrift für Ethnologie 
1873, S. 317—329.) 

Gubernatia, B. de. Storia popolare degli usi fu- 
nebri Indoeuropei. Milano 1873. 

Anzeige im Athenäum, Nr. 2390, vom 16. August 
1873. 

Gubernatia, Prof. Angelo de. Die Thiere in 
der indogermanischen Mythologie. Aus dem Eng- 
lischen übersetzt von M. Hartmann. Leipzig, 
Gmnow, 1874, 8°. 

Besprechung im Magazin für die Literatur des Aus- 
landes 1874, Nr. 19, 8. 276. 

Henne Am-Rhyn, Otto. Die Magier im XIX. 
Jahrhundert. (Deutsche Warte 1873, B<L IV, 
Nr. 12.) 

Henne Am-Rhyn. Ein Apostel des Pessimismus. 

(Deutsche Warte 1873, Heft 2, 3.) 

Huber, J. Zur Orientirung über die Descendenz- 
lehre. (Allgem. Zeitg. 1873, Nr. 51, 52.) 



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22 



Verzeichnis der anthropologischen Literatur. 



Huber, J. Zur Kntwickelungalehre. (AUg. Ztg. 
1873, Nr. 26.) 

Huber, J. Ethnographische Berichtigungen. (AUg. 
Ztg. 1873, Nr. 126.) 

Huber, Joh. Wissenschaftliche Tagesfragen. (AUg. 
Ztg. 1874.) 

I. Darwin’s Wandlungen und Hackel’» „natür- 
liehe Schöpfungsgeschichte* , Nr. 159, 160, 161, 
102 . 

II. Die teleologische Naturanschauung von C. E. f. 
Baer, Nr. 176. 

III, Wigand’» Kritik des Darwinismus, Nr. 160. 

IV. Peschel’s Völkerkunde, Nr. 193, 194, 195. 

Jacquomart , Albert. Histoire de la Ceramique. 
Paria et Londres. (Deutache Warte, Bd. V, Nr. 
9, S. 565.) 

Janet, Paul. Le problcme des causes finale« et 
la physiologic contemporaine. (Revue dea deux 
Mondes,' 1 5 Fevrier 1873.) 

Jessen, Prof. Dr. P. Physiologie dea mensch- 
lichen Denkens. Hannover 1872. 

Das vorliegende Buch ist naturphilosophiscb im be- 
sten Sinne des Wortes, es bietet eine Fülle neuer Ideen, 
worunter besonder» die Ausführungen von Wichtigkeit 
sind, in denen der Verfasser oacluu weisen sucht, dass 
die Erzeugung der Gedanken und ihre Darstellung in 
innerlichen Worten, zwei gesonderte relativ selbständige 
und wahrscheinlich an verschiedene Th eil« des Gehirns 
gebundene Acte der Gcistcsthitigkcit sind- »So schreibt 
die Gäa. Eine ausführliche Besprechung brachte die 
„Beilage zur Allgemeinen Zeitung“ 1873, Nr. 12. 

Keferstein, A. Drei antiquarische Vorträge. Er- 
furt, C. Villaret, 1873, 8®. 104 8. 

Inhalt: 1. Die Sprache der alten Deutschen. 2. Der 

Ursprung der Juden. 3. Der Nteincultu» im Alterthum. 
8. 43 bis 104. Mit. einer Abbildung des „Stonehenge.* 

Key, T. H. Languagi-: its origin and develop- 
ment. 1874. 

Hnapp, G. F. Darwin und die Social Wissenschaf- 
ten. (Hildebrand’s Jahrb. für Nat.-Occonomie und 
Statistik 1872.) 

Lange, Friedr. Albert. Geschichte des Materia- 
lismus und Kritik seiner Bedeutung in der Ge- 
genwart. Zweite verbesserte und vermehrte Auf- 
lage. Leipzig und Iserlohn, J. Bädekor, 1873, 
8®. TU. L 

Laube, Dr. Gust. C. Zerstreute Blätter. Bilder 
aus Natur- und Menschenleben. Prag 1873, 8°. 

Lovequo, Charles. Lee sens du beau chez les 
betea. Le Darwinisme psychologique et la pBy- 
chologie comparee. (Revue des deux Mondes, 
1" Septembre 1873.) 

Lewes, Geo. Henry. Problems of Life and Mind. 
London, Trübner, 1873, Vol. I. 

Angezcigt im Athenäum, Nr. 2405, vom 29. Novem- 
ber 1873. 



Littre, £. La scienoe au poiut de vue philoso- 
pbique. Paris, Didier. 

•Siehe darüber: Deutsche Warte, Bd. V, Nr. 9, S- 562. 
Lumby, J. R. The History of the Creeds. Cam- 
bridge 1874. 

Besprochen im Athenäum, Nr. 2-433, vom 13. Juni 
1874. 

Lyell, Sir Ch. The geological Evidence of the 
antiquity of Man, with an outline of Glacial and 
post-tortiary Geology, and remarks on the origin 
of Species in the special reference to Man 's first 
appearance on the Earth. London, Johu Murray, 

1873, 4 tb Edition. 

Besprechung in der Populär Science Review 1874, 
1, 8. 62. 

MarggrafT, R. Ein Capitel anthropologischer Ar- 
chäologie. (Allgem. Ztg. 1874, Nr. 45, 46.) 

Marquardson, Dr. Das Recht der Frauen. (Allg. 
Zeitg. 1873, Nr. 253, 254, 255.) 

Martins, Ch. Un naturaliste philoeophe. La- 
marck, sa via et so« oguvtcs. (Revue des deux 
Mondes, l* r Mars 1873.) 

Maskell, William. A description of the Ivories, 
ancient and tnedieval. London 1872. 

Referat im Cliamber’s Journal, Nr. 470. 

Mlchelis. Ueber die Geschichte der Entwickelung 
des naturwissenschaftlichen Artl>egriffes von Pla- 
ton's Ideenlehre bis auf Darwin'» Theorien. Vor- 
lesung, gehalten in Heidelberg im Januar 1873. 

Mind in lower animals. (Nature 1873, Nr. 187, 
S. 91 — 92.) 

Mittheilungen &ub dem Göttinger anthropologi- 
schen Vereine. Herausgegeben von H. v. Ihering. 
Leipzig 1874, 8°. I. Heft. 

Mivart, 8t. George. Man and Apes. London 

1874. 

Anzeigen in Nature, V’ol. IX, »S. 180, Nr. 219; Athe- 
näum, Nr. 2415, vom 7. Februar 1874- 

Morgan, Lowis. Systems of consanguinity and 
affinity of the human family. Washington 1871, 
4°. 

Bildet den XVII. Band der Nmithsonian Contribu- 
ti»ns to Knowledge. 

Moreau de Jonnea, A. C. L'ocean des anciens 
et leB peuples prehistoriques. Paris 1873, 8*. 

Sehr ungünstig besprochen im Ausland 1873, Nr. 30, 
S. 584. 

Mortillet, G. de. Classification des diverses pe- 
riodes de l'äge de la pierre. (Revue d'Anthrop. 

1872, DL S. 434—443.) 

Müller, Fried. Allgemeine Ethnographie. Wien 

1873, 8®. 

Glänzendes Werk. Siebe Allgemeine Zeitung 1873, 
Nr. 127. 

Mueller, Max. Introduction to the Science of 



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Verzeichnis der anthropologischen Literatur. 23 



Religion: four lecturea delivered at the Royal 
Institution with two Essays or false Analogies 
and tbe Philosoph v of Mythology. London 1873, 
8«. 2 Bände. 

Besprechungen in Z&rnckes Centrnlblatt 1874, Nr. 24, 
8. 783; Athenäum, Nr. 2380, vom 7. Juni 1873; Edin- 
burgh Review, Nr. 284; M. Haug in der Allgemeinen 
Zeitung 1874, Nr. 4, 5. 

Müller, Max. Einleitung in die vergleichende 
Religionswissenschaft. Vier Vorlesungen, 1870 
an der Royal Institution in London gehalten 
nebet zwei Essays „über falsche Analogien“ und 
„über Philosophie der Mythologie“. Strassburg 
1874, 8«. 

Uebertetzung des Obigen. 

Paine, Martyn. Physiology of the soul and in- 
stinct as distinguished fron» material ixm. New- 
York 1872, 8°. 

Papilion, Ferd. L’bemlite au point de vue phy- 
riologique et moral, son röle dana le developpe- 
ment des nations. (Revue des deux Mondes, 
15 Aoüt 1873.) 

Pengolly, W. Tbe Kent’s hole Macbairodus. 
(Journal of Science, April 1873. S. 204.) 

Perception in tbe Lower animale. (Nature, Nr. 
177,178. S. 377, 409.) 

Perty, Max. Die Anthropologie als die Wissen- 
schaft von dem körperlichen und geistigen We- 
sen des Menschen. Leipzig 1873, 8®. 2 Bde. 

Der zweite Band enthält Ethnogr&hie und Culttir» 
ent Wickelung. 

Peschel, O. Völkerkunde. Leipzig 1874, 8°. 

Epochemachende Erscheinung. Siehe Gia 1874, III, 
S. 129; Ausland 1874, Nr. 22, S. 421. 

Philippaon, Louis. Gegen David Friedrich Strauss, 
der alte und der neue Glaube. Berlin 1873, 8°. 

Planck. Anthropologie und Psychologie auf na- 
turwissenschaftlicher Grundlage. Leipzig 1 874,8®. 

Ploas, H. Ueher das Heirathsalter der Frauen 
bei verschiedenen Völkern. (Mittheilungen des 
Vereins für Erdkunde zu Leipzig 1872. Leipzig 
1873, 8°. 8. 18—42.) 

Politice , The, of the Aryan Race. (Athenneuin, 
Nr. 2413, 24 January 1874.) 

Poat, Dr. Alb. Herrn. Die Unsterblichk ritafrage 
und die Naturwissenschaft unserer Tage. Olden- 
burg 1872, 8®. 

Siche Deutsche Warte 1873, 5. Heft, S. 31C. 

Property. The history of the Property of Wo- 
men. (Athenaeum, Nr. 2379, 31 May 1873.) 

Racenanlage und verschiedene Begabung zum 
Arbeiten. (Globus, Bd. XXV, Nr. 24.) 

Reich, Eduard. Der Mensch und die Seele. Stu- 
dien zur physiologischen und philosophischen 



Anthropologie und zur Physik des täglichen Le- 
bens. Berlin, Nicolai, 1873, 8®. 640 $. 

Römisch, Leo. Der einheitliche Ursprung der 
Sprachen der alten Welt, nachgewiesen durch 
Vergleichung der afrikanischen, erythräischen 
nnd indogermanischen Sprachen mit Zugrunde- 
legung der Teda. Wien 1873, 8°. 1 Bd. 

Eine vernichtende, manche Vorzüge de* Buches aber 
vielleicht nicht genug würdigende Besprechung aus der 
Feder de» bekannten Linguisten Professor Dr. Fried- 
rich Müller siehe im «Ausland“ 1873, Nr.41, 8.804; 
Nr. 42, S. 828; vergl. dagegen die Rezension in der 
.Allgemeinen Zeitung“ 1874, Nr. 73; jene in Zamckes 
Literarischem Centralblatte 1874, ist hinwieder sehr 
absprechend. 

Rimbaud, J. B. Refutation du transformisrae ou 
les theories devant lea faits dann la question du 
düvuloppement de la vie nur le globe. Paris 
1873, 8®. 

Riolacci, D. Anthropologie. L'anciennetc de 
1’homme prouvee par l’exploration des caverncs 
et des cites lacustres. Paris, C. Reinwald, 1873, 
8 U . 104 pag. 

Rüde Stone Monuments. (Athenaeum, Nr. 2394, 
13. October 1873.) 

Saint Clair, George. Darwinism and Design. 
London 1873. 

Anzeige im Athenäum, Nr. 2408, vom 20. December 
1873. 

Schmidt, Oac. Die Anwendung der Descendenz- 
lehre auf den Menschen. Leipzig 1873, 8°. 

Schmidt, Oac. Descendenzlehre und Darwinis- 
mus. Leipzig 1873, 8*. 

Schölten, J. H. Dur freie Wille. Kritische Un- 
tersuchungen. Deutsche Ausgabe. Aus dem 
Holländischen übersetzt von Carl Manehot. 
Berlin, F. Ilenschel, 1874, 8®. 284 S. 

Semper, Carl. Ein letztes Wort (Allg. Zeitg. 
1873, Nr. 36.) 

Semper, Carl. Kurze naturwissenschaftliche Be- 
merkungen zu Herrn Hubers Kritik von Strauss’ 
neuestem Buche. (Allgcm. Ztg. 1873, Nr. 16.) 

8impaon, W. Meeting the Sun: a journey all 
round the world through Egypt, China, Japan 
and California, including an account of marriage 
Cerumonies of the Emperor of China. London, 
Longmans and Co. 

Siehe Athenäum, Nr. 2418, vom 28. Februar 1874. 

Smytb , W. W. The Bible and the doctrine of 
evolution: being a complete syntbesis of their 
truth and giving a sure scientific besis for tbe 
doctrine of scripture. 8®. 

Nimmt die Deecendewlchre Dtrvio’i nnd dir 
Ideen Spencer'« rückhaltlos an und versucht sie mit 
der Bibel in Einklang zu bringen. 



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24 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



Spengel, J. W. Die Fortschritte des Darwinis- 
mus. Cöln und Leipzig, E. H. Mayer, 1874, 8°. 
100. S. 

Von dieser kleinen Schrift timt es ans in zwiefacher 
Hinsicht leid, wenig Gutes berichten zu können, ein- 
mal weil sie von einem Gesinnungsgenossen herTÜbrt, 
dann weil sic in der sonst trefflichen * Vicrteljabrsrevue 
über die Fortschritte der Naturwissenschaften* Aufnahme 
gefunden hat. Denn die Torliegende Schrift ist nur ein 
Separatabdruck aus jener. Abgesehen davon, dass der 
Verfasser,, an dessen guten Willen wir nicht zweifeln, 
keineswegs die ausreichenden Kenntnisse besitzt, um die 
Fortschritte des Darwinismus in wahrhaft erschöpfender 
Weise zu veranschaulichen, legt er auf Dinge und Per- 
sonen ein Gewicht, welches dieselben nicht verdienen, 
während andere entschieden unterschätzt werden. So 
stützt er sich viel auf den Zoologen Mi van, und 
nimmt dessen Buch On the gencsis of species gegen 
die vernichtende Kritik Huxlcy’s in Schutz- Dass 
der Abbe Joachim Barrande, so gross auch seine 
Verdienste als Erforscher des böhmischen Silur unt»e- 
zweifclt sind, aus nicht wissenschaftlichen Gründen 
kein Freund der Darwin' sehen Lehre sein könne, ist 
nicht zu verwundern; unverantwortlich ist es aber, 
KSIIkktr und Chariten Bastian mit Wigand und 
Fitzlnger in Einem Athcro (S. 89) zu nennen. Di« 
zwei ersten sind ebenso bedeutend, als die beiden letz- 
teren unbedeutend. Ganz ähnlich orthcilt auch Za- 
rnckes literarisches Centralblatt 1874, Nr. 18, 8. 595. 
Eine andere Besprechung in der Neuen evangelischen 
Kirchenzeitung 1874, Nr. 8 haben wir nicht zu Gesichte 
bekommen. 

Spiller, Ph. Gott im Liebte der Naturwissen- 
schaften. Studien über Gott, die Welt, Unsterb- 
lichkeit. Berlin 1873, 8®. 

Spiller, Pb. Naturwissenschaftliche Streifzüge. 
Berlin 1873, 8®. 

Spörri, H. Der alte und der neue Glaube. Vor- 
trag über das neueste Buch von Strauss. 

8 °. 

Stobbing, T. K. K. What to believe in Scienoe: 
Teleology or Evolution. (Populär Science Review, 
January 1874. S. 11.) 

Steinzeit. Einige Bemerkungen zu den „Erinne- 
rungen an die Steinzeit.“ (Allgem. Ztg. 1872, 
Nr. 338, 361, 362.) 

Sterne, C. Rettig und Radieschen als Zeugen für 
die Darwinsche Theorie. (Gartenlaube 1873, 
Nr. 52.) 

Strauss, David, und seine Gegner. (Unsere Zeit 
1873, XXL Heft.) 

Stricker, S. Die lebende Materie. (Wiener 
Abendpoet 1873, Nr. 58, 59.) 

Swainson, C. A handbook of weather folklore; 
being & collection of proverbial sayings in va- 
rious languages relating to the weather. London 

1873. 

Besprochen im Athenäum , Nr. 2405 , vom 29. No- 
vember 1873. 

Teichmüller, G. Lieber die Unsterblichkeit der 



Seele. Leipzig, Duncker und Humblot, 1874, 8*. 
205 S. 

Thoma, W. J. Human Longevity, its facta and 
its fictions. London. 

Siehe Athenäum, Nr. 2379, vom 31. Mai 1873. 

Tylor, Edw. B. Aus der Entwicklungsgeschichte 
der Gesellschaft. (Ausland 1874, Nr. 1, S. 15; 
Nr. 2, S. 38 ; Nr. 4, S. 69 , Nr. 7, S. 129; Nr. 9, 
S. 173; Nr. 11, S. 207.) 

Tylor, Edw. Die Anfänge der Cultur. Leipzig 

1873, 8®. 2 Bünde. 

Besprechungen und Auszüge in der Allgemeinen Zei- 
tung 1873, Nr. 105, 106; Zeitschrift für Ethnologie 
1873, II, 8. 77 bis 106. 

Tuke, Daniel H. Illustrations of the influeoce 
of the mind upon the body in health and disease, 
designed to clucidate the action of the Imagina- 
tion. London 1873, 8°. 

Siehe Athenäum, Nr. 2385, vom 12. Juni 1873. 

Ugfalvy de Mezö - Kövcsd , Ch. E. de. Les 
migrations dem peuples et particulierement celle 
des Turaniens. Paris, Maisonneuve, 1873, 8* 
204 pag. 

Eine vernichtende Rezension dieses Werks bringt die 
Berliner Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde 1874, 
8. 153 bis 155 aus der Feder Heinrich Kiepert’*. 

Unbewusste, Das, vom Standpunkte der Physio- 
logie und Descendenztheorie. Eine kritische Be- 
leuchtung des naturphilosophischen Theiles der 
Philosophie des Unbewussten aus naturwissen- 
schaftlichen Gesichtspunkten. Berlin 1872, 8°. 

Allgemeine Zeitung 1873, Nr. 1. Günstig besprochen 
von Dr. Georg 8eidlitt. 

Valroger, H. de. La genese des Espeoes. ßtudes. 
Paris, Didier, 1873, 8°. 

Herr H. de Valroger ist Adeliger und zugleich 
Priester, dennoch aber k e i u Gegner der Darwin’ sehen 
Lehre. Dieses Wunder wird noch dadurch erhöht, dass 
der Verfasser Franzose ist und die französische Gelehr- 
ten weit sich bisher sehr ablehnend gegen den Darwi- 
nismus verhält. Abbe Barrande und P. Matthäus 
Rauch können sich an ihrem geistlichen Collegen ein 
Exempel nehmen; Herr de Valroger erklärt ganz 
offen, dass die von den Männern der Wissenschaft auf- 
gestellten Argument« Nichts dem christlichen Glauben 
Gefährliches enthalten. Sehr interessant sind die im 
ersten Theile de» Buches enthaltenen biographischen 
Skizzen Darwin’» und Agassiz’s. Dass er im zwei- 
ten Theile sich vorwiegend mit den Resultaten der fran- 
zösischen Forschungen beschäftigt, dürfen wir ihm wohl 
um so mehr zu Gute halten als die Vorläufer Dar- 
win’s auf französischem Boden in der Tbat aller Be- 
achtung werth sind. 

Vertu«, A. de. Le monde avant l'histoire. Lan- 
gage, moours et religion des premiers hommea. 
Chateau-Thierry, Renaod, 1873, 8®. 162 pag. 

Wagner, Moritz. Neueste Beitrage zu den Streit- 
fragen der Entwickelungslehre. (Allgem. Zeitg. 
1873, Nr. 92, 93, 94, 301, 302, 317, 318, 3191 
320.) 



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25 



Verzeichnis« der anthropologischen Literatur. 



Wagner, Moritz. Antwort auf Professor Huber’s 
„Ethnographische Berichtigungen/ (Allgemeine 
Zeitung 1873, Nr. 144.) 

Wagner, Moritz. The Darwini&n Theory and the 
law of the Migration of orgamsms. Tranelatod 
from the German by James L. Laird. London 
1873, 8«. 

Weis, Dr. L. Anti-Mftterialiemus. Kritik aller 
Philosophie des Unbewussten. Berlin 1872, 8®. 
3 Bände. 

Whitney, W. D. Oriental and Linguistic Studies. 
New- York 1873. 

Allgemein« Zeitung 1874, Nr. 67. Besprechung von 
•J(ulius) J(olljr). 

Wigand, Prof. Dr. Alb. Der Darwinismus und 
die Naturforachung Newton 1 * und Curier’a Bei- 
träge zur Methodik der Naturforsehung und der 
Speciesfrage. Braunechweig , Vieweg, 1874, 8®. 
1 Band. 

Besprochen im Magazin für die Literatur des Aus- 
lände* 1874, Nr. 19, S. 274 — 277, ohne fachmännisches 
Verständnis*, dagegen vernichtend in Zarnckes Litera- 
rischem Centralblatt 1674, Nr. 18, 8. 595, und sehr 
ausführlich sanimt Widerlegungen von Dr. Otto Za- 
charias im Ausland 1874, Nr. 28, S. 541. 

Wollschlftgor, C. S* Handbuch der Ethnographie 
und der Verbreitung der Sprachen etc. Ober- 



hausen und Leipzig, Ad. Spaarmann, 1873, 8®. 
168 8. 

Wolzogen, H. v. Der Ursitz der Indogermanen 
(Zeitschrift für Völkerpsychologie und Sprach- 
wissenschaften 1873, VUUL Bd., 1. Heft.) 

Wolzogen, Hans v. Aus der Urgeschichte der 
Menschheit (Deutsche Warte, Bd. V, Heft 8.) 

Wuertemberger, L. Zur Darwin - Literatur. 
(Deutsche Warte, Bd. V, Nr. 9.) 

Wuertemberger, L. Neuer Beitrag zum geolo- 
gischen Beweise der Darwinschen Theorie. (Aus- 
land 1873, Nr. 1, S. 6; Nr. 2, S. 25.) 

Wuertemberger, L. Ein Gegner der Darwin- 
schen Theorie. (Deutsche Warte 1873, Bd. IV, 
Heft 11.) 

Wuttke, H. Geschichte der Schrift und ües 
Sch ri fit h ums. Leipzig 1872, 8°. 

Siehe Allgemeine Zeitung 1873, Nr. 120. 

Zeising, Adolf Religion und Wissenschaft, Staat 
und Kirche. Eine Gott- und Weltanschauung 
auf erfahrungs- und zeitgemässer Grundlage. 
Wien, Braumüller, 1873, 8°. 469 S. 

Siehe Allgemeine Zeitung 1873, Nr. 60; 1874, Nr. 76, 
78. 

Zelt. Aus vorgeschichtlicher Zeit (Grenzboten 
1874, Nr. 1.) 



Europa. 

(Von P. von Hellwald.) 



Albanien, Die Zustände in Albanien. (Allgem. 

Zsitg. 1873, Nr. 7, 45, 110, 155, 202, 283.) 
Alemannia. Zeitschrift für Sprache, Literatur 
und Volkskunde des Elsasses und Oberrheins, 
berausgegeben von Dr. Anton Birlinger. Bonn 

1873. 

Besprechung in der Allgem. Zeitung 1873, Nr. 264. 
Anderson, Joseph. Tbo Orkneyinga Saga. Edit- 
ed, with notes and introduction. Edinburgh 

1874, 8®. 

Recensirt im Athenäum, Nr. 2418, vom 28. Februar 
1874. 

Andree, Rieh. Die ethnographischen Verhältnisse 
Schottlands. (Globus, Bd. XXV, Nr. 1, mit einer 
Karte der gälisch-englischen Sprachgrenze.) 

Andree, Dr. R. Das Sprachgebiet der Lausitzer- 
Wenden vom XVI. Jahrhundert bis zur Gegen- 
wart. Leipzig 1873, 8°. Mit Karte. 

Andree, Rieh. Wendische Wanderstudien. Zur 
Kunde der Lausitz- und der Sorben wenden. Stutt- 
gart 1874, 8®. 

Dr. Richard Andree hat in jüngster Zeit obig« 
zwei Schriften über die Wenden erscheinen lassen. Die 
erste erschien zuerst in den Mittheilungen des Vereins 
Archiv ihr Anthropologie. Bd. VII. Heft 4. 



für Geschichte der Deutschen in Böhmen (XL Jahrg., 
Heft 5 und 6), dann auch Ln Petermann’s „Geogra- 
phischen Mittheilungen*' und endlich separat (Leipzig, 
In Commission bei F. A. Brock haus). Mit Ob- 
jectivität und auf sorgfältiges Studium der geschicht- 
lichen Quellen gestützt, behandelt der Verfasser das 
allmälige Hinschwinden der Lausitzer Wenden unter 
dem Einflüsse der Uermanisirung, welches zudem durch 
eine sehr übersichtliche Karte veranschaulicht wird. 
Obwohl das Schicksal dieses letzten Restes eine» der- 
einst mächtigen Volkes besiegelt, dasselbe unwiderruf- 
lich dem ethnischen und sprachlichen Untergang« ge- 
weiht ist, sehen wir doch den Autor mit wohlthuender 
Objectivität die Bestrebungen jenes kleinen Häufleins 
wendischer Patrioten würdigen, welche Zeit und Geld 
für die Hebung ihrer alten Sprache und Literatur ein- 
setze u. Diese nachsichtige, wenn auch nur gerechte 
Beurtheilung sticht sehr erfreulich von der Sprache ab, 
welche wir gewohnt sind von anderer, namentlich von 
österreichischer Seite, in slavbchen Dingen zu verneh- 
men und die alle derartigen Bestrebungen sei es als 
einfache Lächerlichkeit , sei es geradezu als sträfliche 
Auflehnung betrachten. Diese nämlichen Lente finden 
es aber ganz in der Ordnung — und wir niebt minder 
— dass alle möglichen Anstrengungen zur Hebung und 
Erhaltung der deutschen Sprachinseln in Südttrol (Sette 
und Tredici eommuni) gemacht werden; sie sammeln 
Gelder, gründen Schulen, schreiben Leitartikel zu die- 
sem Zwecke, und mit Recht. Trotz alledem können 
doch gewiss die Einsichtsvollen sich nicht der leisesten 
Illusion darüber hingeben, dass auch nicht der geringste 
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26 



Verzeichntes der anthropologischen Literatur. 



Scbrin filier Möglichkeit vorhanden ist, diese deut- 
schen Fraetionen vor den herandrängenden Wogen des 
Romanismus zu retten. Ihr Schicksal ist ebenso un- 
widerruflich besiegelt, wie jenes der Lausitzer Wenden. 

Von noch ungleich höherem Interesse ist die zweite 
umfangreichere Schrill Dr. R. Andre«’*: »Wendische 
Wandentudieu. Zur Kunde der Lausitz und der Sor- 
benwenden.“ Aus einzelnen Aufsätzen] die zum grös- 
seren Theil bereits in verschiedenen Zeitschriften ver- 
öffentlicht wurden, bat der Verfasser hier, zu einem 
Ganzen überarbeitet, einen schätzen* wertbtMi Beitrag 
zur Ethnographie und Cultnrgeschichtv geliefert. In 
sieben Abschnitten werden wir durch das wendische 
Land geführt und mit allem vertraut gemacht, was mit 
dem Wendeutbume zusammenbängt; den siebenten Ab- 
schnitt bildet die obenerwähnte Abhandlung über die 
Germanisirung der Wenden unter Beigabe der nämlichen 
unentbehrlichen Karte. Wir können an dieser Stelle 
nicht jeden Abschnitt einzeln ins Auge fassen und wol- 
len nur hervorheben , dass wir für den fünften und 
sechsten Abschnitt dem Verfasser insbesondere Dank 
wissen. Diese beiden Kapitel behandeln die Heiden- 
schAnzen und .Steinwälle der Lausitz, dann aber die 
ehemalige Ausbreitung und Germanisirung der Slaven 
in Ostdeutschland. Wir liegen die bestimmte Ueber» 
zeugung, dass die grosse Menge des gebildeten Publi- 
kums in diesen beiden Abschnitten eine ungeahnte Fülle 
von Belehrung finden wird. Der Verfasser hat die 
über die Hcidcuschamcn und Steinwille bestehende Li- 
teratur, einschliesslich des in slavischen Idiomen Erschie- 
nenen , eingehend durchstubert und sorgfältig berück- 
sichtigt, wobei ihm die Kenntniss des Slavischen treff- 
lich zu statten kam, und daraus willkommenen Anlass 
genommen , manches über Leben und Sitten der alten 
Slaven eindiessen zu lassen. Das die ehemalige Aus- 
dehnung der Slaven in Ostdeutschland behandelnde Ka- 
itel ist um so dankenswerter , als im grossen Publi- 
um darüber nur sehr mangelhafte Begriffe herrschen 
nnd es nicht jedermanns Sache ist, sich durch die 
grossen Werke von Schafarik und Zeus* mühsam hin- 
durchzuarbeiten. 

Andree,Rich. Zur Ethnographie Mährens. (Glo- 
bus, Bd. XXIV, Nr. 13, 14.) 

Athen. Das heutige Athen. (Allgem. Zeitung 

1873, Nr. 172, 173.) 

Aubel, Herrn, und K&rl. Ein Polarsommer. 
Reise nach Lappland und Kanin. Leipzig, Brock- 
haus, 1874, 8°. Karte. 

Aufrechtes. Report on Etrusc&n. (Athenaeum, 
Nr. 2430, 23 May 1874.) 

Bacmeister, Adolf. Keltische Briefe, herau&ge- 
geben von Otto Keller. Strassburg, Karl Trübner, 

1874, 8°. 134 & 

Besprochen in der Allgemeinen Zeitung 1874, Nr. 7. 

Balearen, Die, in Wort und Bild. 

Es gehört zu den seltenen Erscheinungen, dass Glie- 
der der regierenden Familien sich nicht auf dem Felde 
der Ehre durch ßlutvergiessen, sondern durch Leistun- 
gen auf dem Gebiete der Wissenschaften auszeichnen; 
dass sie nicht Gönner und Beförderer, sondern thätige 
Mitarbeiter auf demselben sind. Erzherzog Ludwig 
.Salvator ist durch eine Reise im Venetianischen, 
durch die Fauna der spanischen Coleopteren, durch die 
Keisebilder von Tunis und durch die Beschreibung von 
Buccari vorteilhaft bekannt. Alle diese schätzbaren 
literarischen Erzeugnisse werden durch sein letztes Werk : 



»Die Balearen in Wort und Bild* übertroffen. Keine 
Literatur kann sich eines so vollständigen Bildes dieser 
Inseln und ihrer Bevölkerung rühmen. Der Verfasser 
hat Jahr« dort angebracht, und volle Anerkennung 
verdienen die Ausdauer, der Fleiss und die Genauig- 
keit in der Beschreibung von Gegenden und Gegen- 
ständen , die nur einem kleinen Kreise von Lesern be- 
kannt sind. Der Autor ist auch sehr gewandt im 
Handzeichnen; mit der Ausführung in Farben wurden 
die ausgezeichneten Künstler Kn der, Pcrko, Schaf- 
fer, Sellen? und Andere betraut; der Farbendruck 
ist aus den bewährten Kunstaustalten Rciffcnstoiu 
und Winkelmann- Der erzählend geschriebene In- 
halt entspricht der äusseren prachtvollen Ausstattung 
des Werkes. 

Barbe, P. La verite aur la langue d’O, preoödee 
de coDaiderationB historiques, philoeophiqaea et 
philologiques. Toulouse 1873, 12°. 2 Vols. 

Eapcoin», K. B. (Barssow, J. W.) IIpimmaHL« 
ctisepiiHro apan. [Die Todtenklagen im (russi- 
schen) Norden. | Gesammelt von Barasow. Mos- 
kau 1872, 8”. I Theil. 

Siehe Russische Revue 1873. II. Bd-, 8. 487. 

Bauer. Der sieben bürgiach-sächaische Bauer. Eine 
social-historische Skizze. Hermanustadt, J. Drot- 
leff, 1873, 8®. 36 S. 

Baumbach. Eine deutsche Sprachinsel inWälsch- 
tyrol. (Gartenlaube 1873, Nr. 52.) 

Baumgarten, Dr. J. Komische Mysterien des 
französischen Volkslebens in der Provinz. Co- 
burg 1873, 8°. 

„(Jui dit Paris, dit tonte la France" heisst es nicht 
bloss bei den tonangebenden französischen Schriftstellern, 
sondern auch bei den meisten Ausländern und ganz 
speciell bei den Deutschen. Es ist daher nicht zu ver- 
wundern , dass letztere nur höchst nebelhafte Begriffe 
von dem Leben und Treiben der französischen Provin- 
zialen haben und ist das Geständnis» wohl am Platze, 
dass es mit der Kenntniss der französischen Provinz im 
Allgemeinen in Deutschland eben so traurig bestellt ist, 
wie in Frankreich mit jener Deutschlands überhaupt. 
Das Buch Dr. Baumgarten’s verfolgt nun den dop- 
pelten Zweck, einerseits in geistreichen Darstellungen 
aus französischen Federn die Lächerlichkeiten und Kräh- 
winkeleien der Kleinstädter, sowie die ergötzlichen 
Dummheiten der Bauern zu schildern — beides Dinge, 
wofür sich auch in Deutschland prächtige und zahlreiche 
Analoga anführen lassen — andererseits durch eine 
Reihe sorgfältig gewählter Sittenstudien , Volksscenen 
und dergleichen den Leser einen tieferen Blick in die 
sittlichen und geistigen Zustände der Hauptstärame des 
französischen Volkes werfen zu lassen. Von diesem 
Standpunkt« aus ist Baumgarten’s Werk von selte- 
nem ethnographischem Wcrthe; sehr richtig bemerkt er 
in der Einleitung, das zu günstige oder auch das zu 
herabsetzende Unheil manchen Leiert über die franzö- 
sische Nation en roaiute werde durch die Lectüre de* 
Buches vielfach modificirt und berichtigt werden, und 
dies ist auch in vollstem Maaasc der Fall. Was nun 
das Buch Dt. Baumgarten’s selbst anbetrifft, so hat 
er selbst fast gar keinen und doch auch den grössten 
Antheil daran. Der Text des Buches ist nämlich durch- 
weg französisch und zwar sind die Schilderungen den 
besten überrbeiniachen Schriftstellern entnommen, wie 
Galoppe d’Onquaire, Sophie Gay, AI. Dumas, 
Joseph Doucet, Charles Sauvestre, J. Miche- 



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27 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



lei, Henry Monnier, Juliette Lauber, J. P. 
Faber, Charles Jobey, Emile ÖOuvestre, 
Edouard Ourliac, A. Audiganne, V. Fertiault, 
Charles Toubin, MaxBucbon, F.Sugier, Claire 
Senart, Ernest de Garay. Baurogarten’s hohes 
Verdienst beschränkt sich allerdings nur auf die Aus- 
wahl der betreffenden Stücke, aber gerade hierin be- 
ruht sowohl der ausserordentliche Reiz des ganzes Wer- 
kes als die sinnige Geschicklichkeit des Autors, welcher 
die genetisch in gar keinem Zusammenhang« stehenden 
»Stücke verschiedener Schriftsteller derart aneinander zu 
reihen wusste, dass sie ein fortlaufendes Rundgemälde 
des französischen ProvinzJcbcns darstellen. Zu solcher 
Auswahl ist freilich eine seltene Belesenheit verbunden 
mit eigener genauer Kenutuiss der Verhältnisse in er- 
ster Linie erforderlich. Der glücklichen Vereinigung 
dieser Eigenschaften in Dr. Baumgarten verdanken 
wir das vorliegende gelungene Opus. Es beginnt mit 
Galoppe d'Onquaire, aus dessen Schriften er den 
Typus und die einzelnen, mitunter hochkoraischen Sei- 
ten des Lebens io einer kleinen Proviniialstadt im All- 
gemeinen destillirt ; wir zweifeln nicht, dass jeder Leser 
dieser trefflichen Zusammenstellung sich in mannig- 
facher Beziehung an heimathtiche Erfahrungen gemahnt 
fühlen wird, ebenso wie verwandte Erinnerungen aus 
Dickens „Pickwickclub* und der Ferdinand Stolle'schen 
Nachahmung „Deutsche Pickwicker“ in ihm emportau- 
chen dürften. Von tiefer Bedeutung sind die meist 
der trefflichen Feder Joseph Doucet’s entlehnten 
Charakteristiken des französischen Clerus in seinen ver- 
schiedenen Abstufungen; in diesen Spalten, die wohl 
über den Verdacht irgend welcher Ideencongruenz mit 
den Lehren des Priesterthums erhaben sein dürften, 
können wir ungescheut dem Autor unsern Dank aus- 
sprechen für die Umsicht, womit er sich von dem in 
neuerer Zeit so modern gewordenen Gebelle gegen den 
Clerus als solchen fern gehalten hat. Wir glauben cs 
dem Autor gerne, dass cs ihm eiu Leichtes gewesen 
wäre, aus den in letzter Zeit von Partei hass eingegebe- 
nen saty rischen Darstellungen einen wahren comiachen 
Carneval der „Hanswurste des lieben Gottes“ und der 
»Topographen der hintern Mondhätfte“ vorzuführen, 
allein er zog es mit vollstem Rechte vor, von freisinni- 
gen , unbefangenen Franzosen die häufig wohlthätige 
moralische Wirksamkeit und Macht der Landgeistlichen 
in tieferer und richtigerer Auffassung schildern zu las- 
sen, sowie andererseits einige interessante Beiträge zur 
Pathologie des Fanatismus in Frankreich zu liefern. 
Nach einer allgemeinen Charakteristik des französischen 
Bauern wendet sich die Darstellung den einzelnen Pro- 
vinzen Frankreichs zu und führt an* in gelungener Aus- 
wahl die hervorstechendsten typischen Kigenthümlich- 
keiten einer jeden derselben in trefflichen Bildern vor. 
Des Raumes halber müssen wir uns leider versagen, 
auf all die reizenden Details einzugehen, deren Baum- 
garten’s Buch eine wahre Fülle enthält und den Le- 
ser so recht in die uft einfachen Geheimnisse des fran- 
zösischen Landvolkes versenken; wir können mir kurz 
betonen, dass gerade in dem Atiffindcn der jede Pro- 
vinz kennzeichnenden Merkmale sich der besonnene, 
kritische Geist des Autors bekundet, zugleich aber auch 
der hohe Werth des Baches für den Ethnographen ver- 
borgen liegt. Mit vielem Danke wird sicherlich der so 
mancher Provinzialismen nicht kundige Leser die auf- 
klärenden Fussnoten Dr. Baumgsrten’s nebst dem 
an ge he ft eien Vocabutar der nordfraozösischen Volks- 
sprache entgegen nehmen. 

Baumstark, Prof. Dr. Urdeutache Staataalter- 
thümer zur schützenden Erläuterung der Ger- 
mania dea Tacitua. Berlin 1873, 8°. 

Besprochen in Za ruck es Literarischem Centralblatt 
1174, Nr. 21, S. «»0. 



Beer, T. H. do. Die Franzosen in Belgien. (Die 
Literatur 1873, Nr. 24.) 

Belgian Husbandry. (Chambers Journal, Nr. 536.) 

Belgien. Der vlamiach - französische Sprachen- 
kampf in Belgien. (Aua allen Wclttheilen 1874, 
April) 

Berg, Dr. L. Pb. C. van den. Handboek der 
Middelnederlandeche Geographie. Haag 1872, 
8 n . 2 d * verb. Aufl. 

Bornoni, Dom. Gius. Fiabe popolari veneziane. 
Venezia 1873, 8*. 110 S. 

Besprochen in Zarnckes Literarischem Centralblatt 
1874, Nr. 2, 8. 51. 

Bertillon. La population fran^aise et en particu- 
lier celle du departement du Rhöne. (Revue 
Scientifique 1878. Nr. 10.) 

Beta, H. Die Nieder- und Angelsachsen. (Ma- 
gazin für die Literatur des Auslandes 1873, Nr. 
6. S. 81—83.) 

Bibra, Ernst Prhr. Ueber alte Eisen- und Sil- 
berf ande. Nürnberg und Leipzig 1873, 8°. 

Bidermann, Prof. Dr. Herrn. Ign. Die Italiäner 
im tirolischen Provinzial -Verbände. Innsbruck 
1874, 8*. 801 S. 

Biroh, Samuel. Iliatory of ancient pottery. New 
and reviaed edition with coloured plates and 
woodeuta. London 1873, 8 W . 

Birlinger, Anton. Aua Schwaben. Sagen, Le- 
genden, Aberglauben, Sitten, Rechtsgebräuche etc. 
Nene Sammlung. Wiesbaden, Heinr. Killinger, 
1874, 8<*. 2 Bände. 

In dem erschienenen 1. Bande bringt der fleissige 
Sammler wieder 400 Sagen mit Anmerkungen aus ganz 
Südwcstdeuiscbland, für Jeden einiges Heimische. »Sehr 
verdienstlich namentlich sind die B«leuchtungen des 
schwäbischen Hexen- und Aberglaubens, die Winke 
über deutsche Mythologie, Christian Isimng, Sprachnnter- 
schiede und Anderes. — Zeitschrift für Ethnologie 1874, 
1, S. 70 bis 7C, sehr günstig besprochen von Felix 
Lieb recht in Lüttich. 

Birlinger, A. und Meyer, Job. Hochzeitge- 
bräuche. Wiedertüuferhochzeit in Colmar. Ein© 
Brautleite aua dem Klettgau. (Alemannia. Bd. I, 

1873, S. 199—208.) 

Böhmen. Die Stellung Böhmens in Oesterreich. 
(Allgexn. Zeitg. 1873, Nr. 48.) 

Boissier, Gaston. I^e femmea ä Borne, leur 6di- 
cation et leur röle dana la Societe romaine. (Re- 
vue dea deux Monde«, l'* Decembr© 1873.) 

Auszug davon im Magazin für die Literatur des Aus- 
landes 1874, Nr. 24, 25, 26. 

Borrow, George. Romano Lavo-Lil: Word-book 
of the Romany; or, Eogliah - Gipsy Language. 
lx>ndon 1874. 

Recensirt Im Athenäum, Nr. 2426, vom 25. April 

1874. 



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28 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



Bot treu,- William. Tradition« and hearthiside 
etoriea of West Cornwall. London 1873. 

Niehe Athenäum, Nr. 2390, vom 16. August 1873. 

Breosc, Edw. Kalendars of Gwynedd. London 

1873. 

Siehe Athenäum, Nr. 2408, vom 20. December 1873. 

Britische Inseln. Die Bevölkerung der britischen 
Inseln. (Ausland 1873, Nr. 25, S. 498 — 499.) 

Broca, Faul. La race Celtique ancienne et mo- 
derne. (Revue d’ Anthropologie 1873. S. Ö77 
bis 628.) 

Broca hebt in diesem Aufsätze deu Unterschied 
zwischen deu Gelten und Cimbern zur Zeit Julius Cä- 
sar'* hervor. Der ethische .Schädel ist brachycephal, 
der cimbrische dolicbocephal. Die Auvergnaten 
scheinen die ceUische Schädelformation in grosser Rein- 
heit bewahrt zu haben, während die Pariser offenbar 
aas vermischt celtischcm und cimbrischem Blute stau* 
men. Zwischen diesen beiden Gruppen stehen die Bre- 
tonrn, in deren Aeusserem sich der ccltische Charakter 
ziemlich scharf ausprägt. 

Buehler, Valent. Davos in seinem Walserdialect. 
Aarau 1873, 8°. 

Burton’s Ausflug nach Island. (Mittbeilungen der 
Wiener Geographischen Gesellschaft 1873, V, VI.) 

Buak, R. H. The Folk-Lore of Rome. Collected 
bj word of mouth from the people. London. 

Siehe Athenäum, Nr. 2422, vom 28- März 1874. — 
Unter diesem Titel bat Miss K. 11. Busk eine sehr 
hübsch angeordnete .Sammlung von Erzählungcu her- 
ausgegeben, wie sie Bich eben im römischen Volke tra- 
ditionell von Generation zu Generation iortpflanzen. 
Sie tragen eben kein Ueberuiaam von localem Colorit 
an sich, wenn man nicht das häufige Vorkommen von 
Orangen und Granatäpfeln als solches annehmen will. 
Zwei übernatürliche Wesen, welche wiederholt darin 
Vorkommen, sind näherer Beachtung wertb, als Mittel- 
glied gewissertnaassm der alten Mythologie und mo- 
dernen Volkssagc. Das eiue ist eine mächtige Zauberin, 
Fata, stets wohlwollend und gütig, zunächst mit den 
französischen Feen charaktcrverwaudt. Das andere ist 
OrcO, der in Gemeinschaft mit seinem Weibe Orca, 
dem nordischen Troll, dem modernen griechischen Dra- 
kos und der russischen Schlange entspricht, offenbar der 
legitime Erbe dos alten lateinischen Gottes der Unter- 
welt, des Orcus, von dem auch der französische Ogre 
stammt. Auch die Thierwelt spielt in diesen Sagen 
eiue hervorragende Rolle und es treten charakteristisch 
die Züge der Wildheit und Grausamkeit an ihr mit 
einer gewissen Gattangsberechtigung auf. Die Katze, 
welche ihrer Herrin des Nachts die Kehle durchbeisst, 
weil sie in Abwesenheit derselben ihren gewohnten 
Leckerbissen nicht erhalten hat, wird zwar allerdings 
als verrätherisch hingestellt, aber im selbem Athem ob 
ihrer Klugheit gepriesen. 

Cacroft , Bern. M. A. Analyse des englischen 
Unterhauses im Jahre 1867. Geschichte der Ju- 
den im westlichen Europa. Zwei Essays. Aus 
dem Englischen übersetzt und mit Vorwort und 
Noten versehen von Ludw. Klausner. London, 
Trübner und Co. 1873, 8°. 

Wir finden über diese, wovon nur der zweite Essay 
hier von Interesse ist, eine Besprechung in Zarnckes 
, Literarischem Centralblatt 1874, Nr. 3, 8. 72. 



Das Cap dor Circo. (Allgem. Ztg. 1873, Nr. 168, 
169.) 

Carrington, George. Behind the scene» in Rus- 
Bia. London, Bell and Sons. 

Siehe Athenäum, N'r. 2415, vom 7. Februar 1874. 

Cherbulies, Vict. L’Espagne politique. (Revue 
des deux Mondes, l* r Septembre, l #r Octobre, 
15 m * Novembre, 15“ e Decembre 1873.) 

Conestabile, . . . Comto. Sur leB ancienne* im- 
migrations eu Italic. Bologna, Fava oG&ragnani, 
1873. 

Constantinoplo. Visite at Coustantinople. (Cham- 
bers Journal, Nr. 537.) 

Constantinoplo in byzantine Times. (Chaioher's 

Journal, Nr. 516.) 

Coraica. Three Wecks in Üorsica. (Nautical Ma- 
gazine, October 1873, Nr. 823 — 836.) 

Cremer, Alb. Reisoskizzen aus Italien. Nach seinen 
Tagebüchern herausgegeben von Albert Cremer. 
Braunschweig, C. A. Schwetschke, 1873. 

.Nicht unbedeutend“ nennt der Verfasser, ein preus- 
sischer Regierung»- und üaurath, die Zahl der Bücher, 
welche über Italien und seine Kunstwerke geschrieben 
worden sind. .Immens“ wäre eine richtigere Bezeich- 
nung gewesen. Allein gerade dieser Umstand legt 
Allen , welche noch immer in den Ocean der italieni- 
schen Reiseliteratur Wasser schütten wollen, eine Ver- 
pflichtung auf: sie müssen zum mindesten etwas Origi- 
nelles, unter neuem Gesichtsfeld Geschautes, von unbe- 
kannter Seite Betrachtetes zu bieten haben. Davon 
haben wir aber in den vorliegenden Reiseskizzen keine 
Spur gefunden. Gewöhnlich und oft trivial in Ausdruck 
und Ktupflnduug, eine trockene Aneinanderreihung von 
Sehenswürdigkeiten, der hie und da eine Geschichtszahl 
oder eine wenig bedeutende subjective Bemerkung an- 
gehängt ist, werden diese .Reiseskizzett“ schwerlich 
Jemanden ausser dem Verfasser selbst befriedigen. Der 
Bädeker tritt ungleich weniger prätentiös auf, aber 
selbst der rhetorische und pathetische Ballast, welchen 
er enthält , ist noch dem Gegenstände entsprechender 
als diese unnütze Publication. 

Cuno, J. G. Etruskische Studien. (Neue Jahr- 
bücher für Philologie und Pädagogik 1873, 10. 
bis 11. Heft.) 

Cuno, J. G. Dis Ligurer. (Rheinisches Museum 
für Philologie, herausgegeben von F. Ritsch! . 
Neue Folge, Bd. XX VW, 1873, S. 193—210.) 

Czoernig, Carl Frhr. von. Dos Land Görz und 
Gradiska, geographisch-statistisch-historisch dar- 
gestellt. Wien 1873, 8°. 

Dieses Werk ist an sich ein Novum in der Literatur, 
die sich bisher fast noch gar nicht mit jenem Gebiete 
beschäftigt hat. Das umfangreiche Verzeichniss der be- 
nutzten Werke, welches der gewissenhafte Autor diesem 
ersten Bande beigefugt hat , lässt erkennen , dass das 
Wenige, was bislang über dieses Land geschrieben wor- 
den, zumeist in italienischer Sprache erschien. Um so 
freudiger begrütsen wir es, dass der als Statistiker so 
hoch geachtete Verfasser nunmehr mit einer so aus- 
führlichen Monographie vor die OeffentJichkeit tritt, 
dass er für lange Zeit sicher keine Concurrenx zu L<- 



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29 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



sorgen bat. Eben so ist die Geschichte von Aquileja 
der erste Versuch, dies« merkwürdige Stadt in einge- 
hender Webe ln die deutsche Literatur eluzufübren, 
wie insbesondere die Culturgeschichte des Patriarchm- 
staates gänzlich neu aus Urkunden zusanixnengestcllt 
erscheint. Desgleichen ist die Geschichte der Grafen 
von Gört bbber noch nicht geschrieben worden und 
könnt« anch nicht geschrieben werden, bevor Herr von 
(.'zornig das Archiv dieser Dynastie aufgefunden hatte. 
Die Geschichte der Grafen von Göre unter österreichi- 
scher Herrschaft ist wenigstens für die deutsche Lite- 
ratur neu. Zugleich glaubt Herr von Czörnig nnum- 
Btosslich nachgewiesen zu haben , dass das Land Görs 
seit Bildung der Grafschaft gar nie zu Italien, sondern 
im Gegensaue za den gewöhnlichen Behauptungen stets 
zu Deutschland gehört habe, und dass die Stadt Gürz 
in der ersten Zeit ihres Bestehens bis 1600 eine fast 
rein deutsche Stadt gewesen und auch ab solche ge- 
gründet worden sei. Ob wob! nun der vorliegende 
Band einen vorwiegend historischen Charakter trägt, so 
wird ihn doch auch der Geograph kaum unberücksich- 
tigt lassen dürfen, da Herr von C zornig mit der ihm 
eigentümlichen Vielseitigkeit und Gründlichkeit auch 
die Topographie des Ländchens, so wie alles in da« 
Gebiet der Völkerkunde im weitesten Sinn« einschlä- 
gige, zu einem allgemeinen, schwer zu übertreffen den 
Bilde zu gestalten wusste. Vergessen wir nicht lobend 
hervorznheben, dass das prächtige Buch unter anderem 
mit einem trefflichen alphabetischen Register ausgestat* 
tet ist. Eine weiter« Besprechung siehe im „Globus*, 
Bd. XXIV, Nr. 23. 

Dahlke, G. Aua Meran. (Deutsche Warte 1873, 
Bd. V, Heft 5.) 

Dahlke, G. Deutsche Ansiedlungen in Wälsch- 
tirol. (Deutsche Warte 1874, Bd. VI, 8. 193.) 

Dannehl, Dr. Gust. Die vlamische Bewegung 
und Adolphe Tan Sonst de ßorckenfeldt 's deutsch- 
freundliche Dichtung „l/annee sanglante“. (Deut* 
sehe Warte, Bd. V, Heft 2.) 

Dasent, G. W. Tales frora the Kjeld. A second 
seriös of populär tales, fron the Norse of P. Chr. 
Asbjörnson. London. 

Siehe Athenäum, Nr. 2410. vom 3. Januar 1874. 

Deutschen, Die, im Auslande. (Allgera. Zeitung 
1873, Nr. 101.) 

Deutschthum, Das, vor den Magyaren. (Allge- 
meine Zeitung 1873, Nr. 177, 178.) 

Deutschthum. Das Vorkommen des Deutschthums 
in den russischen Ostseeprovinzen. (Magazin für 
die Literatur des Auslandes 1873, Nr. 33, 34.) 

Dice, The, of Toscanello. (Athenaeum, Nr. 2424, 
vom 11. April 1874; Nr. 2430, vom 23. May 1874 ; 
Nr. 2434, vom 20. Juny 1874. 

Dornbusch, J. B. Die Kunstgilde der Töpfer in 
der abteilichen Stadt Siegburg und ihre Fabri- 
kate. Mit Berücksichtig von anderen bedeuten- 
den rheinischen Töpfemiederlassungen. Ein 
Beitrag zur Geschichte des Kunsthand werks am 
Niederrhein. Cöln 1873, 8°. 130 S. 

Dragomanow. The Kiew section of the rtutian 
geographica! society and the last Minstrel of the 



Ukraine. (Athenäum, Nr. 2405, vom 29. Novem- 
ber 1873.) 

Drinow, M. S. Die Bevölkerung der Balkanhalb- 
insel durch Slaven. Moskau 1873, 8 U . Russisch. 

Düben, Gustav von. Om Lappland och Ijtpp- 
ame, företrädesvis de Svenske. Ethnografiska 
studier. Stockholm, P. A. Norstedt, 1873, 8*. 
528 S. 

Mit einer Karte, Volkstypen und sonstigen Ansichten. 

Düringsfeld , Ida von und O. Heinsberg - D. 
Sprichwörter der germanischen und romanischen 
Sprachen, vergleichend zusammongestellt, Leipzig 
1872, 8«. 

Deutsche Warte 1873, Bd. V, Nr. 3, S. 186. 

Dumont, Albert. Le Balkan et l'Adriatique. 
Paris, Didier, 1873, 8«. 411 pag. 

Edwards, Amolia B. Untrodden Peaks and un- 
frequented Valleys : a midsummer Ramble in the 
Dolomites. London 1873. 

Siehe Athenäum, Nr. 2335, vom 12. Juli 1873. 

Elpis, Molena. Bilder aus Kreta. (Unsere Zeit 
1874, Heft 5, 13.) 

Elsass-Lothringer, Die, in Algier. (Globus, Bd. 
XXIII, Nr. 23.) 

Elsass-Lothringer, Germanisirung der. (Allge- 
meine Zeitung 1874, Nr. 162.) 

Emigrant». A warning to Emigrant*. (Chamber ’s 
Journal, Nr. 511.) 

England im Jahre 1872. (Allgem. Zeitung 1873, 
Nr. 12.) 

England. Völkerpsychologisches aus England. 
(Allgem. Zeitg. 1873, Nr. 201, 221, 224, 225, 
231, 244.) 

Ethnologie, L\ de la France. (Revue scientifique 
de la France et de TEtrauger. Vom 31. Januar 
1874, S. 733.) 

Etruscan researches. (Athenaeum, Nr. 2422, 28. 
Mär* 1874; Nr. 2423, 4. April 1873; Nr. 2427, 
2. May 1874; Nr. 2430, 23. May 1874; Nr. 2431, 
30. May 1874; Nr. 2432, 6. Juny 1874; Nr. 2434, 
20. Juny 1874.) 

Etruskischo, Das. (Magazin für die Literatur 
des Auslandes 1874, Nr. 3, S. 47.) 

Kurz« Anzeige de« Tay lor’schen Buches. 

Ewald, A. L. Die Eroberung Preussens durch 
die Deutschen. 

Besprochen von Ketrzynski in der Altpretucbchen 
Monatsschrift 10. 8. * 

Ferguson, Hob. The dialect of Cumberland. Lon- 
don 1873. 

8iehc Athenäum, Nr. 2387, vom 2G. Juli 1873. 

Fiorelli, Giuseppe, üli scavi di Pompei dal 1861 
al 1872. Relaaione. Napoli 1873, 4 V . 192 pag. 



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30 Verzeichnis der anthropologischen Literatur. 



Flugi, Alf. v. Die Volkslieder des Engadin. Nebst 
einem Anhang engadiseher Volkslieder im Origi- 
nal and in deutscher Uebersetzung. Strassburg 

1873, 8«. 85 S. 

Brsprechungen *i«he im Magazin für die Literatur 
des Auxlatidc* 1873, Nr. 34, S. 5o5 — 5CH>. Zarnckes 
Literariachcm Cenlralbl. 1874, Nr. 2, 8. 50. Les chanta 
pnpulaire* de l’Engmdine. (Revue crittquc 1873, Nr. 50.) 

Förstomann, E. Geschichte des deutschen Sprach- 
stammes. Nordhausen, Förstemann, 1874, 8°. 
I Band. 

Francko , Alex. Die nordfriesischen Inseln vor- 
mals und jetzt. (Gäa 1873, S. 648.) 

Friedei, E. Fränkische Thier- und Pßanzennamen 
aus dem XI. Jahrhundert. (Zeitschrift für Eth- 
nologie 1873, II, S. 70 — 77.) 

Prij8 , J. A. Aus Russisch - Lappland. (Globus, 
Bd. XXIII, Nr. 15; Bd. XXII, Nr. 11.) 

Frijs, J. A. Lappisk Mythologi, Eventyr og Fol- 
kesagen. Christiania 1871, 8°. 

Froehner. (Yramique, Anthropologie des vases 
Grccs. (Revue des deux Mondes 1873, l* p Mars.) 

Fuchs, R. Das deutsche Eiland Rögen and seine 
Insassen. (Aua allen Welttheilen, Juni 1873, 
S. 259—263.) 

Gcgonsätze zwischen Nord- and Südfrankreich. 
(Globus, Bd. XXV, Nr. 3.) 

Der Norden Frankreich« ist keltisch, der Süden 
ligurisoh. An der Hand Leo van der Kindere’s 
and mehrerer Mfui französischer Dichter wird der durch 
dir ganze französische Geschichte sich hindurch ziehende 
Antagonismus zwischen Kelten und Ligurern ange- 
deutet. 

Genf. (AU gern. Zoitg. 1874, Nr. 13.) 

Genthe, Hermann. Ueber den etruskischen 
Tauschhandel nach dem Norden. Frankfurt a. M. 

1874, 8". 

Germania autiqua. Cornelii Taciti libellum post 
Mauricium llauptium cum aliorum voterum auc- 
torum locis de Germania praecipuis edidit K. 
Möllenhoff. Berlin 1873. 

Recensirt in Zaruckea Literarischem Centralblatt 1874, 
Nr. 21, S. G95. 

Geschichte Dithmarschens. Nach Dahlmann’* 
Vorlesungen int Winter 1826. Leipzig 1873. 

Magazin für die Literatur des Auslandes 1873, Nr. 46, 
8. 687. Günstige Anzeige. 

Gottschall, Rud. Die literarische Corruption in 
Frankreich. (Unsere Zeit 1874, Heft 4.) 

Anknüpfend an Ch. Potvin. De la corruption Ht- 
t£raire en France. 

Haan - Hottoma , M. de. Idioticam Frisicum. 
Friesch-latijnsch-nederlandscb Woordenboek uit 
oude handschriften bij een verzameld. Leeuwar- 
den 1874, 8®. 



Hankiewicz, Dr. Clem. Grundzöge der slavischen 
Philosophie. Lemberg 1873. 

Besprochen in der Allgem. Zeitg. 1873, Nr. 192. 

Hassencamp. Der Storch im deutschen Volks- 
glauben. (Globus, Bd. XXIV, Nr. 1.) 

Hcnnesay , W. H. The ancient Irish Goddesa of 
War. (Revue Celtique, I Vol.) 

Hausier, H. Führer durch den hessischen Oden- 
wald. Frankfurt a. M. 1873, 16°. 

Hilferding, A. F. Onezskija Builinui, niederge- 
schrieben von Hilferding im Sommer 1871. St. 
Petersburg 1873. 

Siehe darüber Globus, Bd. XX V, Nr. 3. 

Hintner, Prof. Val. Beiträge zur tirolischen 
Dialektforschung. W’ien 1873, 8°. 48 S. 

Holm, Ad. Das alte Catania. Lübeck, Bolhöve- 
ner, 1873, 4°. 48 S. mit einem Plan. 

Hunfälvy, P. Reise in den Ostseeprovinzen Russ- 
lands. Leizig 1873, 8°. 260 S. 

Hunt, John Rov. Religious thonght in England, 
from the refornmtion to the End of last Century. 
A contribution to the Ilistorv of Theology. Lon- 
don 1873, 3 Vols. 

Siehe Athenäum, Nr. 2392, vom 30. August 1873. 

Huxley. On some fixed points in british Ethno- 
logy. (Contemporary Review 1871 und in Cri- 
tiques and addresses. London 1873, 8°. S. 167 
bis 180.) 

Icel&nd. Impresaions uf Iceland. (Cornhill Maga- 
zine, May 1874.) 

Iilyrischen, Aus dem, Dreieck. (Glohos, Bd. XXV, 
Nr. 1, 2, 3, 4.) 

Island- Das staatliche Verhältnis» zwischen Is- 
land und Dänemark. (Unsere Zeit 1873, Heft 8.) 

Italien. Der Carneval in Italien. (Allgem. Fa- 
milien-Zeitung 1874, Nr. 34.) 

Italiener in Südamerika. (Globus, Bd. XXV, 
Nr. 2.) 

Italienische Auswanderung. (Allgemeine Zeitung 
1874, Nr. 183.) 

Judon. Eine Charakteristik der europäischen 
Juden. (Globus, Bd. XXI, Nr. 18.) 

Judenthum. Zur Statistik des Judenthums. (Mit- 
theilung der Wiener Geographischen Gesellschaft 
1873, III. Heft.) 

Juettner. Tracht und Mundart von Oberglogau. 
(Rübezahl 1873/ 12. Heft.) 

Jung-Letten, Die, in Livland. (Globus, BcLXXV, 
Nr. 17.) 

Kaden, WoLdemar. Ein Ausflug in die Abruz- 
zen. (Allgem. Zeitg. 1873, Nr. 19, 20, 21.) 



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Verzeiehniss der anthropologischen Literatur. 31 



Kaden, Woldemar. Da« Volkslied in Calabrien. 
(Allgem. Zeit*. 1874, Nr. 150, 151.) 

Kanitz , Franz. Ethnographische Skizzen aas 
Bulgarien. (IUustrirte Zeitung 1873, Nr. 1591.) 

Kanitz, F. Zur Synonymik der Ortsnomenclatur 
Ost- Bulgarien a. (Mittheilungen der Wiener Geo- 
graphischen Gesellschaft 1873, Nr. 4.) 

Kattner, Edw. Magyaren und Deutsche in Un- 
garn. (Unsere Zeit 1873, Nr. 11, 14.) 

Kern und Willms. Ostfriesland wie es denkt 
und spricht. 

Siehe Blätter für literarische Unterhaltungen, Nr. 7. 

KoBkinen, Prof. Yrjo. Finnische Geschichte von 
den frühesten Zeiten bis auf die Gegenwart Au- 
toriairte Ueberaetzung. Leipzig 1873, 8*. 636 8. 

Kocobo. Cpneze H&pOAse njecze o 6ojy Ha KocoBy. 
y EüorpaAy 1871, 12°. 

KocroaapoBb, H. (Kostomarow, N.) Pyccnaa 
■CTOpia Bb XM3BeonacaHifl.\b ej rjaBHkfiuiHXb 
jtaTCieft. (Rassische Geschichte in Biographien 
der hervorragendsten Männer.) St. Petersburg 

1873, 8°. 1 Abt hei lang. 

Kostrencic, Iwan. Urkundliche Beiträge zur 
Geschichte der protestantischen Literatur der 
Südalaven in den Jahren 1559 bis 1565. Wien 

1874, 8°. 

Besprochen in Zarneke* Literarischem Centralbl. 1874, 
Nr. 5, S. 147. Allgem. Zeitg., Nr. 34. 

Krön, E. Reisebilder aus dem deutschen Norden. 
Basel 1873, 8°. 135 8. Zweite Aufl. 

Kutzen, Prof. Dr. J. Die Grafschaft Glatz. Ihre 
Natur und deren Beziehungen zu Geschichte und 
Leben der Menschen. Glogau 1873, 8*. 

Die gegenwärtige Schrift verdanken wir der mehr- 
seitig an den Autor ergangenen Aufforderung, sich iu 
derselben Art der Behandlung, wie bei seinem bekann- 
ten Bache über ganz Deutschland , der Bearbeitung 
einzelner Gebiete Deutschlands zu unterziehen. Ueber- 
düssig za sagen, dass dieser erste umfassende Versuch, 
die Monographie über die bis jetu in der Ferne wenig 
beachtete und doch sehr beachtenswerte Grafschaft 
Glatz mit all den Vorzügen ausgestattet ist, welche wir 
an den bisherigen Leistungen des trefllichen Schriftstel- 
lers schätzen. Professor Katzen kennt das beschrie- 
bene Gebiet seit dreissig Jahren auf das Genaueste und 
versteht es , in seine Schilderungen einen eigentüm- 
lichen Reiz zu legen. Mit einem tiefen Verständnis« 
für die stumme Sprache, welche die Bodenplastik spricht, 
verbindet er eiae umfassende Detailkenntniss der ge- 
schichtlichen Vergangenheit and ein offenes Auge für 
die ethnographischen Merkmale der Bewohner. Sein 
Buch ist ebensowohl ein Stück Culturgeschicbte, als es 
ein Stück Erdbeschreibung ist; 18 ausserordentlich ge- 
lungene Holzschnitte nach Originalzekhnungen von 
Theodor Blätterbaaer und drei Karten verzieren 
das durchaus fesselnde Büchlein. 

La-Borderie, Arthur de. Les Breton* insulaires 
et les Anglo-Saxona du 5** au 7“* sie-cle. Paria, 
Didier, 1873, 8*. 268 peg. 



Lance, Adolphe. Excuraiou en Italie. 1874, 8°. 

Land und Leute in Lothringen. (Allgem. Zeitg. 
1873, Nr. 314, 318, 324, 329, 339, 340, 343.) 

Lappland. Eisfreie Häfen und Seefischerei in 
Russisch-Lappland. (Globus, Bd. XXIII, Nr. 17.) 

Lappland. Fischerei an der Küste von Russisch- 
Lappland. (Globus, Bd. XXIII, Nr. 20.) 

Lavisse, Emest. LYmigratio» dans 1' Empire 
allemand, ses cause» et ses effeta. (Revue des 
deux Mondes, l* r Janvier 1874.) 

Leger, Louis. Le monde slave; voyagee et littä- 
rature. Paris, Didier, 1873, 8*. 338 pag. 

Leje&n’s Streifzüge in Südosteuropa. (Globus, 

Bd. XXV, Nr. 17, 18.) 

Leland, Charles G. (Hans Breitmann.) The 
englisb Gipsies and their language. London 

1873, 8®. 

Besprochen Im Athenäum, Nr. 2399, vom 18. Octo- 
ber 1873. Im neuen Reich 1874, Nr. 4. Ausland 1874, 
Nr. 2. 

Lemorcier, Abel. Le Mont-Rose et le Mont- 
Blanc. (Bulletin de la Societe de Geographie. 
Paris, Juillet, 1873. S, 52—67.) 

Leroy-Beaulieu, Anat. La Russie et le« Russe». 
(Revue des deux Mondes, vom 15. August 1873, 
15. September 1873, 15. October 1873, 15. Ja- 
nuar 1874, 1. März, 1. Mai, 15. Juni.) 

1. La nature russe, le Tscbemoxiem , les steppe* et 
la population. 

2. Les raoes et la nationalite. Les Finnois, les Tatar», 
les Slave». 

3. Le elimat, le temperament et le caraetere national, 
paysage* et portrait». 

4. L’andcmie et la nouvelle Russir. 

ö. L'Kglise russe. I. L 'orthodox io orientale et le 
culte Grec en Rusde. 

6. L’Eglise russe- II. Le pntrtarcbat et le Saint-Sy- 
node, la tolerance religieuse et la Situation des 
different» culte». 

7. L'EgUse russe. III. La caste sacerdotale et la 
re forme eccleslastique , le ctergv noir et le der ge 
blanc, moines et popes. 

Letten. Die Beerdigungsgebriuche der alten Let- 
ten. (Rigaache Zeitung 1874.) 

Deutsche Uebersetzung eine» im rusvitchen ,Balt. 
Wjestnik" erschienenen werthvollen Aufsatzes. 

Lloyd, W. Watkiss. The histoiy of Sicily to 
the Atheuian War ; with Elucidations of the Si- 
cilian ödes of Pindar. London 1873. 

81ehe Athenäum, Nr. 2362, vom 1. Februar 1873. 

L5bker, Gorh. Wanderungen durch Westphalen. 
Münster 1873, 16°. III Bändchen. 

Löher, Franz v. Griechische Küstenfahrten. (All- 
gemeine Zeitung 1874. 

1. An der thracischen Küste, Nr. 53. 

2. ln Cavalia, Nr. 60. 

3. Am Limenas, Nr. 69. 

4. Im Innern von Tbaaos, Nr. Cb. 



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32 



Verzeichnis» der anthropologischen Literatur. 



5. Kin Tbasosabend, Nr. 67. 

6. Kinins Nr. 70. 

7. Thasische Aussichten, Nr. 73. 

8. Nach SAmothrake, Nr. 74. 

9. Burg und Ortschaft der («atcluzzen, Nr. 76. 

10. Di« Pelasgerstadt, Nr. 82. 

11. Von alten Geheimnissen, Nr. 64. 

12. Nach den Badern von iSamothrake, Nr. 83. 

13. Vom letzten Macedonierkönig, Nr. 9C. 

14. Nach luibros, Nr. 102. 

15. Am Westcap von Irabros, Nr. 111. 

16. Lenin os und Tencdus, Nr. 118. 

17. Cap Sigrl, Nr. 142. 

18. Kresso, Nr. 156. 

19. Vom hohen Olymp, Nr. 172, 173. 

Löhor, Franz v. Die Magyaren und andere Un- 
garn. Leipzig, Fues, 1874, 8°. 451 S. 

Besprochen in dem Siebenbürgiach-deutscben Wochen- 
blatt 1873, Nr. 53. Magazin für die Literatur des 
Auslandes 1874, Nr. 9, §. 134. Allgemeine Zeitung 
1874, Nr. 1. 

Low , Leopold. Zur neueren Geschichte der Ju- 
den in Ungarn. Beitrag zur allgemeinen Hechts-, 
Religion«- und Culturgeschichte. Pest, Aigner, 
1874, 8°. Zweite Ausgabe. 

Luib, K. Oberschwaben , seine Sage, seine Ge- 
schichte u. seine Alterthüraer. Tübingen 1874, 8®. 

Krau* Lieferung umfasst die Kelten und die Römer- 
zeit. 

Lycklama a Nyeholt, T. M. Chev. Voyage en 
Ruiutie, au Caucase et cn Perse, dans la Mesopo- 
tamie, le Kourd intim, la Syrie, la Palcstine et la 
Turquie. Bruxelles 1872, 8®. 

Mastricht, die Hauptstadt der niederländischen 
Provinz Limburg. (Aus allen Welttheilen, Ja- 
nuar 1874.) 

Martins, Charlos. Une ville oubliee. — Aigues- 
mortea, son passu, non present et son avenir. 
(Revue des doux Mondes, 15 Fevrier 1874.) 

Masuren, Die. (Petermann’s Geographische Mit- 
teilungen 1874, IV, S. 128 — 131.) 

Matkovitach, Dr. Peter. Kroatien - Slavonien 
nach seinen physischen und geistigen Verhüt* 
nissen. Denkschrift zur Wiener Weltausstellung. 
Auh dem Kroatischen übersetzt. Agram 1873, 8®. 

Besprochen in Zarnckcs n Literarischem Centrslblatt“ 
1874, Nr. 3, S. 73. 

Maurer, Conrad. Island und Dänemark. (Allge- 
meine Zeitung 1874, Nr. 21, 27, 28.) 

Mestorf, J. Culturverbältnisse Russlands und des 
skandinavischen Nordens in vorhistorischer Zeit. 
(Globus, Bd. XXV, Nr. 2, 3, 4, 6.) 

Merkel, Dr. Fried. Deutschlands Ureinwohner. 
Rostock 1873, 8°. 

Nicht ungünstig besprochen in Zaracke« Literarischem 
Centralblatt 1874, Nr. 2, S. 35. 

Mijatovics, Mad. Caedomillo. Serbian Folk-Lore. 
Populär Tales, selectod and translated by — . 



Edited with an introduction by the Rev. W, 
Denton. London 1874. 

Besprochen im Athenäum, Nr. 2432, vom *6. Juni 
1874. 

Möbius, Prof. Th. Ueber die altnordische Sprache. 
Halle 1872, 8®. 60 S. 

Nebe Athenäum, Nr. 2346 (Teutonic langusgrs). 

Möhl, Gustav. Ueber die Zigeuner. (Rodenberg’s 
„Salon 1 * 1873.) 

Montolius, Oscar. Om lifvet i Sverige under 
hednatiden. Stockholm, P. A. Norstedt, 1873,8®. 
112 S. 

Monuments. Non-historic Monuments of the me- 
diterranean. (Athenäum, Nr. 2350, vom 9. No- 
vember 1872; Nr. 2356, vom 21. December 1872; 
Nr. 2358, vom 4. Januar 1873; Nr. 2367, vom 
22. Februar 1873 ; Nr. 2371, vom 5. April 1873.) 

Mordwinen. Eine Schöpfungsaage der Mordwinen. 
(Magazin für die Literatur des Auslandes 1873, 
Nr. 34, S. 506.) 

Aua der in finnischer Sprache erscheinenden Zeit- 
schrift Knokauslehti. 

MoBChkau, Dr. Alflr. Der Oybin bei Zittau. Seine 
Beschreibung, Geschichte und Sagen. Zittau 
1873, 8®. 

Müller, Max. The Etruscan language. (The 

Academy, Nr. 87.) 

•Spricht sich zu Gunsten der Consen'schen Annahme 
von dem arischen Charakter des Etruskischen aus. 

Murray, James A. H. The dialect of the Sou- 
thern countie* of Scotland. With an appendix 
on the present limits of the gaelic and lowland 
scotch and the dialectical divisions of the lowland 
tonguo and a linguistical map of Scotland. Lon- 
don, Asher, 1873. 

Besprochen im Athenäum, Nr. 2337, vom 26. Juli 

1873. Globus, Bd. XXV, Nr. 1. 

Mussafla, A. Beitrag zur Kunde der norditalieni- 
schen Mundarten. 

Besprochen von F. Lie brecht in den Göttinger ge- 
lehrten Anzeigen. 1. 

Muth, Bich. v. Die bairisch-österreichische Mund- 
art dargestellt mit Rücksicht auf den gegenwär- 
tigen Stand der deutschen Dialectforschung. 
Wien 1873, 8®. 46 S. 

Na&kc, John T. Slavonic Fairy Tales. Collected 
and translated from the Kuasian, Poliah, Serrian 
and Bohemian. London 1874. 

Besprochen im Athenäum, Nr. 2432, vom 6. Juni 

1874. 

HaxKo, Aiescift (Nakko, Aloxej). Ifcropis Eec- 
capaöii» cs ^pi'BHtfiiUHXk ßpeueHh. Geschichte 
Bessarabiens von den ältesten Zeiten an. Odessa 
1873, 8®. 183 S. 

Nigra, Oonstantinus. Glossae hibernicae vete- 
rea Lutetiae. Paris 1869, 8°. 



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33 



Verzeichn iss der anthropologischen Literatur. 



Nordhoff, Dr. J. B. Der Holz- und Steinbau 
Westphalens in seiner culturgeschicht liehen und 
systematischen Entwiokelung. Münster 1873, 8°. 
Zweite Auflage. 4&1 S. 

Normans, The, in England. (Athenäum, Nr. 2435, 
vom 27. Juni 1874.) 

Besprechung zweier Werke: „The Norman People 11 , 
London 1874 und Planche« „The Conqueror and his 
Companions“. London 1874. 11 Bände. 

Northern Dialecta. (Athenium, Nr. 2387, vom 26. 
Juli 1873.) 

Hobskobhs. HcTopHja Cpncttc KftHif»CRHorTH. (Ge- 
schichte des serbischen Füratenthums.) Eeorpsä 
1871, 

HoBaKODIIti , Ct. CpOCKC HCT0p«jcKC-CTHUrpa4CIHI 
Mysej. y. Beorpa^y. 1872, 8®. 

Oberländer, Herrn. Sachsens Boden in Bezie- 
hung zur Geschichte und zum Culturleben seiner 
Bewohner. Grimma 1874, 8°. 

O’Curry, Eugene. On the manners and customs 
of the ancient Irish. Dublin 1874, III Vols. 

Besprochen im Athenäum, Nr. 2413, vom 24. Januar 
1874; Nr. 2414, vom 31. Januar 1874. 

Oeaterreichiache Zustände. (Allgemeine Zeitung 
1873, Nr. 138.) 

OstaeeprovLnzen. In den rassischen Ostseepro- 
vinzen. (Grenzboten 1873, Nr. 52.) 

Petersburger. Auz der Petersburger Gesellschaft. 
Leipzig 1873, 8°. 

Magazin für die Literatur des Auslände* 1873, Nr. 
35, & 616. 

Petzet, G. Nationalität und Kirche im östlichen 
Gongresspolen. (Globus, Bd. XXV, Nr. 17.) 

Piaot, E. De deux publications recutes relatives 
aux dialectes de l’Italie septentrionale. (Revue 
de lingnistiqae, Januar 1874.) 

Pike , Luke Owen. A history of Crime in Eng- 
land, illustrating the changes of the Laws in the 
Progress of Civilization. London 1873, 8°. 

Volume 1. From the Roman Invasion to the aocea- 
sion of Henry VII. Siehe Athenäum, Nr. 2401, vom 
1. November 1873. Inhalteanzeige in der Deutschen 
Wart« 1874, II. Heft, 8. 116—117. 

PI »Bin an , de. Des caracteree des Fran$ais au 
XIX* siede. 12®. 

Polen. Die galizischen Polen. (Allgem. Zeitung 
1873, Nr. 18.) 

Population, De la, en France. (L'Economiste 
fran v aiz 1874, Nr. 9, S. 235.) 

Provence. Nach der Provence. (Allgem. Zeitung 
1873, Ni. 271, 272.) 

Quatrefagea. La race prusienne, P&rie 1871. 

Zeitschrift für Ethnologie 1872, I. 8. 46 — 64. 

Archiv fiir Anthropolc^U. Bd. VII. H«(\ 4. 



Quitzmann, Dr. E. A. Die älteste Geschichte der 
Baiern bis zum Jahre 811. Braunschweig 

1873, 8®. 

Kecension im „Anseiger für Kunde der deutschen 
Vorzeit“ 1873, Nr. 12. 

Rätischen, Zur, Geschichtschreibung. (Allgemeine 
Zeitung 1873, Nr. 231, 232.) 

Balaton, W. B. 8. Early Kassian history. Lon- 
don 1874. 

Siehe Athenium, Nr. 2434, vom 20. Juni 1874. 

Balaton, W. B. S. Russian Folk-Lore. London 

1873, 8°. 

Besprechungen im Athenium, Nr. 2383, vom 28. 
Juni 1873. Ulobus, Bd. XXIV, Nr. 20, S. 310. Quar- 
terlv Review, Nr. 271, Januar 1874, S. 236 ff. Ausland 

1874, Nr. 3. 

R&mbert, E, Aus den Schweizer Bergen. Land 
und Leute. Basel 1873, 8°. 

Ramsay, Mrs. A Summer in Spain. London, 
Tinsley Brothers. 

Angezeigt im Athenium, Nr. 2413, vom 24. Januar 
1874. 

Rasch, Dr. G. Die Preussen in Elsas» and Loth- 
ringen. Braunschweig 1873. 

Baudot, über Abnahme der Volksmenge und die 
moralischen Zustände in Frankreich. (Globu», 
Bd. XXV, Nr. 22.) 

Reinsberg-Düringafeld, O. v. Culturhistoriache 
Studien aus Meran. Leipzig 1673, 8°. 

Rcligionsztatiatik der christlichen Confessionen 
des brittischen Reiches. (Allgemeine Zeitg. 1874, 
Nr. 43, 50.) 

Rdville, Alb. Les Albigeois. Origines, develop- 
pement et disparition du Catbarisme dans la 
France meridionale, d'aprea de nouvelle« reeber- 
chea (Revue des deux Mondes. Vom 1. Mai 
1874.) 

Rich&rdson, Dr. On Name aud Race in Eng- 
land. (Populär Science Re v., January 1874. S. 50.) 

Rochat, A. Ein altladinischee Gedicht in oberen- 
gadiner Mundart übersetzt und erklärt. Zürich, 
C. Schmidt, 1874. 

Rodonherg, Julius. In deutschen Landen. Skis- 
zen und Ferienreisen. Leipzig 1874, 8°. 

Besprechungen in Zwnckes Literarischem Centrslbl. 
1874, Nr. 8, 8 231. Allgemeine Zeitung 1874. Nr. 6. 

Rösler, Bob. Ueber den Zeitpunkt der slavischen 
Ansiedlung auf der unteren Donau. Wien 1873, 8®. 

Rolfus, K. Die Salpeterer. Geschieht»- und Le- 
bensbilder aus dem Hauensteiniachen. Mainz, 
Kupferberg, 1873, 8®. 

Rüffer, Ed. Bosnische Blutrache. (Die Literatur 
1874, Nr. 18, 19, 20, 21.) 

5 



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34 



Verzeichnis« <ler anthropologischen Literatur. 



HumAnien unter dem Fürsten Carl. (Allgemeine 
Zeitung 1873, Nr. 242.) 

Bussen, Count Henry. Biarritz aml the Basque 
Countries. London 1873. 8*. 

Bussian Songs and Folk -Tales. (Quarterly Rev., 
Nr. 271. S. 235 ff.) 

Russisch e Volks mäh rohen. (Globus, ßd. XXIV, 
Nr. 20, S. 310—312.) 

Besprechung und Auszug aus Ralston. Russian 
Folk-Lore. 

Russischen. Aus dem rassischen Reiche. (Globus, 
Bd. XXIV, Nr. 16.) 

Russland. Neue Schriften aber Russland. (Allge- 
meine Zeitung 1873, N. 249.) 

Russland. Volksbildung in Russland. (Allgemeine 
Zeitung 1874, Nr. 191.) * 

Russland. Das neue Russland. Noch Barry ’s 
„Rttgsia in 1870 u und Ivan at home. Berlin 

1873, 8°. 251 S. 

Siebe Allgemeine Zeitung 1673, Nr. 336. 

Ruthenen, Die, am Pruth. (lllustrirte Zeitung, 
Nr. 1597.) 

ßachsen. Das öffentliche Schulwesen bei den Sach- 
sen in Siebenbürgen. (Magazin für die Literatur 
des Auslandes 1873, Nr. 35, S. 517 — 519.) 

Sachsen. Die Arrondirung der ungarischen Co- 
mitate und die Sachsen in Siebenbürgen. (Allge- 
meine Zeitung 1874, Nr. 21.) 

Sagen- und Mährchengestalten , sowie Geister-, 
Wunder- und Aberglauben des deutschen Volkes. 
Berlin 1874, 8°. 

3aB8ACKift- KpacHoncMLCKiA, K. K. (Sawadsky- 
Krasnopolaky.) Kpi>in. llpipiua, Hscejeuie 
H ocoöeHMocTH spss. Die Krim. Natur, Bevöl- 
kerung und GigenthQmlichkeiten des Landes. St. 
Petersburg 1873, 8°. 

Schelbert, J. Das Landvolk des Allgäus in sei- 
nem Thun und Treiben dargestellt. Kempten 

1874, 16°. 192 S. 

Scheube. Aus den Tagen unserer Groesväter. 
Culturgeschichtliche Zeit- und Lebensbilder. Ber- 
lin 1872, 8«. I Bd. 

Schieftier, A. A wünsche Texte, herausgegeben 
von A. Schiefner. St. Petersburg 1873. (Mum. 
de l'Acad. Imp. des Sciences, 7 m * sörie, Tome XIX, 
Nr. 6.) 

Magazin für die Literatur de* Auslandes 1873, Nr. 32. 

Sehöppner, A. Sagenbuch der bayrischen Lande. 
Aus dem Munde des Volkes, der Chronik und 
der Dichter herausgegeben. München 1874, 
III Blinde. 

Besprochen von Felix Dahn in deiu Aufsatzcyclus: 
,Die deutsche Sage*. Allgem. Zeitg. 1674, Nr. 17, 18. 



Schultse. Idioticon der nord-thüringischen Mund- 
art. Nord hausen 1874. 

Schuyler, Eug. A russian easter. (Scribner’s 
Magazine, III, pag. 6.) 

Scotland. Celtic. (Quarterly Review 1873, July, 
Nr. 269.) 

8cott, Clement W. Round about the islands: 
or tsunny spots near’ home. London, Tinsley Bro- 
thers. 

Athenäum, Nr. 2413, vom 24. Januar 1873. 

Sepp, Dr. Die Schiinmelkirchen der Holedan. 
(Allgemeine Zeitung 1873, Nr. 56, 63, 76, 77.) 

Serben. Abnahme der Serben in Ungarn. (Glo- 
bus, Bd. XXIV, Nr. 24.) 

Serbcs, Lea, de Hongrie, leur histoire, leurs Pri- 
vileges , leur eglise , leur «tat politique et social. 
Prag 1873. Premier partie. 

Bicilianlsche. Die neuere siciliauiscbe VoLkslite- 
% ratur. (Grenzboten 1874, Nr. 20.) 

8icilien. Aus Sicilien. (Allgemeine Zeitg. 1873, 
Nr. 38, 39, 46, 77.) 

Siebenbürgen. Aus Siebenbürgen. Nationalitäten 
und Territorien. (Im neuen Reich 1874, Nr. 8.) 

Siebenbürgen. Die nnitarischen Christen in Sie- 
benbürgen. Nach Athanase Coquerel. (Maga- 
zin für die Literatur des Auslandes 1874, Nr. 3, 

5. 40; Nr. 4, S. öl.) 

Siebenbürgen. Die deutschen Schulen in Sieben- 
bürgen. (Magazin für die Literatur des Auslan- 
des 1873, Nr. 50, S. 746.) 

8imons, Th. Aus altrömischer Zeit. Cnlturleben 
mit Illustrationen. Berlin 1873, 4°. Erste Lie- 
ferung. 

Sitten und Rechtszustände im heutigen Rom. (Ma- 
gazin für die Literatur des Auslandes 1873, Nr. 
43, S. 638.) 

Skandinavien. Reiseeindrücke aus Skandinavien. 
(Allgemeine Zeitung 1873, Nr. 3, 4, 5, 6.) 

Slavon. Ein Culturbild der alten Slaven. (Glo- 
bus, Bd. XXIV, Nr. 23.) 

Slavonic Folk-Ix>re. (Athenäum, Nr. 2432, vom 

6. Juni 1874.) 

Ank nüpfend an die Werke von John T. Naake 
und Csedomille Mijatovics. 

Spaniens Zukunft. (Allgemeine Zeitung 1873, 
Nr. 57.) 

Spanische Volkspoesie. (Magazin für die Litera- 
tur des Auslandes 1874, Nr. 1, S. 7 ; Nr. 2, S. 26; 
Nr. 3, S. 44.) 

Speyer, Otto. Das Königreich Italien. (Unsere 
Zeit 1872, I. Heft, S. 9; II. Heft, S. 15, 1873. 
Heft IX.) 



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35 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



Stark, Bernh. Nach dem griechischen Orient. 
Reisest udien. Heidelberg, C. Winter, 1874, 8®. 

Recension in der Allgemeinen Zeitung 1874, Nr. 8. 

Statistics of roman catholicinra in Great Rritain. 
(Geographie. Magazine, June 1874. S. 102 — 106.) 

Steub, Ludw. Aus dem Bregenzerwald. (Allge- 
meine Zeitung 1874, Nr. 185, 187, 198.) 

Steub, 1». Zu den deutschen Familiennamen. 
(Allgemeine Zeitung 1873, Nr. 241.) 

Taylor, jB&ac. Ktruscau Researches. London 
1874, 8°. 

Siebe Athenäum, Kr. 2428, Tum 9. Mai 1874. 

Tettau, Prhr. W. J. A, v. Ueber die epischen 
Dichtungen der finnischen Völker, besonders die 
Kalewala. Erfurt 1873, 8«. 

Thebaud, A. J. The irish raco. In the Fast and 
the Present New-York 1873, 8°. 

Thieblin, N. L. Spain aud the Spaniards. Lon- 
don 1874, 8®. 11 Vols. 

Siehe Athenäum, Nr. 2424, vom 11. April 1874. 

Thierry , Amedoe. La litteraturu profane en 
Gaule au IV* siucle. (Revue des deux Mondes, 
15“* Juin 1871.) 

Tolstoi, Dmitri. Romanism in Russia: an histo- 
rical study. Translated by Mrs. M’Kibbiu. Lon- 
don 1874. 

Siehe Athenäum, Nr. 2423, vom 4. April 1874. 

Tozer, H. F. Lectures on the geography of Greece. 
London, Murray, 1874, 8®. 

Siehe Athenäum, Nr. 2416, vom 14. Februar 1874. 

Tscharkowsky, P. HapKOBCKift. IleTpb. Versuch 
einer slavischen Etymologie. OniiTbi CJBBAHCKBro 
ci0B0np0H9B0ACTB«. Warschau 1873, 8®. 

Türkische Censur und bulgarisch - serbische Ver- 
hältnisse. (Allgemeine Zeitung 1874, Nr. 22.) 

Von F(ranz) K(anitz). 

Tyrolese House Mottoea. (Cornhill Magazine, 
November 1873. S. 575—583.) 

Ungarische Zustände. Ein Finnländer über un- 
garische Zustände. (Magazin für die Literatur 
des Auslandes 1873, Nr. 18, S. 272.) 

Ungarn. Vom Sprach- und Völkerstreit in Un- 
garn. (Allgemeine Zeitung 1873, Nr. 7, 8, 9, 
10 .) 

Ungarn. Zur Nationalitätenfrage in Ungarn. (All- 
gemeine Zeitung 1873, Nr. 359.) 

Unterclaasa. Im „ Hanauer Land 4 * des Uuterel- 
sasses. (Daheim 1874, Nr. 33.) 

Uspensky, Fedor. (<l>«M»pb ycomcxiA.) Tep6y« 
cjaöflixcKia MouHpKif! hb ct6epi»anajfe. (Die 
ersten slavischen Monarchien im Nordwesten.) St. 
Petersburg 1872, 8*. 

Siehe Russische Revue 1873, I, S. 84. 



Vinaon, J. Le verbe basque. (Revue de lingui- 
atique 1874. Januar.) 

Virchow, Rudolf. Die Urbevölkerung Europas. 
Berlin 1874, 8°. 

Ins Französische übersetzt in der Revue Seien tifique 
vom 4. Juli 1874. — Kurze Anzeige im Magazin iur 
die Literatur des Auslandes, vom 4. Juli 1874, Nr. 27, 
S. 402. 

Vizeaya; or Life in the Lands of the CarlisU. 
London 1874. 

Sieh« Athenäum, Nr. 2431, vom 30. Mai 1874. 
Waloker, Dr. Carl. Die gegenwärtige Lage Russ- 
lands, insbesondere die constitutiouellen Bestre- 
bungen des russischen Adels und das Verhältniss 
Deutschlands und Oesterreich- Ungarns zu Russ- 
land. Leipzig 1873, 8°. 

.So weit bei diesem Werke lediglich die Politik in 
Frage kommt, wollen wir uns selbstredend jedweden 
Unheiles enthalten und nur bemerken , dass der Ver- 
fasser für die Einführung der constitutjonellen Staats- 
form in Russland spricht , ein Wunsch , den man von 
ganzem Herzen theilen kann, ohne ihn bei dem gegen- 
wärtigen Zustand der Durchacbnittsbildung des russi- 
schen Volkes schon für ausführbar zu halten. Der 
Verfasser, Doeent der Finanz Wissenschaft sti Charkow 
a. D., ist offenbar in russische Verhältnisse »ehr gut 
eingeweiht, und man kann aus seinem Buche eine Fülle 
nützlicher Belehrung über russische Zustände schöpfen, 
deren Schäden er rückhaltlos aufdeckt; dennoch glau- 
ben wir, dass mannigfach persönlicher Unmutb die Fe- 
der de» Autnrs geführt und sein Buch deshalb mit 
einer gewusen Vorsicht zu benutzen sei. In seiner 
Polemik gegen Eckardt und P. L. scheint er uns 
nicht immer glücklich zu sein und vermissen wir das 
Eingehen nicht nur auf das anthropologische Moment, 
welches letztgenannten .Schriftsteller so sehr auszeicb* 
net, sondern selbst auf das ethnische . welches doch in 
Russland von der höchsten Bedeutung ist. So richtig 
sich demnach Walcker’s Sätze auf dem Papiere aus- 
nehmen, so sehr sie im Allgemeinen im Einklänge mit 
den liberalen Anforderungen unserer Zeit, also mit dem 
stehen , was man gerne hört , so machen sie doch auf 
ein unvoreingenommenes tiemüth den Kindrack des 
Theoretischen, von dem man wohl weias, dass es in der 
Praxis oft ganz anders klingt. Es ist sicherlich vom 
Standpunkte der Theorie sehr schön and richtig, zu 
behaupten: die höhere Cnltur mache einen Staat fried- 
licher und verwundbarer, die Culttirgeschichte setzt hin- 
zu: unter gewissen Umständen. Die Prüfung dieser 
„gewissen Umstände“ nun, die gewöhnlich »ehr tief 
verborgeu schlummern , dünkt uns nicht scharf genug, 
sonst würde wohl der Verfasser manchen eben nur in 
der Theorie richtigen Gedanken aus dem Codex der 
modernen Freiheitslehre haben fahren lassen. Auch 
über einige Weissagungen, wie s. B. den einstigen Ab- 
fall Sibiriens, wird man anderer Meinung sein dürfen; 
hierin lässt «Sch wieder deutlich der theoretische Sche- 
matismus erkennen : weil es ein Axiom der Wissen- 
schaft sei, dass reif gewordene (Kolonien schliesslich ab- 
fallen, muss dies such mit .Sibirien der Fall sein. Ge- 
wiss, aber wann? das ist die Frage. Ferner spricht 
die ökonomische Wissenschaft nur von dem Abfalle 
reif gewordener Colonien, unter diese wird aber 
die ethnologisch« Wissenschaft Sibirien wohl noch lange 
nicht stellen. „Sibirien und — man höre — Türke- 
atan ! werden mit der Zeit wahrscheinlich Föderativ- 
republiken in der Weise der Vereinigten Staaten bil- 
den! 4 Nun, wir meinen bei AUah ist kein Ding 
unmöglich, vorauasichtlich aber nimmt der Dsc hihihi 

5* 



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36 



Verzeichnis« der anthropologischen Literatur. 



seinen Weg wieder zur Csspisee* ehe ein turkcstnnisches 
Parlament in Bocbara oder Samnrkaud Zusammentritt. 
Im L’ebrigen können wir Herrn Dr. Wa Icker nur 
vollkommen beipflicbten . wenn er die wissenschaftliche 
und praktische Nothwendigkoit einer gründlichen Kennt* 
nisa der russischen Dinge für Dentschland betont. 

Walcker, Dr. Carl. Der russische Agrar -Coin- 
munismus. (Allgemeine Zeitnng 1873, Nr. 230.) 

Waller, S. E. Six weeks in the Saddle: a pain- 
ters Journal in Icelund. London, Macmillan, 
1874. 

Sieho Athenäum, Nr. 2412, vom 17- Januar 1874. 

W eigelt , G, Die uordfrieaischen Inseln vormals 
und jetzt. Eine Skizze des Landes und seiner 
Bewohner. Hamburg 1873, 8°. 277 S. Zweite 
Auflage. 

Das kleine in zweiter Auflage erschienene Buch ver- 
folgt zwar nur den praktischen Zweck, dem Fremden 
ln einer wenig bekannten Gegend zum Führer zu die- 
nen, enthält aber dabei viel des Wissens wert he n und 
nimmt sorgfältig Rücksicht auf die das fragliche Gebiet 
betreffenden scieniiflschen Forschungen. Demgemäss 
sind einige Kapitel ganz, andere theilweise unbearbei- 
tet, »o dass sich eine wissenschaftliche Grundlage an 
der durchaus populär sein wollenden, anspruchslosen 
»Schrift nicht verkennen lässt. Von besonderem Inter- 
esse schien uns der Abschnitt über die Reconstruction 
der friesischen Uthlande, wobei v. Maack's verdienst- 
volle Untersuchungen über die Urgeschichte Schleswig- 
Holsteins ausführliche Berücksichtigung gefunden haben, 
dann über die Zertrümmerung der Uthlande durch 
Sturmfluthcn , endlich «her die Bewohner der nordfrie- 
sischen Uthlande, ein Kapitel, welches eine recht ge- 
lungene ethnographische Schilderung der Friesen ent- 
hält. Die beigegebene Karte der uurdfriesischen Inseln, 
welche auf geographische Genauigkeit eben au wenig 
Anspruch erhebt, als die von Führ, »oll hauptsächlich 
nur das Verhältnis* des übrig gebliebenen Landes zu 
dem untergegangenen versinnlichen. Letzteres ist nach 
einer kleinen, in Kopenhagen erschienenen Karte ge- 
zeichnet, welcher das Erdbuch König Waldemar’» 11. 
von Dänemark zu Grunde liegt. 

Welse, B. Da« Polenthum in Oesterreich. (Ge- 
genwart 1874, Nr. .3.) 

Weitzel, A. Die Sprachgrenze Oberschlesiens (mit 
Urkunde). (Rübezahl 1873, 12. Heft.) 

Wenzelburger , Theodor. Die viamische Bewe- 
gung. (Unsere Zeit 1873, Nr. 10.) 

Weschniakow , W. Notice aur l’etat actuel de 
Tindostrie domestique en Russie. St. Petersburg 
1874, 8°. 60 S. 

Weeke, Dr. M. Werbung derGötter um irdische 
Jungfrauen. Aus ethnischen und finnischen My- 
then. (Globus, Bd. XXIV, Nr. 19.) 



Weske, Dr. M. Untersuchungen zur vergleichen- 
den Grammatik des finnischen Sprachstamraes. 
Leipzig 1873. Breitkopf & Harte). 

Weaaelowsky , A. N. Die neueren Forschungen 
auf dem Gebiete der russischen Volkspoesie. 
(Russische Revue 1873, II. Bd. S. 487 — 527.) 

Wilken, Dr. E. Geschichte der geistlichen Spiele 
in Deutschland. Göttingen 1872, 8°. 

Mm Allgemeine Zeitung 1 87:t, Nr. 25, 26, 27. 

Wickede, Jul. v. Militärische Zustande in Spa- 
nien. (Allgemeine Zeitung 1873, Nr. 80, 82.) 

Withcombe, Mra. Henry Hennel. Bygone Days 
in Devonshire and Cornwall. London. 

Nach einer von sachkundiger Feder geschriebenen 
Recension im Athenäum, Nr. 2414, vom 31. Januar 
1874 ohne jeglichen wissenschaftlichen Werth. Devon- 
»hirv und Cornwall bilden sowohl in ihrer Bevölkerung 
als in all ihren Sagen und Legenden die auffallendsten, 
interessantesten Gegensätze, wovon die Verfasserin nicht 
die geringste Notiz genommen hat. 

Wojciechow8ki. Chrobatien; slavische Alter- 
tumsforschungen. 

Besprochen von H. Blumenstock in der Wiener 
Abendpost 1874, Nr. 25. 

Worsaao, J. J. A. Ruslands og des ekandina- 
viske’s Nordens Bebyggclsc og äldste Kulturfor- 
hold. 1872, 

Siehe Globus, Bd. XXV, Nr. 2. 

Wright, Th. A history of english Culture from 
the eärliest known period to modern times. Neue 
Auflage. London, Trübner, 1874, 8°. 

Wuratemberger , L. ▼. Die gegenwärtigen Zu- 
stände in den Ostseeprovinzen Russlands (Allge- 
meine Zeitung 1873, Nr. 70, 71, 72.) 

Wuratemberger, L. v. Die Gewissensfreiheit in 
den Ostseeprovinzen Russlands. Leipzig 1872, 8°. 

Ziehen, Eduard. Geschichte und Bilder aus dem 
wendischen Volksleben. Hannover, C. Rümpler, 
1874, 8®. II Bde. 

Zigeuner. Uabar die Zigeuner. (Magazin für die 
Literatur des Auslandes 1873, Nr. 48, 8. 719.) 

Zigeuner, Die. (Globus, Bd. XXV, Nr. 18.) 

Zingerle. Kinder- und Hansmährchen aus TyroL 

Blätter für literarische Unterhaltung, Nr. 7. 



Asien. 

(Von Georg Gerl&nd ) 



Adamoli, G. Una spedicione militare nelP Asia Das Volk der Ainos. (Ausland 1873, Nr. 875 — 
centrale, ag. — settombre 1870. (Nuova Antologia, 879, 911 — 914.) 

Apr. 1873, 917—953.) 



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37 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



Da» Volk der Ainos auf der Insel Jeso. (Globus, 
Bd. XXIV, pag. 210—213.) 

Albouy , Abbe A. Guide du pldärin aux lieux 
saints. Esqnissa «ur Jerusalem et la terre saiute, 
l re partie: De Marseille ä Jerusalem par PItalie 
et Pfigypte, 12 pag. 408. Paris, Dillet, 1873. 

Andaman Islands. (Ulustrated Travels, ed. by 
Bates, T. IV, 1872, Part XLI, pag. 150—153.) 

Anderson, John. A report on the expedition to 
Western Yunan via Bhamo. With platee and 
map*. Calcutta 1871, VoL XII, pag. 458, 8 # . 

Die« Werk ist schon im Archiv für Anthropologie, 
Bd. VI, 8. Sä, al»er nicht genau genug und nicht ganz 
richtig angegeben. 

Androe, R. Erforschung und Geschichte des Kas- 
pischen Meeres. Mit 4 Kärtchen. (Globus, Bd. 
XXIV, 1873, pag. 40—43.) 

Andree, R, Persien» Handel» - und Induatriver- 
hältnisse. (Der Welthandel, Bd. VI, 1874, 14 — 18.) 

Reisen im Armenischen Hochland, auegeftlhrt im 
Sommer 1871 von Dr. Raddo und Dr. Sievers. 
Zweiter Bericht; die W esthälfte der Reise. (Pe- 
termann’s Mittheilungen 1871, 174 — 184.) 

La Question armenienne. Solution des difficulte# 
soulevees contre la bulle „Reversurus“. Paris, 
imp. Chnmerot, 1873, VIII, pag. 46, 8“. 

Arssenjew, J. A. Die Syrjänen und ihr Jagdge- 
werbe, 8°. 65 S. Moskau 1872. 

In russischer Sprache. 

Central-Asia. Mit 1 Karte. (Ocean Highways 
Marz 1873, 373—374.) 

Central-ABien. Die Gebiete zwischen Kok an und 
Britisch - Indien. Mit 1 Kartenskiixe. (Globus, 
Bd. XXIII, 1873, pag. 346—349.) 

Unsere Nachbarn in Central - Asien , Chiwa und 
Tturkmenien. Besonderer Abdruck aus dem Jour- 
nal „der Weltreisende“, 8°. pag. 133. 1 Karte. 
St. Petersburg, Devrient, 1873. ln russ. Sprache. 

Ein Blick nach Central- Asien. (Globus, Bd. XXIV, 
1873, pag. 337—342.) 

Journal Asiatique, 7 n ‘* Serie, Tome I, 2. Paris 
1873. 

Enthält unter anderem: M. Feer, Etüde* boudd- 
hiques. — Nou veiles et m^lange*: Oppert: Notice 
sur d'ancieunes formales d'incantation et autr«s dan» 
une langue aut^rieure au babylonien. — J. Mohl, 
Kontribution* towards the materia medira and natural 
bistory of China. Nouv. et mel. J. Oppert, Cliant 
en pumerien et. en awyrien *ur une epid^mie. — 
J.M., Unexplored 8yria. — F. Fagnan, Observation« 
•tirleii conddts de M*ky a*. — Haldvy, Etüde* «Wen- 
ne«, examen crjtiqu* et philoeophique des inscriptions 
«ab^enne* counue« jnequ'ä ce jour. — Senart. Essai 
«ur la legend« de Buddha, »on caractere et ees ori- 
ginell. 

Journal of the Asiat ic Society of Bengal. Edited 



by the honorary secretaries, 1873, Part I, II. 
London, Trübner. 8°. 

Part 1 enthält: Spirit uoua Drinks in Ancient India. 
By Balm Rajemlralala Mitra. — On the history of 
Pegu. By Sir Arthur P. Pliayre. — Pontacript to 
Babu Kajeudralala Mitra« Paper on Spirituous 
Drinks. — Essays in aid of a Comparative Orauitnar 
of the Gaurian Lauguage-s. By Kud. Hoernle. 

Part II ist rein naturwinaeuschaft liehen Inhalt«. 

Melange» asiatiques tires du bulletiii de l'acade- 
mie imperiale des Sciences de St. Petersbourg. 
Tome VI, St. Petersbourg, Leipzig, Voss, p. 798, 
Lex. 8°. 1873. 

8iehe Bulletin. 

Ashworth, John. Back from Canaan: A Sequel 
to „W&lks in Canaan“. Manchester, Tubbs and 
B. Simpkin, pag. 251, 12°. 

Ashworth, John. Vandringar i Kanaan. Oefvers. 
fran engelskan. Med 23 pl. Stockholm, C. A. V. 
Lundholm, 211 p., 8°. 

Astior de la Vigerie, d\ L'Expedition de Khiva. 
Paris 1873, Tanera, 16, p. 12“. 

Beschouwingen over Atjeh en onzen orloog met 
dat rijk. Fol., 2 p. 1 Karte. Rotterdam, v. Meura, 
1873. 

Das Sultanat Ataohin. (Ausland 1873, pag. 841 
—845, 161—864, 881 — 884.) 

Atchin. Antwoord aan den heer minister van Ko- 
lonien. Een redevoering die in de tweede kamer 
niet is uitgosproken. ’s Gravenhage, W. P. V. 
Stockum, 1873, 16 bl. 8“. 

Atchin en de Atcbineesen. Een volksboekje 
door Alof. Kämpen, van Hülst, 1873, 79 bl. 8*. 

Nota over do betrekkingen van Xederland tot het 
rijk van Atsjin sinds 1824, f s Hage, Gehr, van 
Cletf, 1873, 70 bl. 8“ 

Das Sultanat Atschin auf Sumatra. (Globus, Bd. 
XXIV, 1873, 58—60.) 

Der Krieg der Holländer gegen den Sultan von 
Atschin. (Globus, Bd. XXIII, 1873, 364—367.) 

Atsume Gusa. Pour servir ä la Connaissance de 
loxtreme Orient. Recueil public par F. Turet- 
tini. Fase. 1 — 8. 

Vergl. Archiv für Anthropologie, Bd. Y, 8. 35. Die 
dort genannte Ethnographie ist in den folgenden 
Heften fortgesetzt« Ausserdem enthalten sie die 
Uebenetzung eine« chinesischen Drama« und andere 
Uebenetzungvn, sowie. Astrulogia Qiappouese veraione 
dl Anwlmo Severini. 

Austen, Major H. H. Godwin. Oo the Garo 
Hills. (Proceedings of the Royal Geographical 
Society, XVII, 1873, 36—42.) 

Austen, Msoor H. H. Godwin. On Garo Hill 
Trihes, Bengal. (Journal of the Anthropologie«! 
Institute of Great Britain, Jannary 1873.) 

Bacon, Rev. G. B. Siam. With a Map and nu- 



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38 



Verzeichnis« der anthropologischen Literatur. 



merous Illustration«. Illustr. Lib. of Travel Ex* 
ploration and Adventure. New-York 12°. 1873. 

Badger, G. P. Khiva or Khuwärizm. (Ocean High' 
Wftjt, ed. byCl. Markham, Juli 1873, 149 — 152.) 

Badger, G. P. The Oxus according to the old 
Arabian geographers. (Ocean Highways, ed. by 
CI. Markham, August 1873, 194 — 195.) 

Badger, G. P. Ma-warä’-n-nahr, or Transoxania, 
according to old Arabian geographers. (Ocean 
Highways, ed. by CI. Markham, September 1873, 
229—233.) 

Banck, J. E. Atchins verheffing en val. Met hi- 
storische bijlagen en een oud kaartje der reede 
van Atchin. Rotterdam, Nijgh en van I>itmar,l873, 
78 bl., met een uitsl. gelith. kaart en bijlage, 8°. 

Ban-Zai-Sau. Pour servir a la coimaissance de 
Pextreme Orient. Recueil public par F. Turet- 
tini. Fase. 1 — 5. Geueve, Basel, Georg, 8°. 

Inhalt: Grammatik der MandHrinsprache in Ollen- 
dorf« Methode von Charles Rudy. — Ueboraetzungen 
aus dem Chinesischen. 

Hermetis Trismegisti qui apud Ambe# fertur de 
c&stigatione animae li bellum ed., latine vertit, ad* 
notationibuB illustravit Otto Bardonhewor. Ac- 
cedit appendix in qua nonnulla philosophiae ara- 
bicae voeubula explicantur. Bonn, Marcus, XVI, 
154 S. gr. 8®. 

Bardenhewer, O. In Hermetis Trismegisti qui 
apud Arabes fertur de castigatione aniiui libel- 
lum prolegomena una cum capitibus nonnullis 
nondum editis. Bonnae. 30 S. 8°. 

Criticismus of the Indian Journals on a Review of 
Baroda A Hains, by Dinsbah Ardeshir Tale-Yar- 
kban ; and introduction notes correspondence etc. 
tliereon by the Anthor. Bombay 1872, XII, 52 
pag. 8°. 

Barrow, Rev. E. P. Biblical geography and an* 
tiquities. A companion to the New Introduction 
to the study of the Bible, 8°. Mit Karten und 
Plänen. London, Iteligious Tract Society, 1872. 

Bartlett, W. H. Walks about the City and En- 
virons of Jerusalem. New edition. London, 
Straham, 8°. 

Be&uvoir, le Comte de. Java, Siam, Canton. 
Voyage autour du monde. Ouvrage cnrichi d’une 
grande carte spociole et de 14 gravures. photogr. 
8 me edition. Paris, Pion, 1873, 456 pag. 18. 

VergL Archiv für Anthropologie, B*l. VI, 8. 36. 

Becker, L. Eine Karawanenreise von Mosul nach 
Aleppo. (Globus, Bd. XXIII, 1873, 172 — 174, 
184—187.) 

Becker, A. Reise nach Baku, Lenkoran, Derbent, 
Madschalis, Kasum, Kont, Achty. (Bulletin de la 
Soci4te im per. des naturalistes de Moscou 1873, 
229 -258.) 



Beilew, H. W. From the Indus to the Tigris: 
a narrative of a journey through the coontries 
of Balochintan, Afghanistan, Khorassan, and Iran 
in 1872. Together with a synoptical grammar 
and vocabulary of the Brahoe language, and a 
record of the meteorological observations and al* 
titudes on the march from the Indus to the Ti* 
gris. London, Trübner, 1873, 8®. 

Bernoville, R. La Souanetie libre et la vallee de 
lTngonr, Caucase. (Bulletin de laSociete de Geo- 
graph. de Paris. Juli und August 1872, 102 — 120.) 

Bischoff, Dr. Th. Aleppo, die Königin des Oriente. 
(Ausland 1872, S. 1053—1055.) 

Blakigton , Capt. T. A Journey in Yeso. Mit 

1 Karte. (Journal of the Royal Geographical 
Society of London, Volume XLII, 1872, 77 — 142.) 

Böhm, Gottfr. Chinesisch» Lieder ans dem Livre 
de Jode von Judith Mendös in das Deutsche 
übertragen. München 1873, 174 S. 32. 

Adventnrus in Bornoo. (Illustrated Travels by 
Bäte«, V. 1873, Part XLIX, 51—58.) 

The Chinese in Bornoo. (lllustrated Travels by 
Bäte«, V, 1873, Part XLIX, 23—26.) 

Börö-Bocdocr op het Eiland Java, afgebeeld door 
on onder toexigt von F. C. Wilsen, met toelich- 
tenden en verklärenden tekst, naar de geschreven 
en gedrukte verhandelt ngen van F. C. Wilsen, 
J. F. G. Brumund en andere bescheiden, bewerkt 
en uitgegeven op last van Z. Exc. den minister 
van Kolonien door C. Leemans. Leyden , E. F. 
Brill, LIX en 667 bl. met XVII uitsl. platen en 
atlas van 393 pl. Gr. Fol. 8°. 

Bovet. La Cochinchine fran^aise. Entretien fait 
k la bibliothöque des ofHcicrs de Versailles, le 
17 Avril 1873 et k la rcuninn dos officiere de 
Paris, le 6 Mai 1873. Paris, Tanora, 1873, 45 
pag., avec carte. 12®. 

Bowen, Herbert Courthope. Mohammedaniam : 
Hs Present Condition aud Influence in Indio. 
London, Macmillan, 1873, 54 pag., 12°. 

Bradshaw’s Handbook to the Turkisb Empire. 

2 Vols. 8°. 740 pag. Londou, Adams, 1872. 

Brandis, Dr. Ou tbe distribation of foreate in 
India. 1 Karte. (Ocean Highways, ed. by Clem. 
Markham, Oct. 1872, 200—206.) 

Brauer. Eine verkommende Hafenstadt in Japan 
(Niegata). (Der Welthandel 1873, 534 — 536.) 

Brenner, Rieh. Maskat. (Petermann’s Mittei- 
lungen 1873, 60 — -62, aus der Priester Zeitung 
vom September and Octobcr 1872.) 

Bretechneider , Dr. E. Briefe eines Kurlanders 
auf einer Reise nach Indien und China. (Rigasche 
Zeitung 1872, Feuilleton.) 



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39 



Verzeiclmiss der anthropologischen Literatur. 



Brittlebank, William. Persia during the Famine: 
A narrative of a tour in the eaat, and of the 
journey out and home. London, Pickering, 1873, 
276 pag. 8*. 

Broadley, A. BL Rains of the Ntilanda Monaa- 
teriee at ßnrgüon. Subdivision Bihar, Zillah Patna. 
With 4 Plates. Calcutta 1872, 24 pag. 

Brooks, W. A. The Euphratee, the road to the 
East, 8°. Mit 1 Karte und 2 Plänen. London, 
Straker, 1872. 

Brunton, B. H. Public works in Japan. Mit 1 
Karte. (Ocean Highways, by CI. Markham, De- 
cember 1872, 276—278.) 

Brüll, Dr. Ad. Trachten der Juden im nachbiblischen 
Alterthuine. Ein Beitrag zur allgemeinen Kostüm- 
künde, IThl. 8®. IV.90Ö. Frankfurt^. Goar 1873. 

Budagow, Lazarus. Lughat i Turki. A compa- 
rative Dictionary of Tnrkish and Tartar Dialekt«, 
comprising the most common Persian and Ara- 
bic termes, with their translation into Kusaian. 
Compüed by — . 2 Vols. X, 810, 466 pag. 8°. 

Büdinger, Max. Aegyptiache Einwirkungen auf 
hebr&iAche Culte. Untersuchungen. Wien, Ge- 
rold’s Sohn, Commis., 32 S. Lex. 8°. 

Ans den Sitzungsberichten der k. Akademie der 
W issenschaften. 

Buez, Dr. A. Une Mission au Hedjaz (Arabic). 
Contributions & Thistoire du choUra. La p^leri- 
nage de la Mecque, les Services sonitaires et lee 
institutions quarantenaires de la raer Rouge, ces 
Epidemie« de cholera de 1865 et. de 1871 — 1872 
au Hedjaz, le commerce des esclave* dans la mer 
Rouge, ethnologie, geographie de la peninstde 
arab., 8®. 185 pag. Paris, Masson, 1873, 

Bulletin de la Classe Historien- Philulugique de 
l’Acadümie Imper. des Sciences de St, Petersbourg 
Tome XIX, St Petersbourg, Eggers e. c., Leipzig, 
Voss. 4°. 1873. 

Enthält unter anderem: B. Dorn, Auszüge aus vier- 
zehn morgenländischen Schriftstellern über das Kaspische 
Meer and die angrenzenden Linder. Fortsetzung 190 
— 215. Schluss 292 — 390. — B. Dorn,, Leber die im 
asiatischen Museum befindlichen Briefe Schamill und 
seiner Anhänger 207 — 282. 

Burton, Cap. B. F. Notes on an exploration of 
the Tulül el Safi, the volcanic region east of 
Damascus, and the Umm Nirtin Cave. (Proceed. 
of the Royal Geographical Society of London, 
Volume XVI, Nr. II, pag. 104—115.) 

Burton, Capt. B. F. and Ch. F. T. Drake. Un- 
explored Syria. Visits to the Lebanus, the Tulül 
ei Safi, the Anti-Lebanus, the Northern LebanuB 
and the ’Alah. 2 Vols. 8°. 670 pag. Mit Karton. 
London, Tinsley, 1872. 

Busse, N. V Die Insel Sachalin und die Expe- 
dition von 1853 — 1854. Ein Tagebuch vom 25. 



August 1853 bis zum 19. Mai 1854. 8°. 164 S. 
St Petersburg 1872. ln russischer Sprache. 

The Caloutta Review, Nr. 113 — 114, July, Oc- 
tober 1873. Ix>udon, Trübner. 

Die Nummer 110, October 1072, enthält: The terri- 
torial Aristocracv of Bengal. Nr. III. — E. V. West- 
mac ott, The biimgepoor Rnj. — A native States- 
man. — Benotnllia Part II. — Belectious front Indian 
Kecords. By J. B- — The 8oct of .The Assassins*. 
By R. D. O. Part II. — The Fatimite (’aliphs. — 
The Bengal Commisaariat. Part. III. — Spelllng of In- 
dian Name». (Independent Beel Jon). — James Ged des, 
nur Commercial Exploitation of the Indian Populations. 
(Independeut leclionn). — The Hindu Cast«*. — Cri- 
tical Notice*. 

jCalvert, J. Vazeeri Rupi. The Silver Country 
of theVazeers in Kulu: Its Beauties, Antiquities, 
and Silver Mine«, including a Trip over the Lo- 
wer Himalaja Range and Glaciers. With irntne- 
rous Illustration«. London, Spon, 114 p. 8°. 

Cameron, A. M. A vinit to Borneo. (Ulnstrated 
Travels, ecL by Bates, IV, 1872, Part XLV, 257 
—267 ; XLVI , 289 — 295; XLVII, 321—328; 
XLVill, 353—361.) 

Carpenter, Bev. C. H. A tour among the Ravens 
of Siam. (Baptist Missionary Magazine. Januar 
1873, 9—16.) 

The Caapian and the region to the eastward. Mit 
2 Karten. (Ocean Highways, ed. by CI. Mark- 
ham, April 1873, 1—5.) 

Cassel , Dav. Geschichte der jüdischen Poesie. 
(Schriften, herausgegeben vom Institut zur För- 
derung der israelitischen Literatur, unter der 
Leitung von Ludw. Philippeon u. s. w., 18. Jahrg., 
1872 — 1873.) Leipzig, L^iner. 

Die Insel Ceylon. (Aus allen Weltthei len, Novbr. 
1873, 55—58.) 

Journal of the Ceylon Brauch of the Royal Asia- 
tic Society 1871 — 1872. Edited by the honorary 
secretary. London, Trübner, 66, XXXIV pag, 8. 

Enthalt unter anderem: the Food Bu&tistic« of 
Ceylon. By John Tappe. Rpecimens of Binh&lese 
Proverb», By L. de Zoyxa. 

Charmoy, Franc. Bern. Cheref-oudine, Cheref- 
N&meh ou Faste« de la nation Kourde. Traduita 
du Persan et commentes par — — , Tome II, 
1 part. St. Petersbourg, Leipzig, Vom, 1873, 
705 S. Lex. 8°. 

Cb esse, J. H. Essai sur lacolonisation en Cochinchine 
et au Cambodge. Paris, Challamel aine, 16 pag. 8°. 

Chick, N. A. In Memoriam: A complete Record 
in a permanent form of all the mournful circum- 
stances, public ceremonies and general expres- 
sion of sorrow and syrapathy, in connection with 
the assassination of the late Earl of Mayo, Vi- 
ceroy and Governor-General of India: to which 
is prefixed a biographical sketcb of Iiis Excel- 



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40 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



lency expressly writtcn for this work. With the 
portrait of the Earl of Mayo and two plates. 
Calcutta 1872, XX, 135 pag. 8« 

China. Commercial reports froni H. MV Consuls 
in China for 1871. Report of Mr. Harvey in the 
coal di stricte in New Chang. NoteB of Conatil 
Atkins on N. E. Mauchuria, and memor&ndum 
on journey to Ninguta. Presented to Parliament. 
8°. London 1873. 

The China Review; or notes and queries on the 
far East. Published evcry two months. Edited 
by N* B. Dennys, Volume I, Nr. 6, May and June 
1873. London, Trübner, 4*. 

Vergl. Archiv für Anthropologie, Bd. VI, lieft 3, 8. 37. 
Content*: Han Wan-kung. By J. Chat m er». — 
The Capture of Chang - chow - fu by Hebels. By 

G. Hughes. — An Hour with a Chinese Roma nee, 
By A. Liater. — Rinico • Ruropaean Similaritiea. 
By F. Hirth. — History of Har. Yang and Hank ow. 
By K. L. Oxenham. — Two Heroen of Chinese Hiatory. 
By J. Legge. — The YangUze Life - boats. By 

H. Kopisch. — ChineNH Muio. By E. Faber. — 
A Chinese Tichborne. — A Poetical Inacription. By 
J. Chalmers. — Rhort Notice*. — Notea and 
Queries on Eastern Mitttfa etc. Die sechste Nummer 
bildet den Schluss von Vol. I. 

Review etc. Vol. II, Nr. 1 und 2, July, August 
and September 1873. 

L'Impero Chinese. Roma e Firenze, tip. Clau- 
diana, 102 pag. con figure, 16. 

Souvenirs de Chine par un Missionaire. 2 edition. 
Roma, imp. polyglotte, 96 pag. 18. 

Illustration» of China and its people. 4°. Vol. I. 
London, Low 1873. 

s 

Daa rechte Ufer der Culturoase von Chiwa. (Tur- 
kestan. Zeitung, vom 12. Juli 1873; ßottger's 
russische Revue 1873, 383 — 385.) 

Zur Orientirung über Chiwa. (Aua „Organ des 
Wiener militär-wissenschaftlichen Vereins“. Mit 
einer lithogr. Tafel in Folio. Wien, Seidel und 
Sohn in Commission, 40 S. gr. 8°. 

Der Feldzug nach Chiwa im Jahre 1873. Feld- 
tagebuch des Obersten Kolnkoltzow von Djisak. 
(Ans der russischen Militurzeitung, Übersetzt von 
General-Lieutenant v. ßlaramberg. Petermann's 
Mittheilungen 1873, 419 — 432.) 

Land und Leute in Chiwa. (Aus dem „russischen 
Invaliden “ in der Augsb. Allgem. Zeitung, vom 
28. April 1873 und in den Mittheilungen der 
geographischen Gesellschaft au Wien, XVI, 1873, 
182 — 186 .) * 

Der Wüstenfeldzug der Russen gegen Chiwa. 
(Ausland 1873, 954—956,965—970,992—996, 
1013—1016, 1024—1028.) 

Cldment. Extrait d’itinerairc de Djedda au Golfe 
Persique. (Le Globe, jouroal de Geographie, XI, 
1872, 132—138.) 



La Cochinchine en 1873. Paris, P. Dupont; 
Challamel uine, 24 pag. 8°. 

La Cochinchine en 1873. (Revue maritime et 
coloniale, Octobre 1873, 153 — 176.1 

Bulletin officiel de la Cochinchine franyaiae 
1869. 2 * edition. Parig. Challamel, 543 pag. 8°. 

Bulletin officiel de la Cochinchiiie fran^aiae 
1871. 2* Edition. Paris, Challamel. 424 pag. 8°. 

Table generale analytique, alphabetique ot chro- 
nologique du Bulletin officiel de la Cochinchine 
frai^aise. De 1861 a 1867 inclug. 2* edition. 
Pari*. Challamel, CLX1J, 249 pag. 8°. 

Coopcr, P. T. The Mishmee Hills. An acoount 
of a Journey made in an attempt to penetrate 
Thibet from Assam, to open new route* for com- 
merce. 8*. 278 pag. 1 Karte. London, King, 
1873. 

Colomb. Slave-Catching iu the Indian Ocean: A 
Recond of Naval Experiences. London, Long- 
mans. 1873, 506 pag. 8®. 

Corea siebe Japan. 

Corea. (Edinburgh Review, Nr. CCLXXVI1I, Oc- 
tober 1872.) 

L& Coree. (Ans der Revue britannique im Jour- 
nal officiol de la Repnblique franyaise, 7 Fevrior 
1873, 917—918.) 

Costa, Isaac da. Israel en de Volken. Overzicht 
van de geschieden» der joden tot op onzen tijd. 
2e druk. Met e«n voorrede van Dr. A. W. Brons- 
veld. le afl. Haprlem, A. C. Krusemann, 1873, 
XII bl. en bl. 1 — 80. 8®. Compleet in 5 afl. 

Cramer, Marine - Prediger. (Jeher die Reise der 
kaiserl. Corvette „Hertha“ insbesondere nach 
Korea. (Zeitschrift für Ethnologie 1873, Heft 
3 und 4. Verhandlungen S. 49 — 57.) 

Crespigny, Lieut. C. C. de. On the rivers Mu- 
kah and Oyah in Borneo. (Proceedings of the 
Royal Geograph ical Society of London, VoLXVU, 
1873, 133.) 

Croizier, le Comte de. Lea intereta europeens 
en Asie. La Perse et leg Persans. Nasr-Eddin- 
Schah. 

Cunningham, Alexander. Archaeological Survey 
of India. Reports for the years 1862, 1863, 
1864, 1865. With Plates and Map», 2 Vols. 
Simla 1871, XLI1I, 359; XLIX, 459 and LllI 
pag. 8«. 

Da&len, H. B. van. De mislukte tocht naar Atjeh. 
Aan wien de schuld? (Overgedruckt uit den 
Java-Bode van 1, 2 en 3 Mei 1873, N. S. 102, 
103 en 104.) Batavia, ’s Hage, van Dorp, de 
erveu Thierry en Mensing, van Doom en Zoon, 
20 bl. 8®. 



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41 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



Dalton, Edward Tuite. Descriptive eihnology 
of Bengal. Illustrated bylithograph portraita co- 
pied from photographa. Printed for the govern- 
ment of Bengal, under the direction of the coun- 
cil of the Aeiatic Society of Bengal. Galcutta 
1872. VI. 327. VI p. and 37 platea with letter- 
press descriptions. 4°. 

De Clercq, F. S. A. De overzijde der Ranojapo, 
Minahasa. 1 Karte. (Tijdschriflt voor Indische 
Taal-, Land- en Volkenkunde, XIX, 6. Serie, Deel 
1, 6. Lfg. 521 — 539.) 

Delitzsch, Friedr. Stadien ül>er indogermanisch- 
aemitische Wurzelverwandtschaft. Leipzig, 113 
S. 8°. Diss. 

Delitseh , Dr. O. Das Reich Kaschgar oder 
Tachity-Schehr. (Aas allen Welttheilen 1873, 
122—126.) 

Demmin, Auguste. Histoire de la oeramique en 
planches phototypiques in&ltörables , a?ec texte 
explicatif. L’Asie, l'Amörique, PAfrique et l’Eu- 
rope par ordre chronologique. Livr. 67 — 83. 
Paris, Renouard, 1873, 21 p. et 33 pl. Fol. 

Derenbourg. Analyse d’un memoire sur l'immor- 
talite de Pame, chez les Hebreux. Academie des 
Inscriptions et Belles-Lettres. Comptes rendues 
des aöftnces de Pannee 1873, Tome I, Jan vier — 
Juillet Paris, impr. nation. 8°. 

Dosgodine, O. H. La Mission daThibet de 1855 
ä 1870, comprenant expose des Affaires Reli- 
gieoses et divers Documenta sur ce Paya, accora- 
pagnee (Tune Carte da Thibet. D’spres lea let- 
ter de M. l’Abbö Deagodins. Verdun et Paris 
1872, N. 419 p. 8®. 

Desgodins, C. H. Lettre« de l’Abbe — a M. 
Francis Garnier. (Bulletin de la Societe de Geo- 
graphie de Paris, Octobre 1872, 416 — 473; No- 
vembre, 525 — 533.) 

Deagodins, C. H. Abböe. Mots principaox des 
languea decertaines tribusqui habitent les bords 
du Lan -tsang - kiang, da Loutze-Kiang et Irra- 
waddr. (Balletin de ln Societe de Geographie 
de Paris, Fevrier 1873, 144 — 150.) 

Dllke, A. W. A visit to Kuldja. (Ooean High- 
ways, ed. by CL Markhain, 1873, 281 — 282.) 

DiwAn Kirpa RAm. Gulsär-i Kashmir. A history 
of Kaabrair, oontaining a deaeription of natural 
productions, manafacturea , old bailding, etc. of 
the valley. In Peraian. Labore 1871, 516 pag. 
Fol. 

Donselaar, W. M. Anteekeningen over het eiland 
8avoe. (Mededelingen van wege het Nedcrland« 
sehe Zendelinggenootschap . 16 Thl. 3. Stnck. 
Rotterdam 1872, 281—340.) 

ArefaW ffc_r Aalfainipolofti«. Bd. TU. Heft 4. 



Dorn, B. Aassüge aas 14 morgenländiiohen 
Schriftstellern betreff, das Kaspische Meer und 
die angrenzenden Länder. (Bulletin de l’Aca- 
demie imper. des acienoes de St. Peterabourg, 
XVII, 466—494 ; XVIII, 299— 320; XIX, 198— 
215; 292—350.) 

Dorn, B. Die jetzigen Kubätschi. Eine Erläute- 
rung zu Abu Hamid el Andaiusy's Nachrichten 
über diesen Volkratamm. (Bulletin de PAcadö- 
mie imper. des Sciences de St. Petersbourg, XVIII, 
1873, 331—336.) 

Die Kubätschi wolnieu im Kaukasus. 

Doudart de Lagree et Garnier. Voyage d’ex- 
ploration en Indo-Chine effectuö pendant les an- 
neea 1866, 1867 et 1868 par une commisaion 
franyaise preaidee par M. le capitaine de fregate 
Doudart de Lagree et pnbiie par les ordres dn 
min int re de la marine, aoua la direction de M. le 
lieuteuant de vaisseau Francis Garnier, avec le 
concoura de M. Delaporte et de MM. Joubert et 
Thorei. (Ouvrage illustre de 250 grav. aur boia 
d’apres les croquia de M. Delaporte et aoeom- 
pagne d’un atlas, 2 Volume». Paris, Hacbette, 
1873, V, 1015 pag. 4«.) 

Douriaboure, P. Lea aauvages Ba-Hnara (Cochin- 
chine orientale). Souvenirs d'un miaaionaire. 
Paria, de Soye, 453 pag. 18*'. 

Down es, E. Kaffiristan. An accoont of thecoun- 
try, language, religion and cuatoma of tbe Stab 
Poah Kaffirs etc. Labore, W. E. Ball, 20 p. 8®. 

Dubrowin, N. Die Geschichte de« Kriegs und 
der Herraohaft im Kaukasus, 3 Bde. Ethnogra- 
phie des Kaukasus und Verzeichnis« der Quellen 
für dieselbe. St. Petersburg 1872. In russischer 
Sprache. 

Dudgeon , Dr. J. Hiatorical aketch of the ecele- 
aiaatical, political and commercial relationa of 
Russia with China. Drawn chiefly from original 
aource«, 8°. 85 pag. Peking 1872. 

Dugat, Gustave. Coara complementaire de göo- 
graphie, histoire et legislation de« etats Musul- 
mans, ä Pftcole apeciale des langues orientales 
vivantea. Le^ou d’oaverture. Paria, Maisonneuve, 
43 pag. 8®. 

Du MesniLMarigiiy. Histoire de reconomie po- 
litiqoe des anciens peuple« del’Inde, de l'Egypte, 
de la Judee et de la Greoe, 2 edition. 2 Volamea. 
Paris, Pion, 1873, 937 pag. 8«. 

Eitel, Emcst J. Baddhism: its hiatorical, theo- 
ntical and populär aspects. In three lectures. 
Second Edition. London, Trübner, 1873, 122 
pag. 8°. 

Elias, Ney. Jouruey of Western Mungolia. (Oceati 
Highways, ed. by CI. Markbatn. Juni 1873, 126 
— 128. 1 Karte.) 

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42 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



Elliot, Sir M. H. Th« hiatory of Indis , a» told 
by its own historians. The Muhammadan period. 
The posthumous papers of the lato Sir H. M. 
Elliot reviscd and continued by John Dowson, 
VoL V. London, Trübner, 'XII, 576 pag. 8°. 

Eist, S. L. W. van der. De toestand van Java, 
in betrekking tot Nederland, zoo als die is en 
ziju kon. Een woord aan mijne landgenooten. 
’s Gravenhagc, Soeraboija, vau ’t llaaff, Gebr. 
Gimberg, 1873, Öen 67 bl. 8°. 

Veralag van eene reis van den Assistent - Resident 
van Denkoelen naar het eiland Engano. Mit 
1 Karte. (Tijdschrift voor Indische Taal-, Land- 
en Volkenkunde, XIX, 7. Serie. Deel 1. 165—200.) 

Euphratos valloy. Reports reapecting commn- 
nication with India through Turkey, by the Eu- 
phrates valley ronte. Presented to Parliament, 
1°. With Mape. London 1872. 

Ewald, H. Abhandlung zur Zerstreuung derVor- 
urtheile über dos alte und neue Morgenland. (Aua 
den Abhandlungen der k. Gesellschaft der Wis- 
senschaften zu Gftttingen. Güttingen 1872. Die- 
terich, 58 S. gr. 4°.) 

Expedition, die kais. k. österreichisch-ungarische, 
nach Indien, China, Siam und Japan 1868 — 1871. 
Zur Erforschung der Handeln- und Verkehrsver- 
hältnisse dieser Länder, mit besonderer Rücksicht 
auf den österreichischen Handel. Herausgegeben 
im Aufträge des kais. k. Handelsministerium in 
Wien von Karl v. Scherzer. 2. Aufluge. 2 — 19. 
(Schluss-)lieforung. Stuttgart, Maier, 1873, S. 49 
— 418 und Anhang 8.1 — 494 mit eingedruckten 
Holseehnitten , 3 Steintafeln in gross 8® und gr. 
4®., wovon 1 colorirte und 1 lithographirte und 
colorirte Karte in Imp. Fol. gross 8°. 

Vergl. Archiv für Anthropologie, Bd. VI, 3, 38. 

Expedition, die preussiachc, nach (Marien. Nach 
amtlichen Quellen. 3. Bd. mit 1 lithographirten 
Karte in Fol. Berlin, von Decker, XI, 426 S. 
Lex. 8®. 

Expedition, die preussiBche, nach (Marien. Nach 
amtlichen Quellen. 4. Bd. init 24 Illustrationen 
(photolith. Tafel) und 1 chromolithogr. Karte in 
Fol. Berlin, v. Decker, VIII, 448 S. Lex 8®. 

Expedition, die preussieche. Ansichten aus Ja- 
pan, China und Siam. Im Aufträge der königl. 
Regierung hcruusgegebcn von A. Berg. 9. und 
10. Heft. 8 Photolithogr. in Tondruck, 2 Chro- 
molithogr. in Oel und 6 Blätter in deutscher, 
englischer und französischer Sprache. Berlin, 
v. Decker, Imp. Fol. 

Vergl. Archiv für Anthropologie, Bd. VI, 39. 

Faber , Ernst. Quellen zu Confucius und dem 
Confucianismus als Einleitung zum Lehrbegriff 
des Confucius. London, Trübuer, 1873, 27 p. 8°. 



Fedtschonko’s travels in Khokand and to the 
upper waten* of the Jaxartes. lilustr. Travels 
by Bates, Volume V, 1873, Part LIX, 332 — 336. 

Ferguson , Dr. J. On Uiouen - Thsaug’s journey 
fron» Patna to Ballabhi. (Journal of the Royal 
Asiatic Society of Great Britain and Ireland. N. 
S. VI. London 1873.) 

Flex, Oac. Pflanzerleben in Indien. Culturge- 
schicbtliche Bilder aus Assam. Mit 1 Abbildung 
(Holzschnitte). Berlin, Nicolai's Verlag, IV, 258 
S. 8°. 

Forbes , A. Gruar. The empirs and cities of 
Asia. With a map. London, Virtue, X, 349 p. 
8®. 1873. 

Fra&B, Dr. O. Der Berg Sinai. Eine Schilderung 
aus eigener Anschauung. (Ausland 1873, 921 — 
924, 949—954.) 

Fritsche, H. Reise iu der Mongolei. In russischer 
Sprache. (Iswestija der kaiscrl. russ. geographi- 
schen Gesellschaft, Bd. IX, 1873, Nr. 8. Verhand- 
lung der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 
1873, 78—84.) 

Fritache, H. Ergebnisse einer Reise durch die 
östliche Mongolei. (Verhandlungen der Gesell- 
schaft für Erdkunde zu Berlin 1874, 27—32.) 

Fryer riehe Roe. 

G&nneau, A. Dücouvertc de la ville royale cha- 
naneenne de Gezer. (Bulletin de la Societe de 
Geographie de PariB, Janvier 1873, 94 — 97.) 

G&rcin de Tassy. La Langue et la littärature 
hindoustanies en 1872. (Revue annuelle. Paris, 
Maisonneuve, 109 pag. 8®.) 

Garnier, Lieut. Francis. Voyage d’exploration 
en Indo-Chine. (Schluss.) (Le Tour du Monde, 
XXV, 1" semestre 1873, 273—368.) 

Vergl. Archiv für Anthropologie, Bd. IV, 3, 39. 

Garnier siehe Doudart. 

Ga w ler, Colonel J. C. Sitkim. With hints on 
mountain and jungle warfare. Exhibiting also 
tbe f&cilitas for opening commercial relations 
through the state of Sitkim , with Central - Asia, 
Thibet and Western China. Despatches, publis- 
hed by permission of the right hon. the aecre- 
tary of state for India. With maps and illustra- 
tions. London, Stanford, 112 pag. 8®. 

Gerdes, E. Naar Jerusalem en het heilige Land. 
Met platen en k&arten. Nieuwe (titel) uitgave. 
le en 2e all. Amsterdam, H. de Hoog en Co. 
2 bl. en bl. 1 — 128 met een gekl. gelith. plaat 
en uitsl. Kaart. 8°. Compleet in 15 Afl. 

Gordesson, L. E. Vijf jaar gedetacheerd. Indische 
schetsen. Amsterdam, P. N. van Kämpen eo zoon. 
1873. 12—404 hl. met titelplaat. 8®. 



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43 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



Gerlach, A. J. A. Atjih en de Atjinezen. Be* 
knopt overzicht van onze bßtrekkingen tot dat 
rijk, sedert de veatiging der Nedorlanders in den 
Oost - Indischen Archipel. Met een schets van 
Atjih-hoofd en de omgeving van den Kraton. 
(Overgedruckt uit de Tijdapiegel). Arnhem, D. 
A. Thieme, 1873. 2 en 100 bl. met een kleen 

gelithogr. Kaart. 8°. 

Gibbon, Edward and Simon Ookley. The Sa- 
racons : t her history and the rise and fall of their 
empire. (Chandoe Classics). Warne, 460 p. 12°. 

Giglioli, E. H. Odoardo Beocari ed i sooi viaggi 
in Borneo 1865 — 1868. (Nuova Antologia di 
ecienze, lettere ed arti. Sept, 1872, 119 — 160.) 

Giordano, Prof. P. Note sul Kanscinginga. Cos- 
raoB di G. Cora 1873, 173—176. 

Giquel, Proapor. La Politique fran^aise en 
Chine depuis lea traitea de 1858 et de 1860. 
Paris, Guillaumin, 1873, 74 pag. 8*. 

Gmelin, Mor. Prdr. Christensclaverei und Re- 
negatenthum unter den Völkern dea Islam. Samm- 
lung gemeinverständlicher wisse nschaftlicher Vor- 
träge, herausgegeben von Vircho wund v. Holtseu- 
dorff. 190. Heft- (8. Serie, 22 Hefte). Berlin, 
Lüderitz, 1873. 

Archivo da rela^ao de Goa, contendo varios docu- 
raentoe dos seculos XVH, XVIII e XIX, atö a 
organisaQao da nova vela^äo pelo dareto de 7. 
de dezembro de 1836. Por Joeö Ignacio de Avran- 
ches Garcia. Seculo XVII, 1601 — 1640. Nova- 
Goa 1872, V, 486 pag. 8°. 

Goldsmid, Major - Goneral Sir F. J. Joumey 
from Bundcr Abaas to Mas’had by Sistan, with 
some aoeount of the lastnamed province. (Pro- 
ceedings of the Royal Geographical Society of 
London 1873, XVH, 86—92.) 

Goldziehr, Ign. Beiträge zur Geschichte der 
Sprachgelehrsamkeit bei den Arabern. II. Wien, 
Gerold's Sohn, Commiss. 47 S. Lex. 8°. (Aus 
den Sitzungsberichten der kais. k. Akademie der 
Wissenschaften.) 

Gondon, Jules. L’Empire du Japon ouvert au 
christianisme et ä la civiliaation europeonne. Pa- 
ria, Berche et Tralin, 1873, 16 pag. 8°. 

Gramberg, J. S. G. Eene maand in de binnen- 
landen van Timor. Mit 1 Kart«. (Verhandelin- 
gen van het Hata viaaach Genootachap van Kün- 
sten en Weetenschapen, XXXVI. Batavia 1872, 
161—217.) 

Gregorii Barhebraii Chronicon ©cclesiasticum 
quod e Codice Musei Britannici descriptum con- 
juncta opera ediderunt, latinitate donarunt, an- 
notationibusqne theologicis, historicis, geogra- 
phicis et archaeologicis illustrarunt Joannes 



Baptista Abbeloos et Thom. Joseph. Lamy. Tom. 
I. Lovanii 1872, XXXII, 228 pag. 8». 

Grill. Ueber das Verhältnis* der indogermanischen 
und der semitischen Sprach wurzeln. (Zeitschrift 
der deutschen morgenl&ndischen Gesellschaft. 
Herausgegeben von den Geschäftsführern unter 
der verantwortlichen Redaction von L. Krehl. 
Leipzig. Brockhaua, Comm., 27. Bd. 1873.) 

Grinnell, W. Joumey through eastern Mant- 
chooria and Korea. (Journal of the Americ. Geo- 
graphical Society of New-York 1872, Volume IU, 
285—299.) 

Griffln, Lepel H. The Rqas of the Punjab; 
being the history of the principal States in the 
Punjab and their political relations with the Bri- 
tish Government. Second edition. London, 
Trübner, XIV, 630 pag. 8°. 1873. 

Vergl. Archiv für Anthropologie, Bd. VI, Heft 3, 40. 

Grotcmoyer, Herrn. Joseph. Ueber die Ver- 
wandtschaft der indogermanischen und semiti- 
schen Sprachen. II. Theil. Nominal -Flexionen. 
Kempen, Programm. 26 S. 4°. 1873. 

Vergl. Archiv für Anthropologie, Bd. VI, Heft 3, 40. 

Grünstein, J. Timor und die Timorianer. Nach 
dem Portugiesischen de A. de Castro. (Aus al- 
len Welttheilen, Deoember 1872, 88—89; Fe- 
bruar 1873, 131—134.) 

Guar&m&ni, Carlo. GlTtaliani in Terra Santa. 
Bologna, tip. Fava e Garagnani, XII, 436 pag. 8°. 

Guimot, Emile. Arabes et Kabyles; pasteurs et 
agriculteurs. Lyon. Impr. Vingtrinier. 26 p. 8*. 

Haborsham, A. W. My Last Cruise. Where we 
Went and What we Saw. An Account of Visita 
to the Malay and Loo-Choo Inlands, the Coaats 
of China, Formosa, Japan, Kamtschatka, Siberia 
and the Mouth of the Amoor River. Interspersed 
with Amnsiug Incidents and Exciting Adventurea. 
Illustrated with Steel Plate« and Woodcuts. New 
Edition. Philadelphia 1873. 8°. 

Die Insel Hainan. Mittheilungen der kaiserL 
königl. geographischen Gesellschaft zu Vi ien 1873, 
XVI, 498 bis 504. 

Halövy , J. Quelques observations aur Porigine 
de Palphabet phenicien. Academie des Inscrip- 
tions et Beiles- liOttrea. Comptes rendus des seanocs 
de Pannee 1873, 4 serie, T. 1. Bulletin deJanvier 
k Juillet. Paris impr. nationale, 8*. 

Halövy, J. Voyage au Nedjran. 1 Karte. Bulletin 
delaSoc.de göograph. de Paris. Juli 1873, 15— 
31 September, 249 bis 283; Deoember, 580 bi» 
606. 

Halövy, J. La notion de Pimmortalite de Pinie 
dans Pinscription d’Eschmounazar. Ebendaselbst 
6 * 



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44 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



Halevy, J. Rapport sar um* miesion archcologique 
dan» le Yemen, 8®. Paris und Frankfurt, Baer, 
1878. 

Bildet auch die 2. Lieferung des 7. Theils der Ar- 
chive* des missions scientifique« ct litterairea. 

Halevy, J. I)e quelques nom propres geogr&phique 
qui se rencontrent daus leg ineeriptiong sabeennes 
recemment apportees du Yemen. (Bulletin de la 
moc. geogr. de Paris. Febr. 1873, 181 bis 185.) 

Hamy, £. T. Leg Negritos a Formose et dans 
l'archipel Japonais. Paris, Imp. Hennuyer, 16 p. 
8°. 1873. 

Hamy, B. T. Kote gur leg Travaux de M. Janneau 
relatifs a lanthropologie du Cambodge. Ibid. 

10 p. 8«. 

Hanomann, Fr. Die Entdeckungsgeschicht© der 
nördlichsten Gebiete von Asien zwischen Lena 
und Jenissei, 1734 bis 1866. Geographie und 
Erforschung der Polarregionen , Nr. 78. Nebst 
Karte. 

Mittheilungen an» Junta* Perthes geographischer 
Anstalt-, Bd. IV, 1873, S. 9 bis 21. 

Hann, Dr. J. Klima des südlichen China. (Zeit* 
gchrift der österreichischen Gesellschaft für Me- 
• teorologie 1873.) 

Hohn, Victor. Culturpflanxen und llausthiere 
in ihrem Uebergang aus Asien nach Griechenland 
und Italien sowie in das übrige Europa. Histo- 
risch-linguistische Skizzen. 2. umgearbeitete Auf- 
lage, Berlin, Borntraeger, 1874, 8°. 

Holno, W. Japan und seine Bewohner. Vortrag. 
(Mittheilungen der geographischen Gesellschaft 
in Wien 1873, 97 bis 114.) 

Heine, W. Japan. Beiträge zur Kenntnis« des 
, Landes und seiner Bewohner, 1. Abtheilung, 

1. u. 2. Lieferung, Berlin, Bette. Fol. 

Heine, W. Japan u. s. w. 3. Lieferung. Dresden. 
(Berlin , Bette. — Leipzig , Brockhaus , Part.) 
5 Photographien mit 5 Blatt Text Imp. Fol. 

Hellwald, Fr. ▼. Des Kafir Jamshed Erlebnisse 
und Wanderungen in Central -Asien. (Ausland 
1873, 661 — 665, 691—695.) 

Hollwald, Friedr. v. Die Hussen in Centralasien. 
Eine Studie über die neueste Geographie 
und Geschichte Centralasiens. Augsburg, VII, 
238 8. 8°. 

Henderaon, G. and Allan O. Hume. Lahor© to 
Yarkand. Incidents of tbe Route and Natural 
History of the Count ries Traversed by the Ex- 
pedition of 1870. London, Reeve & Comp., 1873, 
Col. plates. 

Heraon , Capitain. Notes sur l’ile de Phü-quö’c 
et les iles environnantes. (Revue marit. et colonial., 
Nov. 1873, 552—560.) 



Die nordwestlichen Hochthftler des Himalaya 
(Ausland 1873, 630—633.) 

Hirth, Dr. F. Die Chinesische Provinz Koang-tung. 
Begleitworte zur Map of the Province of Kuang- 
tung. (Petennann’s Mittheilungen 1873, 258 — 
270.) 

Hill, John. Geograph}' of India, topographical 
and descriptive. Compiled from the latest and 
most authentic sources, with physical and political 
maps of Hindustan and appendix. London, H. S. 
Hing, 1873, 140 p. 12°. 

Höchste tter, Fr. v. Die Verkehrsverhältnisse am 
Ural und die Uralische Eisenbahn. (Mittheilungen 
der geographischen Gesellschaft in Wien 1873, 
145—162.) 

Hodder, Edw. On Holy G round; or, »eenes and 
incidents of the Land of Promise, London , Nim- 
mo, 1874. 8«. 35, 8 p. 

Hoffmann, F. G. Atchin. Verhaal der expeditin 
in 1857 beschreven. Nijmegen, H. C. A. Thieme ; 
1873, 24 bl. 8®. 

Home, Ch. Notes of a naturalist in the North- 
western Provinces of India. Illustrated Travels, 
ed. by Bates , N. 1872, Part XL1, 134—139; 
Part XLIII, 205—211; Part XLVI, 298—299. 

Homo, Ch. A naturalists ramble in the Sub- 
Himalaya. Ebendaselbst, Part XLVII, 329—332. 

Hughos, T. F. Visit to Tok-e-Tok, chief of the 
eighteen tribes, Southern Formosa. (Proceedings 
of the R. Geogr. Soc. Vol.XVI, 1872, 265—271.) 

Hugues, L. I possedimenti russi nell 1 Asia centrale 
e settentriouäle. Cosmos (von Cora), 1873. 

Humbert, Airae. Japan and the Japanese. Trans- 
lated by Mrs. Cashel Hoey and edited by A. W. 
Bales. Illustrated. London, Rentley« 1873. 394 
p. 4®. 

Hume siehe Henderson. 

Hunter, W. W. Statistical account of tbe provinces 
of Bengal. London, Trübner, 1873, 6 vols. 8®. 

Jacobi, Herrn. De Astrologiae Indicae, „Horä u 
uppellatue, originibus. Accedunt Laghu-Jätaki 
capita inedita III — XII. Bonnae 47 S. 8®, 1873. 
Dies. 

Jacolliot , Louis. Les moeurs et les femmes de 
Textreme Orient Voyage aux pays des bayaderes. 
Illustrations de Rion. Paris, Dentu, 400 p., 8®. 

Jagor, F. Reisen in den Philippinen. Mit zahl- 
reichen Abbildungun und einer Karte. Berlin, 
Weidmann’sche Buchhandlung, 1873, XVI, 381 S. 
gr. 8®. 

Edncation in Japan. A series of lettres addressed 
by prominent Araericana to Arinori Mori, Japanese 
Minister. New-York 1873. 12°. 



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45 



Verzeichnis« der anthropologischen Literatur. 



Japan einst and jetzt (Ausland 1873, 332 — 336; 
3S0— 354; 364—367.) 

Japan und Korea. (Evangelisches Mission» Maga- 
zin, Basel, Juli 1873, 262—289.) 

1) Di« inneren Schwierigkeiten Japan«. 2) Die 
Verwickelungen mit Korea. 3) Die Midien in Korea. 
4 ) Dm Lehen in Korea. 

Java. Tooneelen uit het levcn, karakterschetsen 
en Kleedertrachten van Java’s bevrouers in af- 
beelrlingen uaar de natunr geteekend door 

E. Hardouin, met tokst van W. L. Ritter en een 
voorwoord van M. T. II. P.erelaer. Leiden, A. W. 
Sijthoff, 12 en 165 bl. met 16 chrotnolitho- 
graphien. 4. in Linnen verguld op snee. 

VergL Archiv für Anthropologie, Bd. VI, 40. Da* 
Werk i*t jetzt vollendet. 

Colonizzazione dell’ iaola Jeao. (Cora’s Cosroos 
1873, 86 — 89). 

The Indian Antiquary. A jonrnal of oriental 
reee&rch in archaeology, bistorv, literature, lan- 
guages, philosophy, religiou , folklore etc. Con- 
taining Papers by J. Beames etc. Edited by 
James Bürgers. Part 10 — 12. October — Dtieember 
1872. Bombay. 

Vergl. Archiv für Anthropologie, B<L 111, Heft 3, 
S. 41. — Part 10 enthalt unter anderem: V. Ball, 
Stone Monument* in Singhbhum Chotä Nagpur. — 
W. P. Sinclair, The Cave* of tht Brazen Gien, and 
other remain* about Mauje Patna. Khandenh. — 

F. 8. Growae, Sketche* of Mat hum. IV. Barsaua and 
Nandganw. 

The Indian Antiquary. Part 13, Vol. II, Nr. I. 
January 1873. 

Enthält unter anderem: J. Beames, Cliaitanya aud 
the Vaizhnava Poet* of Bengal. — J. 8. G. Mackenzie, 
On the Rüde Stone Archaeology of Hassan District. — 
E. W. West, Note« on Witeheraft and Demonology 
in Gujarat. — The Canarese Country compaml with 
the countrie* adjacent to it. Tranalated by F. Kittel. 

— The same, Notes conceming the Numeral* of tlie 
Ancient Dravidiant. 

Part 14, April 1873, enthält u. a.: On the Rules 
which govern Kanareae Poetrv. By J. 8. F. Macken- 
zie. — Service Tenures in Ceylon. — Archaeology of 
Maisur. 

Part 17, Mai 1873, enthält u. ».: Note* on a Budd- 
hist Cave at Blianier, Khandeah. By W. F. Sinclair. 

— Lebend* of the Menhirs of Maisur. By P. N. 
N arasimmiy encar. 

Part 21, Vol. II, September 1873, enthält u. a.: 
On the Antiquities of the Ramgarh Hill. By V. Ball. 

— Mount Abu. By J. Rowland. — Note on Abu 
Inscriptions. By the Editor. — Morbi Copper-plate. 
By Ramkrishua Gopal Bhandarkar. — Bengali Folk- 
lore. By G. H. Damant. 

Part. 22, October 1873, enthält u. a, : Nilgiri Anti- 
quites. Bv M. J. Walhouse. — Musalman Ketnains 
in the Konkan. By A. K. N&irne. 

Part 23, November 1873, enthält u. a. : Legend* of 
the Earlier Chaudäxamas of Junägadh. By J. W. 
Watson. — Musalman Remains of the 8. Konkan 
(Part 2). By K. A. Nairne. 

Regerings - Almanak voor Nederlandach IndiÖ 



1873. Batavia, Landsdruckerij. (*a Gravenhagt», 
Mart Nijboff)» XXXII, 712 en CXCII1 bl. 

Letters from India and Kashmir, w ritten 1870; 
illustrated and annotated 1873, 8 # . 252 p. Lon- 
don, Bell, 1874. 

Indian. Anny and Civil Service Li»t. January 
1873. London, W. H. Allen, 12°. 

Pickings from old Indian Book*. London, Trüb- 
ner, 1873, 300 pag. 12“. 

Stemmen uit Indiö. Yraagstukken van den dag 
door C. E. van Kestcreo en anderen. V. Sama- 
rang, de Groot, Kolff en Co., 1872. 2en71 p. 8°. 

Cyclopacdiu of India and of Eastem and Southern 
Asia, oommercial, industrial , aud scientific : pro* 
ducts of the mineral, vegetable and animal king- 
doms, uteful ort« and manufactures. Edited by 
Edw. Balfour, Seoond Edition. Five volumes. 
London, Trübner, 1878, 1157, 937, 996, 931 
and 1198 pag. 8 U . 

Nederlandach Oost-Indiö en het Nederlandach 
zendeling genootschap 1797 — 1872. Uitgegeven 
bij gelegenbeid van het 75jährig best&an de« 
genootschap«, Rotterdam, M. Wijt en Zonen. 
1 bl. gr. fol. in hont gegr. tekst 48 bl. 8*. 

East-India. Statistical Abstract relating to Bn* 
t iah India 1863 — 1872. 8*. Parliamentary Pap n 
1873. 

Eaat> India. Statement of the Moral and Material 
Progress and Condition of India 1871 — 1872. 
With Map*. Parliamentary Pap., 1873. 

Ein primitives Naturvolk in Indien, die Dschuan- 
gas. (Globus, Bd. XXIV, 1873, 252—254.) 

Nach Dalton. 

Johnson, Samuel. Oriental Religion» and their 
Relation to Universal Religion. India. Boston, J. R. 
Osgood; London, Trübner, 1873, VIII, 802 p. 8*. 

Jonge, J. K. J. de. De opkomst van het Neder- 
landsch gezag in Ost - Indie. Verzameling van 
ouuitgegeven ntukken uit het oud-koloniaal ar- 
chief. Uitgegeven en bewerkt. 6e de«), ’s Gra- 
vunhage, Amsterdam, Martin us Nijhoff, Frederik 
Müller, XII, CXX, en 221 bl. 8«. 

Afzouderlik onder dem titel: de opkomst van bet 
Nederlandeu gezag over Java. Verzameling van 
ouuitgegeven stukken uit het oud- kolonial archief. 
Uitgegeven en bewerkt door J.K. J. de Jonge. 3e dL 

From the Nil to the Jordan. Monuments of the 
Exodus of the Israelit«. Illustraterl by 14 auto- 
type views after David Roberts, 8*. London, 
Seeley, 1872. 

iBwestija der kaiserl. russischen Geographischen 
Gesellschaft, Bd. VII, Nr. 9, Januar 1878; Bd. 
VIII, Nr. 2—8. St. Petersburg 1872 -1873. In 
russischer Sprache. 



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46 



\ erzeieliniss der anthropologischen Literatur. 



Di« vorliegenden Hefte haben meint geographisch - 
naturwissenschaftlirhen Inhalt. lieft 5 U. a: Dan 

Klima der Stadt Akmolinsk von A. Wojeikon*. 
Heft 6. Uramtai, nach den Memoiren ein«}« chin**ischen 
exilirteu Beamten. — Novitäten der chineniaelien 
Literatur ; fortgesetzt Heft 8. Ebenda*. Japans aus- 
wärtiger Handel im Jahre 1871. lieber die neue Ein* 
theilung deB asiatischen Russlands , beide« von W en- 
jukow. 

Iswestija der kaiserl. russischen Geographischen 
Gesellschaft, Bd. IX, Nr. l y 3 und 4. St. Peters- 
burg 1873. ln russischer Sprache. 

Enthält ti. a. : Einige Werke über den Kreis Hami, 
nach alten und neuen chinesischen Quellen, von 
H. W. Upenaky. — Wenjukow, Uber de» molianunwda- 
iiisclieu Aufstand in den russisch-chinesischen Grenz- 
Undern während der Jahre 1870 bis 1872 (Miscelle). — 
fttebuitxky, Bericht über das trockene Fluasbett des 
Amn-Darja. — Poltoratzky , Nachrichten ül**r den 
BuddimUff mit dam westlichen China. — Nac h- 
richten über das Klima von Turkistan. 

Iswestija der kaiserl. russischen Geographischen 
Gesellschaft, Bd. VIII, Nr. 9; Bd. IX» Nr. 2, 6 — 
10; Bd. X, Nr. 1 und 2. St. Petersburg 1873 
— 1874. In russischer Sprache. 

Enthält u. a. : Die erste Volkszählung in der Kir- 
gisen- Steppe. Forschungen der Engländer in Tibet. 
Reise von Elias durch die Mongolei. Physische, geo- 
graphische und ethnographische Untersuchungen im 
Gouvernement Olonez. Metschnikow, Bemerkung 
nlier di« Bevölkerung der Kalmykensteppe. Paderin, 
Leber Karakorum und andere Ruinen. Krause, Ueber 
Landwirthschaft in Chiwa. Kahn, Reise im Ch&nat 
C’hiwa u. s. w. 

Iswestija der kaukasischen Abtheilung der 
kaiserl. russischen Geographischen Gesellschaft. 
Herauagegeben von Dr. J. Kowaienski. 8°, Bd. I, 
1872, Nr. 3 — 6. Tiflis. Id russischer Sprache. 

Enthält u. a. : Die Lieder der Turkmenen und ihr 
Dichter Machdum-Kuli (mit Proben). — Die alten 
Gräber Dagestans. — Auffindung einer Feuerstein- 
Säge im Verwaltungsbezirk Trialet, im Dorfe Knatsch i. 
Archäologisch« iForschuugen im Tiflis- Kreise. — 
Bruchstücke au* dem Reisejouraiü dt* UlK*r*teu 
Tschirikow, von Btehuitxki: 1) Bemerkungen .über 
Henne und Kurdistan; 2) Reise nach Babylon, N«d- 
■ohef und Kerbels; 8) Reise nach Ispahan. — Aus 
G. Rad de’» Reisenotisen (Besteigung des Ararat). 

Die Rapiski der kaukasischen Abtheiluug der rus- 
sisch technischen Gesellschaft, IV. 1811 bis 1812 ent- 
hält il. a.: üeber die Bewässerung des nördlichen Kau- 
kasus, von Romanow; über die Irrigation in Trans- 
Kaukasie» von K. N. Frolow; über die Bewässerung 
in Trans-Kaukasieu , von Wcissenliof. — Stebnitzki, 
Vergleichende Beschreibung dar aus Europa nach 
Indien vorgeschlagenen , den Kaukasus umgehenden 
Wege (nebst Karte). — M. N. Ghersewanow , Ver- 
gleich der vorgeschUgeuen Richtungen der Eisenbahn 
zur Verbindung Transkaukasiens mit Russland. 

Iswestija der kaukasischen Abtheilung der kais. 
russischen Geographischen Gesellschaft. Heraus- 
gegeben von l)r. J. Kowaienski. Zusatz zu Nr. 
6 von Bd. I und II, Nr. 1, 8*. 31 und 48 S. Mit 
einer Karte. Tiflis 1873 — 1872. In russischer 
Sprache. 

Enthält u. a.: J. Btebnitzky , Bericht über die 
Reise in den transkaspischen I*änd«m im Jahre 1872. 



— Sievern, Bemerkungen über die Natur der Trans- 
kaspischen Steppe. — Gr. K. Kronhelm, Ueber die 
Tropfstein-Höhle bei Huchum. 

Iswestija der kaukasischen Abtheilung der kais. 
russischen Geographischen Gesellschaft- Heraus- 
gegeben von Dr. J. Kowaienski. Bd. II, Nr. 2, 
1873. 

Kurze Beschreibung einer Reise im Gebiete von 
Achalzich, 1872 u. s. w. Kapiaki der Kaukasisch. 
Section der kaiserlich, russischen geographischen 
Gesellschaft. Tiflis, (ln russischer Sprache). — Stöb- 
nitz ky . Bemerkungen über Turkmenien. — Radde, 
zwei Berichte über seine Reisen im Kaukasus. — 
A. W. Kromarow, Ethnographische Karte des Dage- 
stan u. s. w. 

Jupti, Ford. Ein Tag aus dem Leben des Königs 
Darius. Sammlung gemeinverständlich wissen- 
schaftlicher Vorträge. Herausgegeben von Uud. 
Virchow uud Fr. von Holtzendorff, 178. Heft. 
(8. Serie, 10. Heft). Berlin, Liideritz, 1873, 32 
S. 8°. 

Justi, Ford. Note snr les mot« etrangers en Kurde. 
(Kevne de linguistique et de philologie comparee 
par Ab. Hovelacque, VI, 1, 2.) 

Through Jyntoealand. lllustrated Travels, ed. 
by Gates, 1873, Part LIV, 180—183. 

„Die •Tyntias sind wie die Kbassias ein unabhän- 
giger Stamm im Osten der Bengalischen Ebene*. 
Petermann. 

Sagas from tbe Far East: or Kalraouk and Mon- 
golen Traditionary Tales. With Historica) Preface 
and Kxplanatory Notes, by Author of Patranas. 
London. Griffith and Farran, 1873. 438 p. 8°. 

Kaufmann, Gteneral-Adjutant v. Brief aus Ari- 
stan-bel-buduk, 7. — 19. April 1873. (Verhandlung 
der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 1873, 
3—9.) 

Kennan , O. The mountains and monntaineers 
of the Eastern Caucasns. (Bulletin of the American 
Geogr. Soc., 5. und 16. Dec. 1873.) 

Kern , H. Over de Jaartelling der Zuidelijke 
Buddhisten en de Gedenkstukken van A^oka den 
Buddhist Amsterdam 1873, 120 p. 4°. 

Kern, H. Over eenige Tijdstippen der Indische 
geschiedenis. Amsterdam 1873, 36 p. 8 Ü . 

Kerr, James. The land of Ind; or glimpaes of 
India. London, Locgmans, 1873, 280 p. 12°. 

Khanikoff, Nicolas de. Les Docoments sur le 
Khanat de Khiva. Abbeville, imp. Jiriez, Paillard 
et Retaux, 15 p. 8 U . 

Auch im Bulletin de la Societe de Geographie de 
Paris. Man 1873, 282—294. 

Kiepert, R. Lic. Weser’a und Shapira’s Reise nach 
Moab. Nach brieflichen Mittheilungen des Herrn 
Dr. O. Kersten. (Zeitschr. der Gesellschaft für 
Erdkunde in Berlin, VIII, 1873, 210—217.) 



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Verzeichniss der anthropologischen Literatur. * 47 



Kluppel. Do Solor - Eilanden. (Tijdschrilt vor 
Indische Taal-, Land- en Vclkenkunde, XX, Lfg. 4 
und 5, 378—398.) 

Die Ausgrabungen in Kleinasion. In Ephesus 
und Priene. Mit Plan von Ephesus. (Globus, 
XXIII, 1873, 49—55.) 

Kohn, A. Die Karagasen des kleinen Altai-Gebirges. 
Eine sibirische Erinnerung. — Die Tunguscn in 
Sibirien. (Globus XXIV , 1873, 55, 58. XXV, 
1874, 119—121, 136—138.) 

Die Halbinsel Korea und die Koreaner. (Globus 
Bd. XXIV, 1873, 9, 129—135; 145—152.) 

Kr&hmer, Hauptmann. Die Eroberungen der 
Hussen in Central- Asien, das russische Turkustan 
und dessen Beziehungen zu den Nachbar-Chanaten. 
Mit 1 Karte in 1 : 5 800 000. Beiheft zum Mi- 
litürwocheublatt. Berlin 1873, 99 — 138. 

Kropotkin, P. Bericht über die Olekraa-Witimsche 
Expedition, ausgerüstet 1866 von Olekminskischen 
Gold Wäschern mit Unterstützung der Sibirischen 
Abtheilung der Geographischen Gesellschaft, zur 
Untersuchung eines Weges zwischen dem Nert- 
Bchinskischen und Olekminskischen Kreise, 717 8. 
2 Karten und 3 Tafeln. St. Peterbnrg 1873, 8®. 
ln russischer Sprache. 

Die Landschaft Kurg in Südindien. (Ausland 1873, 
426—429 ) 

Langerhans, Dr. P. Beiträge zur anatomischen 
Anthropologie. (Zeitschrift für Ethnologie 1873. 
26 — 32. Mit 4 Tafeln, Porträts von Kurden, 
Armeniern und Negern.) 

Lans, P. C. en A. Guyot. Land- en zoekaart 
der Banda Eilanden. 2 Bl. Chromolith. ’aGraven- 
hage, Smnlders 1871. 

Larivo, W. J. Eenige aanteckeningen, gehouden 
op een reiaje naar en door de bovenstreken van 
Kota Piuang. (Tijdschrift voor Indische Taal-, 
Land- en Volkenkunde, XVIII, 6 Serie, Deel 1, 
240-381.) 

Lassen , Chr. Indische Alterthumskunde, 2 Bd. 
Geschichte von Buddha bis zu dem Ende der 
älteren Gupta- Dynastie. Nebst Umriss der Cultur- 
geschicbte dieses Zeitraumes. Zweite vermehrte 
und verbesserte Auflage. Mit 1 Karte von II. 
Kiepert (Kupferstich in Folio). Leipzig, Kittier, 
XVI, 1238 S. Lex. 8. 

Lawrence, C. W. Journcy from Kijoto to Jodo 
by the Xakasendo road. (Proceedings of the 
H. Geogr. Soc. of London. Vol. XVII, 1873, 80 
-81.) 

Leitner, G. W. Results of a tour in Dardistan, 
Kashmir, little Tibet, Ladak, Zanskar etc. In 
five volumes. Vol. I. The languages and races 



of Dardistan. Part III. Legendi, riddles, proverbs, 
fahles, customs, songs, religion, governmeut and 
divisions of the Shina Kare. History of the en- 
croacbments of Kashmir on Dardistan. London, 
Trübucr, VI, 110 p. 4°. 

Lenormant, Franqois. Le Delugo et l’Epopco 
Babylonieune. Paris 1873, 43 p. 8®. 

Lenormant, Francois. Lettres assyriologiqne*. 
2 Serie. Etudes aca4lienne!*. T. 1, 1 et 2 partie». 
Paris, Mai&onneove, 350 p. 4°. 

VergL Archiv für Anthropologie, Bd. VI, Heft 3, 
8. 44. 

Lenormant, Franpois. Essai snr un document 
mathematique chaldeen et a cette occasion , sur 
le Systeme den poids et mesures de Babylone. 
Paris, Levy, 1873, 168 p. 8®. 

Lenormant, Francois. Sur l’existence de l’elepbant 
dans la Mexopotamie au XII siede avant l’ere 
chretienne. Acad. des Inscriptions et des helles 
lettres, 1873, T. 11. 

Leonowens, Mrs. Anna H. The Homance of 
Siamese Harem Life. With 17 Illustrations. 
Boston and London 1873, VIII and 278 p. 8®. 

Lereh, P. Khiva oder Khärezm: seine historischen 
und geographischen Verhältnisse. Mit einer 
lithographischen Karte von Khiva. St Peters- 
burg, Köttger, 1873, 56 p. gr. 8®. 

Leasops, F. de. Uhemin de fer central asiatic. 
Documenta. (Le Canal de Suez, Bulletin decadaire. 
22. August 1873.) 

Linden, H. O. van der. B&uda en zijne bewoners; 
Opgedragen aan Z. Kxc. den Minister van Kolo- 
nien. 8°. 77 p. Dordrecht, Blosae, 1873. 

List. Indian army and civil servioe. Juli 1873» 
London, A. W. Allen, 12®. 

Low, Lieutenant C. R. Knjpootuna, herprince« 
and peoples. Illuwtr. Travel«, cd. by Bäte«, Vol. V, 
1873. 

Lyons, F. A. Adventurea in I.azeatan. (Illnstrated 
Travels, ed* by Bates, IV, 1872, Part XLin, 
212-216; Part XLIV, 225 227, Part XLV, 

279—281.) 

Macarius of Antioch. Patriarch and the Tsar. 
Testimonies Concerning the Patriarch Nicon, the 
Tsar and the Boyars , from the Travels of the 
Patriarch Macarius of Antioch, w ritten in Arabie. 
By his Son and Arclidiacon Paul of Aleppo. With 
Coirections and Appendices by Will. Palmer, 
Vols. 2 and 3. London, Trübuer, 246 png. 8®, 

Man, £. H. List of words of the Xicokar langn- 
age an spoken at Camorta, Nancowry, Trinkutt 
and Katacbal. (Journal of the Asiatic Society of 
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48 



Verzeichnis» der anthropologischen Literatur. 



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Majew, N. A. Jahrbuch. Materialien zur Stati- 
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keetanischon Statistischen Bureau, Lfg. 1, 1872, 
374 S. 1 Karte. In russischer Sprache. 

Majew, N. A. Das russische Turkestan. Ein 
Magazin, herausgegehen bei Gelegenheit der Po« 
lytechmschen Ausstellung. 1. Lfg. Geographie 
und Statistik. Moskau 1872, 8°. 179 8. In 
rassischer Sprache. 

Malte-Brun, V. A. La Perse. Geographie physique, 
politique, agricole, industrielle et commerciale de 
la Perse , de TAfghaoistan et de Beloutchistan. 
Avec denx cartes graveea sur pierre. Paris, Lib. 
de TEcho de la Sorbonne, 32 pag. 16°. 

Maltzan, Heinrich Freiherr von. Reisen in 
Arabien. 2 Bände. Braunscbweig, Vieweg und 
Sohn, gr. 8°. 

Inhalt. 1 . Reise mu h Südarabien und geographische 
Forschungen im und über den südwestlichen Theil 
Arabiens. Mit einer chromolithographischen Karte 
in qu. 4°. XVI, 407 8. 2. Adolph v. Wrede’s 
Reise in Uadliramaul Belad Beny Yseä und Belad el 
Hadschar. ilerausgegeben mit einer Einleitung, An* 
merk ungen und Erklärung der Inschriften von Obne 
versehen von II ein rieh Freiherrn von Maltzan. 
Nebst einer lithographischen Karte und Facaimile der 
Inschrift von Obne. VIII, 375 8. 

Karahall, William E. A phrenologist amongst 
the Todaß, or the Study of a primitive tribe in 
South Iudia. History character, customs, religion, 
infanticide, polyandrie, language. London, XX, 
271 pag. With 26 lllustr. by the autotype pro- 
oeas. 

MartenB, Dr. E. v. Im BinnenJande von Borneo. 
(Zeitschrift der Gesellschaft filr Erdkunde zu Ber- 
lin, VH!, 1873, 193—210.) 

Marthe, F. Russische Reoognoecirungen in der 
Tork menensteppe. 1 Karte. (Zeitschrift der 
Gesellschaft für Erkunde zu Berlin, VIII, 1873, 
71—90.) 

Martin. LY*xtreme Orient. Abheville, itnp. Britz, 
Paillart et Rebaux, 16 pag. 8°. (Separatabdruck 
aus dem Bulletin de la Spciete de Geographie de 
Paris, Jan vier 1873, 38 — 53.) 

Martin, Dr. I’ekin, sa müteorologie , eon udilite, 
sa population. (Bulletin de la Societe de Geo- 
graphie de Paris, Septembre 1873, 290 — 317.) 

Maxwell. Piracv in tbc Straits of Malacca. (Ocean 
Highways. Jannar 1873, 312 — 314.) 

M’olatchie, F. B. A Trip in Mushaehi. Aug. 
1 — 8, 1872. (Proceedings of the Royal Geogra- 
phica! Society of London, VoL XVII, 1873, 82 
—85.) 



„Kurze Notiz über einen Ausflug von Yedo nord- 
westlich in die Thalebenen des Todogawa und Tone- 
gawa bei 8eki-yado.* 

Meinicko, Prof. Dr. C. G. Dr. Bernsteins Reisen 
in den nördlichen Molukken. (Petermann's Mit- 
theilungen 1873, 206—216.) 

Meinsma, J. J. Geschiedenia van de neJerland- 
sehe Oos t- Indische bezittingen. 2e deel. le stuk. 
ä Hage, Joh. Jkema, 4. 256 en. XIV bl. 8°. 

Vergl. Archiv für Anthropologie, B<L VI, Heft 3, 
8. 44 

Meyer, Dr. Ad. B. Ein Beitrag zu derKenntniaa 
der Sprachen auf Mindanao, Solong und Siau, 
der Papuas der Astrolabebay auf Neuguinea, der 
Negritos auf den Philippinen und einige Bemer- 
kungen über Herrn Riedels Uebereetzungen ins 
Tagalische und Visayasche. (Tijdschr. voor Ind. 
Taal-, Land- en Volkenkunde, XX. Lfr. 5, 441 — 
470.) 

Meyer, Dr. Ad. B. Ueber die Negritos der Phi- 
lippinen. Batavia, Eroat et Co., 1873, 8°. 11S. 
mit einer Abbildung. 

Overg»sdrurkt uit hat nataurkundig Tijdschrift. 

Merzbacher, Eug. De siclis, numrais antiquissi- 
mis Judaeorum. Berolini, 28 S. 8®. Diaa. 

Michell, B. Travels of M. Fedechenko in Kokand. 
1 Karte. (Ooean Highways, ed. by CI. Markam, 
August 1873, 197—199.) 

Mittheilungen der deutschen Gesellschaft fiir Natur- 
und Völkerkunde Ostasiens. Herausgegehen von 
dem Vorstand, H. 1 — 3. gr. 4°. Yokuhama, 
Druckerei der Japan Mail, 1873. 

Möllor, P. v. En utflygt tili Orienten. Göteborg, 
D. F. Bonnier, 1873, 135 8. 8®. 

Mohnike, Dr. Sumatra und die Niederländer. 
(Beilage zur Allgemeinen Zeitung, Nr. 27, 29, 
30, 31. Juli 1873.) 

Neue Reisen in der Mongolei. (Ausland 1873, 
831—834; 848—850.) 

Montgommerie, Mayor, T. G. Routea in the 
Western HimaLay&s. 8°. 24 p. Dehra Doon, 1872. 

Mookerjee’a Magazine (new series) of politica, so- 
ciology, literature, art and Science, including 
chiefly history and autiquities, geography and 
travels, bibliography and Oriental literature, ju- 
risprudence and commerce etc. Edited by Sambhu 
Chandra Mukhopadhyaya. Nr. VII. March 1873. 
London, Trübner. 

VergL Archiv für Anthropologie, Bd. VI, Heft 3, 
8. 44. 

Moritz, A. Schemacha und seine Erdbeben. 8®. 
Tiflis 1872. Bärenstamm. 

Moritz, A. Alphabetisches Verzeichnis« der haupt- 
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Verzeichnis» der anthropologischen Literatur. 



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1871, 34 S. 8°. In russischer Sprache. 

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ä Jerusalem 1839 — 1840. 2*** edition. Paris, 

imp. Claye, 428 pag. portr. et 1 plan. 8°. 

Morris, R, Freomaaonry in the Holy Land; or, 
Hand murks of Hiratn’s Builders. New -York 1873, 
603 pag. 8°. 

Mouloi, Syed Ameer Ali. A Critical Examina* 
tion of the Life and Teaching of Mohammed. 
London, William» and Norgate, 1873, 362 p. 8®. 

Mouatier, Conto A. de. Viaggio, da Costanti* 
nopli ad Efeso per l’intemo delP Asia minore, 
Bitinia, Frigia, Lidia, Jonia seguito: da Le donne 
turche, loro vita e piaceri. lllustrato da 42 in- 
ci.sioni e la carta dell* Asia minore. Milano, 
Trtvtt, 160 pag. 8". 

Muir, J. Original Sanskrit Text on the origin 
and history of the pcople of India. Vol. 4, 2nd 
edition, revised. London, Bentley, 1873, 530 
pag. 8®. 

Vergl. Archiv für Anthropologie , Bd. VI, Heft 3, 
8. 44—45. 

Multatuli. Over vrijeu - arkeid in Xederlandsch 
Indie door — . 4te vermeerderde druk. Amsterdam, 
6« L. Funke, 4 en 144 hl. 8°. 

Niemann, A. Haupt mann. Die russische Expe- 
dition nach Chiwa. (Petennann’s Mittheilungen 
1873, 161—169.) 

Noack, L. Der Galilaische Landschaftsrahmen 
der evangelischen Geschichte. Mit 1 Karte. 
(Ausland 1872,1009 — 1013; 1060—1065; 1117 
— 1121; 1157—1162.) 

Ockley siehe Gibbon. 

O’Farcll, Ed. Siam au XX. siede. Paris Lib. 
des Bibliophile« 1873. 91 p. 16°. 

Olmi, 3. Memorie del mir» pelJegrinaggio in Pa- 
lestina sevitte giomo per giorno. Modena tip. 
1mm Concezione. 86 p. 32. 

Opdorp, F. X. J. van. Atchin en het roode 
Kruis. Helder. Giltjes, 1873, 4 en 26 bl. 8®. 

Memoiren de PAthenee Oriental, fonde en 1864. 
Session de 1872. Preeidence de M. F, Maurel; II. 
Parin 1872. 4®. 

Contents. Le Keligieux chasne de la Communaute. 
Conte Bouddhique Traduit du Tib4tain pour la 
premiere fois. Par Ph. Ed. Foucaux, p. 16. — 
Botanique du Nippon. Apercu de quelque» ouvragea 
Japonaiü relatif* ;i IVtude des planten. Accompagne 
de notice« traduite* pour la premiere fois sur le« 
texte« originaux. Par Leon de Rosny. With 3 
plates. 10 p. — I/art Chorfgraphique ehe* le* Java- 
nait*. Par Mlle. Lloyd Browne. With et Photogr., 
10 jn — L'impriniärie au Japon. Par F. Maurel. 
With a coloured plate, in p, — Histoir« de lTmp£- 
ratrice Zin-Oou, quinzieme Mikado ou Sou verain 
Archiv für Anthropologie. Bd. VH. Haft 4. 



49 

du Japon (201 k 269 de notre ere). Traduit du Ja- 
ponais. Par P. F. Saraziu, 12 p. 

Ottavio doll Bambino Geau. Breve notizia dei 
popoli del Malabar. Pisa. tip. Ungher, 1873, 
42 p. 32®. 

Pagoa, Löon. La Persecution des chrätiens au 
Japon et l'ambassade japonaise en Europa. Pari», 
imp. Chamerot, 1873, 68 p. 8®. 

The Panthays in Yunnan. Frasers Magazin, 
Xov. 1872. 

Pauthier, G. Cours complementaire de geographie, 
d'histoire et de legislation des Etat« de l’extreme 
Orient, ä l’Ecole apüciale des languee orientales 
vivantes. Diacours d’ouverture prononce le 16. 
janvier 1873. Paris, Ernest Leroux, 52 p. 8®. 

Peal, S. E. Notes on a visit to the tribea inba- 
biting the hill« south of Sibsägar, Asam. (Jour- 
nal of the Asiat ic Society of Bengal, 1872, Part I, 
p. 9—31.) 

Peking und seine Umgehung. (Ausland 1873, 
536— 538.) 

Perles, Jos. Zur rabbinischen Sprach- und Sagen- 
kumle. Breslau, Skutsch, 1873, X, 99, gr. 8®. 

Persia, her cities and people. (Illustr. travels by 
Batst. Vol. V, 1873). 

Cenni biografici delloSciah il re dei re delle Persio 
e denen zione dei anoi viaggi. Torino , tip. B&n- 
diera dcllo Student« di Bodrone, 1873, 64 pag. 
16®. 

Viaggi in Persia. Illustrati dal ritraito dcllo Sei», 
da 27 incisione e dalla carta geografica della Per- 
Bia. Milano, TreveB, 152 p. 8°. 

Indio*» : Gobineau, A. de. Viaggio in Persia. 
Dubousaet. Emil io. Una caccia reale in Pen»in. 
Khanikoff, N. de, Mealiid, la cittä santa e il auo 
territorio. 

Petrowaky , N. Meine Reise nach Buchara 1 — 
III. Westnik Jewropy, März 1873, 209, 249. 
Iu russischer Sprache. 

Pflzmaier, A. Denkwürdigkeiten von chinesischen 
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Comm. 1873, 78 S. Lex. 8. 

Pflzmaier, A. Ueber einige Kluidertrachten des 

chinesischen Alterthums. W r ien, Gerold’» Sohn, 
Comm. 1873. 78 S. Ux. 8*. 

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k. Akademie der Wissenschaften. 

Pflzmaier, A. Ueber die Schriften des Kaisers der 
W T en-Tscbang. W ien. Gerold’s Sohn, Commission. 
1873. 58 8. Lex. 8®. 

Pflzmaier, A. Ueber japaneeische Archaismen. 
(Sitzungsberichte der kaiserl. Akademie der Wis- 
senschaften in W‘ien. 72. B(L, 1872.) 

7 



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50 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



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1873.) 

Plath , H. Das Kriegswesen der alten Chinesen. 
(Sitzungsberichte der philosophisch-philologischen 
und historischen Classe der königl. bairischen 
Akademie der Wissenschaften zu München, 1873. 
1 — 4. Heft. Franz, Comiu. 8®.) 

Plath, H. Die Schiller des t'onfucius. Abhandlungen 
der bairischen Akademie der Wissenschaften. 
Philosophisch- philologische (.'lasse, Bd. 13, 1. 

Vergl. Archiv für Anthropologie, öd. VI, Heft S, 
8. 45. 

Plath, H, Die chinesische Provinz Schau -tung. 
Bruchstück einer noch ungedruckten Geographie 
Chinas. (Ausland 1873, 60—70; 109—112; 
148 — 151») 

Pourcello, Edgard. Quelques mots sor la Perse. 
Paris, Dentu, 1873, 36 p. 12°. 

Praetorius. Unsterblichkeitsglaube und Heiligeu- 
verehrung bei den lliinjaren. (Zeitschrift der 
deutschen morgenländischen Gesellschaft, Bd. 27.) 

Priaulx, O. de. The Indian Travels of Apolloniu» 
of Tyana. London, Quaritch, 8". 1873. 

Sitten und Gebräuche im Punjab. (Ausland 1873, 
173—176.) 

Baabe , Andreas. Gemeinschaftliche Grammatik 
der arischen und der semitischen Sprachen. Voran 
eine Darlegung der Entstehung des Alphabets. 
Leipzig 1874. Klinkhardt, VII, 132 S. gr. 8°. 

Bacchia, Cap. C. A. Viaggio da Aden »Rangoon 
e da Rangoon a Mandalav. La Birmania, Rivista 
marittima. Febr. 1873, 230—244. März 395 — 
419. 

Radloff, W. Skizzen aus Sibirien. (Kölnische 
Zeitung, 2. und 4. Januar 1874.) 

Rajendralala, Mitra. The antiquites of Orissa. 
London, Trübner, 1873, 300 p. fol. 

Railway communication between London and 
Calcutta. 1 Karte. (Ocean Highways, ed. by 
CI. Markh am. Mai 1873, 48 — 50.) 

Raumer, Rud. v. Untersuchungen über die Ver- 
wandtschaft der semitischen und indoeuropäischen 
Sprachen. 4. Fortsetzung, Frankfurt a. M. t Heyder 
und Zimmer, 22 S. gr. 8°. 1873. 

Rawlinaon, Major- General Sir H. C. On 
Badakhshän and Wakhän. (Proceedings of the 
RGeogr. Soc. of London, XVII, 1873, 108 — 116.) 



Rottherr. Chiwa, seine historischen und geogra- 
phischen Verhältnisse. 1 K. St. Petersburg 1873. 

Richthofen, Freiherr v. Das Land und die 
Stadt Caindu von Marco Polo. (Verhandlungen 
der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin 1874, 
33—39.) 

Richthofen, Freiherr v. Ueber die neuesten 
Versuche zurOetl'nung di recte r Handelswege nach 
dein südwestlichen China. (Verhandlungen der 
GaseUaeh. für Erdkunde zu Berlin 1873, 58 — 67.) 

Richthofen, Freiherr F. v. Reise von Peking 
nach Sz'tshwan, October 187 1 — Mai 1872. (Peter- 
mann's Mittheiiung. 1873, 137 — 147; 216 — 224 ; 
243—307.) 

Tnhili, Mongolei und 8han»i; das nordl. Shensi ; 
von 8i-ngan-fu nach Tshing-tu-fu; Provinz Sz'tshwan ; 
das westl. ßz'tshwan, Yünnan um! Kwei-uhau. 

Riedel, J. G. F. Hot landschap Boeool, Körte 
aanteekeningen. Tijdschrift voor Indische Taal-, 
Land- en Volkenkunde, XVIII, 6. Serie, Deel 1, 
189—208. 

Riedel, J. G. F. De Minahasa in 1825. Bijdragetot 
de Kennis van Noord-Celebes. (Tijdschrift voor 
Indische Taal-, Land- en Volkenkunde, XVIII, 
6. Serie, Deel 1, 458—568.) 

Riggenbach, Chr. Joh. Eine Reise nach Palä- 
stina. Hasel, Schneider, 1873, 236 S. 8°. 

Rivington, Th. Wanderiugs in Scriptlire Lands, 
being a tour of nine inonths in Egypt, Paleatine, 
Syria, Turkey and Greece in the years 1869 — 

1870, 8°. 428* p. London, Dickinson, 1872. 

Robinson, Edward Jewitt Tamil Wisdom: Tra- 
dition» Concerning Hindu -Sage», and Selections 
from their Writrings. With an Introduction 
by the late Rev. Elijah Hoole. Wesleyan Con- 
ferenze, Otf. XI. 148 p. 12«. 

Roe, Thomas and John Fryer. Travels in India 
in the Beventeentb Century. Reprinted from the 
Calcutta Weekly Englishroan. London, Trübner, 
1873, 474 p. 8°. 

Rösaler. Das alte Japan. (Ausland 1873, 121 — 
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Roos, S. Di jdrage tot de Kennis van taal , latid, 
eil volk op het Eiland Soemba. 1 Kurte. (Ver- 
biindelingen van het Bataviaasch Genootschap 
van Künsten en Wetenachapen, XXXVI. Batavia 

1871, 1—160.) 

Rousselet, L. Linde des Rajalis u. s. w. Fort- 
setzung. (Ls Tour du monde, XXVI, 1873, 273 
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Vergl. Archiv fUr Anthropologie, RI. VI, S. 46. 

Roy, J. J. E. Un Jranyais en Chine pendant les 
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51 



Verzeichnis« der anthropologischen Literatur. 



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en ontwikkeling van dat oiland. Rotterdam, Nijgk 
en van Ditinar, 44 en 8 bl. inet 3 uitsl. gelith. 
Haarten. 8°. 

Die Insel Sachalin. Aus amerikanischen Quellen. 
(Mittheilungen der kaiaerl. königl. geographischen 
Gesellschaft zn Wien, XVI, 1873, 413 — 416.) 

8&chau, Ed. Zur Geschichte und Chronologie von 
Khwärizm. Wien, Gerold’s Sohn, Comiu. 36 S. 
Lex. 8". 

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Wissenschaften. 

Safar Näma. Urdu transhition of the Report of 
T. D. Forsyth's Journey undcrtnkeu to Yarkaud. 
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Saint -Gcnifl , Victor do. Uue pagc inedite de 
l’hiatoire des Indes. Le general de Boigue (1751 
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imp. Dupre, 1873, 442 pag. 8*. 

St, John Comdr. H. C. Notes on the East, North- 
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Royal Geographical Society, Volume X LI I, 1872, 
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S&lnave, J. P. La Cochincbine fran^nise. Saint 
Gennain, imp. Heutte, 63 pag. 8 ft . 

S&r&zin, Frangois. Kihon-no Koto-waza, dicton* 
et proverbes japonaia. Traduits en franyais. Pa- 
ris, Bonchard-Huzard, Tauteur, 1873, 7 pag. 8». 

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—80.) 

Saulcy, F. de. Numismatiiiue de ia Terre sainte, 
dcscription des inonnaie* autonomes et imperia- 
les de la Palestine et de TArabie Petree. Ornee 
de 25 pl. gravees par L. Daniel. Paris, J. Roth- 
schild, 1873, XVI, 406 pag. 4*. 

Savigny de Honcorps, Vicomto de. Journal 

d'uu voyage en Orient 1869 — 1870. Egypte, 
Syrie, Constantinople. (lUostre par Riou et A. 
de Neuville, 8°. 224 pag. Paris, Hachette, 1873.) 

Scherzer , Carl v. Smyrna. Mit besonderer 
Rücksicht auf die geographisch wissenschaftlichen 
uüd intellectuellen Verhältnisse von Vorder-Klein- 
asien. Im Vereine mit den Herren Hamann und 
Stöckel bearbeitet. Mit einer chromolithischen 
Culturkarte von Vorder-Kleinasien in gross Folio, 
einer litbographirteu Thermenkarte der Provinz 
Smyrna in Folio, einem Situationsplan, Prolil- 
tafel und Fluctuations-Tabellen. Wien, Beck’sche 
Universitäts-Buchhandlung, 273 S. gr. 8°. 

Schiern, Prof. Dr. Fr. Ueber den Ursprung der 
Sage von den goldgrabenden Ameisen. Vortrag 
in der Sitzung der königl. Dänischen Gesellschaft 



der Wissenschaften vom 2. I)ec. 1870. (Aus den 
Verhandlungen der königl. Dän. Gesellsch. der 
Wissenschaften übersetzt, 8°. 53 S. 1 Karte. 
Kopenhagen, Erwin. Leipzig, Lorentz, 1873.) 

Schott, W. Zur Literatur des chinesischen Bud- 
dhismus. (Aus den Abhandlungen der k. Aka- 
demie der Wissenschaften zn Berlin. Berlin, 
Düinmlcr's V erlag -Com 28 S. gr. 4°.) 

Schräder, Eb. Die Abstammung der Chaldäer 
und die Ursitse der Semiten. (Zeitschrift der 
deutschen morgenländischen Gesellschaft, Bd. 27.) 

Schräder, Eb. Ueber einige Thiernamen im As- 
syrischen. (Zeitschrift der deutschen morgen* 
ländischen Gesellschaft, Bd. 27.) 

8eidiitz, N. v. Sbornik (Sammlung) von Memoi- 
ren über den Kaukasus. Bd. II, gr. 8®. 464 S. 
2 Karten. Tiflis 1872. In russischer Sprache. 

Vergl, Archiv für Anthropologie, Bd. VI, 8. 47. 

Seidlitz, N. v. Die kaukasischen Eisenbahnen 
und der Ueherlandweg nach Indien. (Russische 
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Seiff, J. Ein Ritt durch da* Innere Syriens. (Zeit- 
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1873, Vm, 1—28.) 

Sepp, Dr. Kananäische Entdeckungen. (Ausland 
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Sewerzoff, N. A. Die vertiealc und horizontale 
Verbreitung der Turkestanischen Thicre. Moskau 
1873, 155 S. 10 Tafeln, 4*. In russ. Sprache. 

Sewerzoff', N. A. Reisen in Turkestau und For- 
schungen am oberen Thian - Shan , 8°. 467 S. 
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Sherring, M. A. Relation of the native aristo- 
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Sherring, M. A. Hindu tribes and castus ns re- 
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Shortt, Dr. J. The Kojas of Southern India. 
(Journal of the Ant hropological Institute of Great 
Britain, January 1873.) 

Bilder aus Ost-Sibirien. (Au* allen Welttheilun, 
Mai 1873, 246—248; Juni, 257—259.) 

Ueber den Reichthura der nördlichen Grenzländer 
Sibiriens und der dort nomadisirenden Volks- 
stämme. Eine populäre Vorlesung, 8°. 19 S. Sechs 
7* 



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52 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



Zeichnungen. St. Peternburg 18,73. ln russischer 
Sprache. 

Dr. Sieverfl. Die russische militärische Expedi- 
tion nach dem alten Oxus- Bette, dem Kjurjandagh- 
Gebirge und dem Atrekthale, August bis Decein- 
ber 1872, (Petermann’s Mittheilungen 1873, 
287—293.) 

Narrative of avisit tothe Kuh-i-Kwajäh in Sistan. 
(Ocean Highways, ed. by Markbaro, Oct. 1873, 
279—281.) 

Smith, Alfred Charles. Narrative of a modern 
pilgrimage through Palestine, on horseback and 
with tents. London, Soc. Prom. Cb. Knowl. 
XXIV, 516 pag. 8». 

Socin, Dr. A. Die Syrische Wüste. (Ausland 
1873, 221—226.) 

Socin, Dr. A. B&ghdad 1870. (Ausland 1873, 
701—705, 894—897.) 

Spiegel, Pr. Eränische Altertumskunde von — ♦ 
Zweiter Band. Religion. Geschichte bis zum 
Tode Alexander’» des Grossen. Leipzig, Engel- 
mann, 1873, XII, 632, gr. 8". 

Spiegel, Pr. Zur Erklärung des Avesta. (Zeit- 
schrift der deutschen raorgenländischeu Gesell- 
schaft, Bd. 27.) 

Spiegel, Pr. Der Zug Alexanders des Grossen 
in Indien. (Ausland 1873, 821 — 824, 845 — 848.) 

Sporer, J. Die südöstliche Mongolei vom Dalci- 
Xoor bis nach Aläschan. Phy alkalisch- na tur histo- 
rische Skizzen aus den Reiseuotizen des General- 
stabs-Capitäns N. M. Prshewalski. (Petermaun’» 
Mittheilungen 1873, 84—95.) 

Stark, K. B. Nach dem Griechischen Orient 
Reise-Studien, 8*. Heidelberg, Winter, 1873. 

Stebnitzki und Sievers. Berichte über Reisen 
in den Transkaspischen Ländern im Jahre 1872, 
8 a . 38 S. 1 Karte. (Separatabdruck aus Bd. 2, 
Nr. 1 der Iswestija der Kaukasischen Abtheilung 
der kaiserl. Russischen Geograph i sehen Gesell- 
schaft) Tiflis 1873. In russischer Sprache. 

Stebnitzki. Examen comparatif du trace des 
routes proposees pour unir l’Enrope et les Indes 
par le Sud du Caucase. 1 Karte. (Bulletin de 
la Societe de Geographie de Paris, Deeembre 
1872, pag. 633-641.) 

8teiner, H. Ueber hebräische Poesie. Basel, 
Schweighauser, 8°. 1873. 

Stöhr, Emil. Die Provinz Banjuwangi in Ost- 
Java mit der Vulcangruppe ldjeu-Kaum. Reise- 
skizzen. Mit 8 lithographirten Tafeln. (Aus den 
Abhandlungen der Seuckenberg’schen naturfor- 
schenden Gesellschaft. Frankfurt a. M.. Winter. 
118 S. gr. 4«. 1874.) 



Strants, Al. ▼. Atschin. (Aus allen WelttheHen, 
November 1873, 41 — 43; December, 82 — 84.) 

Stülpnagel, C. Rebsch, tbe Sikhs, an historical 
sketch. Lahore 1870, 53 pag. 8°. 

Stumm, Hugo. Mit der Russischen Armee gegen 
Chiwa. (Petermann’s Mittheilungen 1873, 281 
—287.) 

Stumm, Hugo. Die Einnahme von Chiwa durch 
die Russen, 10. Juni 1873. (Petermann's Mit- 
theilungen 1873, 335—337.) 

Stumm, Hugo. Ans Chiwa, Berichte, 8®. 130 S. 
5 Karten. Berlin, Mittler, 1873. 

Suavi, Ali. Le Khiva en Mars 1873. (Texte Ar- 
menien.) Paris, imprim. Goupy; i’auteur. 135 p. 
et carte. 18*. 

Suavi, All. Le Khiva en Mars 1873. Paris, Mai- 
sonneuve, l’anteur. 91 pag. et 1 carte. 8°. 

Summer, Mmo. Mary. Les Keligieuse« Bouddhi- 
stes , depuis Sakya — Mouni jusqu’ä nos jours. 
Avec une introduction par Ph. Ed. Foncaux. 
Paria 1872, XII, 70 pag. 24®. 

Summers, Rev. J. Japan an the Japanese. (Illu- 
strated Travels, ed. by ßates, V, 1873, Part 
XL1X, 6 ; Part L, 47—51; Part LI, 83—90.) 

Skizzen au» Taschkent. 1. DieSsarten, ihr wirt- 
schaftliches Leben u. a. w. Röttgers Russ. Revue 
II, 1873, 128—149; 353—368. 

Thomas, Edward. Xamismatic and other anti- 
quarian illnstrations on the rule of the Sassanians 
in Porsia, A, 1). 226 to 652. London, Trttbner, 
1873, IV, 96 p. with 7 plates and other Illu- 
stration*, 8°. 

Thomas, Edward. The initial Coinage of Bengal, 
ander the early Mohaintnadan conqticrors P. II. 
Embracing the preliminary period betweeu A. H. 
614—634 (A.D. 1217— 1237). London, Trübncr, 
1873, 40 p. with one fullpage plate. 

Thomson, J. Illustration» of China and its People. 
A Seriös of 200 Photograph», with Letterprees 
descriptions of the Plooea and People represented. 
4 voll. Vol. 1. London, Low, Fol. 

Thomson, J. An odveuture in Provinoe Wellesley. 
lllustr. Travels by Bates, Vol. V r , 1873, 282 — 
285. 

Thomson, J. Across Siam to Cambodia. lllustr. 
Travels by Bates, 307—310. VI, 1874, 43—44. 

Thomson, J. Notice of a journey in Southern 
Formosa. ( Pruoeedings of the R. Geogr. Society 
of London, XVII, 1873, 144—148.) 

Schetsen uit Tijdraboomi. Door den schrijver 
van herinneringen uit het leven van een ambtenaar. 



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53 



Verzeichnis^ der anthropologischen Literatur. 



Batavia, Ogi Wie en co. Amsterdam, J. Noorden- 
dorp, 1872, 4 eu 89 bl 8». 

TBChirikoff*. Reisejournal über Persien , Mesopo- 
potamien etc. Herausgegeben von der kaukasischen 
Section der kaiserlich russischen Geographischen 
Gesellschaft. Tiflis. In russischer Sprache. 

Transkaukasische Wanderungen. Von K. v. G. 
(Beilage zur Allgemeinen Zeitung, vom 23., 24., 
27. und 28. August 1873.) 

Tristan, W. The land of Moab ; travels ond disco- 
veries on the Kastei de of the I>ead Sea and the 
Jordan; with a chapter on the Persian palace of 
Mushita bj James Ferguson, With map and 
Illustrations by C. L. Boston and C. R. Johnson. 
London, Murray, 416 p. 8°. 

Trumpp, Emst. Grammar of the Pastö or lan- 
guage of the Afghann compared with de Iranian 
and North-indian. idiorna. Tübingen, Hecken- 
bauer, 1873, XVI, 412 S. 

Ethnographisches ira Chodschenkischen Kreise dea 
Gouvernements Turkestan. (Aus dem Sapiski 
der russischen Geographischen Gesellschaft, T. IV, 
1871, in den Mittbeilungen der Geographischen 
Gesellschaft in Wien, XVI, 1873, 172—175.) 

Türkisch Georgien. (Ausland 1873, 736—739.) 

Twesten, CarL Die religiösen, politischen und 
socialen Ideen der asiatischen CulturvÖlker und 
der Aegyptcr in ihrer historischen Entwickelung 
dargeatellt. Herausgegeben von M. I«azarus. 
2 Bände. Berlin 1372, 674 S. 8* 

üjfalvy de Mezo-Kövesd, Ch. E. de. Recherches 
nur le Tableau ethnographique de la Bible et »or 
migrations des peuple*. Paris, Maismmeuve, 
1873, 62 p. et 5 pl. 8®. 

Ujfhlvy de Meaö-Kövesd, Ch. E. de. Lee Mi- 
grutions tles peuple» et particulierement celle 
des Tonraniens. Paris, Maisonneuve, 1873,204 p. 
32 carte* et 6 pl. 8°. 

Vambery, Herrn. Centralasien und die englisch- 
ru&dsche Grenzfrage. Gesammelte politische 
Schriften. Leipzig, Brockhaus, 1873, VIII, 351 8. 
gr. 8®. 

Vambery. Herrn. History of Bokbara fron) the 
Earlieat Period down to the Present Time. Com- 
posed for the first time, aller Oriental Known and 
unknown llistorical Manuscript». I<ondou. H. S. 
King, XXXV, 419 p. 8®. 

Vergl. Archiv für Anthropologie, Bd. VI, Heft 3, 
8. 43. 

Vambdry, Herrn. Reise in Mittelasien von Teheran 
durch die Turkmanische Wüste an der Ostküste 
des Kaspischen Meeres nach Chiwa, Rockara und 
Samarkand. Mit 12 Abbildungen in Holzschnitt 
und einer lithographirten Karte (in gr. Fol.). 



Deutsche Originalausgabe. Zweite vermehrte und 
verbesserte Auflage. Leipzig, Brockhaus, XIV, 
384 8. gr. 8®. 

Vambery, Herrn. War between the Atalik Ghazi 
and the Tungans. (Ocean Highways, December 
1872, 278—279.) 

Vambery, Herrn. Nationales und gesellschaftliches 
Leben im Cbanate Chiwa. (Globus, XXIII, 1873, 
205—206, 215—217.) 

Vambery, Herrn, The steppe« to the North of 
Bokhara. (Ocean Highways, ed by CI. Markham, 
Juni 1871* 91 — 93. 

Vambery, Herrn. Ein Mohammedanischer Er- 
oberer in Asien. (Unsere Zeit 1873, Heft 1 u. 2.) 

Vambery, Herrn. Der russische Feldzug gegen 
Chiwa. (Unsere Zeit 1873, Heft 3 und 4.) 

Vambery, Herrn. The Tekes Talle; and the 
Muzart Pass. (Ocean Highway», ed. by CI. Mark- 
ham. Juni 1873, 91—93.) 

Vambery, Herrn. Die Turkomanen und ihre 
Stellung gegenüber Russland. (Röttger’s Russische 
Revue 1873, 438—453.) 

Vegato, Luigi. Sul commcreio dei prodotti delle 
Indie orientale: lettera inforiuativa al Console della 
Republica Veneta a Madrid. V.maggio MDLX XXIV. 
Venezia 1873, tip. Antonelli, 44 p. 8°. 

Veniukof, Colonel. On the Island of Saghaliu. 
Translated from the Russian. „Voyenni Sbornik“ 
by Captain Spaldiug. 1 Karte. (Journal of the 
RuKsian (ieogr. Soc. of London, Vol. XLII, 1872, 
p. 373—388.) 

Vereaehaguine , B. Voyage dans l’Asie centrale. 
D’Orembourg ä Samarcande 1867 — 1878. Mit 
1 Karte. (Le Tour du Monde, XXV, 1 semestre 
de 1873, 193—272.) 

Veth, P. J. Atchin en zijne betrekkingen tot 
Nederland, topographisch-historische beschrijving. 
Met een schetskaart van het rijk Atchin en de 
naastbij gelegen Nederlandache nederzettingen 
op Sumatra. Naar de nieuwste bronnen te zamen 
geateld door W. F. Versteeg. Leiden, Gualth. 
Kolff, VIII en 136 hl. met uitsl. Kaart. gr. 8®. 

Veth, P. J. Java, geographisch, ethnologisch, 
historisch, le afl. Haarlem, Erven F. Bohn, bl. 1 
—48. gr. 8®. 

Compleei in 20 »ft. 

Veth, P. J. Het eiland Sumatra beschreven. 
Amsterdam , P. N. van Kämpen en zoon. 2 bl. 
en bl. 667—797. gr. 8®. 

Uit het Aardriiksk. Statistisch Woorden boek van 
Nederland«ch Indiö. 

Vleutcn. 3. M. van. Hed grondbezit in het re- 
gentachap Pameka»san,residentieMadocra. Rotter- 
dam, Nijgh en van Ditmar, X. 127 bl. 8°. 1873. 

Wackomagel, Wm. und Jo ha. Gruhler. Er- 
innerungen an das heilige Land. Zweite ver- 



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54 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



mehrte und verbesserte Auflage der Ostergabe 
für das Waisenhaus in Jerusalem- Mit 4 Bildern 
Holzschnitt-Tafeln, Iteading, Pa., Pilger-Buch- 
handlung, IV, 134 S. 8'\ 

Wenjukow, M. Ethnographische Karte des Asia- 
tischen Russlands. 1 : 10 500000. Chromoiithogr. 
St. Petersburg, Iljin, 1873. In russischer Sprache. 

Wonjukow, M. Materialien zur U ebersicht der 
Russischen Grenzen in Asien. Der neunte Di- 
strict: der Thian-schan’sche. (Wojennyj Sbornik» 
Februar 1873, 193 — 233.) In russischer Sprache. 

Werner, Reinh, Die preussischa Expedition nach 
China, Japan und Siam in den Juhrou 1860, 
1861 und 1862. Rtnsehriefc. Mit 9 Abbildun- 
gen in Holzschnitt und l lithographirteu Karte 
in Folio. Zweite Auflage. Leipzig, Bruckhaus, 
XXI, 551 S. gr. 8*. 

Woodthorpe, R. G. The Lushai expedition 1871 
— 1872. 8°. London, Hurst and Blackett, 1873. 

WÜ8tenfeld, Ferd. Daß Gebiet von Medina. 
Nach arabischen Geographen bearbeitet. Mit 
einer lithographirten Karte. (Abhandlungen der 
königl. Gesellschaft der Wissenschaften zu Göt- 
tingen, Bd. 18 vom Jahre 1873. Göttingeu, Die- 
terich, 4®.) 

Die Abhandlung ist auch selbstständig erschienen. 

Yule, CoL H. Hwen ThsangB accouut of the 



principalitiea of Tokharistan e. c. (Journal of 
the Royal Asiat. Society of Great Britain and 
Irelaud, X. S. VI. London 1873.) 

Yule, Col. H. Papers connectet with the upper 
Oxus regions. 2 Karten. (Journal of the Royal 
Geograph ical Society of London, Volume XL1I, 
438—481.) 

Yule, Col. H. ln nortlieru Sumatra and uspe- 
eially Achin. 1 Karte. (Ocean Highways, cd. 
by CL Markham, August 1873, 177 — 183.) 

Zehme, Dr. H. Der Wahabismus in Arabien seit 
1819 und die Staatenbildungen auf der Arabi- 
schen Halbinsel im 19. Jahrhundert. (Globus, Bd. 
XXIII, 1873, 844—340, 300—868, 873—381.) 

Zöllner, R. Indochinesisches Land und Volk. ( Aus 
allen Welttheilen , December 1872, 65—70; Ja- 
nuar 1873, 106—112; März, 161 — 164.) 

Zuber, H. Une expeditiou en Coree. Mit einer 
Karte. (Le Tour du Monde, XXV, l* r seinestre 
de 1873, 410—416.) 

Zwiedinek von Südenhorst, Jul. Syrien und seine 
Bedeutung für den Welthandel. Verfasst unter 
Mitwirkung der Herren A. Reim, J. Bert rund, 
A. Pascotini etc. Mit Tabellen und 2 lithogra- 
phirten Karten in 4°. und Folio al* Anhang. 
Wien, Beck’sche Universitäts-Buchhandlung, 144 
Seiten, gr. 8 U . 



Australien und Oceanien. 

(Von Prof. Meinicke in Dresden.) 



Aube. L'Oceanie en 1869. (Revue maritime et 
coloniale. Juni und Juli 1873.) 

Balanha. Nouvelle Caledonie. Lea ilos Loyalty. 
(Bulletin de la Societe de Geographie de Paris 
1873. Februar und März.) 

Interessante Berichte eines Augenzeugen, der ein 
wissenschaftlich gebildeter Maun ist. 

Dufresne. Un chapitrc prclimiuuire d’ethnogra- 
phio oceunienne. (Bulletin de la Societe de Geo- 
graphie 1872. Februar.) 

Der Titel täuscht den Leser. Nach «letn Verfasser 
ist der australische Contiuent Ucberrwit eine» ulten auf 
die Krde gestürzten Kometen ; er scheint, wenn es auch 
nicht ausdrücklich gesagt ist, doch anxunehmen , dass 
die Ureinwohner des C'ontinents mit den» Kometen ge- 
kommen sind! 

Forrest. Account of an expedition to oxplore 
.South Western Australia cast ward of the scttled 
Districts and beyond Ilamptonplains. (Journal 
of the Royal Geographical Society, XLII, 388 f.) 

Gilcs. Entdeckungsreisen in Centmlaustralien. 
(Petermanns Mittheilungen, XIX, 184 f.; man 
vergleiche auch Zeitschrift der Berliner Gesell- 



schaft für Erdkunde, VIII, 95 f. und Bolletino 
della Societa geografioa Italiens, X, 29 f.) 

Gilmoro. Reisen in Centralaustralien zur Aufsu- 
chung der Spuren Leichhardt's. (Petermann's 
Mittheilungen, XVIII, 441 f.) 

Girard. Les connaissances actuelles sur la Nou- 
vclle Guinee. (Bulletin de la Societe de Geogra- 
phie 1872, Xovemhre.) 

Kine Arbeit von ungewöhnlicher Oberflächlichkeit. 

Jouan. Notes sur l’archipel Hawaiien. (Me- 
moiren de la Societe des Sciences naturelles de 
Cherbourg, XVII, 5 f.) 

Konnody. Newzealaud. London 1873, 8°. 

Kubary. Die Palauinseln in der Südseo. (Journal 
des Museums Godeffruy, Heft 4.) 

Die Arbeit enthält höchst interessante Mitteilungen 
über die Bewohner der Palau, welche die 8etuper*chen 
vielfach erweitern und ausfuhren. 

Marcel. La Nouvelle Caledonie. Paris 1873, 8*. 

Markham. The cruise of the Rosario amongst 
the Newhebrides and S. Cruz islands. London 
1873, 8°. 



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55 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



Markham. The Xewhebridee and S. Cruz proups. 
(Journal of the Royal (ieographical Societv, X l.II, 
213 f.) 

Beide Werke beliimleln die Kreiufwlirl de» Schifte* 
Rosario rum Schulz der inclam-KUchrii Inselbewohner 
gegen die uuiitra Italien Sriaveiiaufkiiufcr; die wissen* 
scliaftUcbc Ausbeute. die *lc gewähren, ist jeduch nicht 
grrns. 

NaEimoff. Xouvelle Guinee, (Bulletin de ln So- 
cietö de Geographie 1873. Januar.) 

Interessante Nachrichten des ('oiuuiumlaitten des rus- 
sischen Schiffes Vitbu, der Mtclucho - Mnchiy uns der 
Astrolabebai »Limite, über die Bewohner derselben. 



Patouillet. Trois an« en Xonvelle Cah-donie. 
Pari« 1873, 8°. 

Progress reports aud final roport of the Explora- 
tion Committee of the Roynl Sociotv of Victoria. 
Melbourne 1872, fol. 

Km hält Berichte über die bekannte Rebe von Burke 
und Will*. 

Spengel. Beiträge zur Kenntnins der Fidschi- 
Insulaner. (Jourual de« Museums Godoflfroy. 
4. Heft.) 

Antliropolog heben Inhalts. 

Trollope. Australia nnd Xewzenland. London 
1873. 2 Bände, 8«. 



Afrika. 

(Von Prof. Dr. Bob. Hartmann. 1 



Allain, E. Haie de Delagoa. (Bulletin de la So- 
ciete de Geographie de Paria, VI, 1873, p. 119.) 

Azoren, Die. (Aus allen Welttheilen, IV, 1873, 
S. 129.) 

Bakor, Sir Samuel. Expeditiou nach dem obe- 
ren Weiaaen Nil. (Petormann’s Mittheilungen 
1873, S. 301.) 

Die geringen wissenschaftlichen Ergebnisse und die 
deetnnrenden Wirkungen tler neuesten Tliateu Bä* 
ker’s im alteren Nilgebiete sind sattsam bekannt. 
Eine Besitzergreifung der gesummten höheren Nil- 
länder durch die Aegypter würden wir immer noch 
für besser halten als das fernere heillose Wirth- 
m haften der Hklavenfrtnger und ihrer Mordbrenner- 
liauden. Indessen wäre doch zu wünschen, da*» der 
Diwan zu t'airo mit besserer Auswahl »einer poli- 
tischen Werkzeuge als bisher verführe und zugleich 
tüchtige wissenschaftliche Kräfte engagirte, 
durch welche letzteren wir eine genaue Durchforschung 
der occupirten Gebiet »• erlangen könnten. Freilich 
müsste dazu erst den elenden Eifersüchteleien der 
halbgebildeten europäischen Anführer und 
Beamten gegen etwaige gelehrte Theilnehmer an 
den Erobernngazügen jeder Weg versperrt werden. 

Ball, J. Moontaineering in the Great-Atlas. (Al- 
pine Journal 1873, pag. 220.) 

Barre, de la B. Duparcq, E. L’Afriqne depuis 
qnatre si&clee depeint« au moyen de hnit croquis 
«uccessifs avec un texte descriptive. Paris 1873. 

Bartling, H. Aus Algerien. Studien und Skiz- 
zen. (Unsere Zeit. Neue Folge VIII, 1, 1872, 
S. 657, 821; VIII, 2, S. 81, 324.) 

Bastian, A. Die Kongo- Küste. (Zeitschrift der 
Gesellschaft für Erdkunde 1873, S. 125.) 

Genaue kritische Darstellung der Völkerverhältnisse 
dieser Gegend Afrikas vor des Verfasser* neuester 
Congo -Fahrt, Bietet eine Fülle von werth vollem 
Material dar. 

Batoa, H. W. The Unding of Dr. Livingstone. 
(Baten lllnstrnted TraVels, IV, 1872. S. 316.) 



Böhm, E. Livingstone 1 « cxploration of the Upper 
Congo. (Proceedings of the Royal Geographical 
Society, XVII, 1873, pag. 21.) 

Beko, Ch, Position of the souroe of the Nile, an 
inqniry into the eflect on later geographers of 
Ptolemy« erroneaus determination. (Our Ocean 
Highways, 1873, pag. 342, 374.) 

Blyden. The Falaha expedition of 1872. (Bäte« 
Illustrated Travels, V, 1873, pag. 90.) 

Boylo, P. To the t’ape for Diamond«, a Story of 
Digging Experience in South Africa. With Cora- 
ments and Critique», Political, Social, and Mis- 
edlaneous upon the Present State and Future 
Proapect« of the Diamond Fields. London 1872, 
8 °. 

Ohne besonderen Werth für den Ethnologen. Man 
ersieht aus derartigen Büchern nur, welche satanischen 
Ausgeburten die Berührung roher Eingeborener mit 
sucht toseu Eurojiacm hervorbringt. Erst nach 
schweren Kämpfen und Zuckungen folgt auf da* 
Digging da» Settlement, welchen letzter**, allerdings 
erst unter humaner Einwirkung englischer Beamter, 
dem rüden Gegeneinanderw fuken der Massen ein Ziel 
ZU setzen pflegt. 

Brown, J. C. On the dcstructiou of forests in 
South Africa. (Our Ocean Highway«, 1872, pag. 
239.) 

Depping, GL La republique de Liberia. (Journal 
ofliciel de la Republique Frnnyaise 1873, Janv., 
I>»g- 73.) 

Dcrregagaix, V. Le Sud de la provinoe d’Oran. 
(Bulletin de la Societe de Geographie de Paris, 
6 m * Serie, Tome 5, 1873, pag. 5.) 

Desdcmaines Hugon. Le* mine« de diamants en 
Afrique. (Revue Scientifique, 2^* Serie, 111, 1873, 
Nr. 21.) 

Deajardins, E. La colonie romaine de Banasa et 
l'exploration Geographique, de la Mauretanis 



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56 



Verzeichnis« der anthropologischen Literatur. 



TingiUne. (Revue Archealogiqae, XXIV, 1872, 
p»g. 361.) 

Beeenswerthar Artikel , welcher viele Streiflichter 
auf die «bemal» stattgehabte Romanisirung Nord- 
afrika» wirft. 

Dolmen in Marokko. (Globus, Bd. XXIV, 1873, 
8. 175.) 

Dupr&t. The trade of Mozambique. (Our Ocean 
Highways 1H72, pag. 286.) 

Duvoyricr, H. The progreas of discoveriug South 
of Algeria. (Our Ocean Highways 1873, Juni, 
pag. 93.) 

Elton, Fr. Journal of an exploration of the Lim- 
popo-River. (Journal of the Royal Geographical 
Society 1872, pag. 1.) 

Finding, Tho, of Dr. Livingstone bv H. M. Stan- 
ley. Enlarged edit. London 1872, 8°. 

Fillias, A. Geographie , physique et politique de 
l’Algerie. 2 me edition. Paris 1873, 18. 

Guter Führer, unserem Unheil nach besser als 
irgend ein« der früher über die* Land geschriebenen 
kleineren Werke aus französischer Quelle. 

Frere, H. Bartle E. A few remarks on Zanzibar 
and the East Coast of Africa. (Proceedinga of 
the Royal Geographical Society, XVII, 1873, 
pag. 343.) 

Fricke, F. Mittheiluugen über das Kongo-Gebiet 
und andere Theile Innerafrikan und die neuen 
englischen und deutschen Expeditionen nach dem 
Kongo. ( Petermann’a Mittheilungeu 1873,8.69.) 

Qirard, A. Souvenir« d’uu voyage en Abyseinie 
1868, 1869. Le Caire 1873, 8". 

Grad, Ch. Lee expeditions allcmaiidea cn Afrique. 
(Revue Seien tifique, 2 de Serie, 1873, Nr. 51.) 

Grandy, W. F. The Congo. (Our Ocean High- 
ways 1872, pag. 274.) 

Grant, J. A. Summary of observations on the 
geography. climate, and natural history of the 
lake region of Equatorial Africa, made by the 
Speke und Grant Expedition 1860—1863. (Jour- 
nal of the Royal Geographical Society 1872, 
pag. 248.) 

Greeff, R. Madeira und die catiarischen Inseln 
in naturwissenschaftlicher, besonders zoologischer 
Beziehung. (Dissertation, Marburg 1872, 4°.) 

Gueydon, de. Exposition de la .Situation de l’AL- 
gorie. (Revue maritime et colon. 1873, Fevrier, 
pag. 378.) 

Guido general des voyageure en Algürie; chemins 
de fer, messageries terrestres, Services maritimes 
etc., 1 « seiie, Nr. 1 , 1871 — 1872. Alger 1873, 
32. 

Hahn, H. Eine Untersuchungsreise im Hererd* 



Lande. (Rerichte der Rheinischen Missionsge- 
sellschoft 1872, Nr. 7, 8, 10; 1873, Nr. 2 fT.) 

Hanote&u, A. et A. Letourneux. La Kabylio 
et les coutuines Kabyles, Tome I, 11. Paris 
1873. 8«. 

Höchst wichtige» ethnologische» Werk , welche« 
wohl ein« eingehendere Besprechung verdiente. 

Haverland, G. Die landwirthschaftlichen Verhält- 
nisse der Transvaalrepublik. (Natur 1873, Nr. 
34.) 

Haverland, G. Expedition nach einem Goldfelde 
in Zoutpanaberg. (Natur 1873, Nr. 2, 4.) 

Haverland, G. Besuch der Diamantfelder in Süd- 
afrika. (Natur 1873, Nr. 22 fT.) 

James, C. Souvenirs de voyage. Les Hebreux 
dans risthme de Suez. Paris 1872, 16'\ 

Wenn »ich doch die sogenannten Aegyptologen, 
G69Chichtaforscheru.fi. w. daran gewöhnen wollten, die 
Juden de» Exodus für nichts auderea, al» einen au* ge- 
ringen Anfängen allmülig macht tg gewordenen, »chlie*»- 
lich den Tribut (arab. Tidbah) verweigernden, »yro- 
arabischen Beduinenstanmi anzuer kennen , statt 
au* der Mythe de* Nomadenzelt«« heran* den Abzug 
d«* Volke» Israel au* nilotisclieu Fluren al* etwa* 
ganz Besondere», »ich «1er gewöhnlichen Dicu»*i»ii 
Entziehend«** zusammen zu coiistruiren ! In allen 
Zeiten ist es vorgekominen, das« kleinere und grössere 
Be<luineug«.*tneiitd«n , den kärglichen Weid«*griimb*n 
ihrer syrisch-arabischen Wä»t«*nlieimath »ich ent- 
framd«*nd. den fruchtbaren Niiufern zugestrebt liabeu, 
und hier allmülig naturgemäß* in Abhängigkeit von 
den Gebietern der dortigen eingeborenen fleissigen 
Ackerbauerbevölkerung gerathen sind. Nicht völ- 
lig ihrer unabhängigeren Lage als freier Söhne 
der Wüste vergönnend, immer noch in stolzer Ge- 
sinnung verbleibend, haben solche angcsiodelte Be- 
duinenstämnte, vom Druck ihrer zeitigen Herrscher 
beschwert, hier und da zu den Waffen gegriffen, die 
unerträgliche Lasi der Kopfsteuer und der Fr* dinarbeit 
von sich abwälzend, haben, abermals da* dürftige 
Lehen de* unbehindert umherschweifeuden Nomaden 
dem abhängigem des sesshaften Land hauet* im 
üppigen, eine vielfältige Ernte versprechenden Nil- 
t hale vorgezogen. Dergleichen wiederholt »ich, mau 
kann e* wohl sagen, seit den ältesten Pharaouenzeiteu 
durah die Herrschaften d**r Ominiyaden, Abbassiden, 
Fathmiden , Ejubiden , Turkmenen , Mameluken und 
Franzosen , bis auf die Jetztzeit der o*mam»«hen 
Paschas und Khedives. Nach dieser Richtung hin 
möchten wir aber den Exodus der Juden beurtheilt 
wissen. nicht nach misMverdatidenen in exegetischem 
Aberwitz sich abmartenden bchulschwützereien. Wir 
wollen j» hierbei den vielfach erörterten Untergang der 
pharaoniscliert Heerschaareu, welche in Verfolgung 
der ubrückendeti Beui Israil begriffen warati, durchaus 
nicht aufechten. Dergleichen wiederholt sich, vceiin 
auch im kleineren Maassstab«, in jenen Gegenden 
Tag für Tag. Bekanntlich aber hat sich über die 
Oertlichkeit , an welcher der grosse Aufwiegler und 
Medizinmann Moses seine sogenannten Wunder 
verrichtet«, eine aufregende Streiterei erhoben. 
Uns geben derartige philologische (geographisch 
sein wollende) Streitereien freilich nur geringe* 
Aerg«*rniss, wir unsererseits behalten uns lie- 
ber die naive, rein ethnologische Betrachtung 
eines uns ganz natürlich dünkenden, der ganzen bibli- 
schen Sachlage zum Kern dienenden Ereignisses 



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Verzeiehniss der anthropologischen Literatur. 



vor. Herzlich gern aber überlassen wir es jeuen 
Anderen, sich in unnntzlichen Debatten über da« 
Wie und Wo de« Exodus ihrem eigenen Stand punkte 
gemäss abzumühen. 

Kirk, J. Vigit to the coast of Somali-Land. (Pro- 
ceeding« of the Hoval Geographical Society, VoL 
XVII, 1873, pag. 340.) 

Koner, W. Der Antheil der Deutschen au der 
Entdeckung und Erforschung Afrika», mit einem 
Nachwort von H. Kiepert. (Zeitschrift der Gesell- 
schaft für Erdkunde zu Berlin 1873, S. 386.) 

Fleissigc, gründliche Arbeit einer gerechten Manne#- 
natur, welche im langjährigen Ueberblick, im lang- 
jährigen Verkehrt^ mit befreundeten Gelehrten in 
unserem neuen Zeitalter der Reisen, Aben- 
teuer und Entdeckungen es nicht verlernt hat, 
unter voller Würdigung fremden Verdienstes dein 
Antheil der Landsleute und Freunde an Erschliessung 
des bei uns modisch gewordenen C'ontinentes Ge- 
rechtigkeit widerfahren zu lassen. 

Körner, F. Südafrika. Natur- und Culturbilder. 
Leipzig 1873, gr. 8°. 

Compilation aus Hirt’sehen Verlagsartikeln, für 
welch« dies Buch wob) als Reclame dienen soll. Der 
naturwissenschaftliche Theil ist in textlicher und 
ikonographischer Hinsicht recht mangelhaft. 

Lensir, P. The Fagonm; or, Artist« in Egypt. 
(Illust rat ed with 13 pl. London 1873, 8®.) 

Light wood , E. Ancient Egypt; its monuments, 
worship, and people. London 1873, 16°. 

Lcjean, G. Voyoge enAbyssinie execnte de 1862 
a 1864. Paris 1873, 4«. 

Inhalt bereits durch Le Tour du Monde, und durch 
Lejean’s grosseres Werk bekannt geworden. 

Livingatone’» Letter» to Sir Thomas Maclear. (Pro- 
ceedings of the Hoval Geographical Society, XVII, 
1873.) 

Livingatone rclief Expedition under Lieutenant 
Cameron. (Occan Highways 1873, pag. 199.) 

Livingatone. Aid expedition. (Proceedings of 
the Hoyal Geographical Society, XVII, 1873, 
pag. 157, 169, 324.) 

Lüttke, M. Aegyptens neue Zeit II Bde. Leip- 
zig 1873, gr. 8*. 

Lesens werthes, inhaltreiches Buch, in welchem die 
Ethnologie wohl vertreten erscheint. 

Mage, B. Voyage dans le Soudan Occidental. 
Abrege par J.Belin de Launay. Paria 1873, 18*. 

Malcolm. Der ostafrikanische Flosa Wami; mit- 
getheilt von G. Palmer Davis. (Zeitschrift der 
Gesellschaft für Erdkunde 1873, S. 217.) 

Mann, R. J. Account of Mr. Baines's exploration 
of the Goldbearing region between the Limpopo 
and Zambesi River. (Journal of the Royal Geo- 
graphical Society 1871, pag. 100.) 

M&mo, E. Reisen in Hoch-Senaar. (Petermann’s 
Mittheilungen 1872, S. 246, 450.) 

Arclüv für Anthropologie. Bd. VIL Haft 4. 



57 

Verf. kommt mit Ausnahme unwichtiger Differeuxen 
hinsichtlich der ethnologischen Verhältnisse Sennars 
fast genau zu den Ansichten, wie sie Referent bereits 
zehn Jahro früher an verschiedenen Stellen ver- 
öffentlicht hatte. 

Mamo, E. Der Bahr Seraf. Reisebriefe. Decem- 
ber 1871 bis September 1872. (Petermann’s 
Mittheilungen 1873, S. 130.) 

Marno , E. Zur heutigen Lage de« ägyptischen 
Sndan. (Mittheilungen der Wiener geographi- 
schen Gesellschaft 1873, S. 162.) 

Berichte über oben citirte Aufsätze gelegentlich 
später , nach erfolgter Veröffentlichung de# Haupt- 
reisewerk es. 

Mcara, J. W. The itory of MadagascAr. New- 
York 1873, 12°. 

Murray’» Handbook for Travellers in Egypt. 4 
edition. London 1873, 12°. 

Di«# vorzügliche Buch ist auch in ethnologischer 
Beziehung sehr lesenswert!». 

Murray’» Handbook for Travellers in Algeria. 
London 1873, 12®. 

Mignan, V. Apres bien d’autrc» Souvenirs de la 
IUute-ßgypte et de la Nubie. Paris 1873, 8®. 

Milca, 8. B. On the neighbourhood of Bunder 
Marayal (Somali). (Journal of the Royal Geogra- 
phical Society 1872, pag. 61.) 

Nachtigal, G. Reise in die südlichen Heidenlän- 
der Baghinnis. (Zeitschrift der Gesellschaft für 
Erdkunde 1873, 8. 249, 311.) 

Nachtigal, G. Der Hofstaat des Königs von Bag- 
hirmi. (Globus 1873, S. 119, 137, 153.) 

Nachtigal, G. Zug mit einer Sclavenkarawane 
in Baghirmi. (Globus 1873, 8. 215, 231.) 

Nachtigal, G. Die Abstammung des Königs von 
Wadai. (Globus 1873, S. 335.) 

Nachtigal, G. Neueste Reise im Sudan. (Globus 
1873, S. 375.) 

Nachtigal, G. Brief au G. Rohlfs, darin Kuka, 
Februar 1872. (Mittbeilungen der Wiener geo- 
graphischen Gesellschaft 1873, S. 179.) 

Nachtigal, G. Sclavenjagden in Centralafrika. 
(Kölnische Zeitung 1873, vom 20. bia 28. Juli.) 

Nachtigal, G. Reise von Kancm nach Borku. 
(Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu 
Berlin 1873, S. 141.) 

Nachtigal, G. Reise nach dem Bahr el Ghasal. 
Kancm, Egai . Bodele und Borku 1871. (Peter- 
tuann's Mittheilungen 1373, 8. 201.) 

Reich an den interessantesten Bemerkungen über 
die Völkurverhältnisse in bisher zum Theil erst wenig, 
zum Theil noch gar nicht bekannt gewesenen Ge- 
bieten. Heber die Verwandtschaft» Verhältnisse der 
von Nachtigal in den Bereich seiner Forschungen 
gezogenen Stämme mit den nilo tischen Nationen wird 
8 



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58 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



der berühmte Reisende hoffentlich nach »einer Rück- 
kehr in dieHeinuith genauen Bericht erstatten, uns 
hoffentlich alsdann auch die Angaben über „Araber 
von Innerafrika“ auf ihr richtige» ethnische» Verhalt* 
nid» bringen. , 

Nippold, F. Aegyptens Stellung in der Religiona- 
uud Culturgescbichte. 2. Aufl. Berlin 1873, 8®. 

Neveu, C. Republiqn« de l’Afrique meridionale 
«u de Tra n s- V aal - Boors. (Revue maritime et co- 
loniale 1872, pag. 427.) 

Neveu, C. Notes sur les colonies de Portugal et 
principalement sur la Capitanerie generale de 
Mozambique. (Revue maritime et coloniale 1872, 
pag. 247.) 

Noll, F. C. Von Li&sabou nach der Küste Ma- 
rokkos und den Canaren. (Westermanna Monats- 
hefte 1873, Februarheft ff.) 

Sehr anziehende Schilderungen, denen e» auch nicht 
an wissenschaftlichem Gehalt fehlt. 

Oberländer, R. Westafrika. Vom Senegal bis 
llenguela. Leipzig 1873, 8*. Mit Illustrationen. 

Gut geschriebene, geschickt angeordnete Zusam- 
menstellung de» über die wnstafrikaniBchen Natur- und 
Volkerverhültni»»e bi» jetzt bekannt Gewordenen. 
Unter den vielen ganz leidlich angeführten Illustra- 
tionen befinden »ich auch einige Originale. 

Perier, J. A. N. Des racca dites Herbere« et de 
leur fthnogcnie. Paris 1873, 8*. 

Perrier, Amalia. A winter in Marocoo. London 
1873, 8°. 

Pike, N. Subtropical rambles in the land of the 
Apbarapteryx : Personal experiences, adventures, 
and wauderinga in and around tbe island of 
Mauritius. London 1873, 8°. 

Reil, W. Die warmen Schwefelquellen von H61o- 
uan beiCairo. (Westermann’s illustrirte deutsche 
Monatshefte 1873, Nr. 9.) 

Robb. Geographical uotes on our West-African 
Mission. (United Presbyterien Missionary Re- 
cord 1873, pag. 298.) 

RoblfB, G. Reiseerinnerungen aus Central- Afrika. 
(Daheim 1873, Nr. 38 ff.) 

Rosenthal, H. Erinnerungen aus meiner Gefan- 
genschaft in Abyssinien. Bremen 1873. 

Schweinfurth , G. Völkerskizzen aus dem Ge- 
biete der Beehr el Ghasal. (Globus, Bd. XXIII, 
1873, Nr. 1.) 

Treffliche Schilderung der cannibalischen Niem- 
Niarn, der Mittu, Bongo u. fl. w. mit etwa» derbe au»- 
gefhlirteu, aber doch »ehr charakteristischen Original- 
illustrationen. Rehr danken» werth ist eine diesen 
Aufsätzen beigegebene ethnologische Karte des Ga- 
zellenfluBBgebiete» mit colorirten Feldern für die Um- 
grenzung der Hauptatämme dieser Gegenden. 

Schifffahrt und Handel der östlichen Provinz der 
Bay-Colonie im Jahre 1873. (Preussisches Han- 
delsarchiv 1873, Nr. 9.) 



Letzterwähnte vorzüglich redigirte Zeitschrift 
gewährt in ihren einer Betrachtung des auswereuro- 
päisehen Handelsverkehre» geöffneten Rubriken 
äusserst reichhaltige und wuchtige, die Volksw irtlt- 
»chaft fremder Staaten t>ehandelnde Materialien, deren 
Durchsicht namentlich solchen unserer Fachgenoasen 
dringend empfohlen w erden muss . welche sich für 
die letztere, in ihrer Bedeutung keineswegs zu unter- 
»rhätzemle Seite der allgemeinen Ethnologie 
interesairen. 

Ökctchly, J. A. An excursion in Dahomey. (Bä- 
te« illustrated Travels, XXIV, 1872, pag. 350, 
361.) 

Wenig genug aus jenem üppig fruchtbaren, son- 
derbaren Lande , in welchem die Nachkommen de» 
blutgierigen Gezo noch immer Menschenopfer ver- 
langen! Niemand hat uus bisher in genügender 
Weise jene» psychische Rüthsei zu lösen versucht, 
dass ein an sich nicht übel gebildeter, nicht einer 
gewissen Milde und Liebenswürdigkeit itn Verkehr 
ermangelnder Volksstamm, wie die Eingeborenen von 
Dabome. sobald es auf die „grosse Bitte* aukomnit , 
den srheiuislichsten Blutdurst und die wildeste , an 
Wahnsinn grenzende Grausamkeit entwickelt. Die 
in Dahomes kriegerischem Leben eine so grosso 
Rolle spielenden weiblichen Truppen ergänzen »ich 
zutn Theil au» fremden Sklavinnen , sind nur zum 
Theil Eingeborene. Diese Bestien der Bestien haben 
»ich durch ihre kaum begreifliche Tndeaverachtiing 
bei den Stürmen auf Atta|Uihm, Abeokuta u. ». w. 
einen weit verbreiteten Ruf erw r orben. Merkwürdig 
diese Guinealünder, in denen unter manchen Nationen, 
wie unter den Dahome und Fanti, die Männer Weiber 
und die Weiber Männer werden. Anklänge au diese 
Münuerwerdung der Frauen Anden »ich freilich unter 
vielen Stämmen der Kigritier in Form von kriege- 
rischen Königinnen, Amazonengarden ti. ». w„ sowie 
auch in der häufigen Ausübung de» Priesterthunu 
durch Weiber. 

Bull i van, G. L. Dhow-Chaaing in Z&nsibAr waters 
and on the eaetorn eoaet of Africa: Narrative of 
five years experience in the suppreggion of the 
glave trade. London 1873, 8®. 

Tief ergreifende Schilderungen de* durch den ver- 
ruchten Sklavenhandel veranlassten und unterhaltenen 
Elende». Kurze, bescheiden gehaltene Erwähnung 
mancher schönen humanen That., welche deu 
englischen Seeleuten zu höchster Ehre gereicht. 
Aeusserst dürftige et)inolugi»che Behandlung der o»t- 
afrikanischen Stämme, z. B. der Gala. 

Taylor, B. The Lake Regions of Central- Africa : 
A Compilation. New- York 1873. 

Thiaka, König der Zulu«. (Ausland 1873, Nr. 9.) 

Ein Tshaka, Tchaka war bekanntlich der Gründer 
der eigentümlichen Militär Verfassung der Zulu- 
Kaffern, ein energischer, kühner und grausamer Mann, 
einer jener ^ew'altigen Despoten, an denen Afrika 
von jeher Reichthum gehabt hat. 

Thomas, Morgan Thomas. Eleven years in Cen- 
tral South Africa. London 1873, 8°. 

Fesselnde Schilderungen der Kaffem, namentlich 
der Matabele oder, wie Verfasser sie nennt, Amatide- 
bele, ihre» dynastischen Stifter», de* berüchtigten 
U’mselikatai (Moselikatse der Autoren) und »eine» 
Nachfolger» Ulopcngule. Die Angaben über die von der 
der Znlu unter Tchaka und Dingaan nicht beträcht- 
lich abweichende Militärverfassung der Matabele siud 



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Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



höchst danken» werth. Miserahele Abbildungen, zum 
Theil sogar nach Baines'»cheu Vorlagen ! 

Tornas, W. N. On the Oil Rivers of West Africa. 
(Proceedings of the Royal Geographical Society, 
XYII, 1873, pag. 148.) 

Ule, O. Die afrikanische Gesellschaft and die 
deutsche Congo-Expedition. (Natur 1873, S. 7.) 

Geschickte Darstellung der ersten Anfänge de» 
nationalen Unternehmens. 

Vllle. Exploration geologique du Reni Mzab, du 
Sahara ot de la regio n des steppe« de la province 
d’Alger. Paris 1873, 4®. 

Üehr wichtiges Werk über die jetzt so vielfach, 
seihet in Volks wirtiischaftlicher Hinsicht discutirten 
Gegenden de» Saharabeckens, dessen wissenschaftliche 
£r Schliessung vor der Hand selbstverständlich nur 
von den Besitzern Algerien» gepflegt werden kann. 



59 

Walker, R. B. N. Letter on a jouraey up the 
Ogowc River, West Africa. (Proceedings of the 
Royal Geographical Society, XVII, 1873, p. 354.) 

Wangemann. Die Berliner Mission im Kaffer- 
lande. Berlin 1873, 8°. 

Weil«, W. Tinne, the heroine of the White Nile ; 
or what a vornan did and dared. A sketch of 
the reroarkable travels and experiences of Miss 
Alexnndrine Tinne. New-York 1872. 

Höchst überspannte Darstellung des Lebens uud 
der Thaten der vielbesprochenen . wohlmeinenden, 
häufig übelberathenen und unglücklichen Abenteuerin. 
Das Buch ist jedenfalls als Sensation*- Machwerk fiir 
die amerikanische Welt innerhalb einer ÜAison 
berechnet gewesen. 



Amerika. 

(Von F. von Hollwald.) 



Adams, A. Leith. Field and forest Rambles: 
with notes and obaerrationa on the natural his- 
tory of eastorn Canada. London 1873, 8®. 

Besprochen im Athenäum, Nr. 2374, vom 26. April 
117 $ und im Globus, Bd. XXIV, Nr. 21. 

Agassiz, E. C. A cruise through the Galapagos. 
(Atlantic Monthly, May 1873. S. 579 — 585.) 

Amazonenstrom. Ein Tag am Amazonenstrom. 
(Aus der Natur 1874, Nr. 8.) 

America. Granges and Farmers’ Clubs in Ame- 
rica. (Cornhill Magazine, November 1873, S. 
556—568.) 

American exploring expeditions in the Great West. 
(Nature, Nr. 199, S. 331 ; Nr. 202, S. 385.) 

Amerikas. Das Muschelgeld an der Xordwest- 
köste Amerika®. (Globus, Bd. XXV, Nr. 1.) 

Amerikanischen, Ans, GerichthRüleii. (Europa 
1874, Nr. 6.) 

Amerikanischen. Aus dem amerikanischen We- 
sten. (Allgemeine Zeit an g 1874, Nr. 66, 93, 127, 
146, 190.) 

Amcenitates araericanae. (Globus, Bd. XXIV, Nr. 

n.) 

Amphlett, J. Under a tropical sky: a Journal 
of first impressions in the West Indies. London 
1873, 8®. 180 S. 

Anticoati Island. (Xantical Magazine, September 
1873. S. 728.) 

Argentiniens. Zur Völkerkunde Argentiniens. 
(Globus, Bd. XXIV, Nr. 23.) 

Arizona. Eine König Salomo - Goldgrube in Ari- 
zona. (Globus, Bd. XXIV, Nr. 5.) 



Assu, Jacarö. Brazilian Colonization from a Eu- 
ropean point of view. Ixmdon 1873, 8®. 132 S. 

Besprochen im Athenäum, Nr. 2399 , vom 18. Oc- 
tober 1875. 

Ausrot tungakriog der Yankees gegen die Apat- 
ches- Indianer. (Globus, Bd. XXIII, Nr. 20.) 

Auswanderung nach den Vereinigten Staaten. 
(Allgemeine Zeitung 1873, Nr. 5.) 

Avricourt , M. F. B. d\ Un chemin de fer au 
Perou n travers la Cordillere de« Andes. (Revue 
des deux Mondes, l* 1 * Janvier, 1874.) 

Baker, D. W. C. A brief hiatory of Texas. New- 
York 1873. 12®. 

Barry and Patten. Men and Memories of San 
Francisco in the Spring of 50. San Francisco 

1873, 12®. 

Bartling, H. Die Deutschen in Brasilien und die 
brasilianische Auswanderungsfrage. (Gegenwart 

1874, Nr. 20, 21.) 

Belt, Thomas. The naturalist in Nicaragua: a 
narrative of a residence at the gold-raines of 
Chontale*, Journcys in the Savanmths and forest«, 
with observations on animals and plante in refe- 
rence to the Theory of Evolution of living form«. 
London, John Murray, 1874. 

Besprechungen in Populär Science Review, vom 
Januar 1874, 8. 70. Athenäum, Nr. 2410, vom 3. Januar 
1874. Nature, Nr. 221, 8. 218. Chamber» Journ., 
Nr. 530, 8. 120. Ocean Highw., March 1874, S. 509 
und ausführliche Auszüge im .Ausland 11 1874, Nr. 25, 
26 und 27. 

Berendt’s Reise nach Centralamerika. (Globus, 
Bd. XXV, Nr. 18.) 

Bermejo, J. A. Republica® americanas. Episo- 
dioe de la vida privada, politica y social de la 
8 * 



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I 

j 



Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



60 

Repüblica del Paraguay. Madrid 1873, 8 # . 284 
Seiten. 

Beraouilli, Dr. Q. Reise in der Republik Gua- 
temala 1870. (Petenn&nn’s Geographische Mit- 
theilungen 1873, X. Heft, S. 373—379.) 

Beschäftigungen, Die, der Deutschen in den Ver- 
einigten Staaten. (Globus, Bd. XV, Nr. 4.) 

Biart, Lucien. L’eau dorwante , sceneB de la vie 
mexicaine. (Revue des deux Mondes, 1 Octobre 
1873.) 

Boeck, Eugen von. Ein Ausflug nach Cocha- 
bamba in die bolivianischen Yungas. (Globus, 
Bd. XXV.) 

I. Fusstour nach den Yungas von Icuna. — Coca* 
cnltur, Nr. 8. 

11. Pflauzenwuchs, Thierwelt, Ketschnasprache, Rück- 
kehr, Nr. 9. 

Bornemann, K. A. Aus Venezuela. (Aus allen 
Welttheilen 1874, März, S. 186 — 188; April, 
S. 214—215.) 

Staat., Gerechtigkeitspflege , Kirche, Schule, Volk»* 
zahl, Armee und Flotte. 

Brace, C. L. The dangsrous classes of New- York. 

Auszug iu der Revue »cientitique de la France. 
Vom 1J. Juni 1874. 

Brach vogol, U. Eine Woche in Utah. (Wester - 
mann’s illustrirte deutsche Monatshefte 1873, 
November.) 

Brasilien. Die Götter der wilden Indianer in Bra- 
silien. (Globus, Bd. XXV, Nr. 19.) 

Brasilien. Statistisches aus Brasilien. (Globus, 
Bd. XXIV, Nr. 19.) 

Brasilien. Der Ackerbau in Brasilien. (Magazin 
für die Literatur des Auslandes 1873, Nr. 40, 
S. 592.) 

Brasilien. Reisebriefe aus Brasilien. (Allgemeine 
Zeitung 1873, Nr. 286, 287, 288.) 

Brasilien. Das Kaiserreich Brasilien auf der Wie- 
ner Weltausstellung von 1873. Rio de Janeiro, 
Leipzig, Hinrich's Verlag, 1874, 8°. 408 S, 

Gut brauchbare» Nachschlagebuch ; die geogra- 
phischen Daten indes» mangelhaft. Siehe Allgemeine 
Zeitung 1874; Nr. 150. 

Brasilianische Auswanderungsfrage. Herr von 
Kessel und die — . (Magazin ftlr dio Literatur 
des Auslandes 1873, Nr. 43, S. 641.) 

Brenchley, Jul. The Cruise of the Curayao. 
London 1873. 

Anzeige im Athenäum, Nr. 2384, vom 5. Juli 1873. 

BresiL Le, d’aprös les rapports des consnls 
anglais. (Economiste frany&ise 1874, Nr. 9. S. 231.) 

Brown, R. The Modoc Indians. (Ocean Higways, 
June 1873.) 



Brnges, Roger Graf von. Reiseskizzen aus West- 
indien, Mexiko und Nordamerika, gesammelt im 
Jahre 1872. Leipzig, Duncker, 1873, 8°. 405 S. 

Butler, W. F. The wild north Land: being the 
story of a Winter Journey with dogs across Nor- 
thern America. Iamdon 1873, 8°. 

Anzeigen in Ocean Highway» 1874, Februar, 8.469. 
Athenäum, Nr. 2413, vom 24. JAntiar 1874. 

Californien. Das gesegnete Land Californien. 
(Globus, Bd. XXV, Nr. 5.) 

Schilderung der »ociftlen Zustände. Das Land ge- 
deiht in jeder Beziehung. 

Californien, Aus. (Allgemeine Zeitung 1873, Nr. 
288.) 

Californien. Eine deutsche Wehklage aus Cali- 
fornien. (Globus, Bd. XXIV, Nr. 13.) 

Canaan, Ein, der Gegenwart. (Aus der Natur 
1874. Nr. 2, S. 17—27.) 

Kurze Schilderung von UraHilien, welche» sich alu 
Au»wandenitJgsziel empfiehlt. 

Canada, Life in the Buck woods of Canada. (At- 
lantic Monthly, March 1874. S. 283 — 297.) 

Capanoma, Prof. G. S. de. Die Sambaquis oder 
Muschelhügel Brasiliens. (Petermann’s Geograph. 
Mittheilungen 1874, S. 228 — 231.) 

Charencey. Le Mythe dTmo». Tradition des 
peuplos Mexicains. 8°. 

Colombie. Les voies de Communication en Co- 
lombie. (Bulletin de la Societe de Geographie, 
Paris, II, Decembro 1872.) 

Colorado. Gold minea and milling of Gilpin 
County. (Quarterly Journal Science. Januar 1873.) 

Cordoba. Die Provinz Cordoba. (La Plata Mo- 
natsschrift 1873, Juli, August.) 

Cuba. Die Parteien auf der Insel Cuba. (Allgem. 
Zeitung 1873, Nr. 327.) 

Cuba und die Cubancr. (Unsere Zeit 1874, Nr. 12, 
8. 828; Nr. 14, S. 123.) 

Cuba. Zustände auf der Insel Cuba. (Globus, 
Bd. XXV, Nr. 1.) 

Cuba. L’ile de Cuba d'apres les rapports des con- 
suls anglais. (L’Econo miste franyais 1874, Nr. 
6. 8. 149—150.) 

Auf Gruud de» von Herrn Grayham-Dnnlop, briti- 
schem General consul auf Cuba, 1872 erstatteten amt- 
lichen Berichtes, der sich natürlich nur mit dem 
Handel der ln»ei befasst. Die Bevölkerung Cuba’a 
veranschlagt Herr Grayham-Dunlop mit. 1 200 000 Ein- 
wohnern, darunter 3 50 000 8chwarze und 60 000 Chi- 
nesen, die für die Dauer ihres Vertrage* gerade so 
Sklaven »iud wie die Neger. Die liaupUtrzeugnisao 
Cuba* »iud noch immer Zucker, Mela»»u und Ta back, 
wovon jedoch nur der geringste Theil nach dein 
»panischeu Mutterlande exportirt wird. Die Staats- 
schuld der Insel betragt die Kleinigkeit von 13 000 000 
Pfund Bterling. 



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61 



Verzeichnis» der anthropologischen Literatur. 



Cuban Insurrection , The. (Edinburgh Review, 
Oetober 1873, Nr. 282.) 

Culturbild, Ein. au« Nordamerika. (Wissenschaft- 
liche Beilage der Leipziger Zeitg. 1874, Nr. 29.) 

Deutschen, Die, und die Einwanderungs-Commis- 
sion von New- York. (Allgemeine Zeitung 1874, 
Nr. llö.) 

Engel, Franz. Auf dem Paramo. (Unsere Zeit 
1873, Heft 18.) 

Engel, Franz. Land und Leute im tropischen 
Amerika. (Unsere Zeit 1874, Heft 4, 7.) 

Entwicklung der nordamerikanischen Staatenver- 
einigung. (Magazin für die Literatur des Aus- 
landes 1874, Nr. 19.) 

Ernat, Dr. A. Die Alterthümer von San Agustin 
in Neu-Granada. (Globus, Bd* XXIV, Nr, 21.) 

Ernst, Dr* A. Der angebliche Canal des Rio Ras- 
padura in Neu-Granada. (Globus, Bd. XXIV, 
Nr. 14.) 

Explorationa of Francesco Vasquez de Coronado 
in search of the seven eitles of Cibola. (Geogra- 
phien! Magazine 1874, II. 8. 86 — 87.) 

Explorationa, Les, dans l'Amcrique du Nord. (Re- 
vue Scieutiiique. 13. Juni 1874.) 

Fischerei und Jagd in den Provinzen Amazonas 
und Mato-Grosso. (Aus der Natur 1874, Nr. 3, 
S. 33—41.) 

Fitzgerald, B. A. Wickets in the West; or, the 
Tvelve in America. London 1873, 8*. 

Besprochen im Athenäum, Nr. 2392, vom 3l). August 
1873. 

Fester, J. W. Prehistorie rares of the United 
States of America. Chicago, 8. C. Griggs, 1873, 
8°. 415 pag. 

Furcht der Yankees vor dem deutschen Elemente 
in Nordamerika. (Globus, Bd. XXV, Nr. 10.) 

Gallenga, A. The pearl of the Antilles (Cuba). 
London 1873, 8®. 202 S. 

Gardner, W. J. A history of Jamaica, from ita 
discovery by Christopber Columbus to the present 
Time. London 1873, 8®. 

Angezeigt im Athenäum, Nr. 2388, vorn 2. August 

1873. 

Gatschot, Alb. S. Erforschung des Nordwest- 
theih’H von Texas im Jahre 1872. (Petermanu's 
Mittheilungen 1873, XII.) 

Geary, Alfred A. The Exploration of the Rio 
Bermejo. (Ocean Highways, Jan uary 1874. S. 412.) 

Geary, Alfred A. European emigration to the 
Argentine Republic. (Ocean Highways, Februar 

1874. S. 462.) 



Geary, Alfred A. An account of the early jesuit 
missions in the La Plata. (Ocean Highways, 
March 1874. S. 498.) 

Guppy , Henry F. J. The Trinidad ofticial and 
commercial Register for the year of our Lord 
1872; compiled from ofticial records by — . Port 
of Spairi 1872, 8®. 101 S. 

Siehe darüber Globus, Bd. XXIV, Nr. 13, 8. 207. 

Hamy , Dr. E. T. Nouveaux renseignements sur 
les Indiens Jivaros. Paris 1873, 8®. 

Behandelt Physiologie und Linguistik, dann Sitten 
mul Gebräuche dieser zu der Guaranni * Gruppe ge- 
rechneten Indianer. 

Hazard, Samuel. Santo Domingo, Past and Pre- 
sent, with a glance at Hayti. London 1873, 8°. 

Besprochen im Globua, Hd. XX III, Nr. 20. 

Hellwald, Fr. v. Eine antiquarische Reine durch 
Centralamerika (Wiener Abendpost, vom 23. 
und 29. Januar 1874.) 

Holst, H. v. Verfassung und Demokratie der Ver- 
einigten Staaten von Amerika. Düsseldorf 1 87 3, 8®. 

Besprochen von Oppenheim in der Xationalzeitung 
1874, Nr. 3 und 5, von Pauli in den Gotting, gelehrten 
Anzeigen, 1873, Nr. SO. Siehe auch Allgemeine Zeitung 
1873, Nr. 351, 352, 353. 

Host’s Reise an die Quellen des Vermejo und Pil- 
comayo. (Globus, Bd* XXV, Nr. 19.) 

Hutchinson, Thom. J. Two years in Peru with 
Exploration of ita antiquities. With Map by Da- 
niel Barrera and numerous illustrations. London 

1873, 8". II Vols. 

Besprochen im Athenäum, Nr. 2419, vom 7. März 
1874 und kurz angezeigt in Petermann's Geogra- 
phischen Mitt bedungen 1874, 8.239. ferner im Globus, 
Bd. XXVI, Nr. 2, 8. 2« bis 30. 

Indian, The, Territory and ita inhabitanta. (Geo- 
graphica] Magazine, June 1874. S. 92 — 95.) 

Indianer vom Panama - Isthmus. (Zeitschrift für 
Ethnologie 1873, S. 311—317.) 

Indianerkrieg, Der, im amerikanischen Westen. 
(Allgemeine Zeitung 1873, Nr. 145.) 

Irokesen. Eine Erinnerung an die Irokesen. 
(Globus, Bd. XXIV, Nr. 12.) 

Kollcr-Leuzinger, Frz. Vom Amazonas und Ma- 
deira. Skizzen mit Beschreibungen. Stuttgart 

1874. 

Die schwierige Streck»* mit den Stromschnellen des 
Madeira führt durch Wildnisse, bewohnt von gänzlich 
nackten Caripuna - Indianern. l>ie Expedition der 
deutschen Ingenieure stiess auf eine dieser Horden 
und verkehrte freundschaftlich mit ihr. Dadurch 
gelang es Herrn Keller, das Portrait eines jungen 
Canpima von etwa 2u Jahren zu erbeuten , der in 
der durchbohrten Nase Scheidewand ein Büschelchen 
gelbrother Tucanfedern trug und als ein typisch gutes 
Exemplar betrachtet werden durfte. Zu trauen ist 
den Caripuna niemals. Eine Anzahl blutiger Timten 
gegen Ansiedler oder einsame Schiffer auf dem Madeira 



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Verzeichniss der anthropologischen Literatur. 



02 

diente den Reisenden als Lehre zur Vorsicht und 
Wachsamkeit. Natürlich wird eit ritsch um dienen 
Kumm geschehen sein , sobald der Madeira «ich mit 
Verkehr belebt. Auch von sogenannten „zahmen“ 
Indianern , den Moxoh in der ehemaligen Jesuiten- 
mixsion Trinidad, dem Endpunkte der Erforsc.hung 
am Mamort, erhalten wir eine Anzahl Abbildungen. 
Wichtig für uns war es, da&s ein Reisender, wie Herr 
K eller-Lenzinger , der gewiss allen Theorien über 
die Ableitung der Eingeborenen der neuen Welt ganz 
fremd geblieben ixt, genau dasjenige wiederholt und 
bestätigt, was alle übrigen Beobachter uns über das 
Aeussere des sogenannten rothen Mannes mitget heilt 
haben. „Die Physiognomie der weitverbreiteten 
Guarani- oder Tupistilmme* , heisst ex wörtlich, 
.erinnert ati das bekannt«, damisch gewordene 
Adlerprofll der Rothhäute Nordamerika*, während 
die anderen Brasilianer, als deren Prototyp wir die 
Coro ad os der Büdprovi uzen an sehen, mit ihren schief- 
gestellten Augen, stumpfen Nasen und stärkeren 
Backenknochen unwillkürlich an den mongolischen 
Typus mahnen. * Blue Anzeige diese* Prachtwerkes 
aus der Feder des Prof. Oscar Peschei, welcher 
auch obig«? Zeilen entnommen sind , siehe Ausland 
1*74, Nr. 5, 8. Hl bis H4. Einen Auszug brachte der 
Globus , Bd. XXV . Nr. 20. 

Kingsloy, Maurice. Mexico. (Ocean Highways, 
May 1873. S. 45—48.) 

Kirchhoff, Theod. Die Chinesen in San Fran- 
cisco. t Globus, Bd. XXIV, Nr. 15, 16.) 

Kirchhoff, Theod. Ein Besuch im Silberlande 
Washoe. (Globus, Bd. XXIV, Nr. 6, 7, 8, 9.) 

Laboulaye, E. L'eglise et Fetat en Amerique. 
(Revue des deux Mondes, 15 Novembre 1873.) 

Lotters fr tun Jamaica. „The Land of strcams of 
woods u . Edinburg 1873, 12*. 182 S. 

Levy, Paul. Notas geogrnficaB y econömicas so- 
bre la republica de Nicaragua. Paris 1873, 8°. 
644 S. 

Levy, Paul. Notes sur une nouvelle carte du Ni« 
caragua et sur le» projeta de perceraent du canal 
inter-occanicn. (Bulletin de la Societc de Geo- 
graphie de Paris, Ferner 1873.) 

Liais, Emm. Carte physique du Breril oriental. 
(Bulletin de la Societe de Geographie de Paris, 
2 d ® Hecembre 1872.) 

Lichtonberg, J. N. Quacksalber in Amerika. 
(Allgemeine Familien-Zeitung 1874, Nr. 21.) 

Louisiana. Ein Culturbild aus Louisiana. (Glo- 
bus, Bd. XXIV, Nr. 19.) 

Magdaien Islands and Vicinity. (Nautical-Maga- 
ziue 1874, I. 8. 42.) 

Markham, CI. E. Narratives of the Rite« and 
La ws of the Yncas. London 1873. 

Besprochen im Athenäum , Nr. 2404 , vom 22. No- 
vember und Nr. 2405, vom 29. November 1873. 

Martine z. Cen&o de la poblucion en Sinaloa. (Bo- 



letin de la Soc. de Geogr. y eatadintico. Mexico 
T. IV, 1872, Nr. 12. S. 778—784.) 

Mechiin and Warron. Report of a jonrney from 
Belize to the City of Guatemala. Belize 1872. 

Mexico. Aus der Umgebung von Mexico. (Aus 
allen Welttheilen 1873, Dccember.) 

Mexico. Neuo Unruhen und alte Missst&nde in 
Mexcio. (Allgemeine Zeitung 1873, Nr. 61.) 

Mexico. Zustände in Mexico. (Allgemeine Zei- 
tung 1873, Nr. 108, 224, 266, 884.) 

Miller, Joaquin. Life among the Modocs; un- 
written history. London 1873, 8*. 

Hiebe Chamber 's Journal, Nr. 507. 

Misere, La, «t le crime a New-York. (Revue scicn- 
tifique, vom 13. Juni 1874.) 

Missionen, Die, und die Mat acos-Indianer im Gran 
Chaco. (Globus, Bd. XXV, Nr. 5.) 

Au* der La Plata Monatsschrift abgedruckt. Der 
Verfasser, Major Franz Hont, schildert den heil- 
samen Einfluss der Missionen und giebt eine kurze 
Charakteristik der Malacos * Indianer , welche einer 
der wichtigsten Choco - Stämme sind. 8ie bewohnen 
beide Ufer de* Rio Vermejo von 24° 4«' bis 23*10' 
südlicher Breite und Ä8* 13* bis S5* 18' westlicher 
Lange und stehen noch auf einer tiefen Stuf« der 
C’uJtur. 

Mormonen auf der Wanderung. (Globus, Bd. XXV, 
Nr. 24.) 

Mormonen. Bei den Mormonen am Grossen Salz- 
see. (Globus, Bd. XXV, Nr. 23.) 

Mulhall, M. G. Rio Grande du Sul and ita ger- 
man colonies. London 1873, 8 n . 

Musters, Goorgo Chawerth. Unter den Pata- 
gonien). Wanderungen auf unbetretenem Boden 
von der M»ge Ihaenstrasse bis zum Rio Negro. 
Autorisirtc Ausgabe für Dentschlaud. Aus dem 
Englischen von J. E. A. Martin. Mit 9 Illustra- 
tionen in Ton- und Schwarzdruck und 2 Karten. 
Jena, Hermann Costenoble, 1873, 8°. 

Muster’* int der erste Europäer, welcher den 
jungfräulichen Boden Patagonien* betrete» und der 
Länge nach durchzogen hat. Hein Lebe» unter den 
Tehuelchen hat uns mit deu Bitten dieser Indianer 
mehr vertrant gemacht, als irgend wer zuvor, udd 
wäre* dem britischen SeeofBcier auch versagt, durch 
Messungen und astronomische Beobachtungen die 
Geographie jener weiten Region zu bereichern , so 
hat er uns doch dafür entschädigt, durch da* gelungene 
Bild, welches er von dem allgemeinen Charakter des 
bereisten Gebietes entwirft, sowie durch seine werth- 
vollen Mittheilungen über da» I»eben und Treiben der 
Tehuelchen. Muster»’ Buch verdiente daher gewiss 
die Ehre einer Uebersetzung , und es freut uns, die 
von dem Jenenser Universität«- Bibliothek* -Recretär 
gelieferte Ucbertragung als durchaus gelungen be- 
zeichnen zu dürfen. Herr Martin besitzt in der 
That eine anerkennenswertbe Gewandtheit, als Ueber- 
setzer , und hoffen wir , seine Feder noch lange in 
dieser Richtung thätig zu sehen. Die Ausstattung 



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Verzeichnis» der anthropologischen Literatur. 63 



des Buches lässt nichts zu wünschen übrig, doch fehlt 
ein alphabetisches Register. 

Neger. Eine Neger- und eine Mulatten republik. 
(Globus, Bd. XXIV, Nr. 20.) 

Neu-Granada. An dpr KüBte von Neu -Granada. 
(Globus, Bd. XXIII, Nr. 20.) 

Neu-Granada. Skizzen aus Neu-Granada. (Glo- 
bus, Bd. XXIV, Nr. 4, 5, 6.) 

Ninth Ceosus of the United States. (Edinburgh 
Review, Nr. 283, January 1874.) 

Nodal, Dr. Jose Fern. Elementes de Gramatica 
Quichua o Idioma de los Incas. London 1874,8°. 

Pelz, Ed. Die Presse in den Vereinigten Staaten 
von Nordamerika. (Literatur 1874, Nr. 5,6,7.) 

Pennaylvanien. Zur Kennzeichnung der öffent- 
lichen Zustande in Pennsylvanien. (Globus, Bd. 
XXV, Nr. 9.) 

Peru. In den Urwäldern dos östlichen Peru. (Glo- 
bus, Bd. XXIV, Nr. 17, 18, 19, 20.) 

Peruvian. The long Peruvian skull. (Nature, 
Nr. 238. S. 46.) 

Pinart, Alphonae. Notes aur les Koloches. Paris 

1873, 8«. 

Pinart, Alphonae. Voy&ge ä la cöte nord-oueet 
d’Ameriquo d'Onalachka ii Kadiak. (Bulletin de 
la Societe de Geographie de Paris 1873, T. II, 
pag. 561 — 581.) 

Powers, Stephen. Aborigines of California. (At- 
lantic Moothly, March 1874. S. 313 — 324.) 

Ranqueles-Indianer, Die, auf deu argentinischen 
Pampas. (Globus, Bd. XXV, Nr. 16, 17, 18.) 

Rath, Dr. Carl. Schilderungen aus der brasilia- 
nischen Provinz Sao Paulo. (Globus, Bd. XXV, 
Nr. 10.) 

Rau, Carl. Amerikanische Gesichtsvaaen. (Archiv 
für Anthropologie, Bd. VI, Ueft 3, S. 163.) 

Rau, Charles. North American stone implementa. 
(Report of the Smithsonian Institution for 1872.) 
Auch separat. Washington 1873, 8®. 

Rau, Charles. Ancient aboriginal trade of North 
America. (Report of the Smithsonian Institution 
for 1872.) Auch separat. Washington 1873, 8°. 

Rauehfuss, Fried. Eine Reise nach Califoniien 
im Jahre 1870. Philadelphia 1870, 16®. 

Ricbardaon, James. Wonders of the Yellowstone 
Region in the Rocky Mountains, explored in 1871. 
London &. Edinburgh. 

Auszug im Chamber’s Journ., Nr. 542. 

Richter, J. J. Bilder aus den Vereinigten Staa- 
ten. Zürich 1874, 8« 162 S. 



Nicht ungünstig besprochen in Zarncke’s Central- 
blatt 1874, Nr. 23, 8. 753. 

Rio grande do Sul. Aus der brasilianischen Pro- 
vinz Rio grande do Sul. (Globus, Bd. XXIV, 
Nr. 23.) 

Rochelle, J. H. Geographica! positions in the 
valley of the Amazon. (Proceedings of the Royal 
Geographical Society 1872, XVI. S. 271.) 

Kritik in Petormann'* Mittheilungen 1873, 8. 235. 

Rockport in Texas, (Gäa 1873, II.) 

Rojaa, Oscar do. Notice aur la räpubliqne du 
Peiou. Paria 1873, 8°. 

Kurst Uebersicht der Topographie, der Erzeugnisse, 
der Regierungftform . de* Handel« , der Eisenbahnen 
(1300 Kilometer) uml Landeseint heil ungen von Peru, 
welche* der Autor als Au«wnndening«ziel darstellt, 
worin wir uns hüten, ihm beizustimmen. 

Rosen thal, Louis. Diesseits und jenseits der 
Cordilleren. Südamerkanitchu Reisebilder, Skiz- 
zen und Abenteuer. Berlin, Staude, 1874, 8°. 
268 S. 

Diese* Büchlein ist kein wissenschaftlicher Reise- 
bericht und erhebt darauf auch gar keinen Anspruch : 
trotzdem enthält es Manch«*, was der Beachtung seitens 
der Wissenschaft wert!) ist. Fast mit keckem Ueber- 
lnuthe , möchte man sagen, betrat der jugendliche 
Wanderer, der indes« von Hause ein tüchtiges Stück 
Wissen als keineswegs überflüssigen Reise ba haut mit* 
brachte , die Gestade Südamerikas, wo er zunächst 
nur acht Tage im paradiesischen Rio de Janeiro ver- 
weilte , gerade lang genug . um das bunt« und wirre 
Treibeu der brasilianischen Hauptstadt wie im Fluge 
zu erfassen und seine Eindrücke in einigen kräftigen 
Strichen auf* Papier zu werfen. Dass er dabei nicht 
immer tief genug blickt, ist wohl verzeihlich, giebt 
aber doch mitunter zu belustigenden komischen 
Stellen Anlass. So konnten wir ein Lächeln nicht 
unterdrücken , als er am Kohlendepot zu Rio zum 
emtenmale „jene traurigen Kcenen der Sklaverei“ 
sah, die hier noch in voller Bl iithe stellt. .Die armen 
Teufel von Schwarzen mussten gewaltige Körbe voll 
Steinkohlen an Bord schleppen und ich wunderte mich 
nur, wie sie noch so munter, ja fast ausgelassen 
lustig schwatzten und lachten und sich den Henker 
viel aus der ganzen Sklaverei zu machen schienen." 
(Seite 11 bis 12 .) Wo da die traurige Scene bleiben 
soll verstehen wir platterdings nicht. Wer hätte denn 
übrigens, nach des Autors Meinung , die Steinkohlen 
schleppen sollen Y Und hätten die gewaltigen Körbe 
freien Schwarzen oder Weissen etwa weniger wehe 
gethanY Der jugendliche Beobachter hat wohl nicht 
bedacht, erstens, dass die Herren Neger mit grosserer 
natürlicher Kraft ausgestattet, als wir, also eine grös- 
sere Last mit weniger Beschwerde ertragen, so dass, 
was fiir den Weinen eine Quälerei, für den Schwärzen 
keine ungewöhnliche Anstrengung erfordert, zweitens 
dass von gar niemanden weniger Klage geführt über 
di« Schrecken der Sklaverei, als von deu Negern 
selbst, die dieses Institut von ihrer Heimath her ge- 
wöhnt sind, denn in Afrika selbst leben drei Viertel 
der Neger in der Sklaverei des vierten Vierttheiles. 
Im Uebrigen möchten wir den Autor einladen, in 
jeder südeuropäischen , etwa italienischen Hafenstadt 
zu beobachten , welch enorme Lasten der freie Fa- 
chino tragen muss, um sein Brod zu verdienen. Auch 
Sklaverei Y 

Interessant ist dagegen die gleich darauf folgende 



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64 



Verzeichnis« der anthropologischen Literatur. 



Remerkung, dass, ob zwaradie Regierung die ferner« 
Kinfuhr von Sklaven verboten hat, dennoch in der 
Still*? manches Sklavenschiff in Brasilien landet. Für 
den Gewinn wagen die Leute gern ihreu Hals, und 
wu* den Absatz ihrer Waare betrifft , brauchen sie 
sich keine Sorge zu machen, seit eine Menge Pflanzer 
hus den Südstaatan der Union, durch die Aufhebung 
der Sklaverei veranlasst, in Brasilien eine zweite 
Heimath suchte und fand, geht das Geschäft vortrefflich. 

Von Rio ging» nach Buenos Ayres und nach kurzem 
Aufenthalte nach dem kleinen Städtchen Fray Rente», 
berühmt durch die dortige Fleischextractfabrik, wo un- 
ser Autor eine Verwendung zu finden hoffte, aber nicht 
fand , wmdern gezwungen wurde , eine Zeitlang den 
Vieliliüter in der Banda oriental zu spielen, ln 
einem recht gelungenen Kapitel erhalten wir ein leb- 
haftes Bild von »lern Treiben in der Prail’ie. Nach 
Buenos Ayres zuriicbgekehrt , ward Rosen thal in 
das Inner« Argentiniens gelockt durch die Aussicht 
auf «in« Anstellung in den dortigen Silberminen. 
Er reiste den Parana hinauf bi» Rosario, von da 
durch die Pampas mittelst Eisenbahn, die damals bi» 
Frailu Muerto reichte, und endlich im Eilwagen 
(Diiigeucia) nach Cordoba. Wir können dem Ver- 
fasser nicht folgen hei »einen Erlebnissen in den 
hilbenninen von Marayas in der Sierra de Cordoba, 
nur das »ei erwähnt, dass er geprellt, von dannen zog. 
Das» di«?*e Prellerei im Grunde genommen von deut- 
schen Landsleuten ausging, wäre eigentlich das schön- 
st!? an der Sache, wenn Rosen t hal dadurch nicht gar 
so arg mitgenommen worden wäre. Nuu entschloss 
er sich dazu , den ȟdanierikanischen Contineut zu 
durchqueren und bis an das stille Weltmeer vorzu- 
dringen; über St. Louis nahm er den Weg iil»er di« 
Cordilleraa nach Valparaiso. Allein auch hier dul- 
dete es den unsteten Gesellen nicht; nach einigen 
Monaten, di« er im südlichen Chile zugehracht, unter- 
nahm er einen Ausflug nach Peru, von dem er jedoch 
bald nach Valparaiso zurückkehrte, nachdem er iu 
Kupfergruben sein Glück versucht hatte. Beine 
mannigfachen Irrfahrten führten ihn indess später 
wieder nach dem Norden; über Peru und Ecuador 
gelangt« er au den Isthmus, von wo er über New- York 
die Rückreise nach Deutschland antrat. KosenthaUs 
Buch strotzt von interessanten Erlebnissen, zeigt uns 
die Dinge in Südamerika in ungefärbtem Lichte und 
bildet, Alles in Allem genommen, eine ebenso unter- 
haltende als belehrende I^ectüre. 

sable Island, Nova Scotica. (Nautical Magazine. 
Februar 1873.) 

Schentke. Mahnruf gegen die Auswanderung 
nach Brasilien. Berlin 1873. 

Schifffahrt auf dem oberen Amazonasfluss und 
dessen peruanischen Nebenflüssen. (Mittheilungen 
der Wiener geographischen Gesellschaft 1873, 
Nr. 12.) 

Schilderungen aus dem Gran Chaco in Südame- 
rika. (Globus, Bd. XXV, Nr. 4.) 

Schläger, Dr. E. Die sociale und politische Stel- 
lung der Deutschen in den Vereinigten Staaten. 
Ein Beitrag zu der Geschichte des Deutsch-Ame- 
rik&ncrtliums in den letzten 25 Jahren. Berlin 
1874, 8«. 

Schlagintweit, Hob. v. Die Mormonen oder Hei- 
ligen vom jüngsten Tage von ihrer Entstehung 
bis auf die Gegenwart. Leipzig 1874, 8°. 



ln verhaltnissmässig knapper, aber anziehender 
Form hält diene» Buch vollständig , was »ein Titel 
verspricht, da» beste Lob, welches man eigentlich einem 
Werke ertheilen kann. Robert von Schlagint- 
weit kennt die Dinge, worüber er schreibt , au» 
eigener Anschauung, er hat die Mormonen im Mor- 
monenlande selbst »tudirt und nach »einer Rückkehr 
sich Verbindungen zu erhalten gewusst , die ihn in 
Stand setzten, die allerneuesten Vorfälle, die Ereig- 
nisse sozusagen von gestern in seiner Schrift zu be- 
rücksichtigen, Bie ist zweifelsohne das Neueste, Beste, 
Vollständigste und Verlässlichste, was wir über die 
Mormonen besitzen , obwohl die Mormonenliteratur 
keine gering« ist. Dass von Bchlagintw r eit die- 
*«lbe vollkommen beherrscht , ist selbstredend , und 
wahren Dank müssen wir ihm dafür wissen, dass er 
seinem Buche ein ausführliches Verzeichnis» ilie*er 
interessanten Literatur angehängt hat. Bchlagiut- 
weit's Schrift wird manche Vorurt heile über das 
Mormonenthum zerstreuen , *i« wird niemand ohne 
di« gründlichste Belehrung über einen Punkt lassen, 
der irgendwie mit dem Mi>nnoneuthiime im Ziisam- 
metihauge steht. Wir unterlassen es absichtlirli, auf 
die näheren Detail» de» Werkes eiuzugehen, weil wir 
nur wünschen können, das» möglichst viele das Ruch 
selbst zur Hand nehmen und daraus die R**l«hrung 
schöpfen möchten, welche ihnen dessen nur wenig« 
Stunden beanspruchend« unterhaltende Lectftre zuver- 
lässig gewähren wird. 

Schufeldt, Hob. W. Reports of Exploration» and 
snrvey« to ascertain the practicability of a ship 
canal bet wem the atlantic and pacific Oceans bv 
tho way of the isthmus of Tehuantepec. Was- 
hington 1872, 4°. 

Simonin, Louis. L'immigration et les immigrants 
aux Etats* Unis, Souvenirs et notes de voyagc. 
(Revue des deux Mondes, 15 Janvier 1874.) 

Simonin, Louis. Les derniers Peaux-rougcs. Sou- 
venirs de voyages daus l’Amcrique du Nord. 
(Revue des deux Moudes. 1 Mars 1874.) 

Simonin, L. Les min es d'argent du Nevada ; 
Souvenirs de vnyage dann les etats du pacifique, 
(Revue des deux Mondes. 15 Avril 1874.) 

Städtenamen, Die, in den Vereinigten Staaten von 
Nordamerika. (Globus, Bd. XXV', Nr. 17, 18.) 

Stephens, C. A. On the Am&sons. Boston 1874, 

12 ®. 

Stube), Dr. Alfona’s Reisen in Ecuador 1872 und 
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und Januar 1874.) 

Südamerika im Jahre 1872. (Allgemeine Zeitung 
1873, Nr. 20.) 

Thompson, G. P. Kirche und Staat in den Ver- 
einigten Staaten von Amerika. Berlin 1873, 

Thoulet, Julien. Sept mois chex les Chippeways. 
(Revue scientifique 1873, vom 27. December, 
Nr. 26.) 

Uruguay. Die Republik Uruguay. (Globus, Bd. 
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Verzeichn iss der anthropologischen Literatur. 



Urwald, Im, am Madeirastrome. (Globus, Bd. XXV, 
Nr. 24.) 

Nach Kelle r-Leuzinger’s Work. 

Venezuela, (lllustrirte Zeitung, Nr. 1610.) 

Vereinigte Staaten. Reisebriefe aus den Verei- 
nigten Staaten. (Allgemeine Zeitung 1872, Nr. 
253, 259, 275, 276; 1873, Nr. 23, 24, 31, 32, 
47, 48, 49, 50, 57, 58.) 

Vereinigte Staaten. Kampf gegen die Corrnption 
in den Vereinigten Staaten. (Allgemeine Zeitg. 
1873, Nr. 54.) 

Vereinigte Staaten. Zar Lage in den Vereinigten 
Staaten. (Allgem. Zeitg. 1873, Nr. 337.) 

Vereinigte Staaten. Aus den Vereinigten Staaten. 
(Allgem. Zeitg. 1874, Nr. 140, 170.) 

Versen, M. v. Reisen in Amerika und der süd- 
amerikanische Krieg. Breslau 1872, 8°. 

Nicht ungünstig besprochen in Petermann’s Mit- 
theilungen 1978, 8. 235. 

Villemont, H. de. fitudes sur l’Amerique cen- 
trale. La räpublique de Salvador. Le« rapports 
avec la France. Paris 1872, 8*. 44 S. 

Walker, A. Francis. Our Population in 1900. 
(Atlantic Monthly, October 1873. S. 487 — 495.) 

Weber, Prof. C. Die Republik Uruguay. (Aus 
allen Welttheilen 1873, October, November.) 

Wiener, Ch. Essai sur les institutiona politiques, 
religieuses, economiqaes et sociales de TEmpire 
des Incas. Paris 1874, 4°. 



65 

Aus den besten Quellen mit sorgsamer Vorsicht 
schöpfend, stellte der Autor Alles, da» bis nun von 
dem Reiche der Incas erforscht worden, in hBdlflt 
anziehender Weise zu einem übersichtlichen Bilde 
zusammen. Nachdem die Einleitung die Geographie, 
Topographie und Klimatologie des Landes behandelt, 
geht der Verfasser auf die Abstammung der ameri- 
kanischen Indianer über and fuhrt dieselbe auf die 
Hindus, Hindu -Chinesen and Mongolen zurück, eine 
Meinung, die wir nur im ethnologischen Sinne gelten 
lassen können. Einem historischen Abriss folgt eine 
Darlegung der Gesetze der Incas und dann ein Ueber- 
blick der religiösen Institution an des Volke*. Und 
hier tritt der charakteristische Zug in dem Werke 
Wiener’» hervor. Helion Humboldt batte die Be- 
merkung gemacht, dass ,da» Reich der Incas einem 
riesigen Kloster geglichen ha ho, in dem jedem Gliede 
der Gemeinschaft seine besondere Wirksamkeit zum 
Nutzen der Gesammtheit zugewiesen war. Der Gründer 
Cuzco’s hatte sich geschmeichelt , das Glück der 
Menschen zu bewerkstelligen, und hatte sie zu blossen 
Maschinen herabgedrückt.* Der Verfasser spinnt 
diese Anschauung des Breiteren aus und erweiset 
daraus, dass das politische Regime der alten Peruaner 
im strengst durchgeführten Communismu» bestanden 
habe, und zieht ans der Thataache, dass dieses starke 
and wohlorgan isirte Volk von einer Handvoll Er- 
oberer unterdrückt worden sei, die etwas gewaltsame 
Schlussfolgerung der Unhaltsamkeit dieser Staatsform, 
ohne die Ueberlegeuheit europäischer Waffen and 
Taktik anch nur im entferntesten dabei mit in An- 
schlag zu bringen. 

Woolson, Abra Gold. Woman in American So- 
ciety. Boston. 

Athenäum, Nr. 2387, vom 26. Juli 1873. 

Yankees, Die, im Staate Massachusetts. (Globus 
Bd. XXV, Nr. 1.) 



Archiv ftkr Anthropologie. 



Bd. VIL Heft 4. 



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