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Full text of "Der Einfluss der Kapitals und Produktionsvermehrung auf die Produktionskosten in der deutschen MaschinenIndustrie"

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Der Einfluss 
der Kapitals 
und 
Produktionsv 



auf die ... 





Kurt Rathenau 



UTA ^4-0 . la 




fcarbart) GTollrgr Itbrarj 

FROM IHK 

J. HUNTINGTON WOLCOTT FUND 



K«t*bli*hed in 1S91 by Roger Wolcott (H. U. 1S70), in 
memory of his father, for "the purchaae of books of 
permanent value, the preference to be gWen to 
works of HUtory, Politiaü Economy, and 
Sodology," and increaaed in 1901 by 
a bequest in his will. 



Sammlung 

nationalökonomischer und statistischer 

Abhandlunge 

des 

Staats wissenschaftlichen Seminars zu Halle a. d. S. 

herausgegeben 

von 

Dr. Joh. Conrad, 

Professor der Staatswissenschaften zu Halle a. J, S. 

Dreiundfünfaigater Band. 



Jena, 

Verlag von Gustav Fischer. 

1906. 



DER EDÜIUSS 

DER 

KAPITALS m PR0DÜKTI08SYERMEHBÜNG 

AUF DIE 

PRODUKTIONSKOSTEN IN DER 
DEUTSCHEN MASCHINEN-INDUSTRIE. 



VON 

Dr. KURT RATHENAU. 




JENA, 

VERLAG VON GUSTAV FISCHER. 

1906. 



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\ I 




AIlo Hechte vorbehalten. 



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Meinen lieben Eltern 



in Dankbarkeit. 



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Vorwort. 



Es ist mir vor allem eine angenehme PHicht, meinen hochver- 
ehrten Lehrern, Herrn Geh. Reg.-Rat Prof. Dr. Paasch e für die 
erste Anregung zu dieser Abhandlung und Herrn Geh. Reg.-Rat. Prof. 
Dr. J. Conrad für den mir während der Ausarbeitung im Seminar 
stets in liebenswürdigster Weise zuteil gewordenen Rat meinen 
verbindlichsten Dank auszusprechen. Auch Herrn Prof. Dr. Jng. 
Georg Sehl esinger-Charlottenburg danke ich an dieser Stelle 
für die mir freundlichst erteilten Auskünfte. Endlich sage ich allen 
Leitern der Fabriken meiuen Dank, welche die Güte hatten, mich 
durch Ubersendung von statistischem Material sowie durch liebens- 
würdige mündliche Auskunfterteilung und Besichtigung der Werk- 
stätten zu unterstützen. 

Berlin, Januar 1906. 

Der Yerfasser. 



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Inhaltsangabe. 

Seit« 

Einleitung: Rückblick auf die Entwicklung des Maschinenbaues. — Pro - 

duktimisvennelirung. — Wnrenverhilligung. -- Begrenzung des Themas . 1 

Erster Abschnitt: Kapitals« nnd Produktionnvcrmohrung 5 

A. Die Entwicklung der G ro Ii h e t r i e be 5 

B. Der Ein flu C des Kapitals auf die Eni wicklung 7 

1. Übergang zur unpersönlichen Gesellschaftsform. 

2. Abhiin^ igkeit cler Industrie vom Grollkapital. 

3. Vorteile der unpersönlichen Gesellschaftsform gegenüber dem Einzel - 
nntemehmen. 

T, K u p i t a ls v er m eh r ung als Folge der Produktionsver- 
mehrung 13 

Zweiter A l< sc Ii n i 1. 1 ; IMe Verbllligung der Produktionskosten ... IC 

A. Beispiele aus der Praxis 16 

B. Di e ei nzeln e n Prod u k tiouamo m en te 28 

1. Die Kosten für das Material werden vermindert durch 

a) billigen Einkauf der Rohmaterialien und Hulbtabrikate; 

b) billigen Transport im großen 31 

c) Einknufskartelle 33 

d) Verwertung des Abfalls 34 

2. Die Ausgaben für die Löhne werden vermindert durch 

a) Massenfabrikation 35 

hl Spezialisierung der Betriebe Hl> 

c) Festlegung von Typen und Normalien 38 

d) Arbeitsteilung mit Arbeitavereinigung bei neuen Arbeitsmethoden 40 

ei Kii,stt,-!liui'_ f ungelernter Arbeitskräfte 4t> 

f) Lohnsysteme nü 

3. Die Generalunkosten. Hegriff uud Einteilung der Gencralunkosten 58 
ii! I Betriehsunkusten werden vermindert durch 

a) zweckmäßigste Anlage der Fabrik 63 

//) richtige Wahl der Betriebaanlagc (Licht und Kraft .... 66 
y) richtige Bemeüsung der Arbeitszeit 70 

b) Die Handlungsunkostcn werden vermindert durch 

• i) stratl'e ( >r^am?ai i'n. 78 

ji) genaueste Bemessung aller Spesen (Heise, Keklame, Provision) 7. r > 
Ausschaltung der übermäßigen Konkurrenz auf dem Wege des 
Zusammenschlusses zu Interessengemeinschaften, Fusionen, 
Kombinationen . , , , , , , , , , , . s . , . . 77 

SehlulJ: Xusiniitnentitsiung fr- 



Einleitung. 



Der gewaltige Aufschwung, den die deutsche Industrie in den 
letzten DezeDiiien genommen hat, ist in erster Linie auf die wissen- 
schaftlich-technische Ausbildung des Maschinenbaues zurückzuführen. 
Ist doch der Maschinenbau die Grundlage aller Industrien, „denn 
das Wasserrad oder die Dampfmaschine müssen gebaut werden, bevor 
sich eine bedeutende Industrie entwickeln kann". 1 ) Schmoller sieht 
sogar in der Entwicklung der Maschinen- und Werkzeugfabriken das 
sicherste Symptom eines wirtschaftlich hoch entwickelten Landes. 
Durch ihre Erzeugnisse würden fast alle Zweige wirtschaftlicher Tätig- 
keit berührt.'-) 

Die Einführung der Maschinenkraft an Stelle menschlicher oder 
tierischer Arbeitsleistung hat auf allen Gebieten, im Bergbau wie in 
der Landwirtschaft, in der Industrie und im Verkehr Umwälzungen 
mannigfachster Art hervorgerufen. Aus kleinen Anfängen sind sie 
durch neue Schaffensbedingungen schnell zu hoher Blüte gelangt und 
besonders die Unabhängigkeit von Wind- und Wasserkraft hat die 
Produktivität sprungweise gefördert. Die Vervollkommnung der ein- 
fachen Dampfmaschine zu hochwertigen Mehrfach- Expansionsmaschinen 
und die Ausnutzung der elektrischen Energie zum Antrieb von Motoren 
hat nicht nur die Leistungsfähigkeit des Einzelnen, sondern auch den 
Xationalwohlstand bedeutend gehoben. Von dem schnellen Anwachsen 
der Maschinenkräfte geben folgende Tabellen eine Übersicht: 



») Schalk, Emil, Wettkampf der Völker, Jena 1904. S. 111. 
*) Schmoller, Q.. Grundriß der allgem. Volkswirtschaftslehre, Leipzig 
1900, Bd. I, S. an. 

LUI. 1 



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— 2 — 



Zahl der Pferdestärken bei feststehenden Dampfmaschinen in 
Preußen. 1 ) 



1898 


: 2 947 642 


1899 


: 3192 765 


1900: 


3461705 


1901 


3 709 662 


1902 


. 4008 597 


1903 


4 218 620 


1904 


4430 789 



Zum Antrieb der den elektrischen Strom erzengenden Dynamos 
dienten: ") 



1898: 


3305 Dampfmaschinen mit zus. 258 726 


Pfdst. 


1899: 


3776 






„ 333 342 


» 


1900: 


4269 




» 


„ 403 314 


n 


1901: 


4638 


» 




„ 490961 


n 


1902: 


4928 


*> 


» 


„ 573405 


>» 


1903: 


5160 


?» 




„ 623 334 


» 


1904: 


5447 


>» 


» 


„ 708 274 





Noch schärfer tritt die rapide Zunahme der Einführung der 
Elektromotore als Antriebskraft in nachstehender Tabelle hervor: 

Es waren in Deutschland an Elektrizitätswerke Motore ange- 
schlossen mit Ä ) 

35 867 Pfdst. 
68 629 
106368 
151414 
195000 
218953 
263 000 



1898: 
1899: 
1900: 
1901: 
1902: 
1903: 
1904: 



?> 
'i 



•) StaÜBtiachea Jahrbuch für den preuß. Staat, 1906, S. 88. 
*) Statistisches Jahrbuch für den preuß. Staat, 1905, S. 68. 
•) Elektrotechniache Zeitachrift 1906, Heft 2. 
An die Berliner Elektrizitätswerke waren angeachloeaen • 

1896 : 663 Motore 
1898: 8 876 
1900 : 6 764 „ 
1902 : 8920 „ 
1904: 12 938 

a. ebendort 



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— 3 



Durch Zuhilfenahme motorischer Kräfte sind die mechanischen 
Kraftäußerungen der Menschenhand in potenziertem Maße gesteigert 
worden. Die Produktionsfähigkeit wird also stets vergrößert, ohne 
daß die Zahl der Arbeitskräfte dementsprechend wächst; dadurch 
werden die Lobnkosten verbilligt. Erinnert sei an die vervielfachte 
Leistung der Webstühle und Druckereimaschinen. 

Stete Verbilligung der Produktionskosten wird das Leitmotiv der 
Industrie und beherrscht deren ganze Entwicklung; denn keine Indu- 
strie kann den Weltmarkt dauernd behaupten , ohne ununterbrochen 
die Produktionskosten zu vermindern. 1 ) 

Gegenstände, die noch vor 15 Jahren als Luxusgegenstände nur 
einer bevorzugten Minderheit zugänglich waren, z. B. Fahrräder, sehen 
wir heute fast allgemein im Besitz der minder Begüterten, also der 
großen Menge der Bevölkerung, und zwar nicht mehr als Luxus-, 
sondern als Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens. — „Wirk- 
waren wurden", wie Conrad*) ausfuhrt, „vor 50 Jahren von der 
niederen Bevölkerung wenig gebraucht; sie behalf sich mit Stroh und 
Lappen, in mittleren Kreisen wurden sie von den weiblichen Familien- 
angehörigen gestrickt". Heute arbeiten in Fabriken tausende von 
Maschinen, deren Leistungsfähigkeit so hoch entwickelt ist, daß eine 
Maschine von billigem Preis (800 Mark) in einer Stunde 8 Dutzend 
Strümpfe völlig fertig arbeitet, ohne irgend einer Wartung zu bedürfen. 
— Nur durch eine hochentwickelte Massenfabrikation ist eine bessere 
Lebenshaltung für die große Menge ermöglicht. Erst durch die Fort- 
schritte im Buchdruck kann die Literatur auch dem Hause des ein- 
fachen Mannes zugeführt und sein Heim mit guten Nachbildungen 
von Gemälden geschmückt werden. Die häuslichen Gerätschaften, 
fabrikmäßig in Massen für die Massen gefertigt, befriedigen die 
Ansprüche besser und billiger, als in früheren Jahren die handwerks- 
mäßig hergestellten. — 

Die Waren verbilligung hat sozialökonomisch nur dann einen 
Wert, wenn sie die Güterverteilung so beeinflußt, daß die Kon- 
sumtionsbasis der breiten Massen eine Erweiterung erfahrt. 8 ) Waren- 
verbilligung kann wiederum in erster Linie und auf die Dauer aus- 
schließlich durch Verbilligung der Herstellungskosten erreicht werden ; 



>) Vgl. ScbuUe-Gaevemita, Der Großbetrieb, Leipzig 1892, S. S19. 
») Conrad, J., Grundriß der politischen Ökonomie, Jena 1902, II, S. 158. 
*) v. Zwiedeneok-Südenhorst, Beitrage zur Lehre der Lohnforrnen, 
Tübingen 1904. 



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— 4 — 



denn der Preis der Ware setzt sich zusammen aus den Gesamther- 
stellungskosten und dem Gewinn. 

Während in früherer Zeit die Produktion handwerksmäßig oder 
in Einzelunternehmungen betrieben wurde, wird der überwiegende 
Teil heutzutage in Unternehmungen mit gesellschaftlicher Form er- 
zeugt, in welchen bedeutende Kapitalanhäufungen zur Verwendung 
in der Industrie herangezogen werden. In der Produktion ist das 
kapitalistische Moment in den Vordergrund getreten. 

Welchen bedeutenden Einfluß die moderne Entwicklungstendenz 
in der Industrie, die Kapitals- und Produktionsvermehrung auf die 
Produktionskosten ausübt, soll der Gegenstand der nachfolgenden 
Abhandlung sein und zwar mit der Beschränkung, daß aus der 
großen Reihe der Industrien nur auf die Verhältnisse der deutschen 
Maschinenindustrie und der ihr nahe verwandten elektrischen Industrie 
näher eingegangen wird. Die Darstellung erstreckt sich nur auf die 
letzten Jahre und zieht das Ausland nur zum Vergleiche ausnahms- 
weise heran. 



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Erster Abschnitt. 



Die Kapitals- und Produktionsvermehrung. 



A. Die Entwicklung der Großbetriebe. 

Die moderne Tendenz, welche alle Industrien gleichmäßig be- 
rührt, nämlich die Betriebe zu vergrößern and an Stelle des hand- 
werksmäßigen den Fabrikbetrieb zu setzen, kann mit wenigen Zahlen 
belegt werden. Vergleicht man die Zahl der Betriebe für die In- 
dustrie — einschließlich Bergbau und Baugewerbe — im Jahre 1882 
und 1895, der letzten Berufs- und Gewerbezählung, so betrug die 
Zahl der Betriebe in Deutschland 1882: 2,27 Millionen, 1895: 2,14 
Millionen. Die Zahl der in den Betrieben beschäftigten Personen 
in denselben Jahren 5,93 Mill. bzw. 8,00 Mill. 1 ) Mit anderen Worten: 
Die Zahl der Betriebe hat um 5,4% abgenommen, die Zahl 
der beschäftigten Personen um 34,8°/ 0 zugenommen. Aus 
diesen Zahlen ist die Entwicklung deutlich zu erkennen, welche noch 
schärfer bei der nächsten Zählung hervortreten wird. Sondert man 
die Betriebe ihrer Große nach in Klein-, Mittel- und Großbetriebe im 
Sinne der Statistik, 2 ) so ergeben sich folgende auffallende Zahlen: 

Von 1882—1895 haben die Kleinbetriebe von 2,1 Mill. auf 
1,9 Mill. oder 8,6% abgenommen, die Mittelbetriebe sind von 85000 
auf 139 000 oder um 64% gestiegen und die Großbetriebe sind von 
9480 auf 17 900 angewachsen oder um 89%. Man erkennt, daß die 



») SUtist. Jahrbuch für das Deutsche Reich 1904, S. 41. 
•) Im Sinne der amtlichen Statistik gelten als 




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— 6 — 



Vergrößerung auf Kosten der Kleinbetriebe, — vereinzelt sogar der 
Mittelbetriebe vor sich geht. — 

Die Gründe für diese markante Erscheinung sind — außer 
später zu erörternden Vorzügen des Großbetriebes — in der steten 
Verfeinerung und in der damit Hand in Hand gehenden Verteuerung 
der Produktionsmittel zu suchen, die einen hohen Kapitalaufwand 
erfordern, wie auch darin, daß hier wissenschaftlich vorgebildete, besser 
bezahlte Hilfskräfte zur Tätigkeit herangezogen werden können. 1 ) 

Die heutige Maschinenindustrie besonders entwickelt sich unauf- 
haltsam zum Großbetrieb und zwar nach zwei Richtungen, nämlich 
hinsichtlich 

1. der Spezialisierung der Branche, 

2. der Fabrikation der einzelnen Artikel in Massen. 9 ) 

Der Erweiterungsdrang sieht im Großbetriebe keine Grenze, sondern 
er umfaßt darüber hinaus mehrere Betriebe in mehr oder minder 
straffer Form zu Kombinationen. Man kann diese Entwicklung, um 
mit Lief mann 3 ) zu reden, als den Übergang vom Großbetrieb zum 
„größeren Betrieb" bezeichnen. Die Vereinigung mehrerer, sich in 
ihrer Fabrikation nahestehender Betriebe kann eine derartige sein, 
daß die früher selbständigen Betriebe sich in den verschiedenen Pro- 
duktionsstufen zu einem einheitlichen Ganzen ergänzen — typisches 
Beispiel die Firma Krupp — , oder daß gleichartige Betriebe auf einer 
Stufe — entweder der Rohstoffe oder der Halbfabrikate oder der Ganz- 
fabrikate — sich zu einem vergrößerten zusammeoschließen. Die höhere 
Bedeutung ist dem ersten Vorgang, den Sombart als die „An- 
gliederung von Werken" bezeichnet, beizumessen. Denn der Betrieb, 
welcher vom Rohstoff bis zum Fertigfabrikat die Preisbildung in der 
Hand hat, ist natürlich überlegen. Die Ausbreitung der Betriebe kann 
unbelündert durch das Kapital, das, zumeist in unpersönlicher Form ver- 
einigt, keine Grenzen kennt, bis zur äußersten technischen Leistungs- 
fähigkeit gesteigert werden. Gerade die letzten Jahre brachten eine 
große Reihe dieser Erscheinungen, der Kouzeutrationsprozesse, welche 

') Handbuch der Wirtechaftskunde Deutochlands, Bd. III, S. 392. 

*) Diese Fabrikationsgrundsätze stellte die Firma L. Loewe & Co., A.-G., 
schon 1888 auf und äußerte sich in ihrem Katalog folgendermaßen: Nur auf 
diesen Wegen kann unter den gegenwärtigen Verhältnissen bei höchster Voll- 
kommenheit der Arbeitsqualität zugleich die größtmögliche Verminderung der 
Herstellungskosten, also die Konkurrenzfähigkeit auf dem Weltmarkt erzielt 
werden. 

*) Deutsche Wirtschaftsztg. 1905, Heft 2. 



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— 7 - 



sich in den wichtigsten Zweigen der einheimischen Industrie voll- 
zogen und teilweise zur Umbildung vorhandener und zur Schaffung 
neuer Organisationen fährten, die den Zusammenschluß der Kräfte — 
besonders in der Elektrizitätsindustrie — in einem bis dahin unbe- 
kannten Maße verursachten. Wirtschaftlich stellen die Kombinationen, 
also die Angliederungen verschiedener Produktionsstadien, zweifellos 
einen Fortschritt dar. „Bei ihnen ist das Produkt, das die einzelnen 
Unternehmen durchläuft, natürlich umlaufendes Kapital für alle. 
Sein Preis stellt das wirtschaftliche Resultat der vereinigten Produktion 
dar." *) Weil die Unternehmen jeder Zwischenstufe, nunmehr kom- 
biniert, einen Gewinn nicht mehr abzuwerfen brauchen, wird das End- 
produkt billiger. 

B. Der Einfluß des Kapitals auf die Entwicklung. 

Nicht ganz unumwunden und frei erkennen die mit der Industrie 
eng verbundeneu Banken die immer fortschreitende Konzentration 
an, doch heben sie hervor, daß innerhalb gewisser Grenzen die Ver- 
einigungstendenz als eine gesunde und ökonomisch berechtigte anzu- 
sehen ist. Das Urteil der Banken ist deshalb so wichtig, weil ohne 
die Banktätigkeit das für die Unternehmung erforderliche Kapital 
nicht beschafft werden kann. Es hängt also in letzter Linie von 
ihrem Urteil ab, ob das Kapital der betreffenden Unternehmung zur 
Verfügung gestellt werden kann. Nur die Banken, speziell die 
Effektenbanken, kommen in Betracht und nicht Privatbankiers oder 
größere Kapitalisten, weil diese in einer Unternehmung nicht be- 
deutende Kapitalien anlegen könuen. Die Abhängigkeit der Industrie 
von den Banken muß man als bedauerliche Erscheinung bezeichnen, 
denn sie kann einer gedeihlichen Entwicklung unter Umständen 
Schwierigkeiten bereiten. Andererseits ist hervorzuheben, daß ohne 
das Zutun und die Vermittlung der Banken 2 ) die Industrien — 
hauptsächlich die elektrische und chemische — sich keineswegs in 
der kurzen Zeit zu solcher Blüte hätten emporschwingen können. 
Während also die Bedeutung der Banken durch die Gründungstätig- 
keit ein weiteres Betätigungsfeld gefunden hat, ist die Selbständigkeit 
der industriellen Unternehmungen erheblich zurückgedrängt. Ver- 



») Jörgens, Finanzielle Trustgesellschaften, Stuttgart 1902, S. 139. 
*) Vgl. Rießer, Zur Entwicklungsgeschichte der deutschen Großbanken, 
Jena, 1905, S. 253. 



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8 



aulaßt und begründet ist diese Erscheinung dadurch, daß an Stelle 
der individuellen E i n z e 1 Unternehmung die unpersönliche 
Gesellschaftsform getreten ist, entweder die Umwandlung in eine 
Aktiengesellschaft bzw. Kommanditgesellschaft auf Aktien oder in 
eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung. 

Welche Kapitalien in Aktiengesellschaften der Metallverarbeitung 
und des Maschinenbaues angelegt sind, zeigt folgende Tabelle: 1 ) 



Es muß jedoch berücksichtigt werden, daß seit wenigen Jahren 
die Form der Gesellschaft mit beschränkter Haftung immer mehr 
Anklang gefunden hat und zweifellos eine große Zahl von Unter- 
nehmen, die früher als Aktiengesellschaften gegründet worden wären, 
jetzt als Gesellschaft m. b. H. auftritt. So sind die Siemens-Schuckcrt- 
Werke als G. m. b. H. mit 90 Mill. Mark Kapital gegründet worden. 
— Im Jahre 1904 betrug die Zahl der G. m. b. H. der Maschinen- 
fabriken und Eisengießereien 288. 3 ) Davon hatten 19 Gesellschaften 
1 Mill. Mark Kapital und mehr, 167 hatten 100000 Mark Kapital 
bis zu 1 Mill. Vor 1900 bestanden nur 90 Gesellschaften in dieser 
Gruppe. 

Bemerkenswert ist, daß die Metallindustrie und der Maschinen- 
bau einen sehr hohen Anteil an dem in Aktiengesellschaften aller 
Industrien angelegten Kapitalien hat. Es betrug nämlich die Zahl 
der überhaupt gegründeten Aktiengesellschaften in den 



') Dtflch. Ökonomist, Berlin. 

») 1903 wurde Krupp in eine Aktiengesellschaft mit 160 Millionen Mark 
Kapital umgewandelt. 

■) Zusammengestellt nach Greulich, Adreßbuch d. G. m. b. H. 1904. 



Zahl der 



Gründungen. Kapital in 1000 Mk. 



1896 
1897 
1898 
1899 
1900 
1901 
1902 
1903 
1904 
1905 



17 2 638 

47 62 220 

53 68 650 

75 109 220 

53 87 390 

19 19 010 

6 12 235 

11 182 650«) 

10 7 800 

15 26 400 



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— 9 - 

Jahren: Kapital in 1000 Mk. 1 ) 

1896 182 Gesellschaften 268 



1897 


254 




380 


1898 


329 


'1 


463 


1899 


364 


»1 


544 


1900 


261 




340 


1901 


158 




158 


1902 


87 


« 


118 


1903 


84 


n 


300 


1904 


104 


r» 


140 



Bei der Gegenüberstellung ergibt sich, daß das allein in der 
Metall- und Maschinenbauindustrie angelegte Aktienkapital ungefähr 
Vo (3*°/o) des in allen Industrien angelegten Kapitals betragt. 

Der Grund für das Anwachsen der Zahl der Aktiengesellschaften 
in der Maschineuindustrie liegt in dem Vordringen der neuen Form 
der gewerblichen Produktion, in dem Auftreten der kapitalistischen 
Unternehmung. Diese findet ihren besten Ausdruck in Gestalt der 
unpersönlichen Gesellschaftsform, also in der Aktiengesellschaft oder 
der Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gleichzeitig mit der 
fabrikmäßigen Produktion und durch sie veranlaßt, trat das kapita- 
listische Moment in den Vordergrund. ■) Die Verdrängung der Hand- 
arbeit durch Maschinenarbeit erforderte Investierung großer Kapitalien 
zur Beschaffung der Maschinen, und zwar der Betriebs-, wie noch 
mehr der Arbeitsmaschinen. „Die Arbeit wird also durch Kapital 
ersetzt und dadurch, daß die Verwendung der Maschine zur Not- 
wendigkeit wird, gewinnt die Überlegenheit des Kapitalisten ungeheuer 
an Boden." 3 ) Daher ist die Kapitalbeschaffung eine der wesent- 
lichsten Fragen in der Industrie geworden. 4 ) Sie ist dem Privat- 

») Dtsch. Ökonomist, 7. Jan. 1905. 

*) Vgl. Rieß er a. a. O., S. 266. Unter den Werkzeugen der modernen 
kapitalistischen Wirtschaftsordnung haben zwei vor allen ihr hervorragende 
Dienste geleistet: 

1. die Maschine, welche die Persönlichkeit des Arbeiters verdrängt und die 
größte Konzentration mechanischer Kräfte ermöglicht und 

2. die Aktiengesellschaft, welche die Persönlichkeit des Unternehmers ver- 
drängt und die größte Konzentration der Kapitalkräfte herbeiführt. 

•) Zoepfl, Nationalökonomie der techn. Betriebs kraft, Stuttgart 1902, S. 163. 

*) „Der Zeitpunkt wird kommen, wo von ein paar Punkten, von Banken, 
aus die ganze Industrie beherrscht wird. Man arbeitet beute mit fremdem 
Kapital und beherrscht doch die Industrie, während man früher nur kraft 
eigenen Kapitals herrschen konnte.** Bericht der Generalversammlung d. Vereins 
für Sozialpolitik in Mannheim IX. 05. Frankfurter Ztg., 1906, Nr. 267. 



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— 10 — 



Unternehmer nicht so leicht ermöglicht, als einer unpersönlichen Ge- 
sellschaft ; l ) denn diese ist juristische Person, bietet daher eine größere 
Sicherheit für den Geldgeber, da sie 1. unabhängig vom Wechsel 
ihrer Mitglieder und besonders der leitenden Personen ist, und 2. ihre 
Geschäftstätigkeit eine größere Öffentlichkeit verbürgt. — 

Die Kapitalbeschaffung der Fabriken kann nun eine doppelte sein 
1. eine dauernde, 2. eine vorübergehende. Im ersten Falle wird 
meist Aktienkapital aufgenommen, im zweiten Falle dagegen wird 
der Kredit in irgend einer Form in Anspruch genommen. Wie der 
Einzelunternehmer im Vergleich zu den Gesellschaftsunternehmungen 
schwerer Kapital zum Betrieb erhält, so sind auch die Bedingungen, 
zu welchen ihm Kredit gewährt wird, ungünstigere. Jeder Betrieb 
aber, selbst der bestfundierte — ein Krupp nahm Ende der 70. Jahre 
vorübergehend auch den Bankkredit in Anspruch — ist auf Kredit 
angewiesen. Die schnelle technische Entwicklung, durch dio neue 
Maschineu bald von besseren überflügelt und abgestoßen werden, Neu- 
bauten von Fabriken, Vergrößerungen, ungünstige Konjunkturen 
zwingen jeden Betrieb, das Eiuzelunternehmen, wie die gesellschaft- 
liche Unternehmung, den Kredit der Banken, in Anspruch zu nehmen. 
Damit ist die oben erwähnte Abhängigkeit von den Banken gerecht- 
fertigt und die Beziehungen zwischen Industrie und Banken werden 
stets enger. 

Die Umwandlung einer Fabrik in eine Aktiengesellschaft oder 
eine Nougründung kann fast nur mit Hilfe von Bankinstituten vor 
sich gehen, abgesehen von Familiengründuugen. Die Unterbringung 
der Aktien auf dem Kapitalmarkt ist nicht Aufgabe des industriellen 
Unternehmens, sondern der Bank, die bei dem Gründuugsakt vornehm- 
lich beteiligt ist. Als Folgeerscheinung ist zu beachten, daß gewöhnlich 
ein oder gar zwei Mitglieder der Emissionsbank Sitz und Stimme im 
Aufsichtsrat der Gesellschaft erhalten, um die Kontrolle über die Ver- 
wendung der Bankgelder schärfer ausüben zu können, und daß die 
Bank auf diese Weise ihron Einfluß auf das Unternehmen stärkt. 

Die Möglichkeit, aus den oben angegebenen Gründen, zu billigeren 
Zinsen Kredit zu erhalten, als das Einzelunternehmen, gibt den Ge- 

l ) Die bekannte große Lokomobilfabrik Garrett Smith & Co. in Magdeburg, 
die ca. 600 Arbeiter beschäftigte, mußte den Konkurs anmelden, weil das zur 
Verfügung stehende Betriebskapital nicht für den Umfang des Betriebes aus- 
reichte und es den Inhabern der Firma nicht gelang, neues Kapital zu be- 
schaffen. — Die Firma war durch mehrere Streiks in letzter Zeit schwer ge- 
schädigt worden. Vgl. Berl. Tageblatt, Nr. 617, 10. X. 05. 



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— 11 - 



Seilschaften einen großen Vorsprung hinsichtlich der Produktionskosten. 
Warschauer erblickt in der Aktiengesellschaft den „vollendetsten 
Typ der großkapitalistischen Produktionsweise". 1 ) „Die Aktienge- 
sellschaft bietet trotz aller Schmähungen, denen sie ausgesetzt ist, 
die alleinige Möglichkeit, qualitativ und quantitativ dasjenige zu leisten, 
was dem sich stetig steigernden Bedarf der Bevölkerung entspricht. "*) 
Rießer hält die Aktiengesellschaft für die schärfste und sicherste 
und deshalb bevorzugteste Waffe, welche die kapitalistische Wirtschafts- 
ordnung zur Durchfechtung ihrer Konzentrationstendenzen zur Ver- 
fügung hat. 3 ) Erinnert sei daran, daß Werke wie Krupp, Siemens 
& Halske, die Vorteile der Gesellschaftsform beachtend, sich in 
Aktiengesellschaften umgewandelt haben. Keine andere Unter- 
nehmungsform, als die der Aktiengesellschaft, kann sich den Nutzen 
der hohen Agiogewinne zunutze machen, der bei erstklassigen Ge- 
sellschaften in der Aufnahme von neuem Aktienkapital liegt. Welche 
Summen durch den Agiogewinn, der gesetzmäßig dem Reservefond 
zufließt, den Gesellschaften zur Verfügung gestellt werden und im 
Betriebe mitarbeiten, ohne daß eine Verzinsung erforderlich wäre, 
erhellt aus folgenden Beispielen: 4 ) 

Die Allgemeine Elektrizitäts-Gcsellschaft (A. E. G.) 



emittierte 1887: 


7 Mill. Mark 


ZU 100% 


1889: 


4 




M 


ii 150% 


1890: 


4 


>• 


V 


ii 160% 


1895: 


2 




11 




1896: 


3 


n 


11 


(2 Mill. zu 175%) 


1897: 


10 


V 


11 


zu 190 % 


1897: 


12 


n 


11 




1899: 


13 


•• 


11 


(davon 9,4 Mill. zu 200 %) 


1904: 


26 


» 


11 


zu — 


Die Bergmann-Elektrizi täts- Werke, A.-G., 


emittierte 1896: 


0,5 Mill. Mark 


zu | 


1897 : 


0,3 




'1 


„ 227,50 %, 


1898: 


0,2 


M 


11 


» ) 


1900: 


0,5 


n 


11 


„ 150 % 


1900: 


6,0 


» 


11 


„ (davon 3,0 Mill. zu 103 


1905: 


1,5 






„ 200 % 


') Warschauer, 


0., 


DUch. 


Wirtsc 


haftaztg. 1906, S. 416. 



2 ) Warschauer, 0., Physiologie d. deutschen Banken, S. 15. Berlin 1903. 
*) Rießer a. a. 0., S. 151. 

4 ) Zusammengestellt nach Salings Börsenhandbuch. 



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— 12 — 



Die Berl. Maschinenbau A.-G. ?orm. L. Schwärt zkopff 

emittierte 1889: 1,2 Mill. Mark zu 204 % 
1898: 3,6 „ „ „ 200 % 

Diesen hochbedeutsamen Vorteil müssen sich alle anderen Unter- 
nehmungsformen ebenso entgehen lassen, wie den, durch Aufnahme 
hypothekarisch fundierter oder nicht fundierter Obligationen das Be- 
triebskapital zu kräftigen. Die Obligationen in der Maschinenindu- 
strie machen im Vergleich zum Aktienkapital nur einen geringen 
Teil aus ; bei den in Neumanns Bilanztabellen *) aufgeführten 
117 Aktiengesellschaften für Maschinenbau, Metallverarbeitung und 
Eisenbahnbedarf betrug die Höhe der Obligationen und Anleihen 
93,64 Millionen Mark gegen 328.6 Millionen Mark Aktienkapital oder 
nur 35 %, während schon im Jahre 1900 

die Gesellschaften 2 ) für Transport ohne Schienen 77,69 0 0 



der Gasiudustrie 71,06 °/ 0 

„ Papierindustrie 57,84 % 

„ „ „ elektrischen Industrie 47,07 % 

„ „ „ Brauindustrie 44,09 % 

des Aktienkapitals Schulden aufzuweisen hatten. Die Aufnahme 
von Obligationen ist für nicht ganz sicher sich rentierende Unter- 
nehmungen ein zweischneidiges Schwert. Wirft nämlich das Unter- 
nehmen hohen Ertrag ab, so ergeben die Obligationen, die mit dem 
Aktienkapital zusammenarbeiten, einen größeren Ertrag, als zur Ver- 
zinsuug des geliehenen Geldes nötig ist; die Verzinsung beträgt fast 
ausnahmslos 4°/ 0 — 4 1 / 8 °/ 0 , unter 183 Obligationen sind nur 5 mit 6° 0 
verzinsbar. — Umgekehrt, ist der Ertrag der Unternehmung gering 
und reicht er nicht einmal zur Verzinsung des Leihgeldes aus, so muß 
noch ein Teil des Aktienkapitales zur Zinsbeschaffung mitarbeiten und 
wird dadurcli der Reinertrag geschmälert. 3 ) Häufig dienen die Ob- 
ligationen — vorübergehende Anlagen im Vergleich zum Aktien- 
kapital — zur Umwandlung von Bankschulden. 4 ) Anders ist es da- 
gegen für den Privatunternehmer. Er muß seine Schulden aus den 



') Neumanns Bilanztabellen 1905, Berlin. 

*) Wagon, Finanzielle Entwicklung der deutsch. Aktienges. , Conrads 
Abhdlg., 38. Bd., 1903, S. 173. 
') Wagon a. a. ().. S. 10. 

*) Jeidels, O.. Das Verhältnis der deutsch. GroCbanken zur Industrie, 
1905, Lpzg.. S. 20. 



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— 13 



Fabrikationseinnabmen zurückzahlen, wodurch die Abhängigkeit tod 
den Banken eine größere wird; denn diese wird größer, „wenn die 
Mittel zur längeren Festlegung im Betrieb gebraucht werden, als wenn 
nur die Vermittlung und der zeitweilige Kredit der Bank im Zah- 
lungsverkehr in Anspruch genommen wird". 1 ) Während die Banken 
sich danach drängen, mit großen florierenden Unternehmen in Ge- 
schäftsverbindungen zu treten, hat das kleine Einzelunternehmen nicht 
die Wahl unter ihnen, sondern muß oft unter großen Zugeständnisseti 
lange nach einer Geschäftsbeziehuog suchen. 

Aus den angeführten Momenten geht hervor, daß das Privat- 
untenehmen im allgemeinen in bezug auf Kapitalbeschaffung und Kredit- 
ausnutzung weit ungünstiger, als die Unternehmen in Gesell- 
schaftsform gestellt ist, von denen heute — auch ein charakteristisches 
Zeichen der Zeit! — viele neben dem Fabrikationsgeschäft noch be- 
deutende Finanzierungsgeschäfte machen, aus denen ihnen erheblicher 
Gewinn erwächst. So führte z. B. die A. E. G. folgendes Finanzierungs- 
geschäft aus: „Die Bank für elektrische Unternehmungen, Zürich, 
wurde 1895 von der A. E. G. gegründet mit Hilfe der Deutschen Bank. 
Das Aktienkapital betrug 1900 33 Millionen Franks, die Obliga- 
tionen 34 Millionen Franks. Fast das gesamte Aktienkapital ging 
1897 in die Hände der A.E.G. über, indem 2000 Mark eigene Aktien 
gegen nom. 5000 Franks Zürich-Aktien zum Umtausch angeboten 
wurden. Da 28,64 Millionen Franks, also 22,912 Millionen Mark, 
eigener Aktien gegen 11,456 Millionen Mark Buchungswert erworben 
wurden, so vermehrte die A. E. G. ihre eigenen Reserven durch diese 
eine Transaktion um ca. II 1 /* Millionen Mark/' 2 ) 

Daß diese rein banktechnischen Vorteile die Produktion meist 
günstig beeinflussen, bedarf kaum eines Nachweises. Die Gewinne, 
die sich aus Effekten und Beteiligungskouten ergeben, stärken das 
Betriebskapital und machen das Unternehmen freier und gewappneter 
gegen ungünstige Konjunkturen, in denen der Fabrikationsgewinn nur 
gering ist. Die gesellschaftliche Unternehmung kann also zweifellos 
die günstigen Konjunkturen besser wahrnehmen, denn sie kann leicht 
und schnell auf verschiedenen Wegen ihren Kredit verwerten. 

C. Kapitals Vermehrung als Folge der Produktionsvermehrung. 

Wurde gezeigt, daß die kapitalistische Unternehmungsform die 
herrschende geworden ist, so ist darauf hinzuweisen, daß als Folge 

l ) JeideU a. ». O., S. 19. 

•) Fasolt, F., Die 7 gröliten Elektr.-Geaellsch., Dresden 1904, S. 70. 



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— 14 — 



und Begleiterscheinung des größeren Kapitals auch eine erhöhte 
Produktion auftritt. Naturgemäß, denn 1. ist das der Zweck der 
größeren Kapitalsansammlungen, 2. muß auch zur Verzinsung eine 
vermehrte Produktion angestrebt werden. Um das in Maschinen 
festgelegte Kapital nutzbringend zu verwerten, muß die Ausnutzung 
der Maschinen aufs äußerste gesteigert und der Umsatz vervielfacht 
werden. Zu diesem Vorgehen wurde die Industrie durch die zu- 
nehmende Konkurrenz gedrängt, die den Gewinn am einzelnen 
Fabrikat sehr herabminderte. Um also trotzdem einen ansehnlichen 
Gewinn zu erzielen, muß die Zahl der Fabrikate vermehrt werden; 
der bekannte Satz: „Großer Umsatz, kleiner Nutzen" wird auch iu 
der Industrie zum Grundsatz erhoben. — 

Jeder Kapitalserhöhung soll ein vermehrter Umsatz folgen! 1 ) 
Diese Erscheinung ist auch oft zu beobachten: z. B. 



Berlin- 


Anhaltis 


che Ma 


schinenbau- A.-G. 2 ) 


1896 


3 


Mill. Mark Kapital 


4,9 Mill. Mark 


Umsatz 


1897 


4,5 


u 


ii 


5,9 


v 


ii 


1898 




»> 


ii 


8,2 


ii 




1899 


» 


ii 


ii 


5,1 


-i 


ii 


1900 


n 


ii 


ii 


8,8 


" 


ii 


1901 


n 


ii 


" 


8,0 


ii 


'i 


1902 


» 


ii 


n 


7,5 


n 


'i 


1903 




ii 


ii 


8,8 


ii 


'i 


1904 


7,0 


ii 


ii 


10,3 


ii 


ii 




Schubert & Salzer, A.-G. 


Chemnitz 5 ) 


1894 


0,75 MM. Mark Kapital 


0,84 Mill. Mark Umsatz 


1895 


1,00 


" 


ii 


0,74 


j» 


ii 


1896 


1,00 


ii 


ii 


0,66 


ii 


'i 


1897 


n 


ii 


ii 


1,23 


ii 


ii 


1898 


ii 


ii 


ii 


1,58 


'i 


ii 


1899 


1,3 


» 


ii 


2,3 


ii 


ii 


1901 


ii 




ii 


2,2 


ii 


ii 


1902 


1,6 


ii 


* i 


4,4 


ii 


ii 



Es besteht somit eine deutliche Wechselwirkung zwischen Kapitals- 
und ProduktionsyermehruDg; wesentliche Produktionsvermehrung ist 

>) Vgl. Rieß er a. a. O., 8. 249. „Die Intensität der Produktion vennehrt 
sieh stärker als das investierte Kapital." (Oesetz des zunehmenden Kapital- 
ertrages.) 

•) Aus den Geschäftsberichten der betreffenden Gesellschaften. 



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— 15 — 



ohne Kapitalsvermehrung nie möglich. Von welcher einschneidenden 
Bedeutung die Wechselwirkung zwischen Kapital und Produktion ist, 
geht aus folgendem Beispiel hervor : Ein junges Unternehmen — eine 
Spezialfabrik in Form einer Aktiengesellschaft, in der die Gründer 
alle Aktien übernommen haben ohne Mitwirkung einer Bank — ist 
zurzeit an der Grenze technischer Leistungsfähigkeit angelaugt. Es 
ist der Leitung bekannt, daß durch Vermehrung von Arbeitsmaschinen 
infolge vermehrter Produktion und noch weiter durchgeführter Arbeits- 
teilung die Produktionskosten sinken würden. Um nicht in Ab* 
hängigkeit von einem Bankhause zu kommen, wird der Vorteil der 
Aktiengesellschaft, leicht und schnell das Kapital zu erhöhen, nicht 
ausgenutzt ; die Gründer selbst wollen jedoch auch nicht mehr Kapital 
anlegen. Würde dieser Zustand nun ein dauernder werden , so 
würde die Konkurrenzfähigkeit des Unternehmens bald Einbuße er- 
leiden, da die Produktionskosten nicht fortgesetzt herabgemindert 
werden können. — Andererseits zieht leichtfertige Kapitalsvermehrung, 
bei der nicht vorherzusehen ist, ob ein vermehrter Umsatz überhaupt 
erzielt werden kann, schwere, meist dauernde Schäden nach sich. — 
Fragt man, in welchem zeitlichen, und daher auch ursächlichen 
Verhältnis Kapitals- und Produktionsvermehrung zueinander stehen, 
so muß man die Produktionsvermehrung als das frühere bezeichnen, 
dem zur vollständigen und dauernden Durchfuhrung die Kapitals- 
erhöhung folgt. Für das Ubergangsstadium, den Beginn der Pro- 
duktionsvermehrung bis zur erfolgten Kapitalsvermehrung, wird der 
Bankkredit in hohem Maße herangezogen. — 



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Zweiter Abschnitt. 
Die Verbilligung der Produktionskosten. 



A. Beispiele aus der Praxis. 

Die Erscheinung, daß die Produktionskosten sich verringert 
haben, ist allgemein bekannt und als Tatsache zugegeben. Es fehlen 
jedoch bis jetzt sowohl in der nationalökonomischen, wie technischen 
Literatur für die Maschinenindustrie, wie auch für die anderen In- 
dustrien Zahlenbelege als Beweismaterial. Die in der Literatur vor- 
handenen Angaben sind zerstreut und stützen sich vielfach nicht auf 
tatsächliches Material. Die Arbeit macht daher erstmalig den Ver- 
such, zahlenmäßig zu beweisen, daß die Produktionskosten im Laufe 
der Zeit sich vermindert haben und zu zeigen, w i e eine Herabsetzung 
der Kosten bei den einzeloen Produktiousmomenten erzielt wird, wie 
sich der EinHuß der Kapitals- und Produktionsvermehrung dabei 
geltend macht. Das Material , das zugrunde gelegt wird , ist aus- 
schließlich von den Fabrikleitungen selbst auf Kund fragen in dankes- 
wertester Weise geliefert. Aus uaheliegenden Gründen wird auf 
Wunsch der Firmen von ihrer Namhaftmachung abgesehen. — 

Unter Produktionskosten , auf deren rein theoretische BegrifFs- 
abgroDZungen durch die verschiedenen Schulen zu verschiedenen Zeit 
hier nicht näher eingegangen werden soll, versteht der Unternehmer 
die Fabrikselbstkosteu, die sich in drei Momente gliedern, in: 

1. die Kosten für das Material, 

2. die Kosten für die Löhne, 

3. die Generalunkosten. 1 ) 



') Wenn in der Abhandlung zu den Produktionskosten auch die General- 
unkost«n, also auch die „Vertriebekosten" gezählt werden, so hat diese Auffassung 



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— 17 — 



Nach diesen Momenten gesondert, mögen aus der Fülle der ver- 
schiedenen Zweige der Maschinen- und Elektrizitätsindustrie 1 ) eine 
Reihe von Beispielen angeführt werden. 

I. Aus der Industrie für Pumpen und Kompressoren 
steht folgendes Beispiel zur Verfügung: 



Pumpe: Modell 


A 


B 


C 


im Jahre 


1897 


1901 ! 


1904 


1897 


1901 


1904 


1897 


1901 


1904 


Produktiouskosten Mk. 


197 


177 


162 


880 


813 


738 


1593 


1467 


1345 


Materialkosten „ 
Lohnkosten „ 
Unkosten „ 


94 
41 

62 


92 
34 
51 


s 


540 
136 
204 


528 
114 

„i 


470 
107 
161 


803 
316 
474 


782 
274 
411 


715 
252 
378 


Zahl der monatlich 

gefertigten Pumpen ca. 


30 


35 


45 


7 


10 


12 

i 


3 


4 


5 



Die Produktionskosten haben sich, wie ersichtlich ist, bei allen 
drei Modellen in den Jahren 1897 — 1904 um 15°/ 0 — 18% erniedrigt. 
Während die Materialkosten nur eine Verminderung von 13°/ 0 er- 
fahren haben, sind die Lohnsummen um durchschnittlich 22 °/ 0 ge- 
sunken. Diese Abnahme ist sowohl den verbesserten Arbeitsmethoden, 
als auch der vermehrten Produktion zuzuschreiben. Auch die Un- 
kosten als Zuschlag von 150 ° 0 zu den Löhnen weisen eine erhebliche 
Abnahme auf entsprechend dem Sinken der Lohnsuramen. — Die 
Fabrik, aus der vorstehendes Material entstammt, ist eine Spezialfabrik 
größter Bedeutung. — 



darin ihre Begründung, daß volkswirtschaftlich nur die Kosten von Wichtig- 
keit sind, welche aufgewendet werden müssen, bis das Fertigfabrikat an den Kon- 
sumenten gelangt. Es müssen also auch die Kosten einbezogen werden, welche den 
Vertrieb der Ware ermöglichen. Denn der Preis der Ware, der vornehm- 
lich den Nationalökonom interessiert, setzt sich aus den üesamtselbstkosten und 
dem Nutzen zusammen, so daß es theoretisch ohne Belang ist, ob die Kosten für 
Material, Löhne und Betriebskosten \' 10 und die Vertriebskosten 8 /, 0 der Gesamt- 
kosten ausmachen oder umgekehrt, solange nur die Summe die gleiche bleibt. — 
Während also in den Bilanzen der Begriff „Produktionskosten" enger gefaOt wird 
und die „Vertriebskosten" ausschließt, wird nationalökonomisch eine derartige 
Unterscheidung nicht angebracht sein. Es werden also in der Abhandlung die 
Vertriebskosten zu den Ueneralunkosten zugezählt. 

x ) In der Folge wird unter Maschinenindustrie stets die Elcktrizitätsindustrie 
mitverstanden. 

Uli. 2 



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— 18 - 



IL Aus der Schreibmaschinenindustrie werden folgende 
Zahlen angeführt: 1 ) 

„Die erste Maschine, welche zum größten Teil von Hand ge- 
fertigt wurde, ohne Zuhilfenahme von besonderen Einrichtungen und 
Maschinen, stellte sich auf 4500 Mk. Selbstkosten. Es wurden so- 
dann 100 Maschinen in Angriff genommen, deren Selbstkostenpreis 
sich auf 200 Mk. pro Stück stellte. Hierbei wurde schon teilweise 
mit Spezialeinrichtungcn gearbeitet, jedoch noch nicht in der Vervoll- 
kommnung, daß z. B. beim Fräsen, Bohren etc. mehrere Stücke mit 
einem Male bearbeitet wurden. Nach Fertigstellung dieser 100 
Maschinen und ihrer praktischen Ausprobierung im Konsumenten- 
kreise wurde die Maschine umkonstruiert, die Zahl der Teile erhöhte 
sich um ca. 10°/ 0 . Alsdann wurden 500 Maschinen zum Preise von 
160 Mk., bis zu 1000 Maschinen zum Preise von 140 Mk., bis zu 
2000 Maschinen zum Selbstkostenpreise von 125 Mk. hergestellt. 

Diese 125 Mk. Selbstkosten ergaben sich aus folgendem: 

Material 25 Mk. 

Löhne 50 „ 

Fabrikationsunkosten 100 °/ 0 . . 50 „ 
Der Unkostensatz von 100 % ist nur der Unkostensatz für die Fabrik, 
welche die Maschinen zum Selbstkostenpreise an ihre Verkaufs- 
abteiluug abliefert." 

Die außerordentliche Verminderung der Selbstkosten ist aus- 
schließlich aus der Massenfabrikation hervorgegangen, die erst 
rationelle Arbeitsmethoden und volle Ausnutzung von Spezialmaschinen 
ermöglichte. Neben 80 normalen Werkzeugmaschinen arbeiten 10 
reine Spezialmaschinen im Betriebe. — Die Schreibmaschine der be- 
treffenden Firma — einer Spezialfabrik — besteht strenggenommen 
aus 1400 Teilen, wenn jedes Stück bis zum kleinsten herab, wie 
Prisonstifte, Glas- und Papiereinlagen usw. als einzelnes betrachtet 
werden. Von diesen 1400 Teilen sind 450 Teile solche, welche sich 
wiederholen. 

III. Für die Fabrikation von Setzmaschinen entrollt 
sich folgendes Bild. 

Es betrugen in den Jahren 

1900 1901 1902 1903 1904 

Die Kosten für Material und Löhne 1U0 % 98% »5,6°/« 9Äo% 91.3% 
Die Unkosten, ausgedrückt in % der 

gezahllen Lohubeträge .... 313,5% 225% 225% 224 % 197.8% 

Zahl der gefertigten Maschinen . . ToÖ" 22Ö HÜ 50 IÖ3 - 

») Wörtlicher Bericht der Direktion. 



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— 19 — 

Obwohl sich also die Produktion verringert hat, sind die Her* 
Stellungskosten, die einige Tausend Mark betragen, erheblich gesunken. 
Die AbDahme in den Kosten für Material und Löhne ist nur un- 
wesentlich im Vergleich zu dem um 116 °/ 0 gefallenen Unkostensatz. 
Diese sehr bemerkenswerte, für die Unkosten selten zur Erscheinung 
tretende Tatsache, läßt sich darauf zurückfuhren, daß 

1. die Zahl der Bearbeitungsmaschinen von 260 im Jahre 1900 
auf 205 im Jahre 1904 gesunken ist, wodurch die Amortisation der 
Maschinen erniedrigt wird, die Bedienung und Wartung, sowie die 
zum Betriebe nötige Kraft, geringer wird; 

2. die Zahl der Beamten und Ingenieure auf eine Mindestzahl 
beschränkt wurde. Aus diesen einzelnen verminderten Posten ergibt 
sich die Abnahme in den Unkosten. 



IVa. Für die Werkzeugindustrie gelten folgende Tabellen: 



Bohrwerkzeug A 


V 


%" 


1 


1899 


1901 j 1904 


1899 1901 


1904 


1899 


1901 


1904 


Produktionskosten ilk. 

Material „ 

Löhne „ 
Unkosten „ 


1,35 


0,57 0,47 


1,95! 1,14 


1,07 


3,30 


2,35 


2,24 


0,01 
0,67 
0,67 


0,01 
0,28 
0.28 


0,01 
0,19 
0,27 


0,17 
0.89 
0,89 


0,22 
0,46 
0.46 


0,22 
0,32 
0,53 


0,58 
1,36 
1.36 


0,73 

0,81 


0,73 
0,68 
0,83 


Bohrwerkzeug B 


10 mm 


30 mm 


30 mm 


1899 


1901 


1904 


1899 


1901 


1904 


1899 


1901 


1904 


Produktionskosten Mk. 

Material „ 
Lohne „ 
Unkosten „ 


1,42 


1,04 


0,97 


2,81 


2,16 


1,98 


4,83 | 4.07 


3,87 


0,08 
0,67 
0,67 


0.12 
0,46 
0,46 


0,12 
0.39 
0,46 


0,49 
1,16 
1,16 


0.62 
0,77 
0,77 


0,62 
0,59 
0,77 


1.55 
1.64 
1,64 


1,79 
1.14 
1,14 


1,79 
0,94 
1,14 



Wie aus der Tabelle ersichtlich ist, sind die Ersparnisse in den 
Produktionskosten recht große. 

Bei dem Werkzeug A betragen sie 65°/ 0 , 45°/ 0 , 32°/ 0 , 

31 %, 29%, 20%. 

Besonders hervorznheben ist dabei, daß die Materialkosten fast durch- 
weg gestiegen sind, teilweise sogar um 50%. — Die sich trotzdem 
ergebende Ermäßigung der Produktionskosten beruht auf der wesent- 
lichen Lohnersparnis durch Einführung von automatischen Maschinen, 

2* 



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— 20 



die eine Arbeiteersparnis von 60% herbeiführen. — Während in den 
Jahren 1899 und 1901 der l'nkostensatz 100 °/ 0 der Löhne betrog, 
kommt er 1904 mit 122 °/ 0 — 160 °/ ( . in Betracht und zwar gerade in- 
folge der Benutzung von patentierten Maschinen, deren Anschaffungs- 
preis ein hoher ist, aber auch aus dem Grunde, weil die Lohnsummen 
zu stark gefallen sind, als daß die Unkosten damit Schritt halten 
könnten. 

IVb. Beispiele aus der gleichen Industrie. 



Schneidewerkzeuge: 


1900 


1901 


1902 


1904 


Anzahl der Stücke 




20 


35 


82 


145 


Produktionskosten 


Mk. 


96,60 


83,13 


78,26 


65,75 


Material 


r 


0,60 


0,63 


0,65 


0,65 


Löhne 


n 


48,00 


41,00 


38,60 


31,60 


Unkosten 


- 


48,00 


41,50 


40,00 


33,50 


Bohrwerkzeuge 


• 


1900 


1901 


1902 


1904 


Anzahl der Stücke 




1200 


3430 


8560 


12400 


Produktionskosten 


Mk. 


1,84 


1,76 


1,51 


1,40 


Material 


>• 


0,88 


1,05 


0,95 


0,87 


Löhne 




0,48 


0,35 


0,27 


0,25 


Unkosten 


•• 


0,48 


0,36 


0,29 


0,28 



Wie aus den Tabellen ersichtlich ist, sind die Produktionskosten 
um 31 % bzw. 26 °/ n gesunken. Während die Kosten für das Material 
eine Zunahme aufweisen, sind die Lohnsummen beträchtlich gefallen. 
— Die Erniedrigung ist eine Folge von verbesserten Maschinen : im 
Jahre 1901 wurden Automaten angeschafft bzw. Fräsvorrichtungen 
benutzt, 1902 Bohrvorrichtungen. 1904 wurden die Werkzeuge auf 
Revolverbänken gedreht. 

Der Unkostensatz ist auffallenderweise trotz wesentlich ge- 
steigerter Produktion nicht erniedrigt, sondern gestiegen, und zwar 
von 100 ü / 0 auf 105 °/ 0 bzw. 114° n . Die Zunahme ist dadurch zu 
erklären, daß Werkzeuge Präzisionsarbeit bedingen und aus diesem 
Grunde eine große Zahl von Stücken verhältnismäßig nicht wesentlich 
schneller angefertigt werden kann, als eine geringere Zahl. Zur ver- 
mehrten Produktion müssen also auch dementsprechend mehr Maschinen 
angeschafft werden und diese erhöhen den Unkostensatz. 

V. Neben der Werkzeugindustrie seien für die wichtige 
We rkzeugma8chinenindustrie 
mehrere Beispiele erbracht. 



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- 21 — 



In den nachstehenden Tabellen fehlen die Angaben über die Un- 
kosten; diese waren in den verschiedenen Jahren verschieden hoch 
und der Zuschlag wurde nur den Löhnen zugerechnet. Die detail- 
lierten Angaben beziehen sich auf die einzelnen Werkstätten. 



Vertikale Bohrmaschine. 




1900 


1<K)3 




l'HJ5 


Anzahl der Maschinen 




3 


5 


50 


20 


20 


Materialkosten . . . . 


Mk. 


435,28 


505,75 


502,41 


469,82 


441,28 


Löhne: Hobeln. . . . 


n 


26,50 


19,50 




16,22 


16,03 


Fräsen . . . . 


n 


47,11 


28,00 


1 25,41 
10,35 


19,70 


13.58 


Cbucking . . . 




12,64 


13,40 


14,05 


18,39 


Drehen . . . 


n 


80,00 


78,00 


57,06 


57,34 


49,66 


Käderfrüsen . . 


n 


25,00 


24,70 


19,46 


16,08 


11,58 


Schleifen . . . 


«i 


19,80 


11,10 


11.76 


10,68 


15,74 


Bohre» . . . 


n 


60,00 


21,70 


52.24 


»53.93 


56,19 


Schaben . . . 


n 


lö.4ö 


15,40 


13,04 


9,00 


8.00 


Montage . . . 


*i 


100,00 


98,70 


100,52 


123.44 


119,10 


Gußputzen . . 


n 






11,36 


9,30 


9,30 


Lackieren 




8,80 


11,20 


5,02 


4,87 


4,62 


Summa der Löhne . 


Mk. 


401,30 


321,70 


306.22 


344,29 


322.09 



Die Materialkosten sind, wie zu entnehmen ist, annähernd die 
gleichen im Laufe der Jahre geblieben, ja sie zeigen eher noch die 
Tendenz zum Steigen. Die Lohnsuminen sind dagegen beträchtlich 
gesunken, durchschnittlich um 20%. 

In der Tabelle kommt für das Jahr 1903 die vermehrte Pro- 
duktion, nämlich 50 Stück gegen 5 Stück im .lahre 1900 und 
20 Stück im Jahre 1904, im Endresultat scharf zum Ausdruck, wo 
die Lohnsumme um 10°/o niedriger ist als für 1904. 

Ungefähr die gleichen Merkmale weisen die folgenden Tabellen 
für eine Reihe anderer Werkzeugmaschinen derselben Fabrik auf. 



B. Radiale Bohrmas 


c h i n v. 


1899 


1900 


1902 


1903 


1904 


Anzahl der Maschinen 




5 


5 


1 


5 


5 


Materialkosten . . . 


. Mk. 


1151,68 


1336.84 


841,83 l ) 


882,32 


846,32 


Löhne: Hobeln. . . 


n 


101.63 


80,06 




68.30 


73,48 


Fräsen . . . 


n 


38,24 


34,63 


[ 107,60 


32,88 


31,88 


Chucking . . 


. ** 


18,05 


14,27 


21.24 


28,03 


20,12 


Drehen . . . 


• n 


213,93 


131,40 


186,61 


135,09 


136,39 


Rüderfräsen . 


n 






50,33 


31,89 


32,01 


Schleifen . . 


n 


17,54 


19,33 


30.51 


25,60 


32,25 


Bohren . . 


n 


60,00 


64,36 


109!51 


116,30 


116,76 


Schaben . . 


n 


27,14 


6.52 


23,50 


17,60 


19.70 


Montage . . 


• » 


252,84 


116,57 


225,06 


313,95 


204,47 


Gußputzen . 


n 






4,00 


6,32 


7,93 


Lackieren . . 


n 


16,50 


15,20 


14,20 


16,35 


16,25 


Summa der Löhne . 


. Mk. 


745,87 


482,39«) 


7?2\56 


792,31 


691,24 



') Änderung des Modells. 
2 ) Es war für den Verfas 
anormale Verbilligung vorliegt. 



nicht zu ermitteln, welcher Anlaii für dio 



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C. Einspindelige 
Bohrmaschine. 

Anzahl der Masohinen 
Materialkosten . . 

Löhne: Hobeln . 
Fräsen 
Cfaucking 
Drehen 
Hüderf rasen 
Schleifen 
Bohren . 
Schaben . 
Montage . 
Gußputzen 
Lackieren 



18JW 



1900 



1903 



1904 



Suinma der Lohne 



Mk. 



- 

r 
>- 
r 



10 
98.22 
4,20 
4,19 
4,79 
33.00 
4.19 
4.77 
6,79 
1,97 
26,57 
2,00 
6.60 



20 

96.72 

4,70V 
3.00 1 
3,65 

18.05 
0,57 
4.63 
6.47 
1,72 

24.00 
1,50 
6.00 



25 
94,31 

6,74 

4,84 
8,60 

-,32 
3.44 
8.74 
2,50 

20,45 
1.20 
3.70 



93,25 

7,34 

4,96 
8.56 

-,28 
3,50 

12,85 
2.00 

20,55 
1,00 
3,70 



Mk. 99,07 



74.29 



60,53 



64.76 



Die gezahlten Arbeitslöhne sind 
1899 bis 1904 um 35°/ 0 gefallen!! 



bei dieser Maschine vom Jahre 



D. Schrauben- 
schlitzmaschine. 

Anzahl der Maschinen 



rialkosten . . 

Löhne: Hobeln 
Fräsen 
Chucking . 
Drehen 
Käderfräacn 
Schleifen . 
Bohren 
Schaben . 
Montage . 
Gußputzen 
Lackieren 



Summa der Löhne 



Mk. 



1902 



5 

107,49 



23.72 

1 2.90 
20.84 
O.Sü 
3,97 
9,45 
7.00 
46.99 
2,00 
7,00 



1903 



5 

87,73 



[21,71 

3.64 
17,20 
1,46 
3.65 
8,76 
7,00 
43.80 
1,60 
3,30 



1904 



5 

101,75 

9,85 
9.26 
4,49 

12.12 
0.68 
3,05 
8.62 
7,00 

40,95 

3,30 



31k. 



123.67 



112,12 



99.47 



E. Universal-Fräsmaschine. 1899 



1900 



1902 



1903 



1904 



Anzahl der Maschinen 

Materialkosten . 

Löhne : Hobeln 
Fräsen . 
Chucking 
Drehen 
Käderfrüsc 
Schleifen 
Bohren 
Schaben 
Montage 
Gußputzen 
Lackieren 



Summa der Löhne 



25 

Mk. 640,40 



365,62 



24. Oft 

51,36 

.12,09 

186,85 
8,32 
15,40 



o 

607.47 

{63.13 

28,06 
123.04 
22.00 
18,60 
49.60 
32,66 
207,69 
9,00 
10,40 



30 
658.27 

|49,40 

26,99 
113,98 
23,66 
18,40 
47.22 
32,00 
185,07 
6,10 
10,93 



25 
614,41 
t 

y 



65,82 



27.97 
97,41 
21.23 
20.30 
45.92 
32,65 

178.43 
6,00 

. 10,35 



10 

626,78 
34,10 
31,74 
28,39 

102,50 
17,44 
17,73 
62,6t» 
32.75 

178.70 
5,08 
10.40 



Mk. 684,25 564,18 513,75 506,08 521,49 



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- 23 - 



Bei allen Maschinen tritt das Sinken der einzeluen Lohnposten 
deutlich hervor, und es würde sich dies noch mehr äußern, wenn 
nicht das Material ein besseres, härteres geworden wäre, dessen Be- 
arbeitung schwieriger ist. — Worauf die auffällige Verminderung der 
Posten für Drehen, sowie die Steigung für Bohren und Schleifen zu- 
riickzuführen ist, wird im Laufe des Abschnittes eingehend besprochen 
und es wird auf die Beispiele zurückgegriffen werden. 

VI. Ein sehr ähnliches Bild wird durch Beispiele aus der elek- 
trischen Industrie entworfen. Die Angaben über Elektromotore 
entstammen einer der größten Fabriken. Es betrugen die Produktions- 
kosten in den Jahren: 





1901 


1902 


1903 


1904 


Abnahme. 


pro PS. für 0,5 PS. 


224,00 


204,00 


194,60 


183,00 


18 % 


n n w 1»0 n 


140,00 


125,00 


121,00 


120,00 


H% 


n r> n ^fi v 


99,50 


93,00 


90,00 


86,50 


13% 


n n « 3,0 „ 


78,35 


74,00 


72,00 


69,50 


1 1 1 3 ° 0 


m r 6\0 n 


56,80 


53,50 


51,20 


50,20 


H% 



Die verhältnismäßig kleine Abnahme in den Produktionskosten- 
ist daraus zu erklären, daß die betreffende Fabrik von Beginn der 
Fabrikation an auf Massen Produktion eingerichtet, und mit den 
besten und modernsten Arbeitsmaschinen ausgestattet war. Die noch 
auftretende Abnahme von 18%— 11% ist hauptsächlich rationelleren 
Aufspannvorrichtungen und ähnlichem zuzuschreiben. — In der betreff. 
Fabrik werden ca. 500—1000 Motore im Monat gebaut. 

VII. Erheblich größere Differenzen in den Lohnsummen ergeben 
sich in den Aufstellungen einer anderen Fabrik für Elektromotore. 
Diese Fabrik hat erst nach und nach die modernen Arbeitsmethoden 
ganz durchgeführt und arbeitet noch vielfach mit Universalmaschinen, 
nur teilweise mit Spezialmaschinen. 

Motor 1 PS. 1901 1902 1903 

Produktionskosten Mk. 169.90 136,25 118,30 

Material „ 60,99 53,95 50,50 

Löhne „ 54,50 41,15 33,90 

Unkosten „ 54,50 41,15 33.90 



Motor 2 PS. 


1902 


1903 


Produktionskosten Mk. 


220.45 


194,90 


Material „ 


88,75 


88,90 


Löhue r 


65,85 


53,00 


Unkosten „ 


65.86 


53,00 



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— 24 - 



Motor 3 PS. 




1901 


1903 


Produktionskosten 


Mk. 


251,15 


216,80 


Material 


»? 


108,25 


106,10 


Löhne 




71,95 


55,35 


Unkosten 




71,95 


55,35 


Motor 5 PS. 




1902 


1903 


Produktionskosten 


Mk. 


336,90 


285,65 


Material 


n 


165,50 


143,25 


Löhne 


» 


85,70 


71,20 


Unkosten 




85,70 


71,20 



Die Verminderung der Produktionskosten um 30°/ 0 in 3 Jahren 
oder 12°/ 0 — 15°/ 0 in 2 Jahren ist recht beträchtlich und nur zum 
kleinsten Teil auf Verbiiligung des Materials zurückzuführen. 

Die Gegenüberstellung der beiden Tabellen für die gleiche PS. 
zeigt außerdem, wie wesentlich geringer die Produktionskosten bei 
der erst aufgeführten Fabrik, als in der zuletzt genannten sind, bei 
der die Produktion in diesem Artikel in den entsprechenden Jahren 
einen wesentlich geringeren Teil betrug. 

VIII. Ein weiteres Beispiel bieten die Verhältnisse in der 
Draht- und Kabelfabrikation. 
Die Produktionskosten eines gummiisolierten Drahtes aus Kupfer von 



x qmm Querschnitt stellten 


sich pro laufd. 


1000 m 


in den 


Jahren 






1899 


1900 


1902 


1903 


1905 


Sa. Produktionskosten 


Mk. 


93,98 


86,04 


71,80 


68,64 


61.96 


Material 


•• 


70,14 


65,84 


54,52 


52,11 


45.43 


Lohn 




12,50 


11,75 


11,50 


11,00 


11.00 


Unkosten 


n 


11,34 


8,45 


5,78 


5,53 


5.53 



In der Kabelindustrie spielen die Kosten für die Löhne im Ver- 
gleich zu den Materialkosten im allgemeinen eine nur untergeordnet*' 
Rolle, wie aus diesem Beispiel schon ersichtlich ist, so daß Er- 
sparnisse im Lohn für den Gesamtpreis nicht allzusehr ins Gewicht 
fallen. — 

Die Erniedrigung der Produktionskosten ist also mehr durch 
Ersparnisse an den Materialkosten oder durch Herabsetzung des Zu- 
schlages für allgemeine Unkosten zu erwirken, als durch Arbeits- 
methoden. — Die Preise für Kupfer schwanken bekanntlich sehr 



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— 25 — 



udcI werden durch die Marktlage geregelt; sie weisen für die be- 
treffenden Jahre für die Fabrik folgende Zahlen auf: 

1899. 1900 1901 1902 1903 1904 1905 
170 Mk. H>5Mk. 165 Mk. 125 Mk. 140 Mk. 130 MJc. 153 Mk. 

Da ^ie Produktionskosten infolge äußerst scharfer Konkurrenz 
geringer werden mußten, an Kupfer jedoch nicht gespart werden 
konnte, so entfallen also die in der Tabelle ersichtlichen Material- 
ersparnisse fast lediglich auf die Isolierung. — Der Unkostensntz 
konnte infolge vermehrter Produktion von 100% auf 70% und sogar 
1902 auf 50% herabgesetzt werden. 

An der Haod vorstehender Beispiele ist der zahlenmäßige Be- 
weis erbracht, daß die Produktionskosten in allen Zweigen des 
Maschinenbaues in den letzten Jahren sich vermindert haben. Die 
größte Abnahme ist durchgängig in den Kosten für die Löhne zu 
beobachten, ein untrügliches Zeichen für die vervollkommnete Technik 
im Bau von Arbeitsmaschinen, da die flöhe der Eiuzellöhne im Laufe 
der letzten Jahre gestiegen ist. 1 ) — 

Nur kurz muß noch die Frage erörtert werden, ob die Ver« 
billigling der Produktionskosten auch in den Preisen der betreffenden 
Waren zum Ausdruck kommt. Mit anderen Worten ob auch der 
Konsument die Waren entsprechend billiger einkauft, falls die 
Herstellungskosten sich verbilligt haben. 

Ein allgemeines, zusammenfassendes Urteil wird nur schwer zu 
fallen sein, doch wird man sagen dürfen, daß die Ermäßigung in den 
Verkaufspreisen nicht gleichen Schritt hält mit der Verbilligung 
der Produktionskosten, sondern meist zurückbleibt und erst nach 
längerer Zeit deutlich hervortritt. Der Grund für diese Erscheinung, 
die zunächst vielleicht ungerechtfertigt und volkswirtschaftlich un- 
gesund erscheint, da nur einige Wenige. — nämlich die Produ- 
zenten — Ersparnisse bzw. Gewinne anfangs dadurch erzielen, 
ist in folgendem zu suchen: Vor einigen Jahren brachten die 
Preise vielfach dem Unternehmer einen so geringen Nutzen — teils 
infolge übermäßiger Konkurrenz, teils weil die Fabrikation einiger 
oben angeführter Artikel neu war und daher hohe Lehrgelder forderte. 
— daß die Vorteile, aus der sich im Laufe der Jahre ergebenden 

') Es ist bemerkenswert, daß in Deutachland keine Statistik über die Löhne 
der einzelnen Berufsarten besteht, a. B. für Dreher, Bohrer, Monteure; für ein- 
zelne Jahre, aber nur Behr unvollkommen gibt „Report of the commissioner of 
Labor. 1900. Washington" einige Angaben an. 



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— 26 - 



Produktionskostenverbilligung zunächst gerechterweise nur dem Unter- 
nehmer zugute kommen konnten. Wesentliche Ersparnisse in 
den Produktionskosten treten natürlich auch in den Verkaufspreisen 
schnell zutage. Fahrräder z. 6., die noch 1898 mit 250 und 180 Mark 
bezahlt wurden, kosten jetzt nur noch 160 bzw. 100 Mark. Die elek- 
trische Glühlampe, die im Anfang der achtziger Jahre 5 Mark kostete, 
— teuere Patente beeiuaußteu wesentlich den Preis — wurde 1895 für 
1,60 Mark verkauft und im Jahre 1904 — außer Kartell — für 35 
und 40 Pfg. 

Die Momento, welche den Verkaufspreis bestimmen, sind aber für 
jeden Fabrikatiousartikel verschieden. — Sie alle in ihren Einzel- 
heiten zu beleuchten, gehört jedoch nicht in den Rahmen dieser Ab- 
handlung. 

Das Bild, welches sich nun für die Verkaufspreise der Beispiele 
I— VII ergibt, ist kein einheitliches, sondern ein buntscheckiges. 

Für die Beispiele II, III, IVb (Schreibmaschinen, Setzmaschinen 
und Spezialwerkzeuge) sind in den Jahren 1900—1904 die Verkaufs- 
preise die gleichen geblieben, obwohl die Herstellungskosten erniedrigt 
worden sind, teilweise sogar (IVb) um Erhebliches. Als besonderer 
Grund für diese Erscheinung ist anzuführen, daß alle drei Unter- 
nehmen jüngeren Datums sind , daß also , wie stets bei neuen Unter- 
nehmen, die Produktionskosten in den ersten Jahren der Fabrikation 
höher waren, als die Verkaufspreise normiert werden konnten. Diese 
müssen nämlich nach den Vorbildern der Konkurrenz festgesetzt 
werden; in letzter Reihe ist sie also die Richtschnur für die Fest- 
setzung der Preise. Wenn sich nun im mehrjährigen Betriebe Er- 
sparnisse in den Produktionskosten haben erzielen lassen , so werden 
sie dazu benutzt, einen Ausgleich zu schaffen für die ersten Jahre, 
in denen an der Fabrikation wenig oder gar nichts verdient worden ist. 

Bei den Beispielen VI und VII, bei denen ebenfalls die Verkaufs- 
preise seit 1900 fast die gleichen geblieben sind, — nur die Rabattsätze 
sind etwas erhöht — liegt ein anderer Grund vor. Durch übermäßige 
Konkurrenz und schlechte Konjunkturen waren die Fabriken ge- 
zwungen, ihre Motore mit minimalem Nutzen zu verkaufen, den sie 
nicht weiter verringern konnten, wofern noch von einer Rentabilität 
die Rede seiu sollte. Solche Zeiten kleinsten Gewinnes müssen ab- 
gelöst werden von solchen höheren Nutzens, der durch stetig ver- 
besserte Fabrikationsmethoden erzielt werden kann. Günstige Kon- 
junkturen gleichen die Schwankungen des Fabrikationsgewinnes all- 



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— 27 — 



mählich wieder aus, indem z. B. auf die Preise sogenannte Teuerungs- 
zuschläge gelegt werden. 

Ganz anders stellt sich das Bild für Beispiel I, für die Pumpen- 
iudustrie. 



Während für die Maschinen 

von 1897—1901 
A 10,2 \ 
B 7,6 o/ o 
C 7,8 X 



von 1897—1904 
16,8 °/° 
16,2% 
15,6 % 



Ersparnisse in den Produktionskosten erzielt wurden, ist auch der 
Verkaufspreis für die gleichen Maschinen in den entsprechenden Jahren 

um 6,6 °/ H bzw. 10,8 °/ 0 

6,2% „ IM °/o 

5,6 % „ 13,2 % gesunken. 

Es folgt also in diesem Falle der Preis Zug um Zug den 
Produktionskosten und die Verbilligung der Kosten kommt sogleich 
und hauptsächlich dem Konsumenten zugute. 

Ähnlich liegen die Verhältnisse bei Beispiel IVa (Werkzeuge). 

Während die Produktionskosten vom Jahre 

1899—1901 und von 1899—1904 
bei A % " um 58 % um 65 % 

R / 8 " 42 X 45 •/„ 

1 " 29 X 32 <V, 



29 °/o 

bei B 10 mm um 27 % 
20 24°. 



30 



um 31 °/ 0 

29 ° ' 



16 " 



/« 
20 % 



gesunken sind, fiel auch der Verkaufspreis in den gleichen Jahren 



für A % " um 28,5 



0,' 
10 



V 

1" 



34 X 
30 X 



mit bzw. 28,5 % 

10-157« 34 \ 
Rabatt 30 °/ 0 



mit 
30 X 
Rabatt 



für B 10 mm um 36 
20 .. 27 

30 



mit 
Rabatt 



°o) mit bzw -36 X 
- \ 5% 27 r 

10 °/ 0 J Rabatt 10 o/ ° 

Also auch in diesem Beispiel hat der Konsument den bei weitem 
größten Vorteil von der Produktionskostenverbilligung. 



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— 28 - 



Beispiel V, A— E, Werkzeugmaschinen zeigt, obwohl die Ma- 
schinen einer Fabrik entstammen, wesentliche Unterschiede. 

Für V A hat sich der Verkaufspreis vom Jahre 1900—1905 um 
6,5 °/ 0 erhöht, 

bei V B ist der Preis der gleiche geblieben, 
n VC,, „ „ um 33 % herabgesetzt, 

V D 10 w ' 

» VE „ 15 0, v 

obwohl die Ausgaben für Material und Löhne für diese Maschinen 
in den gleichen Jahren bis zu 20 % verringert sind. 

Aus der Gegenüberstellung der Verbilligung der Produktions- 
kosten mit der der Verkaufspreise geht klar hervor, daß es für den 
Konsumenten, also für die große Menge, ?on höchster Wichtigkeit 
ist, daß die Produktionskosten herabgemindert werden. Tritt auch 
nicht in allen Fällen diese Erscheinung sofort in dem Preise zutage, 
so paßt sich doch im Laufe kurzer Zeit der Verkaufspreis den Pro- 
duktionskosten an, und mit einem Sinken der Kosten ist auch ein 
Sinken des Preises verbunden. 

B. Die einzelnen Produktionsmomente. 

Durch welche Maßnahmen und nach welchen Gesichtspunkten die 
Verbilligung der Produktionskosten erreicht wurde, wird für jedes 
Produktionsmoment eingehend erörtert und teilweise durch Beispiele 
bekräftet werden. Es wird gezeigt werden müssen, welchen Einfluß auf 
die Produktionskosten der Übergang des Kleinbetriebes zum Groß- 
betriebe, mit anderen Worten, die Wirkung der Massenfabrikation hat. 

I. Die Kosten für das Material. 

Als erstes Produktionsmoment sind die Kosten für das Material 
zu behandeln. 

Für die Fabrikation der Maschinen und Apparate kommen als 
Material hauptsächlich in Betracht: Eisen, Kupfer, Blei, für den Be- 
trieb in den Fabriken: die Kohle. Die Preise dieser Materialien 
sind erheblichen Schwankungen unterworfen, die ihre Ursache in ver- 
schiedenen Momenten, teilweise in börsenmäßiger Spekulation haben. 
Sie weisen durchgängig seit Anfang der 90 er Jahre eine steigende 
Tendenz auf. Es betrugen die Preise: 1 ) 

») Zusammengestellt nach den Vierteljahrsheften der Statistik des Deutschen 
Reiches, 1903, IV. Heft. 



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— 29 — 



im Jahre 1894 1896 1896 1897 1898 1899 1900 1901 1902 1903 

Roheisen 1000 kg 60,3 49,2 67,6 61.7 61,6 76,6 90,2 66,5 61,3 60,4 
Blei lDz. 20,8 22,3 24,4 26,1 27,5 32,1 37,1 27,8 23,5 24,1 

Kupfer lDz. 90,3 98,8 105,9 107,7 114,0 160,0 160,2 154,9 115,0 130,5 
Kohle (Fettkohle, 

EsTen^Blrse) 06 ' 8 '° 80 8 > 3 8 ' 9 9 ' 1 9 ' 4 10 ' 3 10 ' 3 9 ' 6 9 ' 4 
1000 kg 

Obwohl die Preise für das Rohmaterial bedeutend gestiegen sind, 
haben die Summen für die Materialkosten in der Mehrzahl der Bei- 
spiele keine nennenswerte Steigung erfahren, sondern zum Teil noch 
eine Verminderung. Man bat also Mittel und Wege zu finden ge- 
wußt, um trotz höherer Materialpreise die Kosten nicht zu erhöhen. 
Sparsamste Anwendung des Materials und Ausnutzung bis zur 
äußersten zulässigen Grenze wurde zum Prinzip erhoben, und alle 
Konstruktionen dementsprechend ausgearbeitet, um möglichst wenig 
Materialabfall zu haben. Aber außer diesen schon lange herrschenden 
Gesichtspunkten, die der kleine Betrieb ebensogut verfolgen kann als 
der große, stehen dem Großbetriebe weitere Möglichkeiten zur Ver- 
fügung, um die Material kosten möglichst niedrig zu halten. Die 
große Unternehmung, die häufig durch ihre Leiter freundschaftliche 
Geschäftsbeziehungen zu den Verwaltungen der Rohproduzenten hat 
oder die besonders geschulte und nur für diesen Zweck tätige Beamte 
beschäftigt, kann die Konjunktur bedeutend vorteilhafter ausnutzen, 
ohne daß damit eine Spekulation verbunden ist. Ihr ist es ermög- 
licht, große Mengen Rohmaterial 1 ) auf einmal zu beziehen, da ihr, 
im Vergleich zu kleinen Unternehmungen, großer Kredit und ihre 
große Kapitalkraft größere Aufträge, auch auf Vorrat, ermög- 
lichen. Hiermit ist weiter der große Vorteil verbunden, den 
Kunden knappe Lieforfristen bieten zu können. Dieser Vorteil ist 
besonders hoch einzuschätzen, denn häufig müssen kleinere Betriebe 



') Wie unter Umständen daraus aber auch groüe Schädeu erwachsen können, 
geht aus dem Bericht der „Vereinigten Maschinenfabriken Augsburg und Nürnberg" 
für 1901 hervor, in dem es heilit: „Im Frühjahr vorigen Jahres bestand die 
Sorge, ob der Bedarf genügend gedeckt werden könne und infolgedessen wurden 
Abschlüsse auf längere Zeit als gewöhnlich für erforderlich erachtet. Einzelne 
Werke sollen sogar Abschlüsse auf normale kürzere Lieferzeit zurückgewiesen 
haben. Im Herbst trat mit einem Male der Rückschlag ein. Die Preise Bind 
fortwährend bis auf einen grolJen Tiefstand gesunken: Seit Juli v. J. sind ge- 
sunken: Roheisen um 25% — 40°/ot Walzeisen 80 °/ 0 — 40%, Schmiedeeiserne Rohre 
40%— 60%, Kohlen, Koks 10%— 30%." Die aulierordentliche Wertminderung 
/kr Materialbestände wurde AnlalJ zu einem ungünstigen Betriebsergebnis. 



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— 30 — 

sich Aufträge entgehen lassen, weil ihnen zum sofortigen Beginn der 
Arbeit das Material fehlt, das sie gerade wegen der schwankenden 
Preise und wegen der Lagerzinson nicht in größerer Menge vorrätig 
halten können. — Weitere Vergünstigungen hat das große Unter- 
nehmen dadurch, daß es mehr im Interesse der Verwaltung der 
Hütten, Zechen, Gießereien und der anderen Rohproduzenten liegt, mit 
nur einem Abnehmer zu arbeiten, als mit zehn, die vielleicht nur 
ebenso viel bestellen, wie der eine; die Abrechnung gestaltet sich 
einfacher, die Rechtsverfolgung der Ansprüche gegen einen ist leichter, 
als gegen mehrere. Alle diese Momente veranlassen den Rohprodu- 
zenten, an große Abnehmer billiger und gegen höheren Rabatt zu 
liefern, als an kleine Privatunternehmer, über deren Zahlungsfähigkeit 
gar noch von Fall zu Fall Erkundigungen eingezogen werden müssen. 
So hat neuerdings die Vereinigung der Rhein.-Westfäl. Bandeisen- 
werke beschlossen, die Verbandspreise für Abschlüsse von weniger 
als 50 tons um 2 Mk. per ton zu erhöhen, für größere Abschlüsse 
die bisherigen Preise bestehen zu lassen. 

Die überwiegende Macht, die das größere Kapital verleiht, kommt 
hier scharf zum Ausdruck ; die große Unternehmung gewinnt im Be- 
züge der Rohmaterialien die Oberhand über den Klein- und Mittel- 
betrieb. 

Dieselben Erscheinungen treten auch bei dem Bezüge von Halb- 
fabrikaten zutage. Zu diesen sind hauptsächlich zu zählen außer den 
Guß- und Schmiedestücken, Schrauben, Armaturen, Zahnräder, Isola- 
toren, Drähte, Kugeln, Federn u. ä. Die meisten Fabriken beziehen 
diese Bestandteile von Spezialfabriken, die, nur mit Spezialmaschinen 
für den betreffenden Artikel ausgerüstet, bedeutend leistungsfähiger 
sind. Auch die Gußstücke werden in der überwiegenden Mehrzahl 
der Fälle von anderen Firmen bezogen, da nur wenige Maschinenbau- 
anstalten oder Elektrizitätsgesellschaften eigene Gießereien haben; 
nicht einmal alle sehr großen Betriebe haben mit ihren Betrieben 
auch Gießereien vereint. Diese auffällige, zunächst schwer zu er- 
klärende Tatsache findet ihre Begründung in Folgendem: „Bei einer 
Gießerei in eigenem Betriebe," so sagte wörtlich ein Vertreter einer 
bedeutenden Werkzeugmaschinenfabrik, „muß auch der minder gute 
Guß verarbeitet werden, weil sonst die Produktionskosten zu große 
werden; wird der Guß von anderwärts bezogen, so wird nur das 
beste Material verarbeitet, das minder gute jedoch zurückgewiesen." 
Diesem Grunde, der für viele Unternehmer maßgebend ist, kann ein 
zweiter volkswirtschaftlich interessanterer zur Seite gestellt werden. 



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— 31 — 



der für dieselbe Erscheinung von einer bedeutenden Elektrizitätsfinna 
aDgegeben wurde. Man müsse nämlich in heutiger Zeit mit einem 
Streik als einem nicht zu unterschätzenden Faktor rechnen. Dehne 
sich nun der Streik des Werkes auch auf die Gießereien in eigenem 
Betriebe aus, so seien schwere Störungen zu erwarten, da bei der 
Aufnahme der Arbeit verschiedene Abteilungen längere Zeit unbe- 
schäftigt seien, bis die Arbeiten aus den Gießereien wieder einliefen. 
Beschäftige man dagegen fremde Gießereien, womöglich mehrere an 
verschiedenen Orten, so liege die Befürchtung eines Streikes an allen 
Orten zu gleicher Zeit sehr fern und man sichere sich so nach Möglich- 
keit gegen Störungen im Betriebe. 

Naturgemäß erhält auch bei den Halbfabrikaten der regelmäßige 
Abnehmer, wie die großen Werke es sind, die jedes Jahr einen an- 
nähernd gleichen Bedarf haben, Vorzugspreise gegenüber Bestellern, 
deren Aufträge unregelmäßig und unsicher sind. Ein großes Unter- 
nehmen kann in einem Auftrage 100000 Schrauben und mehr be- 
stellen, die kleine Fabrik jedoch, deren Betriebskapital nicht allzu 
groß ist, kann solche Aufträge gar nicht erteilen ; sie muß womöglich 
die Ware von Zwischenhändlern beziehen und einen nicht unerheblichen 
Aufschlag bezahlen. 

Steht der kleine Privatunternehmer also sichtbar zurück in der 
Materialbeschaffung, so zeigt sich dies auch für die Transport- 
bedingungen. Nur selten sind Bergwerke, Hütten, Gießereien und 
Maschinenbau anstalten in unmittelbarer Nähe beisammen, so daß eine 
Verfrachtung nicht erforderlich wäre. Meist sind vielmehr die Berg- 
werke und Hütten von den Gießereien und Fabriken weit entfernt. 
Denn die Eisenerze sind nur vereinzelt in Deutschland zu finden, be- 
sonders in Rheinland, Westfalen, Schlesien, Sachsen ; Maschinenfabriken 
dagegen bestehen fast in der ganzen Monarchie, im Westen zahlreich, 
im Osten spärlich. — Es muß also zu den reinen Materialpreisen noch 
der Transportzuschlag zugerechnet werden, der ganz erheblich ist 
und eine Fabrikation unter Umständen unrentabel machen kann. — 
Die Transportkosten werden auf den preuß.-hessischen Bahnen nach 
tkm berechnet und stufen sich nach der Entfernuug der Kilometer 
ab. Alle Güter, die nicht als ganze Wagenladung befördert werden, 
gelten als Stückgüter. Als Wagenladungen werden aber erst zuge- 
lassen Sendungen von 

mindestens 6000 kg, nach den Sätzen der Nebenklasse 
10000 kg, „ „ Hauptklasse 



! 



berechnet. 



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— 32 — 



Sieht man von den mannigfachen Ausnahmebestimmungen ab, die für 
besondere Warengattungen bestehen, so gelten für Maschinen und 
entsprechende Waren folgende Sätze: 

Frachtsätze pro 100 kg in Pf. 1 ) 
bei Stückgut bei 5000 kg bei 10000 kg. 



100 km 


99 


59 


54 


300 km 


260 


162 


147 


600 km 


420 


262 


237 


1000 km 


765 


512 


462 



Für den Bezug von Rohmaterialien gelten, wofern sie nicht als Stück- 
güter verfrachtet werden, billigere Tarife als die angeführten. — Wie 
aus der Tabelle ersichtlich ist, werden fast 100 °/ 0 billigere Tarif- 
sätze für große Ladungen berechnet. Es steht also der kleine Unter- 
nehmer wesentlich ungünstiger, als die großen Werke, bei denen 
Sendungen von 5000 kg und 10000 kg häufige Erscheinungen sind. 

Für große Werke, welche fast täglich derartige Wagenladungen 
absenden oder erhalten, macht sich die Notwendigkeit geltend, diese 
ohne Umladung auf die Fabrikhöfe bis an die Werkstätten zu schaffen, 
also einen eigenen Bahngeleisanschluß anzulegen. Die Möglichkeit 
solchen Anschlusses spielt heute eine wesentliche Rolle für die Wahl 
eines Fabrikgeländes. Denn die Kosten des Verladens von der Bahn 
bis zum Fabrikhof mittels Gespannen sind sehr hoch, besonders in 
Orten mit hügeligem Gelände; ja sie übersteigen zuweilen die Fracht- 
kosten auf der Bahn. Schwerwiegender ist jedoch noch der Umstand, 
daß durch das Umladen fertige Maschinen allzu leicht Beschädigungen 
erleiden, falls nicht vorzügliche Kran- und andere Transportanlagen 
vorhanden sind. Es wird deshalb allgemein angestrebt, die Fertig- 
fabrikate ohne Umladuug aus den und in die Fabriken zu schaffen, 
daher muß die Mehrzahl aller Betriebe die Beförderung zu Lande 
wühlen. — Wo die Anlage von Fabriken an Wasserstraßen es er- 
möglicht, werdon die schweren Rohmaterialien auf dem wesentlich 
billigeren Wassertransport beschafft. Für manche Unternehmen, deren 
Fabrikation eine große Menge der schweren Materialien erfordert, 
wie z. B. Kabelwerke, sind beide Möglichkeiten, die Verfrachtung zu 
Lande und zu Wasser äußerst wichtige wirtschaftliche Fragen ge- 
worden. Daher sind das „Weruerwerk" von Siemens Ä Halske 
am Spreearm am Nonnendamm und das Kabelwerk der A.-E.-G. 

*) Allgemeine Tarifvorschriften für die preuß.-hess. Hahnen. 



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— 33 — 



an der Oberspree in Oberschöne weide errichtet. So werden sich auch 
an den künstlichen Wasserstraßen nach nnd nach immer mehr große 
Etablissements ansiedeln, um den Vorteil des billigeren Transportes 
zu Schiff sich zunutze zu machen. — Immerhin muß neben der Zu- 
fuhr auf dem Wasserwege der Transport auf der Bahn gewährleistet 
sein, da in Zeiten großen Wassermangels oder Eisganges die Schiff- 
fahrt wochenlang unterbrochen, und so die Regelmäßigkeit des Be- 
triebes in Frage gestellt werden kann. 

Alle diese Vorzüge, den Bezug der Rohprodukte zu Schiff, der 
Fertigfabrikate auf der Bahn ohne Umladung bis auf den Fakrikhof, 
kann der kleine und mittlere Betrieb nicht genießen, da er keine 
Wagenladungen oder gar Schiffsladungen auf einmal beziehen kann. 
Er muß also außer den höheren Frachtsätzen auf der Bahn noch 
den teuren Transport auf Gespannen zahlen. Welche großen An- 
strengungen muß der kleinere Betrieb also machen, um allein diese 
aufgeführten erhöhten Preise für das Material wieder wett zu machen, 
und um mit den großen Werken konkurrenzlähig zu bleiben? 

Als einziges Heilmittel dagegen ist die gemeinschaftliche Organi- 
sation l ) der kapitalsschwächeren Unternehmungen anzusehen : der 
Zusammenschluß mehrerer Firmen zu einem Einkaufskartell. Die 
Leitung eines derartigen, auf genossenschaftlichem Prinzip beruhenden 
Kartells hat die Aufgabe, für seine Mitglieder die besten und billigsten 
Bezugsquellen ausfindig zu machen und ihnen die Materialien zu 
Großhandelspreisen zur Verfügung zu stellen. Derartige Einkaufs- 
genossenschaften, wie eine solche jüngst für Elektrizitätswerke ge- 
schaffen wurde und wie sie für andere Industrien vielfach bestehen, 
bringen bedeutenden Nutzen. Außer dem erwähnten Vorteil, daß 
sie nicht erst selbst die Bezugsquellen in Erfahrung bringen müssen 
und häufig durch Mißgriffe große Speson haben, haben die Mitglieder 
zu den Großhandelspreisen nur einen kleinen Zuschlag für die Kosten 
der Kartellverwaltung zu zahlen. Auch die Transportkosten stellen 
sich niedriger für das einzelne Mitglied, da das Kartell als Groß- 
abnehmer erscheint. Es wird aber weiter den Betrieben ermöglicht, 
ohne größere Warenbestände lagern zu lassen und dafür Spesen zu 
tragen, jederzeit Vorrat an Rohmaterial und Halbfabrikaten zur 
Verfügung zu haben. 

Die Kartelle allgemein, deren Wesen in der Regelung der Pro- 



') Vgl. Grunzel, Über Kartelle, Leipzig 1902 und Huber, Die Kartelle, 
Stuttgart 1903. 

LIII. 3 



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— 34 — 



duktionsverhältuisse und des Absatzes, wie der Ausschaltung der 
übermäßigen Konkurrenz besteht, können in der Maschineninduatrie 
wegen der allzu großen Verschiedenheit der Produkte und der Pro- 
duktionsbedingungen keinen Anhang finden; um so mehr ist es er- 
etrebens- und wünschenswert, daß die Einkaufskartelle an Aus- 
breitung in der Maschinenindustrie gewinnen. Die Organisation bringt 
allgemein volkswirtsc haftlich Nutzen, dadurch die erwähnten 
Vorteile die Produktionskosten auch für die schwächeren Unternehmen 
sich denen der Großbetriebe anpassen können. 

Die Produktionskosten werden schließlich herabgesetzt durch die 
Ausnutzung des Abfalls vom Material. Während dieser Abfall 
früher größtenteils nutzlos verloren ging, sucht man ihn jetzt zu wert- 
vollen Nebenprodukten zu verwenden. Z. ß. werden Schnitte zur 
Herstellung von Dynamoblechen und Polschuhblechen so gewählt, 
daß die Abfälle beim Stanzen für kleinere Maschinen weiter rationell 
ausgenutzt werden. Auch selbst das zum Kühlen des Werkzeug- 
stahles fließende Ol bei Werkzeugmaschinen wird mittels Pumpen 
wieder gesammelt und aus den Abfallspänen mit Zentrifugen wieder- 
gewonnen. — Wertvollerer Materialabfall, wie z. B. Kupfer, wird in 
großen Betrieben wieder geschmolzen. Durch die Verschiedenartig- 
keit des Materials bei dem einzelnen Bezug der Fabriken kann der 
geringe Abfall, der in jeder kleinen Fabrik entsteht, nicht gut ver- 
wendet werden, da ein Ordnen nach gleichen Qualitäten sich kaum 
rentieren würde. Beziehen jedoch die Fabriken ihr Material vom 
Einkaufskartell, so ist es für alle Betriebe das gleiche, also auch der 
Abfall gleichwertig, so daß eine gemeinschaftliche weitere Ausnutzung 
ermöglicht wird. Durch diese Verwertung wird den Fabriken der 
Preis des Materials verbilligt und zwar haben die großen Fabriken 
mehr Gelegenheit, den Abfall selbst zu verwerten oder vorteilhafter 
abzugeben, als die kleineren. 

2. Die Ausgaben für Löhne. 

Während die Ausgaben für das Material nie unter eine gewisse 
Grenze ermäßigt werden können, die jeweils von den Preisen der 
Rohprodukte abhängt, kann der zweite und bei weitem wichtigste 
Faktor der Produktionskosten, die Ausgaben für die Arbeitslöhne 
fortgesetzt durch Vervollkommnung der Arbeitsmethoden erniedrigt 
werden. Die Höhe der Löhne bilden den am meisten variablen 
Faktor in den Produktionskosten, und der Ingenieur setzt seine ganze 



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— 35 — 



Kraft ein, um dauernd billigere Arbeitsmethoden und Arbeitsprozesse 
zu ersinnen. „Ist es doch die höchste Ingenieurleistung, mit dem 
verhältnismäßig geringsten Aufwand technischer Mittel und Kosten 
die höchste wirtschaftliche Leistung zu erzielen.'- ') 

Der moderne Fabrikbetrieb kennt mehrere Mittel, die alle den 
Zweck verfolgen, die Ausgaben für Arbeitslöhne zu ermäßigen. Für 
alle diese Mittel ist Massenfabrikation die Vorbedingung; sie ist 
der Schlüssel zu dem großen Rätsel, und ihre Durchführung wird mit 
allen Kräften angestrebt, da man sich überzeugt hat, daß der große 
Vorsprang, den die Amerikaner vor den Deutschen im Maschinenbau 
hatten und noch teilweise haben, in erster Reihe der streng durch- 
geführten Massenfabrikation zuzuschreiben ist. Wenn in Deutschland 
von einer Massenfabrikation im Sinne der Amerikaner nicht ge- 
sprochen werden kann, weil das deutsche Absatzgebiet bedeutend 
kleiner ist und daher die Zahl der Produkte kleiner sein muß, so 
kann der Begriff der Massenfabrikation doch auch in Deutschland 
sinngemäße Anwendung finden. Das Wesen der Massenfabrikation 
hängt jedoch gar nicht unbedingt mit der Zahl der Fabrikate zu- 
sammen, vielmehr ist das Wesentliche die,. Austauschbarkeit der 
Teile*', die „iuterchangeability of parts". 2 ) Man versteht 
unter „Austauschbau" die Herstellung einzelner Teile von Maschinen 
in solcher Genauigkeit, daß jeder einzelne Teil der einen Maschine 
für jede andere der gleichen Art und Größe paßt, ohne daß 
bei der Montage der Maschine ein Nacharbeiten oder Einpassen noch 
erforderlich wird. Es muß also der Kreuzkopf der einen Dampf- 
maschine auch für die andere Maschine gleichen Modells passen, 
die Leitspindel der einen Drehbank in die andere gleicher Gattung 
eingesetzt werden können. Dieses System gilt bei den Amerikanern 
seit vielen Jahren als feststehendes Prinzip in den Fabriken und hat 
sich bestens bewährt. Auch in Deutschland war in den Waffenfabriken 
das System schon längere Zeit bekannt, weil besonders notwendig, 
aber für die anderen Zweige des Maschinenbaues wurde es erst vor 
einigen Jahren von Amerika übernommen. Es siud zur Anfertigung 
der austauschbaren Teile natürlich genaue Meß- und Arbeitswerk- 
zeuge zu unentbehrlichen Hilfsmitteln geworden und die Genauigkeit 
der Arbeit hat einen ungeahnten Grad erreicht, wodurch auch der 
Wert der Arbeit gestiegen ist. 



') Ried ler, A., Der Schnellbetrieb, Berlin 1900. 
») Schalk a. a. 0., S. 112. 

3* 



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- 36 — 



Welche Vorzüge auch in wirtschaftlicher Beziehung dieses 
System hat, ist leicht zu erkennen. Eine Maschine, z. B. eine Dampf- 
maschine oder Pumpe, die fern vom Fabrikationsort aufgestellt ist, 
erleidet einen Defekt, eine Welle oder Kuppelung bricht. In früheren 
Jahren, vielfach noch heute, mußte oder muß der schadhafte Teil 
an die Fabrik zur Probe für den Ersatzteil eingesandt werden, diese 
mußte ihn einzeln — mitten zwischen anderen Ordres — anfertigen 
und wieder zurücksenden. In der Zwischenzeit muß die Maschine 
aussetzen, der Betrieb vielleicht ganz still stehen. Ist jedoch die 
Maschine nach dem Austauschbausystem gebaut, so ist das Ersatz- 
stück, das eben für alle Maschinen gleicher Gattung paßt, leicht und 
schnell beschafft. Es werden also nicht nur Transportkosten gespart, 
sondern die Betriebsstörung wird möglichst eingeschränkt. 

Die Durchführung der Massenfabrikation hat die Speziali- 
sierung der Betriebe mit sich gebracht. Während in früherer 
Zeit fast allgemein in Deutschland, und auch noch vereinzelt heute, 
Maschinenfabriken die verschiedensten Dinge produzierten, hat sich 
in neuerer Zeit eine Spezialisierung herausgebildet; in Amerika ist 
man mit der Teilung der Branchen bedeutend weiter gegangeu, als 
in der alten Welt, und man konnte es auch, da jenseits des Ozeans 
mit anderen Verhältnissen zu rechnen ist. Man hat dort große 
Spezialfabriken für Dreschmaschinen oder Mähmaschinen, oder Dreh- 
bänke oder Hobelbänke usw. Hierzulande beschränkt sich die 
Spezialisierung höchstens auf ganze Maschiuengruppen, wie landwirt- 
schaftliche Maschinen, Werkzeugmaschinen, Hebemaschinen usw. Es 
ist aber nicht möglich, die Verhältnisse aus „dem Lande der unbe- 
grenzten Möglichkeiten u ohne Einschränkung auf deutsche Verhält- 
nisse zu übertragen. Man kann sogar beobacbten, daß die Spezial- 
fabriken in Deutschland meist in den letzten Jahren noch neue 
Fabrikationsgegenstände, die mit dem Spezi alartikel ähnliche Fabri- 
kation haben, in ihren Betrieb aufgenommen haben. Fast alle Näh- 
maschinenfabriken haben die Fabrikation von Fahrrädern, Schreib- 
maschinen oder Kontrollkassen aufgenommen: z. B. Stoewer. Wan- 
derer, Frister & Roßmann, Gritzner; umgekehrt haben die Fahrrad- 
werke die Fabrikation von Automobilen aufgenommen: z. B. Adler, 
Dürrkopp. — Die Durchbrechung des Prinzipes der reinen Speziali- 
sierung hat darin seine Begründung, daß in Zeiten daniederliegender 
Konjunktur die Spezialfabriken mit nur einem Fabrikat — sofern es 
sich nicht um Konsumartikel handelt — wenig widerstandsfähig sind; 
so haben viele Betriebe, die ausschließlich Fahrräder fabrizierten, 



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37 — 



ihren Betrieb einstellen müssen, als die Nachfrage nach Fahrrädern 
bedeutend nachließ. Die erweiterten Spezialfabriken konnten durch 
die Fabrikation Ton Schreibmaschinen, Kontrollkassen die ungünstige 
Konjunktur leichter überstehen. 

Wie sehr aber noch das Gegenteil der Spezialisierung in Blüte 
steht, geht daraus hervor, daß noch in einzelnen Fabriken 200, ja 
600 verschiedene Maschinen gebaut werden. Es diene zur Illustration, 
daß ein Teilkatalog einer Maschinenbauanstalt, der nur Werkzeug- 
maschinen für Eisen- und Holzbearbeitung enthält, — außerdem 
werden noch viele andere Maschinenarten gebaut — über 350 ver- 
schiedene Maschinen aufzählt, u. a. 64 verschiedene Modelle und 
Größen von Lochmaschinen, 38 Schermaschinen, 56 Bohrmaschinen, 
eine Drehbanktype in 13 Grüßen, eine Hobelmaschine in 14 Größen. 
Bei dieser Mannigfaltigkeit ist es natürlich nicht möglich, von jeder 
Type eine so große Zahl von Maschinen zu bauen, daß bei ihr die 
Hinfuhrung einer rationellen Arbeitsmethode sich lohnen würde. Der 
Amerikaner baut ein Modell aber in mehreren Größen; dies gibt 
ihm die Möglichkeit, auf Vorrat zu arbeiten. 1 ) Es liegt dagegen in 
der Natur des deutschen Fabrikanten, den Wunsch jedes einzelnen 
zu berücksichtigen, statt nur soviel Typen auf den Markt zu bringen, 
wie er als Fachmann für erforderlich hält. „Dem amerikanischen 
Publikum", sagt Vanderlip, 2 ) „ist gelehrt worden, daß es ein 
Maschinenbauer besser versteht, eine Maschine zu konstruieren, als 
der K u n d e oder sein Berater." Schon durch die Konkurrenz glaubt 
sich der Fabrikant gezwungen, immer wieder Verbesserungen an seinen 
Maschinen anzubringen; wenige Typen können auch mustergültig und 
vorbildlich in der Konstruktion durchgearbeitet werden, eine Unzahl 
von verschiedenen Typen jedoch erfordert eine große Anzahl von 
Ingenieuren. Daher läßt mau sich auch auf Spezialwünsche jenseits 
des Ozeans wenig ein. Die deutsche Industrie ist in dieser Beziehung 
dem Konsumenten gegenüber zu rücksichtsvoll und ängstlich, da sie 
fürchtet, einen Kunden zu verlieren, wenn sie nicht auf seine Spezial- 
wünsche eingeht. Der Fabrikant bedenkt dabei meist gar nicht, daß 
eine nicht typische Maschine, die vielleicht erst neu konstruiert werden 
muß, sich bei einmaliger oder selbst mehrfacher Ausführung so teuer 
stellt, daß der Kunde, dem die Gründe für die Freiserhöhung gegen- 
über normalen Maschinen meist nicht einleuchten, den Preis nicht 

') Schalk a. a. 0., S. 112. 

l ) Vanderlip, Amerik. Eindringen in das europäische Wirtschaftsleben, 
Berlin 1903, S. 85. 



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— 38 



voll bezahlt. Es kosten z. B. die Zeichnungen, Modelle, Schablonen 
für eine Bohrmaschine 4000 Mk. Bei nur 4 maliger Ausführung ent- 
fallen auf jede Maschine 1000 Mk. Konstruktionskosten; ist die 
Maschine jedoch ein Typ, von dem 100 Maschinen oder mehr gebaut 
werden, so ist der Anteil jeder Maschine nur 40 Mk. und weniger. 
Der deutsche Fabrikant setzt jedoch lieber selber zu, als daß er auch 
nur einen Kunden verliert!! — Die Berücksichtigung der Sonder- 
wünsche, die Kleinlichkeit geht so weit, daß für verschiedene Kunden 
die Maschinen verschiedenfarbig gestrichen werden müssen! Solange 
Deutschlands Industrie nicht gründlich mit diesen Ansichten auf- 
räumt, wird es ihr nicht möglich sein, die großen Erfolge Amerikas ein- 
zuholen. „Denn wir haben bedingungslos einzugestehen : In der Kunst 
der industriellen Organisation, in dem disziplinierten Zusammenwirken, 
in der Herabsetzung der Produktionskosten, in der von keiner Rück- 
sicht auf Kosten eingeschränkten Ausnutzung eines jeden durch die 
Entwicklung der Technik erlangbaren Vorteils, ist auf der anderen 
Seite des Ozeans Vorbildliches in Hülle und Fülle vorhanden. " l ) 

Mag es berechtigter Stolz und Vertrauen auf eigenes Können 
sein, bemerkenswert ist, daß nur sehr wenig deutsche Firmen die 
fremden, bereits bewährten Anschauungen übernehmen. Unendlich 
schwer hält es, den deutschen, allzu konservativen Fabrikanten zu 
Neuerungen, zu freier Großzügigkeit zu bewegen.-) Vorbildlich ist 
in dieser Beziehung für den gesamten deutschen Maschinen- 
bau die Werkzeugmaschinenfabrik Ludw. Loewe & Co. A.-G. vor- 
gegangen, die amerikanische Gesichtspunkte den deutschen 
Verhältnissen angepaßt und in ihreu Betrieben eingeführt hat; sie hat 
zuerst auf die Durchführung der ..interchangeability of parts" durch 
erstklassige Präzisionsarbeit hingewirkt. 

Nur eine kleine Zahl von Fabriken führt wenige Maschinentypen 
aus und hat sich zu einer „Standardisierung" durchgerungen, obwohl 
der Vorteil so augenfällig ist. Erst mit der Festlegung von Maschinen- 
typen und Normalien kann die Massenproduktion zur Geltung kommen. 
Sind doch zur Bearbeitung von 10 verschiedenen Maschineumodellen 
mehr Vorrichtungen und Änderungen am Aufspannen der Werkstücke 
notweudig, als bei nur 2 Modellen; die erforderliche Arbeitszeit wird 
dementsprechend eine längere sein, die Summe der Arbeitslöhne eine 
größere ; daher müssen sich auch die Kosten der einzelnen Maschinen 

') Goldberger, L. 11., Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, Berlin 
1903, S. 64. 

*) Schalk a. a. O. 



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bei 10 verschiedenen Ausführungen bedeutend erhöhen gegenüber der 
Massenfabrikation. — Als Beleg mögen folgende Daten dienen : Die 
Selbstkosten eines Gleichstrommotors betragen 

in E i n z e 1 fabrikation, in Massenfabrikation 

bei 7\ s PS. 435 Mark 395 Mark 

„ 20 960 „ 875 „ 

„ 40 „ 1545 „ 1405 „ 

Die Einzelfabrikation ist in diesem Falle nur um 10% teurer. Es 
ist jedoch bei diesem Beispiel besonders hervorzuheben , daß in der 
betreffenden Fabrik selbst auch bei Einzelausführung größtenteils nach 
Normalien gearbeitet wird und nur ein kleiner Teil, der „anormale" 
Teil iu Einzelausführuug gebaut wird, um die Kosten möglichst niedrig 
zu halten. Im allgemeinen ist der Preisunterschied der Selbstkosten 
in Einzel- und Massenfabrikation wesentlich größer und beträgt ca. 
50%— 75%. — Um die einzelnen Teile für sich in Massen herstellen 
zu köuneu, schafft man Normalien, wie sie seit Jahren für eine Reihe 
von Fabrikaten bestehen, wie für Bolzen, Nieten, Schrauben, Gewinde. 
Mehrere große Fabriken haben Normalienhefte, in denen die in ihrem 
Betriebe üblichen Größen und Maße enthalten sind. Ihre Verwendung 
wird immer mehr angestrebt und ausgebildet, so auch in dem jüng- 
sten Zweige des Maschinenbaues, im Automobilbau. Der Ingenieur 
wird angehalten, seine Konstruktionen den bestehenden Normalien an- 
zupassen uud er wird lieber etwas mehr Material z. B. für eine Welle 
anwenden, als nach den Festigkeitsberechnungen notwendig wäre, nur 
um Normalmaße und infolgedessen vorrätige Maschinenteile verwerten 
zu können. 

Mehr als die Spezialisierung der Betriebe ist die Arbeitsteilung 
in den Werkstätten durchgeführt, die als wesentlich ersparendes Moment 
in den Produktionskosten zur Geltung kommt. Schon Adam Smith 
hat die Arbeitsteilung durch die 18 Operationen der Stecknadel- 
fahrikation uud Say durch die 70 Operationen der Spielkartenfabri- 
katiou erläutert. Die Arbeitsteilung ist eine Arbeitsanordnung, bei 
der ein und derselbe Arbeiter dauernd die stets wiederkehrende Ver- 
richtung zugewiesen erhält. „Damit in eiuem und demselben Betriebe 
der eine dies, der andere jenes zu tun imstande ist , muß nun offen* 
bar eine bestimmte Bedingung in der betreffenden Betriebsordnung 
erfüllt sein, diejenige nämlich, daß mehrere Arbeiter zu gemeinsamem 
Wirken zusammen gegliedert seien. 4 * l ) Die Kombination von Arbeits- 

») Sombart, Der Kapitalismus, Leipzig 1902, Bd. I, S. 25. 



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teilung mit Arbeitszusanimenschluß bezeichnet Sombart als ^.ar- 
beitsteilige Kooperation." „Die hohe Vollkommenheit moderner Be- 
triebe beruht in erster Linie anf der Arbeitsteilung. Heute ist diese 
Arbeitsteilung in vielen Betrieben bis zu einem so hohen Grade durch- 
geführt, daß der einzelne Arbeiter in einer bestimmten Fabrikations- 
abteilung in der Regel Dicht weiß, in welchem Zusammenhange die 
von ihm anzufertigenden Eiuzelstücke mit der vollendeten Maschine 
stehen/' 1 ) 

Die Arbeitszerlegung in möglichst viele Teile ist nicht nur für 
die Güte der Arbeit, sondern auch für ihre Kosten ausschlaggebend. 
Es wird der Handgriff, den der einzelne an dem Arbeitsstück zu 
machen hat, für ihn zum Beruf, er erlangt darin eine Geschicklichkeit 
und Übung, die ihn befähigt, seine Teilarbeit in größter Genauigkeit 
und Schnelligkeit anzufertigen. Denn täglich, jahrelang, hat er die- 
selbe Tätigkeit; trotzdem darf man nicht glauben, daß der Arbeiter 
durch diese Spezialisierung „abgestumpft wird, er sinnt vielmehr auf 
neue Arten, seine Spezialität lukrativ zu gestalten. So werden Ein- 
spannungsvorrichtungen des öfteren von Arbeitern ausgearbeitet."-) 
Daß diese Erscheinung in Deutschland nach außen wenig hervortritt, 
liegt daran, daß nach deutscher Rechtsprechung alle ..Etablissements- 
erfindungen" der Fabrik gehören, sie also die Patente auf ihren 
Namen entnehmen kann, während in Amerika ein Erfindereid ge- 
schworen werden muß; dort ist also der Ansporn für die Angestellten 
größer, auf Erfindungen bedacht zu sein. 

Aber auch die Anwendung von Arbeitsmaschinen, besonders der 
Spezialmaschinen ist erst ermöglicht und rationell verwertbar bei der 
Arbeitsteilung, da die Maschinen meist ja nur eine Operation ver- 
richten. Wie weit die Arbeitsteilung getrieben wird, kann man daraus 
ersehen, daß bei der Fabrikation des deutschen Infanteriegewehres 
über 1400 Arbeitsoperationen notwendig sind ; für den hölzernen Schaft 
allein einige 40, obwohl der Preis für die Herstellung nur 75 Pfg. beträgt! 

Während in früherer Zeit der Arbeiter eines ganzen Arbeits- 
stückes ein gelernter, tüchtiger Mann sein mußte, der teuer bezahlt 
wurde, können jetzt mehrere weniger tüchtige, erst angelernte Arbeiter 
— das sind solche, welche das Handwerk nicht als Beruf gelernt, 
sondern im Laufe der Zeit sich die Kenntnisse angelernt haben, 
daher auch niedriger entlohnt werden — an seine Stelle treten. Hat z. B. 

') Schlesinger, G., Passungen im Maschinenbau: Forschungsarbeiten des 
Vereins deutscher Ingenieure, Heft 18, Berlin 1904. 
Uoldberger a. a. 0., 8. 199. 



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— 41 — 



an einer Schlosserarbeit ein Mann 10 Stunden ä 50 Pfg. Stundenlohn 
gearbeitet, die Arbeit also 5 Mk. Lohn gekostet, so arbeiten jetzt 
10 Mann je 1 Stunde daran und erhalten je 35 Pfg. Stundenlohn, 
weil nur ungelernte Arbeiter. Die Lohnkosten betragen 3,50 Mk. 
gegen 5,00 Mk., dies ergibt also 30°/ 0 Ersparnis, wobei noch nicht 
berücksichtigt ist, daß durch das arbeitsteilige Prinzip die Schnellig- 
keit der Arbeit eine größere wird. — 

Die Maschinenindustrie kennt heute kaum mehr die Arbeit von 
Hand. Meißel, Feile, Schmirgelstock verschwinden immer mehr aus 
dem Bereich des Großbetriebes und Spezialmaschinen übernehmen 
diese Arbeiten, die sich in die kunstvoll zergliederte, arbeitzerlegende 
Anordnung einfügen. Den Spezialmaschinen, deren Anschaffung nur 
für Massenfabrikation geeignet ist, da auf ihnen nur eine oder zwei 
verschiedene Operationen vorgenommen werden können und deren 
Preis sehr teuer ist, stehen in kleinen Betrieben die Universalmaschineu 
gegenüber. 1 ) Diese sind, wie der Name schon besagt, für möglichst 
viele verschiedene Arbeitsoperationen konstruiert, so daß auch im 
Kleinbetrieb, der keine Massenfabrikation hat, die Anschaffung wirt- 
schaftlich ist, da die Maschine dauernd im Betriebe tätig sein kann. 
Die Arbeitszeit ist auf Spezialmaschinen natürlich eine viel kürzere, 
als auf Universalmaschinen, so daß die Kosten für Löhne bei Arbeiten 
auf Spezialmaschinen ganz wesentlich niedrigere sind, als auf gewöhu- 
lichen Maschinen. Einige Beispiele mögen diese Erscheinung illu- 
strieren. In neuster Zeit hat sich die Schleifmaschine einen ersten 
Platz in der Werkstatt errungen ; sie tritt vielfach mit der Drehbank 
in Konkurrenz und erringt einen unbestrittenen Erfolg, selbst bei An- 
nahme , die zuungunsten der Schleifmaschine gemacht werden, z. B. 

I. Eine rohe Stahlstange von 65 mm Durchmesser und 355 mm 
Länge wird auf der Drehbank mit dem Schnelldrehstahl vorgeschrubt 
bis aufeine Zugabe von 0,4 — 0,8 mm auf den Durchmesser. 

Auf der Drehbank Auf der Schleifmaschine'-) 

wird das Stück genau geschlichtet, automatisch fertig geschliffen. 

Das Schrubben und Schlichten Das Schrubben und Schleifen 
dauert 25 Min.; hinzu kommt noch dauert 15 Min. 
das Nachfeilen von Hand, von der 
Geschicklichkeit des Arbeiters ab- j 
hängig. 

') Vgl. Sinzheimer, Uber die Grenzen der Weiterbildung des fabrik- 
mäßigen Großbetriebes in Deutschland, Stuttgart 1903. 

") Broschüre von L u d w. Loe we & Co., A.-G., „Über Rundschleifmaachinen". 



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— 42 — 



II. Eine Welle zum Gleichstrommotor kostet 



Auf der Drehbank- 
gedreht und kalibriert 2,95 Mk. 



Auf der Drehbank gedreht 
und auf der Schleifmaschine 
geschliffen 2,10 Mk. 



Zeigen diese Daten schon auffallend den Vorteil einer Spezial- 
maschine — der Schleifmaschine — gegenüber der Drehbank, die 
nie so präzise sauber arbeiten kann als die Schleifmaschine, so ist 
der Vorteil im folgenden Falle noch evidenter. 

III. Eine Hartguß walze von 152 mm Durchmesser und 1900 mm 
Länge ist um 2.5 mm abzudrehen bzw. abzuschleifen auf eine Ge- 
nauigkeit von -f 0,01 mm. 



Auf der Drehbank 
betrug 

die Arbeitszeit 28 Std. 



Auf der Schleifmaschine 
betrug 

die Arbeitszeit 2 Std. 



der Lohn 14, — Mk. der Lohn 1, — Mk. 

Amortisation d. Masch. 1,68 „ Amortisation d. Masch. 0,71 „ 
Gesamtkosten 15^68 Mk. j 1,71 Mk. 

Aus dieser Kalkulation geht hervor, daß die Bearbeitung der 
Walze auf der Drehbank fast die zehnfachen Kosten verursacht gegen- 
über der Arbeit auf der Schleifmaschine. Trotz der offenkundigen 
Überlegenheit bleiben viele Betriebe mit der Anschaffung solcher 
Schleifmaschinen im Rückstand, da sie die bedeutende Ausgabe von 
6000 — 8000 Mk. scheuen und die Drehbank universeller ist, als die 
Schleifmaschine. Es zeigt sich recht deutlich, wie die Kapitalmacht 
in dem innersten Organismus des Betriebes ihre Wirkung ausübt, 
und wie Kapital und Produktion Hand in Hand gehen. 

Besonders interessant ist es, in den Lohnlisten der Fabriken 
zu verfolgen, wie in den letzten Jahren die Posten für Dreharbeiteu 
bedeutend gesunken sind, die für Schleifen dagegen entweder nur 
wenig gesuuken oder gar noch gestiegen sind. Gleichzeitig werden 
die Lohuposten für Bohrarbeiten aufgeführt. 

(Die Summen in den Anfangsjahren sind 100 gesetzt». 

T. Vgl. ßeisp. VC. Drehen Schleifen Bohren 

1899 100 100 100 

1900 55 97 96 

1903 26 72 130 

1904 25.5 73 190 



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— 43 — 



Drehen Schleifen Bohren 

IL Vgl. Beisp. VB. 



III. Vgl. Beisp. VA. 



IV. 



1899 


100 


100 


100 


1900 


61,5 


110 


107 


1902 


87 


176 


182 




DO 




1« 






1 Oi 


1 QQ 
Ivo 


1899 


100 


100 


100 


1900 


97 


56 





1903 


71 


59 


87 


1904 


71 


54 


106 


1905 


62 


78 


94 


1898 


100 


100 


100 


1900 


115 


69 




1901 


85,5 


83 


92 


1902 


82 


132 


95 


1903 


63 


121 


98 


1904 


70 


107 


95 


1905 


60 


104 


96 



Die teilweise Abnahme der Posten für Schleifeu ergibt sich 
durch Anbringung verbesserter Vorrichtungen, besonders der magneti- 
schen Vorrichtungen, die ein Festspannen des Arbeitsstückes mit 
Klemmschrauben erübrigen, wodurch 1. ein Verziehen des Arbeits- 
stückes unmöglich, 2. beträchtlich au Zeit gewonnen wird. — Die auf- 
fallende Steigerung der Kosten für Bohren, wie sie aus den Tabellen 
hervorgeht, obwohl man wegen der besonders zahlreichen Bohrvor- 
richtungen gerade eine Abnahme erwarten durfte, hat auch einen 
wirtschaftlich bedeutsamen Grund. Mit der Verbesserung der 
Maschinenkonstruktion stellt man auch an das Material höhere An- 
forderungen. Und besonders im Werkzeugmaschinenbau ist das weiche 
Gußeisen vielfach verdrängt, da man besseren Werkzeugstahl erfunden 
hat und auch die harten Materialien, wie Stahlguß und schmiedbares 
Flußeisen, bearbeiten kann. Mau wendet dazu die sogenannten 
„Schnelldrehstähle" oder „Rapidstähle" an, deren Leistungs- 
fähigkeit eine wesentlich höhere ist und durch deren Benutzung 10° 0 
bis 20 °: 0 Ersparnisse au Löhnen gemacht worden. Der Schnelldreh- 
stahl nutzt sich nämlich nicht so stark ab, als gewöhnliche Stähle, 
braucht also nicht so oft geschliffen und nachgestellt zu werden, wo- 
mit viel Zeit gespart wird. Die Lohn- und Zeitersparnis zeigt fol- 



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— 44 — 

gendes Beispiel: *) „Mit gewöhnlichem Werkzeugstahl hat ein Arbeiter 
auf zwei Drehbänken in 10 stündigem Arbeitstag 323 Stück eines 
Modells abgedreht. Mit Schnelldrehstahl dagegen 484 Stück. Bei 
gleichem Tagesverdienst würden sich die Kosten um 60% verringern. 
Tatsächlich wurde der Lohn erhöht und trotzdem bei 19026 Stück 
im Jahr 34,25 $ gespart; außerdem wurden die Drehbänke 19 \., Tage 
für andere Arbeit frei." — Auch das früher viel augewandte Schweiß- 
eisen verliert immer mehr an Bedeutung und wird durch Flußeisen 
ersetzt. Wie wesentlich diese technischen Erwägungen die Produktion 
beeinflussen, geht aus folgenden Zahlen hervor. 

Es betrug die Produktion in tons : *) 





Schweißeisen 


Flußeiseu 


1890 


1559063 


2 232 099 


1895 


1080270 


3 962 775 


1898 


1116 274 


5 781 004 


1899 


1203859 


6 328066 


1900 


1015626 


6361650 


1901 


820 276 


6 365029 


1902 


894 782 


7 422449 


1903 


897 688 


8349 000 



Während beim Gußeisen die größeren Löcher durch Kerne frei 
bleiben, müssen beim spröden Flußeisen die Löcher aus dem vollen 
Material gebohrt werden und die Bohrwerkzeuge werden sehr leicht 
von dem Material angegriffen. Auf diese Tatsache ist die bedeutende 
Steigung der Bohrkosten zurückzuführen. 

Neben den Schleifmaschinen sind als Spezialmaschinen von 
größter Bedeutung dio Revolverdrehbänke. Es sind darunter solche 
Maschinen zu verstehen, bei denen das arbeitsteilige Verfahren 
mehrerer Maschinen in eine einzige zusammengebaut ist. Eine Re- 
volverdrehbank verrichtet mehrere — meist 4 — 6 — Einzeloperationcn 
nacheinander mit verschiedenen Werkzeugen in einem Werkzeughalter, 
dem Revolverkopf, ohne daß das Arbeitsstück umgespannt zu werden 
braucht. Die dadurch gewonnenen Zeit- und Lohnersparnisse sind 
sehr große und von mehreren Fabrikanten zu 66 0 0 und mehr ange- 
geben worden. So kostete ein Regulierventil I auf der Drehbank 

') Möller, F., Zeitschrift d. Vereins deutscher Ingenieure, 1905, S. 338. 
nach „The Iron age" v. I. XII. 04. 

«) Vierteljahrsheft d. Statistik des Deutsch. Reiches 1903, IV. Heft, S. 103. 



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— 45 — 



76 Pfg., auf der Revolverbank 26 Pfg. — Ein anderes Regulierventil II 
kostete auf der Drehbank 110 Pfg., auf der Revolverbank 33 Pfg. — 
Ein Hebel für Pressen, der früher gedreht und gefeilt wurde, wird 
jetzt auf der Revolverbank gedreht, dann gefräst. Der Hebel kostete 

|zu drehen 80 Pfg., Jauf der Revolverbank zu drehen 16 Pfg., 
(zu feilen 80 „ | „ „ zu fräsen 45 „ 

160 Pfg. 61 Pfg. 

Die Einführung der Revolverdrehbank scheint zunächst einen 
Bruch mit dem arbeitsteiligen System zu bedeuten, doch diese schein- 
bare Annahme trifft nicht zu; vielmehr findet die Maschine nur dort 
Verwendung, wobei die Arbeitsteilung streng durchgeführt ist. 
Arbeitet nun ein Betrieb ohne die zeit- und lohnersparenden 
Maschinen in Konkurrenz mit Fabriken, die denselben Artikel mit 
Spezialmaschinen fertigen, so stellen sich die Produktionskosten 
natürlich bedeutend teurer. So zeigt ein Vergleich eines mächtigen Groß- 
betriebes mit Tausenden von Arbeitern und einer in die Hunderte 
gehenden monatlichen Motorenproduktiou gegenüber einem Mittel- 
betrieb mit ca. 120 Arbeitern folgendes Bild: 

Die Fabrikselbstkosten eines Motors stellten sich 1903 

auf: bei V.. PS. 97 Mk. gegen 123 Mk. = 27% 

„ f PS. 125 „ 136 „ ^ 9° 0 

2 PS. 180 „ „ 194 „ ^ 9° 0 

Diese Differenz der Selbstkosten ist ziemlich groß und wohl in erster 
Reihe auf die Verwendung vieler Spezialmaschinen zurückzuführen, 
deren Anschaffung dem kapitalkräftigen Großbetrieb mit Massen- 
fabrikation sich in kurzer Zeit rentiert. — 

Noch wesentlich verstärkt tritt diese Erscheinung bei der Ver- 
wendung von Vorrichtungen zur bequemeren Arbeitsleistung auf. 
Allgemein wird angestrebt, an Stelle der teueren gelernten Arbeits- 
kräfte billigere zu setzen und dies wird dadurch ermöglicht, daß man 
die Arbeit durch Aufspanu Vorrichtungen und Hilfsmittel möglichst 
mechanisch herstellt. Man sucht durch Vorkehrungen an den Maschinen 
Fehler infolge Unachtsamkeit und Ungeschicklichkeit so zurückzu- 
drängen, daß man angelernte Arbeiter zur Bedienung einstellen kann, 
an deren technische Ausbildung wenig Anforderungen gestellt werden. 
Da jedoch derartige Vorrichtungen zuweilen sehr kostspielige Anlagen 
sind, ist stets in Erwägung zu ziehen, ob die Produktion mit diesem 
Hilfsmittel eine so große ist. daß die Kosten sich rentieren: ob die 



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— 46 — 



durch die Vorrichtung gewonnene Zeit- und Lohnersparnis größer ist, 
als die Zinsen für die Anlage ausmachen. Besonders verbreitet sind 
die Aufspann Vorrichtungen, die ein Ausrichten des Werkstückes er- 
übrigen und ein falsches Bearbeiten unmöglich machen. Der kleinere 
Betrieb wird nur selten größere, teuere Vorrichtungen verwenden 
können und dadurch wiederum teuerer produzieren, da er bessere 
Arbeitskräfte beschäftigen muß, als der Großbetrieb. Einige Beispiele 
mögen die Lohndifferenzen zeigen : 

1. Füllhähne zu Schmierpressen kosteten 8,00 Mk. Lohn 
Seit Einführung von Vorrichtungen 3,87 „ 

2. Ein Rückschlagventil kosteto 2,75 „ 
Seit Einführung von Vorrichtungen 1,00 „ 

3. Polgehäuse von Motoren wurden früher ohne Vorrichtung auf 
einer gewöhnlichen Bohrmaschine bearheitet. Die Arbeit kostete 
72 Pf. Jetzt wird eine Spezialbohrmaschine mit 8 Spindeln und eine 
Aufspannvorriehtung benutzt; die Arbeit kostet 11 Pf., so daß die 
Maschine, deren Anschaffungspreis ca. 20 000 Mk. beträgt, in Kürze 
amortisiert ist. 

Es wird aber nicht nur dahin gestrebt, daß die Arbeitszeit auf 
der Maschine eine möglichst kurze wird, sondern auch daß die Gesamt- 
operation sich rasch vollzieht. Erwiesenermaßen wird bei vielen 
Arbeitsvorgängen die längste Zeit für das Auf- und Abspannen des 
Werkstückes von der Arbeitsmaschine benutzt, währenddessen die 
Maschine still steht. Um diese nutzlos verstreichende Zeit auf ein 
Minimum zu bringen, legt man schwere, große Arbeitsstücke — 
wie Gestelle von Dampfmaschinen, Dynamomaschinen, Betten von 
Hobelmaschinen u. a. m., die auf mehrere Maschinen nacheinander 
zur Bearbeitung aufgespannt werden müßten, auf eine Richtplatte 
und führt an diese transportable Arbeitsraaschinen mit elektrischem 
Antrieb heran. Es fällt bei dieser Arbeitsmethode das zeitraubende 
Umspannen des Werkstückes fort und außerdem besteht der Vorteil, 
daß die transportablen Maschinen weniger Raum beanspruchen, als 
die feststehenden. Durch solche Ausnutzung von Zeit und Raum 
werden die Produktionskosten wesentlich vermindert. In kleineren 
Betrieben, in welchen derartige schwer zu hantierende Arbeitsstücke 
nur Ausnahmen sind, würde sich eine Bearbeitung auf diese Art und 
AVeise nicht rentieren, denn Richtplatte wie transportable Maschinen 
stünden dann überwiegend unbenutzt. — 

Die hohen Löhne in Amerika, die dreimal so hoch sind, 
als in Deutschland, zwingen dazu, stets neue Mittel zu ersinnen, die 



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— 47 — 



Maschinen zu vervollkommnen, um die Lohnkosten zu reduzieren. Daher 
stammen die meisten Erfindungen auf dem Gebiete des Maschinen- 
baues, besondere des Werkzeugmaschinenbaues aus Amerika. Wie 
durch die Erfiudung einer Maschiue bedeutende Lohnsummen gespart 
werden können, zeigt folgendes Beispiel: 

Eine Gliederkette wird mit Gasfeuer zusammengeschweißt und 
die Kosten betragen bei durchschnittlicher täglicher Leistung von 
2800 Gliedern pro 100 Pfund 4,50 Doli. Durch die Erfindung der 
Giraud Welding Maschine mit Elektrizität werden täglich 4000 Glieder 
gefertigt und die Kosten betragen pro 100 Pfund 3,21 Doli. 1 ) — 
Die fortgesetzte konstruktive Weiterbildung der Vorrichtungen führte 
zur Konstruktion und Einführung von selbsttätig arbeitenden Maschinen, 
von sogenannten, automatischen Maschinen. Man versteht daruuter 
solche Maschinen, bei deuen nur das Aufspannen des Werkstückes von 
Hand geschieht, die ganze übrige Arbeit dagegen die Maschine ohne 
irgend welche Aufsicht ausführt. Das Werkzeug wird selbsttätig ge- 
führt und bei Beendigung der Arbeit schaltet sich auch die Maschine 
selbsttätig aus. Derartige automatische Maschinen entstanden zuerst 
in Amerika, wo man zu Zeiten den Mangel an gelernten Arbeits- 
kräften empfindlich spürte und aus dieser Notlage heraus Maschinen 
konstruierte, die Arbeitskräfte ersparten. „Später wurde es zum 
wirtschaftlichen Prinzip erhoben, — so wenig „Hände" als möglich 
zu beschäftigen und keine Verrichtung, für die eine Maschine ge- 
funden werden konnte, Menschen zu übertragen. 412 ) Es ist ohne 
Weiteres erklärlich, daß solche Maschinen von ungelernten Arbeitern 
bedient werden können und daß sogar mehrere Maschinen — bis- 
weilen 4—6, ja 10 Maschinen — wie Räderfräsmaschinen, Schrauben- 
maschinen, automatische Revolverdrehbänke — mit Leichtigkeit nur 
eines Arbeiters zur Aufsicht und Wartung bedürfen. Seit der Ein- 
führung automatischer Maschinen ist nicht nur die Leistungsfähigkeit 
der Fabriken bedeutend gestiegen, sondern auch die Produktions- 
kosten sind gesunken. Es kostet z. B. 

I. das Zapfenandrehen von 100 Ankerstäben zu den Käfigankern 
der Drehstrommotore 

Auf der Drehbank Auf der autom. Revolverbank 
2,55 Mk. 0,85 Mk. 



') The Iron age, 1905, Juli, S. 81. 
*) Goldberger a. a. Ü., S. 199. 



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— 48 — 



II. Ein Kommutatorkörper zum Gleichstrommotor 
Auf der Drehbank Auf der autom. Revolverbank 



„Um klar zu macheu, wie die Ersparnisse gegenüber den alten 
Methoden sich durch Verwendung von automatischen Revolverdreh- 
bänken erzielen lassen, sei auf die Herstellungsart hingewiesen. 1 ) 

Es seien z. B. Bolzen zu fertigen, 145 mm lang, 32 mm Durch- 
messer mit 30 mm Gewinde 20 mm Durchmesser, täglich 100 Stück. 
Verglichen werden die Kosten auf der Leitspindelbank, der oben er- 
wähnten Handrevolverbank, und auf der automatischen Maschine. — 

Die Leitspindelbank ist ein Universalwerkzeug, das für alle 
Zwecke gebraucht werden kann, aber dafür auch die volle Geschick- 
lichkeit eines gewandten Arbeiters verlaugt. — Die Handrevolverdreh- 
bank scheidet die Handgeschicklichkeit bereits aus; im Vergleich zur 
Drehbank ist ihre Verwendungsfähigkeit bereits beschränkt. — Eine 
weitere Beschränkung bringen die automatischen Revolverdrehbänke, 
die in der Regel nur Stangen von genauem Durchmesser zu ver- 
arbeiten gestatten. — Während aber bei der Handrevolverbank an 
jeder Maschine ständig ein Mann stehen muß, lassen sich von auto- 
matischen Bänken bis zu 10 und 12 Stück von einem gelernten und 
einem Hilfsarbeiter bedienen, so daß auf die einzelne Maschine nur 
die Löhne von Va — V« Mann zur Verrechnung kommen. 

Man braucht zur Anfertigung von täglich 100 Bolzen: 

1. bei Verwendung der Drehbank: 1 Abstechmaschine, 1 Zen- 
tnermaschine, 10 Drehbänke mit zusammen 12 Mann Bedienung. 

2. bei Verwendung der Handrevolverbank: 3 solcher Bänke 
mit 3 Mann Bedienung. 

3. bei Verwendung der automatischen Revolverbank: 
3 solcher Maschinen mit ^ = Va Mann Bedienung: 



Immerhin können die kleineren Betriebe den Vorteil der arbeit- 
ersparenden Maschinen lange nicht so ausnutzen, als die Großbetriebe. 



x ) Ludwig Loewe & Co., A.G., Automat-, Revolver- und Facon-Dreh- 
bänke (Broschüre). 



1,75 Mk. 



0,45 Mk. 



bei 1. 
bei 2. 
bei 3. 



75 Pfg. 
14 Pfg. 
7 Pfg. - 



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— 49 — 



Denn der Kleinbetrieb hat vielleicht nur 1 oder 2 automatische 
Maschinen, die ein Arbeiter bedient, der größere Betrieb aber hat 
viele solcher Maschinen, von denen immer 6—8 ein Mann be- 
dient. Die Ausnutzung der Arbeitskraft ist also eine drei- bis vier- 
fach größere und die Lohnkosten drei- bzw. viermal so klein. — 
Einige Beispiele mögen noch zeigen, wie die Lohnkosten durch die 
automatischen Maschinen herabgesetzt werden. 

1. Es sind in Kettenräder der Übersetzung von Fahrrädern Zähne 
einzufräsen. Noch vor wenigen Jahren kostete diese Operation für 
ein Rad von 25 cm Durchmesser 22 Pfg. Jetzt werden auf einer 
Maschine gleichzeitig 120 Räder bearbeitet und ein Mann bedient 
drei solcher Maschinen. Die Arbeit dauert auf jeder Maschine 
15 Stunden, der Lohn für die Arbeit beträgt bei 50 Pfg. Stundenlohn 
15X50 = 7,50 Mk. Mit Amortisation der Maschine ergibt sich der 
Arbeitslohn pro Rad = 

^o + c = 4 ' 6 Pfg " g€gen 22 Pfg,! 

2. Im Motorenbau sind Lagerbuchsen aus Weißmetall innen aus- 
zudrehen. Die Arbeit kostete früher für eine gewisse Größe 35 Pfg. 
Jetzt wird in einer Fabrik für diese Arbeit eine automatische 
Spezialbank benutzt, auf der mehrere Buchsen, auf einem Dorn sitzend, 
gleichzeitig bearbeitet werden. Die Arbeit wird nicht nur sauberer, 
sondern auch wesentlich billiger, nämlich sie kostet nur 3 Pfg. ! ! 

3. Zahnräder, deren frühere Bearbeituug 65 Pfg. kostete, er- 
fordern auf der automatischen Maschine nur noch 30 Pfg. Lohn! — 

In allen Werkstätten, in denen viele automatische Maschinen 
aufgestellt sind, ist die Zahl der gelernten Arbeiter, der Dreher, 
Schlosser, Hobler gering gegenüber den „ungelernten" Arbeitskräften, 
die nach kurzer Zeit „angelernte 44 sind. So sind in eioer Abteilung 
einer elektrischen Fabrik fast nur „ungelernte" Arbeiter, die nach 
Aussage des betreffenden Meisters früher Bäcker, Müller, Kaufleute, 
Kutscher u. a. m. waren und jetzt den hohen Lohn von 50 Pfg. und 
mehr pro Stunde erhalten. Immerhin ist selbst bei hohen Löhnen 
für angelernte Arbeiter die Differenz der verausgabten Löhne gegen- 
über den an gelernte Arbeiter gezahlten ganz beträchtlich, da durch- 
schnittlich der Lohn der Dreher, Schlosser, Hobler , / a — V« höher 
angesetzt werden kann, als für angelernte Arbeiter. 

Erst durch die Erfindung solcher Maschinen, die nur wenig oder 
keiner Wartung bedürfen, ist es möglich geworden, die sehr billige 
LIII. 4 



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- 50 - 



Arbeitskraft, die Frauenarbeit, in großem Umfange zu verwerten. 
Für gewisse Arbeiten, z. B. in Spnlereien, Wickeleien der elektrischen 
Fabriken, eignen sich die Frauen- und Mädchenhände besser, als die 
rauhen ungelenken Männerhände und so sind auch hauptsächlich in 
solchen Werkstätten Frauen und Mädchen beschäftigt. In der Glüh- 
lanipenfabrik der A. E. G. sind z. B. von 1600 Angestellten unge- 
fähr 1300 weibliche Kräfte. Ahnlich ist das Zahlen Verhältnis in 
Telephonfabriken. Da die Frauenarbeit billig entlohnt wird, bedeutet 
ihre Vermehrung eine Verbilligung der Produktionskosten. Es wurden 
1902 in „Fabriken UDd diesen gleichgestellten Anlagen" 964716 weib- 
liche Arbeitskräfte 1 ) beschäftigt gegen 3 874393 mänoliche. Zweifel- 
los ist der technische Fortschritt der Beschäftigung von Frauen und 
Mädchen an Maschinen für den Unternehmer ein Gewinn, doch sozial- 
politisch droht die rasche Zunahme allgemeiner Beschäftigung von 
Mädchen in Fabriken schwere Schäden in hygienischer und kultureller 
Hinsicht mit sich zu bringen.*) 

Alle Mittel, die bisher zur Verbilligung der Produktionskosten 
besprochen wurden, waren rein technischer Art. Sie zielten darauf 
ab, durch größere Spezialisierung der Betriebe und damit verbunden 
durch Normalien und Typen, wie auch durch vollkommene Arbeits- 
teilung und billigere Arbeitskräfte die Arbeitszeit und die Lohnkosten 
herabzusetzen. Ein Faktor ist bisher unberücksichtigt geblieben, der 
vielfach als unwichtig betrachtet wird, aber doch m. E. eine wesent- 
liche Rolle gerade für die Produktionskosten spielt, die Frage nach 
einer gerechten und praktischen Lohnzahlungsform. 

Wie einschneidend die Frage nach einem guten Lohnsystem ist, 
darüber haben außerordentlich viele Schriften berichtet. Wird doch 
die ganze Wirtschaftlichkeit des Landes mit davon betroffen, wie 
man aus einer Ubersicht der Streiks ersieht: Unter 85 3 ) Streiks, die 
im Jahre 1904 in 164 Betrieben der Maschinenindustrie ausbrachen, 
betrafen 77 Streiks oder 90°/ 0 in erster Linie Forderungen betreff, 
den Arbeitslohn. Bestanden diese Forderungen meistens auch in Er- 
höhung der Löhne, so kann doch keineswegs bestritten werden, daH 
damit eng verbunden ist die Forderung nach einem gerechten Lohn- 
system. Die Lohnhöhe bildet das Streitobjekt, die richtige Bestimmung 



') Stat. Jahrbuch für das Deutsohe Reich, 1904, S. 43. 
*) cf. R auch borg, H., Brauns Archiv für soziale Gesetzgebung, Bd. XVI, 
S. 85o. 

J ) Stat. Jahrbuch für das Deutsche Reich, 1905. S. 42 



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— 51 — 



der Lohnaltmessung ist also das Hauptmoment und dieses wird durch 
die und in den Lohnsystemen festgelegt. 

Welche Summe Nationalvermögens durch die Streiks geopfert 
werden, braucht an dieser Stelle nicht nachgewiesen zu werden, erinnert 
sei an den Bergarbeiterstreik d. J. 1905 im Ruhrgebiet, der Millionen 
gefordert hat. Außer den momentanen Schäden bringen die Streiks 
große nachwirkende Mißstände mit sich, da durch Vergebung der 
Aufträge während des Streiks an das Ausland häufig die Aufträge 
dauern d dem Lande entzogen werden. Und auch in sozialer Hinsicht 
wirken die Streiks, „das wesentlichste Kampfmittel der Arbeiterklasse" l ) 
überaus schädlich; denn jedesmal, wie auch der Erfolg sei, wird der 
Gegensatz zwischen Arbeitern und Unternehmern vergrößert. Es 
liegt also im Interesse der Wohlfahrt und des Gedeihens des Landes, 
die Streiks nach Möglichkeit zu vermeiden, jedoch nicht durch gesetz- 
liche Unterdrückung, sondern durch Beseitigung des Streit- 
objektes, durch gütliche Übereinkunft. 

Die Einführung geeigneter Lohnsysteme, welche nach bestimmten 
Gesichtspunkten die Lohnhöhe bestimmen lassen und so die Ursache 
der Unzufriedenheit eines großen Teiles der Arbeiterklasse beseitigen, 
ist als erstrebenswert anzusehen. Es sollten in dieser Aufgabe nicht nur 
die Theoretiker, sondern auch viel mehr, als dies bis jetzt der Fall ist, 
die Unternehmer selbst sich betätigen, deren Interessen doch in aller- 
erster Linie betroffen werden. Denn jeder Streik bringt Störungen 
im Betriebe mit sich, die ein günstiges Ergebnis industrieller Unter- 
nehmungen in Frage stellen. Die Aktiengesellschaft Schäffer & Walker 
zu Berlin führt z. B. in ihrem Geschäftsbericht den ungünstigen 
Jahresabschluß direkt auf den mehrmonatlichen Ausstand der Metall- 
arbeiter zurück. 2 ) — 

Es gehört nicht in den Rahmen dieser Arbeit, auf die ver- 
schiedenen Lohnsysteme ausführlich einzugehen, vielmehr sollen nur 
die Momente hervorgehoben werden, welche für den Zusammenhang 
und die Kritik unbedingt erforderlich erscheinen. 

Man unterscheidet bekanntlich zwei Formen, nach denen der 
Arbeitslohn bemessen wird, den Zeitlohn, bei dem nur nach der 
Dauer der Arbeit der Lohn bezahlt wird, und den Akkordlohn, bei 

>) Conrad, J, a. a. O., S. 232. 

*) Geschäftsbericht der Gesellschaft, 1904, und die deutsch-luxemburgische 
Bergwerks- und Hütten-Aktiengesellschaft gibt „den durch direkte Betriebs- 
verluste entgangenen Gewinn und den durch den Ausstand verursachten Schaden 
auf mindestens 1200000 Mark an." Vgl. Voss. Ztg., 28.9.05, Abendausg. 

4« 



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- 52 — 



dem die Meuge der Arbeit maßgebend ist. Alle Lohnzahlungsmethoden. 
auch die höheren, komplizierteren Formen, wie Gewinnbeteiligung und 
Prämiensysteme, sind nach Bernhard 1 ) dieser Einteilung unter- 
worfen. Es sind also Zeit- und Akkordlohn die Grundformen aller 
Lohnzablungsmethoden. 

Der Zeitlohn bat unbestritten den Vorteil der größten Einfach- 
heit in der Abrechnung. Diesem Vorteil stehen jedoch bedenklich viel 
Nachteile gegenüber, so daß diese Lohnzahlungsmethode in der In- 
dustrie nur noch vereinzelt Anwendung findet, vorwiegend bei Repa- 
raturarbeiten, bei denen die Arbeitszeit nicht vorher genau zu bestimmen 
ist. Der größte Nachteil besteht nämlich darin, daß bei mangel- 
hafter Kontrolle der Arbeiter leicht lässig wird, da er seines Lohnes 
unter allen Umständen sicher ist Durch das Fehlen jeglichen frei- 
willigen Ansporns wird die Arbeitszeit verlängert und dadurch werden 
die Produktionskosten erhöht. Andererseits ist es dem strebsamen 
Arbeiter nicht möglich, durch vermehrten Fleiß auch seinen Lohn zu 
erhöhen; also wird auch hier der Fall der Gleichgültigkeit in kurzer 
Zeit überhand nehmen und die Interessen des Unternehmers werden 
geschädigt. Diesen Mängeln sachte das Akkordsystem abzuhelfen, 
bei dem nur nach der Menge der geleisteten Arbeit der Lohn bezahlt 
wird. Der fleißige Arbeiter wird also seine ganze Kraft einsetzen, 
um möglichst viel — zuweilen auf Kosten der Güte — zu arbeiten 
und zu verdienen. Daher das Schlagwort: „Akkordarbeit ist Mord- 
arbeit." „Es zeigt sich nun im Betriebe", schreibt Schloß, „als 
stetige Regel , daß bei den im Zeitlohn beschäftigten Arbeitern die 
aufgewandte Arbeitsgeschwindigkeit bedeutend niedriger ist, als bei 
den im Stücklohn beschäftigten.* 4 "'') Erfand, daß der Unterschied 
zwischen 30% — 50% schwankte. Eine derartige Zeitersparnis be- 
deutet eine außerordentliche Ersparnis in den Produktionskosten. 
Ein Beispiel 3 ) illustriert treffend diese Behauptung: 

Es waren Erze zu verladen und zwar wurde ein Teil in Zeitlohn, 
ein anderer Teil in Akkordlohn vergeben und es zeigte sich folgendes 
Resultat: 



') Bernhard, L. f Die Akkordarbeit in Deutschland, 1903, Leipzig. 
') Schloß, D., Methods of renumeration, London 1898, S. 53. 
J ) Mit gütiger Erlaubnis des Herrn Prof. Dr. ing. Schlesinger-Charlotten- 
burg aus seinem Kolleg über: Fabrikbetriebe. 



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— 53 — 



Es wurden verladen 

im Zeitlohn im Akkordlohn 

16 tons täglich 57 tons 

1,18 $ der Lohn betrug 1,94 $ 

70 000 9 an Lohn insgesamt gezahlt 32 000 $ 

mithin gespart : 38 000 * 

Die Vorteile des Akkordlohnsystemes gegenüber dem Zeitlohn 
sind offenkundig. Die Arbeitsintensität nimmt stark zu, infolgedessen 
werden die Maschinen vorteilhafter ausgenutzt; der Arbeiter ist am 
Erfolge der Arbeit interessiert, denn je mehr er leistet, desto höher 
steigt sein Tagesverdienst. 1 ) Das gänzlich Verfehlte jedoch in der 
deutschen Akkordpolitik ist der Umstand, daß der Akkord verdienst 
höchstens 50 °/ 0 über dem Zeitlohn betragen darf , anderenfalls all- 
gemein eine Lohnverkürzung eintritt. 

Jedes Herabsetzen des Lohnes, das häufig genug willkürlich und 
ungerechtfertigterweise vorgenommen wird, schädigt die Interessen des 
Arbeitnehmers scheinbar zugunsten des Unternehmers und führt 
zu Unzuträglichkeiten. Tatsächlich jedoch werden auch die Unter- 
nehmer selbst geschädigt. Denn die Arbeiter verlieren durch die Akkord» 
kürzung das Interesse, möglichst schnell zu arbeiten und die Werk- 
zeugmaschinen werden für die einzelnen Arbeiten längere Zeit in An- 
spruch genommen , als unbedingt nötig ist. Da aber jede Maschine 
für Abnutzung. Kraft, Abschreibung und Instandhaltung Kosten ver- 
ursacht, so werden naturgemäß auch die Herstellungskosten der Arbeit 
bei längerer Benutzung einer Maschine teurer. Es hat also der Unter- 
nehmer selbst das größte Interesse, daß die Arbeiter möglichst schnell 
arbeiten. „Durch die leider so verbreitete Gepflogenheit der drohen- 
den Akkordkürzung wird aber das Gegenteil erreicht — zum Nach- 
teil der Arbeiter und Arbeitgeber." 2 ) .,Es ist unbedingt wünschens- 
wert," sagt Conrad 8 ), „daß jede Arbeit reichlichen Lohn erhält, 

') Eine gänzliche Beseitigung des Akkordsystems scheint in allen den Be- 
trieben mit Recht gefordert zu werden, in denen mit Lebensgefahr verbundene 
Arbeiten ausgeführt werden. So in erster Reihe alle Arbeiten an Holzbearbeitungs- 
maschinen, bei denen zur Arbeit Schutzvorrichtungen angebracht werden müssen. 
Das jedesmalige Aufsetzen und Anbringen der Schutzvorrichtungen nimmt Zeit 
in Anspruch und ist also gerade dem Wesen des Akkordes, möglichst viel zu 
leisten, entgegengesetzt Infolgedessen werden die Vorrichtungen häufig unge- 
nügend angebracht und führen zu Unglücksfällen. 

») Vgl. Jul. fl. West, Berl. Tagebl., Nr. 516, 10. X. 1905. 

•) Conrad, J., a. a. Ü., Bd. I, 8. 261. 



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— 54 — 



am eine Belohnung für Fleiß zu gewähren und das Bewußtsein in 
jedem rege zu machen, daß er sich durch Fleiß und Arbeitsamkeit 
auf eine höhere Stufe emporzuheben vermag. Darin liegt der unend- 
liche Vorzug, welchen die neuaufstrebenden Länder, z. B. die Ver- 
einigten Staaten von Amerika, haben gegenüber der alten Welt, daß 
ihre hohen Löhne jedem gestatten, sich in die besitzenden Klassen 
emporzuarbeiten, der Fleiß und Tüchtigkeit besitzt." — Die ver- 
waltungstechnische Schwäche des Akkordsystems beruht weiter in der 
Schwierigkeit der Schätzung des für die Herstellung erforderlichen 
Arbeitsquantums. 1 ) — Weil nun häutig die Akkordsätze oberflächlich 
festgesetzt werden, so zeigen sich bei der Arbeit Berechnungsfehler, 
und dies führt zu bekannten Mißständen, wie hauptsächlich zu Lohn- 
drückereien. Es ist daher das Akkordlohnsystem, das in Deutschland 
in der Maschinenindustrie fast allgemein gebräuchlich ist, mit vielen 
Schwächen verbunden, die zu Klagen, Unzufriedenheit und Streiks 
führen. — 

In einem guten und gerechten Lohnsystem müssen diese willkür- 
lichen Maßnahmen vermieden sein, und als eine Hauptbedingung für 
den Erfolg bleibt zu fordern, daß ein Mittel gegeben ist, den Ar- 
beiter am Ertrage der Arbeit in irgend einer Form zu interessieren. 
In früherer Zeit suchte man dieser Forderung durch die Einführung 
der Gewinnbeteiligung gerecht zu werden, die Engel (1867) als 
die „Lösung der sozialen Frage" bezeichnet hat. Alle diese Versuche 
— deDn als mehr kann man sie nicht bezeichnen — sind fehlgeschlagen, 
weil sie allgemein undurchführbar sind. Denn bei kleineren 
Firmen kann von Gewinnzuschlägen keine Rede sein, da sie schon 
die höchsten mit ihren Interessen vereinbaren Löhne zahlen. Die 
Gewinnbeteiligung ist daher sehr wenig eingeführt, in Deutschland in 
42 Fabriken, in England in 94, in Frankreich in 108, in Amerika in 
1 1 Fabriken. — In größtem Stile und mit wirklich philanthropischen 
Absichten ist das System beiZeiß in Jena eingeführt. Weniger von 
derartigen Gesichtspunkten geleitet, sondern inreinemFabrikinter- 
esse ist die Gewinnbeteiligung in der Halleschen Maschinenfabrik seit 
1890 eingeführt, deren Nutzen jedoch sozialpolitisch durch ein striktes 
Verbot 2 ) irgendwelcher Koalition bedeutend herabgemindert wird. 

') Vgl. Mittig. des Sozialen Museum, Nr. I, Juli 1904, Frankfurt a. M. 

l ) Das Verbot lautet: „Werden von seiten der Arbeiter gemeinsame Schritte 
unternommen, um allgemeine Lohnerhöhungen für die gesamte Arbeiterschaft 
der Halleschen Masch. -Fabrik oder für einzelne Werkstatten zu erzwingen, so 
erlischt damit jeder Anspruch auf Tantieme entweder für alle Arbeiter oder 



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— 55 — 



Die Gewinnbeteiligung scheidet also in der Praxis heutzutage als 
undurchführbar aus. Immer mehr Beachtung findet jedoch, besonders 
in Amerika, wo es erfunden wurde, das Prämiensystem. Es gibt 
mehrere Arten , die bekanntesten sind die von Taylor, Halsey, 
Rowan, Roß und Schiller, die im Prinzip alle gleich sind und 
sich nur in der verschiedenen Prämienberechnung unterscheiden. Die 
Prämiensysteme, die man als Vereinigung von Zeit- und 
Akkord System auffassen kann, bauen sich auf folgenden Grund- 
sätzen auf: 

1. Der durchschnittliche Zeitlohn wird als Mindestlohn zu- 
erkannt. 

2. Aufstellung von differenzierten Stücklohntarifen auf Grund der 
Wertung der Elementar Verrichtungen. 

3. Feststellung des für die Elemente jeder Arbeitsleistung er- 
forderten Zeitaufwandes. 

4. Prämienzahlung für Zeitersparnis. 

5. Dauernder Bestand der Prämie. 

Zur Erläuterung der Handhabung diene folgendes Beispiel: Ein 
Arbeiter werde in Zeitlohn, die Stunde zu 50 Pfg. beschäftigt. Man 
bietet nun dem Arbeiter „als Zuschlag" zu seinem gewöhnlichen Lohn 
für jede Stunde, die er weniger braucht für seine Arbeit, als vorher 
berechnet war, eine Prämie, die niedriger als der Stundenlohn ist, 
nach dem System Halsey, gleich dem halben Stundenlohn. Dieses 
System ist seit 1902 bei den bedeutenden Firmen Armstrong, Whit- 
worth, Richardsons in den Vereinigten Staaten eingeführt. — Hat der 
Arbeiter früher im Zeitlohn zu seiner Arbeit 20 Stunden gebraucht, 
jetzt aber nur noch 15 Std., mithin 5 Std. gespart, so erhält er zu- 
nächst als Stundenlohn 15x60 und als Prämie 5x26, zusammen 
also 8,75 Mk. Er leistet in 15 Stunden durch größere Anstrengung 
und Aufmerksamkeit eine früher 20 Stunden dauernde Arbeit, er 
erhält aber für die 20 Stunden wert ige Arbeit nur 8,75 Mk., also 
44 Pfg. pro Stunde gegen 50 Pfg. vordem im Zeitlohn. Der Preis 
seiner Arbeit hat sich also relativ um ca. 11 °/ 0 gesenkt, der Tagelohn 
dagegen ist von 5 Mk. auf 5,83 Mk. gestiegen! — Bei dieser Lohn- 
berechnung haben Unternehmer wie Arbeiter Vorteil: der Unter- 
nehmer zahlt in dem angeführten Beispiel statt 10 Mk. nur 8,75 Mk. 
Lohn, der Arbeiter erzielt höheren Tageslohn von 6 Mk. auf 6,83 Mk. 

mindesten« für diejenigen Werkstätten, welche die Lohnerhöhung haben erzwingen 
wollen." 

Bestimmungen über die Gewinnbeteiligung der Arbeiter, Halle, 86. IV. 1890. 



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— 56 — 



Es laufen also die Interessen der Arbeitgeber und -nehmer bei diesem 
System parallel, im Gegensatz zu den anderen Lohnzahlungsmethoden. 

Die Einwände, die vielfach in Deutschland gegen die Einführung 
Ton Prämiensystemen erhoben werden, sind leicht zu widerlegen. Zu- 
nächst wird ein garantierter Mindestlohn für ungerechtfertigt gehalten, 
ohne daß man bedenkt, daß im gewöhnlichen Zeitlohn, bei dem joder 
Ansporn zum Fleiß fehlt, doch auch unter allen Umständen der an- 
gesetzte Lohn bezahlt wird ! t Es leuchtet aber nicht ein, warum der 
Arbeiter beim Prämiensystem, bei dem er die Chance höheren Lohnes 
hat, mehr Zeit ungenutzt verstreichen lassen soll, als sonst. — Weiter 
wird geltend gemacht, daß die Berechnungsart zu schwierig sei und 
daher zu viel Bureaupersonal erfordere. Dagegen muß ausgesprochen 
werden, daß unter den volltönenden Ausdrücken, wie „differenzierte 
Stücklohntarife auf Grund der Wertung der Elementarverrichtung" 
nur eine Zerlegung der ganzen Arbeit, des ganzen Arbeitsstückes in 
seine Teile, in Elemente verstanden wird. Diese Elemente werden 
aus den Werkstattzeichnungen sorgfältig ausgeschrieben und auf die 
Arbeitsdauer hin geprüft. Auf Grund von Zeitstudien werden zu 
diesem Zweck Tabellen entworfen, aus denen mit leichter Mühe die 
für eine Arbeit aufzuwendende „Normalzeit* zu bestimmen ist bei 
bester Schnitt- und Umlaufgeschwindigkeit der Arbeitsmaschinen. — 
Große Werke, wie die Midvale Steel Company in Philadelphia, haben 
seit 20 Jahren mit Erfolg das Prämiensystem eingeführt. 

Für die Abrechnung, die in Spezialbureaus vorgenommen wird, 
wie sie z. Z. schon alle größeren Fabriketablissements haben, waren 
z. B. bei Ludw. Loewe & Co. A.-G. für 600 Arbeiter nur 7 Buchhalter 
zur Durchführung erforderlich, gewiß keine übermäßige Zahl, wenn 
man bedenkt, welche Zeitersparnisse durch das System gemacht werden, 
wie dadurch also die Lohnausgaben sich verringern, so daß sich selbst 
eine geringe Mehrausgabe in den Bureaus bald bezahlt macht. — 

Der größte Vorteil des Prämiensystems liegt m. E. in der Aus- 
schaltung des Meisters bei den Lohnberechnungen , so daß Be- 
vorzugungen, Ungerechtigkeiten in den Werkstätten nicht mehr 
Gegenstand von Klagen sein können; die Meister sind darauf be- 
schränkt, objektiv für die Güte der Arbeit Sorge zu tragen. Was 
nun die Ersparnisse betrifft, so gibt Möller 1 ) folgende Daten an: 
Ein Betrieb, der nach dem Halsey'schen Systeme arbeitet, hat 
23 °/o — 43 % Zeit- und 12 % — 25 % Lohnersparnisse. Die graphische 



•) Möller, P., Zeitachr. d. Vereins deutscher Ingenieure, 1903, 8. 1133. 



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— 57 — 



Darstellung gibt eine Übersicht über den stündlichen Lohn des Arbeiters 
und über die Kosten der Arbeit bei den verschiedenen Lohnsystemen. 

Es ist auffallend, daß die Prämiensysteme in Deutschland vor- 
läufig noch wenig Verbreitung gefunden haben und es ist wünschens- 
wert, daß die Industrie dem Beispiel der Behörden möglichst bald 
nachfolgt ; so hat die Kaiserliche Werft in Wilhelmshaven vor kurzem 
ein Prämiensystem nach dem Vorbilde von Rowan eingeführt und 
gute Erfahrungen gemacht ; 1 ) auch in einzelnen Eisenbahn-Reparatur- 
werkstätten soll ein Versuch mit der Einführung gemacht werdeu. — 

Der Unternehmer hat den Vorteil, eine zufriedene, daher 
ständige Arbeiterschaft sich sichern zu können und nur mit einem 
stabilen Arbeiterstamm kann ein Betrieb gedeihen. — „Die Zufrieden- 
heit der Unternehmer mit dieser Lohnform fußt auf der wesentlichen 
Verbilligung der Produktionskosten, die aber nicht etwa nur auf die 
Lohnerspar ung, die absolute Verminderung an Löhnen zurückzuführen 
ist, sondern zu einem großen Teil aus einer Verminderung der auf 
die Produktionscinbeit entfallenden Generalunkosten resultiert; es 
wächst eben der Divisor bei Feststellung dieses Quotienten." 2 ) 

Interessant ist die Stellungnahme der Arbeiter zu den Prämien- 
systemen, die von einzelnen Vertretern, z. B. Ed. Bernstein, in Wort 
und Schrift rührig empfohlen werden. 

Der deutsche Metaliarbeiterverband mit über 200000 Mitgliedern 
hat auf seiner Hauptversammlung Juli 1905 zu Leipzig folgenden 
Beschluß gefaßt: 5 ) 

„Die 7. Generalversammlung des deutschen Metallarbeiterver- 
bandes erklärt: Das Prämienlohnsystem ist eines der raffiniertesten 
Mittel zur Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft. Es setzt den 
Unternehmer in den Stand, den Arbeiter unter dem Schein höherer 
Bezahlung anzuspornen, anhaltend seine Kräfte bis zur äußersten Er- 
schöpfung anzustrengen, ohne Rücksicht darauf, daß er sich dafür 
früh ruiniert. Ferner entfesselt es alle selbstsüchtigen Leidenschaften, 
fuhrt dadurch zu schwerer moralischer Schädigung der Arbeiterschaft 
und beeinträchtigt den Einfluß der Organisation auf die Besserung 
der Arbeitsverhältnisse. Aus diesen Gründen liegt es nicht im 
Interesse der Arbeiter, der Weiterverbreitung dieses Systems Vor- 
schub zu leisten, zumal die Erfahrungen gezeigt haben, daß es von 

') Denkschrift der Marineverwaltung über Lohnsysteme, 1906. 
•)v. Zwiedenek-Südenhorst, Lohnpolitik und Lohntheorie, Leipzig 
1900, 8. 53. 

*) Soziale Praxis, 29. VII. 1906, S. 1022. 



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den Unternehmern in der Hauptsache auch dazu benutzt wird, einen 
Maßstab zu gewinnen zur weiteren Herabsetzung der Akkordpreise 
oder zur Erhöhung des Arbeitspensums bei Lohnarbeit. Die 7. General- 
versammlung erklärt sich deswegen grundsätzlich gegen das 
Prämieusystem, hält es jedoch nicht für angebracht, den Verband 
auf eine in allen Fällen zu befolgende Taktik festzulegen, will diese 
vielmehr in jedem einzelnen Falle den maßgebenden Verbands- 
instanzen zur Entscheidung überlassen." — 

Es ist zu erwarten, daß das Prämiensystem sich trotz des leb- 
haften Protestes in Arbeiterkreisen einbürgern wird, wie auch seiner- 
zeit das Akkordsystem gegen viele heftige Agitation sich das Feld 
erobert hat. Es ist zu hoffen, daß man sich durch die Resolution 
nicht abschrecken lassen wird, das System mit möglichst einfachen 
Berechnungsformen, z. ß. nach Halsey. zu verbreiten. Jede um- 
ständliche, den Arbeitern nicht leicht verständliche Berechnungsart 
mit Proportionen und Brüchen ist nicht zu empfehlen, da leicht das 
Vertrauen der Arbeiter getrübt werden kann. 

3. Die Generalunkosten. 

Begriff und Einteilung der Generalunkosten. 

Können die Kosten für das Material und die Löhne vorher 
genau für das einzeln o Arbeitsstück bestimmt werden, so ist die Fest- 
setzung der Generalunkosten für das einzelne Fabrikat mit Genauig- 
keit im voraus nicht möglich; denn sie beziehen sich nicht auf die 
Kostendes einzelnen Stückes, sondern sie umfassen die durch die 
Unterhaltung des Betriebes als ganzen entstehenden Kosten. Man 
versteht unter Generalunkosten die Kosten, welche einerseits durch 
den Betrieb, andererseits durch die Verwaltung der Unternehmung 
verursacht werden und teilt sie dementsprechend in zwei Haupt- 
gruppen, in Betriebs- und Handlungsunkosten. 

Zu der ersten Gruppe gehören alle Ausgaben, welche mittelbar 
durch die Fabrikation entstehen, Ausgaben, die in erster Reihe in 
den Kosten für Miete, Kraft, Licht, Heizung, Betriebsmaterial, Re- 
paraturen an Maschinen und Gebäuden, Versicherungen für Arbeiter, 
unproduktive Löhne für Arbeitsleute, Aufseher, Portiers, Meister- 
gehälter und Gehälter der technischen Beamten bestehen. Ebenfalls 
müssen in diese Gruppe m. E. gezählt werden die Abschreibungen 
auf Maschinen und Gebäude, wie die Verzinsung des Anlagekapitals. 
Diese Posten werden vielfach auf Handlungsunkosten geschrieben 



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— 59 — 



oder ganz getrennt in den Bilanzen aufgeführt. 1 ) Ja, es wird sogar 
Ton Fabrikleitern teilweise behauptet, daß die durchschnittliche 4°/ 0 - 
Verzinsung erst vom Reingewinn in Abzug zu bringen, mithin dem 
Zufall eines günstigen Jahresabschlusses zu überlassen sei. Es er- 
scheint jedoch gerechtfertigt, diese Posten als Betriebsunkosten zu 
verzeichnen, denn das Wesen des Fabrikbetriebes erfordert 
Kapital und ist ohne solches gar nicht deukbar, wohl aber ist die 
Organisation und der Vertrieb der Ware ohne Kapital möglicb. 

Zu der zweiten Gruppe, der der Handlungsunkosten, sind alle 
Ausgaben zu zählen, die sich auf die Verwaltung des Unternehmens 
und auf den Vertrieb der Ware erstrecken. Es gehören also in die 
Gruppe der Handlungsunkosten: Steuern, Provisionen, Reisespesen. 
Tantiemen, Gehälter der kaufmännischen Beamten, Miete der Bureaus, 
Reklame, Post, Schreibutensilicn, Zinsen für Kontokorrent uud Hypo- 
theken, Patent- und Lizenzgebühren. Neben dieser Gliederung in 
Betriebs- und Handlungsunkosten finden sich zuweilen noch andere, 
z. B. die Einteilung in konstante Unkosten, die also vom Verlauf 
der Produktion unabhängig sind, wie Miete, Zinsen, Gehälter usw. 
und variable Unkosten, die jeweils vom Betrieb beeinflußt werden, 
wie Kraft, Licht, Reisespesen, Provisionen, Tantiemen usw. 

Die Bedeutung der Generalunkosten bzw. ihre richtige plan- 
mäßige Berechnung und Deckung, wurde bislang allgemein unter- 
schätzt und erst die scharfe Konkurrenz, die im letzten Dezennium 
einsetzte, zwang dazu, die Selbstkosten der Fabrikate genau zu be- 
stimmen. Mit welcher Gleichgültigkeit selbst große Unternehmungen 
diesen Momenten gegenüberstanden, erhellt aus folgendem Falle : Ein 
bedeutendes Unternehmen für Apparatebau ermittelte bis vor 3 Jahren 
seinen Jahresgewinn nur aus einer Gegenüberstellung von Gesamt- 
einnahmen und Gesamtausgaben. Eine genaue Berechnung des ein- 
zelnen Fabrikates, Kalkulationen waren nicht gebräuchlich, ge- 
schweige denn eine Unkosten berechnung. Erst als das Unternehmen, 
das durch zahlreiche Patente gegen die Konkurrenz geschützt war, 
seine gesicherte Stellung wanken sah, richtete es genaue Kalkulationen 
ein. 2 ) „Die Hauptstärke der kapitalistischen Unternehmung, in der 
ihre Eigenart am deutlichsten hervortritt, ist ihre ausgeprägte kalku- 
latorische Schrift: genaue Preisberechnung ist die Basis ihres 
Wirkens. 1 * 8 ) 

] ) Vgl. Leitner. Die Unko>tenberechnung, Frankfurt 1906, S. 44, 45. 

*) Persönliche Hitteilung. 

•) So in hart, Der Kapitalismus, II, S. 69. 



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— 60 — 

Häufig hängt gerade von der Kalkulation, von der Höhe der 
Unkosten die Rentabilität eines Unternehmens ab. Wichtig er- 
scheint es, einen Blick auf die Rentabilität der Aktiengesellschaften 
zu werfen, die den größten Teil der Produktion repräsentieren. Es 
ergibt sich für die Aktiengesellschaften des Maschinenbaus, der Metall- 
waren und Eisenbahnbedarfsartikel soweit sie in Neumann's Bilanz- 
tabellen aufgeführt sind, folgende Zusammenstellung: 



Jahr 


Zahl 
der 
Gesellsch. 


Akt, Kap. 
in 

Mill. Mk. 


Es zahlten 
Dividende 

nein ja 


demlon- 
suinine 
in Mill. 


Verluste 
in 

.Millionen 


18118 


89 


206.0 


7 


82 


21.6 


0.2 


189» 


103 


2.') 1,1 


r> 


97 


26.8 


0,4 


1900 


109 


274,3 


3 


106 


27.1 


0.4 


1901 


112 


284,6 


31 


81 


18,1 


3:c 


1902 


112 


286,2 


33 


79 


16 9 


3.2 


1904 


IIa 


297.1 


31 


84 


19,3 


1.2 


1904 


117 


328<; 


31 


86 


22,8 


3.6 



Es haben also in den letzten 4 Jahren von den 117 aufgeführten 
Gesellschaften 31 oder ca. V 8 keine Dividende bezahlt. 

Wie wesentlich die Rentabilität von den Unkosten beeinflußt 
wird, ersieht man daraus, daß die Unkosten eine außerordentliche 
Höhe erreichen im Verhältnis zum Aktienkapital und zum Brutto- 
gewinn. Besonders häufig sind hohe Unkosten in den Betrieben an- 
zutreffen, in denen die Fabrikation zum Teil noch nicht feststehend 
ist, wo also noch viele Versuche und Neuerungen eingeführt werden 
müssen. So sind sie besonders in der Elektrizitätsiudustrie hoch und 
stehen, wie ein Bericht der Aktiengesellschaft Lahmeyer-Frankfurt 
dies hervorhebt, in krassem Mißverhältnis zum Gewinn. Auch die 
Gasmotoren fabriken und die Automobilfabriken machen noch der- 
artige Zeiten durch, und man kann in ihren Bilanzen dieselben Er- 
scheinungen beobachten. Wenn man auch unmöglich aus den Ge- 
schäftsbilauzen richtige Schlüsse ziehen kann, ohne die Gesanitstruktur 
der betreffenden Unternehmung zu kennen, so können alle Unkosten, 
die mehr als 75 °/ 0 — 80 % vom Bruttogewinn ausmachen, als un- 
wirtschaftlich bezeichnet werden. 

Nicht allein vom privatwirtschaftlichen Standpunkt aus, sondern 
hauptsächlich im allgemein volkswirtschaftlichen Interesse ist es ge- 



0 Neumann's Bilanztabellen, Berlin 1905. 



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- 61 - 



boten, die Unkosten möglichst niedrig zu halten, so daß auch die 
Preise der Waren niedrige sein können. Jede Summe ist nutzlos 
verausgabt und dem Wirtschaftsleben entzogen, wenn derselbe Zweck 
mit geringerem Aufwand an Kosten hätte erreicht werden können. 
Eine Reduktion in den Unkosten kann jedoch nur eintreten, wenn 
die einzelnen Posten genau bekannt sind und untersucht werden 
kann, ob an dieser oder jener Ausgabe Ersparnisse angebracht er- 
scheinen. Diese Kenntnis ermöglicht allein eine genaue Buchführung. 
„Wie soll der Unternehmer Kenntnis erlangen, wo er sparen kann, 
wenn er sich über die Angemessenheit der Produktionkosten seines 
Betriebes keine Rechenschaft geben kann? Nicht sparen an sich, 
sondern sparen am richtigen Ort erhöht die Wirtschaftlichkeit eines 
Betriebes tatsächlich." ') In der Selbst kosten berechnung müssen die 
Kosten des Betriebes, wie auch die Kalkulation des Einzelfabrikates 
klar zum Ausdruck kommen. Auch in dieser Beziehung haben die 
Deutschen noch manches von Amerika zu lernen; denn noch nicht 
alle Betriebe haben die amerikanische Buchführung eingeführt, die 
eine Ubersicht der Unkosten im allgemeinen für jeden Zeitabschnitt 
des Jahres ermöglicht, wie auch den Zuschlag für die produzierten 
Artikel den jeweiligen Verbältnissen anpassen kann. 

In der Maschineniudustrie ist es fast durchgängig üblich, einen Zu- 
schlag — den Unkostenzuschlag — nur auf die Lohnkosten allein 
zu legen ; nur, wo die Eigenart der Fabrikation es verlangt, wo das 
Material den Hauptbestandteil der Kosten ausmacht, wie z. B. in der 
Kabelfabrikation, wird ein Zuschlag auf die Kosten für Material und 
Löhne gerechnet. Die Höhe des Unkostensatzes hängt von den 
Fabrikein richtungen, dem Verwaltungsapparat ab und schwankt für 
den ersten Fall — Zuschlag nur auf Löhne — zwischen 50 °/ 0 — 200 °/ 0 . 
In den Jahren des wirtschaftlichen Aufschwunges betrug er bei den 
Berliner Großetablissements bis zu 100 °/ 0 der gezahlten Löhne. 2 ) 
Wird dieser Unkostensatz nun auf alle Artikel eines Betriebes gleich- 
mäßig zugeschlagen, ohne Rücksicht auf den Wert der Arbeit, so 
kann das summarische Verfahren folgende Erscheinungen zeitigen: 
Angenommen, eine Fabrik A fertige Werkzeuge wie Fräser, Bohrer, 
Reibahlen usw., und auch Töpfe und Kannen aus Weißblech. Der 
Unkostensatz sei für den gesamten Betrieb 150% der Lohnkosten. 
Diese betragen z. B. für ein Modell der Kannen 1,50 Mk., für einen 



*) Leitner ». a. O., S. 2. 

*) Hasse, Die A. E. G., Heidelberg 1908. 



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— 62 — 



Fräser 3,00 Mk. Der Zuschlag von 150% auf 1,50 Mk. ergibt 3,76, 
auf 3 Mk. = 7,50 Mk. Die gleiche Kanne, zu deren Fabrikation 
nur wenige, einfache Maschinen erforderlich sind, bringt eine Spezial- 
fabrik B. — diese ist mit dem Preise auf dem Markt maßgebend — 
um 76 Pfg. billiger zum Verkauf auf Grund spezialisierter Unkosten- 
bereebnung, aus der sich für diese Fabrikation ein wesentlich 
niedrigerer Unkostensatz ergibt, nämlich von nur 80%. Die Folge 
ist, daß der Umsatz in diesen Kannen, die zu teuer sind, bei der 
Fabrik A immer mehr zurückgeht, während der Umsatz in den 
Werkzeugen merklich steigt. Denn der Unkostensatz von 150% ist 
für diese Fabrikation, zu der teure, schwere Spezialmaschinen nötig 
sind, erheblich zu niedrig, er müßte z. B. 220% betragen. Der 
aus diesem falschen Satz sich ergebende Verkaufspreis ist zu niedrig 
und trotz vergrößerten Umsatzes kann der Betrieb keinen Gewinn ab- 
werfen, da bei jedem Stück noch zugesetzt wird. So kann ungenaue 
Kalkulation schnell zum Ruin eines Betriebes führen. 

Die richtige Berechnung der Unkostenzuschläge ist daher von 
allergrößter Bedeutung für die Gesamtkalkulation. Aus dem obigen 
Beispiel erhellt zur Genüge, daß es notwendig ist, Unterschiede in 
den Zuschlägen für die einzelnen Abteilungen und Werkstätten zu 
machen. Bailewski 1 ) stellt eine Tabelle für Maschinenfabriken 
auf, in derer die üblichen Zuschläge der Einzelabteilungen angibt: 

Maschinenbauarbeiten 100% Zuschlag zu den Löhnen 

Modellarbeiten 100 % 

Schmiedearbeiten 1 25 % 

kleine Dreharbeiten 200% 

große Dreharbeiten 400 % 

Fräsarbeiten 300 % 

Schleif- u. Bohrarb. 200% 

In diesen Zuschlägen sind sämtliche Betriebsunkosten, wie Miete, 
Licht, Kraft einbegriffen, die für jede Abteilung teils durch MeB- 
apparate direkt zu bestimmen, teils nach der Zahl der Arbeiter zu 
berechnen sind. Diese Berecbnungsart nach Werkstätten bezeichnet 
Leitner 2 ) als „elektive" im Gegensatz zu „kumulativer" Be- 
rechnung, bei der alle Unkosten zusammengefaßt sind. Für die Hand- 
lungsunkosten ist die „elektive" Methode nicht durchführbar oder würde 



') Ballewski, Die Fabrikbetriebe, Berlin 1906, 3. 59. 
») Leitner a. a. O., S. 47. 



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— 63 - 



wenigstens nur zu sehr angenäherten Werten fuhren. Es ist daher als 
Regel aufzustellen, daß die Betriehsunkosten werkstätten- 
weise für sich zu bestimmen sind, während die Handlungsunkosten 
auf alle Abteilungen gleichmäßig zu verteilen sind. Mit anderen 
Worten: gleiche Zuschläge für Handlungsunkosten, 
spezialisierte für Betriebsunkosten ! Grundsätzlich zu verwerfen ist die 
gemeinsame Verrechnung von Betriebs- und Handlungsunkosten. — 

a) Die Betrlebsunkosten. 

Nachdem so der Begriff und die Einteilung der Unkosten definiert 
ist, soll der Frage näher getreten werden, ob auch dieses Moment 
von einer Kapitals- und Produktionsvermehrung beeinflußt wird. — 
Eine wesentliche grundlegende Bedeutung spielen in den Betriebs- 
unkosten die baulichen Anlagen, die Wahl der Fabrikgebäude. Eine 
— wenigstens für Klein- und Mittelbetriebe — unentschiedene Frage 
ist die, ob es wirtschaftlicher ist, in eigenen Werkstätten, in eigener 
Fabrik oder in gemieteten Räumen zu produzieren. Für den Klein- 
betrieb wird es fa9t ausnahmslos wünschenswert und notwendig sein, 
nur zur Miete zu wohnen, denn in den seltensten Fällen steht ihm 
das Kapital zu Gebote, um ein Fabrikgebäude auf eigeuem Grund 
und Boden zu erwerben, selbst wenn er einen Teil der Räume ander- 
weitig vermieten könnte. Denn „die dauernde Steigerung der 
städtischen Grundrente verschlechtert die Chancen des Kleinbetriebes 
immer mehr zugunsten des kapitalistischen Unternehmers. * l ) Der 
Kleinbetrieb wäre auf Kredit in großer Höhe angewiesen, der ihm 
alle früher besprochenen Nachteile bringen würde. Die Großbetriebe 
dagegen, besonders die Aktiengesellschaften erwerben mit Hilfe des 
Aktienkapitals oder sonstigem eigenem oder fremden Gelde Grund- 
stücke und lassen Gebäude errichten. Sie haben die Möglichkeit, 
Obligationen auszugeben, mit denen sie noch des öfteren ihr Betriebs- 
kapital stärken. Wenn die großen Unternehmungen zur Deckung 
derartiger großer Ausgaben den Bankkredit zeitweilig in Anspruch 
nehmen, so sind sie doch meist in der Lage, durch irgend eine finanz- 
technische Operation den Kredit abzustoßen und ihre — wenn auch 
beschränkte — Selbständigkeit wieder zu erlangen. So heißt es z. B. 
in dorn Geschäftsbericht der Ad ler- Fahrrad werke 2 ) zur Begründung 

') Sombart a. a. O., II, S. 474 und FreeBe, H., Jahrbuch für Nat.- 
Ökonomie Ulf., Bd. VI, S. 650. 
*) Geschäftsbericht für 1898 



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- 64 — 



der Erhöhung des Aktienkapitals: „Erhöhter Umsatz macht erhöhte 
Produktioosfähigkeit notwendig, diese bedingt entsprechende Ver- 
größerung der Fabrikgebäude und deren Einriebtungen. Alles dieses 
erfordert aber erhebliche Geldmittel. Wenn auch ein Teil der er- 
forderlichen Mittel unbedenklich im Wege des Kredits beschafft 
werden kann, so weit es sich um vorübergehende, durch Verkauf 
unseres Fabrikates sich wieder erledigende Inanspruchnahme handelt, 
so ist es doch im Interesse der Gesellschaft dringend geboten, hin- 
sichtlich der Mittel, die sie zu ihrem Betriebe gebraucht, auf eigenen 
Füßen zu stehen." Es tritt also hier deutlich die große Überlegen- 
heit der kapitalistischen Unternehmung auf, durch die der Großbetrieb 
gegenüber dem Klein- und Mittelbetrieb so starke Entwicklung er- 
fährt. Daher müssen die kleineren Betriebe sich dort niederlassen, 
wo sie die für ihren Betrieb geeignetesten Räumlichkeiten finden. 
Dabei ist zu beachten, daß die Verlegung des Betriebes in einen an- 
deren entfernteren Stadtteil für ein kleines Unternehmen eiu gewisses 
Risiko mit sich bringt, da weder alle Lieferanten, noch alle Kunden 
geneigt sein werden, infolge der sie störenden Verlegung die Geschäfts- 
beziehungen aufrecht zu halten. Ein weiterer Nachteil besteht darin, 
daß bei der verhältnismäßig kleineu Zahl von vermietbaren Fabrik- 
räumen wohl selten solche gefunden werden, in die der Betrieb 
verlegt werden kann, ohne daß der Gang der Fabrikation geändert 
und den Räumen angepaßt werden müßte. Das Fehlen von Fahr- 
stühleu für Lasten in den Werkstätten oder von Gleisen für den 
Transport, die Unmöglichkeit infolge zu schwacher Deckenkonstruk- 
tionen schwere Maschinen in den oberen Stockwerken aufzustellen, 
zwingt in vielen Fällen dazu, die Reihenfolge der Werkstätten und 
damit der Arbeitsmaschinen zu ändern, wodurch die Wirtschaftlichkeit, 
das rationelle Arbeiten in Frage gestellt wird. Auch ist die Betriebs- 
vergrößerung in gemieteten Räumen mit größeren Schwierigkeiten 
verbunden, als bei eigenen Fabriken, die ihre Werkstätten dem Be- 
trieb angepaßt haben und iu großer Ausdehnung die Etablissements 
erbauen. 

Die Riesenunternehmungen bilden mit ihrem ausgedehnten Gebäude- 
komplex kleine Ortschaften für sich, die an die Peripherie der Städte 
gelegt sind, wo der Grund und Boden billig ist und der Ausdehnung 
wegen zu hoher Bodenpreise noch keine Biuderuisse im Wege stehen. 
Erinnert sei an die Krupp'scheu Werke in Essen , an die Borsig- 
Werke in Tegel, an die Schwartzkopff- Werke in Wildau bei Berlin. 
Die Verlegung aus dem Stadtinuereu in die Vororte ist jedoch erst 



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— 66 - 

möglich geworden durch die verbesserten Kommunikationen, wie elek- 
trische Bahnen, mit welchen die Arbeiter auch aus größerer Ent- 
fernung an die Arbeitsstätte fahren können und nicht gezwungen sind, 
in der Nähe der Fabrik auf Gnade oder Ungnade sich den Forderungen 
der Wirte zu fügen. Auch die Benutzung des Telephons ist eine Vor- 
bedingung für die Verlegung geworden, damit ein Zentralbureau im Innern 
der Stadt zum Verkehr mit dem Publikum in engster Fühlung bleiben 
kann und doch ständig mit der Fabrik im Verkehr steht. Mit dem 
Verlegen der Werkstätten auf billigen Grund und Boden konnten 
sich alle Abteilungen auch räumlich ausdehnen, ohne die Kapitalkraft 
zu sehr in Anspruch zu nehmen; denn meistens werden die früheren 
Fabrikgrundstücke der Stadt mit großem Nutzen veräußert, 1 ) da die 
Grundrente im Laufe der Jahre bedeutend gestiegen ist. Welche 
Bedeutung dieser Umgestaltung der Städte durch die Verlegung der 
Fabriken an die Peripherie zukommt und welchen Einfluß die Grund- 
rentensteigerung darauf hat, braucht an dieser Stelle nicht näher er- 
läutert zu werden. 

Auf weiten Flächen werden Einzelgebäude und Hallen errichtet, 
die den Stockwerkbauten in mehrfacher Beziehung vorzuziehen sind, 
denn 1. wird bei größerer Abgeschlossenheit der einzelnen Werk- 
stätten eine größere Übersichtlichkeit geschaffen , 2. werden die Bau- 
kosten billiger, da die Fundamente und Grundmauern bei weitem 
schwächer ausfallen können, als bei Hochbauten, und auch die teure 
Fahrstuhlanlage fortfallt, 3. wird die beste Lichtquelle, das Oberlicht, 
bei dieser Bauart ermöglicht, 4. ist in sanitärer und feuergefahrlicher 
Beziehung größere Sicherheit geboten. Diese Vorzüge des Hallenbaues 
genießen allerdings nur verhältnismäßig wenig Etablissements, obwohl 
aus Beispielen zu beweisen ist, daß die Instandhaltung derartig ange- 
legter Betriebe kaum größere Summen erfordert, als die minder guter. 

So betrugen die Kosten für die Instandhaltung der Wohn- und 
Fabrikgebäude in den SchwartzkopfFschen Werken einschließlich der 
maschinellen Einrichtung in den Jahren 1890 — 1901, dem Jahre der 
Übersiedelung in die neuen Werkstättennach Wildau, und 1902 — 1904 : f ) 
1890: 0,177 Hill. Mk. 1900: 0,239 Mill. Mk. 

1892: 0,207 „ „ 1901: 0,235 „ „ 

1894: 0,172 „ „ 1902: 0,256 „ „ 

1896: 0,216 „ „ 1903: 0,274 „ „ 

1898: 0,203 „ „ 1904: 0,245 „ „ 

') Erinnert aei an die Aufteilung der ehemalig Boraig'schen Fabrik in Moabit. 
•) Bilanzen der Aktiengesellschaft Schwärt «kopff. 
LUI. 5 



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— 66 — 



Die Steigung von 0,235 MAL Mark auf 0,256 Mill. Mark ist nicht 
wesentlich. 

Neben der Fabrikanlage ist eine ebenso wichtige wie schwierige 
Frage die nach Licht- und Kraftversorgung. Soll ein kleineres oder 
mittleres Unternehmen eine eigene Anlage schaffen? In den selten- 
sten Fällen wird sich infolge der hohen Anlagekosten eine eigene 
Lichtstation rentieren, so daß die Betriebe angewiesen sind, aus den 
allgemeinen Gasanstalten oder Elektrizitätswerken ihr Licht zu be- 
ziehen. Als Lichtquelle kommt in m o d e r n e n Betrieben ausschließ- 
lich das elektrische Bogenlicht im Verein mit elektrischen Glühlampen 
in Betracht. Der an einzelnen Orten höhere Preis der elektrischen 
Beleuchtung gegenüber dem Gaslicht wird mindestens aufgehoben, ja 
es werden vielleicht gar noch Ersparnisse gemacht, durch 1. präziseres 
Arbeiten, weil eben nur die elektrische Glühlampe es ermöglicht, ge- 
fahrlos an jede Stelle der Arbeitsmaschine herangeführt zu werden, 
2. intensives Arbeiten, da die Gasflamme durch die strahlende Hitze 
die Arbeiter viel schneller ermüdet und erschlafft, als die elektrische 
Glühlampe. 

Die nachstehende Tabelle gibt einen Vergleich zwischen den ver- 
schiedenen Beleuchtungsarten für die ausstrahlende Wärme pro Kerzen- 
einheit *) und Brennstunde und für den Preis pro Kerzeneinheit und 
Brennstunde : 

Kalorie Kosten 
pro Kerze/Brennstd. pro Kerze/Brennstd.*) 
Petroleum .... 36,4 0,083 Pfg. 

Auerlicht .... 11,0 0,027 „ 

Preßgaslicht . . . 6,48 0,018 „ 

Kohlenfadenglühlicht 2,6—3,99 0,120 „ 

Osmiumlicht ... 1,34 0,062 „ 

Nernstlicht .... 1,63 0,075 „ 

elektr. Bogenlicht . 0,95 0,044 „ 

Man sieht hieraus, wie außerordentlich stark die Wärmeentwicklung 
des Gaslichtes ist; eine erste Autorität auf dem Gebiete der Be- 
leuchtungstechnik fügt diesen nüchternen Zahlen noch hinzu: „Es 
handelt sich nicht nur um die entwickelte Wärmemenge, sondern 
auch noch um die entwickelte Kohlensäuremenge. Die Güte einer 
Arbeit kann in hohem Maße davon abhängen, und wenn das elek- 

■) Die Kerzenstärke der gebräuchlichsten Glühlampen beträgt 16—2 
*) Wedding. Elektrotechn. Zeit»chrift, 1906, Heft 8. 



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— 67 — 



trische Licht zu den teuersten Lichtquellen zu gehören scheint, so 
rückt es in dieser Beziehung an die erste Stelle, da die Mehrausgaben 
an Licht überreichlich durch die dabei geleistete bessere Arbeit auf- 
gewogen wird." 1 ) Die vermeintlichen Ersparnisse der Gasbeleuchtung 
werden also unwirtschaftlich und zweifelhafter Natur sein. 

Wesentlich wichtiger, als die Frage der Lichtquelle, ist die der 
Kraft, da die künstliche Beleuchtung nur an einigen Stunden des 
Tages im Winter gebrannt wird, die Kraft jedoch während des ganzen 
Arbeitstages Sommer und Winter in Anspruch genommen wird. Der 
Kleinbetiieb wird nun wie die Energie für das Licht, so auch die 
Energie für die Kraft nichtaus eigenen Anlagen beziehen, sondern 
aus den Kraftwerken. Vielfach wird dies auch noch für den mitt- 
leren Betrieb am vorteilhaftesten sein, wenn nämlich der Preis der 
Krafteinheit ein niedriger ist. Eine genaue Angabe, wann eine eigene 
Kraftanlage sich rentiert, wann nicht, läßt sich nicht geben, da zu 
viele verschiedene Momente, wie Örtlichkeit, Dauer des Betriebes, 
Größe der verlangten Kraftmenge u. a. m., mit in Betracht kommen. 
Auch ist der Preis 2 ) des elektrischen Stromes für Kraftzwecke in 
verschiedenen Städten so verschieden hoch, 

z. B. in Köln 13,78 Pfg. pro Kilowatt 3 ) 
„ München 18,11 „ „ „ 
„ Nürnberg 20,00 „ „ „ 
„ Dresden 25,00 „ „ „ 

•laß sich vielleicht in Köln für eine Fabrik der Anschluß an das städ- 
tische Elektrizitätswerk rentiert, in Dresden dagegen eine Rentabilität 
des Betriebes ausschließt. 

In neuerer Zeit stehen jedoch den Klein- und besonders den 
Mittelbetrieben moderne Krafterzeugungsmaschinen zur Verfügung, die 
eine eigene Kraftanlage wirtschaftlich erscheinen lassen, besonders die 
die Sauggasanlageu und die Explosionsmotoren. Es kommen in 
heutiger Zeit als Kraftquellen allgemein in Betracht: 

1. die Dampfmaschine, 

2. der Explosionsmotor, 

3. die Sauggasanlage, 

4. die Dampfturbine. 

') Wedding, Elektrotechnische Zeitschrift, 1906, Heft 3. 
') Siehe Elektrotechnische Zeitschrift, 1904, Heft 4. 

3 ) Ein Kilowatt = 1,4 PS. Eine Kilowattstunde ist der Verbrauch von 
1 Kilowatt während einer Stunde. 



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Welche von den vier Betriebsarten die geeignetste ist, hängt von 
den speziellen Fällen ab. Bei einem Vergleiche der Anlagen müssen 
die einmaligen Anschaffungakosten, wie die Betriebskosten in Betracht 
gezogen werden. Wie sich aus der nachstehenden Tabelle ergibt, 
sind die Anlagekosten bei Dampf- und Gasmaschinen sehr hohe, so 
daß ein Kleinbetrieb, der auch nicht den Kaum für die Aufstellung 
großer Maschinen hat, die Ausgabe scheut und lieber eine Kraft- 
maschine mit niedrigen Anschaffnngskosten und etwas höheren Betriebs- 
spesen wählt. Die Tabelle 1 ) vergleicht kleine Anlagen von 16 PS. 
und mittlere von 100 PS. 





Dampf- 
maschine 


Leucbtgas- 
Motor 


Anthracit- 
trenerator 


Benzin- 
Motor 


Dampfturbine 




Kohlenpreis 
pro 10000 kg 
180 Mk. 


1 cbm 
Leuchtgas 
12,3 Plg. 


Anthracit 
pro 10000 kg 
230 Mk. 


Benzin 
pro 100 kg 
26 Mk. 






16 PS. 100PS. 


16 PS. 


100PS 




16 PS. 


100PS. 


16 PS. | 100 PS. 


Anlagekapi- 
tal in Mk.«) 

Jahreskosten 
300 Tage zu 
10 Std. = 
3000 Std. 
in Mk. . . 

Gesamt- 
kosten für 
1 eff. PS. u. 
8td. in Pfg. 


8000 

6055 
12,6 


24 000 

14 940 

5,0 


5000 
4050 

M 


22 600 

21020 
7 


6900 

2580 
5,4 


26 700 

9915 

3,3 


5500 

5940 
12,4 


25000 

27 700 
9,2 


Genaue Angaben sind von 
den Fabriken noch nicht zu 
erhalten. Die Anlagekosten 
sind ungefähr gleich denender 
Dampfmaschinen ; anch ist der 
Dampfverbrauch bei voller Be- 
lastung gleich, bei geringerer 
Belastung bes»e r ,al s be i Damp f 
maschinen. Die Amortisation 
ist wesentlich geringer als bei 
den Explosionsmotoren, bei 
denen die Amortisation mit 
15% als zu gering anzusehen 
ist. Der geringe Raumbedarf, 
der stoßfreie Gang, der mini- 
male Ölverbrauch und die 
leichte Bedienung der Ma- 
schine sichert den Dampf- 
turbinen ein weites Feld für 
die Zukunft. 





















Zwischen allen Betriebsformen besteht erklärlicherweise eine heftige 
Konkurrenz, von der die Konsumenten den V T orteil haben, daß 

1. technische Verbesserungen in schneller Aufeinanderfolge ein- 
treten, 

2. die Preise niedriger sind, als ohne Konkurrenz. 

Aus den Gesamtkosten für 1 eff. PS. St. ist jedoch noch kein ab- 



') Zusammengestellt nach den Angaben von Hirsch-Wilking im Elektro- 
ingenieur-Kalender für 190*, mit Ausnahme der Dampfturbine. 

*) Bei der Dampfmaschinenanlage wurden die Kosten für Schornstein und 
Kesseleinmauerung mit berücksichtigt, während bei den anderen Betriebsarten 
die Betrage für Fundamente, Kesselhäuser nicht mit vorgesehen sind. 



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- 69 — 



schließendes Urteil zu fallen, ob diese oder jene Betriebsform unter 
allen Umständen die vorteilhafteste sei, da außerdem noch die Platz* 
Verhältnisse von Wichtigkeit sind u. a. m. 

Im allgemeinen werden sich bei einem Kraftverbrauche von 
120 PS. ab eigene Anlagen rentieren, und je größer die Anlage ist, 
desto billiger stellt sich die PS./St. ; es arbeitet also der Großbetrieb, 
der außerordentlich viele Arbeitsmaschinen anzutreiben hat, relativ 
billiger, als der Kleinbetrieb mit nur wenigen Arbeitsmaschinen. 

Den größten Teil der Kraft beansprucht der Antrieb der Arbeits- 
maschinen. Der Kraftbedarf beträgt nämlich bei schnellstem Leergang 1 ) 

für 1 Leitspindeldrehbank etwa 1 PS. 

„ 1 Revolverdrehbank „ 3 „ 

1 Bohrmaschine „ 1 „ 

„ 1 Fräsmaschine „ 2,5 „ 

„ 1 Hobelmaschine „ 3 — 6 „ 

Die Kraftmenge, die zum Betriebe der Krane oder Hilfsmaschinen 
erforderlich ist, kommt erst in zweiter Linie in Betracht. — Die 
Arbeitsmaschinen werden nun entweder gruppenweise angetrieben, 
d. h. mehrere Maschinen sind mit ihren Transmissionen von einer 
gemeinschaftlichen Welle abhängig, oder jede Maschine wird 
einzeln angetrieben. Man spricht daher von „G r u p p e n a n t r i e b" 
und „Einzelantrieb". Größere Arbeitsmaschinen, die 5 PS. oder 
mehr Kraft beanspruchen, werden stets von einem Motor einzeln an- 
getrieben, da sie, im Falle des Stillstandes, den Motor für den Gruppen- 
antrieb nicht voll belasten würden, und dieser infolgedessen unwirtschaft- 
lich arbeiten würde. Denn nur vollbelastete Kraftmaschinen arbeiten 
rationell, das heißt solche Maschinen, denen dauernd so viel Kraft ent- 
nommen wird, für wie viel sie normal konstruiert sind. Welche Bedeutung 
eine „Leerarbeit" im Betriebe erreichen kann und wie sie die Wirt- 
schaftlichkeit bei Gruppenarbeit in Frage stellt, erhellt aus folgendem 
Beispiel 2 ) für ein kleines Unternehmen mit 16 Arbeitsmaschinen. 
Es werden den Tag über ca. 57 Kilowatt (ca. 75 PS.) verbraucht, 
davon entfallen 36,4 Kilowatt auf Leerlauf, d. h. der Antrieb der 
Maschinen läuft mit, ohne daß die Maschine selbst arbeitet. Bei 
Einzelantrieb werden dagegen nur 88 % des Stroms gebraucht. 



•) Elektro-Ingenieur-Kalender, Hirsch- Wilking, 1905. 
■) Hit gütiger Erlaubnis von Herrn Prof. Dr. log. Schlesinger aus seinem 
Kolleg: Über Fabrikbetriebe. 



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70 



Der Unterschied in den Anlagekosten für Gruppen- und Einzel- 
antrieb ist so gering, daß die großen Vorzüge des Einzelantriebes, 1 ) 
wie Sauberkeit, Licht, Übersichtlichkeit, Sicherheit der Unfallver- 
hütung und geringere Feuersgefehr, die Möglichkeit, überall Laufkrane 
anzubringen, eigentlich ausschlaggebend sein müßten. Die Anlage- 
kosten für 61 Werkzeugmaschinen betrugen 8 ) in einem Betriebe 

bei Gruppenantrieb 151 845 Mk. = 97,50 % 
bei Einzelantrieb 155 450 „ = 100 % 

Die Differenz in den Anlagekosten beträgt also nur 2,5 °/ 0 . — Es ist 
eine eigentümliche Erscheinung, daß die deutschen Unternehmer sich 
ausschließlich an die Rentabilitätszahlen klammern, die alles beweisen 
und erklären sollen, und darüber andere Gesichtspunkte ganz außer 
acht lassen. Was als Ersparnis in den Anlagekosten erscheint, zeigt 
sich häufig als dauernde große Ausgabe, durch welche die Un- 
kosten bedeutend belastet werden. 

Die Kosten für Licht und Kraft möglichst niedrig zu halten und 
so die Betriebskosten zu verbilligen, hängt meist von der richtigen 
Wahl der Betriebsmittel ab und hier hat der große Betrieb mehr 
Spielraum und Auswahl, als der kleine Unternehmer. Aber kleine wie 
große Betriebe können die Kosten für Licht. Kraft und Heizung ver- 
mindern durch Verkürzung derArbeitszeit. Durch Tatsachen ist 
erwiesen, daß die Herabsetzung der Arbeitszeit von 11 auf 10 Stunden 
und von 10 auf 9 Stunden günstige Erfolge gezeitigt hat, daß näm- 
lich die Produktionsmenge in der kürzeren Zeit die gleiche geblieben 
ist. Die Berichte der preuß. Fabrikinspektoren teilen mit, daß in fast 
allen Bezirken Versuche nach dieser Richtung angestellt werden 8 ) 
und überwiegend günstig ausfallen: Die Firma Boraig hat in ihrer 
Hammerschmiede die ß 1 ^ stündige Schicht (früher 9 I , 2 ) eingeführt, 
wobei der Verdienst der Akkordarbeiter fast der gleiche blieb. Außer- 
ordentlich günstig äußert sich Prof. Auerbach 4 ) vom Zeiß-Werk in 
Jena: „Nachdem im Zeiß-Work schon früher die Arbeit auf 9 Stunden 
herabgesetzt war und dieser Betrag im Statut als das zulässige 
Maximum festgelegt war, wurde am 1. IV. 00 zunächst probeweise 
für ein Jahr die 8 stündige Arbeitszeit eingeführt und ganz im stillen 
die mathematische Formel geprüft : Es ergab sich, daß die stündliche 

') Vgl. Zeitschrift d. Vereins deutscher Ingenieure, 1899. 
") Vgl. Anna. 2 S. 69. 

a ) Vgl. „Arbeitamarkt-Korresp.", 1905, Juli 

«) Auerbach, Das Zeiß-Werk, Jena, 1904, S. 92. 



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— 71 — 



Leistung der Akkordarbeiter im Vergleich mit dem Vorjahre im 
Verhältnis 100: 116 gestiegen war; die Tagesleistung betrug demnach 
statt 9X100 = 900 im neuen Jahre 8XH6 — 928, sie war also 
gestiegen." Erwähnt sei auch ein Bericht über den 8Stundentag 
für Staatsarbeiten in den Vereinigten Staaten von Amerika. 1 ) „Als 
Ergebnis eines Versuches, bei dem zwei genau gleiche Schiffe gebaut 
wurden, das eine auf einer Staatswerft mit 8Stundentag, das andere 
auf einer Priyatwerft mit lOStundentag zeigt sich, daß die stündliche 
Arbeitsleistung eines Arbeiters bei der 8 stündigen täglichen Be- 
schäftigung um 24,48% die durchschnittliche Arbeitsleistung eines 
Arbeiters mit 10 stündiger Arbeitszeit übersteigt." Es wird also in 
diesem Falle nicht nur ebenso viel, sondern noch mehr in 8 Stunden 
geleistet, als in 10 Stunden! Trotz dieses auffallend günstigen 
Resultats vermerkt derselbe Bericht, daß von 334 Betrieben, die über 
den Einfluß der Verkürzung der Arbeitszeit auf die Produktions« 
kosten Beobachtungen machten, 88 °/ 0 eine Erhöhung der Produktions- 
kosten zu verzeichnen hatten. Worauf diese zurückzuführen ist, wie 
hoch sie war, wird allerdings in dem Bericht nicht erwähnt. 

Wenn Sombart 8 ) ausführt, daß ein Dauerbetrieb mit Schicht- 
wechsel bedeutende Ersparnisse mit sich bringt, da bei der Kontinuität 
des Betriebes sich keine toten Zeiten ergeben, in denen Gebäude und 
Maschinen ungenutzt bleiben, so ist dieser Behauptung entschieden 
entgegen zu treten. Nur äußerst ungern und nur in dringendsten 
Fällen lassen die Unternehmer ihren Betrieb dauernd arbeiten, also 
mit Schichtwechsel, denn 1. ist die Besetzung der Meisterposten, der 
Betriebsingenieure und der Arbeitsleute eine doppelte. 2. wird durch 
den Wechsel der Arbeiter an den Maschinen und den Arbeitsstücken 
eine umständliche Lohnabrechnung geschaffen ; auch ist ein unerquick- 
licher Hader zwischen den Arbeitern am selben Arbeitsstück eine sehr 
häufige Erscheinung, denn der eine will die Verantwortung für den 
anderen nicht übernehmen. 3. gebrauchen auch die Arbeitsmaschinen 
Zeiten des Stillstandes und können nur mit Schaden unausgesetzt 
benutzt werden. Mehrfach wurde von Betriebsleitern die Auskunft 



*) Auch wohl nur vom rein sozialen Standpunkt aus hat das k. bayrische 
Staatsministerium für Verkebrsangelegenheiten bestimmt, daß vom 2. X. 1905 ab 
die regelmäßige tägliche Arbeitszeit in den 8taatswerkstätten von 9 1 /» Std. auf 
9 Std. täglich herabgesetzt werde. Zeitachrift d. V. deutsch. Ing., 1905, S. 1695. 

«) Reichsarbeitablatt, 1906. S. 483. Report by the Hon. Victor H. Mekalf 
1905 Whas hington. 

*) Sombart a. a. O., II, 508. 



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— 72 



erteilt, daß der Dauerbetrieb sehr kostspielig und nur in Zeiten 
höchster Arbeitsüberlastung anzuempfehlen sei. — Wie also durch 
die Ausdehnung des normalen Arbeitstages keine Ersparnisse erzielt 
werden können, so ist dies auch nicht möglich durch eine Ein- 
schränkung des Betriebes unter eine bestimmte Arbeitszeit, als welche 
die 8 ständige anzusehen ist Eis bringt also in Zeiten ungünstiger 
Konjunktur eine Reduktion der Arbeitszeit auf die Hälfte 
nicht proportionale Ersparnisse. Denn die Betriebskosten sind un- 
elastisch und können den jeweiligen Verhältnissen nicht entsprechend 
schnell angepaßt werden. Der Mietszins, die Reparaturen, die Zinsen, 
Abschreibungen, auch die Heizung können nicht niedriger bemessen 
werden, wenn nur 76 % oder gar 50 °/ 0 der Arbeiter beschäftigt sind ; 
die Werkstätten müssen trotzdem geheizt und beleuchtet sein, und die 
Produktionskosten bei einem nicht voll besetzten Betriebe sind höher, 
als bei normalen Verhältnissen, denn der Diyisor ist im ersten Falle 
kleiner, der Quotient also größer. — Aus dieser Erwägung heraus 
wird auf jede Art danach gestrebt, den Betrieb voll zu beschäftigen, 
selbst wenn die erreichbaren Aufträge nur die Selbstkosten decken, 
zuweilen sogar diese noch nicht erreichen. 1 ) 

In dieser Beziehung kann sich der Kleinbetrieb den Verhältnissen 
leichter anpassen und den Betrieb zeitweilig vermindern, einzelne 
Abteilungen ganz schließen, besonders wenn er keine Kraftanlage hat, 
sondern aus dem Netz der Elektrizitätswerke die Kraft zum Antrieb 
erhält, also auch nur soviel Strom zu Licht und Kraft zu zahlen hat, 
wie er tatsächlich verbraucht. 

b) Die Hau dlun ^Unkosten. 

Während in den vorhergehenden Kapitelu der Vorsprung nach- 
gewiesen wurde, den hinsichtlich der Materialbeschaffung, der tech- 
nischen Leistungsfähigkeit der Betriebe, der Betriebsverhältnisse das 
große, kapitalkräftige Unternehmen vor dem Kleinbetriebe hat, zeigt 
sich bei den Haudlungsunkosten das Gegenteil. 

Der Verwaltungsapparat eines Großbetriebes in der unper- 
sönlichen Gesellschaftsform verschlingt so große Summen und erhöht 
die Generalunkosten so außerordentlich, daß die Vorteile des Groß- 
betriebes teilweise wieder aufgehoben werden. Die hohen Auf- 
wendungen für Handlungsunkosten, welche bei einzelnen Gesell- 



') Geecbaftabericht dea Eiaenwerkea Wülfel, 1909, und Geechaftabericht der 
Benrather Much. -Fabr., 1908. 



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— 73 — 



schaften ins Riesenhafte anwachsen, bilden den wunden Punkt bei den 
Großbetrieben, weil in Jahren des Niedergangs eine Herabsetzung nur 
schwer durchzuführen ist: „Erfahrungsgemäß besteht", sagt ein Ge- 
schäftsbericht, 1 ) „als für alle Großbetriebe das nachteiligste Moment zu 
Zeiten schlechten Geschäftsganges darin, daß eine Verminderung der 
Regie, welche auch nur annähernd im Verhältnisse zu dem eingetretenen 
Produktionsrückgang steht, zumeist nicht durchführbar ist, sofern 
nicht mit den Grundsätzen einer soliden und zielbewußten Geschäfts- 
gebarung gebrochen und die Leistungsfähigkeit des Werkes auf 
Jahre hinaus in Frage gestellt werden soll." 

Bei der Durchsicht der Geschäftsbilanzen der Maschinenfabriken 
tritt die auffallende Erscheinung zutage, daß die Handlungs- 
unkosten fast durchgängig nicht nur absolut, sondern auch relativ 
bedeutend mehr und schneller angewachsen sind, als die Be- 
triebsunkosten, eine Erscheinung, von der nur wenige Unter- 
nehmungen eine Ausnahme machen. Den überwiegenden Teil der 
Handlungsunkosten machen die Gehälter und Tantiemen der kauf- 
männischen Beamten aus. Von Jahr zu Jahr steigern sich diese 
Summen und erreichen eine teilweise nicht gerechtfertigte 
Höhe im Vergleich zum Bruttogewinn. 

Worauf ist die Zunahme der Handlungsunkosten zurückzuführen? 
Das Ansteigen der verausgabten Summen für die Handlungsunkosten 
ist, entsprechend der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung , aus 
dem Hineinzwängen des Kommerziellen in das Fabrikationsgeschäft 
entstanden. Infolge der schnellen, glücklichen Entwicklung der 
Technik und der technischen Unternehmungen suchte eine größere 
Zahl von Kapitalisten ihr Geld nutzbringend in derartigen Betrieben 
anzulegen und die Neugründungen fanden stets ein wohlwollendes 
Publikum, welches das erforderliche Kapital vorschoß. Denn nur 
auf diese Weise konnten die Fabriken in so großer Anzahl sich auf- 
tun, deren weitere Folge die Uberproduktion an Stelle der geregelten 
Produktion wurde. Während früher der Absatz, man möchte sagen, 
sich spielend abwickelte, trat nun die übergroße, hemmende 
Konkurrenz auf, die ihre Waren auf den Weltmarkt brachte und 
teilweise zu Schleuderpreisen absetzte. 

Das Absatzgebiet konnte nicht so schnell erschlossen und er- 
weitert werden, als das Angebot stetig wuchs; man mußte daher dem 
Absatz künstliche Abflüsse ermöglichen. Reklame, Reisende, 
Filialen und andere mit hohen Kosten verbundene Einrichtungen zur 

*) Geschäftsbericht d. Sachs. Masch.-Fabrik, vorm. Hartmann, A.-G., 1902 03. 



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— 74 — 



Bequemlichkeit und schnelleren Abfertigung der Kunden mußten ge- 
schaffen und stets erweitert werden, um überhaupt den Absatz zu 
ermöglichen. So äußert sich ein Bericht: „Das Bestreben der Ver- 
waltungen, das Absatzgebiet zu erweitern, wird meist durch Errichtuog 
von Filialen befriedigt, deren Unterhaltung jedoch bedeutende Opfer 
erfordere und die Unkosten bedeutend erhöhen." J ) Große Firmen, die 
vor 15 Jahren oder gar noch vor 10 Jahren infolge ihres Weltrufes 
keine Reklame in irgend einer Form benötigten oder für wünschenswert 
hielten — Werner Siemens hat bis zuletzt 1892 gegen jede Re- 
klame Front gemacht — „ihm galt der Ruf der Firma alles, die Re- 
klame nichts" *) — müssen jetzt, dem Zuge der Zeit folgend, diese 
in großem Maße betreiben und zwar nun ihrer Größe und ihrem 
Ansehen entsprechend. Welche Summen durch Aunoncieren in Fach- 
und Tageszeitungen, durch Prospekte, Kataloge, Broschüren, durch 
Ausstellungen verschlungen werden, läßt sich leider aus den Geschäfts- 
berichten nicht entnehmen. Sie gehen jedoch bei den Großfirmen in 
die Hunderttausende. Erinnert sei daran, daß die großen Elek- 
trizitätsgesellschaften, deren Tätigkeit noch viel internationaler ist als 
die der Maschinenfabriken, in allen Großstädten des Inlandes und den 
Hauptplätzen des Auslandes Filialen oder Bureaux unterhalten; 8 ) 
diese dienen zur Erweiterung des Absatzes, da die Erledigung des 
Auftrages besser gewährleistet wird durch mündliche Rücksprache 
als durch den schriftlichen Verkehr. Außerdem ist zum „Herein- 
bringen von Aufträgen" eine Schar von Reisenden und Agenten 
gegen Provision tätig, die vielfach sehr hoch ist. so daß die Unkosten 
dadurch sehr belastet werden. So wurde von der Direktion einer 
Fabrik für landwirtschaftliche Maschinen mitgeteilt, daß die Agenten 
für jede Maschine 33 % Provision verlangen; diese 33% müssen 
natürlich in dem Verkaufspreise zur Geltung kommen! 

Solange diese Ausgaben ihren Zweck erreichen, d. h. den Um- 
satz vermehren, sind sie berechtigt, und werden durch die Vorteile 
der Produktionsvermehrung ausgeglichen. Treten jedoch allgemeine 
Geschäftsstockungen iu der Industrie ein, verschlechtert sich die Kon- 
junktur, so daß die Produktion den Bedarf um ein Vielfaches über- 

') Geschäftsbericht des Eisenwerke« Wülfel, 1902. 
*) Fasolt a. a. O. 

*) Die Organisation zur Bearbeitung der Absatzgebiete gliedert sich bei der 
A. £. G. in 32 Aktiengesellschaften und G. ra. b. H. mit 62 Bureaux im Auslande 
und 26 Installationsbureaux und 17 Ingenienrabteilungen im Inlande, außerdem 
unterhält die Gesellschaft 29 Vertretungen in außereuropäischen Ländern. Ge- 
schäftsbericht der A. £. G. 1904 05. 



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— 75 



steigt — denn die vielen einzelnen Unternehmen kennen nicht die 
durch den Bedarf gezogenen GrenzeD, — so schwellen diese Posten 
in einem völlig unrichtigen Verhältnis zum Erfolge an. Statt 
in Zeiten schlechten Geschäftsganges den Betrieb und die Verwaltung 
langsam zu reformieren und zu reorganisieren, wird in den 
meisten Fällen versucht, durch vermehrte Reklame, mehr Reisende, 
höhere Provisionen, den normalen Auftragbestand beizubehalten, um den 
Betrieb voll durchzuführen. Da die Preise dann häufig noch nicht 
die Selbstkosten decken, so entsteht ein Bild, das in völlig ver- 
kehrtem Verhältnis zur Produktion steht. 

Zweifellos ist in dieser Hinsicht der private Unternehmer, 
der E i n z e 1 fabrikbesitzer in günstigerer Lage. Denn er wird und 
kann nicht gerade in den Zeiten des Niedergangs bedeutende Summen 
für Reklame aufwenden, da ihm die Barmittel bald versiegen würden. 
Dem privaten Kleinbetrieb sind auf diese Weise natürliche Grenzen 
gesteckt, die für ihn von Vorteil sind. Der Einzelunternehmer hat 
nicht bei niederliegendem Geschäft so viel Personal mitzuunterhalten 
und über die ruhige Zeit fortzuziehen, da er in seiner Person die 
Tätigkeit übernimmt, die bei großen Gesellschaften in den Händen 
vieler liegt. Er ist sein eigener technischer und kaufmännischer 
Direktor, er ist der Betriebsingenieur, kurz er vereint alle höheren 
Posten in seiner eigenen Person. So kann die Regie eines Klein- 
betriebes sich leicht einschränken und allen Verhältnissen anpassen. Der 
selbständige Unternehmer bezieht kein Gehalt wie die besoldeten 
Direktoren einer Gesellschaft, die meist auf ein Fixum und Tantiemen 
angestellt sind und ihr Gehalt in guten wie schlechten Geschäfts- 
jahren beziehen. Diese Posten kennt das Einzelunternehmen nicht, 
denn der Inhaber erhält als Äquivalent für seine Intelligenz und 
Arbeit den Gewinn, der bei der unpersönlichen Gesellschaftsform, 
zumal der Aktiengesellschaft, den Aktionären als Dividende ausge- 
schüttet wird. — Auch die bei Privatunternehmen unbekannte In- 
stitution des Aufsichtsrats erhöht die Unkosten. Die Einrichtung der 
Aufsichtsräte, deren Wert von vielen Seiten nicht hoch eingeschätzt 
wird, 1 ) und die mitunter als keine glückliche bezeichnet wird, erfordert 
außerordentliche Summen im allgemeinen. Loeb 2 ) hat berechnet, 
daß die Tantiemen des Aufsichtsrates bei 3443 Industriegesellschaften 

») Warschauer, 0., Conrad« Jahrbücher, 1904, III f., Bd. 27, S. 288: 
Zur Aufsichtsratsfrage in Deutschland. 

*) Loeb, Conrads Jahrbücher, 1902, III f.: Das Institut des Aufsichtsrats 
seine Stellung. 



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— 76 — 



41 Millionen Mk. oder • i t °/ 0 von 6919 Millionen Kapital beträgt. 
Durchschnittlich reebnet er die Tantiemen der einzelnen Gesellschaft 
auf e /io% des Aktienkapitals. Da das Gesetz die Garantie einer 
statutenmäßigen Minimaltantieme nicht verbietet, so finden sich viel- 
fach auch in dividendenlosen Jahren Vergütungen in beträchtlicher Höhe 
Tür die Obliegenheiten des Aufsichtsrates. Die Verwaltungskosten 
der gesellschaftlichen Unternehmungen sind so große geworden, daß 
die Konkurrenzfähigkeit mit anderen Ländern eine geringere wird. 

Wenn von seiten der Fabrikanten als Grund hierfür neben der 
Billigkeit der Rohstoffe und der Niedrigkeit der Frachten in Amerika die 
Belastung der deutschen Fabriken durch die soziale Gesetzgebung ange- 
geben wird, 1 ) so stehen dieser Begründung gegenüber die enormen 
Gehälter und Tantiemen der Direktoren. Im Vergleich zu 
diesen spielen die Summen der Beiträge zu Alters-, Kranken- und 
Invalidenkassen oder die Summen, die durch die Regelung des 
Lehrlingswesens und der Heimindustrie mehr verausgabt 
werden, nur eine untergeordnete Rolle. 

„An den Spesen kann gespart werden, ohne daß jemand wehe 
getan wird und das geschieht am besten durch eine gut durchdachte 
straffe Organisation ; Organisation ist das Gegenteil von Bureaukratie ; 
diese bedeutet ein Maximum an unproduktiver Arbeit gegenüber 
einem Minimum an produktiver, also den geringsten Wirkungsgrad. 
In dieser Beziehung haben kleinere Geschäfte einen Vorzug vor 
großen und deshalb werden die Prozentsätze der Spesen im allge- 
meinen bei kleinen Geschäften nicht höher sein als bei großen. u *) 

Wenn auch die eminenten Schwierigkeiten der Leitung großer 
Unternehmungen — Schalk 3 ) vergleicht diese ..Organisation unter 
einheitlicher Führung in wirtschaftlicher Beziehung großen Armeen 
mit vollständiger Organisation, vollständig unterrichtetem Generalstab 
mit geübten und erprobten Führern" — völlig anerkannt und ge- 
würdigt werden, so ist hier in der Verwaltung entsprechend wie im 
Betriebe durch Arbeits t e i 1 u n g , durch Zerlegung der verschiedenen 
Funktionen in besondere Organe, durch geschlossene Verwaltung 
der einzelnen Fabrikationsabteilungen, aber Arbeitsvereinigung in der 
Generalleituug die Möglichkeit einer äußerst straffen Organisation 

') Vgl. Eingabe des Vereins deutscher Werkzeugmaschinenfabrikanten an 
den Reichskanzler wegen der abzuschließenden Handelsverträge. Berliner Tage» 
blatt, Hdlsztg., 30. V. 05. 

*) Erlach er, Briefe eines Betriebsleiters, Hannover, 1902. 

') Schalk a. a. O., S. 28. 



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— 77 — 



mit einem Minimum an Arbeitskräften gegeben, da aus der Kette der 
Funktionen jedes überflüssige, nicht an seinem Platze notwendige 
Glied von selbst ausscheidet. 

In dem schwerfälligen und kostspieligen Verwaltungsapparat 
findet der Großbetrieb seine Begrenzung. Da der gleiche Nachteil 
aber für die zahlreichen Unternehmen der gleichen Art besteht, so 
liegt es nahe, an diesem Punkte einzusetzen, um die Kosten zu ver- 
mindern, damit auch der Großbetrieb in gesellschaftlicher Unter- 
nehmungsform auf rationellen Erfolg auch bezüglich der Handlungs- 
unkosten arbeiten kann. Der Weg, den man zu diesem Zweck be- 
treten hat, ist der der Ausschaltung der übermäßigen, an- 
archischen Konkurrenz, besonders der „kleineren Großbetriebe", 
welche die Konkurrenz vornehmlich übertrieben haben, wie z. B. ein 
Bericht 1 ) erwähnt, daß eine Gesellschaft 53°/ 0 Rabatt gewährt habe. 

Die meist betretenen Wege zur Verminderung der Konkurrenz sind 
in anderen Industrien die Bildung von Kartellen, Syndikaten 
und Trusts. 2 ) Wie schon früher erwähnt, eignet sich die Maschioen- 
und elektrische Industrie wenig dazu, weil die Fabrikation sich in zahllose 
Gattungen von Erzeugnissen verschiedenster Art und Bewertung gliedert. 
„Eine wesentliche Voraussetzung, jedenfalls aber eine sehr erhebliche 
Förderung der Kartellbildung ist die Existenz einer kleinen Anzahl 
konzentrierter Unternehmungen und die durch diese in großem 
Umfange betriebene Herstellung von Massengütern." 8 ) Die Vorteile der 
billigeren Arbeit einer kartellierten Industrie faßt Grunzel 4 ) in 
7 Ursachen zusammen: „1. weil überflüssige Frachtkosten gespart 
werden, 2. weil der Zwischenhandel Uberall ausgeschaltet wird, wo 
er überflüssig ist, 3. weil sich die Vertriebskosten vermindern, 4. weil 
eine zweckmäßige Spezialisierung herbeigeführt werden kann, 5. weil 
eine größere Stabilität in der Produktion herbeigeführt wird, 6. weil 
eine rationelle Pflege des Exportes eine Ausdehnung der Produktion 
ermöglicht, 7. weil das Kapitalrisiko sich erheblich vermindert." Diese 
Vorteile sucht die Maschinenindustrie auf eine andere Art und Weise 
wiedereinzubringen. 

,,Die Maschinen- und elektrische Industrie sind nämlich angewiesen, 
organisatorische Ersparnisse durch gruppenweise Zusammen- 

') Geschäftsbericht der Elektr.-A.-G. vorm. Lahmeyer, 1903. 
«) Bericht über die Generalversammlung des Vereins für Sozialpolitik, 1905, 
Frkft. Ztg., Nr. 268 ff., 27. IX. 05. 
») Rießer a. h. O., S. 250. 
«) Grunzel a. a. O., S. 116. 



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fassung anzustreben und die bisher dutzendfach geleistete Projek- 
tierungsarbeit, Propaganda und Verkaufstätigkeit auf eine 3 — 4 fache zu 
beschränken." 1 ) In diesem Sinne haben sich auch z. B. dieb eiden führen- 
den deutschen Elektrizitätsgesellschaften — die Siemens & Halske, A.-G., 
und die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft (A.E. G.) und die Elektr.- 
Aktien-Gesellschaft vorm. Lahmeyer, Frankfurt — entschlossen, das 
Helios- Werk in Köln aufzukaufen und außer Betrieb zu setzen, nur um 
die schädigende Konkurrenz zu beseitigen. Zu diesem Zwecke haben die 
genannten drei Gesellschaften eine Ges. m. b. H. — die „Kölner Industrie- 
werke 4 ' — gegründet, die nur als Liquidationsgesellschaft gedacht ist und 
ein relativ kurzes Dasein führen wird. 3 ) Ebenso hat die Akkumula- 
toren-Fabrik A.-G. Berlin-Hagen eine Wettbewerbsgesellschaft unter 
schweren Opfern aufgekauft, nicht um die Lage der eigenen Gesell- 
schaft zu stärken, sondern vielmehr, um einer von außen her der 
Gesellschaft zugefügten Schwächung entgegenzutreten. a ) Mit den Kon- 
kurrenzfabriken Akkumulatoren- Werke A.-G. Pflüger - Berlin und 
Gottfried Hagen in Köln sind Vereinbarungen getroffen worden. 

In der elektrischen Industrie haben sich aus diesen Erwägungen 
heraus die bedeutendsten Firmen in drei Gruppen, die über 3 4 der 
gesamten Produktion ausmachen, zusammengeschlossen in den Concern 
der A. E. G. — Siemeus/Schuckert — Feiten & Guilleaume/Lahmeyer- 
werke A.-G. 

Derartige Gruppenbildungen werden aus zwei verschiedenen An- 
lässen vorgenommen, entweder zur Beseitigung der Konkurrenz: Bei- 
spiel: Siemens-Schuckert, oder zur Ergänzung der Betriebe: Beispiel: 
Feiten & Guilleaume/Lahmeyer. Die Siemens-Schuckert- Werke haben 
einen Teil ihrer Fabrikation vereint, nämlich den, welchen sie beide 
in Konkurrenz betrieben und führen diesen als Gesellschaft mit be- 
schränkter Haftung mit 90 Millionen Kapital weiter, in welche die 
Aktiengesellschaft Schuckert vollständig aufgegangen ist. 4 ) Indessen 
bleibt die Aktiengesellschaft Siemens & Halske für die Kabel-Glüh- 
lampenfabrikation und die Schwachstromabteilung bestehen. — Auf 
anderen Prinzipien ist die Vereinigungsaktion Lahmeyer/Felten & 
Guilleaume aufgebaut. Die Lahmeyer A.-G. fertigt hauptsächlich 
Dynamomaschinen und Motore nebst zugehörigen Apparaten. Sie ist 

>) Geschäftsbericht der A. E. G., 1903/03. 
*) Berliner Tageblatt, 17. X. 05, Nr. 630. 
') Kölnische Zeitung, 9. VI. 05, Nr. 603. 

*) Krell er, E., Die Entwicklung der deutschen elektr. Industrie, 1903, 
Lpzg., S. 27. 



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auf den Bezug von Kupferfabrikaten aller Art angewiesen gewesen, 
welche die Konkurrenzgesellschaften selbst fabrizierten und daher 
günstiger liefern konnten. Es erschien daher der Anschluß an ein 
Kabelwerk erwünscht; umgekehrt mußten Feiten & Guilleaume all- 
mählich zur Fabrikation elektrischer Maschinen übergehen und sich 
an eine leistungsfähige Fabrik dazu anschließen. Hieraus ergab sich 
für beide Unternehmungen yon selbst der Weg der gegenseitigen Er- 
gänzung. 1 ) 

Ahnliche Kombinationen, nur meist in bedeutend kleinerem Maß- 
stabe, findet man in der Maschinenindustrie in jüngster Zeit. Die Ben- 
rather Maschinenfabrik — die bedeutendste deutsche Kranfabrik — 
ist in enge Beziehungen zur Berlin - Anhaltischen Maschinenfabrik 
A.-G. getreten, die Maschinenfabrik Wolff & Meinel in Halle a. S. 
ist eine Abteilung der Aktiengesellschaft Wegelin & Hübner in 
Halle a. S. unter äußerer Selbständigkeit geworden, die schon 1901 
die Hallesche Union und die Fabriken Naas & Littmann und 
H. W. Seiffert in sich aufgenommen hat. — Die Aktiengesellschaft 
Freudenstein & Co. ist in den Besitz der Aktiengesellschaft Oren- 
stein & Koppel übergegangen und mit Arthur Koppel, A.-G., ist eine 
Interessengemeinschaft geschlossen. Damit ist ein einheitliches Zu- 
sammenarbeiten der drei größten deutschen Unternehmungen der 
Feld- und Kleinbahnindustrie und die Beseitigung der bisherigen 
Konkurrenz unter ihnen herbeigeführt. 8 ) 

Durch die gemeinschaftliche Verwaltung zweier Werke werden 
die Handlungsunkosten beträchtlich vermindert. Die Verminderung 
der Generalunkosten durch Interessengemeinschaften oder Fusionen, bei 
denen die früher bestehenden Interessengegensätze nun behoben 
sind, beruht auf verschiedenen Ursachen. Während früher jedes 
Unternehmen z. B. Offerten mit kostspieligen Konstruktionszeichnungen 
und Kalkulationen zum Wettbewerb einreichte und jedes bedeutende 
Summen Geld nutzlos verausgabte bis auf die eine Firma, deren 
Projekt angenommen wurde, unternimmt es jetzt nur noch e i n Werk 
der in Interessengemeinschaft arbeitenden Firmen. Dadurch kann 
die Zahl der Konstrukteure und Kalkulatoren auf ein Mindestmaß 
herabgesetzt werden. Während vor dem Zusammenschluß drei Unter- 
nehmer in einer Stadt vielleicht drei Filialen unterhielten und Agenten 
wie Reisende beschäftigten, werden diese drei Filialen nach der 



M Vgl. Frankfurter Zeitung, Handelsztg., 6. V. 1905. 

») Prospekt der Aktiengeaellschaft vorm. Orenstein & Koppel, 18. IX. 06 



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— 80 — 

Kombination in eine Filiale zusammengelegt, die Agenten und Reisen- 
den teilweise überflüssig und nur die tüchtigsten unter ihnen werden 
weiter tätig sein. „The combination, bringing together numerous 
establishments of the same kind is enabled to select the moat 
skilful men to place in charge." 1 ) 

Wird die Interessengemeinschaft gar zu einer Betriebskombina- 
tion ausgedehnt, so werden noch größere Ersparnisse gemacht durch 
die Zusammenlegung der Werkstätten. Es werden dadurch einige 
Fabrikräume frei, die anderweitig Verwendung finden können, teils 
werden auch die Maschinen eine vorteilhaftere Ausnutzung erfahren 
können. Durch die Zusammenschüttung der Aufträge wächst auch 
die Zahl der gleichen Teile, die M assenfabrikation kann rationell 
einsetzen und durch ihre größere Zahl wird der Arbeitslohn sinken 
und damit ebenfalls die Höhe der Produktionskosten. Durch deu Aus- 
tausch ferner von Betriebserfahrungen und durch gemeinschaftliche 
Laboratorien und Patentbureaux , in denen oft Hunderttausende für 
Versuchszwecke verausgabt werden, treten gleichfalls wesentliche Ein- 
schränkungen ein. 

Auch werden durch die Vereinigungen viele Patentstreitigkeiten 
vermieden und die Gefahr der Anfechtung der Patente geringer; die 
Produktion kann daher ungestörter betrieben werden. 8 ) 

Außerdem aber machen die Kombinationen, soweit sie sich auf 
nebeneinander herlaufende Betriebe beziehen, gegen Schwankungen in 
der Konjunktur stabiler , „sie gewähren durch die Verschiedenheit der 
Erzeugnisse einen Ausgleich der Verluste und Gewinne in den eiuzelnen 
Fabrikationsabteilungen". 8 ) Es handelt sich dabei meist um die 
Zusammenfügung von Spezialbetrieben, deren Tätigkeit dadurch in- 
einander greift, daß entweder der Abfall weiter verarbeitet wird oder 
daß Hilfsarbeiten, die vordem von fremden Fabrikeu bezogeu wurden 
nun in eigener Regie besorgt werden. „ Die Organisation dor kombi- 
nierten Werke bietet also eine ArtRentabilitätsversicherung, 
und welche ungeheuren Vorteile eine gleichmäßige Rentabilität der 
Industrie für das Funktionieren des ganzen volkswirtschaftlichen 
Mechanismus bietet, braucht nicht erst hervorgehoben zu werden." 4 ) 

In der Tat führt also, wie an dieser Stelle nicht mehr ausgeführt 

>) J. W. Jenks, The trust probletn, 8. 41, 1905, Washington. 
*) Aus diesen Gedanken heraus sind Patentvereinbarungen zwischen der 
A. E. G. und der General Electric Co. (U. St. A.) getroffen. 
3 ) Heyraann a. a. O., 8. 229. 
*) Ebendort. 



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— öl — 



werden soll, der betretene Weg des Zusammenschlusses in der 
straffen Form des Einheitsbetriebes oder in der losen 
Form der Interessengemeinschaften durch gesteigerten Um- 
satz eine wirksame und erfolgreiche Reduktion der Unkosten herbei. 
Es werden infolgedessen die Produktionskosten in den zu einer Ge- 
meinschaft verbundenen Unternehmungen niedrigere werden. Die 
Rentabilität aber wird gleichzeitig steigen. Daß bei diesem Auf- 
saugungs- und Angliedern ngsprozeß *) wiederum die Macht des 
größeren Kapitals Uber das kleinere sieghaft bleibt, ist bei genauer 
Kenntnis der modernen Wirtschaftsentwickluug nicht zu verwundern. 
Denn es liegt im Wesen der Konkurrenz, daß die durch 
Mangel an Kapital technisch nicht mehr gewachsenen Unter- 
nehmungen von der Bildfläche verschwinden. „So arbeitet die Kon- 
kurrenz darauf hin, die Kämpfer einander gleich zu machen. Ist 
dieser Zustand aber erreicht, so verliert die Konkurrenz ihren Gegen- 
stand, die Möglichkeit, sich auf Kosten des schwächeren Konkurrenten 
zu bereichern, verschwindet." 2 ) 

Das Streben, die Konkurrenz, wenn nicht ganz zu beseitigen, so doch 
zu beschränken und wenige große Riesenunternehmungen zu schaffen, 
ist ein typisches Merkmal der gegenwärtigen Wirtschaftsentwicklung. 
Es kann kaum bestritten werden, daß durch die Konzentrationen, 
durch die Zusammenballung des Kapitals in wenige Unter- 
nehmungen die Produktion erst rationell und dem heutigen hohen 
Stande der Technik entsprechend durchgeführt werden kann, daß erst 
durch die „wachsende Unpersönlichkeit des Kapitalverhältnisses" der 
ungeheure Fortschritt in der Produktionsvermehrung und -verbilligung 
erzielt worden ist. Durch die Beherrschung eines großen Teils des Wirt- 
schaftsmarktes durch wenige Betriebe wird eine Produktionsregelung 
erzielt, „die im engen Anschluß an die Gestaltung des Verbrauches 
ohne unnötige Vergeudung von Kapital und Arbeitskraft die Güter- 
erzeugung durch einen zentralen Willen zu bestimmen im stände ist". 3 ) 

') Vgl. Bericht der Berliner Handelskammer, 1904, 8. 9. 

») Jeidel«, 0., a. a. (X, S. 87. 

») Calwer, Handel und Wandel, 1902, II, S. 15. 



MTl « 



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Schluf 8. 



Faßt man das Ergebnis der Betrachtung kurz zusammen, so er- 
gibt sich, daß der Einfluß des Kapitals in der modernen 
Wirtschaftsepoche eine solche Bedeutung auf die Produktion ge- 
wonnen hat, daß es dem privaten Ein z el Unternehmer mit be- 
schränktem Kapital nicht möglich ist, gegen die Großbetriebe 
auf die Dauer den Wettkampf zu bestehen. Wenn Ehrenberg 1 ) 
glaubt, daß es in der Volkswirtschaft vor allem tüchtiger Einzel- 
unternehmer bedarf, „deren Unternehmungsgeist mit Besonnenheit 
und klugem Abwägen von Chance und Risiko gepaart ist", so heißt 
das doch, den Stand unseres gegenwärtigen Wirtschafts- 
lebens verkennen, in Zeiten, in denen neue Einzelunternehmungen 
in der Industrie nur vereinzelt entstehen und die schon bestehenden 
rajt der Zeit verschwinden oder in unpersönliche Gesellschaftsformen 
umgewandelt werden. 2 ) 

Die Befürchtung, die vielfach laut wird, daß durch die fort- 
gesetzte Entwicklung der Großbetriebe der Mittelstand, der kleine 
Unternehmer zerrieben werde, ist nur in gewissem Sinne als richtig 
anzuerkennen. Der kleine selbständige Unternehmer verschwindet 
zwar in den hier in Betracht gezogenen Industriezweigen, aber der 
gleiche Stand bleibt trotzdem bestehen, wenn auch in anderer 
Form. Der früher selbständige Unternehmer wird jetzt Angestellter 
der Großbetriebe und es bildet sich ein Privatbeamtenstand 
heraus, der genau dem Mittelstand entspricht. Wenn in der Über- 
gangsperiode einzelne Existenzen, die sich dem modernen Ge- 



*) Ehreuberg, R., Sozialreform und Unternehmer. Jena, 1904, S. 2«. 
*) Bericht der berliner Handeltkammer. 1904, S. 9. 



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— 83 — 



füge nicht anpassen wollen oder können, untergehen, so darf diese 
Erscheinung nicht der Entwicklungstendenz als Vorwurf angerechnet 
werden. Vielmehr erscheint es wünschenswert, den betretenen 
Weg zum Großbetriebe mit Kapitalsansammlung in der 
Maschinenindustrie mit äußerster Konsequenz zu ver- 
folgen; denn auf ihm ist Deutschland aus einem Agrarstaat zu einem 
blühenden, der ganzen Welt Achtung abfordernden Industrie- 
staat geworden zum Wohle der gesamten deutschen Volkswirtschaft. 



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Rippert ft Co. (O. Pätz'scbe Buchdr \ Naumburg a. 8. 



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I 



Lebenslauf. 

Am 9. Juni 1880 wurde ich, Kurt Rathenau, zu Berlin als 
Sohn des Rentiers Oskar Rathenau und seiner Ehefrau Heroine, geb. 
Goldberger, geboren. Ich gehöre der mosaischen Religion an. — 
Meinen ersten Unterricht erhielt ich im elterlichen Hause und be- 
suchte dann das Königliche Wilhelms«Gymnasium zu Berlin bis zum 
Jahre 1898. Michaelis 1899 bestand ich an dem Herzoglichen 
Gymnasium Ernestinum zu Gotha die Reifeprüfung. Von Oktober 
1899 bis Oktober 1900 arbeitete ich praktisch als Maschinenbau- Eleve. 
Nach Ableistung meines Dienstjahres studierte ich 2 Semester in 
München und 3 Semester in Berlin an der Technischen Hochschule 
«las Maschinenbaufach. Ostern 1904 wandte ich mich der National- 
ökonomie zu und studierte 2 Semester an der Berliner Universität 
und 2 Semester an der Universität Halle Philosophie. Ich hörte die 
Vorträge der Herren Professoren Schmoller, Wagner, Zahn, 
Pansche, Riedler, Slaby, Schlesinger, Warschauer in 
Berlin, Conrad, Wäntig, Dorn, Riehl, Vaihinger in Halle. 

Allen meinen hochverehrten Lehrern schulde ich ehrfurchtsvollen 
Dank; insbesondere aber drängt es mich, Herrn Geh. Reg.-Rat 
Paasch e, welcher mir die erste Anregung zu der Arbeit gab, und 
Herrn Geh. Reg.-Rat J. Conrad, welcher die Fassung der Arbeit 
gab und mich während der Ausarbeitung stets in liebenswürdigster 
Weise mit seinem Rat unterstützte, den aufrichtigsten Dank auszu- 
sprechen. 



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